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German Pages 388 [395] Year 1813
Denkwürdigkeiten
Charakterzüge und Anekdoten aus dem Leben
der vorzüglichsten deutschen
Dichter und Prosaisten. -------------
Illi I
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III
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Herausgegebe« von
Karl Heinrich JördenS Rektor des Lycet der Köuigl. S«chs. SechSstsdt L a « b a n.
Zweiter Band.
Leipzig 1812. Bet Paul Gotthelf Kummer.
Sr. Wohlgeboren dem
Herrn
Kommerzienrath
Carl Christian Lachmann in
Greiffenberg
hochachtungsvoll
gewidmet.
Verzeichniß der in diesem Bande enthaltenen Artikel.
19. tessmg, Ghold Ephraim
S.
3-43
Gotthold Ephraim Lessiugs Leben rc. herauögeden von Ä. G. Lessing. Erster, zwei ter uLOetl. Berlin 1793. >795. 8. — Gott hold Ephraim Lessings Briefwechsel mit seinem Bruder Karl Gotthelf Lessings Berlin 1794. 8. — Gorthvld Epdrarm Lessings Briefwechsel mir K. W. Ram ler , 3» 3- Eschenburq und Frdr. Nicolai» Berlin 1794. 8. — Berlrnitche Monats schrift 1791. Januar S. 35 ; 44- — Neue stes Vademekum, eineAnswavl derwizzigsten Anekdoten und sinnreichsten Einfälle, gelammelt von Z. Morgenstern. Berlin 18IL 8.—Handschriftltche Nach richten.
20. Mendelssohn, Moses
S. 43 • 64
Leben und Meinungen Moses Mendels sohns, nebu dem Geiste reiner Schriften tti einem kurzen Abrisse dargesteur. Ham burg 1787.8. (von dem vormaligen Chur sachs. Hofrarh Frdr. Wild, von Schütz) — MoseS Mendelssohns kleine philosophi sche Schriften (herausaegeben von 3oh. George Muchler). Mit einer Skizze sei nes Lebens und Charakters von D» 3enisch. Berlin 1789. 8. — Feddersens Nachrichten von dem Leben und Ende gurqesiunter Menschen, fortgeletzt von Frdr. Will). Wolftarh. Samurl. 6. Halle 1790.8.S. 1285161. — Wolfraths Cha rakteristik edle*- und merkwürdiger Men schen, nebst einzelnen schonen CharakterZügen.
züaen. Th.i.S.zir.— Ghold Ephraim Lessings Briefwechsel mit K. W. Ramler, I. I. Eschenburg und Frdr. Nicolai. Berlin 1794. 8. — Der neue Anekdotenfreundere, von Karl Mucpler. Zweite-
Hundert. Berlin I811. 8.
96. —
Anekoorenalmanach auf das Jahr 1809. berausgegeben von Karl Mücdler. Ber lin 1808. 8. S. 296. — auf das Iahe
1811. S. 403» — Handschriftliche Nach richt.
ar. Kant, Jmman.
*
S. 64- T19
Darstellung des Lebens und CharakterImmanuel Kant-von Ludwig ErnstBorowsky. Von Kant selbst genau reviiurt und berichtigt. Königsberg 1804. 8. — Immanuel Kanr geschildert in Briefen an einen freund von Reinhold Bern hard Jachmann. Königsberg 1804.8.— I nmanuel Kant in seinen letzten Lebens jahren. Ern Beitrag zur Kenntniß seineCharakters und häuslichen Lebens aus dem täglichen Umgänge mit ihm vouE. A. Cd. Wasianski. Königsberg 1804.8.— Anekoorenalmanach auf das Jahr 1808. herausgegeben von Karl Müchler. Ber lin I8»7. 8. — auf daS Jahr 1811. — Handschriftliche Nachrichten.
