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German Pages [362] Year 2016
Marco Claas
Der Aufstieg der Falange EspaÇola Faschistische Kultur und Gewalt im Nordwesten Spaniens 1933–1937
Mit 13 Abbildungen
V& R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-7370-0619-4 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de 2016, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Aus der Posterkollektion des Imperial War Museums London (EspaÇa, una, grande, libre, 1936, Imperial War Museum, Spanish Civil War Poster Collection, Art. IWM PST 8828)
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die »Spanische Krise« in der Zweiten Spanischen Republik . . . . . . . Politische Lagerbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die soziale, wirtschaftliche und politische Situation in Galicien . . . .
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JONS: Die Anfänge des Faschismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Avantgardekunst, der Begriff »Falange« und die Gründung der JONS Gewalt und Nationalsyndikalismus: Die »Nationale Revolution« der JONS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . JONS in Galicien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Falange in der Geschichtskultur Spaniens . . . . . . . . . Inhaltlich-methodische Herangehensweise an das Thema und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die politische und militärische Organisation der Falange . . . . . . . . Der »literarische Hof« Jos8 Antonio Primo de Riveras . . . . . . . . . Vereinigung von Falange und JONS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Falange in Galicien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Hinter Gittern« und davor : Die Falange zwischen dem 15. März und dem 18. Juli 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Mitgliederentwicklung und die falangistischen Körperschaften von Oktober 1933 bis Juli 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sozial- und Altersstruktur der Falange während der Zweiten Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Numerische Entwicklung und geographische Verteilung während der Zweiten Spanischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flechas: Die »jugendliche erste galicische Ernte« . . . . . . . . . . . Sindicato EspaÇol Universitario (SEU): »Die Anmut und die Hefe der Falange« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seccijn Femenina: Die Stütze der Falange . . . . . . . . . . . . . . . CONS: Der Gewerkschaftsarm der Falange . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Militäraufstand vom 18. Juli 1936 und die Falange im Krieg . . . . .
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Faschismus: Gewalt, Gemeinschaft und Symbolpolitik . . . . . . . . Internationaler Faschismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbolkampf und Parteiwerbung: »Mitglieder erfassen, Mitglieder erfassen, Mitglieder erfassen – und nichts weiter« . . . . . . . . . . Gewalt auf der Straße bis Juli 1936: Schlägereien, Messerstechereien und Schusswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ästhetisierung der Gewalt: Kleidung, Auszeichnungen und Choreographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der falangistische Totenkult: »Lebens- und Sterbenskunst« . . . . Selbst- und Fremdbilder während der Zweiten Spanischen Republik Land, Glaube, Nationalismus: Die falangistische Agrargemeinschaft und die »spirituelle Revolution« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Mann der Waffe und der Schrift« . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlechterbilder : Todessehnsüchtige Krieger und helfende Frauenhände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Parteiführer: »Leitender Poet« (poeta conductor) oder »feiner Herr« (seÇorito)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Behauptung, eine eigene Sprache zu besitzen . . . . . . . . . Falangistische Erbauungspoesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antithetisches Sprechen: Spanien und Anti-Spanien . . . . . . . Raumvorstellungen: Vertikales Streben . . . . . . . . . . . . . . . Zeitvorstellungen: Historische Mythen und das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilder von Grenzerfahrung und Übergang: Traumwelten und Naturmetaphern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Mitgliederentwicklung und falangistische Körperschaften Juli 1936–April 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Numerische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jugendliche als Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Rückgrat der Kriegswirtschaft: CONS . . . . . . . . . . . . . Seccijn Femenina im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Lager der Aufständischen: Wettlauf um die Macht oder »eine Bewegung«? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gewalt im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewalt und Öffentlichkeit: Der erste Medienkrieg der Geschichte . . . Teil einer neuen Staatsgewalt: Kontroll-, Wach- und Sicherheitsdienste Gewalt und Selbstbereicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinrichtungen: »Säuberungen« und »Spaziergänge« . . . . . . . . . . Verfolgungsjagden und das »Kesseltreiben« . . . . . . . . . . . . . . . Spontane Gewaltausbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konfiskationen, Lebensmittelrationierungen und der Beginn der Zwangsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Schützengrabenkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215 215 222 228 233 240 248 254 258
Propaganda und Rituale im Krieg . . . . . . . . . . . . . . Festumzüge und Paraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturveranstaltungen: Theater, Konzerte und Stierkämpfe Der Umgang mit den Kriegstoten . . . . . . . . . . . . . .
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Das Vereinigungsdekret vom 19. April 1937: Franco übernimmt die Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Selbst- und Fremdbilder im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . »Mann der Waffe und der Schrift« oder doch »Mönchssoldat«? Mythos des überlegenen ruralen Spaniens: Der Galicier als Falange-Prototyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanier als Russen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mütter und Freundinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Cäsarenkult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körperbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Fortsetzung falangistischer Geschichtsvisionen . . . . . . . Sternenbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Zur Fertigstellung der vorliegenden Dissertation war viel organisatorische Arbeit vonnöten, deren Bewältigung nur durch die Unterstützung hilfsbereiter Menschen gemeistert werden konnte. Ich möchte mehreren Personen und Institutionen für ihre Hilfe danken. Allen voran gilt mein Dank meiner Doktormutter Stefanie Schüler-Springorum, die mir, immer wenn ich es einforderte, mit Rat und Tat zur Seite stand. Wertvollen Austausch verdanke ich auch dem Zweitgutachter der Arbeit, Frank Golczeswki, in dessen Kolloquium ich mehrfach Teile der Arbeit vorstellen konnte. Finanziell wurde die Dissertation von der Gerda Henkel Stiftung unterstützt. Ohne das gewährte Promotionsstipendium wäre die Durchführung dieses Forschungsvorhabens nicht möglich gewesen: Danke dafür. Auch die Bibliotheks- und Archivrecherchen in Spanien wurden mir durch fachliche Ratschläge erleichtert. So haben mir Xos8 Manoel NuÇez Seixas und Emilio Grand&o Seoane Orientierung in Hinblick auf die für meine Arbeit wichtigen Archive geboten. Besonderer Dank gilt den kundigen Mitarbeitern des Archivo Historico Militar in ]vila, die mir bei meinen zahlreichen Besuchen wochenlang Dokument für Dokument geduldig auf meinen Schreibtisch luden. Im Prozess der Manuskriptfertigstellung halfen mir eine Reihe kritischer Leser, denen ich für anregende Hinweise und Diskussionen danken möchte: Moritz Florin, Gerrit Brüning, Kristof Gundelfinger und Sebastian Kubon. Zu guter Letzt möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, vor allem für den Zuspruch in den schwierigen Phasen des Arbeitsprozesses.
Einleitung
Straßenschild zum Gedenken an Falange-Gründer Jos8 Antonio Primo de Rivera
Falange-Graffiti und Gegen-Graffiti1
Die Falange in der Geschichtskultur Spaniens Das yugo y flechas, das von einem Pfeilbündel durchstoßene Joch, ist das Parteisymbol der faschistischen »Spanischen Phalanx« (Falange EspaÇola), die am 29. Oktober 1933 in Madrid gegründet wurde. Die photographischen Abbildungen des yugo y flechas stammen aus den Jahren 2008 und 2012. Auf der ersten Photographie ist ein Straßenschild in der galicischen Hafenstadt A CoruÇa zu sehen. Es handelt sich um ein Schild, das Jahrzehnte lang an der CoruÇeser Hauptverkehrsader Cantones de Jos8 Antonio hing, ehe die Regierung es im Mai 2008 abnehmen ließ und der Straße den Namen Cantjn pequeÇo gab.2 Das Schild 1 Photographien vom Autor erstellt. 2 E. Silveira: El ayuntamiento retira la placa franquista del Cantjn PequeÇo, in: La Voz de Galicia, 22. 5. 2008.
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Einleitung
war an der Hauswand des zentralen Bankgebäudes der Banco Pastor angebracht. Die Straße trug ihren Namen zu Ehren von Jos8 Antonio Primo de Rivera y S#enz de Heredia: Graf von Eliseda, Anwalt, Sohn des zwischen 1923 und 1930 in Spanien regierenden Diktators, Miguel Primo de Rivera, und – dies der ausschlaggebende Grund für die Benennung der Straße – Gründer der Falange EspaÇola. Seit dem Tag ihrer Entstehung war die Falange nämlich nicht nur eine politische Partei gewesen, sondern auch eine paramilitärische Bewegung. Die Falangisten hatten dazu beigetragen, dass eine Reihe aufständischer Generäle am 18. Juli 1936 einen Militärschlag gegen die republikanische Regierung Spaniens initiieren und nach einem dreijährigen Bürgerkrieg eine Diktatur errichten konnte, die 40 Jahre lang Bestand haben würde. General Franco, schon bald nach Beginn des Putsches alleiniger Anführer der Aufständischen, war der größte politische Nutznießer dieses Krieges. Im Nachhinein ehrte er die Unterstützung der Falangisten, indem er hunderten Straßen und Plätzen den Namen des Falange-Führers verlieh, so auch in A CoruÇa. Sechs Jahre vor der Abnahme des Straßenschildes, im Jahr 2002, hatte der Journalist Emilio Silva die »Vereinigung zum Wiedererlangen des historischen Gedächtnisses« (Asociacijn para la recuperacijn de la memoria histjrica, ARMH) gegründet. Silva wollte die staatliche Exhumierung seines im Bürgerkrieg getöteten Großvaters erwirken. Seine Bemühungen gaben den Anstoß für die Gründungen von ARMH-Zentren in ganz Spanien. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger begannen nun, ihre Forderungen nach flächendeckenden Öffnungen von Massengräbern und nach Verbrechensaufklärungen aus dem Spanischen Bürgerkrieg zu erheben.3 Gleichzeitig setzte sich die ARMH für die Rücknahme der in vielen Landesteilen noch sichtbaren franquistischen Symbole ein, Überbleibsel einer Diktatur, die zwar 1975 mit dem Tod Francos beendet worden war, aber im öffentlichen Raum nach wie vor große Präsenz besaß. Auch in A CoruÇa wurden diese Forderungen laut. Der Vorsitzende des örtlichen ARMH-Zentrums, Manuel Monge, sagte noch im Mai 2008 über A CoruÇa, die Stadt sei die »Hauptstadt der franquistischen Symbolik«.4 Zwei Monate, nachdem die Photographie des Straßenschildes entstanden war, wurde das Schild entfernt. Die zweite Photographie aus dem August 2012 zeigt eine Trennwand an einem Parkplatz in der galicischen Stadt Lugo. Das yugo y flechas ist hier als Graffito zu sehen. Neben dem falangistischen Symbol ist ein für die Partei typischer Slogan zu lesen: Viva EspaÇa. Allerdings ist das yugo y flechas nur schwer zu erkennen. Andere politische Parolen sind über das Graffito geschrieben worden. Zum 3 Emilio Silva: Las fosas de Franco: Crjnica de un desagravio, Madrid 2008; Emilio Silva: Las fosas de Franco: Los republicanos que dejj el dictador en las cunetas, Madrid 2003. 4 El alcalde comienza a eliminar s&mbolos franquistas, in: La Opinion, 22. Mai 2008.
Die Falange in der Geschichtskultur Spaniens
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Beispiel ist in galicischer Sprache zu lesen: »Das Land wird nicht verkauft – Unabhängigkeit und Sozialismus« (»A terra non se vende – independencia y socialismo«). Zudem ist das yugo y flechas durchgestrichen. Wer genau hier seine politische Meinung kundtut, bleibt zwar ungewiss: Das Sprühen von Graffitis ist ein illegaler Akt, die Urheber wollten bewusst unerkannt bleiben. Doch wird deutlich, dass es sich um einen bildlichen Kommentar handelt, durch den eine galicisch-nationalistische Position der falangistischen Parole »Es lebe Spanien« (Viva EspaÇa) gegenübergestellt wird. Trotz der Anonymität der Sprayer geben die Farbspuren Zeugnis einer öffentlichen Auseinandersetzung mit der spanischen Vergangenheit. Vergleichen wir die beiden Bilder und die Geschichte der darauf sichtbaren Symbole, zeigt sich ein ganz unterschiedlicher Umgang mit dem historischen Erbe Spaniens. Zum einen geht es um die Verhandlung über die offizielle Erinnerung an die Zeit von Bürgerkrieg und Diktatur : Darf ein demokratisches Land weiterhin Straßen mit Namen von Personen führen, die eine Diktatur begünstigt haben? Zum anderen geht es um die Erinnerung jenseits des offiziellen politischen Diskurses und nicht zuletzt um die gegenwärtige Politik in Spanien: Woran soll diese sich orientieren? An einem starken Regional- oder einem überhöhten Nationalbewusstsein? Soll sie vielleicht zentralistisch oder sozialistisch ausgerichtet sein? Es ist diese Auseinandersetzung um die Zeichen der Geschichte sowie die rege öffentliche Debatte um das politische Selbstverständnis Spaniens, die den Spanischen Bürgerkrieg auch im 21. Jahrhundert aktuell erscheinen lassen. Obwohl der Kriegsbeginn nunmehr 80 Jahre lang zurückliegt, ist die Phase der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts im Spanien von heute so präsent wie kaum ein anderer Teil der spanischen Geschichte. Regelmäßig wird deutlich, dass öffentliche Stellungnahmen zu Bürgerkrieg und Franco-Diktatur politischen Zündstoff beinhalten. So wurde der bekannteste Verteidiger der Repressionsopfer, der Amtsrichter Baltasar Garzjn, infolge einer Klage der rechtsextremen Organisation Manos limpias ab April 2010 wegen Rechtsbeugung mit einem vorläufigen Berufsverbot belegt. Der juristische Streit zog ein breites mediales Echo und mehrere Großdemonstrationen nach sich.5 Im Februar 2012 erkannte 5 Im April und Mai 2010 fanden regelmäßig öffentliche Demonstrationen für die Fortsetzung des von Garzjn eingeleiteten Verfahrens wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« im Bürgerkrieg und im Franco-Regime statt. Die teilweise sehr polemische Debatte wurde auch in der Tageszeitung El Pa&s ausgetragen, wobei es um die im Bürgerkrieg verübten Gewalttaten und den Umgang mit ihnen im heutigen Spanien ging. Vgl. Joaqu&n Leguina: Enterrar a los muertos, in: El Pa&s, 24. April 2010; Almudena Grandes: La condicijn miserable, in: El Pa&s, 9. Mai 2010; Teodulfo Lagunero: Enterrar a los asesinatos por los fascistas, in: El Pa&s, 29. Mai 2010; Javier Cercas: La puÇetera verdad, in: El Pa&s, 6. Juni 2010; Jorge Riechmann: Ptica y pol&tica, in: El Pa&s, 9. Juni 2010; Joaqu&n Leguina: Yvuelta la burra al trigo, in: El Pa&s, 10. Juni 2010; Jorge M. Reverte: Los muertos de todos, in: El Pa&s, 18. Juni 2010. Zu den Auswirkungen
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Einleitung
der oberste spanische Gerichtshof zwar die Bemühungen Garzjns zur Gleichbehandlung der Kriegsopfer an und sprach den Richter vom Vorwurf der Pflichtverletzung frei. Allerdings, so der Urteilspruch, besitze das 1977 erlassene Amnestiegesetz weiterhin Rechtsgültigkeit; Garzjn dürfe die Kriegsverbrechen somit nicht, wie versucht, im Rahmen des internationalen Straftatbestandes der »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« bewerten.6 Am 30. September 2013 forderte schließlich die UNO die Spanische Regierung auf, das besagte Amnestiegesetz aufzuheben und mehr für die Aufklärung der Verbrechen zu tun.7 Diese Forderung nach der Aufhebung des Gesetzes und »angemessenen Sanktionen« für Verantwortliche von Gewalttaten wurde von der UNO im Juli 2015 wiederholt.8 Im Wahlkampf Mitte 2016 war es vor allem die neu auf der politischen Bühne auftretende Linkspartei Podemos Unidos unter ihrem Führer Pablo Iglesisas, die Stellung gegen das franquistische Erbe bezog und sich der Opfer dieser Zeit erinnerte.9 Tatsächlich standen besagte Verbrechen und Gewalttaten sowie ihre Ursachen lange Zeit nicht nur außerhalb des öffentlichen, sondern ebenso außerhalb der wissenschaftlichen Betrachtung. Bis Ende der 1970er Jahre war die Spanische Geschichte des 20. Jahrhunderts als eine Geschichte von Siegern und Verlierern geschrieben worden. Das franquistische Lager führte dabei die Feder. Nur außerhalb Spaniens konnte eine freie wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
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der Diskussion über den Umgang mit den Kriegstoten auf Entwicklungen innerhalb der Geschichtswissenschaft vgl. Hugo Garc&a: La historiograf&a de la Guerra Civil en el nuevo siglo, in: Ayer 62/2006 (2), S. 285–305, S. 287. Als Garzjn juristisch gegen die Gewaltverbrechen vorging, die während der argentinischen und chilenischen Diktatur verübt worden waren, hatte er mit der Anklage wegen dieses internationalen Straftatbestandes Erfolg. Vgl. El supremo considera que Garzjn errj, pero no prevaricj, y lo absuelve in: El Pa&s, 27. Februar 2012 [http://politica.elpais.com/politica/2012/ 02/27/actualidad/1330340276_898741.html]. Eine weitere Welle der öffentlichen Kritik wurde laut, nachdem im Mai 2011 die ersten 25 Bände des von der Real Academia EspaÇola herausgegebenen Diccionario Biogr#fico EspaÇol fertigstellt wurden, worin das Franco-Regime als »autoritär, aber nicht totalitär«, die republikanische Regierung Juan Negrins hingegen als »quasi diktatorial« beschrieben wird. Es ist bezeichnend für die historiographische Auseinandersetzung, dass im April 2012 eine Gegenversion dieses Nachschlagewerkes veröffentlicht wurde, und zwar von 33 Experten der Spanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, die bei der Erstellung des Diccionario Biogr#fico EspaÇol nicht berücksichtigt worden waren. Das Werk trägt den Titel Angel ViÇas (Hg.): En el combate por la historia, Barcelona 2012. Natalia Junquera AÇjn: Naciones Unidas reclama a EspaÇa juzgar las desapariciones del franquismo, in: El Pa&s, 30 September 2013. Jos8 Mar&a Gimenez G#lvez: Los 11 reproches de la ONU a EspaÇa sobre derechos civiles y pol&ticos. El Comit8 de Naciones Unidas insta al Gobierno a derogar la Ley de Amnist&a de 1977, in: El Pa&s, 23.7 2015. [http://politica.elpais.com/politica/2015/07/23/actualidad/ 1437652718_820553.html]. Julia Macher : Der Pakt des Schweigens. Der Spanische Bürgerkrieg und die Pendelschläge der Geschichtspolitik, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 7, 2016, S. 102–110, S.102 u. S. 110.
Die Falange in der Geschichtskultur Spaniens
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der Vergangenheit stattfinden. Erst im Laufe der 1980er Jahre konnte ein gemeinsamer, nationaler und internationaler kritischer Blick auf die Geschichte geworfen werden. Seit den 1990er Jahren rückte das Thema »Gewalt« in den Fokus der wissenschaftlichen Beschäftigung. Dabei wurde vor allem über die Opfer gesprochen, was einen guten Grund hatte: Die Oktroyierung einer offiziellen Geschichtsversion in der Zeit der franquistischen Diktatur sowie das systematische Verschweigen tausender Gewalttaten. Kurzum, die Geschichtswissenschaft wandte sich sehr spät denjenigen zu, die unter Gewalt gelitten hatten; die Gesellschaft hatte diesbezüglich historiographischen Nachholbedarf. Mittlerweile lässt die Vielzahl regionaler Studien zum Spanischen Bürgerkrieg die ersten auf ganz Spanien bezogenen qualitativen Bewertungen der Gewalttaten zu. Gleichzeitig bleiben, wie Jos8 Luis Ledesma 2009 in seinem ausführlichen historiographischen Überblick Las violencias en la Guerra Civil y la historiograf&a reciente zusammenfassend festgestellt hat, zentrale Fragen weiterhin offen: Welche sozialen, politischen, sprachlichen und kulturellen Aspekte hatte die Gewalt? Wer waren die Gewaltakteure? Was waren ihre Motive? Und wie entwickelte sich die Gewalt in den ersten sechs Kriegsmonaten, in denen rund zwei Drittel der gesamten Kriegsopfer starben?10 Da zur Gewalt nämlich insbesondere auch diejenigen gehören, die sie in unterschiedlichsten Formen etablieren und anwenden, liegt an dieser Stelle der analytische Fokus auf dem Lager der anti-republikanischen Kräfte und vor allem auf der Falange EspaÇola, die mit dem Falangismus eine spanische Variante des Faschismus zu verwirklichen versuchte.11 Der Aufstieg der Falange zur Massenbewegung ging mit einer sich zwischen 1933 und 1937 entwickelnden Dynamik faschistischer Gewalt- und Kulturverbreitung einher. Die Falange gewann in den 1930er Jahren nicht nur wegen ihrer politischen Fernwirkung auf die franquistische Diktatur an Bedeutung, sondern trug – das ist die Ausgangsthese dieser Falange-Geschichte – gerade durch ihre »Gewaltkultur« zur Schwächung der Zweiten Spanischen Republik bei und hatte, dies vor allem, unmittelbaren Einfluss auf die ausufernde Gewalt der ersten Kriegsmonate. Mit »Gewaltkultur« ist hier die Beförderung eines Klimas der Gewalt gemeint, und zwar nicht bloß
10 Jos8 Lu&s Ledesma: Del pasado oculto a un pasado omnipresente: Las violencias en la Guerra Civil y la historiograf&a reciente, in: Javier Rodrigo, Miguel ]ngel Ruiz Carnicer (Hg.): Guerra Civil. Las representaciones de la violencia, Revista de Historia Jerjnimo Zurita, 2009, S. 163–188, S. 184 und S. 186. 11 Javier Rodrigo hat kürzlich auf die Bedeutung der Gewalt als zentrales »faschistisches Element« im Falangismus hingewiesen, vgl. Javier Rodrigo: A este lado del bistur&. Guerra, fascistizacijn y cultura falangista, in : Miguel ]ngel Ruiz Carnicer (Hg.): Las culturas pol&ticas del fascismo en la EspaÇa de Franco (1936–1975), Zaragoza 2013, S. 143–167, S. 151– 152.
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Einleitung
durch körperliche Gewalttaten, die ohne Zweifel dazu gehörten, sondern auch durch die Verbreitung sprachlicher und bildlicher Gewaltvorstellungen.
Inhaltlich-methodische Herangehensweise an das Thema und Forschungsstand Wesentliches Anliegen dieser Geschichte des Falangismus ist es, die Phase des Aufstieges der Falange von unten und von den Rändern her darzustellen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen deshalb Fragen nach der sozialen Zusammensetzung der Falange, nach den persönlichen Überzeugungen und Selbstbildern der Milizionäre sowie nach ihren Alltagserfahrungen. Ferner geht es um die »diskursive Praxis« der Falangisten.12 Neben der nationalen Führung der Falange soll deshalb vor allem die regionale Parteistruktur und der Transfer zwischen diesen beiden Ebenen untersucht werden. Methodisch ist für eine solche Art der Analyse ein ständiger Perspektivwechsel vonnöten. Nur auf diese Weise kann nachvollzogen werden, wie Makro- und Mikrohistorie ineinandergreifen.13 Hinsichtlich der Quellenbearbeitung kommt Propagandaplakaten genauso viel Bedeutung zu wie Mitgliederstatistiken. Das Verfahren, kulturelle Symbole und empirische Daten in gleichwertiger Weise zur Analyse heranzuziehen, ist angeregt vom Plädoyer Silvia Serena Tschopps, demzufolge die historiographischen Paradigmen der »Klassischen Sozial- und Politikgeschichte« und diejenigen der »Neuen Kulturgeschichte« nicht als Widerpart zu verstehen sind, sondern vielmehr als komplementäre Ansätze, die es vermögen, den »Radius historischer Erkenntnis« zu erweitern.14 Diese Sozial- und Kulturgeschichte der Falange hat darüber hinaus ihren Ausgangspunkt im ruralen Spanien, was auch dem bislang vorherrschenden Bild des spanischen Faschismus geschuldet ist. Ein Großteil der historischen Wissenschaft – und solcher, die es vorgibt zu sein – ist sehr stark am geographischen und geistigen Zentrum des Falangismus orientiert gewesen: Madrid. Allzu oft wurde die Geschichte der hauptstädtischen Falange mit der Geschichte 12 »Diskursive Praxis« wird hier mit Michel Foucault als die Produktion eines Sinnzusammenhanges durch sprachliche und körperliche Handlungen, aber auch durch architektonische und institutionelle Gegebenheiten verstanden, dem zwar bestimmte Machtstrukturen zugrunde liegen, der jedoch gleichzeitig Machtstrukturen erzeugt. Siehe Michel Foucault: Archäologie des Wissens, Frankfurt a. M. 1981, S. 74. 13 Gianna Pomata: Combining Close-ups and Long-Shots. Combining Particular and General in Writing the Histories of Women and Men, in: Hans Medick, Anne-Charlotte Trepp (Hg.): Geschlechtergeschichte und Allgemeine Geschichte. Herausforderungen und Perspektiven, Göttingen 1998, S. 99–124. 14 Silvia Serena Tschopp: Die neue Kulturgeschichte – eine (Zwischen-)Bilanz, in: Historische Zeitschrift, Band 289, 2009, S. 573–605.
Inhaltlich-methodische Herangehensweise an das Thema und Forschungsstand
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der gesamten falangistischen Bewegung gleichgesetzt.15 Das Interesse galt dabei vielfach allein den führenden Falange-Funktionären und vor allem dem Parteiführer Jos8 Antonio Primo de Rivera,16 der selten kritisch,17 häufiger jedoch als »Visionär«,18 als »Staatsphilosoph und Poet«19 oder sogar als faschistischer Gegenspieler Federico Garcia Lorcas dargestellt wurde, gegen den der berühmte spanische Dichter seine Theaterstücke sowohl nach dem Vorbild der Kunsttheorie Walter Benjamins als auch im Sinne des Anti-Faschismus entworfen habe.20 Eine andere Tendenz in der neueren populären Geschichtsbetrachtung besteht darin, die Person Jos8 Antonio Primo de Rivera völlig losgelöst von der Falange zu bewerten und zu behaupten, dass, wenngleich die Falange auch in viele Gewalttaten verwickelt gewesen sei, der Führer damit auf jeden Fall nichts zu tun gehabt habe.21 15 Das gilt vor allem für wenig kritische rechtspopulistische Publikationen wie: Jos8 Luis Jerez Riesco: El Madrid de la Falange, Madrid 2006. 16 Schon 2002 haben Jos8 D&az-Nieva und Enrique Uribe in einer Bibliographie 518 Einzelreferenzen zu Jos8 Antonio Primo de Rivera festgehalten. Jos8 D&az-Nieva, Enrique Uribe: Jos8 Antonio: visiones y revisiones. Bilbiograf&a de, desde y sobre Jos8 Antonio Primo de Rivera, Madrid 2002. Zwei deutschsprachige Auseinandersetzungen, die sich vorwiegend auf den Parteiführer konzentrieren, sind: Frank Peter Geinitz: Die Falange EspaÇola und ihr Gründer Jos8 Antonio Primo de Rivera (1903–1936) im Rahmen der Bewältigung der Vergangenheit der Zweiten Spanischen Republik (1931–1939), München 2008; Norman Meuser : Nation, Staat und Politik bei Jos8 Antonio Primo de Rivera, Frankfurt a. M. 1995. 17 Ian Gibson: En busca de Jos8 Antonio, Barcelona 1980; eine kritische, wenngleich äußerst polemische Auseinandersetzung: Ces#r Vidal: Jos8 Antonio. La biografia no autorizada, Madrid 1996. 18 Francisco Funtes: Jos8 Antonio. La esperanza en el horizonte, Madrid 2003; J. Gil Pecharrom#n: Jos8 Antonio Primo de Rivera: Retrato de un visionario, Madrid 1996; Bernd Nellesen: Jos8 Antonio: Der Troubadour der spanischen Falange, Stuttgart 1965; Xim8nez de Sandoval: Jos8 Antonio. Una biografia apasionante, Madrid 1963. 19 Arnaud Imatz: Jos8 Antonio: Entre odio y amor : Su historia como fue, Barcelona 2006; Arnaud Imatz: Jos8 Antonio et la Phalange Espagnole, Paris 1981; Enrique de Aguinaga: Mil veces Jos8 Antonio: mil juicios y referencias personales, Madrid 2003; Jos8 Mar&a Garc&a de TuÇjn Aza: Jos8 Antonio y los poetas, Madrid 2003. 20 Lisa Nolan: A politics of the body : Jos8 Antonio Primo de Rivera’s fascism and Federico Garc&a Lorca’s Benjaminian response, in: Modern Drama, Volume 50, Nr. 1, 2007, S. 1–24. 21 Zuletzt schrieb Guillermo Valiente Rosell 2015 in diesem Sinne über die nationalen Versöhnungsabsichten von Jos8 Antonio Primo de Rivera und seinem Nachfolger Manuel Hedilla, vgl. Guillermo Valiente Rosell: El deseo falangista de reconciliacijn en la Guerra Civil: Los mensajes de Jos8 Antonio y Manuel Hedilla, in: Aportes, Nr 87, 2015, S. 115–134. Eine Besonderheit im Umgang mit dem Falange-Führer ist die, dass Jos8 Antonio Primo de Rivera als einziger politischer Akteur Spaniens des 20. Jahrhunderts mit seinem Vornamen in die Geschichte eingegangen ist, was, historiographisch betrachtet, nicht nur das Ziel hatte, ihn von seinem Vater, dem in Spanien zwischen 1923 und 1930 regierenden Diktator Miguel Primo de Rivera zu unterscheiden, sondern letztlich auch dabei half, ihn nach seinem frühen Tod im Alter von 33 Jahren zum »Schutzheiligen« der Franco-Diktatur zu erheben. Durch die konsequente Verwendung seines Vornamens ließ man den Falange-Führer volksnah erscheinen. Deshalb steht an dieser Stelle der Name Jos8 Antonio Primo de Rivera ausge-
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Einleitung
Zweifelsohne ist, auch wenn wir den Fokus der vorliegenden Untersuchung auf die Milizionäre der Falange legen, die Betrachtung Jos8 Antonio Primo de Riveras für uns ebenso von Bedeutung. Historisches Gewicht besitzen jedoch in erster Linie seine öffentlichen Darstellungen sowie seine Schriften und Reden, einschließlich derjenigen, die enge Vertraute unter seinem Namen entwarfen. Denn gerade die mit dem Namen Jos8 Antonio Primo de Rivera in Verbindung gebrachten Parolen, Phrasen und Sprachbilder prägten maßgeblich den falangistischen Diskurs, der wiederum Auswirkungen auf die Handlungen der Falange-Mitglieder hatte. Letztlich war Jos8 Antonio Primo de Rivera einer der bedeutendsten faschistischen Politiker Spaniens, von dem ein wirkmächtiges Bild entstand, das wiederum andere historische Akteure politisch funktionalisierten. Bestimmte Aspekte der Falange-Geschichte sind sehr gut untersucht. Dazu gehört die Erforschung der organisatorischen Seite von der Gründung der Falange bis zu ihrer Zersplitterung Ende der 1970er Jahre durch Autoren wie Stanley G. Payne, Sheelagh Ellwood, Joan Mar&a Thom/s sowie durch Jos8 Luis Rodr&guez Jim8nez.22 Die neueren Parteigeschichten von Paolo Rizza, Mercedes PeÇalba und Manuel Penella fassen ausschließlich die bereits bekannten Ergebnisse der vorangegangenen Studien zusammen.23 Den diplomatischen Verbindungen der Falange mit dem Italien Mussolinis hat sich bereits in den 1980er Jahren Ismael Saz Campos gewidmet, der erstmals sowohl die finanziellen Hilfen des faschistischen Italiens als auch die rhetorische Vorbildfunktion italienischer Theoretiker für die Falange hervorgehoben hat.24 schrieben. Zur öffentlichen Behandlung Jos8 Antonio Primo de Riveras als »Schutzheiliger«, siehe Stanley G. Payne: Fascism in Spain 1923–1977, Wisconsin 1999, S. 235–236. 22 Jos8 Luis Rodr&guez Jim8nez: Historia de Falange EspaÇola de las JONS, Madrid 2000; Joan Mar&a Thom/s: Lo que fue la Falange. La Falange y los falangistas de Jos8 Antonio, Hedilla y la Unificacijn. Franco y el fin de la Falange EspaÇola de las JONS, Barcelona 1999; Stanley G. Payne: Fascism in Spain 1923–1977, Wisconsin 1999; Stanley G. Payne: Franco y Jos8 Antonio: el extraÇo caso del fascismo espaÇol, Barcelona 1997; Stanley G. Payne: Social composition and regional strength of the Spanish Falange, in: Stein Ugelvik Larsen, Bernt Hagtvet, Jan Petter Myklebust (Hg.): Who were the fascists? Social roots of European fascism, Oslo 1980, S. 423–435; Stanley G. Payne: Falange: A history of Spanish Fascism, Stanford 1961; Sheelagh M. Ellwood: Prietas las filas. Historia de Falange espaÇola 1933–1983, Madrid 1984; Sheelagh M. Ellwood: Spanish fascism in the Franco era: Falange EspaÇola de las JONS, 1936–1976, Basingstoke 1987. Eine guten Überblick über Publikationen zur Falange vor 2005 gibt folgende Bibliographie: Jos8 D&az Nieva, Enrique Uribe Lacalle (Hg.): El yugo y las letras, Madrid 2005. 23 Paolo Rizza: La Falange Spagnola. Origine ed essenza di un movimiento rivoluzionario, Chieti 2011; Mercedes PeÇalba: Falange EspaÇola. Historia de un fracaso (1933–1945), Pamplona 2009; Manuel Penella: La Falange tejrica, Barcelona 2006. 24 Saz Campos hat im Laufe der 1980er und 1990er Jahre weitere Aspekte falangistischer Politik in Zeitschriftenartikeln betrachtet, die 2004 in einem Sammelband erneut erschienen sind: Ismael Saz Campos: Fascismo y franquismo, Barcelona 2004; vgl. insbesondere aber: Ismael
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Mit der falangistischen Ideologie haben sich Javier Jim8nez Campo und Manfred Böcker eingehend beschäftigt.25 So wertvoll diese beiden Beiträge für eine inhaltliche Bestimmung falangistischer Politikpläne auch sind, so richten sie sich dennoch zu stark am 27-Punkte-Programm der Partei aus, was damit zusammenhängt, dass dieses Programm nach Beendigung des Spanischen Bürgerkriegs unter Streichung eines einzigen Punktes zum politischen Programm der Franco-Diktatur erhoben wurde. Die Falange-Geschichte erscheint von diesem Blickwinkel aus als bloße theoriestiftende Vorgeschichte des Franquismus und wird auf diesen Endpunkt hin konzipiert, was jedoch die Bedeutung der Gewaltagentur Falange und die von den Falangisten so benannten »gewaltsamen Aktionen« weitgehend unbeachtet lässt. Einen weiteren in der Forschung ausgiebig untersuchten Teil der FalangeGeschichte stellt die Frauenabteilung dar, die Seccijn Femenina (SF). Die wichtigen Studien Kathleen Richmonds und Inbal Ofers beschäftigen sich mit der Hochphase der SF während der Franco-Diktatur.26 Für die hier angestrebte Betrachtung der Aufstiegsphase des Falangismus rund um die Lebenswelt der Männerbünde von Miliz-, Studenten-, Jugend- und Gewerkschaftstabteilungen, sind insbesondere die Arbeiten ]ngela Cenarros und Ana Cebreiros Iglesias von Bedeutung, in denen unter anderem die Funktionen der Frauen-Abteilungen für die Kriegswirtschaft im Lager der antirepublikanischen Kräfte untersucht werden.27 Sie werden in denjenigen Kapiteln, in denen es um die soziale Zusammensetzung der Falange geht, zur Sprache kommen. Weiterhin spielten Falangistinnen in der Vorstellungswelt der Milizionäre eine nicht zu unterschätzende Rolle, weshalb hier auch auf die Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen in der Falange eingegangen wird. Erst seit Mitte 2000 sind verstärkt regionale Falange-Gruppen, die soziale Basis der faschistischen Bewegung und einzelne öffentliche Rituale der Falange Saz Campos: Mussolini contra la II repfflblica. Hostilidad, conspiraciones, intervencijn (1931–1936), Valencia 1986. 25 Manfred Böcker: Ideologie und Programmatik im spanischen Faschismus der Zweiten Republik, Frankfurt a. M. 1996; Javier Jim8nez Campo: El fascismo en la crisis de la Segunda Repfflblica EspaÇola, Madrid 1979. Eine sich vor allem auf Jos8 Antonio Primo de Rivera konzentrierende Studie in dieser Hinsicht ist Vicente Rodr&guez Carro: Die philosophischen Grundlagen des politischen Denkens Jos8 Antonio Primo de Riveras. Ein Beitrag zur Freilegung der geistigen Wurzel des spanischen Faschismus, Münster 1978. 26 Inbal Ofer : SeÇoritas in blue, The making of a female political elite in Franco’s Spain, Brighton 2009; Kathleen Richmond: Women and Spanish fascism. The women’s seccijn of the Falange 1934–1959, London 2003. 27 Zu diesem Aspekt siehe vor allem ]ngela Cenarro: La sonrisa de Falange. Auxilio Social en la Guerra Civil y en la Posguerra, Barcelona 2006; Ana Cebreiros Iglesias: Movilizacijn femenina para ganar una guerra. Las actividades de retaguardia de Seccijn Femenina en Galicia, in: Miguel ]ngel Ruiz Carnicer (Hg.): Las culturas pol&ticas del fascismo en la EspaÇa de Franco (1936–1975), Zaragoza 2013, S. 77–94.
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– so zum Beispiel die Beerdigungszeremonie für Jos8 Antonio Primo de Rivera – in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt.28 2013 ist ein umfangreicher von Miguel ]ngel Ruiz Carnicer herausgegebener Sammelband erschienen, der eine Vielzahl von Schlaglichtern bündelt, die auf einzelne ideologische, politische und kulturelle Aspekte der Falange-Geschichte im langen Zeitraum der franquistischen Phase von 1936 bis 1975 geworfen werden.29 2014 hat IÇaki Fern#ndez Redondo mit der Betrachtung des Baskenlands, Kataloniens und Galiciens erstmals Falange-Gruppen für die Frühphase des Falangismus verglichen.30 Besonders hervorzuheben sind bezüglich der sozial- und kulturhistorischen Arbeiten zur Falange die Studien Jos8 Antonio Parejos und Xulio Prada Rodr&guez’, die sich mit den Falange-Gruppen in Sevilla und Ourense befassen und neue Einblicke in die Innenwelt falangistischer Zirkel liefern.31 Die vorliegende Arbeit stützt sich teilweise auf diese Arbeiten, versucht jedoch, mittels der Auswertung bisher nicht beachteten Quellenmaterials zum Nordwesten Spaniens, neue Wege zu beschreiten und konzentriert sich dabei explizit auf den Aspekt der »Gewaltkultur« der Falange. Die Falange wird bewusst als faschistische Bewegung eingestuft, obwohl der Begriff »Faschismus« seit den 1990er Jahren in der internationalen Faschis28 Zur sozialen Basis der Falange, siehe Joan Mar&a Thom/s: ¡Feixistes! Viatge l’interior del falangisme catal/, Barcelona 2008; Alfonso Lazo: Una familia mal avenida: Falange, iglesia y Ej8rcito, Madrid 2008; Ramon Morote Pons: La Falange a Mallorca entre la Repfflblica i el primer franquisme: espectre sociopol&tic, 2006, http://www.tdx.cesca.es/TESIS_UIB/AVAI LABLE/TDX-0918106-120612//trmp1de1.pdf. Eine sehr frühe Studie in dieser Hinsicht: Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia. El caso de Ourense (1931–1936), in: Historia y Fuente Oral, Nr. 10, Barcelona 1993, S. 143–174. Zu der Beerdigung Jos8 Antonios: Zira Box: Pasijn, muerte y glorificacijn de Jos8 Antonio Primo de Rivera, en: Historia del presente, Nr. 6, 2005, S. 191–218. Weitere Artikel, die sich mit der Politkultur der Falange auseinandersetzen: Jordi Gracia: Fascismo y literatura o el esquema de una inmadurez, in: Ferran Gallego, Franciso Morente (Hg.): Fascismo en EspaÇa, Barcelona 2005, S. 109–131; Ricardo Mart&n de la Guardia: Jos8 Antonio Primo de Rivera o el estilo como idea de la existencia, in: Ferran Gallego, Franciso Morente (Hg.): Fascismo en EspaÇa, S. 163–178; Ferran Gallego: Algunas observaciones sobre la estrategia falangista entre la revolucijn de Octubre y el triunfo del Frente popular, in: Ferran Gallego, Franciso Morente (Hg.): Fascismo en EspaÇa, S. 179–209. 29 Miguel ]ngel Ruiz Carnicer (Hg.): Las culturas pol&ticas del fascismo en la EspaÇa de Franco (1936–1975), Zaragoza 2013. 30 IÇaki Fern#ndez Redondo: Una aproximacijn comparativa a Falange Espanola en Galicia, Pais Vasco y Catalunya, in: Joseba Agirreazkuenaga Zigorraga; Eduardo J. Alonso Olea (Hg.): Naciones en el Estado-nacijn: La formacijn cultural y pol&tica de naciones en la europa contempor#nea, , 2014, S.363–374. 31 Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: SeÇoritos, jornaleros y falangistas, Sevilla 2008; Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: Las piezas perdidas de Falange: El sur de EspaÇa, Sevilla 2008; Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: La Falange en la Sierra Norte de Sevilla (1934–1956), Sevilla 2004; Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica ourens#: mon#rquicos, catjlicos e fascistas (1934– 1937), Vigo 2005.
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musforschung durch rivalisierende Paradigmen gekennzeichnet ist. Im Kern der Forschungsproblematik geht es darum, ob eine idealtypische Definition des Faschismus oder eine stärkere Verortung des Faschismus in der Phase zwischen den beiden Weltkriegen angestrebt wird.32 Roger Griffin, der in den letzten zwei Jahrzehnten immer wieder Kontroversen in der Faschismusforschung auslöste, hat dagegen gar von einem new consensus gesprochen, und zwar bezüglich derjenigen kulturhistorischen Arbeiten, die den Ultra-Nationalismus, den Mythos der Wiedergeburt der »Volksgemeinschaft« und die mit diesen Elementen verbundene Gewaltkultur als kennzeichnend für faschistische Bewegungen ansahen.33 Auch wenn es sich bei dieser These Sven Reichardt zufolge eher um eine »Konvergenzthese«34 handelt, die ältere an den Ritualen und der Ästhetik des Faschismus orientierte Theorien wie diejenigen Emilio Gentiles und vor allem Georg L. Mosses mit neueren Ansätzen verbindet, hat Griffins Einschätzung immerhin zu einer Bündelung ähnlich ausgerichteter Auffassungen vom Faschismus beigetragen.35 Auch die vorliegende Arbeit steht in dieser Linie kulturhistorischer Arbeiten, die zwar am Begriff des Faschismus als politischer Kategorie festhalten, diesen jedoch durch »Verhaltensroutinen und kollektive Sinnmuster« der faschistischen Akteure charakterisiert sehen.36 Gewalt und eine Gewaltkultur spielten überall im europäischen Faschismus eine gemeinschaftsbildende und nicht zuletzt kriegsentscheidende Rolle. Auch in Spanien bot der Aktionismus der Falangisten mittels seiner Verstetigung über faschistische Rituale und Mythen eine der wichtigsten Voraussetzungen für den körperlichen, symbolischen und sprachlichen Terror des Bürgerkrieges. In diesem wiederum trugen die Falangisten entscheidend zur Inkraftsetzung des Franquismus als neues Herrschaftssystem bei – allerdings durch Gewalttaten und durch die Verankerung ihrer kulturellen Symbolik, nicht durch die Konsolidierung einer faschistischen Staatspartei. Der spätere Franquismus hatte we32 Diese Auseinandersetzung hat sich derart zugespitzt, dass es manchmal, wie in Constantin Iordachis Sammelband festgestellt wird, in erster Linie um persönliche Eitelkeiten geht. Vgl. Constantin Iordachi: Comparative fascist studies. New perspectives, London 2010, S. 25–27. 33 Siehe dazu Roger Griffin: Fascim’s new faces (and new facelessness) in the »post-fascist« epoch, in: Roger Griffin, Werner Loh, Andreas Umland (Hg.): Fascism, past and present, West and East: an international debate on concepts and cases in the comparative study of the extreme right, Stuttgart 2006, S. 29–68, S. 41. 34 Sven Reichardt: Neue Wege der vergleichenden Faschismusforschung, in: Mittelweg 36 (H1: Faschismustheorien, Beiträge von Emilio Gentile, Michael Mann, Robert O. Paxton, Sven Reichardt), Hamburg 2007, S. 9–25, S. 12. 35 George L. Mosse: The Fascist Revolution. Toward a General Theory of fascism, New York 1999. 36 Sven Reichardt: Praxeologie und Faschismus. Gewalt und Gemeinschaft als Elemente eines praxeologischen Faschismusbegriffs, in: Karl H. Hörning, Julia Reuter (Hg.): Doing culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis, Bielefeld 2004, S. 129–153, S. 137.
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niger mit anderen faschistischen Regimen gemein; ihn kennzeichneten eher militärische, monarchistische und vor allem christliche Elemente.37 Die Tatsache, dass es sich beim Faschismus der Falangisten um einen Faschismus der »Zweiten Gründungswelle« handelte,38 besaß große Bedeutung für die politische Entwicklung der Partei. Der historische Erfahrungsschatz über die kulturelle Entwicklung anderer faschistischer Bewegungen floss in die Handlungsroutinen der Falangisten ein. Den analytischen Fokus auch auf diesen kulturellen Aspekt des Faschismus zu legen, hängt also zum einen damit zusammen, dass die Falangisten selber sehr stark auf den Kulturbegriff abhoben und die Verankerung eines »neuen Stils« (nuevo estilo) in Spanien propagierten. Mit Kriegsbeginn ergriffen sie die zentralen Schaltstellen im Kulturwesen, um durch falangistisch geprägte Veranstaltungen dem Alltag in den besetzten Gebieten Spaniens ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Zum anderen ergibt sich diese Orientierung daraus, dass sich seit dem performative turn auch in der Geschichtswissenschaft die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass sich Gesellschaften nicht bloß in Texten, sondern insbesondere über Aufführungen darstellen und inszenieren.39 Prozesse von Gemeinschafts- und Identitätsbildung treten zudem umso deutlicher hervor, wenn wie im Falle des Militäraufstandes, dem Auslöser des Spanischen Bürgerkrieges, ein neues Regime kriegerisch oktroyiert und damit ein anderes Staats- und auch Symbolsystem ersetzt wird. Dabei ereignen sich Rituale nicht unabhängig von sprachlich verfassten Selbstbildern. Vielmehr besteht eine Wechselwirkung zwischen ihnen. Ritualisierte Sprache und ritualisierte Handlungen, so hat schon Murray Edelman in den 1970er Jahren herausgearbeitet, stellen umfassende Prozesse dar, durch die Erkenntnisse bei den Menschen erzeugt, dauerhaft verstärkt oder verändert werden; Herrschaft wird durch sie gestützt.40 Wie sich die Falangisten diese Prozesse zunutze machten, soll anhand der chronologischen Entwicklung des Falangismus von der Gründung der Partei zur Republikzeit bis hin zu den Gewalteskalationen der ersten Kriegsmonate nachgezeichnet werden. Wie wird dabei mit dem Begriff »Gewalt« umgegangen? In der soziologischen Gewaltforschung ist umstritten, welche Faktoren zur genaueren Untersuchung 37 Ismael Saz: Fascism at War in Spain, in: Martin Baumeister, Stefanie Schüler-Springorum: »If you tolerate this«…The Spanish Civil War in the Age of Total War, Frankfurt a. M. 2008, S. 90–100, S. 92–93. 38 Arnd Bauerkämper: Der Faschismus in Europa 1918–1945, Stuttgart 2006, S. 15. 39 Erika Fischer-Lichte: Performance, Inszenierung, Ritual. Zur Klärung kulturwissenschaftlicher Schlüsselbegriffe, in: Jürgen Martschukat, Steffen Patzold: (Hg.): Geschichtswissenschaft und »performative turn«. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln 2003, S. 33–54, S. 52. 40 Murry Edelman: Politik als Ritual. Die symbolische Funktion staatlicher Institutionen und politischen Handelns, 3. erweiterte Aufl., Frankfurt/New York 2005, S. 146.
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von Gewalt überhaupt herangezogen werden sollten. Seit den 1990er Jahren stehen sich die beiden Schulen der sogenannten »Mainstreamer« und »Innovateure« gegenüber.41 Erstere, denen Wissenschaftler wie Johann Galtung angehören, legen ihren Untersuchungen von Gewaltakten einen weit gefassten Gewaltbegriff zugrunde, der körperliche, psychische, strukturelle wie auch institutionelle Gewaltformen in den Blick nimmt.42 Diesen Ansatz kritisieren die Innovateure als »Gewaltursachenforschung«, da er nicht die Gewalt »an sich« untersuche, sondern bezüglich der Gewalt nur vor- und nachgelagerte Fragen stelle, denn bei »Gewalt« handle es sich in erster Linie um physische Gewalt. So verstehen Heinrich Popitz und Wolfgang Sofsky das Phänomen Gewalt als »anthropologische Konstante«43, Trutz von Trotha als »intendierte körperliche Verletzung«.44 Der hier zugrunde liegende Gewaltbegriff bezieht sich auf beide Positionen, weil der von den Innovateuren vertretene Ansatz besser die Herrschafts- und Zwangsverhältnisse herausstellt, die mit einem Gewaltakt zusammenhängen, die gesellschaftlichen Bedingungen von Gewalt, jenseits ihrer körperlichen Variante, wie sie von den Mainstreamern hervorgehoben werden, jedoch nicht ausgeblendet werden sollen. Vielmehr geht es darum, den Prozess nachzuzeichnen, in dessen Verlauf die Falangisten beide Gewalt-Komponenten verbanden, das heißt, zu zeigen, inwiefern die Falangisten Institutionen und Menschen in der Gewalt hatten und den Menschen Gewalt antaten. Körperliche, aber auch sprachlich-psychische Gewalthandlungen dienten der sozialen Kontrolle. Die (sprachlich) erzwungene Umtaufung eines Kindes, das bereits einen Namen besitzt, ist genauso wie die (körperlich) erzwungene Teilnahme an einem Straßenumzug mit Jubelgeschrei letztlich als Gewalthandlung aufzufassen.
Quellen und Aufbau der Arbeit Da diese Geschichte der Falange eine Geschichte von den Rändern und von unten her ist, liegt der geographische Ausgangspunkt in einer agrarisch geprägten Randregion, für die eine historiographische Betrachtung der falangistischen 41 Peter Imbusch: Mainstreamer versus Innovateure der Gewaltforschung. Eine kuriose Debatte, in: Wilhelm Heitmeyer, Hans-Georg Soeffner (Hgg.): Gewalt, Frankfurt a. M. 2004, S. 125–148. 42 Johann Galtung, Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt a.M. 1975, S.9. 43 Vgl. Wolfgang Sofsky : Traktat über die Gewalt, Frankfurt 1996; Heinrich Popitz: Phänomene der Macht. Autorität – Herrschaft – Gewalt – Technik, Tübingen 1986, S. 74. 44 Trutz von Trotha: Zur Soziologie der Gewalt, in: Ders. (Hg.) Soziologie der Gewalt, Opladen 1997, S. 9–56, S. 20.
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Bewegung bislang nur zu Teilaspekten bzw. für einzelne Landstriche vorhanden ist: Die Küstenregion Galicien, im äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel gelegen. Galicien bietet sich aber nicht nur deshalb als Ausgangsregion an, weil es sozioökonomisch, wie große Teile Spaniens, eine starke agrarische Prägung aufwies. Galicien beherbergte auch eine vielfältige kulturelle Nationalbewegung, die nach politischer Eigenständigkeit innerhalb des spanischen Staates strebte. Einer der zentralen politischen Reibungspunkte Spaniens, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Nationalismen, lässt sich an dieser Region besonders gut veranschaulichen. Außerdem fiel Galicien von Beginn des Bürgerkrieges an auf die Seite der aufständischen Militärs. Fragen nach dem Wachstum der Falange, nach ihrer Einbindung in die Kriegswirtschaft und in die Repression sowohl an der Front als auch im Hinterland (retaguardia) können ausgehend von den vier galicischen Provinzen A CoruÇa, Pontevedra, Lugo und Ourense besser geklärt werden, als dies für andere Regionen der Fall wäre. Zudem kann für die Zeit des Bürgerkriegs in der Region auf sehr gute Arbeiten der galicischen Geschichtsschreibung zurückgegriffen werden.45 Trotz ihrer regionalen Verankerung ist die vorliegende Studie keine reine Regionalgeschichte. Die zumeist von Madrid aus über die falangistischen Zeitungen verbreiteten Fremd- und Selbstbilder hatten genauso wie der falangis45 Seit Ende der 1980er Jahre sind mehrere Monographien und Aufsatzbände entstanden, in denen der Bürgerkrieg in Galicien behandelt wird. Siehe z. B. Carlos Fern#ndez Santander : La Guerra Civil en Galicia, A CoruÇa 1988; Asociacijn Cultural Memoria Historica Democratica (Hg.): A represijn franquista en Galicia. Actas do Congreso da Memoria Marjn, decembro de 2003, 2005; Jesus de Juana Ljpez, Xulio Prada Rodr&guez (Hg.). Lo que han hecho en Galicia. Violencia, represijn y exilio (1936–1939), Barcelona 2006; Carlos F. Velasco: 1936. Represijn e Alzamento militar en Galiza, Vigo 2006. Zudem gibt es konzise Studien zu den galicischen Provinzen während des Bürgerkrieges: Emilio Grand&o (Hg.): Anos de odio. Golpe, represijn e guerra civil na provincia da CoruÇa (1936–1939), A CoruÇa 2007; Luis Lamela: Estampas de injusticia. La guerra civil del 36 en A CoruÇa y los documentos originados en la represijn, Sada 1998; Mar&a Jesffls Souto Blanco: La represijn franquista en la provincia de Lugo (1936–1940), A CoruÇa 1998; Xulio Prada Rodr&guez: De la agitacion republicana a la represijn franquista (Ourense 1934–1939), Barcelona 2006; Ders.: Que jam#s la sangre derramada sirva para florecer partidos pol&ticos. El nacimiento de FETy de las JONS en Ourense, in: Espacio, tiempo y forma; Serie V: Historia Contempor#nea t. 15, 2002, S. 421–454; Ders.: A dereita pol&tica. Und auch zu Städten, Kleinstädten und Ortschaften sowie zu Aspekten wie dem der Erinnerung gibt es Studien, die sich mit dem Thema Repression befassen: Ana Cabana Iglesia, Mar&a Xesffls Nogueira Pereira: Silencio, memoria y documentos de sombra. Desmemorias y relatos sobre la represijn durante la Guerra Civil, in: Ambitos: Revista de estudios de ciencias sociales y humanidades , Nr. 32, 2014, S.15–26; ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte. A represijn franquista en Ponteareas (1936–1939), A CoruÇa 2006; Xerardo Daseiras Valsa: Ver&n baixo o franquismo. A represijn do 36, a resistencia e a guerrilla, 2007; Carlos Velasco, Dion&sio Pereira, Emilio Grand&o, Eliseo Fern#ndez (Hg.): A fuxida do PortiÇo. Historia, memoria e v&timas, Vigo 2009; Lu&s Lamela Garc&a: Crjnica de una represijn en la »Costa da Morte«. Cee. Vimianzo. Ponte do Porte. Corbucijn, Fisterra, A CoruÇa 1995.
Quellen und Aufbau der Arbeit
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tische Diskurs für ganz Spanien Gültigkeit. Der Transfer von Symbolen und Ritualen zwischen den Regionen Spaniens rückt daher in den Mittelpunkt der Betrachtung. Er lässt sich an folgendem Wortwechsel von Jos8 Antonio Primo de Rivera mit Fernando Meleiro, Falangist aus der galicischen Provinz Ourense, veranschaulichen: Aber, was ist denn das? Das sind die Kameraden, die Dir zu Ehren die Landstraße säumen. Es hat keine größere Bedeutung. Und selbst wenn es eine solche hätte: Du hast es Dir verdient. Der Kampf findet täglich statt, auf der Straße und im ganzen Land.46
Der Hintergrund dieser Sätze ist folgender : Am 17. März 1935 besuchte Jos8 Antonio Primo de Rivera, erstmals die spanische Küstenregion Galicien zu einer Propagandaveranstaltung seiner Partei und traf dort mit großer Verspätung ein. Stundenlang hatten die galicischen Falangisten auf den aus Madrid kommenden »Nationalen Führer« (jefe nacional) gewartet. Erst in der Nacht erreichte der Reisende die Stadt Ourense in seinem »in Spanien bereits berühmten Chevrolet«.47 Er war übermüdet von der langen Fahrt in den gebirgigen Nordwesten des Landes und überrascht von der Ehrenwache, die eine Gruppe Falangisten zu so später Stunde für ihn abhielt. Ein derartiger Aufmarsch spalierstehender Milizionäre, so der Parteiführer, wäre der Falange wegen der strikten staatlichen Verfolgung in Madrid nicht erlaubt worden. In ihrer Kürze spiegelt diese Episode über eine Propagandareise des Nationalen Führers (jefe nacional) in die Provinz, eineinhalb Jahre nach der Gründung der Falange, die drei bedeutendsten Faktoren wider, die dem Aufstieg einer faschistischen Bewegung während der ersten Jahre der Zweiten Spanischen Republik (1931–1939) entgegenstanden. Erstens hatte die Falange seit ihrer Gründung vom 29. Oktober 1933 große finanzielle Probleme. Sie war stets von konservativen Geldgebern abhängig, zeitweise sogar von finanzieller Hilfe aus Mussolinis Italien.48 Selbst die Reisen zu Propagandaveranstaltungen fanden im Privatwagen des Parteiführers statt.49 Zweitens war Spanien im Vergleich zu den nordeuropäischen Industriestaaten ein unterbevölkertes Land. Das führte dazu, dass die finanziell schwache 46 Fernando Meleiro: Anecdotario de la Falange de Ourense, Madrid 1957, S. 56. [Übers. durch Verf., wie auch im Folgenden]. 47 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 54; »Vilagarc&a«, in: Arriba, Nr. 2, 28. März 19 35, S. 3. Es sollte der einzige Besuch in der Region bleiben, den Jos8 Antonio Primo de Rivera als Falange-Führer machte. Einmal zuvor war er 1930 für die Unijn Mon#rquica in Lugo gewesen, vgl. Jos8 Antonio Primo de Rivera: Obras Completas (1922–1936). Edicijn cronoljgica. (Recopilacijn Instituto de Estudios Pol&ticos), Madrid 1976. 48 Siehe Ismael Saz Campos: Mussolini contra la II repfflblica. Hostilidad, conspiraciones, intervencijn (1931–1936), Valencia 1986. 49 Vgl. Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 54.
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Partei mit erheblichen logistischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.50 Das Pflegen persönlicher Kontakte zwischen Falangisten verschiedener Landesteile fiel schwer, gerade wegen der infrastrukturell schlechten Kommunikation von Randregionen wie Galicien, deren Eisenbahnanbindung über die Linie A CoruÇa–Zamora erst 1927 begonnen und nur teilweise fertiggestellt worden war. Jos8 Antonio Primo de Rivera kam am 17. März 1935 zum ersten Mal nach Galicien – also erst eineinhalb Jahre nach der Gründung der Falange. Er kam in Begleitung weniger Parteifreunde und mit großer Verspätung. Fernando Meleiro, Ourenser Falange-Führer, erging es bei seinem im selben Jahr stattfindenden Gegenbesuch ganz ähnlich. Seine Zugfahrt auf der rund 500 Kilometer langen Wegstrecke nach Madrid dauerte 36 Stunden. Gemeinsam mit seinem Kameraden Jesffls Suevos hatte er einer Sitzung beiwohnen sollen, deren Ziel gerade die bessere Kommunikation zwischen Zentrale und Peripherie war. Doch war die Veranstaltung, als die beiden in Madrid eintrafen, bereits beendet.51 Den dritten hemmenden Faktor für den spanischen Faschismus stellte die politische Gegnerschaft der Falange dar. Dazu gehörte neben anarchistischen und sozialistischen Gewerkschaftsverbänden vor allem der demokratische Staat. Dessen Exekutivkräfte, so bemerkte es Jos8 Antonio Primo de Rivera gegenüber den Ourenser Falangisten, schritten in der Hauptstadt, wo die Falange ihr größtes Machtzentrum besaß, rasch ein, um Versammlungen der Partei zu unterbinden. Da ein Miliz-Aufmarsch wie in Ourense in Madrid kaum möglich sei, reagierte der Parteiführer beim Eintreffen in der Stadt mit der oben zitierten Verwunderung.52 Neben den Schwierigkeiten der Falange EspaÇola zeigt der kurze Dialog zwischen Jos8 Antonio Primo de Rivera und Fernando Meleiro jedoch noch einen weiteren Wesenszug des Falangismus. Trotz der benannten Widerstände gab es eine Vernetzung von Faschisten in Spanien, wenngleich weniger auf persönlicher, so doch auf sprachlich-symbolischer und auf habitueller Ebene. In der spanischen Peripherie hatten sich, wie im Zentrum des Landes, faschistische Rituale verankert – zu erkennen an der Ehrenwache, abgehalten von Milizionären für ihren Parteiführer. Auch in Galicien hatten Jugendliche begonnen, sich im Zeichen des Faschismus zu bewaffnen. Die in Madrid von Schriftstellern am 50 Nach dem Zensus von 1930 hatte Spanien 23.677.095 Einwohner, die auf 504.645 km2 Landfläche lebten. Siehe J. Antonio Ljpez Taboada: La poblacijn de EspaÇa 1860–1991. Crecimiento, movimiento natural y estructura de la poblacijn en Galicia, Santiago de Compostela 1996, S. 23. In Deutschland lebten 1925 62.411.000 Einwohner auf 468.787 km2 Gesamtfläche [Siehe http://www.bibdemografie.de/cln_099/nn_1645576/DE/Datenund Befunde/02/Abbildungen/a__02__01__bevstand__d__1816__2009.html, Zugriff: 16. September 2012]. 51 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 124 u. 126. 52 Ebenda, S. 56.
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Schreibtisch entworfenen Parolen wurden auch auf den Straßen der Kleinstadt Ourense gerufen. Als 16 Monate nach dem Falange-Treffen in der Ourenser Altstadt, am 18. Juli 1936, mehrere führende Generäle des spanischen Heeres einen Militäraufstand initiierten, um die Zweite Spanische Republik zu stürzen, zogen galicische Falangisten genauso quer durchs Land, an die Fronten nach Asturien, nach Lejn und nach Madrid, wie Falangisten aus Madrid und Asturien nach Galicien kamen. Allein dieser Kriegsverlauf zeigt, dass Galicien nur Ausgangspunkt einer Transfer-Analyse sein kann. Wichtiger als die regionale Verengung des Blickwinkels ist deshalb die Frage, inwiefern falangistische Symbole, Verhaltensweisen und Gewaltformen zwischen den Regionen transportiert und verbreitet wurden.
Die Politische Spaltung des Landes nach dem Aufstand im Juli 1936 (weiß: Verteidiger der Republik, grau: Aufständische, rot: galicische Provinzen)
Die Gebietsverteilung knapp zwei Wochen nach dem Militäraufstand kam einer Spaltung des Landes gleich. In der zweiten Hälfte dieser Untersuchung, der sich mit der Kriegszeit befasst, wird die Entwicklung an der Nordfront im Zentrum
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der Betrachtung stehen, insbesondere in denjenigen Ortschaften, in denen das Nordheer (Ej8rcito del Norte) unter der Führung General Molas agierte und in das die Falangisten der nördlichen Provinzen eingebunden waren. Es wird, wie in der neueren spanischen Geschichtsschreibung üblich, zur Bezeichnung der Unterstützer des Militäraufstandes der Begriff »Aufständische« verwendet, an Stelle des lange Zeit gängigen Begriffs »Nationalisten« – denn auch unter den Republikanern gab es »Nationalisten«. Weiterhin wird durch den Begriff »Aufständische« der Angriff auf die rechtmäßige staatliche Verfassung deutlicher herausgestellt. Was die Kämpfe zwischen Falangisten, Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten betrifft, so wird für letztere drei der Sammelbegriff »Linke« oder »Gruppen der Linken« verwendet. An denjenigen Stellen, an denen eine genauere politische Zuordnung nötig und aufgrund der Quellenlage möglich ist, wird diese auch vorgenommen. Ist von »politisch Verdächtigen« die Rede, so soll mit diesem Ausdruck die Sichtweise der Falangisten gegenüber Republikanern, Sozialisten, Anarchisten, Liberalen und Kommunisten widergespiegelt werden, die wegen ihrer politischen Haltung zu Feinden der Falange wurden. Zur besseren geographischen Einordnung der benannten historischen Schauplätze wird den Namen von Dörfern der Name der jeweiligen spanischen Provinz in Klammern hinzugefügt, also beispielsweise Melide (A CoruÇa), R#bade (Lugo), Cambados (Pontevedra) oder CarballiÇo (Ourense). Bei den Namensbezeichnungen, die galicische Ortschaften betreffen, werden die heute gängigen galicischen Namen verwendet, außer es werden in Quellen gemachte Aussagen wiedergegeben, in denen die kastilische Ausdrucksweise verwendet wird. Spanische Eigennamen sind grundsätzlich ins Deutsche übersetzt, den deutschen Begriffen aber in Klammern beigestellt. Nur, wenn es keinen adäquaten deutschen Ausdruck gibt oder der spanische Begriff treffender erscheint, wird dieser beibehalten. Parteinamen stehen bei der ersten Nennung grundsätzlich im Spanischen und werden im Folgenden mit dem üblichen Parteikürzel angegeben. Die Literaturnachweise stehen in der Sprache, die in der Originalfassung verwendet wird. Die archivalischen Quellennachweise werden mit den spanischen Bezeichnungen angegeben.53 Der zu analysierende Zeitraum umfasst dreieinhalb Jahre, zwischen dem 29. Oktober 1933, dem Tag der Gründung der Falange, und dem 19. April 1937, dem Tag, an dem der seit Oktober 1936 ranghöchste Militär und »Staatschef« (jefe de estado), General Franco, sämtliche am Aufstand beteiligte Milizen in einer Einheitspartei zusammenschloss. Erstmals hatte die Falange bereits im Februar 1934 mit den programmatisch und organisatorisch ähnlich ausgerich53 Anstelle von Bezeichnungen wie »Kasten« oder »Mappe«, die dem Spanischen nicht immer entsprechen, stehen also Bezeichnungen wie carpeta, caja etc.
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teten Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista (JONS) zur Falange EspaÇola de las JONS fusioniert. Im Gegensatz zur JONS besaßen die während des Bürgerkriegs der Falange angeschlossenen Milizen, Juntas de Accion Popular (JAP), Requet8s sowie die Bürgermilizen einzelner Städte (Guardia C&vica, Caballeros de La CoruÇa, Caballeros de Santiago), jedoch eine deutlich andere politische Ausrichtung, so dass sich der Charakter der Falange von diesem Zeitpunkt an stark veränderte. Die konservative und christliche Orientierung der anderen Milizen wollte Franco mit der im Krieg zur stärksten Miliz erwachsenen Falange verbinden, was ihm auch gelang. Der neue Milizverband, Falange EspaÇola Tradicionalista de las JONS (FET y de las JONS) blieb bis zum Kriegsende vom 1. April 1939 die paramilitärische und bis zum Ende der Franco-Diktatur im Jahre 1975 auch die administrative Stütze der Franquisten. Durch den politischen Bruch infolge der Gründung der FET y de las JONS vom 19. April 1937 ist auch der gesteckte zeitliche Rahmen für die hier präsentierte Forschungsarbeit begründet: Sie beginnt mit der Gründung der Falange und endet mit ihrer Übernahme durch Franco. Aus pragmatischen Gründen ist im Folgenden von der Falange die Rede und nur dort, wo es thematisch erforderlich ist, von der Falange EspaÇola de las JONS oder gegebenenfalls von JONS. Einleitend wird allgemein auf die politische und soziale Lage im Spanien der 30er Jahre und speziell auf die Lage in der Ausgangsregion Galicien eingegangen. Daran schließt ein Kapitel an, das sich mit der Gründung und dem institutionellen Aufbau der Falange befasst. Es folgt eine Vorstellung der sozialen Zusammensetzung der Falange zur Zeit der Zweiten Spanischen Republik. Schließlich werden die gemeinschaftsstiftenden Parteirituale und -Symbole sowie die Propaganda während der Republikzeit untersucht, ehe die soziale, kulturelle und politische Entwicklung der Falangisten im Krieg und ihre Einbindung in die Kriegshandlungen näher betrachtet werden. Dabei geht es um die unterschiedlichen Formen der falangistischen Gewalt, die Selbst- und Fremdrezeption der falangistischen Milizen und um die Etablierung der Parteirituale im öffentlichen Raum. Den einzelnen Kapiteln liegt ein thematischer Aufbau zugrunde, wenngleich insgesamt eine chronologische Zweiteilung verfolgt wird, dahingehend, dass zuerst die Entwicklung der Falange zur Zeit der Zweiten Spanischen Republik und anschließend zur Zeit des Krieges behandelt wird, stets vor dem Hintergrund der Frage, wie sich einzelne Aspekte – Sozialstruktur, Selbst- und Fremdbilder, Gewaltformen etc. – in diesen beiden Phasen veränderten. Den Dreh- und Angelpunkt der Analyse stellt das Jahr 1936 dar, ein Jahr der Massenmobilisierung und Massentötungen. Waren für die Kriegsjahre 1938 und 1939 die Schlachten von Teruel und am Ebro sowie das Vorrücken der Aufständischen an die Ostküste der Iberischen Halbinsel von entscheidender Bedeutung, so kennzeichneten die ersten Monate des Krieges die Gebietsgewinne
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im Norden (Baskenland, Asturien) und Südwesten (Asturien, Extremadura) und die ersten Versuche, die Hauptstadt Madrid einzunehmen. Vom Juli 1936 an begann zudem der gewaltsame Aufbau des »Neuen Staates« (Nuevo Estado) in den von den Aufständischen besetzten Gebieten, eine Entwicklung, die anschließend schrittweise auch im restlichen Spanien erfolgte. Diese Phase war die brutalste des Krieges. Allein in den ersten drei Kriegsmonaten forderten die Gewalttaten gegen Zivilisten zwischen 50 % bis zu 70 % aller Todesopfer, die infolge der Repression in der retaguardia starben.54 Was den Quellenbestand für eine Untersuchung der Falange aus sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektive anbelangt, so rücken Selbstzeugnisse historischer Subjekte in den Vordergrund: Briefe, Memoiren, Tagebücher, Autobiographien, Zeichnungen, Zeitungsartikel, Mitgliedskarten, Flugblätter, Truppenberichte, Plakate etc. Der Bestand ist sehr stark durch die spanische Geschichte des 20. Jahrhunderts beeinflusst worden und stellt Historikerinnen und Historiker, die sich fernab der gängigen Propagandablätter mit der Geschichte des Falangismus befassen wollen, vor Probleme. Noch 1935 und 1936 versteckten und vernichteten von der republikanischen Regierung verfolgte Falangisten Dokumente, die Informationen über ihre Partei enthielten.55 Als Franco 1975 starb und seine Anhänger begannen, mit oppositionellen Kräften den Übergang von der Diktatur zur Demokratie auszuhandeln, taten es ihnen regimenahe Funktionäre aus der Nachfolgegeneration gleich: Sie verbrannten Archivmaterialien, die sich in einem zukünftigen demokratischen Spanien belastend für sie auswirken konnten.56 Hinzu kommt ein weiteres, auch im 21. Jahrhundert spürbares Erbe des Franquismus: Noch heute wird vielerorts der Archivbetrieb mit der unter der Diktatur oder bereits während des Krieges erfolgten Klassifizierung der Dokumente fortgesetzt. Das heißt, dass Dokumente nach wie vor in denselben Ordnern liegen, in denen sie direkt nach Kriegsende verwahrt wurden. So finden sich wichtige Dokumente zum »Schlüsseljahr« 1936 in Ordnern, die eigentlich für Dokumente der Jahre 1937 54 Juli#n Casanova: Rebelijn y revolucijn, in: Santos Juli# (Hg.) V&ctimas de la Guerra Civil, S. 55–74, S. 64. Javier Tusell: Historia de EspaÇa en el Siglo XX: La crisis de los aÇos treinta: Repfflblica y Guerra Civil, Madrid 1999, S. 158. Jos8 Luis Ledesma: Total war behind the frontlines? An inquiry into violence on the republican side in the Spanish Civil War : »If you tolerate this«…The Spanish Civil War in the Age of Total War, Frankfurt a. M., 2008, S. 154– 168, S. 155. 55 So berichtet der Falange-Milizionär Ricardo Silva Sotelo, wie er nach den Februarwahlen 1936 Papiere der Falange von Pontevedra bei sich zu Hause versteckte, vgl. Archivo Histjrico Provincial Pontevedra (AHPP) 1.3., Administracijn Central Perif8rica (ACP), Xefatura do Movimiento (ACP-XPM), expedientes personales de autoridades provinciales, Alejo-Salcarrera, 36–40, Caja 56/2, exp. 385. 56 Jos8 Antonio Parejo-Fern#ndez: La Falange en la Sierra Norte de Sevilla (1934–1956), Sevilla 2004, S. 25.
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bis 1939 vorgesehen sind, Dokumente über die die FE y de las JONS in Ordnern mit der Aufschrift FET, eine Partei die immerhin bis 1975 existierte. Zufällige Einzelfunde bilden also einen ersten Teil der Quellenbasis. Dass diese Funde an einigen Stellen gemacht wurden, zeigt, dass die teilweise sehr lückenhafte Geschichte der Falange-Bewegung durch Systematisierung der Quellen und historiographische Arbeit mit ihnen auch zukünftig neue Ergebnisse zu Tage fördern kann. Der sicherlich bedeutendste zusammenhängende Quellenbestand konnte im Archivo General Militar de ]vila (AGMAV) gesichtet werden. Erstens sind in ]vila diverse Truppenberichte aus den spanischen Provinzen überliefert. Für den galicischen Raum konnten drei solcher Berichte (Diarios) ausgewertet werden, zum einen der Bandera Legionaria Gallega de Falange EspaÇola aus der Provinz A CoruÇa, zum anderen zweier Banderas aus der Provinz Lugo, der Ersten Bandera der »4. Gemischten Brigade« (4a Brigada mixta) sowie der Bandera Legionaria de Lugo. In diesen Berichten falangistischer Milizverbände sind neben den Truppenbewegungen auch Beschreibungen des falangistischen Alltags festgehalten. Zweitens liegt im AGMAV ein großer Bestand an Personalakten der Milizen. Für Galicien sind die Akten der Provinz A CoruÇa erhalten, die allerdings auch Milizionäre der anderen drei galicischen Provinzen erfassen, da A CoruÇa-Stadt mit Kriegsbeginn zu demjenigen Ort avancierte, an dem sich die meisten Soldaten der Region für den Fronteinsatz sammelten. Die Akten beinhalten zwar vorwiegend Dokumente aus der Zeit des Bürgerkrieges, doch sind aus ihnen auch Informationen über den Werdegang der Milizionäre während der Zweiten Spanischen Republik zu entnehmen. Besonders aufschlussreiche Dokumente sind die Mitgliedskarten mit den persönlichen Daten der Falangisten: Alter, Herkunftsort, Beruf, Eintrittsdatum, Einsatzorte, Verletzungen etc. Weiterhin beinhalten die Akten Krankenberichte, Strafzettel, Beileidskarten sowie einige persönliche Berichte, in denen die Wach- und Kampfeinsätze geschildert werden. 4200 solcher Akten wurden gesichtet und ausgewertet. Rund die Hälfte dieser Akten besitzt Relevanz für den vorgegebenen Analysezeitraum. Den größten Quellenbestand zur Falange innerhalb Galiciens beherbergt das Archivo Histjrico Provincial de Pontevedra (AHPP). Das Archiv verfügt über eine Sektion der »Leitung der Bewegung« (Xefatura do movimiento), die einige Dokumente zum Analysezeitraum 1933–1937 enthält. Zu diesen gehören ein Mitgliedsbuch der Falange und Mitgliedskarten falangistischer Milizionäre. Die Karten liefern ebenfalls Informationen über die Anfänge der Falange zur Republikzeit und über die Entwicklung der Sozialstruktur während des Krieges. Auf der Grundlage der im Archiv vorhandenen Korrespondenzen können Organisation und Form der Repression nachgezeichnet werden – hier insbeson-
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dere bezüglich der Kontrolle eroberter Dörfer sowie der Verfolgung von politischen Flüchtlingen in Bergregionen. Zu den im Archivo del Reino de Galicia A CoruÇa (ARG) gesichteten Zeugnissen gehören einerseits offizielle Schreiben, die Falangisten mit dem mächtigsten staatlichen Funktionär in der Regionalverwaltung, dem Zivilgouverneur (Gobernador Civil)57, wechselten, andererseits Briefe von Nichtfalangisten an den Gouverneur, von denen die meisten Beschwerdebriefe sind, anhand derer, ähnlich wie über die Briefe aus Pontevedra, Mechanismen der falangistischen Repression verfolgt werden können. Das Verhältnis der Falange zu den anderen im Bürgerkrieg mitwirkenden Milizen spiegelt sich in der mehrere Dutzend Briefe umfassenden Korrespondenz des Ourenser Führers der Juventud de Accijn Popular (JAP) mit seinen Milizionären wider, erhalten im Archivo Provincial de Ourense (AHPOU). Im Archivo Histjrico Provincial de Lugo (AHPL) sind kaum Dokumente vorhanden, die Rückschlüsse auf die Geschichte der Falange in der Provinz zulassen. Einige wenige Dokumente zur Propaganda der Falange konnten im Archivo Histjrico Universitario de Santiago de Compostela (AHU) sowie in den Munizipalarchiven Archivo Municipal de A CoruÇa (AMC) und Archivo Municipal de Vigo (AMV) gefunden werden. Im größten Archiv Spaniens, dem Archivo General de la Administracijn Alcal# de Henares (AGA), wurden die Prozessakten für das Anfang 1936 eingeleitete Verbotsverfahren gegen die Falange durchgesehen. Darüber hinaus verfügt das Archiv über einen Briefbestand der kurz nach Kriegsbeginn eingerichteten falangistischen »Provisorischen Junta« (Junta Provisional de Mando), der Korrespondenzen Manuel Hedillas, dem Nachfolger Jos8 Antonio Primo de Riveras als Parteivorsitzender der Falange, mit den Provinzabteilungen beinhaltet. Dazu zählen auch Korrespondenzen mit den lokalen Falangistenführern der galicischen Provinz Ourense. Weitere wichtige Dokumente, die der Betrachtung der Innenperspektive der Falange dienen, sind Interviews mit einer Reihe von Falangisten, die Ende der 1980er Jahre Historiker um Xos8 Manoel NuÇez Seixas und Marc Wouters durchgeführt haben und die im Oral-history-Archiv Unidade de Patrimonio Documental e Oral Contempor#neo (UPDOC) der Universität von Santiago de Compostela archiviert sind. Manoel NuÇez Seixas hat auf der Basis dieses Quellenkorpus zwei Aufsätze verfasst, deren Ergebnisse hier einfließen.58 Dar57 Seit 1845 gab es in jeder Provinzhauptstadt Spaniens als höchsten politischen Lokalvertreter einen Zivilgouverneur, dem die so genannten diputaciones provinciales unterstanden. Zivilgouverneure besetzten die Schaltstelle zwischen staatlicher und regionaler Verwaltung. Siehe dazu ausführlich: Jos8 Sanchez-Arcilla Bernal: Historia de las instituciones politicoadminstrativas contempor#neas (1808–1975), Madrid 1994, S. 325. 58 Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia. El caso de Ourense (1931–1936), in: Historia y
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über hinaus sind die Interviews, unter den hier wichtigen Gesichtspunkten, noch einmal durchgesehen und ausgewertet worden. Anhand der in den Interviews gemachten Aussagen können Rückschlüsse auf die Selbst- und Fremdbilder der Milizionäre gezogen werden, jedoch immer unter der Berücksichtigung, dass es sich um die einzigen in dieser Arbeit verwendeten Quellen handelt, die nicht aus dem Kriegskontext stammen, sondern 50 Jahre nach dem Krieg festgehaltene Erinnerungen darstellen. Neben den archivalischen Quellen sind Pressequellen von Bedeutung, wozu genauso falangistische Parteizeitungen wie unabhängige Pressezeugnisse zählen. Sowohl die galicischen Zeitungen El Pueblo Gallego, La Voz de Galicia und El Faro de Vigo als auch Zeitungen anderer Regionen (ABC, La Vanguardia und El Correo de Zamora) sind systematisch für die Jahre 1933–1937 ausgewertet worden. Hinzu kommen weitere Tages- und Wochenzeitungen, in denen Stichproben vorgenommen wurden (El Compostelano, El Ideal Gallego, Diario de Lejn, El Siglo Futuro). Diese Zeitungsquellen dienen wegen fehlender Polizeistatistiken als Grundlage für die Bewertung der zwischen Falangisten und Linken begangenen Gewalttaten von Oktober 1933 bis Juli 1936. Ein Großteil dieser Zeitungen gehörte ab dem Juli 1936 zu den Propagandainstrumenten der Aufständischen, weshalb die ab Juli 1936 erschienenen Ausgaben ähnlich wie die Parteipublikationen der Falange nach Selbst- und Fremdbildern befragt werden können. Die ausgewerteten falangistischen Parteititel lauten HAZ, FE, Arriba, No importa, Proa, La Nueva EspaÇa, Jerarqu&a und Amanecer. Sie bieten Einblicke in beide Phasen der Falange-Geschichte, in das Alltagsleben während der Republik und während des Krieges.
Fuente Oral, Nr. 10, Barcelona 1993, S. 143–174. Ders.: A Falanxe en Ourense, en: Marc Wouters (ed.): 1936 Os primeiros d&as, Vigo 1993, S. 131–158.
Die »Spanische Krise« in der Zweiten Spanischen Republik
Politische Lagerbildungen Als am 14. April 1931 die Zweite Spanische Republik ausgerufen wurde und damit offiziell die Monarchie ablöste, war Spanien wirtschaftlich gesehen noch stark agrarisch und von feudalen Herrschaftsstrukturen geprägt.59 An den ungleichen Besitzverhältnissen des 18. und 19. Jahrhunderts hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt kaum etwas geändert: 0,1 % aller Landwirtschaftsbetriebe machten 33,28 % der Gesamtfläche des Agrarlandes aus. Während im Süden 66,5 % des Landes Großgrundbesitzern gehörte, überwogen im Norden Kleinstparzellen, deren Bewirtschaftung jedoch kaum die Existenzsicherung ihrer Besitzer ermöglichte.60 33 % der Bevölkerung waren Analphabeten.61 Nur in den Großstädten hatten Industrialisierungsprozesse eingesetzt. Das im Süden aus Tagelöhnern bestehende Landproletariat fand in den urbanen Zentren sein Pendant im Industrieproletariat. Vorwiegend organisiert in den anarchistischen Gewerkschaften Confederacijn Nacional del Trabajo (CNT) und Federacijn Anarquista Ib8rica (FAI) strebten diese beiden Gruppen nach politischer Partizipation. Die Durchführung einer tiefgreifenden Agrarreform war offenkundig die wichtigste Aufgabe der republikanischen Regierung.62 59 Stanley G. Payne weist daraufhin, dass Spanien zwischen 1910 und 1930 zwar eine Phase des beschleunigten wirtschaftlichen Fortschritts erlebte, zur selben Zeit allerdings sehr weit entfernt war von der industriellen Entwicklung anderer europäischer Staaten wie z. B. England oder Frankreich, Stanley G. Payne: Spain’s first Democracy : The Second Republic 1931–1936, Wisconsin 1993, S. 34. 60 Tabelle Agrarbetriebe 1930, Mittel- und Südspaniens, in: Jaime Vicens Vives: Manual de Historia Econjmica de EspaÇa, Barcelona 1964, S. 580. 61 Mercedes Samaniego Boneu: La Pol&tica educativa de la Segunda Repfflblica durante el bienio AzaÇista, Madrid 1977, S. 144. u. 154. 62 Die zu dieser Zeit mit relativer Verspätung einsetzenden Folgen der Weltwirtschaftskrise hatten zu Beginn der 1930er Jahre in Spanien im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern erstens weniger konjunkturelle Auswirkungen und zweitens viel weniger ökonomische Bedeutung als die strukturellen ökonomischen Probleme auf dem Lande, siehe Pablo
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Die »Spanische Krise« in der Zweiten Spanischen Republik
Dieses grundlegende Problem Spaniens, dasjenige der Ernährung, wurde von einer Vielzahl nationaler, religiöser und politischer Divergenzen begleitet. Gleichzeitig mit der Einberufung des sich der Regierungsbildung annehmenden Nationalen Komitees in San Sebasti#n hatte sich ein katalanisches Komitee gegründet, das zur Unterstützung des republikanischen Projektes nur unter der Bedingung bereit war, dass im Gegenzug Verhandlungen über ein Autonomiestatut für die Region Katalonien in Angriff genommen würden.63 Seitens der katholischen Kirche sprach man sich von Anfang an gegen die Republik aus. Der kirchliche Einfluss im Schul- und Erziehungswesen drohte zu schwinden. Außerdem befiel das Kirchenpersonal die Angst vor gewalttätigen Übergriffen, wie es sie seitens der Anarchisten in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mehrfach gegeben hatte. Derlei Übergriffe wiederholten sich jetzt,64 und einige Geistliche heuerten, unzufrieden mit der Sicherheitspolitik des Staates, Paramilitärs wie die Falangisten an, damit diese als Wachleute für kirchliche Einrichtungen und Feste fungierten. Für die Anarchisten war die neue Staatsform »Republik« nur ein kleiner Schritt in Richtung der angestrebten Auflösung des Staates. Sie blieben den republikanischen Wahlen nach dem 14. April 1931 fern und versuchten mehrfach, irregulär Land zu enteignen.65 Die Parteien des rechten Flügels, unter ihnen die Massenpartei Confederacijn EspaÇola de Derechas Autjnomas (CEDA), bemühten sich darum, die materiellen Privilegien und religiösen Wertvorstellungen ihrer Wählerschaft zu konservieren. Die in Spanien traditionell mächtige Armee hatte sich nach Jahren ausschließlich kolonialen Engagements durch die Militärdiktatur des Generals Miguel Primo de Rivera von 1923 bis 1930 als politischer Faktor innerhalb des Landes rehabilitiert.66 Manuel AzaÇa, ab 1931 Kriegsminister, versuchte mit
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Mart&n AceÇa: Problemas econjmicos y reformas estructurales, in: Santos Juli# (Hg.): Politica en la Segunda Repfflblica, Madrid 1995, S. 173–192, S. 176. Jos8 Gonzalo Sancho Fljrez: La segunda repfflblica espaÇola. El primer bienio de gobierno y Octubre de 1934, Madrid 1997, S. 13. Juli#n Casanova: La Iglesia de Franco, Madrid 2005, S.32f. Demetrio Castro Alf&n: »Cultura, pol&tica y cultura pol&tica en la violencia anticlerical«, en Cruz, Rafael; P8rez Ledesma, Manuel (Hg.): Cultura y movilizacijn en la EspaÇa contempor#nea, Madrid, 1997, S. 70. Jos8 Gonzalo Sancho Fljrez: La segunda repfflblica espaÇola, S. 296. Auch wenn Curzio Malaparte, einer der Vordenker des italienischen Faschismus, in seinem Tecnica de golpe de Estado Primo de Riveras Putsch vom 13. September 1923 als vorbildhaft erwähnt, hatte die Diktatur selbst wenig mit der politischen Massenbewegung Mussolinis gemeinsam. Der Putsch stand eher in einer Traditionslinie zu den im 19. Jahrhundert üblichen pronunciamientos, wie die Übernahme der Staatsgewalt durch das Militär bezeichnet wurde. Javier Tusell hat auf die Kontinuität des Regimes Primo de Riveras zur Restaurationszeit hingewiesen und die Bedeutung der lokalen Machthaber, der caciques, herausgestellt, siehe Javier Tusell: Historia de EspaÇa en el siglo XX: Del 98 a la proclamacijn de la Repfflblica, Madrid 1998, S. 143. Shlomo Ben-Ami ist der Meinung, Primo de Rivera sei zwar kein »sozialer Demagoge« gewesen, der ein totalitäres Gesellschaftskonzept verfolgte, wenngleich bereits schon er langfristig eine sozial-katholische Politikausrichtung etabliert
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einer rasch durchgeführten Militärreform das übergroße Heeresvolumen zu verringern: Von 566 Generälen und 21.996 Offizieren gingen knapp die Hälfte bis Jahresende in den Ruhestand – bei voller Bezahlung.67 Schon bald gehörte die »Lex AzaÇa« (ley AzaÇa) zu einem der zentralen Diskussionsthemen in der politischen Öffentlichkeit. Denn die Kombination aus neu gewonnener Freizeit, Frustration und dem plötzlichen Fehlen eines Anwendungsfeldes für die eigenen militaristisch-nationalen Überzeugungen sorgte in Teilen des Berufsmilitärs dafür, dass diese sich nunmehr als Instrukteure für nationalistisch orientierte antirepublikanische Milizen engagierten, beispielweise für die Falange. Diese kurz skizzierte starke politische Polarisierung im Zeitraum zwischen der Proklamation der Republik vom 14. April 1931 und dem Putsch vom 18. Juli 1936, der den Spanischen Bürgerkrieg auslöste, kulminierte zweimal in Versuchen, die amtierende Regierung abzusetzen. Am 10. August 1932 kam es zu einem ersten Militärputschversuch unter der Führung des Generals Sanjurjo, am 6. Oktober 1934 zu einem Arbeiteraufstand in Asturien sowie der Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens. Die »Spanische Krise des 20. Jahrhunderts«, das Aufeinanderprallen linker und rechter politischer Kräfte, das im Bürgerkrieg 1936–1939 seinen Höhepunkt fand, war schon früh in seiner Grundstruktur ausgebildet.68 Selbst die drei Regierungsetappen bis zum Bürgerkriegsbeginn (1931–1933, 1933–1936, Februar 1936–Juli 1936) wurden zum Sinnbild dieser Grundstruktur : Der Phase der republikanischen Reformen (bienio de reformas) folgte mit der Wahl der rechtskonservativen CEDA 1933 die »schwarze Phase« (bienio negro), wodurch der Großteil der auf den Weg gebrachten Reformen wieder rückgängig gemacht wurde. Nach dem erneuten Regierungswechsel infolge der Wahlen vom Februar 1936, zu denen zwei große Parteienblöcke gegeneinander antraten, die rechte »Nationalfront« (Frente Nacional) und die linke »Volksfront« (Frente Popular), radikalisierte sich die Stimmung weiter. Immer häufiger kam es zu Massenstreiks, sämtliche linke Parteien begannen, eigene Milizen aufzustellen. Auf der anderen Seite verübte die Falange Attentate auf wichtige politische Persönlichhabe, die über den Bürgerkrieg hinaus noch im Franco-Regime nachwirkte. Die »Domestizierung« der sozialistischen Kräfte sei durch eine Ausweitung der Wohlfahrtspolitik erreicht worden. Personalpolitisch habe dazu die Aufnahme des Sozialistenführers Largo Caballero in die Regierung gehört, sozialpolitisch die kostenlose Essensausgabe an Bedürftige. Vgl. Shlomo Ben-Ami: Fascism from above. The dictatorship of Primo de Rivera 1923–1930, Oxford 1983, S. 284–287. 67 Michael Alpert spricht von 8000 frühzeitig vom Dienst Entpflichteten, die entweder kurz vor der Rente standen oder kein berufliches Weiterkommen sahen, siehe: Michael Alpert: La reforma militar de AzaÇa, Madrid 2008, S. 212; vgl. auch Stanley G. Payne: Politics and the Military in Modern Spain, Stanford 1967, S. 268. 68 Walther L. Bernecker : Sozialgeschichte Spaniens im 19. u. 20. Jahrhundert: Vom Ancien R8gime zur Parlamentarischen Monarchie, Frankfurt a. M. 1990, S. 261.
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keiten, namentlich auf Jim8nez de Asffla, einen der Verfassungsväter sowie auf den Sozialistenführer Largo Caballero.69 In den Pyrenäen bereiteten ehemalige Generäle die karlistischen Milizen, die Requet8s, auf einen Militärschlag gegen die Republik vor.70 Seit den Wahlen vom Februar 1936 standen die rechten Milizen in ständigem Kontakt mit den konspirierenden Militärs und warteten auf den Moment, sich dem Aufstand anzuschließen. Der Putsch begann am 18. Juli 1936 unter der Führung der Generäle Emilio Mola, Jos8 Sanjurjo und Francisco Franco in Spanisch-Marokko und erreichte in den Folgetagen die Iberische Halbinsel.
Die soziale, wirtschaftliche und politische Situation in Galicien Für die Wirtschaft der vier galicischen Provinzen A CoruÇa, Pontevedra, Ourense und Lugo gilt, dass die allgemein in Spanien vorherrschende Konzentration auf den primären Sektor auch hier die Erwerbsstruktur der 1930er Jahre prägte, was nicht zuletzt mit den geographischen Gegebenheiten zusammenhing. Galicien, die nordwestlichste Region Spaniens, ist durch Bergketten von den Nachbarregionen Kastilien-Lejn und Asturien getrennt und bildet geographisch eine Einheit mit Portugal. Im Norden vom Kantabrischen Meer, im Westen vom Atlantischen Ozean begrenzt, war die Fischerei seit jeher einer der wichtigsten Erwerbszweige. 1930 stammte rund ein Drittel des gesamten spanischen Fischfangs aus der Region. Die beiden größten Städte waren die Hafenstädte A CoruÇa und Vigo.71 Insbesondere die maritimen Industrien in Vigo hatten mit Beginn des 20. Jahrhunderts einen hohen Grad an Spezialisierung erreicht. In der Bucht rund um den Hafen hatte sich ein Industriekomplex aus Werften, metallverarbeitenden Industrien, Werkstätten und Konservenfabriken herausgebildet. Allein zwischen 1900 und 1935 versiebenfachte sich die Produktivität der Konservenindustrie.72 A CoruÇa hingegen beherbergte neben der am Hafen ansässigen Industrie einen wachsenden Dienstleistungs- und Fi69 Paul Preston: The Spanish Holocaust. Inquisition and extermination in Twentieth-Century Spain, New York 2012, S. 110–111. 70 Der Karlismus war eine tief im 19. Jahrhundert wurzelnde monarchistische Bewegung, die ihren Ursprung in den Thronkämpfen des Hauses Bourbon hatte. Die Karlisten hatten sich dafür eingesetzt, die auf Francisco Javier von Bourbon-Parma zurückgehende Seitenlinie des Bourbonischen Königshauses auf dem spanischen Thron zu installieren. Jetzt richteten sich die karlistischen Kämpfer gegen die »jüdisch-marxistisch-freimaurerische Verschwörung« der Spanischen Republik. Vgl.: Jordi Canal: Banderas, blancas, boinas rojas. Una historia pol&tica del carlismo, 1876–1939, Madrid 2006. 71 Lourenzo Fern#ndez Prieto: Las transformaciones econjmicas (1874–1936), in: Jesffls de Juana, Xulio Prada (Hg.): Historia contempor#nea, S. 141–168, S. 159. 72 Lourenzo Fern#ndez Prieto: Las transformaciones econjmicas, S. 160.
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nanzsektor. Künstlerische und architektonische Strömungen, die nach Galicien kamen, gelangten zuerst nach A CoruÇa. 1922 errichteten Antonio Tenreiro und Peregr&n Estell8s mit der Hauptfiliale der CoruÇeser Bank Banco Pastor das bis dato höchste Gebäude Spaniens.73 Abgesehen von den wachsenden Gewerben in den beiden industriellen Enklaven Vigo und A CoruÇa konzentrierte sich die galicische Arbeiterschaft größtenteils in der Bewirtschaftung von Minifundien, die kaum mehr als subsistenzwirtschaftliche Nutzung zuließen. 1930 wohnten noch 86,7 % der galicischen Bevölkerung außerhalb der sieben größten Städte der Region (Einwohnerzahlen der Städte: A CoruÇa 74.132; Vigo 40.336; Ferrol 37.662, Lugo 31.137; Pontevedra 30.821; Santiago 23.207; Ourense 21.579).74 73 % der Bevölkerung arbeiteten in der Landwirtschaft. Zudem lebten die Kleinbauern in extremer Abhängigkeit von einer Agrarelite, die über ein engmaschiges Netz aus Günstlingsbeziehungen, den »Kazikismus« (caciquismo), verfügte. Mit »Kazikismus« waren die in der bourbonischen Restaurationszeit fußenden freundschaftlichen Verbindungen im politischen Leben gemeint, die nicht selten ganze Karrieren vorbestimmten.75 Eine Folge dieses Günstlingssystems war, dass seit dem Ende des 19. Jahrhunderts große Auswandererströme der Landbevölkerung nach Amerika zogen.76 Nur 20 % der galicischen Bevölkerung arbeiteten in der Industrie.77 Die industriellen Hauptarbeitszweige waren der Wolfram-, Kupfer- und Eisenabbau, die Leder- und Textilindustrie sowie die Holzwirtschaft und die Tabakproduktion. Letztere konzentrierte sich auf den Raum A CoruÇa, das in unmittelbarer Nähe zum Hafen eine große Tabakfabrik beherbergte. Wie Katalonien und das Baskenland verfügte Galicien über eine lange ethnokulturelle Tradition und eine eigene Sprache. Im Vergleich zu den anderen beiden Regionen hatte es in Galicien jedoch nie Selbstverwaltungsinstitutionen gegeben, die ein gewisses Unabhängigkeitsgefühl von der spanischen Krone hätten befördern können. Zudem war die Größe der Landbevölkerung bei 73 Erst 1929 übertraf das Gebäude der Telefongesellschaft Telefjnica, an der Gran V&a in Madrid erbaut, das Gebäude der Banco Pastor A CoruÇa an Größe. 74 Antonio Ljpez Taboada: La poblacijn de espaÇa 1860–1991. crecimiento, movimiento natural y estructura de la poblacijn en Galicia, Santiago de Compostela 1996, S. 35. Einwohnerzahlen der Provinzen: A CoruÇa, 767.608, Lugo, 468.619, Ourense, 426.043, Pontevedra, 568.011. Siehe auch G8rard Brey : La sociedad gallega (1874–1936), in: Jesffls de Juana, Xulio Prada (Hg.): Historia contempor#nea, S. 169–201, S. 170. 75 Zum Kazikismus in Galicien, siehe Xulio Prada Rodr&guez, Rogelio Blanco: Galicia, in: Jos8 Varela Ortega: El poder de la influencia: geograf&a del caciquismo en EspaÇa: (1875–1923) Centro de Estudios Pol&ticos y Constitucionales 2001, S.349–382. 76 Ludger Mees: Der spanische »Sonderweg«. Staat und Nation(en) im Spanien des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 40, Bonn 2000, S. 29–66, S. 55. 77 G8rard Brey : La sociedad gallega, S. 170.
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weitestgehendem Fehlen eines Bürgertums ein Grund dafür, dass sich die galicische Nationalbewegung später und schwächer als diejenigen der anderen beiden Regionen ausbildete – sofern wir von dem Drei-Phasen-Modell Miroslav Hrochs ausgehen, wonach erst eine aus dem Bürgertum stammende Gruppe eine kulturelle, literarische und volkskundliche Identität aushandelt und beschreibt, ehe sich ein Nationalismus als Massenbewegung festigen kann.78 Ihren Anfang nahm die galicische Nationalbewegung in den 1840er Jahren durch das Engagement der so genannten »Provinzialisten« (provincialistas), die sich zwar als Spanier verstanden, aber erstmals besonderen Wert auf die Erhaltung der galicischen Sprache, Literatur und Geschichte legten. Sie trugen dadurch entscheidend zum Rexurdimento, einer mit den 1850er und 1860er Jahren einsetzenden »Kulturrenaissance« bei. Die Zeit des Rexurdimento zeichnete sich durch die sprachgeschichtliche Hinwendung zum PortugiesischGalicischen aus, der bedeutendsten Lyriksprache des Mittelalters auf der Iberischen Halbinsel. Im 13. Jahrhundert hatte Alfons X. mit den auf PortugiesischGalicisch verfassten Cantigas de Santa Maria die größte populäre Gedicht- und Liedsammlung in Auftrag gegeben. 1863 knüpfte Rosal&a de Castro, Schriftstellerin und Ehefrau des Historikers und Schriftstellers Manuel Murgu&a, mit ihren Cantares Gallegos explizit an diese lyrische Sprachtradition an.79 Schon 1853 hatte Xo#n Manuel Pintos Villar in seinem Werk »Der galicische Dudelsack« (A gaita gallega), der im Titel die galicische Variante des klassischen Blasinstrumentes zitiert, versucht, die verschiedenen linguistischen Ausprägungen des Galicischen im ruralen Spanien wiederzugeben. Neben dieser sprachlichen Renaissance wurden in der Zeit des Rexurdimento auch neue historische Bezugspunkte gesucht. Einen weiteren kulturellen Orientierungspunkt bot in dieser Phase die keltische Vergangenheit der Region, auf die sich unter anderem der Schriftsteller Eduardo Pondal berief, dessen Gedicht Os Pinos später zur galicischen Hymne werden sollte.80 Im Anschluss an das Rexurdimento bekam die galicische Nationalbewegung als Galeguismo politischen Charakter.81 Die bekannteste Figur dieser Intellektuellen-Generation war Manuel Murgu&a.82 Die in seinem Umkreis entstehenden 78 Miroslav Hroch: Social preconditions of national revival in Europe. A comparative analysis of the social composition of Patriotic Groups among the smaller European Nations, Cambridge 1985, S. 22–24. 79 Daniela Noack: Die aktuelle Sprachsituation in Galicien, in: Lusana, Nr. 81, 2010, S. 151–175, S. 153. 80 Manuel Ferreiro, Fernando Ljpez AcuÇa: O himno. Historia, texto e mfflsica, in: Xos8 Ramjn Barreiro Fern#ndez, Ramjn Villares: S&mbolos de Galicia, Santiago de Compostela 2007, S. 105–192. 81 Ludger Mees: Der spanische »Sonderweg«, S. 56. 82 Xos8 M. NfflÇez Seixas: Die galicische Nationalbewegung (1840–1939): ein historischer Überblick, in: Lusorama. Zeitschrift für Lusitanistik 30, 1996, S. 91–110, S. 97.
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Zeitungen und programmatischen Schriften widmeten sich erstmals der Beschreibung einer nationalen galicischen Identität. Im November 1890 gründete sich die Asociacijn Regionalista Gallega, die erste Körperschaft, die sich um die Formulierung einer eigenständigen Politik der Region bemühte.83 Doch erst nach 1917 ermöglichte, wie Ludger Mees schreibt, eine andere »Kontextstruktur« die Erweiterung des Galeguismo auf breite Bevölkerungsschichten.84 Das hing mit vier zentralen Faktoren zusammen: Erstens erschütterte 1917 ein Generalstreik die spanische Restaurationsmonarchie. Zweitens ließ der Erste Weltkrieg die Nationalitätenfrage aktueller werden. Drittens erfüllten die immer erfolgreicher werdenden Nationalbewegungen in Katalonien und im Baskenland eine Vorbildfunktion für den Galeguismo. Und viertens zählte die galicische Nationalbewegung mittlerweile einige publikumswirksame Politiker in ihren Reihen, wie Vicente Risco oder Ramjn Villar Ponte.85 Der Galeguismo entwickelte sich jetzt über Vereine des Freizeit- und Kulturbereichs wie die »Sprachbruderschaften« (Irmandades de Fala) zu einer Massenbewegung. Als Zusammenschluss aus 32 dieser Gruppen gründete sich im Dezember 1931 unter der Führung Alfonso Castelaos die erste galicischnationalistische Partei, die Partido Galeguista (PG).86 Ihre politischen Programmpunkte zur Förderung der Autonomie der Region fanden breite Zustimmung bei der Bevölkerung. Die PG entwickelte ein Statut, das Galicien als autonome Region innerhalb des spanischen Staates festschrieb.87 In einer Volksabstimmung vom 28. Juni 1936 wurde das Autonomiestatut mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen bestätigt und Mitte Juli 1936 von einer galicischen Delegation dem spanischen Kongress überreicht. Allerdings verhinderte der Krieg sein Inkrafttreten, erst in der letzten Sitzung des republikanischen Parlaments in Montserrat wurde es 1938 anerkannt. Das Statut bildete 1978, nach dem Ende der Franco-Diktatur, die Grundlage für die Akzeptanz Galiciens als dritte »historische Region« neben Katalonien und dem Baskenland. Trotz der Ausweitung des Galeguismo während der Zweiten Spanischen Republik stützte sich dieser vorwiegend auf die Mittelschichten; die Arbeiterklasse blieb dem Galeguismo weitestgehend fern. Darüber hinaus waren dem PG kaum
83 Justo Beramendi: De Provincia a nacijn. Historia do galeguismo pol&tico, Vigo 2007, S. 281– 282. 84 Ludger Mees: Der spanische »Sonderweg«, S. 58. 85 Ebd. S. 58. 86 Xulio Prada Rodr&guez: La Repfflblica y la sublevacijn militar, in: Jesffls de Juana, Xulio Prada (Hg.): Historia contempor#nea, S. 229–258, S. 245. 87 Justo Beramendi: De Provincia a nacijn, S. 1061.
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Wahlerfolge beschieden;88 vielmehr entwickelte sich der Galeguismo als soziale Bewegung, die parlamentarische Macht teilten andere Parteien unter sich auf. Ein Blick auf das galicische Parteienspektrum der Zweiten Spanischen Republik zeigt ein deutliches Ost-West-Gefälle. In Pontevedra und A CoruÇa überwogen die progressiven republikanischen Kräfte. Dazu zählten die Partido Republicano Gallego (PRG)89, deren Führungsriege zu großen Teilen der CoruÇeser Sprachbruderschaften um Santiago Casares Quiroga entstammte und die ab 1934 Bestandteil der Izquierda Republicana Manuel AzaÇas war. Neben der PRG waren die bedeutendsten republikanische Kräfte die Partido Republicano Radical (PRR) von Alejandro Lerroux und die Partido Socialista Obrero EspaÇol (PSOE). Hatten in den Wahlen von 1931 und 1933 die PRG und die PRR die meisten Stimmenerfolge, begann der politische Aufstieg des PSOE nach den Wahlen vom Februar 1936. Die PSOE verzeichnete danach ein exponentielles Mitgliederwachstum in der Region, genauso wie die bis dato erfolglose kommunistische Partei, die Partido Comunista de EspaÇa (PCE). Um die Einheit der Arbeiterschaft zu fördern, beschlossen beide Parteien im Frühjahr 1936 die Zusammenlegung ihrer Jugendabteilungen.90 Ganz anders als in A CoruÇa und Pontevedra besaßen in den Provinzen Lugo und Ourense konservative und monarchistische Kräfte die Mehrheit. Die nationalkatholische Partei CEDA trat in Galicien als Unijn Regional de Derechas (URD) zur Wahl an. Eine ihrer wichtigsten Stützen waren die Jugendabteilungen der Juventud de Accion Popular (JAP), die in Galicien den Namen Juventudes de la Union Regional de derechas (JURD) trugen.91 In Ourense hing der Konservatismus eng mit dem aus Tui (Pontevedra) stammenden Calvo Sotelo zusammen. Calvo Sotelo hatte in CarballiÇo (Ourense), gestützt auf Teile der dortigen Sprachbruderschaften seine politische Karriere begonnen. Während der Diktatur Primo de Riveras als Finanzminister tätig, war Calvo Sotelo 1933 ins französische Exil gegangen. Nach seiner Rückkehr war er für kurze Zeit als neue politische Kraft innerhalb der Falange-Führung im Gespräch.92 Schließlich avancierte Calvo Sotelo ab 1934 in der Renovacijn EspaÇola zu einem der einflussreichsten Politiker der konservativen Opposition in Spanien. Gerade nach dem Wahlsieg der Volksfront im Februar 1936 war seine Partei in konservativen Kreisen eine ernst zu nehmende Alternative zur CEDA/URD von Gil Robles 88 Justo Beramendi El galleguismo pol&tico (1840–1936), in: Jesffls de Juana, Xulio Prada (Hg.): Historia contempor#nea, S. 493–518, S. 512. 89 Gegründet als Organizacijn Republicana Gallega (ORGA). 90 Xulio Prada Rodr&guez: La Repfflblica y la sublevacijn militar, in: Jesffls de Juana, Xulio Prada (Hg.): Historia contempor#nea, S. 229–258, S. 233–244. 91 Emilio Grand&o Seoane: Los or&genes de la derecha gallega: La CEDA en Galicia (1931–1936), Sada 1998, S. 206. 92 Ian Gibson: En busca de Jos8 Antonio, S. 96.
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geworden. Die Ermordung des konservativen Hoffnungsträgers Sotelo am 13. Juli 1936 beförderte die politische Spaltung des Landes. Vier Tage später begann ein Teil des Militärs den Krieg gegen die Republik.
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Avantgardekunst, der Begriff »Falange« und die Gründung der JONS Im spanischen Publikationswesen setzten Ende der 20er Jahre die ersten philofaschistischen Strömungen ein, eng verbunden mit dem Schriftsteller Gim8nez Caballero, dem »spanischen D’Annunzio«.93 Maßgeblich für dessen künstlerisches Schaffen waren Ortega y Gassets Überlegungen zur Avantgarde-Kunst. Ortega y Gasset hatte mit seinem Werk Deshumanizacijn del arte, im selben Jahr veröffentlicht wie Guillermo de Torres’ umfangreiche Zusammenstellung Literaturas europeas de vanguardia, dafür gesorgt, dass der aus dem Militärjargon entlehnte Begriff »Avantgarde« als vanguardia Einzug in die spanischsprachige Literatur gehalten hatte.94 Die »Avantgarde«, so Ortegas Bestandsaufnahme, neige mit ihrem Anspruch, sich in ständiger Distanz zum Konventionellen zu bewegen, dazu, der Realität zu entfliehen und den ästhetischen Genuss im Inhumanen zu suchen. Zugleich wohne dieser ästhetischen Entfernung von der Lebenswirklichkeit jedoch ein »kurioser soziologischer Effekt« inne. Die herkömmlichen sozialen Selektionskriterien Rasse, Klasse, Religion und Partei würden in der vanguardia ersetzt durch die Kunst bzw. das Kunstverständnis. Die Kunst als nunmehr primäres soziales Distinktions- und Selektionsmerkmal führe zur Gegenüberstellung von Elite und Masse.95 Beeinflusst von diesen ästhetischen Überlegungen zur »Geistesaristokratie« wurde Gim8nez Caballero nicht müde, bei unzähligen Gelegenheiten sein eigenes Werk zur europäischen Moderne in Beziehung zu setzen.96 »Kunst« und
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So verwendet bei Hugh Thomas: La Guerra Civil EspaÇola, Barcelona 1976, S. 134. Mechthild Albert: Avantgarde und Faschismus, Tübingen 1996, S. 13–14. Ebenda, S. 14. 1928 hielt Gim8nez Caballero Konferenzen an den Universitäten Mailand, Amsterdam, Brüssel, Paris, Bonn, Frankfurt, Münster und trat in Hannover mit den Dadaisten Schwitters und Steinitz in Kontakt. Die gewonnenen Eindrücke fanden Niederschlag in der Kolumne
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»Staatskunst« wurden ihm dabei einerlei, sein künstlerisches Handeln verstand er bald vor allem als politische Praxis. Die Kunstavantgarde (vanguardia) bezeichnete er im Zuge dessen und in Anlehnung an die griechische Schlachtformation Phalanx (falange) als »aktuelle falanges der Kunst«.97 Seine persönlichen Verbindungen, insbesondere zu den italienischen Futuristen Curzio Malaparte und Filippo Marinetti, fanden in der Zeitung Gaceta literaria ihren Niederschlag, aber auch in den italienischen Zeitschriften Ottobre und Gerarchia, critica fascista.98 Noch während der Primo de Rivera-Diktatur begannen Caballeros expansivnationalistische Forderungen seine zuvor breit angelegten literarischen und kunsttheoretischen Publikationen abzulösen. Am 15. Februar 1929 schrieb Gim8nez Caballero den Prolog zu Curzio Malapartes »Italien gegen Europa« (Italia contro Europa), woraufhin sich mehrere Mitarbeiter von der Gaceta Literaria distanzierten.99 Schon Ende 1928 heißt es aus seiner Feder, dass die einzigen authentischen Avantgardisten die »Kinder der faschistischen Milizen« seien, die absolut nichts mit der Literatur zu tun hätten.100 Teil der sich radikalisierenden Strömung innerhalb der Gaceta Literaria war der studierte Philosoph und Postbeamte Ramiro Ledesma Ramos, dessen Sozialisation und literarische Produktion eng mit der Arbeit Gim8nez Caballeros zusammenhingen.101 Nachdem Ledesma Ramos 1924 im Alter von 18 Jahren einen Miguel de Unamuno gewidmeten Roman veröffentlicht hatte, El sello de la muerte, publizierte er in mehreren Zeitungen, darunter in der Gaceta Literaria, in der von Ortega y Gasset herausgegebenen Revista del Occidente sowie in der Tageszeitung El Sol.102 Seine erste öffentlichkeitswirksame Forderung nach einem radikalen spanischen Nationalismus äußerte Ledesma Ramos 1930 auf einem Bankett zu Ehren Gim8nez Caballeros.103 Im Dezember desselben Jahres stellte Ledesma Ramos seine Arbeit für andere Zeitungen ein und gründete im März 1931 sein eigenes Blatt, das schon im Titel nicht weniger als die »Eroberung
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»12.302 kms. de literatura«, vgl. Enrique Selva: Ernesto Gim8nez Caballero. Entre la vanguardia y el fascismo, Valencia 1999, S. 94 u. 103–104. Alexandre Cirici: La est8tica del franquismo, Barcelona 1977, S. 65. Ismael Saz Campos: Mussolini contra la II repfflblica, S. 98. Genoveva Garc&a Queipo de Llano: Los intelectuales y la dictadura de Primo de Rivera, Madrid 1988, S. 481. La Gaceta literaria, Nr. 39, 1928, zit. bei Mechthild Albert: Avantgarde und Faschismus. Spanische Erzählprosa 1925–1940, Tübingen 1996, S. 18. Jean Becarffld, Evelyne Ljpez Campillo: Los intelectuales espaÇoles durante la II Repfflblica, Madrid 1978, S. 27; Ismael Saz Campos: Fascismo y franquismo, S. 43; Ferran Gallego: Ramiro Ledesma Ramos y el fascismo espaÇol, Madrid 2005, S. 24. Ebenda, S. 35–38. Sheelagh M. Ellwood: Prietas las filas, S. 27. Dieser Auftritt war ein Skandal für die größtenteils liberal-konservativen Gäste, siehe Ernesto Gim8nez Caballero: Memorias de un dictador, Barcelona 1979, S. 67; Ismael Saz Campos: Mussolini contra la II repfflblica, S. 99.
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des Staates« forderte: La Conquista del Estado. Mit diesem Anspruch lag er auf einer Linie mit anderen Gruppierungen, die sich zu Beginn der 30er Jahre gegründet und faschistische Elemente in ihre Politik integriert hatten, so z. B. die Partido Nacionalista EspaÇol (PNE) Jos8 Mar&a AlbiÇanas, die kurzzeitig sogar mit dem Hakenkreuz auftrat, jedoch wenig politischen Einfluss erreichte und früh von der Regierung verboten wurde.104 Es sollte Ledesma Ramos vorbehalten sein, als erster in Spanien, ein faschistisches Programm zu formulieren. Noch im Dezember 1931 führte er die Mitarbeiter seiner Initiative mit einer von dem Valladolider On8simo Redondo angeführten rechtsextremen Gruppe, den Juntas Castellanas de Actuacijn hisp#nica, zur Junta de Ofensiva Nacional Sindicalista (JONS) zusammen.105 Zwei Jahre bevor Jos8 Antonio Primo de Rivera die Partei Falange EspaÇola gründete, sprach Ledesma Ramos von den »jungen falanges, ohne jegliche literarische Kenntnis, und den Blick auf die Aktion und politische Effizienz gerichtet.«106 Als falanges bezeichnete er, weitestgehend deckungsgleich mit der Verwendung des Begriffs vanguardisti bei Gim8nez Caballero, Fronttruppen. Die Verwendung des Begriffs für die künstlerischen Strömungen rund um die Gaceta Literaria, in denen Ledesma Ramos selbst mitgewirkt hatte, führte er in den JONS nun zurück zu ihrem militärischen Ursprung. Unter anderem lobte Ledesma Ramos die »hervorragenden kampfbereiten falanges Hitlers« und warb mit Hilfe der Zeitung dafür, den falanges der von ihm begründeten Bewegung beizutreten, da ein Volk authentischer sei, wenn es kämpfe, als wenn es wähle.107 »Kommt, erreichen wir für die JONS das Recht, die nationalen Massen zu orientieren und zu lenken.«108 Doch dürfe diese Aufgabe nicht den »meditierenden« Intellektuellen Spaniens zufallen, die eine rein geistige Führung anstrebten und der »Aktion« nur im Wege stünden.109 104 Wolfgang Wippermann: Faschismus, Darmstadt 2009, S. 91; Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 42. 105 Redondo, Beamter mit einem universitären Abschluss in Jura, hatte zwischen 1927 und 1928 als Lektor in Mannheim gearbeitet. Er war schon vor der Gründung der Juntas de Castellanas de Actuacijn Hisp#nica in konservativ-monarchistischen Kreisen politisch aktiv gewesen, und zwar in der Accijn Nacional von Gil Robles. Vgl. Joan Maria Thom/s: Los fascismos espaÇoles, Barcelona 2011, S.72. Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S.62ff. Jesffls Mar&a Palomares Ib#Çez: La segunda repfflblica en Valladolid: Agrupaciones y partidos pol&ticos, Valladolid 1996. S. 97. Sheelagh M. Ellwood: Prietas las filas, S. 30. 106 Ramiro Ledesma Ramos: La conquista del estado, Nr. 2, 21. März 1931, S. 6. 107 Ramiro Ledesma Ramos: La conquista del estado, Nr. 5, 4. April 1931, S. 2. und La conquista del estado, Nr. 3, 28. März 1931 u. Nr. 6, 18. April 1931, S. 5. 108 Ramiro Ledesma Ramos: JONS, Nr. 4, 1933, S. 118. 109 »Der Zyklus begann 1898, hat zwei Generationen verschlungen, und gelangt heute an den Kulminationspunkt mit diesen 15.000 Intellektuellen, die Herr Ortega y Gasset anführt. Die Verhältnisse, die Spanien derzeit durchlebt, ermöglichen die merkwürdigsten Umstürze, und es wäre wirklich gar nicht lustig, wenn diese meditierenden falanges sich zur Füh-
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Die politische Radikalisierung Ledesmas führte zum Zerwürfnis mit dem einstigen Mentor Gim8nez Caballero. In der siebten Ausgabe von La Conquista del Estado heißt es, man trenne sich von Gim8nez Caballero, da dieser nur über einen »exklusiven literarischen Sinn« verfüge und nicht die Fähigkeit besitze, sich mit der Härte der Wirklichkeit auseinanderzusetzen.110 Dem entgegen organisierte sich die auf »Aktion« eingestellte JONS von Beginn an als Parteiarmee, die über ihre Zeitung Propaganda betrieb und durch die wenige Mann umfassenden »Kampfzellen« (c8lulas de combate) Sabotageakte in linken Parteizentren durchführte: Farbbeutelattacken gegen eine Filmvorführung und die Zerstörung von Archivmaterial der »Vereinigung der Freunde der Sowjetunion« (Asociacijn de los amigos de la Unijn Sovi8tica) am 14. Juli 1933.111
Gewalt und Nationalsyndikalismus: Die »Nationale Revolution« der JONS Schon in der Zeitschrift La Conquista del Estado ist vorgezeichnet, dass das Ziel des Landes der Aufbau einer gewerkschaftlich organisierten (organizacijn sindical) und nationalen Ökonomie sein müsse.112 Die Schlüsselindustrien, die Versicherungsgesellschaften, das Transportwesen und die Banken sollten verstaatlicht, die Unternehmen syndikalisiert und dem Staat untergeordnet werden. Zur Durchsetzung der vorgegebenen Ziele bedürfe es, so Ledesma Ramos, eines »totalen Staates«, an dessen Spitze ein Diktator stehen müsse. Gesellschaft und Staat müssten zu einer Einheit verschmelzen, das Individuum habe in erster Linie dem Staat zu dienen, jedoch nicht wie im Kommunismus, sondern geleitet rerschaft aufschwingen. Die Politik ist nicht die Aktivität der Intellektuellen, sondern der Männer der Aktion.« Ramiro Ledesma Ramos: La conquista del estado, Nr. 5, 11. April 1931, S. 3. Vgl. auch: Ramiro Ledesma Ramos: La conquista del estado, Nr. 5, 11. April 1931, S. 3. 110 Ramiro Ledesma Ramos La conquista del estado, Nr. 7, 25. April 1931, S. 2. 111 20 Jonsisten verhinderten die Ausstrahlung des Films Los soviets in einem Madrider Kino, indem sie Farbbeutel gegen die Leinwand warfen. David Jato Miranda: La rebelijn de los estudiantes, Madrid 1967 [1953], S. 19. Zur Zerstörung des Archivs siehe David Jato Miranda: La rebelijn, S. 122; Manuel Penella: La Falange tejrica S. 104. On8simo Redondo versuchte sich mit dem Valladolider Teil der JONS am Militärputsch des Generals Sanjurjo zu beteiligen und verbrachte die Zeit nach dessen Scheitern von August 1932 bis Oktober 1933 im portugiesischen Exil, was die Gruppe zusätzlich schwächte. Vgl. Jesffls Mar&a Palomares Ib#Çez: La segunda repfflblica en Valladolid, S. 100; Eduardo Gonz#lez Calleja: Camisas de fuerza: Fascismo y paramilitarizacijn, in: Historia Contempor#nea, Nr. 11, Bilbao 1994, S. 55–68, S. 63. Beim Verkauf einer Zeitung in Madrid im Herbst 1933 verwundete ein Jonsist mit Pistolenschüssen drei Studenten; vgl. Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 85–86. 112 Manifiesto de La conquista del estado, in: Miguel Artola: Partidos y Programas politicos, Madrid 1991, Bd. 2: Manifiestos, S. 323–326, S. 323.
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von einer »nationalen Idee« (idea nacional), der »fruchtbarsten Möglichkeit des Menschen, Größe zu erlangen.«113 Die zentralen Elemente des italienischen Faschismus waren damit benannt und für den spanischen Kontext umformuliert. Vage blieb in den programmatischen Formulierungen der JONS aus ökonomischer Perspektive einzig die Vorstellung einer Agrarreform.114 Das Fehlen einer dezidierten agrarpolitischen Position war mit Blick auf den Valladolider Teil der JONS durchaus ein Kuriosum. Im Gegensatz zu Ledesmas Ramos’ »proletarischachristlicher Politik« war diejenige On8simo Redondos nämlich von »ländlichkatholischer Prägung«, Redondo beabsichtigte, die kastilischen Kleinbauern und die Mittelschichten zu stärken.115 Trotz allem blieben die JONS in erster Linie ein intellektuelles Projekt, ihre Anhängerschaft setzte sich vorwiegend aus Studenten zusammen, der Ausgangspunkt aller propagandistischen Bemühungen waren die Universitäten. Auch wenn Ledesma Ramos forderte, dass die Arbeiter für die JONS gewonnen werden müssten, richtete er sich mit seinen Publikationen doch in erster Linie an Studentenkreise. Von dort, so hoffte er, würden seine Vorstellungen auf die Straße getragen. Das in der JONS-Programmatik entscheidende Mittel zur Erlangung des angestrebten National-Syndikalismus lautete »physische Gewalt«, ihrem Führer zufolge eine »schöpferische Gewalt« (violencia creadora).116 Die Mitglieder der JONS seien die »gewalttätigen Stützen Spaniens«. Gewalthandlungen sollten der Sicherung der nationalen Einheit dienen, weshalb der Regierung gegenüber den Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens nur der Griff zu den Waffen bleibe, um »die Rebellen« zu besiegen.117 Die Rechtfertigung der Gewaltanwendung mündete über das Argument der Sicherung der nationalen Einheit hinaus auch in territorialexpansive Phantasien, stets getragen von Erinnerungen an das einstige spanische Kolonialreich.118 Dass Gewalt oft funktional gar nicht be113 Ramiro Ledesma Ramos: La conquista del estado, Nr. 5, 11. April 1931, S. 1. 114 Manfred Böcker weist auf den kuriosen Vorschlag hin, wonach das Land neu verteilt und die Eigentümer mit einer Summe entschädigt werden sollten, die sie selbst für angemessen hielten, siehe Manfred Böcker : Ideologie und Programmatik, S. 68. 115 Walther L. Bernecker : Spaniens verspäteter Faschismus und der autoritäre »Neue Staat« Francos, in: Helmut Berding, Klaus von Beyme (Hg.): Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft, Bd.12, Göttingen 1986, S. 183–211, S. 188. Der Valladolider Teil der JONS zeichnete sich außerdem gegenüber dem Madrider Teil durch eine starke Ablehnung des Finanzkapitalismus aus, die oft antisemitische Stereotype bediente Siehe dazu: Manfred Böcker : Antisemitismus ohne Juden: Die zweite Republik, die antirepublikanische Rechte und die Juden. Spanien 1931–1936, Frankfurt a. M. 2000. 116 Ramiro Ledesma Ramos: La conquista del estado, Nr. 4, 4. April 1931, S. 2. 117 Ramiro Ledesma Ramos: JONS, Nr. 11, 1934, S. 213 u. 219–221. 118 Im Manifiesto pol&tico de las JONS wurde die imperiale Expansion ausdrücklich gefordert: Es ginge um die sofortige Zurückgabe Gibraltars, die Reklamation Tangers und die Herrschaft über Marokko und Algerien. Auch die Ausweitung auf das Gebiet des französischen
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gründet war und ohne Verbindung zu einer politischen Programmatik für sich selbst stand – soll heißen, als Zweck und Mittel zugleich betrachtet wurde – kommt bereits 1931 in La Conquista del Estado zum Ausdruck: »Die Gewalt, erste Mission«.119 Zwei Jahre später heißt es in der Zeitung JONS lakonisch: »Beginnen wir damit, eine theoretische Rechtfertigung der Gewalt zu finden, deren Einsatz wir von Anfang an unseren Kameraden als die entscheidende Taktik und Notwendigkeit angeraten haben«.120 Die Forderung, die Gewaltanwendung zu rechtfertigen, fällt an dieser Stelle zusammen mit der Feststellung, dass Gewalt von Beginn an Taktik und Notwendigkeit der Gruppe war : Gewalt wird damit als zwecklos und zugleich als Selbstzweck beschrieben. Es geht an dieser Stelle um »Gewalt« als Eigenwert, nicht um ein Programm, das mittels der Gewaltanwendung durchgesetzt werden soll. Das primäre Ziel der JONS stellte die Kultivierung eines »Geistes der Gewalt und militärischen Aktion« dar.121An anderer Stelle begrüßte Ledesma die Gewaltanwendung vor allem wegen der heroischen Geste, die der Schütze beim Abdruck der Pistole einnehme.122
JONS in Galicien Bis zum Herbst 1933 hatten die JONS wenige hundert Mitglieder in Spanien, vorwiegend in Universitätsstädten wie Madrid, Barcelona, Zaragoza, Valencia, Granada und Santiago de Compostela.123 Zwei jonsistische Kerne gab es in A CoruÇa, im Instituto Nacional sowie in der Escuela de Comercio, beide ab 1932 organisiert von Enrique S#enz Alfeir#n, der außerdem zu den Mitbegründern der JONS in Santiago de Compostela zählte.124 Die Führung der JONS in A
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Baskenlandes diskutierten die Autoren der Zeitschrift JONS, ebenso wie die Möglichkeiten zur Schaffung eines Weltreiches, das die Ausdehnung der spanischen Monarchie des 16. Jahrhunderts erlangen sollte. Noch nach seinem Ausschluss aus der Falange sprach Ledesma Ramos 1935 von der Aussicht, Portugal Spanien anzugliedern, von der Rückgewinnung Gibraltars sowie davon, eine Expansion in Nordafrika voranzutreiben Vgl.: Manfred Böcker : Ideologie und Programmatik, S. 45. Ramiro Ledesma Ramos: La conquista del estado, Nr. 16, 27. Juni 1931. Ramiro Ledesma Ramos: JONS, Nr. 5, 1933, S. 138. Manifiesto pol&tico de las JONS, in: Miguel Artola: Partidos y Programas politicos, S. 405. Ramiro Ledesma Ramos: La conquista del estado, Nr. 3, 28. März 1931. David Jato Miranda: La rebelijn, S. 104; Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 85–86. Sheelagh M. Ellwood: Prietas las filas, S. 33. In einem während des Spanischen Bürgerkrieges erstellten Informationsbericht der Falange heißt es über Enrique S#enz Alfeir#n: »Im Oktober 1932 war er, mit nur 16 Jahren, einer der Gründer der JONS in La CoruÇa und Santiago und übte verschiedene Ämter aus.« AGMAV, MN, Ampliacion al informe emitido al pricipio de esta relacijn de Enrique Saenz Alfeiran, Jefatura Provincial de la Milicia EspaÇola, Relacion nominal de Falangistas fallecidos en accion de guerra como consecuencia de heridas recibidas en ella, de su conducta anterior, comportamiento en la milicia, antiguedad en la misma, situacion social, econo-
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CoruÇa oblag Juan Canalejo Castells, einem 34 Jahre alten durch die »Lex AzaÇa« in Zwangsruhestand versetzten Leutnant (teniente de intendencia), dessen Familie einen Bäckerei-Kiosk besaß, der an der CoruÇeser Hauptstraße Calle San Andr8s stand. Am 8. Juni 1932 war dort eine Bombe gelegt worden, die den Kiosk komplett zerstört hatte.125 Ob die Tat einen anti-militaristischen oder anti-faschistischen Hintergrund hatte, ist ungeklärt. Dass sie zur politischen Radikalisierung Canalejos und seinem wachsenden Engagement für den Faschismus beitrug, ist wahrscheinlich. Eine weitere JONS-Gruppe in der Provinz A CoruÇa wurde in Ferrol von Juan Bal#s Loureiro, Eduardo Nolla und Jesus Suevos ins Leben gerufen.126 Die Zeitung El Obrero notierte zu den ersten Ferrolaner JONSAktivisten, dass Schüler sich nun gegenseitig den »Hitlergruß« zeigen und Bücher ausländischer Autoren verbrennen bzw. Seiten aus ihnen herausreißen würden.127 In der Provinz Lugo verbreitete der aus Escairjn (Lugo) stammende Luis Moure MariÇo das Gedankengut der JONS, nachdem er, wie er selber schildert, als Student in Valladolid die »harten, trockenen und kastilischen Lehren« On8simo Redondos genossen hatte.128 In Ourense engagierten sich ebenfalls zwei Valladolider Studenten politisch, die in Kastilien mit JONS-Ideologie in Berührung gekommen waren: die Brüder Ces#reo und Jos8 Luis Calafate. Allerdings bildeten sie keine eigenständige Ourenser JONS-Gruppe, sondern schlossen sich noch vor der der offiziellen Fusion von Falange und JONS der Falange an.129 JONS-Führer Ramiro Ledesma Ramos besuchte Galicien im Sommer 1933 und versammelte sich mit rund 30 von Juan Canalejo angeführten Anhängern
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mica de sus familiares, asi como si disfrutan de algun beneficio o pension que conceden las disposiciones vigentes y cuantia de los mismos, La CoruÇa 3. 11. 1937, S.16, Caja 5752, Carpeta 4, Propuestas de recompensas, Cp.4–5. In der Literatur wurde bislang 1931 als das dortige Gründungsjahr angegeben, vgl.: Lu&s Moure MariÇo: Galicia en la guerra, Madrid 1939, S. 201; Xos8 Ramjn Barreiro Fern#ndez: Historia de la Ciudad de A CoruÇa, Biblioteca Gallega, A CoruÇa 1996, S. 499. Einer der Täter, Jos8 Ponte Rodr&guez, wurde in Zuge der Explosion schwer am Bein verletzt, siehe »Explosijn de una bomba. Ocho detenidos, uno de ellos herido por la metralla«, La Vanguardia, 9. Juni 1932, S. 20. Carlos Herrero: Notas para la historia de la Falange Gallega, in: Jefatura del Estado (Hg.): Dolor y memoria de EspaÇa en el Segundo aÇo aniversario de la muerte de Jos8 Antonio, Barcelona 1938, S. 261–272, S. 263. Enrique Barrera Beitia: La represijn en ferrolterra y sus circunstancias, in: Asociacijn Cultural Memoria Historica Democratica (Hg.): A represijn franquista en Galicia. Actas do Congreso da Memoria Marjn, decembro de 2003, 2005, S. 81–102, S. 84. Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 33. Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia, S. 146. Interview Nr. 78, 4. Februar 1989, UPDOC. Manuel Fern#ndez Gonz#lez: La din#mica sociopol&tica en Vigo durante la Segunda Repfflblica, Santiago de Compostela 2005, S. 270– 271. Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia, S. 146. Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 155.
