Dass sie dann auch weiterkommen: Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung [1 ed.] 9783737007382, 9783847107385


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Dass sie dann auch weiterkommen: Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung [1 ed.]
 9783737007382, 9783847107385

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Evangelische Hochschulschriften Freiburg

Band 6

Herausgegeben von Wilhelm Schwendemann, Dirk Oesselmann, Jürgen Rausch, Kerstin Lammer und Bernd Harbeck-Pingel

Kerstin Lammer / Wilhelm Schwendemann

Dass sie dann auch weiterkommen Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung

Eine Studie im Auftrag der KiLAG Mit Vorworten von Dr. Norbert Lurz und Dr. Michael Krämer

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-5340 ISBN 978-3-7370-0738-2 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Die Studie wurde durchgefþhrt am Institut fþr interdisziplinÐre Theologie und Beratungsforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Kirchlichen Landesarbeitsgemeinschaft fþr Erwachsenenbildung in Baden-Wþrttemberg (KiLAG), des Ministeriums fþr Kultus, Jugend und Sport Baden-Wþrttemberg und des Bþndnisses fþr Lebenslanges Lernen (BLLL).  2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild:  Dr. Emanuel Gebauer, Leitung keb Esslingen

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort. Entwicklung stärken – Partizipation ermöglichen . . . . . . .

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Verzeichnis verwendeter Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung – Zusammenfassung der Studienergebnisse (Zusammenschau von Kap. II.3 und III.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil I: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.1 Gegenstand, Auftrag und Methodik der Studie . . . . . . . . . . . I.1.1 Gegenstand: Drei KiLAG-Projekte Aufsuchender Weiterbildungsberatung 2014–2016 . . . . . . . . . . . . I.1.2 Auftrag: Wissenschaftliche Begleitung . . . . . . . . . . . I.1.3 Methodik: Rezeption wissenschaftlicher Beiträge zu Begründung und Konzeption Aufsuchender Weiterbildungsberatung. Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation der Praxisprojekte . . . . . . I.2 Projektträgerschaft und evaluierte Projekte . . . . . . . . . . . . . I.2.1 Die Trägerschaft (Kirchliche Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg), ihre Bildungs- und Projektziele . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2.2 KiLAG-Projekt »BOBBI-Mobil«: mit dem Wohnwagen bei Stadtteilfesten und -märkten . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

I.2.3 I.2.4

KiLAG-Projekt »FERDA«: im Treffpunkt für migrierte Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KiLAG-Projekt »forum-b«: im Internet-Caf8 . . . . . . . .

Teil II: Stand des Fachdiskurses: Politische Kontexte, wissenschaftliche Theoriebildung und empirische Daten zur (Aufsuchenden) Weiterbildungsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1.1 (Aufsuchende) Weiterbildungsberatung im Kontext bildungspolitischer Diskurse . . . . . . . . . . . . . . . II.1.2 Wissenschaftliche Materiallage . . . . . . . . . . . . . . II.2 Erfassung wissenschaftlicher Erkenntnisstände . . . . . . . . . II.2.1 Begriffsverständnisse und Typologien . . . . . . . . . . II.2.2 Konzeptionelle Zielsetzung, Potenziale und Erschwernisse Aufsuchender Weiterbildungsberatung . II.2.3 Zielgruppenerreichung zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Soziodemografische Faktoren . . . . . . . II.2.4 Zugänge: Teilnahmehemmnisse und Teilnahmemotivationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2.5 Beratungsinhalte und inhaltliche Zielsetzungen . . . . . II.2.6 Beratungsverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2.7 Zufriedenheiten mit Weiterbildung(sberatung) . . . . . II.2.8 Spezifische Anforderungen an Aufsuchende Weiterbildungsberatende . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2.9 Ergebnisse der Inanspruchnahme von Weiterbildungsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2.10 Erfolgsfaktoren in der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3 Zwischenfazit: Zusammenfassung wissenschaftlicher Erkenntnisstände. Folgerungen für die AWBB . . . . . . . . . . Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation von drei Projekten Aufsuchender Weiterbildungsberatung der KiLAG (2014–2016) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.1 Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.1.1 Forschungsinteresse und Forschungsfragen . . . . . III.1.2 Forschungsmethodisches Vorgehen . . . . . . . . . III.1.3 Forschungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . III.1.4 Rücklauf und Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang B: Datenschutzdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang B1: Vorlage Einverständniserklärungen . . . . . . . . . . . . . Anhang B2: Vorlage Datenschutzerklärungen . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang C: Manual zur Handhabung der Adressat_innen-Fragebögen und Beratungsprotokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang D: Wissenschaftliche Prozess- und Konzeptberatung . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III.2 Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.1 Bildungsverständnisse in den AWBB-Projekten der KiLAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.2 Zielsetzungen, Teilnahmemotivationen, Potenzialeinschätzungen in den AWBB-Projekten der KiLAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.3 Zielgruppenerreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.4 Zugänge zur Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.5 Inhalte der Beratungsgespräche und Zuordnung zu Weiterbildungsberatungs-Typen . . . . . . . . . . . . III.2.6 Gesprächsverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.7 Zufriedenheit mit der AWBB . . . . . . . . . . . . . . III.2.8 Rollenverständnis, Rollengestaltung und Kompetenzen der Beratenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.9 Ergebnisse der Beratungen . . . . . . . . . . . . . . . III.2.10 Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.3 Zusammenfassung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . III.3.1 Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.3.2 Weiterführende Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . III.3.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente . . Anhang A1: Adressat_innen-Fragebogen . . . . . Anhang A2: Leitfaden Adressat_innen-Interview Anhang A3: Beratungsprotokoll . . . . . . . . . . Anhang A4: Leitfaden Fokusgruppen-Interviews

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Danksagung

Dieses Buch zur Aufsuchenden Weiterbildungsberatung entstand im Anschluss an einen Forschungsauftrag der Kirchlichen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg (KiLAG) an unserem Institut für interdisziplinäre Theologie und Beratungsforschung (itb) im Forschungs- und Innovationsverbundverbund (FIVE) an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Die Idee, den Forschungsbericht als Buch zu veröffentlichen, hätte nicht verwirklicht werden können ohne eine von der KiLAG beantragte großzügige Förderung des Buchprojekts durch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg sowie durch einen weiteren Druckkostenzuschuss der Evangelischen Hochschule Freiburg. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Unipress hat das Projekt durch knappe Kalkulation und Layout unterstützt. Den Genannten sei herzlich gedankt. Ein weiterer herzlicher Dank gilt Herrn Ministerialrat Dr. Norbert Lurz, Leiter des Referats Weiterbildung im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg, für sein Grußwort und Herrn Dr. Michael Krämer, während der Laufzeit des Forschungsprojekts Vorsitzender der KiLAG, für sein Vorwort. Schließlich danke ich meinem Co-Autor, Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann für die vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie den wissenschaftlichen Angestellten Joshua und Sabine Weber für ihre Mitarbeit. Möge das Buch allen denjenigen von Nutzen sein, die sich im noch jungen Feld der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung engagieren. Prof. Dr. Kerstin Lammer Vorsitzende des Instituts für Interdisziplinäre Theologie und Beratungsforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg und Leiterin der Forschungsgruppe

Grußwort

Der Weiterbildungspakt des Landes mit relevanten Trägern der Weiterbildung mit einer Laufzeit bis 2020 sieht die Ermöglichung der Weiterbildungsberatung für alle vor. In diesem Dokument wird darauf hingewiesen, dass »weiterhin großer Handlungsbedarf im Bereich der aufsuchenden Weiterbildungsberatung vor allem für bildungs- und sozialbenachteiligte Erwachsene mit und ohne Migrationshintergrund, mit Sprach- und Lernschwierigkeiten sowie mit körperlichem Handicap« besteht. Das vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport geförderte Projekt »Aufsuchende Weiterbildungsberatung« der Kirchlichen Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (KILAG) hat in seinem umfassenden Ansatz unter Beteiligung verschiedener Träger und Einrichtungen einen wichtigen Beitrag zur Standortbestimmung geleistet. Mehr noch haben die Teilprojekte Wege aufgewiesen, wie aufsuchende Weiterbildungsberatung gelingt und gelingen kann. Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Verantwortlichen der KILAG wie auch den vielen Mitwirkenden vor Ort für diese wichtige Arbeit in den vergangenen Jahren zu danken. Ich bin mir sicher, dass dieses Leuchtturm- und Vorreiterprojekt mit seinen konkreten Handlungsbeispielen Beachtung finden und dazu beitragen wird, dass die Weiterbildungsberatung um den wichtigen Zweig der aufsuchenden Beratung außerhalb der Einrichtungen an vielen Orten in unserem Land konkrete Formen annimmt. Von großem Interesse weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus werden sicherlich auch die Ergebnisse des Instituts für interdisziplinäre Theologie und Beratung der Evangelischen Hochschule Freiburg sein. Ich freue mich sehr, dass die gemeinsame Idee von KILAG und Kultusministerium in 2013, ein solches Projekt anzugehen, mit dem vorliegenden Band eine außergewöhnlich gute Ausgestaltung gefunden hat. Dr. Norbert Lurz Ministerialrat, Leiter Referat Weiterbildung im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport

Vorwort. Entwicklung stärken – Partizipation ermöglichen

»Aufsuchende Weiterbildungsberatung«: Das Projekt, seine Hintergründe und seine Träger Weiterbildungsberatung, erst recht »aufsuchende« Weiterbildungsberatung, braucht, um nicht irre zu gehen, eine geklärte Vorstellung davon, was Bildung sein soll und wohin sie sich sinnvoller Weise entwickeln könnte. Ohne eine derartige Begriffs- und Perspektivenklärung besteht zumindest die Gefahr, dass Weiterbildungsberatung zum bloßen Instrument der Arbeitsmarktpassung oder zum Ort beliebigen Redens wird. Für beides gibt es andere Orte. Gleichzeitig trägt ein geklärter Bildungsbegriff dazu bei, Weiterbildungsberatung von anderen Beratungsformen – wie etwa Lebensberatung, Sozialberatung, Berufs-/Karriere-Beratung – abzugrenzen und das eigene Feld genauer zu definieren. Dass dabei dann auch Schnittmengen zu anderen Beratungsformen entstehen können, hat sich im Verlauf des Projektes gezeigt. Weiterbildung im hier angesprochenen Sinne richtet sich an den einzelnen Menschen als Subjekt. Sie geht davon aus, dass eine reflektierte Subjektivität Menschen sowohl zu kommunikativen Interaktionen wie auch zur Partizipation in gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und beruflichen Feldern befähigt. (vgl. hier u. a.: David Gelernter, Gezeiten des Geistes, Berlin 2016; vor allem Kap. 2). Weiterbildung im hier gemeinten Sinn geht ferner davon aus, dass Menschen Entwicklungspotentiale in sich tragen, die sie entfalten wollen, dass sie lebenslang diese Entwicklung weitertreiben können und dass damit ein Wachstumsprozess in Sachen Menschsein verbunden ist. Weiterbildung in diesem Sinne funktionalisiert deswegen Menschen nicht auf Ziele hin, sondern fragt nach den Bedürfnissen und Wünschen der Beteiligten. Sie entwickelt Methoden zur Begleitung von Erwachsenen auf dem Weg ihrer eigenen Entwicklung. Und sie muss – das ist teilweise noch Desiderat – Veranstaltungsformate gestalten, die den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Angesprochenen oder Bildung Suchenden gemäß sind.

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Träger des Gesamtprojektes war die Kirchliche Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (KiLAG), der ökumenische Zusammenschluss der kirchlichen Weiterbildungsträger in Baden-Württemberg. Als kirchliche Einrichtungen stehen sie für eine positionierte Form der Weiterbildung, die ihre Wertkontexte offenzulegen hat und von der die Menschen, die sie in Anspruch nehmen, erwarten, dass sie eine entsprechende Wertebindung aufweist. Dass bedeutet allerdings nicht, dass alle Teilnehmende diese Werte teilen. Die Werte kirchlich getragener Erwachsenenbildung sind am ehesten an den Zielen dieser Weiterbildung zu erkennen. Und diese Ziele sind in erster Linie eine Art Selbstverpflichtung der beteiligten Träger : »Entwicklung stärken – Partizipation ermöglichen«, dieser Titel zeigt die inhaltliche Ausrichtung. Und die Zielgruppe des Projektes macht zugleich deutlich, an wen sich kirchlich getragene Weiterbildung verstärkt richten will. Aus christlicher Perspektive geht es nicht zuerst darum, irgendwelche Inhalte zu vermitteln, sondern es geht in erster Linie darum, Menschen anzusprechen, die auf dem Bildungsweg unterwegs sind, und jene zu ermutigen, die sich (noch) nicht trauen, Bildung als einen für sie spannenden und hilfreichen Weg wahrzunehmen. Die Zuwendung zu den Menschen, die gewöhnlich als »Randgruppen« oder im Blick auf Bildung als »Bildungsferne« bezeichnet werden, gehört substantiell zu den Aufgaben und Zielen kirchlich getragener Erwachsenenbildung, will sie nicht ihre eigene Herkunft verraten. Deswegen war die KiLAG sehr dankbar, als vom Kultusministerium, BadenWürttemberg, im Rahmen des »Bündnis Lebenslanges Lernen« (BLLL), das Angebot kam, ein Projekt im Kontext Weiterbildungsberatung mit Blick auf die Zielgruppe der »Bildungsfernen« in hohem Maße zu finanzieren. Denn eine Ausrichtung auf die Gruppe der Bildungsbenachteiligten, auf Menschen in prekären und dadurch Bildung erschwerenden Lebenssituationen ist auch für die kirchlich getragene Weiterbildung längst nicht im gewollten Maße umgesetzt. Die oben genannten Ziele sind vielfach noch eher eine Forderung an die eigene Arbeit als Realität – auch wenn sich hier in den letzten Jahren große Wandlungen vollzogen haben. Konkret mitgearbeitet haben in dem Projekt die Landesorganisationen der Erzdiözese Freiburg (Bildungswerk), der Ev. Landeskirche Württemberg (EAEW) und der Diözese Rottenburg-Stuttgart (keb DRS). Die Landesorganisation der Ev. Landeskirche Baden beteiligte sich an der Steuerungsgruppe. Und das itb der Ev. Hochschule Freiburg übernahm die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation. Die drei Teilprojekt-Träger Bildungswerk der Erzdiözese, EAEWund keb DRS – und das war für die Umsetzung Ausschlag gebend – konnten auf Vorgängerprojekte zurückgreifen, die zwar teilweise (keb DRS) schon einige Zeit zu-

Vorwort

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rücklagen, die aber perspektivisch für aufsuchende Weiterbildungsberatung versuchsweise zu nutzen sein würden.

Projektträger und Teilprojekte Gemeinsam mit der Steuerungsgruppe und den zuständigen MitarbeiterInnen des ITB entwickelten die drei Projektstandorte einen je eigenen Ansatz, Menschen an bildungsunverdächtigen Orten aufzusuchen und anzusprechen. Dabei war klar, dass es aufgrund des prozesshaften Arbeitens an allen drei Standorten zur perspektivischen und programmatischen Verschiebungen in der Ausrichtung kommen würde. Dass EEB Reutlingen hatte mit seinen Kooperationspartnern, zu denen u. a. auch die VHS RT gehört, die Zielgruppe »Menschen mit Migrationshintergrund« und hier vor allem Frauen im Blick. Die bereits etablierte Einrichtung Ferda (türkisch für »Morgen« und »Hoffnung«) bot mit ihrem Caf8 einen möglichen Ansatzpunkt; das Bildungszentrum Waldshut-Tiengen hatte mit seinem Forum i, einem mobilen Bildungsangebot, ebenfalls eine bereits vorhandene Struktur und die keb DRS hatte einige Jahre zuvor bereits ein Projekt, bei dem es unter Einsatz eines (Linien-)Busses um Bildung an ungewohnten Orten ging. FERDA. Unter dem Akzent der aufsuchenden Weiterbildungsberatung begann die Mitarbeiterin im Projekt FERDA, Reutlingen, Hausbesuche aufzunehmen, bei denen es um Bildungsmöglichkeiten für die besuchten Frauen/ Familien ging. Auch das Caf8 wurde zunehmend als Beratungsort genutzt, hier konnten Gespräche zwischen (ehemaligen) TeilnehmerInnen von Bildungsveranstaltungen und Menschen ohne Weiterbildungserfahrung stattfinden. Forum i – ursprünglich geschaffen, um niederschwellige IT-Bildungsangebote zu machen – benannte sich um in forum b. Der Leiter der Einrichtung und die zuständige Mitarbeiterin setzten damit bewusst den Beratungsaspekt an erste Stelle, bei dem es dann nicht mehr nur um Email und Office ging, sondern um das gesamte Spektrum möglicher Weiterbildungen. BOBBImobil, das Angebot der keb DRS benannte mit seinen 5 Buchstaben ausdrücklich auch Beratung und Inklusion mit, wobei Inklusion hier im weiteren Sinne einer inklusiven Gesellschaft verstanden wurde und nicht ausschließlichen Bezug auf Menschen mit Behinderung hat. Auch hier wurden häufig junge Menschen und junge Familien erreicht, ein nicht unwesentlicher Teil davon mit Migrationshintergrund. Und das lag nicht zuletzt wohl auch an den gewählten Standorten.