22. Gedike, Frdr.
' S-n--»-;
Nekrolog der Deutschen für das neun zehnte Jahrhundert, herausgegebeu von Friedrich Gchlichteqroll(Gothe 1803.8.) Bd. 2. — Friedrich gedike, eine Biogra phie von Franz Horn. Nebst einer Aus wahl ausGedike's hinterlassenen, größrentheils noch ungedruckten Papieren. Berlin 1808. S. — Karl Müchlers Epi gramme , Fabeln und Erzählungen. Ber lin 1808.8. — Handschriftliche Nachricht.
23. Schubart, Chrstn. Frdr. Dan.
klagen sich, es fei eine taube Gottheit; es lasse sich vetv ehren und anflehen; man rufe vom Morgen bis an den Mittag: aber da sei keine Stimme noch Antwort. Ich
lege meine Blatter zu den Füßen eines Götzen nieder, der ton Eigensinn hat, eben so harthörig zu seyn. Ich habe gerufen, und er antwortet nicht.
Jetzt verklage ich ihn
vor dem tauben Richter, dem Publikum, das sehr oft gerechte Urtheile fällt, ohne zu Horen. Die Spötter sa/ gen: „Rufe laut! er dichtet, oder hat zu schaffen, oder
ist über Feld, oder schläft vielleicht — daß er erwache l"
s so h n ein, beweist mir die Güte der Vor sehung.
Sie wollte für meinen Herrn und mich zugleich
sorgen, und mußte deßhalb ihn reich und mich arm wer den lassen.
Ware es umgekehrt, so würde er gewiß sich
in großer Noth befinden, da ich ihn sicher nicht zu dem
Geschäfte brauchen könnte, wozu er jetzt mich braucht." König Friedrich der Zweite von Preußen ließ ihn einst zu sich nach Potsdam kommen.
Da es
eben
Mos. Mendelssohn.
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eben Sabbath war, wo kein Jude reiten oder fahren darf, so mußte Mendelssohn zu Fuß durch das Thor in
Potsdam eingehen.
Ein Junker, der wohl in seinem
Leben weder Mendelssohns Phädon,
noch die
Briefe über die Empfindungen gelesen
mochte,. fragte ihn auf die Anzeige,
haben
daß er ein Jude,
Nahmens Mendelssoh n fei, und der König ihn ver/ langt habe, unter einigen soldatischen Flüchen, wie er
in aller Welt zu der Ehre komme, zum Könige gerufen
zu «erden. Mendelssohn besann sich nicht lange, sondern gab zur Antwort: „Ich spiele aus der Tasche." i— Ja,
das ist etwas anders,
sagre der Junker,
und
ließ den Taschenspieler Mendelssohn passiren, da er hingegen den Philosophen Mendelssohn vielleicht noch
lange inquirirr, und wohl gar am Ende auf die Wachtstu/ che gesetzt haben würde, da bekanntermaßen mehr Taschen/
spickt1, als Weltwcise, durch die Thore eingehcn.
Ein andermal sah ein junger Offerier, der an einem Thore Berlins die Wache hatte, einen unansehnlichen, verwachsenen Juden aus dem Thore gehen, ohne ihn rock
ler zu kennen.
Er wollte ihn ein wenig aufzichen, und
fragte ihü unter andern, womit er denn handle, er wolle ihm etwas abschachern. Der ungekannte Jude war M e m
delssohn.
Er gab dem Officier zur Antwort: „Wo/
mit ich handle, das kaufen Sie doch nicht." — Nun,
sagte der Officier,
womit handelst du denn? — „Mit
Verstand" erwiederte Mendels sahn.
Mendelssohn wurde einst in Berlin auf der Straße von einem gemeinen Soldaten insultirt.
Sein
Begleiter, ein junger Gelehrter, äußerte darüber seinen Uik
Mof. Mendelssohn.
58 Unwillen.
„Aber, mein Gott! sagte Mendelssohn-
was bleibt denn einem solchen Menschen noch übrig, wenn er nicht einmal einen Juden kuionircn darf!"