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am Strand von Bastiagueiro, außerhalb der Stadt A CoruÇa.130 Ihm zufolge handelte es sich bei den galicischen JONS um die diszipliniertesten, aktivsten und enthusiastischsten Mitglieder Spaniens.131 Nachdem Ledesma vor den universitären Semesterferien ein Manifest druckte, dass die JONS-Mitglieder aus Studentenkreisen dazu anhielt, die nationalsyndikale Idee auch bei Familienbesuchen während des Sommers weiterzuverbreiten, wurde das Manifest umgehend von der Polizei beschlagnahmt. David Jato erwähnt, dass die JONS von Santiago de Compostela die Zensur umgehen konnte. Die Studenten hefteten zwei Exemplare des Manifests an die Tür des Universitätsgebäudes und schoben Wache, damit niemand die Blätter abreiße.132 Fraglos hatte die kleine Gruppe der JONS-Mitglieder zu Beginn ihrer Aktivitäten eine intellektuelle Verankerung in Galicien. Einer der Unterzeichner des Gründungsmanifestes von La Conquista del Estado vom März 1931 war der aus Arzffla (A CoruÇa) stammende Philosophie-Professor Manuel Souto Vilas.133 Weitere galicische intellektuelle Vertreter waren der Bibliothekar und Historiker Ramon Iglesia Parga und der Dozent und spätere Professor für Politische Ökonomie an der Universität von Santiago, Jos8 Maria Castroviejo y BlancoCicerjn.134 Der schillerndste Vertreter der JONS in Galicien war jedoch der Bibliothekar und spätere Professor für Mittelalterliche Geschichte, Santiago Montero D&az.135 Anfangs Befürworter des galicischen Autonomiestatuts und glühender Kommunist, näherte Montero D&az sich im Laufe der frühen 30er Jahre sukzessive den radikalnationalen Positionen der JONS an. Bereits am 27. Juni 1931 hatte der gerade einmal 20 Jahre alte Montero D&az einen Brief an La Conquista del Estado verfasst, in dem er das ungewöhnliche, doch von »Gewalt« und »Courage« gefestigte politische Programm lobte.136 Im Spätsommer 1933 sammelte Montero D&az in Santiago offiziell eine JONS-Gruppe um sich, während sein Bruder, Carlos Montero D&az, begann, sich in der JONS von A CoruÇa zu betätigen. Neben seinem regen publizistischen Engagement für un130 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 201; Xos8 Ramjn Barreiro Fern#ndez: Historia, S. 499. 131 Ramiro Ledesma Ramos: ¿Fascismo en EspaÇa? Discurso a las juventudes de EspaÇa, Barcelona 1968 [Zuerst Madrid 1935], S. 313. 132 David Jato Miranda: La rebelijn, S. 120. 133 Ricardo Gurriar#n: Ciencia e conciencia na universidade de Santiago, 1900–1940, S. 361. 134 Während Jos8 Maria Castroviejo y Blanco-Cicerjn sich auch späterhin in falangistischfranquistischen Kreisen bewegte schlug Ramon Iglesia Parga einen ganz anderen Weg ein: Er trat der PCE bei, kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg in einem Bataillon der Internationalen Brigaden und ging nach dem Krieg ins mexikanische Exil. Siehe dazu Xos8 M. NfflÇez Seixas : La Sombra del C8sar. Santiago Montero D&az, una biograf&a entre la nacijn y la revolucijn, Granada 2012, S. 82 und S. 85. 135 Xos8 M. NfflÇez Seixas : La Sombra del C8sar. Santiago Montero D&az, una biograf&a entre la nacijn y la revolucijn, Granada 2012. Zum Sinneswandel von Montero Diaz, siehe Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia, S. 145. 136 Xos8 M. NfflÇez Seixas : La Sombra del c8sar, S. 56.
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terschiedliche Zeitungen veröffentlichte Montero D&az sowohl in der Zeitschrift JONS als auch in der von ihm selber gegründeten Zeitschrift Unidad. Dieses in Santiago de Compostela erscheinende Blatt, von dem letztlich nur eine Ausgabe veröffentlicht wurde, stand unter dem später im Bürgerkrieg massentauglich werdenden Slogan: »Spanien. Eins. Groß. Frei« (EspaÇa. Una. Grande. Libre).137 In zeitlicher Nähe zu den allgemeinen Wahlen vom November 1933, deren Ergebnis zum Zeitpunkt der geplanten Publikation noch nicht feststand, wurde die Veröffentlichung von Unidad von Sabotageaktionen begleitet: Zuerst zerstörte eine Gruppe linker Aktivisten die Drucksätze, weshalb die Zeitung erst einen Monat später herausgebracht werden konnte. Dann versuchten Galeguistas und Anti-Faschisten den Straßenverkauf von Unidad zu stören, ein im Allgemeinen charakteristischer Wesenszug des linken Protestes im Spanien der 30er Jahre, der auch in den Folgejahren häufig die Falangisten treffen würde.138 In seinen theoretischen Überlegungen zu den Ausprägungen der Regionalkulturen innerhalb Spaniens liebäugelte der ehemalige galeguista, Montero D&az, zwar mit Bildern der »imperialen Pluralität«, doch reiche diese Pluralität seiner Meinung nach nicht für ein alleinstehendes »nationales Fundament« aus, sondern bilde erst in ihrer Gesamtheit »Spanien«.139 In der einzigen Ausgabe von Unidad beschreibt Montero Diaz »Galicien« als eine Region unter vielen, die im Dienste des spanischen Nationalismus zu stehen habe: »Das neue Galicien stellt sich auf die Füße, mit erhobenem Arm in Richtung unseres imperialen und ewigen Spaniens.«140 Xos8 M. NuÇez Seixas räumt ein, dass Unidad mit ihrem anti-galeguistischen Impetus das Pendant zu der von On8simo Redondo veröffentlichten Zeitung Libertad darstellte, die sich durch ihren expliziten AntiKatalanismus auszeichnete.141 Auffällig an den Ausführungen Monteros zur spanischen Nation ist eine starke Verankerung des Nationsbegriffs im Mittelalter, das dem spanischen »nationalen Individuationsprinzip« den Weg bereitet habe sowie die doppelte Verortung der Nation, nämlich einmal zeitlich, als historische »Einheit von Vergangenheit und Zukunft« (unidad de pasado y porvenir), und einmal räumlich, als »physisch greifbares Spanien. Der Himmel, das Meer, die Erde. Das Spanien, das Alfonso X. und San Isidor so ergreifend gefühlt haben«.142 Wir erkennen an dieser Stelle bereits große Ähnlichkeiten zu 137 Ebenda, S. 88. 138 Ebenda, S. 90. 139 Xos8 M. NfflÇez Seixas: De gaitas y liras. Sobre discursos y practicas de la pluralidad territorial en el fascismo espaÇol (1930–150), in: Miguel ]ngel Ruiz Carnicer (Hg.): Las culturas pol&ticas del fascismo, S. 289–316, S. 294. 140 Brief Montero Diaz a Rodrigues Lapa, 29. 12. 1933, S53, zit. bei NfflÇez Seixas : La Sombra del c8sar, S. 89. 141 Ebenda, S. 89. 142 Zit bei Ebenda, S. 96.
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der später von Falange-Gründer Jos8 Antonio Primo de Rivera formulierten Nationsvorstellung. Diese orientierte sich gleichfalls stark an der Epoche des Mittelalters und entzog »die Nation« in ähnlicher rhetorischer Manier, nämlich über die Formulierung von Zeit- und Raumvorstellungen unter Verwendung historisierender Rückbezüge einer Verortung in der Gegenwart. In dieser rhetorischen Rückwärtsgewandtheit inbegriffen stand jedoch die Behauptung, es ginge einzig und allein um die gegenwärtige Realität Spaniens. Ihre ähnliche Betrachtungsweise der spanischen Nation war jedoch das einzige, was der JONSAktivist Montero D&az und der Falange-Gründer gemeinsam hatten. Deutlich gegensätzliche Auffassungen hatten sie darüber, wie die »nationale Revolution« realisiert werden müsse.
Die politische und militärische Organisation der Falange
Der »literarische Hof« José Antonio Primo de Riveras Auch die Gründung der Falange EspaÇola durch Jos8 Antonio Primo de Rivera vom 29. Oktober 1933 verfolgte das Ziel, eine faschistische Bewegung (movimiento) in Spanien zu etablieren. Die am 14. April 1931 ausgerufene demokratische Regierung der Zweiten Spanischen Republik sollte abgelöst und durch den Falangismus, eine von den Stützen Partei und Milizapparat getragene Massenbewegung, ersetzt werden. Darüber hinaus strebte auch die Falange die Organisation der Wirtschaft in vertikalen Syndikaten an und besaß ebenso wie die JONS eine intellektuelle Stoßrichtung, mit dem Unterschied, dass die Idee, eine faschistische Bewegung namens Falange zu gründen, ihren Ursprung an den literarischen Stammtischen (tertulias) Madrider Bars hatte, die Jos8 Antonio Primo de Rivera gemeinsam mit mehreren politisch und ästhetisch interessierten Freunden aus der Oberschicht Madrids und Bilbaos frequentierte. Später charakterisierte der kurzzeitige Chef der Parteiarmee und Gründer der besonders gewalttätigen Madrider Milizeinheit »Blutfalange« (Falange de la sangre), Juan Antonio Ansaldo, diesen Kreis abschätzig als »Hof von Poeten und Literaten«.143 Einige dieser Literaten hatten militärische Erfahrungen im umkämpften Marokko gemacht, vorwiegend als Korrespondenten, in einigen Fällen auch als Soldaten.144 Ab Dezember 1933 publizierten diese falangistischen Schriftsteller regelmäßig in den Parteizeitungen, z. B. Eugenio Montes, August&n de Fox#, Samuel Ros, Pedro Mourlane, Jacinto Miquelarena, Rafael S#nchez Mazas, Luys 143 Juan Antonio Ansaldo: Para que? De Alfonso XIII a Juan III, Buenos Aires, 1951, S. 89. Zum Verhältnis von Politik und Ästhetik. Vgl. Ferran Gallego: Algunas observaciones sobre la estrategia falangista entre la revolucijn de Octubre y el triunfo del Frente popular, in: Ders., Franciso Morente (Hg.): Fascismo en EspaÇa, Barcelona 2005, S. 179–209, S. 182. 144 Rafael S#nchez Mazas war wie Gim8nez Caballero Kriegberichterstatter, Luys Santa Marina war Soldat, Vgl.: Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria de Jos8 Antonio: La primera generacijn cultural de la Falange, Barcelona 2003, S. 31–42.
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Santa Marina und Jos8 Mar&a Alfaro. Manche von ihnen hatten überdies Parteiämter inne.145 Sie alle verstanden sich als Freunde Jos8 Antonio Primo de Riveras und unterstützten ihn bei seinem Versuch, eine politische Bewegung zu begründen. Er selbst zeigte den Willen, eine Massenbewegung anzuführen, bei gleichzeitiger immer wiederkehrender Besorgnis, was er, erst einmal an die Macht gelangt, mit diesen Schriftstellern überhaupt anfangen solle.146 Andererseits war er jedoch der festen Überzeugung, dass das Regime seines Vaters nicht etwa daran gescheitert war, dass dieser den Kontakt zum Volk verloren hätte, sondern am Verlust des Kontakts zu den spanischen Intellektuellen.147 Das wichtigste Schlagwort lautete deshalb, dass ein spanischer »neuer Stil« für das Land entworfen werden müsse. Folglich definierte Jos8 Antonio Primo de Rivera die Falange in seiner Gründungsrede nicht als politische, sondern nachgerade als »poetische Bewegung« (movimiento po8tico).148 Gemeinsam mit dem Piloten Julio Ruiz de Alda, der seit seinem Transatlantikflug Plus Ultra als spanischer Nationalheld galt, rief Jos8 Antonio Primo de Rivera im August 1933 die »Spanisch-Syndikalistische Bewegung« (Movimiento Sindicalista EspaÇol) ins Leben. Dieses Engagement mündete in der Gründung der Falange EspaÇola vom 29. Oktober 1933, zu deren Anlass Alda und Primo de Rivera zusammen mit dem Jura-Professor Alfonso Garc&a Valdecasas als Redner auftraten. Letzterer stellte in seinem Redebeitrag klar, dass die Falange, auch wenn sie in die Nähe des Faschismus anderer europäischer Länder gerückt werde, dennoch eine »spanische Bewegung« sei.149 Trotz des antiparlamentarischen Tons, den diese selbst ernannte »Bewegung« (movimiento) an den Tag legte, nahm Jos8 Antonio Primo de Rivera ab Oktober 1933 neben dem Grafen von Eliseda, dem zweiten falangistischen Abgeordneten und Geldgeber der Partei, für ein konservatives Parteienbündnis im Parlament Platz. Die Annahme des Mandats gehörte zur grundsätzlichen Paradoxie innerhalb der Falange, sich einerseits als »antiparlamentarische Bewegung« zu definieren, andererseits als Partei.150 Wir finden diese widersprüchliche Haltung auch in anderen Selbstbezeichnungen wieder, so z. B. wenn Falangisten sich als
145 Ebenda, S. 90–91. 146 Ebenda, S. 70 und S. 90. 147 JAPdR: Lo jur&dico. El destino de la repfflblica, in: OC, S. 89–91, S. 91; Ders.: Los intelectuales y la dictadura, in: La Nacijn, 8. Dezember 1931, OC, S. 112–115, S.112; Ders.: Han bastado diez aÇos para que resplandezaca la verdad 1923–1933, in: La Nacijn 13. September 1933, OC 171–173, S.172; Ders.: Juicio sobre la dictadura y necesidad de la revolucion nacional, 6. Juli 1934 en el parlamento, in: OC 373–383, S. 377. 148 JAPdR: Discurso de la fundacijn, in: OC, S. 189–195, S. 194. 149 Ian Gibson: En busca de Jos8 Antonio, S. 49–50. 150 Siehe z. B. JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, in: OC, S. 192. und JAPdR, in: FE, Nr. 9, 8. März 1934, S. 1, OC, S. 524.
Vereinigung von Falange und JONS
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nicht-faschistische Bruderschaft verstanden, sich dann aber wiederum voll und ganz mit dem Faschismus identifizierten.151 Im November und Dezember 1933 traten der Falange in ganz Spanien rund 2000 Personen bei. Zu ihnen zählten neben einer Reihe Studenten zumeist ehemalige Anhänger konservativer Parteien.152 Die Verbindungen Jos8 Antonio Primo de Riveras zur konservativ-monarchistischen Rechten rissen auch in den Wochen nach der Falange-Gründung nicht ab und waren nicht zuletzt von maßgeblicher Bedeutung für die finanzielle Basis der Partei. Falange wie JONS wurden von der monarchistischen Rechten finanziell unterstützt. Gerade monarchistische Unternehmer hatten ein Interesse daran, eine schlagkräftige Straßenmiliz aufzubauen, die sich aufständischen Gewerkschaftsmitgliedern entgegenstellte.153 Die Präferenzen der Geldgeber lagen jedoch zum Jahreswechsel 1933/34 bei der Falange, erstens, weil diese massivere Propaganda betrieb – ab Dezember 1933 veröffentlichte die Falange mit F.E. ihre erste Zeitung und versuchte, den Straßenverkauf zu forcieren –, und zweitens, weil sie mit Ruiz de Alda und Jos8 Antonio Primo de Rivera die bekannteren Namen in ihren Reihen aufzubieten hatte. JONS-Führer Ledesma Ramos räumte 1935 ein, dass die Mitgliederzahlen der JONS seit dem Erscheinen der Falange auf der politischen Bühne deutlich zurückgingen.154
Vereinigung von Falange und JONS Kaum mehr als zwei Monate nach der Falange-Gründung trat die Partei ab Januar 1934 in Fusionsverhandlungen mit der JONS, und am 4. März 1934 besiegelten die beiden Gruppen die Zusammenlegung offiziell durch einen Vereinigungskongress in Valladolid. Die Entscheidung zur Gründung der FE y de las JONS war seitens der Falange politisch gewollt, damit die Partei schneller wachsen konnte. Ledesma Ramos dagegen glaubte, wie er gegenüber seinem Freund Montero D&az aus Santiago de Compostela erwähnte, dass ein Zusammenschluss aus politstrategischen Gründen gerechtfertigt sei, weil beide Parteien nur auf diese Weise den Gruppen der Linken etwas entgegensetzen
151 Vgl. dazu JAPdR: Como hizo »FE« su primera salida, in: FE, Nr. 2, S. 11. Januar 1934, OC, S. 242–247, S. 242. Victor D’Ors P8rez-Peix: Crjnicas de italia, in: FE Nr. 1, 7. Dezember 1933, S. 11. 152 Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 95. 153 Eduardo Gonz#lez Calleja: Camisas de fuerza, S. 62. 154 Ramiro Ledesma Ramos: ¿Fascismo en EspaÇa? Discurso a las juventudes de EspaÇa, Barcelona 1968 [Zuerst Madrid 1935], S. 145.
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könnten.155 Tatsächlich beendete Montero D&az daraufhin seine Mitgliedschaft in der JONS. Als Teil des JONS-Führungstriumvirats hatte er vom Herbst 1933 an mitgeholfen, der jungen faschistisch orientierten Bewegung eine Struktur zu verleihen. Da er die Falange jedoch als rechtskonservative Partei einstufte, die mit seinen eigenen Revolutionsvorstellungen nicht vereinbar schien, trug er den politischen Kurs nicht mit und verließ kurzerhand die JONS. Den während der Fusionsverhandlungen geschmiedeten Plänen, nach denen Montero D&az zusammen mit dem aus Ferrol (A CoruÇa) stammenden Jesus Suevos und dem CoruÇeser Juan Canalejo ein galicisches Führungstriumvirat bilden sollte, erteilte er eine jähe Absage. Eine »nationale Revolution« sei mit der Falange nicht möglich. Außerdem erkenne er keinen anderen politischen Führer als Ledesma Ramos an.156 Nach dem Vereinigungskongress vom 4. März 1934 begann sich der Administrationsapparat der Falange herauszubilden. Es wurde eine Nationale Führungsjunta (junta de mando) eingerichtet, der vier Falangisten (Jos8 Antonio Primo de Rivera, Julio Ruiz de Alda, Rafael S#nchez Mazas, Raimundo Fern#ndez Cuesta) und zwei JONS-Vertreter (Ramiro Ledesma Ramos, On8simo Redondo) angehörten. Das Führungstriumvirat bildeten Ruiz de Alda, Ledesma Ramos und Jos8 Antonio Primo de Rivera.157 Zu diesem Zeitpunkt trugen die Falange-Mitglieder zur Kenntlichmachung der Gruppenzugehörigkeit dunkle Armbinden, auf die in heller Farbe die Buchstaben »FE« aufgenäht waren.158 Das ab März 1934 für die Falange von den JONS übernommene und von einem Pfeilbündel durchstoßene Joch (yugo y flechas) galt als bildliche Darstellung der zentralen Werte des falangistischen Kameradschaftsbundes: »Unser Pfeilbündel, Symbol der Einheit und der Größe«.159 Das Emblem konnte genauso gut zu dem Traditionssymbol yugo y flechas der »Katholischen Könige« Fernando und Isabel in Beziehung gesetzt wie auch als bildliche Orientierung am Rutenbündel (fascio) der italienischen Faschisten verstanden werden.160 Neben der Verankerung in einer historisch-imperialen und einer faschistischen Tradition sowie der Symbolisierung des Gruppenzusammenhalts sollte über das yugo y flechas außerdem deutlich gemacht werden, dass sich der falangistische Gemeinschaftscharakter nicht we155 Brief Ledesma Ramos an Santiago Montero D&az, Ende Februa 1934, zit. bei Xos8 M. NfflÇez Seixas: La Sombra del c8sar, S. 106. 156 Ebenda, S. 106. 157 Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 98. Sheelagh M. Ellwood: Prietas las filas, S. 44. 158 Gustavo Morales: Falangistas, Madrid 2010, S. 124. 159 Alejandro Salazar : Consigna, in: HAZ, Nr. 13, 20. Januar 1936, S. 1. Siehe auch: Arriba, Nr. 5, 18. April 1935, S. 6. Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 2. JAPdR: Una jornada memorable, in: Arriba, Nr. 10, 23. Mai 1935, in: OC, S. 690–693, S. 691. 160 Zum Bündel-Symbol im italienischen Faschismus, siehe Robert O. Paxton: Anatomie des Faschismus, München 2006, S. 12.
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sentlich von demjenigen der politischen Linken unterschied. Die Farbe der mit dem yugo y flechas bestickten Parteifahne war Rot-Schwarz, eine traditionell in der Arbeiterbewegung verankerte Farbkombination. Obwohl im ersten Jahr nach der Falange-Gründung offiziell das Triumvirat die Parteiführung innehatte, lag die Macht bald faktisch in den Händen Jos8 Antonio Primo de Riveras. Auf der ersten Nationalversammlung der Falange vom 5. bis 7. Oktober 1934 in Madrid, die zeitlich mit dem Oktoberaufstand in Asturien zusammenfiel, stärkte dieser seine innerparteiliche Position. Die Führung per Triumvirat wurde durch die des »Alleinigen Führers« (jefe fflnico) ersetzt. Unter dem jetzigen »Nationalen Führer« (jefe nacional), Jos8 Antonio Primo de Rivera, gab es fortan einen »Nationalrat« (consejo nacional). Jede spanische Region hatte einen »Territorialführer« (jefe territorial) dem die »Provinzführer« (jefes provinciales) unterstanden, welchen wiederum die »Lokalführer« (jefes locales) untergeordnet waren. Auch der »Milizführer« (jefe de milicias) unterstand dem »Nationalen Führer«.161 Nach der Nationalversammlung bekam die Falange auch eine einheitliche Kleidung, das falangistische »Blauhemd« (camisa azul).162 Durch das »Blauhemd« wählten die Falangisten ebenfalls eine für die Arbeiterbewegung typische Farbe, nämlich das Blau des »Blaumanns« (mono azul). Das »Blauhemd« diente der weiteren sukzessiven symbolischen Annäherung an die Linke. Es wurde mit einem roten yugo y flechas bestickt; nur der »nationale Führer« (jefe nacional) trug darunter drei silberne Sterne.163 Die Mitglieder des »Nationalen Rates« (consejo nacional) unterschieden sich vom Rest der Partei durch eine rotschwarze Kordel mit goldfarbenen Quasten. Die »Territorialführer« (jefes territoriales) und »Provinzführer« (jefes provinciales) trugen ebenfalls eine rotschwarze Kordel, allerdings mit rot-schwarzen Quasten.164 Zur Unterstreichung des freundschaftlich-brüderlichen Charakters des Falange-Bundes übernahmen die Falangisten von den Sozialisten die Anrede »Kamerad« (camarada).165 Falangisten redeten, auch auf der höchsten Führungsebene, »per Du« miteinander.166 Im Gegensatz zu den Gruppen der Linken verstand sich die Falange
161 Nach der Ablösung Ansaldos übernahm General Rada vom Oktober 1934 bis Januar 1935 den Armeeteil in Madrid, von Februar 1935 bis März 1936 August&n Aznar, siehe: Eduardo Gonz#lez Calleja: Camisas de fuerza, S. 67. 162 Francisco Bravo Mart&nez: Historia de Falange, S. 60. 163 JAPdR: A la primera linea de Madrid, 29. Juni 1936, in: OC, S. 1015. 164 JAPdR: Contestaciones que Jos8 Antonio dij a las preguntas que le remitij el periodista Ramon Blardony por intermedio del enlace Agustin Pelaez, Alicante, 16. Juni 1936, in: OC, S. 1005–1007. 165 Rafael S#nchez Mazas: La muerte es un acto de servicio, in: FE, Nr. 5, 1. Februar 1934, S. 6. 166 Joan Maria Thom/s: Los fascismos, S. 95.
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dabei als eine in Askese lebende, patriotische Bruderschaft (hermandad) oder auch als »Heilige Bruderschaft« (santa hermandad).167 Zu Beginn des Jahres 1935 folgte die Errichtung einer Militärstruktur. Falange-Neumitglieder traten nun entweder in die »Zweite Reihe« (segunda l&nea) ein, die sich um organisatorische Aufgaben und Propaganda kümmerte, oder in die »Erste Reihe« (primera linea), den Truppenteil der Falange.168 Der Aufbau des Armeeteils entsprach demjenigen der italienischen Squadri und der spanischen Kolonialarmee, dem Tercio de Africa. Zwei Falangisten und ein Vorgesetzter bildeten ein »Element« (elemento). Drei Elemente mit zwei Vorgesetzten bildeten eine Schwadron (escuadra). Drei Schwadrone setzten sich zu einer Phalanx (falange) zusammen. Drei falanges mit einem Vorgesetzten waren eine Zenturie (centuria). Drei Zenturien bildeten ein Tertium (tercio). Drei tercios bildeten eine bandera, und drei banderas eine »Legion« (legijn). Die Truppeneinheiten banderas und legiones waren wegen der Höhe der Mitgliederzahlen zur Republikzeit nicht formierbar, wurden aber im Bürgerkrieg zusammengestellt und eingesetzt.169 Erst kurz vor der Organisation des Milizapparates, im Oktober 1934, hatte die Falange ein eigenes politisches Programm festgelegt. Während der Erstellung desselben manifestierte sich jedoch ein Streitpunkt, der bereits zu Beginn des Jahres 1934 dazu beigetragen hatte, dass Santiago Montero D&az die JONS verließ: Das Verhältnis von sozialer und nationaler Revolution. Der neue politische »Stil«, wie die Falangisten der ersten Stunde ihn forderten, hatte manieristische Züge, mit denen JONS-Mitglieder rund um Ledesma Ramos wenig anfangen konnten. Ledesma Ramos hielt es für absurd, über »Rom und über Platon zu sprechen« statt deutliche revolutionäre Ziele zu formulieren.170 Schon bald nahm seine Kritik an Jos8 Antonio Primo de Rivera ähnliche Züge an, wie die vormalige Kritik gegenüber dem Schriftsteller Gim8nez Caballero: Jos8 Antonio Primo de Rivera lege zu viel Wert auf den politischen Stil und zu wenig auf die politische Aktion. In der Tat war der Falange-Gründer, ähnlich wie Gim8nez Caballero, davon überzeugt, dass Literatur Politik sei und umgekehrt. Auf einem Bankett zu Ehren des Falangisten Eugenio Montes, sagte er im Februar 1935: »Es ist nicht mehr möglich ausschließlich Literat oder Politiker zu sein, weil alles das, was Literatur 167 Hermandad, in: Arriba, Nr. 8, 9. Mai 1935, S. 1. JAPdR: En memoria de Jos8 Garcia Vara, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, S. 644–645, S. 644. Alejandro Salazar : Consigna, in: Haz, Nr. 7, 19. Juli 1935, S. 1. 168 Eduardo Gonz#lez Calleja: Camisas de fuerza, S. 67–68; Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 99. 169 Eduardo Gonz#lez Calleja: Camisas de fuerza, S. 67; Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 163. 170 David Jato Miranda: La rebelijn, S. 133.
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ist, Politik ist«.171 Als Ledesma Ramos Anfang 1935 bereits seinerseits die falangistischen Reihen verlassen hatte, wog er in seiner Analyse »Faschismus in Spanien?« (¿Fascismo en EspaÇa?) die politischen Chancen Jos8 Antonio Primo de Riveras ab und sah dabei vor allem die Gefahr, dass die Falange einen »sektiererischen Charakter« bekäme und zu einer »politisch-literarischen Kuppel« von Schriftstellern verkomme.172 An seinen Freund aus Santiago de Compostela, Montero D&az, der auf die Unvereinbarkeit beider Gruppen hingewiesen hatte, schrieb Ledesma Ramos nicht ohne Pathos: »Du warst ein Prophet und hattest vollkommen Recht.«173 Die Mehrzahl der JONS-Mitglieder verblieb jedoch in den Reihen der Falange, wenngleich die Diskussion um den Charakter der angestrebten Revolution die Geschichte der Falange weiterhin prägen würde. Innerhalb der Falange lebten zwei Flügel fort – zum einen derjenige, der das syndikalistische Element stärker gewichtete als das nationale und eher realpolitisch dachte, zum anderen derjenige, der sich stärker der Bildung einer militaristisch-nationalen Gemeinschaft widmete und diese politisch inszenierte. Letztere Gruppe behielt nach dem Ausscheiden Ledesma Ramos‹ zunächst die Oberhand in der Falange.
Die Falange in Galicien Im Zuge der Zusammenführung von Falange und JONS im Februar 1934 ersetzte in Santiago de Compostela Victoriano MuÇoz den scheidenden JONS-Führer Santiago Montero D&az. In A CoruÇa unterlag die Führung weiterhin Juan Canalejo Castells, der die dortige JONS in die Falange integrierte. In Ferrol (A CoruÇa) war der erste Falange-Führer Juan Bal#s Loureiro. Noch vor der offiziellen Zusammenlegung von Falange und JONS waren Ende 1933 auch in einigen Dörfern der Provinz A CoruÇa Einzelpersonen der Falange beigetreten, wie der Anwalt Manuel Blanco Ons in Noya (A CoruÇa) oder Pl#cido Godoy
171 JAPdR: Palabras pronunciadas en Madrid en el Homenaje de Accion espaÇola a Eugenio Montes, celebrado en el Hotel Ritz, 19. Februar 1935, in: La Epoca, 22. Februar 1935, OC, S. 562–563. 172 Ramiro Ledesma Ramos: ¿Fascismo en EspaÇa?, S. 204. Ganz im Sinne der üblichen falangistischen Stilkritik setzte Jos8 Antonio Primo de Rivera nach dem Austritt Ledesma Ramos aus der Falange rhetorisch nach und machte sich öffentlich in dem Artikel »Die Kunst, Revolutionäre zu identifizieren« über Ledesma Ramos lustig. Dieser hatte Probleme das spanische »R« zu rollen. Vgl. JAPdR: Arte de identificar revolucionarios, in: Arriba, Nr. 1, 21. März 1935. 173 Brief Ledesma Ramos an Santiago Montero D&az, 15. Januar 1935, zit. bei Xos8 M. NfflÇez Seixas : La Sombra del c8sar, S. 109.
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Enr&quez, der 1933 in Muros eine Falange-Abteilung gründete, in der ab 1934 auch sein Bruder C8sar Godoy Enr&quez aktiv wurde.174 In den Hauptstädten der galicischen Südprovinzen Pontevedra und Ourense kam es 1933, und ohne dass es dort zuvor organisierte JONS-Gruppen gegeben hatte, zur Falange-Gründung durch Manuel Castro Pena bzw. durch Eduardo Valencia Fern#ndez. Manuel Castro Pena trat während eines Madridaufenthaltes persönlich mit Jos8 Antonio Primo de Rivera in Kontakt. Dieser händigte Castro Pena Propagandamaterial aus und verwies ihn an den Zuständigen für die Organisation der Falange in den Provinzen, Emilio Alvargonz#lez. Zurück in Pontevedra rief Castro Pena unter Zusammenarbeit mit dem ehemaligen konservativen Abgeordneten V&ctor Luis Quib8n die Provinzabteilung der Falange ins Leben.175 Der Ourenser Eduardo Valencia Fern#ndez hatte bereits im Frühjahr 1933 die Verbindung zur Redaktion von El Fascio hergestellt, also noch vor der offiziellen Falange-Gründung. Er wurde erster Provinzführer in Ourense.176 Interessierte, die in der Falange nach der Gründung vom 29. Oktober 1933 aktiv werden wollten, wendeten sich an die Lokalführer oder, falls ihnen diese nicht bekannt waren, initiativ an die Parteiführung in Madrid. Per Brief beantragten diese Personen ihre Mitgliedschaft und hüteten, wie der Ourenser Falangist Fernando Meleiro zu berichten weiß, die eigene politische Identität wie ein Geheimnis. Kurz nach seinem Falange-Eintritt sondierte Meleiro in einem Gespräch in einer Bar erst einmal, welche politische Haltung sein Gegenüber hatte, ehe er sich als Falangist zu erkennen gab. In der Bar Roma, in der sich ein Großteil des politischen Lebens der Stadt abspielte, hatten sämtliche politische Vereinigungen ihre festen Plätze und, laut Meleiro, die Kommunisten »die besten«. Denn: »Sie kontrollierten die Fenster und Eingänge«.177 Bei der Suche nach Gleichgesinnten war deshalb Vorsicht geboten. Schwierigkeiten der Neumitglieder, Versammlungsorte zu finden, sind auch aus der Provinz Pontevedra belegt. Angeblich, so die Schilderung Carlos Herreros, hätten die ersten Treffen der Falange von Vigo sogar im Wagen des Falangisten Javier Ozores stattgefunden.178 Jedenfalls, so viel steht fest, kämpften die wenige Mann umfassenden Provinzabteilungen das ganze Jahr 1934 über in erster Linie darum, die Mitgliederzahlen zu vergrößern, damit die Falange auf der Lokalebene ein Eigenleben entwickeln konnte. Oberste Priorität besaß dafür die Eröffnung von Parteilokalen. In Ourense leiteten die Falangisten schon Ende
174 Ficha de afiliacijn, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.002, exp. 207. Jefe comarcal de la milica nacional, Fern#ndez, Muros, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.027, exp. 1237. 175 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 216. 176 Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 154–155. 177 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 11–13 u. S. 17. 178 Carlos Herrero: Notas, S. 264 u. 270.
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1934 beim Zivilgouverneur die Eröffnung eines Lokals ein.179 Auch in Vigo gab es im Jahr 1934 schon ein Lokal, zentral gelegen in der Calle Gal#n. Dieses FalangeZentrum wurde jedoch nach falangistischen Störaktionen während des Besuchs des Präsidenten in der Stadt geschlossen, so dass die Falangisten sich fortan in einem Haus am Paseo de Franco versammelten.180 Schließlich bezogen auch die Falange-Gruppen in den anderen Großstädten der jeweiligen Provinzen eher bescheidene mit nur wenigen Bänken und Stühlen ausgestattete Lokale, die mit Kerzen beleuchtet werden mussten, weil kein elektrisches Licht vorhanden war.181 Die ersten Lokale, die meisten zwischen Januar und Mai 1935 angemietet, befanden sich in der Calle de la Barrera (A CoruÇa-Stadt), der Calle Real (Ferrol, A CoruÇa), der Rua San Pedro (Santiago, A CoruÇa) der Calle Lamas Carvajal (Ourense), der Calle de la Cruz (Lugo), der Calle del Pr&ncipe (Pontevedra), der Calle Rosal&a de Castro (Vilagarc&a, Pontevedra) und der Calle del General Riego (Vigo, Pontevedra). Von der offiziellen Eintragung der ersten Zentren sind noch die in den Provinzarchiven zu findenden Erklärungen lokaler Falange-Vorsitzender wie Jos8 Cedrjn de Valle in Lugo, Victoriano MuÇoz Barj#n in Santiago, Jesffls Muruais Carrillo in Pontevedra oder Jesffls Gonz#lez und Juan Raposo Lamas in Arzffla (A CoruÇa) vorhanden.182 179 180 181 182
Falange EspaÇola, in: El Pueblo Gallego, 1. November 1934, S. 11. Sorprenden a unos fascistas, in: El Correo de Zamora, 6. September 1934, S. 7. Carlos Fern#ndez Santander : La Guerra Civil, S. 36. Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 211. Zur Eintragung des Lokals von Santiago de Compostela: »Victoriano MuÇoz Barj#n, 42 Jahre alt, Farmazeut, wohnhaft in dieser Stadt, Straße Matadero 3, 3. Stock, erklärt: ›Nach Anerkennung des Reglements, nach dem sich die Falanges EspaÇolas de las JONS zu richten haben, wird am Sonntag, dem 12. dieses Monats das Lokal in der Rua San Pedro 3, 2. Stock, eröffnet‹«, Junta de las JONS, 9. Mai 1935 Archivo Histjrico Universitario (AHU), AM Asociaciones politicas, caja 2038. Zur offiziellen Gründung in Pontevedra heißt es in der Personalakte über den 1934 37 Jahre alten propietario, Jesus Muruais Carrillo: »Er gehörte zur Union Regional de Derechas seit den letzten Monaten des Jahres 1931, und ohne die Mitgliedschaft in dieser Gruppe niederzulegen trat er Anfang 1934 in die F.E. ein. In den ersten Monaten des Jahres 1935 und mit der Absicht, dass die JONS sich im Rahmen des Gesetzes ein Parteilokal in dieser Hauptstadt nehme, erschien der Benannte [Jesus Muruais Carrillo] als Vorsitzender derselben.« AHPP, ACP-XPM, Expedientes personales de militantes, 37–50, Abilleria-Perreira, Caja 55, Exp.259. Jos8 Cedrjn de Valle an Zivilgouverneur Lugo, 27. April 1935, Archivo Histjrico Provincial de Lugo (AHPL), Gobierno Civil, Asociaciones 13.051–28, expediente 825. Vgl. auch die Gründungsstatuten aus Arzffla (A CoruÇa) und A CoruÇa: Falange EspaÇola de Arzffla, Jesffls Gonz#lez, Juan Raposo Lamas, 10. August 1935, Archivo del Reino de Galicia A CoruÇa (ARG), Expedientes de asociaciones profesionales, sindicales y partidos pol&ticos 1931–1936, G 1823. Falange EspaÇola de A CoruÇa, Enrique Garc&a, Jesffls D&az Seoane, Antonio Rold#n Mart&nez, 13. Januar 1935, ARG, Expedientes de asociaciones profesionales, sindicales y partidos pol&ticos 1931–1936, G 2655. Die Erste Junta von A CoruÇa setzte sich wie folgt zusammen; Carlos Folla Fern#ndez (Vorsitzender), Sergio PeÇamar&a de Llano (Sekretär), Jos8 Laciana Gonz#lez, Javier Sanz de Andino Meleiro und Jesffls D&az Seoane (Vertreter der Junta). Vgl. Emilio
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Vom Beginn des Jahres 1935 an entwickelten sich die Aktivitäten der Partei rund um die Versammlungszentren. Die Falangisten versuchten über das Verteilen von Flugblättern die Lokale zu beleben. In Santiago wurde auf diese Weise für das Abonnement der Falange-Zeitung Arriba, geworben und dafür als »aktives Mitglied, als Sympathisant oder als Schutzpatron« der Falange beizutreten. Letztere sollten die Falange finanziell unterstützen.183 Der Bezug der ersten Falange-Lokale im Frühling 1935 fiel zeitlich zusammen mit der Falange-Gründung auf regionaler Ebene. Die Besetzung der »Territorialführung« (jefatura territorial) von Galicien erfolgte auf dem ersten gesamtgalicischen Kongress vom 17. März 1935 in Vilagarc&a da Arousa (Pontevedra), wo Daniel Buhigas Olavarietta die drittgrößte Falange-Gruppe Pontevedras nach denjenigen von Vigo und Pontevedra-Stadt leitete.184 Für viele Falangisten waren der Kongress und die Reise nach Vilagarc&a ein politisches Großereignis oder, wie ein Ourenser Falangist es ausdrückte, »für uns eine Apotheose, weil dort so viele Leute aus Galicien hin sind.«185 Es bestand für die Milizionäre zum ersten Mal die Möglichkeit, den berühmten FalangeFührer persönlich zu treffen. Zudem würden die Falangisten andere Kameraden der bis dato entstandenen galicischen Provinz-Gruppen kennenlernen. Die Falange-Gruppe von Ourense fuhr mit »mehr als drei Omnibussen« in die Provinz Pontevedra.186 Felipe B#rcena de Castro ordnete und führte die aus Ourense anreisenden Einheiten.187 Die anderen Provinzabteilungen organisierten ebenfalls Busfahrten zum Kongress. Antonio Salvador LiÇares zufolge kam aus Lugo eine Delegation bestehend aus ihm selbst, »Carlos Pedrosa, Jos8 V#zquez Cartero aus Puertomarin, Jesus Cedrjn del Valle, Pereira, Soilan, Doncos und anderen«.188 Weitere Gruppen kamen aus Vigo, Tui, Lal&n, Silleda, Cangas, A Estrada (Pontevedra), aus Monforte de Lemos (Lugo), aus A CoruÇaStadt, aus Ferrol, aus Melide und aus Santiago de Compostela (A CoruÇa), wobei die falangistischen Studenten während der Reden auf dem Kongress »lautstarke
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Grand&o Seoane: A CoruÇa nos anos trinta. Mobilizacijn social e pol&tica na II Repfflblica, in: A II Republica e a Guerra Civil. Actas dos traballos presentaos ao II Congreso da Memoria, Culleredo 2006, S. 141–179, S. 165. In Ourense erfolgte die Einschreibung am 5. Januar 1935, vgl. auch: Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 162–163. »Santigueses«, 18. Mai 1935, AHU/AM 2076, sucesos politicos 6. Propaganda. Zwar galt anfangs Eduardo Valencia aus Ourense als Territorialführer, allerdings wurde die Versammlung von Vilagarc&a als offizieller Gründungsakt verstanden, vgl: Xulio Prada: La repfflblica y la sublevacijn militar, in: Jesffls de Juana, Xulio Prada (Hg.): Historia contempor#nea, S. 229–260, S. 235. Interview Nr. 77, L. V., 21. Januar 1989, UPDOC. Interview Nr. 58, M.G.M., 9. Juli 1988, UPDOC. Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 52. Interview Nr. 72, J. L.T.G., 14. November 1988, UPDOC. Antonio Salvador LiÇares, Eidesstaatliche Versicherung, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.045, exp. 2272.
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Präsenz« zeigten.189 Die Zeitung Arriba rückte die Teilnehmerzahl in die Nähe von 2000, allein aus Ourense seien mehr als 250 Falangisten gekommen.190 Auf der Versammlung sprachen neben Jos8 Antonio Primo de Rivera die Madrider Parteifunktionäre Raimundo Fern#ndez Cuesta (secretario general, Generalsekretär der Falange), Manuel Mateos (Vorsitzender der Falange-Gewerkschaft) und Manuel Vald8s LarraÇaga (Vorsitzender des falangistischen Studentenbundes) sowie die galicischen Falange-Vertreter Daniel Buhigas Olavarietta, Führer der Falange von Vilagarc&a, und Jesus Suevos aus Ferrol (A CoruÇa). Während Jos8 Antonio Primo de Rivera in seiner Rede den Kazikismus verurteile und Manuel Mateo die Arbeitspolitik von Gil Robles, attackierte Suevos die »Zerteilung Spaniens« durch die Partido Galeguista.191 Im Oktober 1934 hatte Suevos in der Funktion eines Ratsmitgliedes als einziger galicischer Falangist an der ersten Falange-Nationalversammlung in Madrid teilgenommen und gab bei der Wahl – schenken wir dem Bericht des Falangisten Francisco Bravo Mart&nez Glauben – die entscheidende Stimme ab, die Jos8 Antonio Primo de Rivera zum alleinigen Führer der Falange machte.192 Vielleicht auch deshalb wurde Suevos im Zuge des Kongresses von Vilagarc&a zum »Territorialführer« (jefe territorial) Galiciens ernannt. Nach dem Kongress blieb Jos8 Antonio Primo de Rivera in der Stadt und besuchte das Falange-Lokal von Vilagarc&a. Die Falange-Gruppen veranstalteten in der Nähe des Hafens ein gemeinsames Essen.193 Am Folgetag fuhr der Parteiführer in Begleitung seiner Madrider Kameraden in die Städte A CoruÇa, Santiago, Melide (A CoruÇa) und Lugo, ehe er in Richtung Madrid abreiste. Die Zeitung Arriba urteilte in ihrer auf den Kongress folgenden Ausgabe in gewohnt glorifizierendem Ton, die galicische Falange sei durch den »Charakter ihrer Männer« und durch die »harmonische Verbindung« der Lokalführer mit der Madrider Parteiführung einer der »festen Pfeiler« der Bewegung.194 Etwas dezidierter ging der Parteiführer auf die Situation der Falange in Galicien ein: In einem Brief an Suevos vom 11. April 1935 schilderte Jos8 Antonio Primo de Rivera seine in der Region gewonnenen Eindrücke. »Sehr enthusiastisch« er189 David Jato Miranda: La rebelijn, S. 216. Siehe zur Herkunft der einzelnen Gruppen Vilagarc&a, in: Arriba, Nr. 2, 28. März 1935, S.3; Acto de Falange EspaÇola, in: El Faro de Vigo, 19. März 1935, S. 6. De Vilagarc&a, in La Voz de Galicia, 19. März 1935, S. 1. 190 Vilagarc&a, in: Arriba, Nr. 2, 28. März 19 35, S. 3. 191 »De Vilagarc&a«, in La Voz de Galicia, 19. März 1935, S. 1. 192 Francisco Bravo räumt ein, dass eigentlich Jos8 Cedrjn del Valle aus Lugo die Region Galicien in der Nationalversammlung vertreten sollte. Letzlich war aber Suevos der einzige Teilnehmer aus Galicien und zudem das jüngste Ratsmitglied. Francisco Bravo Mart&nez: Historia de Falange EspaÇola de las JONS, Madrid 1940, S. 56, S. 61 u. S. 95. 193 Interview Nr. 72, J. L.T.G., Ourense, 14. November 1988, UPDOC. 194 »Vilagarc&a«, in: Arriba, Nr. 2, 28. März 19 35, S. 3.
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schienen ihm der Provinzführer A CoruÇas, Juan Canalejo, der aus Santiago stammende Eduardo Paz Santas sowie Cedrjn del Valle, Provinzführer von Lugo. »Gute rhetorische Fähigkeiten« bescheinigte er Mario Gonz#lez Zaera, ebenfalls aus der Provinz Lugo stammend. Gleiches gelte für Daniel Buhigas aus Vilagarc&a, der allerdings eine »stärkere revolutionäre Rhetorik« erlernen müsse. Fernando Meleiro, Provinzführer aus Ourense, habe auf ihn einen »schüchternen Eindruck« gemacht. Und Gustavo Kruckenberg, Provinzführer von Pontevedra, sei ein Beispiel dafür, wie ein Führer nicht sein dürfe, wobei der Parteivorsitzende eine nähere Erläuterung dieser Untauglichkeitseinschätzung schuldig blieb. Insgesamt, so sein Resümee, fehle es der Falange in Galicien an einer Vereinheitlichung von Gedankengut und »Stil«.195 Zweifelsohne sorgte das Treffen von Vilagarc&a für eine stärkere Vernetzung der vier galicischen Provinz-Gruppen untereinander. Nur einen knappen Monat nach dem Kongress fand am 18. April 1935 eine weitere Großveranstaltung in dem Dorf Catoira (Pontevedra) statt, wobei Falangisten aus den Provinzen Pontevedra und A CoruÇa zusammenkamen. Vor den Versammelten sprachen der Lokalführer von Catoira, Jos8 Loureiro Loureiro, der Falange-Führer aus Santiago, Eduardo Paz Santas, der Student Guillermo Togores und der Lokalführer von Vilagarc&a, Daniel Buhigas. Die zentrale Absicht in den Reden war es, den »anti-politischen« Charakter der Falange hervorzuheben. Paz Santas und Buhigas kritisierten zudem den Kazikismus. Togores definierte die Falange als eine »komplett neue Bewegung« und forderte: »Wir müssen mit all unseren Kräften gegen den Separatismus kämpfen, gegen die Katalanisten und die Galleguisten«.196 In dieser Phase inszenierten die Falangisten die offiziellen Registrierungen ihrer Lokale durch Eröffnungsfeiern, zu denen der ranghöchste Falangist in Galicien, der Territorialführer Jesffls Suevos, anreiste. Am 12. Mai 1935 öffnete das Falange-Lokal von Santiago de Compostela in der Rua San Pedro (Santiago) seine Türen. Zur Eröffnungsfeier hielt Suevos eine Rede.197 Drei Tage später besuchte Suevos die Falange-Gruppe von Monforte de Lemos (Lugo) und fuhr von dort nach Lugo-Stadt, um das dortige Falange-Lokal, in der Calle de la Cruz (Lugo), zu eröffnen.198 Am 19. Mai 1935 lud die Madrider Parteiführung zur bis dato größten nationalen Versammlung der Falange ins Cine Madrid in der Hauptstadt. Die 195 Jos8 Antonio Primo de Rivera an Jesus Suevos, 11. April 1935, in Obras Completas, S. 1146. 196 »Mitin de Falange EspaÇola de las JONS en Catoira«, in: Arriba, 18. April 1935, Nr. 5, S. 3. Nur sechs Tage später, am 24. April 1936 kam es zu einer Durchsuchung des FalangeZentrums von Vilagarc&a, weil dort Waffen vermutet wurden. Vgl. »Registros por la Benemerita«, in: El Pueblo Gallego, 26. April 1935, S. 13. 197 »Los fascistas«, in: El Pueblo Gallego, 11. Mai 1935, S. 11. Carlos Herrero: Notas, S. 266. 198 »El jefe regional de Falange«, in: El Pueblo Gallego, 16. Mai 1935, S. 12.
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Parteipresse sprach erneut von mehreren tausend Zuschauern, wobei jedoch auch eingeräumt wurde, dass der Zulauf aus den Provinzabteilungen eher gering ausfiel, wahrscheinlich auch deshalb, weil die Parteiführung keinerlei Finanzierungshilfen für die Anfahrt leisten konnte.199 Dennoch nahm unter der Führung Juan Canalejos auch eine Delegation aus A CoruÇa teil, die für die lange Reise nach Madrid erneut einen Bus mietete.200 Unabhängig von den Zusammentreffen bei Propagandaveranstaltungen kam es zwischen den Provinz-Gruppen der Falange in Galicien vereinzelt zur gegenseitigen Unterstützung. Der CoruÇeser Falangist Osset, ein Berufsmilitär, der genauso wie der CoruÇeser Falange-Führer Juan Canalejo durch die »Lex AzaÇa« in Zwangsruhestand gesetzt worden war, sorgte beispielsweise durch persönliche Kontakte, über die er in Ourense verfügte, dafür, dass die dortige Falange ein Parteizentrum mieten konnte.201 Über derlei Hilfestellungen hinaus stellte die Verbindung zwischen den Provinzen aber auch eine Kotrollebene dar. Als Fernando Meleiro Ende 1934 Eduardo Valencia als Provinzführer von Ourense ablöste, geschah dies nach internen Absprachen der Ourenser Falange und ohne die Kenntnis der Parteiführung in Madrid. Daraufhin reiste, von der Madrider Falange-Führung beauftragt, Gustavo Kruckenberg aus Pontevedra nach Ourense, um sich ein Bild von der Situation zu machen und der hauptstädtischen Falange Bericht zu erstatten.202 Gewisse Freiheiten gegenüber der Madrider Führung kamen offenbar dem Territorialführer zu. An der zweiten Nationalversammlung vom 15. November 1935 nahmen für Galicien Daniel Buhigas, Jesffls Suevos und Fernando Meleiro teil, wobei Meleiro im Zuge dessen zum Territorialführer Galiciens ernannt wurde.203 Sein neues Amt nutzte Meleiro, um den Falange-Führer von Lugo, Jos8 Cedrjn del Valle, durch Mario Gonz#lez Zaera zu ersetzen.204 Im Februar 1936 übernahm der CoruÇeser Falangist Juan Canalejo das Amt des Territorialführers. Eigenmächtig trennte Canalejo die Provinz Lugo in einen nördlichen Teil, dem Jos8 Viador Traseira vorstand (Hauptsitz Lugo-Stadt), und einen südlichen Teil, dessen Vorsitz Mario Gonz#lez Zaera (Hauptsitz Sarria) übernahm. Un-
199 Der Falangist David Jato spricht von 6000 Teilnehmern. David Jato Miranda: La rebelijn, S. 228. Die Parteizeitung Arriba gar von 10.000 Teilnehmern, vgl. »Una jornada memorable«, in: Arriba, Nr. 10, 23. Mai 1935, S. 1. 200 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 204. 201 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 31. 202 Ebenda, S. 27–29. 203 »II Consejo Nacional«, in: Arriba, Nr. 18, 7. November 1935, S. 4. 204 Fernando Meleiro: Anecdotario, S.130. Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio de Manuel Hedilla. Segundo jefe nacional de Falange EspaÇola, Barcelona 1972, S. 134.
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gewiss ist, ob diese Trennung aus politisch-strategischen Gründen erfolgte oder wegen des schlechten Verhältnisses der beiden Falange-Führer.205 Zu diesem Zeitpunkt, im Winter 1935/36, galten die propagandistischen Bemühungen der Falangisten in erster Linie den Wahlen vom 16. Februar 1936, an der die Partei trotz ihres anti-parlamentarischen Tons teilzunehmen plante. Seit der zweiten falangistischen Nationalversammlung vom 15. November 1935 stand zur Diskussion, bei den Wahlen in einem rechten Parteienbündnis mitzuwirken, weshalb die Parteiführung in Verhandlungen über die mögliche Partizipation trat. Ab dem 8. Januar 1936 teilte die Falange der Presse mit, in Madrid und 18 weiteren Provinzen Falangisten kandidieren zu lassen.206 Für A CoruÇa sollten sich Ruiz de Alda, Manuel Mateo und Jos8 Sendjn zu den Wahlen präsentieren.207 Am 9. Februar 1936 berichtete La Voz de Galicia von geplanten Wahlkampfveranstaltungen der Falange in den Gemeinden Barbjs und Baleo (A CoruÇa). Auch der »berühmte Flieger« Ruiz de Alda wurde für eine Veranstaltung angekündigt.208 Vermutlich hing die Kandidatur dieser eher syndikal orientierten Vertreter, wie de Alda und vor allem Mateo es waren, mit der starken Präsenz linker Gewerkschaften in A CoruÇa zusammen. In der Provinz Ourense erstellten Fernando Meleiro und Jesffls Suevos für die Phase der Wahlkampagne eine Propagandaroute, letztlich wurde ihr Plan jedoch verworfen. Der zum Zeitpunkt der Kampagne amtierende Territorialführer von Galicien, Fernando Meleiro, sollte sich schließlich, auf Weisung der Madrider Parteiführung hin, in Zamora (Kastilien-Lejn) zur Wahl stellen, wahrscheinlich wegen der zu großen konservativen Konkurrenz in Ourense und der größeren Wahrscheinlichkeit, in Kastilien-Lejn gewählt zu werden.209 Im Folgenden schlugen die Verhandlungen Jos8 Antonio Primo de Riveras mit CEDA-Führer Gil Robles über hohe Listenplätze für führende Falangisten in der Nationalfront fehl.210 Daraufhin trat die Falange allein zur Wahl an und erreichte mit rund 45.000 Stimmen einen Wähleranteil von unter 1 %.211 Das war 205 Maria Jesus Souto Blanco: Golpe de Estado y represijn franquista en la provincia de Lugo, in: Jesus de Juana Ljpez, Xulio Prada Rodr&guez (Hg.). Lo que han hecho en Galicia. Violencia, represijn y exilio (1936–1939), Barcelona 2006, S. 59–99, S. 60. Seinen kurzfristigen Verbleib in der Territorialführung erklärte Meleiro mit seinem Weggang nach Portugal, der angeblich wegen der Beschaffung von Waffen für die Falange erfolgte. Fernando Meleiro: Anecdotario, S.171. Maximiniano Garc&a Venero spricht von einer Abreise aus privaten Gründen. Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio, S. 134. 206 De Falange EspaÇola, in: El compostelano, 14. Januar 1936, S. 1. Arriba, Nr. 27, 9. Januar 1936, S. 3. 207 Candidatos fascistas por CoruÇa, in: El Correo de Zamora, 27. Januar 1936, S. 8. 208 Falange EspaÇola, in: La Voz de Galicia, 9. Februar 1936, S. 10. 209 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 155. 210 Ian Gibson: En busca, S. 106–108. 211 Jos8 Luis Rodr&guez Jim8nez spricht von 46.466 Stimmen und einem Stimmenanteil von 0,4 %. Jos8 Luis Rodr&guez Jim8nez: Historia de Falange EspaÇola, S. 213. Preston gibt eine
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ein großer Misserfolg, der gleichwohl den kommenden Erfolg der Falange beförderte. Die Wahlen hatten Spanien politisch gespalten. Das Ergebnis wies nur eine Differenz von 2 % zwischen den beiden großen Parteienbündnissen Nationalfront und Volksfront auf.212 Die Falange besann sich umgehend auf ihren antiparlamentarischen Charakter und versuchte durch Attentate der neuen Regierung zu schaden. Auf der Seite der Wahlverlierer fand diese falangistische Radikalität nun zunehmend Befürworter. Am 13. März 1936 verübte eine Falange-Gruppe in Madrid ein Attentat auf den Parlamentarier und Verfassungsvater Jim8nez Asffla, wobei dessen Leibwächter ums Leben kam. Das Attentat führte zum Verbot der Partei.213 Die Polizei inhaftierte mehrere falangistische Führer, unter ihnen Jos8 Antonio Primo de Rivera.214 Schlagartig entstand eine deutliche Veränderung der Parteistruktur, denn die Falange zerfiel in ein dezentrales Zellensystem, das bis in den Krieg hinein die politische Einflussnahme der Partei kennzeichnete und erst mit der falangistischen Reorganisation durch den neuen Parteiführer, Manuel Hedilla, ab August 1936 erneut in eine vertikalere Hierarchie überführt wurde.
»Hinter Gittern« und davor: Die Falange zwischen dem 15. März und dem 18. Juli 1936 Mit dem Verbotsverfahren gegen die Falange vom 15. März 1936 setze eine Phase der Illegalität ein, wobei dieser politische Status für einige der Falangisten nichts Neues darstellte, da sie bis zur legalen Öffnung ihrer Zentren schon einmal die Illegalität durchlebt und darüber hinaus durch ihre Gewaltaktionen Gefängnisaufenthalte in Kauf genommen hatten. Durch die massiven Inhaftierungen zum Jahreswechsel 1935/1936, die als ungerechtfertigte Bestrafung eines von links korrumpierten Staates empfunden wurden, entstand jedoch mehr als zuvor eine Gemeinschaftlichkeit innerhalb der Falange – und diese Bindung der imaginierten Opfergemeinschaft wurde zunehmend inszeniert. Zahl von ca. 45.000 Stimmen an, was ihm zufolge ebenfalls 0,4 % der Stimmen entspräche, vgl. Paul Preston: The Spanish Holocaust, S.110. Payne spricht von 44.000 Stimmen und einem Wähleranteil von 0,7 %, Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 183. 212 Zu den Wahlen Sheelagh M. Ellwood: Prietas las filas, S. 68–70. Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 183. 213 Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 188. Paul Preston: The Spanish Holocaust, S. 110– 111. 214 Zwar wurde das Parteiverbot nachträglich aufgehoben, da das Parteiprogramm der Falange laut Urteil nicht gegen das Verbandsgesetz vom 30. Juni 1887 verstoße. Dennoch blieb Jos8 Antonio Primo de Rivera in Haft, da er am 30. April 1936 eines weiteren Deliktes angeklagt und zu neun Monaten Haft verurteilt wurde, nämlich wegen »illegalen Waffenbesitzes«, vgl. Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 192f.
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Allgemein blieb der Kontakt der sich in Freiheit befindenden Falangisten zu den inhaftierten Kameraden eng. In A CoruÇa-Stadt pflegten die Falangisten nach Aussage des Studenten Pedro ]lvarez de Sotomayor y Castro Gefängnisbesuche »generell Sonntags« durchzuführen. Einen dieser Besuche machte er am 15. Dezember 1935, »gegen 11.30 Uhr« zusammen mit sechs weiteren Kameraden (Javier Sanz de Andino, Ramjn Bermffldez de Castro, Avelino M8ndez NfflÇez, Carlos Montero D&az, Pedro ]lvarez de Sotomayor y Castro, Gerardo Mart&nez Pan und Jesffls Garc&a Pardo). Den Inhaftierten Juan Manuel Dapena und Jos8 Teijeiro, die wegen »Delikten gegen Personen« (delitos contra personas) in Haft saßen, überbrachten die CoruÇeser Falangisten in Zeitungspapier eingewickelte Essensrationen. Dem Gefängnisdirektor zufolge kamen »mit großer Häufigkeit« muchachos in »provokativer Haltung« in der Nähe des Gefängnisses zusammen.215 Der Beschreibung des Direktors nach begannen die Falangisten also nicht nur durch ihre regelmäßigen Besuche, sondern auch durch Versammlungen vor dem Gefängnis, die Inhaftierungen zu einem Politikum zu machen. Die falangistischen Häftlinge taten es ihren Besuchern gleich. Mithilfe des cyclostyle-Druckverfahrens publizierte eine Gruppe CoruÇeser Falangisten aus der Haft heraus eine heute verschollene Zeitung mit dem Titel »Hinter Gittern« (Entre rejas), mit dem Ziel, die eigene Haft öffentlich zu thematisieren. In der Zeitung heißt es Lu&s Moure MouriÇo zufolge: Hinter Gittern trachten wir nur danach, die Familie und unsere Kameraden zu erfreuen und gleichzeitig dazu beizutragen, über diese Art der Kommunikation alle Milizionäre der Falange mehr und mehr zu vereinen – in diesen Zeiten, in denen diejenigen, die Spanien herunterwirtschaften, versuchen, unseren Bund (haz) durch ungerechtfertigte Verfolgungen zu zerstören.216
Es ist wahrscheinlich, dass die Falangisten ein Exemplar von Entre rejas an die Redaktion der Tageszeitung La Voz de Galicia schickten, denn dort wurde in der Ausgabe vom 27. Oktober 1935 eine falangistische Publikation sinngemäß wiedergegeben, wobei von »fehlender Solidarität« mit denjenigen die Rede ist, die eine »schwere Haft« erleiden würden.217 Der Entschluss, den eigenen Unmut über ein parteiunabhängiges Presseorgan an die Öffentlichkeit zu tragen, fand am 24. Januar 1936 eine Fortsetzung, als sich der Falange-Führer A CoruÇas, Juan Canalejo, durch einen weiteren Brief, der an die Zeitung Ideal Gallego ging, über die ungerechte Behandlung seitens der Behörden beschwerte. Fünf Tage zuvor war das Falange-Zentrum von einer größeren Gruppe Linker attackiert 215 Infolge des Besuches im Gefängnis kam es zu einem Waffenfund, weshalb die sieben Falangisten vor Gericht geladen wurden. Die einzelnen Äußerungen in Causa 519, 1935, tenencia il&cita de armas, 15. Dezember 1935, ARG, AT, 2.970–1. 216 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 201–202. 217 Los presos de Falange EspaÇola, in: La Voz de Galicia, 27. Oktober 1935, S. 7.
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worden, wobei die Behörden im Nachhinein Canalejos Waffe konfiszierten. Auf seine Beschwerde hin, erklärte Canalejo, habe man ihn »wie ein schädliches Wesen« behandelt und »aus dem Büro geworfen«, was ihn zum Schreiben des Briefes veranlasst habe.218 Tatsächlich scheint eine strikte staatliche Kontrolle der Falange charakteristisch für die Stadt A CoruÇa gewesen zu sein. Fraglich ist, ob die Behandlung der Gefangenen tatsächlich so schlecht war, wie hier dargestellt. Allein die Tatsache, dass im Gefängnis eine Zeitung erstellt und verbreitet werden durfte, spricht für eine ausgesprochen liberale Auffasung der Haft. Dass den inhaftierten Falangisten relative Freiheiten zukamen, sehen wir auch an den Möglichkeiten, die ihnen in anderen Gefängnissen zur Verfügung standen, Korrespondenzen zu übermitteln. Es genügt der Blick auf den Parteiführer, der zwischen März und Juli 1936 noch problemlos von seiner Zelle aus Briefkontakt zu den lokalen Falange-Führern unterhielt.219 Aber auch die Behandlung der Gefangenen im Gefängnis von Ourense war nicht besonders restriktiv. Die Unterstützung der Häftlinge von außerhalb des Gefängnisses hatte alltäglichen Charakter. Wie in A CoruÇa bekamen auch in Ourense inhaftierte Falangisten eine alternative Verpflegung, da die Partei gute Kontakte zu konservativen Kreisen pflegte, und dort unter anderem zu einigen Restaurantbesitzern. Außerdem erhielten Gefangene von der Partei fünf Peseten für jeden Tag, den sie in Haft verbrachten.220 Manuel Vald8s, 1936 Mithäftling und enger Vertrauter von Jos8 Antonio Primo de Rivera in Madrid, berichtet von einer ganz ähnlichen Organisation der Verpflegung im Gefängnis Modelo, die den Falangisten Mahlzeiten auf Restaurantniveau gewährleistete.221 Innerhalb der Gefängnisse kam es zu Gemeinschaftsbildungsprozessen. Xulio Prada Rodr&guez hat darauf hingewiesen, dass die Ordnung innerhalb der Gefängnisse im Frühjahr 1936, in denen Linke und Rechte in getrennten Zellen hausten, den Falangisten half, Einfluss auf Mitglieder konservativer Milizen zu gewinnen.222 Fernando Meleiro zufolge kennzeichnete das Leben im Gefängnis zwar die »Gesellschaft jener Männer, Spielzeuge ihrer gewalttätigen Leidenschaften, die selten zwischen Gut und Böse unterscheiden und sich von einer Art Instinkt hinreißen ließen, der sie entweder zu absolutem Hass oder zur absoluter Liebe führte«. Dennoch kam er aufgrund der hinter Gittern geschlossenen
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Carta de Juan Canalejo, in: El Ideal Gallego, 24. Januar 1936, S. 3. JAPdR: Epistolario, in: OC, S. 1105–1196. Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 169. So die Erinnerungen von Manul Vald8s LarraÇaga: La Guerra Civil EspaÇola. 70 aÇos despues, in: http://www.elmundo.es/especiales/2006/07/espana/guerracivil/hist_larra naga.html. [Zugriff: 14. Juli 2013]. 222 Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 168–169.
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Freundschaften zu dem Schluss: »Ich glaube, an dem Tag, an dem wir das Gefängnis verlassen mussten, taten wir es mit Traurigkeit.«223 Weiterhin pflegten Falangisten in Ourense und in Vigo nicht nur gute Kontakte zu anderen Häftlingen, sondern auch zu Polizisten, die teilweise als Informanten der Partei dienten.224 Diese Beziehungen waren gerade während der Haftaufenthalte von Vorteil. Familiäre Verbindungen von Falangisten zu Polizisten seien, so ein Ourenser Milizionär, manchmal sogar hilfreich gewesen, um eine Gefängnisstrafe entweder zu verkürzen oder gar zu umgehen.225 Einige Polizisten unterschieden zudem in ihrer Behandlung der Häftlinge offensichtlich zwischen falangistischen Häftlingen und Häftlingen der Linken. Einerseits wird das durch eine Beschwerde mehrerer Linker aus dem Ourenser Gefängnis bestätigt, die sich wegen der Bevorzugung der Falangisten an die Gefängnisleitung wendeten.226 Andererseits belegen Schilderungen von in Ourense inhaftierten Falangisten diese Unterscheidung: Als … wir auf dem Polizeirevier zur Zelle runter gingen, wo sie uns eineinhalb oder zwei Tage festhielten, nun, da gab es einen Polizisten … einen Wächter […] und als wir die Treppen runtergingen, die Büros waren im ersten Stock und die Zellen und die Wächter unten, die Treppen runter, da sage ich so eine Sache wie: ›Schufte, Arschlöcher, ihr habt uns im Schach, okay‹. Und als wir unten ankommen, sagt der Wächter : ›Gut, filz sie!‹ Und ich hatte meinen Schlagknüppel im Schuh stecken und bekam es plötzlich mit der Angst zu tun und sagte: ›Die haben uns oben schon durchsucht, da wurden wir schon registriert.‹ Und er sagt: ›Das ist mir egal, hier habe ich das sagen!…‹ Und sie legten los, und fanden in meiner Tasche … ein paar … Papiere, es waren Prospekte, Plakate, zum Verteilen an die Studenten, und er fing an, sie zu lesen, und sagt dann: ›Aber ihr, was seid ihr eigentlich für welche?‹, und ich sagte ihm: ›Von der Falange‹, und er sagt: ›Mensch, und die haben mir gesagt, ihr würdet Kommunisten sein!‹ Plötzlich änderte er sein Verhalten komplett und behandelte uns sehr gut.227
223 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 46. 224 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 44, S. 104 u. S. 119. Ähnlich gute Beziehungen zur Polizei erwähnt auch der Sevillaner Falange-Führer Sancho D#vila in seinen Erinnerungen für die Falange im Osten Andalusiens.Vgl. Sancho D#vila, Julian Pemartin: Hacia la historia de la Falange, Sevilla 1938. 225 Interview Nr. 76, A.L.G., 23. April 1988, UPDOC. 226 »Von den Häftlingen in diesem Gefängnis, Jos8 Rodr&guez Monasteiro, Ramon Alonso Chao und anderen, wird eine Anklage gegen die Beamten in dieser Abteilung formuliert, es wird gesagt, dass, seitdem in demselben faschistische Elemente inhaftiert sind, man diese unter anderen Konditionen als den Rest der Gefangenen versorgt und dass diese eine bevorzugte Behandlung haben, was daran denken lässt, dass die Beamten dieselbe Ideologie haben.« Director de la prision provincial de Orense an Gobierno Civil de la Provincia de Orense, 28. Februar 1936, AHPOU, Prision provincial, Caja 12999. 227 Interview, Nr. 77, A. L. V. 21. Januar 1989, UPDOC.
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Das Verhältnis zwischen Polizei und Falange war sicherlich nicht überall in Galicien so gut wie in Ourense. Insbesondere nach den Wahlen vom Februar 1936 kam es zu »häufigen Verfolgungen« seitens der Regierung, die aus falangistischer Perspektive nur die »unheilvolle Volksfront« (funesto Frente Popular) genannt wurde.228 Die Zahl der Festnahmen stieg deutlich, was vor allem mit den Vorkehrungen der Regierung gegen einen möglichen Militärschlag zusammenhing. Das Vorgehen der Regierung führte dazu, dass Falangisten zur Beseitigung parteiinterner Papiere übergingen: »Ich musste sämtliche in Verbindung mit der Falange stehende Dokumente vernichten«, notierte der seit 1934 in die Falange eingebunden Manuel R#bade Rffla aus Baamonde (Lugo), und zwar »wegen der Verfolgungen von Anhängern der niedergehenden Volksfront«.229 In den Wochen vor Beginn des Militäraufstandes wurden vor allem diejenigen galicischen Falangisten, die Parteiämter bekleideten, von der republikanischen Polizei verfolgt. Sie suchten fern ihrer Herkunftsstädte bzw. -dörfer Unterschlupf. Jesffls Suevos hielt sich unmittelbar vor dem 18. Juli 1936 im Kloster von Samos auf.230 Jos8 Ljpez P8rez floh aus Vigo und versteckte sich mit zehn Kameraden in Sober (Lugo).231 Eine Gruppe Lucenser Falangisten um Mario Gonz#lez Zaera und Enrique Garc&a Grande aus A CoruÇa hielt sich vor dem Militärschlag in Carrigueiros (Lugo) auf, wo die Gruppe schließlich verhaftet wurde.232 Daniel Buhigas versteckte sich mit neun weiteren Falangisten in Vilagarc&a im Haus seiner Tante. Auch diese Gruppe wurde Anfang Juli verhaftet.233 Im politischen Untergrund entwickelten die Falangisten zwischen Februar und Juli 1936 ein geheimes Informationssystem. Mehrere »Zellen« (c8lulas) hielten sich an unterschiedlichen Orten versteckt und tauschten über Verbindungsmänner (enlaces) Botschaften untereinander aus. Diesen falangistischen Geheimdienst nutzte ebenfalls das konspirierende Militär, das sich auf diese 228 Anmerkungen Jefe comarcal de la milica nacional, Fern#ndez, Muros, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.027, exp. 1237 und Jefatura Provincial de la Milicia EspaÇola, Relacion nominal de Falangistas fallecidos en accion de guerra como consecuencia de heridas recibidas en ella…, La CoruÇa 3. 11. 1937, S. 16, Caja 5752, Carpeta 4, Propuestas de recompensas, Cp.4– 5, S. 13. 229 Ficha Personal, Manuel R#bade Rffla, A CoruÇa, 24. November 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja 6001, exp. 173. 230 Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio, S. 137. 231 Jos8 Lopez P8rez, Eidestaatliche Versicherung, Isla de San Simjn (Pontevedra), 27. Dezember 1941, Archivo General Militar ]vila (AGMAV), Milicias Nacionales, Jefatura Provincial de A CoruÇa, Expedientes personales (MN-JPAC), Caja 6.058, exp. 3488. 232 Maria Jesffls Souto Blanco: Golpe de Estado, S. 64–65. 233 Darunter befanden sich Andr8s ]lvarez Berenguer ; Aurelio ]lvarez Ljpez, Jos8 Mart&nez Filgueira, Carlos B#rcena de Castro, Eduardo Miranda Lamas, Recaredo Nogueira Lamas, Fernando Hylass Palacios, Lu&s Palacio Vega und Felipe B#rcena de Castro. Detenciones en Vilagarc&a, in: El Pueblo Gallego, 2. Juli 1936, S. 13; Varias detenciones, in: El Compostelano, 2. Juli 1936, S. 1.
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Weise geheime Informationen für den geplanten Militärschlag zukommen ließ.234 Von den Plänen, einen bewaffneten Staatstreich durchzuführen, wussten die Falangisten dadurch aus erster Hand. Nach Aussage von Fernando Meleiro hatten schon im Februar 1936 Milizionäre in Ourense für einen Militärschlag zur Verfügung gestanden.235 Gleichzeitig versuchte der Geheimdienst einen Militärschlag zu unterbinden. Der Direktor in der Abteilung Allgemeine Sicherheit, Jos8 Alonso Mallo, versuchte seit Februar 1936 die Verbindungen der Falange zum Militär in sämtlichen Provinzen zu unterbinden. Er ließ Telephonate abhören und kontrollierte Korrespondenzen. Schließlich überreichte er der Regierung eine Liste mit 500 Namen von Verschwörern.236 Als die Generäle unter der Leitung General Molas im April 1936 die Pläne für einen Staatsstreich konkretisierten, kam es im Land zur größten Verhaftungswelle gegen Falangisten. Auch in Galicien hatte das Ausmaß eine bis dato nicht gekannte Größe: Die gesamte Führungsebene der Falange von A CoruÇa wurde inhaftiert. Daraufhin übernahm der Student Jos8 Gonz#lez Varela die Führung der »Ersten Schwadron« (primera escuadra) sowie der »Zelle A« in der Provinz. Im Mai übernahm er die Führung der ganzen »Ersten Linie« und wirkte fortan als Informant zwischen mehreren Zellen.237 Vermutlich sammelte er in der 234 Der aus Noya stammende Falangist Alejandro Lira Pais übermittelte zwischen Noya und Santiago de Compostela Nachrichten an die Sicherheitskräfte, AGMAV, MN, Jefatura Provincial de la Milicia EspaÇola, Relacion nominal de Falangistas fallecidos en accion de guerra…, La CoruÇa, 3. 11. 1937, S.4, Caja 5752, Propuestas de recompensas, Cp.4–5 Carpeta 4. 235 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 157. 236 Paul Preston: The Spanish Holocaust, S. 117–118. 237 »Als wir, die Direktiven dieser JONS, am 17. April 1936 inhaftiert wurden, wurde der Kamerad Jos8 Gonz#lez Varela zum Führer der ersten Schwadrone der Milizen der Falange ernannt, geheime Zelle A. Später, im Mai, wurde er zum jefe der primera l&nea der Falange ernannt und auch zum Führer der Milizen und zum Verbindungsmann der Zellen A, G, H, I, J, K, L und N. Bei Beginn der ruhmreichen nationalen Erhebung, meldete er sich am ersten Tag als Freiwilliger mit einigen anderen Kameraden im Hauptquartier und erfüllte alle ihm aufgetragenen Aufgaben.« Jos8 Laciana Gonz#lez an den Secretario Provincial de FE de las JONS CoruÇa, 10. August 1936, AGMAV, MN-JPAC, Caja 6.027, exp. 1229. Siehe auch die Weisung Luis Bescansa Allers: »Unter Verweis auf meine Befugnisse und in Abwesenheit und unter Befehl des Führers dieser JONS, Kamerad Antonio Rjldan, ernenne ich Jos8 Gonz#lez Varela zum Führer der ersten Falange der Milizen.« Luis Bescansa Aller, 10. Mai 1936, AGMAV, MN-JPAC, Caja 6.027, exp. 1229. Es ist unklar, ob die in der alphabetischen Auflistung fehlenden Buchstaben ebenfalls für Zellen stehen und, wenn ja, ob diesen Zellen andere Milizionäre vorstanden. Zumindest was die Vergabe von Mitgliedsnummern anbelangt, wurde innerhalb der Falange nicht strikt nach numerischer Rangfolge vorgegangen. Vielmehr wurde, um die Mitgliederzahl größer escheinen zu lassen, als sie wirklich war, nicht durchgehend nummeriert, oder es wurden Nummern an Proteg8s vergeben. In Ourense begann die Liste bei A-42, wobei die ersten Nummern an socios protectores vergeben wurden; vgl. Interview Nr. 77, a L. V., Ourense, 21. Januar 1989, UPDOC.
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Provinzhauptstadt A CoruÇa Informationen aus den umliegenden Gemeinden und hielt diese über den Stand des geplanten Militärschlages auf dem Laufenden. In der Gemeinde Santiso (A CoruÇa) fungierte nach eigener Aussage der Falangist Higuinio P8rez Varela als »Verbindungsmann« (enlace).238 Es ist denkbar, dass Falangisten wie er vor Kriegsausbruch direkt mit Varela in Kontakt standen. Auch zwischen den Provinzen Galiciens kam das geheime Informationssystem im Frühling 1936 zum Einsatz. Insbesondere zwischen der Lucenser und CoruÇeser Falange herrschte reger Austausch. Dadurch erklärt sich auch, dass der sich in Betanzos (A CoruÇa) vor der republikanischen Justiz versteckt haltende Juan Canalejo, am 30. März 1936 darüber informiert wurde, dass ein Attentat auf ihn geplant sei, weshalb er von dort über Ortigueira (A CoruÇa) und Viveiro (Lugo) nach Madrid flüchtete und sich während der im April 1936 erfolgten Festnahmewelle nicht in A CoruÇa aufhielt.239 Innerhalb Lugos übermittelte der Falangist Juan Antonio Correa Calderjn Nachrichten;240 für Ourense hielt Antonio Montero den Kontakt zur Guardia Civil241, die falangistische Mittelsperson zwischen Galicien und Madrid war Antonio Rold#n.242 Andere Falangisten verließen Galicien und nahmen von Portugal aus Einfluss auf die Falange-Politik. Fernando Meleiro flüchtete vor der republikanischen Justiz über die Grenze und versuchte nach eigener Angabe, von dort aus Waffenlieferungen nach Ourense zu organisieren, ähnlich wie Daniel Buhigas und Manuel Castro Pena dies für die Provinz Pontevedra taten.243 Indessen schleuste die Falange »Spione« in linke Körperschaften ein, wie die Brüder Raimundo und Antonio de Salvador LiÇares in A CoruÇa- und in Lugo-Stadt.244 Derweil versuchte der bekannteste Häftling Spaniens die wachsende Insti238 Higuinio P8rez Varela, Jefe Local de FET de Santiso, an den Zivilgouverneur, 4. November 1938, ARG, 32.551/2872, Informes y Correspondencia con cuerpos de seguridad sobre conducta de individuos particulares y miembros del Sindicato Agricola. 239 Emilio Grandio Seoane: Golpe de estado y represijn franquista en la provincia de A CoruÇa: ¿Qu8 pasa con CoruÇa?, in: Jesus de Juana Ljpez, Xulio Prada Rodr&guez (Hg.). Lo que han hecho en Galicia. Violencia, represijn y exilio (1936–1939), Barcelona 2006, S. 19–58, S. 27–29; ders.: A CoruÇa, o puntal roto da Repfflblica, in: Ders. (Hg.): Anos de odio, S. 17– 114, S. 28. 240 Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio, S. 137. 241 Die Guardia Civil ist eine 1844 während der Herrschaft Isabel II. ins Leben gerufene Polizeieinheit, die heutzutage sowohl dem Ministerium des Inneren als auch dem Verteidigunsministerium untersteht. 242 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 206. 243 ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 64. Nach Aussage eines Milizionärs hielt sich Kruckenberg ebenfalls in Portugal auf; vgl. Interview Nr. 20, E. T., Vigo, 15. April 1987, UPDOC. Vgl. auch Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 192–193. 244 Raimundo de Salvador LiÇares, Eidesstaatliche Versicherung, La CoruÇa, 22. Februar 1941, AGMAV, MN-JPAC, Caja 6.049, exp. 2616.
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tution Falange vom Gefängnis aus zu kontrollieren. Am 20. Mai veröffentlichte Jos8 Antonio Primo de Rivera sogar eine neue vierseitige Zeitschrift – ¡No importa! – von der allerdings nur drei Ausgaben erschienen. Im Juni 1936 gab er den Befehl, an einem möglichen Militäraufstand teilzunehmen, sich zugleich aber durch eigene Symbole und die Aufrechterhaltung der eigenen Formationen von den anderen am Aufstand beteiligten Einheiten abzusetzen.245 In jener Phase großer politischer Umtriebigkeit, aber auch Desorganisation innerhalb der Falange, kam im Juli 1936 Manuel Hedilla nach Galicien. Hedilla, ein Arbeiter aus Santander, der sich in Kantabrien als Provinzführer der Falange einen Namen gemacht hatte, bereiste Galicien in der Funktion eines von der Parteiführung beauftragten Gesandten, der das Ziel verfolgte, die falangistischen Splittergruppen auf den Militärschlag vorzubereiten.
245 JAPdR: A las jefaturas territoriales y provinciales, 29. Juni 1936, in: OC, S. 1016–1017.
Die Mitgliederentwicklung und die falangistischen Körperschaften von Oktober 1933 bis Juli 1936
Die Sozial- und Altersstruktur der Falange während der Zweiten Republik Die Gründer der Falange in den galicischen Provinzen waren, wie im übrigen Spanien, in allen vier Fällen Männer jungen bis mittleren Alters mit bürgerlichen Berufen, die nach Kontaktaufnahme mit Jos8 Antonio Primo de Rivera oder Ledesma Ramos begannen, eigene Falange-Gruppen zu gründen.246 Als der Bibliothekar Santiago Montero D&az infolge des Zusammenschlusses von Falange und JONS im Februar 1934 seine politischen Aktivitäten einstellte, übernahm der Pharmazeut Victoriano MuÇoz die Geschicke der Gruppe von Santiago de Compostela. Der ebenfalls aus Santiago stammende Manuel Ljpez Sendjn war Arzt und hatte den Vorsitz der ab 1935 eingerichteten falangistischen »Gesundheitsabteilung« inne.247 In A CoruÇa leitete der entlassene Leutnant (teniente de intendencia) Juan Canalejo die Falange; sein Nachfolger war der Arzt Carlos Colmeiro Laforet. In Ferrol (A CoruÇa) rief der angehende Staatsbeamte Jesffls Suevos die Falange ins Leben; in Vigo (Pontevedra) der aus Mexiko stammende Sohn deutscher Emigranten, Gustavo Kruckenberg Santorins, der in der Hafenstadt das Büro der Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktiengesellschaft (HAPAG) leitete.248 In Lugo initiierte der Jurist Luis Moure MariÇo die
246 Für eine Reihe Provinführer anderer spanischer Regionen belegt Joan Mar&a Thom#s in der Mehrzahl gehobene mittelständische Berufe (Apotheker, Ärzte, Anwälte, Professoren). Sofern diese Falangisten sich zuvor schon politisch engagiert hatten, waren sie meist Mitglieder konservativ-monarchistischer Parteien gewesen. Vgl. Joan Mar&a Thom/s: Lo que fue, S. 72–73 und S. 79–81. 247 Nombramiento, in: La Voz de Galicia, 16. November 1935, S. 8. 248 Alexandre V#zquez Gonz#lez: Os novos seÇores da rede comercial da emigracijn a Am8rica por portos galegos: Os consignatarios das grandes navieiras transatl#nticas, 1870–1939, in: Estudios migratorios, Nr. 13–14 (Juni-Dezember) Arquivo da Emigracijn Galega, 2002, S. 9–49, S. 20. Manuel Fern#ndez Gonz#lez: La din#mica sociopol&tica en Vigo durante la Segunda Repfflblica, Santiago de Compostela 2005, S. 270–271.
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Die Mitgliederentwicklung und die falangistischen Körperschaften
Falange, in Sarria (Lugo) der Chemielaborant Mario Gonz#lez Zaera.249 In Ourense-Stadt kümmerten sich nach der Gründung durch den Pharmazeuten Eduardo Valencia vor allem die Anwälte Fernando Meleiro und Antonio Montero um die Organisation der Falange, zusammen mit dem Bankangestellten Felipe B#rcena de Castro, der sich anfangs in Ourense, nach seiner beruflichen Versetzung in Pontevedra in den Dienst der Falange stellte. Wie die Gründer – 25 bis 40 Jahre alte Anwälte, Mediziner, Generäle – kam ein nennenswerter Teil ihrer Anhängerschaft aus demselben sozialen Milieu. Bis zum 18. Juli 1936 waren 9,16 % der Falange-Mitglieder Freiberufliche (Architekten, Anwälte, Ingenieure, Künstler), 7,69 % Geschäftsleute und 2,2 % Großgrund- oder Firmenbesitzer. 8,42 % der Falangisten waren Angestellte (Banker, Bürokräfte, Verkäufer), 2,93 % Polizisten, Guardia Civil oder Militärs. Oftmals bestanden familiäre Verbindungen zwischen den einzelnen Mitgliedern. Insbesondere Bruderpaare sind unter den ersten falangistischen Mitgliedern häufig zu finden.250 Die größte Falange-Gruppe stellten von Beginn an Studenten, was auch auf die Kontakte zu falangistisch orientierten Professoren zurückzuführen ist, die sich schon sehr früh in ganz Spanien in den FalangeZentren engagierten, beispielsweise Jos8 Mar&a CaÇada (Professor für Medizin in Sevilla), Alfonso Garc&a Valdecasas (Professor für Jura in Madrid), Francisco Yela Utrilla (Professor für Latein in Oviedo), Manuel Souto Vilas (Dozent für Philosophie in Santiago de Compostela und später Lehrer in Bilbao), Ferm&n Zelada de Andr8s Moreno (Professor für Jura in Santiago und neben der Einbindung in die Falange auch JAP-Führer) oder Nicolas de Hartong (Professor für russische Literatur in Barcelona).251 Größtenteils hatten die Studenten familiäre Verbindungen zu bürgerlichen Kreisen, aus denen »Schutzpatrone« (socio protectores) die Falange monetär unterstützten,252 ein Umstand, der auch für die Madrider Falange charakteristisch war.253 In Ourense, der vor dem Krieg mit249 Testimonio de Mario Gonz#lez Zaera, zit. bei Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio, S. 131. Maria Jesffls Souto Blanco: Golpe de Estado, S. 59–60. 250 So z. B. Jesffls und Feliciano Crespo Bello aus Ortigueira (A CoruÇa), Manuel und Santiago Rodeiro Amado aus Pontedeume (A CoruÇa), Juan und Antonio Canalejo aus A CoruÇaStadt, Jos8 und Jesffls Cedrjn del Valle aus Lugo-Stadt, Augustin und Joaqu&n Fern#ndez Ljpez sowie Antonio und Juan Fuentes Giraldez aus Pontevedra oder Doniosio, Jos8 und Luciano Conde Rodr&guez sowie Fernando, Pedro und Federico Hylass Palacios aus Vigo (Pontevedra). 251 IÇaki Fern#ndez Redondo weist für Katalonien und das Baskenland auf weitere Intellektuelle hin, Schriftsteller und Architekten, die sich der Falange näherten. Vgl. IÇaki Fern#ndez Redondo: Una aproximacion comparativa a Falange Espanola, S. 366. 252 Interview Nr. 65, O.M., Ourense 1. April 1989, UPDOC. Xos8 M. NfflÇez Seixas: Fascismo en Galicia, S. 150. Emilio Grand&o Seoane: A CoruÇa nos anos trinta. Mobilizacijn social e pol&tica na II Repfflblica, in: A II Republica e a Guerra Civil. Actas dos traballos presentaos ao II Congreso da Memoria, Culleredo 2006, S. 141–179, S. 165–166. 253 Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 86 u. 98.
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Die Sozial- und Altersstruktur der Falange während der Zweiten Republik
gliederstärksten galicischen Provinzabteilung, genossen die Studenten den Schutz des konservativen Klientelgeflechts, des so genannten calvosotelismo.254 Anfänglich, im Jahr 1934, stellten sie 32 % der falangistischen Mitglieder in Galicien. Insgesamt lag ihr Anteil, über den Zeitraum von der Gründung der Partei bis zum Juli 1936 betrachtet bei 22,71 %. Die Studenten formierten sich im Sindicato EspaÇol Universitario (SEU), das einen wichtigen Bestandteil der Falange darstellte. Auch wenn offiziell eine körperschaftliche Trennung existierte, mussten die Studenten als Mitglieder beiden Gruppen angehören. Allerdings war aus den Statuten des SEU nicht ersichtlich, dass eine Verbindung zwischen den Körperschaften bestand.255 Weitere zwischen der Parteigründung und dem Beginn des Krieges zahlenmäßig stark vertretene Berufsgruppen waren mit 15,38 % im primären Sektor tätige Arbeiter, Landwirte und Tagelöhner sowie mit 10,99 % Handwerker (Maurer, Zimmermänner, Dachdecker, Tischler). Numerisch weniger stark vertretene Gruppen waren Beamte (2,56 %), Lehrer (2,56 %) und Geistliche (1,28 %). Der Anteil anderer Berufe (Chauffeure, Friseure, Kellner) lag bei 5,49 %. Sicherheitswesen 2,93%
Geistliche 1,28%
Freiberufler 9,16% Großgrundbesitzer 2,2%
Primärer Sektor 15,38% Handwerker 10,99%
Geschä"sleute 7,69% Lehrer 2,56%
Metallarbeiter 2,75%
Beamte 2,56%
Bekleidungsgew. 3,3% Nahrungsmi!elg. 2,56%
Angestellte 8,42%
Andere 5,49% Studenten 22,71%
Berufsspektrum der Falangisten Oktober 1933 bis Juli 1936256
254 Xulio Prada Rodr&guez: La Repfflblica, S. 235. 255 David Jato Miranda: La rebelijn, S. 130. 256 Eigene Auswertungen AGMAV, AHPP, ARG. und Presse zzgl. der Erhebungen von Prada Rodr&guez für Ourense. Die Prozentsätze wurden anhand von den Daten zu 575 Falangisten erhoben, für die Informationen über den Berufsstand vorliegen. Darin inbegriffen sind die Daten zu 332 Falangisten von Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 202.
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Die Mitgliederentwicklung und die falangistischen Körperschaften
Wie in anderen Regionen Spaniens, beispielsweise in Andalusien, wo ein sehr hoher Landarbeiter- und Tagelöhneranteil die Falange charakterisierte257 oder in Mallorca, wo Kleinbauern und Studenten die meisten Mitglieder stellten,258 kann für Galicien eine soziostrukturelle Zusammensetzung nachgewiesen werden, die ein breites Berufsspektrum abdeckte. Es kann aufgrund dieser Datenlage jedoch weder von einer »klassenübergreifenden« Partei gesprochen werden, wie Jos8 Antonio Parejo aus den Daten zum Osten Andalusiens für Gesamtspanien ableitet, noch von einer elitären Partei der »feinen Herren« (seÇoritos) wie das gängige Klischee über das Sozialprofil der Falange lautet, das auch in der neueren historischen Forschung immer wieder angeführt wird.259 Vielmehr kennzeichnete die Falange eine sozial sich ausweitende Mitgliederstruktur, bei der allerdings der Anteil an Studenten, Freiberuflern, Geschäftsleuten und Angestellten wesentlich höher war als insgesamt in der galicischen Gesellschaft der Zweiten Spanischen Republik.260 Hinzu kommt, dass zwischen den Provinzen ein Gefälle in der sozialen Zusammensetzung existierte. Je nach Provinz bündelten sich Falangisten in unterschiedlichen Berufsgruppen. So lag in A CoruÇa der Studenten- und der Freiberufleranteil mit 29,49 % bzw. 11,54 % deutlich über dem galicischen Durchschnitt, was auf die im Vergleich mit den anderen Provinzen stärker ausgeprägte urbane Struktur sowie auf den einzigen universitären Standort, Santiago de Compostela, zurückzuführen ist. Auch in Pontevedra waren diese beiden Gruppen mit 25,00 % und 10,48 % überdurchschnittlich oft vertreten. Darüber hinaus lag hier der Anteil der im Sicherheitswesen tätigen Mitglieder (Polizei, Guardia Civil, Heer) bei 8,06 %, das heißt bei fast 6 % über dem galicischen Durchschnitt. Die Falange der stärker ländlich geprägten Provinzen Lugo und Ourense zeichnete sich auch durch höhere Landarbeiter- und Industriearbeiteranteile aus. In Ourense lag der Mitgliederanteil der Landarbeiter bei 19,88 %. Diese für die Zeit der Zweiten Spanischen Republik festzustellende Konzentration der Mitgliederschaft auf bestimmte Berufszweige ist nicht nur für Galicien, sondern für mehrere Regionen Spaniens charakteristisch.261 Die Verankerung der Falange im studentischen Milieu und ihr vorwiegender Einfluss auf junge Menschen schlagen sich auch in der Altersstruktur nieder.
257 258 259 260 261
Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: SeÇoritos, S. 100. Ramon Morote Pons: La Falange, S. 764. Vgl. z. B. Antony Beevor : Der Spanische Bürgerkrieg, S. 125. G8rard Brey : La sociedad gallega, S. 169–201. Der Valladolider Teil der Falange stammte größtenteils aus einem Gewerkschaftsverband von Zuckerrübenbauern; vgl. Stanley G. Payne: Social composition, S. 423. In Madrid waren viele Gärtner und Taxifahrer in der Falange organisiert; vgl. Stanley G. Payne: Falange: A history of Spanish Fascism, S. 63.
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Numerische Entwicklung und geographische Verteilung
Alter 15–17 18–20 21–23 24–26 27–29 30–33 Anzahl 29 71 44 28 15 13 Altersstruktur der Falangisten Oktober 1933 bis Juli 1936262
34–37 9
38–41 4
< 42 5
Die Mehrzahl der Falange-Mitglieder hatte bei Eintritt gerade die Volljährigkeit erreicht, viele standen noch in der schulischen oder studentischen Ausbildung. Die wenigsten dieser Mitglieder hatten bereits eine eigene Familie oder waren verheiratet. Im Vergleich mit den in den 30er Jahren aktiven nationalsozialistischen Kampfbündlern in Deutschland, die nicht selten fest im Beruf standen, verheiratet waren und Kinder hatten,263 waren die ersten Falange-Mitglieder sehr viel jünger sowie sozial und beruflich deutlich weniger stark gebunden. Der als nationalistische Protestbewegung in Erscheinung tretende Faschismus erzeugte gerade durch seinen Jugendkult und den Charakter des Dagegen-Seins Attraktivität für diese jungen Männer. Bilder aus dem Ausland von sich militaristisch gebärdenden Straßenkämpfern lieferten dafür das Vorbild. Viel eher als in anderen Ländern Europas trug der Faschismus im Spanien der Zweiten Republik deutliche Züge einer Jugendbewegung.
Numerische Entwicklung und geographische Verteilung während der Zweiten Spanischen Republik Zwei Monate nach der Falange-Gründung lag die Zahl der Mitglieder im Land bei rund 2000.264 Knapp ein Jahr später, im September 1934, schätzte ein italienischer Diplomat die Anzahl der falangistischen Milizionäre auf 6000.265 Den bisherigen Forschungsergebnissen zufolge konzentrierten sich die Mitglieder im Zentrum und im Westen Spaniens, in den Regionen Madrid, Kastilien und Lejn, Kastilien La Mancha, Andalusien, Extremadura, Asturien und Kantabrien. Den größten Teil der Partei machten dabei die Zentren Madrid und Valladolid aus.266 Seit den Studien von Jos8 Antonio Parejo ist davon auszugehen, dass Andalusien im Raum Sevilla ein weiteres bedeutsames Zentrum der Falange in der Zweiten Spanischen Republik darstellte, das vielleicht sogar größer war als dasjenige in Valladolid. Insbesondere ab dem Frühjahr 1936 verzeichnete die Falange dort ein sehr hohes Wachstum.267 262 Eigene Auswertungen AGMAV, AHPP, ARG. und Presse. Die Erhebung ist erfolgt anhand von 218 Falange-Mitgliedern, für die Altersdaten vorliegen. 263 Dirk Schumann: Politische Gewalt in der Weimarer Republik 1918–1933. Kampf um die Straße und Furcht vor dem Bürgerkrieg, Essen 2001, S. 360. 264 Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 95. 265 Eduardo Gonz#lez Calleja: Camisas de fuerza, S. 70; Ismael Saz Campos: Mussolini, S. 122. 266 Stanley G. Payne: Social composition, S. 425. 267 Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: SeÇoritos, S. 76.
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Die Mitgliederentwicklung und die falangistischen Körperschaften
In Galicien konnte die Falange nach ihrer Gründung, ebenso wenig wie die JONS, bei der breiten Masse der Bevölkerung Fuß fassen. Die falanges der Städte A CoruÇa, Vigo, Pontevedra, Santiago de Compostela, Lugo und Ourense erreichten im Laufe des Jahres 1934 Größen von 50 bis 90 Mitgliedern.268 Als legale politische Organisation galt die Falange in sämtlichen galicischen Städten erst ab dem Frühjahr 1935, nach der offiziellen Eröffnung von Versammlungszentren. Nach dem über die Provinzebene hinausgehenden Zusammenschluss vom 17. März 1935 in Vilagarc&a da Arousa (Pontevedra) begann die falangistische Bewegung sich auch in ländlichen Gegenden herauszubilden. So belegen die Mitgliedskarten aus den im AGMAV gesammelten Personalakten sowie die bisherigen Ergebnisse der Forschung falangistische Aktivitäten für die Dörfer bzw. Kleinstädte Arzffla, Betanzos, Cedeira, Melide, Santiso, Muros, Negreira, Noya, Ortigueira, Pontedeume (A CoruÇa), Monforte, Baamonde, Chantada, Vilalba, MondoÇedo, Quiroga, Castro do Rei, Ribas do Sil, Monterroso, Gunt&n, Riotorto, Portomar&n (Lugo), CarballiÇo, Castrelo do MiÇo, Celanova, Maside, Punx&n, Rivadavia, Valdeorras, Ginzo de Limia (Ourense), Caldos de Reyes, Cangas, Padrjn, Pontecesures, Catoira, Redondela, Silleda, A Estrada und Tui (Pontevedra). Bei der ländlichen Falange handelte es sich im Vergleich zu der städtischen um wesentlich kleinere Abteilungen. Oft hatten die Gründer in den Dörfern Kontakte zur Falange-Gruppe einer nahegelegenen Stadt oder sie waren Studenten, die Aufenthalte an ihren Geburtsorten nutzten, um für die Falange zu
268 In Pontevedra lag die Mitgliederzahl im Februar 1935 laut Mitgliedsbuch bei 71. Libro registro de afiliados, AHPP, ACP-XPM, L-6505. In Vigo werden bei einer Razzia im Sommer 1935 39 Falangisten im Falange-Lokal festgenommen. Die gesamte Gruppe dürfte größer gewesen sein, aber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich. Vgl. Kopie Telegramm Grupo Social Vigo an den Divisionsleiter, 14. Juni 1935, AGA (7)26.3 43/2415, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid. Die Schätzungen des Ourenser Falange-Führers Fernando Meleiro zu den Mitgliederzahlen in der Provinz gehen sehr weit auseinander. Für den Oktober 1934 spricht er von 20 Mitgliedern, für Mitte Januar 1935 bereits von 500 Mitgliedern. Diese Kalkulation meint wahrscheinlich die Mitgliederzahl für die gesamte Provinz, ist aber dennoch überzogen; vgl. Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 20 u. S. 36. Laut Xulio Prada lag die Zahl für Ourense im Januar 1935 bei 130 Mitgliedern; vgl. Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 163. In kleineren Städten blieben die Falange-Gruppen bis 1936 sehr klein. In Arzffla erreichte die Mitlgliederzahl laut Daniel Laneiro T#boas erst im Sommer 1936 eine Größe von 30 Mitgliedern. Daniel Laneiro T#boas: Unha nova ollada # represjn franquista en Galicia, in: Ramjn Villares, Miguel Cabo (Hg.): Guerra Civil, Violencia e conflitividade na historia, Semata, Ciencias Socias e humanidades, Nr. 19 (2007), Santiago de Compostela 2008, S. 222–239. Für Ferrol gibt Enrique Barrera Beitia eine Zahl von zwischen 20 und 30 Mitgliedern des SEU an, die zwischen Ende 1935 und Anfang 1936 eintraten; vgl. Enrique Barrera Beitia: La represijn en ferrolterra, S. 84.
Numerische Entwicklung und geographische Verteilung
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werben.269 Die Gründungen entsprangen meist der Initiative von Einzelpersonen, die unter Umständen gleich mehrere Gruppen in nahegelegenen ländlichen Ortschaften ins Leben riefen.270 Die in ruralen Gebieten ansässigen Gruppen entwickelten über die persönlichen Verbindungen zur städtischen Falange hinaus selten ein Eigenleben. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass die hohe Präsenz linker Gewerkschaften einem deutlichen Mitgliederzuwachs der Falange in diesen Gebieten entgegenwirkte. So berichtet der Falangist Higuinio Varela aus Santiso, dass dort marxistische Komitees in sehr kurzer Zeit großen Einfluss auf die Landbevölkerung entwickelt hätten und dass nur unter »großer Gefahr« die Falange gegründet werden konnte.271 Für das Jahr 1935 kann eine flächenmäßige Ausdehnung der falangistischen Bewegung konstatiert werden; der Mitgliederzuwachs war stetig, blieb aber weiterhin auf geringem Niveau. Diese Entwicklung deckte sich mit derjenigen im Rest des Landes, wo die Zahlen 1935 insgesamt stagnierten.272 Neben den Problemen bei den Neugründungen von Falange-Abteilungen kam es auch in den bereits bestehenden Gruppen zu internen Umstrukturierungen. Eine Falangisten-Gruppe aus Pontevedra ließ sogar am 1. August 1935 über die Tagespresse verbreiten, dass sie sich von der Führung des Provinzführers Daniel Buhigas lossage.273 In Wirklichkeit steckte wohl ein kurzweiliger Streit hinter dieser Angelegenheit. Denn mehrere der Milizionäre waren in den Folgemonaten auch weiterhin in der Falange aktiv oder blieben zumindest in deren Umkreis. Als stärkste galicische Falange-Gruppe bildete sich in dieser Phase diejenige von Ourense heraus. Sie gehörte zwar nicht zu den 16 mitgliederstärksten Provinzen Spaniens, die Jos8 Antonio Primo de Rivera in einem Bericht an die italienische Regierung auflistete.274 Dennoch wählte die Parteiführung in Madrid 269 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 216; Enrique Barrera Beitia: La represijn en ferrolterra, S. 84. 270 So gründete der Geschäftsmann Manuel Mar&a Pampin Prado im Raum Arzffla mehrere Falange-Zentren; vgl. Loses Blatt, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.043, exp. 2140. Daniel Buhigas, Führer der Falange in Vilagarc&a da Arousa, gründete im Süden Pontevedras weitere Falange-Gruppen, beispielsweise in Tui und in Catoira; vgl. Francisco Cerecedo: Cuando la sangre llegj al MiÇo, in: Historia 16, Nr. 19, 1977, S. 43–S. 50, S. 45; Mitin de Falange EspaÇola de las JONS en Catoira, in: Arriba, 18. April 1935, Nr. 5, S. 3. 271 Higuinio P8rez Varela, Jefe Local de FET de Santiso, an den Zivilgouverneur, 4. November 1938, ARG, 32.551/2872 Informes y Correspondencia con cuerpos de seguridad sobre conducta de individuos particulares y miembros del Sindicato Agricola. 272 Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 164. 273 »Weil sie mit der beobachteten Führung des Provinzführers von Pontevedra der Falange EspaÇola y de las JONS, Daniel Buhigas Olavarrieta, unzufrieden sind, trennen sich von dieser Organisation die Herren: D. Marcial Escobar de la Fuente, D. Pedro Hylass Palacios, D. Manuel Padellas Camaselle, Jos8 de la Campa Vizoso, Jesffls Costas Veiga, Luciano Conde Rodr&guez, Anibal Vicente Blanco, Jos8 Conde Rodr&gez, Eduardo Simil Fern#ndez.« Telegrama Falange EspaÇola, in: El Faro de Vigo, 1. August 1935, S. 9. 274 Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 176.
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Die Mitgliederentwicklung und die falangistischen Körperschaften
Anfang 1936 Ourense für eine Propagandainitiative aus, die in insgesamt 18 spanischen Provinzen durchgeführt werden sollte.275 Die Mitgliederzahl stieg daraufhin im Laufe des Frühjahres auf mindestens 515.276 Aussagen über das Mitgliederwachstum in den Frühlingsmonaten nach dem Parteiverbot zu treffen, fällt noch schwerer, als dies für die gesamte Republikzeit ohnehin schon der Fall ist. Aufgrund der Zahl der Festnahmen und der Interviews mit Falangisten ist allerdings davon auszugehen, dass in Galicien wie im Rest Spaniens das Wachstum zunahm, wobei gerade der Übertritt von Jugendlichen aus der JAP bzw. der JURD eine überaus wichtige Rolle spielte.277 Insgesamt konnten anhand der ausgewerteten Quellen und unter Zuhilfenahme der für Ourense vorliegenden Studie von Xulio Prada Rodr&guez 996 Falangisten für die Republikzeit identifiziert werden. Wird diese Zahl hochgerechnet, in dem die vorhandene Anzahl der Personalakten mit einbezogen werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl für Galicien vor dem Militäraufstand bei 1100–1200 Mitgliedern lag.278 Damit hatte die Falange in Galicien wesentlich weniger Mitglieder als beispielsweise im Süden Spaniens, wo der take-off zur politischen Massenbewegung bereits Anfang 1936 einsetzte, aber mehr als bislang in der Geschichtswissenschaft angenommen.279 Die Forschungen der letzten Jahre belegen im Süden des Landes für den Zeitraum nach Februar 1936 Neugründungen lokaler Falange-Abteilungen und einen in den Monaten bis Juli 1936 regelmäßigen Zulauf.280 Trotz des Anstieges der Mitgliederzahl im Frühjahr 1936 blieb die galicische Falange im Vergleich zu den Sozialisten und Anarchisten eine numerisch verschwindend kleine politische 275 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 144. 276 Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 201. 277 Emilio Grandio Seoane: Organizacijn y poder en la CEDA gallega, in: Espacio, Tiempo y Forma, Serie V, Historia Contemporanea, Nr. 10, 1997, S. 223–249, S. 236; ders.: A CoruÇa, o puntal roto, S. 41. 278 Stanley G. Payne gibt die Zahl von 500 Mitgliedern an; vgl. Stanley G. Payne: Falange. A History, S. 100. Maximiniano Garc&a Venero macht die rätselhafte Angabe, dass vor dem 18. Juli 1936 in Galicien »die Mitglieder die Ziffer von 3000 nicht erreichten«; vgl. Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio, S. 268. 279 Allein für die Stadt Sevilla belegt Jos8 Antonio Parejo eine Mitgliederzahl von 1.631 Falangisten im Januar 1936. Bei Kriegsbeginn sollen es in der Provinz Sevilla 11000 kampfbereite Falangisten gewesen sein; vgl. Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: SeÇoritos, S. 76. Ders.: El Sur de EspaÇa, S. 69. 280 In dem Dorf Estepa stieg die Mitgliederzahl von vier Falangisten Anfang 1936 bis auf 101 im Juli 1936. In Cazalla hatte eine Falange-Gruppe im April 1936 44 Mitglieder, im Juli bereits 88 usw. Siehe: Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: La Falange en la Sierra, S. 45–46. Francisco Espinosa führt die Provinzen Huelva und Badajoz als beispielhaft an. So erwähnt er das Dorf Rociana, in dem es vor dem Februar 1936 drei Falangisten gab und in dem im April und Mai 1936 fast wöchentlich 20 bis 30 Personen eintraten, siehe Francisco Espinosa: Julio 1936. Golpe militar y plan de exterminio, in: Juli#n Casanova (Hg.): Morir, matar, sobrevivir. La violencia en la dictadura de Franco, S. 53–93, S. 90.
Flechas: Die »jugendliche erste galicische Ernte«
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Kraft. Allein die CNT, die in Galicien unter dem Namen Confederacijn Regional Galaica de la CNT auftrat, erreichte 1936 in der Region eine Größe von rund 33.000 Mitgliedern.281
Flechas: Die »jugendliche erste galicische Ernte« Für Jugendliche besaß die Falange während der Zweiten Spanischen Republik besondere Attraktivität. Den zentralen Anziehungspunkt bot dabei die dem Faschismus innewohnende Ästhetisierung und Heroisierung der »Jugend«. »Unsere ganze Partei ist Jugend«, heißt es in der Partei-Zeitung FE im Februar 1934.282 Schon Ledesma Ramos hatte in den ersten Schriften der JONS einen Jugendkult betrieben und die Altershöchstgrenze für JONS-Mitglieder auf 45 Jahre festgesetzt.283 Entrüstet darüber, dass Jugendliche überhaupt auf die Idee kommen konnten, sich anderswo als in der Falange politisch zu engagieren, notierte der nationale Studenten-Führer der Falange, Alejandro Salazar, im Sommer 1935 in sein Tagebuch: »Es ist unverständlich, dass jemand, der nicht älter ist als 23, nicht in unsere Bewegung eingebunden ist.«284 Wie bereits gesehen, bildeten die Studenten des SEU 1934 und 1935 den größten Teil der Falange. Einige dieser Jungfalangisten waren erst zwischen 14 und 17 Jahren alt, aber auch andere minderjährige Nichtstudenten suchten die Nähe der Falange und beteiligten sich an falangistischen Aktivitäten. Anfangs wählte die Parteiführung für die Kinderabteilung den Namen balillas und ahmte damit die gleichnamige italienische Organisation Opera Nazionale Balilla nach.285 Die Falange-Parteiführung änderte den Namen jedoch bald in flechas (»Pfeile«), zum einen nach den Pfeilen, die das Parteisymbol der Falange darstellten, zum anderen, weil die Bezeichnung balillas eine zu deutliche Anlehnung an die italienische Faschistenjugend war, von der die Falangisten sich, nach anfänglicher Orientierung, abheben wollten. 281 Xos8 Manuel NfflÇez Seixas: Las paradojas de la cuestijn gallega durante la Segunda Repfflblica, in: Memoria de la Segunda Repfflblica. Mito y realidad, Madrid 2006, S. 333–364, S. 341. 282 FE, Nr. 9, 8. März 1934, S. 1. 283 Manifiesto de La conquista del estado, in: Miguel Artola: Partidos y Programas politicos, Bd. 2: Manifiestos, Madrid 1991, S. 323–326, S. 326. 284 Alejandro Salazar : Estudio y accijn. La falange fundacional a la luz del Diario de Alejandro Salazar (1934–1936), [Madrid 1993], transkribiert von Rafael Ib#Çez Hern#ndez, S. 34. 285 Deren Namensgebung hatte ihren Ursprung im Spitznamen des jugendlichen Nationalhelden Giovan Battista Perasso, der im 18. Jahrhundert an einem Aufstand gegen die österreichische Besatzungsmacht beteiligt gewesen war; vgl. Richard J. Wolff: Italian Education during World War II: Remnants of failed fascist education, seeds of the new school, in: Roy Lowe: Education and the Second World War, New York 2012, S. 73–83, S. 77f.
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Die Mitgliederentwicklung und die falangistischen Körperschaften
Die ersten jugendlichen Falangisten in Galicien bezeichnete Xim8nez de Sandoval nachträglich als die »jugendliche erste galicische Ernte«.286 Von den galicischen Städten Ourense, Santiago de Compostela und Vilagarc&a ist bekannt, dass es dort auch schon vor dem Juli 1936 kleine Gruppen von flechas gab, die allerdings nicht einmal eine Stärke von zehn Mitgliedern erreichten.287 Außerdem waren die Übergänge zur Studentenabteilung des SEU fließend. In der Tat waren mehrere Falange- bzw. JONS-Gründer zum Zeitpunkt ihres ersten politischen Engagements selber minderjährig, beispielsweise der erst 16 Jahre alte falangistische Mitbegründer Enrique Saenz Alfeir#n aus Santiago. Flechas hielten sich bei den ab 1936 stattfindenden Schießereien im Hintergrund, um, bevor es zu Polizeikontrollen kam, die Waffen der älteren Schützen an sich zu nehmen und zu verstecken.288 Den militaristischen Charakter der Einbindung von Minderjährigen in die Falange betrachteten jedoch viele Menschen mit Argwohn, so zumindest die Erinnerung eines Ourenser Falangisten: »Die flechas … Das, was viele Leute störte, das war, dass sie militaristisch waren und so …, das war das Störende, was viele Leute an der Falange fanden, gerade vor dem Krieg.«289 Schließlich kam es in Galicien wie in ganz Spanien zu regelmäßigen Kontrollen der Guardia Civil, die Minderjährigen das Mitwirken in der Falange verbot. In den Provinzen von Zamora und Madrid wurden wegen der Beitritte Minderjähriger zur Falange Verhaftungen durchgeführt und Falange-Zentren geschlossen.290 In Santiago forderte am 23. Oktober 1935 Alfonso Ljpez da Costa die Guardia Civil auf, dafür zu sorgen, dass sein minderjähriger Sohn der Falange fern bleibe. Schließlich bestätigte der Bürgermeister der Stadt, dass Maßnahmen zur Registrierung des Zentrums eingeleitet wurden.291 Zu diesen Kontrollen kam es nicht zuletzt, da gegenüber der Einbindung von Jugendlichen in politische Organisationen seit dem Sommer 1934 eine gewisse Sensibilität herrschte. Im Juni dieses Jahres war es in Madrid unter maßgeblicher Beteiligung von Minderjährigen zu den bis dato gewalttätigsten Auseinandersetzungen zwischen Falangisten und Sozialisten gekommen, wobei beide Seiten
286 Xim8nez de Sandoval: Jos8 Antonio. Una biografia apasionante, Madrid 1963, S. 144. 287 Am 1. Juni 1934 trat Ramjn Marcos Franco der Falange bei und gründete die flechas in Vilagarc&a; vgl. Ficha de afiliacijn, AHPP, ACP-XPM, Expedientes personales de autoridades provinciales, Alejo-Salcarrera, 36–40, c. 56/2, exp.226. Zu Ourense siehe Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 75. 288 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 75. 289 Interview Nr. 77, L. V., 21. Januar 1989, UPDOC. 290 Clausura de los centros de Falange EspaÇola y de las JONS, in: Correo de Zamora, 2. März 1936, S. 3; Detenciones de falangistas y comunistas, in: La Vanguardia, 7. Juli 1936, S. 24. 291 Eintrag Guardia Civil, 23. Oktober 1935 und 11. November 1935, Libro registro de Correspondencia de Salida 1933–1936, ARG, 34.635/4956.
Sindicato Español Universitario (SEU): »Die Anmut und die Hefe der Falange«
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Tote zu beklagen hatten.292 Die Regierung erklärte daraufhin, dass sie mehrere Jugendliche festgenommen habe, »deren Eltern das Ministerium baten, Rechtsmaßnahmen zu ergreifen, die es ihren Kindern unmöglich machen, Gefahr zu laufen, Opfer zu sein oder selber Delikte zu begehen, wie sie [in letzter Zeit] unglücklicherweise oft begangen wurden zwischen Schülern und Jugendlichen der Falange EspaÇola, der sozialistischen Jugend oder der kommunistischen.«293 Am 28. August 1934 erließ die Regierung ein Gesetz, das Jugendlichen unter 16 Jahren den Beitritt zu einer Partei untersagte. Unter23jährige benötigten dafür fortan die Erlaubnis ihrer Eltern.294 Doch die Anziehungskraft des Faschismus auf sehr junge Menschen blieb weiterhin bestehen. Sie scheint durch die Illegalität der Falange ab Februar 1936 noch verstärkt worden zu sein. Für Jugendliche stellten die politischen »Aktionen« des Frühjahres 1936 rund um nächtliche Wandplakatierungen und den Austausch geheimer Botschaften Abenteuer dar. Zudem waren vandalistische Streifzüge und das illegale Tragen von Waffen für Minderjährige mit geringeren Sanktionen behaftet als für volljährige Mitglieder. Ein Großteil der Falangisten wurde in den ersten Monaten des Jahres 1936 inhaftiert. Fasste die Polizei bei Razzien jedoch Minderjährige, kamen diese mit einer Geldstrafe davon.295
Sindicato Español Universitario (SEU): »Die Anmut und die Hefe der Falange« Anhänger des SEU standen oft noch im Jugendalter und mitten in ihrer schulischen oder universitären Ausbildung. Entgegen ihres im Einzelfall noch völlig offenen zukünftigen beruflichen und gesellschaftlichen Status präsentierte sich die falangistische Studentenschaft jedoch bereits als eine etablierte Berufsgruppe, die sich erstens, wie andere Berufsgruppen auch, gewerkschaftlich organisierte, und die sich zweitens sogar als die führende Gewerkschaft innerhalb der Falange bezeichnete. Auch wenn von den Mitgliedern des SEU regelmäßig an die klassenübergreifende Gemeinschaft im Falangismus appelliert wurde, zeigt doch allein die körperschaftliche Trennung des SEU von den anderen innerparteilichen Gewerkschaften, die – zuerst gedanklich und wenig später auch 292 Ramiro Ledesma Ramos: ¿Fascismo en EspaÇa? S. 164; Ferran Gallego: Ramiro Ledesma Ramos, S. 246. 293 El decreto sobre la delincuencia infantil, in: ABC, 29. August 1934, S. 23; Fue aprobado el decreto regulando la filiacijn de los menores en las agrupaciones pol&ticas, in: La Vanguardia, 29. August 1934, S. 15. 294 El texto del decreto, in: ABC, 29. August 1934, S. 24. 295 Lugo, en la audiencia, in: La Voz de Galicia, 21. Mai 1936, S. 8; Detenciones de falangistas y comunistas, in: La Vanguardia, 7. Juli 1936, S. 24.
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real – in der Central Obrera Nacional Sindicalista (CONS) zusammengefasst wurden, dass dem SEU im Falangismus eine exponierte Stellung zukam. Ein Blick auf die Reden führender Falangisten zum SEU, zeigt, wie dort die Rolle des SEU als Vorbild-Gewerkschaft »für alle zukünftigen Gewerkschaften« vorgezeichnet ist. Die Studenten seien, so Jos8 Antonio Primo de Rivera auf dem ersten Nationalen Studentenkongress (Primer Consejo Nacional del SEU) der Falange vom 11. April 1935, der »Anmut und die Hefe« der Falange (la gracia y la levadura), womit er auf die den Studenten zugedachte Aufgabe anspielte, Multiplikator für das falangistische Gedankengut zu sein, um die Bewegung im ganzen Land wachsen zu lassen wie einen Hefeteig.296 Weiterhin hieß es auf dem Studentenkongress: »Die Mitglieder des SEU müssen die ersten Plätze auf der beruflichen Skala erobern.«297 Schon ein Jahr zuvor hatte Ruiz de Alda den elitären Anspruch an den SEU so formuliert: Gebt Acht Architekten, Ingenieure, Ärzte und Lehrer, bei der unermesslichen Aufgabe, die ihr vor Euch habt: Spanien zu erschaffen. Von der Universität müssen neue Menschen kommen, rebellisch und verwegen, bereit, alles an sich zu reißen, bereit, zuvor alles zu geben. Es müssen von dort die neuen conquistadores Spaniens kommen.298
Der faschistische »neue Mensch« wurde an dieser Stelle – und dies durchaus in Einklang mit anderen faschistischen Bewegungen – von vorwiegend akademisch gebildeten Propagandisten proklamiert. Er sollte aber auch – und das im deutlichen Gegensatz zu anderen faschistischen Bewegungen – gerade in den höheren Bildungsanstalten des Landes rekrutiert werden. Das erklärt einerseits, warum sich mehrheitlich Studenten in den Jahren 1934 und 1935 zu einem Eintritt in die Falange entschlossen, andererseits deutete es darauf hin, wieso die Falange Attraktivität für Arbeiterkreise vermissen ließ und bis zum Kriegsbeginn keine Massenbewegung wurde. Im galicischen Kontext besaß der SEU verständlicherweise in der Universitätsstadt Santiago de Compostela das größte studentische Gewicht. Außerhalb von Santiago waren Studenten in der Stadt A CoruÇa aktiv, wo es an der Wirtschaftsschule einen falangistischen Kern gab. In Ourense besuchten die SEUMitglieder Privatakademien oder das städtische Gymnasium.299 Die in der Falange aktiven Studenten versuchten über die Verbreitung von Zeitungen und Flugblättern im Sinne der Falange propagandistisch tätig zu werden, dabei aber 296 JAPdR: Palabras pronunciadas en la apertura del primer consejo nacional del SEU, el 11 de noviembre de 1935, in: Arriba, Nr. 5, 18. April 1935, S. 2. 297 Extracto de las ponencias aprobadas en el Consejo Nacional, in: Haz, Nr. 4, 30. April 1935, S. 4. 298 Julio Ruiz de Alda: La universidad y el SEU, Manifiesto de abril de 1934, in: HAZ, Nr. 2, 2. April 1935, S. 3. 299 Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 162.
Sindicato Español Universitario (SEU): »Die Anmut und die Hefe der Falange«
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auch die eigenen studentischen Interessen hervorzuheben. Ab dem 26. März 1935 publizierte der SEU mit HAZ landesweit eine eigene Zeitung, die auch in Galicien vertrieben wurde. In der dritten Ausgabe von HAZ wurde explizit erwähnt, dass der Verkauf in Santiago de Compostela »ein großer Erfolg war«, und »in allen Fakultäten täglich mehr Mitglieder« gewonnen würden.300 Wie die Einträge zu mehreren falangistischen Flugblättern aus dem Universitätsarchiv der Stadt zeigen, mussten die SEU-Mitglieder mit jedem Flugblatt, das sie verteilen wollten, beim Bürgermeister die Freigabe dazu beantragen. Eines dieser Flugblätter, ab dem 25. Oktober 1935 auf Santiagos Straßen verteilt, verbreitete den wichtigsten Slogan des SEU: »Universitäre Seele und militärischer Schritt. Studium und Aktion. Hier haben wir, studentische Kameraden, in wenigen Worten zusammengefasst: den Geist des Sindicato EspaÇol Universitario.«301 Zur Identifikation hatte der SEU seit dem Ersten Nationalen Studentenkongress, der vom 11. bis zum 16. April 1935 in Madrid stattfand, eine eigene Symbolik, mit der sich die Gruppe von den anderen Syndikaten abheben konnte. Es handelte sich um einen mit dem yugo y flechas geschmückten Schwan (cisne), in Anlehnung an das Wappen des Kardinals Francisco Jim8nez de Cisneros (1436–1517), der sich Zeit seines Lebens genauso für die Förderung der ersten spanischen Universitäten wie für die Vertreibung der Araber von der Iberischen Halbinsel stark gemacht hatte. Rafael S#nchez Mazas theoretisierte in dem für ihn gewohnt literarisierenden Abriss, dass das Symbol des »harten Gründers der cäsarischen Zeit« der »stärkste, beständigste und tapferste der Kriegsvögel« sei. Vergebens habe der »Dichter des vergangenen Jahrhunderts« in den Schwänen Kameraden für seine eigene »Trostlosigkeit« gesucht, was einer »Fehlinformation der Romantik« geschuldet sei. Denn der Schwan habe »gar keine Gesänge, sondern nur Kriegsgeschrei«.302 Am Ersten Nationalen Studentenkongress nahmen auch Vertreter aus Santiago und A CoruÇa teil.303 Den Zweiten Kongress vom November 1935 besuchten ]ngel Ljpez Gutierrez für den SEU von Ourense und Antonio V#zquez de Cal für den SEU von Santiago.304 In der Stadt Lugo, so informiert HAZ, gab es ab Mitte April 1935 ein Zentrum des SEU. In der Provinz Lugo habe zudem in diesem Monat die Propaganda auf den Dörfern begonnen, wo es bereits »Bildungs300 El movimiento sindical en las provincias, in: Haz, Nr. 3, 9. April 1935, S. 5. 301 ¡Estudiantes!, Flugblatt vom 1. Oktober 1935, verteilt in Santiago nach der Erlaubnis für Victoriano MuÇoz Barj#n ab dem 23. Oktober 1935, AHU, AM, caja 2076, sucesos pol&ticos 6. Propaganda. 302 Rafael S#nchez Mazas: El SEU con el guijn del cisne de, in: HAZ, Nr. 5, 28 Mai 1935, S. 1; David Jato Miranda: La rebelijn, S. 235. 303 Organizacijn del primer Consejo Nacional del S.E.U, in: HAZ, Nr. 2, 2. April 1935, S. 1. 304 El movimiento sindical en las provincias, in: HAZ, Nr. 11, 17. November 1935, S. 4.
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stätten« (centros de enseÇanza) geben würde.305 Es ist sehr wahrscheinlich, dass mit centros de enseÇanza Seminare gemeint sind, in denen SEU-Mitglieder versuchten, Arbeitern das Lesen und Schreiben beizubringen. Ein weiterer Falangist erinnert nämlich, dass er in der Provinz Ourense Unterricht gab, um mit Arbeitern das Lesen und Schreiben einzuüben, wenngleich es sich um »sehr wenige Arbeiter« gehandelt habe.306 Wir erkennen hier, wenn auch in Ansätzen, den im elitären Selbstverständnis des SEU inhärenten Bildungsanspruch wieder, Führung zu übernehmen, um unter eigener Leitung die Verbindung der Klassen in der nationalen Gemeinschaft Realität werden zu lassen. Abgesehen vom Einsatz für die eigenen studentischen Belange unterschieden sich die Aktivitäten der SEU-Mitglieder in Galicien nicht von denjenigen der Mitglieder, die ausschließlich der Falange angehörten. Sie partizipierten gleichfalls an Schießübungen und betrieben Propaganda im Sinne der Falange, insbesondere in zeitlicher Nähe zu den Wahlen vom Februar 1936. In einem Rundschreiben an die Provinzabteilungen des nationalen Studentenführers, Alejandro Salazar, vom 2. März 1936, schildert dieser die allgemeine Stimmung während der Wahlkampfzeit: »Unsere Bewegung«, schrieb Salazar, »wird stärker und verfestigt sich«. Allerdings, so die Schilderung Salazars weiter, sei das Falange-Lokal in Madrid geschlossen geworden.307 Als Vorteil für die Jungfalangisten erwies sich in dieser Situation die institutionelle Trennung von SEU und Falange, denn, so weiß ein Ourenser Falangist zu berichten, »sie [die Beamten der Provinzregierung] ließen uns ein Lokal des SEU eröffnen, das wie ein Geheimort für die Falange war, während der ganzen Zeit der Volksfront«.308 Zumindest also in Ourense, wo der SEU über solch einen eigenen Versammlungsraum verfügte, konnten die Falangisten in den Monaten des Parteiverbots unter dem Deckmantel des SEU weiterhin Politik machen. Letztlich wurde jedoch auch dieses Zentrum im Juni 1936 von der Polizei als »eine Art Niederlassung der Falange« geschlossen.309
305 El movimiento sindical en las provincias, in: HAZ, Nr. 3, 9. April 1935, S. 5. 306 Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC. 307 Alejandro Salazar : Falange EspaÇola de las JONS, Sindicato Universitario, Madrid 2. März 1936, AGA. (7) 26.3 c.43/2415, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, AGA (7)26.3 43/2415, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid. 308 Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC. 309 Registro en un centro universitario, in: El Pueblo Gallego, 11. Juni 1936, S. 10.
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Sección Femenina: Die Stütze der Falange Traten Frauen der Falange bei, gehörten sie anfangs offiziell dem SEU an. Bereits während der Vorbereitungen des Gründungsaktes der Falange vom 23. Oktober 1933 beteiligten sich die ersten Frauen in der Madrider Falange. Pilar Primo de Rivera und Carmen Primo de Rivera, zwei Schwestern des Parteigründers, assistierten gemeinsam mit drei weiteren Frauen bei der Planung der Veranstaltung. Erst ab Juni 1934 gab es eine eigenständige Frauenabteilung, Pilar Primo de Rivera wurde Erste Vorsitzende.310 Vigo war nach Madrid der zweite urbane Raum Spaniens, in dem die SF als Körperschaft in Erscheinung trat. Am 28. November 1934 wurde Lily Ozores als Führerin für die Sektion in der Stadt vorgeschlagen.311 Im Frühjahr 1935 folgte im Zuge des gesamtgalicischen Falange-Kongresses von Vilagarc&a die Gründung einer SF in Ourense mit rund 40 Mitgliedern, die außerhalb der Provinzhauptstadt weitere Anhängerinnen hatte, in den Dörfern Maside, Bande, Melias, BaÇos de Molgas, O CarballiÇo und Rivadavia.312 In A CoruÇa-Stadt gab es ab dem Sommer 1935 eine SF-Abteilung, geführt von Antonia Naya Neira und Ricarda Canalejo. In Lugo-Stadt wurde die SF im März 1936 durch Pura Pardo Gayoso gegründet.313 Die leitenden Funktionen innerhalb der Frauenabteilungen in Galicien hatten wie überall in Spanien mehrheitlich Familienmitglieder oder Lebensgefährtinnen von Falange-Funktionären inne. Ricarda Canalejo aus A CoruÇa war mit dem dortigen Falange-Führer verwandt, Pura Pardo Gayoso mit dem FalangeMitbegründer der Gruppe von Lugo, Juan Manuel Pardo Gayoso.314 In OurenseStadt stand Vicenta P8rez, die Frau des zeitweiligen Falange-Sekretärs, Ricardo Mart&n Esperanza, der SF vor. In Santiago hatte die führende Position Laura Colmeiro Laforet inne, zusammen mit Otilia MuÇoz. Die gesamtgalicische Leitung der SF übertrug Pilar Primo de Rivera an Manuela Castro.315 Anfangs nahmen die Frauen gestalterisch am falangistischen Alltag teil, 310 Inbal Ofer : SeÇoritas, S. 15. 311 Ana Cebreiros Iglesias: Movilizacijn femenina para ganar una guerra. Las actividades de retaguardia de Seccijn Femenina en Galicia, in: Miguel ]ngel Ruiz Carnicer (Hg.): Las culturas pol&ticas del fascismo en la EspaÇa de Franco (1936–1975), Zaragoza 2013, S.77–94, S. 85. 312 Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 166. 313 Ana Cebreiros Iglesias: Movilizacijn femenina, S. 86. 314 Juan Manuel Pardo Gayoso, geboren 1918, war als Student einer der ersten Falangisten in Lugo. Als späterer Anwalt und Militär übernahm er zwischen 1963 und 1968 in Guadalajara (Andalusien) den Posten des Zivilgouverneurs. Vgl. Julio Ponce Alberca (Hg.): Guerra, Franquismo y Transicijn. Los gobernadores civiles en Andaluc&a (1936–1979), Sevilla 2008, S. 83–84. 315 Pilar Primo de Rivera: Recuerdos de una vida, Madrid 1983, S. 22. Carlos Herrero: Notas, S. 266.
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stickten Fahnen für die ersten Falange-Versammlungen und verkauften, ebenso wie die flechas, Zeitungen auf den Straßen. Außerdem versteckten sie, genauso wie die in Deutschland so genannten »SA-Bräute«, im Falle von Polizeikontrollen die Waffen der Milizionäre.316 In Ourense übten die Falangistinnen in der Phase der massiven Verhaftungen ab März 1936 auch umfassendere organisatorische Aufgaben aus. Eine Gruppe Frauen fuhr sogar zu Gesprächen mit der nationalen SF-Führerin und Raimundo Fern#ndez Cuesta nach Madrid.317 Vor den Februarwahlen 1936 besuchte Pilar Primo de Rivera die SF-Abteilungen in Galicien, wobei die Parteisekretärin Dora Maqueda sie begleitete.318 Für die Falangisten Galiciens bedeutete der Besuch, genauso wie der ein Jahr zuvor erfolgte Galicienbesuch Jos8 Antonio Primo de Riveras, ein Großereignis. Die Milizen der primera linea stellten sich, um die Besucherinnen zu ehren, in Reih und Glied an den Straßenrand, wie sie es schon im März 1935 für Jos8 Antonio Primo de Rivera getan hatten. Fernando Meleiro berichtet von der Stimmung dieses Tages: »Man musste das Entzücken bei Dora Maqueda sehen, jedes Mal wenn die Laternen die Sicht auf ein paar Kameraden im Blauhemd freigaben, die mit erhobenem Arm grüßten und ›Spanien in die Höhe!‹ (¡Arriba EspaÇa!) brüllten.«319 Die punktuelle feierliche Stimmung während dieses Besuches darf allerdings nicht über den von geringem politischem Erfolg geprägten falangistischen Alltag hinwegtäuschen. Bei ihrer Stippvisite im Falange-Zentrum von Vigo trafen Dora Maqueda und Pilar Primo de Rivera nur zwei Frauen an. Eine davon war die wegen der regelmäßigen politischen Verfolgung der örtlichen Falange-Gruppe von »Mutlosigkeit« gekennzeichnete Lily Ozores.320 Trotz der zeitweiligen Einbindung der Frauen in organisatorische Aufgaben während der Verhaftungswelle im Frühjahr 1936 blieb es bei nicht mehr als einer Handvoll Frauen, die sich in der Falange in Galicien zur Republikzeit politisch engagierten.321 Ähnliches galt für die Gewerkschaftsabteilung. 316 »Als sie den Angriff mit ihren Pistolen vereitelt hatten, warfen sie die Pistolen auf den Boden, und einige Mädchen hoben sie auf, unter ihnen Vicenta […] die war es, die sie aufhob, die anderen gingen hinter her, und sie hatten diese Abmachung: die Waffen auf den Boden werfen, damit man sie nicht mit den Waffen fasste.« Interview Nr. 65, a O. M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC. Zu »SA-Bräuten« siehe Dirk Schumann: Politische Gewalt, S. 308. 317 Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 195. 318 Wie für die Männerabteilungen hatten die Provinzbesuche der nationalen Führungskräfte eine Schwerpunktsetzung in 18 Provinzen zur Folge. Bezüglich der SF betraf dies in Galicien A CoruÇa und Ourense, die als stärkste SF-Zentren unterstütz wurden. Vgl. Soraya Gahete MuÇoz: Dora Maqueda: Su militancia en Falange EspaÇola, in: Aspark&a, Nr. 27, 2015, S. 163–180, S. 170. 319 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 139. 320 Ana Cebreiros Iglesias: Movilizacijn femenina, S. 86. 321 Ein Ourenser Falangist sagte Ende der 1980er Jahre über die Größe der Frauen-Abteilung:
CONS: Der Gewerkschaftsarm der Falange
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CONS: Der Gewerkschaftsarm der Falange Der falangistische Gewerkschaftsteil, die Central Obrera Nacional Sindicalista (CONS), spielte zur Zeit der Zweiten Spanischen Republik eine untergeordnete Rolle innerhalb der Falange. Der Arbeiteranteil der Mitglieder stieg erst Ende des Jahres 1935 und schließlich während des Krieges deutlich. Zuvor konzentrierten sich die der Partei zugehörigen Arbeiter auf einige wenige Gewerbezweige. Woran aber lag es, dass eine faschistische Partei, die sich dem Syndikalismus verschrieb, ausgesprochen wenig Rückhalt in der Arbeiterbewegung erlangte? Sicherlich war ein erster Grund für das mangelnde Interesse der Arbeiter an der Falange die geringe Attraktivität des politischen Profils. Bis zur Festschreibung eines offiziellen Programms hatten die sich auf die Studentenkreise konzentrierenden Machthaber in Madrid vorwiegend um Verhaltensregeln und die innerparteiliche Totenverehrung gekümmert, weniger jedoch um eine Gewerkschaftsordnung. In den blumigen Worten Jos8 Antonio Primo de Riveras wird diese abschätzige Haltung gegenüber einer ausformulierten politischen Programmatik mehr als deutlich: »Wann habt ihr schon einmal gesehen, dass sich die wichtigen Dinge im Leben, diese ewigen Dinge, wie es die Liebe, das Leben und der Tod sind, durch ein Programm geregelt hätten?«322 Der geringe Erfolg des Nationalsyndikalismus, der Idee, die spanischen Arbeiter in »nationalen Gewerkschaften« zusammenzufassen, lag also auch gerade in seiner fehlenden Ausformulierung begründet. Erst ein Jahr nach der Falange-Gründung, im Herbst 1934, wurde das 27Punkte-Programm niedergeschrieben. Es orientierte sich schließlich sehr stark an der Carta di lavore Mussolinis und fasst im 9. Punkt »Spanien wirtschaftlich in einer riesigen Gewerkschaft der Produzierenden.« Ziel des Programms war es, die Gesellschaft korporativ über ein System vertikaler Syndikate zu ordnen. Der »spirituelle nationalistische Sinn« des falangistischen Staates, heißt es in den Punkten 10 und 11, würde den in Spanien Einzug haltenden Klassenkampf und die Anarchie unmöglich machen. Das Recht auf Arbeit (Punkt 15) wird programmatisch mit der Pflicht zur Arbeit verknüpft (Punkt 16).323 Die konsequente Ersetzung des Begriffs »Arbeiter« (trabajador) durch den Begriff »Produzent« (productor) koppelt, wie Michal Scott-Rosin in seiner lexikologischen Untersuchung des falangistischen Wortschatzes eindrucksvoll herausgestellt hat, den
»Ich kannte vier, fünf oder sechs. Es gab ein paar mehr, aber mal ehrlich, ich kannte fünf, sechs.« Interview Nr. 65, O. M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC. 322 JAPdR: Discurso de proclamacijn de Falange EspaÇola de las JONS, 4. März 1934, in: OC, S. 327–333, S. 332. 323 Puntos program#ticos de Falange, in: OC, S. 478–482.