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Weiterbildungsberatung will die Motivation zur Weiterbildung stärken Das war der Ausgangspunkt des Projektes zur »Aufsuchenden Weiterbildungsberatung«. Und der Bericht des itb bestätigt, dass Weiterbildungsberatung genau dies leisten kann. Menschen, die bereits positive Erfahrungen mit Weiterbildung gemacht, die bereits Bildungsberatung erfahren haben, wissen um die Chancen, die Weiterbildung eröffnet, und finden auch ihre Orte, an denen sie sich immer wieder neu Unterstützung holen können. Der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung geht es um eine andere Gruppe von Menschen. Es geht um jene, die im Laufe ihres Lebens und oft schon sehr früh aus allen Bildungskontexten herausgefallen sind, die mit Lernen und Bildung Unlust oder gar Versagensängste verbinden oder die nie im Leben die Chance hatten eine ihnen adäquate Bildung zu erfahren. Hier werden sie »Bildungsferne« oder »Bildungsbenachteiligte« genannt. Dabei ist es zunächst gleichgültig, welche Hintergründe diese Bildungsbenachteiligung hat, ob sie im Versagen der Einzelnen oder der Bildungsinstitutionen begründet ist, ob die spezifische Lebensgeschichte der Einzelnen oder gesellschaftliche Bedingungen Bildung zu einem Unwort haben werden lassen. Die Enquete-Kommission des Landtags »Fit für das Leben in der Wissensgesellschaft« (als deren Resultat das BLLL zu sehen ist) hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass eine rohstoffarme Gesellschaft wie die unsere es sich nicht leisten kann, die Bildung von Menschen zu vernachlässigen. Genauso gilt aber, dass eine Gesellschaft ihre Grundlage der Solidarität aufgibt, wenn sie nicht versucht, jedem Menschen die zu seiner Entwicklung notwendige Bildung zu ermöglichen. Von Anfang an war die Grundfrage der Projektträger : Wie kann man Menschen Lust auf Bildung machen, für die Bildung ein Fremdwort ist? Und wie finden Menschen bei sich selbst die Motivation in ihnen hilfreiche Bildungsprozesse einzusteigen? Deswegen sind wir mit unseren Beratungsangeboten an Orte gegangen, die nicht unter Bildungsverdacht stehen, also raus aus Bildungshäusern und Bildungseinrichtungen. Treffs, Caf8s, Parkplätze, Flohmärkte haben sich als solche Orte erwiesen. Es gibt sicher mehr davon. Das itb der Evangelischen Hochschule Freiburg hat uns kontinuierlich bei der Reflexion der dort gewonnenen Erfahrungen unterstützt. So konnten Prozesse jeweils neu justiert werden, und es gab einige spannende Entdeckungen. Wenn aufsuchende Weiterbildungsberatung nicht zur »heimsuchenden« Beratung werden will, dann darf sie den Menschen, um die es geht, nicht überstülpen, was Bildungsbeflissene gemeinhin unter Bildung verstehen. Dann gilt es als erstes, immer wieder neu hinzuhören oder auch zunächst einfach nur da zu sein.

Vorwort

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Was also bewegt Menschen in ihren je unterschiedlichen Lebenswelten? Wo liegen ihre Interessen? Situations- und Biografie-Orientierung spielen hier eine große Rolle. »Was ich immer schon können wollte…« – das ist beispielsweise eine solche Katalysatorfrage, die eine erste Spur in Richtung Lernen legen kann. Aber oft sind solche Fragen zweitrangig, wenn die eigene Lebenssituation prekär ist oder die Existenz-Perspektiven zu verschwimmen drohen. Gerade auf solche Menschen sind wir im Kontext unseres Projektes immer wieder gestoßen. Und dann sind genau dies die Ausgangspunkte für die Beratung und nicht bildungs- oder berufsbezogene Fragestellungen. Das bedeutet, dass in der aufsuchenden Weiterbildungsberatung die Grenzen zur Lebensberatung hin fließend sind, dass es oft eines eher sozialarbeiterischen Handelns bedarf. Die Abgrenzung zu diesen Handlungsformen liegt darin, dass die Beratenden das Ziel der Bildungsberatung nicht aus den Augen verlieren, dass sie unter dem Akzent des beschriebenen Bildungsbegriffes mit den Beteiligten schließlich auch nach Bildungsmöglichkeiten suchen, in denen diese ihre Perspektiven wiederfinden. Schnell haben wir gemerkt, dass die eigentliche Arbeit noch vor der Beratungsarbeit im engeren Sinne liegt, der Prozess schon vor dem engeren Beratungsprozess beginnt. Die Bedeutung des Erstkontaktes und das Aufbauen einer Vertrauensatmosphäre stehen im Vordergrund. Und das kann dauern. Wir brauchen also Zeit. In dieser verlängerten Synchronisierungsphase schwingen sich Beratende und Interessierte aufeinander ein. Sprache, Erfahrungen und Ziele werden abgecheckt. Oftmals wird hier bereits ein mögliches positives Prozessergebnis grundgelegt. So offen, wie der Prozess angelegt ist, so offen sind die Ergebnisse. Eine direkte Vermittlung in eine Weiterbildungsmaßnahme ist eher selten. Mittelfristig können wir aber feststellen, dass die zu Beratenden selbstbewusster im Leben stehen. So zeigt sich dann, dass der Beratungsprozess selbst bereits ein Element von Bildung sein kann. Wenn das aber so ist, dann stellt sich unmittelbar die Frage nach den Bildungsformaten, die es für die Zukunft und für die hier erreichte Zielgruppen braucht.

Besonderheit kirchlicher Trägerschaft Als kirchliche Träger der Weiterbildung vertreten wir ein definiertes Wertesystem und ein Menschenbild, das sich in unserem Bildungsbegriff spiegelt (s. o.). Gleichzeitig werden wir von den Teilnehmenden wie von möglichen Ratsuchenden dem »System Kirche« zugerechnet. Und hier gibt es immer auch Menschen, die zunächst mit Aversion gegen Kirche reagieren. Andere hingegen sind erfreut, dass sich Kirche auch an den von uns aufgesuchten Orten zeigt.

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Viele aber stehen inzwischen den Kirchen sehr neutral gegenüber. Auch das war eine Erfahrung aus dem Projekt. Nun ist es ohnehin nicht einfach, mit den von uns anzusprechenden Menschen in ein Gespräch zu kommen, das über Small Talk und Belanglosigkeiten hinausgeht. Hier gilt es für uns als kirchliche Träger die uns entgegenschlagenden Emotionen – seien sie positiv oder negativ – zu nutzen. Bei vielen Menschen brechen hier Emotionen auf, werden Bilder ausgelöst, Erinnerungen wach. Bei manchen werden Standpunkte aus Mainstream-Diskussionen artikuliert. Das bot und bietet jeweils Gelegenheit, ins Gespräch einzusteigen. Und diese Gelegenheiten wurden genutzt. Gleichzeitig lässt sich aber auch feststellen, dass insbesondere Jüngere den Kirchen und ihren Aktivitäten vollkommen neutral gegenüberstehen. Und dann sind wir als Kirchen ein Träger wie viele andere auch. Dass diese Aktivitäten religiös grundiert sein mögen, wird übrigens gerade von jungen Muslimen durchaus positiv wahrgenommen. In jedem Fall aber bietet sich für uns hier die Chance, deutlich zu machen, dass uns am Menschen gelegen ist, dass wir nicht vereinnahmen, sondern nach den je spezifischen Lebensperspektiven fragen. Die Professionalität der Beratenden besteht gerade darin, sich an diesen Perspektiven und nicht an gesellschaftlichen, kirchlichen oder sonstigen Vorgaben zu orientieren.

Alles locker, easy, unverbindlich? Die Sensibilität der Beratenden ist eine notwendige Voraussetzung für ein gelingendes Beratungsgespräch. Und wie bereits angedeutet gehört zu ihrer Kompetenz auch die Fähigkeit, zwischen den eigenen Vorstellungen und den Bedürfnissen und Perspektiven der Ratsuchenden bzw. GesprächspartnerInnen zu unterscheiden. Eine weitere Kompetenz ist die Fähigkeit, passende Gesprächsorte und -situationen zu identifizieren und zu nutzen. Das können eben jene bildungsunverdächtigen Orte sein, es können genauso Orte sein, mit denen die betreffenden Menschen bereits gute Erfahrung gemacht haben. Entscheidend ist jeweils, dass es gelingt zwischen den Beteiligten eine Vertrauensbasis aufzubauen. Wenn Menschen in einen bewussten Entwicklungsprozess eintreten, wenn sie also lernen und sich weiterbilden wollen, dann bedarf es dazu letztlich der Eigeninitiative der Betroffenen. Vertrauensbasis und Beratungskompetenz können dabei hilfreich sein, sie nehmen aber niemandem die Entscheidung und die daraus resultierenden Konsequenzen eines bisweilen nicht ganz einfachen Bildungsweges ab. Aufs Ganze gesehen bestätigen uns die Ergebnisse der Studie des itb, dass wir auf einem guten Weg sind. Auch wenn die BeraterInnen oft gern weitergekom-

Vorwort

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men wären: Bei den Beratenen wird uns eine hohe Zufriedenheit bescheinigt. Vielfach war es möglich, persönliche Perspektiven und Bildungsziele zu klären. Und tatsächlich haben wir bildungsbenachteiligte bzw. lernunerfahrene Menschen erreicht.