Friedrich der Zweite hatte von der Unster6/ lichkeit der Seele —» nicht nach Mendelssohn-
Dieser rügre dieß streng in den
System —> gedichtet.
Lireraturbriefcn, walzte jedoch alle Schuld auf die
leidige Nachahmung des Lukrez, entweder weil er dem königlichen Schutzbriefe; Dans la republique des let-
tres les opinions sont libres (in der Schrift: Jitterature allemande) nicht recht traute,
sich selbst ein Kompliment zu machen.
De la
oder um
Der Genera lfis,
kal hielt e- für seine Pflicht, davon Notiz zu nehmen^ verbot den Debit der Litera tu r bricfe bis nach aus,
gemachter Sache, und stellte den Recensenten wegen seiner Frechheit zur Rede.
Dieser antwortete: „Wer Verse
macht, schiebt Kegel, und wer Kegel schiebt, er sei, wer
er wolle, König oder Bauer, muß es sich gefallen lassen, daß der Kegeliunge ausruft, wie er schiebt." — Diese bescheidene Ansicht der'Poesie und Philosophie gefiel, und
die Sache war abgethan. Friedrich der Zweite, der einmal eine Abnei, gung gegen die Juden gefaßt hatte, und darin durch An, dere bestärkt wurde, strich Mendelssohns Nahmen in
der, von oer Berlinischen Akademie der Wissen, schäften ihm überschickten, Liste der neu zu erwählen,
den Mitglieder.
„0, fiigte Mendelssohn, ich grä,
me mich nicht darüber.
Nur alsdann würde es mich
schmerzen, mit würdigen Mannern in einer solchen Der,
-rüderuug nicht stehen zu dürfen, wenn mich die Akade, mir.
Mof. Mendelssohn.
mie,
und
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bcr König davon ausgeschlossen hätt
nicht
te."
Wenn in Mendelssohns
Abenduntcrhaltungen
mit seinen Freunden das Gespräch zufällig auf Philosophie
sehe Matti icn, oder andre ernsthafte Gegenstände zu fale len schien, so pflegte er durch irgend eine schickliche Wen/
düng auszubeugen.
So lenkte sich das Gespräch eines
Abends auf die Ontologie, und man that verschiedene
Fragen an ihn.
„Es ist wahr, fiel er ein, cs ist etwas
Vortrcfliches um die Ontologie, vorzüglich wenn sie einem ein gutes Nachtlager verschafft.
Mir hat sie ein/
mal zu einem sehr guten.Nachtlager verholfen, als ich, schon darauf gefaßt war, die Nacht in meinem Wagen
unter freiem Himmel zuzubringen."
Alle waren begierig
zu hören, wie dieses zugegangen, und Mendelssohn
erzählte,
was folget.
„Ich war auf einer Reife im
* Äschen begriffen, und wurde eines Abends genöthigt,
in einem kleinen Dorfe zu übernachten, wo kein ordentt licher Gasthof war.
Das Wetter war sehr unfreundlich.
Als ich erfuhr, daß ein Prediger im Dorfe wohne, schick/
te ich zu diesem, und ließ mich bei ihm als einen Gelchr/
teit aus Berlin melden, der um ein Nachtlager bitte. Der Prkdigcr ließ sich willig finden , mochte aber doch ett
nige Bedenklichkeiten hegen, da er hörte, daß der Gclchr/
te aus Berlin ein Jude sei.
Wie ich auf das Haus
zukam, sahe ich den Prediger, der mich erwartete, einen
sehr ehrwürdigen Greis, vor der Thür stehen.
Ehe mich
aber der alte Mann unter sein Dach nöthigte,
wollte er
erst einige genauere Erkundigung einziehen, und fragte mit ausgcstrccktcm Arm und auf mich gerichteten Zeigefin,
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