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Arbeitsbegriff weitestgehend von marxistischen Konnotationen ab, wodurch die Bipolarität von »Arbeit« und »Kapital« rhetorisch aufgehoben wird.324 Der erste Führer der CONS war Nicasio ]lvarez de Sotomayor, ein ehemaliger CNT-Gewerkschafter, der sich 1931 in Madrid durch seinen Eifer in einem nationale Ausmaße annehmenden Streik gegen die Telefongesellschaft Telefjnica einen Namen gemacht hatte. Sotomayors Leitung der CONS blieb jedoch nur ein kurzes Gastspiel. Den JONS entstammend verließ er gemeinsam mit Ramiro Ledesma Ramos im Januar 1935 die Falange, um anschließend dem organisierten Faschismus ganz den Rücken zu kehren.325 Sein Nachfolger war der ExKommunist Manuel Mateo. Dieser bereiste gemeinsam mit Jos8 Antonio Primo de Rivera die spanischen Provinzen, um dort für die CONS zu werben. In Galicien übernahm Jos8 Mar&a Baello die Territorialführung. In Ourense hatten Orentino Gonz#lez, Carlos Rey und Camp&o V#zquez den Vorsitz inne, allerdings entwickelte sich die CONS unter ihrer Führung kaum zu einer eigenständigen Gewerkschaftsabteilung, sondern bildete weiterhin einen stark vom Rest der Partei abhängigen Teil der Falange.326 Seiner Mitgliedskarte zufolge hatte der seit 1933 in den JONS aktive und aus Santiago stammende Casimiro Marras Rodr&guez das Amt des secretario territorial der CONS inne.327 Die Initiativen der Falange, um in Arbeiterkreisen Fuß zu fassen, kamen das ganze Jahr 1935 über nur schleppend voran. Und letztlich griff die Falange auf ein System zurück, zu dessen Bekämpfung sie offiziell angetreten war, nämlich auf den Kazikismus. Die Übermacht der politischen Linken in den Industriezweigen umgingen die Falangisten, indem Arbeitslose bei Eintritt in die CONS Arbeit erhielten, und zwar über persönliche und geschäftliche Kontakte zu monarchistischen Geldgebern.328 Die Linke entgegnete diesen falangistischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit Störaktionen. Im Frühjahr 1936 übernahmen falangistische Arbeiter aus der Provinz Ourense einen Auftrag, der den 324 Michael Scotti-Rosin: Die Sprache der Falange und des Salazarismus. Eine vergleichende Untersuchung zur politischen Lexikologie des Spanischen und des Portugiesischen, Frankfurt a. M. 1982, S. 184. 325 Schließlich engangierte er sich als Lokalpolitiker in seiner extremadurischen Heimat Cilleros (C#ceres). Im Februar 1936 wurde er dort für die PSOE zum Bürgermeister gewählt, weshalb er im Juli 1936, von Aufständischen verfolgt und hingerichtet wurde. Vgl. Chuchi del Azevo: Nicasio ]lvarez de Sotomayor, un anarquista cillerano dirigiendo la Falange de Jos8 Antonio Primo de Rivera, 10. September 2012 in: http://www.sierradegatadigital.es/ articulo/biografias-y-leyendas/nicasio-alvarez-de-sotomayor-un-anarquista-cillerano-di rigiendo-la-falange-de-primo-de-rivera/20120910080344004339.html. [Letzter Zugriff: 14. Juli 2013] 326 Interview Nr. 72, J. L.T.G., Ourense, 14. November 1988, UPDOC; Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia, S. 156. 327 Hoja matriz de servicios, Casimiro Marras Rodr&guez, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.014, exp. 643. 328 Xulio Prada Rodr&guez: A dereita pol&tica, S. 164.
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Abbau eines Torero-Platzes in der Stadt und dessen Wiederaufbau in Vigo vorsah. Nach erfolgreichem Abschluss der Arbeiten in Ourense boykottierten jedoch Marxisten in Vigo die Montage des Platzes systematisch. Ein von Fernando Meleiro entsandter Informant schrieb nach Ourense: Es ist nicht möglich, unter diesen Bedingungen zu arbeiten und die organisierten Angriffe auf den Arbeitsplatz zurückzuschlagen. Das Schlimmste an der Sache ist, dass man kein Gegenmittel findet. Ich habe die Mitglieder von der Falange aus Vigo besucht und sie haben mich überzeugt, dass es unmöglich ist, irgendetwas auszurichten. Sie sind wenige und sehr beschäftigte Leute. Ich weiß auch nicht, welche Krise die Falange von Vigo gerade heimgesucht hat.329
Diese Episode ist symptomatisch für die Arbeitskämpfe der CONS im Nordwesten Spaniens im Frühjahr 1936. Sofern die falangistischen Arbeiter Aufträge erhielten, verhinderten die besser organisierten Gewerkschaften der politischen Linken ihre Ausführung. Besonders deutlich wurde die Macht der Gewerkschaften im Straßen- und Eisenbahnbau. In Ar&ns (A CoruÇa), einem Vorort von Santiago de Compostela, stand kurzzeitig die Zusammenlegung der UGT und der CNT zur Debatte, um ein stärkeres gewerkschaftliches Gegengewicht zu denjenigen falangistischen Arbeitern herzustellen, die an der Landstraße von Ar&ns tätig waren.330 Im Eisenbahnbau im asturischen Oviedo arbeiteten immerhin 400 Falangisten an der Verlegung der Gleise mit. Die örtlichen linken Gewerkschaften riefen im März 1936 einen Generalstreik aus, um die Entlassung dieser Gruppe zu erwirken.331 Auch in anderen Teilen Galiciens waren mehrere Arbeiter der Falange im Eisenbahn- und Straßenbau tätig, und auch hier kam es zu Konflikten mit den sehr viel stärkeren sozialistischen Gewerkschaften sowie zu Handgemengen zwischen einzelnen Arbeitern. In Lal&n (Pontevedra) lieferten sich zwei Nachbarn einen Schusswechsel über die Frage, ob Falangisten an der Eisenbahnlinie arbeiten dürfen sollten oder nicht.332 Über Ourense berichtet ein von dort stammender Falangist, dass es »eine kuriose Sache« gewesen sei, »das mit den Arbeitern der Falange … ja, weil viele von ihnen in der Eisenbahn arbeiteten, sie bauten an der Linie Zamora-La CoruÇa«.333 Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung in Ourense vom 17. Juni 1936 mit Stockschlägen 329 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 119. 330 Dion&sio Pereira: Jos8 Pas&n Romero. Memoria do proletariado militante de Compostela, Santiago de Compostela 2012, S. 307. 331 El conflicto del ramo de la construccijn, in: La Vanguardia, 12. März 1936, S. 24–25. Auch in Andalusien waren mehrere falangistische Arbeiter im Eisenbahnbau tätig. Diesen Umstand nutzte der bei RENFE tätige Kommunist Juan Gila Boza, um sich als Spitzel in die Falange einzuschleusen. Vgl. Mercedes de Pablos: La hoz y las flechas. Un comunista en Falange, Madrid 2005, S. 53. 332 Sucesos en provincias, in: El Faro de Vigo, 25. Juni 1936, S. 2. 333 Interview Nr. 77, L. V., Ourense, 21. Januar 1989, UPDOC.
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und Steinwürfen, bei der ein Kommunist und ein Falangist verletzt wurden, verkündete der Zivilgouverneur, Gonzalo Mart&n, dass die komplette Ruhe in der Provinz wieder hergestellt sei, und »dass man Maßnahmen ergriffen hat, damit das ganze Dynamit, das in den Pulvermagazinen unter unsicheren Bedingungen aufbewahrt wird, nun an einem anderen Ort gelagert wird, der Sicherheit garantiert.«334 Interessant an dieser Aussage ist, dass der Gouverneur infolge der Unruhen die Sicherstellung des Dynamits, das den vorbereitenden Sprengarbeiten beim Eisenbahnbau diente, für besonders nötig hielt, offenbar, weil er dessen Missbrauch befürchtete. Anlass für die ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen bot einerseits die Tatsache, dass die sogenannten dinamiteros, vor allem die mit Sprengstoff vertrauten Minenarbeiter Nordspaniens, schon im Oktober 1934 bewiesen hatten, dass Dynamit im Arbeitskampf als durchschlagende Waffe eingesetzt werden konnte, um Häuser und Stellungen einzunehmen.335 Auf der anderen Seite hatte auch die Falange seit ihrem Erscheinen auf der politischen Bühne durch den Einsatz von Sprengstoff auf sich aufmerksam gemacht.336 Die Sicherheitsvorkehrungen des Zivilgouverneurs kamen also nicht von ungefähr. Zehn Tage nach diesen Maßnahmen wiederholten sich jedoch in Villavieja und A GudiÇa (Ourense) Streikaktionen seitens der CNT, wobei die Streikenden Telegraphenmasten beschädigten. Die Guardia Civil stellte Waffen sicher, ein Falangist erhielt eine Geldstrafe.337 Neben der Intensivierung des Arbeitskampfes kennzeichnete die Phase nach den Wahlen vom Februar 1936 eine stetig wachsende Akzeptanz falangistischer 334 Hablando con el gobernador, in: La Voz de Galicia, 18. Juni 1936, S. 9. 335 Insbesondere zu Beginn des Aufstandes setzten die Gewerkschaften in Asturien Dynamitattacken ein, um Häuser einzunehmen und den Widerstand der einzigen gegnerischen Gewerkschaft, der katholischen, niederzuschlagen. Siehe dazu: Fernando Claud&n: Algunas reflexiones sobre Octubre 1934, in: Gabriel Jackson, Pierre Brou8 et. al. (Hg.): Octubre 1934, Madrid 1985, S.41–48, S. 44; Adri#n Shubert: Entre Arboleya y Comillas. El fracaso del sindicalismo catjlico en Asturias, in: Ebenda, S. 243–252, S. 243. 336 Bereits im Juli 1934 waren in Madrid bei einer Razzia im Falange-Zentrum vier Bomben von zwei bis viereinhalb Kilo Gewicht beschlagnahmt worden. In Oviedo waren im Sommer 1935 zwei Falangisten gestorben, bei dem Versuch eine Bombe zu bauen. Im September 1935 hatte die Falange von Santander bei einem Sprengstoffattentat drei Personen verletzt. Mit Beginn des Jahres 1936 hatte sich der Einsatz von Sprengstoff als Waffe gegen die Linke vestärkt. Der Falangist Alberto Pastor berichtet von einer Sprengstoffattacke auf den Sitz der PSOE in Valladolid. Paul Preston erwähnt Sprengstoffattacken der Falange auf den PSOE-Sitz in Don Benito (Badajjz) und auf die Polizeistation von Vallodolid, in deren Folge der Valladolider Falange-Führer On8simo Redondo am 19. März 1936 inhaftiert wurde. Vgl. zu den einzelnen Fällen: Acerca de las detenciones, in: La Vanguardia, 14. Juni 1935, S. 25; Falange EspaÇola se declara ajena al atentado de Renedo, in: La Vanguardia, 11. September 1935, S. 18; Ronald Fraser: Blood of Spain. An oral history of the Spanish Civil War, New York 1986, S. 88; Paul Preston: The Spanish Holocaust, S. 125 u. S. 189. 337 En La GudiÇa se produjeron sucesos siendo tiroteada la fuerza pfflblica, in: El Pueblo Gallego, 28. Juni 1936, S. 14.
CONS: Der Gewerkschaftsarm der Falange
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Gewerkschaftsmitglieder in konservativen Kreisen, was unmittelbar mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt zusammenhing. Die große konservativ-monarchistische Zeitung ABC rief am 10. März 1936 zu einer »nationalen Spendensammlung« auf, deren Erträge denjenigen »freien Arbeitern« zugutekommen sollten, die nicht in einer marxistischen Gewerkschaft organisiert waren bzw. durch gewerkschaftliche Boykottaktionen Repressionen an ihrem Arbeitsplatz erlitten. In Santiago de Compostela standen Arbeiter der so genannten »Freien Gewerkschaften« (sindicatos libres) der CONS politisch nahe.338 Es ist denkbar, dass es zwischen diesen Arbeitergruppen zu Synergieeffekten kam, was insgesamt zur politischen Blockbildung im Frühjahr 1936 beitrug. Dennoch versuchte die Falange in Santiago zur selben Zeit über speziell an Mitglieder der CNT und der FAI gerichtete Propagandaaktionen, den Verdacht auszuräumen, die Falange stünde politisch den sindicatos libres nahe.339 Bis Mitte Juni 1936 kamen bei der ABC-Spendenaktion durch rund 7500 Einzelspenden mehr als 400.000 Peseten zusammen.340 Über die Hälfte dieser Spenden gingen im ersten Monat, zwischen dem 10. März und dem 9. April 1936 bei der Zeitung ein, in diesem Zeitraum von offenen politischen Bekenntnissen begleitet, die das Blatt dann ab Mitte April weitestgehend durch den nüchternen Abdruck der Initialen der Spender ersetzte. Knapp 10 Prozent der Spender drückten offen Sympathie für die Falange aus, ob es sich dabei um eine Familie handelte, »die den Gefallenen der Falange gedenkt«, um »drei Monarchisten, Bewunderer der Falange«, um »einen radikalen Bürgermeister, der inzwischen der Falange angehört«, um »50 Arbeiter aus Trigueros, Bewunderer von FE«, um »eine Galicierin, Verehrerin der Werte von FE« oder gar um »einen Falangisten, der töten würde«. Die Zahl der positiven Erwähnungen der Falange von rund 10 Prozent der Beiträger bekommt insbesondere in Anbetracht der Tatsache Gewicht, dass ein Großteil der Spender gar kein politisches Statement abgab. Falls dies doch der Fall war, dann lobten die Spender zumeist die Monarchie, Calvo Sotelo oder eben die Falange. Hauptsächlich zeigt diese Spendensammlung, die weitestgehend dieselbe Klientel ansprach wie der konservative Parteienblock »Nationalfront« (Frente Nacional) während der Februarwahlen 1936, dass die Falange im März 1936 in konservativen Kreisen plötzlich eine deutlich größere Akzeptanz besaß, als ihr erst einen Monat zuvor erzieltes Wahlergebnis dies vermuten ließ. Entweder hatten viele Wähler im Februar 1936 die unabhängig von den beiden großen Parteienblöcken antretende Falange, trotz Zuneigung zu ihr, von vor338 Dion&sio Pereira: Jos8 Pas&n Romero, S. 307–308. 339 Al pueblo trabajador y en especial a los militantes en la CNT y la FAI, [Publikation beantragt von Jos8 Santiago Baello, 18. Januar 1936], AHU/AM, 2076, sucesos pol&ticos 6. Propaganda. 340 Eigene Auswertungen der Spendenrubrik ABC, 10. März 1936 bis 10. Juni 1936.
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Die Mitgliederentwicklung und die falangistischen Körperschaften
neherein als chancenlos eingestuft und nur deshalb konservativ gestimmt. Oder diese Wähler hatten ihre Stimme aus Überzeugung der »Nationalfront« gegeben und sahen jetzt, unmittelbar nach dem Ausgang der Wahlen, in der Falange die einzige politische Alternative zum Konservatismus, der in ihren Augen mit der als Gefahr empfundenen Linken nicht radikal genug umging.341 Die politische Führung der Falange billigte die Annäherung der konservativen Kräfte an die Partei und setzte zur selben Zeit darauf, Kontakte zur CNT zu knüpfen. Außerdem schleuste die Falange-Führung Kontaktmänner in die CNT ein, erstens um Informationen über die politischen Aktivitäten zu sammeln, zweitens weil die CNTals linke Massenpartei hauptsächlich für falangistische Rekrutierungen in Frage kam.342
341 Letztere Interpretation entspricht auch derjenigen Einschätzung, die der CEDA-Führer Gil Robles nachträglich anstellte, vgl. Jos8 Mar&a Gil Robles: No fue posible la paz, Barcelona 1968, S. 689. 342 Vgl. Emilio Grand&o Seoane: O mito do 36, in: Carlos Velasco, Dion&sio Pereira, Emilio Grand&o, Eliseo Fern#ndez (Hg.): A fuxida do PortiÇo. Historia, memoria e v&timas, Vigo 2009, S. 9–34, S. 33–34. Siehe auch Emilio Grand&o Seoane: A CoruÇa, o puntal roto, S. 27.
Faschismus: Gewalt, Gemeinschaft und Symbolpolitik
Internationaler Faschismus? Eine der Paradoxien im Selbstverständnis der Falangisten bestand darin, die eigene Bewegung als faschistische Bewegung darzustellen, dann allerdings diese faschistische Identität wieder zu leugnen. Es war ein von der Gründung der Falange bis in den Bürgerkrieg hineinreichendes rhetorisches und performatives Element, dass die Milizionäre sich auf solche Weise verhielten und redeten, als seien sie Teil einer internationalen faschistischen Bewegung, wenngleich sie diese zur selben Zeit immer wieder verneinten. Die falangistische Politik kann – und darin glich sie wiederum den anderen europäischen Faschismen – als Wechselspiel von Mimesis und Abgrenzung zum faschistischen Anderen bezeichnet werden. Dass es sich beim propagierten »Internationalen Faschismus« um einen Mythos handelt, liegt im Faschismus selbst begründet, nämlich in seinem Wesenszug, die Alleinstellung zu behaupten, dem besten, größten und traditionsreichsten Volk anzugehören. Auch im Spanischen Faschismus war die Vorstellung der »Wiedergeburt« des Volkes in Größe und Stärke von zentraler Bedeutung – von Roger Griffin innerhalb der Faschismusforschung als Palingenesis bezeichnet.343 Dort, wo Mussolini sich im Römischen Imperium und Hitler sich im Dritten Reich wähnten, rekurrierten die Falangisten auf das »Spanische Imperium«, in dem nach Aussage Karls V. die Sonne niemals untergehe.344 Zu Beginn, im Jahre 1933, stand die Mimesis, erkennbar an den rhetorischen und symbolpolitischen Strategien derjenigen Propagandisten, die darauf sannen, den Faschismus in Spanien zu befördern. Jos8 Antonio Primo de Rivera 343 Roger Griffin, The nature of fascism, London/New York 1993. 344 Cuarto centenario de la toma de Tfflnez, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 6. Amando Fern#ndez: La poes&a del trabajo y de las milicias, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 2. Eugenio Montes: Cantares de gesta, in: FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 2. Zu der Sichtweise Karls V. vgl. Hugh Thomas: The Golden Age: The Spanish Empire of Charles V., London 2010.
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hängte in seinem Büro Fotos seines Vaters und Benito Mussolinis auf und ließ sich öffentlichkeitswirksam vor dieser Kulisse fotografieren.345 Diese künstlich hergestellte politische Verbindung zwischen zwei sehr unterschiedlichen Politikern erfuhr eine Fortschreibung dadurch, dass die Wahl für die Lancierung der ersten faschistischen Presseoffensive in Spanien El Fascio. Haz hispano auf den dritten Todestag des Generals Primo de Rivera fiel, auf den 16. März 1933. Zudem erfanden die Initiatoren der Publikation mit dem Wort Haz eine spanische Variante des italienischen Wortes fascio, das »Rutenbündel«, das den Ursprung des Wortes »Faschismus« darstellt. Die wörtliche Bedeutung von Haz (»mach!«) als Imperativ von »machen« (hacer), spiegelte darüber hinaus den handlungsorientierten Aktionismus der Falangisten wider. Das Wort diente der Selbstbeschreibung der falangistischen Kampfeinheiten und verlieh schließlich auch der Studentenzeitschrift des SEU ihren Namen. Die Zeitung El Fascio, nach einer Ausgabe bereits zensiert und eingestellt, füllten lobende Artikel über Italien und Deutschland. Die zentrale Botschaft darin lautete: Beim Faschismus handelt es sich nicht nur um ein italienisches Phänomen, sondern um ein europäisches. Ramiro Ledesma Ramos, auf einem Foto mit Scheitelfrisur und Schnurrbart zu sehen, imitierte mit seiner Aufmachung Hitlers Aussehen.346 Der »Internationale Faschismus« stellte auch den Hauptgegenstand der weiteren während der Zweiten Spanischen Republik veröffentlichten FalangePublikationen dar. Den größten Textanteil an diesen Publikationen machten die Reflexionen zur italienischen Politik aus sowie die poetisierenden Beschreibungen der eigenen Bewegung, die sich stets stärker mit dem italienischen als mit dem deutschen Faschismus identifizierte.347 Auch der Parteiführer wies oft genug auf diesen Unterschied hin: »Der Faschismus ist nicht nur eine italienische Bewegung: er ist ein universeller, totaler Sinn des Lebens. Italien war die erste Nation die begann ihn auszuüben. […] Niemand kann den deutschen Rassismus (der deshalb anti-universell ist) mit der Mussolini-Bewegung verwechseln…der in der Essenz universell ist.«348 Neben das Lob der politischen Leistungen im italienischen und deutschen Faschismus trat die Imitation eines »faschistischen Habitus«, die Identifizierung 345 Joan Mar&a Thom/s: Lo que fue la Falange, S. 129. 346 Ramiro Ledesma Ramos: Que son las JONS, in: El Fascio, Nr. 1. 16. März 1933, S. 14. 347 Einen guten statistischen Überblick über die Zeitschrift FE liefert Jean-Michel Desvois. Neben den Reflektionen zur internationalen Politik war die Beschreibung des eigenen Faschismus zentral. Beispielsweise widmeten sich insgesamt in FE 10,3 % der Artikel dem Totenkult; vgl. Jean-Michel Desvois: Le Contenu de FE hebdomadaire de la Phalange (D8cembre 1933–Juillet 1934), in: Ptudes Hispaniques et Hispano-Am8ricaines XIV: presse et soci8te, Rennes 1979, S. 91–125. 348 JAPdR: Al volver ¿Moda extranjera el fascismo? 23. Oktober 1933, in : OC, S. 180–182, S. 180f.
Internationaler Faschismus?
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mit einer politisch marginalisierten, doch als modern verstandenen Bewegung, exemplarisch zu sehen am Abdruck des Tagebuches eines faschistischen Milizionärs aus Italien in der Zeitung HAZ: Es handelt sich nicht um einen weiteren Bericht der faschistischen Revolution; es ist ein Tagebuch, in der Nacht verfasste Einträge eines Squadristen, eines italienischen Faschisten. Darin interessieren nicht die großen revolutionären Ereignisse. Interessant sind die kleinen Details. Der Kampf mit der Familie, die Auseinandersetzung auf der Straße, die in einer Schießerei endet, die Teilnahme am Streik, die Zeitschrift des Duce. Das sind alles emotionale Notizen, gefüllt mit unserem Leben und unserem Geist. Wir sehen in ihnen den Prozess unseres eigenen Kampfes.349
Was an dieser Stelle erstaunt, ist die Reflexionsebene der Falangisten. Im Übertrag der historischen Faschismuserfahrungen auf den spanischen Kontext ging es ihnen vor allem darum, ein Lebensgefühl zu erzeugen. Greifen wir den praxeologischen Faschismusbegriff Sven Reichardts auf, wonach der Faschismus als ein Habitus begriffen wird,350 dann verfolgten die Falangisten eine faschistische Praxeologie avant la lettre. Denn das Motiv für den Falange-Eintritt war, wie ein Ourenser Falangist es ausdrückt, »dieser jugendliche Geist, gegen etwas zu kämpfen, außerdem heroisch zu kämpfen, und danach, erst danach lernte ich, Falangist zu sein.« Tatsächlich sei er eingetreten, wie man einer Fußballmannschaft beitritt, und »danach dann lernte man die Idee zu verteidigen und sie zu leben, das war die Sache.«351 Die Hinwendung der Falange zu Italien hing eng mit den beiden fleißigsten Partei-Publizisten Rafael S#nchez Mazas und Gim8nez Caballero zusammen. Beide hatten in den 1920er Jahren persönliche und literarische Kontakte zu italienischen Faschisten gepflegt. Gerade Sanchez Mazas’ ästhetische Neigungen fanden ab 1934 Einfluss in die programmatischen Falange-Schriften, in die Symbolpolitik und in die Reden Jos8 Antonio Primo de Riveras. Dieser selbst hatte Anfang der 1930er Jahre politische Verbindungen nach Italien geknüpft. Im Oktober 1933, kurz vor der Gründungsversammlung der Falange im Teatro de la Comedia in Madrid, erschien die spanische Veröffentlichung von Mussolinis La Dottrina del fascismo unter dem Titel El fascismo, dessen Vorwort von ihm stammte.352 Wenige Tage vorher hatte Jos8 Antonio Primo de Rivera Mussolini persönlich in Rom besucht.353 Die Orientierung der Falange an anderen faschistischen Staaten stieß auch auf Gegenreaktionen. Aufgrund des Geldmangels, der die Falange im Jahr 1935 349 350 351 352 353
Diario di un squadrista qualusque – Jenaro G. del Hierro, in: HAZ , Nr. 7, 19. Juli 1935, S. 6. Sven Reichardt: Praxeologie und Faschismus, S. 137f. Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC. JAPdR: Prjlogo a »El Fascismo«, Oktober 1933, in: OC, S. 183–184. Ismael Saz Campos: Mussolini contra la II repfflblica, S. 113–118.
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politisch einschränkte, ersuchte Jos8 Antonio Primo de Rivera die italienische Regierung um finanzielle Unterstützung für Publikationen, die er auch erhielt.354 Der Botschafter Italiens, Celesio Geisser, und der Gesandte Hitlers, Wilhelm Faupel, beobachteten sehr genau den Werdegang der Falange, und schon früh übermittelten sie der in den Kinderschuhen steckenden Partei Propagandamaterial in spanischer Übersetzung. Diese Publikationen gelangten auch bis in die galicischen Provinzabteilungen der Falange.355 Genauso wie im Landeszentrum entwickelte sich in den dortigen Kreisen ein faschistischer Mikrokosmos aus Symbolen, Sprech- und Verhaltensweisen sowie dem faschistischen Gruß mit dem rechten erhobenen Arm. Wie Ledesma Ramos stutzte sich FalangeFührer Juan Canalejo aus A CoruÇa seinen Bart nach dem Vorbild Adolf Hitlers.356 Obwohl der Beispielcharakter und der deutliche Einfluss der ausländischen Bewegungen auf diese Art der Selbstinszenierungen kaum zu bezweifeln war, vertraten die Milizionäre die Auffassung einer originär spanischen Bewegung anzuhängen: »Genau, es war…es war der Geist…, nein, weder des Faschismus noch des Nazismus, es war eine komplette Erneuerung Spaniens.«357 Im Übertrag eines »faschistischen Habitus« auf Spanien und in der Konsequenz des damit verbundenen radikalen spanischen Nationalismus konnten die Falangisten gar nicht anders als den ausländischen Einfluss zu verneinen. Dieselbe Auffassung betonte auch die Parteiführung in Madrid immer wieder und beschloss beispielsweise mit Verweis auf den »genuinen nationalen Charakter der Bewegung« im Dezember 1934 die Teilnahme am internationalen Faschismuskongress in Montreux abzusagen.358 Trotz der Hinwendung zum italienischen Faschismus stritt Jos8 Antonio Primo de Rivera dessen schlichte Imitation ab: »Imitieren ist nicht dasselbe wie Über-sich-selbst-zurückkehren.«359 Genau darin, in selbstreferenzieller Art die eigene Nation zu erhöhen, lag jedoch eine zentrale Sprechweise aller Faschisten in Europa – beispielhaft zu sehen am argumentativen Vorgehen Gim8nez Caballeros, der sogar glaubte, Spanien als das eigentliche Gründerland des Faschismus ausmachen zu können. Weil die Katholischen Könige, Isabel und Fernando, bereits im 15. Jahrhundert das yugo y flechas als Identifikationssymbol benutzt hätten, so Gim8nez Caballeros Er354 Die Geldtransfers fanden in Paris statt, und zwar im April, Juni, August und November 1935 sowie im Januar 1936. Vgl. Ismael Saz Campos: Mussolini contra la II repfflblica, S. 140. Paul Preston: Paul Preston: ¡Comrades! Portraits from the Civil War, Glasgow 1999, S. 91. 355 Interview Nr. 23, M., Ourense, 5. Januar 1988, UPDOC. 356 Carlos Fern#ndez Santander : La Guerra Civil, S. 21. 357 Interview Nr. 65, O.M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC. 358 JAPdR: Nota publicada en la prensa nacional espaÇola, 19. Dezember 1934, in: OC, S. 524. 359 JAPdR: Discurso pronuncido en C#ceres, FE, Nr. 6, 8. Februar 1934, in: OC, S. 290–292, S. 292.
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läuterung, seien die spanischen Herrscher die eigentlichen Gründer des ersten faschistischen Staates gewesen. Spanien blicke deshalb auf eine längere faschistische Tradition zurück als Italien.360
Symbolkampf und Parteiwerbung: »Mitglieder erfassen, Mitglieder erfassen, Mitglieder erfassen – und nichts weiter« Wichtiger Bestandteil der falangistischen Identität war das laute Buhlen um Aufmerksamkeit. Das bewaffnete und uniformierte Auftreten in Gruppen, das Singen von Kampfliedern und die öffentliche Verehrung der eigenen Toten stellten die bedeutendsten Komponenten des falangistischen Alltags dar. Der Faschismus wurde als aufregendes und modernes Lebensgefühl wahrgenommen.361 Da die geringe numerische Stärke der Falange im Jahr 1934 keine großen Propagandaveranstaltungen zuließ, beschränkten die Falangisten sich auf Sabotageakte und versuchten, durch ihre Auftritte, neue Mitglieder zu gewinnen. In den Worten eines Ourenser Falangisten verfolgte die Falange in erster Linie ein Ziel: »Ich glaube, um was es ging, das war, Mitglieder erfassen, Mitglieder erfassen, Mitglieder erfassen – und nichts weiter.«362 Beim Besuch des spanischen Präsidenten Manuel AzaÇa 1934 in A CoruÇa verteilten Falangisten Flugblätter unter den Zuschauern und störten den Vortrag.363 Auch die Falange von Vigo sorgte für Unterbrechungen beim Auftritt des Präsidenten in ihrer Stadt.364 Im Sommer des Jahres 1934 kam es zu weiteren kleinen Auseinandersetzungen in den beiden größten galicischen Städten. Am 13. Juli 1934 verhaftete die Polizei die drei in A CoruÇa aktiven Falangisten Juan Canalejo, Antonio Canalejo und Jos8 Docampo, weil sie Propagandaplakate an mehrere Hausfassaden geklebt hatten.365 Als im Oktober 1934 die Minenarbeiter Asturiens streikten und die Zentralregierung von Madrid Streitkräfte in die Region schickte, begrüßte die Falange diesen Militäreinsatz. Francisco Bravo räumt ein, dass einige asturische
360 Ernesto Gim8nez Caballero: El miedo al Estado, Isabel y Fernando, in: Arriba, Nr. 5, 18. April 1935, S. 6. 361 Daniel Laneiro T#boas: Unha nova ollada, S. 229; Joan Maria Thom/s: Los fascismos, S. 15; Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia, S. 143. 362 Interview Nr. 70, J.G.N, Ourense, 21. Januar 1989, UPDOC. 363 Carlos Fern#ndez Santander : La Guerra Civil, S. 35. 364 Im Zuge dieser Störung wurde das Falange-Zentrum in der Straße Gal#n geschlossen; vgl. Sorprenden a unos fascistas, in: El Correo de Zamora, 6. September 1934, S. 7. 365 Fascistas detenidos, in: El Faro de Vigo 15. Juli 1934, S. 6.
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Falangisten bei der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes an der Seite des Militärs mitgekämpft hätten, wobei fünf Milizionäre getötet worden seien.366 In Galicien waren die Milizen zahlenmäßig zu schwach und nicht darauf vorbereitet, selbst militärisch einzugreifen, weshalb es nur für die Bereitstellung einiger Milizionäre in Ourense reichte, die dann nicht einmal zum Zuge kamen. Dennoch nutzten die Falangisten die Situation, um öffentlich ihre nationale Überzeugung zu demonstrieren. Schon Jos8 Antonio Primo de Rivera hatte die bewegte Stimmung am 7. Oktober 1934 zu einer öffentlichkeitswirksamen Versammlung der Madrider Falange genutzt. Mehrere tausend Menschen hatten sich diesem Umzug der »nationalen Einheit« durch das Stadtzentrum von Spaniens Hauptstadt angeschlossen. Die galicischen Falangisten präsentierten sich ihrerseits Ende Oktober 1934 bei den Militärparaden der aus Asturien heimkehrenden Streitkräfte und machten lautstark auf sich aufmerksam. In Ourense formierten sie sich, um die Soldaten mit ausgestrecktem rechtem Arm zu begrüßen.367 Zum großen Militärumzug von A CoruÇa am 1. November 1934 hängten Enrique Garc&a Grande, Juan und Antonio Canalejo die FalangeFahne mit dem Parteisymbol, dem yugo y flechas, über die Zuschauermenge an den Balkon des Casino Republicano, an dem der Umzug vorbeiführte.368 Unterdessen versuchten vier Falangisten in Vilagarcia (Pontevedra) Solidaritätsbekundungen für die asturischen Arbeiter zu unterbinden und verletzten während einer Demonstration zwei Marxisten.369 Kennzeichnend für die falangistischen Propagandainitiativen war die offensiv zur Schau gestellte Überzeugung, die eigene Bewegung verfüge über einen neuen und unvergleichlichen »Stil« (estilo). Diesen Mode-Charakter vermittelten die Falangisten, ihrer Auffassung nach, durch das öffentliche Auftreten als militaristische Gruppe, wozu der Gruß mit dem rechten Arm, begleitet von dem Ausruf »Spanien in die Höhe!« (¡Arriba EspaÇa!) genauso gehörte wie das Tragen des blauen Parteihemdes (camisa azul). Jugendliche Falangisten gingen in die Schule, wie ein Ourenser Falangist es beschreibt, »nun, mit dem Blauhemd, weil ich provozieren wollte«.370 Mit demselben Ziel, der Provokation, bildete sich 1935 in Ferrol (A CoruÇa) eine Falangistengruppe, angeführt von Ferm&n Dapena, die nachts durch das Stadtzentrum streifte, auf der Suche nach linken Politaktivisten.371 Wie es im Zuge eines solchen Streifzuges zu einer ge366 Francisco Bravo Mart&nez: Historia de Falange EspaÇola, S. 77ff. 367 Laut Meleiro seien auf die Initiative der Falange hin ebenfalls »tausende Arme« der bei dem Umzug Anwesenden in die Höhe gegangen, vgl. Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 38. 368 Expediente 8, 15. April 1935, Madrid, in: Arriba, Nr. 26, 2. Januar 1936, S. 3. 369 Francisco Bravo Martinez: Historia de Falange, S. 78. 370 Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC; vgl. auch Interview Nr. 65, O.M., Ourense, UPDOC. 371 Enr&que Barrera Beitia: La represijn en ferrolterra, S. 84.
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walttätigen Konfrontation kommen konnte, zeigt ein Vorfall aus dem Juli 1935. Ein Kommunist und ein Ferrolaner Falangist riefen sich die Parolen »Runter mit dem Faschismus« (¡Abajo el fascio!) und »Spanien in die Höhe!« (¡Arriba EspaÇa!) zu, woraufhin der Wortwechsel mit einer Rauferei endete.372 Aus derselben Motivation heraus, um zu provozieren, brachen mehrere Falangisten aus Ourense Ende 1934 in das Zentrum der Galeguistas ein und richteten dort so viel »Zerstörung an, wie sie Lust hatten und nahmen eine Fahne und ein paar ausgezeichnete Stühle mit.«373 Die relative Harmlosigkeit der falangistischen Provokationen, die oft den Charakter von Jungenstreichen hatten, manifestierte sich am 5. Mai 1935 in Vilagarc&a. Dort führte die örtliche Falange-Gruppe einen Fuchswelpen an einer Kette durch die Stadt und erzählte bei der Begegnung mit Anhängern der Izquierda Republicana, es handle sich bei dem Welpen um Manuel AzaÇa. Diese Aktion, so primitiv sie auch war, verfehlte ihre Wirkung nicht: Es kam zu einem Wortgefecht, ein Polizist intervenierte. Schließlich entstand ein Tumult, in den sich mehrere Zivilisten und auch Polizisten einmischten; Steine wurden geworfen, es gab mehrere Verletzte.374 Eine weitere ganz auf derselben Linie liegende »Aktion« sorgte am 7. Dezember 1935 für eine Anzeige gegen die Falange von Vilagarc&a. Am Parteilokal von Izquierda Republicana war ein großes Glasschild abmontiert und von der Brücke Vista Alegre in den nahe gelegenen Fluss Con geworfen worden. Fünf Falangisten wurden der Zerstörung des Schildes verdächtigt. Zudem, kritisierte El Pueblo Gallego, zeigten die Falangisten sich auf den Straßen Vilagarc&as regelmäßig im Blauhemd und fielen durch »Prahlerei und Provokation« (ostentacijn y provocacijn) auf.375 Die offensive Art der Falangisten führte auch andernorts zu Zusammenstößen, z. B. mit der Sprachenlehrerin Matilde Dagan, die im Krankenhaus von Santiago de Compostela behandelt werden musste, nachdem ihr der lokale Falangistenführer Manuel Ljpez Sendjn auf der Straße Rffla del Villar »Schürfwunden an beiden Lippen und der Schläfengegend« zugefügt hatte. Auch wenn unklar ist, ob dieser Vorfall einen politischen Hintergrund hatte, ist er doch Ausdruck einer männlich dominanten Gebärde, die durchaus einen Teil der falangistischen Identität ausmachte.376 Die Zurschaustellung eigener Dominanz stieß natürlich auch auf Widerstand. 372 El conserje de los fascistas es detenido, in: El Pueblo Gallego, 4. Juli 1935, S. 11. 373 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 35. 374 Una discusijn entre Fascistas y jjvenes de Izquierda Republicana dij origen a sucesos que pudieron revestir extraordinaria importancia, in: El Pueblo Gallego, 7. Mai 1935, S. 12. 375 Die Anzeige richtete sich gegen Daniel Buhigas, Lu&s und Enrique Villarongam, Jos8 Mart&nez Freire und Jos8 Mart&nez Filgueira; vgl. Fascistas a la c#rcel, in: El Pueblo Gallego, 7. Dezember 1935, S. 12. 376 Es agredida en plena Rffla del Villar, in: El Pueblo Gallego, 24. März 1936, S. 11.
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Der während der Zweiten Spanischen Republik allerorten wahrnehmbare politische Kampf um das symbolische Terrain stand unter strikter staatlicher Beobachtung. Zur Verbreitung ihrer eigenen Parteisymbolik plakatierten die Falange-Milizionäre an Gebäuden deshalb heimlich, meistens nachts. Sie überklebten mit ihren Plakaten diejenigen der Sozialisten. Mithilfe einer Schablone malten sie falangistische Parolen und das eigene Parteisymbol an Hauswände. Die Initialen F.E. wurden von ihnen auf republikanische Flaggen geschrieben.377 Die wichtigste Propagandainitiative der Partei stellte der Zeitungsverkauf dar, den zumeist die jüngeren Mitglieder durchführten. Der Verkauf fand unter dem Schutz der älteren Falangisten aus der primera l&nea statt, die, falls es zu Störaktionen der Linken kam, gewaltsam einschritten.378 In den Parteizentren, geschmückt mit Totenkopfsymbolen und Schriftzügen der eigenen Bewegung, pflegten die Falangisten die gemeinsame Lektüre und Interpretation der aus Madrid stammenden Presse, in Einzelfällen sogar diejenige ausländischer Propaganda, wie zum Beispiel die von Adolf Hitlers »Mein Kampf« in spanischer Übersetzung.379 Nur selten kam es zu öffentlichen Vorträgen, wie demjenigen von Jos8 Cedrjn de Valle in Lugo mit dem Titel »Falange EspaÇola und der Klassenkampf«, der erst stattfand, nachdem die Falange Anfang 1935 legal ein Zentrum in der Stadt eröffnet hatte.380 Im Zuge des Gründungskongress der Falange in Galicien vom 17. März 1935 wurden weitere Propagandaveranstaltungen organisiert, beispielsweise der Kongress von Catoira vom 18. April 1935. Doch blieb das Jahr 1935 wegen der sporadischen Eintritte von Neumitgliedern ein für die Falange schwieriges Jahr. Erst gegen Ende 1935, als sich abzeichnete, dass es im Frühjahr 1936 zu Neuwahlen kommen würde, fanden wieder mehr Versammlungen statt. Beispielsweise erschienen Ende Januar 1936 zu einer politischen Debatte der Falange in dem kleinen Dorf Ortigueira (A CoruÇa) – von den dortigen Falange-Gründern Feliciano und Jesffls Crespo Bello organisiert – immerhin 200 Zuschauer.381 In den Dörfern CarballiÇo und Maside 377 Detencijn de un propagandista fascista, in: El Pueblo Gallego, 10. Mai 1936, S. 3; Son detenidos varios afiliados de Falange EspaÇola, in: El Pueblo Gallego, 8. Mai 1936, S. 11; Detencijn de un fascista, in: El Faro de Vigo, 10. Mai 1936, S. 5; Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 160. 378 Luis Sanmart&n war 15 Jahre alt, als er der Falange beitrat und sich dem Zeitungsverkauf widmete; vgl. AHPP, ACP-XPM, Expedientes personales de autoridades provinciales, AlejoSalcarrera, 36–40, c. 56/2, exp. 376. Für weitere Beschreibungen des Zeitungsverkaufes siehe Interview Nr. 65, Ourense, 1. April 1989, UPDOC. Interview Nr. 77, L. V., Ourense, 21. Januar 1989, UPDOC; La Voz de Galicia, 13. November 1935, S. 8. Alfonso Santos Alfonso: La Sublevacijn Militar de 1936 en Lugo, A CoruÇa 1999, S. 50. 379 Interview Nr. 58, M.G.M., Ourense, 9. Juli 1988, UPDOC; Interview Nr. 23, a M., Ourense, 5. Januar 1988, UPDOC; Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 203. 380 Una conferencia, in: El Faro de Vigo, 10. Mai 1935, S. 10. 381 De Falange EspaÇola, in: La Voz de Galicia, 29. Januar 1936, S. 9.
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(beide Ourense) versammelten sich die Falangisten am 8. Dezember 1935 bzw. in den ersten Januartagen 1936, wobei in beiden Fällen Sozialisten versuchten, die Versammlungen zu stören.382 Trotz der Betonung eigener »Authentizität« und des eigenen estilo orientierten sich die Falangisten in ihrem Tun und Handeln sehr deutlich an den ausländischen Vorbildern. Wie andere Faschisten verliehen auch die Falangisten der Politik eine religiöse Aura, Parteisymbole wurden wie Sakramente behandelt.383 Die Verbindungen der Falangisten zur Kirche waren jedoch enger als in den anderen europäischen Faschismus-Bewegungen. In einigen Fällen sprachen Geistliche der katholischen Kirche die Falange-Symbole sogar heilig.384 Im Gegenzug übernahmen Falangisten Wachdienste, die nicht dem Schutz der eigenen Organisation, sondern demjenigen der Kirche dienten. Dies ist zum einen vom nationalen Vorsitzenden des SEU, Alejandro Salazar, belegt, der in seinem Tagebuch zu den ersten Oktobertagen 1934 schreibt, dass er in Almer&a die Organisation »ziviler Kräfte« betrieb, um Konvente zu verteidigen und Patrouillen auf der Straße zu machen.385 Zum anderen gibt es Quellen aus allen vier galicischen Provinzen, die einen solchen Dienst nachweisen. In Vigo nahm eine Falange-Gruppe 1935 als Eskorte an den zu Fronleichnam durchgeführten Prozessionen teil.386 Der Falangist Raimundo de Salvador LiÇares räumt ein, dass er in den Tagen vor der Militärerhebung vom 18. Juli 1936 Wachdienste an der Kathedrale von Lugo-Stadt durchführte, ehe er mit Kriegsbeginn zur Niederschlagung der republikanischen Widerstände nach Ribadeo zog.387 Auch in den Dörfern um Arzffla (A CoruÇa) fungierten einige jugendliche Falangisten als »Beschützer« (protectores) der örtlichen Pfarrer.388 In Ferrol (A CoruÇa) war ein Pfarrer sogar Mitglied der Falange, er wurde im Zuge der Verhaftungswelle vom April 1936 inhaftiert.389 In Ourense suchten Priester die Nähe der Falange-Mi382 JONS de CarballiÇo, in: Arriba, 19. Dezember 1935, Nr. 24, S. 2; JONS de Maside, in: Arriba, Nr. 27. 9. Januar 1936, S. 4. 383 Emilio Gentile: The Sacralization of Politics in Fascist Italy, Cambridge 1996, S. 22. 384 Laut Carlos Herrero wurde im Falange-Lokal von Santiago de Compostela die Fahne im November 1935 heilig gesprochen; vgl. Carlos Herrero: Notas, S. 267. Siehe zur Heiligsprechung auch Gustavo Morales: Falangistas, Madrid 2010, S. 143. 385 Alejandro Salazar : Estudio y accijn, S. 34. 386 »Im Jahr 1935 hielten sich einige alte Kameraden, eigenen Aussagen zufolge, in Vigo auf, und wurden vom dortigen Führer der FE gerufen, um die Prozessionen zu Fronleichnam zu beschützen. Sie wurden als Faschisten beschuldigt und angezeigt und erlitten aus diesem Grund eine rigorose Leibesvisite durch die Polizei« Informe, 9. November 1940, Delegacijn Provincial del Movimineto, oficio n. 3519 de 4 del mismo aÇo, AHPP, ACP-XPM, Expedientes personales de militantes, P8rez-Yas, 37–50, c. 56/1, exp. 304. 387 Raimundo de Salvador LiÇares, Eidesstaatliche Versicherung, La CoruÇa, 22. Februar 1941, AGMAV, MN-JPAC, Caja 6.049, exp. 2616. 388 Daniel Laneiro T#boas: Unha nova ollada, S. 230. 389 M#s detenidos, in: La Voz de Galicia, 22. April 1936, S. 4.
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lizen, damit diese sie beschützten, denn, wie ein Ourenser Falangist zu berichten weiß, »mal rief uns ein Pfarrer von einem Ort, der vielleicht eine Gruppe Jungspunde dort hatte, und man musste hin und denen erzählen, was die Falange ist usw. […] der Pfarrer brauchte ein paar Bodyguards.« 390 In der Konsequenz der sakralen Auffassung der Parteisymbolik versuchten die Falangisten, genauso wie die faschistischen Milizen anderswo, ihren politischen Kontrahenten identitätsstiftende Symbole zu entwenden. Dazu gehörten das Rauben von Plakaten und Flaggen, und dies vornehmlich an zentralen Gedenktagen wie dem 14. April, dem Tag der Ausrufung der Republik, oder dem 1. Mai, dem Tag der Arbeit. Dabei ist anhand der Ourenser Aprilfeierlichkeiten der Jahre 1934 bis 1936 zu erkennen, wie die Aufeinandertreffen der Falangisten mit Gruppen der Linken von Jahr zu Jahr gewalttätiger verliefen. Am 14. April 1934 bat eine Gruppe von Traditionalisten die Ourenser Falange lediglich, zu helfen, die rot-gold-rote Fahne in der Stadt zu hissen, als Zeichen für die eigene Unzufriedenheit mit der Republik. Die April-Feierlichkeiten 1935 wurden dann bereits von den ersten handfesten Auseinandersetzungen begleitet. Von den Demonstrationszügen zum 14. April 1935 berichtet Fernando Meleiro: »Es dauerte nicht lange, bis die Verbindungsmänner zurückkamen mit der Nachricht, dass die Demonstration mit Gummiknüppeln und Schraubenschlüsseln aufgelöst worden war und dass man dem Feind als Trophäe die Fahnen und einige Spruchbänder weggenommen hatte.«391 Ein weiteres Jahr später, am 14. April 1936, kam es in Ourense schließlich zu Schusswechseln zwischen Falangisten und einer Gruppe Sozialisten, von der zuvor die republikanische Himno de Riego gesungen worden war.392 Doch ganz anders als in Italien oder Deutschland, wo bereits vor dem Marsch auf Rom und der Wahl Hitlers, faschistische Kampfbünde für Tod und Zerstörung sorgten, blieb es in den Jahren 1934 und 1935 in Galicien wie im Rest Spaniens bei derlei sporadischen, sich zumeist auf symbolträchtige Daten konzentrierenden Angriffen. Sofern es zu tödlichen Aufeinandertreffen kam, waren diese meist isolierten Gewaltaktionen geschuldet. Für systematische
390 Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, Ourense, UPDOC; Interview Nr. 58, M.G.M, Ourense, 24. Dezember 1987, UPDOC. 391 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 75; Moure MariÇo erwähnt, dass der Pontevedreser Falangist Castro Pena am 1. Mai 1936 bei dem Versuch verletzt wurde, einem Marxisten eine Fahne zu entreißen. Vgl. Luis Moure MariÇo: Galicia, S. 217. Im Mai 1936 kam es zu einem Fahnenraub in Junquera (Pontevedra), vgl. Varios sucesos, in El Pueblo Gallego, 8. Mai 1936, S. 8. Zum Thema des Symbolraubs in Deutschland und Italien, vgl. Sven Reichardt: Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen Squadrismus und in der deutschen SA, Köln 2002, S. 565. 392 Interview Nr. 78, E. V., Ourense, 4. Februar 1989, UPDOC.
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Aktionen war die Falange numerisch zu schwach. Die politische Linke war numerisch zwar stark, doch in dieser Hinsicht weniger gewaltbereit.393 Dass die Sozialisten und Anarchisten der Falange dennoch sehr wohl Schaden zufügen und darüber hinaus den gesamten öffentlichen Raum lahmlegen konnten, zeigen mehrere Ereignisse des Frühjahres 1936. Im Zuge der Wahlen vom Februar 1936 verwüsteten linke Gruppen in Pontevedra, Ferrol und A CoruÇa Versammlungszentren der politischen Rechten und warfen die Inneneinrichtungen auf die Straße, allerdings nicht nur die Möbel der Falange, sondern auch diejenigen der beiden konservativen Parteien Accion Popular und Renovacion EspaÇola.394 In Santiago gab es eine Kundgebung in der Casa de la Repfflblica. Beim anschließenden Fahnenumzug, »mit Nationalfahne und galicischer Fahne« trafen Linke und Falangisten gewaltsam aufeinander. Mehrere Falangisten wurden von den Demonstrierenden festgehalten, darunter der lokale Fangistenführer Victoriano MuÇoz und seine Frau Otilia Ulbrich, aber auch Falangisten aus anderen Städten, die offenbar an diesem Tag nach Santiago gekommen waren, wie Jos8 Montes Rey aus Ferrol oder Jesffls Gonz#lez de la G#ndara, in Vigo aktiver Falangist.395 Als Ende April 1936 der Falangist und pensionierte Oberstleutnant (teniente coronel) Miguel Cuervo den Arbeiter Jos8 Lemos erschoss, kam es in Vigo zu einer Massendemonstration, in deren Folge der öffentliche Verkehr komplett still stand und selbst Schiffe im Hafen Vigos nicht mehr abgefertigt werden konnten.396 Zur selben Zeit verurteilte ein Gericht in Lugo eine Gruppe Falangisten wegen illegaler Versammlung und illegalen Waffenbesitzes zu einem Monat und einem Tag Gefängnis, woraufhin die CNT und die UGTaus Protest gegen das ihrer Ansicht nach zu geringe Strafmaß einen Generalstreik mobilisierte. Drei Tage lang erschien keine einzige Zeitung in der Stadt, die Druckereien blieben geschlossen, ebenso wie Läden und Banken. Demonstranten bewarfen die Geschäfte von Streikbrechern mit Steinen, der Zivilgouverneur forderte sogar polizeiliche Unterstützung aus der Provinz A CoruÇa an.397 Der Symbolkampf veränderte sich in dieser Phase. Nach der erneuten Illegalität der Falange im Zuge des Attentates auf Jim8nez de Asffla kehrten die Mitglieder ab März 1936, ähnlich wie 1934, zur Taktik des heimlichen Verteilens von Flugblättern und Zeitungen zurück, was nun allerdings zu sehr viel ge393 Vgl. Michael Mann: Fascists, Cambridge 2004, S. 313. 394 Incidentes desagradables, in: El Pueblo Gallego, 21. Februar, S.4; Luis Lamela: A CoruÇa, 1936, Sada 2002, S. 266. 395 Crjnica de Santiago, in: La Voz de Galicia, 21. Februar 1936, S. 8. 396 Los dolorosos sucesos del mi8rcoles en Vigo, in: El Faro de Vigo, 1. Mai 1936, S. 8; Varias notas del comit8 de huelga, in: El Pueblo Gallego, 15. Mai 1936, S. 2. 397 Lugo, en la audiencia, in: La Voz de Galicia, 21. Mai 1936, S. 8; Huelga general, in: La Voz de Galicia, 22. Mai 1936, S. 8.
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walttätigeren Auseinandersetzungen auf den Straßen führte.398 Die Vergeltungsschläge der Sozialisten und Anarchisten konzentrierten sich dabei vorwiegend auf den Propagandabereich, das heißt, auf die Beschädigung von Mobiliar und Material, wohingegen die Falangisten dazu neigten, körperliche Gewalt auszuüben – und das trotz ihrer wesentlich geringeren numerischen Kraft im Vergleich zu den Gruppen der Linken.
Gewalt auf der Straße bis Juli 1936: Schlägereien, Messerstechereien und Schusswechsel Körperliche Gewaltanwendung war von Beginn an eines der zentralen Themen der Faschisten in Europa – so auch in Spanien. Aussagen über das Ausmaß dieser Gewalt während der Zweiten Spanischen Republik müssen sich auf Presseauswertungen von Tageszeitungen stützen, da zu dieser Zeit keine verlässlichen Polizeistatistiken über die Auseinandersetzungen der Falange mit anderen poltischen Gruppen oder der Polizei erhoben wurden. Wie groß die Ungewissheit über das Ausmaß der Gewalt aufgrund des Fehlens solcher Statistiken bei der Polizei selber war, zeigen die Anstrengungen, die im März 1936 gemacht wurden, um die Falange offiziell zu verbieten. Aus sämtlichen spanischen Provinzen trug die Staatsgewalt Dokumente zusammen, die belegten, dass es flächendeckend zu illegalen Zusammenkünften oder Verbrechen von Falangisten gekommen war.399 Diese Einzelbeispiele – die Detonation einer Bombe in Oviedo, illegale Treffen der Falange von Vigo und Zaragoza, Schießereien in Sevilla etc. – dienten, zusammengenommen mit den in Madrider Wohnungen und Falange-Zentren gemachten Funden (Waffen, Propagandamaterial, Korrespondenzen) als Grundlage für das Verbotsverfahren. Trotz alledem stellt diese Dokumentenansammlung bei Weitem keine umfassende statistische Erhebung dar. Auch in der Forschung ist eine solche bislang nicht zufriedenstellend gelungen. Bekannt ist, dass die Zahl der Toten bei Aufeinandertreffen der politischen Rechten und Linken sich insbesondere nach den Wahlen vom Februar 1936 spürbar vergrößerte. Laut Stanley G. Payne, der sich auf die Angabe des Falangisten Francisco Mart&nez Bravo beruft, starben in den drei Monaten vor Bürgerkriegsbeginn rund 40 Falangisten, während die Zahl der von den 398 Detencijn de un fascista, in: El Faro de Vigo, 10. Mai 1936, S. 5. Agresijn y escandalo por vender un perijdico fascista, in: Pueblo Gallego, 29. Januar 1936, S. 10; Un hecho incalificable cometido con un vendedor de perijdicos, in: El Pueblo Gallego, 18. Februar 1936, S. 11. Noticias de Pontevedra, in: La Voz de Galica, 3. April 1936, S. 8. 399 AGA. (7) 26.3 c.43/2415, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, AGA (7)26.3 43/ 2415, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid.
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Falangisten verübten Morde »möglicherweise« noch größer gewesen sei.400 In einer neueren Studie gibt Payne für diese Phase eine Gesamtzahl von insgesamt 300 Toten an.401 Weitaus höher veranschlagt Victor Hugo die Zahl der in diesem Zeitraum Getöteten: Er spricht von 432 Morden im Zeitraum von Februar bis Juli 1936, spezifiziert jedoch die an der Gewalt beteiligten Körperschaften nicht.402 Michael Mann kommt bei seiner Erhebung zu politischen Morden während der gesamten Zweiten Spanischen Republik auf eine Zahl von 75 getöteten Falangisten und 85 von den Falangisten selbst verübten Tötungen. Insgesamt sei es während der Zweiten Spanischen Republik zu 2500 Morden gekommen, wovon allein 1500 in die Zeit der »Oktoberrevolution« 1934 fallen. Die anderen 1000 Morde verteilten sich auf rund 100 Gewaltaktionen. Die meisten dieser bewaffneten Konflikte trugen, so Mann, die Polizei und Gruppen der Linken aus. Anarchisten und Sozialisten hatten demnach zusammen 429 Tote zu beklagen, die Polizei und das Militär zusammen dagegen nur 131.403 Eduardo Gonz#lez Calleja stützt die Vorstellung Manns, dass von der Staatsgewalt die meisten Tötungen ausgingen, ergänzt diese Sichtweise darüber hinaus aber durch weitere dezidierte Ergebnisse für die Phase zwischen dem 16. Februar und dem 17. Juli 1936. Ihm zufolge liegt die Zahl der in diesem Zeitraum Getöteten bei 351. Diese entstand durch 236 gewalttätige Auseinandersetzungen, was einer Quote von 1,48 Todesfällen pro Aufeinandertreffen entspricht.404 Die Nord-Südverteilung dieser Todesfälle lag bei ungefähr gleichen Anteilen: 40 % der Morde ereigneten sich im Norden Spaniens, 14,3 % in der Provinz Madrid, 44,4 % im Süden des Landes und 1,4 % auf den Inseln und in den afrikanischen Gebieten Spaniens. Ferner trugen sich die Auseinandersetzungen in nur 35,8 % der Fälle in Städten mit über 100.000 Einwohnern zu, dagegen 41 % in Ortschaften mit weniger als 10.000 Einwohnern.405 Das heißt, die Gewalt besaß insbesondere Verbreitung im ruralen Raum. Bezüglich der Verursacher macht Gonz#lez Calleja die Beobachtung, dass bei Gewalttaten, die auf politische Gruppierungen zurückgehen, die Falange sowohl in der Täter400 Francisco Bravo Mart&nez: Historia de Falange, S. 164–165; Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 190. Auch die Falange-Zeitschrift No importa bezifferte die Zahl der eigenen Milizionäre, die seit dem 16. Februar 1936 gestorben sei, auf 40; vgl. No importa, 20. Mai 1936, S. 3. 401 Stanley G. Payne: El colapso de la Repfflblica. Los or&genes de la Guerra Civil (1933–1936), Madrid 2005, S. 536. 402 V&ctor Hugo: La sublevacijn. Atlas de la Guerra Civil EspaÇola, Barcelona 2011, S. 13. 403 Michael Mann: Fascists, S. 313–314. 404 Eduardo Gonz#lez Calleja: La necro-ljgica de la violencia pol&tica en la primavera de 1936, in: M8langes de la Casa de Vel#zquez, Nr. 41, 1, 2011, S. 37–60, S. 40. 405 Ebenda, S. 44. Rafael Cruz spricht sogar davon, dass 59 % der Gewalttaten im ruralen Raum verübt worden seien; vgl. Rafael Cruz: En el nombre del pueblo. Repfflblica, rebelijn y guerra en la EspaÇa de 1936, Madrid 2006, S. 169.
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schaft als auch in der Opferzahl die Spitzenwerte belegt: In 16,8 % der Fälle war das Todesopfer ein Falangist, in 14,2 % waren Falangisten die Mörder.406 Speziell auf die Falange bezogen hat Jos8 Antonio Parejo argumentiert, dass der Gewaltkult zwar Bestandteil der Falange-Politik und Grundlage für die Gewalteskalation im Krieg gewesen sei, dass die ersten Gewalttaten jedoch eindeutig von der Linken ausgingen. Er verweist auf Madrid, wo es Anfang 1934 mehrere falangistische Todesopfer gab.407 Kann aber von dieser Entwicklung in der Hauptstadt, die in der Gewaltstatistik gegenüber Nord- und Südspanien, wie Gonz#lez Calleja zeigt, eine untergeordnete Rolle spielt, auf den Rest des Landes geschlossen werden? Eine Fernwirkung auf die Provinzen ist den Madrider Ereignissen allemal zuzusprechen. Dennoch kann erst eine tiefergehende Betrachtung sämtlicher Provinzen zu einem dezidierten Gesamturteil führen. Über die Auswertungen der galicischen Zeitungen La Voz de Galicia, El Pueblo Gallego und El Faro de Vigo und die Stichproben in anderen Tageszeitungen sind für die Region Galicien 40 gewaltsame Aufeinandertreffen zwischen Falangisten und Gruppen der Linken für die Zeit von Anfang 1934 bis zum 18. Juli 1936 belegt. Davon fallen 4 Auseinandersetzungen in das Jahr 1934, 11 in das Jahr 1935 und 25 in den Zeitraum zwischen Januar und Juli 1936. Es ist sicher – die Selbstbeobachtungen der Falangisten weisen darauf hin – dass es wesentlich mehr gewaltsame Konfrontationen gab. Legen wir neben den Zeitungsberichten auch die Berichte Luis Moure MariÇos, Fernando Meleiros, Francisco Bravos und die mit mehreren Falangisten geführten Interviews aus dem UPDOC-Archiv zugrunde, können allein für Galicien weit über hundert Gewaltvorfälle angeführt werden. Allerdings sind diese im Bereich der Pöbeleien und Schlägereien anzusiedeln. Sie waren offensichtlich keiner Zeitungsnotiz Wert oder wurden von den Informationsmedien gar nicht erfasst. Vielmehr herrschte im Alltag eine anhaltende Stimmung gegenseitiger Provokation: Ja,ja,ja, heute hast du einen geschlagen und am nächsten Tag schlugen diese jene…wir schlugen wieder die anderen…Ich war einer der weniger Aktiven, das muss ich sagen, ich war kein großer Schläger […]. Aber es gab einige, die waren ungestüm […], es waren auch keine besonders wichtigen Prügeleien, es waren Ohrfeigen, sowas…hier einen Typen schlitzen, hier einem Typen eins überziehen, das wurde mit zwei Stichen genäht, es waren keine großen Sachen.408
Bei den in den Zeitungen erwähnten Fällen kam es hingegen meist zum Einsatz von Schuss- oder Stichwaffen oder es waren Schwerverletzte bzw. Tote zu be406 Eduardo Gonz#lez Calleja: La necro-ljgica, S. 48–50. 407 Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: De puÇos y pistolas. Violencia falangista y violencias fascistas, in: Ayer, Nr. 88. Violencias de entreguerras: miradas comparadas, 2012, S. 125– 145, S. 137. 408 Interview Nr. 65, O. M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC.
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klagen. Xulio Prada Rodr&guez hat mit Blick auf Ourense richtigerweise festgestellt, dass keine »Hundertschaften gestählter Militanter« die Straßen beherrschten.409 Dafür war die Falange während der Zweiten Spanischen Republik in Galicien eine viel zu kleine politische Vereinigung. Die Aufmerksamkeit, die die politische Linke ihr schenkte, war zu gering. Deutlich wird anhand der Vorfälle jedoch, dass die Qualität der Gewalttaten sich mit dem Jahr 1936 veränderte und sich eine aufwärts drehende Gewaltspirale entwickelte. Im ersten Jahr nach der Falange-Gründung kam es noch fast ausschließlich zu Schlägereien, wobei von falangistischer Seite vorwiegend die porra zum Einsatz kam, ein manchmal aus Holz zumeist aber aus Blei gefertigter und mit Leder verkleideter Schlagknüppel, der bereits Anfang der 20er Jahre von den italienischen Squadristen benutzt worden war. Mit dieser Bewaffnung orientierten sich die Falangisten deutlich am Vorbild aus Italien, wo der manganello die wichtigste Waffe und obendrein einen Talisman der Gruppenzugehörigkeit darstellte. In einem bekannten squadristischen Lied heißt der Schlagknüppel der üblichen faschistisch-religiösen Rhetorik gemäß auch »Heiliger Schlagknüppel« (santo manganello).410 In Spanien galt die porra ebenfalls eines der wichtigsten falangistischen Identifikationssymbole. In Ourense fertigte ein Falangist die Waffen für die ganze Gruppe.411 Die porra kam zur Republikzeit überall, in Galicien wie im übrigen Spanien, zum Einsatz: An einem Tag machten wir ein Meeting in CarballiÇo…und, sehr schade, es ging mit einer Rauferei zu Ende, also begannen wir mit porra-Schlägen gegen…es waren Arbeiter der UGT., Kommunisten, […], wir verstrickten uns in Schläge, und…sind da wie Helden wieder rausgekommen, weil wir einige ganz schön…nun gut, […] wir waren für einen Moment in der Presse, und das war es, worum es ging…Sachen anstellen, wenn sich die Gelegenheit bot.412
Gerade während der ersten Scharmützel zur Erregung von Aufmerksamkeit oder zur Behauptung der eigenen Gruppe gegenüber der Linken galt die porra unter den Falangisten als ein probates Mittel zur Gewaltanwendung. Gerieten die Mitglieder der städtischen Falange während solcher Schlägereien ins Hintertreffen, versteckten sie sich in ländlichen angrenzenden Gemeinden.413 Ab 1935 gehörten auch andere Waffen als die porra zum Repertoire der Falange. Für die der Falange nahe stehenden Abiturienten und Studenten galt es als 409 410 411 412
Xulio Prada Rodr&guez: De la agitacijn, S. 20. Emilio Gentile: The Sacralization, S. 24. Vgl. Interview Nr. 65, O. M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC. Interview Nr. 58, M.G.M., Ourense, 9. Juli 1988, UPDOC. Siehe auch Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC; Interview Nr. 77, L. V., Ourense, 21. Januar 1989, UPDOC; Interview Nr. 78, E. V., Ourense, 4. Februar 1989, UPDOC. 413 Interview Nr. 58, M.G.M., Ourense, 9. Juli 1988, UPDOC.
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aufregend, in der Schule oder der Universität ein »Fahrrad« (bicicleta) bei sich zu tragen, wie das interne Geheimwort für Waffe lautete.414 Stich- und Schusswaffen wurden von den galicischen Falangisten erst mit dem Jahr 1935 regelmäßig eingesetzt. So kam es im Rahmen der ersten gesamtgalicischen Zusammenkunft der Falange, in Vilagarc&a am 17. März 1935, zu mehreren gewalttätigen Aufeinandertreffen, die, so beschreibt es Fernando Meleiro, »wie in den Cowboy-Filmen« verliefen. Zuerst wurde ein Mann, der während des Vortrages eines Falange-Funktionärs Viva la Repfflblica dazwischen rief, verprügelt. Dann warfen mehrere Linke Steine auf die Busse, mit denen die Falangisten in die kleine Hafenstadt gekommen waren, was von diesen mit Pistolenschüssen unterbunden wurde. Schließlich kam es in einer Taverne zu einer Messerstecherei zwischen Falangisten und einer Gruppe Seeleute.415 Die Falangisten Manuel Garc&a Manzano, Emilio Romero ]lvarez und Jos8 Lu&s Taboada gerieten in ein Handgemenge. Der Seemann Jos8 Paso Gil und der Ourenser Falangist Romero ]lvarez wurden dabei schwer verletzt: »[Romero ]lvarez] hatte Glück, dass er in der hinteren Hosentasche einen Flachmann trug und dass ihm in die Hose geschnitten wurde.«416 Im Spätsommer und Herbst 1935 gab es weitere Messerstechereien und auch Schusswechsel. Zunächst fand die Polizei im Rahmen der größten Razzia des Jahres, die am 14. Juni 1935 in Vigo durchgeführt wurde, neben porras auch zahlreiche Messer und Revolver; es kam zu 39 Festnahmen, unter den Festgenommen waren auch drei Frauen.417 Mit der Durchsuchung gingen weitere Polizeiaktionen in Falange-Zentren einher, beispielsweise in Vilagarc&a und in Ourense-Stadt.418 Bei einer Auseinandersetzung in Ferrol vom 3. Juli 1935 erstach der 17-jährige Falangist Nicasio P8rez Rodr&guez den Sozialisten Antonio Gund&n Dapena und forderte damit das erste Todesopfer falangistischer Gewalt in Galicien. Über den politischen Hintergrund der Tat liegen unterschiedliche Berichte vor, die zugleich deutlich machen, dass Jugendliche zur selben Zeit in der Falange wie in 414 Enrique Barrera Beitia: La represijn en ferrolterra, S. 85. SEU-Mitglied David Jato berichtet aus Madrid, dass dort einige Studenten Bücher aushöhlten und unter den Buchdeckeln versteckt ihre Waffe bei sich trugen. David Jato Miranda: La rebelijn, S. 139. 415 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 64–65. 416 Zum Zitat Meleiros siehe Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 64–65. Der Vorfall ist weiterhin überliefert in Interview Nr. 77, L.V., 21. Januar 1989, Ourense, UPDOC; Interview Nr. 72, J. L.T.G., Ourense, 14. November 1988, UPDOC. Vilagarc&a, in: El Pueblo Gallego, 19. März 1935, S. 14. De Vilagarc&a, in: La Voz de Galicia, 19. März 1935, S. 1. 417 Kopie Telegramm Grupo Social Vigo an den Divisionsleiter, 14. Juni 1935, AGA. (7) 26.3 c.43/2415, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, AGA (7)26.3 43/2415, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid. El sumario contra los fascistas locales, in: E Pueblo Gallego, 15. Juni 1935, S. 3. 418 ›Visitas‹ a Falange EspaÇola, in: El Pueblo Gallego, 15. Juni 1935, S. 13; Comisaria de Vigilancia, in: Ebenda. S. 14.
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anderen rechtskonservativen Milizen involviert sein konnten und eine Zuordnung der Täterschaft zu einer politischen Gruppierung deshalb nicht immer eindeutig ausfällt. Laut La Voz de Galicia und La Vanguardia ereignete sich im Hafen von Ferrol ein gewalttätiges Aufeinandertreffen zwischen »Faschisten« und Mitgliedern der CNT, in dessen Folge es zu dem Mord kam.419 Die Zeitung El Compostelano geht genauer auf den Tathergang ein: Am Kai sei eine Gruppe Falangisten auf Mitglieder der CNT getroffen, wobei der Hausmeister des Falange-Lokals der Stadt, Juan Teijeiro Hermida, nach einem Wortwechsel die andere Gruppe mit einer Pistole bedroht habe. Es sei zu einer Rauferei gekommen, nach der letztlich Teijeiro Hermida einige Blessuren davon getragen habe. Erst später am Abend, gegen 22 Uhr habe es ein weiteres Aufeinandertreffen gegeben. Dabei habe Nicasio P8rez Rodr&guez, Mitglied der JONS, Antonio Gund&n getötet.420 El Pueblo Gallego bestätigt die JONS-Mitgliedschaft von P8rez Rodr&guez.421 Interessant ist allerdings, dass dieselbe Zeitung in ihrer Notiz über den einen Monat später stattfindenden Prozess einräumt, dass der Vorsitzende der CEDA in Ferrol, P8rez Barreiro, Nicasio P8rez Rodr&guez vor Gericht verteidige und dass dieser ebenfalls der CEDA angehöre.422 Die Polizei von Madrid wiederum verbuchte im Rahmen des Verbotsverfahrens gegen die Falange vom März 1936 den Vorfall als der Falange anhängiges Delikt.423 Und auch in der Geschichtsversion des Falangisten Francisco Bravo ging dieser Mord auf das eigene Konto.424 Es liegt also nahe anzunehmen, dass der noch minderjährige Falangist, der familiär in konservativen Kreisen verankert war, Rechtsbeistand bei der CEDA suchte, der ihm letztlich auch gewährt wurde. Dass dieser erste politische Mord auch zu einer Radikalisierung der Linken beitrug, ist mehr als wahrscheinlich. Neun Tage nach dem Vorfall kam es am 12. Juli 1935 in Lugo zu einer Messerstecherei mit falangistischer Beteiligung, wobei drei Sozialisten verletzt wurden.425 Am 30. August 1935 wurden die Falangisten Antonio Loureiro und Francisco Pena Manso auf der Straße Papagayo in A CoruÇa mit einem Messer 419 Un sangriento suceso en Ferrol, in: La Voz de Galicia, 4. Juli 1935, S. 5; Colisiones politicas, in La Vanguardia, 5. Juli 1935, S. 24. 420 Un fascista mata a un sindicalista, in: El Compostelano, 4. Juli 1935, S. 1. 421 Un jjven afiliado a la JONS mata de una cuchillada a un sindicalista, in: El Pueblo Gallego, 4. Juli 1935, S. 1. 422 Una causa de muerte ante el tribunal de urgencia, in: El Pueblo Gallego, 9. August 1935, S. 10. 423 Lista de sucesos, 23. März 1936, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, AGA (7)26.3 43/2415, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid. 424 Francisco Bravo Mart&nez: Historia, S. 99. 425 Dieser Vorfall wurde nur außerhalb der galicischen Presse erwähnt; vgl. Tres socialistas heridos, in: El Siglo Futuro, 13. Juli 1935, S. 24; Francisco Bravo Mart&nez: Historia, S. 99. Siehe insbesondere Mar&a Jesffls Souto Blanco: La represijn, S. 25.
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attackiert, wobei Pena Manso eine schwere Rückenverletzung davontrug.426 In Vigo traf schließlich am 17. September 1935 eine Gruppe Falangisten in der Straße Gal#n auf eine Gruppe Kommunisten, woraus sich eine Rauferei entwickelte, in der Eduardo Simil Fern#ndez, Falangist, durch den Kommunisten Antonio D&az Su#rez mit mehreren Messerstichen am Rücken verletzt wurde.427 Zwei Monate nach dieser Messerattacke, am Nachmittag des 10. Novembers 1935, befand sich Eduardo Simil Fern#ndez, zusammen mit seinem Kameraden Serafin Calvo im Falange-Zentrum von Vigo, laut Polizeibericht, »mit einem Revolver scherzend«, wobei Simil Fern#ndez durch einen unbeabsichtigt gelösten Schuss getötet wurde.428 Einen Monat später folgte in der Straße Gal#n das nächste Aufeinandertreffen zwischen der Falange von Vigo und den Kommunisten. Diesmal verletze der Falangist Luciano Conde Rodr&guez den Kommunisten Valent&n Gonz#lez Mar&n und wurde daraufhin festgenommen.429 Mitte November 1935 verteilte der Falangist Jos8 Montes Rey in einer Hauptstraße von Ferrol mehrere Propagandablätter, als er von Mitgliedern der Sozialistischen Partei angegriffen wurde, die ihm die Blätter entreißen wollten. Zu seiner Verteidigung schoss Montes Rey auf die Angreifer und verletzte dabei den Sozialisten Cipriano Calvo. Nachfolgend ließ der Zivilgouverneur die Parteilokale der Jungsozialisten und der Falange in Ferrol schließen.430 In dieser Phase mehrerer gewalttätiger Straßentreffen während der zweiten Hälfte des Jahres 1935 begannen die im Kampf meist unerfahrenen und sehr jungen Falangisten Schießübungen in den außerhalb der Dörfer und Städte gelegenen Berggegenden durchzuführen. In A CoruÇa gingen die Falangisten zum Monte San Pedro, in Ourense trafen sie sich am Montealegre.431 Im Zusammenhang mit den Inhaftierungen, die in dieser Zeit durchgeführt wurden, stand nun immer häufiger das Delikt des »illegalen Waffenbesitzes« (tenencia il&cita de armas). Am 15. Dezember 1935 kamen sieben Falangisten zu einem ihrer weiter oben bereits erwähnten sonntäglichen Gefängnisbesuche ins 426 Una puÇalada por la espalda, in: La Voz de Galicia, 31. August 1935, S. 5; Del suceso de la calle del Papagayo, in: El Pueblo Gallego, 1. September 1936, S. 7. 427 Un fascista resulta herido de varias puÇaladas en la espalda, in: El Pueblo Gallego, 17. September 1935, S. 2. 428 Kopie des Telegramms Untersuchungsleiter Vigo an den Direktor Abteilung Allgemeine Sicherheit, 10. November 1935, AGA. (7) 26.3 c. 43/2415, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, AGA (7)26.3 43/2415, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid. Siehe auch: La Voz de Galicia, 12. November 1935, S. 2. 429 Fascistas y comunistas, in: La Voz de Galicia, 11. Dezember 1935, S. 5. 430 Despu8s del suceso fascista-socialista, in: La Voz de Galicia 13. November 1935, S. 8; Un fascista hiere de un tiro a un socialista, in: El Pueblo Gallego, 10. November 1935, S. 11; Clausura de centros, in: El compostelano, 3. Dezember 1935, S. 2. 431 Vgl. Xulio Prada Rodr&guez: A dereita, S. 163.
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Stadtgefängnis von A CoruÇa. In Anbetracht der Tatsache, dass der Besuch zeitlich mit dem Eintreffen anderer Besucher »gegensätzlicher Ideen« (ideas contrarias) zusammenfallen könne, informierte der Gefängnisdirektor zur Kontrolle der Lage die Polizei. Daraufhin trafen wenig später zwei Ermittler die Falangisten, die das Gefängnis bereits verlassen hatten, an einer Landstraße in der Nähe des Gefängnisses. Zwei der Falangisten, Gerardo Mart&nez Pan und Jesffls Garc&a Pardo, trugen zum Zeitpunkt des Aufeinandertreffens das Blauhemd. In unmittelbarer Nähe des Treffpunktes fanden die Polizisten »im Straßengraben« drei Pistolen und eine porra, die vermutlich beim Eintreffen der Polizei weggeworfen worden waren, und von denen die Falangisten nach einer Befragung zugaben, dass die Waffen ihnen gehörten. Dessen ungeachtet bestritten die Falangisten am folgenden Tag vor Gericht, Besitzer der Waffen zu sein. Er hätte, erklärte Jesffls Garc&a Pardo, nur gesagt, ihm gehöre eine der Pistolen, weil der zuständige Polizist ihn zu dieser Aussage »genötigt« habe. Letztlich wurden Gerardo Mart&nez Pan und Jesffls Garc&a Pardo wegen »illegalen Waffenbesitzes« angeklagt. Interessant ist im Hinblick auf die Polizeikontrolle, dass seitens des Gerichts eingeräumt wurde, die Beschuldigten stünden ihrer politischen Mitgliedschaft »unter ständiger Bedrohung«.432 Diese Aussage spricht dafür, dass die Falangisten nicht nur Gefahr ausstrahlten, sondern ebenso in Gefahr lebten. Gerade in der Stadt A CoruÇa scheinen die Gewaltaktionen der Linken gegen die Falange massiver gewesen zu sein als in anderen galicischen Städten. Am 13. Januar richtete im städtischen Teatro Rosal&a de Castro die JAP eine Versammlung aus. Anschließend verkauften Falangisten auf der Straße ihre Parteizeitungen und trafen dabei auf eine Gruppe, die El Socialista verkaufte. Es kam zu einem Handgemenge, das sich auch auf »Sympathisanten« beider Gruppen ausweitete. Die Polizei griff schließlich ein und trennte die Gruppen.433 Nachdem am 19. Januar 1936 im selben Theater eine Veranstaltung von Renovacijn EspaÇola stattgefunden hatte, kam es wieder zu einem gewalttätigen Aufeinandertreffen in der Nähe des Theaters. Diesmal führte die Konfrontation aber so weit, dass »eine Menge von Störenfrieden« das Falange-Lokal mit Steinen und Schüssen angriff. Der »Führer der Faschisten« schoss daraufhin mit einem Revolver zurück.434 Vermutlich handelte es sich um Juan Canalejo, der Anfang 1936 offenbar das hauptsächliche Ziel der linken Gewalt darstellte. Weiteren CoruÇeser Falangisten, die von der Linken ange-
432 Declaracijnes Sr. Capit#n PatiÇo, Jesffls Garc&a Pardo, Causa 519, 1935, tenencia il&cita de armas, 15. Dezember 1936, ARG, AT, 2.970–1. 433 Colisijn por motivos pol&ticos, in: La Vanguardia, 14. Januar 1936, S. 34. 434 Don Jos8 Maria Valiente proclama en La CoruÇa la necesidad de restaurar la monarquia tradicional, in: El Siglo Futuro, 21. Januar 1936, S. 22.
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griffen wurden, gewährte Victoriano MuÇoz in Santiago de Compostela Schutz.435 Neben den Wahlkampagnen sorgte zum Jahreswechsel 1936 eine Streikwelle an den spanischen Universitäten für gewalttätige Konflikte. Ausgelöst wurden die Streiks durch den Boykott von Studenten der Universität Barcelona vom 9. Januar 1936, die um bessere Studienbedingungen kämpften. Dieser Protest wurde schnell mit politischen Zielen der katalanischen Autonomiebewegung in Verbindung gebracht und von den Studenten anderer Universität entweder unterstützt oder strikt verurteilt.436 Die ideologische Aufladung des Themas führte schließlich dazu, dass links- und rechtsgerichtete Studentenverbände aufeinander losgingen. In Barcelona entwickelte sich in einer Bar eine Schlägerei zwischen Studenten des Katalanischen Studentenbundes und Mitgliedern der Falange. In Madrid kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Studenten der Falange und des größten Studentenverbandes, der Federacijn Universitaria Escolar (FUE). In C#diz ereigneten sich eine Schusswechsel, die anschließende Festnahme eines Falangisten und weitere Streikaktionen infolge der Festnahme. Die in Gewalt ausufernden Demonstrationen führten schließlich zu Solidaritätsbekundungen an anderen Universitäten, bis sämtliche spanische Universitäten von den Studentenprotesten ergriffen wurden.437 Auch in Santiago de Compostela kam es Ende Januar 1936 zu Handgreiflichkeiten, als sich Studenten »unterschiedlicher Tendenzen« gegenseitig daran hindern wollten, die Jura-Fakultät zu betreten. Die Polizei löste den Tumult auf.438 Bei den polizeilichen Durchsuchungen in diesen Tagen wurde am 25. Januar der Falangist Jos8 Santiago Baello wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommen.439 Am 27. Januar 1936 brachte ein Falangist einen Sprengkörper in der Universität von Santiago de Compostela zum explodieren, woraufhin es zu Sachschäden kam.440 435 Emilio Grand&o Seoane: A CoruÇa, o puntal roto, S. 42. 436 Los estudiantes universitarios se declararon ayer en huelga, in La Vanguardia, 9. Januar 1936, S. 9; Nota de la federacjn de estudiantes catjlicos, in: La Vanguardia, 24. Januar, S. 10 437 Estudiantes catalanistas y de Falange traban reyerta en el bar de la Universidad, in: El Pueblo Gallego, 18. Januar 1936, S.7; Continfflan los incidentes estudiantiles, in: El Correo de Zamora, 22. Januar 1936, S. 5; Los estudiantes en huelga, in: La Vanguardia, 23. Januar 1936, S. 27; Una protesta de un grupo de estudiantes, in: La Vanguardia, 22. Januar 1936, S. 26; Protestas en la Universiad, in: La Vanguardia, 22. Januar 1936, S. 26; Alagradas estudiantiles en el Instituto, in: La Vanguardia, 22. Januar 1936, S. 26; Se han declarado en huelga, in: El Pueblo Gallego, 30. Januar 1936, S. 8. 438 Los estudiantes de Santiago, in: El Correo de Zamora, 27. Januar 1936, S. 2. 439 Incautacijn de un arma, in: El Pueblo Gallego, 25. Januar 1936, S. 13. 440 Zuerst wurde der Falangist Alfonso Ljpez als Schuldiger für die Deponierung der Sprengsatzes festgenommen. Einen Tag später nahm die Polizei den Falangisten Jos8 V#zquez de Cal fest; vgl. Hace explosion una bomba colocada en la escalinata de la Universidad, in: El Pueblo Gallego, 28. Januar 1936, S. 12; Ingresa en la c#rcel un afiliado a
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Die Wahlen vom Februar 1936 stellten auch in Galicien bezüglich der Gewaltentwicklung eine Zäsur dar, abzulesen an der Zahl der Inhaftierungen, die zwischen Februar und Juli 1936 durchgeführt wurden. Über die Pressequellen sind für die Zeit zwischen Oktober 1933 und Juli 1936 365 Verhaftungen von Falangisten belegt: 60 für die Provinz A CoruÇa, 145 für Pontevedra, 62 für Ourense und 97 für Lugo.441 87,68 % dieser Inhaftierungen fielen in das erste Halbjahr 1936. Zuvor war es nur infolge der Störaktionen politischer Versammlungen im Sommer 1934 und den ersten heftigen Auseinandersetzungen mit linken Aktivisten im Sommer 1935 zu einigen wenigen Verhaftungen gekommen. Allein 185 Festnahmen, mehr als die Hälfte der Gesamtzahl an Inhaftierungen, fallen in den April 1936. Das ist durch zwei Faktoren zu erklären: Erstens nahmen in den Tagen vor dem fünfjährigen Jubiläum der Republik vom 14. April 1936 die Gewalttaten in ganz Spanien zu. Darunter fiel auch der Anschlag der Falange auf den Richter Manuel Pedregal, der in Madrid das Verfahren gegen die Falange wegen des Attentates auf Jim8nez de Asffla führte. Zweitens war die Einbindung der Falange in die logistische Vorbereitung des Militärputsches maßgeblich dafür, dass der April 1936 der Monat mit den meisten Inhaftierungen von Falangisten während der Republik ist. Ursprünglich sollte der Militäraufstand bereits am 20. April 1936 durchgeführt werden.442 Im selben Maße wie sich die Wirkungskreise der Falange im Frühjahr 1936 in die ruralen Gebiete des Landes ausweiteten, verlagerten sich die Polizeiaktionen zur Festnahme der Falangisten von den Provinzhauptstädten aufs Land. Zwischen Ende März und Anfang Mai 1936 wurden Falangisten zunehmend in Kleinstädten und Dörfern gefasst, in Mugardos, Melide, Ortigueira, Noia (A CoruÇa), Salcedo, Quiroga, Sober, Moreda, Monforte (Lugo), Vilagarc&a, Tui (Pontevedra) Rivadavia und CarballiÇo (Ourense). Für gewöhnlich wurden die Häftlinge von diesen Ortschaften aus in das Gefängnis einer nahe gelegenen Großstadt transportiert.443 Falange EspaÇola, in: El Pueblo Gallego, 29. Januar 1936, S. 10; Explosijn en la Universidad de Santiago, in: La Vanguardia, 28. Januar 1936, S. 22. 441 Auch diese Zahlen sind tendenziell höher zu veranschlagen. Die Zahl von 97 Inhaftierungen für Lugo stützt sich auf die Analyse von Mar&a Jesffls Souto Blanco: La represijn franquista, S. 25. Souto Blanco hat Quellen aus den Gefängnissen ausgewertet. Über die Zeitungen sind nur 70 Inhaftierungen belegt, was dafür spricht, dass auch in den anderen Gefängnissen die Zahl der Inhaftierungen wahrscheinlich höher liegt. 442 Eduardo Gonz#lez Calleja: La necro-ljgica, S. 53. 443 Clausura de centros fascistas, in: El Pueblo Gallego, 25. März 1936, S. 13; Los detenidos pol&ticos, in: La Voz de Galicia, 28. März 1936, S. 8; M#s detenidos, in: La Voz de Galicia, 22. April 1936, S. 9; Detenciones, in: La Voz de Galicia, 24. April 1936, S. 8 Detenidos, in: Ebenda, S. 9; Detenciones de fascistas, in: El Faro de Vigo, 23. April 1936, S. 4; M#s detenciones, in: El Faro de Vigo, 24. April 1936, S. 2; Detenidos a Lugo, in: La Voz de Galicia, 25. April 1936 S. 8; Son detenidos varios afiliados a Falange, in: El Pueblo Gallego, 8. Mai 1936, S. 11; Detenido a la c#rcel , in: La Voz de Galicia, 9. Mai 1936, S. 8.
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Nach den Wahlen vom Februar 1936 nahm die Zahl der Gewalttaten deutlich zu. In den sechs Monaten zwischen Januar und Juli 1936 kam es zu mindestens doppelt so vielen Auseinandersetzungen wie im gesamten Jahr 1935. Die Falange erweiterte zudem das Spektrum ihrer Gewaltaktionen. Mitte Februar kopierte der Falange-Führer von A CoruÇa, Juan Canalejo, einen gewaltsamen faschistischen Brauch aus Italien, der auch schon in den Falange-Zentren von Santander und Madrid Einzug gehalten hatte, und zwar das Foltern durch die Verabreichung von Rizinusöl, das bei den Folteropfern schwere Magenkrämpfe auslöst. Canalejo zwang den 14jährigen Emilio Veiras Astray, der auf der Straße die marxistischen Zeitungen Mundo Obrero und El Socialista verkaufte, unter Bedrohung durch einen Revolver, Rizinusöl zu trinken. Der Betroffene musste anschließend in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert werden.444 Die neue Qualität der falangistischen Gewalt drückte sich auch darin aus, dass bei Konfrontationen mit anderen politischen Gruppierungen im Jahr 1936 nun überwiegend Schusswaffen zum Einsatz kamen. Folge war, dass zwischen Februar und Juli 1936 in den Auseinandersetzungen in Galicien drei Falangisten und acht dem linken politischen Spektrum zuzuordnende Personen durch den Einsatz von Schusswaffen starben. Die drei Falangisten wurden in Vigo-Stadt (Pontevedra), Pontevedra-Stadt (Pontevedra) und in O Barco de Valdeorras (Ourense) getötet.445 Vier Opfer der falangistischen Gewaltattacken starben in der Provinz Ourense, zwei in Pontevedra und jeweils eines in A CoruÇa und in
444 Un hecho incalificable cometido con un vendedor de perijdicos, in: El Pueblo Gallego, 18. Februar 1936, S. 11. Das Alter Emilio Veiras ist einer weiteren Zeitungsnotiz zu entnehmen, die belegt, dass Veiras Mitte Juli von zu Hause flüchten wollte; vgl. Detencijn de un fugitivo, in: La Voz de Galicia, 18. Juli 1936, S. 8.Eduardo ]lvarez Puga berichtet davon, dass Manuel Hedilla mit Rizinusöl foltern ließ, und zwar sowohl politische Gegner als auch Falange-Mitglieder, die seiner Meinung nach gegen die Parteidisziplin verstoßen hatten. Eduardo ]lvarez Puga: Diccionario de la Falange, Barcelona 1977, S. 5–6. Manuel Penella zufolge setzte schon Ramiro Ledesma Ramos in den JONS das Trinken von Rizinusöl als Disziplinarmaßnahme gegen die eigenen Kameraden ein, vgl. Manuel Penella: La Falange tejrica, S. 48. Vgl. zudem Joan Maria Thom/s: Los fascismos, S. 96. 445 Zu den einzelnen Vorfällen, siehe: El suceso anoche en el centro fascista, in: El Pueblo Gallego, 9. Februar, 1936, S.3; Asalto a un c&rculo en Vigo, in: La Voz de Galicia, 8. Februar 1936, S. 5. Im Falle des getöteten Secundino Esperjns bleibt unklar, ob dieser zur Falange gehörte und deshalb getötet wurde. Wenige Tage vor seinem Tod war er festgenommen worden, weil er unter Verdacht stand, sich in der Falange zu engagieren. Laut Faro de Vigo wurde im Verhör diese Vermutung ausgeräumt. La Voz de Galicia zufolge gehörte Esperjn zwar zur Falange, war aber Tage vor seiner Ermordung aus dieser ausgetreten. El Faro de Vigo, 20. Mai 1936, S. 2; Anteanoche se cometij una asesinato, in: La Voz de Galicia, 20. Mai 1936, S.8; En el Barco de Valdeorras es asesinado un jjven a tiros, in: La Voz de Galicia, 18. Juli 1936, S. 8. Stanley G. Payne spricht, ohne Quellenangabe, von 4 falangistischen Arbeitern, die in Galicien am 6. März. 1936 getötet worden seien. Für eine solche Annahme gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Stanley G. Payne: El colapso de la Repfflblica. Los or&genes de la Guerra Civil (1933–1936), Madrid 2005, S. 191.
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Lugo.446 Das heißt, acht von neun der während des Analysezeitraumes von Falangisten verübten Morde fielen in die Monate zwischen Februar und Juli 1936, allein sieben der Opfer starben im Mai und Juni 1936. Die Betrachtung der vorliegenden Daten führt zu drei Schlussfolgerungen: Erstens lag die Gewaltquote in der Zweiten Spanischen Republik im gesamteuropäischen Vergleich auf hohem Niveau. Dabei war die Gewaltbereitschaft im Militär und bei der Polizei am höchsten, was auch zu der Gewaltwelle infolge der »Oktoberrevolution« von 1934 und damit zur Schwächung des Staates beitrug. Es entstand schon im ersten Jahr der Republik ein Klima der Gewalt. Die Zahlen der Tötungen zwischen Februar und Juli 1936 überstiegen schließlich Werte, wie sie in Deutschland und in Italien erreicht wurden, wenn auch nicht wesentlich. In Deutschland starben im Jahr 1932 155 Menschen; 55 der Toten gehörten der NSDAP an, 54 der KPD.447 In Italien starben im ersten Halbjahr 1921 bei den Aufeinandertreffen von Kommunisten und Faschisten 211 Menschen, allein in den 14 Tagen vor den Maiwahlen 109.448 In Spanien lag mit 351 Toten im vergleichbaren Zeitraum, von Februar bis zum 18. Juli 1936, die Gesamtzahl von Morden mit politischer Motivation höher. Dennoch erodierte das republikanische System Spaniens nicht durch Straßenkämpfe zwischen Links und Rechts. Für den Krieg war allein die Entscheidung führender Militärs ausschlaggebend.449 Legen wir zweitens die oben genannten Hochrechnungen für die Gesamtzahl der Gewalttaten in Spanien zugrunde – Michael Mann spricht von 75 getöteten Falangisten und 85 von der Falange getöteten Personen, Eduardo Gonz#lez Calleja von 59 falangistischen Opfern und 50 von der Falange verübten Morden – dann hatte die Falange Galiciens mit neun Morden einen überdurchschnittlich großen Anteil an der Straßengewalt – und das trotz ihrer geringen numerischen Stärke, verglichen beispielsweise mit denjenigen Falange-Gruppen von Andalusien oder Madrid. Setzen wir drittens die Zahl der Milizionäre zueinander ins Verhältnis – allein die CNT hatte in Galicien rund 20 mal mehr Mitglieder als die Falange – heißt dies, dass die Falange im Vergleich besonders gewalttätig war. Pflegten die linken 446 Zu den einzelnen Vorfällen: El suceso anoche en el centro fascista, in: El Pueblo Gallego, 9. Februar 1936, S. 3; Asalto a un c&rculo en Vigo, in: La Voz de Galicia, 8. Februar 1936, S. 5; Pontevedra, in: El Pueblo Gallego, 20. Mai 1936, S. 15; Un fascista rabioso, in: El Pueblo Gallego, 27. Juni 1936, S. 6; No importa, 20. Juni 1936, S. 4; Interview Nr. 66, a L. P. D. J., 7. Februar 1989, UPDOC; Interview Nr. 65, a D.O.M., 1. April 1989, UPDOC; Enrique Barrera Beitia: La represijn en ferrolterra, S. 85; Luis Moure MariÇo: Galicia, S. 214; Manoel NfflÇez Seixas: Fascismo en Galicia, S. 171. 447 Dirk Schumann: Politische Gewalt, S. 320. 448 1920 bzw. 1931 starben in Italien und in Preußen 288 bzw. 105 Menschen., vgl.: Sven Reichardt: Faschistische Kampfbünde, S. 74. 449 Antony Beevor : Der Spanische Bürgerkrieg, S. 56ff.
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Gruppen eher einen politischen Vandalismus, neigten Falangisten zu körperlicher Gewalt. Diese Gewaltanwendung erfolgte jedoch nicht systematisch. Dazu fehlten der Partei die Mittel. Vielmehr handelte es sich um Einzelereignisse, Gewaltausbrüche, bei denen die Falangisten eher zur Waffe griffen als andere politische Gruppierungen. Fehlerhaft ist folglich die oft wiederholte pathetische Formel Francisco Bravos, nach der die Falange hauptsächlich Opfer der Gewalt gewesen sei: »Es waren damals die Tage des Lernens: zu wissen, wie man stirbt, um danach zu wissen, wie man tötet.«450 Wie gesehen, kam es, entgegen dieser Aussage, auch zu Republikzeiten zu Morden seitens der Falange-Bewegung. Die von Bravo kolportierte Auslegung der falangistischen Gewalt als »defensive Gewalt« besaß allerdings noch eine weitere Facette. Bereits in der ersten, schon 1935 von Jos8 P8rez de Cabo publizierten Parteigeschichte der Falange, finden wir eine Reflexion darüber, wie die »defensive Gewalt« zur Entfaltung kommen solle: Wir haben nicht nur Opfer, sondern wir erstreben es, Opfer zu haben, um unseren Himmel mit Helden zu bevölkern. Wir wissen, dass die Märtyrer den Glauben erzeugen, viel eher als der Glaube die Märtyrer, und dass unser Blut das Feld fruchtbar machen muss, wenn eine gute Ernte an Idealen eingefahren werden soll. Unsere Gewalt ist intelligent.451
Sich als Opfer zu stilisieren, um ein Klima der Gewalt zu kreieren und eigene Gewalttaten darüber zu rechtfertigen: auch das ist eine generell faschistische Strategie, die in sämtlichen faschistischen Bewegungen in Europa zum Tragen kam.452 Für ihre Umsetzung hatten Falangisten Vorbilder. Auf den historischen Erfahrungen, die in den anderen Faschismen gemacht wurden, bauten die Falangisten bewusst auf.
Die Ästhetisierung der Gewalt: Kleidung, Auszeichnungen und Choreographie Der öffentlichen Darstellung des falangistischen Militarismus diente eine Symbolpolitik, die sich in den Monaten nach der Parteigründung sukzessive entwickelte. Dass innerhalb der Partei besonderer Wert auf den Zusammenhang der politischen Ausdrucks- und Inhaltsseite gelegt wurde, ist anhand der über die Partei-Zeitungen vermittelten Gewaltphantasien zu erkennen, in denen die Parteisymbole plötzlich als Waffen auftauchen, mit denen die politischen Feinde getötet werden. Schon in der zweiten Ausgabe von FE ist eine Schwarz-Weiß450 Francisco Bravo Mart&nez: Historia, S. 39. 451 Jos8 P8rez de Cabo: Arriba EspaÇa, Madrid 1935, S. 101. 452 Michael Mann: Fascists, S. 174.
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Zeichnung zu sehen, auf der einem durch einen Stern auf der Brust gekennzeichneten Linken ein falangistischer Pfeil ins Herz gerammt wird.453 Alfonso Mart&nez Tudela schreibt an anderer Stelle: »Die Pfeile werden zum Himmel schießen und wie ein Feuerregen über die Mörder Spaniens niederfallen.«454 Rafael S#nchez Mazas zufolge stellte die Falange ein aus Stein gemeißeltes Fundament dar, an dem die »mittelmäßige Kultur« Spaniens zerschmettert werden müsse, um sie anschließend zu beerdigen.455 Durch die während der Republikzeit in den Zeitungen FE und Arriba gedruckten Kolumnen Cuadro de honor, in der einzelne Falangisten regelmäßig für ihre Verdienste gelobt wurden, stellte die Madrider Parteiführung auf doppelte Weise Gemeinschaftlichkeit her, erstens zwischen den Falangisten einer einzelnen Gruppe, zweitens zwischen den unterschiedlichen lokalen Einheiten. Die in der Hauptstadt gedruckten und wegen der höheren Mitgliederzahl überwiegend dort verkauften Blätter hoben in Cuadro de honor vorwiegend Mitglieder anderer regionaler Falange-Einheiten hervor.456 Auch die allerorten erfolgte Vergabe von Spitznamen bildet die internen, emotionalen Bindungen innerhalb der Falange-Gruppen ab, so z. B. die Bezeichnung Don Victor für den Falange-Patron Victoriano MuÇoz aus Santiago de Compostela wie auch Beinamen aus anderen Gegenden, beispielsweise »der Hinkende« (el cojo, Santander), »der Hausmeister« (el conserje, Ourense), »der Abessinier« (el Abisinio, A CoruÇa), »der Churro« (o churro, Vilaza, (Ourense)) oder auch »der Geisterfahrer« (el chjfer fantasma), für einen aufopferungsvollen, sich an besonders gefährliche Orte begebenden Chauffeur aus Lejn: »Unter den Führern und den Soldaten machte Alejandro Arias sich mit dem Namen der »Geisterfahrer« populär…Um seine Dienste zu erledigen, durchquerte er Orte die, niemand anders als er, zu durchfahren pflegte. Als sie ihn nach seinem Namen fragten, antwortete er : Ich bin die Falange.«457 Den über Spitznamen vermittelten kumpelhaften Charakter und die ihm innewohnende Durchdringung des Privatlebens eines jeden Einzelnen unterstrich Jos8 Antonio Primo de Rivera im April 1934, als er forderte, dass die Kameraden wie Brüder sein sollten und nicht nur wissen müssten, wo die anderen Falangisten wohnten, sondern auch die Haarfarbe ihrer Freundinnen
453 454 455 456 457
FE, Nr. 5, 2. Februar 1934, S. 5. Alfonso Mart&nez Tudela: La patria lo manda, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 2. Rafael Sanchez Mazas: Lo universitario y lo popular, in: HAZ, Nr. 2, 2. April 1935, S. 3. Siehe z. B. Cuadro de honor, in: Arriba, Nr. 18, 7. November 1935, S. 4. Cuadro de honor, in: Arriba, Nr. 3, 4. April 1935 , S. 3. Zu den anderen Spitznamen siehe Emilio Grand&o Seoane: A CoruÇa, o puntal roto, S. 40; La Nueva EspaÇa, 20. Januar 1937, S. 3; Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC; Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 214; Xerardo Daseiras Valsa: Ver&n, S. 79.
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kennen sollten.458 Neben das intime, brüderliche Vertrauen zu den Kameraden auf horizontaler Ebene trat auf vertikaler Ebene das blinde Vertrauen gegenüber den Führern (jefes). Einer der falangistischen Leitsprüche lautete ab Februar 1934: »Die Führer haben immer Recht.«459 Der sprachlich und bildlich inszenierte Zusammenhalt der Falange-Gruppen kam des Weiteren durch die Choreographie auf den Parteiversammlungen zum Ausdruck, an denen jeder Falangist, seinem Platz in der Partei gemäß, partizipierte. Die Falangisten schmückten die Theater- oder Kinosäle, die für die Versammlungen vorwiegend gewählten Veranstaltungsorte, mit Fahnen und den Namen der getöteten Parteimitglieder. Die primera linea stellte sich – ihrem Namen entsprechend – in die erste Reihe vor das Rednerpult, den Blick, genauso wie die Redner, zum Publikum gerichtet.460 Die Reden hielten ausschließlich lokale oder nationale Führer, was ebenfalls einer choreografischen Umsetzung des Parteiaufbaus entsprach. Einen scheinbaren Dialog führten Redner und Publikum über die bereits von den JONS in den ersten Parteipublikationen entworfenen und von der Falange für die Versammlungen übernommenen Ausrufe: »Spanien, eins, groß und frei« (EspaÇa, una, grande y libre), »Für das Vaterland, das Brot und die Gerechtigkeit« (Por la patria, el pan y la justicia) sowie das zum Ende jeder Rede im Chor gerufene »Spanien in die Höhe!« (¡Arriba EspaÇa!). Dieses Ritual entsprach dem call-and-response-Prinzip, bei dem Redner und Publikum in einen scheinbaren Dialog traten und welches D’Annunzio bei seinen Balkonreden 1919 mit den Fiume-Legionären entworfen hatte, ehe es später unter Mussolini italienweit inszeniert worden war.461 Ein internes Auszeichnungssystem verband die paramilitärische Struktur und den von propagandistischer Gewalt geprägten Lebensstil der Falange-Milizen. Auf der einen Seite symbolisierten die Parteiabzeichen für jeden einzelnen Falangisten die Zugehörigkeit zur Gruppe. Auf der anderen Seite trug jeder Falangist durch seine individuellen Taten zur öffentlichen Zurschaustellung des gemeinsamen Symbolsystems bei. Die gewalttätigen Handlungen bekamen ihrerseits einen politischen Symbolcharakter zugesprochen. Die Verankerung der Symbole im öffentlichen Raum bedeutete für die Falangisten die Etablierung der 458 JAPdR: Palabras pronunciadas en Bilbao a los camaradas de la Falange, 8. April 1934, in: OC, S. 338. 459 La muerte es un acto de servicio, in: FE, Nr. 5, 2. Februar 1934, S. 6. »Ein guter Milizionär der Falange sollte immer darauf vertrauen, dass die jefes sich nicht täuschen.« Vgl. Rafael S#nchez Mazas: Guiones, in: FE, Nr..3, 18. Januar 1934, S. 1. 460 Siehe Fotos, in: FE, Nr. 9, 8. März 1934, S. 6. Arriba, Nr. 6, 25. April 1935, S. 6. Arriba, Nr. 10, 23. Mai 1935, S. 10. Arriba, Nr. 19, 14. November 1935, S. 6. 461 Pamela Ballinger : Italian Pentecost: Receiving the word of the Italian Faith. The development of Nationalistic Ritual at Fiume, 1919–1921, in: Justo G. Beramendi, Ramjn M#iz, Xos8 M. NfflÇez (Hg.): Nationalism in Europe. Past and present. Actas do congreso Internacional os Nacionalismos en Europa pasado y presente, Bd.1, Santiago 1994, S. 623–648.
Die Ästhetisierung der Gewalt: Kleidung, Auszeichnungen und Choreographie
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von ihnen als falangistisch verstandenen Werte »Einheit«, »Größe« und »Stärke«. Ähnlich wie im Militär erhielten die Milizionäre in der Falange Abzeichen für ihre im Sinne der Parteipolitik stehenden Handlungen, zum Beispiel für die widerspruchslose Akzeptanz von Gefängnisaufenthalten, für die tapfere Hinnahme von Verwundungen oder für das Ausüben von Gewalttaten. War die Glorifizierung von Jugend, Heldentum und Aktionismus ausschlaggebend für den Beitritt zur Falange, so verbuchten die Mitglieder ihre eigenen nach diesen Werten strebenden Taten mit Stolz. Das geschah anfangs durch Eigenlob oder Erwähnungen in den Parteizeitungen. Das mit Emphase ausgesprochene »Ich habe bereits Haft für die Falange erlitten!« (¡Ya he sufrido prisijn por la Falange!) entwickelte sich zu einem gängigen auf den spanischen Straßen verbreiteten Ausspruch der Milizionäre genauso wie das lapidar klingende »Es ist nicht wichtig« (¡No importa!), wodurch die eigene Aufopferung und das Ertragen von Verletzungen oder Inhaftierungen, als Nebensächlichkeit heruntergespielt wurde, die im Kampf ums Vaterland nun einmal ertragen werden müsse.462 Ab 1935 begann schließlich die parteiinterne Förderung von Gewalttaten.463 Nach besserer Organisation der primera l&nea schuf die Parteiführung ein internes Auszeichnungssystem für besondere Leistungen, festgelegt durch eine »Belohnungsverordnung« (reglamento de recompensas). Die Auslegung dieses Reglements unterstand einer eigens dafür in Madrid gegründeten junta unter der Führung von Emilio Alvargonz#lez.464 Die höchste Auszeichnung war der Verordnung zufolge die »Silberpalme« (palma de plata), ein auf dem Blauhemd aufzunähendes silbernes Palmenblatt, vergeben für »heroische« und »lange Dienste«. Weitere Auszeichnungen waren eine weiße Haspe (aspa blanca), verliehen für sechs Monate Falange-Mitgliedschaft oder für besondere Dienste 462 ¡No importa! war auch der Titel einer Rubrik in der Zeitschrift Arriba und im Frühjahr Titel der von Jos8 Antonio Primo de Rivera aus dem Gefängnis veröffentlichten Zeitschrift. Zu dem Ausspruch ¡Ya he sufrido prisijn! siehe Alejandro Salazar : Estudio y accijn, S. 34. 463 Juan Antonio Ansaldo, ehemaliger Marokko-Kämpfer zeitweiliger Miliz-Führer der Falange und Gründer der radikalen Kampfeinheit »Blutfalange« (Falange de la Sangre) räumt sogar ein, dass im Frühjahr 1934 im Zentrum des Landes Auftragsmörder eingesetzt worden seien. Vgl. Juan Antonio Ansaldo: ¿Para que? De Alfonso XIII a Juan III, Buenos Aires, 1951, S. 71–78. Nach der Ablösung Ansaldos übernahm General Rada vom Oktober 1934 bis Januar 1935 den Armeeteil, von Februar 1935 bis März 1936 August&n Aznar, siehe: Eduardo Gonz#lez Calleja: Camisas de fuerza, S. 67. Ledesma Ramos beurteilt die mit Ansaldo eingeleitete Phase der Falange-Geschichte wie folgt: »[…] nun blieb kein Angriff ohne Replik […] Ansaldo kontrollierte schon nach wenigen Wochen den militarisierten Teil der Bewegung. Vor allem, die am meisten zur Gewalt fähigen Gruppen.« Vgl. Ramiro Ledesma Ramos: ¿Fascismo en EspaÇa? S. 161. 464 Sancho D#vila, Julian Pemartin: Hacia la historia, S. 133. Siehe auch JAPdR: Recompensas a la Falange de Sevilla, 20. Oktober 1935, in: OC, S. 765–766.
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sowie eine rote Haspe (aspa roja), die den im Kampf schwer verwundeten Mitgliedern überreicht wurde.465 Die Vergabe erfolgte in den Parteizentren vor versammelter Mannschaft.466 Falangisten konnten durch das Tragen dieser Abzeichen individuell den Status ihrer Einbindung in die Bewegung dokumentieren und zugleich damit posieren. Beobachter wussten in Anbetracht der Symbole sofort, wie lange ein Falangist ein solcher war und ob er während seiner Mitgliedschaft schon Gewalttaten begangen hatte oder verwundet worden war. Die jeweiligen Auszeichnungen vergab die Parteiführung auch rückwirkend, so dass trotz der Einführung des Auszeichnungssystems im Jahre 1935 »Gewaltaktionen« aus dem Jahre 1934 in Rechnung gestellt wurden. Dadurch erhielten im November 1935 die Falangisten Francisco Rodr&guez Ljpez, Jesus Roca Soler aus Pontevedra, Jos8 Bernando GraÇa aus Cangas und Secundino Esperjn aus Vigo die rote Haspe für Verletzungen verliehen, die ihnen im September und Oktober 1934 sowie im Februar 1935 zugefügt worden waren.467 Die CoruÇeser Falangisten Enrique Garc&a Grande, Juan und Antonio Canalejo bekamen für das Aufhängen der Falange-Fahne während der Militärparade vom 1. November 1934 die »weiße Haspe« verliehen.468 Bereits auf dem ersten galicischen FalangeKongress vom 17. März 1935 trugen viele der anwesenden Falangisten Blauhemd und Armbinden mit aufgenähten Auszeichnungen.469 Die Intensivierung der Gewaltaktionen führte dazu, dass die Madrider Führung im Jahre 1935 die ersten Silberpalmen verlieh, und zwar zuerst in Madrid und in Sevilla, wo es im Mai 1935 zu einem Vergeltungsschlag gegen eine Gruppe Marxisten gekommen war, bei dem zwei Personen getötet und sieben verletzt wurden.470 Der erste galicische Falangist, der diese Auszeichnung zugesprochen bekam, war der aus Vigo stammende Luis Collazo. Bei einer Schießerei am 7. Februar 1936 wurden er und ein Sozialist getötet.471 Die Bedeutung der Auszeichnungen für die Milizionäre und den Ansporn, den ihre Erlangung darstellte, spiegelt die Tatsache wider, dass die Milizen nach dem Sommer 1934 in mehreren Parteibüros des Landes auf Kalendern einen bodycount verzeichneten. Vom 1. Oktober 1934 bis Anfang Oktober 1935 sind darauf die Toten der CNT und der Falange gegeneinander aufgerechnet. Auf der 465 JAPdR: Recompensas a la Falange de Sevilla, 20. Oktober 1935, in: OC, S. 765–766. O. A., in: Arriba, Nr. 20, 28. November 1935, S. 6. 466 Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC. 467 Expediente 20, 15. November 1935, Madrid, in: Arriba, Nr. 26, 2. Januar 1936, S. 3. 468 Expediente 8, 15. April 1935, Madrid, in: Arriba, Nr. 26, 2. Januar 1936, S. 3. 469 La Voz de Galicia, 19. März 1935, S. 1. 470 Sancho D#vila, Julian Pemartin: Hacia la historia de la Falange, S. 133. Eines der Todesopfer war der aus Galicien stammende Falangist Manuel Garc&a Minguez, weshalb der Fall auch in der Presse Galiciens Erwähnung fand; vgl. De Vilagarc&a, La Voz de Galicia, 8. Mai 1935, S. 9. 471 Manuel Fern#ndez Gonz#lez: La din#mica sociopol&tica en Vigo, S. 273.
Der falangistische Totenkult: »Lebens- und Sterbenskunst«
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einen Seite des Kalenders steht unter einem Kreuz die Aufschrift presente, Kennzeichen der Anrufung der verstorbenen Falangisten. Auf der anderen Seite ist zu lesen: »Überfall auf die CNT, ein Sozialist ist gefallen«. Darunter sind mit Kreuzen die Todestage markiert. Der Kalender wurde von der Sicherheitsbehörde in mehreren Büros der Falange gefunden. Er lag dem Richter vor, der Jos8 Antonio Primo de Rivera während der Anhörung vom 16. November 1936 gegenüberstand. Dieser bestritt den Zusammenhang zwischen Kalender und Falange.472 Ein weiterer Kalender mit dem Titel »Falange EspaÇola de las JONS 1936« wurde im ab 15. März 1936 eingeleiteten Verbotsverfahren gegen die Partei als Beweisstück für die Gewalttätigkeit der Falange herangezogen. Auf dem Titelblatt dieses zweiten Kalenders ist ein Falange-Milizionär zu sehen, mit einem Gewehr in der einen und einer Pistole in der anderen Hand. Die Monatsblätter zieren weitere falangistische Milizionärsbilder, in unterschiedlichen Posen. Auch auf diesem Kalender wurden Ereignisse wie Tötungen markiert.473 Diese Ästhetisierung des eigenen Kampfbundes und der eigenen Kampfhandlungen fand seine Fortschreibung im Umgang mit toten Parteimitgliedern.
Der falangistische Totenkult: »Lebens- und Sterbenskunst« Die wichtigsten identifikationsstiftenden Elemente im Falangismus standen seit der Gründung der Partei in Verbindung mit der Praktizierung eines ausgeprägten Totenkultes. Seit Januar 1934 ehrte die Falange in der Zeitung FE, später auch in Arriba, regelmäßig unter der Rubrik Presente die in den Straßenkämpfen getöteten Falangisten.474 Diese Nachrufe lobten die Taten der verstorbenen Milizionäre oder berichteten von deren angeblich in den letzten Lebenssekunden geäußerten Glaubensbekenntnissen an die Partei.475 Es kam sowohl in FE als auch in Arriba zum Abdruck von Beerdigungsfotos und Bildern der durchgeführten Todeszeremonien. Den historischen Charakter dieser Ereignisse hervorzuheben und darüber hinaus zu propagieren, dass die Toten den Lauf der 472 Vgl. Interrogatorio de Jos8 Antonio Primo de Rivera, 16. November 1936, in: OC, 1045– 1072, S. 1061. 473 Hoja suelta, AGA (7)26.3 43/2415, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid. 474 Insgesamt widmeten sich in FE 10,3 % der Artikel dem Totenkult. Jean-Michel Desvois: Le Contenu de FE hebdomadaire de la Phalange, S. 93. 475 Francisco de Paula Sanyol Cortes-presente, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934 S. 6; Mat&as Montero- presente! FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 8; Presente, in: FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 6; Presente, in: Arriba, Nr. 1 1935, S. 3; Presente, in: Arriba, Nr. 3, 4. April 1935, S. 3; Presente. Otro ca&do en aras del amor, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, S. 5; Presente, in: Arriba, Nr. 10, 23. Mai 1935, S. 4.
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Geschichte verändern würden, war für die Falangisten wichtiger als jedes politische Programm. Schon in den ersten Todesanzeigen aus dem Januar 1934 war Blut als stoffliche Grundlage für die Geschichtsschreibung bezeichnet worden. Falangisten hätten mit den »roten Buchstaben« ihres Blutes einen Teil spanischer Geschichte geschrieben.476 Gim8nez Caballero schwärmte nach dem Tod Mat&as Monteros unter Zitierung keines geringeren als Benito Mussolinis, dass das Blut ein Mythos der Jugend sei: »Das Blut ist das Rad, das die Geschichte bewegt.«477 Der Dienst, den der Milizionär zu leisten hatte, war dieser argumentativen Linie nach allein durch sein Sterben erfüllt, das erst im Nachhinein durch die Beschreibungen seiner Kameraden in die falangistische »Meistererzählung« münden konnte.478 Trauerfeiern kamen unabhängig vom Herkunftsort des Verstorbenen überall in Spanien zustande. Zum ersten Todestag des in Madrid getöteten Matias Montero, dem ersten »Märtyrer« der Bewegung, organisierte auch die Falange in Ourense eine Ehrenmesse, wohlgleich angesichts der geringen Mitgliederzahlen in Galicien in wesentlich beschaulicherem Rahmen als in der spanischen Hauptstadt. Am 9. Februar 1935 versammelte sich die primera l&nea nach dem regulären Gottesdienst vor der Kirche Santa Eufemia und marschierte anschließend von dort geschlossen zum Parteizentrum, wo eine weitere Gedenkveranstaltung abgehalten wurde.479 Das allgemeine Beerdigungszeremoniell sah vor, dass die Falangisten ihre verstorbenen Kameraden auf den Schultern zu Grabe trugen und diese durch Reden, den faschistischen Gruß sowie durch den Ausruf Arriba EspaÇa ehrten.480 Ausdrücke aus der falangistischen Sprechweise hielten Einzug in die rituelle Ordnung der Beisetzungsfeiern. Umgekehrt integrierten die Milizionäre rituelle Bestandteile der Totenmessen ins Alltagsleben. Sie schmückten die Veranstaltungsräume für die Parteiversammlungen mit den Namen der Toten, in 476 Francisco de Paula Sanyol Cortes-presente, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 6. 477 Ernesto Gim8nez Caballero: Ante la temporada taurina. Se buscan cuadrillas, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 15. Bei Mussolini heißt über das Blut es: »Blut allein treibt die Räder der Weltgeschichte.«, zit. nach Hans Eugen Papenheim: Mussolinis Wandlung zum Interventionismus, Jena 1935, S. 71. 478 Der Begriff »Meistererzählung« ist nach Jarausch/Sabrow »eine kohärente, mit einer eindeutigen Perspektive ausgestattete und in der Regel auf den Nationalstaat ausgerichtete Geschichtsdarstellung«. Diese habe eine theoretisch-methodische Seite, eine semantische Komponente und eine diskursive Grundstruktur. Vgl. Konrad H. Jarausch, Martin Sabrow (Hg.): Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte seit 1945, Göttingen 2002, S. 17. Das Besondere im vorliegenden Fall ist, dass dem Falangisten in Aussicht gestellt wurde, durch sein körperliches Opfer Teil dieser nationalen Erzählung zu werden. 479 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 41. 480 Fotos, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 8–9; FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 6; Arriba, Nr. 2, 28. März 1935, S. 3; Arriba, Nr. 6, 25. April 1935, S. 6; Arriba, Nr. 10, 23. Mai 1935, S. 4.
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Goldbuchstaben gedruckt und sichtbar an den Bühnenvorhängen drapiert.481 Ein Abschnitt der Versammlungen bestand darin – so wie es schon die italienischen Faschisten zu tun pflegten – die Toten anzurufen, in Szene gesetzt durch die Verlesung der Namen und der im Chor folgenden Antwort der Zuhörer mit dem Ausruf: »Anwesend!« (¡Presente!).482 In Galicien, wo die Totenmessen in den Jahren 1934 und 1935 Ehrenveranstaltungen für die verstorbenen Kameraden aus anderen Landesteilen waren, fanden die ersten für einen galicischen Milizionär organisierten Trauerfeiern ab dem 10. Februar 1936 statt. Zu den Beisetzungsgottesdiensten für Luis Collazo in der Kapelle des Friedhofes Pereirj, in der Gemeinde Santo Thom8 de Freijeiro, und in der Kirche Santa Maria organisierte die Falange Umzüge. Falangisten versammelten sich vor der Kirche, riefen das ¡Presente! und legten Blumenkränze nieder.483 Zu dieser Gelegenheit reiste auch eine Falange-Gruppe aus der Provinz A CoruÇa nach Vigo. Während des Transportes des Leichnams sei es, laut Lu&s Moure MariÇo, zu »Wortwechseln und Angriffen« gekommen, und die CoruÇeser Falangisten hätten sich mit Schüssen verteidigt.484 Bereits kurz nach der Gründung der Falange, und fast ein Jahr, bevor die Partei im November 1934 das 27-Punkte-Programm veröffentlichte, kam es im Januar und Februar 1934 zur Publikation zweier Richtlinien, die wesentliche Bedeutung für die Entwicklung der falangistischen Verhaltensweisen in der Zweiten Republik haben sollten und die in der Forschung bislang keine Beachtung gefunden haben. Die erste Schrift trägt den Titel »Habitus und Stil« (H#bito y estilo)485, die zweite den Titel »Der Tod ist ein Dienst« (La muerte es un acto de servicio).486 Während letztere den Grundstein des falangistischen Totenkultes legte, ist »Habitus und Stil« eine Verhaltensrichtlinie für Falangisten: 1. Unsere Doktrin bezieht sich auf das Sein […] 2. Eine perfekte und deutliche Unterordnung der Existenz, besser gesagt des Lebens, erfordert eine Form, einen Stil, der sich in einem Habitus, in der Imitation eines Rhythmus wiederfindet. Diese Imitation und dieser Rhythmus sind poetischer Natur und streben unaufhörlich danach, einen Ritus und eine Liturgie zu schaffen und zu verfestigen […]. 3. In Askese leben […].
481 Fotos, in: Arriba, Nr. 6, 25. April 1935, S. 6, Arriba, Nr. 10, 23. Mai 1935, S. 1. 482 Pamela Ballinger : Italian Pentecost, S. 637. 483 Fallecimiento de Lu&s Collazo, in: El Faro de Vigo, 11. Februar 1936, S. 5; Por und fascista muerto, in: El Faro de Vigo 13. Februar 1936, S. 5. Necrologia, in: El Faro de Vigo 13. Februar 1936, S. 5. 484 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 205. 485 H#bito y estilo, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 6. 486 La muerte es un acto de servicio, in: FE, Nr. 5, 2. Februar 1934, S. 6.
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4. Der Stil ist nicht ein Stil des Individuums, sondern eines gesamten Kollektivs […]. 5. Seien wir – und einzig und allein wir – die Form und die Reform Spaniens, und jeder von uns ein gemeißelter Stein, mit Blut zementiert […]. 6. Einzig und allein die Liebe erbaut […].
Im Punkt 6 von »Habitus und Stil«, der dem Korintherbrief 8,1 entnommen ist (»Einzig und allein die Liebe erbaut.«), wird die religiöse Grundlage des Falangevokabulars deutlich. Mit der Verwendung dieser Bibelstelle pries Rafael Sanchez Mazas, der Verfasser der Richtlinie, die Liebe zur Falange als schöpferische, erbauende Kraft.487 Trotz der Verwendung biblischer Inhalte war der zentrale Gemeinschaftsbegriff in der Falange, die »Schicksalsgemeinschaft« (unidad del destino), jedoch nicht christlich konnotiert, sondern national. Die sprachliche Annäherung an das Christentum verwendeten die Falange-Propagandisten nur, um die rhetorische Verklärung »Spaniens« und das Streben nach Höherem hervorzuheben. Der Glaube galt dabei entweder der eigenen Organisation oder dem Vaterland und verband sich im Selbstverständnis der Falangisten konfliktfrei mit dem katholischen Glauben. Die Falange war – die Selbstbeschreibung durch Joaqu&n Garate trifft hier zu – eine Bewegung, die versuchte, zweierlei zu vereinen: »Das Mystische der Religion und das Poetische des Schöpfers«.488 Religiöse Versatzstücke hatten dabei denselben Stellenwert wie militärische. Die Falange kann damit als äußerst widersprüchliche Glaubensgemeinschaft bezeichnet werden: Sie propagierte eine »säkulare Religion« Faschismus, die jedoch katholischer Prägung sein sollte.489 Bereits in »Habitus und Stil« wird also das Verhalten der Falangisten programmatisch vorgegeben, das sich um »Askese« (Punkt 3), »Rhythmus«, »Stil«, »Poesie« (Punkt 2) sowie um die richtige Unterordnung und Liturgie (Punkt 5) bemüht: Eine falangistische Lebenskunst, eine ars vivendi. Nur einen Monat später, am 2. Februar 1934, bekam die Ehrung der Toten durch das 7-Punkte-Programm »Der Tod ist ein Dienst« (La muerte es un acto de 487 S#nchez Mazas war es auch, der an vielen weiteren Stellen seiner Artikel Bezüge zum Christentum herstellte. In der Formel »Glaube, Arbeit und Disziplin« (Fe, trabajo y disciplina) sind deutliche Anklänge an das Ora et labora der Benediktinermönche zu erkennen. Vgl. Rafael S#nchez Mazas: Campanella y Mauras, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 10. Auch beim Entwurf des »Gebet für die Toten der Falange« bediente er sich christlicher Elemente. Rafael S#nchez Mazas: Oracion por los muertos de la Falange, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 9. 488 Joaqu&n Garate: Mitin en Gredo, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 4. 489 Johannes Volmert bezeichnet die Inszenierungen der nationalsozialistischen Parteitage in Deutschland als »säkularisierte(n) Gottesdienst«. Johannes Volmert: Politische Rhetorik des Nationalsozialismus, in: Konrad Ehlich (Hg.): Sprache im Faschismus, Frankfurt a. M. 1989, S. 137–158, S. 158. Vgl. auch Peter Reichel: Der schöne Schein des Dritten Reiches: Gewalt und Faszination des deutschen Faschismus, Hamburg 2006.
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servicio) eine liturgische Ordnung. Die Verhaltensrichtlinie der Falangisten wurde damit um den programmatisch ausformulierten Totenkult erweitert: Der ars vivendi wurde eine ars moriendi anbei gestellt, so dass der Falangismus sich – wie in vielen anderen Punkten auch in diesem – an der Epoche des Mittelalters orientierte, in dem programmatische Schriften zur »Sterbenskunst« weite Verbreitung gefunden hatten.490 1. Der Tod ist ein Dienst 2. Kümmert Euch nicht um diejenigen, die jedes Mal, wenn einer der Unsrigen fällt, mehr Eifer zeigen, ihn zu rächen, als wir selbst. […] Wenn Ihnen die Ehre unserer Falange so wichtig ist, warum nehmen sie dann nicht wenigstens die Arbeit auf sich, in ihren Reihen zu dienen? 3. Die Ehre und die Pflicht der Falange müssen von denjenigen bemessen werden, die auf ihren Schultern die Verantwortung tragen, sie zu führen […]. Die jefes haben immer Recht. 4. Es kann eine Vergeltungsmaßnahme sein, die in einem gegebenen Moment, über ein ganzes Volk, eine unaufhörliche Serie von Repressalien und Gegenschlägen, auslöst. Bevor sie auf diese Weise über einem Volk den Zustand eines Bürgerkrieges einbrechen lassen, sollten diejenigen, welche die Verantwortung der Führung tragen, bemessen, bis wohin man leiden kann und ab wann der Zorn alle Entschuldigungen bringt. 5. Das, was besser als alles andere beweist, ob die grundsätzliche Einstellung beibehalten wird, ist die Fortdauer auf demselben gefährlichen Platz. […] Welch größerer Beweis für Standhaftigkeit als derjenige, einen Menschen an denselben Platz zu stellen, an dem der Gefallene stand? 6. Der Gefallene antwortet, wenn er beim Namen genannt wird, durch die Stimme der Kameraden hindurch: Anwesend! 7. Das Martyrium der Unsrigen ist, in einigen Fällen, die Schule des Leidens und des Opfers […] Wir beschweren uns nicht. Das ist nicht unser Stil.491
Die in der programmatischen Schrift »Habitus und Stil« im Januar 1934 eingeforderte Opferbereitschaft der Falangisten wurde durch die neue Bestimmung aus dem Februar 1934 zur Opferbereitschaft bis in den Tod ausgeweitet. Nicht ohne Grund war in der ersten Februar-Ausgabe von FE neben »Der Tod ist ein Dienst« ein Artikel gedruckt, der Japans Kamikazekämpfer als Vorbilder der Opferbereitschaft für ihr Vaterland lobte.492 Noch im selben Monat, drei Wochen nach der Veröffentlichung der Richtlinie, folgte eine weitere offizielle Ergänzung des skizzierten Todeszeremoniells, und zwar durch das von Rafael S#nchez 490 Alois M. Haas: Didaktik des Sterbens in Text und Bild, in: Die Zeitschrift der Universität Zürich, Nr. 2, 1997. 491 La muerte es un acto de servicio, FE Nr. 5, 2. Februar 1934, S. 6. 492 La muerte es un acto de servicio. El valor ideal, in: FE, Nr. 5, 2. Februar 1934, S. 10.
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Mazas verfasste »Gebet für die Toten der Falange« (Oracijn por los muertos de la Falange). Die Verstorbenen erhielten nunmehr eine rein falangistische Segnung: »Herr […] bewahre uns stets den heiligen Stolz, dass man nur in unseren Reihen für Spanien stirbt, sie sind nicht aus Hass gefallen, sondern aus Liebe.«493 Als Grund für den Tod führte Sanchez Mazas im »Gebet für die Toten der Falange« die Liebe an, ähnlich wie er es in »Habitus und Stil« bereits für das Opfer getan hatte. Fast identisch im Wortlaut ist die Passage, die beschreibt, wie die Falangisten kämpfen, nämlich, »um mit ihrem jungen Blut, die ersten Steine zu zementieren«. Neu war gegenüber »Habitus und Stil« die für den Tod des Falangisten eingeforderte Exklusivität: Der Herr möge ausschließlich der Falange beglaubigen, dass nur in ihren Reihen für Spanien gestorben würde. Darin kam ein falangistischer Glaube zum Ausdruck, der sich nicht allein gegen andere politische Organisationen richtete, sondern indirekt auch gegen die christliche Kirche. Das Gebet sprach den »spanischen Tod« einem christlichen NichtFalangisten genauso ab wie allen anderen Nicht-Falangisten. Allerdings besaß der exklusive Glaube für die Milizionäre nicht immer diese radikale Bedeutung. Die meisten Falangisten hingen sowohl dem Falangismus als auch dem Christentum an.494 Eine weitere bedeutende Komponente des Totenkultes war, dass die Falange den verstorbenen Studenten Mat&as Montero zum ersten Märtyrer ihrer Bewegung stilisierte, ähnlich wie es bereits die deutschen und italienischen Faschisten mit den Totenkulten um Horst Wessel bzw. um den »unbekannten Soldaten« getan hatten.495 Falangisten, so forderten die anfangs gerade an die Studenten gerichteten Propagandaschriften, sollten sich nicht im Elfenbeinturm einsperren, sondern an der Tragödie Spaniens partizipieren wie der Student Montero.496 Sie sollten dem Vorbild in Askese und Schweigsamkeit, Mat&as Montero, folgen.497 Posthum veröffentlichte die Falange in FE einen Artikel von Montero, in dem dieser den großen Tag Spaniens prophezeit. Der Artikel mit dem Titel Las flechas de Isabel y Fernando setzt die Politik der Katholischen Könige mit dem falangistischen Streben nach der Einheit Spaniens in Verbindung.498 Jos8 Antonio Primo de Rivera lobte daraufhin Monteros »Stil« und entgegnete einem 493 Rafael S#nchez Mazas: Oracijn por los muertos de la Falange, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 9. 494 Das Aufsagen des »Gebet für die Toten« und die Verwendung von Versatzstücken aus »Der Tod ist ein Dienst« bei Grabreden waren nach der Veröffentlichung dieser beiden Programme vom Februar 1934 an gang und gäbe. Vgl. JAPdR: En el entierro del camarada Angel Montesinos, in: La Nacijn, 10. März 1934, OC, S. 337. 495 Vgl. Sven Reichardt: Faschistische Kampfbünde, S. 542–560. 496 JAPdR: Discurso en el acto de constitucion del S.E.U. en Valladolid, 20. Januar 1935, OC, S. 537. 497 JAPdR: Matias Montero: 9. Februar 1934, in: Arriba, Nr. 1, 21. März 1935, OC, S. 556. 498 Mat&as Montero: Las flechas de Isabel y Fernando, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 16.