Aufsuchende Weiterbildungsberatung – und dann? In allen Teilprojekten wurde immer wieder der Punkt erreicht, an dem es hieß: Wie kann es konkret weitergehen? Vertrauen war da, Beratung hat stattgefunden, ja sogar die Skepsis gegen Lerninstitutionen konnte abgebaut werden. Was aber jetzt? Die traditionellen Formate der Weiterbildung sind oft für Menschen wie die von uns angesprochenen nicht hilfreich. Vorträge, Workshops, Gruppenarbeiten – solche Formen schrecken immer noch oft ab; und viele Menschen sind auch nicht in der Lage 45 Minuten oder gar eineinhalb Stunden zusammenhängend an einem Thema zu arbeiten. Es braucht also niederschwellige Bildungsangebote, die aus didaktischen Erwägungen mit anderen Eventformen – Geselligkeit, Kaffee-Trinken etc. – verbunden werden. Häufig ist zu Beginn vielleicht eher die Form des offenen Treffs gefragt. Und vielleicht wechselt in diesen sozialarbeiterisches Handeln mit Bildungsgeschehen sich ab. Hilfreich können auch Veranstaltungsformate sein, die auf ein Bewegungsgeschehen setzen (Fahrrad-Exkursionen, geführte Spaziergänge etc.). Hier ist an die Innovationskompetenz der WeiterbildnerInnen zu appellieren. Was aber die aufsuchende Weiterbildungsberatung angeht, so sind zwei Elemente notwendig: Bildungsinstitutionen müssen sich aktiv dafür entscheiden, aufsuchende Weiterbildungsberatung anzubieten. Das bedeutet, eigene Fremdheiten zu der ungewohnten Zielgruppe zu überwinden. Und das hat dann Konsequenzen für das eigene Weiterbildungskonzept wie auf die notwendigen Ressourcen hin (zeit- und personalintensive Betreuung) und für die Angebotsformate, die dem Lernempfinden und dem Aufnahmevermögen von Lernunerfahren entsprechen. Hier gibt es noch genügend Entwicklungsmöglichkeiten. Bisher sind viele Veranstaltungen eher an den Bedürfnissen und Kompetenzen der Mittelschicht orientiert. Dabei ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass solche neuen Formate nicht stigmatisierend wirken. Die Diversität der Lernenden sollte sich in diesen Formaten spiegeln: Manche lernen schneller, manche langsamer. Das sollte jeweils auch als Chance beschrieben werden oder als eigener Wunsch: »Wer langsamer lernen möchte…« und das können neben Lernunerfahrenen eben auch Ältere

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oder Menschen mit Behinderungen sein. Jedenfalls bietet die Entwicklung solcher Formate eine gute Möglichkeit, inklusive Gesellschaft im Modell zu erproben und dabei ganz eigene und durchaus positive Erfahrungen zu machen. Dass solche Formen des Lernens und solche Bildungsangebote Geld kosten, sollte in einer reichen Gesellschaft wie der unseren keine Rolle spielen. Hier keine Möglichkeiten zu bieten, schädigt dauerhaft die Gesellschaft, in der wir leben, auf jeden Fall, weil soziale Ausgrenzungen und politische Polarisierung die Konsequenz sind. Gleichzeitig wird in unseren Projektergebnissen deutlich, dass es für die Aufsuchende Weiterbildungsberatung nicht ausreicht, qualifizierte Weiterbildungsberater_in zu sein. Welche zusätzlichen Kompetenzen für die aufsuchende Weiterbildungsberatung notwendig sind und wie diese erlernbar sind, werden wir versuchen in einem eigenen Zusatz-Modul »Aufsuchende Weiterbildungsberatung« zu beschreiben und als Weiterbildungsangebot zu formulieren. In den Sitzungen der Steuerungsgruppe wurde immer wieder diese Frage nach dem speziellen Akzent der aufsuchenden Weiterbildungsberatung in den Blick genommen. Die Kooperation mit dem itb war ein gegenseitiges Von-einander-Lernen, im besten Sinn eine wechselseitige Befruchtung von Theorie und Praxis. Dafür an dieser Stelle Danke. Am Ende machen alle drei Teilprojekte deutlich, dass Menschen, auch sog. Bildungsungewohnte, durchaus ansprechbar sind auf Bildungsangebote, und auf Bildungsberatung hin. Es zeigte sich auch, dass bei dieser Gruppe durchaus Bildungswünsche vorhanden sind, auch wenn sie diese so wohl nie selber bezeichnen würden. Offen ist noch die Frage, wie von einem (mobilen) aufsuchenden Gesprächs- und Beratungsangebot der Weg in einen institutionellen Rahmen führt, gerade wenn – wie bei BOBBImobil – dieser Rahmen nicht ebenfalls »anwesend« ist. Voraussetzung dafür ist jedenfalls Kontinuität. Und für alle Beteiligten gehört dazu ganz wesentlich Geduld. Dr. Michael Krämer Literaturwissenschaftler, Theologe 2014 / 2015 Vorsitzender der KiLAG

Verzeichnis verwendeter Abkürzungen

Im Text werden folgende Abkürzungen verwendet: AI AWBB BP FB FG WB WBB WB(B)

Adressat_innen-Interview Aufsuchende Weiterbildungsberatung Beratungsprotokoll Adressat_innen-Fragebogen Fokusgruppen-Interview mit Berater_innen Weiterbildung Weiterbildungsberatung Weiterbildung(sberatung)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18:

Aufgabenbereiche der Weiterbildungsberatung nach Schiersmann 68 Typen von Beziehungsarbeiter_innen nach Bremer/KleemannGöhring (2011) 81 Studienergebnisse zur Zufriedenheit mit einer Beratungsstelle nach Strobel 85 Kompetenzanforderungen an Weiterbildungsberatende nach Schiersmann 88 Erhebungsperspektiven der itb-/KiLAG-Studie 104 Zufriedenheit der Beratenen mit ihrer finanziellen Situation 135 Erreichte Zielgruppe nach Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund in der KiLAG-AWBB 141 Beratungsorte der KiLAG-AWBB 145 Beratungssettings der KiLAG-AWBB 145 Initiative der Gesprächseröffnung in der KiLAG-AWBB 149 Themen der Beratungsgespräche der KiLAG-AWBB 154 Alltagsthemen in der KiLAG-AWBB 157 Thematische Agenda der Beratenden in der KiLAG-AWBB 160 Zufriedenheiten mit Beratung und Berater/in mit der KiLAG-AWBB 172 Zufriedenheit mit dem Beratungsort in der KiLAG-AWBB 174 Zufriedenheit der KiLAG-AWBB-Berater_innen mit dem Beratungsergebnis 176 Effekte der KiLAG-AWBB aus Sicht der Adressat_innen 189f Kooperationen und Überweisungen bei Beratungen der KiLAG-AWBB 193

Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung – Zusammenfassung der Studienergebnisse (Zusammenschau von Kap. II.3 und III.3)

Gegenstand der Studie Drei Projekte Aufsuchender Weiterbildungsberatung (AWBB) der kirchlichen Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg (KiLAG) Laufzeit von 2014–2016 wurden in der hier vorgelegten Evaluationsstudie multiperspektivisch und multimethodisch evaluiert, d. h., sowohl die Adressat_innen der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung als auch die Berater_innen wurden jeweils qualitativ und quantitativ befragt, – einerseits, um den Erfolg der AWBB-Projekte der KiLAG hinsichtlich Zugänglichkeit, Zielgruppenerreichung, Beratungsergebnissen und Zufriedenheit der Beteiligten mit der Beratung zu evaluieren; – andererseits, um weiterführende Erkenntnisse über Themen und Verläufe der Beratungen, Bildungsverständnisse, Teilnahmemotivationen bzw. Zielvorstellungen und Rollenverständnisse der Beteiligten sowie über deren Einschätzungen von Potenzialen der AWBB und von Kompetenzanforderungen an die Beratenden zu generieren. Ausgewertet wurden: – 40 Fragebögen, von Beratenen ausgefüllt; – 6 Vertiefungsinterviews mit Beratenen; – 44 Beratungsprotokolle, von Berater_innen ausgefüllt; – 3 Fokusgruppen-Interviews mit je 1 Projektleitung und 2 Berater_innen aus den evaluierten Projekten. Die Repräsentativität und Verallgemeinerbarkeit der quantitativen Forschungsergebnisse werden relativiert durch die relativ kleinen Samples unserer Evaluationsstudie (n=40 resp. 44) und durch mögliche Effekte der Selektion und Selbstselektion bei der Verteilung von befragten Adressat_innen. Gleichzeitig erhöhen die Multiperspektivität unserer Befragungen und die Vergleiche zu Vorstudien die Aussagekraft der Ergebnisse.

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Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung

Unsere Studie stößt in eine Forschungslücke: Während einige theoretische und empirische Studien zur Nutzung und zur Effektivität von Weiterbildung und institutioneller Weiterbildungsberatung vorliegen, ist die AWBB ein noch sehr wenig erforschtes Feld (! Kapitel II.1.2 Wissenschaftliche Materiallage).

Bildungspolitischer Kontext und Zielstellung der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung Weiterbildungsberatung geschieht im strategischen Rahmen der Lifelong-Guidance-Politik der Europäischen Union zur Förderung lebenslangen Lernens. In wissensbasierten Gesellschaften sind einerseits die Prosperität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und andererseits die sozioökonomischen Teilhabechancen der Einzelnen abhängig von der Entfaltung von Bildungs- und Weiterbildungspotenzialen. Durch Lernen in Weiterbildungen können bisher erwerbslose Menschen in den Arbeitsmarkt integriert, kann die Beschäftigungsfähigkeit erwerbstätiger Menschen erhalten und können Leistungspotenziale und Karrierechancen verbessert werden. Daher besteht ein nationales und internationales politisches Interesse daran, die Beteiligung an Weiterbildung zu erhöhen. Darauf zielt Weiterbildungsberatung strategisch ab. Weiterbildungsberatung findet in der Regel in institutionalisierten Kontexten (Beratungsstellen mit Komm-Struktur) statt. Demgegenüber zeichnet sich Aufsuchende Weiterbildungsberatung formal dadurch aus, dass die Komm-Struktur institutioneller Weiterbildungsberatung durch eine Geh-Struktur ersetzt wird: Adressat_innen der Beratung werden unter Nutzung informeller Zugänge aktiv in ihren sozialräumlichen Kontexten aufgesucht. Strategisch zeichnet sich Aufsuchende Weiterbildungsberatung dadurch aus, dass sie i. S. der Inklusion bildungsferne Zielgruppen adressiert, die von institutioneller Weiterbildungsberatung kaum erreicht werden. Mit der institutionellen Weiterbildungsberatung teilt sie das Ziel, die lebenslange Bildungsbeteiligung in der Gesellschaft zu verbessern. Darüber hinaus liegt ihr besonderer Akzent in der emanzipatorischen Ausrichtung auf mehr Bildungsgerechtigkeit.

Fachwissenschaftlicher Erkenntnisstand (Vorbefunde) Vorliegende Studien zum Feld der institutionellen Weiterbildungsberatung (WBB) haben gezeigt:

Fachwissenschaftlicher Erkenntnisstand (Vorbefunde)

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– WBB kann die gewünschten bildungspolitischen Effekte erzielen. Sie steigert in vielen Fällen die Motivation, den weiteren Bildungsweg »zu planen und zu gestalten« (Strobel 2010a: 37), die Motivation zur Teilnahme an Weiterbildung sowie die tatsächliche Teilnahme an Weiterbildungen und kann letztlich auch die Reintegration ins Erwerbsleben fördern; darüber hinaus steigt bei den Beratenen oft auch das Selbstvertrauen (vgl. Käpplinger 2010: 34). Die Teilnahme an einer WBB erhöht die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an einer WB (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 170). Lt. Bischof et al. (2012: 263) kann gut die Hälfte der Beratenen »[…] bereits vor bzw. aufgrund der Beratung« ein konkretes Weiterbildungsziel formulieren, das i. d. R. durch eine Ausbildung erreicht werden soll. – WBB erreicht hohe Zufriedenheitsraten bei Teilnehmenden. Die Zufriedenheit der Beratenen mit der WBB ist hoch; das gilt in etwas höherem Maße für die Zufriedenheit mit der Beratung allgemein (74,5 % sehr zufrieden; 23,7 % zufrieden) und mit der Kompetenz der Beratenden (78,3 % sehr zufrieden; 20,4 % zufrieden) als für die Beratungsergebnisse (50,4 % sehr zufrieden; 43,4 % eher zufrieden) (vgl. Strobel 2010 a: 37). – Die Anliegen der Beratenen gehen über berufs- und bildungsbezogene Themen hinaus. Laut Schiersmann/Remmele 2002: 18f, Strobel 2010a: 37 und Bischof et al.: 263 richten sich Beratungsbedarfe der Beratenen überwiegend auf Fragen der beruflichen Bildung und der Berufswegeplanung, wobei das Anliegen der Beschäftigungsfähigkeit bzw. »employability« im Vordergrund steht (Schiersmann/Remmele 2002: 19). Jedoch gilt schon für die institutionelle WBB: Bevor die Beratung auf berufs-(bildungs)bezogene Themen fokussiert werden kann, bringen Beratene oft andere, lebenslagenbezogene Themen ein, oder beide Themenbereiche werden miteinander verknüpft (Fröhlich/Mitschka 2004: 214; Bremer et al. 2014: 77; Schiersmann/Remmele 2002: 19). Mit abnehmendem Institutionalisierungsgrad der WBB steigt der Anteil der psychosozialen, person-, situations- und lebensweltbezogenen Beratungsinhalte, d. h. diese sind in WBB-Gesprächen unabhängiger Beratungsstellen stärker vertreten als in Beratungsstellen, die Industrie und Handels- oder Handwerkskammern oder Unternehmen angegliedert sind (Schiersmann/Remmele 2002, 19). – »Beziehungsarbeit kommt vor der Beratungsarbeit« (Fortmann 2012: 51f). Für einen erfolgreichen Verlauf der WBB ist der Aufbau einer Vertrauensbeziehung zur beratenden Person Voraussetzung (aaO.). – Erfolgsfaktoren der WBB sind die Kompetenz und die Zuwendung der Berater_innen. Prädiktoren für Zufriedenheit bzw. Effektivität der Beratung sind: Freiwilligkeit der Teilnahme an der Beratung, Kompetenz und Fachwissen der Be-

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Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung

ratenden, persönliche und zeitintensive Zuwendung durch die Beratenden. Diese Faktoren können als Erfolgsfaktoren interpretiert werden (vgl. Strobel 2010a: 37 und Strobel 2010b: 276). – Unterschiedliche WBB-Konzepte und Typologien kommen auf zwei gemeinsame Nenner, die als weitere Erfolgsfaktoren gelten können: didaktische Förderung von Eigenaktivität und strukturelle Vernetzung mit Stakeholdern im Feld. WBB wird theoretisch als breit gefächertes Spektrum von Beratungsdienstleistungen konzipiert: als informativ, situativ oder biografieorientiert (Gieseke/Opelt 2004) oder auch als Orientierungsberatung, Kompetenzentwicklungsberatung oder Lernberatung (Schiersmann 2011a), als pädagogische Beratung oder als auf Institutionen bezogene Organisationsentwicklungsberatung (Gieseke 2000). Allen diversifizierten Konzepte sind zwei Kernelemente für den Erfolg gemeinsam: didaktisch eine Förderung der Selbstbestimmung und Eigenaktivität der zu beratenden Bildungsinteressierten (exemplarisch Schiersmann 2011b: 423; Kraft 2011: 413; vgl. im einzelnen ! Kapitel II.2.2 und strukturell eine breite Vernetzung der WBB mit anderen relevanten Stakeholdern im Feld: mit den Arbeitsagenturen, Weiterbildungsanbieter_innen und mit anderen Beratungsanbieter_innen (Grieger 2005: 42; Kraft 2011: 412; Schröder/Schlögl 2014: 45; Walter 2014: 221; vgl. a. Bremer et al. 2015: 26). – Welche Kompetenzanforderungen WBB an die Beratenden stellt, wird unterschiedlich eingeschätzt. Abweichende Einschätzungen bestehen vor allem darüber, ob für die WBB (sozial-) pädagogische Grundqualifikationen, Methodenwissen über Beratungsverfahren und Kompetenzen für die Lebensberatung erforderlich sind (Döring 2012: 10; vgl. zu unterschiedlich eingeschätzten Anforderungsprofilen im Einzelnen ! Kapitel II.2.8). – Aufsuchenden Beratungsformaten werden spezifische Potenziale und Nachteile zugeschrieben. Als besondere Vorzüge aufsuchender Beratungsformate werden eingeschätzt: Sozialraumorientierung (Gillich 2006, 13), vernetzende und koordinierende Funktion im Hilfesystem (Simon 2006: 32; Walter 2014: 221), Reduktion des Machtgefälles zwischen Beratenden und Beratenen (Reiner et al. 2005: 238; Wirth 2011: 326), Flexibilität und Passgenauigkeit der Interventionswahl (Wirth 2011: 326f; Zwicker-Pelzer 2010: 90). Als Nachteile werden benannt: Rollenumkehr (Zwicker-Pelzer 2010: 90), Abnahme der Prozesssteuerungsfähigkeit und Distanzverlust der Beratenden (Zwicker-Pelzer 2010: 89); erhöhter Bedarf an »Kompetenzdarstellungskompetenz« der Beratenden (Lüngen 2010: 48).