Der falangistische Totenkult: »Lebens- und Sterbenskunst«
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Leser, der sich brieflich über den literarisierenden Ton der Falange-Zeitung beschwert hatte, dieser solle sich lieber, anstelle zu kritisieren, ein Beispiel an Mat&as Montero nehmen, einem der sich nie beschwert, sondern wunderbare Zeilen verfasst habe.499 Als es im März 1934 zum Zusammenschluss von Falange und JONS kam, bekräftigten – so die Parteipresse – Mat&as Montero und das erste getötete JONS-Mitglied, Jos8 Lu&s de la Hermosa, das neue Bündnis im Himmel mit einer Umarmung.500 Und auch die Todesanzeige Monteros bestätigt die falangistische Opferhaltung, indem die angeblich letzten, den Tod bejahenden Worte Monteros wiedergegeben werden: »Kurz bevor er starb, sagte er : Ich weiß, dass ich bedroht werde, aber es ist mir nicht wichtig, solange es für die Sache und das Wohl Spaniens ist.«501 Ähnlich lauten auch die kolportierten Worte Jos8 de Oyarbies, eines weiteren Todesopfers aus dem Frühjahr 1934: »Jos8 de Oyarbie nahm, von seinem Sterbelager aus, die Kräfte zusammen, um mit Bleistift an einen unserer jefes zu schreiben: Trotz des Verbrechens identifiziere ich mich immer mehr mit unserer Idee, hier ist erneut meine innbrünstige Haltung: ¡Viva EspaÇa!«502 Ob diese Bekenntnisse wirklich erfolgten oder ob die Autoren von FE sie nur erfanden, ist nicht eindeutig zu klären. Einem Brief, in dem der Parteiführer On8simo Redondo bittet, Details eines Todes zu schildern, um den Toten zu den Märtyrern der Falange zählen zu können, ist zu entnehmen, dass eine ausschließliche Erfindung wohl kaum der Praxis innerhalb der Falange entsprach.503 In jedem Fall dienten die stilisiert-freudigen Sterbebeschreibungen und -bekenntnisse junger Gefallener der propagandistischen Untermauerung falangistischer Forderungen. Sie zeigten nicht nur den Übergang des geforderten Opfers in ein tatsächliches, sondern in ein vom Falangisten tatsächlich gewolltes. Den Lebenden führten die Todesanzeigen die Beispielhaftigkeit vor Augen, mit denen die nunmehr Toten gehandelt hatten. Den Verstorbenen bescheinigten die Todesanzeigen das ewige Leben, weil sie – der Redensart der Falange nach – mit den roten Buchstaben ihres Blutes einen Teil spanischer Geschichte geschrieben hätten. Ab März 1934 nahmen die Falangisten – in einer zusätzlichen Steigerung der 499 JAPdR: Carta a un estudiante que se queja de que FE no es duro, in: FE, Nr. 11, 19. April 1934, OC, S. 352–353. JAPdR: Como aquel doncel de sigüenza, Nr. 7., 22. Februar 1934, OC, S. 314. In einer anderen Rede Primo de Riveras heißt es: »Unser Mat&as Montero, unzufrieden mit uns, starb er für den Stil, den wir Spanien auferlegen wollen«, in: JAPdR: EntraÇa y estilo, La Nacijn. 25. Februar 1935, OC, S. 565–566. 500 JAPdR: FE y J.O.N.S, in: FE Nr. 7, 22. Februar 1934, OC, S. 315–316. 501 Mat&as Montero – ¡presente!, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 8. 502 Dos heridos, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 6–7. 503 »Vergiss nicht Raimundo einige Details über den Tod dieses muchachos zu schreiben, um ihn zu unseren Märtyrern zählen zu können« JAPdR: Carta an On8simo Redondo, 3. Juli 1936, OC, S. 1183.
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Faschismus: Gewalt, Gemeinschaft und Symbolpolitik
im »Gebet für die Toten der Falange« eingeforderten Exklusivität des eigenen Todes – für sich in Anspruch, dass man nur in ihrer Organisation »richtig« sterbe. »Anti-Spaniern« hingegen sei das richtige Sterben verwehrt: »Unsere ganze Partei ist Jugend: ein göttlicher Schatz, der kommt, um nicht zu sterben, weil er ›zu sterben weiß‹«.504 Das Wissen um das richtige Sterben, so lautet die Botschaft dieser Passage, markiere den Unterschied zwischen Falangisten und Nicht-Falangisten, was dazu führe, dass die Falange selbst nie sterbe, das heißt, ein ewiges Leben habe. Dieses ewige Leben gelte in der Übertragung auch für den toten Falangisten, allerdings nur dann, wenn die lebenden Falangisten sich in ständiger Nähe zum Tod bewegten, um den Fortbestand der brüderlichen Gemeinschaft zu sichern. Der Glaube, der »Avantgarde« anzugehören, wurde im falangistischen Diskurs bis ins Extrem gesteigert. Denn vanguardia war jetzt nicht mehr, wie in der Kunsttheorie Ortega y Gassets, die künstliche Entfernung von der Lebenswirklichkeit. Sie war die weitestmögliche Nähe zum Tod innerhalb der Lebenswirklichkeit. Der Falangist müsse das Risiko des Todes ständig auf sich nehmen: »Falange, das ist Sterben und Leiden für Spanien«505. Der positiven Bewertung des Opfertodes gemäß bereitete Jos8 Antonio Primo de Rivera seine Anhänger während der Arbeiteraufstände in Asturien im Oktober 1934 auf die Demonstration zur »nationalen Einheit« mit folgenden Worten vor: »Ich werde Euch nicht kostenlos zum Tod bringen. Wir gehen nach draußen, ich zuerst, und wir nehmen das Risiko der Avantgarde auf uns.«506 Die hier zum Ausdruck kommende Risikobereitschaft des Parteiführers, als erster die »Last« der Avantgarde auf sich zu nehmen, wird geschmälert, bedenkt man, dass es sich um eine Demonstration handelte und nicht um einen mit Waffengewalt ausgetragenen Straßenkampf. Dass die Akzeptanz des Todesrisikos vorwiegend mit dem falangistischen Gemeinschaftsverständnis, basierend auf der Verpflichtung der Lebenden gegenüber den Toten zusammenhing, wird an einer weiteren Aussage Jos8 Antonio Primo de Riveras deutlich. Während der Beerdigung Jos8 Garc&a Varas’ forderte der Parteiführer, jeder Falangist möge sich in die »erste Kampfesreihe« stellen, wer sich zurückziehe, sei nicht würdig, sich Kamerad des Toten zu nennen.507 Ihren bis in den Tod reichenden Opfergeist legten die Falangisten also als positive Besonderheit aus, und zwar gerade als eine Besonderheit, über die Sozialisten und Kommunisten, »Vaterlandslose« und »Anti-Religiöse« nicht verfügten. Deshalb warb die Falange auch ab 1934 mit dem ruhmreichen To504 FE, Nr. 9, 8. März 1934, S. 1. 505 Rafael Fern#ndez: Unidad del destino en lo universal, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 4. 506 JAPdR: ReseÇa de la arena pronunciada en Madrid, en el local de Marque del Riscal, 7. Oktober 1934, OC, S. 447. 507 JAPdR: En memoria de Jos8 Garcia Vara, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, OC, S. 644–645, S. 645.
Der falangistische Totenkult: »Lebens- und Sterbenskunst«
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desrisiko auf Flugblättern.508 Den Tod besetzte die Parteipresse absichtlich mit positivem Vokabular. Der Tod für Spanien sei ein schöner Tod, ein poetischer Tod: Nur eine spirituelle und kriegerische Miliz, aber eine Miliz der Liebe, der Jugend und des Todes, die mit goldenen Strophen kämpft…mit dem Fanatismus des Todes kann und weiß zu triumphieren. Sterben! Sterben! […] wie schön ist zu wissen, so zu sterben. Und ist das nicht Poesie, die perfekte Poesie der Schicksalsgemeinschaft?509
Den Avantgardedienst leistete der Falangist – der Vorstellung nach – in einem Zwischenreich, zwischen Leben und Tod, so dass in der eigenen Sprache auch Realität und Phantasie begannen, sich zu überschneiden. Diese Entwicklung begann sich bereits mit dem Ritual der Anrufung der Toten abzuzeichnen. Die Toten antworteten, gemäß der programmatische Schrift »Der Tod ist ein Dienst«, bei ihrer Anrufung durch die Lebenden hindurch. Mat&as Montero, der Märtyrer, schaue, so eine Beschreibung in FE, die Lebenden durch die Seiten der in ihren Händen liegenden Partei-Zeitung an.510 Über die Ausrufung der katalonischen Unabhängigkeit im Oktober 1934 sagte Jos8 Antonio Primo de Rivera: »Das würden die Schatten der Toten nicht akzeptieren. Und wir tolerieren es auch nicht.«511 Am Grab von Jos8 Ruiz de la Hermosa forderte er seine Anhänger auf: »Eines Tages, wenn Spanien wieder Spanien ist, kehren wir alle erneut zu diesem Grab zurück, weder um zu reden noch um zu weinen, sondern schweigend, um das zu hören, was uns dieser Kamerad mit seinem Beispiel sagt.«512 Das Ziel dieser sprachlich-mystischen Vergemeinschaftung zwischen Toten und Lebenden war die Schaffung einer starken emotionalen Bindung, die aus falangistischer Sicht durch den »Dienst« (servicio) im Sinne der spanischen Nation Gültigkeit gewann. Es lag an den Lebenden für eine kontinuierliche Ausweitung dieser Gefühlsgemeinschaft im ganzen Land zu sorgen.
508 ¡Aqui Falange, Octavilla que se repartia en los actos marxistas en el aÇo 1934!, in: OC, S. 448. 509 Amando Fern#ndez: La poes&a del trabajo y de las milicias, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 2. 510 JAPdR: Como aquel doncel de sigüenza, in: FE, Nr. 7., 22. Februar 1934, OC, S. 314. 511 JAPdR: Ocasion de EspaÇa, in: Libertad, 22. Oktober 1935, OC, S. 460–461, S. 461. 512 JAPdR: Palabras de Jos8 Antonio ante la tumba del primer caido, Julio Ruiz de la Hermosa, 27. Januar 1935, OC, S. 548.
Selbst- und Fremdbilder während der Zweiten Spanischen Republik
Land, Glaube, Nationalismus: Die falangistische Agrargemeinschaft und die »spirituelle Revolution« Der zentrale Begriff, der zwischen 1933 und 1935 das politische Ziel der Falange prägte, lautete unidad del destino en lo universal.513 Alle Spanier verfügten diesem Begriff zufolge über ein gemeinsames »Schicksal« oder eine kollektive »Sendung«, weshalb sie Teil einer »Schicksalsgemeinschaft« bzw. einer »Bestimmungsgemeinschaft im Universellen« seien.514 Indem die in der Falange vorgelebte, hierarchische Struktur auf Spanien übertragen werde, würde dieser Sendung gefolgt.515 Jeder Bürger Spaniens müsse der falangistischen Bewegung beitreten, weil es nur in ihr um diese nationale Anstrengung gehe.516 Anstelle der Formulierung eines klaren Ziels gab die Parteiführung damit eine vage Richtung vor, ein gemeinsames Streben nach »Höhe« und »Größe«, das sich nicht selten in
513 JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, in: OC, S. 193. Ders.: Sobre CataluÇa, en el parlamento, 4. Januar 1934, in: OC, S. 240–241, S. 241; JAPdR: Ensayo sobre el nacionalismo, in: OC, S. 347–351, S. 350; JAPdR: EspaÇa es irrevocable, in: FE, Nr. 15, 1. Juli 1934, OC, S. 413–415, S. 413. JAPdR: Discurso en Cjrdoba, in: Arriba , Nr. 9, 16. Mai 1935, OC, S. 670–671, S. 670. Amando Fern#ndez: La poes&a del trabajo y de las milicias, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 2. O. A.: FE, Nr. 7, 1934, S. 3. Rafael S#nchez Mazas: Sobre EspaÇa, nacijn rara, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, S. 2. 514 Vicente Rodr&guez Carro weist auf die doppelte Bedeutung von destino als »Sendung« und als »Schicksal« hin, wobei ihm zufolge keine Übersetzung vorzuziehen sei, siehe: Rodr&guez Carro: Vicente Rodr&guez Carro: Die philosophischen Grundlagen, S. 138. Böcker übersetzt die unidad del destino en lo universal als »Bestimmungsgemeinschaft im Universellen«. Vgl. Manfred Böcker: Ideologie und Programmatik, S. 37. Die spanische Nation in dieser Weise zu betrachten, war stark von Ortega y Gassets Philosophie beeinflusst, siehe dazu: Jos8-Carlos Mainer : Falange y literatura, Barcelona 1971, S. 18. Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria, S. 122–123. 515 Jos8 Simjn Valdivielso: »El campesino de EspaÇa estar# con nosotros«, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 5. 516 Rafael S#nchez Mazas: »Rectitud«, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 1.
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einer bilderreichen, von der einstigen Größe des Spanischen Weltreiches schwärmenden Rhetorik auflöste. Rodr&guez Carro hat deutlich gemacht, dass »Nation« und »Imperium«, die beiden zentralen mit der unidad del destino in Verbindung gebrachten Kategorien, kaum etwas mit einer »Blut-und-Boden-Ideologie« zu tun hatten, wie sie in etwa die deutschen Nationalsozialisten vertraten.517 Auch wenn es vereinzelt zu rassistischen und antisemitischen Äußerungen der Falangisten kam,518 verstanden diese das »Imperium« in der Hauptsache als »geistiges Imperium«, als expansive Phantasie.519 Diese war getragen von zwei Überzeugungen: Die unidad del destino liege erstens in der Geschichte Spaniens. Zweitens könne sich das spanische Volk durch Vereinigung in der falangistischen Bewegung auf den glorreichen Weg, von dem es einst abgekommen sei, zurückbegeben.520 Im Streben nach neuerlicher Größe lag die Betonung dabei stets auf dem Begriff »Einheit«. Die drei spaltenden Elemente, denen sich die eigene, im Sinne der Einheit agierende »Phalanx« offensiv entgegenstelle, seien der »Klassenkampf«, der periphere Nationalismus – im falangistischen Sprachgebrauch »Separatismus« genannt – und die »parlamentarische Politik«.521 Von Blickwinkel der falangistischen Parteiführung aus waren seit Oktober 1933 das Baskenland und in erster Linien Katalonien die hauptsächlichen Angriffsziele der Falange-Propaganda gewesen. Galicien wurde ab 1936 in die »Gefahrengruppe« eingereiht. Spanien, hieß es, drohe zu zerfallen, in »lokale Republiken –
517 Vicente Rodr&guez Carro: Die philosophischen Grundlagen, S. 155. Manfred Böcker : Ideologie und Programmatik, S. 40. Dennoch kam es zu vereinzelten rassistischen Äußerungen, die sich auch auf das Blut beriefen und auf »die halbschwarzen Länder, wo das Blut der krummbeinigen Indianer auf alarmierende Art und Weise vorherrscht vor der zivilisierten weißen Minderheit«. Vgl. Libertad y unidad, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 1. 518 Die antisemitischen Vorstellungen standen vor allem in Verbindung mit der Vorstellung einer sozialistisch-jüdischen Verschwörung und der Identifizierung der »Juden« mit dem Finanzkapitalismus. »Verwundert Dich nicht, dass in den Ländern, in denen sich der Sozialismus nationaler Prägung durchgesetzt hat, der Arbeiter einen guten Lohn verdient und echte Kameradschaftlichkeit genießt, die das Klassendenken hat verschwinden lassen, im Gegensatz zu den Ländern, in denen der internationale und jüdische Sozialismus regiert.« Camarada, AHU/AM, 2076, sucesos politicos 6. Propaganda. »Wir mussten diesen ganzen Haufen internationaler Juden ertragen. Auch wenn sie mit lehrreichen Ideen auftraten, vergaßen sie nicht das Geschäft. Es wurden die Werke des Philosophen auf der Straße und in den Buchläden verkauft, so dass seine unwürdigen Rassenbrüder auf seine Kosten ein paar Scheine verdienten.« El centenario de Maimjnides en Cjrdoba, in: Haz, Nr. 3, 9. April 1935, S. 5; »Marx: dieser ekelhafte Jude« Decantos, in: HAZ, Nr. 2, 2. April 1935, S. 5. 519 JAPdR: Declaraciones, in: Ahora, Februar 1934, OC, S. 303–306, S. 303. 520 JAPdR: Ensayo sobre el Nacionalismo, in: OC, S. 351. 521 JAPdR: Discurso de proclamacijn de Falange EspaÇola de las JONS, in: OC, S. 327–333.
Die falangistische Agrargemeinschaft und die »spirituelle Revolution«
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Katalonien, Baskenland, Galicien«.522 Innerhalb Galiciens wurde auch vorher schon gegen galicisch-nationale Positionen Politik gemacht.523 Neben der geographischen Einheit stand die Herstellung der politischen Einheit im Mittelpunkt des Falangismus. Seit der Gründung ihrer Partei hoben die Milizionäre hervor, die Falange sei im politischen Spektrum weder links noch rechts zu verorten und stehe deshalb für »alle Spanier«524 – ein Argument, das die Milizionäre umgekehrt gerade gegen die Verfolgung durch den republikanischen Staat vorbrachten, um sich als Opfer der Blöcke zu stilisieren. Denn, auf diese Weise beschrieben zwei Ourenser Falangisten die Situation, »wir hatten weder die Rechte noch die Linke« und »sie verfolgten uns, schlossen unsere Lokale…und wir, wir gehörten weder der Rechten, noch der Linken an.«525 Dem aus Lugo stammenden Lu&s Moure MariÇo zufolge, sei die Falange allein aus diesem Grund überhaupt auf die politische Bühne getreten: »Deshalb kamen wir zum Leben, gegen die Linke und die Rechte schreiend.«526 In Santiago de Compostela versuchte die Falange über Flugblätter das Argument zu verbreiten, die Falange stehe fernab herkömmlicher politischer Richtungen: »Falange EspaÇola de las JONS erachtet es vor allem für unerlässlich alles, was Politik und Teilung bedeutet, zu zerstören, heißt sie nun rechts oder links.«527 Vor allem aber propagierten die Falangisten eine »Einheit« im Denken und Sprechen und deren Verfestigung über rituelle Handlungsabläufe, die späterhin realpolitische Folgen zeitigen sollte. Zuerst, so der Tenor, komme die tiefgreifende Veränderung des »menschlichen Wesens«, die geistige Revolution, dann erst würden sich gesellschaftliche Veränderungen einstellen: »Wir sind Spiritualisten, keine Materialisten«.528 Ganz im Sinne der »spirituellen Einheit« in der »geistigen« im Gegensatz zur »materiellen Revolution« war mit dem Beitritt zur Falange das politische Ziel bereits erfüllt. Die »Vereinigung« wurde also nicht als notwendiges Mittel zur konzertierten Aktion verstanden, sondern als emotionaler und damit bereits als politischer Erfolg: »Wenn der spanische Arbeiter in
522 JAPDR: La Voz del jefe desde el calabozo, Hoja escrita por Jos8 Antonio en los sjtanos de la Direccijn General de Seguridad, 14. März 1936, in: OC, S. 971–973. 523 Mitin de Falange EspaÇola de las JONS en Catoira, in: Arriba, 18. April 1935, Nr. 5, S. 3. De Vilagarc&a, in La Voz de Galicia, 19. März 1935, S. 1. 524 Rafael Sanch8z Mazas wiederholte diese Einordnung noch in den 1970er Jahren. Vgl. Sheelagh M. Ellwood: Spanish fascism in the Franco era, S. 26. Zu der Erwähnung dieses Verständnisses von Alberto Pastor, einem falangistischen Bauern, siehe: Ronald Fraser : Blood of Spain, S. 87. 525 Interview Nr. 23, M., Ourense, 5. Januar 1988, UPDOC; Interview Nr. 58, 9. Juli 1988, M. G. M., Ourense, UPDOC. 526 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 31. 527 Santigueses, 18. Mai 1935, AHU/AM 2076, sucesos politicos 6. Propaganda. 528 Rafael S#nchez Mazas: Campanella y Mauras, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 10.
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unseren Reihen steht, ist die nationale Revolution eine Tatsache.«529 Die materielle Entschädigung für den persönlichen Einsatz würde durch eine geistige Entschädigung, die Stärkung des Nationalismus, ersetzt: »Wir wollen, dass alle arbeiten und dass die Opfer auf alle verteilt werden, weil die Opfer sehr gut mit der Freude und mit dem Ruhm, Spanien dienen zu dürfen, bezahlt werden.«530 Dem Credo der spirituellen Revolution entsprechend ging es den Falangisten um die Veränderung der Persönlichkeit. Es ging um eine »neue Wesensart« (nuevo modo de ser), eine Weisung, die auch in den Provinzen verinnerlicht wurde: Dort wiederholten die Milizionäre die Floskel der Parteiführung, derzufolge die Falange »nicht nur eine Denkensart« sei. Vielmehr sei sie auch eine »Wesensart«.531 In Übereinstimmung mit dieser sprech- und verhaltensorientierten theoretischen Ausrichtung des Falangismus fasste die Parteiführung im November 1934 im Parteiprogramm viele der bereits in »Habitus und Stil« vorgegebenen Identitätsfaktoren zusammen.532 Die ersten fünf Punkte des Programms spiegeln die bis zu diesem Zeitpunkt angestellten Bemühungen um die unidad del destino en lo universal wider. Es werden darin militärische Werte hervorgehoben und in Einklang damit eine starke Flotte und eine starke Luftwaffe gefordert. In den Punkte 5 bis 8 wird angeführt, dass sich die Falange-Politik im »totalen Staat« gegen politische Parteien richten werde, nur durch das Vaterland (patria) könne sich der Einzelne entfalten. Erst in Punkt 9 kommt die Neuordnung der Gesellschaft in »vertikale Syndikate« zur Sprache. Die Falange stelle sich gegen den Kapitalismus, aber auch gegen den Marxismus. Der »spirituelle und nationale Sinn« würde den Klassenkampf und die Anarchie unmöglich machen (Punkt 10 und Punkt 11). Tatsächliche Reformvorhaben sprechen erst die Punkte 18 und 19 an, die sich mit der Agrarreform befassen. Dabei wird zwischen einer »ökonomischen und agrarischen Reform« (Punkt 18) und einer »sozialen Reform der Agrikultur« (Punkt 19) getrennt. Punkt 18 fordert einen »Agrarkredit« für Bauern zu »niedrigen Zinsen«, die Festlegung eines Mindestpreises für Agrarprodukte und die Beschleunigung hydraulischer Arbeiten auf dem Agrarsektor, was in Punkt 19 mit Forderung nach Erneuerung der »ländlichen Werte« verbunden wird. Allerdings werden in den über dieses Programm hinausgehenden Äußerungen die grob skizzierten Reformvorhaben stets nicht als 529 Jos8 Simjn Valdivielso: El campesino de EspaÇa estar# con nosotros, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 5. 530 JAPdR: Resfflmen del discurso pronunciado en Fuensalida, 20. Mai 1934, La Nacijn, 21. Mai 1934, OC, S. 365. 531 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 49. Siehe zur Charakterisierung des Falangismus als »neue Wesensart« auch JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, in: OC, S. 194; JAPdR: Lo femenino en la Falange, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, OC, S. 659–661, S. 659; JAPdR: A los campesinos de Puente Palmera, 12. Mai 1935, in: OC, S. 672; Rafael S#nchez Mazas: Campanella y Mauras, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 10. 532 Puntos program#ticos de Falange, in: OC, S. 478–482.
Die falangistische Agrargemeinschaft und die »spirituelle Revolution«
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Bodenreform, wie in Punkt 18, sondern vielmehr als Reform des »bäuerlichen Wesens«, wie in Punkt 19, präsentiert. Schon in der Partei-Zeitung FE standen ab Anfang 1934 bäuerliche Werte, »der familiäre, religiöse, erbliche, hierarchische Sinn«, in direkter Verbindung zu dem angestrebten Ziel der hierarchisierten, falangistischen Gesellschaft.533 »Das Land«, so wurde ab 1935 in der Folgepublikation Arriba argumentiert, verfüge über die »richtigen Werte«, weshalb eine Agrarreform nur von einer Rückbesinnung auf eben diese Werte ausgehen könne: »Es gibt keine Agrarreform, die funktioniert, ohne die Rekonstruktion der religiösen, moralischen, intellektuellen, patriotischen, arbeitsamen Welt des Bauern«.534 Das »Intellektuelle« und »Patriotische« an der bäuerlichen Welt besteht dieser Sprechweise zufolge gerade nicht in einer geistigen Durchdringung der Probleme und einem adäquaten Vorschlag zur Reformierung der Landarbeit, sondern in der Wichtigkeit ländlichen Vokabulars für den falangistischen Diskurs. Damit hatte endgültig eine Absage an das sozial-revolutionäre Projekt Ledesma Ramos stattgefunden, der noch offen von Enteignung und Landverteilung gesprochen hatte.535 In der Falange unter Jos8 Antonio Primo de Rivera war die Beschreibung des Landes, die es der Parteiführung zufolge zu reformieren galt, oder, wie S#nchez Mazas es ausdrückte, die »nationale Lyrik«, denn »eine perfekte Durchdringung der Probleme der Bauern setzt ohne Zweifel eine Wirtschaft, eine Soziologie voraus.« Aber vor allem anderen bedürfe es »einer nationalen Lyrik, die das Land wieder der Geschichte entgegenbringt […] Das Land gibt den Nationen ihre poetische Intelligenz der Geschichte zurück.«536 »Das Land« (el campo) wird in diesen Zeilen zum Gegenstand einer selbstreferenziellen Beschreibung, die einerseits vom Land erzählt, andererseits dazu aufruft, vom Land zu erzählen. Selten ist deshalb vom Bauern (campesino) die Rede, fast immer vom Land (el campo). »Das Land« steht für die ländlichen Werte, aber auch für die ländliche Weite im Gegensatz zur städtischen Enge. Auf den in Arriba abgedruckten Fotos erscheinen Falangisten bei Militärübungen unter freiem Himmel. Uniformiert in der kastilischen Steppe stehend posieren sie mit Fahnen oder absolvieren Schießübungen. Das flache Land der kastilischen Hochebene (meseta), nimmt auf diesen Aufnahmen die Hälfte des Bildes ein, die andere Hälfte füllt der wolkenlose Himmel. Die Bilder versprechen einen fast unbegrenzten Raum, »absolutes Land, absoluter Himmel.«537 Da gerade die
533 Rafael S#nchez Mazas: Guiones, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 1. 534 Arriba, Nr. 6, 25. April 1935, S. 2. 535 Miguel ]ngel Perfecto: El Nacional-Sindicalismo EspaÇol com proyecto econjmico-social, in: Espacio, tiempo y forma, Nr. 27, 2015, S. 131–162, S. 145. 536 Rafael S#nchez Mazas: Guiones, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 1. 537 Siehe z. B. die Fotos, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, S. 2 und S. 5. Arriba, Nr. 5, 18. April
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Stadt seiner Meinung nach diesen offenen Raum nicht bieten könne, forderte Ruiz de Alda im Juli 1935 für die falangistischen Milizen: »Es müssen Soldaten her. Die Regimenter brauchen mehr Land und weniger Stadt.«538 Und Jos8 Simjn Valdivielso verkündete: »Ganz Spanien ist in Wirklichkeit agrarisch und kann gar nichts anderes sein.«539 Die Essenz der Zivilisation in Spanien liegt dieser falangistischen Sichtweise zufolge in den Werten des Landlebens, die in den Städten schon verkommen seien: »Nicht die große Industrie, nicht der beschleunigte Urbanismus sind unsere wichtigsten Kräfte, sondern die Kleinindustrie, die großen Dörfer, die Agrikultur.«540 Zur Lösung der spanischen Probleme müsse deshalb das Land gestärkt werden: »Das Landleben erheben, heißt, das Leben Spaniens erheben.«541 – »Die Lösung für das Leben im städtischen Proletariat? Das Land.«542 Die vagen Forderungen nach einer Agrarreform, die allein in Punkt 19 des falangistischen 27-Punkte-Programms festgehalten sind, wurden also in der Parteipresse und in den Reden der Parteifunktionäre kaum weiter konkretisiert. Hier wie dort überwog die Romantisierung des Landlebens und der »Landwerte«. Dahinter stand das Idealbild der mittelalterlichen spanischen Kleinstadt, geprägt vom Kleingewerbe und von den Herrschern treuen Untertanen. Vergleichen wir das Partei-Programm der Falange mit demjenigen Programm, das drei Jahr zuvor von La conquista del estado und den JONS-Mitgliedern um Ledesma Ramos entworfen wurde, fallen zwei Dinge auf. Erstens ist das Falange-Programm in Bezug auf die wirtschaftlichen Maßnahmen sehr viel weniger konkret. Zweitens bezieht es sich dort, wo wirtschaftliche Reformvorhaben formuliert werden, allein auf die Landwirtschaft, wohingegen das JONSProgramm sehr viel stärker auf die Industrien abzielt.543 Mit dem Programm vom Oktober 1934 ging eine doppelte ideologische Verschiebung einher : Programmatisch verlagerte sich der falangistische Dis-
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1935, S. 6. Arriba, Nr. 28, 16. Januar 1936, S. 3. Vgl. auch: JAPdR: Discurso de proclamacion de Falange EspaÇola de las JONS, 4. März 1934, in: OC, S. 327–333, S. 327. Julio Ruiz de Alda: Hay que hacer soldados. Los regimientos necesitan m#s campo y menos ciudad, in: Arriba, Nr. 16, 4. Juli 1935, S. 4. Jos8 Simjn Valdivielso: El campesino de EspaÇa estar# con nosotros, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 5. Rafael S#nchez Mazas: Sobre EspaÇa, nacijn rara, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, S. 2. Siehe auch: »Die großen Kapitale und die großen Städte sind weiterhin die Feinde der arbeitenden Menschheit und das Land ist ein dauerhaftes Opfer der städtischen Falschspieler, die aus dem Proletariat oder aus der Bank stammen«, Rafael S#nchez Mazas, in: Arriba, Nr. 6, 25. April 1935, S. 3. In derselben argumentativen Linie Rafael S#nchez Mazas: Guiones, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 1. Arriba, Nr. 18, 7. November 1935, S. 4. El problema de la vida proletaria en la ciudad, solucion? El campo, in: Arriba, Nr. 11, 30. Mai 1935, S. 5. Manifiesto de La conquista del estado, in: Miguel Artola: Partidos y Programas politicos, Madrid 1991, Bd. 2: Manifiestos, S. 323–326, S. 323.
»Mann der Waffe und der Schrift«
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kurs von den Industriezweigen hin zum agrarisch geprägten Spanien. Rhetorisch entfernten die Falangisten sich von den stärker sozialrevolutionären Tönen eines Ledesma Ramos hin zu romantisierenden Landbeschreibungen. Diese waren Bestandteil des eingeforderten »neuen Stils« und folgten dem Vorzug der »geistigen« vor der »sozialen Revolution«. Von den Elementen »Nationalismus« und »Syndikalismus« wurde der »Nationalismus« sehr viel stärker gewichtet.
»Mann der Waffe und der Schrift« Und so kam es, dass die JONS und die Falange geboren wurden: als heroischer Schrei einer Jugend, die sich nicht damit abfinden wollte, das Vaterland zu verlieren; als Gruppe von Romantikern und Poeten, die sowohl die Mängel von oben als auch die von unten verstanden, und die auftauchte, um ihre Revolution zu machen, ›unsere Revolution‹.544
In seiner 1939 veröffentlichten Kriegsgeschichte Galiciens (Galicia en la Guerra) fasste der aus Lugo stammende Falangist Lu&s Moure MouriÇo das Selbstbild der Falangisten zur Zeit ihrer Gründung als Gruppe von »Romantikern« und »Poeten« zusammen. Wie war er zu dieser Einschätzung gekommen? Die eingängigsten und stets wiederholten Wortnennungen der Falange-Mitglieder lauteten von ihrer Gründung bis in den Bürgerkrieg hinein »Dienst« (servicio545), »Disziplin« (disciplina546) und »Aufopferung« (sacrificio547). Der 544 Lu&s Moure MariÇo: Galicia, S. 31. 545 Siehe beispielhaft JAPdR, in: Preguntas de »Crjnica«, OC, S. 129; Crisis del liberalismo, Carta publicada en ABC a Luca de Terna, 22. März 1933, OC, S. 162; JAPdR, in: Puntos iniciales, OC, S. 219–226, S. 225, La muerte es un acto de servicio, in: FE, Nr. 5, 1. Februar 1934, S. 6. JAPdR: Alas de EspaÇa, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, OC, S. 313. JAPdR: Resumen del discurso pronunciado en fuensalida 20. Mai 1934, La Nacijn, 21. Mai 1934, OC, S. 365. JAPdR: Aqui Falange, Octavilla que se repartia en los actos marxistas en el aÇo 1934, OC, S. 448. JAPdR: Conferencia pronunciada en Zaragoza, OC, S. 557–561, S. 559. JAPdR: Discurso, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, OC, S. 615–616. JAPdR: Lo feminino en la Falange, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, OC, S. 661. JAPdR: Justificacijn de la violencia, No importa, Nr. 3, 6. Juni 1936, S. 1, OC, S. 1003–1004; Cuadro de honor, in: Arriba, Nr. 3, 4. April 1935, S. 3; La falange por tierras de Asturias, in: Arriba, Nr. 25, 26. Dezember 1935, S. 6. 546 JAPdR: Puntos Iniciales, in: OC S. 219–226, S. 225; JAPdR: Inocencia y penitencia, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, OC S. 267–268, S. 268; Julio Ruiz de Alda: Unas palabras, in: FE, Nr. 1, 7. Dezember 1933, S. 3; Los nacionalsindicalistas de Salamanca y sus jiras, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935. 547 JAPdR: Sobre el concepto de estado, 19. April 1933, OC, S. 234; JAPdR: Declaraciones del Jefe de Falange, in: OC S. 276–277, S. 277; JAPdR: La Falange y la F.U.E. Discurso en el Parlamento, 1. Februar 1934, OC, S. 278–284, S. 284; La muerte es un acto de servicio, in: FE, Nr. 5, 1. Februar 1934, S. 6.; JAPdR: Sentido heroico de la milicia, in: HAZ, Nr. 6, 15. Juli 1935, OC, S. 725; JAPdR: Testamento, in: OC, S. 1097–1100, S. 1097; Espectaculo, in: Arriba, Nr. 5, 18. April 1935, S. 1; Amando Fern#ndez: La poes&a del trabajo y de las milicias,
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Falangist wurde als Asket verstanden, der höheren Zielen diene.548 Die FalangeMitglieder seien, schrieb Amando Fern#ndez in der Partei-Zeitung Arriba, eine »spirituelle und kriegerische Miliz«; jeder Kämpfer müsse, forderte Rafael S#nchez Mazas, sich »sämtlicher geistiger und körperlicher Waffen bedienen«.549 Eduardo Paz Santas, Falange-Führer aus Santiago, forderte: »Wir müssen uns vereinen, kämpfen und uns für sie [EspaÇa] opfern, und dahin kommen, wenn es nötig ist, unser Blut für ein solch edles Ideal zu vergießen.«550 Reale wie fiktionale Kämpferfiguren der Vergangenheit bevölkerten die sich programmatisch gebenden Phantasiegeschichten der Falange-Führung. Als militärische Vorbilder galten neben der in Marokko stationierten Legion die italienischen squadri. Auch die Phalanx Griechenlands trat als Beispiel für militärische Unterordnung auf.551 S#nchez Mazas erkor sogar die drei Musketiere zu heroischen Vorbildern im Streben nach Größe.552 Dagegen lobte Jos8 Antonio Primo de Rivera den Cid als beispielhaft gehorchenden »Vasallen«.553 In der Geschichtsforschung hat die Verbindung von militärischem und religiösem Vokabular dazu geführt, dass sich der Begriff »Mönchssoldat« (monjesoldado) als eine Beschreibung des falangistischen Kämpfers etabliert hat.554 Es ist denkbar, dass neben den religiösen Anspielungen im Vokabular der Falange auch die Verspottungen der Linken aus dem Frühjahr 1934, die das Kürzel FE als »Spanisches Beerdigungsinstitut« (Funeraria EspaÇola) und als »Spanisches Franziskanertum« (Franciscanismo EspaÇol) interpretierten, ebenfalls zu diesem Bild beigetragen haben.555 Tatsächlich war unter den Falangisten zur Zeit der
548 549 550 551 552 553 554
555
in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 2; El sacrificio en el tablero, in: Arriba, Nr. 19, 14. November 1935, S. 1; La falange por tierras de Asturias, in: Arriba, Nr. 25, 26. Dezember 1935, S. 6; JONS, Nr. 1, 1. Mai 1933, S. 74; Ramiro Ledesma Ramos: Voluntad de EspaÇa, in: JONS, August 1933, Nr. 3, S. 97. Alejandor Salazar : En la velada necroljgica en recuerdo de Mat&as Montero, in: Arriba, Nr. 1. 21. März 1935. S. 2; Alejandro Salazar : El mitin de la Falange en el Cine de Madrid, in: Haz, Nr. 5, 28. Mai 1935 , S. 1. JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, pronunciado, S. 194; JAPdR: Discurso pronunciado en Torrelavega, in: OC, S. 167; JAPdR: Peregrinaje de Falange, in: OC, S. 525. Amando Fern#ndez: La poes&a del trabajo y de las milicias, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 2. Rafael S#nchez Mazas: Rectitud, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 1. Mitin de Falange EspaÇola de las JONS en Catoira, in: Arriba, 18. April 1935, Nr. 5, S. 3. Moral de la Falange cl#sica, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 7. Rafael S#nchez Mazas: Nacijn, unidad, imperio, in: Arriba, Nr. 1, 21. März 1935, S. 4. JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, in: OC, S. 192. So z. B. Alexandre Cirici: La est8tica del franquismo, S. 18; Sheelagh M. Ellwood: Spanish fascism in the Franco era S. 61; Dies: Prietas las filas, S. 81; Antonio Elorza: El franquismo, un proyecto de religijn pol&tica, in: Javier Tusell, Emilio Gentile, Giuiliana di Febo (Hg.): Fascismo y franquismo, Cara a cara. Una perspectiva histjrica, Madrid 2004, S. 69–82, S. 71; Antony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg, S. 63. Ricardo Mart&n de la Guardia: Jos8 Antonio Primo de Rivera, S. 169. Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 108.
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Zweiten Spanischen Republik nie die Rede vom »Mönchssoldaten«, wenngleich diesem Begriff im Krieg wachsende Bedeutung zukommen sollte. Bestandteil des falangistischen Vokabulars zur Republikzeit war vielmehr der Begriff »Mann der Waffe und der Schrift« (hombre de armas y de letras). Denn neben der Einforderung eines missionarischen, einer Liturgie folgenden Habitus wurde der Falangist in eine literarische Tradition gestellt. Jeder Falangist sei ein »neuer Mensch’, Feder und Flöte, Gewehr und Blitz«.556 Ein Falangist handle mit »präzisem Sinn, poetisch und kämpferisch«.557 Kastilien, die Region, die für die Falangisten das geographische und geistige Zentrum Spaniens darstellte, galt als »das Land der Waffen und der Schrift«.558 Auch den Märtyrer der falangistischen Bewegung, Mat&as Montero, lobten die Kameraden nach seinem Tod mit dieser Bezeichnung.559 Sanz Marcos beschrieb nicht zuletzt den Patron des SEU, Francisco Jim8nez de Cisneros, als jemanden »der große Editionen« auf dieselbe Weise erschuf, »wie er Heere erhob«.560 Eine Vielzahl bekannter spanischer Literaten mussten mehrfach als beispielhafte Vertreter dieses speziellen Soldaten-Typus herhalten: Jorge Manrique, Garcilaso de la Vega, Diego Lope de Vega, Calderon, Nebrija und Miguel de Cervantes.561 Wenngleich nur ein Teil dieser Schriftsteller tatsächlich Waffe und Feder geführt hatte (Cervantes, Jorge Manrique, Garcilaso de la Vega), gehörten doch all diese Schriftsteller einer als glorreich verstandenen imperialen Vergangenheit an. Ihre Kunst begriffen die Falangisten als Ausdruck des spanischen Imperiums, die Schriftsteller selber als treue Gefolgsleute ihrer Herrscher.562 Die 556 Victor D’Ors P8rez-Peix: Fascismo es elevacijn, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 5. 557 JAPdR: Prieto se acerca a Falange, in: Aqui estamos, Palma de Mallorca, 23. Mai 1936, OC, S. 996–999, S. 997. 558 Arriba, Nr. 1, 21. März 1935, S. 3. 559 JAPdR: Como aquel doncel de sigüenza, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, OC, S. 314. 560 B. S#nz Marcos: Cisneros y la universidad, in: HAZ, Nr. 4, 30. April 1935, S. 2. 561 En pie, EspaÇa, in: FE, Nr. 5, 2. Februar 1934, S. 10; Amando Fern#ndez: La poes&a del trabajo y de las milicias, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 2; Rafael S#nchez Mazas: Sobre EspaÇa, nacijn rara, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, S. 2. 562 Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria, S. 50. Den Schriftstellern, die nicht dem Goldenen Zeitalter entstammten, wurden deshalb auch Schriftsteller gegenübergestellt, die sich einer das Individuum hofierenden Literatur verschrieben hätten und dem Elitismus eines Ortega y Gasset folgen würden (Goethe, Mallarm8, Thomas Mann). Vgl: Ernesto Gim8nez Caballero (El gran inquisidor): Autos de F. E., Nr. 1, 7. Dezember 1933. In Punkt 4 von »H#bito y estilo«, der den kollektiven »estilo« der Falange programmatisch über den individuellen setzte, heißt es, dieser sei besser als der Humanismus eines Goethe und übertreffe auch denjenigen eines Cervantes, weil der Falangismus sämtliche »estilos« seiner einzelnen Mitglieder vereine. O. A.: H#bito y estilo, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 6. Dass Vertreter der französischsprachigen und deutschsprachigen Literatur als Beispiele des schlechten, individuellen Stils herangezogen wurden, war kein durchgängiges inhaltliches Mittel der Falangisten. So wie S#nchez Mazas spickte auch Jos8 Antonio Primo de Rivera seine Reden mit Zitaten von Shakespeare und versuchte sowohl auf Englisch als auch auf
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Falangisten verorteten sich also infolge der Berufung auf ihre Vorbilder selbst in der spanischen Geistesgeschichte. Die schweigend-rezipierende Haltung der Falange-Mitglieder bekam dadurch vorgeblich eine dichterisch-schöpferische Seite, obgleich diese kreative Seite immer einem einheitlichen, den Vaterland lobenden »Stil« (estilo) und einem äußerst eingeschränkten historischen und fiktionalen Figurenkreis unterlag: Miguel de Cervantes, Don Quijote, Isabel und Fernando. Die rhetorische Vorgabe für die stilistisch reduzierten Lobeshymnen stammte wiederum von den »anleitenden Poeten« (poetas conductores), wie die falangistische Führungsriege um Jos8 Antonio Primo de Rivera die eigene Rolle definierte.563 Ziel des Falangismus war S#nchez Mazas zufolge, die Verbindung der »Hochkultur« mit dem »Volkesinneren«.564 Die Falange-Führung identifizierte sich deutlich als intellektuelle Elite; wenngleich die von ihr entworfene Rhetorik durchaus derart funktionierte, dass die ständigen Wiederholungen der poetisierten Bilder von Gemeinschaft und nationaler Größe von den anderen Milizionären auch als gestaltende Partizipation verstanden werden konnte. Insbesondere Studenten wurden in den ersten beiden Jahren nach der Gründung der Falange durch das Bild des sich für die Nation engagierenden intellektuellen Kämpfers angezogen. Ihnen sollte ja schließlich im »Neuen Spanien« über die Machtstellung des SEU als führendes und im Stellenwert über den CONS stehendes Syndikat eine tragende Rolle zukommen. Beispielhaft aufgegriffen ist diese Thematik auf der Zeichnung eines lernenden und kämpfenden Studenten aus dem Mai 1935, die von der Studentenabteilung der Falange in ihrer Zeitung HAZ publiziert wurde. Der darauf gezeigte Vorbild-Student hält Buch und Gewehr fest im Griff. Dem Motiv ist das Motto des SEU anbei gestellt: Estudio y accijn.
französisch das Verständnis der »unidad« der Falange zu erläutern. Die Aufnahme ausländischer Kulturprodukte in die eigene Argumentation und die Beschreibung des spanischen Faschismus in fremden Landessprachen sind sicherlich dem spanischen Faschismus eigen. Das eigene intellektuelle Vermögen wurde in den Zeitschriftenartikeln ständig hervorgehoben. Die kulturellen Querverweise wurden, ob als negative oder positive Beispiele, jedoch stets in den Dienst der Herausstellung des angeblich heroischen spanischen Geistes gestellt. 563 Jos8 Antonio Fortes: La magia de las palabras (del intelectualismo fascista en EspaÇa), Granada, Los Libros de Octubre (2a ed. corregida y aumentada), Granada 2003, S. 11. Dadurch, dass die Zeitschriftenartikel in FE und Arriba zum Teil von im Literaturbetrieb etablierten Schriftstellerfreunden Jos8 Antonio Primo de Riveras verfasst wurden, verstärkte man das intellektuell-literarische Œuvre der Falange zusätzlich. Literarische Auszeichnungen von Schriftstellern wie Eugenio Montes, Pedro Mourlane und Jacinto Miquelarena wurden auch als Auszeichnungen der Falange begriffen, vgl. Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 6. 564 Rafael Sanchez Mazas: Lo universitario y lo popular, in: HAZ, Nr. 2, 2. April 1935, S. 3.
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Das falangistische Idealbild565
Zwar wird durch das Motiv nicht nur der kriegerische, sondern auch der geistig-aktive Charakter des falangistischen Kämpfertypus suggeriert. Doch erschöpfte sich dieser in der Realität meist in der Rezeption der Parteischriften. Denn den Gegenstand der eigenen geistigen Arbeit stellten innerhalb der Provinzen die aus Madrid stammenden literarisierten Beschreibungen der Falange-Identität dar. »Unsere Schule waren diese Artikel«, weiß ein Ourenser Falangist zu berichten. Erst habe er HAZ, dann Arriba gelesen.566 Einer seiner Kameraden berichtet von einer kleinen Bibliothek, welche die Falange besessen habe, »und vor allem hatten wir unsere Unterhaltungen, wir organisierten einige Seminare … es ging darum, zu interpretieren, diese be-
565 HAZ, Reproduccion facsimil, Impreso en los talleres de la Delegacijn nacional de prensa de FET y de las J.O.N.S 1945, Nr. 5, 28. Mai 1935. 566 Interview Nr. 76, a A.L.G., 23. April 1988, UPDOC.
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rühmte Zeitung, die wir hatten, Arriba, der Studieninhalt war der doktrinäre Körper, das war die falangistische Ideologie.«567 Wie stark die intellektuelle Einbindung innerhalb dieser Lesekreise auch immer gewesen sein mag, mit Sicherheit kann die Hervorhebung des künstlerisch-intellektuellen Anspruchs an die eigene Miliz als eine Besonderheit des Spanischen Faschismus bezeichnet werden. Spielten die Ästhetisierung der eigenen Gewalt- und Gemeinschaftsvorstellungen zwar auch in Italien und in Deutschland eine Rolle, wurden diese dennoch nicht in so nachdrücklicher Weise für die Masse der Mitglieder vorgeschrieben und auch nicht programmtisch festgehalten, so wie es in Spanien über die falangistischen Verhaltensrichtlinien geschah. Das Nachdenken über den potentiellen Erfolg oder Misserfolg des eigenen Redens und Handelns wurde programmatisch vehement in den Vordergrund gerückt, was ein deutliches Distinktionsmerkmal gegenüber anderen faschistischen Bewegungen darstellt. Der hohe Mitgliederanteil an Studenten sowie die von den SEU-Mitgliedern praktizierte Wiederholung und Verbreitung der zwischen Oktober 1933 und Februar 1934 von der Falange-Führung entworfenen sprachlichen Bilder spricht dafür, dass die Parteipropaganda im sozialen Milieu der Universitäten und Akademien Wirkung zeigte. Dass sich der Mitgliederzuwachs zu Beginn fast ausschließlich in Studentenkreisen zutrug, erklärt allerdings auch die geringe Reichweite des in gewisser Weise verkopften Programms. Ob der intellektuelle Gestus Industriearbeiter ansprach, ist zu bezweifeln: Ihr sukzessiver Zulauf nach den Wahlen vom Februar 1936 war eher den Gewerkschaftskämpfen um Arbeitsplätze geschuldet. Keinesfalls konnte der hombre de armas y de letras in einer vom Streit um die Agrarreform geprägten Zeit eine Vorbildfigur für Landarbeiter darstellen. Diese lebten oft in prekären Verhältnissen, umgeben von Hunger und Analphabetismus. Der Falangist Higuinio Varela gibt für Santiso (A CoruÇa), einem der infrastrukturell am schlechtesten angebundenen und ärmsten Orte der Provinz A CoruÇa, eine angebliche Analphabetenquote von 80 Prozent an. Auch wenn diese Zahl deutlich zu hoch gegriffen scheint, ist das Bild des intellektuellen Kämpfers in einem solchen Milieu als attraktives Idealbild unvorstellbar .568 Was die oben erwähnten Falange-Seminare zur Unterstützung der Alphabetisierung der Arbeiter betrifft, so weisen diese eher auf das Selbstverständnis des SEU hin, als Elite innerhalb der stark hierarchisierten Gemeinschaft, den unteren Klassen Hilfestellungen leisten zu wollen. Zudem waren die sporadischen 567 Interview Nr. 58, a M. G. M., Ourense, 9. Juli 1988, UPDOC. 568 Higuinio P8rez Varela, Jefe Local de FET de Santiso, an den Zivilgouverneur, 4. November 1938, ARG, 32.551/2872 (Informes y Correspondencia con cuerpos de seguridad sobre conducta de individuos particulares y miembros del Sindicato Agricola.).
Geschlechterbilder: Todessehnsüchtige Krieger und helfende Frauenhände
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Hilfsaktionen von wenig Erfolg gekrönt und trugen nicht dazu bei, dass es in Galicien vor dem Juli 1936 zu einem massiven Zulauf von Landarbeitern in der Falange kam. Das mag an der ohnehin verbreiteten Abneigung großer Teile der Arbeiterschaft gegenüber der Falange liegen. Es kann aber auch schlichtweg damit zusammenhängen, dass die so sehr an die nationalen Gefühle appellierende Falange für Arbeiter schlichtweg keine konkreten Identifikationsangebote hatte.
Geschlechterbilder: Todessehnsüchtige Krieger und helfende Frauenhände Auch wenn es der Seccijn Femenina zwischen 1933 und 1936 an numerischer und organisatorischer Stärke fehlte, definieren die aus dieser Zeit stammenden Parteipublikationen die »Rolle der Frau« im Falangismus sehr deutlich. Eine Frau müsse sich, so beschrieb es Rafael S#nchez Mazas, um die Betreuung der »natürlichsten aller sozialen Einheiten«, der Familie, kümmern, und zwar in christlicher Ehe.569 Ihre zentrale Aufgabe sei es, dem Mann durch Hilfestellungen sowie durch moralische und praktische Vorbereitung auf den Milizdienst zu dienen. Jürgen Martschukat und Olaf Stieglitz stellen fest, dass kaum ein anderes Gegensatzpaar wie das der »friedfertigen Frau« und des »kriegerischen Mannes« in der Geschichte zur Verfestigung der Vorstellung einer »natürlichen Zweigeschlechtlichkeit« beigetragen hat.570 Die an traditionellen Geschlechterrollen orientierte Falange-Politik machte in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Frauen sollten sich auf ihre originär »weiblichen Eigenschaften« besinnen und diese im Haushalt entfalten. In anderen Arbeitsfeldern wie der Wissenschaft oder der Kunst hätten sie in der Geschichte der Menschheit schlichtweg nichts geleistet, wie Jos8 Antonio Primo de Rivera vor den Wahlen vom Februar 1936 urteilte.571 Ein dreiviertel Jahr zuvor hatte der Falange-Führer seine Ansichten zu männlichen und weiblichen Aufgabenfeldern so formuliert: Wir wissen, bis wohin die herzliche Mission der Frauen reicht, und wir tun sehr gut daran, sie nicht wie ein dummes Zielobjekt zum Flirten zu behandeln. Wir sind aber auch keine Feministen. Wir verstehen die Art und Weise nicht, wie der Respekt gegenüber einer Frau darin bestehen kann, dass man sie ihres großartigen Schicksals beraubt und sie männlichen Funktionen unterwirft. Mich hat es immer traurig gemacht, Frauen in Männerberufen zu sehen […]. Der wirkliche Feminismus sollte nicht 569 Rafael S#nchez Mazas: Guiones, in: FE, Nr. 4, 25. Januar 1934, S. 1. Vgl. auch JAPdR: El momento pol&tico. Notas tomadas por el periodista Jos8 Montero Alonso en la entrevista celebrada con Jos8 Antonio el 12. Dezember 1935, S. 859–860. 570 Jürgen Martschukat, Olaf Stieglitz: Geschichte der Männlichkeiten, Frankfurt 2008, S. 123. 571 JAPdR: El voto de la mujer, Interview mit La Voz de Madrid, 14. Februar 1936, S. 952–954.
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darin bestehen, für die Frauen die gesellschaftlichen Positionen einzufordern, die man heute als gehoben betrachtet, sondern darin, die weiblichen Funktionen mit mehr menschlicher und sozialer Würde zu umgeben […], die Frau akzeptiert fast immer ein unterwürfiges Leben, ein Leben des Dienstes und der Unterordnung unter eine Aufgabe. Die Falange ist genauso. […] Seht ihr, Frauen, wie wir aus der Opferbereitschaft eine zentrale Tugend gemacht haben, aus einer Tugend, die vor allem Eure Tugend ist. Hoffentlich werden wir darin eines Tages so feministisch sein, dass ihr uns wirklich als Männer betrachten könnt!572
Neben der Hervorhebung des für ihn zentralen »weiblichen Wertes«, der Opferbereitschaft, an der selbst die männlichen Falangisten sich orientieren sollten, erwähnt Jos8 Antonio Primo de Rivera hier einen männlichen Bereich, für den die Frau schlechterdings nicht gemacht sei, und zwar erstrecke sich dieser auf die Welt, die sich außerhalb des häuslich-familiären Kreises befindet. Diese theoretisch skizzierte Rolle der Frau als Hausfrau deckte sich größtenteils mit derjenigen Rolle, welche die Frauen nach ihren Zusammenschlüssen zu SF-Einheiten ab 1934 tatsächlich einnahmen. »Männlichkeit« und »Weiblichkeit« konnten im falangistischen Sinne nur durch ein Abhängigkeitsverhältnis der Frau vom Mann zur vollen Entfaltung kommen, was insbesondere am Kampfeinsatz, dem zentralen Moment im Alltag der männlichen Falangisten, deutlich wird. Die Frauen hatten ihren Alltag unterstützend auf diesen Dienst hin auszurichten, beispielsweise dadurch, dass sie das falangistische Blauhemd nähten oder Schusswaffen versteckten, falls den männlichen Kameraden nach einer Schießerei polizeiliche Inspektionen drohten.573 Gleichzeitig bedienten sie damit das Bild der allerorts helfenden »weiblichen Hand«, das für den Falange-Krieger eine »Männerphantasie« darstellte. Klaus Theweleit hat diesen Begriff in die Faschismusforschung eingeführt, indem er herausgearbeitet hat, dass im Faschismus das Handeln von Kampfbündlern häufig in Form von Geschlechterverhältnissen inszeniert wird.574 Bezogen auf die Falange war der Waffengang ein solcher Moment. Dabei traten nicht nur die Ehefrauen als helfende Akteurinnen auf, sondern beispielsweise auch der grammatikalisch weibliche Tod – la muerte –, der, geschlechtlich codiert, als agierende Figur in die Vorstellungswelt des im Kampf stehenden Falangisten eingebunden wurde: »Und vielleicht sahen sie dann die Totengestalt, die von Weitem lächelte, weiße, endliche Dame.«575 Die ebenfalls weiblich-personalisierten »Spanien« und »Vaterland« (EspaÇa und la Patria) bereiteten den Falangekämpfer auf die Begegnung mit dem weiblichen 572 573 574 575
JAPdR: Lo feminino en la Falange, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, OC, S. 659–661. Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 65–67. Klaus Theweleit: Männerphantasien, Frankfurt am Main 1977. El sacrificio en el tablero, in: Arriba, Nr. 19, 14. November 1935, S. 1. Arriba druckte auch die bildliche Darstellung eines weiblichen Todes, der einen toten durch ein yugo y flechas markierten Falangisten in den Amen hält. Vgl. Arriba , 13. Juni 1935, Nr. 13, S. 3.
Der Parteiführer: »Leitender Poet« (poeta conductor) oder »feiner Herr« (señorito)?
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Tod vor: »Die Patria ist diejenige, die – mit der Hand der Mutter, der Hand der Freundin – über die Brust unser Emblem, das Joch und das Pfeilbündel, näht, genau über die aufgeregte Zielscheibe des Herzens, die den Kampf und das Opfer begehrt.«576 Als Gegenentwurf der sorgenden weiblichen Falangistinnengestalt konstruierte die Falange-Presse »die Rote«, deren Eigenschaften und moralischen Dispositionen ganz im Gegensatz zu den in der Falange verkündeten Werten standen. Warnend hieß es in der Zeitung Arriba im Dezember 1935: »Denkt an Eure Töchter. In der materialistischen Schule, die der rote Staat einführt, hören sie Empfehlungen zur freien Liebe. Das sind keine Phantasien.«577 Auch auf den Straßen von Santiago de Compostela wurde während des Wahlkampfes 1936 diese vermeintliche Gefahr thematisiert.578 Genauso wie es in der falangistischen Sprechweise die Dichotomie von männlichen patriotischen Falangisten und vaterlandslosen Marxisten gab, stellte die Parteipresse das idealisierte Frauenbild – die brave, devote und beschützenswerte Hausfrau – dem Schreckensbild der liederlichen und amoralischen »Roten« gegenüber. Zwei Monate vor dem Militärputsch, im Mai 1936, sagte der Parteiführer der Falange: »Die weibliche Ehrbarkeit wird gering geschätzt, die kollektive Prostitution der jungen Arbeiterinnen nur gefördert. In Russland untergräbt das die Familie, die ersetzt wird durch die freie Liebe, durch die kollektiven Essenssäle, durch die Einfachheit der Ehescheidung und der Abtreibung. Habt ihr in diesen Tagen nicht auch spanische Frauen schreien gehört: Kinder, ja, Ehemänner, nein!?«579 Dieser Ausspruch des Parteiführers fand, wie viele weitere von ihm, im ganzen Land unter Falangisten Verbreitung. Neben den Parteiprogrammen waren es seine öffentlichen Äußerungen, die den Mitgliedern Orientierung boten.
Der Parteiführer: »Leitender Poet« (poeta conductor) oder »feiner Herr« (señorito)? Der Jurist Jos8 Antonio Primo de Rivera war bereits in der Politik tätig, bevor er im Oktober 1933 die Falange gründete. Gerade 27 Jahre alt geworden, übernahm er ab dem 2. Mai 1930 das Amt des Vizesekretärs der Unijn Mon#rquica Nacional, einer Partei, die sich vorwiegend aus Politikern des Regimes seines Vaters 576 JAPdR: Sentido heroico de la milicia, in: HAZ, Nr. 6, 15. Juli 1935, OC, S. 725. 577 Hojas de Falange, in: Arriba, Nr. 22, 5. Dezember 1935, S. 3. 578 ¿Industriales, comerciantes, labradores, ganaderos, pescadores, artesanos, empresarios, productores de EspaÇa: Sabeis lo que os espera? 14. Februar 1936 (Verteilung beantragt von Inocencio Corral S#nchez), AHU/AM 2076, sucesos politicos 6. Propaganda. 579 JAPdR: Carta a los militares de EspaÇa, 4. Mai 1936, in: OC, S. 988–990, S. 989.
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Selbst- und Fremdbilder während der Zweiten Spanischen Republik
zusammensetzte, welcher Spanien zwischen 1923 und 1930 mit eiserner Hand regiert hatte.580 Schnell erreichte Jos8 Antonio Primo de Rivera den Status einer Madrider Lokalberühmtheit, in erster Linie durch den Familiennamen und dadurch, dass er mit Fäusten »die Ehre seines Vaters« verteidigte, danach erst durch seine Tätigkeiten als Anwalt und als Politiker sowie durch seine literarischen Bar-Treffen.581 Das Presseecho war dementsprechend groß, als dieser junge Aristokrat die Gründung der Falange EspaÇola gemeinsam mit einer Gruppe von Schriftstellerfreunden beschloss, mit Leuten, die vielerorts, als »feine Herren« (seÇoritos) bezeichnet wurden. Nicht nur Miguel de Unamuno sagte über den Parteiführer und sein Umfeld, dieses sei »exklusiv seÇoritil«, auch der italienische Botschafter in Madrid, Celesio Geisser, urteilte auf diese Weise.582 Zwar haben Monica und Pablo Carbajosa darauf hingewiesen, dass seÇorito keine genaue Bezeichnung sei, weil es unterschiedliche Klassen von seÇoritos gegeben habe, der Begriff sei in der Alltagssprache für viele Menschen verwendet worden, die reich waren, sich elegant kleideten etc.583 Unabhängig davon, ob der seÇorito als sozialer Typus klar definierbar ist, bleibt festzuhalten, dass sich der falangistische Führungskreis, zumindest was die Phase kurz nach der Gründung der Falange angeht, selbst als ein Kreis von seÇoritos verstand und dies Selbstverständnis auch zur Schau trug. Prestigeobjekte und Aktivitäten, die viele Leute als »seÇoritil« verstanden, dienten zur öffentlichen Präsentation des eigenen Reichtums. Dazu gehörte das Tragen teurer englischer Anzüge, das Fahren amerikanischer Sportwagen, die Veranstaltung von Jagd- und Reitexkursionen sowie Besuche im Ritz und in anderen Edelrestaurants.584 Beispielhaft sind die Werbeanzeigen in den Falange-Zeitungen, da es sich bei den vorgestellten Produkten und Dienstleistungen – Schuhcreme, Blumen, das Restaurant »El Louvre«, Schreibmaschinen, Kühlschränke, das Bekleidungsgeschäft El hombre chic – vorwiegend um Luxusgüter und exklusive Einrichtungen handelte, was in merkwürdigem Gegensatz zu der zur selben Zeit eingeforderten Askese der Mitglieder stand.585 Die Ausstaffierung 580 Sheelagh Ellwood: Prietas las filas, S. 22; Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 73. 581 In einer Faustatacke soll Jos8 Antonio Primo de Rivera den General Queipo de Llano niedergestreckt haben. Vgl. Paul Preston: ¡Comrades! Portraits from the Civil War, Glasgow 1999, S. 78. Ian Gibson: En busca, S. 189–207. 582 »Ich habe mit den beiden jungen faschistischen Abgeordneten, Primo de Rivera und Eliseda gesprochen, beide jung, gute Redner, lebhaft und guter Absichten, aber unerfahren und zu sehr den Anschuldigungen ausgesetzt, seÇoritos zu sein«, R. Celesia Geisser : Politica Spagna, 1. Februar 1934, zit. bei Ismael Saz Campos: Mussolini contra la II repfflblica, S. 119– 120. Ahora, 19. April 1935; Paul Preston: ¡Comrades! S. 76. 583 Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria, S. 298. 584 Joan Maria Thom/s: Los fascismos, S. 105; Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria, S. 105. 585 Crema dragjn para el calzado, in: FE, Nr. 9, 8. März 1934, S. 9. Casa Arroya. Flores, plantas,
Der Parteiführer: »Leitender Poet« (poeta conductor) oder »feiner Herr« (señorito)?
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wurde zur politischen Präsentation in Beziehung gesetzt. In der berühmten, viel zitierten Rede zur Gründung der Falange heißt es: »Ich wollte, dass dieses Mikrofon meine Stimme bis in die letzten Ecken der Arbeiter trage, um ihnen zu sagen: Ja, wir tragen Krawatten, ja, von uns könnt ihr sagen, wir seien seÇoritos.«586 Eher als Reichtum sollte damit das Selbstverständnis eines Redners zum Ausdruck kommen, der Kunst und Politik verbinden, der Eleganz und »Stil« als Bestandteile eines neuen spanischen Nationalismus aufwerten wollte. Der verkündete Anspruch der um Jos8 Antonio Primo de Rivera entstandenen Bewegung, eine »poetische Bewegung« (movimiento po8tico) zu sein,587 ähnelte Gim8nez Caballeros frühen Faschismusvorstellungen und den literarisch-politischen Querverweisen eines Gabrielle D’Annunzios. Die Darstellung rückte in den Mittelpunkt der Politik. Es fällt jedoch auf, dass die Hervorhebung eigener Prestigeobjekte durch die Falange-Führung vor allem die Anfangsphase prägte und dass sich mit der Änderung der Sozialstruktur auch das Auftreten der führenden Parteifunktionäre zu wandeln begann, wenngleich der beschworene »neue Stil« und der Hinweis auf das »künstlerisch-schöpferische« Element in der falangistischen Rhetorik weiterhin sehr präsent blieben. Dieser »neue Stil«, den die Falange sich zumaß, erreichte unmittelbar nach der Gründung der Falange auch die Randregionen Spaniens, die der Parteiführer mit persönlichen Besuchen äußerst selten bedachte. Obwohl Jos8 Antonio Primo de Rivera nur ein einziges Mal, nämlich zur Gründung der regionalen jefatura, das nordwestlich gelegene Galicien besuchte, war er nach seiner Wahl zum »Alleinigen Führer« (jefe fflnico) im Oktober 1934 dort allgemein als Vorsitzender der Falange anerkannt. Bilder von ihm schmückten neben Spruchbändern, Totenkopfsymbolen und den Insignien der Falange die Wände der galicischen Parteizentren.588 In Ourense, wohin er im Dezember 1934 ein Foto von sich schickte, das eine Widmung an die lokale Falange-Abteilung trug, vervielfältigten die Falangisten das Bild mehrfach und verteilten es unter den Kameraden.589 Diese erwiesen ihrem Parteivorsitzenden auch bei seiner nächtli-
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in: FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 3. El Louvre, in: FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 4. Maquinas de escribir, in: FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 5. Frigor&ficos, in: Arriba, Nr. 16, 4. Juli 1935, S. 4. El hombre chic: gusto exquisito, precios ventajosos, in: Arriba, Nr. 20, 28. November 1935, S. 3. JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola pronunciado en el Teatro de la Comedia de Madrid, 29. Oktober 1933, in: OC, S. 189–195, S. 194. JAPdR: Discurso de la fundacijn, in: OC, S. 189–195, S. 194. Dieser Ansatz ähnelte den ersten Kommentaren Gim8nez Caballeros zum Faschismus und den politischen Vorstellungen des Italieners Gabrielle D’Annunzio, der schon 1919 auf der Halbinsel Fiume literarisch-politische Spektakel veranstaltete. Lu&s Moure MouriÇo: Galicia en la guerra, S. 204. Fernando Meleiro: Anecdotario de la Falange, S. 21. Vgl. auch Lu&s Moure MouriÇo: Galicia en la guerra, S. 203.
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chen Durchreise zum galicischen Gründungskongress der Falange nach Villagarcia die in der Partei übliche Ehrenwache. Offenbar machte der Parteiführer nach dem Kongress von Vilagarc&a an weiteren falangistischen Standorten in Galicien Station. Luis Moure MariÇo zufolge reiste Jos8 Antonio Primo de Rivera am Tag nach der Veranstaltung nach A CoruÇa und sagte bei dieser Gelegenheit: »Die nächste Revolution werden meine Blauhemden mit Gewehren in der Hand gewinnen.«590 Auch in Lugo machte der Parteichef Halt. Die lokale Führungsriege um Jos8 und Jesffls Cedrjn del Valle, Antonio Pedrosa Latas, Jos8 Manuel Pardo Gayoso und Antonio Salvador LiÇares begleitete ihn durch die Straßen der Stadt.591 Der Eindruck, den Jos8 Antonio Primo de Rivera vor Ort hinterließ, entsprach dem, was bis dato nur über die Medien oder gerüchteweise nach Galicien gedrungen war : Er wirkte wie ein kollegialer Typ aus vornehmem Hause, smart und in seinem Chevrolet auf eine gewisse Weise verwegen. Sein zentrales Thema, die Einheit und Glorifizierung Spaniens, behandelte er in den Augen der Milizionäre zwar mit Ernsthaftigkeit, ohne dabei jedoch in Verbissenheit zu geraten. Die Milizionäre der »Ehrenwache« (guardia de honor) verbuchten mit Stolz den Feierlichkeiten für ihren Führer,592 genauso wie die galicischen Falangisten im Allgemeinen die Reise zum Kongress nach Vilagarc&a. Einer der Ourenser Falangisten erinnerte sich später gerne daran, wie er am Morgen nach dem Kongress dem Falange-Führer beim Frühstücken begegnete: Wir waren dabei, Kaffee im Caf8 Madrid zu trinken und Jos8 Antonio trat ein…und er setzte sich zwischen mich und einen anderen…und ich weiß nicht wie, man stellte uns diese Tassen hin, voll mit Brot, und mit Milch und so weiter, und Jos8 Antonio fing an Brotkrümel zu rollen, und er dreht sich zu mir und sagt: ›Hör mal, Kamerad, das hier zeugt von schlechter Erziehung, aber es ist ziemlich lecker‹, immer werde ich diesen Satz von ihm erinnern.593
Durch die Kombination von Autorität und kumpelhaft-volksnahem Verhalten gewann Jos8 Antonio Primo de Rivera seine Anhängerschaft für sich. Er selber übte zwar anfangs Zurückhaltung, was die politische Führung innerhalb der Falange betraf, ließ aber trotzdem keinen Zweifel daran, dass er sich aufgrund seiner aristokratischen Herkunft zur Führerpersönlichkeit auserkoren fühlte.594 590 Lu&s Moure MouriÇo: Galicia en la guerra, S. 204. 591 »[…]wir begleiteten auch den Kameraden Jefe Nacional Jos8 Antonio Primo de Rivera durch einige Straßen Lugos, vor seiner Abfahrt im Express nach Madrid, und in Lugo blieben der Kamerad Aguilar aus der Eskorte von Jos8 Antonio und Mateo vom Syndikat der Arbeit aus Madrid, um die Reise im Auto fortzusetzen.« Antonio Salvador LiÇares, Eidesstaatliche Versicherung, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.045, exp. 2272. 592 Interview Nr. 66, L. P., Ourense, 7. Oktober 1989, UPDOC. 593 Interview Nr. 65, O. M, Ourense, 1. April 1989, UPDOC. 594 »Für jetzt, und für sehr lange Zeit – falls es so ist, dass die trübe Welle uns nicht komplett überschwemmt – ist die am ehesten berufene Minderheit, die die Bedingungen für eine
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Wesentlich war für diese »charismatische Führerschaft«, dass sie auch ohne persönliche Kontakte und über geographisch weit voneinander entfernt liegende Punkte funktionierte. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Quellen der oral history auch durch das während des Franquismus kreierten Bildes Jos8 Antonio Primo de Riveras beeinflusst sind. Dass der nationale Führer aber auch vorher einen bleibenden Eindruck hinterließ, zeigen die Aussagen dennoch: Klar, nun, vielleicht…auch ohne ihn zu kennen…dieser Jos8 Antonio, der, er war ein charismatischer Mann, da gibt es gar keinen Zweifel! Du hast diejenigen gehört, die ihn kennengelernt hatten, und sie redeten von ihm mit richtiger Demut…Gut, in Wirklichkeit, war er ein…in seinem Alter, das zu tun, was er getan hat…eine Jugend in halb Spanien…zu bewegen, nicht nur die studentische Jugend […] ein Mann blauen Blutes…ohne Zweifel hat er auf alles verzichtet, auf den Wohlstand, um…das, was man heute nicht mehr versteht, für den Patriotismus, für die Liebe zum Vaterland.595 Jos8 Antonio: eine große Figur, ohne Zweifel […] er war ein Anziehungspunkt […] niemand mobilisierte die Massen in derselben…in derselben Menge, mit demselben Geist, genauer : der Einzige der die Massen mobilisierte…nun, war Jos8 Antonio.596
Der an dieser Stelle durch den Falange-Milizionär erwähnte »Geist« hing eng mit dem in der Falange-Führung vorherrschenden Konzept der »Nationalen Revolution« zusammen, die nicht selten als »Spirituelle Revolution« aufgefasst wurde. Diese Revolution entsprach der falangistischen Variante des palingenetischen Ultra-Nationalismus. Sie manifestierte sich, wie gesehen, in für die Falange spezifischen, doch an anderen faschistischen Bewegungen geschulten Verhaltensweisen: Uniformierung, Militarismus, Bewaffnung, Gewaltästhetik und Gewaltausübung. Abgesehen davon setzte die stark philofaschistisch orientierte falangistische Bewegung auf die Festigung eigens entworfener Sprechweisen.
Führung wiederherstellen kann die Blutsaristokratie«, JAPdR: O.T., in: Miguel Primo de Rivera y M. Urquijo (Hg.): Papeles pjstumos de Jos8 Antonio, Barcelona 1996, S. 183. Siehe dazu auch: Ismael Saz Campos: Fascismo y franquismo, Barcelona 2004. 595 Interview Nr. 70, J. G. N., Ourense, 21. Januar 1989, UPDOC. 596 Interview Nr. 76, A. L. G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC.
Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
Die Behauptung, eine eigene Sprache zu besitzen Wenn in Artikel 175 in Absatz 1 von den ›Autoren‹ illegaler Drucke die Rede ist, bezieht der Artikel sich nicht auf die hehren literarischen Schöpfer des zum Abdruck eingereichten Textes, sondern auf diejenigen die den Druckvorgang in heimlicher Form durchgeführt haben. Niemand ist davor sicher, dass irgendeine andere Person ohne Herausgeberidentifikation einen seiner Texte veröffentlicht. Der Abdruck, ohne Impressum, wird als illegal eingestuft. Reicht aber das aus, um einen literarischen Autor zu bestrafen, der vielleicht mehr als jeder andere durch die nicht autorisierte Veröffentlichung beeinträchtigt ist?597
Als die republikanische Justiz im Mai 1936 gegen die illegale Veröffentlichung von Falange-Zeitungen vorging, verteidigte Jos8 Antonio Primo de Rivera in seiner Funktion als Anwalt diese politischen Schriften vor Gericht als rein literarische Texte und die Falangisten als die »hehren literarischen Schöpfer«. Es ist für seine Rhetorik – wie insgesamt für die schriftlichen Zeugnisse von Falangisten – kennzeichnend, das angeblich »Literarische«, »Schöpferische« und »Poetische« der eigenen Handlungen herauszustellen. Tatsächlich hatte der junge Anwalt früh sein Glück als Schriftsteller versucht, diese Pläne aber zurückgestellt, sie dann während seiner kurzen politischen Karriere wieder aufgegriffen und schließlich ganz fallen gelassen.598 Trotzdem war er Mitglied im PEN-Club (Poets, Essayists, Novelists) 1936, als er bereits im Gefängnis saß, hätte 597 Delito de imprenta, 14. Mai 1936, Jos8 Antonio Primo de Rivera an das Tribunal de Urgencia en la causa n. 127 de 1936 seguida por el Juzgado n.11 de los de Madrid, AGA, JUSTICIA, (7)8.2, c. 41/15522, Audiencia de Madrid, (7)1.11 41/627, Juzgado Nr. 11, 1936 Lg. 470/3, Nr. de Serie 681. 598 In seinem Testament ließ Jos8 Antonio Primo de Rivera verordnen, das sämtliche literarische Texte vernichtet werden sollten, siehe: JAPdR: Testamento de Jos8 Antonio Primo de Rivera, in: OC, S. 1097–1100. Zu seinem Romanversuch siehe: Ignacio Armado Manrique: Aventuras intelectuales y literarias de Jos8 Antonio. Apuntes Al#rico Alfjs/El navegante solitario, in: Aportes, Nr. 50, 2002, S. 61–81.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
er eigentlich für Spanien zum PEN-Kongress nach Buenos Aires fahren sollen.599 Er umgab sich gerne mit Schriftstellern und traf sich mit ihnen zu literarischen Gesprächsrunden, vorwiegend in der Bar Ballena alegre.600 Der Einfluss dieser Schriftsteller war es, der den Jargon in der Falange maßgeblich prägte. Ganz im Sinne eines literarisch-ästhetischen Anspruchs begann die falangistische Kritik an der Politik der Zweiten Spanischen Republik meistens mit einer Sprachkritik und der Behauptung, die »eigene Sprache« sei »besser«, »schöner« und »exakter« als diejenige der anderen Parteien. Dabei war die angeblich »falangistische Sprache« eigentlich eine »falangistische Sprechweise«, die bestimmten rhetorischen Prinzipien folgte. Dazu gehörte, Argumente anderer Politiker grundsätzlich als unverständlich darzustellen.601 Neben das Unverständnis für das Sprechen anderer trat der, eigentlich ein Verständnis voraussetzende, Vorwurf der Stillosigkeit. Über Alcal#-Zamora urteilte Jos8 Antonio Primo de Rivera im Parlament, seine Politik sei geprägt von einem geschmückten Stil.602 Manuel AzaÇa hingegen sei unfähig, seine Reden mit brillanten Schlusssätzen zu beenden.603 Über den ehemaligen Minister des Regimes Primo de Rivera, Calvo Sotelo, urteilte Jos8 Antonio, er sei kein potentielles Mitglied der Falange, weil er nicht einmal Gedichte verstehe.604 Dagegen eröffnete Antonio Loureiro Loureiro, Falangist aus Catoira, eine Propagandaveranstaltung im Ort, mit dem Hinweis darauf, dass die Zuhörer keine »blumigen Worte und prunkvollen Sätze« erwarten würden, welche die Politiker allein benutzten, um die Massen anzuziehen.605 Von wem waren also nun »blumige Worte« zu erwarten? Der »neue politische Stil« war zwar die immer wieder bemühte Formel der Falangisten, doch sorgte gerade diese für Unstimmigkeiten innerhalb der Partei. Bereits der Streit zwischen Ledesma Ramos und Jos8 Antonio über die politische Ausrichtung der Falange entzündete sich an stilistischen Fragen. Ledesmas Kritik ähnelte sogar derjenigen der linken Gewerkschaften, von der die Rhetorik der Falange-Führung als »sozial-literarisierte Pyrotechnik« verurteilt wurde.606 599 JAPdR: Elecciones y parlamento. Triunfaran las derechas, in: OC, S. 938–940, S. 940. 600 Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria, S. 101. 601 JAPdR: Extracto del discurso pronunciado en Corrales, 16. März 1935, in: La Nacijn, 18. März 1935, OC, S. 573; JAPdR: Discurso en Zaragoza, 26. Januar 1936, in: Arriba, Nr. 30, 30. Januar 1936, OC, S. 912–914, S. 913; JAPdR: Discurso pronunciado en Oviedo, 28. Januar 1936, in: Arriba, Nr. 32, 13. Februar 1936, OC, S. 918–919, S. 919; JAPdR: El ruido y el estilo, in: OC, S. 976–978, S. 977. 602 JAPdR: EspaÇa y Catalunya, en el Parlamento, 11. Dezember 1934, in: OC, S. 514–520, S. 514. 603 Ignacio Armado Manr&que: Aventuras intelectuales, S. 67. 604 Ian Gibson: En busca, S. 96. 605 Mitin de Falange EspaÇola de las JONS en Catoira, in: Arriba, 18. April 1935, Nr. 5, S. 3. 606 Confederacijn Nacional de Sindicatos Libres de EspaÇa: Al pueblo trabajador y en especial
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Im Gegensatz dazu herrschte in der Falange-Führung die Meinung vor, dass die von Ledesma Ramos kritisierte »politisch-literarische Kuppel« gerade eine große Stärke der Bewegung sei. Als Anti-Partei, die eine Anti-Politik betrieb, sollte nicht auf die Mittel der herkömmlichen parlamentarischen Politik zurückgegriffen werden. Der Logik folgend, eine »poetische Bewegung« zu sein, sahen die Gründer deshalb zu Beginn gar keine Programmatik vor. Man könne nicht mehr mit einem Repertoire von einem halben Dutzend Sätzen auftreten, mit dem schon viele andere Generationen aufgetreten seien.607 Die Sprache der Falange böte dagegen ein »poetisches und präzises System«, das die Kraft besäße, jeden Sachverhalt zu erhellen.608 Die Falange sei die erste Bewegung, die dem Wort »national« eine »ganze Poetik« verliehen habe.609 Den Studenten des SEU gegenüber sagte Jos8 Antonio Primo de Rivera im Juli 1935 im Magazin HAZ, sie hätten täglich die spannungsreiche falangistische Existenz gelebt und inzwischen ein »unverwechselbares Vokabular« erworben. Darum sollten sie nicht verzagen, wenn bei ihnen zu Hause die Sprache der Falange nicht auf Resonanz stieße.610 1936 behauptete er, die falangistischen Vorstellungen hätten sämtliche Bereiche des Lebens erreicht. Es gäbe keinen Politiker in Spanien, der nicht Ausdrücke aus dem falangistischen Vokabular übernommen habe.611 Diese »neue Sprache«, die von den Falangisten zu sprechen behauptet wurde, war nach falangistischem Verständnis eine von einer Minorität verfasste und von einer Masse übernommene Ausdrucksweise und somit tatsächlich eine von einer »politisch-literarischen Kuppel« entworfene Sprache. Victor D’Ors P8rezPeix schrieb in FE, künstlerische Perfektion könne nicht mehr durch » eigenständiges Lernen« erreicht werden, sondern einzig durch den Willen eines »Genies«, der zu »kollektivem Willen« werde,612 womit er ganz im Sinne der totalitären Massentheorien des 20. Jahrhunderts urteilte. In Anlehnung an Ortega y Gasset definierte Jos8 Antonio Primo de Rivera die Funktion des Politikers als »religiös und poetisch«, die Masse müsse den jefes wie Propheten
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a los militantes en Falange EspaÇola de las J.O.N.S, 1934–1936, in: Centro Documental de la Memoria Histjrica, PSCARTELES,2220 [http://pares.mcu.es/cartelesGC/servlets/Image Servlet?accion=41& txt_id_imagen=1& txt_rotar=0& txt_contraste=0& txt_zoom=10& app Origen=, Zugriff 13. 03. 2013.] JAPdR: Romanticismo, revolucion, violencia, 3. Juli 1934, in: OC, S. 393–397, S. 394. JAPdR: El ruido y el estilo, in: OC, S. 976–978, S. 977. JAPdR: Prieto se acerca a Falange, in: Aqui estamos, Palma de Mallorca, 23. Mai 1936, OC, S. 996–999, S. 997–998. JAPdR: Mientras EspaÇa duerme la siesta, in: HAZ, Nr. 7, 19. Juli 1935, OC, S. 726–727, S. 726. JAPdR: Prieto se acerca a Falange, in: Aqui estamos, Palma de Mallorca, 23. Mai 1936, OC, S. 996–999, S. 998. Victor D’Ors P8rez-Peix: Fascismo es elevacijn, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 5.
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folgen.613 Bereits in der Gründungsrede der Falange heißt es, dass die Völker von niemand anderem mehr mobilisiert würden als von Dichtern.614 Am deutlichsten kam der elitäre Anspruch des falangistischen Gründerkreises bei einer Abschiedsveranstaltung für den nach Deutschland reisenden Schriftsteller Eugenio Montes zum Ausdruck, in der hieß, die Falangisten fühlten sich »wie das Fleisch und die Sprache des Volkes«.615 Stellvertretend für den Begriff »Poesie« verwendeten die Falangisten auch den Begriff »Musik«. Über die Sprache politischer Gegner heißt es, ihre Musik sei veraltet.616 Dabei sei gerade die Musik für eine politische Bewegung besonders wichtig: »Niemals hat es eine interessante politische Bewegung ohne eine gute Musik gegeben.«617 Jeder Epoche sei eine mysteriöse Musik eigen, und wer, wie die Falangisten, ihre erste Note treffe, könne sich dieser von der Zeit vorgegebenen Musik nicht mehr entziehen.618 Mit dieser von der Zeit vorgegebenen Musik war nichts anderes als der Faschismus gemeint. Gewissermaßen betrachteten Gim8nez Caballero und Rafael Sanchez Mazas den Faschismus als einen europäische Mode, die sie in den unterschiedlichsten Kunstgattungen auf ihr eigenes Umfeld übertragen konnten: »Auf dass die Poeten diese Übermutter [Spanien] besingen.«619 – »Auf dass der finale Sieg in uns als eine ewige spanische Strophe des universalen Gesangs Deines [Gottes] Ruhmes widerklingt.«620 Der bedeutsamste Bestandteil dieser falangistischen Sprechweise war, dass sie sich allein auf Behauptungen stützte. Entscheidend für den »Stil« (estilo), die »Poesie« (poes&a) oder die »Musik« (mfflsica) war gerade die ständige Erwähnung, man verfüge über einen der Falange eigenen estilo, eine eigene poes&a oder eine eigene mfflsica. Diese ständige Affirmation eigener Kunstfertigkeit und intellektueller Strenge war fraglos eine selbstreferentielle Rhetorik, ein »formeller Ersatz für das geradezu inhaltlich Fehlende«, der sich in der Kultivierung einer 613 JAPdR: Homenaje y reproche a Don Jos8 Ortega y Gasset, in: HAZ, Nr. 12, 5. Dezember 1935, OC, S. 828.831, S. 830. Siehe auch JAPdR: Discurso en Cjrdoba, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, OC, S. 670–671; JAPdR: Resfflmen del discurso en Salamanca, 10. Februar 1935, OC, S. 553. 614 JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, S. 194. 615 JAPdR: EntraÇa y estilo, he aqu& lo que compone a EspaÇa, in: La Nacijn, 25. Februar 1935, OC, S. 565–566. 616 JAPdR: Prieto se acerca a Falange, in: Aqui estamos, Palma de Mallorca, 23. Mai 1936, OC, S. 996–999, S. 998. 617 JAPdR: Juicio sobre la dictadura y necesidad de la revolucion nacional, 6. Juli 1934, OC, S. 373–383, S. 380. 618 »Derjenige, der die erste Note dieser mysteriösen Musik einer jeden Zeit trifft, kann sich ihrer Melodie nicht mehr enziehen.« JAPdR: Homenaje y reproche a Don Jos8 Ortega y Gasset, in: HAZ, Nr. 12, 5. Dezember 1935, OC, S. 828–831, S. 830. 619 ¿Que va a ser del Arte?, in: FE, Nr. 12, 26. April 1934, S. 11. 620 Rafael S#mchez Mazas: Oracion por los muertos de la Falange, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 9.
Falangistische Erbauungspoesie
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Haltung erschöpfte.621 Das inhaltliche Vakuum wurde mit poetisch übersteigerten Zukunftsphantasien gefüllt, deren unablässigen Wiederholungen der Verdrängung eines politischen Diskurses dienten.622 Gerade diese Wiederholbarkeit und Einfachheit des Vokabulars war es aber auch, die den Falangisten Orientierung gab. Dazu gehörte einerseits die Überzeugung, einen neuartigen eigenständigen »Stil« zu besitzen, andererseits die Identifikation mit einer Organisation, die ihrem Verständnis nach »Optimismus« und »Heroismus« verbreitete.
Falangistische Erbauungspoesie Neben der Behauptung, über eine eigene Sprache zu verfügen, war für die falangistische Sprechweise die zwanghafte Verwendung eines positiv besetzten Vokabulars kennzeichnend. Es gebe, Jos8 Antonio Primo de Rivera zufolge, nur zwei Formen der Poesie, denn »gegenüber der Poesie, die zerstört, steht die Poesie, die verheißt!«623 Rafael S#nchez Mazas erläuterte in der ersten Ausgabe von Arriba diese Vorstellung: Die zentrale Aufgabe der Intelligenz sei eine Versprechungen machende, Hoffnung weckende Poesie.624 »Poesie« wurde als eine Form der Erbauungspoesie verstanden, in der sich positiv besetzte Wörter zur Erhebung der eigenen Bewegung und des Vaterlandes aneinanderreihen sollten. Die zentralsten dieser Wörter waren die Adjektive »fröhlich« (alegre), »heroisch« (herjico), »schön« (bonito), »groß« (grande), »stark« (fuerte), »harmonisch« (armjnico), »perfekt« (perfecto), »hervorragend« (excelente) und »süß« (dulce).625 In der Gründungsrede der Falange heißt es: »Ich glaube, die Flagge ist gehisst. Jetzt werden wir sie verteidigen, fröhlich und poetisch.«626 Das auffälligste Kennzeichen dieser Sprechweise war, dass dem asketischen und aufopfernden Habitus der Falangisten eine positive Konnotation verliehen wurde. Die Parteiführung beschrieb die jungen Falangisten als »stoische und fröhliche soldaditos.«627 Das Dienen in der Falange galt als »perfekte, glänzende 621 Vicente Rodr&guez Carro: Die philosophischen Grundlagen, S. 327–328. 622 Eutimio Mart&n: Falange y poes&a, in: Historia 16, Nr. 30, 1978, 125–128, S. 127; Barbara P8rez-Ramos: Poesie und Politik: Aspekte faschistischer Rhetorik im Spanischen Bürgerkrieg, in: Günther Schmigalle: Der Spanische Bürgerkrieg. Literatur und Geschichte, Frankfurt a. M., 1986, S. 147–180, S. 179; Jos8 Antonio P8rez Bowie: En torno al lenguaje po8tico fascista. La met#fora de la guardia eterna, in: Letras de Deusto, Bd. 15, Nr. 31, 1985, S. 73–96, S. 79. 623 JAPdR: Discurso de la fundacijn, S. 195. 624 Rafael S#nchez Mazas: Nacijn, unidad, imperio, in: Arriba, Nr. 1, 21. März 1935, S. 4. 625 Vgl. Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria, S. 119–121. 626 JAPdR: Discurso de la fundacijn, S. 194. 627 JAPdR: Ocasijn de EspaÇa, in: Libertad, 22. Oktober 1934, OC, S. 460–461.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
Unterordnung.«628 Ein jeder Milizionär opfere und kämpfe »fröhlich« und müsse, um dieser Fröhlichkeit Willen, ständig die Gefahr suchen: Um wirklich glücklich sein zu können, müsste ein Milizionär erst am Rande einer Tragödie stehen.629 Oft wurde in der Parteipropaganda auf die »Liebe« als antreibende Kraft der Falangisten verwiesen. Ein Falangist kämpfe, diene und stehe in den falangistischen Reihen einem »Gesetz der Liebe« folgend (ley de amor).630 Zur Verteidigung der eigenen Kämpfer sagte Jos8 Antonio Primo de Rivera im Sommer 1934, es würden Männer als Mörder beschuldigt, die nichts anderes machen würden, als ihre Liebe zu Spanien zu predigen. Diese Liebe predigten sie aber »nicht auf eine weiche, seichte Art«, sondern »entschlossen, energisch, mannhaft«, weshalb sie bereit seien für diese Liebe »das Opfer [ihres] Blutes anzubieten.«631 Mit demselben Argument, die Falangisten würden in ihren Taten nur der Liebe folgen, rechtfertigte er im März 1935 im Studentenmagazin HAZ das Töten: »Es ist nicht wichtig, dass das Skalpell Blut verströmt. Wichtig ist, dass es einem Gesetz der Liebe untersteht.«632 Weil die Falangisten den Falangismus als »Optimismus« und »Heroismus« verstanden, durften umgekehrt keine »pathologischen Konzepte« eines »dunklen Spaniens« in die spanische Jugend »gepflanzt werden«.633 Negativ besetzte Wörter sollten deshalb ganz aus dem falangistischen Sprachgebrauch verschwinden. In der Falange dürfe nicht gesprochen werden wie in den anderen Organisationen: »Runter mit diesem, runter mit jenem«.634 Dem Niederreden der anderen sei die Exklamation »Spanien in die Höhe!/Arriba EspaÇa!« entgegenzusetzen.635 Die Methode der »Kritik« ersetzten die Falangisten durch »Affirmation« des jeweils Entgegengesetzten, denn Meinungsverschiedenheiten seien obsolet. Der Heroismus entstünde nie durch eine »Meinung«, Falangisten hätten stets ein »Werk« zu rea628 H#bito y estilo, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 6. 629 El sacrificio en el tablero, in: Arriba, Nr. 19, 14. November 1935, S. 1. 630 Rafael S#nchez Mazas: Nacijn, unidad, imperio, in: Arriba, Nr. 1, 21. März 1935, S. 4. Rafael S#nchez Mazas: Rectitud, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 1. Rafael S#nchez Mazas: Brindis de R. S#nchez Mazas, in: Arriba, Nr. 10, 23. Mai 1935, S. 6. JAPdR: La Falange ante las elecciones de 1936, Arriba, Nr. 31, 6. Februar 1936, OC, S. 925–934, S. 927. 631 JAPdR: Resumen del discurso pronunciado en Callosa de Segura, 22. Juli 1934, La Nacijn 23. Juli 1934,OC, S. 416–417, S. 417. 632 JAPdR: EspaÇa incomoda, in: HAZ. 26. März 1935, OC 593–594, S. 594. 633 El r&o de la bencina, in: FE, 19. April 1934., Nr. 11, S. 4. 634 JAPdR: Discurso en C#ceres, 19. Januar 1936, in: Arriba, Nr. 29, 23. Januar 1936, OC, S. 905–908, S. 907. JAPdR: Discurso en Zaragoza, 26. Januar 1936, Arriba Nr. 30, 30. Januar 1936, OC, S. 912–914, S. 913. JAPdR: Resumen del discurso pronunciado en el Teatro Santander, 26. Januar 1936, in: Arriba, Nr. 30, 30. Januar 1936, OC, S. 915–917, S. 915. JAPdR: Interview, La Voz de Madrid, 14. Februar 1936, in: OC, S. 952–954, S. 952. 635 JAPdR: Discurso en C#ceres, 19. Januar 1936 , in: Arriba, Nr. 29, 23. Januar 1936, OC, S. 905–908, S. 907.
Falangistische Erbauungspoesie
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lisieren.636 In einem FE-Artikel mit dem Titel »Was wird aus der Kunst?« heißt es: »Aber dieser Optimismus wird nicht spontan geboren. Man muss ihn erschaffen. Und er erwächst im Leben und in der Kunst«.637 Neben diesen in der nationalen Presse verbreiteten Zeugnissen, die auch in die Provinzabteilungen gelangten, finden wir in den lokalen Zeugnissen aus Galicien dieselben Ausdrucksweisen reproduziert. Auf einem Flugblatt, das im Januar 1936 in Santiago de Compostela verteilt wurde, heißt es, die Falange sei weniger dazu geneigt »›Runter mit diesem, runter mit jenem‹ zu schreien, wir bevorzugen es ¡Arriba! zu schreien, ¡Arriba EspaÇa!«638 Ein Ourenser Falangist teilte diese Auffasung: »¡Arriba EspaÇa! war ein offensiver Schrei, der sogar bedeuten konnte, dass sie Dich ins Gefängnis sperrten.« Der seiner Meinung nach offensive positive Charakter der Falange verweise auf eine »fröhliche Miliz« und unter Zitierung des Programms »Habitus und Stil« fasste er zusammen: »Ich verstehe das Leben als einen Milizdienst.«639 Der Forderung nach der »Kreation« eines einheitlichen Optimismus entsprach auch die Forderung, dass sprachliche Vielfalt, schon durch die Mehrsprachigkeit der spanischen Regionen Realität, per »Poesie« in Eindeutigkeit verwandelt werden müsse. Katalonien verfüge zwar über ein »poetisches Sediment«, aber mit Hilfe der »neuen spanischen Poesie« wolle die Falange die katalonische Seele für das »totale Unternehmen« der Falange gewinnen.640 Die Beschränkung des Falange-Vokabulars auf wenige positive Worte und Sätze bei gleichzeitigem Aussparen von Verfassernamen oder der Verwendung von Synonymen in Zeitschriften und auf Flugblättern machte die Autorschaft an vielen Stellen nicht mehr identifizierbar. Auch dadurch wurde der Eindruck verstärkt, die Bewegung spreche mit »einer Stimme«. Drohte die Einheitlichkeit im Ausdruck zu schwinden, kam es zu Eingriffen seitens der Parteispitze. Dem Autor P8rez Cabo, der im August 1935 Jos8 Antonio Primo de Rivera ein Buch über die Falange vorlegte, machte der Parteiführer »einige Erklärungen«, woraufhin P8rez Cabo das komplette Buch umschrieb.641
636 Fundacion, in: FE, Nr. 12, 26. April 1934, S. 1. 637 ¿Que va a ser del Arte?, in: FE, Nr. 12, 26. April 1934, S. 11. 638 Ante las elecciones. Por EspaÇa una, grande y libre. Por la patria, el pan y la justicia, 12. Januar 1936 AHU/AM 2076, sucesos politicos 6. Propaganda. 639 Interview, Nr. 77, L.V., Ourense, 21. Januar 1989, in: UPDOC. 640 JAPdR: Los vascos y EspaÇa, en el parlamento, 28. Februar 1934, in: OC, S. 320–323, S. 320. 641 JAPdR: Prjlogo al libro ¡Arriba EspaÇa! de J. P8rez de Cabo, August 1935, in: OC, S. 746– 749.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
Antithetisches Sprechen: Spanien und Anti-Spanien Die Falangisten legten vom Oktober 1933 an ausdrücklichen Wert auf einen eigenen und ihrer Ansicht nach »neuen« politischen Stil. Doch worin bestand dieser Stil eigentlich? Ein Blick auf die Reden und Zeitungsartikel der Partei zeigt, dass das herausragende rhetorische Stilmittel der Falange die Antithese war, da es zwischen »Spanien« und »Anti-Spanien« ein Todesduell gebe.642 »Die Falange EspaÇola«, sagte Daniel Buhigas, Falange-Führer von Vilagarc&a am 18. April 1935 in Catoira, »ist apolitisch, mehr noch, sie hasst sie, die Politik.«643 Wir begegnen dieser Art des antithetischen Sprechens in der großen Mehrzahl der falangistischer Reden und Schriften. Die Polarisierung diente der Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen, was am deutlichsten in der Gegenüberstellung der Wortpaare von Spanier/Falangist – Antispanier/Nicht-Falangist zum Ausdruck kam. Es war Teil der politischen Strategie, einerseits rhetorisch auf eine Spaltung Spaniens hinzuarbeiten, andererseits aber zu behaupten, es ginge vor allen anderen Zielen um die Einheit der Klassen und des Landes: »In Spanien gibt es nicht mehr als zwei Jugendgruppen: diejenige, die mit uns ist, und diejenige, die gegen uns ist. Wir haben es bereits geschafft, das Feld zu spalten und Spanien von Anti-Spanien zu trennen.«644 Vor den Wahlen von 1936 schrieb Alejandro Salazar an die Provinzabteilungen des SEU, dass »die entscheidende Schlacht zwischen Marxismus und Nationalsyndikalismus« bevorstehe.645 In ihrer zugespitzen Form wurden die »Anti-Spanier« zu »Roten« (rojos) oder gar zu »Russen« erklärt. Seit der Ausrufung der Zweiten Spanischen Republik vom April 1931 war die Subsumierung sämtlicher linker politischer Kräfte unter der Bezeichnung rojos Teil des nationalkonservativen Diskurses. Dieses sprachlich und visuell konstruierte Bild einer vagen, kaum bestimmbaren und deshalb scheinbar umso größeren »roten Gefahr« prägte die falangistische Führung entscheidend mit, indem sie regelmäßig vor der »roten Welle«646, der
642 Rafael S#nchez Mazas: Guiones, in: FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 1. 643 Mitin de Falange EspaÇola de las JONS en Catoira, in: Arriba, 18. April 1935, Nr. 5, S. 3. 644 FE, Nr. 9, 8. März 1934, S. 1. Weitere Stellen, an denen diese Trennung gemacht wird: Rafael S#nchez Mazas: Guiones, in: FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 1. On8simo Redondo: Falange en Tordesillas, in: Arriba, Nr. 5, 18. April 1935, S. 3. Rafael Fern#ndez: Unidad del destino en lo universal, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 4. 645 Alejandro Salazar, Falange EspaÇola de las JONS, Sindicato Universitario, Madrid 2. März 1936, AGA. (7) 26.3 c.43/2415, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, AGA (7)26.3 43/2415, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid. 646 JAPDR: Hojas de la Falange – Obreros espaÇoles, in: Arriba, Nr. 20, 21. November 1935, OC, S. 822.
Antithetisches Sprechen: Spanien und Anti-Spanien
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»roten Horde«647 und der »roten Lawine«648 warnte. Das eigene Land, so beklagten die Falangisten, stehe inzwischen nur noch Moskau zu Diensten.649 Insbesondere Jos8 Antonio Primo de Rivera schürte in Parlamentsreden und Zeitungsartikeln immer wieder antirussische Ressentiments. Spanien, so der Tenor seiner Propaganda, sei fremdgesteuert, die Politik im Land liege nicht mehr in den Händen von Spaniern: »Jeden Tag ist der kommunistische Einfluss Russlands in der Brust der arbeitenden Masse spürbarer, einerseits übermittelt von den kommunistischen Parteien, andererseits von den Sozialisten.«650 – »Die entschlossenste Unterstützung, die England von Anfang an in Gibraltar erhalten hat, war diejenige von Russland.«651 – »Spanien geht unabänderlich auf eine Diktatur Largo Caballeros zu, die schlimmer sein wird als diejenige Stalins.«652 Die für die Falange-Rhetorik typische Polarisierung mündete nach Ansicht von Jos8 Antonio Primo de Rivera im Aufeinandertreffen zweier »Welt-Konzepte«. Einmal mehr stellte er dabei die »spirituelle« der »materiellen Revolution« gegenüber : […] entweder gewinnt das spirituelle Konzept, das okzidentale, christliche, spanische Konzept des Daseins, mit all dem, was es an Dienst und Opferbereitschaft erfordert, und ebenso mit all dem, was es an persönlicher Würde und patriotischem Anstand gewährt, oder es gewinnt das materialistische Konzept, das russische Verständnis des Daseins, das Spanien dem grausamen Joch einer roten Armee unterwirft und einer unerbittlichen Polizei, die das Land in lokale und von Russland überwachte Republiken auflöst, Katalonien, Baskenland, Galicien.653
In diesem Sinne lautete auch die Einschätzung des Wahlausganges im Februar 1936: »Russland hat die Wahlen gewonnen.«654 Die Assoziierung der spanischen Linken mit Nicht-Spaniern, die entgegen der Interessen des Landes handeln, sollte die Spaltung des politischen Lagers befördern. Auf eine zweite Funktionsweise des antithetischen Sprechens haben Monica und Pablo Carbajosa hingewiesen. Ihnen zufolge machten die Falangisten eine auf semantischer Ebene wirksame Unterscheidung zwischen der eigenen »Par647 Carta a los militares. Hoja clandestina escrita por Jos8 Antonio en la C#rcel Modelo de Madrid, 4. Mai 1936, in: OC, S.988–991, S. 991. 648 Falange EspaÇola de las JONS: Sindicato Universitario, Madrid, 2. März 1936, AGA, 26.3 43/ 2415, Sumario 119, asociacijn il&cita, 15. März 1936, Juzgado de instruccijn numero tres de Madrid. 649 Ebd. 650 Hojas de la Falange – Obreros espaÇoles, in: Arriba, Nr. 20, 21. November 1935, S. 4. 651 JAPDR: Sobre la pol&tica internacional espaÇola. Discurso pronunciado en el Parlamento, 2. Oktober 1935, OC, S. 753. 652 JAPDR: Reunijn celebrada, 15. und 16. Juni 1935, Gredos, in: OC, S. 711–713, S. 711. 653 JAPDR: La Voz del jefe desde el calabozo, Hoja escrita por Jos8 Antonio en los sjtanos de la Direccijn General de Seguridad, 14. März 1936, S. 971–973, S. 972. 654 Ebenda.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
tei« (partido), stets im positiv besetzten Singular erwähnt, im Gegensatz zu anderen »Parteien« (partidos), über die sie grundsätzlich im negativ besetzten Plural sprachen. Organisationen und Handlungen der Partei-Mitglieder stellten die Falangisten nach folgendem Schema einander gegenüber : Falange = Bruderschaft (hermandad), Familie (familia), Organisation (organizacijn), Festakt (ceremonia), Doktrin (doctrina). Andere Parteien = Banden (bandas), Splittergruppen (grupfflsculos), Organisationen (organizaciones), Treffen (m&tines), Ideologien (ideolog&as).655 Jos8 Carlos Mainer und Jos8 Antonio P8rez-Bowie haben auf weitere in diesem Sinne funktionierende Abgrenzungen aufmerksam gemacht, nämlich auf die Gegenüberstellungen der Wortfelder Zivilisation/Barbarei (civilizacijn/ barbarie), Licht/Dunkelheit (luz/oscuridad) und Deutlichkeit/Undurchsichtigkeit (lo exacto/lo turbio).656 Aus dem Wortfeld Zivilisation/Barbarei (civilizacijn/barbarie) wählten die Falangisten zur Selbstcharakterisierung vorwiegend Wörter aus, die der Unterstreichung der Ordnung dienten: »Hierarchie« (jerarqu&a), »Einheit« (unidad), »Autorität« (autoridad), »Disziplin« (disciplina). Die anderen Parteien hingegen charakterisierten sie als unordentliche Zusammenschlüsse, als »Horden« (hordas) und »Wilde« (salvajes), die zur »Konfusion« (confusijn) beitrugen.657 Weiterhin identifizierten die Falangisten ihre eigene Bewegung mit Begriffen wie »Licht« (luz), »Morgenröte« (aurora), »Sonnenaufgang« (amanecer), »Sternen« (estrellas) und »Klarheit« (claridad). Andere Parteien brachten sie mit Begriffen wie »Schatten« (sombras), »Dunkelheit« (oscuridad), »Nebel« (niebla) und »Höhlen« (cuevas) in Verbindung.658 Zudem floss die rhetorisch schon im italienischen und deutschen Faschismus wirksam gemachte Dichotomie von »Jung und Alt«, in die Falange-Rhetorik ein. Falangisten sprachen, wie die italienischen und deutschen Faschisten auch, der eigenen Gemeinschaft Attribute wie »Stärke« (fuerza), »Manneskraft« (virilidad) und »Heroismus« (heroismo) zu, den anderen politischen Gruppen dafür »Schwäche« (debilidad), »Verfall« (decadencia) und »Stagnation« (estancamiento).659 Neben diesen sprachlichen Abgrenzungen von den politischen Feinden nahmen die Falangisten für sich selbst in Anspruch, Gegensätze aufzuheben. Ein 655 Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria, S. 114. 656 Jos8 Carlos Mainer: Falange y Literatura, Barcelona 1971, S.31. Jos8 Antonio P8rez Bowie: Retoricismo y estereotipacijn, rasgos definidores de un discurso ideologizado. El discurso de la derecha durante la guerra civil, in: Julio Arjstegui (Hg.): Historia y memoria de la guerra civil. Encuentro en Castilla y Leon, I: Estudios y ensayos, Valladolid 1988, S. 355–373, S. 370. 657 Ebenda, S. 370. 658 Ebenda, S. 371. 659 Vgl. zu Deutschland und Italien: Sven Reichardt: Faschistische Kampfbünde, S. 356–357.
Antithetisches Sprechen: Spanien und Anti-Spanien
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grundsätzlicher rhetorischer Zug, der ebenso für die Rhetorik anderer faschistischer Bewegungen in Europa Gültigkeit besitzt, ist die Behauptung, nur die eigene Partei sei politisch »weder links noch rechts« einzuordnen. Sie sei die Volksbewegung oder – in falangistischer Ausdrucksweise – die »Massenbewegung« (movimiento de masas) des spanischen Volkes. Zum einen kam in dieser Behauptung der antiparlamentarische Charakter zum Ausdruck, dass mit herkömmlichen politischen Klassifizierungen wie »links« oder »rechts« die Falange nicht zu beschreiben sei. Andererseits definierten die Falangisten damit den eigenen Bewegungscharakter. Es handle sich bei der Falange um eine Volksbewegung, ein politisches Angebot, das für jeden gelte und fernab der »Differenzen« (disputas) und »Zwistigkeiten« (discordias) der Parteipolitik erlebt werden könne, in »Gemeinschaft« (comunidad) und »Einheit (unidad).« Diese angeblich Gegensätze aufhebende Kraft der Falange-Politik wurde wiederum durch die ausgiebige Verwendung floskelhafter Redewendungen verstärkt, die eben diese Kraft in metaphorischer Weise umschrieben. Nur die Falange kämpfe für Himmel und Erde.660 Nur die Falange kümmere sich um Leben und Tod.661 Nur die Falange vereinige Vergangenheit und Zukunft.662 Denn nur die Falange strebe nach ewigen Werten (valores eternos).663 In den Worten Pilar Primo de Riveras: »Ihr seid für uns wie für die Erde die Sonne und der Mond, die mit Leben die Tage und die Nächte füllen.«664 Auf rein sprachlicher Ebene kam es auch zur scheinbaren Aufhebung von Gegensätzen. Die Freiheit des Falangisten sei »die freie Hörigkeit« (la libre servidumbre).665 Der Falangist verfolge »einen gut bewaffneten Frieden« (una paz bien armada).666 Der militaristische Charakter der Falange wurde durch diese Art der Rhetorik mit seinem vermeintlich friedlichen Zweck begründet. Semantisch konstruierten die Falangisten also zwei Räume, einen Raum, der das »falsche« Spanien darstellte, und einen Raum, den die eigene Partei symbolisierte und den es auf ganz Spanien auszuweiten galt. Zur genaueren Beschreibung dieses Raumes dienten neben den angeführten Wortfeldern und Redewendungen vor allem die Verwendung von Architektur- und Geometriemetaphern.
660 JAPdR: Discurso de proclamacion de Falange EspaÇola de las JONS, 4. März 1934, in: OC, S. 327–333, S. 327. 661 JAPdR: Movimiento hacia las entraÇas de EspaÇa, in: OC, S. 331–333, S. 332. 662 JAPdR: Discurso en el Cine de Marid, 19. Mai 1935, in: OC, S. 676–686, S. 678. 663 JAPdR: Discurso de proclamacion de Falange EspaÇola de las JONS, 4. März 1934, OC, S. 327–333, S. 327. 664 Circular numero 48, Salamanca 1937, Delegacijn Nacional de la Seccijn Femenina de FET y de las J.O.N.S, in: Circulares de la Delegada Nacional, aÇos 1936–1943, S. 13. 665 JAPdR: Alas de EspaÇa, FE, Nr. 7., 22. Februar 1934, OC, S. 313. 666 Rafael S#nchez Mazas: Rectitud, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
Raumvorstellungen: Vertikales Streben »Raum« ist, wie Achim Landwehr feststellt, nicht einfach nur Umwelt, die sich eindeutig von der Gesellschaft trennen ließe, sondern ein »konstruktives Element sozialer Beziehungen, das aus gesellschaftlicher Praxis hervorgeht«.667 Den Faschisten in ganz Europa war dieser Umstand sehr bewusst, weshalb die sprachlich-künstlerische Formung des sozialen Raumes eines ihrer zentralen Themen darstellte. »Regelmäßigkeit« lautete im Faschismus das entscheidende Prinzip, um die politischen Vorstellungen diskursbestimmend zu festigen.668 Auch die Falange versuchte, über die propagandistische Verbreitung eigener Raumvorstellungen eine Regelmäßigkeit herzustellen. Der »Raum« im falangistischen Sinne war eine von allen Mitgliedern der falangistischen Bewegung herbeigeführte, doch von ständiger Aktualisierung abhängige Konstruktion. Die Verwendung von Sprache durch die Milizionäre – beim Singen, Dichten und Reden – sollte zur Konstruktion des Raumes beitragen. Die Sprache stellte die – und auch hierfür verwendeten die Falangisten eine Metapher – »Bausteine« der falangistischen Konstruktion dar.669 Abermals flossen beim Entwurf der Sprachbilder die Kenntnisse über die gesellschaftliche Festigung anderer faschistischer Bewegungen ein. Dass jedoch die Reflektion ästhetischer Prinzipien selber Teil der Propaganda wurde, hing abermals mit dem stark theoretisch orientierten Flügel innerhalb der Falange-Führung zusammen. In seinem Buch Arte y Estado von 1935 führt der Falangist und Schriftsteller Ernesto Gim8nez Caballero den Vorrang aus, den seiner Ansicht nach vor allem die Architektur bzw. das architektonische Vokabular für die Beschreibung politischer Sachverhalte besitze: »Auf dass die anderen Künste – wie funktionelle falanges – sich disziplinieren und für die Besetzung ihres Kampflatzes bereit machen. Die Architektur hat den Führerstab inne.«670 »Strukturieren, erbauen, ordnen«, erläuterte Gim8nez Caballero, seien die wichtigsten Verben des Staates 667 Achim Landwehr : Raumgestalter. Die Konstruktion politischer Räume in Venedig um 1600, in: Jürgen Martschukat, Steffen Patzold: (Hg.): Geschichtswissenschaft und »performative turn«. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln 2003, S. 161–184, S. 163–164. 668 In Deutschland hielten 1928 300 Redner der NSDAP rund 20.000 Propaganda-Veranstaltungen ab. Im selben Jahr gründete die Partei für die Ausbildung ihrer Propagandisten sogar eine eigene Rednerschule. Vgl. Michael Wildt: Geschichte des Nationalsozialismus, Göttingen 2008, S. 48. 669 Thomas Mermall spricht von der Wichtigkeit der Architekturmetaphern für das falangistische Sprechen, sagt, deren Ursprung liege bei Eugenio D’Ors, analysiert die Metaphern allerdings nicht. Vgl.: Thomas Mermall: Aesthetics and politics in falangist culture (1935– 1945), in: Bulletin of Hispanic studies, Nr. 50, 1973, S. 44–50, S. 50. 670 Ernesto Gim8nez Caballero: Arte y Estado, Madrid 1935, in: Ernesto Ginm8nez Caballero: Casticismo, nacionlismo y vanguardia (Antolog&a 1927–1935) zusammengestellt von Jos8 Carlos Mainer, Madrid 2005, S. 189–242, S. 216.
Raumvorstellungen: Vertikales Streben
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sowie jeder weiteren künstlerischen Disziplin, die zur Beschreibung des Staatlichen herangezogen würde.671 »Die Zeit einer neuen Architektur ist gekommen, eines neuen konstruktiven Stils«.672 Das Italien Mussolinis stellte für Gim8nez Caballero das zentrale Vorbild für die Wechselwirkung von künstlerischer und staatlicher Konstruktion dar, womit er 1935 in Arte y estado eine Argumentation zusammenfasste, an deren Ausformulierung er sich schon 1934 in der Zeitung FE und 1935 in Arriba beteiligt hatte. Der italienische Faschismus, so lobte bereits die erste Ausgabe von FE, habe die Verbindung von Architektur und Politik am besten erkannt.673 In der zweiten Ausgabe wurde Mussolini als beispielhafter Konstrukteur angeführt.674 In der dritten Ausgabe kam es zum Abdruck einer Landkarte, auf der Steine über die Iberische Halbinsel geschichtet wurden: Der Bau eines neuen Spaniens.675 Die Anlehnung an Italien bekräftigte Gim8nez Caballero in einer Artikelserie mit dem Titel »Spanien und Rom«. In 2000 Jahre umfassenden historischen Abrissen beschwor Caballero die Größe des römischen Weltreiches, begleitet von Fotos antiker römischer Paläste. Abgebildete Büsten zeigten mit Trajan und Seneca, je einen römischen Kaiser und Dichter, beide von der Iberischen Halbinsel stammend. Der begleitende Text stilisierte sie zu besonders hervorragenden Vertretern des Römischen Weltreiches.676 Derselben auf Architektur und Geometrievokabular gestützten Rhetorik bediente sich Jos8 Antonio Primo de Rivera. Sein Vorwort zur spanischen Fassung von Mussolinis Buch »Der Faschismus« vom Oktober 1933 beschränkte sich auf eine Beschreibung der Innenarchitektur von Mussolinis Büro.677 Im 671 672 673 674
Ebenda, S. 216. Ebenda, S. 216. Victor D’Ors P8rez-Peix: Cronicas de Italia, in: FE, Nr. 1, 7. Dezember 1933, S. 11. Dies geschah über einen Comic. Mussolini, auf einem Gerüst stehend wird von einem Diplomaten auf eine Gefahr hingewiesen. Mussolini antwortet: »Seine Exelenz ist Maurer gewesen?« – »Oh!« antwortete der Diplomat. »Ich schon [entgegnete Mussolini], und ich weiß, wo man die Füße einer Konstruktion aufstellt«, in: FE, Nr. 2., 11. Januar 1934, S. 8. 675 FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 2. 676 Ernesto Gim8nez Caballero: EspaÇay Roma IV, in: FE, Nr. 5, 2. Februar 1934, S. 9. Siehe auch: JAPdR: Discurso en Cjrdoba, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, OC, S. 670–671, S. 670. Siehe zu diesem Aspekt und zu den Verweisen auf die Antike in der Falange nach dem Bürgerkrieg, Antonio Dupl#: Falange e Historia Antigua, in: Manuel Alvarez Mart&-Aguilar, Fernado Wulff Alonso (Hg.): Antigüedad y Franquismo, M#laga 2003, S. 75–94. 677 »Ich habe Mussolini aus der Nähe gesehen, eines Nachmittags im Oktober 1933, im Palazzo Venezia in Rom. Jenes Interview ließ mich den italienischen Faschismus genauer erkennen als die Lektüre vieler Bücher. Es war um 18.30 Uhr am Nachmittag. Im Palazzo Venezia war nicht der geringste Anschein von Hetzerei. An der Tür standen zwei Milizionäre und ein friedlicher Portier. Man könnte sagen, dass das Eintreten in den Palazzo, in dem Mussolini arbeitet, leichter ist als der Zugang zu irgendeinem Zivilregierungsgebäude. Kaum hatte ich dem Portier das Amtsschreiben gezeigt, auf dem mein Termin vermerkt war, wies er mir den Weg, über breite leere Treppen, bis zum Vorraum Mussolinis. Drei oder vier Minuten
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
Februar 1934 verteidigte er im Parlament den Faschismus mit dem Argument, dieser sei ein europäisches Phänomen, das derzeit auch in Spanien Fuß fasse. Den Faschismus benannte er dabei als grobe Idee, gleichzeitig aber als feststehendes System, das mit der Euklidischen Geometrie zu vergleichen sei.678 Im April 1934 erklärte er, die Revolution der falangistischen Bewegung sei nicht der Umsturz, der ungeordnete Aufstand in den Straßen, dies widerspräche seinen eigenen ästhetischen und politischen Neigungen: »Die Politik ist eine große Aufgabe der Erbauung.«679 Spanien betrachtete er als Werk (obra).680 Das vorfalangistische Spanien galt deshalb, und trotz des ständigen Lobes des 15. und 16. Jahrhunderts, als »Ruine«.681 Er lobte die »schöne Architektur« oder die »harmonische Architektur« Spaniens, sagte dann wiederum diese Architektur gelte es erst zu konstruieren.682 Dabei beklagte er, die Linke sei gegen jegliche »politische Architektur«683. Architekturmetaphern waren im Verständnis der Falange folglich polyvalent: Sie riefen auf zur Konstruktion eines neuen Spaniens und waren in ihrer Eigenschaft, architektonisches Vokabular zu sein, bereits selbst Teil dieser anzustrebenden Konstruktion auf sprachlicher Ebene. Welche soziale Funktion erfüllte dieses Vokabular? Neben dem Aufruf zum Bau des neuen Spaniens und der Unterstreichung der steinernen Gemeinschaft kam die durch Architektur- und Geometriemetaphern strukturierte Sprechweise einer stetigen Reproduktion innerparteilicher Machtverhältnisse gleich. Architekturmetaphern dienten dem Ausdruck eines Höhenunterschiedes und manifestierten mit jeder Erwähnung aufs Neue die falangistische Hierarchie. Die größten architektonischen Werke, hieß es, stammten von einem »König« oder einem jefe.684 Die Vertikalität sei Ausdruck des falangistischen Lebensstils: »Vertikalität: Magistrale Linie des Menschen und des Gebäudes.«685 Dement-
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später ging die Tür auf. Mussolini arbeitete in einem riesigen Zimmer, aus Marmor, fast ohne Möbel. Dort, in einer Ecke, am anderen Ende von der Eingangstür aus gesehen, saß er hinter seinem Arbeitstisch. Man sah ihn von Weitem, allein in der Unermesslichkeit des Saales.« JAPdR: Prjlogo a »El Fascismo«, Oktober 1933, in: OC, S. 183–184. JAPdR: La Falange y la F.U.E. Discurso en el Parlamento, 1. Februar 1934, OC, S. 278–284, S. 282. JAPdR: Revolucijn, La Nacijn 28. April 1934, OC, S. 363–364, S. 363. Zur generellen Bedeutung des Wortes revolucijn als Verteidigung des Status quo, siehe: Michael ScottiRosin: Die Sprache der Falange und des Salazarismus, S. 74. JAPdR: Resfflmen del discurso pronunciado en el pueblo de Almoradiel, 22. April 1934, in: FE, Nr. 12, 26. April 1934, OC, S. 360. JAPdR: Discurso en el Cine de Marid, 19. Mai 1935, OC, S. 676–686, S. 678. »Ein starkes und architektonisch harmonisches Spanien unter dem Sonnenlicht war gelebter Traum […]« JAPdR: Como aquel doncel de sigüenza, in: FE Nr. 7., 22. Februar 1934, OC, S. 314. »[…] das ist, was bleibt von der schönen Architektur Spaniens.«, EspaÇa es irrevocable, in: OC, S. 413–415, S. 415. JAPdR: Conferencia en el Circulo Mercantil de Madrid , OC, S. 625–643, S. 640. JAPdR: EspaÇa al azar, in: Arriba, Nr. 25, 26. Dezember 1935, OC, S. 871–872. Rafael S#nchez Mazas: Rectitud, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 1.
Raumvorstellungen: Vertikales Streben
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sprechend sollten alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer in denselben »vertikalen Syndikaten« zusammengefasst werden.686 Das eigene Streben beschrieben die Milizionäre stets als Streben in vertikaler Richtung, nach »hohen, universellen, göttlichen Dingen«687. Der Bau des neuen spanischen Hauses müsste zum Himmel hin offen sein: »Das Haus der Zukunft, offen zur Sonne und zur Luft des Vaterlandes«688. Der Weg nach oben gehe aber nur über die »schwierige Treppe« (escalera dif&cil).689 Damit war einerseits die Möglichkeit des Aufstiegs innerhalb der Parteihierarchie benannt, andererseits ein das Leben überschreitender Aufstieg bis in den Himmel. Denn die Gegenwart sei gekennzeichnet durch Horizontalität. Anzustrebendes Ziel sei jedoch der »vertikale himmlische Aufstieg«690. Die Vertikalität als allumfassende Form des Lebens erreichte damit ihre vollgültige Umsetzung erst durch die Ausweitung des Lebens bis ins Jenseits, wo sich, der Vorstellung nach, die in den Straßenkämpfen gestorbenen Falangisten befanden. Diese standen, so die Vermittlung in der Parteipresse, in ständigem Dialog mit den Lebenden und kämpften weiterhin an der Seite ihrer Kameraden. Weil die Falangisten noch im Tod als integraler Bestandteil des Kampfbundes zählten, hatten für sie dieselben Richtlinien Gültigkeit wie für die Lebenden. Auch das Paradies, sagte Jos8 Antonio Primo de Rivera, müsse vertikal erlebt werden, man könne dort nicht ausgestreckt liegen, sondern müsse aufrecht stehen »wie die Engel«.691 Die bedeutenden Einheiten im Falangismus, Falangist, Vaterland, Welt, fassten die Propagandaschriften also als architektonische Räume. Den kleinsten dieser Räume stellte die Psyche des Falangisten dar, in dem sich die weiteren Räume zusammensetzten: Die Falange, der Staat, die Nation, das Paradies, der Himmel, das Imperium, das Universum. Unabhängig davon, welche dieser Bezugsgrößen gewählt wurde: Die Beziehung des Falangisten zu seiner Umwelt zeichnete sich stets durch eine hierarchische vertikale Struktur aus. Dabei war der Blickwinkel stets in die Höhe gerichtet. Innerhalb der Partei richtete er sich von den Falange-Kämpfern zu den Führern (jefes territoriales, jefes provinciales etc.), von diesen zur junta bzw. zum jefe nacional; von der Partei als Gesamtheit richtete er sich gen Himmel. Im Titel des zentralen falangistischen Liedes Cara al sol, das die Milizionäre seit seiner Komposition im Dezember 1935 auf jeder falangistischen Veranstaltung sangen, wurde diese Blickrichtung erneut aufgegriffen und mit jedem Singen des Liedes in Szene gesetzt. Diese Inszenierung 686 687 688 689 690 691
Puntos program#ticos de Falange, in: OC, S. 478–482. Rafael S#nchez Mazas: Rectitud, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 2. Contienda por lo necesario, in: Arriba, Nr. 11, 30. Mai 1935, S. 2. Rafael S#nchez Mazas: Unidad, nacijn, imperio, in: Arriba, Nr. 1, 21. März 1935, S. 4. O. A.: La EspaÇa que hace, in: FE, 19. April 1934, Nr. 11, S. 3. JAPdR: Discurso en el Cine de Marid, 19. Mai 1935, OC, 676–686, S. 684.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
entsprach der ästhetischen Umsetzung des für den Faschismus charakteristischen »Führerprinzips«. Derselbe Blick in Richtung Sterne stellte die Verbindung mit den verstorbenen Falangisten der Guardia de las estrellas her. Der faschistische Armgruß in Richtung Podium und die Begrüßungsfloskel Arriba EspaÇa sind weitere Ausdrucksformen der falangistischen Ordnung und dem darin eingelassenen vertikalen Streben. Über Sprachbilder sollten patriotische Gefühle in eine statische, geometrische Form gefasst werden, auch gerade in der Hoffnung, damit Gefühlswelt zu Welt werden zu lassen: »Aus dem Patriotismus darf man kein vages Gefühl machen, den jeder Wankelmut welk machen kann, sondern eine Wahrheit, so unbeweglich wie die mathematischen Wahrheiten.«692 Die Falange als Movimiento war demnach sowohl eine Gruppenbewegung, die des Kampfbundes Falange, als auch eine Denk-Bewegung oder Gefühls-Bewegung eines jeden Falangisten. Die Gemeinschaft sollte sich von vorwiegend statischen, für alle Mitglieder identischen Bildern leiten lassen. Mit der Vorstellung der vertikalisierten Falange-Gemeinschaft und dem Willen, das Ideal der totalen Hierarchisierung auf Spanien zu übertragen, ging die Umsetzung dieser Ziele auf künstlerisch-bildnerischer Ebene einher. Der politische Anspruch fand Ausdruck in der Motiv- und Perspektivwahl des propagandistischen Bildmaterials. Auffällig ist der auf Foto- und Plakatmotiven regelmäßig vorgeführte Perspektivwechsel zwischen Unter- und Vogelperspektive. Selten wird sich um eine Perspektive bemüht, bei der Betrachter und Objekt sich auf Augenhöhe begegnen können. Dass die Falangisten gerade bei Selbstinszenierungen Perspektiven suchten, die ihr Himmelsstreben verbildlichen, zeigen mehrere Fotos von Falange-Gruppen aus der Republikzeit. Die Milizionäre wählten stets hohe Gebäude als Fotomotive aus, auf denen sie dann kerzengerade posierten. Milizionäre in Toledo fertigten ein Gruppenbild auf einer Burg an; als im Mai 1936 die gesamte Führungsebene der Falange von A CoruÇa aus dem Gefängnis frei kam, ließen die Falangisten sich auf dem Wahrzeichen der Stadt fotografieren, dem aus der Römerzeit stammenden Leuchtturm Torre de H8rcules, im Hintergrund das Stadtgefängnis.693 Berühmt ist das Foto der Sevillaner Falange, die sich am 14. April 1934, dem dritten Jahrestag der Ausrufung der Republik, auf den vier Balkonen eines fünfstöckigen Gebäudes versammelte, um über dem Festumzug, der die Straßen durchquerte, den Arm zum faschistischen Gruß zu heben.694
692 JAPdR, in: JONS, Nr. 16, April 1934, OC, S. 347–351, S. 350. 693 Carlos Fern#ndez Santander : La Guerra Civil, S. 36. 694 Vgl. das Titelbild von Jos8 Antonio Parejo Fern#ndez: SeÇoritos.
Historische Mythen und das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit
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Zeitvorstellungen: Historische Mythen und das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit Einerseits wollten die Falangisten über eine neue Sprechweise (die sie als neue Sprache titulierten) und damit über einen neuen Zugang zur Wirklichkeit verfügen. Andererseits stellten sie sich in die Tradition einer als glorreich verstandenen spanischen Geschichte. Das Fehlen einer falangistischen Tradition versuchten sie zu kompensieren, indem sie sich auf Einzelaspekte der spanischen Geschichte beriefen und diese sinnstiftend in den Entwurf der eigenen Parteigeschichte integrierten. Sich selbst verstanden die Falangisten als legitime Verwalter der als glorreich erinnerten Vergangenheit. Doch argumentierten sie nicht bloß damit, dass ihr Symbol, das yugo y flechas, bereits von den Katholischen Königen als Symbol der Einheit benutzt worden sei sowie, dass die Falange sich auf einem »Kreuzzug« befinde und es um die reconquista Spaniens gehe.695 Auch durch die Form der Narration suggerierten die Falangisten eine zeitliche Nähe zu bedeutenden historischen Ereignissen. Erzähltheoretisch gesprochen, lesen sich die Parteigeschichten als Darstellungen extremer Zeitraffung, hergestellt durch die Verbindung von Analepsen und Prolepsen, Zeitsprüngen in die Vergangenheit und in die Zukunft. Das heißt, weit zurückliegende Ereignisse wurden stets so präsentiert, als seien diese erst vor kurzem geschehen, Ereignisse der eigenen, jungen Parteigeschichte hingegen so, als lägen diese zeitlich schon sehr weit zurück. Gim8nez Caballero sprach 1932 vom Westfälischen Frieden, als hätte er persönlich im Münsteraner Rathaus gestanden: »Noch bewahrt meine Erinnerung die beklemmende Erscheinung jenes Friedenssaales: eines Morgens im Rathaus von Münster.«696 Der Vorsitzende des SEU, Alejandro Salazar, redete 1935 beim Rückblick auf die Anfänge der falangistischen Bewegung, die sich ein Jahr zuvor, 1934, zugetragen hatten, wie von zeitlich weit zurückliegenden Tagen: »Noch erinnere ich die Tage, in denen man es als wahrhaften Heroismus betrachten konnte, über der Brust das Pfeilbündel unserer Postulate und das Joch unserer Einheit zu tragen«.697 Das Ziel dieser Rhetorik war, für eine Beschleunigung der eigenen Historisierung zu sorgen. Wo es keine Tradition und keine Geschichte gab, erfanden die Falangisten sich kurzerhand eine. Die angebliche Nähe weit zurückliegender Geschichte zur eigenen Zeit stellten die Sprecher entweder durch den histori695 Manfred Böcker : Tradition und Moderne im spanischen Faschismus der Zweiten Republik (1931–1936), in: 60 Jahre Spanischer Bürgerkrieg. Fundus – Online Forum für Geschichte, Politik und Kultur der späten Neuzeit: http://www.fundus.d-r.de, Göttingen 1998, S. 55–76, S. 59. 696 Ernesto Gim8nez Caballero: Genio de EspaÇa, S. 30. 697 Alejandro Salazar : En la sesijn inaugural del consejo nacional del S.E.U, in: HAZ, Nr. 4, 30. April 1935, S. 8.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
schen Vergleich oder durch die Verbindung von historischen Ereignissen mit Orten her. So schrieb Rafael Garc&a Serrano im April 1935 einen Artikel über Isabel von Kastilien, in dem er die Herrscherin als treibende Kraft für die Einigung Spaniens darstellte. Die historische Situation verglich er mit derjenigen der Falange in der Gegenwart und erkannte in der politischen Situation deutliche Parallelen. Denn kein geringerer als der Parteiführer, Jos8 Antonio Primo de Rivera, sei Isabels zeitgenössisches Pendant: Und als Kastilien die Brust breit machte, hatten die Adligen und Dorfbewohner der Spanischen Halbinsel Gelegenheit, die Welt mit ihren Leichen einzugrenzen und ihr in sämtlichen Ecken einen Anstrich roten Blutes zu verleihen. Wenn wir heute, 1935, durch viele materielle Jahre von diesem großen moralischen und materiellen Anfang [Spaniens] getrennt, den getrübten Spiegel unserer Tage ansehen, können wir nicht anders als über diese Tragödie lächeln, die tollpatschige Leute für uns erdacht haben. Auch 1935 gibt es eine Idee und einen jefe, die danach trachten zu vereinen, im Guten wie im Bösen, und die an der Fahne das wegbereitende Blut tragen, und das populäre Dreieck der Liebe, der Angst und des Hasses, wedelnde Schleifen, an der Spitze das Symbol mit dem Joch und den Pfeilen.698
Der Parteiführer nahm seinerseits einen ganz ähnlichen Vergleich vor, in dem er eine historische Begebenheit auf die Gegenwart übertrug, um diese als richtungsweisend für die eigene Partei zu deuten. Am 4. März 1934 beschrieb er das Meer Spaniens als dasjenige Meer, das der Nation schon in der Schlacht von Lepanto 1571 den militärischen Sieg und, damit verbunden, den Sieg des Christentums über den Islam beschert habe.699 Auf der von der Falange initiierten Demonstration in Madrid gegen den Arbeiteraufstand in Asturien vom 7. Oktober 1934 sprach er erneut über die Schlacht von Lepanto, diesmal, weil der Sieg in jener Schlacht die Einheit Europas gesichert habe und damit als vorbildhafte Schlacht gesehen werden müsse für diejenige um die Einheit Spaniens: Regierung Spaniens: An einem 7. Oktober wurde die Schlacht von Lepanto gewonnen, was die Einheit Europas sicherte. An diesem 7. Oktober habt ihr uns die Einheit Spaniens zurückgegeben. Welche Bedeutung hat der Kriegszustand? Wir, zuerst eine kleine Jungs-Gruppe und dann diese Masse, die ihr seht, mussten herkommen, um Euch Danke zu sagen, auch wenn sie uns über den Haufen schießen. Es lebe Spanien! Es lebe die nationale Einheit!700
Im April 1935 blickte Jos8 Antonio Primo de Rivera wiederum auf die ein halbes Jahr zuvor durchgeführte und nunmehr als glorreich erinnerte Demonstration 698 Rafael Garc&a Serrano: La primera v8rtebra, in: HAZ, Nr. 2, 2. April 1935, S. 2. 699 JAPdR: Discurso de proclamacion de Falange EspaÇola de las JONS, 4. März 1934, in: OC, S. 327–333, S. 331. 700 JAPdR: Palabras pronunciadas en Madrid, 7. Oktober 1934, in: OC, S. 449.