Fachwissenschaftlicher Erkenntnisstand (Vorbefunde)

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Als zentrale Desiderate institutioneller WBB treten hervor : mangelnde Zugänge und mangelnde Zielgruppenerreichung. Für die Beteiligung an WBB und WB ist der Bildungshintergrund der am stärksten determinierende Faktor, d. h., wer bereits gut (aus-)gebildet ist, geht mit höherer Wahrscheinlichkeit auf WB(B) zu als weniger gut (aus-)gebildete Personen (vgl. BMBF 2015: 33f; Bischof/Krüger 2014: 18.210; Bischof et al. 2012: 261; Strobel 2010b: 273; v. Rosenbladt/Bilger 2008a: 151.154. 2008b: 58). – Zugangshemmnisse zu institutioneller WBB sind v. a. durch die »doppelte Distanz« (Bräutigam et al. 2011: 24) zwischen institutionellen Bildungsanbietern und bildungsfernen Personen gegeben. – Die Zielgruppenerreichung institutioneller WBB unterliegt dem sog. »Matthäus-Effekt«1 im Fachdiskurs auch als »Weiterbildungsschere« (Schulenberg et al. 1978: 525) oder als »doppelte Selektivität« (Faulstich 1981: 61ff) beschrieben, d. h.: erreicht werden überwiegend Menschen, die auf dem Arbeitsund Bildungsmarkt bereits gut gestellt sind; dagegen werden in unterdurchschnittlichen Anzahlen Menschen erreicht, die auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt benachteiligt sind, nämlich: – kaum Menschen mit niedrigen Schulbildungsabschlüssen (mit Hauptschulabschluss lt. Strobel 2010 b: 273 nur 17 %, lt. Bischof et al. 2012: 262 nur 2 % der Beratenen; ohne Abschluss lt. Strobel: aaO. nur 2 %; lt. Bischof et al: aaO. nur 1 % der Beratenen, lt. Bischof/Krüger 2014: 210 »kaum« Beratene); – wenige erwerbslose Menschen (25 % resp. 32 % lt. AES BMBF 2015: 26); – wenige Menschen mit (in der WBB waren es lt. Strobel 2010b:275 19 %, lt. Bischof et al. 2012: 261 nur 9 %; gesteigert auf 15 % lt. Bischof/Krüger 2014: 210; für die WB werden dagegen 32 % angegeben, vgl. AES BMBF 2015: 38); – wenige ältere Erwachsene über 55 Jahren (lt. AES BMBF 2015: 37 bilden Erwachsene im Alter von über 55 Jahren mit 39 % die Altersgruppe mit der geringsten Weiterbildungsbeteiligung; lt. Bischof et al. 2012: 263 werden nur 6 % Erwachsene im Alter über 50 Jahre mit von einem Bildungsberatungs-Angebot erreicht).

1 »Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.« (Mt 25,29, vgl. Merton 1985). Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Weiterbildungsmöglichkeiten nutzt, steigt mit dem Bildungsniveau, auf dem er oder sie sich schon vorher befindet – und umgekehrt.

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Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung

In diese Lücke soll Aufsuchende Weiterbildungsberatung stoßen. Die hier vorgelegte itb-/KiLAG-Evaluationsstudie sucht erste empirische Erkenntnisse darüber zu sammeln, inwieweit AWBB die doppelte Distanz zwischen WB(B)-Anbietern und deren bildungsfernen Zielgruppen sowie die Hemmnisse abbauen kann, die die Teilnahme an WB(B) vielfach verhindern (! Kapitel III.2).

Eigene Forschungsergebnisse zu den evaluierten KiLAG-AWBB-Projekten (Erfolgskontrolle, weiterführende Evaluationsergebnisse, Fazit) Nachstehend sind zunächst die Erfolge zusammengefasst, die in den untersuchten AWBB-Projekten der KiLAG erzielt wurden, dann die weiterführenden Erkenntnisse, die sich aus unseren Erhebungen für das Feld der AWBB ergeben.

Erfolgskontrolle in den evaluierten KiLAG AWBB-Projekten In den AWBB-Projekten der KiLAG wurden formal von der mobilen Beratung über die aufsuchende Beratung bis hin zur in-home-Beratung alle bisher bekannten Typen der AWBB realisiert. Die bildungspolitischen Zielstellungen der AWBB konnten in den AWBBProjekten der KiLAG erfolgreich umgesetzt werden. Desiderate institutioneller WBB (mangelnde Zugänglichkeit, selektive Zielgruppenerreichung) konnte wirksam begegnet werden. – Die Zugänge zur Beratung wurden durch Präsenz im Sozialraum und Vernetzung mit anderen regionalen Bildungs- und Beratungs-Stakeholdern, vor allem aber durch das proaktive Aufsuchen der Zielgruppen an relevanten und vertrauten Orten ihrer Lebenswelt (Geh-Struktur statt Komm-Struktur) verbessert. – Im Vergleich zur Zielgruppenerreichung institutioneller WB(B) wurden deutlich mehr der dort unterrepräsentierten Zielgruppen erreicht, d. h., der »Matthäus-Effekt« und die »doppelte Distanz« zwischen Bildungs(-beratungs)anbietern und deren bildungsfernen bzw. benachteiligten Zielgruppen konnten gemindert werden. Erreicht wurden: – 7,5 % Personen ohne Schulabschluss (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 1 % bzw. 2 %; vgl. o.); – 30 % Personen mit Hauptschulabschluss (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 2 % bzw. 17 %; vgl. o.);

Eigene Forschungsergebnisse zu den evaluierten KiLAG-AWBB-Projekten













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– 36,84 % erwerbslose bzw. »arbeitssuchende« Personen zzgl. 15,79 % Personen in der Tätigkeit als Hausmann oder Hausfrau (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 25 % bzw. 32 %, erwerbslose Personen; vgl. o.); – 51,85 % Personen, die nicht seit Geburt in Deutschland leben (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 9 %, 15 % bzw. 32 % Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit; vgl. o.); – 27 % Personen im Alter über 55 Jahren (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 39 % über 55 Jahre bzw. 9 % über 50 Jahre; vgl. o.). Bei vielen der Personen, die in den AWBB-Projekten der KiLAG beraten wurden, stieg das Interesse an Weiterbildung, was wir im Unterschied zu den o. a. Vorstudien aus dem Bereich der institutionellen WBB-Settings auch beziffern können: 55,7 % der Befragten gaben an: »trifft zu«; 25,9 % gaben an: »trifft eher zu«). Persönliche Ziele konnten geklärt werden (68,8 % gaben an: »trifft zu«; 21,9 % gaben an: »trifft eher zu«); ebenso berufliche- bzw. Bildungsziele (41,4 % gaben an: »trifft zu«; 34,5 % gaben an: »trifft eher zu«); auch hier übertreffen die Werte der Studien zu institutioneller WB(B) (lt. Bischof et al. 2012 gaben ca. 50 % der Befragten an, es sei eine Klärung von Bildungszielen erfolgt; vgl. o.). Darüber hinaus konnten Beratene in psychosozialer Hinsicht unterstützt und gestärkt werden, wie unsere qualitative Erhebung zu den mittelfristigen Wirkungen aufzeigen konnte. 40 % der Beratenen wurden an andere Stakeholder (Bildungs- und Beratungseinrichtungen) verwiesen, in ca. 16 % stellten die Beratenen den Kontakt zu einer anderen Einrichtung eigenständig her, in knapp 32 % wurden die Beratenen von den Beratenden bei der Kontaktausnahme zu anderen Institution unterstützt. Ein Großteil der Beratenen sah sich orientiert und in den Stand versetzt, die nächsten Schritte selbständig zu tun (75 %, davon gaben 39,3 % an: »trifft zu«; 35,7 % gaben an: »trifft eher zu«). In unserer qualitativen Befragung gaben Beratene dezidiert an, die in der Beratung identifizierten Ziele bereits in Angriff genommen zu haben oder zu planen, dies in naher Zukunft zu tun. Nur eine Befragte gab an, seit der Beratung noch keine konkreten Schritte unternommen zu haben.

In den AWBB-Projekten der KiLAG wurden sehr hohe Zufriedenheitswerte erzielt; die in Vergleichsstudien erreichten Zufriedenheitswerte wurden deutlich übertroffen: Die Beratenen vergaben zu 82 % Höchstnoten für die Beratung im Allgemeinen (Vergleichswert für die institutionelle WBB: 74,5 %; vgl. o.), und zu 87 %

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Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung

Höchstnoten für den Berater/die Beraterin (Vergleichswert für die institutionelle WBB: 78,3 %; vgl. o.). Die Berater_innen waren zu 71 % mit dem Verlauf der Beratungen und zu 63 % mit den Beratungsergebnissen zufrieden.

Weiterführende Evaluationsergebnisse zu den KiLAG-AWBB-Projekten Als ausschlaggebend für die Teilnahme an der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung der KiLAG lassen sich zwei Motivatoren identifizieren: Leidensdruck hinsichtlich Einkommens- und Lebensverhältnissen und Vertrauensbeziehung zur Beraterin oder zum Berater. Den gesprächseröffnenden Schritt machen in mehr als der Hälfte der Fälle die Berater_innen (lt. Angaben der Berater_innnen zu 55 %, lt. Angaben der Beratenen zu 62 %). In der Mehrzahl der Fälle sind Beratende und Beratene einander bereits bekannt, ehe es zu einer Beratung kommt. Kontaktarbeit ist entscheidend: Beziehung kommt vor Beratung – darin bestätigt unser Evaluationsergebnis die Vorbefunde (vgl. o.). Oft erfordert der einer Beratung vorgängige Aufbau einer Vertrauensbeziehung wiederholte und langwierige Kontaktarbeit. Laut den von uns befragten Beratenen waren für deren Lernmotivation bzw. für die Motivation zur Teilnahme an einer empfohlenen Weiterbildung zwei Faktoren ausschlaggebend: ob die Weiterbildung den subjektiven Lerninteressen der Beratenen entspricht und ob sie deren Chancen auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt steigert (»employability«). Aber : Nicht nur Weiterbildung und Employability sind Themen der AWBBGespräche in den KiLAG-Projekten. In 32,5 % der Gespräche sind es psychosoziale Probleme. Die von uns interviewten KiLAG-Berater_innen begegnen dem Spannungsfeld von Weiterbildungsthemen und psychosozialen Themen mit drei verschiedenen Strategien: – geschlossene Agenda: möglichst das Thema Weiterbildung anbringen; – gestufte Agenda: erst psychosoziale Probleme lösen, dann das Thema Weiterbildung anbringen; – inklusive Agenda: psychosoziale Beratung ist Teil der Weiterbildungsberatung, bzw. sie ist selbst eine Form von Weiterbildungsberatung. Die Mehrheit der KiLAG-Berater_innen vertritt das weite Bildungs- und AWBBVerständnis der KiLAG: Bildung ist auch Persönlichkeitsbildung. AWBB zielt nicht nur auf formale und berufliche Weiterqualifizierung, sondern auch auf persönliche und soziale Entwicklung.