Historische Mythen und das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit
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vom Oktober 1934 zurück. Abermals verwendete er zur Historisierung falangistischer Parteiaktivitäten den Vergleich mit der Schlacht von Lepanto. Wieder wurde dabei, wie schon im März 1934, der Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse durch den Blick auf Naturgegebenheiten ersetzt. War im März 1934 sein hauptsächliches Argument zur Begründung der historischen Gleichheit gewesen, dass das Meer auf dem die Schlacht von Lepanto 1571 gewonnen wurde, auch 1934 immer noch dasselbe Meer wie ehedem sei und Spanien folglich naturgemäß zu historischer Größe vorbestimmt, so verwies er jetzt auf die Sonne über den Straßen am Demonstrationstag des 7. Oktober 1934. In Madrid habe dieselbe Sonne geschienen, die schon damals über Lepanto gestanden hatte: Die Umstände für einen Sieg, so der Appell, seien also dieselben wie damals und infolgedessen die von der Falange initiierte Demonstration gleichfalls geschichtsträchtig. Denn »über der Straße schimmerte die Sonne, die an einem anderen 7. Oktober über den Schiffen von Lepanto schien.«701 Die für die Falange wichtigen historischen Ereignisse, egal ob wenige Monate oder Jahrhunderte zurückliegend, stellten die Falangisten erstens so dar, als hätten sich die für einen bestimmten Zeitpunkt maßgeblichen Umstände bis in die Gegenwart nicht verändert – die Naturgegebenheiten seien schließlich immer noch dieselben. Zweitens präsentierten sie die Ereignisse so, als lägen diese zeitlich dicht beieinander, eine narrative Strategie, die sie auch für Darstellung der erhofften falangistischen Zukunft Spaniens benutzten. Auch die angeblich glorreiche Zukunft war in falangistischer Sprechweise immer fast schon Gegenwart: »Unsere isolierte Propagandaarbeit wird uns an einem nicht weit entfernt liegenden Datum den Triumph bescheren.«702 – »Seid sicher, dass, wenn wir in diesen Monaten den Ertrag einfahren, den ich erwarte, wir im kommenden Jahr mit dem ausgestreckten Arm die Morgendämmerung grüßen.«703 Durch Zeitraffung im Aufbau von Artikeln und Reden verbanden die Falangisten die glorreiche Vergangenheit scheinbar mit der glorreichen Zukunft. Dazwischen lag die kurze kaum erwähnte und vom Kampf geprägte Gegenwart. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Zukunftsvisionen der Falangisten, sofern sie einmal ausformuliert wurden, letztlich auch nur Spiegelungen der Vergangenheit darstellten. Ihren Kampf gegen die Spanische Republik deuteten die Falangisten als Kulturkampf und führten daher historische Konflikte vor, die im Übertrag in die Gegenwart zu Synonymen des eigenen Konfliktes wurden. Als Ergebnis dieser Gleichsetzungen blieb für die Zukunft Spaniens eine überaus simplifizierte Erfolgsgeschichte, wie sie angeblich schon aus der Vergangenheit 701 JAPdR: Siete de Octubre, Arriba, Nr. 3, 4. April 1935, OC, S. 613. 702 Alejandro Salazar : Consigna, in: Haz, Nr. 2, 2. April 1935, S. 4. 703 Alejandro Salazar : Consigna, in: Haz, Nr. 5, 28. Mai 1935, S. 4.
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bekannt war. Die Falange werde gewinnen A: wie die Christen im Kreuzzug über den Islam, B: wie die Christen die reconquista, C: wie die Christen die Schlacht von Lepanto. Die für die Zukunft erstrebenswerte Modellepoche, die in diesen Vergangenheitsbezügen regelmäßig anklang, war das Mittelalter, eine von monarchistischen Strukturen, offenen Feldschlachten und einem stark hierarchisierten ländlichen Sozialgefüge geprägte Zeit. Darum folgte auch die politische Strategie der Kreation eines irrealen Feindbildes dieser Vorgabe: »Wie kann die Welt in ein Neues Mittelalter münden? Damit das beginnt, ist es nötig, dass sich uns eine neue Invasion der Barbaren entgegenstellt. Russland ist dort mit seinen 4 Millionen Soldaten und nah genug um einen Schritt nach Deutschland zu setzen, hin zur Zivilisation des Okzidents.«704 Überdies versinnbildlichte sich die Huldigung des Mittelalters in der Auswahl der Parteislogans. Der Ausruf »Santiago, und verriegel Spanien« (Santiago y cierra EspaÇa) stammte aus der Zeit der Kreuzzüge, als die spanischen Krieger den heiligen Apostel Santiago als ihren Schutzpatron anriefen. Die Falangisten nahmen diesen Ausspruch von Anfang an in ihr rhetorisches Repertoire auf. Ihre parteiinterne Variation des Ausspruchs lautete »Führer und verriegel Spanien« (Jefe y cierra EspaÇa).705 Am Ausgangsort dieser historischen Redewendung, in Santiago de Compostela, warb die Falange im Januar 1936 im Zuge der Wahlkampagne für die allgemeinen Wahlen vom Februar mit folgendem Satz auf: »In den Jahrhunderten, in denen das reifte, was im Imperium gipfeln würde, sagte man nicht: Gegen die Mauren!, sondern Santiago y cierra EspaÇa, was ein offensiver Ausruf war.«706 Die Falangisten aus Santiago verknüpften zudem ihren eigenen Lokalpatriotismus mit den imperialen Vorstellungen der Falange-Ideologie. Auf einem Flugblatt mit dem Titel »Santigueses« erklärte die örtliche Falange-Gruppe die Stadt gar unter dem historischen Verweis auf die reconquista und in palingenetisch-faschistischer Sprechweise zum Vorreiter der nationalen »Wiederauflebung«: Keine spanische Stadt kann Compostela in der Geschichte die Repräsentation des wahrhaften Charakters unserer Hispanität bestreiten. Keine [andere] sollte deshalb vorausgehen beim Wiederaufleben des gesitteten und sozialen Nationalismus, den man in der Welt beobachtet, eine Bewegung, in die sich unser Vaterland einbinden muss,
704 Conferencia pronunciada en Santander, 14. August 1934, in JAPDR: Obras completas, S. 420–423, S. 422–423. 705 El problema de la vida proletaria en la ciudad; solucion? El campo, in: Arriba, Nr. 11, 30. Mai 1935, S. 6. 706 »Ante las elecciones. Por EspaÇa una, grande y libre. Por la patria, el pan y la justicia«, 12. Januar 1936 AHU/AM 2076, sucesos politicos 6. Propaganda.
Bilder von Grenzerfahrung und Übergang: Traumwelten und Naturmetaphern
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wenn es nicht aufgelöst und von den korrupten Internationalismen absorbiert werden will.707
Ebenso symbolträchtig wie die Verweise auf die historische Bedeutung Santiagos war das Codewort, das die Falange in den Monaten der Putschvorbereitung mit den führenden Militärs zum Losschlagen gegen Republik vereinbart hatte. Es lautete Covadonga, in Anspielung auf diejenige asturische Stadt, in der einst die reconquista begonnen hatte.708
Bilder von Grenzerfahrung und Übergang: Traumwelten und Naturmetaphern In den Parteischriften, die grundsätzlich um die eigene Identität kreisten, beschrieben die Falangisten ab Oktober 1933 ihren Lebensstil als permanente Grenzerfahrung. Der Vorstellung nach stellten die Milizionäre sich beim Kampf zwischen Leben und Tod, deshalb auch gerade in die vorderste Kampfesreihe, in die primera linea. Nur an diesem Zwischenort, so glaubten sie, konnten sie den Übergang vom alten zum neuen Spanien bewirken. Einerseits ging es dabei um den Übergang von Traum in Wirklichkeit, wie er in metaphernreicher Sprache immer wieder beschworen wurde: Der falangistische Traum solle in jedem Moment gelebter Traum sein. Andererseits werde eines Tages – so die beiden zentralen Naturmetaphern für den erhofften Übergang – die Nacht vorübergehen und die Sonne über Spanien aufsteigen. Der Herbst werde zu Ende gehen und der sonnige Frühling beginnen: »Der Frühling kommt nicht nur einmal.«709 – »Wir wollen Euch ein Vaterland wiedergeben, in dem ihr nicht in politischen Sphären die herrlichsten Tage des Frühlings zerstört, die fröhlichsten Sonntage des Jahres. Wir wollen, dass ihr am Ufer des Flusses tanzt.«710 – »Und wenn der Frühling seinen Höhepunkt erreicht…entdecken wir Welten, erobern wir Königreiche und errichten das Spanische Imperium.«711 Für das metaphernreiche Sprechen war vor allem das Vorbild des italienischen Faschismus maßgebend. Dem dortigen Anfangspunkt der faschistischen Revolution, Ottobre, dem Herbstmonat des »Marsches auf Rom«, erwiesen die Falangisten genauso Reverenz wie dem primavera di bellezza, dem mit der italienischen Hymne giovinezza besungenen Ziel der nationalen Revolution im 707 Santigueses, 18. Mai 1935, AHU/AM 2076, sucesos politicos 6. Propaganda. 708 Guillermo Garc&a P8rez: Covadonga, un mito nacionalista catjlico de origen griego, in: El Basilisco, Nr. 17, 1994, S. 81–94. 709 La segunda consigna, in: FE, Nr. 6, 8. Februar 1934, S. 1. 710 Rafael S#nchez Mazas: Rectitud, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, S. 1. 711 Amando Fern#ndez: La poes&a del trabajo y de las milicias, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 2.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
Faschismus.712 Schließlich, so lautete das zentrale Argument, das die Falangisten für die Huldigung des Oktobers anführten, hatte sich ja auch die eigene Bewegung im Monat Oktober gegründet. Wir erkennen an dieser Art der Interpretation das bereits betrachtete Wechselspiel von Mimesis und Abgrenzung zum »faschistischen Anderen« wieder, das dazu diente, Kulturelemente anderer faschistischer Bewegungen Europas zu adaptieren, um durch sie die eigene »Bewegung« zu erhöhen – jedoch stets unter dem Verweis auf Authentizität. Gim8nez Caballero formulierte den Übergang vom Anfang der nationalen Revolution bis zu deren Erfolg mit den Worten: Der Oktober steckt in einer Grotte des ersten Regens und der ersten Kälte, und der blaue Himmel entfernt sich dort im Hintergrund. Die Blätter beginnen zu fallen wie abgeschnittene Köpfe. Und die Bäume fangen zu zittern an wie Skelette eines baldigen Totentanzes. Noch revolutionärer, noch krampfhafter. Doch eines Tages…findet er [der Oktober] seinen April, seine Persephone, seinen Blütenmonat.713
Der Monat »Oktober« stand als Metapher für den aus falangistischer Sicht schlechten Zustand Spaniens und darüber hinaus für den Monat der beginnenden faschistischen Revolution. »Oktober« deutete für die Milizionäre auf den dunklen, Tod bringenden Herbst hin, den es zu überwinden galt, bis mit dem Frühling die Herrlichkeit Spaniens begänne. Nicht immer war in diesen Umschreibungen jedoch klar, dass die Jahreszeitenabfolge für den einzelnen Falangisten Herbst-Frühling bedeutete. Denn weil der Falangist die Gefahr des Sterbens auf sich nahm, ja, weil er die Gefahr des Sterbens suchte, damit der Frühling für Spanien Wirklichkeit werden konnte, war für ihn selber, den sich Opfernden, manchmal schon der Herbst ein Frühling – und hier wiederum ganz im Sinne der Rhetorik der Zeitraffung, wonach die Falangisten die Gegenwart zugunsten von hehren Zukunftsphantasien nahezu komplett ausblendeten: »Blut des spanischen Volkes, vergossen in einem Herbst, der einem überbordenden Frühling gleicht.«714 Allerorten sollten die Falangisten sich dem Gefahr bringenden Herbst stellen. Jos8 Antonio Primo de Rivera sprach im Spätsommer 1935 offen von Krieg und wies dabei unter anderem auf die angebliche »Süße« des Herbsttodes hin.715 Der erwartete Übergang vom Herbst zum Frühling, vom 712 Ernesto Gim8nez Caballero: Octubre, in: FE, Nr. 1, 7. Dezember 1933, S. 8. Victor D’Ors P8rez-Peix: Cronicas de Italia, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 11. Es kam sogar zum Abdruck eines Artikels aus der italienischen Zeitschrift »Ottobre«, in dem der Kult um den unbekannten Soldaten gelobt wurde. Vgl. »Soldados desconocidos«, in: FE, Nr. 3, 18. Januar 1934, S. 11. 713 Ernesto Gim8nez Caballero: Octubre, in: FE, Nr. 1, 7. Dezember 1933, S. 8. 714 Jos8 Mar&a Alfaro: Voz de la tierra y razon de la sangre, in: FE, Nr. 1, 7. Dezember 1933, S. 9. 715 »Man muss Spanien mobilisieren, es auf Kriegsfuß stellen. […] wir sind verbunden, bis der Herbst uns wieder zusammenbringt an den uns bekannten Lagerfeuern, der Herbst, der vielleicht zwischen seiner großartigen Süße, auch die Süße überbringt, für Spanien zu
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Dunkel zum Licht, kündete sich für die Falangisten durch den Sonnenaufgang (el amanecer) an. Mit dem Aufgehen der Sonne nach der Bewältigung des Dunkels würde das falangistische Spanien Wirklichkeit werden, und die Sonne würde aufgehen »wie ein Pfeilbündel über den Feldern Spaniens«.716 Der »Sonnenaufgang« trat in diesen Schilderungen immer als ein kurz bevorstehendes Ereignis in Erscheinung. Die Identifikation der Bewegung mit dem Licht im Gegensatz zum Schatten und das auf den Falange-Versammlungen gesungene »Gesicht zur Sonne« (Cara al sol) verstärkten die Nähe des anzustrebenden Ziels zusätzlich. Deshalb verlieh auch die Inszenierung der falangistischen Gemeinschaft nicht nur dem Streben nach dem Sonnenaufgang Ausdruck. In Erwartung des in naher Zukunft heraufziehenden Sonnenaufgangs wurde dieser durch die unablässige Reproduktion der Bekenntnisse und Lobeshymnen auf die eigene Bewegung von den in die Inszenierung Eingebundenen bereits als solcher empfunden: »Als am Ende, die imposante schwarze Oberfläche des Vorhangs mit dem Joch und den Pfeilen und den Namen der Märtyrer, das Extrem der Giebelhalle verdeckte, konnten unsere Kameraden nicht weniger als einen Seufzer ausstoßen. Und die Sonne begann aufzugehen.«717 – »In jener Versammlung vibrierte es vor Intensität, so sehr, dass, als tausende Arme sich zu dem Ausruf Arriba EspaÇa erhoben, sie einem Wald starker Eichen glichen, durch den, so schien es, man einen wunderschönen Sonnenaufgang sah.«718 Die zweite zentrale Metapher für das zukünftige falangistische Spanien war, neben dem Sonnenaufgang, der »Traum«.719 Das starke und von Einheit geprägte Vaterland solle »gelebter Traum« werden.720 Die Zeitschriften FE und Arriba waren gespickt mit historischen Eroberungsgeschichten, in denen zu einer gedanklichen Reise durch das »goldene Zeitalter« aufgefordert wurde, hinweg über die Bergzüge und Meere des Imperiums.721 Jos8 Antonio Primo de Rivera befahl,
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kämpfen und zu sterben.« JAPdR: Mientras EspaÇa duerme la siesta, in: HAZ, Nr. 7, 19. Juli 1935, OC, S. 726–727, S. 727. Zum Bild der aufgehenden Sonne Mat&as Montero: Las flechas de Isabel y Fernando, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 16. Eugenio Montes: Cantares de gesta, in: FE, Nr. 10, 12. April 1934, S. 2. JAPdR: Discurso pronunciado en Ja8n, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, OC, S. 615–616, S. 616. JAPdR: Una jornada memorable, in: Arriba, Nr. 10, 23. Mai 1935, OC, S. 690–693, S. 691. Emilio AlvarGonz#lez: Camisas azules, in: Arriba, Nr. 12, 6. Juni 1935, S. 2. »Das starke und vereinte Vaterland, militant und gerecht, welches wir, die wir die Falange formieren, träumen, durch Anstrengung und Tod.« JAPdR: ¡Alarma! In: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, OC, S. 312. »Ist das die nationale Politik, die wir uns erträumen?« JAPdR: Juventudes y la intemperie, Arriba, Nr. 18, 7. November 1935, S. 784–788, S. 786. »[…] das große Spanien, das die Falange sich erträumt.«. JAPdR: Testamento, in: OC, S. 1097–1100, S. 1098. JAPdR: Como aquel doncel de sigüenza, FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, S. 314. JAPdR: Alas de EspaÇa, in: FE, Nr. 7, 22. Februar 1934, OC, S. 313. Siehe auch: Rafael
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
die Falangisten sollten sich in den Schatten eines Baumes setzen und von der Eroberung Amerikas träumen, wie einst die Seefahrer »mit der Mondscheibe über ihren Köpfen.«722 Der Falangist müsse beim Träumen den Blick in den Sternenhimmel richten.723 Und weil der Tag des »Sonnenaufganges« (el amanecer) so nah schien, wurde das Träumen sogar mit der Absage an das Ausruhen und den Schlaf verbunden: »Spanien hat das Schicksal, niemals zu schlafen.«724 – »Auf dass Gott ihm seine ewige Ruhe gibt und uns die ewige Ruhe verweigert, bis wir für Spanien die Ernte eingeholt haben, die Dein Tod gesät hat.«725 – »Niemand von uns kann sich des Ausruhens würdig schätzen«.726 Die Sterne stellten in diesen falangistischen Traumvorstellungen ein wegweisendes Symbol dar, das Symbol der »Schicksalsgemeinschaft«. S#nchez Mazas sprach vom »klaren Stern« der die »Schicksalsgemeinschaft« leite.727 An anderer Stelle heißt es: »Spanien ist nur halb fertig. In der Ferne der Stern Deines ewigen Schicksals.«728 Dementgegen galt der ebenfalls symbolträchtige Stern der Kommunisten als »vereinzelter Stern, Symbol der Zersetzung, der Atomisierung«.729 Bei Jos8 Antonio Primo de Rivera verband sich das Sternenbild mit den falangistischen Raumvorstellungen einer streng hierarchisch aufgebauten Gemeinschaft, weshalb Spanien »von den Sternen aus« neu geordnet werden müsse.730 Der hier immer wieder evozierte träumerische Blick in die Sterne führte von der kleinsten Einheit im Falangismus, dem Falangisten, hin zur größten, dem geistigen Imperium und damit weit weg von der tatsächlichen Lebenswirklichkeit des Einzelnen. Selbst in der einzigen vorliegenden filmischen Propagandaaufnahme aus der Zeit der Zweiten Spanischen Republik, in der Jos8 Antonio Primo de Rivera die Ziele der falangistischen Bewegung erläutert, wird diese gedankliche Blick-Bewegung visuell durchgeführt. Der Parteiführer schaut frontal in die Kamera und erklärt, dass die Idee der »kollektiven Unternehmung« sich gegen den Separatismus, den Klassenkampf und die Zwistigkeiten der
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S#nchez Mazas: Sobre EspaÇa, nacijn rara, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, S. 2. Amando Fern#ndez: La poes&a del trabajo y de las milicias, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, S. 2. JAPdR: Discurso pronunciado en el Teatro Cervantes Malaga, 21. Juli 1935, in: OC, S. 728– 733, S. 728. JAPdR: Discurso de clausura del segundo consejo Nacional de la Falange, in: OC, S. 799– 812, S. 806. JAPdR: Interview Luz de Madrid, 14. August 1934, in: OC, S. 418–419, S. 418. JAPdR: Al dar sepultura al camarada Mat&as Montero, in: La Nacijn, 10. Februar 1934, OC, S. 296. Alejandro Salazar : Consigna, in: HAZ, Nr. 5, 28. Mai 1935, S. 4. Rafael S#nchez Mazas: Sobre EspaÇa, nacijn rara, in: Arriba, Nr. 4, 11. April 1935, S. 2. JAPdR: Ante las sombras de 1936, in: Arriba, Nr. 26, 2. 1.1936, OC, S. 884–886, S. 886. Alejandro Salazar : Consigna, in: HAZ, Nr. 13, 20. Januar 1936, S. 1. JAPdR: Discurso pronunciado en Cjrdoba, in: Arriba, Nr. 9, 16. Mai 1935, OC, S. 670–671, S. 670. Siehe auch JAPdR: El barco, in: Arriba, Nr. 7, 2. Mai 1935, OC, S. 664–665, S. 664.
Bilder von Grenzerfahrung und Übergang: Traumwelten und Naturmetaphern
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Parlamentspolitik richte. Er beendet seine Rede mit dem Verweis auf die »Größe Spaniens«, die es wiederzuerlangen gelte. Während des letzten Satzes wird das Bild überblendet von einem Sternenhimmel, auf dem die Kamera kurz verweilt, bis ein einzelner Stern zu einer Sternschnuppe verglüht.731 Bereits im Schlusssatz der Gründungsrede der Falange hatte Jos8 Antonio Primo de Rivera dieses Bild sprachlich skizziert: Der Blick in die Sterne, so ist es in der Rede vom 29. Oktober 1933 beschrieben, führe dazu, dass der Wache haltende Kämpfer den Sonnenaufgang und die zukünftige Größe Spaniens bereits im Voraus in seinen Eingeweiden wahrnehme.732 Tatsächlich hatte Ramiro Ledesma Ramos schon in einer Unamuno-Rezeption eine ganz ähnliche Vorstellung aufgegriffen, die dieses – ebenfalls christlich konnotierte – Motiv des die Gemeinschaft leitenden Sternes aufnahm. Unamuno schreibt in seinem »Das Leben von Don Quijote und Sancho (Kreuzzug um das Grab Don Quijotes zu retten)«: »Marsch! Auf! Und schmeiß aus dem heiligen Schwadron alle die, die beginnen, die Schrittfolge zu analysieren, und ihre Richtung und ihren Rhythmus…Wenn jemand auf dem Weg ein Blümchen einsammeln will, das ihn anlacht, so nehme er es, aber im Vorrübergehen, ohne anzuhalten, und folge dem Schwadron, dessen Leutnant den Blick nicht vom glänzenden und klangvollen Stern abwenden darf.«733 Aus dem ursprünglichen literarischen Kontext gerissen, deutete Ledesma Ramos diese Textstelle als den Beleg dafür, dass Unamuno bereits vor allen anderen an einer Programmatik für eine politische Massenbewegung geschrieben habe. Noch kein italienischer Faschismus und keine sowjetische Revolution hätten Wurzeln geschlagen, als Unamuno 1908 El sepulcro de Don Quijote schrieb. Der literarische Einzelgänger des Unamuno-Textes veränderte sich in der Rhetorik Ledesmas zum Soldaten in der Masse. Unamuno habe, so Ledesma Ramos, im Jahr 1908 vor allen anderen den Ton des Krieges vorgegeben. Die jungen falanges, »ohne Literatur und mit
731 Die Filmaufnahme stammt von Jos8 Luis S#enz de Heredia, einem Cousin Jos8 Antonio Primo de Riveras, der später, 1941, das von General Francisco Franco geschriebene Drehbuch Raza verfilmte. Zum gesprochenen Text der Filmaufnahme, siehe: JAPdR: Tenemos una fe resuelta. De la entrevista cinematogr#fica filmada en Chamart&n de la rosa. Dirigido por Jos8 Luis S#enz de Heredia, 12. Januar 1935, in: OC, S. 534. Die Aufnahme selbst ist zu sehen in: David Hart (Director): La guerra civil espaÇola, Bd. 1–6 (Asesoramiento histjrico: Javier Tusell, Ronald Fraser, Hugh Thomas), Bd. 4: Franco y los nacionalistas, Granada Television 1982, Minute 19.21–19:59. 732 »Unser Platz liegt unter freiem Himmel, unter der klaren Nacht, das Gewehr im Arm, und in der Höhe, die Sterne. Auf dass die anderen mit ihren Festen weitermachen. Wir stehen draußen, in gespannter Wachhaltung, hingebungsvoll und sicher, wir spüren bereits in unseren Eingeweiden den Sonnenaufgang. »JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, in: OC, S. 195; JAPdR: Discurso de clausura del segundo consejo Nacional de la Falange, OC, S. 799–812, S. 812. 733 Miguel de Unamuno: Vida de Don Quijote y Sancho, 3.Aufl, Madrid 1928, S. 23.
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Falangistische Sprechweisen: Rhetorische Figuren, Metaphern und Erzählformen
dem Blick auf die Aktion und die politische Effizienz gerichtet«, würden diesen Ton nun aus seinen Quellen schöpfen.734
734 Siehe dazu: Ramiro Ledesma Ramos: La Conquista del estado, Nr. 2, 1. März 1931.
Der Militäraufstand vom 18. Juli 1936 und die Falange im Krieg
Der Krieg begann am 18. Juli 1936 durch die Erhebung der in Marokko stationierten Militärs und erreichte zwei Tage später Galicien. Dort war der wichtigste falangistische Akteur in diesen Tagen Manuel Hedilla, ein aus Santander stammender Arbeiter, der, wie der JONS-Flügel innerhalb der Partei, eine eher syndikalistisch orientierte Politik vertrat. Nachdem Hedilla von Madrid zur Vorbereitung der galicischen Falange abgestellt worden war, kontaktierte er in allen vier galicischen Provinzen über Informanten die zuständigen lokalen Falange-Führer oder deren Vertreter, zuerst in Ourense, dann in Lugo und A CoruÇa. Als die Ausrufung des Aufstandes am 20. Juli 1936 die Region erreichte, hielt Hedilla sich in Vigo auf.735 Wie er in seiner Autobiographie berichtet, organisierte er die Einbindung der Falangisten in die Niederschlagung der Barrikaden von Vigo. Anschließend nahm er am Marsch auf Tui teil. Nach den erfolglosen Verteidigungsversuchen von Teilen der Zivilbevölkerung in A CoruÇa, Vigo, Ferrol, Monforte, Viveiro und Ribadeo blieb Tui, die an der Grenze zu Portugal liegende Kleinstadt, die letzte republikanische Bastion in Galicien. Sie hielt bis zum 26. Juli 1936 stand.736 Hedilla wurde wenige Wochen später zum Nachfolger Jos8 Antonio Primo de Riveras gewählt. 735 Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio, S. 137. Emilio Grand&o räumt ein, dass Hedilla in der Provinz A CoruÇa sich nicht nur in der Stadt CoruÇa aufhielt, sondern ebenfalls in Pontedeume; vgl. Emilio Grandio Seoane: Golpe de estado, S. 29. Prada Rodr&guez erwähnt, dass Hedilla keine gewichtigen Veränderungen bei der Besetzung der Ämter vornahm, abgesehen von der Einsetzung Mario Zaeras als jefe territorial von Galicien. Es ist fragwürdig, warum Hedilla später in Tui nicht mit dem in Portugal sich aufhaltenden Meleiro kontaktierte, vgl. Xulio Prada Rodr&guez: A dereita, S. 206. 736 Xulio Prada Rodr&guez: Estado de la cuestijn y l&neas interpretativas sobre represijn y franquismo, in: Jesus de Juana Ljpez, Xulio Prada Rodr&guez (Hg.). Lo que han hecho en Galicia. Violencia, represijn y exilio (1936–1939), Barcelona 2006, S. 1–S. 19, S. 8. Hedilla selber sagte in einem Interview mit La Nueva EspaÇa Anfang 1937 über seinen Aufenthalt: »In Galicien war ich 25 Tage lang, ein Milizionär unter anderen. Ich kam nach Burgos mit einem Lastwagenkonvoy. Ich fand dort die Falange ziellos umhertreibend vor, ohne Regierung. Am 2.9. feierten wir in Valladolid eine junta mit den jefes provinciales und Nationalratsmitgliedern, die wir uns in dem Gebiet aufhielten, und ich wurde mit voller
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Der Militäraufstand vom 18. Juli 1936 und die Falange im Krieg
Die Einbindung der Falange in den Aufstand wies zwei charakteristische Züge auf. Erstens befreiten diejenigen Falangisten, die der Verfolgung durch die republikanische Justiz entgangen waren, ihre inhaftierten Kameraden aus den Gefängnissen.737 In Lastwagen wurden die umliegenden Dörfer zur Rekrutierung aufgesucht. Die zentralen Treffpunkte stellten die Marktplätze der jeweiligen Städte dar, der Plaza de la CoruÇa, Plaza de Santiago, Plaza de Lugo etc.738 Zweitens agierten die Falange-Trupps weitestgehend ohne einen von den lokalen Führern vorgegeben Plan, was vor allem damit zusammenhing, dass viele der Falange-Führer exiliert oder in der republikanischen Zone gefangen waren. Den sich noch in Freiheit befindenden Falange-Führern bot die rasche Organisation des Aufstandes seitens der Militärführung Grund für Besorgnis. Als Fernando Meleiro aus dem portugiesischen Exil nach Ourense zurückkehrte, waren die Posten des Territorialführers und des Provinzführers von den Militärs schon anderweitig besetzt. Nur 48 Stunden nachdem der Kriegszustand erklärt worden war, hatte Leutnant P8rez Iglesias den Oberbefehl über die Milizen übernommen, wodurch der falangistische Miliz–Chef, Joaqu&n Est8vez, ihm klar untergeordnet wurde.739 Die Mehrzahl der galicischen Falangisten blieb in den ersten drei Wochen nach der Militärerhebung in Galicien und wurde entweder in die »Sicherungsund Transportdienste« in der retaguardia eingeteilt oder machte, wie in Ourense, Versuche, eine größere falangistische Einheit für die Front zu bilden, auch wenn diese Versuche anfangs erfolglos blieben.740 In Lugo sorgten im August die Althemden Jos8 Viador Traseira, Antonio Pedrosa Latas und Rafael Sarandeses P8rez für die Zusammenstellung einer Bandera Legionaria de Lugo. Dabei handelte es sich um eine Zenturie die einem größeren Truppenverband unter der Führung des Infanteriekapitäns Jesus Fei-
737
738 739 740
Stimmzahl zum Vorsitzenden der vorübergehenden Führungsjunta gewählt.«, in: La hora confidente del jefe al volante, a 120 kms por hora, habla Manuel Hedilla«, La Nueva EspaÇa, 20. Januar 1937, S. 3. So wurden beispielsweise die beiden Althemden Manuel Maria Pampin Prado und Carlos Montero D&az am 21. und am 23. Juli 1936 aus dem Gefängnis befreit. Vgl. AGMAV, MNJPAC, Caja 6.019, 890; Caja 6.043, exp. 2140. In Valladolid wurde der ranghohe Falangist On8simo Redondo aus dem Gefängnis befreit, siehe: Paul Preston: The Spanish Holocaust, S. 189. Hoja matriz de servicios, AGMAV, MN-JPAC, Caja 5996, expediente 1; Caja 6000, expediente 138, Caja 6002, expediente 206; Caja 6.014, expediente 606; Caja 6.016, expediente 729; Caja 6.020, expediente 990. Xulio Prada Rodr&guez: Golpe de Estado, S. 111. »[…] ich und ein anderer Freund, wir gingen zu einigen mächtigen Herren aus Ourense […] unter denen mein Vater war, der, als er mich so sah, mich mit so einem Gesicht anschaute, ein Bischen so…Und…wir baten sie um Geld, […], und ich erinnere mich sehr gut, dass sie uns 50 000 Peseten gaben…was viel Geld war, damals, […], um Busse zu holen, um Busse zu mieten und sie in die Dörfer zu schicken, damit sie die Leute herbrächten.« Interview Nr. 65, a D. O. M., 1. April 1989, Ourense, UPDOC.
Der Militäraufstand vom 18. Juli 1936 und die Falange im Krieg
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joj und des Leutnants Salvador Buhigas stand. Die Führung der Zenturie hatte der Falangist Alejandro Arias Salgado inne.741 Die Einheit begann ihren Feldzug am 12. September 1936, das erste Ziel war die Stadt Lejn. Von dort aus wurden mehrere Ziele in Kastilien-Lejn durchlaufen (Barrios de Luna, San Emiliano de Babia, Huergas, Piedrafita), bis die Truppe ihren Dienst in Asturien fortsetzte (San Martin de Teverga, Pola de Laviana). Mehr als deutlich wird die falangistische Führungsschwäche der ersten Kriegstage daran, dass die einzige erfolgreiche Initiative, eine ausschließlich aus Falangisten bestehende Fronteinheit zu formieren, nicht von einem Falangisten ausging, sondern von Juan Barja de Quiroga, einem Anwalt und Militärgeneral, der sich in Marokko einen Namen gemacht hatte. Barja durchreiste Anfang August 1936 alle vier galicischen Provinzen und machte in mehr als 45 Propagandaveranstaltungen Werbung für die Bandera Gallega Legionaria de Falange EspaÇola.742 Ab dem 13. August 1936 trafen die angeworbenen Milizionäre in A CoruÇa-Stadt ein, wo sie bis zum 17. August 1936 eine militärische Grundausbildung erhielten. Am 28. August zogen die Falangisten über Santiago de Compostela nach Burgos, wo sie am 4. September an einer Militärparade zu Ehren General Molas teilnahmen. Es folgten die ersten Kampfeinsätze in Irffln und San Sebasti#n. Die Bandera Gallega erzielte Mitte September 1936 einige militärische Erfolge an den strategisch wichtigen Stellungen von Santiago Mendi und dem Berg Santa Barbara (Guipfflzcoa), womit die Truppe entscheidend zur Einnahme der Stadt San Sebasti#n durch das Nordheer beitrug. Ehe die Falangisten in ihre Heimatregion zurückkehrten, verteidigten sie rund zwei Monate lang die Stadt Huesca (Aragjn) gegen das republikanische Heer, das in diesem Abschnitt vorwiegend aus katalanischen Anarchistenverbänden bestand.743 Während in A CoruÇa die Aufstellung der Bandera Gallega durch Barja de Quiroga vorangetrieben wurde, gewann in Burgos (Kastilien-Lejn) die Neuorganisation des falangistischen Parteiapparates an Form, vorangetrieben von Führungsfiguren aus dem Kreise derjenigen Falangisten, die sich im von den Aufständischen besetzten Teil des Landes befanden. Mitte August trat in Burgos eine Versammlung zusammen und wählte Manuel Hedilla zum Vorsitzenden der Führungsjunta, die in der Abwesenheit Jos8 Antonio Primo de Riveras als 741 Im Informationsbericht über die Bandera Legionaria de Lugo de la Milicia de FET y de las JONS, Oviedo 12. November 1938, Comandante Jefe Provincial, Rogelio Puig, AGMAV, Caja 5648 (Asuntos generales), Carpeta 2, S. 1–4, S. 2. wird gesagt, dass die Einheit Anfang August 1936 gegründet wurde. Im Truppenbericht der ersten Zenturie der Bandera Legionaria. FET y de las JONS, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 1/1–40, D. 1. ist dagegen die Rede davon, dass die Einheit Ende August gegründet wurde. 742 Juan Barja Quiroga: Resumen del diario de operaciones de la Bandera Legionaria Gallega de Falange EspaÇola, D. 1/1–16, D. 2, AGMAV, C. 2685, Cp. 8. 743 Ebenda.
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Der Militäraufstand vom 18. Juli 1936 und die Falange im Krieg
»Provisorische Junta« (junta de mando provisional) betitelt wurde. In Galicien, wo er persönlich die Einbindung der Falange in den Militäraufstand mit vorbereitet hatte, ernannte Manuel Hedilla den aus Lugo stammenden Mario Gonz#lez Zaera zum neuen Territorialführer. Abschätzig schrieb Hedilla am 18. August 1936 nach A CoruÇa und nach Ourense: Die politische Junta hat mit großem Missfallen die Formation der Bandera Legionaria beobachtet und vor allem die Unterstützung, die die Provinzführung [in A CoruÇa] zur Aufstellung der besagten Bandera geleistet hat. Das spricht dafür, dass die [Falangisten] dort keine Ahnung davon haben, was die Falange eigentlich ist, und dasselbe gilt für den Führer aus Orense, weshalb ich anordne, dass der jefe territorial, Mario G. Zaera, wenn er es für angebracht hält, beide ersetzen kann, ohne Vorabsprachen irgendwelcher Art.[…] Der Kamerad Viador bleibt solange von der Führung suspendiert, wie der Territorialführer es für angemessen hält und den Kameraden, die ihn begleitet haben, wird wegen des unautorisierten Verlassens der Provinz eine Sanktion auferlegt.744
Hedilla bewies mit dieser Anordnung, dass er die Front-Initiative von Viador Traseira als Ungehorsam gegenüber der Falange-Führung und diejenige Barja de Quirogas als nicht zu duldende Einmischung der Militärs in die Angelegenheiten der Falange einschätzte. Folglich hätten Falangisten, die dem Militär über die Parteiinteressen hinausgehende Unterstützung gewährten, in der Falange nichts zu suchen. Hatte Jos8 Antonio Primo de Rivera die Eigenständigkeit der falangistischen Einheiten gefordert, so interpretierte Hedilla, diese Vorgabe dahingehend, dass die Bandera Gallega durch ihre Abhängigkeit von der Heeresführung diese Eigenständigkeit nicht aufwies. Der militärische Erfolg der Bandera Gallega sorgte zwar dafür, dass die falangistische Führung in Burgos an der Truppeneinheit festhielt und den Ausgleich von Verlusten durch die Entsendung weiterer Milizionäre gewährleistete. Doch wurde die Unterstützung sowohl seitens der galicischen FalangeFührung als auch seitens Manuel Hedillas unter der Prämisse geleistet, dass das »Falangistische« dieser Einheit herausgestellt werden müsse, weil die bisherigen Erfolge, wie der CoruÇeser Falangist Correa Calderjn es ausdrückte, mit »falangistischem Blut« errungen worden seien.745 Die Heeresführung versuchte ihrerseits den Einfluss der im Truppenbereich wachsenden und administrativ erstarkenden Falange zu kanalisieren und er744 Junta Politica Burgos an Jefatura A CoruÇa y Ourense, 18. August 1936, Archivo General de la Administracijn Alcal# de Henares (AGA), Secretaria General del movimiento (SGM), Caja 17.02, 51/18946, Carpeta Ourense. 745 Zit. nach Aurora Artiaga: Todo por EspaÇa y EspaÇa para Dios. A Bandera Legionaria Gallega de Falange EspaÇola, in: Xos8 Lu&s Axeitos, Emilio Grand&o Seoane, Ramjn Villares (Hg.): A patria enteira. Homenaxe a Xos8 Ramjn Barriero Fern#ndez, Santiago 2008, S. 21– 48, S. 42–43.
Der Militäraufstand vom 18. Juli 1936 und die Falange im Krieg
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zwang durch Verordnungen nach und nach die Unterordnung unter das Militär. Bereits am 25. September 1936 verbot die Militärführung per Dekret, gewerkschaftliche oder politische Aktivitäten, von denen die »Neigung zu einer Ideologie« ausgehe, womit indirekt natürlich Aktivitäten der größten sich gewerkschaftlich organisierenden Bürgermiliz gemeint waren, der Falange.746 Um die formale Führung der Armee im Krieg zu unterstreichen, unterstellten die leitenden Militärs ab dem 3. Dezember 1936 sämtliche Milizen dem Cjdigo de Justicia Militar.747 Diese allmähliche Zusammenführung sämtlicher Milizen unter der Militärführung ebnete den Weg für das offizielle »Vereinigungsdekret« (Decreto de la Unificacijn), das am 19. April 1937 unter dem Oberbefehl General Francos in Kraft trat. Dieses Dekret beendete auch die Phase des faschistischen Aufstiegs. Vom Juli 1936 bis zum April 1937 hatte sich die Falange zu einer Massenbewegung entwickelt, in der die im Kern der Bewegung angelegte Gewaltkultur zur Entfaltung kam.
746 Xulio Prada Rodr&guez: Que jam#s la sangre derramada sirva para florecer partidos pol&ticos. El nacimiento de FET y de las JONS en Ourense, in: Espacio, tiempo y forma; Serie V: Historia Contempor#nea t. 15, 2002, S. 421–454, S. 422. 747 Gabriel Cardona: Historia militar de una Guerra Civil, estrategia y tacticas de la guerra de EspaÇa, Barcelona 2006, S. 50.
Mitgliederentwicklung und falangistische Körperschaften Juli 1936–April 1937
Sozialstruktur Erst mit Kriegsbeginn stieg die Zahl der Arbeiter in der Falange in allen vier galicischen Provinzen deutlich, so dass der primäre Sektor mit 23,01 % der »Neuhemden« (camisas nuevas), wie die Neumitglieder genannt wurden, die nunmehr größte Berufsgruppe innerhalb der Partei bildete. Einer der Gründe für diese Entwicklung war, dass eines der zentralen Gewerbe Galiciens nun zu großen Teilen falangistisch wurde: Die Fischerei. Hatte die Falange zuvor keinerlei Einfluss auf Seeleute und Hafenarbeiter gehabt, so stellten diese nach Kriegsbeginn 24,44 % der im primären Sektor tätigen Falangisten. Zur selben Zeit gehörten Seeleute zu derjenigen Berufsgruppe, aus der die meisten ab Juli 1936 politisch Verfolgten stammten.748 Folglich lässt sich auch mit der Furcht vor weiteren Tötungen die zunehmende Affiliation in diesem Bereich erklären.749 Deutlichen Zuwachs gab es auch im Sicherheitswesen (4,51 %) – viele Berufssoldaten oder Legionäre traten der Falange bei – ebenso wie unter den Angestellten, die mit 12,92 % der Neumitglieder die drittgrößte Gruppe hinter den Studenten (18,87 %) stellten.
748 Dion&sio Pereira: Os m#rtires do mar: Unha achega # represijn franquista contra os mariÇeiros galegos, in: Carlos Velasco, Dion&sio Pereira, Emilio Grand&o, Eliseo Fern#ndez (Hg.): A fuxida do PortiÇo. Historia, memoria e v&timas, Vigo 2009, S. 99–157, vor allem S. 106–110. 749 Zu den Hinrichtungen von Fischern, siehe Kapitel CONS.
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Mitgliederentwicklung und falangistische Körperschaften Juli 1936–April 1937 Sicherheitswesen 4,51 % Freiberufler 7,49 %
Geistliche 0,51%
Großgrundb. 1,03%
Primärer Sektor 23,01%
Geschä"sleute 8,21 % Lehrer 2,36 % Beamte 0,82%
Handwerker 10, 87%
Metallverarb. Industrie 3,38 %
Angestellte 12,92%
Bekleidungsgew. 1,85 % Nahrungsmi!el. 1,64% Studenten 18,87%
Andere 2,46 %
Berufsspektrum der Falangisten 18. Juli 1936 bis April 1937750
Der anhaltende Zuwachs im studentischen Bereich ist damit zu erklären, dass die Falange insbesondere bei sehr jungen Leuten einen bleibenden Eindruck hinterließ. Die Partei begann eine Vielzahl der Mitglieder anderer Jugendabteilungen aufzunehmen, wie im Falle der JURD, der galicischen Jugendabteilung der konservativen CEDA. Zudem fielen unter die Kategorie estudiante auch 14– 17jährige Schüler, von denen eine Vielzahl der Falange beitrat. Hinzu kommen Fälle, in denen Falangisten beim Ausfüllen der Mitgliedskarten fehlerhafte Angaben machten. Statt ihren tatsächlichen Beruf zu notieren, gaben sie sich als Studenten aus.751 Diese Täuschungsversuche wiederum könnten damit zu erklären sein, dass die Voraussetzung für eine Karriere in den Reihen der Partei, zumindest im Bereich der Frontkämpfer, nur für »bessergestellte« Mitglieder überhaupt möglich war, denn 76,20 % der Leutnantsanwärter (alf8rez) waren Studenten, 23,80 % Lehrer, Ärzte oder Architekten.752 Die Zahlen sprechen 750 AGMAV, AHPP, ARG. Die Erhebung bezieht sich auf 975 nach dem 18. Juli 1936 eingetretenen Falangisten. 751 So wird auf einer Mitgliederliste, vom Falange-Führer aus Porto do Son erstellt, der Milizionär Francisco Rego Maneiro als Briefträger geführt. Auf seiner Mitgliedskarte hingegen ist er als Student verzeichnet. Ficha de afiliacijn, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.028, exp. 1283. 752 Als Leutnant traten die Falangisten von der Falange-Hierarchie in die Militärhierarchie über. Um trotz der Einordnung in die militärische Ordnung möglichst viel Eigenständigkeit zu wahren, plante die Falange-Führung für die Ausbildung eigene Akademien für den militärischen Nachwuchs zu gründen, eine davon in A CoruÇa, wo die neue Elite mit Unterstützung der deutschen Militärs ausgebildet werden sollte. Vgl. Xulio Prada Rodr&guez: Que jam#s la sangre derramada sirva para florecer partidos pol&ticos. El nacimiento de FET y de las JONS en Ourense, in: Espacio, tiempo y forma; Serie V: Historia Contempor#nea t. 15, 2002, S. 421–454, S. 429. Die zentrale Falange-Akademie in Salamanca leitete der zuvor in Hollywood aktive finnische Militär Carl von Haartmann, vgl. dazu Raffll C. Cancio: Carl von Haartman: Un falangista en Hollywood, in: Frame, Nr. 7, 2011, S. 1–17, S. 5–14.
Sozialstruktur
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dafür, dass trotz der soziostrukturellen Veränderung und der Wandlung der Falange hin zu einer tatsächlich klassenübergreifenden Partei die interne Politik unter Gesichtspunkten sozialer Selektion gemacht wurde. Diese Beobachtung wird auch durch einen Blick auf die Kontinuität der Führungselite gestützt. Die vorwiegend aus dem Angestellten- und Freiberuflerwesen stammenden Falange-Gründer Meleiro, Suevos, Zaera, Colmero, Paz Santas, Ljpez Sendjn, Cedrjn del Valle, Pedrosa Latas bekleideten, auch nachdem sie im Mai und Juni 1936 aus politischen Gründen geflohen und erst in den Wirren des beginnenden Bürgerkrieges in die Parteireihen zurückgekehrt waren, wichtige Ämter innerhalb der Falange. Dort, wo die lokalen Führer abwesend waren, wie in A CoruÇa – sowohl Juan Canalejo als auch Victoriano MuÇoz fielen den Morden im Madrider Carcel Modelo zum Opfer753 – rückten Falangisten aus demselben sozialen Milieu nach, die darüber hinaus bereits in den ersten Republikjahren in der Partei aktiv gewesen waren: Rold#n, Boo, Bescansa, S#ez, Antonio Canalejo, Sanz de Andino. Die »Althemden« (camisas viejas) strebten nach privilegierten Mitgliedschaften und protegierten Kameraden mit demselben Status, um sich dadurch gegen die »Neuhemden« abzugrenzen. Die Reproduktion der herrschenden Verhältnisse als Folge der »sozialen Distinktion«, wie Pierre Bourdieu das zentrale Machtmittel der herrschenden Klasse zur Wahrung der Verhältnisse in modernen Gesellschaften nennt, kann hier anhand der Organisation Falange nachvollzogen werden.754 Unter anderem wurde den »Althemden« gestattet, ihre im Vergleich zu Neumitgliedern längere Mitgliedschaft per Abzeichen zur Schau zu stellen, ein allein für diese Falangistengruppe geltendes Privileg.755 Das lange Zeit in der Forschung vorherrschende Klischee, die Falange als die »Partei der Reichen« zu bezeichnen, hängt vor allem mit der Presserezeption der Linken in den 30er Jahren zusammen. Die Verteidiger der Republik betrieben nämlich von Kriegsbeginn an Propaganda gegen die Partei der aus ihrer Sicht sozial besser gestellten »feinen Herren«, gegen die seÇoritos der Falange. Jos8 Antonio Primo de Rivera hatte 1933 offensiv vertreten, es handle sich bei der Falange um eine Partei der »Krawattenträger«, wenngleich sich seine Sichtweise
753 Vgl. dazu Javier Tusell: Historia de EspaÇa en el Siglo XX: La crisis de los aÇos treinta: Repfflblica y Guerra Civil, Madrid 1999, S. 158–162. 754 Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede, Frankfurt a. M. 1982, S. 405. 755 »Lieber Freund Luis, ich bitte Dich um einen Gefallen … es handelt sich darum, dass Du mir am besten ein Zertifikat schickst, welches belegt, dass ich seit dem Jahr 34 zur Falange gehöre. Das ist einfach, weil das auf meiner Mitgliedskarte des SEU steht und, wie Du weißt, konnte man damals nicht dem Sindicato angehören, ohne Falangist zu sein. Der Grund, warum ich Dich das bitte, ist, dass ich das Abzeichen erhalte, als altes Mitglied.« Brief an Luis Est8vez Somoza, AGMAV, MN, Expedientes personales, Jefatura comarcal de Santiago, Caja 6.124, expediente Lu&s Est8vez Somoza.
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Mitgliederentwicklung und falangistische Körperschaften Juli 1936–April 1937
im Laufe der Zeit änderte.756 Während des im November 1936 gegen ihn geführten Prozesses behauptete er, dass es sich bei der Falange keinesfalls mehr um eine Partei von seÇoritos handle.757 Die ausgewerteten Daten zeigen, dass die Wahrheit zwischen diesen beiden Pauschaleinschätzungen liegt. Die galicische Falange war keine Partei der seÇoritos. Vielmehr war sie eine sozial sich ausweitende, aber stets von einer privilegierten bürgerlichen Schicht kontrollierte Partei.
Numerische Entwicklung Aus den vorliegenden Daten ist ersichtlich, dass das andernorts früher einsetzende exponentielle Wachstum der Falange in Galicien erst mit dem Juli 1936 begann. Bei der Betrachtung der aus den Akten ermittelten Eintrittsdaten von Falangisten, die sich zwischen Oktober 1933 und März 1937 den falangistischen Reihen anschlossen, ergibt sich folgende Verteilung.
Eintri!sdaten der Falangisten 278
200 187 150 127 102
102
67 36
32 31
27 30
45 38
23 17 15 16 14 12 9 15 10 9 4 8 6 4 4 6 3 3 2 5 2 1 3 2 1 1 0 Nov Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz 33 34 34 34 34 34 34 35 35 35 35 35 35 36 36 36 36 36 36 37 37
Mitgliederzustrom zwischen November 1933 und März 1937758 756 JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, 29. Oktober 1933, in: OC, S. 189– 195, S. 194. 757 Milicia Popular. Diario del 5 regimiento de milicias populares, 17. November 1936, S. 3. 758 Eigene Auswertungen aus AGMAV, AHPP, Zeitungen (La Voz de Galicia, El Faro de Vigo).
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Die Kurve spiegelt den Verlauf der Mitgliederentwicklung wider : Unmittelbar vor dem Aufstand vom 18. Juli 1936 gewann die Falange eine große Zahl an Mitgliedern. Zivilisten sämtlicher sozialer Schichten traten im Sommer 1936 der Falange bei oder begannen, mit der Falange zu sympathisieren. Auch wenn Bürger keine Mitglieder in der Falange waren, boten sie z. B. anderen von der republikanischen Justiz verfolgten Milizionären Unterschlupf. Die auf diese Weise entstandenen Kontakte konnten dann dazu führen, dass in den Tagen nach dem 18. Juli 1936 der Eintritt in die Falange erfolgte. So schreibt der 53jährige Jos8 Juega Ljpez, ehemals Anhänger der Linken, in einem Brief vom Februar 1937 über seinen Eintritt: »Am 21. Juli stellte ich mich um 9 Uhr in Begleitung eines Jungen der Renovacijn EspaÇola und eines Falangisten, die sich beide seit zwei Tagen vor der Erhebung in meinem Haus versteckten, im Hauptquartier vor.«759 Jeder Bürger war nun gezwungen, sich für oder gegen die Unterstützung des Aufstandes zu entscheiden. Diese Lagerbildung führte zu anhaltendem Zulauf für die Falange. Manche linke Politaktivisten, die bereits in den ersten Tagen nach dem 18. Juli der Falange beitraten, versprachen sich von dem Mitgliedsausweis Schutz. Ebenso rasch kam es zu Fälschungen von Ausweisen.760 Es entwickelte sich ein Schwarzmarkt für Falange-Insignien, so dass die Partei schon wenige Wochen nach Kriegsbeginn offizielle Erklärungen abgab, mit der sie diesen Symbol-Handel unter Strafe stellte.761 Außerdem verbot die Falange Schneidereibetrieben, blaue Stoffe zu verkaufen, damit diese nicht zur illegalen Anfertigung von Blauhemden verwendet würden.762 Im Alltag trug das Blauhemd schon bald den Beinamen »Rettungsweste« (salvavidas).763 In Anbetracht des massiven Wachstums wurde über die Falange gesagt, dass sie sich binnen kürzester Zeit von einem winzigen Körper mit einem zu großen Kopf zu einem monströsen Körper ohne Kopf gewandelt habe.764 Die Höhepunkte bei den Eintritten in Galicien innerhalb des Analysezeitraumes werden, wie in Graphik 4 zu sehen ist, im August 1936 und im Januar 1937 erreicht, was mit der Rekrutierung für die zentralen Fronteinsätze zusammenhängt. Denn ab Anfang August begann die Planung für den Einsatz der ersten, ausschließlich aus Falangisten der vier galicischen Provinzen beste-
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Die Erhebung ist erfolgt anhand von 1647 Falangisten, die zwischen Oktober 1933 und März 1937 der Falange beitraten. Jos8 Juega Lopez an Teniente Coronel de Milicias A CoruÇa, 17. Februar 1937, AGMAV, MNJPC, Caja 6.019, exp. 884. Informe 7.709, AHPP, ACP-XPM, Relaciones de afiliados por jefaturas locales (Tuy, Arbo etc.), c. 57/6, cp. 37/3. Prohibiciones, in: La Voz de Galicia, 16. August 1936, S. 5. La Voz de Galicia, 8. August 1936, S. 8. Gabriel Jackson: La Repfflblica espaÇola y la Guerra Civil, Barcelona 1976, S. 266. Javier Tusell: Vivir en guerra. Historia ilustrada EspaÇa 1936–1939, Madrid 2003, S. 129.
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henden Truppeneinheit. Zwar hatten sich von Anfang an Falangisten den Aufständischen angeschlossen, um Militärdienste an der Front und in der retaguardia zu leisten. Im August 1936 sollte es jedoch zur Zusammensetzung einer »reinen« Falange-Einheit für den Frontdienst kommen. Diese Bandera Legionaria Gallega de Falange EspaÇola sammelte sich in A CoruÇa, wo die Milizionäre ab dem 17. August 1936 militärische Anleitungen erhielten. Ab Dezember 1936 begann eine zweite intensive Rekrutierungswelle. Folge war die Aufstellung von vier galicischen Falange-Bataillonen – je Provinz eines – die Mitte Januar 1937 an die Front zogen.765 Für eine ungefähre Bestimmung der totalen Zahl der Falange-Mitglieder in den ersten Kriegsmonaten müssen zwei Faktoren bedacht werden. Erstens war der Zulauf ab dem Juli 1936 so groß, dass mancherorts keine offizielle Registrierung mehr vollzogen wurde: So ist in einem Krankenbuch aus Pontevedra ein Vermerk aus dem September 1936 zu lesen, dem zufolge die Falange aufgrund der Menge der Mitglieder die Eintragungen der Namen nicht mehr bewerkstelligen konnte.766 Aus dem Dorf Arbo (Pontevedra) schrieb der lokale Falange-Führer Ende März 1937 nach Vigo, dass keine Mitgliedskarten für Neufalangisten mehr ausgestellt würden.767 Zweitens kamen jetzt zu der bis dato stärksten falangistischen Körperschaft, der Miliz, die massenhaften Zuläufe zu den Frauen- und Kinder- bzw. Jugendabteilungen (flechas) hinzu. Weiterhin verstärkten sich ab Juli 1936 die Beitritte aus der konservativen JURD.768 Der Provinzführer von A CoruÇa, Colmeiro Laforet, bezifferte die Mitgliederzahl sämtlicher Falange-Körperschaften seiner Provinz unmittelbar vor dem Zusammenschluss mit den Traditionalisten im April 1937 auf 25.000.769 Aus der falangistischen Kriegspresse geht hervor, dass in den Werkstätten in A CoruÇa Anfang 1937 10.000 Frauen arbeiteten.770 Davon waren jedoch nicht alle FalangeMitglieder : El Pueblo Gallego veröffentlichte für denselben Monat eine Zahl von 2000 weiblichen Mitgliedern.771 Werden die Zahlen aus den Personalakten dagegen gerechnet, muss davon ausgegangen werden, dass die Angabe von 25.000 etwas zu hoch liegt. Außerdem hatte A CoruÇa mit Kriegsbeginn Ourense als wichtigsten falangistischen 765 Aurora Artiaga: »Todo por EspaÇa«, S. 48. 766 Vgl. Libro registro Secretaria Provincial de Sanidad, 21. September 1936 bis 8. Juni 1940, S. 1, AHPP, ACP-XPM, L-6526. 767 Vgl. El Jefe local Arbo an Jefe Vigo, 26. März 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 159. 768 Im Juli 1936 gab es viele Übertritte der JURD zur Falange. Siehe Emilio Grand&o: A CoruÇa, o puntal roto, S. 40. 769 Telegramm Colmeiro, H99, 607692612H, CoruÇa nach Salamanca, 26. April 1937, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Primera Linea. 770 En los talleres de Mujers al servicio de EspaÇa, in: La Nueva EspaÇa, 18. Januar 1937, S. 6. 771 El Pueblo Gallego, 19. Januar 1937, S. 1.
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Standort in Galicien abgelöst, was vor allem mit der Aufstellung der ersten Fronteinheit der Falange zusammenhing. Viele Milizionäre aus den anderen Provinzen meldeten sich in A CoruÇa zum Kriegsdienst innerhalb dieser Falange-Einheit, insbesondere aus Ourense, was die Zahl der nur zeitweise sich in der Provinz aufhaltenden Falangisten deutlich ansteigen ließ. Wahrscheinlicher ist deshalb für die Provinz A CoruÇa eine Zahl von rund 15.000 Falangisten, wobei die Frauen- und Jugendabteilungen jeweils rund ein Viertel der Gesamtzahl ausmachten. Für Pontevedra liegt eine Zahl von 21.649 Falangisten vor, die allerdings aus der Zeit unmittelbar nach der unificacijn stammt.772 Ausgehend von dieser Größe und aufgrund der ähnlichen Bevölkerungsgröße der beiden Provinzen ist jedoch davon auszugehen, dass die Zahl der Falangisten vor der unificacijn nicht wesentlich niedriger zu veranschlagen ist als diejenige der Provinz A CoruÇa. Interessant ist zudem die Verteilung der Mitglieder auf die drei FalangeAbteilungen: Der FE gehörten in Pontevedra im Oktober 1937 9130 Milizionäre an, die SF hatte 6441 Mitglieder, die Jugendabteilung (Juveniles) 6078. Die Stärke der Miliz im Zahlenverhältnis zu den anderen beiden Gruppen wäre demnach zwar schwächer als in A CoruÇa, doch erreichten auch in Pontevedra die Frauenund die Jugendabteilung zusammen rund die Hälfte der Gesamtzahl der Mitglieder. Für die Provinz Ourense kann aus einem Brief des Falange-Arztes Indalecio Vidal, der im November 1936 plante, unter allen Falangisten der Provinz ein Informationsblatt über Krankheiten zu verteilen, die Zahl von 6000 Falangisten entnommen werden.773 Darüber hinaus spricht Fernando Meleiro am 30. Januar 1937 von 1.700 in Kastilien-Leon stationierten Ourenser Falangisten, was sich mit den Aussagen eines nach Salamanca entsendeten Ourenser Milizionärs deckt.774 Die Gesamtzahl der Ourenser Falangisten, die an der Front standen, lag mit Sicherheit höher, da viele Falangisten aus der Provinz in Asturien kämpften.775 Zusammengenommen läge danach auch in Ourense das Zahlenverhältnis 772 Mitgliederliste Falange Pontevedra, Oktober 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 160. 773 Indalecio Vidal Lomb#n, el jefe provincial del departamento medico an die Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando provisional de Falange EspaÇola de las JONS, Almirante Bonifaz in Burgos, 18. November 1936, Ourense, AGA, (8)17.02 c. 51/18946, cp. Ourense. 774 »Und danach kam die zweite Etappe, und so weiter und sofort, und danach kam der Krieg, und wir zogen mit der ersten Einheit aus Orense in den Krieg…Ich glaube…ich bin mit der Mehrheit, ja, von hier sind wir mit 1.700 und ein paar Zerhackten in einem Zug an die Front gefahren«. Interview Nr. 65, O.M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC. Fernando Meleiro an die Junta Provisional, 30. Januar 1937, AGA, (8)17.02 c. 51/18946, cp. Ourense. 775 Ein Brief des Oberbefehlshabers des Nordheeres vom 27. Februar 1937 gibt einen Eindruck von der Gesamtzahl der in Asturien kämpfenden galicischen Truppeneinheiten aus Heer, Legion und Milizen: »Ich bitte Sie, dass Sie allen Gemeinden und Dörfern Galiciens den Stolz und die Bewunderung mitteilen, mit der ich den Patriotismus und den Mut der 18.000
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ähnlich wie in Pontevdra oder A CoruÇa. Bezüglich der Provinz Lugo liegt nur eine Zahl aus dem Jahr 1941 vor, wonach die Mitgliederzahl bei 16.582 lag.776 Nehmen wir für Lugo eine ähnliche Entwicklung wie für Ourense an, weil auch Lugo im Januar 1937 ein Bataillon aufstellte und von Lugo aus eine ähnlich große Zahl von Falangisten in die Bandera Gallega nach A CoruÇa ging, erreichte die Falange in Galicien im April 1937 eine ungefähre Gesamtgröße von 40.000 bis 50.000 Mitgliedern, die sich ungefähr zur Hälfte auf die Falange-Milizen und zu jeweils einem Viertel auf die Frauen- und Jugendabteilungen verteilten.777 Das allgemeine Wachstum der Falange hielt auch nach der Zusammenlegung sämtlicher Milizen unter dem Oberbefehl Francos weiter an. Michael Seidman zufolge rekrutierten die Militärs für das reguläre Heer in Galicien insgesamt 237.385 Soldaten, was einem Viertel der gesamten Truppenstärke der Aufständischen entspricht.778
Jugendliche als Soldaten Nicht nur der allgemeine Zwang, sich für eine politische Seite entscheiden zu müssen, sondern auch die in der Falange-Propaganda vorherrschende Vorstellung, im Krieg ein »heroisches Abenteuer« erleben zu können, führte schließlich dazu, dass viele Jugendliche nach Kriegsbeginn in die falangistischen Reihen eintraten. Die Presse befeuerte den Enthusiasmus und hob die an die Jungen gestellten Ansprüche hervor, die sie »dank der Leichtigkeit ihrer Beine und ihrem großen Verlangen« meisterten.779 Der steigende Mitgliederanteil der Jugendlichen innerhalb der Falange wird an einem Brief über den Druck des LogroÇer Falange-Magazins Flechas deutlich. Jesffls Muros erwähnte gegenüber
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galicischen Soldaten und Falangisten betrachte, die zusammen mit 3000 Marokkanern und Legionären seit sieben Tagen die Angriffe der mit reichlich Material ausgestatteten 60000 Feinde zurückschlagen und bestrafen, sie haben ihnen schon 14000 Verluste zugefügt. !Viva Galicia! !Viva EspaÇa!«, General de la 8a Division-Deputacijn Provincial de A CoruÇa, 27. Februar 1937, zit. bei Xesus Costa Rodil, Xesffls Santos Su#rez: Galiza na Guerra Civil. Campos de Concentracijn de Muros, Padrjn, A Pobra e Rianxo, Santiago 2007, S. 9. Pilar Ljpez Rodr&guez; Jesus Baz Vicente: Una aproximacijn a Falange en la provincia de Lugo (1936–1942), in: Xos8 Lu&s Axeitos, Emilio Grand&o Seoane, Ramjn Villares (Hg.): A patria enteira. Homenaxe a Xos8 Ramjn Barreiro Fern#ndez, Santiago 2008, S.195–219, S. 217. Garcia Venero sagt, die Falange habe »sehr bald« nach dem 18. Juli 1936 »50.000, 70.000, vielleicht mehr Mitglieder« gehabt, vgl. Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio, S. 269. Javier Tusell spricht von 50.000 bis 70.000 Mitgliedern, die der Falange innerhalb weniger Wochen beigetreten seien. Angabe von Tusell nach Xulio Prada Rodr&guez: A dereita, S. 207. Michael Seidman: Republic of Egos. A Social History of the Spanish Civil War, Wisconsin 2002, S. 119. Los balillas locales, in: El Pueblo Gallego, 1. September 1936, S. 11.
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Manuel Hedilla im Dezember 1936 eine Auflagenstärke von 21.000, die bald verdoppelt werde und als landesweite Ausgabe publiziert werden solle.780 Die meisten der jungen »Neuhemden« (camisas nuevas) fielen auch nach Kriegsbeginn weiterhin in die Berufskategorie »Student« (estudiante), obwohl sie nur noch in seltenen Fällen dem SEU angehörten und auch nicht immer Studenten waren, sondern Schüler oder jugendliche Arbeiter bzw. Bauern oder Tagelöhner, die nun zu Soldaten wurden. Was die Partikularinteressen von Studenten anbelangt, die zuvor in den Zuständigkeitsbereich des SEU fielen, so hatten diese im Krieg keinen Platz innerhalb der Falange. Für Galicien sind zwar keine Korrespondenzen des SEU vorhanden, die Aussagen über den institutionellen Werdegang der Studentenabteilung in der Phase des Krieges zulassen. Aus den Korrespondenzen der SEUVertreter mehrerer anderer Regionen Spaniens ist allerdings ersichtlich, dass zumindest versucht wurde, der Studentenabteilung eine exponierte Stellung zu bewahren. In LogroÇo und Sevilla beschwerten sich SEU-Vertreter nach Kriegsbeginn über die Vereinnahmung des SEU durch die Falange, schließlich handle es sich beim SEU um eine eigenständige Körperschaft. Einige Studenten planten im Februar 1937 einen studentischen Nationalkongress für alle auf die Seite der Aufständischen gefallenen Regionen, doch kam dieser Kongress nicht zustande. Erst während der Franco-Diktatur erreichte der SEU wieder große Bedeutung an den spanischen Universitäten.781 Im Krieg wurden Studenten, wie alle anderen Milizionäre, vorwiegend als Soldaten benötigt, und nur innerhalb der Militärhierarchie konnten sie, wie oben gesehen, durch ihren sozialen Hintergrund oder persönliche Seilschaften Aufstiegschancen wahren. Die Eingliederung junger Menschen in die falangistische Bewegung regelte ab dem 9. Januar 1937 ein unter der Federführung von Manuel Hedilla entwickeltes Programm. Hedilla stellte die Erziehung und Integration unter das Primat der Kriegstüchtigkeit, denn ein besonderes Anliegen der falangistischen Führung war es, soldatischen Nachwuchs heranzuziehen. Unter anderem kümmerte sich Mario Gonz#lez Zaera, enger Vertrauter von Manuel Hedilla und ab August 1936 Territorialführer Galiciens, darum, die Organisation der flechas zu verbessern, und reiste Anfang April 1937 zu diesem Zweck sogar gemeinsam mit Fernando Primo de Rivera, einem Bruder des Falange-Gründers, nach Teneriffa.782 Dem Programm der flechas zufolge wurden Kinder und Jugendliche in drei 780 Jesus Muro an Manuel Hedilla, 26. Dezember 1936, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. Zaragoza. 781 SEU LogroÇo an Camarada provincial del SEU Sevilla, 13. Februar 1937, AGA, (8)17.02 c. 51/18946, cp. SEU. Zum SEU während des Franquismus siehe Miguel ]ngel Ruiz Carnic8r: El SEU 1939–1965. La socializacijn pol&tica de la juventud universitaria en el franquismo, Madrid 1996. 782 Camaradas jefes de Falange y Delegado Superior de flechas, Santa Cruz de Tenerife, 10. April 1937, AGA, 17.02 c. 51/18946, cp. Zaragoza.
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Gruppen eingeteilt: von 6 bis 10 Jahren, von 10 bis 15 Jahren und von 15 bis 17 Jahren (Punkt 7).783 Theoretisch sollte in der ersten Gruppe die Indoktrinierung mit falangistischem Gedankengut beginnen (Punkt 8), in der zweiten Gruppe die Gewöhnung an militärische Disziplin und militärische Rituale (Punkt 9); in der dritten Gruppe sollte schließlich der Kontakt zur primera linea hergestellt werden. Tatsächlich stand zu dem Zeitpunkt, als das Programm erarbeitet wurde, eine Vielzahl der Kinder und Jugendlichen bereits im Krieg. Seit Juli 1936 wurden sie in sämtlichen kriegswichtigen Bereichen eingesetzt, für Tätigkeiten, die von Zuarbeiten bis hin zum gewöhnlichen Dienst an der Waffe reichen konnten. Minderjährige Falangisten beteiligten sich an den Frontkämpfen,784 an Patrouillen und Festnahmen, an Verkehrskontrollen an Straßen und Häfen,785 an Nachtwachen786 und an der Verfolgung von politischen Flüchtlingen in Bergregionen.787 In der retaguardia vereinigten sich die flechas in Spielmannszügen und nahmen an den falangistischen Großveranstaltungen teil.788 Ab Anfang Januar 1937 gab es einen offiziellen Marsch der flechas, der bei diesen Gelegenheiten gespielt wurde.789 310 von 1166 Falangisten, die während des Analysezeitraums, bis April 1937, in eine galicische Falange-Gruppe eintraten und deren Alter vorliegt, waren beim Diensteintritt 18 Jahre alt oder jünger.790 Diese Zahl entspricht 26,58 % der Falange-Kämpfer. 12,40 % der Falangisten waren sogar jünger als 18 Jahre. Die jüngsten Falangisten, die ab Ende Juli 1936 Kriegsdienst leisteten, waren erst 14 Jahre alt; der jüngste an der Front gefallene Milizionär aus dieser Gruppe zählte 15 Jahre.791 Auf der anderen Seite waren 23,26 % der Falangisten älter als 783 Manuel Hedilla, Rafael Garcer#n (Hg.): Reglamento de Flechas, Burgos 1937. 784 Fichas de afiliacijn/Hoja matriz des servicios, Herminio Antelo Ljpez, Caja 6.011, exp. 514; Jesus Lourido Castro, Caja 6.021, exp. 942; Sebastian Moreno Lent&n, Caja 6.027, exp. 1243; Leoncio Mart&nez Gomez Caja 6.026, exp. 1179; Luis Fern#ndez Tom8, Caja 6.028, exp. 1324; Jesus V#zquez S#nchez, Caja 6.022, 1018; Antonio Dom&nguez Pais, Caja 6.027, exp. 1244, AGMAV, MN-JPC. 785 Fichas de afiliacijn/Hoja matriz de servicios, Francisco Porta Ciso, Caja 6.015, exp. 667; Dionisio Basende Hern#ndez, Caja 6.029, exp. 1369; Alberto Camino Lopez, Caja 6.030, exp. 1434; Jesus V#zquez S#nchez, Caja 6.022, 1018; Juan Luis Bermudez de Castro, Caja 6.027, exp. 1264; Antonio Yanez, Caja 6.029, exp. 1339; Jos8 Prieto Aireado, Caja 6.029, exp. 1364; Manuel Rodr&guez Marquez, Caja 6.044, exp. 2153, AGMAV, MN-JPC. 786 Hoja matriz des servicios, Jos8 Cachafeiro Fern#ndez, AGMAV, MN-JPC, Caja 6000, exp.138. 787 »Gefangennahme marxistischer geflüchteter Elemente in den nahegelegenen Bergen, aus der Zone der Minen bei Lousanne-Noya« Vgl. Hoja matriz des servicios, Jesus V#zquez S#nchez, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.022, 1018. 788 Faro de Vigo, 29. Dezember 1936, S. 2. 789 Marcha de los flechas, in: La Nueva EspaÇa, 2. Januar 1937, Nr. 2, S. 8. 790 Zahlen wurden erhoben für zwischen dem 18. Juli 1936 und dem 1. April 1937 eingetretene Falangisten deren Altersdaten vorliegen in den Akten AGMAV, MN-JPC, Caja 5.996–6.065 sowie im Libro registro de afiliados, AHPP, ACP-XPM, L-6505. 791 Ficha de afiliacijn, Miguel Mart&nez Fern#ndez, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.044, exp. 2150.
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30 Jahre. Der älteste aus dieser Gruppe im Krieg aktive Milizionär, zählte gar 72 Jahre und agierte als Führer einer Kampfeinheit in Betanzos (A CoruÇa).792 Über den 66jährigen Jos8 Porto Mato aus La Estrela (Pontevedra) ist in seiner Personalakte vermerkt, er sei »ohne jeden Zweifel der beste derjenigen gewesen, die der Miliz angehört haben«. Er habe in keinem Moment Schwäche gezeigt, habe sich stets als erster für »Dienste« angeboten und sei ein Vorbild gewesen, das alle für seine Haltung bewunderten.793 Der durch den Militäraufstand initiierte Krieg, in dem Bürger gegen Bürger kämpfte, umschloss also sämtliche Altersgruppen. Keine Miliz spiegelte diese Charakteristik des Krieges derart deutlich wider wie die Falange. Im Gegensatz zur Falange war das Heer eine relativ altershomogene Gruppe. Die Heeresleitung der Aufständischen berief mit Kriegsbeginn nämlich vierzehneinhalb »Reserveklassen« für den Militärdienst ein, einschließlich der ersten beiden Trimester des Jahres 1927. Folglich setzten sich die Bataillone aus Männern zusammen, die zwischen 18 und 33 Jahren alt waren.794 In der Falange wurden diese Altersgrenzen sowohl nach unten als auch nach oben deutlich über- bzw. unterschritten. Der für einen Bürgerkrieg typische Charakter der Gewalt – der plötzliche Kampf von Nachbarn gegen Nachbarn, ungeachtet dessen, ob diese jung oder alt, Soldaten oder Zivilisten sind –795 manifestierte sich also insbesondere in der Zusammensetzung der Bürgermilizen. Innerhalb dieser hatte das Alter Einfluss auf die Aufgabenzuteilung und -erfüllung. Während jugendliche Falangisten bereits mit 14 oder 15 Jahren an die Front geschickt wurden, leisteten die im hohen Alter stehenden Falangisten vorwiegend Milizdienste in der retaguardia. Dass Eltern ihre Kinder beim Eintritt in die Falange unterstützten, ist mehrfach belegt, wenngleich sicherlich nicht alle Familienväter wie der Exilant Manuel de Lara gleich eine Gruppen-Mitgliedschaft beantragten: für die Ehefrau, für das dreijährige Kind und für sich selbst.796 Der anonyme Brief eines CoruÇeser Falangisten zeigt, wie gerade der Einfluss der Eltern auf ihren Nachwuchs dazu führen konnte, dass Kinder der Falange beitraten:
792 Hoja matriz de servicios, Manuel Fern#ndez Puga, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.039, exp. 1910. 793 El capitan jefe de milicias, Milicia de FET y de las JONS, Jos8 Pancelo Paz, an Teniente Coronel jefe provincial de la milicia de FET y de las JONS, A CoruÇa, Jos8 Porto Mato, Santiago 21. September 1939, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.048, exp. 2508. 794 James Matthews: Reluctant Warriors. Republican Popular Army and Nationalist Army Conscripts in the Spanish Civil War 1936–1939, Oxford 2012, S. 37; Francisco Jorge Leira CastiÇeira: Los »soldados de Franco«. Entre la movilizacijn ciudadana y el reclutamiento militar obligatorio. Galicia, 1936–1939, in: RUHM, Nr. 4, 2013, S.16–42, S. 42. 795 Stathis N. Kalyvas: The logic of violence in civil war, Cambridge 2008, S. 336. 796 Manuel de Lara an Jefatura Provisional, 7. November 1936, AGA. (8) 17.02 c.51/18946, cp. Extranjero.
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Ich war einer derjenigen Jungen der Mittelschicht und religiös-traditioneller Erziehung, der in den ersten Tagen der Erhebung der Falange EspaÇola beigetreten ist … Ich erinnere mich noch an die Worte meines Vaters, als er mir sagte: ›Wenn ihr die Roten nicht ausrottet, werden sie es mit Euch tun‹. Ich machte bei den Repressions-Brigaden mit, die im August 1936 in dieser Stadt loslegten, und bald sah man unsere Arbeit.797
Hatte in diesem Fall die familiäre Besorgnis, aber sicherlich auch sozialer Druck und politische Motive Einfluss auf den Eintritt in die Miliz, stand für andere Eltern vor allem das Wohlergehen der falangistischen Bewegung im Vordergrund. Ricardo P8rez Grande aus Ourense, der mit Stolz gegenüber Manuel Hedilla herausstellte, sein 18 Jahre alter Sohn sei »seit den ersten Veranstaltungen, die Jos8 Antonio feierte«, Falangist, schrieb dem Falange-Führer hauptsächlich, weil die »Kaziken« in Ourense ihm Sorgen bereiteten: Jetzt wünsche ich, dass die Organisation Falange sauber geboren wird, genauso wie die Quelle eines Flusses, rein und kristallklar […]. Ich sage das, weil ich merke … die neuen Organisationen der Falange positionieren [in Ämtern] nach und nach und mit der Geschicklichkeit eines Kuckucks andere Leute aufgrund von Freundschaften zu Kaziken. Ich glaube, dass die Führung in den Händen der einfachen Falangisten liegen sollte, und danach erst in den Händen der Personen mit großem Talent. […] Auf dass die Führer der Provinz in jedem Dorf nach den wirklichen Faschisten fragen.798
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass neben den hier erwähnten Fällen, in denen der familiäre Hintergrund wenn nicht ausschlaggebend, so doch förderlich für den Falange-Beitritt war, gerade im Nordwesten des Landes Zwangsrekrutierte einen großen Teil des Heeres ausmachten.799 In der plötzlichen Kriegssituation, in der Falange-Gruppen von Dorf zu Dorf zogen, um potentielle Mitläufer aus den Häusern zu holen, war die Frage danach, ob ein Junge 14, 15 oder 17 Jahre alt war, nebensächlich. Nichtsdestoweniger scheint sich bald nach der Ausweitung des Konfliktes zu einem länger andauernden Krieg ein Bewusstsein dafür eingestellt zu haben, dass Minderjährige, vom 797 Der anonyme Brief ist wiedergegeben bei Luis Lamela: Estampas, S. 167. Dass gerade in der republikanischen Zone die Angst mancher Eltern um ihre Kinder größer war als die ideologischen Grenzen, zeigt ein Fall aus Katalonien: Der mit 16 Jahren in die Falange eingetretene Vilar Sancho war zwar aus eigenem Antrieb der Falange beigetreten. Doch nur mit Hilfe seines Vaters, eines Sozialisten, konnte er durch einen falschen Pass, der ihn ein Jahr älter machte, von Katalonien nach Frankreich ausreisen, um von dort Manuel Hedilla zu bitten, dass man ihm bei der Einreise in die von den Aufständischen besetzte Zone helfe: »Ich habe hier die Herren von L ’Action Francaise besucht und selbst einige Spanier, die in diesen kritischen Momenten keine andere Aufgabe haben, als ihre Autos durch Paris zu fahren. Und niemand hat mir getraut. Ich war mehrfach im Gefängnis und habe Artikel in Patria Sindicalista verfasst, unterschrieben mit M.V.S.« Rafael Vilar Sancho an Manuel Hedilla, 15. November 1936, AGA (8) 17.02 c. 51/18946, cp. Extranjero. 798 Ricardo P8rez Grande an Manuel Hedilla, Ourense, 6. März 1937, AGA, (8)17.02 c. 51/18946, cp. Ourense. 799 Michael Seidman: Republic of Egos, S. 120.
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Dienst befreit werden sollten. Eine solche von den Eltern beantragte »Dienstbefreiung aus Altersgründen« liegt in den gesichteten Personalakten allerdings nur bei etwas mehr als einem Viertel der minderjährigen Falangisten vor (27,36 %). Die Gründe dafür konnten unterschiedlicher Natur sein. Aus den Personalakten ist auch zu entnehmen, dass viele sehr junge Falangisten Enthusiasmus für den Krieg zeigten. Der 16jährige Manuel Cal zog auf eigene Faust an die Front, so dass sein Vater erst bei der Falange beantragen musste, dass der »geflüchtete Sohn« wieder nach Hause geschickt werde.800 Manche minderjährige Milizionäre führten von vorneherein bei der Vorstellung in einem FalangeBüro die Erlaubnis der Eltern mit sich, Waffendienst ableisten zu dürfen.801 Manchmal machten sie dabei bewusst Falschangaben, wie der 15jährige Jos8 Jim8nez Bondad, der mit Erlaubnis der Eltern am 15. Dezember 1936 der Falange beitrat und sich dabei als 18jähriger ausgab. Sein wahres Alter fiel erst nach seinem Einsatz an der Madrid-Front vom Februar 1937 auf. Der mit seinem Fall betraute Beamte, dem der Junge von zwei Polizisten übergeben worden war, schrieb dazu etwas hilflos: »Nachdem die Polizisten ohne den muchacho gegangen sind, erwarte ich Anweisungen, was mit ihm zu tun ist, ob er sich hier anmeldet oder ob man wartet, bis die Eltern kommen, um ihn abzuholen.«802 Minderjährige Falangisten, die aufgrund einer Beantragung der Eltern des Dienstes in der Falange enthoben wurden, kehrten zwar von der Front nach Hause zurück, gliederten sich in einigen Fällen aber sofort einer anderen Milizeinheit ein, wie im Falle des 16jährigen Juan Lu&s Bermudez de Castro: »von seiner Mutter zurück gebeten, doch überzeugt davon, dass sein Platz an der Front sei, gliederte er sich als freiwilliger Falangist dem Bataillon D der Jäger ein.«803 Wie freiwillig diese und andere Entscheidungen zur Wiedereingliederung in den Kriegsdienst gefällt wurden oder ob auch hier gesellschaftlicher Zwang den Ausschlag gab, kann nicht beantwortet werden. Auffällig ist, dass diejenigen Minderjährigen, deren Eltern eine Befreiung beantragten, im Durchschnitt trotzdem zwei bis sechs Monate Dienst ableisteten, bevor sie zu ihren Familien zurückkehrten.804 Ob die späte Beantragung 800 Telegrama Carlos Cal, AGMAV, MN, expedientes personales, Jefatura comarcal de Santiago, Caja 6.122, expediente Manuel Cal. 801 Fichas de afiliacijn von Jesus Veiga Ponte sowie ohne Namen, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.034, exp. 1614 bzw. Caja 5999, exp. 118; Caja 6001, exp. 176. 802 Antwort auf das Schreiben 943, ohne Datum, AGMAV, MN-JPC, Jos8 Jim8nez Bondad Caja 6.048, exp. 2495. 803 Vgl. Ficha de afiliacijn u. Hoja matriz de servicio, Juan Luis Bermudez de Castro, AGMAV, MN-JPC Caja 6.027, exp. 1264; siehe auch Gonzalo Diaz Presch, dessen Eltern zweimal die Dienstbefreiung beantragten, und der trotzdem in den Frontdienst zurückkehrte. Zwei lose Blätter, ohne Datum, AGMAV, MN-JPC, Caja 5998 exp. 101. 804 Vgl. Hoja matriz de servicios, Gonzalo Diaz Presch, Caja 5998 Exp.101; Antonio ViÇes Bezzoli Caja 6.030, exp. 1413; Dionisio Basende Hernandez Caja 6.029, exp. 1369; Jesus
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oder die späte Bearbeitung eines Antrages entscheidend dafür war, ist anhand der Einträge in den Personalakten nicht zu klären. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine »Verschleppung« solcher Anträge im Sinne der Falange war, denn selbst wenn die Miliz-Führer Falangisten aus Altersgründen nach Hause schickten, geschah dieser Rückzug selten sofort. So stand Sebastian Moreno Lent&n über ein Jahr lang an unterschiedlichen Kriegsfronten, ehe er »wegen seiner Minderjährigkeit« nach Hause geschickt wurde.805 Leoncio Mart&nez Gomez erhielt zwar die Befreiung vom Frontdienst, leistete dann aber noch drei weitere Monate Dienst in der retaguardia.806 Luis Fern#ndez Tom8 beurlaubte die Falange-Führung wegen seines Alters von 16 Jahren nach zwei Monaten Frontdienst in Asturien. Trotz dieser Beurlaubung blieb er länger dort, um vor der Abreise noch 1,4 Liter Blut zu spenden.807
Das Rückgrat der Kriegswirtschaft: CONS Die Frühlingsmonate 1936 hatten für die ersten Arbeitskämpfe zwischen Falangisten und Gruppen der Linken im Gewerkschaftsbereich gesorgt. Doch erst der Militäraufstand und die notwendige Organisation der Kriegswirtschaft führten dazu, dass die während der Republikzeit politisch sich kaum bemerkbar machende CONS plötzlich an Bedeutung gewann. In vielen spanischen Regionen spielte sich in den ungewissen Stunden zwischen dem 18. und 21. Juli 1936 dasselbe Szenario ab: Arbeiterverbände forderten die Ausgabe von Waffen an die Zivilbevölkerung. Nahezu überall dort, wo dies geschah, blieben sowohl die Guardia Civil als auch das reguläre Heer der Republik treu. Umgekehrt fiel dort, wo die Zivilgouverneure die Waffenausgabe an Arbeiterverbände verweigerten – so beispielsweise in A CoruÇa – die Macht in die Hände der Unterstützer des Militäraufstandes.808 Mitglieder anarchistischer und sozialistischer Gewerkschaften traten nun reihenweise den Aufständischen bei, um ihr Leben zu retten. In dieser Situation hatte die Falange gegenüber den anderen am Aufstand beteiligten Bürgermilizen den Vorteil, bereits über eine Gewerkschaftsstruktur zu verfügen. Allerdings fehlte es an erfahrenem
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V#zquez Sanchez Caja 6.022, 1018; Leoncio Martinez Gomez, Caja 6.026, exp. 1179; Luis Fern#ndez Tom8, Caja 6.028, exp. 1324; Alberto Camino Ljpez, Caja 6.030, exp. 1434. Hoja matriz de servicios Santiago, Iglesias Barral, Caja 6.053, exp.2990. Caja 6.054, exp. 3036, Antonio Deus Cela; Hoja Matriz de servicios, Jos8 CaÇadas Bolano, Caja 6.054, exp. 3038; Hoja Matriz de servicios, Jos8 P8rez Cobas, Caja 6.055, exp.3068, AGMAV, MN-JPC. Ficha de afiliacijn, Sebastian Moreno Lentin, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.027, exp. 1243. Ficha de afiliacijn, Leoncio Mart&nez Gomez, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.026, exp. 1179. Die Entnahme erfolgte in zwei Sitzungen. Beide Male wurden 700 ml entnommen. Hoja matriz de servicio Luis Fern#ndez Tom8, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.028, exp. 1324. Antony Beevor : Der Spanische Bürgerkrieg, München 2008, S. 82–97.
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Führungspersonal. Für die Gestaltung der angestrebten nationalen Syndikate versuchten Falange-Funktionäre deshalb Jos8 Villaverde zu gewinnen, einen der höchsten Gewerkschaftsvertreter der CNT in A CoruÇa. Als dieser die Zusammenarbeit verweigerte, wurde er erschossen.809 Weitere Personen, die leitende Funktionen in linken Gewerkschaften innehatten, erlitten nun systematische Verfolgung. In A CoruÇa erschoss die Falange sechs bedeutende Gewerkschaftsfunktionäre.810 Besonders brutal war die Vorgehensweise gegen führende Gewerkschaftsvertreter aus dem Fischereiwesen. Ab August 1936 wurden 120 führende Anarchosyndikalisten aus A CoruÇa, Cangas, Vigo, MoaÇa und CariÇo hingerichtet. Laut Dionisio Pereira ist davon auszugehen, dass rund 11 % der in der Fischerei tätigen Arbeiter irgendeine Form körperlicher Repression erlitten.811 Neben der politischen Verfolgung an den Küsten kurbelte die Falange die Propaganda an: Seeleute von Bouzas!!! Die CNT hat eure Herzen vergiftet und euch Hunger, Verzweiflung und Tod gebracht. Der Nationalsyndikalismus wird eure soziale Situation innerhalb der Normen des Nuevo Estado verbessern, Vaterland, Brot und Gerechtigkeit. Seeleute!!! Der Nationalsyndikalismus strebt danach, euch eine würdige und wohlhabende Zukunft zu garantieren. Zweifelt nicht weiter daran. Tretet in unsere nationalen Syndikate ein, und sie werden eure Garantie und eure Unterstützung sein.812
Schon bald beantragten ganze Betriebe bei den Lokalabteilungen der Falange die Aufnahme ihrer Belegschaft in die CONS.813 Notdürftig organisierte die Falange im Dezember 1936 in A CoruÇa einen Lesesaal, wo den Arbeitern falangistische Zeitungen und »erklärende Bücher über unsere Doktrin« zur Verfügung gestellt wurden, »um das kulturelle Niveau der Arbeiter der CONS zu erhöhen.«814 Trotz solcher weitreichender Propagandainitiativen in Arbeiterkreisen musste die Falange bei der Verbreitung des Propagandamaterials stets auf die Gunst der Militärbehörden hoffen, die sämtliche Materialien zensierten. Im Falle der Provinz Ourense führte dies zu Schwierigkeiten. Die dortige CONS beschwerte
809 Juli#n Casanova: Rebelijn y revolucijn, in: Santos Juli# (Hg.): V&ctimas de la guerra civil, Madrid 1999, S. 55–171, S. 100. 810 Carlos F. Velasco: 1936. Represijn e Alzamento militar en Galiza, Vigo 2006, S. 32. 811 Dion&sio Pereira: Os m#rtires do mar: Unha achega # represijn franquista contra os mariÇeiros galegos, in: Carlos Velasco, Dion&sio Pereira, Emilio Grand&o, Eliseo Fern#ndez (Hg.): A fuxida do PortiÇo. Historia, memoria e v&timas, Vigo 2009, S. 99–157, S. 106–107 u. S. 113. 812 Zit. nach Dion&sio Pereira: Os m#rtires do mar, S. 119. 813 Expedientes personales, Jefatura comarcal de Santiago, Caja 6.122, Juan Adel Abad, AGMAV, MN. 814 Libros y periodicos para los obreros, La Voz de Galicia, 4. Dezember 1936, S. 2.
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sich schließlich darüber, dass die Behörden es »ambitionierten Milizionären« bei der Verteilung von Propaganda sehr schwer machten.815 Über die numerische Entwicklung der CONS in dieser Phase liegen wenige Daten vor. Carlos Montero Diaz bezifferte für Anfang 1937 die Mitgliederzahl der CONS allein in der Provinz A CoruÇa auf 5000 Arbeiter.816 Für die Mitte November angesetzte Begrüßungsveranstaltung zur Rückkehr der an mehreren Fronten eingesetzten Bandera Gallega wies Montero sämtliche CONS-Mitglieder Galiciens an, nach A CoruÇa zu reisen, um »mit Spitzhacken und Schaufeln« den Frontkämpfern zuzuwinken. Er rechnete mit dem Eintreffen von 15.000 bis 20.000 Arbeitern.817 Neben der herkömmlichen Werktätigkeit auf den Feldern, am Hafen oder in der Metallindustrie fielen nun auch Transporte von Rohstoffen und vor allem von Lebensmitteln in das Aufgabengebiet der CONS-Mitglieder. La Voz de Galicia vermeldete, dass eine Gruppe Falangisten aus Vigo Anfang August Valladolid, Lejn und Burgos durfahren habe, »um diese Städte mit großen Mengen an Konservendosen und frischem Fisch zu beliefern. Diese Expedition hat in Burgos 600 Kisten mit Sardinen überreicht – entsendet von den Konservenfabrikanten Vigos«.818 Aus Cangas (Pontevedra) berichtete die Zeitung: »Im Einvernehmen mit der lokalen JONS-Führung spenden die Besatzungen mehrerer Fischerboote der glorreichen Nationalen Bewegung uneigennützig einen Teil ihres Fangs – für jeden Falangisten der an der Front kämpft.«819 Zwar war in La Voz de Galicia zu lesen, dass »viele dieser tapferen Fischer Mitglieder in der CONS sind«, doch darf bezweifelt werden, dass in einem Gewerbezweig, in dem die Falange zuvor keinerlei Mitglieder hatte und in dem es zu sehr vielen Hinrichtungen kam, derart »uneigennützig« gespendet wurde. Weitere Lebensmittel, die in großen Mengen in Richtung Front verfrachtet wurden, waren Kartoffeln, Kohl und Bohnen. In einer von Betanzos (A CoruÇa) aus organisierten »Expedition« transportierten Falangisten »2000 Kilo lebendes Vieh« sowie »Seife, Handtücher und Zigaretten.«820 Neben Lebensmitteln benötigten die im Herbst und Sommer 1936 oft unvorbereitet und nicht auf einen länger andauernden Krieg eingestellten Soldaten angemessene Kleidung, gerade angesichts des heraufziehenden Winters, so dass die Falange nicht nur Nah815 Jefatura provincial Orense an den Jefe Territorial de la CONS, 5. Januar 1937, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. CONS. 816 Carlos Montero D&az an Francisco Bravo, 11. März 1937, AGMAV, MN-JPC Caja 6.019, exp. 890. 817 Notas de Falange, in: La Voz de Galicia, 17. November 1936, S. 2. 818 Falangistas vigueses, in: La Voz de Galicia, 12. August 1936, S. 4. 819 Rasgo meritorio. De los marineros cangueses, in: La Voz de Galicia, 21. November 1936, S. 5. 820 Una expedicijn desde Betanzos, Boletin, in: La Voz de Galicia, 9. August 1936, S. 3.
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rungs-, sondern auch Kleidertransporte durchführte. Die Vorbereitungen für diese von den CONS durchgeführten Transporte lagen in den Händen der falangistischen Frauenabteilungen.
Sección Femenina im Krieg Bereits im Sommer 1936 begannen Falangistinnen in Werkstätten, Kleidung zu konfektionieren sowie in den so genannten »Blutskrankenhäusern« (Hospitales de Sangre) Dienst zu leisten. Obwohl innerhalb Galiciens keine Front verlief, kamen viele Verletzte aus den nordspanischen Gebieten in die Region, um medizinisch versorgt zu werden.821 Die für die sozialpolitische Profilierung der Falange bedeutsamste Institution wurde aber erst im Laufe des Herbstes 1936 eingerichtet. Der baskische Lehrer Javier Mart&nez de Bedoya begann, nachdem er bei einem Lehraufenthalt in Heidelberg die Nazi-Organisation »Winterhilfswerk«, die so genannte »Winterhilfe«, kennengelernt hatte, ein ähnliche Unterstützung in Spanien zu organisieren, wobei er auch den Namen der Vorbildorganisation ins Spanische übertrug: Auxilio de invierno. In Valladolid trat de Bedoya im Herbst 1936 mit der Witwe des zu Beginn des Krieges getöteten Valladolider Falange-Führers, On8simo Redondo, in Kontakt, die zu diesem Zeitpunkt die dortige falangistische Frauenabteilung leitete. Nach der Erlaubnis des Parteiführers Manuel Hedilla, die Initiative für Auxilio de invierno auch in andere Regionen auszuweiten, nahmen die beiden Kontakte nach Salamanca, Burgos und A CoruÇa auf.822 Dort wurde mit den ersten sozialen Dienstleistungen im Dezember 1936 begonnen, was für einen deutlichen Zuwachs an Falangistinnen sorgte. Insbesondere war dies nach der Einrichtung der ersten Essenssäle (comedores) der Fall, in denen sowohl Frauen als auch Mädchen arbeiteten, um Bedürftige und vor allem Kinder zu versorgen. Laut einer Auflistung der Frauenabteilung von Pontevedra vom 26. Januar 1937, die sich höchst wahrscheinlich auf die Zahlen der in den comedores Tätigen bezieht, arbeiteten in ganz Galicien knapp 2000 Frauen und Mädchen in den comedores. Der Liste ist weiterhin zu entnehmen, dass im Gegensatz zu den regen Führungswechseln an der Spitze der Milizabteilungen innerhalb der Provinzabteilung der Frauen Führungskontinuität herrschte. In Ourense hatte weiterhin Vicenta P8rez Ljpez die Leitung der SF inne, die Sekretärin (secretaria provincial) war Antonia M8ndez Villar. In A CoruÇa blieb Ricarda Canalejo SF-Führerin (Sekretärin der SF: Antonia Naya 821 Ana Cebreiros Iglesias: Movilizacijn femenina, S. 88. 822 ]ngela Cenarro: La sonrisa de Falange. Auxilio Social en la Guerra Civil y en la Posguerra, Barcelona 2006, S. 3.
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V#zquez), und in Lugo stand weiterhin Pura Pardo Gayoso (Sekretärin der SF: Pura P#ramo Fern#ndez) an der Spitze der SF. Allein in Pontevedra hatte mit Bernardo PatiÇo de Ila (Sekretärin der SF: Juana Ma. Corbal) ein Mann die Sektionsführung inne.823 Ferner hatte bereits im Herbst 1936 in den rasch ins Leben gerufenen lokalen Frauengruppen der Falange die Organisation von Hilfstransporten begonnen. Gerade nach der Verhärtung der Fronten und der Einsicht, dass ein über den Winter hinaus andauernder Krieg zu erwarten war, kam den Frauen die Planung der Lebensmittel- und Kleidertransporte zu. In sämtlichen Dörfern führten die Falangistinnen Kleidersammlungen durch und stellten Hilfs-Pakete für die Frontsoldaten zusammen, mit Schurwolldecken, Baumwolldecken, Windjacken, Pullovern, Flanellhemden und -unterhosen, Socken, Handschuhen, Verbänden, Schals, Leinenschuhen und Luftmatratzen.824 Trotz der Spenden mussten die Frauen einen Großteil der Kleidung selber konfektionieren. Entweder arbeiteten sie in den eigens dafür eingerichteten Werkstätten oder sie erledigten die Aufträge zu Hause. Hatte das zur Republikzeit entworfene Bild »der helfenden Frauenhand« tatsächlich in teilweiser Übereinstimmung mit der Lebensrealität der Frauen gestanden, so war es der Kriegsfall, der dafür sorgte, dass Bild und Realität nun zur vollen Deckung kamen. Wie schon für die Milizionäre wurde nun auch für die SF das zur Republikzeit verbreitete Falange-Vokabular zur Verschriftlichung einer Verhaltensrichtlinie der SF eingesetzt. In 18 Punkten, die am 17. Januar 1937 von El Pueblo Gallego veröffentlicht wurden, schilderte die Richtlinie den Dienst in der SF. Die Beschreibungen glichen den Programmatiken für die Miliz- und die Jugendabteilung in sämtlicher Hinsicht. In den ersten beiden Punkten heißt es äußerst redundant: »1. Opfere Dich entsagend einer Aufgabe. 2. Auf dass Dein Leben Entsagung und Aufopferung ist.« Auch die weiteren Punkte führten, oft in geschmücktem Stil das zentrale Ziel des Gehorsams und der Unterordnung aus, entweder Unterordnung unter »Spanien« (Punkt 13), unter die »Falange« (Punkt 17) oder Unterordnung unter »den Mann«.825
823 Lista, Jefatura de Pontevedra an Pilar Primo de Rivera, 26. Januar 1937, AGA, (8)17.02 c. 51/ 18946, cp. Seccijn Femenina. 824 Relacijn de prendas de vestir confeccionadas por esta Falange que presenta al Sr.delegado civil en virtud de su oficio de fecha de ayer. La jefe local, Puerta del Son, 22. November 1936, in: ARG, 32.456/2777, Correspondencia en relacijn con Ordenes, circulares, oficios, … del Ministerio de de la Gobernacijn y otros organismos sobre asuntos que afectan a varios ayuntamientos 1936. 825 Normas de la vida de la mujer de Falanje, in: El Pueblo Gallego, 17. Januar 1937, S. 4.
Das Lager der Aufständischen: Wettlauf um die Macht oder »eine Bewegung«?
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Das Lager der Aufständischen: Wettlauf um die Macht oder »eine Bewegung«? Das exponentielle Wachstum der Falange-Mitgliederzahl nach Kriegsbeginn veränderte auch schlagartig das unter rechtskonservativen und rechten Milizen zeitweise freundschaftliche Verhältnis, worunter vor allem die JAP litt. Es war das Militär, das beschloss, die Falange systematisch zur führenden Bürgermiliz aufzubauen, und das fing bereits bei der Anwerbung neuer Soldaten in den galicischen Dörfern an. Zwar rekrutierten sämtliche am Aufstand beteiligte Gruppen Freiwillige. Doch waren die Initiatoren dieser Werbeaktionen dazu gezwungen, die Erlaubnis für die Rekrutierung bei den Militärs einzuholen. Im Gegensatz zu den anderen Milizen erhielt die Falange diese Erlaubnis für gewöhnlich problemlos. Das JAP-Mitglied Sergio Rivera schrieb Anfang September 1936 an den Milizführer der JAP in Ourense: Pepe Rivero hat bereits die Liste der Milizen gesendet, und ich glaube, es sind 18, und vielleicht werden es noch mehr, wenn die [Militärs] das autorisieren. Sie werden sich schon drum kümmern, denn von hier, so scheint es, gibt es die Anordnung, dass keine weiteren Listen als diejenigen der Falange autorisiert werden.826
Auch bei der Ausstellung des zentralen Identifikationspapiers für Milizionäre, der mit Foto versehenen Mitgliedskarte, auf der persönliche Kennzeichen wie Alter, Beruf, Größe und Augenfarbe der Milizionäre vermerkt wurden, genossen die Falangisten Vorteile. »Neuhemden« hatten bei der Ausstellung dieser Mitgliedskarten mit weniger Kontrollen bezüglich ihrer politischen Vergangenheit zu rechnen, als dies bei der Aufnahme von Neumitgliedern in andere Milizen der Fall war. Zudem verlief der Versand der Listen an die Front und infolgedessen die Eingliederung der Milizionäre schneller als bei der JAP, wie folgende Beschreibung eines JAP-Mitgliedes zeigt: »[…] soweit ich weiß, wurden die Listen vorher schon nach Ourense geschickt, ich nehme an, dass unsere dort liegen geblieben sind und dass nur diejenigen der Faschisten versendet wurden, denn für die ist keine vorherige Untersuchung der einzelnen Schriftstücke nötig.«827 Die hier anklingende deutliche Bevorzugung der Falange hatte einen sich selbst beschleunigenden Effekt. Der politisch gewollte Mitgliederzuwachs zu Beginn des Aufstandes bekam einen irreversiblen Charakter : Je mehr Falangisten der Bewegung beitraten, desto schwerer fiel es, sie zu überhaupt kontrollieren. Bedurfte es der Versendung der Miliz-Ausweise, weil ein Trupp bereits an einem anderen Kriegsschauplatz war, trafen die Ausweise falangistischer Mili826 Sergio Rivera an Jos8 an P8rez ]vila, Celanova, 5. September 1936, AHPOU, Caja 14703. 827 Juan Guillem Mart&nez an Jos8 P8rez ]vila, 26. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703.
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zionäre häufig eher am Zielort ein als die anderer Milizen, was bei den JAPMitglieder ohne Papiere auf Missfallen stieß, da ihnen der Status »Milizionär« verweigert wurde.828 Dies wiederum hatte Auswirkungen auf den Einsatz innerhalb der Truppenverbände. Aus mehreren Dörfern der Provinz Ourense beschwerten sich die JAP-Mitglieder bei ihrem Provinzführer Jos8 P8rez ]vila, dass den Falangisten Waffen überreicht würden, ihnen hingegen nicht.829 Aus Bande berichtete Juan Guillem Mart&nez, dass seine Gefolgschaft Kartoffeln sammeln müsste, während die Falangisten auf militärische Streifzüge gingen: »Diese Ungleichbehandlung sorgte für Ungeduld unter den JAP-Mitgliedern.«830 Aus Celanova schrieb J. Sotoro: Ich bitte Sie darum […], mir eine Autorisierung für eine Spendensammlung zu erteilen, für die JAP und für das glorreiche Heer, und, wenn möglich, eine weitere dafür, Waffen aus den Kasernen zu bekommen, denn die Falangisten laufen mit Waffen rum […]. Es gibt für sie eine Richtlinie und für uns eine andere. Nun, die haben auch keine schöneren Gesichter als wir.831
Manuel Franqueira beklagte, dass die Falange in Xub&n mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet würde: Falangisten hielten Nachtwache, sie kümmerten sich darum, dass ab 19 Uhr sämtliche Geschäfte geschlossen blieben; außerdem führten sie Fahrzeugkontrollen, Festnahmen und Hausdurchsuchungen durch. Wenn also die Falange all diese Rechte besäße, so Franqueira, dann müssten die Milizionäre der JAP sich doch gleichfalls um derlei Angelegenheiten kümmern dürfen.832 Waren die JAP-Mitglieder einerseits unzufrieden mit der Aufgabendelegierung und der Bevorzugung der Falangisten seitens der Militärs, so bot ihnen andererseits die Haltung der falangistischen Milizionäre einen weiteren Grund zur Besorgnis. Diese nutzten nämlich ihrerseits die ihnen gewährten Freiheiten und sahen diese teilweise als Bestätigung ihrer Überlegenheit. Das JAP-Mitglied 828 »Den Anweisungen der Militärführung folgend, ging die Guardia Civil dieses Dorfes gestern und heute dazu über, die Waffen zu sichten. Und wir, immer noch ohne Waffen, außer mir, stellten uns ebenfalls dem Kommandanten vor. Und als dieser bemerkte, dass sämtliche Milizionäre ohne Mitgliedskarte waren, teilte er uns mit, dass es einen Befehl gebe, der besagt, dass alle Milizionäre ohne Mitgliedskarte nicht als solche betrachtet würden, von welcher Miliz sie auch immer seien. Deshalb wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir so schnell wie möglich sagen würden, ob Sie Fotografien für die Erstellung der besagten Karten brauchen oder was wir nun tun sollen.« Manuel ]lvarez an Jos8 P8rez ]vila, Gomesende, 21. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703. 829 Manuel ]lvarez an Jos8 P8rez ]vila, Gomesende, 21. Oktober 1936; Manuel Franqueira an Jos8 P8rez ]vila, 3. Januar 1937; J. Sotoro an P8rez ]vila, Avijn, 19. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703. 830 Juan Guillem Mart&nez an Jos8 P8rez ]vila, 26. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703. 831 J. Sotoro an P8rez ]vila, Avijn, 19. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703. 832 Manuel Franqueira an Jos8 P8rez ]vila, Xubin, 11. Dezember 1936, AHPOU, Caja 14703.
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Manuel Fern#ndez beschwerte sich bei P8rez ]vila, dass zwei seiner Familienmitglieder in Rivadavia willkürlich durch Falangisten festgenommen worden seien, denn »wenn ich Dir sage, dass der zuständige Agent Falangist ist, denke ich, habe ich genug gesagt.«833 Aus Cea erhielt Jos8 P8rez ]vila Nachricht, dass der dortige Aufbau der JAP von den Falangisten massiv gestört werde.834 Aus Bande kam dieselbe Nachricht: Dort würden unter den bereits auf den Mitgliederlisten der JAP aufgenommenen Freiwilligen Gerüchte verbreitet, dass an der Asturienfront die Soldaten des regulären Heeres die Milizionäre alleine ließen. Die Falangisten erzählten den angehenden JAP-Mitgliedern, in Asturien herrsche Nahrungsmittelknappheit und Neuankömmlinge müssten bettelnd von Tür zur Tür ziehen. Falls sie sich auf freie Plätze der Guardia Civil bewerben würden, empfingen die in Asturien eingesetzten Guardia sie mit Schüssen. Alles in allem sei es besser, in der falangistischen Miliz in der retaguardia zu dienen.835 Aus Xub&n kam die Nachricht einer besorgten Mutter, die Angst um ihren in den Reihen der JAP tätigen Sohn hatte. Dieser sei in eine Schlägerei mit einem Falangisten verwickelt gewesen, und der Falangist drohe nun regelmäßig, ihrem Sohn Schlimmeres anzutun.836 Dass derlei Attacken an der Tagesordnung waren und sich nicht einzig auf JAP-Mitglieder beschränkten, sondern sich auch gegen Requet8s oder gegen andere Bürgermilizen wie die Caballeros de Santiago richten konnten, zeigt ein Brief Fernando Meleiros an Manuel Hedilla, verfasst am 25. Januar 1937, kurz nachdem Meleiro wieder in die Ourenser Falange-Führung aufgenommen worden war : An dem Tag, an dem ich mich auf Anweisungen des Kameraden Bravo hin, der Führung dieser jefatura angenommen habe, erhielten wir die Nachricht, dass einer unserer Kameraden einen Requet8 getötet hat, ohne ein anderes Motiv, als dass jener zu einer anderen Miliz gehörte. Kurze Zeit später verprügelte ein weiterer Kamerad aus demselben Grund einen von der Miliz Caballeros de Santiago nach Strich und Faden. Das hat kein besonders gutes Licht auf uns geworfen und den Misskredit nur noch vergrößert, in den unsere Organisation in dieser Provinz aus anderen Gründen ohnehin schon gefallen ist.837
Die Demonstration der falangistischen Überlegenheit durch rohe Gewaltausübung, wie sie hier beschrieben wird, führte zur systematischen Einschüchterung anderer Milizen aus dem Lager der Aufständischen. Beleg für die Auswirkungen der falangistischen Gewalttaten ihrer generell abschätzigen Be833 834 835 836 837
Manuel Fern#ndez an Jos8 P8rez ]vila, 22. März 1937, AHPOU, Caja 14703. Jos8 Logarno an Jos8 P8rez ]vila, 13. August 36, AHPOU, Caja 14703. Juan Guillem Mart&nez an Jos8 P8rez ]vila, Bande, 23. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703. Manuel Franqueira an Jos8 P8rez ]vila, Xubin, 11. Dezember 1936, AHPOU, Caja 14703. Fernando Meleiro an Manuel Hedilla, 25. Januar 1937, AGA (8)17.02, cp. 51/18946, cp. Ourense.
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handlung auf das Verhalten der Zivilbevölkerung und der anderen Milizen ist ein Brief von Manuel ]lvarez vom 24. Dezember 1936. ]lvarez plante, zu Weihnachten einen Gottesdienst für die JAP zu organisieren, brauchte dafür allerdings die Genehmigung des örtlichen Pfarrers. Gegenüber seinem Vorgesetzten sagte er, er hoffe, der Gottesdienst werde genehmigt, doch habe er ein gewisses Gefühl, dass die JAP es mit der Organisation noch nicht schaffen werde. Und in diesem Fall, so seine Vorahnung, würden die Falangisten wohl nicht müde werden, die JAP auszulachen.838 Litten JAP-Mitglieder einerseits unter der Gewaltbereitschaft der Falangisten, sahen sie andererseits im Übertritt zur Falange eine Möglichkeit, sich der Unterdrückung zu entziehen. Schon nach den Wahlen vom Februar 1936 waren viele JAP-Mitglieder übergelaufen. Den Übriggebliebenen fiel es immer schwerer, die eigene Identität gegen die Übermacht der Falange zu behaupten. Durch die Stärke der Falange und die immer geringer werdenden Möglichkeiten, unabhängig zu bleiben, sahen sich weitere JAP-Mitglieder dazu veranlasst, die Miliz in den ersten Kriegsmonaten zu wechseln. Dass die Miliz-Führer der JAP bei der kriegsbedingten Nachproduktion von Uniformen ausdrücklich denselben Schnitt wie die Falange wählten, kann als ein letzter Versuch gedeutet werden, den Kontrahenten zu ähnelen.839 Was bedeutete der Mitgliederzustrom aber für die Falange und die falangistische Identität? Schon der Kriegsausbruch hatte für Unstimmigkeiten gesorgt, da die camisas viejas nunmehr eine privilegierte Stellung beanspruchten. Schließlich, so die Argumentation, hätten sie bereits zu Republikzeiten gewusst, welche die »richtige« Miliz sei und für diese Erkenntnis nicht erst einen Krieg gebraucht. Ihre Weitsicht müsse durch innerparteilichen Machteinfluss belohnt werden. Hatte aber ein camisa vieja, der im November 1935 den Beitritt beantragte mehr Privilegien als einer, der dies im Juni 1936 tat? Was geschah mit denjenigen camisas viejas, die seit 1934 oder 1935 in falangistischen Kreisen mitwirkten, jedoch keine Mitgliedskarte aus dieser Zeit besaßen? Konnte heroisches Handeln im Krieg einen »späten Eintritt« in die Falange aufwiegen, und wer entschied darüber, Manuel Hedilla oder die Militärs, denen die Falange unterstand? Und wie sollte man mit denjenigen Kämpfern umgehen, die Doppeloder gar Tripelmitgliedschaften in den Milizen pflegten? Als habe es jemals, abgesehen von dem vage formulierten 27-Punkte-Programm, eine klare falangistische Linie gegeben, forderten viele Althemden die »Reinhaltung« des Falangismus, eine Forderung, die eng mit der Angst um die 838 Manuel ]lvarez an Jos8 P8rez ]vila, 24. Dezember 1936, AHPOU, Caja 14703. 839 »Pepe Rivera hat sich bereits um die Liste gekümmert, es gehen, glaube ich, 18; ich nehme an, er hat sie versendet. Wir machen die Hemden, die in der Form genauso sein werden wie der Falanje, außer der Farbe, die ist klarer.« Sergio Rivera an Jos8 P8rez ]vila, Celanova, 3. September 1936, AHPOU, Caja 14703.
Das Lager der Aufständischen: Wettlauf um die Macht oder »eine Bewegung«?
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eigene Stellung in der Parteihierarchie zusammenhing. Mehrere Briefe des in Ourense tätigen Falange-Arztes Indalecio Vidal Lomb#n zeigen eindrucksvoll, dass Neumitglieder sich zwar der Gewaltkultur der Falange anpassten, dass sie die Falange-Mitgliedschaft jedoch weniger aus Überzeugung beantragten, denn als Vehikel zur Erlangung eigener Vorteile nutzen wollten. Vidal Lomb#n verfasste im November 1936 nicht weniger als 14 Briefe an die Gesundheitsabteilung der »Provisorischen Junta« – und das, ohne einen einzigen Antwortbrief zu erhalten. Jedenfalls liegt eine solche Antwort nicht archiviert vor. Außerdem kritisiert Vidal in seinen Briefen selber einige Male das Fehlen einer Antwort. Die innerhalb weniger Tage verfassten Briefe lassen an ein fortlaufendes Schriftstück denken. Sie können zusammengenommen, als Schilderung der problematischen Situation der Falange in Ourense gelesen werden. Einerseits bestätigen sie nämlich die plötzliche Stärke der Falange: Kurz nach Kriegsbeginn eröffnete die Partei in der Stadt ein Krankenhaus zur exklusiven Behandlung der eigenen Milizen, ein Privileg, das nur Milizionäre der Falange besaßen.840 Andererseits belegen die Briefe, dass die Machtstrukturen der Falange, die sich nicht über einen längeren Zeitraum gefestigt hatten, mancherorts genauso schnell wieder zerfielen, wie sie entstanden waren. Das Hauptanliegen der Briefserie war es, das besagte Falange-Krankenhaus zu retten, da es bereits wenige Wochen nach seiner Öffnung von der Schließung bedroht war. Gegenüber der Provisorischen Junta verteidigte Lomb#n das falangistische Projekt vehement. Ausschlaggebend für die Schließungspläne seien vor allem Feinde aus den eigene Reihen, die nicht wüssten, was die Falange eigentlich sei. Es handle sich um untreue Falangisten, die mehrere Milizmitgliedschaften pflegten sowie um faule Falangisten, die nur eine Mitgliedskarte für die »Zweite Reihe« (Segunda L&nea) besäßen und nicht bereit seien, zu kämpfen. Laut Lomb#n kritisierten diese Falangisten ihrerseits, dass das Geld, das für das Krankenhaus ausgegeben werde, sehr gut in andere »praktische und angemessene Dinge« investiert werden könne. Dem wiederum entgegnete Lomb#n: Ich verstehe nicht, wie einige Herren, die sich Falangisten nennen und das Blauhemd tragen (auch wenn sie wie Chamäleons ständig ihre Farbe wechseln, denn alle von ihnen gehören genauso den Caballeros de Santiago an und einer ist sogar Arzt der Requet8s) gegen eines der besten Werke der Falange in dieser Provinz arbeiten, das einzige Werk, das aus dem Nichts erschaffen wurde, ohne Hilfe […] Wir haben mehr als 150 kranken Falangisten medizinische Betreuung gegeben, wir haben allen, die es 840 Auch in anderen von den Aufständischen besetzten Teilen Spaniens gab es diese Art falangistischer Einrichtung, beispielsweise in Lejn. Vgl. El hospital de F.E., in Proa, 10. November 1936, S. 3.
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Mitgliederentwicklung und falangistische Körperschaften Juli 1936–April 1937
brauchten, Medikamente gegeben […] Wenn das unsinnige Kosten sind, so, wie die sagen! … Was wären denn sinnvolle Kosten! Vielleicht das Luxuslokal, das sie für die Versammlungen der Segunda l&nea gemietet haben! Vielleicht die Luxuskaserne, in der sich die wichtigen Personen der Caballeros de Santiago einnisten, mit ihren Luxusuniformen!841
Lomb#n wiederholt diese Anklagen in seinem zweiten Brief vom 7. November 1936. Er schreibt, die Falange sei angetreten, die Klientelstrukturen in Galicien aufzuheben, doch insbesondere die anderen Ärzte des Krankenhauses seien selber »bis ins Knochenmark« von einem »kazikilen Virus« befallen.842 Lomb#n beruft sich auf den Falange-Arzt Miguel Merino, »Territorialführer« (jefe territorial) von Aragjn und einer der einflussreichsten Parteifunktionäre im Land: Bei der Niederschrift von dem, was hier vorgeht, sind mir die Worte Miguel Merinos präsent, die er sprach, als er seine Inspektionsreise durchführte: Und wenn Du auch alleine bleibst, man muss alles Schlechte unterdrücken und ausrotten, alles das, was nicht der reinen Falange entspricht, alles das, was nicht rein ist und nicht für ein großes vereintes und freies Spanien arbeitet, und wenn es nötig ist, müssen wir sie eben unter Schüssen niederwerfen…843
Die Wut Lomb#ns war so groß, dass er noch an demselben Tag, an dem er diesen zweiten Brief geschrieben hatte, einen dritten Brief schrieb, in dem er die »Unsrigen« als viel gefährlichere Feinde einschätzte als die »Roten«.844 In den folgenden Briefen berichtet Lomb#n davon, dass er weitere Befürworter für den Erhalt des Krankenhauses in den Ourenser Dörfern CarballiÇo, Ribadavia, Allar&z, Celanova, Ver&n, Ginzo de Lima und Puebla de Trives mobilisiert habe und sich um die Organisation von Medikamentenlieferungen für die Front kümmere.845 Zudem habe er, wie schon zur Eröffnung des Krankenhauses, materielle und finanzielle Unterstützung aus Portugal erhalten, wo er in Dr. Ary dos Santos über einen verlässlichen Partner verfüge, der sich besonders als Pressereferent 841 Indalecio Vidal Lomb#n (el jefe provincial del departamento medico) an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense 5. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Ourense. 842 Indalecio Vidal Lomb#n an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense 7. November 1936, Ebenda. Siehe auch: »Unbedingte Lösungen und keine Worte ohne Bedeutung. Jetzt ist es vielleicht schon zu spät, weil die kazikile Arbeit bereits Früchte trägt, und in der Schließung des Krankenhauses gipfelt.« Indalecio Vidal Lomb#n an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense, 16. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Ourense. 843 Indalecio Vidal Lomb#n an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense, 7. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Ourense. 844 Ebenda. 845 Indalecio Vidal Lomb#n an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense 8. November 1936 und 9. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/ 18946, cp. Ourense.
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für die Falange in Lissabon eigne und der im Stande sei, dort in Kürze 10.000 Übersetzungen des falangistischen 27-Punkte-Programms in Umlauf zu bringen.846 Am 13. November 1936 schreibt Lomb#n schließlich, dass der Militärgouverneur das Krankenhaus offiziell geschlossen habe, er selber versuche jedoch, die Geschäfte des Krankenhauses von zu Hause aus weiterzuführen.847 Er bittet um finanzielle Unterstützung für ein medizinisches Informationsschreiben, das er unter sämtlichen Milizionären der Provinz verteilen möchte, sowie um Propagandamaterial.848 Noch in seinem zwölften Brief hegt Lomb#n die Hoffnung, das Falange-Krankenhaus an anderer Stelle wieder zu eröffnen, da er bereits ein »hervorragendes Gebäude« in Aussicht habe.849 Gleichzeitig sind erste Anzeichen von Resignation zu erkennen: »Für die Milizen wollen die in den Dörfern nichts mehr geben, und wenn sie es tun, dann mit sehr viel Widerwillen.«850 Erst in seinen letzten beiden Briefen äußert Lomb#n offen Zweifel. Er sagt, er wisse, die junta stecke in Arbeit, aber eine Antwort auf seine Briefe hielte er für angebracht. Das Ausbleiben dieser Antwort kann als Ausdruck der politischen Probleme interpretiert werden, vor denen die nationale Falange-Führung in den ersten Kriegsmonaten stand. Zeitmangel und die Führungsschwäche an der Spitze der Falange sprechen dafür, dass in Burgos andere politische Brennpunkte für wichtiger erachtet wurden, z. B. die Front. Denn auch dort mussten sich die Falangisten nicht nur gegen die Republikaner, sondern ebenso gegen die anderen Milizen aus dem Lager der Aufständischen behaupten – und auch dort zunehmend in den eigenen Reihen. Lomb#ns Resümee für die retaguardia kann allgemein für die Situation innerhalb der Falange gelten: »[…] ich weiß nicht, ob ich gut oder schlecht handle in Anbetracht der Tatsache, dass Burgos mir hier keine Lösungen bietet. Und mich attackieren sie wie tollwütige Hunde, nicht nur die von außerhalb, sondern die eigene Falange.«851
846 Ebenda. 847 Indalecio Vidal Lomb#n an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense 13. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Ourense. 848 Indalecio Vidal Lomb#n an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense 18. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Ourense. 849 Ebenda. 850 Ebenda. 851 Indalecio Vidal Lomb#n an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense 23. November 1936 und 24. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Ourense.
Gewalt im Krieg
Gewalt und Öffentlichkeit: Der erste Medienkrieg der Geschichte Seit Oktober 1933 waren die Falange-Milizionäre darum bemüht, ihr gewaltbereites Auftreten und ihre »Aktionen« öffentlichkeitswirksam zu inszenieren, auch wenn dies nicht immer von Erfolg gekrönt war. Mit Kriegsbeginn änderte sich das Verhältnis der Falange zur Öffentlichkeit schlagartig, was gerade mit der neuen Kriegs- und Medientechnik und der – entscheidend durch den technischen Fortschritt bedingten – Veränderung der allgemeinen Wahrnehmung des Krieges zusammenhing. Beim Spanischen Bürgerkrieg handelte es sich, wie Gerhard Paul dargelegt hat, um den »ersten Medienkrieg der Geschichte«.852 Vom Ersten Weltkrieg, in dem Spanien, neutral gewesen war, hatten die Menschen im Land nur aus Zeitungsberichten und übers Hörensagen erfahren. Kriegsgeschichten trugen meist Legionäre ins Land, die in den spanischen Kolonien gekämpft hatten, oder Schmuggler und Spione, die im Ersten Weltkrieg Spaniens Neutralität für Geschäfte nutzten, was jedoch meist für die Großstädte an der Westküste und vor allem für Madrid galt. Die letzten kriegerischen Auseinandersetzungen auf der Iberischen Halbinsel, die Karlistenkriege, lagen zu Beginn des Spanischen Bürgerkrieges rund ein halbes Jahrhundert zurück, der letzte Krieg internationalen Charakters, die napoleonische Besatzung Spaniens, 130 Jahre. Überall im Land wurde unmittelbar nach dem 18. Juli 1936 deutlich, dass es sich beim Spanischen Bürgerkrieg um etwas »Neues«, um einen »Neuen Krieg« handelte. Das betraf einerseits die Akteure: Schnell zeichnete sich ab, dass der Krieg sowohl einen nationalen als auch einen internationalen Charakter annahm, da sich zwei spanische Heere einander gegenüberstanden, die trotz eines internationalen Nicht-Angriffs-Paktes von Bündnispartnern Unterstützung erhielten, auf der einen Seite aus Deutschland und Italien, auf der anderen Seite aus Mexiko und der Sowjetunion. Andererseits betraf das den 852 Gerhard Paul: Bilder des Krieges. Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn 2004, S. 174.
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Kriegscharakter und die Form der Kriegsführung: Die neue Totalität des Krieges offenbarte sich in den erstmals in der Menschheitsgeschichte durchgeführten massiven Bombardierungen der Zivilbevölkerung. Es kam zur Einbindung breiter Bevölkerungsschichten in die Kriegshandlungen, wodurch die klare Trennung Zivilist–Kombattant, wie sie noch in den Konflikten des 19. Jahrhunderts üblich war, verschwamm. Folge war die relative Durchlässigkeit zwischen Kriegsfront und Hinterland, kurzum: Der Krieg war plötzlich überall. Die Massenmedien, in ihrer Janusköpfigkeit als Informations- und Propagandainstrumente, spielten für die Allgegenwart des Krieges eine entscheidende Rolle. Nicht zuletzt George Orwell, Schriftsteller und ab 1937 Milizionär in der anarchistischen POUM, beschrieb mit der für ihn üblichen Lakonie die verfälschten Bedeutungen, die die Kriegsereignisse um ihn herum im Spiegel der Öffentlichkeit bekamen. Ganz im Sinne des Satzes, dass im Krieg zuerst die Wahrheit sterbe, urteilte Orwell, dass ein Großteil der übermittelten Kriegsnachrichten zu reinen Propagandazwecken diente und nicht zur Information über die tatsächlichen Ereignisse.853 Das Bild, das die beiden aufeinandertreffenden Heere in der Weltöffentlichkeit hinterließen, war dabei von Anfang an stark durch die Gewaltausbrüche der ersten Wochen geprägt, stets vermengt mit exotischen Angst- und Traumvorstellungen von Spanien, dem Land der Sonne, des Strandes und der romantischen Volksfeste, aber auch der Inquisition und Gegenreformation. Das größte mediale Gewicht lag im Sommer 1936 auf den Gewaltausbrüchen gegen den Klerus, zu denen es auf der republikanischen Seite kam, was insbesondere dem einfachen Grund geschuldet ist, dass die große Mehrzahl ausländischer Kriegsberichterstatter sich zu Beginn des Krieges in den Großstädten des Zentrums und Südens aufhielt, wo die Übergriffe mehrheitlich stattfanden. Erst mit den Luftangriffen gegen Madrid im Herbst 1936 und nach dem Bombenangriff auf Guernica im April 1937 änderte sich der Kurs der Berichterstattung im Ausland: Die Presse urteilte nun positiver gegenüber der republikanischen Regierung.854 853 »Schon früh in meinem Leben habe ich bemerkt, dass kein Ereignis jemals in einer Zeitung korrekt wiedergegeben wird. Aber in Spanien sah ich zum ersten Mal Zeitungsberichte, die überhaupt keine Verbindung zu den Fakten hatten, nicht einmal die Verbindung, die eine gewöhnliche Lüge noch impliziert. Ich sah Berichte von großen Schlachten, wo es keine Kämpfe gegeben hatte, und komplette Stille, wo hunderte Männer getötet worden waren. Ich sah Truppen, die tapfer gekämpft hatten und die als Feiglinge und Verräter betitelt wurden, und andere, die keinen einzigen Schuss gesehen hatten, zu Helden imaginärer Schlachten ausgerufen; und ich sah Zeitungen in London diese Lügen verbreiten und eifrige Intellektuelle emotionelle Überbauten über Ereignisse kreieren, die niemals passiert sind. Ich sah, in der Tat, die Geschichte, nicht geschrieben in Bezug auf das, was passiert war, sondern in Bezug auf das, was hätte passieren sollen, gemäß der unterschiedlichen Parteiauffassungen.« George Orwell: Looking back on the Spanish Civil War, [zuerst 1943] Hammondsworth 1975, S. 234. 854 Antony Beevor : Der Spanische Bürgerkrieg, S. 110.
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Was die Nachrichten innerhalb des Landes betrifft, so handelte es sich um dieselben ideologisch gefärbten Informationen, die im Ausland kursierten, doch hatten diese Berichte dort direktere Auswirkungen auf die Handlungen der Gewaltakteure. Stanley Tambiah und Michael Wildt haben herausgearbeitet, welche Bedeutung Gerüchte und unbestätigte Nachrichten über Gräueltaten für das Entstehen von kollektiver Gewalt haben können, allen voran Nachrichten über das Töten von Kindern und Frauen sowie über das Foltern und Vergewaltigen des politischen Gegners.855 Die ausgewerteten Pressequellen zeigen, dass auch im Spanischen Bürgerkrieg diese Motive einen zentralen Stellenwert in der Kriegsberichterstattung einnahmen. Vor allem führende Generäle skizzierten in ihren Radioansprachen Horrorszenarien von den Zuständen im feindlichen Lager.856 Stefanie Schüler-Springorum hat auf die sexuellen und explizit antiweiblichen Gewaltdarstellungen in dieser Art von Propaganda hingewiesen, gleichwohl, wie sie mit Verweis auf eine Studie Mary Vincents feststellt, der Großteil der Opfer männliche Kleriker waren.857 Den mit Bilderreichtum geschilderten »Gräueltaten« des Gegners stellten die von den Aufständischen kontrollierten Regionalzeitungen stets die Humanität der eigenen Seite gegenüber, ein Argument, das vor allem zwischen Oktober und Dezember 1936 bezüglich der im ganzen Land durchgeführten Bombardierungen vorgebracht wurde.858 Der psychologische Effekt, den der medial vermittelte Bombenkrieg auf die Bevölkerung hatte, ist nicht zu unterschätzen. 855 Michael Wildt: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939, Hamburg 2007, S. 213–214. 856 Mill#n-Astray zufolge führe die »Perversität« der »Roten« zu »Vergewaltigungen, Massakern an Kindern, Geistlichen«. Menschen würden lebendig angezündet, Kinder in den Armen ihrer Eltern erschossen; vgl. La elocuent&sima alocucijn de Millan Astray, in: El Faro de Vigo, 22. November 1936, S. 7. Laut General Queipo de Llano sei ein Mann mit einer Machete massakriert worden, der daraufhin eine halbe Stunde lang um sein Leben rang, bis er schließlich verstarb; vgl. La charla del General Queipo de Llano, in: La Voz de Galicia, 8. Dezember 1936, S. 3. 857 Stefanie Schüler-Springorum: Krieg und Fliegen. Die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg, Paderborn 2010, S. 83. Mary Vincent: »The keys of the kingdom«. Religious violence in the Spanish Civil War, July-August 1936, in: Chris Ealham, Michael Richards (Hg.): The splintering of Spain, Cambridge 2005, S. 68–89. 858 »Sie nennen uns inhuman, weil unsere Truppen den Stadtteil Arguelles bombardieren, großen Schaden verursachen und weil wir ohne Mitgefühl Frauen und Kinder töten. Doch alle diese inhumanen Dinge machen sie. Sie kehren die Aussagen ins Passive um und hängen es uns an. Niemanden verwundert diese miserable Haltung mehr, […] aber wir sind wir, und sie sind ruchlos und kriminell.« La charla del General Queipo de Llano, in: La Voz de Galicia, 8. Dezember 1936, S. 3. »Die ruchlosen Marxisten protestieren weiter über die Bombardements von Madrid, aber nichts sagen sie über die Bombardierungen, die sie über Krankenhäusern und asilos durchführen und über die der berühmten Zufluchtsstätte der Virgen de la Cabeza, in Andalusien, wo sich Hunderte geflohene Frauen und Kinder befinden.«, La charla del General Queipo de Llano, in: La Voz de Galicia, 10. Dezember 1936, S. 3.
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Denn selbst dort, wo es, wie in Galicien, im Laufe des Krieges zu keinerlei Bombardierungen kam, herrschte die Angst, dass es dazu kommen könnte: Kapazitäten in potentiellen Luftschutzkellern wurden überprüft, Flugblätter zum Verhalten bei Bombenangriffen an die Bevölkerung verteilt.859 Was die Darstellung der eigenen Gewalttaten in der Öffentlichkeit anbelangt, so hatte diese einen ganz anderen, nämlich äußerst ambivalenten Charakter. Einerseits sollten Gewalthandlungen zur Bestrafung dienen und – gerade durch ihre Öffentlichkeit – für Abschreckung und Verunsicherung sorgen. Andererseits sollten die eigenen Gewalttaten weiterhin deutlich von der Gewalt der Republikaner zu unterscheiden sein, will sagen, weniger drastisch erscheinen. Das heißt, dass Gewalttaten gerade vor einer Dorfgemeinschaft öffentliche Inszenierungen erfuhren, Nachrichten über diese Gewaltakte aber keinerlei Bedeutung für eine größere Öffentlichkeit haben sollten. Von ihrer dokumentarischen oder medialen Fixierung sahen die Akteure weitestgehend ab – darauf lässt das Fehlen diesbezüglicher Nachrichten in den Zeitungen sowie die Vorsicht mit der die neuen Machthaber über die Repression, z. B. in Form von »Vorfällen« oder »Zwischenfällen«, sprachen, schließen. Mitnichten heißt das, dass es keine Gewalttaten gab oder dass von deren Inszenierung abgesehen wurde. Hinrichtungen wurden nicht nur fernab der Dörfer vollzogen, wo die Leichen anschließend auf Feldern oder in Straßengräben verscharrt wurden, sondern ebenfalls in urbanen Zentren, sichtbar für alle. Dies war zum Beispiel im Oktober 1936 bei der Tötung von Herminio Gonz#lez Cobelos, dem Stadtrat der PSOE in Ponteareas (Pontevedra) der Fall. Eine Falange-Gruppe schleppte Cobelos nach 859 Als absehbar war, dass der Militärschlag nicht zu einem schnellen Sieg der Aufständischen führte und der Krieg länger dauern würde als erwartet, führte die Polizei in Vigo Ende 1936 eine Klassifizierung in bombensichere und leicht zerstörbare Gebäude durch. Der Studie zufolge boten die kategorisierten Häuser im Falle einer Bombardierung 66.391 Personen Schutz. Studie über Gebäude, die im Falle der Bombardierungen als Unterschlupf dienen können, durchgeführt von der urbanen Polizei, Informe, 30. Dezember 1936. Archivo Municipal Vigo (AMV), Carpeta Ej8rcito 6, Junta Local de Defensa, Eje. 5. Ein »Komitee gegen Luftangriffe« veröffentlichte zudem Verhaltensrichtlinien für den Fall einer Bombenattacke, die denjenigen der republikanischen Seite sehr ähnlich waren. Vgl. Instrucciones para caso de bombardeo, in: La Voz de Galicia, 21. November 1936, S. 1. Zu welch unterschiedlichen Reaktionen die Ungewissheit gegenüber dieser neuen Form der Kriegsführung bei den Menschen führte, hat Gabriel Ranzato in einem Aufsatz herausgestellt. In Barcelona appellierten Flugblätter, die Menschen sollten sich bei Luftangriffen auf den Boden legen, auf diese Weise werde ihnen nichts passieren. In Valencia agierte die Zivilbevölkerung gleichermaßen mit Angst und Neugier auf die Bombardierungen. Menschen standen auf den Straßen, um herauszufinden, ob die am Himmel kreisenden Flugzeuge dem republikanischen oder dem Heer der Aufständischen angehörten. Bei nächtlichen Bombardierungen schossen einige Stadtbewohner mit Pistolen auf helle Hausbeleuchtungen, in der Annahme, es handle sich um die Lichter von Flugzeugen. Vgl. Gabriele Ranzato: The Spanish Civil War in Context of Total War, in: Martin Baumeister, Stefanie Schüler-Springorum (Hg.): »If you tolerate this«, S. 234–246, S. 238–239.
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dessen Gefangennahme durch die zentralen Gassen des Dorfes und quälte ihn währenddessen mit Schlägen. Schließlich erschossen die Falangisten Cobelos auf einem zentralen Platz des Dorfes und bahrten den Leichnam sichtbar für alle auf.860 Genauso verliefen Hinrichtungen in Tui (Pontevedra). Dort tötete die Falange in aller Öffentlichkeit einen Postangestellten, der wegen seiner kindlichen Erscheinung den Spitznamen »Kommunistchen« trug. Eine Dorfbewohnerin beobachtete die Szene: »Sie zogen ihn hinter sich her, gaben ihm Fußtritte und Stiche. Er weinte und sagte: Bei Gott, was habe ich euch getan! […] Sie bespuckten ihn wie Christus, einschließlich der Mädchen, die er vorher begleitet hatte. Sie haben ihn durch ganz Tui geführt.«861 In den Dörfern rund um Ourense-Stadt präsentierte ein Falangist zur allgemeinen Abschreckung den Leichnam von Benigno ]lvarez, einem aus Ourense stammenden Kommunistenführer. Dieser war zuvor in die Berge geflohen. Der Falangist hatte ]lvarez dort nach eigener Aussage (die sich jedoch als Lüge entpuppte) mit zwei Kopfschüssen getötet.862 Neben der öffentlichen Zurschaustellung von Hinrichtungsopfern und Toten trugen sich im Nordwesten und Südosten Spaniens von Kriegsbeginn an regelmäßige Stigmatisierungen und öffentliche Erniedrigungen der Gegner zu, auch und gerade unter falangistischer Beteiligung. Der geringste öffentliche Strafdienst in diesem Sinne war das Straßenfegen oder das Fegen des Hauptplatzes eines Dorfes, bei dem die Fegenden dem Spott der Leute ausgesetzt wurden. So wie noch heute in punktuellen Auslegungen demokratischer Rechtssysteme Vorstellungen aus der Strafkultur des Mittelalters konserviert sind, dahingehend, dass Übeltäter für moralische Verfehlungen durch knechtische Arbeiten im öffentlichen Raum Buße zu tun haben, und zwar durch die »Reinhaltung« desselben,863 stellte auch die Falange diejenigen zum Straßenfegen ab, deren politische Gesinnung sie als moralische Verfehlung einstuften oder deren Verhalten ihnen schlichtweg nicht passte. Das konnten Menschen sein, die bei verschlossener Tür Radio hörten und sich damit verdächtig machten oder solche, die vor Hunger nachts heimlich ernteten.864 Weitere traditionelle Schändungsbräuche waren das Kopfscheren von Män860 ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 221. 861 Francisco Cerecedo: Cuando la sangre, S. 45. 862 Der Gerichtsmediziner stellte fest, dass Benigno ]lvarez bereits vor diesen Schüssen tot war. Der angebliche »Ruhm« fiel damit nicht dem Falangisten zu; vgl. Xerardo Daseiras Valsa: Ver&n, S. 17. 863 Vgl. Satu Lidman: Zum Spektakel und Abscheu. Schand- und Ehrenstrafen als Mittel öffentlicher Disziplinierung in München um 1600, Bd.4: Strafrecht und Rechtsphilosophie in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Wolfgang Schild, Frankfurt a.M. 2008, S. 183f. 864 Sofia Rivas an den Zivilgouverneur von A CoruÇa, CamariÇas, 6. Oktober 1936, in: ARG, Leg. 32.467/2788 (expedientes de ayuntamientos, Abegondo/Capela 1935/1936/1937–1938). ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do, S. 222.
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nern und insbesondere von Frauen, das im Herbst 1936 in den galicischen Dörfern CamariÇas (A CoruÇa), Redondela, PorriÇo, Ponteareas (Pontevedra), Monforte (Lugo) und Ver&n (Ourense) ebenso Anwendung fand wie in Dörfern der Extremadura oder Andalusiens.865 Es ist ein archaischer Brauch, Feinde durch das Abrasieren von Haaren zu entblößen oder Sklaven zu stigmatisieren.866 Auch zu Zeiten der Inquisition war es üblich gewesen »Andersdenkenden« und insbesondere Frauen, die unter Verdacht standen, Hexen zu sein, den Kopf zu scheren.867 In zeitlicher Nähe zum Bürgerkrieg hatten die italienischen Faschisten diesen Brauch wiederbelebt und ihren politischen Widersachern den Bart geschnitten oder den Kopf rasiert. Auch in Deutschland hatten die Nazis nach 1933 das öffentliche Kopfscheren als symbolpolitisches Mittel benutzt, um Frauen, die jüdische Lebenspartner hatten oder Liebesbeziehungen zu jüdischen Männern unterhielten, öffentlich anzuprangern.868 Die Schändungen seitens der Falangisten können somit in den größeren Kontext der gerade durch die Faschisten und Nationalsozialisten forcierten Gewaltentwicklung im Europa der 30er Jahre eingeordnet werden. Die Gewaltakte hatten explizit sexuelle Konnotationen und beabsichtigten die Entweiblichung bzw. Entmännlichung der Erniedrigten. Waren Männer vorwiegend wegen ihrer politischen Vergangenheit oder ihres politischen Amtes Ziel solcher Strafaktionen, reichte es im Falle der Frauen schon aus, Ehefrau oder Freundin eines »Roten« zu sein, um bestraft zu werden. Frauen wurden Glatzen rasiert oder Haarbüschel ausgerissen; Männern wurden die Bärte abrasiert, manchmal, wie in Redondela (Pontevedra), nur die Hälfte des Bartes oder des Schnurrbartes, um eine zusätzliche für Aufmerksamkeit sorgende Entstellung zu erreichen. Allen Bewohnern eines Dorfes war in Anbetracht der kahl rasierten Schädel sofort klar, dass es sich bei den Opfern um »offizielle« politische Gegner handelte – und diese Zuschauer stellten, wenngleich nicht aktiv, so doch passiv beteiligt, erst die Öffentlichkeit her, vor der das Schändungsritual funktionieren konnte.869 Die Falangisten statteten einige der 865 El Capitan Delegado an den Zivilgouverneur von A CoruÇa, CamariÇas, 23. Oktober 1936, in: ARG, Leg. 32.467/2788 (expedientes de ayuntamientos, Abegondo/Capela 1935/1936/ 1937–1938). Ana Cabana Iglesia, Mar&a Xesffls Nogueira Pereira: Silencio, memoria y documentos de sombra, S. 18; ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do, S. 222; Xos8 Ramon Paz Antjn: O PorriÇo 1936, Vigo 2007, S. 123. Gonzalo Amoedo Ljpez, Roberto Gil Moure: Redondela, Crjnica dun tempo pasado. A Segunda Repfflblica e o primeiro franquismo, Sada 2002, S. 116; Xerardo Daseiras Valsa: Ver&n, S. 19; Francisco Espinosa Maestre: La justicia de Queipo: violencia selectiva y terror fascista en la II Division en 1936, Sevilla 2000, S. 209; Francisco Espinosa: Julio 1936, S. 88; Jos8p Massot I Muntaner: Guerra Civil, S. 36; Rafael Rafael Abella: Abella: La vida cotidiana durante la guerra civil, Bd. 1: La EspaÇa nacional, Barcelona 1973, S. 78. 866 Victoria Sherrow : Hair: A cultural history, Westport 2006, S. 296. 867 Hans-Jürgen Wolf: Hexenwahn. Hexen in Geschichte und Gegenwart, Bindlach 1994, S. 141. 868 Michael Wildt: Volksgemeinschaft und Selbstermächtigung, S. 226. 869 Dieses Publikum war in den meisten Fällen die Dorfbevölkerung, das heißt kein fremdes
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auf diese Weise Gedemütigten zusätzlich mit politischen Insignien oder Botschaften aus, damit ihre Opfer der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Manolo Dom&nguez Esteiro und Jos8fa Puga aus Redondela (Pontevedra) bekamen kurz nach Kriegsbeginn die Köpfe geschoren und ein Stoffband mit dem Schriftzug UHP umgebunden, ein Kürzel das für Union de Hermanos Proletarios, »Die Union proletarischer Brüder«, stand und vor allem in Asturien im Oktober 1934 für den Zusammenschluss linker Arbeiterverbände gebraucht worden war. In dieser Aufmachung mussten die beiden Geschändeten schließlich durch die Hauptstraße des Ortes laufen und sich dem Spott ihrer Nachbarn aussetzen bzw. als abschreckendes Beispiel für diese gelten. In Carril und Vilagarc&a da Arousa (Pontevedra) rasierten die Falangisten mehreren Frauen die Schädel und schrieben ihnen ebenfalls das Kürzel UHP ins Gesicht.870 In Asturien notierte der Frontsoldat Faustino V#zquez Carril am 11. September 1936 in sein Tagebuch: Um 23.30 h fuhren die Falangisten ins Dorf San Feliz, und dort verhafteten sie einen Mann und eine junge Frau, ungefähr 20 Jahre alt, von ungewöhnlicher Schönheit, die sie in unser Quartier brachten […]. Das Mädchen redete zu viel, und so schnitten sie ihr zur Bestrafung die Haare ab. Wie viel Hass sich wohl jetzt im Herzen dieser Gedemütigten versteckte. Wenn sie sich hätte rächen können, wäre es genauso gewesen, als wenn Hyänen ihre Jungen verteidigen.871
In Porto do Son (A CoruÇa) verhafteten die örtlichen Falangisten vier Linke, alle über sechzig Jahre alt, prügelten sie und fesselten sie mit einem Tau aneinander. Auf diese Weise zusammengebunden mussten die Gefangenen durch das Dorf laufen, während sie Schilder trugen, auf denen ¡Arriba EspaÇa! und »Sterbe Russland!« geschrieben stand. Zudem wurden sie von ihren Peinigern angehalten, das Cara al Sol zu singen – auch dies eine übliche Zwangsmaßnahme im Lager der Aufständischen.872 Die oft von Willkür getragenen und demütigenden Gewalthandlungen dienten zur Herstellung eines Klimas der Angst. Das staatliche Gewaltmonopol, so lautete die durch die Gewaltrituale im öffentlichen Raum immer wieder erneuerte Botschaft, lag jetzt in den Händen der Paramilitärs.
Publikum, sondern ein den Opfern bekanntes. In Valladolid wohnten in einem Fall ganze Familien mit Kindern einer öffentlichen Hinrichtung bei; vgl. Rafael Abella: La vida cotidiana, S. 81. 870 Dion&sio Pereira: Os m#rtires do mar: Unha achega # represijn franquista contra os mariÇeiros galegos, in: Carlos Velasco, Dion&sio Pereira, Emilio Grand&o, Eliseo Fern#ndez (Hg.): A fuxida do PortiÇo. Historia, memoria e v&timas, Vigo 2009, S. 99–157, S. 111. 871 Faustino V#zquez Carril: Las columnas gallegas hacia Oviedo: Diario b8lico de la Guerra Civil EspaÇola (1936–1937), Pontevedra 2011, S. 168. 872 Carlos F. Velasco: 1936, S. 202.
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Teil einer neuen Staatsgewalt: Kontroll-, Wach- und Sicherheitsdienste Der Militäraufstand vom Juli 1936 veränderte das Verhältnis der Falange zur Staatsgewalt schlagartig. Erlitten Falangisten dort, wo die Republik standhaft blieb, Verfolgung und Haft, wurden ihre Kameraden in den Gebieten, in denen der Aufstand Erfolg hatte, sofort in die neue Staatsgewalt eingebunden. Vom ersten Moment an war das spanische Militär der entscheidende Akteur, von dem sämtliche Maßnahmen zur Sicherung und Ausweitung des von den Aufständischen kontrollierten Territoriums abhing. Das Militär entschied sowohl über die Truppenbewegungen in anzugreifende als auch über die Verwaltung der bereits besetzten Gebiete. Während im Süden, in Andalusien und der Extremadura, General Franco als Oberbefehlshaber des »Südheeres« (Ej8rcito del sur) fungierte, fiel Galicien unter die Kontrolle des »Nordheeres«, das General Mola unterstand. Das professionelle Heer und die frisch rekrutierten Soldaten kämpften, ergänzt durch Milizeinheiten, an den Fronten. Als zentrale Kontrollinstanz in den gewonnenen Städten und Dörfern fungierte die Guardia Civil. Ihr wiederum oblag es, die systematische Bewaffnung der Zivilbevölkerung zu organisieren, wobei die Befehlsgewalt über die neu entstehenden Bürgermilizen bei einem Guardia Civil oder einem Militär zu liegen hatte.873 Unmittelbar nach Kriegsbeginn formierten somit tausende Zivilisten eigene Milizeinheiten. Sie übernahmen Polizeiaufgaben und sicherten den »Neuen Staat« nach innen, agierten ihrem Selbstverständnis gemäß also im modernen westlichen Sinne als die legitime staatliche Gewalt der innneren Sicherheit.874 In A CoruÇa gründete sich beispielsweise die Bürgermiliz Caballeros de La CoruÇa, in Santiago und Ourense die Caballeros de Santiago und in Vigo die Guardia C&vica. Neben diesen neu gegründeten Milizen existierten die während der Zweiten Republik entstandenen Parteimilizen und politischen Jugendabteilungen fort. JAP-Mitglieder, Requet8s und Falangisten unterstützten die militärische Erhebung, manchmal sowohl durch den Dienst für die eigene Miliz als auch durch den 873 »Um die Autorität aufrecht zu erhalten wird eine bewaffnete Miliz organisiert, in jedem Fall unter der Kontrolle der Guardia Civil. Da die pazifistischen und ehrenwerten Bürger keine Waffen besitzen, wird man mir die benötigte Zahl mitteilen […]. Der Patriotismus aller, großgemacht durch Edelmut und Ritterlichkeit, und das einzige Ideal, das Vaterland vor seinen verhassten Feinden zu retten, den Marxisten und den Freimaurern, werden die Inspiration aller sein, die eine Funktion zu erfüllen haben. Jenes Ideal wird in zweifelhaften Fällen das Recht unserer Aktionen und Beschlüsse sein«; Rundschreiben der Delegacijn de orden pfflblico, A CoruÇa, 27. Juli 1936, in: ARG. 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937–1938). 874 Zur Herausbildung dieses modernen Polizeiverständnisses, vgl. Wolfgang Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt, München 1999, S. 363.
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Dienst in einer der neu gegründeten Einheiten. Es war nicht unüblich, Doppelmitgliedschaften zu pflegen und Mitglied der Falange und einer der anderen Bürgermilizen zu sein. In A CoruÇa traten sehr viele Falangisten den Caballeros de La CoruÇa bei, so dass die Milizionäre sich manchmal sogar als Untereinheit der Falange bezeichneten, als Caballeros de La CoruÇa de Falange EspaÇola. Die zentrale Aufgabe der Milizen bestand darin, die »Öffentliche Ordnung« zu sichern. Für die Provinz A CoruÇa sind Personalkarten aus dem Ressort »Öffentliche Ordnung« der Zivilregierung für die Jahre 1936 bis 1938 vorhanden, die bei der Eröffnung einer Akte erstellt wurden und auf die jeweilige Akte verweisen. Die Akten selber existieren nicht mehr, doch geben die Karten einen Überblick darüber, warum eine Akte eröffnet und durch welche der neuen Autoritäten die Verfolgung »verdächtiger Personen« in Gang gesetzt wurde. Zur Eröffnung einer Akte reichte die einfache Anschuldigung eines Nachbarn aus: »Man hört in seinem Radio nicht die Nationalhymne«.875 Manchmal eröffneten die neuen Behörden eine Akte auch erst nach der Tötung der Verdächtigen, weshalb sich auf den Karten Sätze wie: »Er wurde aufgrund des Sammelprozesses des Kriegsrates hingerichtet« notiert wurden.876 Bezüglich der Verfolgung vermeintlicher Straftatbestände zeigt eine Stichprobe in 500 dieser Karten, dass in 22,2 % der Fälle die erste mit einem Verdacht aus der Zivilbevölkerung betraute Institution die Polizei war ; in 22,6 % der Fälle wurde der Zivilgouverneur informiert, in 11,6 % der Fälle die Guardia Civil und nur in 4 % der Fälle die Falange. Das heißt nicht, dass die Falangisten an der Verfolgung eines Verdachtes kaum beteiligt waren. Vielmehr agierte die Falange als exekutierende Gewalt, an die von den Militärs oder der Guardia Civil Aufgaben delegiert wurden. Vor allem aber zeigen die Daten eines: Die herkömmlichen Sicherheitsinstitutionen – wenn auch nicht mehr Abbild eines republikanischen Systems, sondern im Herbst 1936 eines gegen dieses System putschenden militarisierten Teilstaates – stellten für die Bevölkerung auch weiterhin die zentralen staatlichen Gewalten dar. Diese Gewalten wiederum teilten Milizen zu Sicherheitsdiensten ein, zumeist die Falange. Die erste Aufgabe, die den Falangisten zukam, war es, Wachdienste an Straßen, auf Marktplätzen und an Häfen abzuleisten und gegebenenfalls Papiere zu kontrollieren oder Festnahmen durchzuführen.877 Diese Dienste erledigten die 875 ARG. 34.350/4671 (Fichas alfab8tico-omnasticas de control de expedientes de Orden Pfflblico 1936–1940 A-G). 876 Ebenda. 877 Hoja matriz de servicios Manuel LariÇo Sestayo, Caja 5997, Exp. 55. David Formoso Rial, Caja 5998, Exp.95; Constantino Garcia Freire, Caja 5999, Exp. 112; Guillermo Romani Romani, Caja 6002, Exp.206; Jos8 Manuel Manso Testa Caja 6.009, Exp. 443; Antonio Nimo Especht, Caja 6.009, Exp. 445; Jos8 Noguerol Otero, Caja 6.010, Exp. 464; Vicente Valcarcel de la Sierra, Caja 6.018, Exp. 831; Leonardo Antonio Deus Horro, Caja 6.023, Exp. 1026; Jos8
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Milizionäre rund um die Uhr. Für gewöhnlich gab es eine Sperrstunden nach der sämtliche Geschäfte in den Dörfern und Städten geschlossen bleiben mussten. Nach Beginn dieser Sperrstunde führten die Falangisten an der Seite der Guardia Civil Hausdurchsuchungen bei politisch Verdächtigen durch. Mancherorts war die Falange die einzige Miliz, der von den Militärbefehlshabern die Durchführung solcher Hausdurchsuchungen erlaubt war. Andere Milizen betrachteten dies mit Argwohn. Das JAP-Mitglied Manuel Franqueira schreibt am 3. Januar 1937: Ich wünschte, sie könnten mir mitteilen, ob es neue Anordnungen für die Milizen gibt, denn den hiesigen Falangisten wurden von der Guardia Civil aus Rivadavia Gewehre übergeben, damit sie Nachtwache halten. Sie haben dafür gesorgt, dass die Lokale um 19 Uhr geschlossen wurden, führten Fahrzeugkontrollen durch und haben die Autorisierung für Leibesvisiten und Hausdurchsuchungen.878
Darüber hinaus verfügte die Falange über »fliegende Patrouillen«, die sowohl tagsüber als auch nachts an Landstraßen Kontrollen durchführten oder zur Verfolgung von Deserteuren ausfuhren.879 Die bei den Visiten gemachten politischen Gefangenen wurden entweder ins Gefängnis gesperrt oder ins Falange-Zentrum, das ebenfalls als Gefängnis diente. Angehörige von Flüchtigen, denen Informationen abgerungen werden sollten, erhielten ebenfalls Gefängnisstrafen. Oft mussten sie Schläge erleiden, damit sie Informationen über die Flüchtigen Preis gaben. Gerade der im faschistischen Italien übliche Folterbrauch, Menschen durch das Trinken von Rizinusöl zu quälen, hatte durch die Falangisten Ledesma Ramos, Manuel Hedilla und Juan Canalejo während der Zweiten Spanischen Republik Einzug in Spanien gehalten und wurde nun im Norden wie im Süden des Landes als systematische Foltermethode eingesetzt.880 Eine weitere Maßnahme zur »Züchtigung« war das Einsperren in Einzelhaft. Eine Nacht im Kerker, im calabozo, durchzustehen, galt vor allem als interne Strafmaßnahme, die Falangisten für
Franco Garcia, Caja 6.025, Exp. 1129; Alejandro Vales Campos, Caja 6.028, Exp. 1287, AGMAV, MN-JPAC; Vicente Valcarcel de la Sierra, Notiz, 23. August 1937, AGMAV, MNJPAC, caja 6.018, exp. 831. 878 Manuel Franqueira an Jos8 P8rez ]vila, 3. Januar 1937, Archivo Histjrico Provincial de Ourense (AHPOU), Caja 14703 (Accion Popular, 1936–1940, Dokumente von Jos8 P8rez ]vila, dem Archiv überantwortet von seiner Tochter Carmucha P8rez Taboada, am 3. April 1995). 879 Hoja matriz de servicios, Alejandro Vales Campos, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.028, exp. 1287. Hoja matriz de servicios, Gregorio Garcia Sanchez, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.041, exp. 1961. 880 Ana Cabana Iglesia, Mar&a Xesffls Nogueira Pereira: Silencio, memoria y documentos, S. 18; ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 209, S. 221 u. S. 237–242; Jos8p Massot I Muntaner : Guerra civil i repressij a Mallorca, Barcelona 1997, S. 36; Alfonso Bulljn de Mendoza, ]lvaro de Diego: Historias orales, Barcelona 2000, S. 178–179.
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»Disziplinlosigkeiten« auferlegt bekamen. Doch blieben auch Zivilisten davon nicht verschont.881 Die zweite Aufgabe, die den Falangisten zufiel, war das Eintreiben von Geld. Über Plakate oder per Lautsprecher warben sie für Spenden, die entweder dem Militär oder der eigenen Partei zugutekommen sollten.882 Viele Bürger leisteten freiwillig solche Spenden, entweder um ihre Unterstützung des Militäraufstandes zu unterstreichen oder diese Unterstützung zumindest vorzugeben. Ab Ende Juli 1936 erwähnten die Tageszeitungen für gewöhnlich die Namen der Spender in einer eigens dafür vorgesehenen Rubrik. Als Spenden kamen nicht nur Geldzahlungen in Frage, sondern auch Schmuck, ausländische Münzen oder Uhren.883 Als nach monatelangen Spendenaktionen und in Anbetracht des Wintereinbruches 1936 in der Zivilbevölkerung immer weniger Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung des Militäraufstandes herrschte, führten die Falangisten Hausbesuche durch, um Zahlungen zu erzwingen.884 Drittens leisteten die Falangisten Fahrdienste für Personal-, Lebensmittelund Rohstofftransporte. Der Tätigkeitsbericht von Jesffls Ljpez Villar, einem »Althemd«, der im Oktober 1934 der Falange beigetreten war, zeigt die ganze Bandbreite der Transport-, Kampf- und Sicherheitsdienste, die die FalangeMilizionäre innerhalb weniger Tage von der retaguardia an die Front und wieder zurück führten: Zu Beginn der Gloriosen Erhebung versammelten wir uns mit mehreren Kameraden, um bei der Guardia Civil in A CoruÇa vorstellig zu werden, damit diese uns Waffen gäbe, was zur Folge hatte dass wir Dienste ableisteten, die unsere Vorgesetzten für angemessen erachteten, Eskortierungen der CAMPSA-Lastwagen von La CoruÇa zum Industriegebiet Mar&n, vom 18. bis zum 24. Juli. Vom 24. bis zum 29. desselben Monats ging ich zum Dienst nach Ferrol und kehrte nach Beendigung desselbigen zurück, am bereits erwähnten 29. Von jenem Tag an bis zum 8. August: Eskorte für den Herrn Delegado del Orden Pfflblico der benannten Hauptstadt [A CoruÇa]. Vom 8. August bis
881 Der galicische Politaktivist Luis Soto Fern#ndez schrieb im Exil folgendes nieder, was ein 71 Jahre alter Bauer über die falangistischen Willküraktionen schilderte: »Eines Tages kam mein Neffe ins Haus, ein Falangist, der mir sagte, dass der Krieg bereits gewonnen sei. Ich sagte ihm, weiß Gott, wer diesen Krieg am Ende noch gewinnen wird, und mein eingeschnappter Neffe zeigte mich an, und sie steckten mich für 24 Stunden in den Kerker.« Informaciones de EspaÇa, sobre 6, Informe 461, AHPOU, Archivos privados, Caja 14622 (Archivo privado de D. Luis Soto Fern#ndez). 882 ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 116. 883 Relacijn de alhajas donadas para la suscripcijn de la defensa de la Patria, in: La Voz de Galicia, 30. August 1936, S. 7. 884 Aus Sanxenxo (Pontevedra) berichtet ein Falangist im Februar 1937, dass eine Spendenaktion nötig wäre, die Menschen allerdings sehr misstrauisch gegenüber der Falange seien; vgl. Jefe provisional Sanxenxo an Jefe provincial, 7. Februar 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158.
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zum 28. September : Schutzdienst für die Brigaden des Fernmeldedienstes in Asturien, und von da an Mitwirken bei der Einnahme von Luarca.885
Bevor Ljpez Villar an einem weiteren Fronteinsatz teilnahm, kehrte er noch einmal nach A CoruÇa zurück. Dort widmete er sich einem weiteren Dienst, der den Falangisten übertragen wurde, dem so genannten »Kooperationsdienst mit den Zuständigen der Abteilung Untersuchung und Überwachung«. Denn die vierte Aufgabe, die den Falangisten zukam, war es, Informationsberichte (informes pol&ticos) zu erstellen, auf deren Grundlage Prozesse gegen die »politisch Verdächtigen« geführt werden konnten. Die Kategorisierung der Verdächtigen erfolgte nach ihrer vermeintlichen politischen Gesinnung. In einem aus Vigo stammenden Band mit solchen informes ist diese schematische Einordung wie folgt überliefert: Apolitisch (Ap-Apol&tcio); gute Einstellung (B-Buena); Kommunist (C-Comunista); Mitglied der Sozialistischen Partei (C.P.-Afiliado a la Casa del Pueblo); Rechter (DDerechista); Einstellung unbekannt (Dsc. Desconocido); Extremist (Ext-Extremista); bereits vor dem Krieg der Falange zugehörig (F-Afiliado a Falange antes del movimiento); Mitglied des Frente Popular (F.P.-Frente Popular); Aus der Falange ausgeschlossen (Ex Expulsado de Falange); Galleguist (G Galleguista); Linker (Id Izquierdista); politisch uninteressiert (I Indiferente); Schlechte politische Einstellung (M Mala); Monarchist (Mq Mon#rquico); Freimaurer (Ms Masjn); Marxist (Mx Marxista); Normale politische Einstellung (R Regular); Republikaner (Rp Republicano); Radikaler (Rd Radical); Sozialist (S Socialista); Sympathisant der Volksfront ( S.F.P. Simpatizante F.P.).886
Was an diesem Schema besonders auffällt, ist, dass die Falangisten selbst in die politische Kategorisierung aufgenommen wurden. Der Grund dafür war, dass die Registrierung auch dazu dienen sollte, die Mitglieder der eigenen, in ständigem Wachstum begriffenen Organisation zu kontrollieren oder zumindest eine Kontrolle anzudeuten. Mehr als ein systematisch tatsächlich durchführbares Kontrollsystem zu repräsentieren, sollte auf diese Weise auf die »Neuhemden« Druck ausgeübt werden, sich auch ständig als vorbildhafte Falangisten zu verhalten. Das Gefühl, sich ständig beweisen zu müssen, gehörte für Neu885 Jesffls Ljpez Villar, Eidesstaatliche Versicherung, o.D., AGMAV, MN-JPC, Caja 6.046, exp.2324. Eine weitere wichtige Aufgabe stellten Schutzeskorten für Geldtransporte dar. So eskortierte beispielsweise ein Falange-Trupp am 23. November 1936, den Milizchef der Guardia Civil, Benito de Haro Lumbreras, der eine »große Summe Geld« von A CoruÇa nach Burgos brachte. Vgl. La Voz de Galicia, 22. November 1936, S. 3. 886 Insgesamt wurden zwischen Juli 1936 und Ende März 1937 nur für den Raum Vigo 642 informes politicos erstellt. Vgl. AHPP, ACP-XPM, Libro registro de informes, Delegacijn Comarcal de Investigacijn de Vigo, &ndice, 36–40, L-6491(10. Dezember 1938). Zum Informationsdienst der Falange in Ferrol vgl. Enrique Barrera Beitia: La represijn en ferrolterra, S. 84.
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Falangisten zum Alltag. Je später ihre politische Hinwendung zum Falangismus erfolgte, desto größer war dieser Zwang.887 Dass viele Linke, trotz möglicher interner Verfolgung, das Risiko eingingen, in die Falange einzutreten, ist damit zu erklären, dass die Gefahr, wegen der eigenen politischen Vergangenheit belangt zu werden, in der Falange immer noch sehr viel geringer war, als in anderen Milizen. Die schlagartig gewachsene Partei konnte nicht jeden Milizionär kontrollieren. Zudem gab es Möglichkeiten, sich durch Einbindung in einen der Dienste schnell für die falangistische Bewegung verdient zu machen und dadurch Zweifel an der eigenen ideologischen Disposition auszuräumen.888 Dass es aufgrund des allgemeinen Misstrauens auch zur Konfrontation von falangistischen »Kameraden« kommen konnte, zeigt der dokumentierte Fall einer Verkehrskontrolle von vier Valladolider Falangisten, die im August 1936 mit dem Auto von Madrid bis nach A CoruÇa-Stadt fuhren. Dem Bericht des Befehlshaber der Guardia Civil vom 11. August 1936 zufolge, kam es bei Eintritt der Falangisten in die Provinz zu einer Fahrzeugkontrolle, bei der die Milizionäre zwar einen Passierschein (pase de circulacijn) vorwiesen, sich darüber hinaus aber weigerten, sich auszuweisen. Die überforderten Beamten ließen die Falangisten ziehen, informierten jedoch die Guardia Civil, dass es sich um mögliche »Spione« handeln könne. In der Stadt A CoruÇa angelangt, besuchten die Reisenden das in falangistischen Führungskreisen beliebte Restaurant Fornos. Als ihnen zwei Guardia Civil und zwei Falangisten gegenübertraten, um noch einmal nach offiziellen Papieren zu fragen, antworteten diese »mit heftigen Ausdrucksweisen und widersetzten sich dreist, nicht nur den guardias, sondern auch ihren Kameraden [von der Falange]«. Daraufhin wurde die Gruppe zur Kaserne gebeten, »in die sie schon gleich mit übler Laune und schreiend eintraten.« Dem sich dort befindenden Unteroffizier entgegneten die Falangisten: »Sie mögen Unteroffizier sein, für uns sind Sie gar nichts«, woraufhin der Provinzführer der Falange, Raffll Boo herbeigebeten wurde. Doch auch ihm widersetzten die Falangisten sich, weshalb sie unter Arrest gestellt und erneut dazu aufgefordert wurden, sich auszuweisen, was die Gruppe letztlich auch tat.889 887 Der Sevillaner Falangist Joaqu&n Ill#n Alcar#z schreibt im Oktober 1936 in einem Brief an die Provisorische Junta: »Wir, die wir bis Ende 35 in republikanischen Parteien eingegliedert waren – auch wenn das Glück oder das Schicksal es so wollte, dass wir in den Wahlen 36 gegen die unheilvolle Volksfront gekämpft haben – müssen mit unserem Benehmen unsere Reue für die Vergangenheit, unseren Glauben an Spanien und unsere Überzeugung und unseren Enthusiasmus für die Falange beweisen, damit unsere Kameraden uns kennenlernen und Vertrauen in uns haben, so wie wir Vertrauen in sie haben.« Brief Joaqu&n Ill#n Alcar#z (abogado) an die Provisorische Junta, Sevilla, 25. November 1936, AGA, (8)17.02, c.51/18946, cp. Primera L&nea. 888 Luis Lamela: A CoruÇa, S. 189. 889 Es handelte sich um Antonio Souto Montenegro, Jesffls und Jos8 Mar&a Salcedo Cierdide
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Die Version des Ereignisses, die von den vier besagten Falangisten niedergeschrieben wurde, liest sich gänzlich anders. Luis Gonz#lez Vic8n, Antonio Souto Montenegro sowie Jesffls und Jos8 Mar&a Salcedo Cierdide berichten, sie seien, nachdem sie das Restaurant aufgesucht hatten, in eine Diskussion geraten, in »gewalttätiger Art« aufgefordert worden, ihre Papiere vorzuweisen und daraufhin zur Kaserne gebracht worden. Dort hätten sie die nötige Dokumentation vorgezeigt, die allerdings »nicht ausreichend« erschienen sei, weshalb sie selber vorgeschlagen hätten, zur Klärung ein Telefonat mit der Falange von Valladolid zu führen. Daraufhin sei eine neue Diskussion entstanden, in der ein Guardia Civil, »die Pistole in der Hand«, angefangen habe ihnen »Ohrfeigen« zu geben. Auch der Unteroffizier habe »Ohrfeigen« ausgeteilt. An alledem sei auch der Provinzführer der Falange beteiligt gewesen, »der uns ins Gefängnis stecken wollte.«890 Welche der beiden Versionen dem tatsächlichen Ereignis auch am ehesten entsprechen mag: In jedem Fall spielte das gewalttätige Auftreten einer, wenn nicht beider Gruppen eine entscheidende Rolle für den konfliktiven Verlauf des Aufeinandertreffens. Der Kontext des Kriegsfalls hatte dafür gesorgt, dass nunmehr jeder Zweifel eine Kontrolle nach sich zog. Die »Bruderschaft«, wie die Falange sich noch in der Zweiten Republik selbst nannte, entwickelte sich durch ihr Wachstum schnell zu einer Misstrauens- und Denunziationsgemeinschaft.
Gewalt und Selbstbereicherungen Die polizeilichen Dienste der Falange standen offiziell im Sinne der »Nationalen Bewegung« (Movimiento Nacional), doch machten sich die Falangisten ihre Eigenschaft, eine der Stützen des »Neuen Staats« (Nuevo Estado) zu sein, auch für persönliche Bereicherungen zunutze, wie Zeugnisse aus allen vier galicischen Provinzen belegen. Einerseits kam den Milizionären dabei die unübersichtliche juristische Lage zugute, andererseits die alltägliche Notsituation vieler Menschen. So ist bekannt, dass Falangisten Mitgliedskarten der eigenen Bewesowie um keinen geringeren als Luis Gonz#lez Vic8n, eines der ersten JONS-Mitglieder Valladolids, der später im Franquismus hohe Ämter bekleidete. Der Bericht des Guardia Civil: Primer Jefe de la Guardia Civil an den Delegado de Orden pfflblico, 11. August 1936, ARG, 32.613/2934, Correspondencia en relacijn con Ordenes, circulares, oficios,…del Ministerio de de la Gobernacijn y otros organismos sobre asuntos que afectan a varios ayuntamientos 1936. 890 Declaracijn D. Luis Gonz#lez Vicen (Jefe), Antonio Souto Montenegro, Jesffls y Jos8 Mar&a Salcedo Cierdide an den Delegado del Orden Publico, 11. August 1936, ARG, 32.613/2934, Correspondencia en relacijn con Ordenes, circulares, oficios,…del Ministerio de de la Gobernacijn y otros organismos sobre asuntos que afectan a varios ayuntamientos 1936.
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gung fälschten, um sie anschließend an »politisch Verdächtige« zu verkaufen.891 Nicht selten nutzten Falangisten Hausbesuche dazu, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Persönliche Raubzüge bezeichneten sie gegenüber den vermeintlichen Spendern als »offizielle Sammlungen« für die Falange und das Heer. Mehrfach, so zeigen es Einträge in den Personalakten, setzten Falangisten Waffengewalt ein, um Geld zu erpressen.892 So beschwerte sich der Bürgermeister von A Laracha (A CoruÇa) beim Zivilgouverneur A CoruÇas über die Gewalttätigkeit des Falangisten Alfonso Villaverde Otero, in dessen Raubzügen er zudem seine eigenen antisemitischen Angstvorstellungen erfüllt sah: In dem Dorf Rapadoiro zwang er [Alfonso Villaverde Otero], mit der Pistole in der Hand und begleitet von zwei Falangisten, die sich von diesem Ereignis freisprechen, einen Bewohner aus seinem Haus zu treten, wegen Geld und unter Todesdrohungen […]. In der Gemeinde Soandres zeigte er gegenüber drei Bewohnern dasselbe Vorgehen, und sorgte somit bei den Bauern für die Auffassung, dass die Falange keine schützende Institution sei, von Recht und Ordnung, sondern ein Loch von Banditen, von Juden der übelsten Sorte.893
Über das Spenden-Sammeln von vier Falangisten in Mondariz (Pontevedra) berichtete sogar ein Falange-Führer nach Vigo in erschüttertem Tonfall: »Sie haben Zusatzgebühren verlangt, welche die Regularien um 500 % übersteigen, und haben die Bewohner der Gemeinde angerempelt und bedroht.«894 Verteidigten Betroffene ihr Hab und Gut, griffen die Falangisten zu drastischen Foltermethoden. Aus Redondela (Pontevedra) ist bekannt, dass sich der Apotheker Lu&s Pereira weigerte, seinen Ehering auszuhändigen, woraufhin die örtlichen Falangisten ihm mit einem Hammer die Finger brachen.895 Gerade mittlere und große Unternehmer waren wegen den von ihnen zu erwartenden höheren Barvermögen von Raubzügen der Falange betroffen. Aus diesem Grund veröffentlichte die CoruÇeser Falange-Führung Anfang September 1936 einen Aufruf, der sich sowohl an die Falangisten als auch an Hoteliers 891 Informationsbericht 7.709, AHPP, ACP-XPM, Relaciones de afiliados por jefaturas locales (Tuy, Arbo etc.), c. 57/6, cp. 37/3. 892 Andr8s Rodr&guez Villaverde beklagte sich Anfang Februar 1937 darüber, dass 4 Falangisten eine Geldabgabe von ihm erzwingen wollten sowie die Herausgabe einer Waffe, die angeblich seinem Sohn gehöre. Vgl. Andres Rodr&guez Villaverde an Ayuntamiento de Carral, 7. Februar 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.019, exp. 874. Gegen Antonio Acosta Pan, ehemaliges Mitglied der Bandera Legionaria Gallega, wurde 1942 ein Gerichtsverfahren wegen Bedrohung und Erpressung eingeleitet. Vgl.: Loses Blatt, AGMAV, MN-JPC, Caja 6002, exp. 193. 893 Jos8 Astray Hermida, Bürgermeister des Ayuntamiento de Laracha an den Zivilgouverneur, 9. Juli 1937, ARG. 32.514/2835, Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos, Coristanco-Fene, Laracha. 894 El jefe local de Mondariz an den Jefe Povincial de FE Pontevedra, Dezember 36, AHPP, ACPXPM, Correspondencia, c. 158 (1937–1938). 895 Gonzalo Amoedo Ljpez, Roberto Gil Moure: Redondela, S. 116.
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und Geschäftsleute richtete: Zum einen mögen sämtliche Milizionäre umgehend beim Lokalführer (jefe local) vorstellig werden, um Rechenschaft darüber abzulegen, warum sie eine Auto-Fahrt durch die Provinz durchführten. Zum anderen sollten Geschäftsleute und Hoteliers keinem Spendenaufruf der Falange nachkommen, der nicht von der Falange-Führung der Provinz genehmigt worden sei.896 Obwohl das Diktum galt, dass Enteignungen allein der falangistischen Bewegung dienen sollten, nutzten die Milizionäre ihre Machtposition im Alltag konsequent aus. In Ferrol legten Falangisten bei Barbesuchen ihre Pistolen auf den Tresen, um klarzustellen, dass sie zwar etwas zu sich nehmen, die Rechnung aber nicht bezahlen würden.897 Bei ihren Diebstählen machten die Falangisten auch vor dem neu gewonnenen »Eigentum« der Partei nicht Halt. Der lokale Falange-Führer von MoraÇa (Pontevedra) zeigte im Februar 1937 beim Provinzführer in Vigo an, dass ein Kamerad ein »ganzes Bett mit Bettzeug« aus dem Falange-Zentrum entwendet habe, zur Überraschung des 16jährigen falangistischen Wächters.898 Offensichtlich wird die den falangistischen Milizverbänden wesenhafte Dialektik – ihr staatsstützendes und staatliche Strukturen auflösendes Agieren – an folgendem Fall: In den ersten Kriegsmonaten 1936 schmuggelte eine Gruppe Falangisten von Pontevedra aus Luxuswaren wie Kaffee nach Portugal.899 Zur selben Zeit erhielt eine Gruppe Ourenser Falangisten, die ihre Sicherheitsaufgaben ernster nahm, eine Auszeichnung dafür, dass sie entscheidend zur Überführung einer Kaffeeschmugglerbande beigetragen hatte.900 Der Sold für Falangisten, die in der retaguardia Geld eintrieben oder Geldsendungen durchführten, betrug für gewöhnlich 2 Peseten pro Tag. Sofern die Milizionäre auf ihrer Fahrt eine Essenspause einlegen mussten, erhielten sie 3 Peseten pro Tag. Dass unter denjenigen Milizionären, die sich dieser Aufgabe widmeten, auch Misstrauen und Neid aufkommen kommen konnte, sobald höhere Geldsummen ins Spiel kamen, zeigt der Beschwerdebrief eines Falangisten aus Ordenes (CoruÇa). Der Verfasser, Manuel Caramelo Montero, war 896 A los obreros de FE, in: La Voz de Galicia, 4. September 1936, S. 2. 897 Enrique Barrera Beitia: La represijn en ferrolterra, S. 87. 898 El jefe local de MoraÇa an den Jefe provincial de Vigo, 14. Februar 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158 (1937–1938). 899 Der Falange-Chef von Arbo beschwerte sich bei der Falange von Vigo über den Kaffeeschmuggel, den einige Falangisten betrieben. Vgl. El Jefe FE local Arbo an Jefe Vigo, 15. März 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 159 (1937–1938). Siehe auch: Informationsbericht 7711, AHPP, ACP-XPM, Relaciones de afiliados por jefaturas locales (Tuy, Arbo etc.), c. 57/6, cp. 37/3. 900 Eine Gruppe Milizionäre um den camisa vieja Joaqu&n Est8vez entdeckte am 10. Oktober 1936 bei einem vermeintlichen Maistransport 143 Kilo geschmuggelten Kaffee. Vgl. Buen servicio de las milicias de Falange, in: El Faro de Vigo, 10. Oktober 1936, S. 2.
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dafür zuständig, mit seinen beiden Kameraden Jos8 P8rez P8rez und Enrique Castro Rodr&guez Geldtransporte zwischen den Städten Santiago und A CoruÇa durchzuführen. Für gewöhnlich war Caramelo Montero derjenige, der in den Mittagspausen das Essen sowie Kaffee, Cognac und Zigarren zahlte. In einem Brief an seinen Vorgesetzten weist er erstaunt darauf hin, dass er die beiden anderen Falangisten mit sehr viel mehr Geld gesehen habe, »mal mit 25, mal mit 10 Peseten usw.«901 Dieses Geld hätten die beiden Falangisten, so Caramelo Montero, in seiner Abwesenheit in anderen Bars für Kaffee und Zigarren ausgegeben. Laut eines weiteren Schreibens, das Bezug auf den Brief Monteros nimmt, äußert der Falangist Jos8 ]lvarez M8ndez diesbezüglich, dass eine Untersuchung des Falles momentan nicht möglich sei, da einer der beiden Milizionäre sich mittlerweile in Salamanca aufhalte, der andere in A CoruÇa. Außerdem sei es ganz richtig, dass P8rez P8rez über mehr Geld verfüge als üblich. Dieses Geld stamme nämlich aus den »Spenden« in Höhe von 1000 und 500 Peseten, welche die Falange von den Banken Banco Pastor und Banco de A CoruÇa erhalten habe.902 Dass diese »Spenden« wiederum höchst wahrscheinlich keine wirklichen Spenden waren, sondern erpresstes Geld, ist aus einer weiteren Quelle ersichtlich. Dabei handelt es sich um die Anklageakte keines Geringeren als des im Herbst und Winter 1936 ranghöchsten galicischen Falangisten, Mario Gonz#lez Zaera. Gegen Zaera war 1938 ein Verfahren wegen Verrats und Verschwörung gegen Franco eingeleitet worden, infolgedessen das Gericht den Falange-Führer zum Tode verurteilte. Franco selber begnadigte Zaera später. Die Akte Zaeras zeigt, mit welcher Skrupellosigkeit die Falangisten bei ihren Raubzügen vorgingen, unter anderem bei einem Bankraub in der Banco Pastor und der Banco de A CoruÇa. In jenen ersten Tagen und denen, die später folgten, nutzen sie die allgemeine Verwirrung, die zu diesem Zeitpunkt regierte, um sich im Schatten des Vaterlandes zu verstecken und unter seinem Schutz eine Menge Delikte zu begehen, dadurch Karriere zu machen oder ihre Einkünfte zu vermehren, […]. Sie terrorisierten den Landkreis, in dem sie ihre Aktivitäten entfalteten und in dem sie eine allumfassende Machtstellung 901 Manuel Caramelo Montero, Deklaration vom 31. Dezember 1936, AGMAV, MN-JPC Caja 6.019, exp. 887. 902 Jos8 ]lvarez M8ndez weist zudem in seinem Schreiben daraufhin, dass Caramelo Montero am 30. Dezember 1936 erst von den Kameraden Jos8 Ramjn del R&o und Jos8 Villares Castro in A CoruÇa in den calabozo geworfen worden sei. Anschließend hätten die Peiniger ihn dann gezwungen eine Erklärung zu unterschreiben. Erst nach Unterzeichnung dieser Erklärung sei er freigelassen worden. Um was für eine Erklärung es sich handelte, ist aus dem Schreiben nicht ersichtlich. Es ist jedoch angesichts der Tatsache, dass Montero einen Tag später den Brief schrieb, in dem er die Barbesuche der Falangisten schilderte, anzunehmen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Vorfall und der Unterschlagung von Geldern besteht. Vgl. Jos8 Alvarez Mendez, Informationsbericht, 15. Februar 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.019, exp. 887.
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einnahmen. Bei Beginn der Gloriosen Nationalen Erhebung versammelte Mario Gonz#lez Zaera die zur Falange gehörigen Leute, unter ihnen Eduardo Gjmez Requejo Rodr&guez, ernannter lokaler Falange-Führer dieser Gegend, die zusammen jegliche Form von Delikten begingen, über das Leben und über die Freiheit von Personen entschieden genauso wie über deren Güter. Sie beschlagnahmten Lebensmittel, Warenspenden, Geldspenden, Goldspenden, die eigentlich der Nationalen Bewegung dienten; sie benutzten das Auto der Falange EspaÇola und das Benzin des Staates und brachten all die Erträge ihrer Raubzüge nach Portugal. In den ersten Momenten der Nationalen Erhebung gab er [Zaera] Anweisungen, gewisse Leute ins Gefängnis zu bringen, die dann nach Geldzahlung wieder freikamen, und wer sich weigerte, diese Zahlung zu leisten, dem drohte er, ihn umzubringen […], auf den Befehl des Angeklagten hin gingen mehrere Falangisten mit Gewehren bewaffnet zu den Filialen der Banco Pastor und der Banco de A CoruÇa und bedrohten die Angestellten, damit diese ihnen 5.000 Peseten aushändigten […]. Außerdem ist bekannt, dass der Angeklagte sich eines Autos bemächtigte, das dem aus Lugo stammenden Rafael de la Barrera gehörte, und dass er Manuel Hedilla schenkte. Ebenso überreichte er dem erwähnten Hedilla 20.000 Peseten, vorgeblich als Geldmenge deklariert, die dazu da sei, um Jos8 Antonio Primo de Rivera nach Spanien zu bringen.903
Unter dem Vorwand, Parteispenden zu sammeln, bereicherten sich im Herbst und Winter 1936/1937 die ranghöchsten Falange-Funktionäre Galiciens und leiteten große Summen an den Parteiführer Manuel Hedilla weiter. Neben dem gewalttätigen Vorgehen der Falangisten spiegelt diese Passage eindrücklich wider, welch unterschiedliches und widersprüchliches Selbstverständnis sogar bei den Falangisten auf höchster Führungsebene vorherrschte. Warnte die CoruÇeser Falange-Führung, wie oben gesehen, Geschäftsleute vor »illegalen« Spendensammlungen von Mitgliedern aus den eigenen Reihen, so hatte diese Form der Selbstjustiz in Lugo gerade ihren Ursprung in der Führungsspitze. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch in der Provinz A CoruÇa zu Selbstbereicherungen durch das Führungspersonal kam. Denn eine weitere, subtilere Form der Selbstbereicherung war es, Geld zu offiziellen Zwecken zu sammeln, es aber schlichtweg nicht weiter zu transferieren. Dies geschah zum Beispiel mit den aus Kulturveranstaltungen erzielten Gewinnen, die eigentlich zu karitativen und propagandistischen Zwecken eingesetzt werden sollten. So schrieb Pedro S#nchez Blas, Falangist aus Ares (CoruÇa), am 25. November 1936 an den Zivilgouverneur der Provinz A CoruÇa: »Es ist nicht lange her, da wurde in Ares eine Benefiz-Theaterveranstaltung organisiert, als Spende für die Armee. Der Erlös waren 300 Peseten, wovon der größte Teil verprasst wurde. Für die Kantine des Falange-Chefs wurden mehr als 100 bezahlt und nur sehr wenig floss in den 903 Zu der hier zitierten Stelle siehe die Anklageakte: Causa n81 de 1938, en la Plaza de Lejn, zit. nach Mar&a Jesffls Souto Blanco: La represijn franquista en la provincia de Lugo (1936– 1940), A CoruÇa 1998, S. 27.
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Spendentopf der Armee.«904 Der beschuldigte Falangist rechtfertigte die Nutzung der Gelder schließlich damit, dass einige deutsche Marinesoldaten zum Essen gekommen seien und man ihnen wenigstens »Nudeln und Cherry« bieten wollte.905 Die Selbstbereicherungen der Falangisten sorgten dafür, dass der Partei bereits während des Herbstes 1936 in ganz Spanien der Ruf einer marodierenden Räuberbande anhaftete.906
Hinrichtungen: »Säuberungen« und »Spaziergänge« Die Militärerhebung führte dazu, dass die Aufständischen, überall dort, wo ihre Zusammenrottungen aussichtsreich verliefen, vom 18. Juli 1936 an, »politische Verdächtige« einsperrten, sie folterten und Hinrichtungen durchführten. In Galicien war dies vom 20. Juli 1936 an der Fall, von dem Tag an, an dem der Aufstand die Region erreichte. Die Tötungen bezeichneten die Aufständischen selber als »Säuberung« (limpieza) oder auch als »Spaziergang« (paseo), zu dem die Verurteilten ausgeführt wurden. Denn eine Maßnahme zur vordergründigen »Legalisierung« und »Vereinfachung« der Tötungen, bestand darin, die Gefangenen laufen zu lassen, um dann das »Fluchtgesetz« (ley de fugas) anwenden zu können, indem die Laufenden hinterrücks erschossen wurden.907 Eine weitere Maßnahme bestand darin, die Opfer entweder glauben zu lassen, sie hätten eine kurze Zeit lang Freigang oder ihnen mitzuteilen, dass sie in ein anderes Gefängnis transportiert würden, wodurch die Falangisten sich weniger Widerstand bei der Fahrt zum Hinrichtungsort erhofften: »Es gibt eine Szene, die ich nie werde vergessen können. Der Tod eines 20-Jährigen durch Gewehrkolbenschläge, den wir unter dem Vorwand einer Gefängnisverlegung aus der 904 Pedro S#nchez Blas an Zivilgouverneur A CoruÇa, 25. November 1936, ARG, 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937–1938). 905 El primer jefe Ares an Zivilgouverneur A CoruÇa, 12. Dezember 1936, ARG, 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937–1938). 906 Den im AGA eingesehenen Korrespondenzen ist auch für andere Regionen eine ähnliche Sichtweise auf die Falange zu entnehmen. In einem Brief eines Falangisten aus San Sebasti#n heißt es über den Konflikt zwischen einem herkömmlichen Polizisten und der Falange: »Er [der Polizist] sagte, er sei der einzige der requirieren könne, und sonst niemand, und man dürfe ›requirieren‹ (requisar) nicht mit ›rauben‹ (robar) verwechseln, was ja beides mit demselben Buchstaben beginne. Ein Satz, den wir Anwesenden auch wenn wir ihn später noch einige Male hörten, nur so interpretieren konnten, dass man in der F.E. unter dem Vorwand, zu requirieren eigentlich raube.« Brief Lucio Arrieta an den Militärgouverneur, 14. Oktober 1936, AGA, (8)17.02, c.51/18946, cp. San Sebasti#n. 907 Paul Preston: The Spanish Holocaust, S. 215.
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Zelle holten.«908 Auf diese Weise ließen die neuen Machthaber nicht nur Hinrichtungsopfer verschwinden. Auch andere Gefangene wurden, unter größerem logistischen Aufwand als bei der Inhaftierung innerhalb der Dörfer und Städte, in ländlich-gebirgige Randgebiete, an Strände oder schließlich sogar vor die Küste ausgelagert, so in Ferrol, wo ab August 1936 Gefangene auf dem Schiff Plus Ultra interniert waren, oder in Vigo, wo die Guardia Civil und die Falange auf der Insel San Simjn eine Strafkolonie einrichteten, die sie im Laufe des Krieges zu einem Arbeitslager ausbauten.909 In der Forschung ist der Zeitraum zwischen Juli 1936 und Februar 1937 oft als derjenige der Populärjustiz beschrieben worden, weil erst ab Februar 1937 Militärtribunale eingeführt wurden.910 In der Tat forderten die nach Kriegsbeginn einsetzenden Gewaltakte in diesem Zeitraum die meisten Opfer.911 Dennoch ist festzuhalten, dass es von Anfang an sowohl offizielle Prozesse gegen politisch Verdächtige gab als auch Hinrichtungen auf freiem Felde oder in Wäldern, die in keiner Statistik Niederschlag fanden. Es kann daher keine strikte analytische Trennung der Repression in eine »ungezügelte« und eine »bürokratische« bzw. eine »legale« und eine »illegale« Phase vorgenommen werden. Vielmehr verliefen diese Phasen, wie Emilio Grand&o Seoane schreibt, von Anfang an parallel.912 Während nach und nach zur »formalrechtlich legalen« Tötung übergegangen wurde, prägten den Sommer und Herbst 1936 grausame Gewaltszenen wie diejenige einer Eisenbahnfahrt zwischen La Ramallosa (Pontevedra) und Vigo, die, wie Hern#n Quijano es beschreibt, auf halber Strecke unterbrochen wurde und erst weitergeführt werden konnte, nachdem die Angestellten einen Haufen Leichen beiseite gehoben hatten, die von den Falangisten im Gleisbett liegenlassen worden waren.913 908 Dieser Satz entstammt dem anonymen Brief eines Falangisten. Überliefert bei Luis Lamela: Estampas, S. 167. Siehe zu dem Vorwand der Verlegung aus einem Gefängnis in eine anderes auch: Carlos F. Velasco: 1936, S. 86. 909 Auf der Plus Ultra waren bereits am 29. Juli 1936 600 Gefangene interniert, vgl. Tiene a bordo 600 detenidos, in: La Voz de Galicia, 29. Juli 1936, S. 1. 910 Michael Richards: A time of silence civil war and the culture of repression in Franco’s Spain 1936–1945, Cambridge 1998, S. 38. Stanley Payne: Fascism, S. 247. 911 Die Zahl der Toten nimmt danach tendenziell ab. In Lugo ist dies der Fall, wenngleich dort gegen Ende der Kriegsphase und auch danach die Zahl der Exekutierten ansteigt, weil es in der besonders schwer erschließbaren Region zu Tötungen von Flüchtlingen und Guerillas kommt. Auch in A CoruÇa ist weiterhin eine hohe Anzahl Toter zu verbuchen. Der Juli 1937 ist nach dem August und September 1936 der Monat mit den meisten Exekutionen während des Krieges. Siehe Mar&a Jesffls Souto Blanco: La represijn franquista, S. 340. 912 Emilio Grandio Seoane: Golpe de estado, S. 19–58, S. 49. 913 Hern#n Quijano: Galicia m#rtir – Episodios del terror blanco en las provincias gallegas, [zuerst Paris 1938 und unter dem Titel »Lo que han hecho en Galicia: episodios del terror blanco en las provincias gallegas contados por quienes los han vivido«] Buenos Aires 1949, S. 23.
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Vier Personalakten von camisas viejas, die am Tag der Militärerhebung aus dem Gefängnis befreit wurden – aus den drei Provinzen A CoruÇa, Lugo und Pontevedra – bilden die Gewaltentwicklung in den ersten Kriegstagen ab. Den Berichten ist zu entnehmen, dass die »Säuberungen« noch am 20. Juli 1936, dem Tag des Aufstandes in Galicien, unter ihrer Beteiligung begann. In wenigen Tagen oder auch nur Stunden durchfuhren die Falangisten Ortschaft um Ortschaft und führten Hinrichtungen durch. Auffällig ist dabei, dass dies zu einem Zeitpunkt geschah, an dem in einigen urbanen Zentren wie A CoruÇa, Vigo, Ferrol oder Tui wegen ziviler Widerstände noch gar nicht abzusehen war, welchen Ausgang der Militäraufstand überhaupt nehmen würde: »Er stellte sich am ersten Tag in Lugo vor, kooperierte von diesem Tag an in der Säuberung der gesamten Provinz und nahm an der Erstickung der roten Gruppen von Monforte, Quiroga, San Clodio und Castro de Rey teil«914 – »[…] er stellte sich in Ortigueira vor, leistete Waffendienst bis zum nächsten Tag, an dem er zusammen mit der Guardia Civil nach Cedeira, La CoruÇa, aufbricht, wo er Säuberungen für die Aufständischen durchführt. Am selben Tag kehrt er nach Ortigueira zurück, wo er Waffendienst ableistet, bis zum 22., an dem er mit der Guardia Civil und mehreren Falangisten nach Ferrol versetzt wird, wo er bis zum 30. Waffendienst leistet und die Verfolgung von Flüchtlingen übernimmt.«915 – »Wegen seines Status Falangist vom 18. August 1934 an zu sein, war er im Moment der Nationalen Erhebung vor der Verfolgung, dessen Ziel er in Vigo war, geflohen. Er hielt sich in Sober (Lugo) auf, wo er, zusammen mit zwölf anderen Falangisten, sich ›wie ein Falangist‹ verhalten hat, im Distrikt Monforte bis zum 25. Juli, bis er sich der Falange in Vigo eingliederte, wo er in der Kaserne Bouzas Dienst leistete […]«916 – »Zu Beginn der Bewegung nahm er an mehreren Säuberungsoperationen teil, danach an der Besetzung von Tui.«917 Ohne dass es in diesen Gegenden zu einer Frontbildung gekommen war, und noch bevor mit Tui die letzte republikanische Enklave fiel, fanden im ruralen Galicien die ersten Tötungen statt. Neben der Tatsache, dass die Zivilgouverneure in Galicien sich weigerten, den Arbeiterverbänden Waffen auszuhändigen, lässt sich allein durch diese brutale Vorgehensweise erklären, dass der direkte Widerstand gegen die Militärerhebung in den ländlichen Gebieten sehr begrenzt blieb und erst nach Wochen und Monaten des Krieges von Flüchtlingen aus den Bergen und Wäldern organisiert wurde. 914 Hoja matriz de servicios, Enrique Garc&a Grande, AGMAV, MN-JPC, Caja 6004, exp. 275. 915 Manuel P8rez Cata, Eidesstaatliche Versicherung, 16. März 1967, A CoruÇa, AGMAV, MNJPC, Caja 5996, exp. 12. 916 Jos8 Lopez P8rez, Eidesstaatliche Versicherung, 27. Dezember 1941, Isla de San Simon (Pontevedra), AGMAV, MN-JPC, Caja 6.058, exp. 3488. 917 Hoja matriz de servicios, Casimiro Marras Rodr&guez, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.014, exp. 643.
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In den Großstädten dauerte es im Vergleich zu den Dörfern einige Tage länger, bis es zu den ersten Hinrichtungen kam. Diese Hinrichtungen hatten aber bereits den Charakter »legaler« Gewalt und folgten einem »offiziellen« Urteilsspruch. In A CoruÇa schlugen die Aufständischen die letzten Widerstände am 23. Juli 1936 nieder. Am 24. Juli wurde der Zivilgouverneur, Francisco P8rez Carballo, getötet. Dieses Schicksal ereilte später genauso die Zivilgouverneure der anderen drei galicischen Provinzen. Die administrative Struktur blieb in den Provinzen auch nach dem Militäraufstand weitestgehend bestehen, Bürgermeister und Gemeindevertreter wurden schlichtweg ausgewechselt und später erschossen.918 Überhaupt waren die aus den Wahlen vom Februar 1936 hervorgegangen Volksvertreter in Galicien, wie übrigens auch in den zeitgleich eroberten Teilen Andalusiens, die ersten Opfer der einsetzenden Repression.919 In der Historiographie zum Spanischen Bürgerkrieg ist lange Zeit von den »zwei Spanien« geredet worden, bis diese Kategorisierung um ein weiteres »Spanien«, das »dritte Spanien«, ergänzt wurde. Dass in der Zweiten Spanischen Republik neben einer extremen Rechten, die das republikanische System abschaffen wollte, und einer Linken, die versuchte, den Bürgerkrieg für die Revolution zu nutzen, auch Republikaner lebten, war lange Zeit aus dem Blick geraten. Dabei waren insbesondere die Bewohner des »dritten Spaniens« die ersten Opfer der Repression, weil ihr soziales und politisches Engagement oder das Bekleiden von Ämtern sie als Hüter des republikanischen Systems auswies: Sie waren Politiker, Lehrer, Gewerkschaftsvertreter.920 Auch diese republikanisch gesinnten Bürger wurden, wie die hingerichteten politischen Führer linker Parteien- und Arbeiterverbände, unter dem Begriff »Rote« subsumiert. 2014 hat Octavio Ruiz-Manjjn Cabeza in seinem Aufsatz über die hingerichteten Abgeordneten herausgearbeitet, dass die beiden auch ansonsten von der Repression stark betroffenen
918 Lu&s Lamela Garc&a: Crjnica, S. 50; Mar&a Jesffls Souto Blanco: Los apoyos al r8gimen franquista, S. 19. Carlos Fern#ndez Santander : Alzamiento, S. 349. Sogar Juana Capdevielle, die schwangere Frau des CoruÇeser Zivilgouverneurs Francisco P8rez Carballo, wurde von einer Gruppe Falangisten hingerichtet. Sie wurde später in der Nähe von R#bade (Lugo) gefunden, vgl.: Juli#n Casanova: Rebelijn y revolucijn, in: Santos Juli# (Hg.): V&ctimas de la guerra civil, Madrid 1999, S. 55–171, S. 87. 919 Juli#n Casanova: Guerra Civil y violencia pol&tica, in: Juli#n Casanova, Paul Preston (Hg.): La Guerra Civil EspaÇola, Madrid 2008, S. 27–60, S. 31. 920 Zu dem Konzept der »zwei Spanien« vgl. Walther L. Bernecker : Wiederkehr der »zwei Spanien«? Vergangenheitsaufarbeitung und Geschichtsbilder im Spannungsfeld von (Partei-)Politik und Gesellschaft, in: Christoph Marx (Hg.): Bilder nach dem Sturm, Berlin 2007, S. 145–165. Siehe auch: Francisco J. Romero Salvarj: La larga Guerra Civil EspaÇola, Granada 2011, S. 126. Paul Preston: The Spanish Holocaust, S. 211.
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Regionen Galicien und Andalusien, diejenigen Regionen sind, in denen die meisten Abgeordneten nach Kriegsbeginn hingerichtet wurden.921 Eine weitere Gruppe, die massive Verfolgungen erlitt, waren die Freimaurer und hier insbesondere die Logen aus der Stadt A CoruÇa. Noch zu RepublikZeiten hatte die Guardia Civil Akten über im Freimaurerwesen aktive Personen angelegt und dies, wie Carlos Velasco annimmt, illegalerweise.922 In die Konspiration eingeweihte Falangisten, die Übermittlungsdienste zwischen den einzelnen Polizei- und Heeresgruppen durchführten, waren seit Mai 1936 im Besitz dieser Akten. Der 18. Juli 1936 gab den Startschuss dafür, dass die Akten nun »offiziell« zur systematischen Verfolgung der Freimaurer eingesetzt werden durften. Die Tätigkeitsberichte von Falangisten zeigen, dass die Milizen sowohl Festnahmen als auch Tötungen durchführten.923 Doch auch Folter fiel in ihren Aufgabenbereich, entweder, um Informationen über Entflohene zu erhalten, oder aus reiner Lust an der Qual. Zwar sollten die Foltermaßnahmen der Falangisten in erster Linie der Informationsbeschaffung dienen. Doch trat Gewalt nicht immer in ihrer instrumentellen Variante in Erscheinung. Die Grenze der zweckorientierten Gewalt hin zur »autotelischen Gewalt« wurde regelmäßig überschritten. Mit autotelischer Gewalt ist im Sinne Jan Philipp Reemtsmas Gewalt gemeint, die sich Selbstzweck ist und kein Ziel verfolgt, das außerhalb der Gewalttat liegt.924 In Dörfern wie Porto do Son (CoruÇa) oder MoaÇa (Pontevedra), aber auch in Städten wie Lugo, bekamen Folteropfer für den »öffentlichen Spott« absurde schmerzhafte Tätigkeiten auferlegt, wie das stundenlange Spielen von Instrumenten bis zum Aufplatzen der Lippen oder das Abkratzen von Farben mit bloßen Nägeln. Extremitäten und Geschlechtsteile der Opfer wurden mit Gegenständen behangen und mit Werkzeugen verletzt.925 Erlitten männliche Gefangene diese Gewalt der Entmännlichung, indem ihnen das vermeintliche Fehlen eigener Kampfkraft oder Potenz durch Schä921 Octavio Ruiz-Manjjn Cabeza: Violencia vs. representacijn. Los diputados de las Cortes de 1936, v&ctimas de la Guerra Civil EspaÇola, in: Historia y pol&tica: Ideas, procesos y movimientos sociales, Nr. 32, 2014, S. 153–188, S. 167–168. 922 Carlos F. Velasco: 1936, S. 34. 923 Hoja matriz de servicios, Ramon Garcia Gonz#lez, Caja 6003, exp. 220. Santiago Pazos Sobradelos Caja 6.012, exp. 548; Alejandro Varela Marta, Caja 6.022, exp. 1024; Jos8 Manuel Fidalgo Fern#ndez, Caja 6.025, exp. 1132; Alfredo P8rez Rios, Caja 6.025, exp. 1158; Adolfo Pombo Soutullo, Caja 6.025, exp. 1160; Jos8 Pan Lendjn, Caja 6.026, exp. 1210; Ramon Naveira Viaz, Caja 6.026, exp. 1223; Jesus Aznarez Palacin, Caja 6.038, exp. 1844; Serafin Santamarina Rey, Caja 6.040, exp. 1949, alle AGMAV, MN-JPC. 924 Jan Philipp Reemtsma: Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg 2008, S. 116ff. 925 Berichte von Opfern aus den genannte Ortschaften zu lesen bei Carlos F. Velasco: 1936, S. 86ff.
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digung von Gliedmaßen und Geschlechtsteilen demonstriert wurde, mussten Frauen ähnliche Gewalt ertragen. Frauen wurden bespuckt, geschlagen und vergewaltigt, unabhängig davon, ob sie »Rote« waren, ob sie mit »Roten« in Verbindung standen oder schlichtweg, weil jemand sagte, dass eines von beidem der Fall sei. Den Tötungen gegenüber herrschte auch innerhalb der Falange ein ambivalentes Verhältnis.926 Einige Falangisten versuchten, den Folterungen und Tötungen durch die Annahme anderer Dienste auszuweichen oder durch Flucht an die Front den vermeintlich ehrenhafteren Kampf im Mann-gegen-Mann der Feldschlacht zu suchen.927 Dennoch bestand auch an der Front die Möglichkeit in die »Säuberungen« eingebunden zu werden, da Säuberungsaktionen dort auf dieselbe Weise durchgeführt wurden wie im Hinterland. Andere Falangisten wie Manuel Conde, genannt el conserje, ein camisa vieja der in Ourense traurige Berühmtheit erlangte, übernahmen bereitwillig Hinrichtungen und brüsteten sich sogar öffentlich mit der Anzahl der von ihnen Getöteten.928 Doch es fällt auf, dass nicht nur Manuel Conde, sondern mehrere führende camisas viejas an den Gewaltdelikten der ersten Kriegstage mitwirkten.929 Die Opferzahlen für die Kriegszeit gingen in der Forschung seit den 1960er Jahren weit auseinander. Erst die Vielzahl regionaler Studien, die seit den 1990er 926 Der bereits oben erwähnte anonyme Brief eines Falangisten ist Zeugnis der Brutalität, aber auch des damit verbundenen Selbstekels, wie der komplette Text zeigt: »Es gibt eine Szene, die ich nie werde vergessen können: Der Tod eines 20-Jährigen durch Gewehrkolbenschläge, den wir unter dem Vorwand einer Gefängnisverlegung aus der Zelle holten. Sein blutiges Gesicht seine Schreie: Tötet mich, bitte! Ich sehe und höre sie, obwohl mehr als 40 Jahre seit diesem Ereignis vergangen sind. Ich hätte auch in jener Nacht sterben wollen, aus Scham…Ich habe auch überprüft, dass meine Schuldgefühl nicht einzigartig ist und dass viele der Kameraden, die an diesen Ereignissen mit mir teilnahmen, dasselbe denken wie ich. Ich weiß sogar, das seiner deshalb in einem psychiatrischen Zentrum gelandet ist.« Überliefert bei: Luis Lamela: Estampas, S. 167. 927 »Mensch, ich, genau gesagt, das war eine der Sachen, weshalb ich weggegangen bin…Ich beantragte als Freiwilliger an die Front zu gehen…Ich ging an die Front, freiwillig, wegen der paseos.« Interview Nr. 65, O.M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC. »[…] ich wußte schon, was das für ein Dienst war, die Leute rausholen…zum Spazieren, und ich sagte ihnen: Ich lege mich schlafen und ich habe keinen Bock, diesen Dienst zu machen – das sagte ich den beiden, die bei mir ankamen, das waren Carlos Rey und Manuel Conde, der conserje« Interview, Nr. 77, L. V., Ourense, 21. Januar 1989, UPDOC. 928 »Sie rühmten sich überall in den Bars ›Ich habe 16 kalt gemacht, ich habe fünf kalt gemacht, ich habe sechs kalt gemacht, ich habe sieben kalt gemacht‹…damit haben die sich öffentlich in den Bars gerühmt« Interview, Nr. 65, O. M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC; vgl auch Interview Nr. 76, A.L.G., Ourense, 23. April 1988, UPDOC. Siehe auch Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia, S. 171–174. 929 Diese These unterstützend, Mar&a Jesus Souto Blanco: Cobiza de lobos. A falange en Lugo, in: Asociacijn Culural Memoria Historica Democratica (Hg.): A represijn franquista en Galicia. Actas do Congreso da Memoria Narjn, decembro de 2003, Ferrrol 2005, S. 591–600, S. 591.
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zu den Gewalttaten im Bürgerkrieg durchgeführt wurden, lässt mittlerweile Gesamteinschätzungen zu, die von ähnlichen Opferzahlen ausgehen. Laut Antony Beevor beläuft sich die Zahl der im gesamten Krieg hinter den Frontlinien Getöteten auf 200.000.930 Paul Preston gibt ebenfalls eine Zahl von 200.000 Opfern in der retaguardia an und beziffert zudem die in den Schlachten getöteten Soldaten mit ebenfalls rund 200.000.931 Luis Ledesma spricht von mindestens 126.000 Kriegsopfern, die von den Aufständischen getötet wurden sowie von 50.000 auf der Seite der Republik Getöteten, wobei er die Repression der Nachkriegszeit miteinbezieht.932 Javier Rodrigo gibt für die Phase des Schützengrabenkrieges, der sich weitestgehend mit dem hier zugrundeliegenden Analysezeitraum deckt, eine Zahl von 52.800 Opfern an, die in denjenigen Provinzen, in denen der Militärschlag erfolgreich war, getötet wurden.933 Für Galicien übernimmt Rodrigo an anderer Stelle von Angel Rodr&guez Gallardo die Zahl von 4.753 Opfern.934 Paul Preston zufolge lag die Zahl der Opfer in Galicien bei 4.560.935 Der Forschungsprojekt Os nomes, as voces, os lugares der Universität von Santiago de Compostela, das sich der Identifizierung der Opfer widmet, beziffert die in Galicien Getöteten zwischen 1936 und 1939 auf 4699, wobei 3233 dieser Personen starben, ohne einen Prozess bekommen zu haben.936 Dass die Bezifferung und die Identifizierung der Opfer bislang große Probleme bereitet und seit Beginn des 21. Jahrhunderts mehr denn je in der spanischen Zivilgesellschaft thematisiert wurde, hängt mit dem kriegerischen Vorgehen der Aufständischen zusammen, die sehr wohl eine offizielle Trennung zwischen »legaler« und »illegaler« Gewalt kannten. Obwohl die limpieza an Landstraßen und Waldstücken sowie das anonyme Verscharren von Leichen allgegenwärtig war und auch als Politik der Abschreckung diente, sollten die »legalen« Erschießungen das Bild der Gewalt in der breiteren Öffentlichkeit prägen. Dazu betrieben die neuen Machthaber eine Politik der zeitlichen, per930 Antony Beevor : Der Spanische Bürgerkrieg, S. 126. 931 Paul Preston: The Spanish Holocaust, S. 11. 932 Jos8 Luis Ledesma: Del pasado oculto, S. 168; vgl. auch Jos8 Luis Ledesma: Total war behind the frontlines? An inquiry into violence on the republican side in the Spanish Civil War, in: Martin Baumeister, Stefanie Schüler-Springorum: »If you tolerate this«, S. 154–168. 933 Javier Rodrigo: A este lado del bistur&, S. 156. 934 Javier Rodrigo: »Our fatherland was full of Weeds«. Violence during the Spanish Civil War and the Franco Dictatorship, in: Martin Baumeister, Stefanie Schüler-Springorum: »If you tolerate this«, S. 135–153, S. 147. 935 Paul Preston: The Spanish Holocaust, S. 209. 936 Nomes e voces: http://www.nomesevoces.net/gl/informe/informe-de-resultados-vitimasgalicia-1936-1939/vitimas-con-resultado-de-morte/, [Letzter Zugriff 13. Juli 2016]. Michael Richards weist bezüglich Galiciens daraufhin, dass zwar in einigen Orten Namenslisten erstellt wurden, doch wurde die Anweisung ausgegeben, keine Totenbescheinigungen auszustellen, nicht einmal denjenigen Angehörigen, die ihre getöteten Familienmitglieder identifizierten; vgl.: Michael Richards: A time of silence, S. 30.
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sonellen und rituellen Verstetigung des Tötungsaktes. Die Hinrichtungen erfolgten für gewöhnlich in den frühen Morgenstunden.937 Zivile, geistliche und juristische Kräfte wurden in den Vorgang der Erschießung eingebunden. Den Transport der Verurteilten vom Gefängnis an den Ort der Hinrichtung wie auch die Erschießung führten in ganz Spanien sowohl Falangisten als auch Soldaten und Guardia Civil durch.938 Der Erschießung wohnten in der Regel ein Pfarrer und ein Arzt bei. Der Pfarrer nahm den Verurteilten, sofern diese es wollten, die letzte Beichte ab.939 Der Arzt stellte nach der Erschießung den Tod des Hingerichteten fest.940 Die Leichen wurden nach der Erschießung auf dem Friedhof begraben. Dieser »korrekte Verlauf« der Hinrichtung und die aus Sicht der Aufständischen moralische Richtigkeit des Tötungsaktes erfuhr zuletzt eine weitere Bestätigung durch die Nachricht von der Hinrichtung in Rundfunk und Presse, wonach die Verurteilten »mit großer Hingabe beichteten«941, starben oder »nachdem sie das Kreuz geküsst hatten«.942
Verfolgungsjagden und das »Kesseltreiben« Wie in anderen infrastrukturell nur teilweise erschlossenen Gegenden flohen sowohl in Galicien als auch in Asturien und Kastilien-Lejn viele Menschen, die um ihr Leben fürchteten, ins Gebirge oder in die Wälder, um sich zu verstecken oder gemeinsam mit anderen Flüchtlingen von dort aus einen Guerrilla-Krieg gegen die Aufständischen zu führen. Insbesondere das Länderdreieck GalicienAsturien-Lejn, der Bierzo, sollte im Laufe des Krieges, und noch bis weit in die 1950er (an einigen Stellen sogar bis in die 1960er Jahre) für diese so genannten maquis eines der größten Rückzugsgebiete werden.943 937 Siehe beispielsweise Sentencias cumplidas, in: La Voz de Galicia, 11. August 1936, S. 2; Fusilamientos, in: La Voz de Galicia, 14. August 1936, S. 7; Tres fusilamientos, in: La Voz de Galicia, 18. September 1936, S. 5. Interview Nr. 65, O. M., Ourense, 1. April 1989, UPDOC. 938 Javier Rodrigo führt dazu mehrere Beispiel an, vgl. Javier Rodrigo: A este lado del bistur&, S. 156. 939 Ließen sich die Hinrichtungsopfer die Beichte abnehmen, fand dies sogar ausdrücklich Erwähnung in der Zeitung: »An diesem Morgen, um 6 Uhr, wurden der Ex-Zivilgouverneur dieser Provinz, Herr Gonzalo Martin March, wegen des Deliktes des Verrats, und seine Landsmänner Antonio Su#rez Rodr&guez und Ramjn P8rez Anglada wegen Besitz von Waffen und Explosiven hingerichtet. Die beiden letzteren starben christlicherweise.« Vgl. Tres fusilamientos, in: La Voz de Galicia, 18. September 1936, S. 5. 940 Luis Lamela: A CoruÇa, S. 118–119. 941 Desde Ferrol: Dos fusilamientos, in: El Faro de Vigo, 10. Oktober 1936, S. 5. 942 Tres fusilamientos en Ourense, La Voz de Galicia, 18. August 1936, S. 3. 943 Siehe allgemein zur guerilla Hartmut Heine: A guerilla antifranquista en Galicia, Vigo 1980. Erst gegen Ende des Krieges gewann die galicische Guerilla organisatorische Stärke. Prominentes Opfer war der Falangist Jos8 Viador Traseira, einer der ersten Falangisten Lugos
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Für die Aufständischen gestaltete sich die Verfolgung dieser Flüchtlinge aus mehreren Gründen als kompliziertes Unterfangen. Erstens lag den Militärführern daran, die politischen Zentren zu kontrollieren, und das waren die Städte. Die militärischen Kräfte banden die neuen Machthaber deshalb vorwiegend in urbanen Räumen oder schickten sie direkt von dort an die Front. Zweitens fehlte es in den Dörfern an Waffen: Lieferungen in ländliche Gegenden verliefen nur schleppend. Drittens nötigte die geographische Lage den Verfolgern besondere militärstrategische Kenntnisse ab. Die oft ungeübten, teilweise erst mit Kriegsbeginn rekrutierten Bürgermilizen waren auf Gefechte in unwegsamen Gebieten kaum vorbereitet. In Galicien waren 75 % des Landes monte, nicht kultiviertes hügeliges bzw. bergiges Land, das größtenteils Bäume, Büsche und Sträucher überwucherten. Das größte Hindernis bei der Verfolgung stellte das sich zwischen den Nordregionen Spaniens erstreckende Ancares-Gebirge dar, mit Höhenunterschieden von 800–900 m im Tal bis hin zur höchsten Erhebung, dem Pico Miravelles mit 1969 Metern.944 Briefe falangistischer Milizionäre aus mehreren Dörfern Pontevedras sowie die Auswertungen der Personalakten für die Provinzen Pontevedra und A CoruÇa zeigen, dass die Verfolgungen während des ersten Kriegsjahres vor allem zusammengesetzte Milizverbände durchführten.945 Die Guardia Civil und die Falange stellten dabei die größten Truppenanteile, aber auch andere Milizen wie die JAP oder die Caballeros de Santiago nahmen die Verfolgung von Flüchtigen der »Bergguerrilla« (maquis) auf. In denjenigen Gebieten Asturiens, die Stück für Stück bis zum endgültigen Fall der Region im Oktober 1937 von den Aufständischen erobert wurden, durchmischten sich galicische und asturische Truppenverbände. Umgekehrt bildeten auf der anderen Seite die galicischen Flüchtlinge Guerillagemeinschaften mit Flüchtlingen aus Asturien und Lejn.946 und Mitbegründer der Bandera Legionaria de Lugo, der am 9. April 1940 getötet wurde. Vgl. Heine: A guerilla, S. 62–64. Derjenige Guerrillero, der die längste Zeit in den Bergen überlebte, war Ramjn Rodr&guez Varela aus Melide, genannt O Curux#s. Er starb am 14. Mai 1967 eines natürlichen Todes. Vgl. Carlos de Parrado: Curux#s: O guerilleiro que non cazou Franco, Vigo 2009. 944 Jesffls de Juana, Xulio Prada (Hg.): Historia contempor#nea, S. 446. 945 In ihren Tätigkeitsberichten listen mehre Falangisten Verfolgungsdienste auf, beispielsweise: »Zuletzt tätig in der Säuberung der asturischen Berge in der Nähe des Dorfes Villar de Vildes, Pola de Somiedo, Baluarte«, Santiago Pazos Sobradelos, Deklaration vom 7. Februar 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.012, exp.548. »Verfolgung von Flüchtigen«, Antonio Montero de la Sierra, Hoja de servico, AGMAV, MN-JPC Caja 6.028, exp. 1278. »Bewachung und Verfolgung von Flüchtigen«, Jos8 Cortizo Villar, Hoja de servico, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.031, exp. 1453. »Wachdienste, Festnahmen extremistischer Personen, gefolgt von Säuberungen besagter über die Berge geflüchteter Elemente«. Jesus Aznarez Palacin, Hoja de servico, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.038, exp. 1844. »Verfolgung, Festnahme und Inhaftierung von Individuen, die der Nationalen Sache abschätzig gegenüberstehen.« Lisardo Novoa Lopez, Hoja de servico, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.042, exp. 2078. 946 Im Oktober 1936 kämpften rund 300 Galicier in den republikanischen Truppeneinheiten;
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Den galicischen Falangisten fiel daher die Aufgabe zu, die aus ihrer Heimatregion in die asturischen oder in die leonesischen Berge Entflohenen zu identifizieren.947 Nicht unüblich war es, dass Milizionäre, die zuerst in ihnen bekannten Gebirgsgegenden Jagd auf Flüchtlinge machten, später in Nachbarregionen zum Einsatz kamen, wozu auch Verfolgungen gehörten, die über die Grenzen des spanischen Staates hinausgingen. Im Süden Pontevedras versuchten mehrere Flüchtlinge, den Grenzfluss MiÇo nach Portugal zu überqueren.948 Diejenigen, die das andere Ufer erreichten, hatten sowohl mit der Verfolgung durch Teile der portugiesischen Polizei zu rechnen, die trotz des internationalen Nicht-Interventions-Abkommens vom 21. August 1936 mit den Aufständischen kollaborierte, als auch mit den Einsätzen von Falange-Gruppen, denen die Polizei in einigen Ortschaften die Verfolgung auf portugiesischem Staatsgebiet gewährte, was letztlich zu einem zwischenstaatlichen Streit über die Rechtmäßigkeit dieser Aktionen führte.949 Die meisten der galicischen Falangisten, die sich in A CoruÇa sammelten, nahmen entweder die Flüchtlingsverfolgung innerhalb der Provinz auf oder widmeten sich, während ihrer Fronteinsätze in Asturien und Lejn der Verfolgung von Flüchtlingen, mehrheitlich zwischen Villablino und Ponferrada. Auch mehrere Falange-Einheiten aus Ver&n (Ourense) wurden in Ponferrada stationiert, unter anderem die Zenturie Caballeros de la Muerte.950 Allerdings war es die Guardia Civil, die aufgrund ihrer Einsätze gegen die Arbeiteraufstände vom Oktober 1934 über Kampferfahrungen in diesem Gebiet verfügte und deshalb die Milizen anleitete.
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vgl. Luis Miguel Cuervo Fern#ndez: Historia del Batalljn Galicia nfflmero 219 en la Guerra Civil EspaÇola, in: Enrique Barrera, Bruno Gonz#lez, Manuela Santalla, Xos8 Manuel Su#rez (Hg.): A II Repfflblica e a Guerra Civil: Actas dos traballos presentados ao II Congreso da Memoria, Culleredo, 1 a 3 de decembro de 2005, A CoruÇa 2006, S. 679–798, S. 681. Im Baskenland stellten gerade in den Kampfeinheiten der CNT und der U.G.T die ausgewanderten Asturianer und Galicier die Mehrheit der Soldaten, während die Basken vorwiegend der »Solidarität der baskischen Arbeiter« (STV) angehörten; vgl. Antony Beevor : Der Spanische Bürgerkrieg, S. 287. Dieser Dienst hieß »Wiedererkennungsdienst« (servicio de reconocimiento); vgl. Hoja de servicio, AGMAV, MN-JPC 5996, exp. 39. Dieselben Dienste wurden später auch in der entgegengesetzten Richtung durchgeführt. Asturische Falangisten kamen nach dem Fall der Asturienfront im November 1937 ins galicische Rianxo, wo ein Konzentrationslager errichtet worden war, und identifizierten vor Ort Flüchtige; vgl.: Xesus Costa Rodil, Xesffls Santos Su#rez: Galiza na Guerra Civil. Campos, S. 90. ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 165; Xerardo Daseiras Valsa: Ver&n, S. 27. Siehe dazu ausführlich Emilio Grand&o Seoane: A raia que deixou de selo. A fronteira galego-portuguesa en xullo 1936, in: Xesffls Balboa Ljpez, Herminia Pernas Oroza (Hg.): Entre njs. Estudios de arte, xeograf&a e historia en homenaxe j profesor Xos8 Manuel Pose Antelo, S. 99–1022, S. 1016ff. ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 166–170. Herbert Rutledge Southworth: Antifalange. Estudio cr&tico de »Falange en la guerra de EspaÇa: la Unificacijn y Hedilla« de Maximiano Garc&a Venero, Paris 1967, S. 123–124. Xerardo Daseiras Valsa: Ver&n, S. 26. u. S. 33ff.
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Die herkömmliche Vorgehensweise der Verfolger war, in Galicien wie in Asturien, das »Kesseltreiben« (Batida al monte), bei dem, wie auf einer Viehjagd üblich, versucht wurde, das Ziel von in regelmäßigen Abständen aufgestellten Suchposten einzukreisen, um es schließlich zu fangen. Höhlen und andere verlassene Verstecke, welche die Verfolger auf dem Weg entdeckten, wurden dabei kurzerhand ausgeräuchert oder in Brand gesteckt.951 Innerhalb Galiciens waren die Flüchtlinge den Verfolgern größtenteils bekannt, und so konnten die Falangisten bei Erfolg unmittelbar politisches Kapital aus einer Suchaktion schlagen. Direkt nach seiner Rückkehr vom »Außendienst« schrieb der FalangeFührer ]lvarez aus Mondariz (Pontevedra) im September 1936 an den Provinzchef nach Pontevedra: Ich komme gerade zurück von einer batida in den hiesigen Bergen, die wir mit einigen Kameraden anderer Dörfer und der Guardia Civil verschiedener Gemarkungen, durchgeführt haben […] und die dazu geführt hat, dass wir den bedeutendsten Kopf der roten Bewegung in diesem Dorf geschnappt haben.952
In Asturien, wo retaguardia und Front kaum klar voneinander zu trennen waren, gestalteten sich die Verfolgungsjagden noch schwieriger. Zwar heißt es in La Voz de Galicia im üblichen Propaganda-Ton der Falange, dass die Milizionäre aus A CoruÇa in Villablino »von Enthusiasmus erfüllt« und »von feuriger Vaterlandsliebe« getrieben, ihre Familienangehörigen wissen lassen, dass sie sich »perfekter Gesundheit« erfreuen und mit jedem Tag entschlossener seien, für das Vaterland ihr Leben zu geben.953 Doch war auch hier der Dienst in den Bergen mehrheitlich, und anders als es in La Voz de Galicia dargestellt wird, äußerst unbeliebt – aus den drei genannten Gründen: des Abzugs von Milizen in die Städte, des geringen Waffennachschubs und des bergigen und schwer einzusehenden Geländes. Trotzdem gab es überall Falangisten, die sich freiwillig für den Dienst in den Bergen meldeten, nicht zuletzt, weil diejenigen, die sich bei den Verfolgungsjagden hervortaten, intern besondere Erwähnung genossen, wie Leon Crespo Temprano, der »aktiv an der Verfolgung und Festnahme der Flüchtigen in den montes der Provinz und insbesondere in denjenigen von Viabre (Villagarcia) teilnahm«, was dazu führte, dass er für seine »entschlossene Handlung« vom Militärkommandeur der Provinz und vom Anführer der operativen Streitkräfte, dem Leutnant der Guardia Civil, beglückwünscht wurde.954 951 ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 157. 952 Falange EspaÇola de las JONS de Mondariz, ]lvarez, an den Jefe Provincial de FE Pontevedra, 18. September 1936, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158. 953 De la Octava Divisijn, in: La Voz de Galicia, 18. August 1936, S. 3. 954 Ficha personal, Leon Crespo Temprano, AGMAV, MN-JPC, Caja 55, exp. 84. Siehe auch Ficha de afiliacijn, Ramon Marcos Franco, AHPP, ACP-XPM, Expedientes personales de militantes, 37–50, Abilleria-Perreira, c. 56/2, exp. 226.
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Andererseits stellten die Miliz-Führer auch Falangisten mit Dienstvergehen zu Suchaktionen in den Bergen ab, denen sie auf diese Weise einen Strafdienst auferlegten, was beispielsweise für Jos8 de la Torre PiÇeiros aus A CoruÇa zutraf, der zuvor zweimal vergeblich versucht hatte, zu desertieren.955 Im Gegensatz zur Regelmäßigkeit des Wachehaltens in den besetzten Dörfern kennzeichnete die Verfolgungsjagden in den Bergen große Ungewissheit: Eine Suchaktion konnte wenige Stunden oder mehrere Tage dauern. Sie wurde sowohl tagsüber als auch nachts durchgeführt, wie eine zwölfstündige batida in der Sierra de Aguijn, von der ein Milizionär schreibt: »Die ganze Nacht lang sind wir unterwegs gewesen«.956 Die Suche nach den Flüchtlingen rang den Milizionären ständige Konzentration ab, in jedem Moment bestand die Gefahr, aus einem Hinterhalt überrascht zu werden. Längere Fußmärsche standen auf der Tagesordnung. Reichte der Proviant nicht aus, mussten die Verfolgungsjagden abgebrochen werden, sofern nicht in einem Unterschlupf der Flüchtlinge Essen, Munition oder auch Sanitärmaterial gefunden wurde, Material, das diese beim raschen Aufbruch hatten zurücklassen müssen.957 Dort, wo die Flüchtlingsgebiete in der Nähe der Dörfer lagen, aus denen die Falangisten auszogen, bestand auch die Gefahr, dass die Guerilleros sie attackierten. Im Spätseptember und Oktober 1936 schrieben die lokalen Falangeführer von Mondariz und PorriÇo (Pontevedra) mehrfach in die Provinzhauptstadt Pontevedra, weil sie unbedingt mehr Waffen für den Dienst in den montes benötigten. Noch am 11. September 1936 war von diesen Problemen nicht die Rede gewesen. Während einige Dorfbewohner PorriÇos urteilten: »Die Gefangen werden von den jungen Falangisten bewacht, besser gesagt vom Abschaum der Gesellschaft«,958 verkündete der Führer der Falange von PorriÇo entschlossen, dass »niemand ohne Sanktionen davonkommt, wenn er sie verdient. In diesem kleinen Russland haben wir 50 Individuen festgenommen und elf erschossen, und sechs weitere warten noch hinter der Tür.«959 Doch bereits 955 Ficha de afiliacijn, Jos8 de la Torre PiÇeiro, AGMAV, MN-JPC, Caja 6008, exp. 392. 956 Dieser Bericht stammt aus Aguijn (Asturien), wo die Falange mit der Guardia Civil und der JAP einen Suchtrupp bildete; vgl. Brief [?] an P8rez ]vila, CastaÇedo, 28. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703. Auch andernorts starteten die batidas nachts: »Am 23. Dezember zog eine Kompagnie der Guardia Civil und Zivilen aus Mos um 4 Uhr morgens los, um eine batida am monte Galleiro durchzuführen«; vgl. AIRMN, VIII Regijn Militar, Juzgado Militar Especial, folio 34, Causa 84/37, Vigo, zit. nach ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 149. 957 Zusammenfassung des Truppenberichts der Primera Bandera Legionaria de FE de Lugo, AGMAV, Caja 2685, Cp.9, D. 2/1–10, D. 4; Brief an P8rez ]vila, CastaÇedo, 28. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703. 958 Zu diesem Kommentar der Dorfbewohner, vgl. Xos8 Ramon Paz Antjn: O PorriÇo, S. 187. 959 Falange PorriÇo an Camarada Jefe Provincial de Pontevedra, 11. September 1936, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158 (1937–1938).
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eine Woche nach diesem selbstgefälligen Lagebericht bat die Falange von Mondariz erstmals um Waffen, da die Verfolgung des gesuchten PSOE-Mitglieds Manuel Gonz#lez Fresco, »den wir fast in unseren Händen hatten«, wegen Mangel an Waffen missglückt sei.960 Drei Wochen später forderte nun auch die Falange von PorriÇo die Aushändigung von Waffen, da trotz militärischer Hilfe aus Vigo und Tui Fresco wieder nicht gefasst worden sei.961 In einem zweiten Brief wurde dann ein weiteres Mal um Waffen gebeten – erstens zur Verbesserung der Verfolgung, zweitens »zur Selbstverteidigung«. Der Grund für diese plötzliche Sorge war, dass nach der Erschießung zweier Anarchosyndikalisten einige an der Hinrichtung beteiligte Falangisten Drohungen erhalten hatten, wonach die Bergflüchtlinge planten, »Attentate« auf sie zu verüben. Darüber hinaus, so die Schilderung der Situation in dem Brief, seien die Bedingungen allgemein sehr schlecht, denn die Verfolgungsdienste hätte die Falange neben den herkömmlichen Wachdiensten innerhalb des Dorfes zu erledigen – »unter unerträglichen Verhältnissen« und »bei Tag und bei Nacht«.962 Manuel Gonz#lez Fresco, gegen den sich die Suchaktionen im Süden der Provinz Pontevedras primär richteten, war eine bekannte Persönlichkeit innerhalb der Region: Er stammte aus einer Familie mit Großgrundbesitz. 1903, im Alter von 17 Jahren, gewann er den Titel des galicischen Radfahr-Champions und feierte danach auch Erfolge als Sportschütze.963 Vom Ertrag seines Landes lebend engagierte er sich zudem politisch und gründete die PSOE in Puenteareas. Als ihn die Nachricht vom Militäraufstand erreichte, nahm er in Lavadores, einem Zentrum der organisierten Arbeiterschaft, an den wenige Stunden dauernden Barrikadenkämpfen teil und musste schließlich in die Berge fliehen, wie viele andere Gruppen aus der Region, die sich in den Gebirgszonen um Sampaio, Cande#n, Cabral, O Meixoeiro und Galleiro versteckten. Einer dieser Gruppen, die unabhängig von Gonz#lez Fresco agierte, gelang es im Herbst 1936 mit einem Aufsehen erregenden Trick überlebenswichtige Lebensmittel und Geld zu ergaunern: Die 20 bis 25 Mann teilten sich so auf, dass die eine Hälfte der Gruppe, als Falangisten verkleidet, die andere Hälfte, mit verbundenen Händen und Gefangene simulierend, durch Lavadores führte. In dieser Aufmachung betraten sie schließlich ein Lebensmittelgeschäft, wo sie 3000 Peseten, Essen, Trinken, 960 FE y de las JONS de Mondariz, ]lvarez, an den Jefe Povincial de FE Pontevedra, 18. September 1936, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158 (1937–1938). 961 FE PorriÇo an Jefe Provincial de FE, 10. Oktober 1936, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158 (1937–1938). 962 FE de Mondariz, ]lvarez, an Jefe Povincial de FE Pontevedra, 18. September 1936; FE PorriÇo an Camarada Jefe Provincial de Pontevedra, 10. Oktober 1936, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158 (1937–1938). 963 Xerardo Gonz#lez Martin: 120 aÇos de ciclismo gallego, Vigo 2007, S. 193; Victor Fern#ndez Freixanes: Manuel Gonz#lez Fresco. Memoria dun fuxido, 1980.
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Handschuhe und Nahtmaterial raubten und dabei einen echten Falangisten erschossen, der zufälligerweise in das Geschäft kam, um Zigaretten zu kaufen. Als Antwort auf diesen Coup intensivierten die Guardia Civil und die Falange den Verfolgungsdienst und führten zwei Wochen lang batidas im Raum Galleiro durch, was wiederum dazu führte, dass infolge dieser Suchaktionen Gonz#lez Fresco in den ersten Tagen des Jahres 1937 erschossen wurde.964 Die Guardia Civil, verantwortlich für seinen Tod, kolportierte anschließend, dass Fresco zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und einer seiner eigenen Kameraden ihn erschossen habe. Zudem ermordete die Falange in Fozara Manuel Groba Bugar&n, einen Mittelsmann Frescos, und zündete sein Haus an.965 Ein ähnliches Schicksal, der systematischen Verfolgung und abschließenden Ermordung, ereilte auch andere prominente Flüchtlinge, wie z. B. Benigno ]lvarez, Führer der Kommunistischen Partei aus Ourense.966 Aufgrund der potentiellen Bedrohungen durch die guerrilleros eskortierten Falange-Milizionäre wichtige Funktionäre der eigenen Partei sowie Militärs oder auch Politiker, wie den Zivilgouverneur von A CoruÇa.967 Gleichzeitig war die alarmierende Haltung der Falange gegenüber den Flüchtlingen mit ganz pragmatischen Motiven verknüpft. Die systematische Einschüchterung der Bevölkerung und die rhetorische Umkehrung von »Jägern« und »Gejagten« betrieben sie, um »Sicherheitsstandards« wie die Sperrstunde leichter durchsetzen zu können. Festnahmen von Flüchtlingen konnten dadurch umso eher als Erfolge dargestellt werden: Die Zeitungen berichteten regelmäßig von Gefangennahmen der »Banditen«, von deren Transport ins Gefängnis oder von deren Verurteilung und Hinrichtung.968 Auch die in den Gefechten Getöteten fanden in der Presse 964 965 966 967
Xos8 Ramon Paz Antjn: O PorriÇo, S. 168. Siehe dazu ausführlich ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 151–155. Xerardo Daseiras Valsa: Ver&n, S. 17. Der Falangist Jos8 Mendoza Vila eskortierte z. B. einen der wichtigsten Organisatoren der Milizen, den Kapitän der Guardia Civil, Victoriano Suances; vgl. Jos8 Mendoza Vila, Hoja de servicios, Jos8 Mendoza Vila, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.022, exp. 1006. Aber auch andere Falangisten eskortierten Militärs oder Funktionäre; vgl. Matias Gonz#lez Rodr&guez, Hoja de servicios, AGMAV, MN-JPC, Caja 5998 Exp.99; Luis Poncep Gonz#lez, Hoja de servicios, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.006, exp. 336; Jesus Lopez Villar, Hoja de servicios, AGMAV, MNJPC, Caja 6.046, exp. 2324. 968 »Kräfte der Guardia Civil und der faschistischen Milizen haben gestern unter der Führung des Kommandanten dieser Ortschaft […] eine batida in den Bergen von Capela, Fene, Mugardos und Ares durchgeführt und fünf Festnahmen gemacht«, De Puentedeume, in: La Voz de Galicia, 9. August 1936, S. 6. »Zu rühmen ist der Dienst, den in dieser Comandancia Militar, die Streitkräfte in Zusammenarbeit mit den faschistischen Milizen leisten. Täglich führen sie große batidas in den Bergen durch und machen Festnahmen.« Crjnica de Orense, in: La Voz de Galicia, 11. August 1936, S. 7. »Am Samstag sind zwei Schwadronen der Falange, begleitet von einigen Guardia Civil dieses Ortes und einigen carabineros, losgezogen, einen hervorragenden Dienst in den Gemeinden San Miguel, Andras und Corjn zu leisten. Sie sammeln Waffen ein, führen Festnahmen von bedeutsamen Extre-
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Erwähnung.969 Anders verhielt es sich mit den Tötungen, die nicht in das Raster des »offen ausgetragenen Kampfes« fielen. Aus den Korrespondenzen einiger Milizionäre ist ersichtlich, dass mancherorts – auch ohne dass es zum Gefecht kam – keine Gefangenen gemacht, sondern Gegner auf der Stelle hingerichtet wurden. In einem Brief vom 28. Oktober 1936 berichtet ein Ourenser JAP-Mitglied über eine mehrere Tage dauernde Verfolgungsjagd im asturischen CastaÇedo, durchgeführt von der eigenen Miliz, der Falange und der Guardia Civil: »Die batida hat zu keinem Resultat geführt, aber wenn wir sie kriegen, dann machen wir aus den Roten einen ›Russischen Salat‹. Am 24. hatten wir die Ehre, 8 Rote zu erschießen, unter ihnen eine Frau. Wir haben sie auf der Landstraße liegen gelassen.«970 Dass derlei Taten bei den Milizionären nicht nur Ehrgefühle hinterließen, zeigt der Brief eines weiteren Milizionärs über die Tötungen im Raum Robledo (Asturien), die auf besonders grausame Art vonstatten gingen, wahrscheinlich einfach, um Munition zu sparen oder »leise« zu töten und nicht durch Gewehrsalven auf sich aufmerksam zu machen: »Die Kompagnie hat genug davon, Rote zu töten. Eine Stunde lang haben sie die Roten mit Pistolenkolben erschlagen.«971
misten durch und machen eine batida in Soloveira, wo sich einige Extremisten aufhalten«, Importante servicio, in: El Faro de Vigo, 13. August 1936, S. 4. »In der Nacht des 9. haben Kräfte der Polizei und der Guardia Civil von Noya in Kooperation mit den Milizen des Munizips von Lousame eine batida in den Bergen von Vilaboa durchgeführt, weil sie verdächtigten, dass sich dort Gruppen kommunistischer Minenarbeiter in Schluchten und Weilern versteckten. Ihre Verfolgung erzielte ein positives Resultat.«, Noya, in: El Faro de Vigo, 15. August 1936, S. 4. 969 »In einer Berggegend um Vivero, folgt man den in dieser Stadt erhaltenen Nachrichten, hat eine Gruppe Falangisten einen bedeutenden Kommunisten getötet.«, Comunista muerto a tiros, in: La Voz de Galicia, 14. August 1936, S. 7. »Asturias — Die galicischen Truppen, die in Asturien operieren, setzen ihren Vormarsch auf Oviedo fort. Gestern haben die Roten einen Gegenangriff gestartet, ohne Erfolg. Wir haben drei Gefangene genommen, mit Waffen und Munition, und zwei Maschinengewehre, die der Feind auf der Flucht liegengelassen hat. Die Truppen an der Front von Somosierra kümmerten sich darum, die gewonnenen Stellungen zu halten und Säuberungsarbeiten in den nahe gelegenen Wäldern durchzuführen, wohin der Feind geflüchtet ist. In dieser Operation wurden vier der Feinde getötet«, Consolidacijn y limpieza en Asturias, in: La Voz de Galicia, 20. September 1936, S. 3. 970 »Russischer Salat« ist eine traditionelle spanische Speise aus klein geschnittenen Gemüseund Kartoffelstücken. Die Erwähnung dient hier als Anspielung auf den aus Sicht der Milizen zu großen politischen Einfluss Russlands und darauf, aus den Gegnern »Kleingehacktes« machen zu wollen. Brief an P8rez ]vila, CastaÇedo, 28. Oktober 1936, AHPOU, Caja 14703. 971 Manuel Fern#ndez an Jos8 P8rez ]vila, aus Loma de Robledo, 24. November 1936, AHPOU, Caja 14703.
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Spontane Gewaltausbrüche Es war üblich, während der ersten Kriegsmonate nach der Besetzung von Stellungen und Dörfern durch das Abhalten von Festakten deutlich zu machen, dass die Militärerhebung bald ganz Spanien erobert haben werde. Diese strikt durchgeplante, von der sich neu formierenden Staatsgewalt implementierte Art, Feste zu feiern, verfolgte vorwiegend propagandistische Ziele. Demgegenüber standen die Festivitäten einzelner Falange-Gruppen, die sich losgelöst vom Truppenverband abspielten. Insbesondere in Gebieten der retaguardia genossen falangistische Milizionäre jede Menge Freizeit. Abgesehen von der Teilnahme an offiziellen Akten und dem Ableisten der Dienste an Landstraßen und in Gefängnissen kamen ihnen hier kaum Pflichten zu. Eine Kontrolle über ihr Handeln konnte in diesen Gegenden, in denen es wenige bis gar keine militärischen Vorgesetzten gab, eigentlich nur durch die Vorgesetzten der eigenen Bewegung erfolgen. Und in den frisch rekrutierten Falange-Gruppen herrschten flache Hierarchien, die nicht über einen längeren Zeitraum gewachsen waren, sondern sich vorwiegend in Ad-Hoc-Verfahren etabliert hatten. Dass vermeintliche Kriegskameraden manchmal wenig für die in der Parteirhetorik so hochgehaltene Disziplin übrig hatten, fasst der Falangist Constantino Alvarellos Cereijo Anfang 1937 in einer Beschwerde an seinen Vorgesetzten so zusammen: »Sie haben weder an den Festumzügen teilgenommen, um unsere gloriosesten Waffengänge zu feiern, noch besitzen sie überhaupt eine Uniform.«972 Der Zerstörung des Gewaltmonopols republikanischer Institutionen folgte eine Phase völlig ungeklärter Machtverhältnisse, eine Mischung aus militärischer Disziplin und relativer Rechtsfreiheit, in der die Zuständigkeiten im Lager der Aufständischen erst ausgehandelt werden mussten, so dass diejenigen, die sich bereichern oder anderen Schaden zufügen wollten, kaum juristische Grenzen vorfanden. Nur durch diese offene juristische Lage des Spätsommers 1936 konnte es beispielsweise zu »Spritztouren«, wie der oben bereits erwähnten kommen, die vier Valladolider Falangisten von Madrid aus unternahmen – mit dem Auto durch halb Spanien bis nach A CoruÇa. Mehrfach publizierte die Falange-Führung Anweisungen, wonach jede Falange-Gruppe Rechenschaft über Ziel und Sinn einer Autofahrt ablegen müsse. Es standen nicht viele Automobile zur Verfügung, und Benzin war knapp, weshalb Falangisten von der eigenen Partei ausgestellte Scheine mit Benzinkontingenten erhielten, über deren Verbindlichkeit sich die Milizionäre jedoch oft hinwegsetzten.973 Fast täglich wurde in 972 Constantino Alvarellos Cereijo an Teniente coronel Jefe de Milicias de A CoruÇa, 12. Januar 1937 AGMAV, MN-JPC, caja 6.019, exp. 885. 973 »Der Fahrer von Gaceo hat eine sehr hässliche Sache gemacht. Weil ich von der Führung den
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den Zeitungen von Autounfällen berichtet. Dass der Alkoholkonsum einen entscheidenden Teil zu den Unfällen beitrug, ist wahrscheinlich. Saufgelage spielten in der Freizeit der Falangisten eine große Rolle, wie überhaupt der Alkohol den Alltag nach Kriegsausbruch allgegenwärtig prägte. Wegen seiner berauschenden oder auch betäubenden Wirkung wurde Alkohol vor dem Waffendienst an Milizionäre ausgeschenkt oder auch zur Belohnung nach der Ableistung von Nachtdiensten.974 Gewalttätige Zwischenfälle konnten die Konsequenz des Konsums sein.975 Charakteristisch war für das Feiern einzelner Falange-Gruppen, dass es den offiziellen von Disziplin und Ordnung geprägten Veranstaltungen, bei denen es vor allem auf die Choreographie des Milizverbandes ankam, diametral entgegensetzt war. An die Stelle der in der Partei-Propaganda hoch gehaltenen Askese rückte ein kleinkollektives Über-die-Stränge-Schlagen. Der Übergang vom Fest zur Repression verlief fließend. Ein Besäufnis konnte in einem Gewaltakt enden und umgekehrt, was selbst in den falangistischen Reihen manchmal nicht gern gesehen, aber zumeist, und darauf kam es an, akzeptiert wurde. Trotz der vermeintlichen Privatheit stellte Falangist-Sein auch außerhalb des offiziellen Symbol- und Ritualsystems, den zentralen Referenzrahmen der Milizionäre dar, gerade wenn es darum ging, die eigene Machtposition gegenüber Zivilisten zu demonstrieren. In den nördlichen Regionen der retaguardia, die von Anfang an unter der Hoheit der aufständischen Militärs standen, in Galicien, Teilen Kastilien-Lejns und Teilen Asturiens, nahm die gewalttätige Festkultur dadurch repetitiven Charakter an. Insbesondere Feste nach Kriegseroberungen in anderen Gebieten Spaniens führten zur Wiederholung von Gewalttaten gegen bereits Besiegte (vencidos), wie nach den Einnahmen Toledos im September 1936 und M#lagas im Februar 1937. Das Voranschreiten der aufständischen Truppen veranlasste die Kameraden und ihre Verbündeten im Hinterland zu ausgelassenen Feiern. Den politischen Gegner erniedrigten sie dadurch abermals, sowohl symbolisch als auch körperlich. Der Zivilgouverneur von A CoruÇa erhielt Anfang Oktober 1936 aus CaAuftrag habe, keinen Tropfen Benzin ungerechtfertigterweise zu verbrauchen, begrenze ich die Zahl der Scheine. Er aber erbat vom Zuständigen für die Autos einen Schein für fünf Liter, fälschte diesen auf 50 Liter und benutzte diesen von da an.« Brief Falange EspaÇola Lucio Arrieta an Manuel [?], San Sebasti#n, 14. Oktober 1936, AGA, (8)17.02, c.51/18946, cp. San Sebasti#n. 974 Alfonso Santos Alfonso: La sublevacijn, S. 196. 975 In Arbo (Pontevedra) randalierte am 12. Oktober 1936 ein Falangist in einer Bar und bedrohte einen Kameraden. Zuvor war er wegen Alkoholmissbrauchs bereits vom Dienst in der Bandera Legionaria suspendiert worden. Noch im Falange-Büro, wohin er zitiert wurde, randalierte er weiter. Vgl. El Jefe local FE de Arbo an Jefe local FE Vigo, Bouzas, 12. November 1936, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 159.
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mariÇas (A CoruÇa) einen Beschwerdebrief über den Zustand mehrerer Dörfer der Küstenregion und über das Verhalten der Falangisten in diesen. Dort komme es regelmäßig zu Saufgelagen, die generell in »wenig erbaulicher Promiskuität« endeten. »Falangistinnen und Falangisten« würden, genauso wie der subdelegado, einen »bemitleidenswerten Zustand des Betrunken-Seins« erreichen, so z. B. während der Feierlichkeiten zur Einnahme Toledos und der Ernennung General Francos zum Staatschef. Der Generalissimo und die »Helden des Alc#zar« hätten mehr Respekt verdient als »Grund für zweifelhafte Feierlichkeiten zu sein«.976 Der Hintergrund der Beschwerde war folgender : Nach Kriegsbeginn hatten sich in der Festung des Alc#zar von Toledo (Kastilien-La Mancha) rund 1500 Soldaten, Guardia Civil und Falangisten mit ihren Frauen und Kindern sowie mit 100 republikanischen Geiseln verschanzt und waren erst nach der Einnahme der Stadt durch das Ej8rcito del Sur befreit worden. Schnell stilisierten die Aufständischen die »Befreiung des Alc#zars« zu einem Kriegsmythos.977 Die Medien erklärten diejenigen Soldaten, die bis zur Befreiung in der Festung ausgeharrt hatten, kurzerhand zu Helden. Überall in der von den Aufständischen besetzten Zone kam es nach der Einnahme des Alc#zar zu Feierlichkeiten, so, wie dem Brief zu entnehmen ist, auch in CamariÇas.978 Die »Helden des Alc#zar«, so der Beschwerdebrief weiter, hätten mehr Respekt verdient, als ihnen durch die ausgelassenen Feste der Falange zuteilwerde: Könnte das Rathaus das Geld, das man – die toten und verletzten Soldaten verhöhnend – jetzt für Musik und Feuerwerke ausgibt, nicht für patriotischere Zwecke verwenden? Könnte er [der Bürgermeister] [uns] sagen, wer das Benzin etc. für den konfiszierten Lastwagen bezahlt, mit dem die Gruppen durch die Gegend und zum Leuchtturm fahren, um dort ihre Orgien zu feiern? […] Mit einem Ehepaar, dem von einem Trupp die Köpfe geschoren wurden und das zum Fegen eines öffentlichen Platzes verurteilt wurde, haben sie die Grausamkeit begangen, es glauben zu lassen, dass beide getötet
976 Sofia Rivas an Zivilgouverneuer A CoruÇa, CamariÇas, 6. Oktober 1936, ARG, 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937–1938). 977 Zum Vorgang der Besetzung des Alc#zars, siehe Antony Beevor : Der Spanische Bürgerkrieg, S. 161. Für die propagandistische Bedeutung der Alc#zar-Eroberung, siehe Walther L. Bernecker, Sören Brinkmann: Kampf der Erinnerungen: der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936–2006, Nettersheim 2006, S. 196–203. 978 »Aufgrund des großen und erwarteten Ereignisses der Befreiung des Alc#zar von Toledo durch die Truppen der Rettungsarmee von Spanien, paradierte eine patriotische Versammlung durch die Hauptstraßen und zentralen Stadteile von Noya, zusammengesetzt aus mindestens 10.000 Personen.«; vgl. Manifestacijn patrijtica, in: El Faro de Vigo, 1. Oktober 1936, S. 4. Zur Feier für die Einnahme Toledos in Ver&n (Ourense) siehe Xerardo Daseiras Valsa: Ver&n, S. 26.
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würden. Sie trugen ihnen auf, ihr Testament zu schreiben; und all das diente der Belustigung der Falangisten[…].979
Die an dieser Stelle geäußerte Kritik wurde also aus einer konservativen Perspektive geäußert. Der militärische Angriff auf die Republik wurde darin durchaus gut geheißen, die Aktionen der Falangisten hingegen als moralisch verwerflich eingestuft. Umso mehr Bedeutung kommt diesem Beschwerdebrief über die Erniedrigung eines Ehepaares zu, wenn betrachtet wird, wie der Zivilgouverneur auf das Schreiben reagierte. Denn mehr als die hier geschilderten Zustände, die er offensichtlich für eine Beiläufigkeit hielt, interessierte ihn die vermeintliche Autorin des Briefes, Sofia Rivas, eine, laut Schreiben, religiöse Lehrerin aus CamariÇas. Zur Untersuchung der Lage schickte der Gouverneur deshalb aus Corcubijn (A CoruÇa) einen Leutnant in das Dorf. Diesem gegenüber leugnete Sofia Rivas, den Brief verfasst zu haben, woraufhin ihr eine Schriftprobe abgenommen wurde, die diese Aussage stützte. Trotz umfassender Nachforschungen im Dorf, so das Informationsschreiben des Leutnants an den Zivilgouverneur, sei es unmöglich den Autoren des Briefes zu bestimmen. Dennoch, räumte der Leutnant ein, sei es nach der Eroberung Toledos in sämtlichen umliegenden Dörfern zu Festakten gekommen, die bis zum Morgengrauen andauerten. Dabei habe es Feuerwerke, Festumzüge und Tänze gegeben. Richtig sei ebenso, dass diejenigen Falangisten, die Nachtwache an der Landstraße hielten, einem Tagelöhner, den sie nachts beim illegalen Maisdreschen erwischten, für mehrere Tage zum Fegen des Dorfplatzes abgestellt hätten, anstelle ihn auf die Wache zu bringen. Unwahr sei allerdings, dass einem Ehepaar das Schreiben seines Testamentes aufgebürdet worden sei. Mit dem Verweis darauf, dass die örtlichen Autoritäten treu ihren Dienst zur Verteidigung des Vaterlandes und der öffentlichen Ordnung leisteten, war die Sache für den Leutnant erledigt.980 Anfang 1937 ging aus PorriÇo (Pontevedra) eine ganz ähnliche Beschwerde bei Jesus Suevos ein, der mittlerweile das Amt des Provinzführers von Pontevedra bekleidete. Das Auffällige an der Beschwerde, die ihm gegenüber geäußert wurde, war, dass es die örtliche Falange-Abteilung war, die Anklage erhob. Auch nach der Eroberung M#lagas durch Francos Truppen hatten vielerorts in Galicien und Asturien Festakte stattgefunden, die nach dem herkömmlichen Muster verliefen: Nationalflaggen wurden an sämtlichen Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden aufgehängt. Die flechas und die SF organisierten Aufmärsche und 979 Sofia Rivas an Zivilgouverneuer A CoruÇa, CamariÇas, 6. Oktober 1936. 980 El Capitan Delegado an Zivilgouverneuer A CoruÇa, CamariÇas, 23. Oktober 1936, ARG, 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937– 1938).
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sangen gemeinsam Falange-Lieder.981 Auch in PorriÇo habe es, so der Bericht der örtlichen Falange, nach der Einnahme M#lagas vom 8. Februar 1937 einen solchen offiziellen Festakt gegeben, der gegen Mitternacht zu Ende gewesen sei. Eine Gruppe Falangisten habe sich jedoch in einer Bar bis 4 Uhr morgens betrunken und dazu »ungeordnet auf Trommeln gespielt«. Selbst nach einer Abmahnung hätten die Falangisten ihre Ruhestörungen fortgesetzt. Die örtliche Falange forderte nun von Suevos, dass die beiden Störenfriede, Nicanor Miranda Rodr&guez und Juan Francisco Quintas Garrido, Sekretär und Interims-Milizführer, suspendiert würden. Als Vergehen unterstellte die lokale Falange-Führung den beiden Kameraden »Undiszipliniertheit« sowie – und dies war der eigentliche Beweggrund für den Brief – »andere hässliche Taten, mit denen sie sich seit einiger Zeit rühmen«.982 Diese Verklausulierung von Gewalttaten als »hässliche Taten« oder »Vorfälle« taucht mehrfach in der Falange-Rhetorik der ersten Kriegsmonate auf. In dem zitierten Beispiel waren zwei Falangisten mit ihrem Verhalten offenbar so weit gegangen, dass ihre eigenen Kameraden den Provinzführer anschrieben, damit dieser sie bestrafe. Ein weiterer Fall, bei dem sich aber nicht nur die eigenen Kameraden, sondern auch der Bürgermeister und die Guardia Civil gegen einen Falangisten aus der Führungsebene wendeten, ist aus Puentes (Lugo) bekannt. Der dortige Leitende der Falange, Narciso Corral Ocampo, bedrohte nach Aussage des Bürgermeisters mehrfach Bewohner des Dorfes und sagte, er werde ihnen die Köpfe abschneiden oder sie deportieren lassen.983 Dem Bericht der Guardia Civil zufolge verteilte Corral Ocampo willkürlich Strafzahlungen, betrieb illegale Waffenverkäufe »und überall, wo er sich aufhielt, konnte er nur herausfordernd von sich geben, er muss eigentlich noch mindestens 10 bis 12 Leute töten lassen«.984 Die Guardia Civil stufte Ocampo dementsprechend ein, »unausgeglichen, wegen seines exaltierten Temperaments und gefährlich im Umgang mit Waffen […], er verheiratete sich mit einer Frau aus dem Landkreis Ortigueira, die er regelmäßig missbraucht.«985 Infolge der Beschwerden über Ocampo wurde dieser vom Dienst suspendiert und inhaftiert. Schließlich ließ die Partei ihn als Soldat an die Asturienfront ziehen. 981 Manifestacijn con motivo de la toma de M#laga, in: La Nueva EspaÇa, 14. Februar 1937, S. 10. 982 Falange PorriÇo an Jefe Provincial de FE Pontevedra Jesus Suevos, 10. Februar 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158. 983 Alcalde de Puentes Garcia Rodr&guez, Brief vom 3. Februar 1937 zit. in: Gobernador Civil an Teniente Coronel Jefe de las milicias Armadas de esta provincia, 8. Februar 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.046, exp. 2340. 984 Guardia Civil an Teniente Coronel jefe de las milicias de la Provincia, 21. Februar 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.046, exp. 2340. 985 El jefe de Orden Publico, Angel Ramos an Zivilgouverneuer A CoruÇa den, 26. Februar 1937, ARG, Administracijn local, 32.376, 2697 (Laracha-Ordenes).
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Dass Abmahnungen manchmal keinerlei Folgen hatten oder aufgrund von innerparteilichen Seilschaften geringere Strafen als eigentlich vorgesehen nach sich zogen, zeigt ein Brief von Carlos Montero D&az, Falangist der ersten Stunde und Führer der mit Kriegsbeginn stark gewachsenen CONS in A CoruÇa. Der Brief ist an Francisco Bravo gerichtet, und es handelt sich dabei um ein Bittschreiben auf Strafmilderung. Montero D&az verfasste das Schreiben im Gefängnis, wo er wegen einiger »kleiner Zwischenfälle« saß, die so klein nicht gewesen sein konnten, da das Strafmaß für ihn und weitere Kameraden zwei Monate Arrest lautete – und das zu einem Zeitpunkt, an dem vielerorts Mord an Andersdenkenden billigend in Kauf genommen wurde. Montero erläutert in dem Brief, dass der Grund für die »Vorfälle« in seiner heiklen psychologischen und körperlichen Verfassung zu suchen sei. Seine Mutter sei krank, sein Bruder, Santiago Montero D&az, wahrscheinlich in Madrid getötet worden. Außerdem sei er an jenem »Tag des Vorfalls«, dem 26. Februar 1937, nach einem Essen mit einigen Kameraden aus Vigo etwas »beschwipst« gewesen, was von Antonio Canalejo bestätigt werden könne. Zudem möchte er hervorheben, dass er sich von Anfang an für die Falange verdient gemacht habe. Er habe schon zu Zeiten der Republik im Gefängnis gesessen. Ab dem 23. Juli 1936 habe er in La CoruÇa den Aufbau der CONS vorangetrieben. Aus genannten Gründen bitte er darum, dass Bravo sich für eine Herabsetzung der Gefängnisstrafe auf 15 Tage einsetze.986 Das Antwortschreiben erstellte Francisco Bravo noch am selben Tag. Das Strafmaß werde gemildert, jedoch ohne, dass die Herabsetzung eine Entschuldigung des Vergehens darstelle.987 Aufgrund der ungeklärten juristischen Verhältnisse in den schnell nach dem 18. Juli 1936 eroberten Gebieten, hatten Falangisten, »Althemden« wie »Neuhemden«, große rechtliche Spielräume, Straftaten nahezu sanktionsfrei begehen zu können. Hatten Festivitäten eigentlich einen offiziellen Charakter und dienten der regelmäßigen Inszenierung des Enthusiasmus für die »nationale Bewegung« und damit für den »Neuen Staat«, waren für einzelne Falangisten persönliche Racheakte und das Sich-Vergehen an »Besiegten« integraler Bestandteil von Feierlichkeiten. Die Eindämmung solcher Exzesse oblag vielerorts der Falange selbst. Je nachdem, wie schädlich solche Vergehen im Einzelfall für die Partei waren, wurden sie mehr oder weniger hart bestraft.
986 Carlos Montero D&az an Francisco Bravo 11. März 1937, AGMAV, MN-JPC Caja 6.019, exp. 890. 987 Francisco Bravo an Carlos Montero D&az, 11. März 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.019, exp. 890.
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Konfiskationen, Lebensmittelrationierungen und der Beginn der Zwangsarbeit Auf die Machtübernahme durch die Aufständischen folgte nicht nur die »Säuberung« von Dörfern und Städten, sondern ebenfalls die rasche Organisation der Kriegswirtschaft. Zwangsabgaben von Geld und Schmuck, aber auch von Nähmaschinen oder gar Autos standen auf der Tagesordnung, genauso wie die Einteilung zu Sonderschichten in Fabriken, Geschäften und Apotheken.988 Anfang 1937 warb die Falange in der Partei-Zeitung La Nueva EspaÇa für ihre gut funktionierenden CoruÇeser Nähwerkstätten, in denen tausende Frauen seit den ersten Kriegstagen Kleidung herstellten. Die Frauen arbeiteten dort angeblich in einer regelmäßigen Schichtzeit »von 9.30 bis 13.30 Uhr und 15.30 bis 18.30 Uhr«, bei einer zweistündigen Mittagspause. Allerdings, so einer der zynischen Kommentare zu den Arbeitsbedingungen, ergreife ein »überschäumender Enthusiasmus« ganze Familien und sorge dafür, dass »[…] Arbeiten, die in 8 bis 10 Tagen abgeliefert werden sollen, bereits innerhalb von 24 Stunden fertig sind.«989 Dass die Falange-Führung die freiwillige Teilnahme der Arbeiterinnen an Sonderschichten voraussetzte, zeigt ein Aufruf zur Konfektionierung von Militärkleidung aus La Voz de Galicia vom Dezember 1936, in dem es heißt, dass keiner daran zweifle, dass die Arbeiterinnen »sehr gerne« am Samstag Nachmittag ihren Arbeitsplatz verlassen würden, um den Rest des Tages auf das Nähen von Mänteln und Umhängen für die »glorreiche Armee« zu verwenden.990 Diese kaum unterschwellige Zwangspolitik verbanden die neuen Machthaber mit einer ihnen eigenen Wohlfahrtsrhetorik. Gerade nach der flächendeckenden Einführung der Essenssäle (comedores) hob die Falange ihren vermeintlichen sozialen Charakter hervor, da Kinder, »von welcher Seite sie auch immer stammen«, in den comedores mit Lebensmitteln versorgt würden.991 Unzweifelhaft ist – und die Bezeichnung »von welcher Seite sie auch immer stammen« ist der falangistische Jargon dafür –, dass auf Hilfsdienste insbesondere Waisen und Witwen von Hingerichteten angewiesen waren. Doch waren es gerade diese Bedürftigen, die wegen der politischen Einstellung ihrer Eltern oder Ehemänner »von der anderen Seite« sozial geächtet wurden, so dass Hilfeleistungen, die offiziell für alle zugänglich sein sollten, in der Praxis kaum ihr Ziel erreichten. In PorriÇo (Pontevedra) wurde denjenigen Frauen, die zuvor dem Frente antifa988 Obras de beneficiencia, in: La Voz de Galicia, 4. November 1936, S. 1; De Sol a sol, in: La Voz de Galicia, 6. Dezember 1936, S. 4. 989 En los tallers, in: La Nueva EspaÇa, 18. Januar 1937, S. 6. De Sol a sol, in: La Voz de Galicia, 6. Dezember 1936, S. 5. 990 Llamamiento a los operarios de ambos sexos del ramo de la aguja, in: La Voz de Galicia, 8. Dezember 1936, S. 2. 991 Falange y su actuacion, in: La Voz de Galicia, 9. Dezember 1936, S. 3.