Eigene Forschungsergebnisse zu den evaluierten KiLAG-AWBB-Projekten

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Das holistische AWBB-Konzept der KiLAG generiert ein breites Spektrum an Aufgaben und Rollen der Berater_innen. Das intrapersonale Management ihrer beruflichen Rollenvielfalt ist eine komplexe Herausforderung, die eine hohe professionelle Kompetenz (und/oder u. E. Unterstützung durch supervisorische Rollenberatung) verlangt. Spezifische Kompetenzanforderungen an Berater_innen im Feld der AWBB sind laut Einschätzungen der Befragten: – Feldspezifisch: Kenntnisse über Weiterbildungs- und Beratungsangebote in der Region; Vernetzung und Kooperation mit regionalen Stakeholdern. – Zielgruppenspezifisch: Kultursensibilität in der Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund; methodische Fertigkeiten zur Milderung von Sprachproblemen (z. B. Einsatz nonverbaler Medien); Wissen über die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse. – Formatspezifisch: Kompetenzen zur Bewältigung der mit aufsuchender Arbeit verbundenen Anforderungen: Kontaktfreude, Kreativität und Kompensation von Unsicherheit in nicht-standardisierbaren Gesprächssituationen und Gesprächsverläufen (insbesondere Kreativität bei der Gestaltung kritischer Übergänge vom Gespräch zur Beratung). Neben diesen spezifischen Fachberatungskompetenzen sind aufgrund der hohen Fallzahlen von Beratungen mit psychosozialen Thematiken und Beratungsanliegen u. E. wenigstens grundständige generalistische Kompetenzen für die psychosoziale Beratung erforderlich. Wie weit die Kompetenzen in diesem Bereich ausgebildet sein sollten, hängt davon ab, wie der Projektträger bzw. die Projektträgerin den Auftrag der AWBB im psychosozialen Bereich konzeptuell definiert: Soll die Beratung zu psychosozialen Themen zu den genuinen Aufgaben der AWBB gehören (vgl. Gieseke 2000)? Dann müssten die Berater_innen u. E. mindestens Grundzüge eines sozialpädagogischen oder psychotherapeutischen Beratungsverfahrens beherrschen. Oder soll die AWBB, wenn psychosoziale und andere, nicht im engen Sinne bildungsbezogene Beratungsanliegen zur Sprache kommen, eine Lotsenfunktion übernehmen und jeweils an andere, entsprechend spezialisierte Beratungsanbieter_innen weitervermitteln? Dann wären u. E. feldspezifische Kenntnisse über die Palette verschieden spezialisierter Beratungsanbieter_innen im Sozialraum und Vernetztheit mit denselben die zentrale Kompetenz, und es müssten nur Basics einer psychologisch helfenden Gesprächsführung (z. B. nach Carl Rogers) eingeübt sein. Praxeologisch betrachtet, brauchen die Berater_innen in dieser Frage eine Auftragsklärung mit dem Anstellungsträger resp. der Anstellungsträgerin. Auftragsklärung war oben auch schon im Blick auf die Adressat_innen als

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Anspruch und Wirklichkeit Aufsuchender Weiterbildungsberatung

Desiderat der AWBB herausgearbeitet worden: Das aufsuchende Format kehrt die Rollenverteilung in der Beratung in mehrfacher Weise um. Im fachwissenschaftlichen und fachpraktischen Diskurs ist noch nicht genügend reflektiert, dass dies auch die Beratungsanliegen betrifft: Nicht die Beratenen bringen ein Beratungsanliegen, sondern die Berater_innen. Die Adressat_innen haben möglicherweise gar kein Beratungsanliegen, oder ein ganz anderes als die Berater_innen. Hier ist u. E. aus ethischen und methodischen Gründen zu klären, ob dem Berater bzw. der Beraterin überhaupt ein Beratungsmandat erteilt wird, und, falls ja, welcher Beratungskontrakt geschlossen werden kann. Es besteht in der AWBB also nach unserem Dafürhalten ein Bedarf nach einer »doppelten Auftragsklärung«.

Fazit Als wichtigste Potenziale der AWBB haben sich in unserer Studie empirisch erwiesen: Verbesserung der Zugänglichkeit der Weiterbildungsberatung; Vertrauensaufbau mit Personen, die bildungsfernen Zielgruppen zuzurechnen sind; Minderung von Zugangshemmnissen zu Bildungsangeboten. AWBB ist demnach erfolgreich im Realisieren ihrer konzeptionellen Ziele: – Überwindung der doppelten Selektivität von Bildungschancen (»Matthäuseffekt«, Chancenungleichheit) – Überwindung der doppelten Distanz zwischen Anbieter_innen und Adressat_innen von Weiterbildung und Weiterbildungsberatung (Zugangshemmung) – Erhöhung der Motivation zur Teilnahme an WBB und Weiterbildung. Allerdings müssen die Anstrengungen des Aufsuchens oft prolongiert werden zu mehreren Anläufen intensiver Kontaktarbeit und zu einem sukzessiven Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen Beratenden und Adressat_innen. Es gilt das Prinzip »Beziehung vor Beratung«. Der Einsatz an Zeit und Personal ist hoch. Als wichtigstes Desiderate der AWBB haben sich gezeigt: – Auf der theoretischen Ebene ist die Konzeptspannung zwischen der gebundenen Themen- und Zielstellung der Beratung auf der einen Seite und den beratungsethischen Postulaten der Subjektorientierung und der Ergebnisoffenheit der Beratung auf der anderen Seite noch weiter zu bearbeiten.

Fazit

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– Auf der praxeologischen Ebene besteht die Notwendigkeit einer doppelten Auftragsklärung: Die Berater_innen müssen mit ihrem jeweiligen Anstellungsträger bzw. ihrer Anstellungsträgerin die Reichweite ihrer Zuständigkeit für psychosoziale Beratungsanliegen klären, und mit ihren jeweiligen Adressat_innen, ob diese ihnen ein Beratungsmandat erteilen, und welche Art von Beratungskontrakt zwischen beiden geschlossen werden kann. – Auf der Praxisebene stellt das intrapersonale Management der Rollenvielfalt der Berater_innen eine besondere Herausforderung an deren professionelle Kompetenz dar. Zur Unterstützung der Berater_innen in diesem Bereich ist Supervision zu empfehlen, zu deren Kernkompetenzen die Rollenberatung gehört.

Teil I: Einleitung

I.1

Gegenstand, Auftrag und Methodik der Studie

I.1.1

Gegenstand: Drei KiLAG-Projekte Aufsuchender Weiterbildungsberatung 2014–2016

Aufsuchende Weiterbildungsberatung (nachstehend als »Marken«-Name großgeschrieben und »AWBB« abgekürzt) ist ein noch junges, theoretisch noch wenig entwickeltes und empirisch kaum erforschtes Spezialformat der Weiterbildungsberatung. Bestehende AWBB-Projekte (in Gröpelingen bei Bremen, vgl. Fortmann 2012; in Baden-Württemberg, vgl. hier ; s.a. Schröder/Schlögl 2014: 31f; ! Kapitel II.3.1) zeichnen sich formal dadurch aus, dass die KommStruktur herkömmlicher, institutioneller Weiterbildungsberatung durch eine Geh-Struktur ersetzt wird: Weiterbildungsberater_innen suchen die Adressat_innen ihrer Beratung unter Nutzung informeller Kontaktzugänge aktiv in ihren sozialen Kontexten auf. Strategisch zeichnen sich AWBB-Konzepte dadurch aus, dass die Desiderate herkömmlicher, institutioneller Weiterbildungsberatung (mangelnde Zugänglichkeit, selektive Zielgruppenerreichung) überwunden werden sollen: AWBB-Projekte adressieren vorwiegend »bildungsferne« Zielgruppen, die von institutioneller Weiterbildungsberatung wenig erreicht werden (! Kapitel II.2.3 und II.2.4).2 Damit zielen AWBB-Pro-