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scista de mujeres de PorriÇo angehört hatten, bei der Essensausgabe das Brot rationiert.992 Ein Falangist aus Vigo, der den »ideologiefreien Charakter« der Falange betont wissen wollte, beschwerte sich bei der Falange in Cangas (Pontevedra) darüber, dass die Leiterin des dortigen comedores den Kindern eines getöteten »Roten« die Essensausgabe verweigerte, »[…] weil die Roten ihnen schon zu essen geben würden«.993 Dieser sozialen und psychologischen Gewalt konnten sich Familienangehörige von Gefangenen oder Getöteten nur schwer entziehen. Allenfalls bot ihnen die Einbindung in die Arbeitsdienste oder der freiwillige Eintritt in eine Falange-Körperschaft Chancen, sich gegenüber den Aufständischen politisch zu rehabilitieren. Hervorzuheben ist, dass es sich bei der falangistischen Arbeitspolitik nicht nur um eine informelle Ausübung von Druck handelte, die die Betroffenen zur Arbeit bewegen sollte. Tatsächlich gab es offizielle Vorgaben zur Organisation der Zwangsarbeit, die bereits im Herbst 1936 verfolgt wurden, das heißt, lange Zeit bevor die Aufständischen mit Ende des zweiten Kriegsjahres in Arbeits- und Konzentrationslagern die Zwangsarbeit systematisierten. Schon Javier Rodrigo hat in der bislang umfassendsten wissenschaftlichen Arbeit über die Konzentrationslager im Spanien der 1930er und 1940er Jahre bezüglich der Funktionsweise der Konzentrationslager eingeräumt, dass nicht etwa die Phase der unmittelbaren Nachkriegszeit die tatsächlich rätselhafte sei, sondern viel eher die Phase vom Juli 1936 bis zum Februar 1937.994 Rodrigo erwähnt in Bezug auf Galicien, dass es in Cedeira (Pontevedra) schon im Herbst 1936 ein erstes Lager gegeben habe, am Strand situiert und mit äußerst defizitären hygienischen und sanitären Konditionen.995 Zwei Beschwerdebriefe eines Bewohners des Dorfes Ares (A CoruÇa) an den Zivilgouverneur der Provinz A CoruÇa sowie die Antwort eines Guardia Civil auf die beiden Beschwerden geben Aufschluss darüber, dass auch in A CoruÇa offizielle Zwangsarbeit, wenn auch außerhalb eines Lagers, ab einem sehr frühen Stadium des Bürgerkrieges bereits üblich war, und zwar unter der Bezeichnung »persönliche Hilfeleistung« (colaboracijn personal). Für das Dorf Ares hieß das: Von jeder bei den neuen Befehlshabern in Ungnade gefallenen Familie hatte je ein Mitglied bei Straßenarbeiten, in der Fischerei oder bei der Ernte zu helfen und wurde dabei von den Milizen überwacht.996 Nach Alter oder Geschlecht 992 Xos8 Ramon Paz Antjn: O PorriÇo, S. 215. 993 Jefatura Vigo an die jefatura local de Cangas, 31. März 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 159. 994 Javier Rodrigo, Cautivos. Campos de concentraijn en la EspaÇa franquista, 1936–1947, Barcelona 2005, S. 8. 995 Ebenda, S. 22. 996 El primer jefe Guardia Civil an Zivilgouverneur A CoruÇa, Ares, 12. Dezember 1936, in: ARG, 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias
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wurde bei der Einteilung für diese Zwangsdienste nicht unterschieden, weshalb Pedro S#nchez Blas, selbst Falangist, in seinem Brief vom 25. November 1936 gegenüber dem Zivilgouverneur nicht nur beklagt, dass zu viele »Linke« in die Falange aufgenommen würden, sondern auch, dass das Zwangsarbeitssystems äußerst ungerecht sei: »Die Wege des Bezirks werden durch persönliche Hilfeleistungen ausgebessert, was mit notorischer Ungerechtigkeit gemacht wird […], man hat Menschen hohen Alters dazu gezwungen. Und vor Kurzem ist ein Greis, der krank war, infolge einer Erkältung gestorben, die er sich zugezogen hat, als er bei Regen auf den Wegen gearbeitet hat.«997 Zwar entsandte der Zivilgouverneur auf diese Anklage hin einen Guardia Civil zur Untersuchung des Vorfalls. Da diese Untersuchung, Pedro S#nchez Blas zufolge, aber unbefriedigend verlief, wendete er sich ein zweites Mal an den Zivilgouverneur : »Am 7. des aktuellen Monats ist die Guardia Civil in diese Gemeinde gekommen, um Gutachten über die Anzeige zu erstellen, die ich Ihnen gegenüber formuliert hatte. Diese besagten Gutachten wurden aber nur von intimen Bekannten der Angeklagten eingeholt, von denen einige sogar bei Beginn der Gloriosen Bewegung ihren Posten verlassen hatten. Daraufhin bin ich (als Truppenführer einer Schwadron, der ich war) zum lokalen Führer der Falange gerufen worden, wo ich kaum habe sprechen können, wegen der permanenten Drohungen des Falange-Führers von Pontedeume, der mir jegliches Recht absprach, mich als Bürger an Sie zu wenden.«998 Eine Woche nach dieser zweiten Beschwerde, am 12. Dezember 1936, ging beim Zivilgouverneur der Bericht des mit der Untersuchung betrauten Guardia Civil ein. Dort wird wie folgt auf die Anklage eingegangen: »Was die Ausbesserungsarbeiten an den Wegen durch persönliche Hilfeleistungen betrifft, so habe ich beobachten können, dass diese regulär vorangetrieben werden, wie in anderen Ortschaften auch […], es kann mal der Fall gewesen sein, dass an irgendeinem Tag – damit die Jüngeren sich um die Arbeit auf dem Feld und um den Fischfang kümmern – ein alter Mann eingesetzt wurde und gestorben ist, aber nicht wegen der Erschöpfung durch die Arbeit, wie es auch ein ärztliches Gutachten belegt, was ja aber in der Anzeige [von S#nchez Blas] so angedeutet wird.«999 Im Folgenden wird diese Anzeige des Falangisten in eine Anzeige gegen de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/ 1937–1938). 997 Pedro S#nchez Blas an Zivilgouverneur A CoruÇa, 25. November 1936, in: ARG, 32.467/ 2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937–1938). 998 Pedro S#nchez Blas an Zivilgouverneur A CoruÇa, 2. Dezember 1936, in: ARG, 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937–1938). 999 El primer jefe Guardia Civil an Zivilgouverneur A CoruÇa, 12. Dezember 1936, in: ARG, 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de
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ihn selbst umgekehrt: S#nchez Blas, heißt es in dem Schreiben des Guardia Civil, sei selber Mitglied der Milizen und »hat einfach ein zu großes Bedürfnis herumzukommandieren und sich in den Milizen hervorzutun.«1000 Der Terminus »persönliche Hilfeleistung« seitens der »Landarbeiter« fand gleichfalls Verwendung in Bezug auf die Arbeiten im Raum Lavacolla (A CoruÇa), wo der Grundstein für den Flughafen der Stadt Santiago de Compostela gelegt wurde. Es ist bekannt, dass dort für den Bau der Piste bis in die Nachkriegszeit ein Arbeitslager existierte. Doch begann der Einsatz der Arbeiter im Flughafenbau bereits im Herbst 1936.1001 Traf die oft von Willkür getragene Entscheidung, Menschen zum Arbeitsdienst abzustellen aber nur Arbeiter? Im selben Stile wie der Falangist Pedro S#nchez Blas beklagten sich einige Bewohner des Dorfes Boiro über die Aufnahme »eindeutig Linker« in die Reihen der Milizen sowie über die »grenzenlose Verfolgung sämtlicher rechter Elemente«. Vor allem aber beschwerten die Bewohner sich über die angebliche Willkür des Bürgermeisters Guillermo Torrado Jaudenes, der kazikil und despotisch sei und der »mehrere herausragende Personen der Rechten« gezwungen habe, an einer Landstraße zu arbeiten, die er bis zu seinem Haus in Abanqueiro baute, »wobei Fincas zerstört wurden, ohne die Zustimmung ihrer Besitzer.« Zu den Arbeiten habe er »Über-60-Jährige und chronisch Kranke« abgestellt und »mit Genugtuung ihren traurigen und miserablen Zustand« beobachtet.1002 Die infolge dieser Beschwerde vom Zivilgouverneur eingeleitete Untersuchung ähnelt derjenigen aus Ares und ist charakteristisch für die generelle Behandlung von Beschwerden seitens der neuen Behörden. Auch in Boiro holte der Zivilgouverneur Gutachten ein. Er ließ diejenigen Personen befragen, die in der Verwaltung als repräsentative Figuren des »Neuen Spaniens« betrachtet wurden: Den Pfarrer, einen Anwalt, einen Arbeiter und den Vorsitzenden der örtlichen Falange. Letzterer, der Medizinstudent Jos8 PiÇeiro Romero, schreibt in seinem Gutachten, er sei erst vor Kurzem nach Boiro versetzt worden und habe bis dato keine Unregelmäßigkeiten feststellen können. Da auch die anderen drei Befragten diese Einschätzung teilten, vermerkte der mit der Untersuchung betraute Beamte: »Der Zuständige erklärt: Diese Anzeige ist, wie viele andere auch, eine Anzeige, deren Gründe äußerst persönlicher Natur sind. Und da den gemachten Erklärungen nur zu entnehmen ist, dass es sich bei den heutigen Autoritäten um cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937– 1938). 1000 Ebenda. 1001 El aeropuerto compostela, in: La voz de Galicia, 21. November 1936, S. 5. 1002 Juan Ferreiros Martinez, Jos8 Lojo, Serafin Fern#ndez, Jos8 Paz Vallo, Ricardo Calafat, u. a., an Zivilgouverneur A CoruÇa, 22. Januar 1937, Boiro, in: ARG, 32.548,2869, Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos, Abegondo-Corcubion.
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gute Autoritäten handelt, scheint es so, dass diese, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, im Amt bleiben sollten.«1003
Der Schützengrabenkrieg Galicische Falangisten zogen in den Tagen nach dem 18. Juli 1936 nur sporadisch und wenn, dann losgelöst von den parteieigenen Kampfeinheiten, in Richtung Frontlinie. Einige Falange-Milizionäre führten mit den Caballeros de A CoruÇa drei Postsendungen in die Nachbarregion Asturien durch, an die geographisch nächstliegende Front.1004 Andere leisteten Dienste auf Schiffen.1005 Das konnte, wie im Falle eines Einsatzes auf der Almirante Cervera, ebenfalls den Einsatz an der Front bedeuten, da dieser Kreuzer bei Kriegsbeginn im Hafen von Ferrol lag und im Herbst 1936 zur unterstützenden Bombardierung von Angriffszielen an der asturischen und kantabrischen Küste eingesetzt wurde.1006 Eine erste falangistische Truppeninitiative war diejenige des aus Rivadavia (Ourense) stammenden Falangisten Silvio Viso Justo, der, ohne militärische Instruktionen abzuwarten, mit einer Hundertschaft der Falange aus Ribeiro nach Asturien aufbrach, wo er noch im Herbst 1936 starb.1007 Eine weitere falangistische Hundertschaft wurde von Jos8 Viador Traseira als Teil der Bandera Legionaria de Lugo gegründet. Vereinzelt gliederten sich Falangisten im Juli 1936 aber auch in Heeresgruppen ein. Falangisten, die auf diese Weise agierten, sahen im Gegensatz zu der Mehrzahl ihrer Kameraden in der Parteivorgabe Jos8 Antonio Primo de Riveras, wonach die Falange-Einheiten möglichst eigenständig handeln sollten, kein offizielles Verbot für den Gang an die Front. Sie interpretierten die Richtlinie des Parteiführers schlichtweg anders und glaubten, auch innerhalb des Heeres eine falangistische Identität wahren zu können. Dass gerade die »Althemden«, die als Bestandteil der Armee den Krieg begannen, ein schlechtes Gewissen gegenüber den anderen Kameraden hatten, zeigt ein Brief der drei in Villablino (Lejn) stationierten CoruÇeser Jos8 Gonz#lez Varela, Juan Jos8 S#ez und Julio Esteban Villegas. Sie hätten, so ihre Rechtfertigung gegenüber dem 1003 Perfecto Ruiz Rubin an Zivilgouverneur A CoruÇa, Noya/Boiro 22. Februar 1937, in: Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos, Abegondo-Corcubion, G-2869, Legajo 32.548/2869. 1004 Aurora Artiaga: Todo por EspaÇa y EspaÇa para Dios, S. 24. 1005 Hoja de servico, AGMAV, MN-JPC, Caja 5996, Exp 31; Caja 6.025, exp. 1129; Caja 6.028, exp. 1277; Caja 6.028, exp. 1279; Caja 6.030, exp. 1434; Caja 6.041, exp. 1972. 1006 Manuel P8rez Cata, Eidesstaatliche Versicherung, 16. März 1967, A CoruÇa, AGMAV, MNJPC, Caja 5996, exp 12. 1007 El Faro de Vigo, 18. November 1936, S. 2. Xos8 M. NfflÇez Seixas: Fascismo en Galicia, S. 173.
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Falange-Führer von A CoruÇa, Antonio Rold#n, den Gang an die Front zwar ohne Autorisierung gewagt. Doch sei ihr Aufbruch an diesen »abgeschiedenen Fleck der gloriosen spanischen Erde, Mutter der Zivilisation« von dem Wunsch getragen, dem »geliebten Vaterland zu dienen, an den Plätzen der größten Gefahr.«1008 Diese »Plätze der größten Gefahr« (puestos de mayor peligro), ein Ausdruck der schon in der vom Februar 1934 stammenden Parteirichtlinie »Der Tod ist ein Dienst« den angemessenen Aufenthaltsort eines Falangisten beschreibt, hatten Varela, S#ez und Villegas ihrer Selbsteinschätzung zufolge in Villablino (Lejn) gefunden. Wenige Tage nach dem Versand des Briefes zogen die drei Falangisten von dort ins asturische La Espina, wo sie am 30. August 1936 in Kampfhandlungen verwickelt wurden, wobei S#ez verletzt und Varela durch einen Kugelsplitter getötet wurde.1009 In Navia (Asturien) war es bereits am 9. August 1936 zu den ersten Aufeinandertreffen der Aufständischen mit den republikanischen Truppen gekommen. Kurioserweise sorgten dabei die Uniformen der Falange-Milizionäre für Verwirrung bei den Verteidigern der Republik: Am Mittag näherten sich unseren Stellungen zwei oder drei Personen, um unsere falangistischen Wachposten zu fragen, ob die Armee sehr weit entfernt sei […]. Sie dachten tatsächlich, dass die unsrigen ihnen das sagen würden! Wie wir später erfuhren, hatten sie geglaubt, jene Wachen gehörten zu ihnen, weil die marxistischen Minenarbeiter sich kleiden wie unsere Milizen, mit dem Blaumann und einer rotschwarzen Armbinde, genauso wie die Falange. Natürlich wurden sie festgenommen und ihnen wurden Pistolen, Maschinengewehre und zwei gewöhnliche Gewehre abgenommen. Da man nachweisen konnte, dass es sich um führende Köpfe aus Tineo [Asturien] handelte, wurden sie erschossen.1010
Es kommt nicht von ungefähr, dass die ersten Personen, denen die Republikaner in Navia begegneten, falangistische Wachposten waren. Denn hatten die Falangisten sich in den Monaten zwischen Februar und Juli 1936 gegenüber dem Militär insbesondere durch ihr Zellensystem und die konspirative Unterstützung über Informantentätigkeiten verdient gemacht, so wurden die Milizionäre nunmehr in ganz ähnlichen Bereichen eingesetzt, als Wacheinheiten, als Eskorten, als Spähtrupps und als Kontaktmänner (enlaces). Für diese meist logistischen Dienste, bei denen sich die Falangisten manchmal auch zwischen den einzelnen Frontabschnitten bewegen mussten, erhielten die Milizionäre häufig 1008 Jos8 Gonz#lez Varela, Juan Jos8 S#ez y Julio Esteban Villegas an Antonio Rold#n, Villablino, 17. August 1936, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.027, exp. 1229. 1009 Un bravo falangista coruÇes, in: La Voz de Galicia, 1. September 1936, S. 5–6. 1010 Die Schilderung stammt von Jos8 Maria Fern#ndez, einem Begleiter des Heeres, der für Films Ib8rica arbeitete. Siehe Del frente de operaciones en Asturias. Impresiones de un testigo de combate en Navia, in: La Voz de Galicia, 9. August 1936, S. 2.
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Autos, im Gegensatz zu der sich überwiegend zu Fuß fortbewegenden Armee. Dass wegen der unterschiedlichen Aufgabenzuweisung Teile des Heeres Misstrauen gegenüber den Falangisten hegten, zeigt das erst vor Kurzem entdeckte Tagebuch des Frontsoldaten Faustino V#zquez Carril, der im Spätsommer 1936 zum Militärdienst an die Asturienfront eingezogen wurde. In der Wahrnehmung V#zquez Carrils, der dem Militäraufstand gegenüber äußerst kritisch eingestellt ist, sind die Falangisten in erster Linie »Feiglinge« und »Weiber«, die sich vor dem eigentlichen Frontdienst drücken.1011 Sehen wir uns jedoch die Beschreibungen der Falangisten, auf die V#zquez Carril im Verlauf des Feldzuges trifft, etwas genauer an, fällt auch auf, dass diese Schilderungen dabei zumeist sehr vage bleiben. Immer wieder tauchen in den Tagebucheinträgen plötzlich Falangisten auf, die, von einem anderen Frontabschnitt kommend, zur Truppe stoßen, Informationen über den Kriegsverlauf verbreiten, um dann genauso unvermittelt wieder zu verschwinden. Gerade der Umstand, dass sich die Falangisten oft dort bewegten, wo sich der Rest der Truppe nicht aufhielt, ließ im Heer das Misstrauen darüber wachsen, was die Falangisten auf ihren Wegen eigentlich so anstellten. Bis die Falange nicht nur als unterstützender Teil des Heeres, sondern mit eigenständigen Truppenverbänden an die Front zog, vergingen einige Wochen. Mitte August 1936 leitete der General Juan Barja de Quiroga mit der Gründung der Bandera Gallega als Bestandteil der 8. Militärdivision des Nordheeres die erste rein falangistische Frontoffensive ein. Nach der Militärparade vom 4. September 1936, die in Burgos zu Ehren General Molas organisiert wurde, kam es zu den ersten Einsätzen der Truppe. Von der Bandera Gallega ist bekannt, dass 825 Falangisten den Feldzug begannen. Dieses Kontingent stockte die Falange-Führung im Laufe der Zeit auf 1.200 Frontkämpfer auf. Am 22. September 1936 schrieb Manuel Hedilla an General Mola, dass sich die Truppe »sehr gut in Burgos ausruhen könnte«. Nach ihren bisherigen Stationen – Fort von Santa B#rbara, Einnahme San Sebasti#ns und Kampf an der Front von Huesca – habe die Einheit mehr als einhundert Verluste (bajas) zu 1011 Als fünf Falangisten einen Lebensmitteltransport in der Nähe von Brieves (Asturien) durchführen sollten, wurden sie auf dem Weg dorthin von einer republikanischen Einheit beschossen. Zwei der Falangisten flohen und kehrten ins Lager zurück. V#zquez Carril notierte daraufhin:«Wir entfernten uns und fluchten über die Falangisten die nicht einmal den Mut hatten, ihre Kameraden zu verteidigen und sie den Händen der Feinde überließen.« Einige Tage danach erfuhr V#zquez Carril über eine in Galicien durchgeführte Hinrichtung, an der Falangisten beteiligt waren, und schrieb: »Ihr Falangisten, warum geht ihr nicht an die Front und lasst es bleiben, auf niederträchtige Weise wehrlose Männer zu töten, die nicht einmal den Trost haben, wie Männer zu fallen, will sagen, bis zum letzen Moment kämpfen zu können? Sie haben diesen Trost nicht, weil ihr sie feige und verräterisch erschießt…Ihr Weiber!« Einträge vom 22. und vom 27. August 1936, in: Faustino V#zquez Carril: Las columnas, S. 127 u. S. 150.
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verzeichnen. Über den Kontakt zur Territorialführung der Falange von Galicien könnten diese Verluste ausgeglichen werden. Zudem verfügten die Soldaten noch nicht über Winterkleidung.1012 Als die Falangisten am 14. November 1936 von ihrem Feldzug, der sie von Asturien über Guipfflzcoa bis Huesca geführt hatte, nach A CoruÇa zurückkehrten, hatten sie insgesamt 250 »Tote und Verletzte« zu beklagen.1013 Für die anderen, später entsandten Falange-Einheiten lag die Sterblichkeitsrate mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit niedriger. Rund 10–15 % der Milizionäre starben in den Frontkämpfen, nahezu jeder dritte Falangist hatte eine Verletzung zu beklagen und diese meist durch Gewehrsalven oder Artilleriegeschosse erlitten.1014 Aus dem Kriegsbericht der Bandera Gallega ist zu entnehmen, dass auch die republikanische Flugabwehr Angriffe gegen die Truppe flog.1015 Doch verzeichnete die Falange durch Fliegerbomben fast keine Verluste. Barja de Quiroga selbst sagte kurz nach der Ankunft der Falangisten in A CoruÇa in einem Interview, die Einheit habe durch Bomben keinerlei Verluste erlitten.1016 Zeitweise hatten die an der Nordfront stationierten Truppeneinheiten mit starkem Schneefall zu kämpfen. Die Bandera Legionaria de Lugo harrte laut Truppenbericht im Raum Piedrafita »ohne eine einzige Beschwerde und ohne Ablösung« während 90 Tagen an den schneebedeckten Gipfeln aus. Mit Essen, Munition und Sanitärmaterial mussten die Milizionäre sich zeitweise in den eroberten Dörfern versorgen.1017 Zudem konnten in Nordspanien nie alle 1012 Jefe de la Junta de mando provisional Hedilla an General Jefe del Ej8rcito Norte Mola, 22. September 1936, AGMAV, armario 15, legajo 17, carp. 68, caja 1227. 1013 Diese Zahl stützt sich auf den Bericht Barja de Quirogas: »250 Tote und Verletzte, die wir während unserer Zeit an der Front erlitten haben.« Zusammenfassung des Operationsberichtes der Bandera Legionaria Gallega de FE, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1–16, D. 15. Diese von Barja de Quiroga angegebene Zahl deckt sich mit den Auswertungen der Personalakten, wonach jeder vierte bis fünfte Falangist der Bandera Legionaria starb. Aurora Artiaga übernimmt von Jos8 Antonio Dur#n die Zahl von 400 Heimkehrern einer ursprünglich 1200 Mann starken Einheit. Das würde bedeuten, dass es zu 800 Todesfällen gekommen sei. Es ist möglich, dass an dieser Stelle die hohe Zahl der Verletzten hinzu gerechnet wurde. Vgl. Aurora Artiaga: »Todo por EspaÇa y EspaÇa para Dios«, S. 45. 1014 Bezogen auf vier Hundertschaften der Bandera de Galicia werden 193 von 497 Milizionären als verletzt vermerkt, was 38,8 % der Milizionäre entspricht. Vgl: Listen Bandera Galicia, 1, 2a 3a und 4a Zenturie, Divison 84, AGMAV, Caja 5752, Carpeta 4, Propuestas de recompensas. 1015 Zusammenfassung des Operationsberichtes der Bandera Legionaria Gallega de FE, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 6. 1016 Una impresijn del Comandante de la legion, Sr. Barja, in: La Voz de Galicia, 15. November 1936, S. 1. Ein Grund für diese eher geringe Beeinträchtigung durch Bombardierungen war, dass die republikanische Armee nur über eine sehr kleine Flugstaffel im Norden des Landes verfügte. Vgl. Gabriel Cardona: Historia militar de una guerra Civil, estrategia y tacticas de la guerra de EspaÇa, Barcelona 2006, S. 111. 1017 Zusammenfassung des Truppenberichts der Primera Bandera Legionaria de FE y de las JONS de Lugo, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 2/1–10, D. 4 und D.9.
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Frontabschnitte von der Atlantikküste bis zum Golf von Vizcaya gleichzeitig besetzt werden, so dass die Truppenverbände, in relativ kurzen Zeitabschnitten an mehreren Orten zum Einsatz kamen und infolgedessen über geringe Planungssicherheit bei der Versorgung verfügten.1018 In Teverga, wo die Bandera Legionaria de Lugo, sich im November 1936 aufhielt, wurden die »vielen Verluste« mit falangistischen Althemden aus den örtlichen Gefängnissen ersetzt.1019 Am 16. Januar 1937 erließ der Hauptkommandant der medizinischen Abteilung für das gesamte Nordheer eine Hygienerichtlinie. Um Läuseepidemien zu vermeiden, war es jedem Frontkämpfer fortan verboten, lange Haare zu tragen. Alle zehn Tage sollten die Kompagnieärzte diesbezüglich Untersuchungen durchführen. Soldaten mit Läusen mussten die nächste »Entlausungsstation« (estacijn de despiojamiento) aufsuchen. In jedem Quartier, Feldlager und Dorf sollten die Truppen einen Brennofen aufstellen, zur Entsorgung von Müll und toten Tieren. Zudem wurde die Kontrolle von Bordellen veranlasst: Prostituierte mit ansteckenden Geschlechtskrankheiten mussten, so die Richtlinie, umgehend »unter Quarantäne« gestellt werden.1020 Gemäß dem seit der Parteigründung verkündeten Selbstverständnis der Falangisten, Spanien »auf den gefährlichsten Plätzen« und in der ersten Linie (primera l&nea) dienen zu wollen, kamen die Falangisten in den Frontkämpfen auch vorwiegend dort zum Einsatz, nämlich in der Avantgarde – ob sie wollten oder nicht. Falange-Milizen fungierten als Stoßtrupps (fuerza de choque) und waren bei der Einnahme von Stellungen oft diejenigen Truppenteile, die zu Beginn eines Angriffs losstürmten.1021 Fanatische Falangisten, die den propagierten Avantgardegeist verinnerlicht hatten, forderten sogar ihre Versetzung in diesen Dienst.1022 1018 Pierre Brou8, Pmile T8mime: Revolution und Krieg in Spanien. Geschichte des Spanischen Bürgerkrieges, Band 2, Frankfurt 1975, S. 493. 1019 Zusammenfassung des Truppenberichts der Primera Bandera Legionaria de FE y de las JONS de Lugo, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 2/1–10, D. 8. 1020 Oberster Truppenführer des Nordheeres, Mola/El Comandante m8dico secretario an alle Führer der Miliz- und Militäreinheiten, ]vila, 16. Januar 1937, AHPOU, Diputacion Provincial, Correspondencia, Caja 5895. 1021 Aus Tineo berichtete ein JAP-Mitglied, dass die Falangisten in der ersten Reihe kämpften und bei einem Einsatz losgestürmt seien, ohne Anweisungen abzuwarten, was sie fast das Leben gekostet hätte. Vgl. Jos8 Mosquera an P8rez ]vila, 9. November 1936, AHPOU, Caja 14703. Siehe auch Zusammenfassung des Operationsberichtes der Bandera Legionaria Gallega de FE, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 14. 1022 Das war der Fall des Falangisten Joaqu&n Pen8s, dem, nach eigener Aussage, der rechte Arm fehlte, weshalb ihn die Parteiführung anfangs nicht an die Front ließ, letzlich aber die Aufgabe eines Boten an der Front von Castralvo übertrug. Dieser Dienst stellte den Falangisten jedoch nicht zufrieden, so dass er ein Bittschreiben an Manuel Hedilla verfasste, damit dieser ihn an eine andere Front versetze, vorzugsweise nach Madrid. »Ich fühl mich wohl hier, aber nicht wohl genug, weil es keine Schusswechsel gibt.« Brief Joaqu&n
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Dass Gewalt bei den Frontkämpfen teilweise in Form männerbündlerischer Praktiken das Verhalten der Falangisten prägte, zeigt der Fahnenraub, den Falangisten schon zur Republikzeit gepflegt hatten, um durch die Erbeutung feindlichen »Jagdguts« innerparteiliches Lob zu erhalten. Über die Eroberung eines solchen Prestigesymbols berichtet Angel Caffarena Ragio, ab dem 20. August 1936 Mitglied der Bandera Gallega: »Die Kräfte der Bandera betrachten den Feind mit bewundernswerter Kaltblütigkeit […]. Die Bandera schießt nicht einen einzigen Schuss ab und wartet auf Befehle, und als der Feind sich 50 Meter entfernt befindet, bricht das Feuer über ihm aus, eine regelrechte Schlachterei.« Nach der Einnahme des gegnerischen Schützengrabens werden »1500 Patronen Munition, Werkzeuge der Pioniere, 70 Decken, zwei rote Fahnen« mitgenommen.1023 Zweifelsohne stellte im Schützengrabenkrieg ein solcher Fahnenraub ein ungleich gefährlicheres Unterfangen dar als noch während der Scharmützel vor dem 18. Juli 1936, vor allem dann, wenn die Milizen den Fahnenraub nicht, wie hier beschrieben, während eines Truppenvormarsches quasi beiläufig praktizierten, sondern diesen als individuelle Mutprobe auffassten, um die eigene Stärke noch deutlicher unter Beweis zu stellen. Ein Falangist, der kurze Zeit nach Abzug der Bandera Gallega, in Aragjn kämpfte, brüstete sich im Dezember 1936 voller Stolz in einem Brief an keinen geringeren als an den Parteiführer Manuel Hedilla: Auch hier beweise ich wieder meinen Mut und meine Liebe zur Falange, indem ich den Roten eine Fahne geraubt habe. Als ich sie an mich nahm, haben sie mehrfach auf mich geschossen, aber mein Mut ist nicht getrübt worden, ganz im Gegenteil. Ich hob sie hoch, und Arriba EspaÇa! schreiend überreichte ich sie meinem Kommandanten, der mir 50 Peseten gab. Von Glückwünschen begleitet erhielt ich ein Festbankett.1024
Um symbolisch den Sieg der eigenen Truppen darzustellen, markierten die Aufständischen ihrerseits nach der Einnahme einer Stellung das Territorium mit der von ihnen geführten rot-gold-roten Fahne.1025 Sobald unterschiedliche Truppeneinheiten aufeinandertrafen, wurde die Fahne zur gegenseitigen Erkennung gehisst.1026 Neben dem Ausruf ¡Arriba EspaÇa! diente das Falange-Lied Cara al sol der Aufputschung der Kombattanten. Von der Einnahme Puente de Noras (Asturien) heißt es im Truppenbericht einer Lucenser Einheit, dass Handgranaten in ein Haus geworfen und »unter den Schreien Arriba EspaÇa und die Falange-Hymne
1023 1024 1025 1026
Pen8s an Manuel Hedilla, Frente de Castralvo, 26. Februar 1937, AGA, (8)17.02, c.51/18946, cp. Zaragoza. Matriz hoja de servicio, Angel Caffarena Ragio, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.031, exp. 1479. Jos8 C. an Manuel Hedilla, 26. Dezember 1936, AGA, (8)17.02, c.51/18946, cp.Zaragoza. Zusammenfassung des Operationsberichtes der Bandera Legionaria Gallega de FE, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 6. Faustino V#zquez Carril: Las columnas, S. 142.
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singend« die Stellungen eingenommen wurden, wobei eine Vielzahl der Feinde getötet worden seien.1027 Auch Barja de Quiroga beschreibt in seinem Bericht die singende Verteidigung einer Position durch seine Truppe: »Sie hielten der Attacke mit großem Mut stand, die Falange-Hymne singend, und ohne einen Meter des eroberten Landes zu verlieren.«1028 Neben der Stärkung der eigenen Kampfesmoral diente das Cara al sol als Mittel der psychologischen Kriegsführung. So sangen die Milizionäre es bei Feuerpausen, damit der Gegner es aus den Schützengräben hören konnte. Darüber hinaus beschimpften die Falangisten ihre Gegner, forderten sie zur Aufgabe auf oder riefen ihnen ironische Kommentare zu: »Tiefer schießen. Eure Kugeln kommen zu hoch. Weiter nach links, wir sind nicht dort, wo ihr denkt.«1029 Die Übermittlung dieser Tiraden und Lieder realisierte die Bandera Gallega bei der Verteidigung von Huesca über »robuste Lautsprecher aus Zink«, die angeblich an der ganzen Front Bekanntheit erlangten; die Republikaner entgegneten auf die Tiraden, dass sie die Falangisten in wenigen Tagen aus Huesca »gefegt« haben würden.1030 Zugleich dienten die Lautsprecher dazu, Verabredungen von Vertretern der beiden Heere zu treffen. Am 30. Oktober 1936 fanden sich Unterhändler der Falange und des republikanischen Heeres bei Waffenstillstand zwischen den Schützengräben zusammen, um Presse der beiden Kriegsparteien auszutauschen. Die Falangisten teilten ihren Feinden mit, Oviedo sei bereits gefallen, eine republikanische Delegation könne sich, sofern sie wolle, mit eigenen Augen der Lage in der Stadt vergewissern, man werde ihnen einen Besuch gewähren.1031 Später verbot die republikanische Militärführung diese Art der Presseübergabe, genauso wie die Übergabe von Briefen, die durch den Krieg getrennte Familienmitglieder anfangs noch hatten übermitteln dürfen. Nachrichten über den Krieg, so die Auffassung, könnten Demoralisierungseffekte auf die Soldaten haben.1032 Fehlende »Kriegsmoral« kennzeichnete jedoch nicht nur Teile der republikanischen Truppen. Michael Seidman hat darauf hingewiesen, dass sich unter den Kombattanten, die Galicien stellte – und ein Großteil des aufständischen Heeres kam aus der Region – sehr viele Zwangsrekrutierte befanden, von denen viele den Dienst an der Waffe verweigerten.1033 Von den Falange-Milizionären verweigerten 5,3 % den Dienst, eine Desertionsquote, die möglicherweise noch 1027 Modesto S#enz de Cabezjn Capdet: Truppenbericht Primera Bandera de la 1a1/2 Brigada de la 4a Brigada mixta, Lugo, 1. Dezember 1936–24. August 1937, Villamar 25. August 1937, AGMAV, C.2687, Cp.2/ D. 1–14, D. 4. 1028 Zusammenfassung des Operationsberichtes der Bandera Legionaria Gallega de FE, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 10. 1029 Ebenda. 1030 Ebenda, D. 12. 1031 Ebenda, D. 13. 1032 Michael Seidman: Republic of Egos, S. 119. 1033 Ebenda, S. 120.
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höher lag, weil bei Weitem nicht jeder Personalakte ein hoja de castigo beiliegt, ein so genanntes Strafblatt.1034 Unter Berücksichtigung der sehr schwierigen Datenlage und allein bezogen auf die Falange in Nordspanien, können wir sagen: Im Vergleich mit den deutschen Faschisten – 2 % der deutschen Soldaten desertierten im Zweiten Weltkrieg – desertierten im Spanischen Bürgerkrieg weitaus mehr Frontkämpfer.1035 Ein Fall sticht unter den dokumentierten Verweigerungen heraus: Aus nicht zu klärenden Gründen desertierten 35 Falangisten gemeinsam vom Dienst.1036 Die Verläufe der Desertionen, sofern diese bekannt sind, ähneln sich sehr stark. Die Milizionäre legten entweder die Waffen nieder und verweigerten dadurch den Kriegsdienst oder sie versuchten, innerhalb der von den Aufständischen besetzten Zone zu flüchten.1037 Sie nutzen insbesondere kurzzeitige Beurlaubungen, um zu Hause zu bleiben und nicht mehr an die Front zurückzukehren.1038 Pedro Corrales erwähnt in seiner Deserteur-Studie ebenfalls diese verbreitete Absicht der Soldaten, sich dem Kriegsgeschehen an sich zu entziehen. Seltener war die Entscheidung zur Dienstverweigerung von dem politischen Willen getragen, die Seiten zu wechseln.1039 Was die Strafen anbelangt, so wurden Deserteure grundsätzlich nicht zu Todes- oder mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, wie während anderer Kriege durchaus üblich. Stattdessen sperrten die Falangisten Deserteure üblicherweise in den Kerker, in den calabozo.1040 Handelte es sich um »Wiederho1034 Diese Erhebung bezieht sich auf 2419 Personalakten, AGMAV, MN-JPC, Cajas 5.996 bis Caja 6.047, exp.1 bis exp. 2419. Von 863 Milizionären, für die die Verwicklung in Kampfhandlungen zwischen dem 20. Juli 1936 und dem 19. April 1937 nachgewiesen sind, sind 44 Deserteure verzeichnet. 1035 Zu Deutschland, siehe Thomas Geldmacher : »Auf Nimmerwiedersehen!« Fahnenflucht, unerlaubte Entfernung und das Problem, die Tatbestände auseinander zu halten. In: Walter Manoschek: Opfer der NS-Militärjustiz. Wien 2003, S. 133–194, S. 135–136. 1036 Vermerkt in der Akte von Rafael Rodr&guez, Procedimiento sumarisimo 1.061 de 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja, 6.022, exp. 999. 1037 El jefe local accidental de La Estrada an Jesus Suevos, Meldung über den aus dem calabozo entflohenen Jos8 Filloy Ensans, 27. Januar 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 160. 1038 »[…] weil er mit einem Monat Erlaubnis [auf Heimaturlaub] gegangen ist und sich nicht wieder [in die Truppe] eingegliedert hat.« Ficha Personal, Ricardo Reguera Prado, AGMAV, MN-JPC, Caja, 6.062, exp. 3883. »Als er die Erlaubnis erhalten hatte, seinen Vater nach Oviedo zu begleiten, ging er nach Pontevedra«, Ficha Personal, Angel del Rio Romero, AGMAV, MN-JPC, Caja, 6.062, exp. 3885. »[…] als ihm eine Erlaubnis [auf Heimaturlaub] für Ostern gewährt wurde, inkorporierte er sich nicht wieder [in die Truppe]« Ficha Personal, Angel Rodr&guez SoÇora, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.062, exp. 3889. 1039 Pedro Corrales: Desertores. La historia que nadie quiere contar, Barcelona 2006, S. 145. 1040 Hojas de castigo, Jaime Puga Garc&a, caja 6.004, exp.256; Jos8 de la Torre PiÇeiro, Caja 6.008, exp. 392; Manuel Iglesias Rey, Caja 6.017, exp. 782; Julio Sanluis Lopez, caja 6.018, exp. 815; Manuel Salorio Diaz, Caja 6.019, exp. 843; Rafael Rodr&guez, 6.022, exp. 999; Manuel Suarez Redondo, caja 6.022, exp. 1007, alle, AGMAV, MN-JPC.
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lungstäter«, so erhöhte sich die Gefängnisstrafe oder es wurde versucht, die Dienstverweigerer zum Waffengang zu zwingen. Außerdem wurden Dienstverweigerer zu unbeliebten Diensten abgestellt, wie zur Suche nach Flüchtlingen in den Bergen.1041 Verzweifelte Milizionäre fügten sich daraufhin Selbstverletzungen zu, um dem Frontdienst zu entgehen.1042 Ebenso strafbar wie die Dienstverweigerung war das Verbreiten von Nachrichten über zu geringe Truppenmoral oder über widrige Verhältnisse an der Front. In einem Brief vom 24. September 1936 wird dem von der Front nach Pontevedra zurückgekehrten Emilio Iturriaga Gonz#lez mitgeteilt, dass eine noch festzusetzende Strafe auf ihn warte, weil er Äußerungen über die schlechte Verpflegung an der Front gemacht habe: Das Militärkommando in dieser Stadt ist davon in Kenntnis gesetzt worden, dass Sie recht alarmierende Nachrichten von der Front mitgebracht und diese ohne Misstrauen verbreitet haben. Sie wissen ja, dass die Leute, wenn sie eine Nachricht hören, welchen Charakters sie auch immer sei, deren Inhalt vergrößern oder verkleinern, wie es ihnen gefällt. In der jetzigen Situation ist es gravierend, Nachrichten zu propagieren, die den Mut der Spanier beeinträchtigen könnten, und deshalb sollten Sie sich von Kommentaren fernhalten, die nicht den guten Gang der Operationen preisen oder nicht loben, dass die Ernährung an der Front gut und ausreichend ist und dass es unseren Soldaten an nichts fehlt.1043
Die Hauptaussage dieser Passage war, dass die Soldaten, auch wenn sie Missstände wahrnahmen oder gar anprangerten – und sei es auch, um Verbesserungen herbeizuführen – Kritik besser für sich behalten und Vorsicht walten lassen sollten. An der Front reproduzierte sich also, was in der retaguardia vom ersten Tag des Aufstandes an gegolten hatte: Unbedingtes »Misstrauen« gegenüber jedem, und nicht zuletzt auch innerhalb der rapide wachsenden falangistischen Bewegung. Fernab der Schützengräben versuchten die Falange-Soldaten solche Erfahrungen sowie Erlebnisse von Gewalt und Tod auszublenden und einem »gewöhnliche Alltag« nachzugehen: Kinoabende, Fußballspiele, bei denen verschiedene Truppeneinheiten gegeneinander antraten, und das zentrale Thema: Die Suche nach einer »Freundin«. Auch kulinarische Genüsse gewannen wäh1041 Ficha de afiliacijn, Jos8 de la Torre PiÇeiro, AGMAV, MN-JPC, Caja 6008, Exp. 392. Der 24– jährige Manuel Teijeiro Rodr&guez musste als »Wiederholungstäter« einen Monat lang ins Gefängnis: Hoja de castigo, Teijeiro Rodr&guez, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.030, exp. 1387. 1042 Der 17 Jährige Manuel Salorio Diaz floh gleich zweimal von seinem Einsatzort. Schließlich fügte er sich absichtlich eine Verletzung zu, um dem Frontdienst zu entgehen. Documento causa 522/37, 18. Dezember 1937, AGMAV, MN-JPC, caja 6.019, exp. 843. Vgl. auch Jos8 Janeiro Colmenero, Hoja de castigo, AGMAV, MN-JPC Caja 6.030, exp. 1386. 1043 Brief an Emilio Iturriaga Gonz#lez Jurado, Pontevedra 24. September 1936, AGMAV, MNJPC, Caja, 6.062, exp. 3860.
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rend der Ruhepausen an Bedeutung, so der Genuss von »Wein und Zigarren« oder das Feiern besonderer Anlässen, wie einer »Sylvesterparty mit Konfitüren, Feigen, Süßigkeiten und Turrjn.«1044 Eine besondere Rolle spielten Kirchgänge. Sie können im Sinne Arnold van Genneps als topographische Übergangsriten vom Raum des Kriegsgeschehens in den Alltagsraum und vice versa betrachtet werden.1045 Den Truppenberichten ist zu entnehmen, dass an nahezu jedem neuen Standort, den eine FalangeEinheit besetzte, ein Gottesdienst ausgerichtet wurde, sowohl vor als auch nach den Waffengängen. Einmal mehr wird an dieser Haltung deutlich, wie viel Bedeutung dem Christentum als Identitätsfaktor zukam und dass der Glaube aus Sicht der meisten Falangisten dem Falangismus nicht widersprach. Den ersten großen Falange-Feldzug vorbereitend marschierte eine Hundertschaft der Bandera Gallega, stellvertretend für die gesamte Truppe, über die Pilgerstadt Santiago de Compostela nach Burgos, um dort für den Schutz der Einheit durch den Heiligen Jakob zu beten.1046 Am 13. September 1936 notierte Barja de Quiroga: »Als würdigen Abschluss der Operation über das Fort von Santa B#rbara wurde auf dem Hügel eine feierliche Feldmesse gesprochen. Die Ansprache an die Truppe hielt der Kommandant der Bandera.«1047 Aus Grado (Asturien), wo seit Kriegsbeginn viele Falange-Einheiten eingesetzt wurden, berichtet der Soldat Antonio Lanza am 14. Februar 1937, dass es zur Wiedererrichtung eines Gotteshauses gekommen sei und dass regelmäßig Messen abgehalten würden.1048 Überall dort, wo das Nordheer Territorium gewann, verwandelte sich das Frontgebiet in retaguardia, was bedeutete, dass auch die militärstrategischen Aufgaben der Falangisten sich änderten, vom Kriegs- hin zum Sicherungsdienst. Die Repressionen, unter denen große Teile der galicischen Zivilbevölkerung vom ersten Kriegstag an gelitten hatten, weiteten sich nun stückweise in die eroberten Gebiete Asturiens, Kantabriens und Leons aus. Falangisten aus allen Regionen Nordspaniens fungierten dort als »Abgraser« (rastreadores).1049 Lapidar steht im Truppenbericht der Bandera Legionaria de Lugo für November 1936 über den 1044 Truppenbericht der ersten Zenturie der Bandera Legionaria. FET y de las JONS, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 1/1–40, D. 35. 1045 Arnold van Gennep: Übergangsriten. (Les rites de passage), [Zuerst 1909] Frankfurt a.M. 2005, S. 29–33. 1046 Aurora Artiaga: Todo por EspaÇa, S. 37. 1047 Zusammenfassung des Operationsberichtes der Bandera Legionaria Gallega de FE, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 5. 1048 De Grado. La escuela y la iglesia en las trincheras, in: La Nueva EspaÇa, 14. Februar 1937 S. 10. 1049 Eduardo Pons Prades gibt diese Bezeichnung an, welche die so genannte Escuadra Negra der Falange in Lugo und im Raum Llanes (Asturien) von der Zivilbevölkerung bekam, vgl: Eduardo Pons Prades: Las Escuadras de la Muerte. La represijn de los sublevados, Barcelona 2006, S. 218.
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Gewalt im Krieg
Dienst im Raum Teverga (Asturien), nahe Oviedo, dass eine Hundertschaft »ziemlich viel Säuberungsarbeit« geleistet habe.1050 Im später verfassten Informationsbericht der Bandera Legionaria de Lugo heißt es, dass es über den Umgang mit der Zivilbevölkerung »Gerüchte« und »Beschwerden« gegeben habe, die sich bislang in keinem Fall zu einer »offiziellen Anklage« konkretisiert hätten. Erst jetzt sei ein Offizieller wegen »angeblicher Misshandlungen bestimmter Personen in einem Dorf in der Nähe von Pola de Laviana« angeklagt worden. Die Anmerkung, dass bislang keine »offizielle Anklage« wegen Misshandlungen eingegangen sei, klingt angesichts der Notsituation in der sich eine Vielzahl der asturischen Dorfbewohner befand, äußerst zynisch. Ob es sich tatsächlich nur um »angebliche Misshandlungen« drehte, hängt, wie der weitere Text zeigt, von der Interpretation des Betrachters ab: Unserer Meinung nach hat diese Bandera, getrieben vom Geist und Eifer, Flüchtlinge zu finden, einige Male vielleicht nicht besonders milde Methoden angewendet, die jedoch bedauerlicherweise in einigen Situationen nötig waren, in Anbetracht der Umstände und der Ideologie, die in diesem Land vorherrscht sowie der Menge roter Elemente, die vorher existiert hat und seit der Befreiung weiterhin existiert.1051
Wie in vielen anderen Ego-Dokumenten auch werden an dieser Stelle Gewalttaten heruntergespielt und als »nicht besonders milde Methoden« gekennzeichnet. In falangeinternen Papieren ist diese Art der Zurückhaltung, wie an anderer Stelle bereits gesehen, häufig spürbar. Vielleicht hängt die Distanziertheit in den Schilderungen mit dem tatsächlichen Ausmaß der Gewaltentfaltung nach dem 18. Juli 1936 zusammen. Im Truppenbericht der Bandera Legionaria de Lugo liest sich die Schilderung der Aktivitäten der Einheit zumindest etwas anders. Über den Verlust eines Kameraden und der anschließenden Rachenahme heißt es dort: »Unsere Falangisten konnten unsere ›roten Freunde‹ (amigos rojillos) nicht ohne Bestrafung entwischen lassen«, weshalb die »Roten« am folgenden Morgen 9 Leichen hätten aufsammeln können.1052 Es kommt nicht von ungefähr, dass Manuel Hedilla bereits im November 1936 Mäßigung bei den »Repressionshandlungen« forderte, damit der Falange nicht ein »Stigma der Grausamkeit« anhafte.1053 Er musste diese Forderung in seiner vielfach reproduzierten Weihnachtsansprache 1936 wiederholen, in der er sich 1050 Truppenbericht der ersten Zenturie der Bandera Legionaria. FET y de las JONS, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 1/1–40, D. 8. 1051 Informationsbericht über die Bandera Legionaria de Lugo de la Milicia de FET y de las JONS, Oviedo 12. November 1938, Comandante Jefe Provincial, Rogelio Puig, AGMAV, Caja 5648 (Asuntos generales), Carpeta 2, S. 1–4, S. 2. 1052 Truppenbericht der ersten Zenturie der Bandera Legionaria. FET y de las JONS, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 1/1–40, D. 6. 1053 Manuel Hedilla an Lucio Arrieta, 2. November 1936, AGA, (8)17.02, c.51/18946, cp. San Sebasti#n.
Der Schützengrabenkrieg
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vehement gegen »Racheakte« und massenhafte Tötungen aussprach. Hedilla, der seine Reden sehr viel weniger pathetisch ausformulierte als die Mehrzahl der auf »Stil« bedachten »Althemden«, berief sich für seine Forderung sogar auf einen der von Rafael S#nchez Mazas entworfenen Leitsätze, wonach die Doktrin der Falange »Liebe« und nicht »Hass« verbreite.1054 Doch wenn die Liebe der Falange nicht erwidert wurde – und davon war auch Hedilla überzeugt – musste sie notfalls durch Gewalt erzwungen und über Propaganda und Rituale in den Alltag integriert werden.
1054 Habla el camarada Hedilla, in: La Nueva EspaÇa, 2. Januar 1937, S. 3.
Propaganda und Rituale im Krieg
Festumzüge und Paraden Die propagandistisch wirksamsten falangistischen Veranstaltungen nach Kriegsbeginn stellten Festumzüge (desfiles) dar. Ziel dieser allerorts stattfindenden desfiles war die ständige Erzeugung eines feierlichen nationalen Gemeinschaftscharakters, den die falangistischen Miliz-, Frauen- und Kindereinheiten durch ihre Teilnahme an den Umzügen verkörperten. Uniformiert marschierten die Falange-Einheiten durch die Straßen der spanischen Dörfer und Städte. Unter den Dorfbewohnern – ob der falangistischen Bewegung zugeneigt oder nicht – herrschte schon bald nach dem 18. Juli 1936 der Gruppenzwang, die Paraden durch Zurufe oder Grüße sowie mit erhobenem rechtem Arm zu unterstützen. Bei fehlendem Zuspruch brachten die Falangisten Leute mit Gewalt dazu, an den Umzügen teilzunehmen oder sie verhängten nachträglich Sanktionen, sofern sie erfuhren, dass eine Person ihrer Missbilligigung der Umzüge Ausdruck verlieh.1055 Die Zentren der CNT und UGT wurden kurzerhand von der Falange besetzt. Die Milizionäre nutzen diese als neue Versammlungsräume oder entwendeten zur Nutzung in den eigenen Parteizentren Bänke und Regale.1056 Die Scharen der »Neuhemden« (camisas nuevas) ließen sich rasch Blauhemden anfertigen, 1055 Der ehemalige Falangist Narciso Corral Ocampo weigerte sich, die auf der Landstraße Ferrol–R#bade marschierenden Falangisten zu grüßen. Daraufhin zwang ein Falangist aus der Gruppe ihn, sich dem Umzug anzuschließen.Vgl. Comandante Primer jefe Provincial de la milicia, 19. Juni 1937, AGMAV, Caja 6.046, exp. 2340. Dolores P8rez M8ndez aus Vigo bezeichnete die ständigen Umzüge in einem Brief als »Karneval-Spielereien« (carnavaladas). Der Brief wurde konfisziert, Dolores P8rez bestraft. Vgl. dazu ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 118. 1056 Jefatura Vigo an die Jefatura Local de Redondela, 11. März 1937, in: AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 159. Miguel Lago Ruig, Falange Puerto del Son, 17. Dezember 1937, in: ARG, Leg. 32.456/2777 (Correspondencia en relacijn con Ordenes, circulares, oficios,…del Ministerio de de la Gobernacijn y otros organismos sobre asuntos que afectan a varios ayuntamientos 1936).
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Propaganda und Rituale im Krieg
wobei es nur, wie der Falange-Führer von PorriÇo (Pontevedra) an Jesffls Suevos schreibt, einige wenige »Luxus-Uniformen für die 3–4 Leute von immer« geben würde.1057 Alle anderen mussten auf notdürftig geschneiderte Kleidungsstücke zurückgreifen, was dem blauen Erscheinungsbild der nationalen Armee dennoch keinen Abbruch leistete. Überall im Land waren nunmehr das Joch und die Pfeile zu sehen. Dafür entfernten die Falangisten Symbole der Linken aus dem öffentlichen Raum. Die Zurschaustellung dieser Symbolvernichtung trug einen deutlichen inszenatorischen Charakter, insbesondere was die Verbrennung von Büchern auf den Hauptplätzen von A CoruÇa, Ferrol oder Ares (A CoruÇa) anbelangt, während derer im August 1936 »pornografische Bücher und Zeitschriften« ins Feuer geworfen wurden.1058 Die Falangisten konfiszierten Presse, die nicht dem nationalspanischen Konsens entsprach sowie Radios, um das Hören republikanischer Sender zu unterbinden.1059 Verwundert beschreibt ein Marinesoldat, der im Herbst 1936 nach längerem Aufenthalt auf einem Schiff zum ersten Mal in Ferrol (A CoruÇa) an Land ging, wie schnell einige Leute ihr Verhalten änderten und eine für ihn neue Musik anstimmten, die falangistische Parteihymne Cara al Sol: Zum ersten Mal höre ich diese Musik oder diese Hymne, die sie das Cara al sol nennen…sehr schön, aber es singen einige Haufen, in blauen Hemden gekleidet mit merkwürdigen Fahnen, rot und schwarz. Sie heben die Hand und sagen: ¡Arriba EspaÇa! Ich bin verwirrt, weil ich viele dieser Gesichter, die ich da mit so viel Enthusiasmus sehe, vor zwei Monaten schon einmal gesehen habe […], aber mit einem gegensätzlichen Enthusiasmus […] , diese Leute lernen mit Genuss den Text der schönen Musik, die sie Cara al sol nennen, den niemand versteht, aber ›den man kennen muss‹.1060
1057 Falange PorriÇo an Jesus Suevos, Jefe Provincial de FE, 26. März 1937, in: AHPP, ACPXPM, Correspondencia, c. 158 (1937–1938). Dieselbe Beschwerde sendete die Falange von Redondela nach Vigo, vgl. Jefatura local de Redondela an Jefatura de Vigo, 22. Januar 1937, in: AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 159. 1058 Luminarias de libros y revistas pornogr#ficos, in: La Voz de Galicia, 19. August 1936, S. 7. 1059 Emilio Grand&o Seoane: A informacijn da represijn: Os primeiros pasos do »nuevo estado«, in: Carlos Velasco, Dion&sio Pereira, Emilio Grand&o, Eliseo Fern#ndez (Hg.): A fuxida do PortiÇo. Historia, memoria e v&timas, Vigo 2009, S. 45–72, S. 51. ]ngel Rodr&guez Gallardo, Mar&a Victoria Mart&nez Rodr&guez: A delacijn como forma de seleccijn represiva no primeiro franquismo, in: Enrique Barrera, Bruno Gonz#lez, Manuela Santalla, Xos8 Manuel Su#rez (Hg.): A II Repfflblica e a Guerra Civil: Actas dos traballos presentados ao II Congreso da Memoria, Culleredo, 1 a 3 de decembro de 2005, A CoruÇa 2006, S. 631–646, S. 638. 1060 Der Name des Soldaten ist unbekannt. Javier Cervera Gil hat für seine Studie das Pseudonym »Manolo« gewählt. Zum Brief ist keine Datumsangabe gemacht. Er stammt aber nach Angaben Cervera Gils aus dem Herbst 1936, vgl. Javier Cervera Gil: Ya sabes mi paradero: La guerra civil a trav8s de las cartas de los que la vivieron, Barcelona 2005, S. 75.
Festumzüge und Paraden
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Die Schilderung des Soldaten deutet an, dass hinter der plötzlichen Feierstimmung ganz unterschiedliche Motivationen steckten. Kriegsbegeisterung, Opportunismus und Zwang vermischten sich im Rahmen solcher Paraden zu einer Einheit. Und genau auf diese Einheit zielte die Falange-Politik ab, indem sämtliche Bürgerinnen und Bürger zur Partizipation an den Inszenierungen angehalten wurden, beispielsweise durch das Mitsingen des Cara al sol-Textes, »den man kennen muss«. Die Propagandamedien forderten regelmäßig in gewohnt bilderreicher Sprache zu solchen Festumzügen auf. In einem Rundschreiben an die Mädchen der SF heißt es unter Berufung auf den Parteigründer : Ich will Euch jubeln sehen, stilvoll und sportlich bei den Umzügen auf Spaniens Straßen. Ihr seid für uns wie für die Erde die Sonne und der Mond, die mit Leben die Tage und die Nächte füllen […] Die Blumen. Die Vögel. Die Musik. Die Psalmen. Die Flüsse. Die Berge. Das Meer. Alles wird unser Leben mit neuem Leben erfüllen. Und ihr marschiert den Weg, den unsere Gefallenen mit ihrem Tod markiert haben, und mit seinen Worten, JOSP ANTONIO.1061
Maßgeblicher inszenatorischer Teil der Märsche war der Auftritt der falangistischen Kapellen. Nahezu jede falangistische Dorfeinheit besaß schon kurze Zeit nach der militärischen Erhebung eine solche Kapelle. Wo dies nicht der Fall war, wurde sie kurzerhand ins Leben gerufen. Sowohl über Zeitungsannoncen als auch über Mundpropaganda suchte die Falange die Musiker zusammen.1062 Die Auftritte der Kapellen erfüllten nicht bloß den Zweck, den Erfolg des Militäraufstandes im eigenen Dorf oder der eigenen Stadt zu zelebrieren, sondern hatten eine ebenso wichtige Funktion bei der Umstrukturierung eroberter Regionen. Denn die Inbesitznahme des öffentlichen Raumes folgte einem ritualisierten Ablauf, in dem die Musik ihren festen Platz besaß. War ein Dorf erst einmal militärisch besetzt, wurden zu Beginn die republikanischen Trikoloren an den Rathäusern durch zweifarbige Fahnen ersetzt.1063 Gleiches geschah, sobald eine Truppeneinheit eine Frontstellung eroberte.1064 Das Austauschen der rot-gold-violetten durch die rot-gold-roten Fahnen bedeutete jedem Anwesenden die Zurücknahme einer 1931 begonnen Symbolpolitik. Die für die Armada von Carlos III. 1785 entworfene rot-gelb-rote Farbkombination, Zeichen einer 1061 Circular numero 48, Salamanca 1937, Delegacijn Nacional de la Seccijn Femenina de FET y de las J.O.N.S, in: Circulares de la Delegada Nacional, aÇos 1936–1943, S. 13 (Herausstellung durch Verfasser). 1062 Banda de mfflsica para las milicias de Falange, in: La Nueva EspaÇa, 19. Dezember 1936, S. 10. 1063 Juan Barja (Quiroga): Resumen del diario de operaciones de la Bandera Legionaria Gallega de Falange EspaÇola, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 8. Siehe auch: La Voz de Galicia, 11. August 1936, S. 6; 11. August 1936, S. 7; 3. September 1936, S. 2; 3. September 1936, S. 6; 17. November 1936, S. 8; Faro de Vigo 26. November 1936, S. 8. 1064 Juan Barja (Quiroga): Resumen del diario de operaciones de la Bandera Legionaria Gallega de Falange EspaÇola, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 8.
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Propaganda und Rituale im Krieg
monarchistisch-traditionellen Politik, war 1931 verändert worden, um mit einer neuen, der violetten Farbe neben dem traditionellen Rot-Gold den demokratischen Charakter der Regierung zu veranschaulichen.1065 Diesen Symbolcharakter annullierten die Aufständischen durch die Rücknahmen der Fahnen jetzt bildlich. An Balkonen und Lastwagen drapierten Soldaten und Milizionäre rotgold-rote Nationalflaggen, daneben vielerorts diejenige der eigenen Miliz. Die Nationalfahne musste, nach offizieller Richtlinie, stets rechts hängen, diejenige der Partei links. An Autos hatten die Fahnen auf der Höhe des Kühlers zu hängen. Nur dem Zivilgouverneur und dem Militärgouverneur einer Region war es erlaubt, die Fahne am oberen Teil des Autos zu befestigen.1066 Als weiteres Revisionsritual folgte die Wiederanbringung von Kruzifixen in Schulen, Essenssälen, Rathäusern und den übrigen staatlichen Einrichtungen.1067 Eine derartige symbolpolitische Eroberung eines Dorfes schloss für gewöhnlich mit dem Auftritt der Falange-Kapelle ab. Die Kapellen wiederholten ihre Darbietungen regelmäßig, und zwar zu ganz unterschiedlichen Anlässen. Gerade dort, wo der militärische Feldzug erst kurz zuvor Erfolg gezeitigt hatte, waren durch Musik untermalte Festakte dazu da, die neuen Machthaber zu präsentieren und neue Mitglieder für die Falange zu gewinnen. Der Falangist Jesus Souto Vilas aus Santiago vermerkte bereits in einem Brief vom 8. August 1936, er habe einen patriotischen Festakt angeordnet, der »brillanten Erfolg« gehabt und den Zulauf von Freiwilligen befördert habe.1068 Zur selben Zeit spielte für die Aufrechterhaltung der festlichen Aura die Fernwirkung der militärischen Erfolge im Zentrum und Süden des Landes eine wichtige Rolle. Sobald durch die Aufständischen Eroberungen an den entfernten Fronten gemacht wurden, das heißt, sobald die Städte Oviedo, Toledo und M#laga in die Hände der franquistischen Armee fielen, bot dies auch den Falangisten in Redondela (Pontevedra) oder CamariÇas (A CoruÇa) Anlass, Festmärsche abzuhalten. Mancherorts kam es so zu spontanen Versammlungen von Falange-Musikern, wie beispielsweise für den dienstlich versetzten MilizFührer von Mar&n (Pontevedra), den seine Kameraden auf Schultern vom Falange-Zentrum bis zu seiner Wohnung trugen, während sie das Cara al Sol
1065 Decreto, 27. April 1931, in: Gaceta de Madrid, 28. April 1931, in: http://www.heraldicahi spanica.com/republica.htm. 1066 Sobre el empleo de banderas y colgaduras, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. San Sebasti#n. 1067 Siehe z. B. De Cesuras, in: La Voz de Galicia, 3. September 1936, S. 2; De Santa Cruz de Oleiros, in: La Voz de Galicia, 16. September 1936, S. 6; Falange EspaÇola de las Jons, in: Faro de Vigo 26. November 1936, S. 8; Pueblo, in: Faro de Vigo, 21. Oktober 1936, S. 4 1068 El subdelegado del orden publico (Jesffls Souto Vilas) an den Delegado del orden publico, Santiago de Compostela, 8. August 1936, in: ARG, 32.613/2934 (ARG, Correspondencia en relacijn con Ordenes, circulares, oficios,…del Ministerio de de la Gobernacijn y otros organismos sobre asuntos que afectan a varios ayuntamientos 1936).
Festumzüge und Paraden
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spielten.1069 In Porto do Son (A CoruÇa) nahm die örtliche Falange-Kapelle an einer Strafaktion teil: Vier alte Männer, die durch das Dorf getrieben wurden, mussten, von Instrumenten begleitet, das Cara al Sol singen.1070 Insbesondere bei Empfängen von Frontheimkehrern begleiteten die Kapellen die offiziellen Festakte. Bei der Rückkehr der Bandera Gallega de Falange EspaÇola nach A CoruÇa feierten noch an der Bahnstrecke von Zamora nach Galicien Musiker die Milizionäre. In der Stadt selbst führten die SF und die CONS zusammen mit den Requet8s und den Caballeros de La CoruÇa einen Ehrenmarsch durch, der vom Bahnhof bis vor das Rathaus auf dem Plaza de Maria Pita führte. Nach der dortigen Ankunft wurden dem General Barja de Quiroga ein rot-gelber und ein rot-schwarzer Blumenstrauß überreicht, in den Farben des »Neuen Spaniens« und der Falange. Die Kapelle spielte, den Festakt begleitend, den Militärmarsch Marcha de Cadiz sowie das Cara al sol.1071 Wenige Tage zuvor, am 12. Oktober 1936, hatte schon der »Tag der Rasse« (Dia de la Raza) Gelegenheit geboten, öffentlich klarzustellen, wer Sieger in dem am 18. Juli 1936 begonnen Kampf war und wer Verlierer. Dieser Tag, an dem in Spanien eigentlich die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus gefeiert wurde, ließ sich mit der Überhöhung der eigenen Nation, wie sie von den Aufständischen seit Kriegsbeginn betrieben wurde, bestens verbinden. Es trugen sich, wie der Faro de Vigo berichtet, im Zuge dieses Tages weitere Feierlichkeiten der »patriotischen Affirmation« zu.1072 Die schon im Herbst 1936 begonnenen Vorbereitungen für die Festlichkeiten zur Einnahme Madrids weisen auf zwei wichtige Aspekte der Wahrnehmung des Spanischen Bürgerkrieges durch die nordspanische Bevölkerung hin. Zum einen ist den Beschreibungen der Fest-Vorbereitungen in den falangistischen Ego-Dokumenten zu entnehmen, wie groß, trotz spontan durchgeführter Umzüge, der Zwangscharakter für Massenzusammenkünfte tatsächlich war und wie sehr sich die Führungsebene der Falange um die Inszenierung der »nationalen Einheit« bemühen musste. Zum anderen erkennen wir in den Äußerungen der Aufständischen, dass nach den militärischen Parforceritten Yagües und Francos im Süden des Landes viele Menschen in Nordspanien fest davon ausgingen, dass Madrid in Kürze fallen würde. Mit einem länger andauernden Krieg wurde kaum gerechnet. Bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn wurden deshalb schon genaue Vorkehrungen für den Tag der Eroberung getroffen. Es wurde festgelegt, 1069 Crjnica de Mar&n, in: El Faro de Vigo, 13. Oktober 1936, S. 4. Zum typischen Verlauf eines desfile siehe El desfile, in: El Progreso, 1. September 1936, S. 2. 1070 Carlos F. Velasco: 1936, S. 86. 1071 Ayer llegj a La CoruÇa la Bandera de la Legion Gallega, in: La Voz de Galicia, 15. November 1936, S. 1. 1072 Dieser Tag, an dem die Entdeckung Amerikas gefeiert wird, ist generell vom Gedanken der aus der Kolonialzeit stammenden und Kontinente übergreifenden »Hispanität« getragen. Siehe z. B. La fiesta de la raza, in: El Faro de Vigo, 14. Oktober 1936, S. 4.
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Propaganda und Rituale im Krieg
wie der baldige militärische Erfolg gefeiert werden solle. In der Stadt A CoruÇa gewährte die lokale Elektrizitätsgesellschaft (F#bricas CoruÇesas de G#s y electricidad) vier Tage lang die kostenlose Stromnutzung, um zum Anlass der Siegesfeier die Außenbeleuchtungen an Häusern und Geschäften rund um die Uhr einzuschalten.1073 In Lugo wurden Girlanden, Feuerwerkskörper und ein neun Meter hohes Kreuz bereitgehalten, das beim Eintreffen der Nachricht über den Sieg aufgestellt würde. Kanonenschüsse würden signalisieren, dass sich »sämtliche Bürger« der Stadt auf dem Hauptplatz zu versammeln hätten, angeführt von den Militärs und der Falange.1074 Von den für die Eroberung bereits getroffenen Festvorbereitungen in Monforte (Lugo), mit »schönen Beleuchtungen«, war sogar der sonst äußerst falange-kritische Soldat, Faustino V#zquez Carril beeindruckt.1075 In A CoruÇa ordnete Carlos Montero D&az an, dass, sobald Madrid »wieder spanisch« sei, Sirenen erklingen und die Kirchenglocken geläutet werden sollten. Auf dieses Zeichen hin habe sich jeder Falangist der CONS umgehend zum Mar&a Pita-Platz zu begeben. Täte er dies nicht, würde er mit Ausschluss aus der Falange bestraft.1076 Was vielen Falange-Abteilungen in Spanien bis zum 18. Juli 1936 verwehrt geblieben war, Aufmärsche zur Inszenierung des eigenen Militarismus, wurde nach dem Ausruf des Militäraufstandes zu einem charakteristischen Merkmal des öffentlichen Lebens. Die von der Falange-Parteiführung sooft beschworene kulturelle Verankerung eigener Rituale und Sprechweisen bekam durch den Kriegsbeginn eine ungeahnte Beschleunigung. Die lokalen Falange-Führer setzen nun alles daran, eine faschistische Kultur zu verbreiten. Alles, was öffentlichen Charakter besaß, sollte für diese Verbreitung genutzt werden, neben Festen und Paraden auch weitere öffentliche Spektakel.
Kulturveranstaltungen: Theater, Konzerte und Stierkämpfe Von 1933 an hatten die Falangisten darauf Wert gelegt, ihre Politik als Lebensstil darzustellen, in der sprachlichen und ästhetischen Gesichtspunkten sehr viel stärkere Bedeutung zukam als politischen Programmatiken. Die neue Machtstellung der Falange half dabei, das kulturpolitische Profil nun institutionell zu verankern und die falangistische Gemeinschaft auch in anderen Bereichen des sozialen Lebens zu inszenieren. Mit Einbruch des Winters 1936/1937 begann die Falange verstärkt, Kulturveranstaltungen durchzuführen. Die Angebote dienten 1073 1074 1075 1076
Iluminaciones pfflblicas, in: El Faro de Vigo, 22. November 1936. S. 7. Lugo, in: La Voz de Galicia, 21. November 1936, S. 5. Faustino V#zquez Carril: Las columnas, S. 202. Falange EspaÇola, in: La Voz de Galicia, 7. November 1936, S. 1.
Kulturveranstaltungen: Theater, Konzerte und Stierkämpfe
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dazu, die Akzeptanz der neuen Machthaber seitens der Zivilbevölkerung zu befördern und weitere finanzielle Quellen zu erschließen. Alternativ zu Spendensammlungen, die, wie mehrere falangistische Quellen belegen, zunehmend auf Missfallen bei der Zivilbevölkerung stießen,1077 wurden ab dem Winter 1936 kulturelle Angebote zu einer lukrativen Einnahmequelle. Die Partei organisierte Theaterschauspiele, Boxveranstaltungen und Konzerte, wie zum Beispiel diejenigen des Opernsängers Miguel Fleta.1078 Fleta, Falange-Mitglied und internationaler Opernstar, der in den 1920er Jahren in Barcelona, Mailand und New York aufgetreten war, sang auf seiner Tournee, die ihn unter anderem durch Galicien führte, vorwiegend klassische Werke von Jacinto Guerrero und Guiseppe Verdi und bot zum Abschluss seiner Konzerte eine eigene Interpretation der Falange-Hymne Cara al sol.1079 Neben Fleta traten auch der asturische Tenor Fernando Cu8 und Juan Santamaria auf. Diese beiden Sänger gaben vor allem Darbietungen in den Werkstätten der falangistischen Frauenabteilungen sowie vor Kindergruppen in Essenssälen oder auf Blutspendestationen.1080 Die CONS organisierte Theater- und Musikfestivals, bei denen humoristische Theaterstücke und Auftritte von Komödianten das Programm prägten.1081 Für eine Benefizveranstaltung zugunsten des SEU von Ferrol 1077 »Für die Milizen wollen die in den Dörfern nichts mehr geben, oder, wenn sie etwas geben, dann tun sie es mit Widerwillen.« Indalecio Vidal Lomb#n (el jefe provincial del departamento medico) an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de Falange EspaÇola de las JONS, Almirante Bonifaz, Burgos, 18. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Ourense. Auch aus Sanxenxo (Pontevedra) berichtete ein Falangist, dass sich die Bewohner bezüglich der Spenden »sehr zurückhaltend« geben würden. Jefe provisional Sanxenxo an Jefe provincial, 7. Februar 1937, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158. 1078 »Falange Santiago, nach dem hervorragenden Festakt, bei dem Kamerad Fleta einen seiner fabelhaften Auftritte hatte, […] es grüßt Dich mit dem Arm in der Höhe, der jefe comarcal Fuentes, Arriba EspaÇa« Telegramm, 10. Februar 1937, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. Seccijn Femenina; Pedro S#nchez Blas an den Zivilgouverneur A CoruÇa, 25. November 1936, in: ARG, 32.467/2788 (Expedientes de ayuntamientos. Comprende: Aceptaciones y renuncias de cargos, sueldos, solicitudes y denuncias de vecinos…Abegondo/Capela 1935/1936/1937–1938). 1079 La Voz de Galicia, 11. Februar 1937, S. 2. Zu weiteren Auftritten Fletas in der von den Aufständischen besetzten Zone und zu seinem Engagement für die Gründung eines Teatro Nacional de Falange, vgl: Rafael Abella: La vida cotidiana, S. 60. u. S. 378. Zu Theatergruppen und -aufführungen, siehe: Jos8 Mar&a Mart&nez Cachero: Tal&a en la Guerra Civil: Sobre el teatro de la zona nacional, in: Investigacijn y cr&tica, Nr. 1, Oviedo 2000, S. 295– 318. 1080 Falange en Galicia. Nuestros artistas en la guerra, in: La Nueva EspaÇa, 20. Januar 1937, S. 6. 1081 Zu einem Festival, das bereits im August zu Ehren des Heeres und der Falange durchgeführt und von der CONS organisiert wurde, warb diese mit dem Auftritt des »wissenschftlichen Hypnotiseurs« Doktor Garloff und dem Auftritt des Humoristen Guti; vgl. De Falange EspaÇola en La CoruÇa, in: La Voz de Galicia, 26. August 1936, S. 2. Zu anderen Auftritten vgl. Una gran fiesta a beneficio de la Central Obrera Nacional Sindicalista, in: La
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präsentierte die Falange die Komödien No te ofendas, Beatriz von Carlos Arniches und La Tela von Pedro MuÇoz Seca, dessen Aufführungen zudem als Kommentar zu seiner Inhaftierung gedeutet werden können.1082 MuÇoz Secas war in Barcelona gefangen genommen worden und befand sich zur Zeit der Aufführungen im Gefängnis in Madrid. Er fiel später der Hinrichtungswelle in Paracuellos de Jaram# zum Opfer, da er als Traditionalist galt, der sich scherzhaft über die Arbeiterbewegung geäußert hatte.1083 Doch ließ die Falange nicht nur bekannte Größen der Unterhaltungsindustrie inszenieren und engagierte berühmte Künstler für Großveranstaltungen. Gerade in ländlichen Gegenden führte die Partei Laientheaterspiele durch, deren Einnahmen den Essenssälen und örtlichen Jugendabteilungen zugutekommen sollten. Für dramatische oder tragische Themen war auch hier kein Platz: Komödien waren das bevorzugte Genre. Ganz im Sinne der nationalen Einheit schlossen die Veranstaltungen mit der Darbietung des Cara al sol; so berichtet La Nueva EspaÇa von regelmäßig durchgeführten Benefiz-Theateraufführungen in Lal&n (Pontevedra), bei denen die Hymne der Falange gesungen wurde, während das Publikum aufstand, mit dem rechten Arm grüßte und Vivas an Spanien und die Armee anstimmte.1084 Wer den von der Falange organisierten Veranstaltungen nicht beiwohnen konnte – und dies traf sicherlich auf die Mehrheit der galicischen Bevölkerung zu – den setzten die wichtigsten Propaganda-Medien über die Spektakel in Kenntnis. Die Zeitungen schwärmten in höchsten Tönen von den Festlichkeiten. Daneben war das vielleicht wichtigste Medium das Radio. Da es Privatpersonen grundsätzlich verboten war, zu Hause Radio zu hören, wodurch jede Möglichkeit unterbunden wurde, republikanische Sender zu empfangen, musste, wer Radio hören wollte, sich wohl oder übel an diejenige Orte begeben, wo es noch Radios gab; und das waren Bars, Casinos oder die Falange-Zentren, wo die Milizionäre versuchten, wegen der geringen Zahl an Rundfunkgeräten, gegenseitige Ausleihen zu organisieren, um so die Übertragungen zu gewährleisten: Verehrter Luis: Ich schreibe Dir, weil Du mir versprochen hattest, dass Du mir eines der Radios leihen würdest, für nur einen einzigen Tag, damit die flechas die Propaganda hören können, die einige ihrer Kameraden heute beim Sender vortragen. Du weißt
Voz de Galicia, 18. September 1936, S. 6. Una velada. La agrupacijn art&stica vendr# a Cangas, in: La Voz de Galicia, 21. November 1936, S. 5. Otro festival de Falange, in: La Voz de Galicia, 15. Dezember 1936, S. 2. 1082 Una funcijn ben8fica, in: El Faro de Vigo, 14.10, 1936, S. 2. 1083 MuÇoz Seca hatte gesagt, das Kürzel der Gewerkschaft UGT bedeute »fflltima generacijn que trabaja« – »Die letzte Generation, die arbeitet«, vgl. Javier Tusell: Historia de EspaÇa en el Siglo XX: La crisis de los aÇos treinta: Repfflblica y Guerra Civil, Madrid 1999, S. 127. 1084 Funcijn ben8fica, in: La Nueva EspaÇa, 14. Februar 1937 S. 10.
Kulturveranstaltungen: Theater, Konzerte und Stierkämpfe
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schon, dass ich mein Wort halte und es Dir heute nach der Übertragung zurückgebe. Mit dem Arm in der Höhe grüßt Dich Dein Kamerad Maug#n.1085
Neben der Übertragung der Reden von Manuel Hedilla und General Yagüe hörten die Bürger spätestens über die dortigen Rundfunkgeräte Lobeshymnen auf die von der Partei organisierten Kulturveranstaltungen. Neben Konzerten und Theaterveranstaltungen fanden in der Zone der Aufständischen vor allem Sportveranstaltungen statt. Fußball, so schreibt Rafael Abella in seiner Alltagsgeschichte des Krieges, hatte, wie schon vor dem Krieg, einen sehr hohen Stellenwert in der spanischen Gesellschaft. Der Militäraufstand hatte mehrere galicische Fußballprofis, die in Madrid, Barcelona oder Santander unter Vertrag standen, im Sommerurlaub überrascht, weshalb sie nunmehr begannen, in den trotz Kriegszustand ausgetragenen Regionalturnieren für die Clubs Deportivo, Celta, Racing und EiriÇa zu spielen und die fußballerische Qualität dieser Mannschaften deutlich anhoben.1086 Aber auch für die Falange-Mitglieder organisierte der SEU in Galicien eigene Fußballspiele.1087 Überdies widmete sich die Falange der Organisation von Stierkämpfen. Für eine Anfang November 1936 in A CoruÇa geplante Großveranstaltung warb die Falange unter anderem damit, dass Pilar Primo de Rivera, die Schwester Jos8 Antonio Primo de Riveras und Führerin der SF, anwesend sei.1088 Drei berühmte Torreros sollten aus Salamanca für den Kampf an die Atlantikküste kommen. Die Falange-Führung kündigte auf Plakaten an, dass Pepe Mart&n, Torrero und »Territorialführer« der Falange in Zaragoza und Katalonien, eigenhändig einen der sechs Stiere mit dem Degen töten werde. Der ebenfalls in Aktion tretende Torrero Domingo Ortega stellte der Falange, laut Zeitungsbericht, mehrere Eintrittskarten zur Verfügung. Die Veranstalter setzten zudem die Preise herab, um auch Arbeitern den Zutritt zu dem Stierkampf zu ermöglichen.1089 Nach wochenlangen Werbeaktionen musste das Spektakel wegen Regens jedoch dreimal verschoben werden.1090 Tagelang hielt die Falange-Führung die wartenden Besucher hin. Die Stiere könnten schon einmal, bevor die Veranstaltung endgültig terminiert werde, in ihren Käfigen betrachtet werden. Schließlich fand 1085 M. Maug#n an Luis Est8vez, AGMAV, MN, Expedientes personales, Jefatura de Santiago, caja 6.124, exp. Luis Est8vez Somoza; Fernando Meleiro an Manuel Hedilla, 15. März 1937, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. Ourense. Siehe auch ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do da morte, S. 115. 1086 Rafael Abella: La vida cotidiana, S. 378–379. 1087 Notas de Falange, in: La Voz de Galicia, 29. Dezember 1936, S. 2; A beneficio de Falange EspaÇola, in: El Faro de Vigo, 8. Dezember 1936, S. 3; Falange EspaÇola Femenina de las JONS, in: El Faro de Vigo, 28. November 1936, S. 2. 1088 Plaza de toros de La CoruÇa, in: La Voz de Galicia, 3. November 1936, S. 2. und La Voz de Galicia, 4. November 1936, S. 2. 1089 La gran corrida de toros de hoy, in: La Voz de Galicia, 6. November 1936, S. 1–2. 1090 La corrida patrijtica, in: La Voz de Galicia, 8. November 1936, S. 2.
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der Stierkampf mit wenig renommierten »Ersatztorreros« und bei schlechtem Wetter am 12. November 1936 statt und hatte wenig von dem Glanz, den die Falange ihm gerne verliehen hätte.1091 Das Beispiel des wenig besuchten Stierkampfes macht zwei Dinge deutlich: Von den Parteien, die den Aufstand vom 18. Juli 1936 unterstützten, war die Falange diejenige Miliz, die am schnellsten versuchte, sich der politischen Öffentlichkeit zu bemächtigen, was ihr jedoch nur teilweise gelang. Die Beschwörung des Gemeinschaftscharakters über die Einbindung der Bevölkerung in von der Falange organisierte Veranstaltungen und Feierlichkeiten war omnipräsent, aber nicht immer von Erfolg gekrönt. Die Falange erreichte bis Ende 1936 zwar eine exponierte Stellung im Lager der Aufständischen, zehntausende Mitglieder zählte sie inzwischen in ihren Reihen. Doch hatte die politische Führung gerade wegen des massenhaften Zulaufs Schwierigkeiten dabei, die Aufgabe zu bewältigen, einen »falangistischen Kern« zu wahren. Das wird auch auf finanzieller Ebene deutlich. Wie das Eintrittsgeld für die Veranstaltungen auf die einzelnen Falange-Körperschaften verteilt werden sollte, darüber herrschten nämlich unterschiedliche Auffassungen. Aus Valladolid schrieb Javier M. Bedoya an die Parteiführung nach Burgos: Ich hänge Dir die Mitteilung über den phantastischen Auftritt von Fleta in Galicien an, die mir Kamerad Bravo geschickt hat. Gumersindo Garc&a ist sehr besorgt wegen der internen Konkurrenz, die sich in der Falange bezüglich der Kulturveranstaltungen entwickelt. Er schlägt als Lösung vor, dass es eine einzige Kasse für den Erlös aller Veranstaltungen und Festivals gibt, die Falange EspaÇola y de las JONS organisiert, und dass von dem Eingenommenen, zum Beispiel 50 % an die Winterhilfe, 30 % an Presse und Propaganda und 20 % an die flechas gehen.1092
An dieser Aussage fällt erstens auf, wie stark der Drang innerhalb der FalangeFührung war neben der finanziellen und logistischen Unterstützung der Frontaktivitäten für den Aufbau einer faschistischen Gesellschaft zu sorgen. Was zu Republikzeiten nicht gelungen war, die Einbindung der Massen, wurde nun stringent verfolgt. Nur die Hälfte der Einnahmen aus Kulturveranstaltungen ging an die Winterhilfe, die andere Hälfte diente der innerparteilichen Festigung durch Geldabgaben an die flechas und an die Propagandaabteilung. Zweitens erstaunt der Hinweis Bedoyas, es entwickle sich eine Konkurrenz bezüglich der Kulturveranstaltungen. Die bereits auf anderen Ebenen mehrfach sich herauskristallisierenden Widersprüche der Faschismusbewegung, die, je nach Sichtweise, Gesetzeshüter und Gesetzesbrecher beheimatete, verankerte sich also auch auf dem Gebiet der Kulturveranstaltungen, wo es binnen kürzester 1091 La lluvia nos estropej el festejo, in: La Voz de Galicia, 13. November 1936, S. 2. 1092 Javier M. Bedoya an Manuel Hedilla, Valladolid 19. Februar 1937, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. Seccijn Femenina.
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Zeit zur Organisation einer Vielzahl verschiedener Aufführungen kam, die auch in Konkurrenz zueinander traten.
Der Umgang mit den Kriegstoten An der mystischen Vergemeinschaftung von lebenden und toten Falangisten, die durch die Propaganda während der Zweiten Spanischen Republik erzeugt wurde, änderte sich auch mit Kriegsbeginn grundsätzlich nichts. Was sich jedoch deutlich änderte, waren die Opferzahlen. Die Zeitungen im Nordwesten Spaniens berichteten nun regelmäßig von den Kriegsgefallenen der Aufständischen. Dass die Zeitungs-Rubrik Presente mittlerweile nicht bloß in den FalangeBlättern erschien, sondern beispielsweise auch von La Voz de Galicia gedruckt wurde, zeigt die allgemeine Falangisierung, die mit Kriegsbeginn im Pressebereich einsetzte. Der Ton blieb derselbe, ganz gleich ob es sich um falangistische oder um vormals traditionell-konservative bzw. liberale Publikationen handelte. El Faro de Vigo schrieb über den Tod des aus Cangas (Pontevedra) stammenden Canillo Fern#ndez Rodr&guez in typisch falangistischem Jargon, dass dieser dorthin gegangen sei, »wo sein Wachdienst ewig ist«.1093 La Voz de Galicia schrieb unter Verwendung der üblichen poetisierenden Sprechweise über den verstorbenen CoruÇeser Jos8 Gonz#lez Varela: Er starb wie ein Held, lachend und glücklich, weil er wusste, dass die Unsrigen uns niemals alleine lassen. Wenn wir sie im Leben verlieren, gewinnen wir sie im Himmel, wo unsere besten Schwadronen über unseren Taten wachen und uns Ansporn sind, uns danach sehnen lassen, ihrem Beispiel zu folgen, zu fallen wie sie.1094
Trotz der steigenden Opferzahlen versuchte die Falange-Führung weiterhin, ihre von großem Symbolgehalt getragenen Beerdigungen durchzuführen, und zwar nach wie vor in den Heimatorten der Gefallenen. Natürlich waren diese Zeremonien mit einem nunmehr deutlich größeren logistischen Aufwand verbunden. Die Organisation eines über mehrere hundert Kilometer durchzuführenden Leichentransportes von der Front zurück nach Galicien ordnete die politische Führung deshalb vor allem für bekannte »Althemden« (camisas viejas) an, beispielsweise für den Gründer der JONS in Lugo, Cedrjn de Valle1095, den Propaganda-Chef des SEU in A CoruÇa, Antonio Mart&nez Almoyna, oder Jos8 Gonz#lez Varela. Vermutlich wegen der Schwierigkeiten bei der Durchführung, welche die Beerdigungen mit sich brachten, organisierte die Falange auch Be1093 Funerales por un falangista, in: El Faro de Vigo, 10. Oktober 1936, S. 5. 1094 Un bravo falangista coruÇes, in: La Voz de Galicia, 1. September 1936, S. 5–6. 1095 Entierro del fundador de las JONS, in: La Voz de Galicia, 18. September 1936, S. 5.
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stattungsfeiern, durch die gleich mehrere Falangisten geehrt wurden.1096 Einem aus A CoruÇa stammenden Friedhofsbuch ist zu entnehmen, dass die Falange gegenüber den Militärs bescheinigen musste, dass ein an der Front Gefallener, ihrer Miliz angehörte.1097 Eine Registratur der falangistischen Sanitärabteilung aus Pontevedra zeigt, dass die Partei versuchte, Fotos von den Verstorbenen zu sammeln, um diese zu archivieren. Auch die Mitgliedskarten sollten der Archivierung dienen, weshalb die Karten im Todesfall von der Front zurückgefordert wurden.1098 Da jedoch schon die Ausstellung der Karten bei Aufnahme in die Truppe große Schwierigkeiten bereitete, ist davon auszugehen, dass die Pläne, solche Karteien anzulegen, nach kurzer Zeit verworfen wurden, eine Annahme, die auch durch die fehlenden Fotos bzw. Einträge in den Registraturen gestützt wird. Zu den bürokratischen Hürden einer Beerdigung kamen die hygienischen Probleme der Konservierung der Leichen hinzu, die umso größer wurden, je länger Organisation und Durchführung eines Transportes dauerten. Die Falangisten beförderten die Leichen in Wagen mit Verdecken, die nicht immer sofort zur Verfügung standen. Dieselben Fahrzeuge wurden von ihnen für Wachdienste und für die Transporte zur »Säuberung« eingesetzt.1099 Sofern es zu einer Trauerfeier in der retaguardia kam, erhielt diese einen weitaus größeren festlichen Rahmen, als dies vor dem Krieg der Fall gewesen war. Hatten die Trauernden zuvor die Strecke zwischen Falange-Zentrum und Kirche beschritten, weitete die Falange die Marschroute nun aus. Der Umzug durchquerte die zentralen Straßen der Dörfer und Städte, hielt vor den Häusern der Eltern des Verstorbenen, vor wichtigen Regierungsgebäuden und endete am Friedhof. Es folgten Paraden mit Musik der Falange-Kapellen. Den marschierenden Falangisten schlossen sich für gewöhnlich Milizen wie die Caballeros de La CoruÇa und die requet8s an, daneben Truppeneinheiten des Militärs und Passanten. Eine falangistische Miliz-Einheit, formiert aus Kameraden, die mit 1096 Entierro de tres h8roes, in: La Voz de Galicia, 15. Dezember 1936, S. 1–2. 1097 Libro registro de enterramientos de soldados, 1930–1944, Archivo Municipal de A CoruÇa (AMC), Sign.C 2781. 1098 »24. Oktober 1936, Vigo: Erbeten wird eine Fotografie zwecks Archivierung vom Kameraden Luciano Conde Rodr&guez. Erbeten wird eine neue Mitgliedskarte des benannten Kameraden, wegen nicht detaillierter Angaben zu Verletzungen, Beerdigung etc.«, AHPP, 1.3. Administracijn central perif8rica, Xefatura provincial del movimiento, Pontevedra, Delegacijn provincial de Sanidad, 7. Oktober 1936–24. Juli 1940, L-6527; AHPP, ACPXPM, Secretaria Provincial de Sanidad, 21. September 1936 bis 8. Juni 40, L-6526. 1099 In einem Brief bittet der Bürgermeister von Ferrol den Zivilgouverneur der Provinz A CoruÇa um sechs Verdecke: »Besagte Verdecke sind von dringender Notwendigkeit für die Leichenwagen, die Säuberungsdienste, öffentliche Arbeiten«, 5. Januar 1938 Ferrol, Bürgermeister Ferrol an den Zivilgouverneur, ARG, 33.789/4110 Expedientes informativos sobre personas y propiedades, y denuncias contra aquellos, remitidas al Gobierno Civil por Junta de Obras Publicas, Ayuntamientos y Notarias.
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dem Toten an der Front gestanden hatten, schulterte den Sarg.1100 Bei schlechtem Wetter transportierten die Mitglieder den Sarg mit dem Auto. Die höchsten Geistlichen eines Dorfes oder einer Stadt leiteten die Gottesdienste. Die Anrufung der Toten sprachen die lokalen Führer der Falange, wie Raffll Boj in A CoruÇa oder Antonio Pedrosa Latas und Jos8 Correa Calderjn in Lugo, FalangeMilizionäre hielten Ehrenwache (guardia de honor).1101 Doch variierten die Veranstalter dieses Ritual auch. Zur Trauerfeier für Jos8 Ramjn Moreu Faura und Jos8 Mar&a Longueira Bergua rief eine Falangistin von einem Balkon aus der anwesenden Trauergemeinde die »falangistische Ehrung« zu, woraufhin die Versammelten im Chor der Frau antworteten.1102 Weiterhin bekamen auch Beerdigungen von Familienangehörigen exponierter Falangisten den üblichen Symbolgehalt verliehen, um einmal mehr die Bedeutung der eigenen Bewegung hervorzuheben. Zum Tod von Santiago Montero V#zquez, Vater des JONS-Gründers Santiago Montero D&az und des CONSVorsitzenden in der Provinz A CoruÇa, Carlos Montero D&az, wurde ein Beerdigungsumzug in Ferrol veranstaltet. Ein Kranz ehrte den Verstorbenen mit der Aufschrift: »Die Arbeiter der CONS von La CoruÇa, dem Vater ihres Führers.«1103 Der großen Mehrheit der verstorbenen Falangisten, so legen es die Personalakten nahe, blieb eine derartige Ehrung verwehrt. Im Normalfall äscherten die Falangisten verstorbene Kameraden am Todesort ein, setzten sie auf nahegelegenen Friedhöfen bei oder vergruben die Leichname an Orten, die ihnen angemessen erschienen.1104 Obligatorisch wurden schnelle Beerdigungen nach der Veröffentlichung der Hygienerichtlinie des comandante m8dico aus dem 1100 Un bravo falangista coruÇes, in: La Voz de Galicia, 1. September 1936, S. 5–6; Entierro del fundador de las JONS, in: La Voz de Galicia, 18. September 1936, S. 5; Funerales por un falangista, in: El Faro de Vigo, 10. Oktober 1936, S. 5; Entierro de tres h8roes, in: La Voz de Galicia, 15. Dezember 1936, S. 1–2. 1101 Funeral por los falangistas muertos, in: La Voz de Galicia, 9. August 1936, S. 6; El entierro de tres falangistas, in: La Voz de Galicia, 26. August 1936, S. 4; Entierro de tres h8roes, in: La Voz de Galicia, 15. Dezember 1936, S. 1–2. Entierro del fundador de las JONS, in: La Voz de Galicia, 18. September 1936, S. 5. 1102 Entierro de tres h8roes, in: La Voz de Galicia, 15. Dezember 1936, S. 1–2. Auch Radiobeiträge berichteten über Beerdigungen. Vgl. El entierro de tres falangistas, in: La Voz de Galicia, 26. August 1936, S. 4. 1103 Entierro de Don Santiago Montero V#zquez en Ferrol, in: 10. Dezember 1936, S. 3. 1104 Antonio ]lvarez Ill#n kämpfte in der Provinz Guadalajara und wurde Zeuge, wie einer der Truppenführer der 1a Bandera de Guadalajara, dessen Namen er nicht nennt, erschossen wurde. Weiterhin sagt er : »Wenn Sie den Leichnam dieses heldenhaften capitans bergen wollen, kann ich den Familienangehörigen des Verstorben exakt sagen, wo er beeerdigt ist. Ohne weiteres, ein kräftiges Arriba EspaÇa!« Antonio ]lvarez Ill#n an den Camarada jefe Provincial e milicias, 22. Mai 1939. Zu weiteren Beerdigungen an der Front siehe AGMAV, MN-JPC, Caja 5996, exp. 2; Caja 5996, exp. 4; Caja 5996, exp. 5; Caja 5997, exp. 63; Caja 5999, exp. 132; Caja 6000, exp. 140; Caja 6003, exp. 231; Caja 6.008,exp. 411; Caja 6.012, exp. 565; Caja 6.019, 899; Caja 6.034, exp. 1643; Caja 6.037, exp. 1783.
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Januar 1937. Diese Richtlinie sah vor, dass in einer Schlacht getötete Soldaten bereits einen Tag nach den Kampfhandlungen zu beerdigen seien.1105 Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese Vorgabe vorzugsweise für den Umgang mit den Opfern des Gegners galt. Denn dass die Truppeneinheiten trotz der Krankheits- bzw. Seuchengefahr weiterhin selber großen Wert darauf legten, ihren Kameraden eine möglichst würdige Beerdigung zu organisieren, zeigt das Beispiel einer Falange-Einheit aus Lugo. Die Falangisten kämpften am 10. März 1937 in Asturien um die Loma de Pando und hatten dabei mehrere Verluste zu beklagen. Tagelang harrten die Milizionäre in ihren Positionen aus, ohne nennenswerte Gebietsgewinne. Schließlich stellten die Falangisten einen Freiwilligentrupp zusammen, der eine einzige Aufgabe hatte: Die Leichen der auf dem Schlachtfeld zurückgelassenen Kameraden zu bergen. 13 Tage nach den Kämpfen gelang es den Freiwilligen, acht Leichen hinter den feindlichen Linien aufzufinden und zur Truppe zurückzubringen.1106 Zur selben Zeit ließen die Falangisten die Leichen des Gegners für gewöhnlich liegen, zumindest dort, wo die Möglichkeit bestand, dass die Feinde sie finden und durch den Anblick ihrer getöteten Kameraden abgeschreckt werden könnten. Noch Ende Oktober 1936 berichtet Barja de Quiroga von der Bandera Gallega de Falange aus Huesca, dass die Leichen der Feinde auf dem Schlachtfeld liegengelassen wurden und dass »sie [die Republikaner] sich nicht trauten, ihre Verstorbenen einzusammeln, aus Angst vor unserem Feuer.«1107 Das Ziel der Falange war es, den Feind militärisch zu besiegen, aber auch ihn durch symbolische Handlungen, wie das Liegenlassen der Toten zu demoralisieren. Unveränderlich stand dabei das große Feindbild der Zweiten Spanischen Republik im Zentrum der Wahrnehmung: der »Rote«, der auch im Kriegsfall als der hauptsächliche Antagonist der eigenen Bewegung galt. Andere Selbst- und Fremdbilder erfuhren hingegen im Verlauf des Krieges diskursive Verschiebungen.
1105 »7. Am Tag nach einer militärischen Operation sollte jede Einheit oder Miliz zum Beerdigen der Leichen übergehen, an einem vorher dafür unter Beratung des Arztes der Kompagnie bestimmten Ort.« Jefe ej8rcito del Norte, Mola/el comandante m8dico secretario-jefes de todas las Unidades Militares o de Milicias, ]vila, 16. Januar 1937, AHPOU, Diputacion Provincial, Correspondencia, c. 5895. 1106 Modesto Saenz de Cabezjn Capdet, Historial de la Bandera (1a Bandera de la 1a1/2 Brigada de la 4a Brigada mixta), 1. Dezember 1936–24. August 1937 (Villamar, 25. August 1937), Lugo, AGMAV, C.2687, Cp.2/ D. 1–14, D. 11. Von einem ähnlichen Dienst berichtet auch ein Falangist aus Pontevedra: »Ich biete mich an, die Leiche desjenigen zu suchen, der unser jefe war, Capitan Pardo […]«, AHPP, ACP-XPM, Expedientes personales de militantes, 37– 50, Abilleria-Perreira, Caja 55, exp. 165. 1107 Juan Barja Quiroga: Resumen del diario de operaciones de la Bandera Legionaria Gallega de Falange EspaÇola, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 12.
Selbst- und Fremdbilder im Krieg
»Mann der Waffe und der Schrift« oder doch »Mönchssoldat«? Es kommt der Frieden. Und für Miguel de Cervantes, der halb Soldat, halb Schriftsteller ist, geht der Disput, den Feder und Gewehr miteinander führen, nicht zu Ende. Ganz im Gegenteil: Die Auseinandersetzung weitet sich sogar aus. Sind die Waffen notwendiger als die Wissenschaften, um den Frieden und die Gerechtigkeit in einem Staat zu erhalten? Auf diese Weise spricht Don Quijote und beharrt auf seiner entschlossenen Rede für die Waffen: ›Kommen wir vielmehr auf den Vorrang der Waffen vor den Wissenschaften zurück, ein Gegenstand, der noch zu untersuchen bleibt, derart sind die Gründe, die von jeder der beiden Seiten angeführt werden. Und außer denen, die ich schon vorgebracht habe, sagen die Wissenschaften, ohne sie könne das Waffenhandwerk nicht bestehen; denn auch der Krieg hat seine Gesetze und ist denselben unterworfen, die Gesetze aber fallen unter die Herrschaft der Schrift und der Gelehrten. Darauf antworten die Waffen, ohne sie können die Gesetze nicht bestehen, weil mit den Waffen die Republiken sich verteidigen und die Königreiche sich erhalten, die Städte geschützt, die Straßen gesichert und die Meere von Seeräubern gesäubert werden; kurzum, wenn die Waffen es nicht verhinderten, so wären die Republiken, die Königreiche, die Monarchien, die Städte, die Straßen zur See und zu Lande der Grausamkeit und Zerrüttung preisgegeben, die der Krieg mit sich bringt, solange er dauert und volle Freiheit hat, seine Vorrechte und seine Gewalt zu gebrauchen.‹ Jene Worte von Miguel de Cervantes können Inspiration sein, für einen heutigen Verfassungstext, eine Chronik des Krieges, ein offizielles Programm unserer Miliz.1108
Als der Falangist Teofilio Ortega Anfang Dezember 1936 in der Zeitung PROA diesen Text mit dem Titel »Die Wissenschaft besingt die Hoheit der Waffen« publizierte, herrschte in Spanien seit drei Monaten Krieg. Unter Zuhilfenahme des bekanntesten spanischsprachigen Werkes der Weltliteratur, des Don Quijote von Miguel de Cervantes, versuchte Ortega das symbiotische Verhältnis »der Waffen« und »der Wissenschaft« zu erläutern und darzulegen, warum zur Klärung eines Konfliktes der Einsatz von Waffen den Vorzug vor dem der Schrift 1108 Teofilio Ortega: Las letras cantan grandezas de las armas, in: Proa, 3. Dezember 1936, S. 2.
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verdiene und dass insbesondere die Falange für das Zusammenwirken dieser beiden Kräfte eintrete. Ortega griff damit auf ein Thema zurück, das bereits während der falangistischen Identitätssuche der vorangegangenen drei Jahre eine große Rolle gespielt hatte, und das in der Frage mündete: Was macht den »neuen Kämpfertypus«, den Falangisten, eigentlich aus? Es war Rafael S#nchez Mazas, der ab Anfang 1934 den rhetorischen Grundstein für die Beantwortung dieser Frage gelegt hatte. Als Verfasser der zentralen programmatischen Schriften (»Habitus und Stil«, »Der Tod ist ein Dienst«, »Gebet für die Toten der Falange«) hatte er die Falange vor allem im Bereich des »Geistes« und des »Kampfes« verortet. Tatsächlich floss dieses Vokabular rund um »Opferbereitschaft« und »Kampfeswillen« im Krieg auch in das Sprechen falangistischer Milizionäre ein, zumindest im Falle derjenigen, die sich an den Parteipublikationen beteiligten oder Korrespondenzen mit Parteifunktionären führten, wie der CONS-Vertreter Reinaldo Azcona am 30. Dezember 1936 zum Lob der Weihnachtsansprache Manuel Hedillas: Die Falange, die der Abwesende (ausente) erträumt hat, besteht weiterhin, sowohl in ihren Taten als auch in ihren Worten. In ihren Taten beweisen es in heroischer Art unsere Milizionäre der vanguardia. Und in Worten hat es am vergangenen Heiligabend mit eindeutiger Klarheit der Führer der Junta bewiesen. Immer vorwärts, Kamerad Hedilla, auf dem Weg des blauen Imperiums. Weder gratuliere ich noch applaudiere ich Dir, weil in der Falange kein Platz für höfliche Glückwünsche und Applaus ist. Aber ich schließe mich im Geiste dem Führer an, wann immer er von Entsagung und Aufopferung spricht.1109
Das mit dieser Rhetorik in Verbindung stehende und während der Republikzeit entworfene theoretische Identifikationsbild der Falangisten, das des schweigsamen und sich aufopfernden »Mannes der Waffe und der Schrift« diente jedoch nunmehr nicht nur den Entwürfen idealtypischer Vorstellungen. Durch seinen nationalromantischen Charakter lieferte es mit Kriegsbeginn auch allerhand Stoff für die Beschreibungen des Frontlebens. So zeichnete La Nueva EspaÇa Mitte Februar 1937 von der Asturienfront ein Bild der klassenübergreifenden Harmonie und gegenseitigen Hilfe. Neben den Schusswechseln in den Schützengräben gebe es regelmäßige Gottesdienste und eine »Schule für Analphabeten«. Weil Kriegs- und Schriftkunst auf diese Weise miteinander verbunden würden, lautet das versöhnliche Resümee der Schilderung: »Jetzt mehr denn je: Die Waffen und die Schrift marschieren zusammen.«1110 Unter dem Titel »Die 1109 Falange EspaÇola Valladolid, Reinaldo Azcona, Jefe de Prensa y Propaganda de la Central Obrera an Hedilla, 30. Dezember 1936, AGA, (8)17.02, c.51/18946, cp. CONS. Mit dem Namen ausente, »der Abwesende« wurde Jos8 Antonio Primo de Rivera betitelt, siehe dazu das Kapitel »Der Kult um den c8sar«. 1110 De Grado: La escuela y la iglesia en las trincheras, in: La Nueva EspaÇa, 14. Februar 1937, S. 10.
»Mann der Waffe und der Schrift« oder doch »Mönchssoldat«?
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Falange und die Intellektuellen« (Falange y los intelectuales) forderte die Falange-Zeitschrift Yugo y Flechas sogar den massenhaften Eintritt Intellektueller, »als Ideologen, als Männer der Wissenschaft, der Laboratorien.«1111 Und einige der Falange-Milizionäre zeigten neben ihren kriegerischen tatsächlich auch publizistische Ambitionen, wie Juan MancheÇo, der bei der Parteiführung die Erlaubnis für das Verfassen eines 32–Seitigen »Katechismus der Falange« erbat. Diesen wollte der Milizionär im ganzen Land für 50 Cent verkaufen und die Erlöse der Falange zugutekommen lassen, wobei das Heft inhaltlich einen historischen Abriss der Falange-Bewegung sowie den Falange-Schwur und das 27Punkte-Programm umfassen sollte. Zum Schluss würde eine Sammlung von Hymnen folgen: »Hymne der Falange EspaÇola, Hymne der Fahne, La Giovinezza, Nazi-Hymne, Portugiesische Hymne.«1112 Weiteren Stoff für Falange-Publikationen des Krieges bot eine zur Republikzeit mit dem Bild des intellektuell und kämpferisch aktiven Falangisten verbundene Metaphorik. Sie entwickelte sich im Krieg zu einem der zentralen falangistischen Geschichtsbilder : Der blutende Falangist, der im Sterben mit roten Lettern die Geschichte Spaniens schreibt. Im Krieg bezeichnete die Zeitung Jerarqu&a diese falangistische Art der Geschichtsschreibung als »Grammatik des Blutes. Wissenschaft des Blutes«.1113 Über die Rückkehr der Bandera Gallega de Falange EspaÇola in ihre Heimatregion heißt es in La Voz de Galicia: »Sie hat mit blutigen Pinselstrichen einige erfolgreiche Seiten der Geschichte dieser nationalen Befreiungsbewegung geschrieben.«1114 Insbesondere die Popularität eines neuen trivialliterarischen Genres, des »Falangistenromans« – von Falangisten für Falangisten –, sorgte dafür, dass diese blutigen Bilder während des Krieges Verbreitung unter den Milizionären fanden.1115 Auch in den Romanen bleibt das zentrale Thema der Opfertod, der stets als ästhetisches Spektakel präsentiert wird:
1111 Falange y los intelectuales, in: Yugo y flechas, Nr. 134, 12. Januar 1937, S. 2. 1112 Juan MancheÇo an Manuel Hedilla, 10. November 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. San Sebasti#n. 1113 Una nueva Asignatura del Mundo, in: Jerarqu&a. Revista negra de la Falange. Gozo y flor de las cuatro estaciones, Bd. 1, San Sebsati#n 1936, S. 13–15, S. 13. 1114 Notas de Falange, in: La Voz de Galicia, 17. November 1936, S. 2. Der General Lombarte verabschiedete sich von der Truppe mit den Worten: »Für mich ist es ein Stolz, die Division in diesen schwierigen Momenten geführt zu haben, in denen Soldaten und Milizen mit ihrem Blut die Nachbarregion getränkt haben.« Despedida del General Lombarte, in: La Voz de Galicia, 6. Dezember 1936, S. 1. 1115 Die einzige systematische Analyse dazu: Piotr Sawicki: Espero morir despacio … El rito de la muerte en el ideario colectivo de la Falange, in: Piotr Sawicki: Las plumas que valieron por pistolas. Las letras en pugna con la historia reciente de EspaÇa (Estudios Hispanicos IX), Warschau 2001, S. 97–105.
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Der freiwillige Tod, der ist schön, […] weil Du ihn Dir suchst, willentlich. Du stirbst unter der Sonne oder unter den Sternen. Aber Du stirbst im Kampf, und Dein Blut wird fruchtbar wie ein Frühling. Niemand sagt etwas. Nur Deine Kameraden heben den Arm, sie schreiben Deinen Namen in goldenen Buchstaben und schreien: Anwesend! Ihre Augen glänzen, aber sie weinen nicht, weil sie Dich mit einer Feier ehren müssen.1116
Tatsächlich hatte der Falangist Garc&a Serrano, der Autor dieser Zeilen, für sich einen anderen Plan vorgesehen: »Mir würde es gefallen, zu sterben. Aber mein Schicksal ist ein anderes, nämlich Deine Romanze zu schreiben.«1117 Weitere düstere Sterbeszenarien fanden auf diese Weise Verbreitung. Am 7. März 1937 veröffentlichte La Nueva EspaÇa eine Kurzgeschichte, deren Protagonist, ein an der Asturienfront stehender galicischer Falangist, die Kunstauffassung der Falange durch den Akt des eigenen Todes vermittelt. In der Geschichte kehrt der Falangist von einem Fronteinsatz ins Lager zurück, wo er sich an einen Tisch setzt. Während er von Siegesgefühlen ergriffen wird, beginnt er eine Zigarette zu rauchen: Das Streichholz, das er zwischen seinen Fingern erlöschen ließ, projizierte seine groteske und vergrößerte Gestalt an die feuchten Wände. […] Er träumte wohl von Galicien. […] Bald hatte er beide Hände gegen den Kopf gepresst. Er dachte nach, er biss auf die Feder. Er musste dieses liniierte Papier füllen. Die Mutter, seine Schwester, vielleicht die Freundin? warteten auf ihn in Galicien. ›Geliebte…‹. Und tausende Male kratzte er sich am Kopf, und genauso oft kaute er auf der Feder. Inzwischen hatte er schon die erste Seite beschrieben, als … Er hatte keine Zeit das heisere Zischen zu vernehmen, weil das Geschoss weiter oben explodierte, auf der Höhe der feuchten Wände. Auf dem Briefpapier waren rote Flecken über der Tinte. Die Sonne ging auf … Er aber blieb sitzen. Auf dem Tisch ruhte sein Kopf, und auf dem Boden … Ich weiß nicht … aber dort war etwas, das an seine Beine erinnerte, und die Beine badeten in etwas, das die Farbe des yugo y flechas trug.1118
Es ist kaum zu klären, inwieweit das Gros der Frontsoldaten dieser düsteren Heldenrhetorik etwas abgewinnen konnte. Die ausgewerteten Quellen zeigen zumindest, dass sich einige Falangisten sehr wohl an der Verfertigung blutiger Kriegsgeschichten beteiligten und der programmatisch eingeforderten Verbindung von Schrift- und Waffenkunst Rechnung tragen wollten. Dabei handelte es sich nicht ausschließlich um Intellektuelle, wie an den von grammatikalischen und orthographischen Fehlern durchsetzten Briefen zu erkennen ist, sondern um Männer mit mittelständischen Berufen und um Studenten, die sich der auf Plakaten und in der Presse vermittelten Selbstbildern befleißigten. Folglich 1116 Garc&a Serrano: Eugenio o la proclamacijn de la Primavera, Bilbao 1938, S. 11. zit. bei. Piotr Sawicki: Espero morir despacio, S. 100. 1117 Ebenda. 1118 Carta de sangre, in: La Nueva EspaÇa, 7. März 1937, S. 4.
»Mann der Waffe und der Schrift« oder doch »Mönchssoldat«?
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betraf die aktive Verfertigung von Kriegsgeschichten nicht nur eine Minderheit, aber immer noch einen vergleichsweise kleinen Teil innerhalb der wachsenden Bewegung. Gelangten aber die heroischen Bilder von Kunst, Intellektualität und Kampf abseits ihrer theoretischen Skizzierung und propagandistischen Nutzbarmachung in der Parteihierarchie noch weiter nach unten? »Disziplin, Aufopferung und Pflichtbereitschaft«, schreibt der Ourenser Milizführer Joaqu&n Est8vez am 2. Oktober 1936 an August&n Aznar, hätte man sogar den »schlichtesten Gehirnen«, insbesondere den ergebenen Bauern, »eingetrichtert«.1119 Ästhetisch interessierte Falangisten, die im Krieg vor allem dessen Kunstcharakter erblickten, hatte Est8vez bei dieser Beschreibung sicherlich nicht im Sinn. Ähnlich herablassend klingt die Beschreibung der Situation in der stark rural geprägten Gemeinde Santiso (A CoruÇa), wo, dem Lokalführer (jefe local) Higuinio P8rez Varela zufolge, nach einer »intensiven Kampagne« und »Säuberung« erreicht wurde, dass die »zersetzende Propaganda aus den Gedanken unserer Landarbeiter« verschwand.1120 Vielmehr als dass hier ein tatsächlicher Einfluss der Falange-Propaganda auf die Landbevölkerung beschrieben würde, klingt in den zitierten Quellen an, dass der hoch gehaltene Intellektualismus einzig und allein den Althemden dazu diente, die eigene elitär-herablassende Haltung zu rechtfertigen und von den meist aus ärmeren ländlichen Gebieten stammenden »Neuhemden«, falangistische Linientreue einzufordern. Das in dieser Haltung anklingende Vorurteil einer angeblich intellektuell beschränkten Arbeiterschaft finden wir genauso in den Einschätzungen wieder, die der CoruÇeser Falangist der ersten Stunde, Diego Salas Pombo, und der Falangist ]ngel Alc#zar de Velasco von Manuel Hedilla abgaben. Hedilla, den JONS entstammend und sozial in der Arbeiterschaft verankert, versuchte die Falange ab August 1936 durch einen stärker syndikal orientierten Ton zu prägen und näherte sich damit wieder älteren Revolutionsvorstellungen der JONS an, wie sie von Ramiro Ledesma Ramos und Santiago Montero D&az vertreten worden waren. In der Sicht Diego Salas Pombos war Hedilla »ein ehrlicher Mensch, bewundernswert für seine Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit, aber mit der beschränkten Fähigkeit desjenigen, der weder eine universitäre Ausbildung, noch eine lange politische Erfahrung hatte … er war ein Arbeiter – ein qualifizierter Arbeiter, aber ein Arbeiter.«1121 ]ngel Alc#zar de Velasco verstieg sich 1119 Brief Joaqu&n Est8vez, Milizführer Ourense, an Augustin Aznar, Jefe Primera L&nea, 2. Oktober 1936, AGA, (8)17.02, c.51/18946, cp. Ourense. 1120 Higuinio P8rez Varela, Jefe Local de FET de Santiso, an den Zivilgouverneur, 4. November 1938, ARG, 32.551/2872 (Informes y Correspondencia con cuerpos de seguridad sobre conducta de individuos particulares y miembros del Sindicato Agricola.) 1121 Diego Salas Pombo, interviewt am 2. Dezemer 1977, zit. nach Sheelagh Ellwood: Prietas las filas, S. 93.
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sogar zu der Einschätzung, die Falange sei eine »zu ernste Sache gewesen« als dass sie Hedilla, »einem Lastwagenfahrer«, in den Kopf gepasst hätte.1122 Die Existenz eines innerhalb der Falange herrschenden Klassendenkens, die in den Aussagen von Est8vez, Varela, Pombo und Velasco zum Tragen kommt, wird durch den Kommentar eines weiteren Ourenser Milizionärs bestätigt, der in der Falange-Hierarchie sehr viel weiter unten stand, der aber das vorherrschende Hierarchiedenken dennoch verinnerlicht und akzeptiert hatte. Für diesen Milizionär kennzeichnete die Falange eine »Erneuerung Spaniens, Erneuerung von unten, von ganz unten und mit vielen Intellektuellen. Es war eine komplette Erneuerung, nicht wahr, auch wenn wir nicht dazu gehörten…«.1123 Diese Sichtweisen einbeziehend wird erklärlich, dass im Laufe des Krieges der Ausdruck »Hälfte Mönch, Hälfte Soldat« (mitad monje, mitad soldado) als Bezeichnung des Falange-Kämpfers an Bedeutung gewann. Über ihn ließen sich nämlich die Abhängigkeitsverhältnisse, die innerhalb der Falange durchaus existierten, sehr viel deutlicher abbilden. Es steht zwar nicht fest, wer den Ausdruck mitad monje, mitad soldado erstmals verwendete. Doch benutzten die Falangisten ihn ab Anfang 1937 regelmäßig, so dass der Begriff auch in den ersten Monographien der Kriegszeit, die sich der theoretischen Durchdringung des Falangismus widmeten, auftaucht. Bei Gumersindo Montes Agudo ist es der »kräftige Truppenverband der Jugend, Hälfte Mönch, Hälfte Soldat«, bei Ferm&n Yzurdiaga Lorca »Soldaten und Mönche, beides zur Hälfte: Geduld des Asketen und soldatische Arme.«1124 In jedem Fall markiert die Bezeichnung »Mönchssoldat« eine Diskursverschiebung. Für Falangisten der Führungsebene, die den Großteil der Propaganda verfassten und verbreiteten, drückte das Bild des »Mönchssoldaten« eine viel stärkere Ergebenheit aus und ließ sich besser mit dem an der Front notwendigen militärischen Gehorsam verbinden als der vorgeblich reflexive Charakter des zuvor gepriesenen intellektuellen Kämpfers. In logischer Konsequenz dieser diskursiven Forcierung von militärischer Gefügigkeit erhielten die während der Republikzeit entstandenen Verhaltensregeln zum »falangistischen Habitus« nunmehr eine Ergänzung durch einen offiziellen Falange-Schwur (Juramento de Falange). Dieser Schwur fand Ver1122 ]ngel Alc#zar de Velasco, interviewt am 15. Februar 1977, ebenda, S. 94. 1123 Interview O.M., Nr. 65, 1. April 1989, UPDOC. 1124 Gumersindo Montes Agudo: Hacia un nuevo orden, Santander 1937, S. 15. Fermin Yzurdiaga Lorca: Jerarqu&a. Esquema de una misijn, in: Jerarqu&a, 1937, Nr. 1, S.47–58, S. 55–56. Bei Fermin Yzurdiaga Lorca wird der Begriff Jos8 Antonio Primo de Rivera zugeschrieben. Dafür gibt es allerdings keinerlei Belege. Dennoch verbreitete sich die Ansicht, dass auch dieses Bild von dem Parteiführer entworfen wurde. Für den weiteren Fall dieser fälschlichen Zuschreibung siehe das Zitat eines Falangisten bei: Juan Ignacio Gonz#lez Orta: ¿Mitad monjes, mitad soldados? Los hombres del fascismo rural en la provincia de Huelva: De la teor&a a la practica (1937–1945), in: Miguel ]ngel Ruiz Carnicer (Hg.): Las culturas pol&ticas del fascismo, S. 183–194, S. 186.
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breitung über die Parteipresse. Einige falangistische Frontsoldaten trugen den Schwur neben ihrer Falange-Mitgliedskarte in kleinen Leder-Etuis bei sich: Ich schwöre, mich immer in den Dienst Spaniens zu stellen. Ich schwöre, keinen anderen Stolz zu haben als denjenigen des Vaterlandes und der Falange, und immer unter der Falange zu leben, mit Gehorsam, Elan und Geduld, Mut und Schweigsamkeit. Ich schwöre Treue und Unterwürfigkeit gegenüber unseren Führern, Ehre der Erinnerung unserer Toten, tadellose Beharrlichkeit in Zeiten der Unbeständigkeit. Ich schwöre, wo auch immer ich mich befinde, ob ich gehorche oder ob ich befehle, unsere Hierarchie zu respektieren, vom ersten bis zum letzten Falangisten. Ich schwöre, alle Stimmen, die den Geist der Falange schwächen, sowohl des Feindes als auch des Freundes, zu überhören oder zurückzuweisen. Ich schwöre, vor allen anderen den Gedanken der Einheit zu bewahren, Einheit unter den Ländern Spaniens, Einheit unter den Klassen Spaniens, Einheit unter den Menschen Spaniens. Ich schwöre, in heiliger Bruderschaft mit allen Falangisten zu leben, Hilfe zu leisten und Zwistigkeiten beiseite zu lassen, immer wenn die heilige Bruderschaft es erfordert.1125
Im selben Duktus verfasst wie die Programmatiken »Habitus und Stil« und »Der Tod ist ein Dienst«, appellierte der Falange-Schwur vor allem an den Gehorsam und die Entsagungskraft der Milizionäre. Zwar wurde während des Spanischen Bürgerkrieges weiterhin die angebliche Intellektualität der Falange hervorgehoben. Die vormals suggerierten innerparteilichen Partizipationsmöglichkeiten der Falange-Kämpfer mittels intellektueller Betätigung traten allerdings gegenüber Schilderungen erwünschter Abhängigkeitsverhältnisse in den Hintergrund. Zu diesen passte das Bild des unterwürfigen »Mönchssoldaten« sehr viel besser als dasjenige des »Mannes der Waffe und der Schrift«. Im Fall der Region Galicien ließ sich diese falangistische Propaganda außerdem mit der angeblichen Beschaffenheit des »galicischen Charakters« verbinden.
1125 Beispiel eines Lederetuis, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.018, exp. 813. In der Falange-Presse publiziert z. B. als Juramento de Falange, in: Yugo y flechas: hoja de combate de F.E. De las JONS, aÇo 1, Nr. 1, 15 August 1936, S. 1.
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Mythos des überlegenen ruralen Spaniens: Der Galicier als Falange-Prototyp Er sprach zu uns über Galicien; er sagte, dass unsere Region wie ein Gedicht an die Fruchtbarkeit sei. Und dass unsere Erde etwas Tellurisches besitze, das sich in der Seele verfestige und uns an die Erde fessle.1126
Im Frühjahr 1936 schwärmte Jos8 Antonio Primo de Rivera gegenüber Jesffls Suevos und Fernando Meleiro in gewohnt mystischen Tönen über die Besonderheiten der galicischen Erde. Damit erwähnte er bereits, was wenig später die gesamte Presse der Aufständischen verbreiten würde. Mit Kriegsbeginn wurde das ländlich geprägte Spanien unter Aufbietung sämtlicher Stereotype zum Idealbild Spaniens erkoren. Als nach Beginn des Militärputsches das aufständische Heer die Regionen Galicien und Extremadura sowie Teile Andalusiens und Kastiliens kontrollierten, wertete die Falange diese Gebietsgewinne als Beweis für die Stärke des ruralen Spaniens. Die von den propagierten »ländlichen Werten« geleiteten Menschen hätten ihre Überlegenheit gezeigt und es liege nun insbesondere an den Menschen der Stadt, an der »Einheit Spaniens« mitzuwirken. Pilar Primo de Rivera appellierte Ende 1936 speziell an die Kameradinnen der Städte, sich auf die Kameradinnen der Dörfer zuzubewegen.1127 In El Pueblo Gallego hieß es am 6. Dezember 1936 mit Blick auf die Landbevölkerung: »Die Stadt lebt von Euch und gegen Euch. Jetzt, wo ihr sie erobert und befreit habt, muss sie mit Euch leben.«1128 Die »einfachen« Landleute des agrarisch geprägten Spaniens wurden mit Kriegsbeginn zu den »Siegern« des Aufstandes gekürt, gleichzeitig aber zu den Prototypen des disziplinierten und unterwürfigen Falange-Kämpfers stilisiert. Dabei erfolgte eine Umdeutung des galicischen Charakters zugunsten falangistischer Identifikationsbilder. Vorstellungen der Eigenheiten galicischer Kultur, wie sie im galeguismo Verbreitung gefunden hatten, wurden nunmehr von der Falange politisch instrumentalisiert. Die galicischen Falange-Milizionäre hatten bis Juli 1936 eine ambivalente Haltung gegenüber dem galeguismo. Es ging ihnen weniger um eine Diffamierung der galicischen Kultur und der regionalen Bräuche als um eine deutliche politische Orientierung am Zentrum des Landes sowie um die Verteidigung der so oft beschworenen »nationalen Einheit«. In den Worten eines Ourenser Falangisten: »Man konnte nicht einfach gegen die Einheit Spaniens ein Attentat 1126 Fernando Meleiro: Anecdotario, S. 126. 1127 Circular numero 30, in: Delegacijn Nacional de la Seccijn Femenina de FET y de las J.O.N.S: Circulares de la delegada nacional, 1936–1943, S. 11. 1128 La voz de Falange, in: Pueblo Gallego, 6. Dezember 1936, S. 6.
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verüben.«1129 Die galicischen Falangisten pflegten sogar eine gewisse Rivalität zu anderen spanischen Regionen, wobei es vor allem darum ging, die eigene Stärke innerhalb der nationalspanischen Bewegung hervorzuheben.1130 Dennoch hatten sie auf Propagandaveranstaltungen wie dem falangistischen Gründungskongress von Vilagarc&a, den galeguismo stets als »Separatismus« kritisiert, und auch die Zentren der Partido Galeguista waren Ziel vandalistischer Angriffe seitens der Falange gewesen. Die wenigen personellen Überschneidungspunkte zwischen galeguismo und Falangismus waren zur Republikzeit sporadischer Natur gewesen. So hatte einer der einflussreichsten Schriftsteller aus dem Freundeskreis von Jos8 Antonio Primo de Rivera, Eugenio Montes, seine ersten publizistischen Schritte in den galicischen »Sprachbruderschaften« gemacht. Der Ferrolaner Schriftsteller Gonzalo Torrente Ballester näherte sich ab 1934 sukzessiv falangistischem Gedankengut an, und auch der galeguista ]lvaro Cunqueiro trat im Zuge der politischen Umwälzungen vom Juli 1936 der Falange bei.1131 Abgesehen von diesen wenigen Beispielen hatten galeguismo und Falangismus inhaltlich nichts miteinander zu tun. Mit Kriegsbeginn erfolgte eine rigorose Vereinnahmung galicischer Identifikationsbilder seitens der Falange. Selbstverständlich blieb nach wie vor alles das, was der galeguismo an demokratischen und föderalistischen Elementen beinhaltete, für die Falangisten tabu. Führende galeguistas wie Alfonso Castelao flohen ins Exil, andere, wie der Bürgermeister von Santiago de Compostela, ]ngel Casal, wurden erschossen.1132 Dafür rückten die Falangisten die folkloristischen Elemente der galicischen Nationalbewegung nun immer stärker in den Vordergrund. Dazu gehörte die schon bei den galeguistas übliche Exponierung renommierter Kulturschaffender der Region. Die Falange erkor nun ebenfalls berühmte Persönlichkeiten wie die Schriftstellerin Rosal&a de Castro zu Aushängeschildern Galiciens, deren Bedeutung vor allem durch den Kriegskontext hervortrete: »Die Seele unserer Rosal&a de Castro«, so die Zeitung La Nueva EspaÇa, zittere vor Verbitterung in Anbetracht der politischen Lage Spaniens.1133 Plötzlich war auch für die Falangisten Galicien das »Land der Heiligen Rosal&a«.1134 1129 Interview Nr. 58, 9. Juli 1988, UPDOC. 1130 Überliefert ist der Kommentar eines Falangisten, der sich brüstet, Ourense habe die drittgrößte Falange-Abteilung Spaniens nach Valladolid und Madrid gehabt, eine Einschätzung, die nach dem heutigen Kenntnisstand zur Mitgliederentwicklung als falsch einzustufen ist: »Nun hier, die Falange, das war die beste…die dritte Spaniens, nach Madrid, nach Valladolid, das war Orense…ihrer Meinung nach [der Parteiführung in Madrid], eh!« Interview, Nr. 76, 23. April 1988, UPDOC. 1131 Xos8 M. NfflÇez Seixas: El fascismo en Galicia, S. 144–145. 1132 Juli#n Casanova: Guerra Civil y violencia, S. 31. 1133 Ayer y hoy. Del libro en prensa »Galicia por la EspaÇa nueva« de E. Gallo Lamas, in: La Nueva EspaÇa, 18. Februar 1937, S. 6.
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In gleicher Weise wie zuvor Schriftsteller des galeguismo begann die Falange sich auf eine ausgeprägte Naturmetaphorik zu stützen, in der die Schönheit der fruchtbaren und gebirgigen Küstenregion beschrieben wurde, und dies unter regelmäßigem Bezug zu traditionellen Gedichten oder gar zur galicischen Hymne.1135 Diese propagandistischen Naturbeschreibungen stammten zum einen aus Galicien selbst, zum anderen aus denjenigen Regionen, in denen die galicischen Soldaten nach dem Juli 1936 zum Einsatz kamen, denn dort beschworen die Zeitungen fortan die Verbrüderung der in den Machtbereich der Aufständischen gefallenen Landesteile. So führte das Falange-Blatt La Nueva EspaÇa, das im von den Republikanern eingekesselten Oviedo (Asturien) publiziert wurde, die geographischen Ähnlichkeiten der Nachbarregionen Galicien und Asturien als Motiv für den Waffengang an: »Die Landschaft grün – wie die unsere.«1136, und: »Asturien ist wie eine Verlängerung Galiciens, einladend und generös.«1137 »Asturien« sei »Galicien« zu Dank verpflichtet, weil es nicht nur »seine Söhne« an die Front schicke, sondern auch »vielfältige und reichhaltige Produkte des Meeres und der Erde.«1138 Als weiteres propagandistisches Stilmittel diente die Personifizierung der geographischen Verhältnisse, die die Kriegshandlungen theatralisch reproduzierte. Anstelle von fiktiven Figuren traten dabei die Regionen selber in der Funktion handelnder Akteure in Erscheinung: In Wirklichkeit fühlte Galicien den Geist der Mutter Spanien und es gab sich hin, ohne die Größe des Opfers zu bemessen, gerade weil erst die Liebe dieses Opfer erbringt. Galicien hat Kastilien gesehen, bedroht von der asiatischen Barbarei, fleischgeworden in den Verrätern, und da kam es angeflogen, auf den Flügeln einer niemals in Frage gestellten Liebe, um mit seiner Brust die Provinzen zu bedecken.1139
Zudem erfuhr die Geschichte des gesamten Bürgerkrieges in der von den Aufständischen kontrollierten Presse eine vereinfachte Spiegelung in der Mikrohistorie der eigenen Umgebung. In Galicien geborene Politiker und Militärs erschienen nunmehr als zentrale Figuren des nationalen Konfliktes, was die Region gleichfalls als Schicksalsregion des gesamten Krieges erscheinen ließ: 1134 Fichero…por I. Conde de Rivera, in: La Nueva EspaÇa, 4. Februar 1937, S. 7. 1135 Zur Idealisierung von Geographie und Brauchtum sowie dem Beispiel der galicischen Hymne siehe ausführlich Xos8 M. NfflÇez Seixas: ¡Fuera el invasor! Nacionalismos y movilizacijn b8lica durante la Guerra Civil EspaÇola (1936–1939), Madrid 2006, S. 297. 1136 Saludos a Galicia, in: La Nueva EspaÇa, 9. Dezember 1936, S. 16. 1137 El fervor de las mujers en su labor patrijtica por Alejandro Florez, in: La Nueva EspaÇa, 30. Januar 1937, S. 6. 1138 Falange en Galicia: Notas de ovetensismo en La CoruÇa, in: La Nueva EspaÇa, 12. Januar 1937, S. 6. 1139 Ayer y hoy. Del libro en prensa, ›Galicia por la EspaÇa nueva‹ de E. Gallo Lamas, in: La Nueva EspaÇa, 18. Februar 1937, S. 6.
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Der CoruÇeser Santiago Casares Quiroga habe als republikanischer Ministerpräsident den Krieg befördert. Der aus Tui stammende Calvo Sotelo sei das letzte tragische Opfer der verfehlten republikanischen Politik gewesen. Erst die in A CoruÇa bzw. Ferrol geborenen Generäle Millan-Astray, der Gründer der Fremdenlegion, und Francisco Franco hätten Spanien vor der Barbarei gerettet.1140 Entwarf die Presse auf der einen Seite diese künstliche Genealogie der heldenhaften Feldherren, so legte sie auf der anderen Seite die militärischen Erfolge als Erfolge »galicischer Eigenschaften« aus. Schon Ledesma Ramos hatte zu Republikzeiten in den JONS und in Bezug auf Manuel Souto Vilas, dessen »Standhaftigkeit des keltischen Bauern« gewertschätzt.1141 Mario Gonz#lez Zaera war in den Augen Manuel Hedillas der »eigenartige Typ des extrovertierten gallego«, der allerdings »in seinen Zornesausbrüchen und Gestiken eine Dosis keltischer Behutsamkeit« versprühe.1142 In seinen berühmten Radio-Tiraden begann nun General Queipo de Llano die Durchsetzungskraft der falangistischen Bandera Gallega an den Fronten von Asturien und Aragjn zu loben.1143 Das oft negativ besetzte Vorurteil des schweigsamen und verschlossenen Kelten kehrten die Truppenführer in Briefen und Propagandaschriften ins Positive, so dass »der Gallego« zwar immer noch als schweigsam, aber jetzt aufgrund seiner Schweigsamkeit als der Prototyp des aufopferungsvollen Falange-Kämpfers galt. »Der spanische Soldat, und noch mehr der Galicische, ist schlicht und braucht wenig«, lautete die Selbsteinschätzung im Falange-Blatt La Nueva EspaÇa.1144 Das Verhalten der Galicier im Krieg sei ein mehr als verständliches Aufbäumen gegen die ihnen historisch widerfahrene Ungerechtigkeit: »Es scheint so, als hege sie [die galicische Jugend] ein Verlangen nach Vergeltung, für so viele Jahre der Unterdrückung und des Unverständnis. Ich habe in dieser Ignoranz der galicischen Stärken, immer das Werk der Politik und des Kazikismus gesehen.«1145 General Lombarte schwärmte von der ganzen Region: »Und was sage ich über dieses Galicien? Land der süßen Landschaften, der bescheidenen und arbeitsamen Leute […], niemand übertrifft Dich an Mut, Großzügigkeit und Patriotismus.«1146 Später im Jahr 1937 sollte auch der Falangist Ferm&n Yzurdiaga Lorca in seinem vielfach publizierten »Diskurs an die Schweigsamkeit und die Stimme der Falange« darauf Bezug nehmen: »Die 1140 In dieser Linie: Glosario de nuestra prensa, in: La Nueva EspaÇa, 16. Februar 1937, S. 12. La CoruÇa acoger# con gran entusiasmo a su hijo, el admirado caudillo, in: La Voz de Galicia, 4. September 1936, S. 1. 1141 Juan Aparicio: Aniversario de La Conquista del estado, Madrid 1951, S. 23. 1142 Garc&a Venero: Testimonio de Manuel Hedilla, S. 134. 1143 En Asturias y en Aragjn se batieron bien los gallegos, in: La Voz de Galicia, 22. September 1936, S. 1. 1144 Notas de un voluntario: Don Pio, in: La Nueva EspaÇa, 13. Februar 1937, S. 6. 1145 El desquite gallego, in: La Nueva EspaÇa, 25. Januar 1937, S. 6. 1146 Despedida del General Lombarte, in: La Voz de Galicia, 6. Dezember 1936, S. 1.
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große Tugend Galiciens und der Falange ist die so schwer zu erreichende Tugend der Schweigsamkeit.«1147 Traten die galicischen Falangisten in der Kriegspropaganda einmal nicht als vorbildliche Soldaten in Erscheinung, dann feierten sie ausgelassen, zumeist rund um die Uhr und stets auf galicische Art und Weise, so zumindest die vielfach verbreitete Version. Egal ob in Asturien, Kastilien oder Aragjn stationiert: Die galicischen Falangisten sangen traditionelle galicische Lieder, alal#s, und spielten auf ihren mitgebrachten Dudelsäcken: »Hier sind die Galicier, hier sind die ›Meeresfrüchte‹. Ihre alal#s und Gesänge hallen gegen unsere Berge.«1148 – »[…] auf der Straße das Ertönen des Dudelsackes und die alal#s des süßen Galiciens.«1149 Auch Barja de Quiroga schreibt in seinem Bericht über das Frontleben seiner Truppe: »Sie lieferten mit regionalen Gesängen Zeugnis ihres großen Kampfgeistes und ihrer exzellenten Stimmung ab.«1150 Andernorts hörte er »galicische Gesänge, die den ganzen Sektor animierten.«1151 Wenngleich die vorangegangenen Beispiele der Falange-Propaganda entsprangen, kennzeichneten folkloristische Beschreibungen dieser Art nicht nur den falangistischen Diskurs, sondern waren Teil einer Kriegspropaganda, an der ebenso die Militärs, Requet8s und JAP-Mitglieder mitwirkten. Ein spezieller Zwischenfall sorgte jedoch insbesondere in der Falange für die Beförderung des galicischen Nationalstolzes. Über die Aufstellung der Bandera Gallega de Falange EspaÇola urteilte am 11. August 1936 ein Radiojournalist aus Bilbao, in Galicien gäbe es keine richtigen Männer, sondern nur »Meeresfrüchte« (mariscos). Dieser despektierliche Kommentar veranlasste die Milizionäre dazu, das Schimpfwort marisco zu einer identitätsstiftenden Selbstbezeichnung umzuwerten. Fortan schmückten die Falangisten ihre Uniformen absichtlich mit Abzeichen von Hummern, Langusten und Entenmuscheln. »Marisco!« entwickelte sich zum kriegerischen Angriffsschrei. Ganze Truppeneinheiten benannten sich nach Namen von Spezies.1152 Kriegslieder und Gedichte nahmen diese Bezeichnung auf: »Die ›Meeresfrüchte‹ aus Galicien/ gehen nach Asturien zum Kämpfen/ um das Unkraut zu jäten/das dort im Garten wächst/ vier rote Moskoviten/ wollten uns besuchen/ und trugen als Erinnerung davon/ das Rückgrat rot.«1153 Nach der zwei Monate andauernden Verteidigung Huescas 1147 1148 1149 1150
Ferm&n Yzurdiaga Lorca: Discurso al silencio y voz de la Falange, Vigo 1937, S. 2. Saludos a Galicia, in: La Nueva EspaÇa, 9. Dezember 1936, S. 16. Simap#tica y alegre manifestacijn, in: La Nueva EspaÇa, 18. Februar 1937, S. 6. Zusammenfassung des Operationsberichtes der Bandera Legionaria Gallega de FE, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 12. 1151 Zusammenfassung des Operationsberichtes der Bandera Legionaria Gallega de FE, AGMAV, C.2685, Cp.8, D. 1/1–16, D. 10. 1152 Aurora Artiaga. »Todo por«, S. 40. Xos8 M. NfflÇez Seixas: ¡Fuera el invasor! S. 298. Maximiniano Garc&a Venero: Testimonio, S. 245. 1153 Zit. nach Xos8 M. NfflÇez Seixas: ¡Fuera el invasor! S. 298.
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durch die Bandera Gallega verabschiedeten sich die Aragoneser von ihren galicischen Waffenbrüdern mit allgemeinen Dankesbekundungen, die ebenfalls diesen Begriff wiederholten: »Auf Wiedersehen, marisco, Du gehst In Dein geliebtes Galicien.«1154 Was die galicische Sprache betrifft, so wurde deren Benutzung an der Front allgemein akzeptiert, was auch ganz pragmatische Gründe hatte. Der militärische Ehrgeiz der Frontsoldaten sollte nicht von vorneherein getrübt werden. Anweisungen sollten zudem schnell umgesetzt werden, viele Galicier hatten nie eine andere Sprache gelernt und nutzten im Alltag für gewöhnlich das Galicische.1155 Dass sich der Franquismus später wesentlich auf die sprachliche Diskriminierung stützte, begann sich in den ersten Kriegsmonaten in der retaguardia abzuzeichnen, wie der Fall eines Galicisch sprechende Milizionärs zeigt, der bereits allein wegen seines Sprachgebrauchs einen Eintrag in seine Personalakte erhielt und unter politische Beobachtung gestellt wurde.1156 Hatten die galicischen Falangisten vor dem 18. Juli 1936 genauso wie ihre Kameraden aus anderen Landesteilen Spaniens in erster Linie das Ziel der »nationalen Einheit« verfolgt und demzufolge regionale Themen höchstens in Hinblick auf deren »nationale« Einbindung hin bewertet, so gewann die galicische Identität durch die Spaltung des Landes deutlich an politischer Bedeutung. Sowohl in der Selbstwahrnehmung der Falange-Akteure als auch in der Charakterisierung der Milizionäre aus Galicien durch Kriegsteilnehmer anderer Regionen, wurde die galicische Herkunft hervorgehoben. »Galicien«, als eine derjenigen spanischen Regionen, aus der die meisten Frontsoldaten stammten, erfuhr allgemeine Wertschätzung im Lager der Aufständischen. Die Leistungen der Soldaten wurden anhand stereotyper Personen- und Naturbeschreibungen vorgenommen, die je nach Kriegslage und Einsatzort variierten. Auf diese Weise blieb das flexible und sich im Kriegsverlauf verändernde Bild der galicischen Falange anschlussfähig an andere Selbstbilder, wie das des unterwürfigen Falange-Soldaten, der angeblich dem Charakter des gallego besonders nah sei. Diesem sich historisch verändernden Selbstbild stand ein sich diskursiv kaum veränderndes Feindbild gegenüber.
1154 Noticias para los gallegos, in: La Voz de Galicia, 15. November 1936, S. 2. Siehe auch: Gratitud a Galicia, in: La Nueva EspaÇa, 2. Januar 1937, S. 8. 1155 Siehe beispielsweise La mujer gallega, mujer espaÇola, in: La Voz de Galicia, 16. August 1936, S. 2. 1156 »[…] in jeder Unterhaltung redete er auf Galicisch« Vermerk, AHPP, ACP-XPM, Expedientes personales de militantes, 37–50, Abilleria-Perreira, c. 55, exp. 190. Siehe auch das generelle Schema zur politischen Kategorisierung durch die Falange, in dem galeguista neben socialista, comunista etc. als Begriff zur Einstufung »politisch Verdächtiger« diente. Vgl. Libro registro de informes, Delegacijn Comarcal de Investigacijn de Vigo, indice, 36– 40 (10. Dezember 1938), AHPP, ACP-XPM, L-6491.
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Spanier als Russen Das zentrale Feindbild der Falangisten im Spanischen Bürgerkrieg war der schon zuvor im nationalkonservativen Lager entworfene »Rote«. Und dieser »Rote« war bei genauerer Betrachtung in der Wahrnehmung der Aufständischen nicht etwa Republikaner, sondern Russe. Xos8 Manoel NuÇez Seixas hat gezeigt, dass per Kriegspropaganda Landsleute kurzerhand zu Ausländern erklärt wurden, und das in ganz ähnlicher Weise wie in den Kriegen gegen Napoleon 1808 bis 1812 die mit Frankreich kollaborierenden Spanier als »Französisierte« (afrancesados) diffamiert worden waren. Der Kriegsgegner erschien infolge dieser Rhetorik als ein Fremder. Durch »Entnationalisierung« war der Bürgerkrieg für die Aufständischen kein Bürgerkrieg mehr, sondern ein herkömmlicher Krieg gegen einen von außen in das Land eindringenden Invasoren.1157 Die Auswertungen falangistischer Ego-Dokumente zeigen, dass diese Vorstellung nicht nur in den Propaganda-Schriften und den Zeugnissen führender Generäle verbreitet wurde, sondern auch den Berichten von Frontsoldaten, Bürger-Milizionären und selbst denjenigen von Nicht-Kombattanten zu entnehmen ist. Der rojo stellte das am stärksten in der Bevölkerung verankerte Feindbild dar. So schreiben die drei CoruÇeser camisas viejas Jos8 Gonz#lez Varela, Juan Jos8 S#ez und Julio Esteban Villegas, die bei Kriegsbeginn an die Asturienfront zogen, ohne die Weisungen der lokalen Falange-Führung abzuwarten, in ihrem Rechtfertigungsbrief vom 17. August 1936 an Antonio Rold#n: Wir haben nicht einen Moment daran gezweifelt, dass Du, mit dem Dir üblichen Edelmut und dem gesunden Urteil, das stets Deinen Taten zugrunde liegt, wenn nicht zu entschuldigen weißt, so doch verstehen kannst, dass unsere Aktion genau das bedeutet, was alle ersehnen, nämlich: so schnell wie möglich die Rettung Spaniens zu erreichen, das seit einiger Zeit in Ketten gelegt und dem schädlichen sowjetischen Bazillus ausgesetzt ist, der widerlichen Mikrobe, die mit ihrem infizierten Speichel die Nationen ins Chaos zieht, dem Untergang der Zivilisation entgegen, was den Weg für die Barbarei frei macht.1158
Gemäß herkömmlicher Prinzipien der falangistischen Sprechweise verwendeten die drei Falangisten in ihrem Brief sowohl die antithetische Gegenüberstellung von Zivilisation/Barbarei als auch die seit Kriegsbeginn allgemein zunehmende Verwendung von Biologismen. Dabei war es den Milizionären wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Bazillus »sowjetisch« sei. Genauso wie die drei Frontsoldaten der »Ersten Linie«, hatten die Falange-Milizen der »Zweiten Linie«, die im Hinterland die »Säuberungen« vorantrieben, das Feindbild verinnerlicht – zu 1157 Xos8 M. NfflÇez Seixas: ¡Fuera el invasor! S. 245. 1158 Jos8 Gonz#lez Varela, Juan Jos8 S#ez y Julio Esteban Villegas an Antonio Rold#n, Villablino 17. August 1936, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.027, exp. 1229.
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erkennen an der Beschreibung des eigenen Lebensumfeldes der Falangisten aus PorriÇo (Pontevedra) als »kleines Russland« sowie in dem Vorsatz, die »Roten«, sobald man sie erwische, zu einem »Russischen Salat« zu verarbeiten.1159 Der Falange-Arzt Indalecio Vidal, im Ourenser Falange-Krankenhaus tätig, charakterisierte seinerseits den Feind in einem Brief an die Führungsjunta in Burgos als »Moskauer Monster.«1160 Und im Dezember 1936 bat der siegesgewisse falangistische Lehrer Antjn Ortiz aus Viana do Bollo (Ourense) Manuel Hedilla persönlich um Versetzung in das noch nicht einmal eroberte Madrid, um dort die Kinder von Republikanern wegen des angeblichen russischen Einflusses »umerziehen« zu dürfen: Ich habe großes Interesse daran, mit den unschuldigen Pionieren zu arbeiten und mich in der Hauptstadt für das blaue Spanien einzusetzen, für das Neue Spanien, das wir formen müssen, wir, die Enthusiastischsten, die Entschlossensten. Schick mich wohin auch immer, in den am meisten verdorbenen Stadtteil, in den schlechtesten, schick mich dorthin, denn ich habe großes Interesse daran, die Kinder zu gewinnen, sie zu formen, die Kinder dieser verbauten, dieser armen, verschlossenen Madrilenen, die sich in dem Glauben, es würde sie glücklich machen, in die Arme Russlands geworfen haben.1161
Aus der Perspektive der Frontsoldaten war die Gefahr einer Invasion der »Roten« für einen Großteil von ihnen mit entscheidend für den Gang an die Front gewesen, weshalb es nicht verwundert, dass die Soldaten ihr zuvor imaginiertes Feindbild dort nunmehr bestätigt fanden. So beschreibt ein Milizionär gegenüber der Falange-Zeitung PROA die Lebensumstände aus den Bergen um La Robla (Lejn) wie folgt: Eine kuriose Sache, die man von unseren Stellungen aus beobachtet und zu schätzen lernt, sind die Silhouetten der Frauen, die mit ihnen [den Republikanern] in den Bergen leben. Und manchmal gelangt ihre grobe Ausdrucksweise an unsere Ohren, genauso wie die Dynamitexplosionen und der rote Schimmer ihrer Lagerfeuer. Unsere Wachen sind normalerweise frohen Mutes, sie beweisen sich als sehr gute Köche, und sie bauen, wie Robinson, originelle rustikale Behausungen.1162
1159 Falange PorriÇo an Camarada Jefe Provincial de Pontevedra, 11. September 1936, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158. Manuel Fern#ndez an Jos8 P8rez ]vila, aus Loma de Robledo, 24. November 1936, AHPOU, Caja 14703. 1160 Falange PorriÇo an Camarada Jefe Provincial de Pontevedra, 11. September 1936, AHPP, ACP-XPM, Correspondencia, c. 158. Indalecio Vidal Lomb#n (el jefe provincial del departamento medico an Delegacijn de Sanidad de la Junta de mando porvisional de FE, Almirante Bonifaz, Ourense 9. November 1936, AGA, (8)17.02, cp. 51/18946, cp. Ourense. 1161 Noeterio Antjn Ortiz an Manuel Hedilla, Viana del Bollo (Ourense), 14. Dezember 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. Ourense. 1162 Impresiones de frente de La Robla, in: PROA, 10. November 1936, S. 3.
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Libre para siempre de la tirania marxista1163
1163 Libre de la tirania marxista, 1935, Imperial war Museum, Spanish Civil War Poster Collection, Spanish Civil War Poster Collection, Art. IWM PST 8524.
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Im Jargon einer Abenteuergeschichte verfasst, bildet auch diese Lagebeschreibung die herkömmliche rhetorische Polarisierung und Stereotypisierung falangistischer Publikationen ab. Keine Rede ist von den Ängsten der Falangisten oder den materiellen Nöten, unter denen sie während der Batida de montes litten. Die Kommunisten erscheinen, wie schon in den Beschreibungen vor Kriegsbeginn, als Schatten, die nur über eine »grobe Ausdrucksweise« verfügen und selbst in ihren Verstecken hinter den Bäumen noch mit Dynamit zündeln. Die eigene Bewegung hingegen zeichnet sich durch Kameradschaftlichkeit und durch Improvisationstalent aus. Die widrigen Verhältnisse sind sogar umgedeutet zu einer notwendigen Herausforderung, deren Bewältigung im Stile des großen fiktiven Abenteurers Robinson Crusoe erst die Kameradschaftlichkeit wahr werden lässt. Zweifelsohne waren Bezeichnungen wie »Roter«, »kommunistische Bestie«, »sowjetisches Monster« etc. im gesamten Heer der Aufständischen verbreitet und nicht nur in der Falange. Ganze Kampagnen verunglimpften den gemeinsamen Feind und beschworen zur selben Zeit die »Einheit« im eigenen Lager, wie das Plakat »Für immer frei von der marxistischen Tyrannei« zeigt, auf dem ein Falangist und ein Soldat gemeinsam die spanische Landkarte von einem mit Hammer und Sichel gekennzeichneten Grabplatte befreien. Über die reine Gegenüberstellung Faschismus/Kommunismus hinaus (die ja sowohl die Aufständischen als auch die Verteidiger der Republik betrieben) kam es jedoch zu Zuspitzungen bezüglich der Feindbilder, und hier unterschieden sich die Falangisten durchaus von den anderen Kriegsteilnehmern. Da der »Rote« das zentrale falangistische Feindbild darstellte, deuteten die Falangisten im Umkehrschluss sich selbst als das zentrale Feindbild des republikanischen Heeres. Im Truppenbericht einer Falange-Einheit aus Lugo ist der Ablauf eines Verhörs bei der Gefangennahme eines Falangisten geschildert, in dem dieser als der »Hauptfeind« der Republikaner auftritt. »Wie heißt Du?« »Mellan Serafin« »Wo kommst Du her?« »Ich bin aus Lugo.« »Bist Du Soldat oder Falangist?« »Ich bin Falangist.« »Dann wirst Du sterben.«1164
Es kann keine Aussage darüber gemacht werden, ob sich diese Unterhaltung tatsächlich so zugetragen hat wie beschrieben oder ob sie der Phantasie eines Falangisten entsprungen ist. Jedenfalls gibt der Dialog einen Eindruck von den 1164 Truppenbericht der ersten Zenturie der Bandera Legionaria. FET y de las JONS, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 1/1–40, D. 5.
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unterschiedlichen Zuschreibungen, die trotz des Aufeinandertreffens zweier Heere zwischen den einzelnen Truppenverbänden dieser Heere gemacht wurden. Demnach waren Falangisten offenbar – ob in ihrer eigenen Vorstellung oder auch in derjenigen der Kriegsgegner – eher dem Tod geweiht als andere Heereseinheiten, selbst wenn diese auf der selben Seite standen.
Mütter und Freundinnen Auch nach Kriegsbeginn bedienten sich große Teile der Propagandaschriften Frauengestalten, die in denselben phantastischen Beschreibungen, die schon den Parteijargon der Republikzeit geprägt hatten, in Erscheinung traten. Als Freundin, als Mutter oder gar als »Braut mit weißem Hochzeitskleid« trat die weibliche Todesgestalt dem Kämpfenden entgegen.1165 In den Propaganda-Geschichten verbanden sich literarische Topoi der Falange mit denjenigen der spanischen Legion, in deren Hymne »Der Bräutigam des Todes« (El novio de la muerte) das Bild der weiblichen Todesgestalt das zentrale Thema darstellt.1166 Zumindest auf einige Milizionäre hatten diese Bilder Einfluss. In Anbetracht der Berge in der Nähe Soto de las Regueras (Asturien) schrieb der Falangist Jos8 Fern#ndez Rodr&guez am 31. Dezember 1936 in einem Brief an seine Kameraden, dass sie »Riesen im Krieg und Pygmänen in der Wissenschaft seien«, für ihn selbst aber, »zuvor ein trauriger Student, der ein monotones Leben in Städten und Dörfern verbrachte«, jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, »Gesicht in Richtung Gefahr und zur Sonne und immer zu la muerte lächelnd (ohne ihr Bräutigam zu sein), an dem ich die Welt kenne.«1167 Den idealisierten Frauengestalten standen weiterhin die »roten« oder die »russischen« Gefahrenbilder gegenüber : Und sie [die Spanierinnen] wollen keine Russinnen sein, weil es in Russland keine Religion gibt, keine Höflichkeit, keine Scham, keine Blumen, keine Liebe! In Russland, Bruder, Arbeiter, gibt es nur Hass, Misere, Analphabetismus, Sklaverei, Prostitution und Blasphemie! Und hier habt ihr noch ein schönes ›Warum‹ dieses romantischen Krieges: Die spanische Frau! Die spanischen Frauen wollen keine Russinnen sein. Gesegnet seien sie! Sie wollen Spanierinnen sein, was das Lyrischste ist, was eine Frau 1165 »Die Frau, Tod und Freundin, […] sie, die, wenn sie sich unserem Ruf widmet, sich das weißeste Brautkleid anzieht und aus dem Schnitt ihrer Sense so etwas wie eine zarte Berührung macht.« Aguilar de Serra, Novedad en el frente, C#diz 1937, S. 12 zit. nach Piotr Sawicki: Espero morir, S. 100. Siehe auch »Carta de sangre«, in: La Nueva EspaÇa, 7. März 1937, S. 4. 1166 »Ich bin der Freund des Todes/der sich mit fester Schlinge vereint/ mit dieser so treuen Kameradin«, zit. nach Piotr Sawicki: Espero morir despacio, S. 100. 1167 Jos8 Fern#ndez Rodr&guez: »Carta de un falangista a sus camaradas«, 31. Dezember 1936 in: La Nueva EspaÇa, 9. Januar 1937, S. 6.
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überhaupt sein kann. Und weil sie das so wollen, lieben wir sie, wir beschützen sie und verteidigen sie, bis wir obsiegen oder die ewige Wache über den Sternen halten. Das allerschönste ›Warum‹ dieses romantischen Krieges aber ist, dass, wenn die Rotznasen mit dem Gesicht zur Sonne und einer Wunde in der Brust zu Boden fallen, ihnen das Leben in Form sprudelnder Madrigalen entgleitet. Und sie – die Gesegneten! – geben die passende Replik an ihre Gedichthelden, indem sie des Nachts den Schmerz im Blick ihrer großen Augen tragen und zur selben Zeit – mutige Spanierinnen! – sie zum Triumph animieren, die roten Nelken ihrer Lippen zu einem Lächeln geöffnet.1168
Solche Bilder von imaginären helfenden weiblichen Händen und lächelnden Lippen bekamen für die falangistischen Milizen gerade dort Bedeutung, wo es, abgesehen von einigen wenigen mitgereisten Krankenschwestern, an realen weiblichen Bezugspersonen mangelte, nämlich an der Front. Um jenseits der propagandistischen Ausschmückung den Bezug zu »realen« Frauen wenigstens zu simulieren, entwickelte sich schon bald nach Kriegsbeginn ein Briefaustausch zwischen Front und Hinterland. Bei der Bekämpfung einsetzender Einsamkeit halfen den Soldaten Brieffreundschaften mit Briefpatinnen, den sogenannten »Kriegspatinnen« (madrinas de guerra). Interessierte Soldaten veröffentlichten in den großen Tageszeitungen diesbezüglich Suchanzeigen, sogar mit Präferenzen, welcher politischen Vereinigung die Patin angehören solle.1169 Bald wurde ein Briefdienst gegründet, der es den Frontsoldaten ermöglichte, sich regelmäßig mit einer in der retaguardia lebenden »Patin« (madrina) auszutauschen. Gerade aus der SF stammten viele dieser madrinas. Die »Kriegspatin« verfasste unter einem traditionellen spanischen Namen, der nicht ihrem wirklichen Namen entsprach, Briefe für eine ganze Reihe von Milizionären, weshalb komplette Truppeneinheiten auf Post von Carmen oder Dolores hofften. Einem propagandistischen Aufruf an die Frauen in der retaguardia ist zu entnehmen, dass der anzuschlagende Ton in diesen Briefen »möglichst erbauend« sein müsse. Die Briefpatinnen sollten in »spirituellem Stil« schreiben und dem Briefkontakt eine »schöne Note« verleihen, vielleicht mit einem »[…]Happy End wie in einem amerikanischen Film…«1170 Eine der madrinas bestätigt, dass ein derartiger Briefstil den Verfasserinnen selber das beruhigende Gefühl gab, einem in Gefahr schwebenden Menschen Zuversicht zu vermitteln: »Was gab es Angemesseneres für uns als diese Frontsoldaten zu trösten, sie zu animieren, ihnen ein wenig Optimismus und Illusionen zu vermitteln? Ihnen, die dort kämpften, die unter dem freiem Himmel standen, unter den Sternen, und 1168 EspaÇa, la invencible, in: El Faro de Vigo, 9. September 1936, S. 2. 1169 Siehe beispielsweise Madrinas de guerra. Una solicitud desde el frente, in: El Pueblo Gallego, 17. September 1936, S. 3. Madrina de guerra, in: El Pueblo Gallego; 19. September 1936, S. 5. Madrinas de guerra, in: El Faro de Vigo, 14. Oktober 1936, S. 3. 1170 El Domingo, zit. bei Fernando D&az-Plaja: La vida cotidiana durante la guerra civil, Madrid 1995, S. 347.
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glaubten, dass ein Blinzeln ihnen eine Erinnerung und ein Lächeln schickte?«1171 Genauso wie den madrinas war auch den Soldaten der artifizielle Charakter der Verbindungen durchaus bewusst. Doch half den Soldaten die schlichte Vorstellung, irgendwo ein offenes Ohr zu haben, das Ohr einer Frau, die, wie ein Milizionär es ausdrückte, zu Teilen die Funktion einer Mutter, die einer Lebensgefährtin oder »zu 98 %« diejenige einer Freundin erfüllte.1172 Diejenigen Frauen aber, die aus falangistischer Sicht am besten die »weibliche Eigenschaft« der Opferbereitschaft verkörperten und deshalb im Laufe des Krieges große propagandistische Bedeutung bekamen, waren Mütter.1173 Mütter, deren Kinder als Soldaten an die Front zogen, wurden allein durch ihr Muttersein zu Heldinnen stilisiert und mit Auszeichnungen bedacht. Diese zuerst im Süden des Landes einsetzende Verehrung sorgte dafür, dass auch im Nordheer Milizionäre dafür plädierten, Mütter auszuzeichnen und politischen Nutzen daraus zu ziehen. Folgendermaßen beschrieb der Falangist Luis Bescansa dieses Anliegen gegenüber Raul Boo, nach dem Tod seines Kameraden Jos8 Gonz#lez Varela: »Wie Du an dem beigelegten Ausschnitt aus ABC siehst, überreicht man die Leidensmedaille für das Vaterland an Mütter in ähnlichen Fällen wie dem unseres Kameraden. Deshalb bitte ich Dich, dass Du, sobald es möglich ist, die nötigen Anweisungen gibst, damit ihr [der Mutter Varelas] von dieser Führungsstelle die Auszeichnung für Opferbereitschaft im Sinne Spaniens überreicht wird.«1174 Solche symbolischen Akte zeichneten das traditionelle Bild der friedlichen, pflegenden und innerlich gefestigten Frau fort, deren Bedrohung nunmehr – im Krieg – umso größer erschien und die deshalb als schützenswerter denn je galt. So viel die Falangisten über ihr Verhältnis zu den imaginären und realen Frauen der retaguardia schrieben und sagten, so wenig weiß man über die Sichtweise der Falangisten auf diejenigen Frauen, denen sie an der Front begegneten. Es ist bekannt, dass es in einigen Städten an der Front Bordelle gab und auch, dass es in eroberten Gebieten zu sexueller Gewalt kam, zu Belästigungen und zu Vergewaltigungen. Diese Gewalttaten sind jedoch nur in solchen Fällen belegt, in denen Opfer später darüber berichteten oder in denen interne Straf-
1171 Pilar Bonilla Santamar&a: ¡Cuando los caÇones duermen! Recuerdos nost#lgicos de una madrina de guerra, Burgos 1981, S. 31. 1172 Siehe dazu und zu weiteren Briefen: Manuel de Ramjn Carrijn, Carmen Ortiz S#nchez: Madrina de Guerra: Cartas desde el frente, Madrid 2003, S. 65. 1173 »Bei der Umarmung sahen sie, dass die Mutter, anstelle von verzweifelten Tränen für den Sohn zu vergießen, den sie niemals wiedersehen würde, süß lächelnd sagte: Er ist wie ein Held gestorben. ¡Arriba EspaÇa!« Angelita Pla: La mujer en la Falange, in: Yugo y flechas: Hoja de combate de F.E. de las JONS, Nr. 1, 15. August 1936, S. 2. 1174 Luis Bescansa an Raul Boo Franco, Jefe Provincial Asesor de Milicias de La CoruÇa, 12. März 1937, AGMAV-MN-JPC, Caja 6.027, exp. 1229.
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verfahren eingeleitet wurden, wie gegen zwei Falangisten aus dem Raum Toledo, die versucht hatten, ein 13jähriges Mädchen zu vergewaltigen.1175 Anhand des Truppenberichtes einer Bandera der Falange aus Lugo kann nachvollzogen werden, dass der fern der Schützengräben erlebte Frontalltag sich neben Alkohol, Kino und Fußball gerade auch um Frauen drehte, denn je nach geographischer Lage der Einsatzorte sind in dem Bericht Kategorisierungen der ortsansässigen weiblichen Bevölkerung notiert. Als die Bandera mit Kriegsbeginn Stellung in Lejn einnahm, hielt einer der ersten Einträge in dem Bericht die Suche nach einer Freundin fest. Keine Rede ist hier von gelebter »Askese« und »Reinheit«, wie sie programmatisch zwischen 1933 und 1936 so oft gefordert worden war. Und ganz anders als der Maßgabe ihres Parteiführers zufolge, in einer Frau kein »dummes Zielobjekt zum Flirten« zu suchen, heißt es in dem Bericht: Eine der Beschäftigungen, die die Falangisten in Lejn mit großem Wohlgefallen ausübten, war es, mit den über den Bürgersteig spazierenden Leoneserinnen zu flirten […]. Es gab tatsächlich einige, die eine Freundin hatten, und als die Zenturie an die Front zog, sah man ziemlich viele sympathische Mädchen weinen und Handküsse geben, die der mutige Falangist aus der Ferne vom Lastwagen aus – von der Pflicht fortgerissen – mit einem Seufzen zurückgab.1176
In diesem ersten Eintrag steht noch die Romantik einer Liebesbeziehung im Vordergrund, die von der Militärpflicht unterbrochen und mit einer theatralischen Geste zelebriert wird, was stark an die sonstigen in der Propaganda vermittelten Frauen- und Männerbeschreibungen erinnert. Später, nach der Eroberung von Teilen Asturiens, setzen die Falangisten ihre Suche im Raum Ribadesella (Asturien) fort, doch diesmal weniger einfühlsam, wie die Beschreibung des dortigen Aufenthaltes zeigt: »Die Falangisten…haben die Taktik geändert, und widmen sich der harten Arbeit, eine Freundin zu suchen. Einige Falangisten haben sie gefunden, aber es waren sehr wenige. Nun, die Mädchen in diesen Dörfern sind zu stolz. Und die Säuberungen, die hier durchgeführt wurden, fielen ziemlich gering aus. Es gab sehr guten Cidre, und der unterhielt sie recht gut.«1177 Auch am nächsten Zielort ist den Falangisten ziemlich gleichgültig, was für Spuren der Krieg dort hinterlassen hat oder warum die Frauen ihnen gegenüber Abneigung zeigen. Sexuelle Gewalt wird von ihnen nicht als solche aufgefasst, sondern vielmehr als eigener »natürlicher« 1175 Überliefert ist ein Beschwerdeschreiben an den Bürgermeister von Talavera de la Reina (Toledo), in dem dieser Fall geschildert wird. Brief an Bürgermeister von Cazalegas, bei Talavera de la Reina, Toledo, 20. November 1936, AGMAV, Caja 1911, Cp.5, D. 3/2. 1176 Truppenbericht der ersten Zenturie der Bandera Legionaria. FET y de las JONS, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 1/1–40, D. 4. 1177 Ebenda, D. 8.
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Trieb gedeutet: »In den letzten Tagen haben die Falangisten sich darum gekümmert, die hübschen ›Mädchen‹, die es hier in BiaÇo, Santa Ana gibt, in Verlegenheit zu bringen.« Obwohl die Frauen ziemlich stolz seien, müssten sie, »ob sie wollen oder nicht, einen Freund nehmen«; ihr größter Stolz bestehe schließlich darin, »mit Männern herumzuspazieren«. Durch den Krieg seien ziemlich wenige Männer übriggebliebenen, und diejenigen, die es in der retaguardia noch gibt, seien mehrheitlich Kinder.1178 Dass Frauen weniger als »Rote« denn als »Ware« wahrgenommen werden – wenngleich kaum zu klären ist, ob nicht das eine zum anderen geführt hat – belegt die Schilderung des nächsten Truppenaufenthaltes, in der die überaus unchristliche »Vielweiberei« der sonst so christlichen Falangisten zur Sprache kommt. Aus San Julian (Asturien) heißt es: »[…] die Männer beschäftigten sich eine Zeit lang damit, mit den Hübschen zu flirten…aus San Julian und den angrenzenden Dörfern, die an Tagen wie heute in dieses selige Dorf strömen. Es sind inzwischen nur noch sehr wenige, die nicht mindestens eine Freundin haben […].«1179 Ein ähnliches Nebeneinander von Frauensuche und der nüchternen Betrachtung des Kriegsgeschehens schildert der Falangist Maximino Suarez Hernandez über den Dienst in der retaguardia: »[…] nun, hier gibt es recht viel Unterhaltung, denn jeden Tag gibt es einen großen Festumzug und Mädchen im Überfluss, und ziemlich heiße. […] ich habe Wachdienst in den Büros und kann vor 23 Uhr nicht ins Kino gehen.«1180 Auch die letzten beiden Einträge im Truppenbericht der Lucenser FalangeEinheit belegen, wie sich die Milizionäre den »amourösen Abenteuern« widmen1181 oder sich, wie es an der letzten Stelle sarkastisch heißt, »auf pragmatische Weise dem Verb ›Lieben‹ zuwendeten.« Ob mit dieser Umschreibung Vergewaltigungen angedeutet werden, ist nicht eindeutig zu klären. Es ist jedoch zumindest nicht auszuschließen.
Der Cäsarenkult An der Wirkmächtigkeit der Falange-Führerschaft Jos8 Antonio Primo de Riveras änderte sich grundsätzlich nichts, nachdem die Polizei ihn im März 1936 verhaftet hatte und seine öffentlichen Äußerungen seltener wurden. Insbesondere mit Kriegsbeginn wurde sein öffentliches Bild gerade dadurch geprägt, dass 1178 Ebenda, D. 35. 1179 Ebenda, D. 10. 1180 Maximino Suarez Hernandez an Antonio Barreira, [13. Oktober 1939/10.11.37?], AGMAV-MN-JPC, Caja 6.050, exp. 2707. 1181 Truppenbericht der ersten Zenturie der Bandera Legionaria. FET y de las JONS, AGMAV, C.2685, Cp.9, D. 1/1–40, D. 20.
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er abwesend war, was vielen Falangisten ein bis dato nicht da gewesenes Einfühlungspotential bot. Ihr eigenes ungewisses Schicksal, bestimmt von Hunger, Überlebensangst und der Sorge um die eigene Familie, konnte sich an dem gleichfalls ungewissen Schicksal ihres Parteiführers spiegeln. Nicht erst Franco erklärte Jos8 Antonio Primo de Rivera zum »Schutzheiligen« seines Regimes.1182 Vielmehr war die spätere Adaption Francos dem Umstand geschuldet, dass um den Falange-Führer seit seiner Inhaftierung ein Mythos entstanden war, den der Nuevo Estado schwerlich ignorieren konnte. In der Presse häuften sich nach Kriegsbeginn Spekulationen und literarisch ausgeschmückte Falschmeldungen über den Falange-Führer. Alltagsklatsch wurde produziert. So hieß es, Jos8 Antonio habe sich inzwischen gut von den Wunden erholt, die ihm zugefügt wurden.1183 Dem Falange-Führer ginge es, »wie verlässliche Quellen berichteten«, gut.1184 Schon Ende August 1936 vermeldeten die ersten Zeitungen, Jos8 Antonio Primo de Rivera sei hingerichtet worden.1185 An anderer Stelle wurde kurz zuvor verbreitet, der Parteiführer sei aus dem Gefängnis befreit, einer seiner Freunde während der Befreiung erschossen worden.1186 Einer dritten Version zufolge sei er aus dem Gefängnis geflohen und marschiere mit 1000 Falangisten von Andalusien aus gen Madrid.1187 Auf den galicischen Straßen kursierte eine Geschichte mit aus falangistischer Sicht weniger gutem Ausgang: Man habe den Falange-Führer nach Russland verschleppt.1188 Trotz der Empathieffekte, die derlei Gerüchte und Geschichten für die einzelnen Milizionäre haben konnten, gewannen die Theorien um den Verbleib des Parteiführers eine Eigendynamik, die anfangs nicht im Sinne der falangistischen Führung war. Tatsächlich zeigte Manuel Hedilla in den ersten Kriegsmonaten eine gewisse Dünnhäutigkeit im öffentlichen Umgang mit dem verschollenen Parteiführer. Im August entließ er den Propagandachef von Ourense, weil auch dieser eine Falschmeldung über den Verbleib von Jos8 Antonio Primo de Rivera unreflektiert verbreitet hatte.1189 An Vicente Cadenas, Nationaler Presse- und 1182 Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 235–236. 1183 El seÇor Primo de Rivera, in: La Voz de Galicia 9. August 1936, S. 3. Auch die Zeitung La Region veröffentlichte diese Meldung: »Der Zeitung La Regijn, aus Orense, überlassen wir die Verantwortung dieser Information, die wir mit allem Vorbehalt abdrucken«, in: El Faro de Vigo, 9. August 1936, S. 7. 1184 El Faro de Vigo, 9. August 1936, S. 7. 1185 Noticias de Madrid, in: La Voz de Galicia, 27. August 1936, S. 5. 1186 ¿Primo de Rivera logrj huir?, in: La Voz de Galicia, 16. August 1936, S. 3. 1187 Primo de Rivera con mil falangistas, in: Correo de Zamora, 23. Juli 1936, S. 5. Vgl. auch Rafael Abella: La vida cotidiana, S. 28. 1188 Interview Nr. 58, 9. Juli 1988, UPDOC. 1189 Junta Politica de FE in Burgos an FE A CoruÇa und Ourense, 18. August 1936, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. Ourense.
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Propagandachef (jefe nacional de Prensa y propaganda) schrieb Hedilla, er solle die Bezeichnung jefe nacional in seinem Amtstitel unterdrücken und durch delegado nacional de Prensa y propaganda ersetzen, denn die Bezeichnung jefe nacional sei einzig und allein Jos8 Antonio Primo de Rivera vorbehalten.1190 Selbst nach der Hinrichtung Jos8 des Falange-Gründers, vom 20. November 1936, agierten Hedilla und seine Gefolgschaft zurückhaltend. Zwar war die politische Führung von Anfang an über den Tod unterrichtet. Der Verstorbenen wurde gemäß der Liturgie am 21. November 1936 von der politischen Führungsriege geehrt.1191 Doch verstand diese sich offiziell weiterhin als »provisorische Führung« (Junta de Mando provisional). Zu diesem Zeitpunkt begann der Falange-Spitze aber auch deutlich zu werden, dass die kontinuierliche Ungewissheit über den Verbleib des Führers einen großen propagandistischen Wert besaß. Ein abwesender, durch seine Reden ständig präsenter Parteiführer, konnte von großem Nutzen für die Bewegung sein, zumal die Spekulationen und die damit verbundene Anteilnahme ohnehin schon große Ausmaße erreicht hatten. Hedilla selber verhielt sich fortan in den Korrespondenzen mit den falangistischen Lokalabteilungen so, als bestehe weiterhin Hoffnung auf eine Rückkehr des Parteiführers, den er vorgeblich nur kurzweilig ersetzte: Zum Namenstag Jos8 Antonios, dem 13. März 1937, erhielt er einen Brief von der Seccijn Femenina aus Almohar&n (C#ceres) und antwortete, er werde diesen mit Freude für den Moment aufbewahren, in dem er Jos8 Antonio die Glückwünsche »persönlich« überbringen könne.1192 Darüber hinaus nutzte er die Abwesenheit des Parteiführers, um sich auf dessen Kosten persönlich zu bereichern, wobei ihm die enge Verbindung zu einem der treuesten Hedillistas, zum galicischen Falange-Führer Mario Gonz#lez Zaera half. Zaera, der in Lugo nach Gutdünken raubte, übermittelte Hedilla Geld unter dem Vorwand, dieses sei zur Rettung Jos8 Antonio Primo de Riveras bestimmt (siehe oben). Mit wirklichen Rettungsanstrengungen hielt Hedilla sich jedoch deutlich zurück. Immerhin versuchte er in bei Franco monetäre Unterstützung zu erwirken, damit Eugenio Montes im Ausland diplomatische Hilfe für die Auslieferung des inhaftierten Falangisten-Führers erbitten konnte. Sehr viel größere Anstrengen zur Befreiung Jos8 Antonio Primo de Riveras kamen von Manuel 1190 Manuel Hedilla an Camarada Vicente Cadenas, Jefe Nacional de prensa y propaganda, 9. Oktober 1936, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. San Sebasti#n. 1191 Pablo Alberto Baisotti: Ausente-Presente: las dos caras de Jos8 Antonio (1936–1938), in: Memoria y civilizacijn, Nr. 18, 2015, S. 163–189, S. 172. 1192 Camarada Amparo Robles, Jefe de la Seccijn Femenina de Falange, Almohar&n an Manuel Hedilla, C#ceres, 27. März 1937, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. Seccijn Femenina. Zum Verschweigen des Todes siehe auch Servicio EspaÇol de informacion (Hg.): Situacion de la zona rebelde. Relato de un antiguo afiliado de Falange, Valencia 1937, S. 1.
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Hedillas innerparteilichen Widersachern, nämlich vom obersten Milizführer Augustin Aznar und der Sevillaner Falange-Führung, die mit deutscher Unterstützung über dem Seeweg die Befreiung organisieren wollte, ein Versuch, der letztlich scheiterte.1193 Dem Parteiführer erging es hingegen wie seinen vorverstorbenen Parteikameraden. Er wurde Gegenstand einer zu großen Teilen von ihm selbst angeregten und verbreiteten Topik. Einige Milizionäre begannen, den Parteiführer bereits vor seinem realen Tod in den zeremoniellen Aufbau ihrer Versammlungen zu integrieren. In A CoruÇa schlossen am 17. November 1936 die Falangisten der Bandera Gallega ihre Versammlung neben der Anrufung der Toten auch mit der Anrufung Jos8 Antonio Primo de Riveras.1194 In Ferrol hängten Milizionäre am selben Tag sein Porträt neben dasjenige des seit Kriegsbeginn bekanntesten Sohnes der Stadt, des ranghöchsten Militärführers General Franco.1195 Das Konterfei Jos8 Antonio Primo de Riveras erschien nun immer häufiger auf Plakaten und ab Ende 1936 auch auf dem Briefpapier, das die an der Front stehenden Milizionäre verwendeten, um ihren Angehörigen zu schreiben. Die Falange-Zeitungen erklärten den Falange-Führer zum »Heiligen« und richteten in typisch falangistischem Stil verfasste Zeilen an den »Abwesenden« (el ausente) wie er nun immer häufiger genannt und als der er während der Franco-Diktatur 40 Jahre lang verehrt werden sollte. Tatsächlich war in den ersten Kriegsmonaten die Bezeichnung »Cäsar« noch sehr viel geläufiger : An Dich Jos8 Antonio, an Dich Schöpfer der gesunden Doktrin, an Dich, Hellseher der spanischen Gegenwart, mit aller Hingabe eines Nationalsyndikalisten […]. Trinken wir aus der Quelle des klaren und kristallenen Wassers, die unser Führer entdeckt hat […] Die Falange grüßt Dich CÄSAR.1196
Anders als mit dem Begriff el ausente, der bereits eine gewisse Jenseitigkeit impliziert und sich deshalb für die Politisierung durch Franco besonders anbot, rekurrierten die Mitglieder durch die Anrufung des »Cäsars« auf ein Herrschaftssystem imperialer Natur, wie die Falangisten es von Anfang an angestrebt hatten. Dabei mochte Jos8 Antonio Primo de Rivera für einige Milizionäre der »Cäsar« sein, weil sie ihn für den politisch bedeutsamsten Mann in Spanien hielten und vielleicht auch noch auf seine Rückkehr hofften. Für andere war er »der Cäsar«, weil damit der Falange als politischer Bewegung eine Geltung eingefordert wurde, die sie aus eigener Sicht verdiente. Nicht nur die Falange-Presse, auch andere regionale Tageszeitungen, publizierten immer häufiger Zitate aus den von Jos8 Antonio Primo de Rivera hin1193 1194 1195 1196
Siehe dazu ausführlich Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 218–221. Un acto de homenaje popular, in: La Voz de Galicia, 17. November 1936, S. 2. Noticias de Ferrol, in: La Voz de Galicia, 17. November 1936, S. 8. A t&, Jos8 Antonio, in: PROA, 11. November 1936, S. 4.
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terlassenen Reden.1197 Sowohl Parolen von ihm als auch Grüße an ihn fanden floskelhaft Verwendung in den Briefen der Parteimitglieder.1198 In einem Schreiben an Manuel Hedilla vom 14. Februar 1937 notierte ein Frontsoldat, er erträume sich, »wie der Cäsar«, das »vertikale Paradies«, ein Begriff, den der Parteiführer in der Madrider Großveranstaltung vom Mai 1935 erstmals verwendet hatte, um die totale und aus falangistischer Sicht sogar das Himmelreich umfassende Hierarchie der Partei zu umschreiben.1199 Die Zeitschrift Jerarqu&a lobte in imperialen Gedichten die Größe des Cäsaren Jos8 Amtonio.1200 Doch auch auf andere Weise wurde der Falange-Gründer geehrt: Ein in Guipfflzcoa (Baskenland) stationierter Falangist der Bandera Gallega aus A CoruÇa verkündete mit Stolz in einem Interview, dass sein jüngst geborener Sohn nun den Namen Jos8 Antonio trage.1201 Der performative Akt, der in der Namensgebung zum Ausdruck kommt, hatte jedoch nicht nur Bedeutung für Familien überzeugter Falangisten. Im Rahmen einer Umtaufe wurden Kinder von Republikanern ihrer eigentlichen Namen beraubt und mit dem Namen Jos8 Antonio versehen, eine perfide Form sprachlicher Gewalt. Nach der Einnahme des Madrider Vorortes Navalcarnero begegnete den Milizionären der Falange eine große Gruppe von Frauen und Kindern. Über den Umgang mit dieser Gruppe berichtete La Voz de Galicia: Ihr Zustand ist bemitleidenswert, und die Soldaten schenken ihnen Umhänge und Decken, damit sie sich von der hier regierenden Kälte befreien können. Auf erklärten Wunsch einiger Frauen hin wurden zwei Kinder getauft, die charakteristische Namen sozialistischer Prägung trugen. Der Junge hieß Acero [Stahl] und das Mädchen Lealtad [Ehrlichkeit]. Ihnen wurden die Namen Jos8 Antonio, in Erinnerung an Primo de Rivera, und Mar&a Milagrosa Alfonso Carlos gegeben, in Erinnerung an die karlistische Thronanwärterin.1202 1197 Siehe zum Beispiel: »Wir sind Antimarxisten, weil uns dieses ›Wie-ein-geringerwertigesTier-in-einem Ameisenhaufen-sein‹ entsetzt, wie es auch den ganzen Okzident entsetzt, jeden Christen, jeden Europäer, Arbeitgeber und Proletarier.« Antimarxistas…, in: La Voz de Galicia, 27. November 1936, S. 2. 1198 Siehe z. B., wie der CoruÇeser Falangist Lu&s Bescansa Aler sich gegenüber dem galicischen Falange-Führer Raffll Boo Franco äußert: »Für Vaterland, Brot und Gerechtigkeit. Jos8 Antonio. Cäsar.« Vgl. Luis Bescansa Aller an Raul Boo Franco, Jefe Provincial Asesor de Milicias de A CoruÇa, 12. März 1937, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.027, exp. 1229. 1199 Jos8 Antonio Primo de Rivera hatte den Begriff para&so vertical, »vertikales Paradies«, bezüglich der vertikalen Ausrichtung der Falange auf einer der größten Parteiversammlungen der Partei im Mai 1935 in Madrid verwendet. Zu dem Brief: Luis P8rez, el jefe local de Milicias de Pamplona y de la Bandera 26 an Manuel Hedilla, Burguete 14. Februar 1937, AGA. 17.02, c. 51/18946, cp. Primera L&nea. Zu dem Zitat des Parteiführers vgl. JAPdR: Discurso en el Cine de Marid, 19. Mai 1935, OC, S. 676–686, S. 684. 1200 Jerarqu&a. Nr. 1, 1937, S. 44 und S. 55–56. 1201 Los mariscos en Huesca, in: Faro de Vigo, 14. Oktober 1936, S. 3. 1202 Mujers y niÇos recogidos por los Nacionalistas, in: La Voz de Galicia, 8. Dezember 1936, S. 3.
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Die in Navalcarnero (Madrid) angewandte Namenspolitik wurde genauso für die semantische Besetzung des öffentlichen Raums in allen weiteren militärisch besetzten Gebieten wirksam gemacht. In Porto do Son (A CoruÇa) setzte sich die Falange Anfang 1937 erstmals dafür ein, eine Straße nach Jos8 Antonio Primo de Rivera zu benennen.1203 Gleiches geschah in Ponteareas (Pontevedra) und daraufhin in vielen weiteren galicischen Städten und Dörfern.1204 Schließlich wussten die lokalen Falange-Führer den Kult um den abwesenden Parteichef zu nutzen, um ihn mit der Geschichte der eigenen Abteilung zu verbinden. Dies war der Fall bei der Ehrung des in Madrid hingerichteten CoruÇeser Falange-Gründers Juan Canalejo, zu dessen Gedenken sich eine im Jahr 1937 aktive Fronteinheit den Namen Centuria Juan Canalejo gab.1205 Darüber hinaus wurde Canalejo ab dem Winter 1936/37 Namensstifter für mehrere Sozialeinrichtungen in A CoruÇa: In diesem Essenssaal des Winterhilfsdienstes, der in La CoruÇa mit dem Namen JUAN CANALEJO, eröffnet wird, ist alles von Bedeutung. Er trägt den Namen desjenigen, der zwischen dem Gift und dem Hass die Stimme erhob, um Liebe und Frieden zu begründen […], er ist in unseren Gedanken, genauso wie der Abwesende.1206
In dem CoruÇeser Althemd erblickten die Falangisten die galicische Variante des »Abwesenden«. Wie Jos8 Antonio war der Mitbegründer der Falange von A CoruÇa ebenfalls eines der ersten falangistischen Hinrichtungsopfer des Krieges gewesen. Durch die Benennung öffentlicher Einrichtungen sollte sein Name, genauso wie derjenige Jos8 Antonio Primo de Riveras, für Jahrzehnte im kulturellen Gedächtnis verankert bleiben.
Körperbilder Im Zuge der sich verstetigenden personellen Vernetzung der einzelnen FalangeGruppen hatte sich während der Republikzeit der spezifisch falangistische und von architektonischem Vokabular geprägte Sprach- und Bilderhaushalt auf ganz Spanien ausgeweitet und bot die Grundlage für die ab Juli 1936 einsetzende Kriegspropaganda. Das Prinzip der »Vertikalität« blieb eine Vorstellung, die 1203 Miguel Lago Ruig, Falange Puerto del Son, 17. Dezember 1937, ARG, 32.456/2777 (Correspondencia en relacijn con Ordenes, circulares, oficios,…del Ministerio de de la Gobernacijn y otros organismos sobre asuntos que afectan a varios ayuntamientos 1936). 1204 ]ngel Rodr&guez Gallardo: O ru&do, S. 119. 1205 Telegramm, El general jefe del cuerpo de Aragjn an den Jefe Provincial de la Milica de FET y de las JONS, Zaragoza, 29. Mai 1941, Caja 6.048, exp. 2557 1206 La obra social de auxilio de invierno, in: La Nueva EspaÇa, 11. Januar 1937, S. 6. Noch bis zum Jahr 2008 trug das größte Krankenhaus der Stadt A CoruÇa den Namen Hospital Juan Canalejo, ehe es in Complexo Hospitalario Universitario da CoruÇa umbenannt wurde.
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während des Krieges ungebrochen weitergeführt wurde, wie die Beschreibung des falangistischen Kämpfers in der Zeitung Amanecer zeigt: »Der Falangist ist vor allem ein aufrechter Mann. Die Kurve existiert in der falangistischen Geometrie nicht. Der Falangist ist eine männliche Landschaft, die nichts von Anpassung und Nachgiebigkeit weiß. Alles an ihm ist eine harte, entschlossene, hervorragend gerade gezogene Linie.«1207 Die Motive der bald nach Kriegsbeginn gedruckten Parteiplakate orientierten sich sehr stark an solchen, zu Republikzeiten meist noch sprachlich entworfenen Bildern. Diese wurden nunmehr auf Plakaten und Fotomontagen illustriert.
Hohenleiter : Falange os llama, 1936
Amanecer, 19361208
Der Betrachter sieht den Milizionär meist aus der Unterperspektive. Durch Linienführung und Farbwahl wird über dem Falangisten das Sonnenmotiv der Parteihymne Cara al Sol angedeutet, bzw. der oft beschworene Sonnenaufgang (el amanecer), den die falangistische Bewegung der eigenen Überzeugung gemäß nach Spanien bringen werde. Der Plakat-Slogan entspricht der üblichen antithetischen Sprechweise der Falangisten: »Die Falange ruft Euch. Jetzt oder 1207 Votos de Falange, in: Amanecer 1936, Nr. 7, S. 6. 1208 Hohenleiter : Falange os llama, 1936, Library of congress, Washington, [http://memory. loc.gov/ammem/today/images/0717fal.gif]; Amanecer, 1936 , Nr. 7, Melilla, S. 1. [Zur Verfügung gestellt aus dem Fondo des AGA]
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nie.« (Falange os llama. Ahora o nunca). Ein weiteres Bild zeigt einen Falangisten in ganz ähnlicher Haltung, der den faschistischen Gruß in Richtung Himmel ausführt. Es handelt sich um einen Arbeiter, zu erkennen an einem Hammer, den der Mann mit der linken Hand auf einen Amboss stützt. Neben den am Horizont betriebenen Industrieanlagen geht die Sonne auf. Diese wird durch das Parteisymbol der Falange dargestellt, durch das yugo y flechas, das sich durch rote Farbe deutlich vom schwarz-weiß gehaltenen Rest des Plakats abhebt. Dieses falangistische Bilderrepertoire, das sich vorwiegend auf die Inszenierung von Arbeit und Militarismus in ländlich geprägten Landesteilen stützte, fand seine künstlerische Fortsetzung in den ersten größeren propagandistischen Filmprojekten, die im Frühjahr 1937 begannen. Eine kleine Produktionsfirma mit Sitz in Vigo, Films Patria, hatte sogar noch im Laufe des Jahres 1936 die ersten cinematographischen Produktionen hergestellt. Es handelte sich um Kurzdokumentationen der ersten Schlachten: »An der Front von Asturias« (En el frente de Asturias, 1936), »Oviedo, die Märtyrerin« (Oviedo, la m#rtir, 1937), »Von Vigo nach M8rida« (De Vigo a M8rida, 1936) und »Toledo, die Heroische« (Toledo la herjica, 1937). Insgesamt sind diese Produktionen jedoch von ausgesprochen schlechter Bild- und Tonqualität gekennzeichnet und besitzen wenig Aussagekraft für die historische Analyse.1209 Zu voller Entfaltung gelangte die Filmpropaganda erst nach der Vereinigung der Falange mit den anderen konservativen Kräften unter General Franco und infolge der Ausweitung der Propagandasektion.1210 Teresa Gonz#lez Aja beschreibt in ihrer Analyse der Körperbilder des Franquismus, dass sich die Figuren auf späteren Propagandadarstellungen sehr stark an der Ästhetik des spanischen Malers El Greco orientierten, dessen schmale Figuren sich ebenfalls in Richtung Himmel richten.1211
1209 Rafael R. Tranche; Vicente S#nchez-Biosca: El pasado es el destino. Propgaganda y cine del bando nacional en la Guerra Civil, Madrid 2011, S. 48. 1210 Die filmischen Quellen der Falange, die kurz vor bzw. kurz nach der Vereinigung der Milizen vom 19. April 1937 entstanden, sind deutlicher Ausdruck der präfranquistischen Falange. Dazu gehörten die Filme »Seele und Nerv Spaniens« (Alma y nervio en EspaÇa, Drehbeginn 31. März 1937), »Die Front von Vizcaya« (Frente de Vizcaya y 18 de Julio) und »Die Eroberer des Nordens« (Los conquistadores del Norte, beide 1937). In diesen frühen Filmen werden imperiale Träume von der dauerhaften Herrschaft über Marokko inszeniert. Weiterhin werden in den Filmen die von der Falange hochgehaltenen »ländlichen Werte« aufgegriffen. Bilder von Feldarbeitern und den Aufmärschen der falangistischen Jugend-, Frauen- und Milizabteilung zeigen den festen Platz, den ein jeder Bürger in der falangistischen Gesellschaft einzunehmen habe. Die Bilderwelt der kastilischen Steppe, des weiten Himmels und der arbeitenden Bevölkerung schließt thematisch an die falangistischen Fotoinszenierungen aus der Republikzeit an. Ebenda, S. 34 u. S. 37. 1211 Teresa Gonz#lez Aja: Monje y soldado. La imagen masculina durante el franquismo, in: Revista Internacional de Ciencias del deporte, 2005, Nr. 1, S. 64–83, S. 75.
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Unterperspektivisch dargestellter gesichtsloser Kämpfer1212
1212 Por la EspaÇa, una, grande, libre, 1936, Imperial war Museum, Spanish Civil War Poster Collection, Spanish Civil War Poster Collection, Art. IWM PST 8523.
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Obgleich mehrere Figuren auf den Falange-Plakaten diese Züge aufweisen, kann für die ersten Kriegsmonate jedoch kaum von einer einheitlichen politischen Ästhetik gesprochen werden. Ergänzt wurden die schlanken Falangistengestalten von Beginn des Krieges an von muskelbepackten und Stärke symbolisierenden Körpern, die eher an Motive des italienischen oder deutschen Faschismus erinnern. Gängiges Motiv war auch – und dies ebenfalls in Übereinstimmung mit anderen faschistischen Bewegungen – die Präsentation gesichtsloser, die Masse symbolisierender Kämpfer. Orientierten sich die falangistischen Propagandisten bei der bildlichen Gestaltung der Milizionäre im Krieg weiterhin sehr stark an den Vorbildern der Republikzeit, so kann hinsichtlich des sprachlichen Umgangs mit Körpern von einer Zäsur gesprochen werden. David Forges und Susanne Kolb halten fest, dass im italienischen und deutschen Faschismus von Anfang an Körperbilder zur Beschreibung der Einheiten Staat und Volk dienten, Bilder des zu säubernden, zu heilenden Körpers, in den chirurgisch eingegriffen werden müsse.1213 In Spanien ist ab Juli 1936 eine rhetorische Änderung in dieser Richtung zu konstatieren. Auch hier wurden Körpermetaphern politisch wirksam. Waren zuvor, wie oben gezeigt, Architektur- und Geometriebeschreibungen das gängige metaphorische Mittel gewesen, um die Falange zu verorten und sie von ihren politischen Gegnern abzugrenzen, wurden diese statischen vom architektonischen Vokabular geprägten Bilder nun von Bildern der limpieza ergänzt, der Säuberung und der Reinigung Spaniens oder auch von Bildern des »Krebsgeschwürs«, das aus dem »Volkskörper« herausgeschnitten werden müsse. »Der Patriotismus ist nicht nur EspaÇolismus, er ist auch Antikommunismus. Um Spanien zu retten, müssen wir diesen Krebs des Kommunismus herausschneiden.«1214 – »In Spanien hat es bis dato keine nationale Erziehung gegeben, und darin liegt die Schlechtigkeit begründet, die sie [die Erziehung] erleidet, tief und krebsgeschwürartig.«1215 Diese Sichtweise finden wir in dem Frontbrief der CoruÇeser Falange-Milizionäre Jos8 Gonz#lez Varela, Juan Jos8 S#ez und Julio Esteban Villegas reproduziert. Die drei Falangisten sprechen vom »sowjetischen Bazillus […], der widerlichen Mikrobe, die mit ihrem infizierten Speichel die Nationen
1213 David Forges: Fascism, violence and modernity. Disasters of war : image and experience in Spain, in: Jana Howlett, Rod Mengham (Hg.): The violent muse. Violence and the artistic imagination in Europe 1910–1939, S. 5–21; Susanne Kolb: Sprachpolitik unter dem italienischen Faschismus. Der Wortschatz des Faschismus und seine Darstellung in den Wörterbüchern des Vetennio (1922–1943), München 1990, S. 61–62. 1214 El saludo antimarxista, in el Faro de Vigo, 9. September 1936, S. 8. Siehe auch: Antony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg, S. 134. Jos8 P8rez-Bowie: Retoricismo y estereotipacijn, S. 361. 1215 El problema educativo y la Falange, in: La Voz de Galicia, 2. September 1936, S. 2.
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ins Chaos zieht.«1216 Es ging den Falangisten nun nicht mehr nur um die geradlinige Ordnung Spaniens, sondern um die »Gesundheit des Vaterlandes«, die angeblich auf dem Spiel stehe.1217 Herkömmliche politische Begriffe der Veränderung wie »reformieren« oder »gestalten« wichen nicht nur kriegerischen Begriffen wie »bekämpfen« und »beschießen«, sondern auch Begriffen wie »schneiden« »reißen, »zertreten« und »vernichten«, mithilfe derer gewalttätige operative Eingriffe beschrieben wurden, um »Krankheiten«, »Ungeziefer« oder »Unkraut« zu beseitigen. In der Ankündigung zu einem Festumzug der Falange von Bouzas (Pontevedra) heißt es: »Das rettende Heer setzte das ehrenvolle Leder seiner harten Sohle über das Unkraut des Internationalismus.«1218 Begründet wurden die Eingriffe in den »Volkskörper« ebenfalls unter der Verwendung von biologistischen Metaphern, vorzugsweise mit der drohenden »Vergiftung«, vor der man sich allerorten schützen müsse. Die Schädigungen Spaniens erfolgten angeblich durch »Einheiten politischer Natur, die sich daran machten, das Volk zu vergiften, und sich zu dem verbanden, was man Frente Popular nannte.«1219 Die eigene Bewegung dagegen zeichnete sich, der gewohnten rhetorischen Polarisierung gemäß, durch Gesundheit aus: »Dieses Lokal der CONS der Falange ist das wirkliche Heim aller ehrenhaften Arbeiter, aller spanischer Produzenten, die nicht vergiftet sind vom Hass der Klassen.«1220 Zusammenfassend ist festzuhalten: Blieben die bildlichen Darstellungen falangistischer Körper auch zu Kriegszeiten in einem während der Zweiten Spanischen Republik entworfenen inszenatorischen Rahmen, der einzig und allein mediale Variationen erfuhr, radikalisierte sich die Sprache maßgeblich. Im Krieg häufte sich die Verwendung von Körpermetaphern, mithilfe derer die Zerstörung staatlicher Institutionen und feindlicher Truppen beschrieben wurde.
1216 Jos8 Gonz#lez Varela, Juan Jos8 S#ez y Julio Esteban Villegas an Antonio Rold#n, Villablino 17. August 1936, AGMAV, MN-JPC, Caja 6.027, exp. 1229. 1217 Francisco Cobo Romero, Teresa Mar&a Ortega Ljpez: Pensamiento m&tico y energies movilizadoras. La vivencia alegjrica y ritualizada de la Guerra Civil en la retaguardia rebelde andaluza, 1936–1939, in: Historia y pol&tica, 2006, Nr. 16, S. 131–158, S. 138. 1218 La Falange, in: El Faro de Vigo, 4. Oktober 1936, S. 6. Das »Übel mit der Wurzel ausreißen« war auch eine gängige Redewendung unter den höchsten Generälen des Militäraufstandes. Siehe dazu: Javier Rodrigo: »Our fatherland was full of Weeds«, S. 153. 1219 Los partidos del Frente Popular fuera de la ley, in: La Voz de Galicia, 15. September 1936, S. 4. 1220 Notas de Obrera Central de FE, in La Voz de Galicia, 4. September 1936, S. 2.
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Körperliche Gewalt gegen als Monster dargestellte Feinde1221
1221 EspaÇa, una, grande, libre, 1936, Imperial war Museum, Spanish Civil War Poster Collection, Spanish Civil War Poster Collection, Art. IWM PST 8828.
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Die Fortsetzung falangistischer Geschichtsvisionen Es beginnt in unserer Zeit eine klassische Epoche, ein neues Mittelalter. Die Faschistische Epoche, die uns die Falange nach Spanien bringt.1222
Auch im Krieg blieb die spezifisch falangistische Sicht der Dinge wirksam: Die Ausblendung der Gegenwart über Vergangenheits- und Zukunftsphantasien zugunsten des Kampfmoments. In den Frontbeschreibungen falangistischer Publikationen erscheinen Soldaten und Milizionäre regelmäßig als Wiedergänger ihrer Vorfahren, die viel eher der Vergangenheit verbunden sind als der Gegenwart. Im November 1936 heißt es über einige Soldaten und Falangisten aus dem Nordheer in der Falange-Zeitung PROA: »Als die Nacht hereinbrach, schienen diese Männer der glorreichen Armee und der Falange mit ihren pittoresken Umhängen und schwarzen Bärten Silhouetten des Mittelalters zu sein.«1223 Das Mittelalter galt den Falangisten nach wie vor als wichtigste Referenzepoche, auf die in historischen Vergleichen und Gleichsetzungen rekurriert wurde. Auch die reconquista-Rhetorik war in diesem Sinne eine mythische Adaption mittelalterlicher Geschichte.1224 Allerdings waren die historischen Gegner der Kreuzzügler Araber gewesen, die auf bildlichen Darstellungen unter dem weißen Pferd des Kreuzzugsführers, dem Heiligen Santiago, platt gedrückt wurden.1225 Im Spanischen Bürgerkrieg standen dagegen Araber auf der Seite der Aufständischen. Die mittelalterliche Ikonographie, die Santiago als den »Maurentöter« (matamoros) und Spaniens Retter vor dem Islam darstellt und die Jahrhunderte lang zur Festigung spanisch-nationaler Vorstellungen eingesetzt wurde, erfuhr deshalb eine genauso systematische Unterdrückung wie Nachrichten über den Einsatz von Arabern im eigenen Heer.1226 Es war von wenig propagandistischem Wert zu verbreiten, dass die Nachfolger der einstigen Feinde nun als Soldaten gegen die Republik kämpften. Dafür setze die Propaganda plötzlich die Republikaner mit dem einstigen Gegner, »den Gottlosen«, gleich, um den historischen Vergleich mit der reconquista irgendwie plausibel erscheinen zu lassen. Doch auch weitere historische Ereignisse wurden im Sinne der falangistischen Geschichtskonstruktion umgedeutet. La Nueva EspaÇa z. B. scheute bezüglich der Verteidigung der Enklave Oviedo gegenüber dem Rest des republiktreuen Asturiens weder den Vergleich zu den Napoleonischen Kriegen noch 1222 1223 1224 1225 1226
Jerarqu&a Nr. 1, 1937, S. 93. Impresiones del frente de la Robla, in: Proa, 12. November 1936, S. 3. Garcia Pelayo: Los mitos politicos, Madrid 1981, S. 20. Giuliana di Febo: Ritos de victoria en la EspaÇa franquista, Bilbao 2002, S. 35. Ebenda, S. 50.
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die eigenartige Gleichsetzung des Napoleonischen Heeres von 1809/1810 mit den anarchistischen Milizen von 1936/1937: Während des Krieges in Spanien sagte Napoleon zu General Berthier, kurz nach dem Einmarsch Kellermans und Bonnets in Asturien, dass 9000 Mann in dieser Region, die Galicien bedrohen und bereit seien, über Lejn und Santander zu marschieren, die beste Absicherung für die Imperialen Heere in den beiden Kastilien wären. Heute, wie damals, ist eine zahlreiche und frei bewegliche Truppe auf den Feldern Asturiens eine schreckliche Bedrohung. Dass General Aranda Oviedo verteidigt und die Attacken der asturischen Marxisten auf sich zieht […], hat den Erfolg des Nordheeres erst möglich gemacht und hat verhindert, dass die Milizionäre Asturiens die Provinzen Galiciens und die Fronten in Lejn und Palencia umgestürzt haben.1227
Der »Invasor« Spaniens aus dem 19. Jahrhundert, das französische Heer, findet in diesem Abschnitt sein Pendant in den bewaffneten Minenarbeitern Asturiens, die »wie Napoleon«, eine Bedrohung für die Nation darstellen. Unbeachtet bleiben infolge dieser Gleichsetzung für einen tatsächlichen historischen Konfliktvergleich maßgebliche Parameter : Truppenzahl, Taktik, Bewaffnung, Wetterverhältnisse, politische und soziale Hintergründe. Durch die Vernachlässigung dieser Informationen und das Beharren auf der angeblichen Ähnlichkeit der Umstände suggeriert diese Gleichsetzung, auch einen ähnlichen Verlauf der Ereignisse. Denn »wie Napoleon« einst im Norden Spaniens geschlagen wurde, würden auch jetzt die Anarchisten besiegt werden. Das Ergebnis wäre wieder die Einheit der spanischen Nation. Besonders deutlich wird das hier vorgeführte und aus politischen Gründen absichtlich hergestellte Missverhältnis von »gelebter Zeit« und »erzählter Zeit« unter gleichzeitiger Nicht-Beachtung der realen Verhältnisse auf einem Propagandaplakat aus dem Jahre 1937, hier in Form eines Zukunftsangebotes.
1227 Nacion pacifista, in: La Nueva EspaÇa, 2. Januar 1937, S. 6. Die meisten historischen Bezüge wurden auch weiterhin zu den Kreuzzügen, der reconquista und der Schlacht von Lepanto hergestellt. Siehe beispielsweise: Siempre EspaÇa ha defendido la justicia en cualquier parte, y as& nos la muestra la historia en las Cruzadas y en Lepanto. Es, pues, el Imperio que deseamos para EspaÇa, el Imperio de la justicia, del trabajo, de la cultura, del comercio, in: El Faro de Vigo, 20. November 1936, S. 6. Eugenio Montes verstieg sich gegenüber Radio CoruÇa sogar darauf den aktuellen Krieg den anderen Konflikten gegenüber an Bedeutsamkeit zu erhöhen: »Nicht das Epos von Lepanto, an dem Du teilgenommen hast, Miguel de Cervantes, allerhöchster erfinderischer Geist des spanischen Genies, war dasjenige mit der größten Resonanz in unserer Geschichte; wichtiger ist das jetzige Epos, weil es letztlich in jenem nur darum ging, dass Europa auf eine oder auf eine andere Weise sei, aber in diesem Epos, dem wir heute beiwohnen, zeigt sich, dass Europa ist, dass die Zivilisation existiert und wir hoffen dass gegen die Anarchie triumphiert wird, die die Zerstörung um der Zerstörung Willen ist, und um das Nicht-Sein.« Vgl: Eugenio Montes: Unas palabras de Eugenio Montes: La Voz de Galicia, 17. September 1936, S. 2.
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¿Te acuerdas? 19371228
Auf diesem Plakat wird der in den Himmel schweifende Blick bzw. vom Himmel auf Spanien schweifende Blick des Falangisten als heroische Erinnerung inszeniert: Ein Mann wird darauf zurückgelehnt in einem Stuhl abgebildet, in der einen Hand ein Bierglas, in der anderen eine Zigarette. Über ihm ist eine Denkblase zu sehen. In der Blase befinden sich zwei Soldaten schussbereit in einem Schützengraben liegend. Über den Soldaten ist ein Sternenhimmel gemalt sowie die Bildüberschrift: »Erinnerst Du dich?« (¿Te acuerdas?) Das Plakat simuliert den Blick aus einer sich durch Wohlstand auszeichnenden Zukunft zurück in die Vergangenheit und damit auf die derzeitige Situation der Soldaten. Der Spanische Bürgerkrieg ist auf diesem Plakat bereits erfolgreich beendet 1228 ¿Te acuerdas?, in: Rafael Abella: La vida cotidiana, S. 103.
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worden. Man werde sich später noch, so die Botschaft, bei Bier und Zigarette nach der Kameradschaftlichkeit unterm Sternenhimmel sehnen. Schon wie in den Propagandareden der Republikzeit wird der reale Kampfmoment gegenüber den illusorischen Vorstellungen über das Kämpfen in den Hintergrund gestellt. Der Betrachter des Plakats wird dazu angehalten, über die erfolgreich illustrierte Zukunft zu sinnieren, von der aus die Vergangenheit – die vom Krieg geprägte Gegenwart – nur noch heroische Erinnerung ist.
Sternenbilder Blieb das in der falangistischen Gründungsrede vom 29. Oktober 1933 entworfene Bild des unter dem Sternenhimmel wachenden Falangisten bis Juli 1936 eine Phantasie, so bekam diese Phantasie in dem Moment, in dem Falangisten ihren politischen Gegnern tatsächlich auf Schlachtfeldern in ländlichen Gegenden gegenüberstanden – und nicht wie bis dahin hauptsächlich in Straßenkämpfen – einen, wenngleich erhofften, so doch unerwarteten Realitätsbezug. Plötzlich standen reale Falangisten mit realen Gewehren unter einem realen Sternenhimmel. Das Sternenbild entwickelte sich dadurch zu einem der tragenden falangistischen Propagandamotive des Krieges. Im Dezember 1936 schrieb ein Valladolider Milizionär an Manuel Hedilla: In Spanien wird die Sonne aufgehen, und wenn auch in jeder Sternennacht, die diesem glorreichen Sonnenaufgang vorangeht, das Blauhemd getragen werden muss. Weder der anti-spanische Hass des Marxisten noch die verräterische Verleumdung des Kaziken werden verhindern, dass das neue Jahr Zeuge eines Neuen Spaniens wird, Vaterland von allen und für alle Spanier.1229
Erneut erkennen wir an dieser Stelle, wie ein falangistischer Soldat sich der zu Republikzeiten entworfenen Partei-Rhetorik bediente, indem er von den »AntiSpaniern« und dem »Sonnenaufgang« sprach und seine Bereitschaft bekundete, wenn nötig, jede Nacht im Blauhemd gekleidet unter den Sternen Wache zu halten. In gleicher Weise bezog sich im Februar 1937 der Falange-Führer von Villagarcia da Arousa (Pontevedra) auf die Sternenmetapher. Während einer Rede vor der örtlichen Falange-Gruppe zitierte auch er die Gründungsrede und benannte die »die wunderbaren Worte des Cäsaren« als die »Synthese eines ganzen Programms der Aufopferung und des Dienstes; großartiger Pfeiler, auf die sich unsere Organisation stützt.«1230 Schließlich rekurrierte in seiner Weih-
1229 Falange EspaÇola Valladolid, Reinaldo Azcona, Jefe de Prensa y Propaganda de la Central Obrera an Hedilla, 30. Dezember 1936, AGA, (8)17.02, c. 51/18946, cp. CONS. 1230 Eduardo Garc&a Reboredo-Gonz#lez: Sabor de hispanidad, texto taquigr#fico de la con-
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nachtsansprache 1936 kein geringerer als Manuel Hedilla persönlich auf das Bild des unter den Sternen stehenden Falangisten.1231 Und in einer der ersten Gedichtsammlungen des Krieges, in denen der Milizionär Federico de Urrutia den Kriegsalltag in typisch falangistischer Sprechweise künstlerisch verarbeitet, bediente sich der Autor ebenfalls des Sternenmotivs; sogar für den Umschlag wurde das Bild des Sternenhimmels gewählt.1232 Am 25. Februar 1937 war dann auf der Titelseite der ersten Ausgabe des Falange-Magazins Fotos ein Bild zu sehen, auf dem ein Soldat in heroischer Pose mit geschultertem Gewehr Wache hält.1233 Der Soldat ist auf dem Foto in der falange-üblichen Pose zu sehen, aus der Unterperspektive dargestellt. Die Bildunterschrift lautet abermals: »Unser Platz liegt unter freiem Himmel, unter der klaren Nacht, das Gewehr im Arm, und in der Höhe, die Sterne.« Das sprachlich verfasste Bild Jos8 Antonio Primo de Riveras wurde an dieser Stelle erstmals photographisch inszeniert. Das gleiche Motiv des Wache haltenden Soldaten fand sich ein Jahr später auf einem Propagandaplakat wieder. Dort wurde dem Bild der Schlusssatz aus der Gründungsrede der Falange beigestellt: »Wir spüren bereits mit Vorfreude in unseren Eingeweiden den Sonnenaufgang.« Neben ihrer metaphorischen Bedeutung für die »Schicksalsgemeinschaft« dienten die Sterne als Metapher für die toten Kameraden, die der Vorstellung nach als »Sternenwache« (guardia sobre los luceros) am Himmel standen.1234 Falangist-Sein wurde, wie oben bereits gesehen, mit ewiger Wachsamkeit gleichgesetzt, unter Absage an den Schlaf und die Ruhe. Die toten Waffenbrüder starben deshalb nach falangistischem Verständnis nicht wirklich, sondern traten statt in den Zustand des ewigen Schlafes in den Zustand der ewigen Wachsamkeit ein. Auf diese Weise standen tote und lebende Kampfbundmitglieder in ständiger Verbindung zueinander. Die Lebenden brauchten nur in die Höhe zu
1231 1232 1233
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ferencia pronunciada en el Cuartel de Falange de Vilagarc&a de Arosa, en el mes de Febrero 1937, Villagarcia 1937. Habla el camarada Hedilla, in: La Nueva EspaÇa, 2. Januar 1937, S. 3. Federico de Urrutia: Poemas de la falange eterna, Melilla 1937. Ab Februar 1937 setzt der falangistische Propaganda-Chef Vicente Cadenas zwei falangistische Publikationen um, die Zeitungen Fotos und V8rtice, die sich ästhetisch an den Illustrierten der 1930er Jahre wie Vu oder Life orientieren. Rafael R. Tranche; Vicente S#nchez-Biosca: El pasado es el destino. Propgaganda y cine del bando nacional en la Guerra Civil, Madrid 2011, S. 29. Jos8 P8rez-Bowie, der bislang als einziger dieses Phänomen untersucht hat, und zwar für die Veröffentlichungen des Bürgerkriegs, räumt ein, dass bei aller Formverliebtheit und der ständigen Wiederholung weniger Vokabeln im Falangismus, dieser Vorstellung eine gewisse Originalität innewohnt, über die Nicht–Jenseits-Gläubige oder Internationalisten gar nicht verfügen konnten. Jos8 Antonio P8rez Bowie: En torno, S. 79.
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sehen, um sich der Unterstützung durch die sich dort Befindenden zu versichern.1235 Die Aufgabenverteilung zwischen Lebenden und Toten sah der Vorstellung nach so aus, dass die Lebenden unter dem freien Himmel stehen und für die Verstorbenen Wache halten, während die Verstorbenen ihrerseits in der Höhe Wachdienst ableisten. Wie ernst es den Falangisten tatsächlich mit dieser Vorstellung war, ist daran zu erkennen, dass beide Wachmannschaften, die Lebenden und die Toten, offizielle und über sämtliche Medien verbreitete Namen trugen. Die lebenden Falangisten verstanden sich als »Wache unter den Sternen« (guardia bajo las estrellas).1236 Die toten Falangisten gehörten dagegen der »Sternenwache« (guardia sobre los luceros) an.1237 An beide wurde zumeist im Schlusssatz einer Rede oder eines Propaganda-Artikels appelliert. Der Logik dieses Gemeinschaftsbildes folgend drückte auch Jos8 Antonio Primo de Rivera, kurz vor seiner Hinrichtung am 20. November 1936, in seinem Testament die Hoffnung aus, in die guardia aufgenommen zu werden: »Auf dass die Kameraden, die mir im Opfer vorangegangen sind, mich aufnehmen wie den letzten der Ihrigen.«1238 Auf einem später erstellten Plakat des franquistischen Zeichners Carlos Saenz de Tejada sehen wir dieses Sinnbildungsmuster ebenfalls visualisiert: Die falangistische Hymne Cara al Sol wird darauf illustriert. Die Madrider Falangisten hatten die Parteihymne zum ersten Mal am 2. Februar 1936 bei einer Parteiversammlung im Cine Europa in der Hauptstadt gesungen. Sie war in den Folgejahren landesweit fester Bestandteil sämtlicher falangistischer Veranstaltungen. Der Text des Liedes fasst die bis zum Zeitpunkt seiner Entstehung entworfenen Bilder, Symbole und Riten der falangistischen Welt und Weltsicht sowie die Verortung des Falangekämpfers in ihr zusammen.1239 Ein kämpfender Falangist richtet das Lied an eine weibliche Adressatin, Mutter oder Freundin, die ihrerseits den Falangisten mit dem Nähen des Blauhemdes auf den Kampf und den wahrscheinlichen Tod vorbereitet. Schon in der ersten Zeile des Liedes 1235 »Sie sind dort oben, oben in der Höhe, mit ihrer großen Bruderschaft.« Hermandad, in: Arriba, Nr. 8, 9. Mai 1935, S. 1. »Das hier stirbt, es fehlt wenig, bis das moribunde Nichts tot ist und uns verbietet, die Fenster zum mit Sternen besetzten Himmel zu öffnen, zu den Sternen, die unsere Wache kennt.« Alejandro Salazar zitiert an dieser Stelle Worte Jos8 Antonio Primo de Riveras. Vgl. Alejandro Salazar : Consigna, in: HAZ, Nr. 11, 7. November 1935, S. 6. 1236 Vgl. JAPdR: Discurso de la fundacijn de Falange EspaÇola, in: OC, S. 195. JAPdR: Discurso de clausura del segundo consejo Nacional de la Falange, OC, S. 799–812, S. 812. 1237 Concordia, in: Arriba, Nr. 32, 13. Februar 1936. Cara al sol, 3. Dezember 1935, OC, S. 1205. 1238 JAPdR: Testamento, OC, S. 1097–1100, S. 1097. 1239 Diese war im Dezember 1935 komponiert worden. Auf Initiative Jos8 Antonios trafen sich die befreundeten Schriftsteller, nachdem sie im Kino den Film La Bandera über die spanische Legion gesehen hatten, in einer Madrider Bar, um den Text zu schreiben. Monica Carbajosa, Pablo Carbajosa: La corte literaria, S. 127.
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Selbst- und Fremdbilder im Krieg
wird der gehobene Blick des Falangisten in Richtung Himmel aufgegriffen: »Gesicht zur Sonne, mit dem neuen Hemd/cara al sol, con la camisa nueva«. Das Lied schließt auch mit dem Verweis auf diese Zielrichtung, der Erhebung Spaniens: »Hoch Schwadronen, zum Sieg/Arriba, escuadras, a vencer«. Falls der Tod im Kampf eintreten sollte, so versichert der Falangist, habe er einen Platz bei seinen Kameraden der guardia sobre los luceros reserviert (»Ich werde neben den Kameraden antreten, die Wache über den Sternen schieben […] Wenn sie Dir sagen, dass ich gefallen bin, bin ich auf meinen Platz gegangen, den ich dort habe/«Formar8 junto a los compaÇeros/ que hacen guardia sobre los luceros […] Si te dicen que ca&/me fui, al puesto que tengo all&«). Es ist für den Kämpfenden gewiss, dass Spanien erneute Größe erlangen wird (Die siegreichen Fahnen werden zurückkehren/»Volver#n banderas victoriosas«). Der Übergang zum neuen Spanien wird in den Bildern des Frühlings (Der Frühling wird zurückkehren»/«Volver# a re&r la Primavera«) und des Sonnenaufgangs (»In Spanien beginnt die Sonne aufzugehen«/»Que en EspaÇa empieza a amanecer«) beschworen.
Das Vereinigungsdekret vom 19. April 1937: Franco übernimmt die Macht
Der 19. April 1937 sorgte für eine politische Zäsur im Lager der Aufständischen. Diese betraf in erster Linie die Milizen, die durch das an diesem Tag veröffentlichte Vereinigungsdekret in einer Körperschaft zusammengefasst wurden. Doch hatte der Tag der »Vereinigung« (unificacijn) insgesamt für den »Neuen Staat« große Auswirkungen. Franco bereitete mit seinem Handgriff, sämtliche Milizen in einer Körperschaft zu vereinen, allen Hoffnungen auf ein ausschließlich falangistisch orientiertes Staatswesen ein jähes Ende. Welche politischen Elemente der falangistischen Bewegung das zukünftige Spanien prägen würden, entschied nunmehr allein er. Ein Ausspruch über die Entwicklung der Falange lautet, dass diese sich von einem winzigen Körper mit einem großen Kopf zu einem monströsen Körper ohne Kopf verwandelt habe. Die jetzige Wandlung nach dem »Tag der Vereinigung« bestand darin, dass Francos Kopf sich an die Spitze dieser kopflosen Bewegung setzte. Franco vereinte per Dekret so unterschiedliche politische Strömungen wie Nationalismus, Konservativismus, Monarchismus, Faschismus, Militarismus und christlichen Fundamentalismus. Das Dekret beschreibt den Führer als »den wahren Exponenten des Geistes der Nationalen Erhebung«.1240 Der Name für die neue Einheitspartei war die wenig eingängige Formel Falange EspaÇola Tradicionalista y de las Juntas Ofensivas Nacionalsindicalistas (FET y de las JONS). Die Partei erfuhr in den kommenden 40 Jahren weitere interne Wandlungen und Kräfteverschiebungen. Doch zeigte sich das Produkt der Verschmelzungspolitik, trotz der vordergründigen politischen Ungereimtheiten, äußerst stabil. Es trug den Namen Franquismus. Dieses neue Regime ist in der Forschung wegen der Einbindung der konservativ-christlicher Elemente als »fundamentalistisch-faschistisch«1241 oder auch als »semi-faschistisch«1242 bezeichnet worden. Da der Führer der Provisorischen Junta, Manuel Hedilla, sich mit einer un1240 Präambel, Dekret 255, Bolet&n Oficial del Estado (BOE), 20. April 1937. 1241 Wolfgang Wippermann: Faschismus, S. 93f. 1242 Stanley G. Payne: Fascism in Spain, S. 477.
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Das Vereinigungsdekret vom 19. April 1937: Franco übernimmt die Macht
tergeordneten Rolle innerhalb der Falange nicht zufrieden geben wollte, wurde er kurzerhand entmachtet. Bereits drei Tag vor der Veröffentlichung des Vereinigungsdekrets, am 16. April 1937, überstand er nur knapp einen innerparteilichen Umsturzversuch durch die Madrider und Sevillaner Falangisten August&n Aznar und Sancho D#vila.1243 Wenig später kam Hedilla, wegen »Subversivität« angeklagt, ins Gefängnis, nachdem er anfänglich sogar zum Tode verurteilt, dann aber begnadigt worden war. Noch im April 1937 entsendete der General&simo eine dringliche Anweisung an sämtliche Militärgouverneure in den Provinzen: »Auf dass den Provinzführern der Falange mitgeteilt wird, dass rote Unruhestifter die Falange infiltriert haben, die versuchen, die Ordnung durch Demonstrationen und die Ausrufe Arriba EspaÇa, es lebe Hedilla, zu stören.«1244 Hedilla, der an dieser Stelle nun seinerseits als »Roter« betitelt wurde, sei, so die Erklärung weiter, wegen des Versuchs der Tötung des Falange-Führers von Sevilla festgenommen worden. Der Versuch habe zwei Falangisten das Leben gekostet. Wie reagierten die Milizionäre auf das Vereinigungsdekret? In Ourense betrachteten die Milizionäre das Dekret pessimistisch. Einige trugen Francos Entscheidung aber zugleich kämpferisch und sagten, »allen erschien das sehr schlecht, ich erinnere mich, dass ich es im Caf8 Mercantil hörte, und Montero war da, und Meleiro war da, und allen erschien es sehr schlecht […]. Und ich sagte: Bah! Das ist nicht wichtig, letztlich steht da ›Falange EspaÇola Tradicionalista y de las JONS‹. So, wie das ›Tradicionalista‹ da in der Mitte steht, machen wir es platt.«1245 Bei anderen überwog die Resignation, so dass sie die Hymne der Falange nach diesem Tag »nie wieder« sangen.1246 Notdürftig stellten sich die lokalen Falange-Abteilungen auf die Veränderungen in der Führungsspitze ein. In erster Linie bedeutete das, sich für die alltäglichen Verwaltungsarbeiten mit dem neuen politischen Konstrukt zu arrangieren. Statt das Tradicionalista »plattzumachen«, fügten die Falangisten auf den bereits fertig gedruckten Briefpapieren handschriftlich zwischen die Worte »Falange EspaÇola« und »y de las JONS« das Wort Tradicionalista ein.1247 Aber mehr noch: Bis zur Lancierung des Dekrets hatten sich die unterschiedlichsten Auffassungen darüber entwickelt, was den »wahren« Falangismus ausmache. Das Dekret sorgte nun dafür, dass noch mehr solcher Auffassungen konkur1243 Antony Beevor : Der Spanische Bürgerkrieg, S. 327. 1244 Emilio Grand&o: A informacijn da represijn: Os primeiros pasos do »nuevo estado«, in: Carlos Velasco, Dion&sio Pereira, Emilio Grand&o, Eliseo Fern#ndez (Hg.): A fuxida do PortiÇo. Historia, memoria e v&timas, Vigo 2009, S. 45–72, S. 64. 1245 Interview Nr. 76, A.L.G, 23. April 1988, UPDOC. 1246 Interview Nr. 70, J.G.N, 21. Januar 1989, UPDOC. 1247 Alfredo Hermidas Gjmez an den Gobernador Civil La CoruÇa, Carral, Juni 1937, ARG, 32.548, 2869, (Abegondo-Corcubijn).
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rierten. Waren schon Jos8 Antonio Primo de Rivera und seine Weggefährten vor allem damit beschäftigt gewesen, die falangistische Identität zu definieren, so setzten sich diese Versuche jetzt allerorten fort. Das exponentielle Wachstum der Falange hatte dazu geführt, dass ein Innen und ein Außen der falangistischen Bewegung kaum mehr festzustellen war. Wie sollte der Falangismus nach der Übernahme durch das Militär und die Verbindung mit christlich-konservativen Kräften seinen falangistischen Charakter bewahren? Und wie sah der aus? Folgen wir den Quellen aus der Zeit unmittelbar nach dem April 1937, ist zu erkennen, dass die Falangisten immer noch gegen dieselben Feindbilder kämpften, gegen die sie schon zu Republikzeiten gekämpft hatten. Da waren zum einen die Kaziken. Diese nutzten die wirtschaftliche Lage im Krieg dazu, die eigenen Produkte zu überteuerten Preisen für Frontlieferungen zu verkaufen. Das konnte zu absurden Szenen führen, wie in Carnota (A CoruÇa), wo der Bürgermeister, Emilio Beiro Rodr&guez, um fünf Uhr morgens einen Bus mit Rekruten anhielt, um die freien Plätze des Busses mit zum Verkauf vorgesehen Eierkörben zu belegen und die Soldaten auch noch aufzufordern, die Fahrt zum Frontdienst aus eigener Tasche zu bezahlen.1248 In Riveira (A CoruÇa) trug der Sekretär des Bürgermeisters, Andre Gago Fern#ndez, den Wache haltenden Falangisten auf, sie hätten dafür zu sorgen, dass sämtliche Ladengeschäfte um 22 Uhr schließen – seine eigenen Geschäfte ausgenommen. Zugleich sollten die Falangisten bevorzugt diejenigen Waren, die seinen Ländereien oder Läden entstammten, vertreiben. Unterdessen schützte Gago Fern#ndez die erzielten Gewinne durch doppelte Buchführung vor staatlichem Zugriff. Unzufrieden mit der Ausführung seiner Anweisungen durch einen der »Konsumwächter« aus den falangistischen Reihen rief Gago Fern#ndez diesen Falangisten, Manuel Martinez Rama, im November 1937 zu sich ins Rathaus, wo er, so die Schilderung von Mart&nez Rama, »[…] als er das ehrenhafte Blauhemd der Falange sah, sich mir aufdrängte und mich sogar bedrohte[…], ich solle sofort das Hemd ausziehen. Er ging sogar so weit, es mir abreißen zu wollen, beteuernd, dass ich, ohne seine Erlaubnis, oder die des Bürgermeisters nicht Falangist sein könne und dass ich den Posten des Konsumwächters aufgeben müsse.«1249 Das heißt konkret: Einem Falangisten sollte das Falangist-Sein abgesprochen werden, weil er bei illegalen Geschäften nicht kollaborieren wollte. Allein die Tatsache, dass sowohl der 1248 Manuel Lago an den Gobernador, 24. Mai 1937, Carnota, ARG 32.548, 2869 (AbegondoCorcubijn). 1249 Manuel Mart&nez Rama an den Camarada Jefe de Falange de Palmeira, 6. November 1937, ARG. 32.376, 2697 (Laracha-Ordenes); Manuel Martinez Rama an den Gobernador Civil 22. November 1937, ARG. 32.376, 2697 (Laracha-Ordenes). Der Milizchef in A CoruÇa Benito de Haro Lumbreras, stufte diese Anschuldigungen als glaubwürdig ein, vgl. Benito de Haro Lumbreras an Zivilgouverneur, 22. November 1937, ARG, 32.376/2697 (LarachaOrdenes).
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Bürgermeister als auch sein Sekretär, Gago Fern#ndez, ebenfalls Mitglieder der Falange waren, zeigt wie innerlich zerrissen die Partei mittlerweile war. Zu dieser Zerrissenheit trugen weiterhin die Auseinandersetzungen zwischen Primera Linea und Segunda L&nea bei. Falangisten, die an der Front kämpften, schätzten ihre eigenen Leistungen als »falangistischer« ein als die der anderen Parteimitglieder und verlangten dafür Privilegien. Rodrigo Lopez Puente, der sich wegen seiner kriegerischen Leistungen für einen in Boimorto (A CoruÇa) freigewordenen Posten in der Verwaltung geeigneter einschätzte als seinen Konkurrenten, schrieb Ende April 1937: »Aufgrund meines Status, Falangist der Primera Linea, hatte ich es für angemessener und patriotischer erachtet, mit der Waffe in der Hand bei der Verteidigung unseres geliebten Vaterlandes zu helfen und auf diese Weise meinen Mitbürgern Vertrauen und Ruhe zu vermitteln, statt eine reine bürokratische Arbeit zu verrichten, in der einzig und allein derjenige, der diese ausübt, begünstigt wird.«1250 Noch sehr viel kritischer gegenüber den Mitgliedern der Segunda Linea äußert sich ein Milizführer aus Santiago de Compostela: »Es ist heutzutage mehrfach bewiesen, dass nicht nur Mitglieder der FETaus der Segunda Linea, sondern auch Vorgesetzte von ihnen wegen ihres Vorlebens und ihren mehr oder weniger verdeckten Konkomitanzen mit den Feinden des Vaterlandes nicht das nötige Vertrauen befördern und durch ihre Anwesenheit eine verderbliche Moral unter den Menschen verbreiten. Der Ausspruch derjenigen Fronthelden, die der retaguardia einen Besuch abstatten, ›Wenn wir die Sache dort beendet haben, müssen wir hierherkommen und ausmisten‹, ist gerechtfertigt. Und die Verantwortung dafür fällt nur denjenigen zu, die aus Schwäche und aus Fahrlässigkeit sich nicht hart genug zeigen[…]«.1251 An dieser Aussage erkennen wir erneut die verbreitete und sich im Krieg verfestigende Überzeugung, dass es so etwas wie einen »reinen« falangistischen Kern gebe und die Falange sich gegen die Feinde wenden müsse, von denen sie unterlaufen werde. Auf den Punkt bringt diese Besorgnis kein anderer als der camisa vieja Souto Vilas: »Vollkommen einverstanden mit den 26 Punkten der Falange, aber niemals mit den 126 Punkten, die in die Falange hineingesteckt wurden.«1252 Doch nicht nur zwischen den politischen Feinden innerhalb und außerhalb der falangistischen Reihen kam es zu Unstimmigkeiten. Auch die anfänglich zurückhaltende Kirche begann, je länger der Krieg dauerte, umso fordernder 1250 Rodrigo Ljpez Puente an den Zivilgouverneur, Boimorto, 29. April 1937, ARG, 32.548,2869 (Abegondo-Corcubion). 1251 El Coronel jefe de la milicia de FET an den comandante jefe provincial, Telegramm, A CoruÇa, 12. Mai 1938, AGMAV, MN, Caja 5648, Asuntos generales, correspondecia, cp.2. 1252 Destitucion del capitan Don Jos8 Cancelo Paz del mando de la milicia de Santiago, Santiago 12. Mai 1938, Jefe local an die jefatura Politica de Fet, Souto Vilas, AGMAV, MN, Caja 5648, Asuntos generales, correspondecia, cp. 2.
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gegenüber der Falange aufzutreten. Denn dass die Falange mit ihrem dogmatischen und religiös inspirierten Habitus Strukturen einer Glaubensgemeinschaft besaß, stellte für die christliche Kirche ein größeres Problem dar als für die Falangisten, die im Falangist-Sein und Christ-Sein keinen Widerspruch empfanden. Kirchenvertreter manifestierten nun immer häufiger ihre kritische Haltung gegenüber den anderen Kräften im Lager der Aufständischen. Beispielhaft ist die Konfrontation eines Pfarrers und zweier Falangisten, die im August 1937 vor der Kirche in O Burgo (A CoruÇa) eine Spendensammlung für Auxilio Social durchführten, indem sie den Kirchgängern anboten, ihnen als Gegenleistung für eine Spende Abzeichen anzustecken: Als der besagte Pfarrer die Kirche verließ, zog dieser die beiden in grober Art und Weise vom Vorhof und sagte ihnen, dass dies nicht heilig sei, und er würde ihnen die Abzeichen zerreißen, wenn sie diesen Ort noch einmal benutzten, um zu werben. Vor den erstaunten Kirchenbesuchern sagte einer der Kameraden, ob er [der Pfarrer] nicht glaube, dass sein Verhalten als mangelnder Patriotismus eingeschätzt würde, woraufhin dieser antwortete, dass er denjenigen, der das behauptet, abknallen würde.1253
Zu guter Letzt bereitete die Allmacht des Militärs der Falange Probleme. Über die negative Haltung der Legion zur Falange schrieb der falangistische Milizionär Lu&s Hern#ndez am 24. April 1937 an Manuel Hedilla, dass »auf despektierlichste und offensive Weise gegen sie [die Falange]« gesprochen werde. »Sie singen ununterbrochen die Hymne der Falange und ändern ihren Text mit der größten Geringschätzung für uns, und man hört oft Drohungen, von regelrechtem Hass getragen […]. ›Wenn wir mit den Roten fertig sind, fangen wir mit den Falangisten an‹, habe ich aus den Mündern der Legionäre mehr als einmal gehört.«1254 Wie sehr die von der Falange beförderte Gewaltkultur das Kriegsgeschehen beeinträchtigte, letztlich aber über die faschistische Bewegung hinauswuchs und sich sogar gegen sie selber wendete, zeigt folgendes Telegramm aus Pontevedra: Als Falangisten und Freiwillige von Beginn des Krieges und der nationalsyndikalistischen Revolution an, glauben wir, das Recht zu besitzen, unser glorreiches Blauhemd zur Schau zu stellen, das wir mit so viel Eifer verteidigt haben und für das sich unsere besten Kameraden mit Ruhm bedeckt haben. Anwesend!!! Doch verbietet man uns in dieser Truppe, das Hemd zu tragen, und zwingt uns, wie Soldaten aufzutreten, kakifarbenes Hemd, kakifarbene Mütze, kakifarbener Waffenrock, kakifarbene Hose, und demjenigen, der mit dem Blauhemd rumläuft, rasieren sie sämtliche Haare ab und werfen ihn in den calabozo, weshalb wir 5 Tage lang, außer wenn es angeordnet war,
1253 R. Osende, Delegado local Falange an Camarada jefe comarcal, 10. August 1937, El Burgo, ARG. 32.514, 2835 (CoruÇa Arellano, Coristanco-Fene). 1254 Lu&s Hernandez an Manuel Hedilla, 24. April 1937, AGA. 17.02, c. 51/18946, Primera L&nea.
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nicht mehr aus unserem Quartier auf die Straße gegangen sind… Heute mehr denn je sind wir bereit den Parolen unseres geliebten Jos8 Antonios zu folgen.1255
Hatten Falangisten ihrerseits zuvor an Großteilen der Zivilbevölkerung Gewalttaten verübt, waren es plötzlich sie selber, die Angst hatten, dass man ihnen die Haare scheren würde und sie in den Kerker werfen könnte. Allein die Orientierung an dem verstorbenen Führer Jos8 Antonio Primo de Rivera bot den Milizionären in dieser Situation Halt. Der Kult um den C8sar vergrößerte sich zunehmend. Sämtliche politische Parteien versuchten die Figur des »Abwesenden« nun politisch zu instrumentalisieren, was zu den verschiedensten Interpretationen Jos8 Antonio Primo de Riveras führte. Ein Brigadeführer aus Oleiros (A CoruÇa), Jos8 Ruibal, schlug beispielsweise im Juli 1937 vor, im Rathaus von Oleiros Fotos aufzuhängen, von Jos8 Antonio Primo de Rivera, Miguel Primo de Rivera, von Franco sowie von dem ebenfalls aus Galicien stammenden General Martinez Andio, denn »der Vater mit dem Sohn, der Generalissimus mit dem General Martinez Andio, und alle vier zusammen bilden eine Gruppe, die das Vaterland Spanien symbolisiert! Ist diese Forderung, Herr Zivilgouverneur, die Forderung eines Verrückten oder eines Patrioten?«1256 Abgesehen von der Verehrung des verstorbenen Parteiführers zehrte die Falange im Allgemeinen von der Mythisierung der Anfangstage. »Damals«, so die falangistische Sichtweise, hatte eine kleine Gruppe namens FE y de las JONS die Feinde des Vaterlandes bereits erkannt, bevor alle anderen mittlerweile in Waffen stehenden Gruppen nachgezogen waren. Erinnerungstexte aus den Jahren 1937, 1938 und 1939, die auf die Jahre 1933, 1934 und 1935 rekurrieren, präsentieren die bereits mehrfach skizzierten Selbstbilder. Beispielhaft ist eine Rundfunksendung für Kinder, die 1938 auf Radio Nacional übertragen wurde. Die Sendung berichtet von den »jungen Helden« der Falange und greift die Mehrzahl der falangistischen Selbstbilder auf: »Vor einigen Sonntagen habe ich Euch das »illustre Leben« von Antonio Rold#n erzählt, lorbeerbekränzter Ehrenmann, Leutnant der heroischen Legion und Falangist aus Santiago, der als Sinnspruch des Kreuzzuges für das Vaterland das ›Es ist nicht wichtig‹ (¡No importa!) hatte. Erinnert Ihr Euch, dass er das gesagt hat, als ihm auf dem Schlachtfeld das Blei der Maschinengewehre das Leben entriss? Erinnert ihr Euch daran, wie er dieses ›Es ist nicht wichtig‹ ständig wiederholte, wie ein Gebet, als er seinen Kameraden Enrique S#ez Alfeir#n, Leutnant des tercio und
1255 FET y de las JONS, firmada por Jaime G. Conde an Francisco Franco Salgado Aranjo, 13. September 1939, aus Artesa de Segre, AGMAV, MN, 5648 (Asuntos generales), Correspondecia, cp. 2. 1256 Jos8 Ruibal, General de Brigada an Zivilgouverneur, Jos8 M. de Arellano, 30. Juli 1937, Oleiros, ARG. 32.514, 2835 (Coristanco-Fene).
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intimer Freund, in Blut gebadet vor sich liegen sah?«1257 Weiter heißt es über S#ez Alfeir#n, dass dieser »fünf senkrechte Pfeile trug, über dem Herzen des guten gallegos«.1258 Im Folgenden tauchen dieselben rhetorischen Stilmittel, Naturmetaphern und Symbole auf, die im Zeitraum von 1933 bis 1937 in anderen falangistischen Medien wiederholt wurden. Er habe »wie ein Löwe« an der Seite von Antonio Rold#n gekämpft. Und: Seine großen Augen wendeten sich von den Fahnen ab, die fortgerissen wurden in Richtung des blauen Himmels, um der Erde, die grün spross wie sein geliebtes Galicien, all sein Blut zu übergeben. Anspruchslos und voller Liebe drückten seine Lippen einen festen Kuss auf diese Erde. Etwas weiter entfernt lag mein Madrid, das Madrid meines Herzens mit seinen Wolkenkratzern, mit seinen Türmen und seinen Blitzableitern, die Pfeilen glichen und die, so schien es, anzeigen wollten, dass die Seele Enrique S#ez Alfeir#ns von Lorbeerkränzen umringt in den Himmel aufstieg.1259
Die Schlagkraft dieser immer wieder bemühten Bilderwelten hatte auch nach 1939 Relevanz für die Politik der Falange. Sie diente einer neuen Generation von Propagandisten, allen voran Serrano SuÇer und Dionisio Ridruejo, den kriegerischen Geist der Falange noch Jahre lang aufrecht zu erhalten oder neu zu entfachen. Das galt zum einen für die außenpolitischen Pläne Francos und die Aufstellung der »blauen Division« (Divisijn Azul), die im Zweiten Weltkrieg Nazi-Deutschland an der Ostfront unterstützte; ein Großteil der DivisionsSoldaten entstammte der Falange. Zum anderen war die Beschwörung des kriegerischen Geistes gerade innenpolitisch von immenser Bedeutung. Offiziell endete der Spanische Bürgerkrieg am 1. April 1939. Doch hob die Regierung Franco den Kriegszustand erst im Juli 1948 auf. In der Zwischenzeit führte die Regierung eine auch von der Falange getragene Repressionswelle gegen politische Gegner, der mindestens genauso viele Menschen zum Opfer fielen wie zwischen 1936 und 1939. Für viele Menschen in Spanien hielt die Unterdrückung bis in 1970er Jahre an.
1257 »Enrique S#ez Alfeir#n: Vida ilustre«, gelesen von Tio Fernando in Radio EspaÇa, zitiert bei: Juan Hernadez Petit, an den Bürgermeister von Santiago, 6. November 1938, AHU/ AM 2076, sucesos politicos, 6. Propaganda. 1258 Ebenda. 1259 Ebenda.
Zusammenfassung
Gegenstand der vorliegenden Analyse war die Falange EspaÇola, die als Partei und als paramilitärische Bewegung durch eine faschistische »Gewaltkultur« entscheidenden Einfluss auf Beginn und Verlauf des Spanischen Bürgerkrieges ausübte. Auf der Grundlage empirischer Daten sowie der interpretatorischen Auswertung schriftlicher und bildlicher Selbstzeugnisse der Falangisten wurde eine synthetisierende Sozial- und Kulturhistorie des spanischen Faschismus in seiner Aufstiegsphase entworfen. Geographischer Ausgangspunkt der Analyse war die rurale Region Galicien. Die politischen Entwicklungen in der Region wurden dabei im Sinne einer Transferanalyse zur Politik der Madrider Parteiführung in Beziehung gesetzt. Weiterhin wurde für die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges der Kriegsalltag in Nordwestspanien (Galicien, Asturien, Kantabrien, Teile Kastiliens) betrachtet. Die Analyse umfasste die ersten dreieinhalb Jahre der Parteigeschichte, vom Gründungstag – dem 29. Oktober 1933, an dem der Parteiführer, Jos8 Antonio Primo de Rivera, die Falange in Madrid ins Leben rief, bis zur Zeit unmittelbar nach dem 19. April 1937, an dem General Franco die Falange mit anderen vorwiegend konservativ und christlich orientierten Milizen zu einer Einheitspartei verschmolz. Im Gegensatz zu anderen faschistischen Bewegungen in Europa bestand eine falangistische Besonderheit darin, dass die Falange nicht nur in philofaschistischen Intellektuellenkreisen entstand, sondern den »neuen Menschen« auch sprachlich und bildlich als Intellektuellen skizzierte. Die seitens der Falangisten vorgenommenen Analysen anderer faschistischer Bewegungen – der deutschen, aber vor allem der italienischen – fanden ihren Niederschlag in einer ausgesprochen dezidierten Ausformulierung des angestrebten faschistischen Projektes für Spanien. Das im Wirkungskreis von Jos8 Antonio Primo de Rivera konstruierte falangistische Gedankengut basierte auf einer Reihe von Verhaltens- und Sprechkodizes, die, unter Einbeziehung der historischen Erfahrungen des Faschismus, entworfen wurden. Die Falange-Gründer kreierten, um den von Sven Reichardt in die Faschismusforschung eingeführten Begriff zu verwenden, anhand ihrer Beobachtungen eine eigene »Praxeologie«. Im Gegensatz zur
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Zusammenfassung
»gelebten Praxis« erfassten sie diese jedoch programmatisch und versuchten durch die Verbreitung von Richtlinien (»Habitus und Stil«, »Der Tod ist ein Dienst«) ein faschistisches »Verhalten« und »Sprechen« zu verankern. Die Rekrutierung dafür erfolgte zu Beginn vorwiegend an Universitäten und Schulen, im galicischen Kontext betraf dies die größten Städte der Region: Santiago de Compostela, A CoruÇa, Vigo, Lugo, Ferrol, Pontevedra und Ourense. Die Intellektuellen, so der Anspruch, sollten die Führung der falangistischen Massenbewegung übernehmen. Dadurch erklärt sich, dass 1934 und 1935 in Galicien, wie im Rest des Landes, hauptsächlich Studenten der Falange beitraten, die sich in der studentischen Gewerkschaft SEU vereinten und die im elitären Selbstverständnis der SEU-Mitglieder in der Hierarchie über den CONS, den eigentlichen Syndikaten im Falangismus, zu stehen hätten. Eines der wichtigsten Selbstbilder der frühen propagandistischen Zeugnisse spiegelt diesen spanienspezifischen intellektuellen Anspruch der Faschisten wieder : Der mit Waffe und Schrift kämpfende Intellektuelle. Die rund um diese Figur entworfenen Metaphern und Sprachbilder fanden in Studentenkreisen Anklang. Rhetorisches Markenzeichen war ein grundsätzlich poetisierend-positiver Ton, der sich stets auf das »Vaterland« und auf die »Nation« bezog. In Orientierung an anderen Faschismusbewegungen wurden dabei erstens »europäische« Bilder und Topoi des Faschismus adaptiert und dem spanischen Kontext angepasst – »Unsterblichkeit der Nation und des Volkes«, »Jugendlichkeit«, »Imperiales Streben« und »Heroismus« – zweitens Mythen des traditionellen spanischen Nationalismus durch die falangistische Rhetorik überformt – so zum Beispiel der Siegesmythos des Christentums über den Islam in der Schlacht von Lepanto – und drittens, eigene parteiinterne Mythenbildungen betrieben, die zu einer ausgeprägten Ritualisierung des falangistischen Alltags führte – Totenkult, Propagandaveranstaltungen, Zeremonien im Sinne der Belohnungsverordnung etc. Neu war gegenüber anderen Bewegungen, dass der Konstruktionscharakter faschistischer Politik so stark in den Vordergrund gestellt wurde, dass sogar behauptet wurde, die eigene Politik sei »Poesie«. Begriffe wie »Liebe«, »Freude« und »Sonnenaufgänge« erhielten einen höheren Stellenwert als der in anderen Faschismusbewegungen zentrale »Hass«. Strukturverwandt zur Rhetorik im italienischen Faschismus erlebten die Jungfalangisten ihren Selbstbeschreibungen zufolge Grenzsituationen, zwischen »Nacht« und »Tag«, »Herbst« und »Frühling«, »Leben« und »Tod«. Gewaltaktionen, die von Beginn an zum politischen Handwerkszeug der Falangisten zählten, erhielten in der falangistischen Interpretation einen defensiven Charakter und wurden durch das Motiv, nur Liebe zu verbreiten, beschönigt. Zumeist schriftlich formulierte Gewaltphantasien verbanden sich mit der eigenen militaristischen Haltung. Die Tatsache, dass in Madrid mit Mat&as Montero im Zuge linker Gewaltaktionen der erste
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Falangist starb, führte zur landesweiten Verbreitung eines faschistischen Totenkultes, der die Verbindung einer mystischen Vergemeinschaftung von Lebenden und Toten unter der Prämisse der »Aufopferung« für Spanien (sacrificio) zelebrierte. Sich eines nationalistisch-poetisierenden Falange-Stils zu befleißigen, um das Selbstverständnis, als kulturelle Elite Spanien voranzubringen, hing eng mit der propagandistischen Gewalt zusammen, die dazu dienen sollte, die falangistischen Symbole, Rituale und Sprechweisen im öffentlichen Raum zu verankern. Der Anspruch, durch die Implementierung des eigenen Elitedenkens und die Verbreitung ultra-nationalistischer Phantasien, zur »Volksbildung« beizutragen, führte sogar unter galicischen Falange-Studenten zu zaghaften Versuchen, der Landbevölkerung in Seminaren das Lesen und Schreiben beizubringen. Neben Studenten waren die ersten galicischen Falange-Mitglieder Männer mit bürgerlichen Berufen (Anwälte, Ärzte, Pharmazeuten). Sie erkannten im Falangismus ein brauchbares Instrumentarium, ihre gesellschaftliche Stellung zu konservieren, handelten also im Sinne der »sozialen Distinktion«, wie Pierre Bourdieu die Machtmechanismen benannt hat, mithilfe derer sich die herrschende Klasse sozial nach unten abgrenzt. Diese Männer sorgten dafür, dass die Falangisten im Frühjahr 1935 mehrere Parteilokale eröffnen konnten, in deren Umkreis sich fortan die falangistischen Aktivitäten entfalteten: Nächtliche Wandplakatierungen, das heimliche Verteilen von Flugblättern, der Verkauf der Parteizeitungen und sporadische vandalistische Aktionen gegen Parteizentren der Linken. Die falangistischen Provinzabteilungen in Galicien vereinigten sich schließlich am 17. März 1935 auf einem Kongress in Vilagarc&a da Arousa zur übergeordneten Regionalen Falange. Unter der Anwesenheit Jos8 Antonio Primo de Riveras kam es dabei zur größten Veranstaltung der Falange Galiciens während der Zweiten Spanischen Republik. In den Folgemonaten weitete sich die selbst erkorene »Bewegung« in dörflichen Gegenden aus. Sporadisch organisierten die Falangisten Propaganda-Veranstaltungen, insbesondere gegen Ende 1935, als absehbar war, dass es im Frühjahr 1936 zu Neuwahlen kommen würde. Im Umkehrschluss erklärt die von Elitegedanken geprägte soziale, rhetorische und programmatische Ausrichtung der Falange, warum in den ersten zwei Jahren nach der Falange-Gründung so wenige Menschen den Weg in die falangistischen Reihen fanden. Ledesma Ramos, der Gründer der JONS, und Santiago Montero D&az, erster JONS-Führer in Santiago de Compostela, hatten zwar ebenfalls ihr Augenmerk auf die Studentenschaft gelegt, doch hatten sie schon früh die Notwendigkeit erkannt, für die Schaffung einer Massenbewegung auch tatsächlich die Massen anzusprechen. Während Ledesma Ramos und Montero D&az in ihren polit-theoretischen Vorstellungen Ultra-Nationalismus und Syndikalismus verbanden, setzte sich im falangistischen Diskurs die »spirituelle Revolution« gegenüber der »materiellen Revolution« durch und damit der An-
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spruch, alle Spanier in einer unidad del destino en lo universal zu vereinen. Die Propaganda konzentrierte sich im Folgenden sehr stark auf die Romantisierung des Landlebens und eine Idealisierung mittelalterlicher Lebens- und Wirtschaftsweisen. Im Laufe des Jahres 1935 gelang der Falange in Galicien die Einbindung von Arbeitern besser, wenngleich die Zahlen immer noch, im Vergleich zu anderen Regionen, wie Andalusien, auf sehr niedrigem Niveau lagen. Die Mitglieder in Galicien konzentrierten sich auf einige wenige Gewerbezweige wie den Eisenbahnbau. Im Arbeitskampf mussten die Falangisten gegenüber den mächtigen Gewerkschaften CNT und UGT zurückstehen. Allerdings erhielt die Falange nach den Wahlen vom 17. Februar 1936 Unterstützung aus konservativen Kreisen, was dazu führte, dass über Klientelstrukturen falangistische Werktätige leichter Arbeitsplätze erhielten. Inwiefern es in dieser Phase zu Synergieeffekten mit anderen Gewerkschaften und Gewerkschaftslosen kam, die zum Wachstum der Falange beitrugen, ist eine Frage, die noch weiterer wissenschaftlicher Untersuchung bedarf. Trotz ihrer geringen politischen Bedeutung bis zum Sommer 1936 erfüllte die Falange gerade in den Monaten zwischen dem Februar und dem Juli 1936 wichtige Informantenfunktionen, was den konspirierenden Militärs bei der Vorbereitung des Putsches half. Die Falange schuf ein bis in die kleinsten ländlichen Gemeinden der Region Galicien reichendes Zellen-System, über das wichtige den Aufstand betreffende Nachrichten ausgetauscht wurden. Die Partei erreichte bis zum 18. Juli 1936 eine Zahl von rund 1200 Mitgliedern; es ist jedoch davon auszugehen, dass die Zahl der Sympathisanten inzwischen bedeutend höher war. Auch die politischen Verbindungen zwischen konservativen Milizen wie der JAP wurden nach den Wahlen vom Februar 1936 enger und führten zu Übertritten in die Reihen der Falange. Insbesondere die Gefängnisse dienten in den Monaten vor Kriegsbeginn als Institutionen der falangistischen Vergemeinschaftung. Nach Beginn des Verbotsverfahrens gegen die Falange, wurde eine Vielzahl Falangisten inhaftiert. In der Haft übten die Falangisten Einfluss auf andere Mithäftlinge aus. Männerbündlerische Praktiken rund um die symbolische Zurschaustellung des eigenen Gemeinschaftscharakters fanden genauso von Gefängnisinsassen wie seitens der zahlreichen falangistischen Besucher Anwendung. Gängiges rhetorisches Mittel war es zu diesem Zeitpunkt, sich als Opfer der republikanischen Justiz zu stilisieren. Gelegentlich wurde diese Botschaft über die Presse an die politische Öffentlichkeit gerichtet. Währenddessen entwickelte sich auf den Straßen die zuvor stark propagandistisch geprägte Gewalt hin zu körperlichen Gewaltkonfrontationen. Zuvor hatte es bei eher zufälligen Zusammenstößen zwischen Falangisten und linken Politaktivisten meist Verletzte gegeben; nur im Juli 1935 und im Februar 1936
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war es zu gewalttätigen Aufeinandertreffen mit Todesfolge gekommen. Auch nach den Wahlen vom Februar 1936 war die Situation weit davon entfernt, dass organisierte Straßenarmeen sich bekämpft hätten. Es blieb auch im Frühjahr 1936 bei isolierten Gewaltaktionen. Dennoch besaßen die Eskalationsverläufe eine andere Qualität. Es wurden nicht mehr nur porras und Messer eingesetzt, wie während der meisten Scharmützel der Jahre 1934 und 1935, sondern vorwiegend Schusswaffen. Die Zahlen der Gewalttaten spiegeln die sich aufwärts drehenden Gewaltspirale wider. Im Analysezeitraum wurden drei Falangisten durch politische Gegner getötet, die Falange verursachte unterdessen neun Todesopfer. Acht der neun Opfer starben zwischen Februar und Juli 1936. Damit hatte die Falange in Galicien aus gesamtspanischer Perspektive einen größeren Anteil an den Todeszahlen als ihre numerische Größe, die im Vergleich zu anderen Falangisten-Gruppen eher gering ausfiel, dies vermuten lässt. Zudem gingen die Falangisten gewalttätiger vor als ihre politischen Gegner, die in der Mitgliederzahl der Falange weit überlegen waren. War es in Madrid unmittelbar nach der Gründung der Falange zu Gewalttaten gegen Falangisten gekommen, so kann diese Gewaltentwicklung für den Nordwesten Spaniens nicht bestätigt werden. Die symbolische Fernwirkung des Totenkultes, der stark auf die Stilisierung der eigenen Bewegung als »Opfer der Linken« setzte, entfaltete zwar auch in Galicien Wirkung: Die Falangisten verankerten die Totenrituale in ihrer Alltagspraxis. Die Ausübung von Gewalt fiel jedoch, auch in den Jahren 1934 und 1935, zahlenmäßig nicht geringer aus als die Gewalt der Linken. Beziehen wir die Ergebnisse Gonz#lez Callejas zur Gewaltverteilung im Spanien der unmittelbaren Vorkriegszeit ein, wird folgende Tendenz bestätigt: Die Falange verübte ihre Gewalt in erster Linie auf dem Land. Die Gesamtzahl der zwischen Februar und Juli 1936 aus politischen Motiven getöteten Menschen in Spanien übertraf die Opferzahlen, die es in vergleichbaren Zeiträumen in Deutschland und Italien gegeben hatte, was vorwiegend an den Konfrontationen der Linken und der Polizei lag. Vom Ausbruch eines Bürgerkrieges war das Land trotz dieser Gewaltentwicklung noch entfernt. Dass es letztlich zum Krieg kam, lag einzig und allein an der Entscheidung führender Generäle, gegen die Republik zu putschen, was wiederum für die Entwicklung des Faschismus in Spanien entscheidende Auswirkungen hatte. Denn war in Deutschland in einer Phase des »latenten Bürgerkrieges«1260 eine Konsolidierung der faschistischen Bewegung unter Einbeziehung kommunistischer Kräfte möglich gewesen, hatten die Falangisten eine solche Entwicklung nicht erreicht und konnten diese im Kriegskontext kaum noch nachholen: »Denkt an 1260 So ist der Zeitraum vor der Machtübergabe an Hitler oft bezeichnet worden. Vgl. Dirk Blasius: Weimars Ende. Bürgerkrieg und Politik 1930–1933, Göttingen 2005, S. 9ff.; Dirk Schumann: Politische Gewalt, S. 365.
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Deutschland und an Italien, die fanatischsten Kommunisten sind heute exzellente Faschisten. Und etwas Ähnliches sollten wir anstreben«, sagte Manuel Hedilla in seiner Weihnachtsrede 1936.1261 Vor allem verlieh er damit seiner Besorgnis Ausdruck, dass im Krieg zu viele Linke getötet würden. Die Integration ehemaliger sozialistischer und kommunistischer Gewerkschaftsmitglieder gelang der Falange also nur bedingt. Das Motiv dabei war vor allem Angst und nicht die faschistische Überzeugung. Viele Menschen, die ihr Leben retten wollten, traten in die Falange ein. Diese Wahl hatte nicht zuletzt einen einfachen Grund: Im Krieg war es einfacher, einen falangistischen Mitgliedsausweis zu erhalten als einen Ausweis der JAP oder der requet8s. Die behördliche Bearbeitung von Anträgen aus der Falange wickelten die Zuständigen schneller ab. Auch die Entsendung falangistischer Truppen an die Front verlief rascher als die anderer Miliz-Einheiten. In allen drei galicischen Falange-Körperschaften, der Miliz-, der Frauen- und der Jugendabteilung, stiegen die Mitgliederzahlen und wiesen bald ein bürgerkriegstypisches Sozialprofil auf. Die Alterspanne der Milizionäre erstreckte sich von 14 bis 72. 26,58 % der Falangisten, die in den ersten neun Monaten in den Krieg zogen, waren 18 Jahre alt oder jünger. Im April 1937 erreichte die Falange allein in Galicien eine ungefähre Größe von 40000–50000 Mitgliedern. Die Falange entwickelte sich zur Massenbewegung, deren Mitglieder sich durch höchst ambivalente Verhaltensweisen auszeichneten. Einerseits sollte die Falange, so die Vorgabe der Militärs, eine der Stützen des »Neuen Staates« sein: Gewalt wurde dadurch legitimiert. Andererseits entfaltete sich im Umkreis der Falange eine andere noch willkürlichere Art der Gewaltausübung, die meistens mit privater Vorteilnahme zu tun hatte. Im Namen des »Neuen Staates« etablierte sich unter falangistischer Kontrolle bereits ab Herbst 1936 sukzessive die Zwangsarbeit, und nicht, wie bisher in der Forschung angenommen, erst ab dem zweiten Kriegsjahr. In einzelnen Landstrichen stellten die Falangisten Familien zur Arbeit auf den Straßen und an den Feldern ab. Das war die Grundlage für die wenig später eingerichteten Arbeitsund Konzentrationslager. In Nähwerkstätten wurden Frauen dazu angehalten, Sonderschichten zur Konfektionierung von Militärausstattungen abzuleisten. Die fertigen Produkte, wie auch Essen und Munition, wurden meist über Fahrtendienste der CONS an die Front transportiert. Ganze Gewerbezweige, die vor dem Juli 1936 keinerlei Verbindung zur falangistischen Bewegung hatten, wurden Teil der CONS z. B. eine große Anzahl von Fischereibetrieben. Die Militärs überantworteten in vielen der besetzten Dörfer und Städte den Falangisten Waffen und übertrugen ihnen Sicherheitsaufgaben. Dazu gehörten Kontroll- und Wachdienste in Ortschaften, an Landstraßen und Häfen. Falan1261 Habla el camarada Hedilla, in: La Nueva EspaÇa, 2. Januar 1937, S. 3.
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gisten wurden neben der Guardia Civil und dem Heer in die Erschießung von »Roten« eingebunden, sowohl in die »offiziellen« Erschießungen auf Friedhöfen, die oft sichtbar für eine ganze Dorfgemeinschaft inszeniert wurden, als auch in die »inoffiziellen« Erschießungen, fernab der Dörfer und Städte, auf Feldern oder in Gräben an Landstraßen. Falangisten hatten das Recht, Hausdurchsuchungen und Leibesvisiten durchzuführen. Sie verhafteten »politisch Verdächtigte« und sperrten diese entweder ins Gefängnis oder ins jeweilige FalangeHauptquartier, das ebenfalls als Gefängnis genutzt wurde. Im Zuge dieser polizeilichen Aufgaben nahm die Falange auch an »Expeditionen« in Wald- und Gebirgsregionen Teil, um über das »Kesseltreiben« flüchtige Linke zu fangen oder hinzurichten. Außerdem waren Falangisten dafür zuständig, Informationsberichte über »politisch Verdächtige« anzufertigen, die später die Grundlage für eine mögliche Verurteilung der Beschuldigten darstellten. Weiterhin sammelten sie Spenden zur Kriegsfinanzierung, wobei unter »Spenden« auch gewalttätig erzwungene Abgaben verbucht wurden. Um dem ab Winter 1936 zunehmenden Unmut in der Zivilbevölkerung gegenüber den »Spenden« entgegenzuwirken, organisierte die Falange kostenpflichtige Kulturveranstaltungen ganz unterschiedlicher Art und Größe. Diese reichten von Laientheaterschauspielen in Dörfern bis hin zu Großveranstaltungen in den Städten, wie z. B. den Konzerten des bekannten Opernstars und Falange-Mitglieds Miguel Fleta. Weiterhin trugen die Veranstaltungen dazu bei, die kulturelle Vormachstellung der Falange im Lager der Aufständischen zu festigen. Die Falange war die hör- und sichtbarste Körperschaft, die unter Franco kämpfte. Die Aufständischen hissten nach Eroberungen neben der rot-goldroten Spanienflagge zumeist die Flagge mit dem yugo y flechas. Die eingängigen Falange-Slogans EspaÇa, una, grande y libre und Por la patria, el pan y la justicia waren genauso in aller Munde wie der Ausruf ¡Arriba EspaÇa! oder die Parteihymne Cara al sol. Insbesondere bei den desfiles, den Festumzügen, erfasste die Selbstinszenierung der Falange ganze Dörfer und Städte. Die Umzüge fanden nach Eroberungen, an Feiertagen aber auch spontan statt und hatten neben der Machtdemonstration der Falange das Ziel, neue Mitglieder zu werben. Falangistische Kapellen spielten Märsche, Frauen-, Jugend- und Milizabteilungen präsentierten sich uniformiert auf den Straßen. Das war die offizielle Seite des Militäraufstandes: Die Repräsentation des »Neuen Staats«. Doch gab es viele Falangisten, die sich den offiziellen Akten entzogen oder ihnen wenig Bedeutung beimaßen. Für sie war in erster Linie wichtig, sich persönlich zu bereichern. Und Chancen, ungestraft zu rauben, zu morden und zu stehlen boten sich viele, zumal der Aufstand in den nördlichen Gebieten (Galicien, Teilen Kastiliens und Asturiens) einen nahezu rechtsfreien Raum hinterlassen hatte, in dem Verbrechen kaum geahndet wurden und sogar oft im Sinne der Abschreckung politisch gewollt waren bzw. als Racheakte ak-
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zeptiert wurden. Das Œuvre der Falange als gewalttätigste Miliz des Krieges verstärkte sich durch die Gewaltaktionen der ersten Kriegsmonate. Ab dem 18. Juli 1936 nutzten viele Falangisten ihre plötzlich gewonnene Macht, um Geld zu erpressen oder sich an »Roten« zu vergehen. Die faschistische Gewaltkultur fand Ausdruck in Erniedrigungen, wie dem Kopf- und Bartscheren, dem Foltern durch das Trinken von Rizinusöl, durch Schläge und Vergewaltigungen. Menschen wurden gezwungen, ihr eigenes Testament zu schreiben, öffentliche Plätze zu fegen, erniedrigende Insignien an Stirn oder Brust zur Schau zu stellen oder öffentlich falangistische Lieder zu singen. Gewalt konnte dabei autotelische Züge annehmen und einzig dem Genuss der Täter dienen. Spezifisch für die von Beginn an in den Machtbereich der Aufständischen fallenden Regionen – Galicien, Asturien und Teilen Kastilien und Lejns – ist der sich wiederholende Charakter der Gewalt. Denn nach späteren Eroberungen in anderen Landesteilen wurden Feste, in deren Zuge es zu Gewalttaten gegen »Besiegte« (vencidos) kam, immer wieder aufs Neue inszeniert. Es fällt auf, dass Beschwerden über falangistische Gewalttaten häufig aus den eigenen Reihen vorgetragen wurden. Die unterschiedliche Auslegung, was der »wahre Kern« des Falangismus sei, ließ die Falange unmittelbar nach Kriegsbeginn zu einer Misstrauens- und Denunziationsgemeinschaft werden. So beschwerte sich Pedro S#nchez Blas, Falangist in Ares (A CoruÇa) über die menschenunwürdige Behandlung von »Roten« bei der Zwangsarbeit und wurde dafür intern abgemahnt. In Puentes (Lugo) hingegen wurde der Falangist Narciso Corral Ocampo nach einer ähnlichen Anzeige wegen seiner Vergehen suspendiert. Während in Pontevedra eine Falangisten-Gruppe Kaffee nach Portugal schmuggelte, erhielt eine Gruppe Ourenser Falangisten eine Auszeichnung dafür, dass sie entscheidend zur Überführung einer Kaffeeschmugglerbande beigetragen hatte. Die CoruÇeser Falange-Führung warnte Geschäftsleute vor »illegalen« Spendensammlungen von Falange-Mitgliedern. In Lugo hatte diese Art der Selbstjustiz gerade ihren Ursprung in der Führungsspitze. Kein geringerer als Mario Gonz#lez Zaera, im Herbst 1936 ranghöchster galicischer Falangist, erpresste und raubte große Geldsummen und brachte diese nach Portugal oder leitete sie an Manuel Hedilla weiter. Zur selben Zeit entstanden weitere Bruchlinien innerhalb der Partei: Zwischen Front und Hinterland, zwischen primera l&nea und segunda l&nea, zwischen camisas nuevas und camisas viejas. Vereinzelt gliederten sich Falangisten im Juli 1936 in Heeresgruppen ein. Sie sahen im Gang an die Front keinen Widerspruch zu der Vorgabe Jos8 Antonio Primo de Riveras, im Kriegsfall möglichst eigenständig zu handeln. Andere Falangisten waren dagegen der Meinung, die Falange müsse in »reinen« Falange-Einheiten kämpfen, um wirklich »falangistisch« handeln zu können. Als der General Barja de Quiroga mit der Bandera Gallega de Falange EspaÇola schließlich eine solche Einheit ins
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Leben rief, war dies der Parteiführung jedoch ebenso wenig recht. Zaera und Hedilla befürchteten, dass allein die Führung der Einheit seitens eines Generals einen zu großen Einfluss der Armee auf die Falange nach sich ziehen würde. Neben den unterschiedlichen Auffassungen über den Frontdienst kamen auch Zweifel am falangistischen Geist in der Verwaltung tätiger Parteimitglieder auf. Gerade Milizionäre der segunda l&nea wurden kritisiert, keine »wahren Falangisten« zu sein, da sie, so der Vorwurf, andere Falangisten für Spanien kämpfen ließen. Schon bald kursierten Gerüchte über ein Unterlaufen der Partei. Konnten Büroarbeiter, ehemalige JAP-Mitglieder oder andere camisas nuevas »wahre« Falangisten sein? Und wie schützte man die Falange am besten gegen das Heer? Es fällt auf, dass der während der Zweiten Spanischen Republik entworfene Falange-Diskurs von stark kriegsorientierten Dispositiven geprägt war, die sich auch mit Kriegsbeginn kaum veränderten. Rhetorisch hatten Falangisten schon 1933 im Krieg gelebt. Das zentrale Feindbild bei der Parteigründung, »der Rote«, blieb auch nach dem Juli 1936 der hauptsächliche Gegner. Im Gegensatz zu den Feind- veränderten sich jedoch die Selbstbilder, indem diese nämlich den Verhältnissen des Krieges angepasst wurden und dadurch weiterhin ihre Funktion innerhalb des elitären Herrschaftsdiskurses erfüllten. Im Kriegskontext verschob sich die Idealvorstellung eines intellektuell partizipierenden Kämpfers hin zum unterwürfig gehorchenden »Mönchssoldaten«. Dieser wiederum fand im »galicischen Wesen« den Wirt, um zur vollen Entfaltung zu gelangen. Angeblich, so die Vorstellung, seien Galicier bezogen auf ihre Aufopferungsbereitschaft besonders vorbildhaft. Sprachlich machten die Falangisten also weiterhin innerparteiliche Abgrenzungsmechanismen wirksam, die schon vorher dazu gedient hatten, SEU-Mitglieder über CONS-Mitglieder zu stellen. Diese Vorstellungen reproduzierten sich auch in der Militärstruktur : Aus der Falange stammende Leutnantsanwärter waren fast immer Studenten, Anwälte, Ärzte und Architekten. In der falangistische Führungsriege hatten weiterhin aus diesen sozialen Milieus kommende Althemden das Sagen, die sich darüber hinaus gegenseitig protegierten. Dem falangistischen Streben nach größtmöglicher Machtentfaltung bereitete General Franco durch das »Vereinigungsdekret« vom 19. April 1937 ein jähes Ende. Der Zusammenschluss unterstellte die Falange endgültig der Militärmacht. In den Monaten nach dem April 1937 wuchs die Falange zwar weiter, doch war sie mittlerweile ein derart großes Gebilde, dass von einer Einheit, sofern es diese jemals gegeben hatte, kaum mehr die Rede sein konnte. Der propagierte Elitegedanke der Falange-Führung floss in das Gebilde FET y de las JONS ein. Innerhalb des Parteiapparates wurde die Falange nun zum zentralen Organ der »Elitenrekrutierung und der politischen Akklamation«, was eher an
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südamerikanische Militärdiktaturen erinnert als an die faschistischen Bewegungen Mitteleuropas.1262 Der weiterhin von einer blumigen Sprache und von Ritualen getragene Gewaltcharakter der Falange besaß auch noch im Franquismus eine gewisse Strahlkraft – doch wurde diese anders kanalisiert. Sie war wichtig für die Entsendung der Division Azul in den Zweiten Weltkrieg wie auch für die Fortführung der politischen Verfolgung im Spanien der Nachkriegszeit.
1262 Arnd Bauerkämper: Der Faschismus, S. 126.
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Archivalische Quellen
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expediente 3385), Caja 6058 (expediente 3386 – expediente 3490), Caja 6059 (expediente 3491 – expediente 3580), Caja 6060 (expediente 3581 – expediente 3700), Caja 6061 (expediente 3701 – expediente 3809), Caja 6062 (expediente 3810 – expediente 3900), Caja 6063 (expediente 3901 – expediente 4020), Caja 6064 (expediente 4021 – expediente 4090), Caja 6065 (expediente 4091 – expediente 4200)
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Archivo Histórico Provincial de Pontevedra AHPP Xefatura Provincial do Movemento Libro Registros L-6547, L-6545, L-6540, L 6531, L 6530 L-6527, L-6526, L 6511, L6510, L6509 L-6507, L-6505, L-6502, L-6501, L6499 Caja 55 , Caja 56/1, Caja 56/2, Caja 57/6, Caja 58, Caja 59
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Abkürzungsverzeichnis
ARMH CEDA CNT FAI FE FET y de las JONS FUE HAPAG JAP JONS JURD PCE PG PRG PRR PRR PSOE SEU SF UGT URD PNE
Asociacijn para la Recuperacijn de la Memoria Histjrica Confederacijn EspaÇola de Derechas Autonomas Confederacijn Nacional del Trabajo Federacijn Anarquista Ib8rica Falange EspaÇola Falange EspaÇola Tradicionalista y de las Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista Federacijn Universitaria Escolar Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktiengesellschaft Juventud de Accion Popular Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista Juventudes de la Union Regional de Derechas Partido Comunista de EspaÇa Partido Galeguista Partido Republicano Gallego Partido Republicano Radical Partido Republicano Radical Partido Socialista Obrero EspaÇol Sindicato EspaÇol Universitario Seccijn Femenina Unijn General de Trabajadores Unijn Regional de Derechas Partido Nacionalista EspaÇol