2 Der Begriff »bildungsfern« wird in unserer Studie vorwiegend zur Bezeichnung von Bevölkerungsgruppen verwendet, die weniger als andere an (Weiter-)Bildungsangeboten teilnehmen. Im Fachdiskurs finden sich unterschiedlichste Anwendungsvarianten des vielfach ohne eindeutige Definition verwendeten Begriffs; sie schließen u. a. die folgenden Bedeutungsfacetten ein (vgl. hierzu a. Obermayr, Bernhard, o. J., Arbeitsmarktservice Österreich: Bildungsferne Gruppen, online verfügbar unter http://www.forschungsnetzwerk.at/download pub/BildungsferneGruppen.pdf). – Bildungsferne als ein (im Verhältnis zum Bevölkerungsquerschnitt) unterdurchschnittlicher Erwerb formaler Bildung(sabschlüsse); – Bildungsferne als Zugehörigkeit zu einer soziodemografisch (etwa nach Geschlecht, ethni-

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Teil I: Einleitung

jekte nicht nur (wie Weiterbildungsberatung generell) auf eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung in der Bevölkerung; sie haben darüber hinaus eine besondere emanzipatorische Ausrichtung auf mehr Bildungsgerechtigkeit und Inklusion. Der Begriff »Bildungsgerechtigkeit«3 fungiert in unserer Studie als ein Sammelbegriff, der sehr unterschiedliche Themen miteinander verbindet, bzw. als eine eine Art Containerbegriff, dessen Bedeutungen vielfältig und dessen Beziehungsnetze komplex sind. Wir rekurrieren auf die Studie von Krassimir Stojanov (2011)4, der sich wiederum auf die politische Philosophie mit ihren Gerechtigkeitstheorien bezieht. Gerade deren Vertreter_innen Martha Nussbaum und John Rawls geht es um eine partizipative Bildungsgerechtigkeit und um eine Offenheit von Bildungsprozessen. Bildungsgerechtigkeit setze, so Stojanov Formen der Anerkennung, der Empathie, des Respekts und der sozialen Wertschätzung voraus. Der Begriff Bildungsgerechtigkeit ist zwischen Philosophie, Bildungstheorie und Erziehungswissenschaft zu verorten (Stojanov 2011:16). Er schreibt in Bezug auf den Erwerb schulischer Bildung: »Vielmehr besteht die Aufgabe der schulischen Bildung gerade darin, Kinder und schem Hintergrund, sozialer Schicht oder Wohnregion) beschriebenen Bevölkerungsgruppe, die einen hohen Anteil von Personen mit niedrigem formalen Bildungsstand aufweist; – Bildungsferne als Mangel an Skills (z. B. Analphabetismus vs. Beherrschung von Kulturtechniken; Kompetenz im Umgang mit neuen Medien; etc.). Alternativ wird die Verwendung der »bildungsungewohnt« oder »bildungsbenachteiligt« diskutiert, so u. a. bei Erler (2010: 3ff): »›Bildungsferne‹ sei ein wertender Begriff; er wirke wie eine Negativfolie normalen Verhaltens« und könne subjektives Desinteresse implizieren (vgl. aaO). »Bildungsbenachteiligt« dagegen verweise auf strukturelle Faktoren sozialer Ungleichheit und bezieht den soziologischen Exklusionsdiskurs ein (»benachteiligt« sind Menschen, die von Ausgrenzung am Arbeitsmarkt, ökonomischer, räumlicher und institutioneller Ausgrenzung bzw. von gesellschaftlicher Isolation betroffen sind; vgl. aaO., sowie Kronauer 1997: 39f); »bildungsungewohnt« wird i. S. eines deskriptiven Verweises auf einen niedrigen Bildungsstand für Menschen verwendet, »[…] die negative Erfahrungen im Bildungsverlauf, meist in der Schule, gemacht haben, als auch jene, die sich auch als Erwachsene mit Lesen und Schreiben schwer tun oder Analphabeten sind« (vgl. aaO., sowie Sterzing 2008, 117). Dagegen schließen wir uns der Auffassung von Bremer/Wagner/Kleemann-Göring (2014: 9–11) an, dass mit dem Begriff »bildungsfern« in angemessener Weise dem empirischen Befund einer wechselseitigen oder »doppelten« Distanz zwischen Bildungseinrichtungen und nicht an deren Bildungsangeboten teilnehmenden Adressat_innen Rechnung getragen wird (vgl. u., ! Kapitel II.2.4.1), während der Begriff »bildungsbenachteiligt« impliziere, dass äußere Merkmale von Personengruppen (z. B.: »Migranten«) resp. äußere soziale Faktoren für die Nicht-Teilnahme verantwortlich zu mache, seien (vgl. die Exklusionsdebatte), ohne dass andere, z. T. subjektive und individuelle Faktoren berücksichtigt würden. 3 Vgl. Schwendemann, Wilhelm: Rezension vom 09. 07. 2012 zu: Krassimir Stojanov : Bildungsgerechtigkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2011. 176 Seiten. ISBN 978-3-531-18056-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, http://www.socialnet. de/rezensionen/12289.php, Datum des Zugriffs 09. 07. 2012. 4 Vgl. Stojanov, Krassimir (2011): Bildungsgerechtigkeit: Rekonstruktion eines umkämpften Begriffs.

Gegenstand, Auftrag und Methodik der Studie

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Jugendliche zur Subjektautonomie und somit zur Verantwortungsfähigkeit erst einmal hinzuführen« (Stojanov 2011:16). In Bezug auf Aufsuchende Weiterbildungsberatung muss Bildungsgerechtigkeit sowohl den Erwerb der Bildung als auch eine humane Existenz ermöglichen, denn Bildung ist kein Besitz, sondern ein subjektiver Entwicklungs- und Aneignungsprozess einer Person. Im Ansatz John Rawls’ steht aber Gerechtigkeit für Fairness, was ein Maximum an Freiheit zu verwirklichen impliziert (Stojanov 2011: 21) und mit Krassimir Stojanov betonen wir, dass Bildungsinstitutionen die Vernunftautonomie der an ihnen Beteiligten nicht voraussetzen können; vielmehr besteht ihre Aufgabe gerade darin, diese Autonomie zur Entwicklung zu bringen (Stojanov 2011: 22). Die Vorstellung fairer Verteilung kann gerade nicht auf den Schul- und außerschulischen Bildungsbereich übertragen werden, denn Kinder, Jugendliche und später auch Bildungsferne müssen ja erst dazu oder wieder befähigt werden, ihre Freiheit als Bürger_innen zu entwickeln und zu verwirklichen und ihre Ressourcen für die Lebensgestaltung zu nutzen (Stojanov 2011: 23). Es geht also in erster Linie um die Befähigung zur individuellen Autonomie. Daraus ist zu folgern, dass Bildungsinstitutionen eben nicht marktgerecht funktionieren dürfen (Stojanov 2011: 31). Das Problem der Güterverteilung wird fokussiert, wenn man Immanuel Kants Votum über Aufklärung als »Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit« hinzunimmt, was bedeutet, »dass der Einzelne für seine Herkunftseigenschaften nicht verantwortlich ist, da diese Eigenschaften nicht aufgrund einer Wahlentscheidung des Individuums zustande gekommen sind…« (Stojanov 2011: 36). Auch Martha Nussbaum argumentiert gegen diese Vorstellung und fragt nach dem Minimum von Eigenschaften, die ein Mensch benötigt, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Das bedeutet aber, dass alle Mitglieder einer Gesellschaft so auszustatten sind, dass sie an allen gesellschaftlichen Diskursen teilhabefähig sind. Unter der Perspektive der Anerkennung besitzen alle Menschen das Potenzial zur individuellen Autonomie. Es geht also nicht primär um die Verteilung von freiheitsverbürgenden Gütern, sondern um eine qualitative Verbesserung von Sozialbeziehungen. Um das zu erreichen, müssen aber z. B. in der Schule alle Schüler_innen befähigt werden, die Grenzen der eigenen Identität zu überschreiten und sich in den Anderen empathisch hineinversetzen zu können. »Diese Wahrnehmung erfordert aber die propositional-transformierende Artikulation der eigenen Anliegen und Wertevorstellungen aus der Perspektive der universalistisch-entgrenzten posttraditionellen Gemeinschaft« (Stojanov 2011: 44). In unserem Verständnis gehört zu gelingender außerschulischer Bildungsarbeit die Anerkennung von Anerkennungsansprüchen: »Demnach empfinden die Betroffenen gesellschaftliche Verhältnisse und Institutionen dann als ungerecht und unterdrückend, wenn diese Verhältnisse und Institutionen Missachtung in Bezug auf sie generieren – etwa in den Formen der Vernachlässigung, Diskriminierung oder Geringschätzung«

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Teil I: Einleitung

(Stojanov 2011: 69). Anerkennung und Würde gehören zu den identitätsstiftenden Merkmalen von Subjektivität bzw. zur praktischen Selbstbeziehung des Einzelnen. Bildungsprozesse sind in sozialen Verhältnissen verankert; deswegen ist grundsätzlich danach zu fragen, welchen Normen diese Verhältnisse entsprechen sollen, »damit sie als bildungs- bzw. subjektivitätsfördernd fungieren können« (Stojanov 2011: 70). Nur, wenn in sozialen Beziehungen, zu denen unterrichtliche und schulische und auch (Weiterbildungs-)Interaktionen zweifellos gehören, wertschätzend und achtsam mit dem Einzelnen umgegangen wird, können sich überhaupt Fähigkeiten, Kompetenzen, Potenzialitäten usw. entfalten. Anerkennung muss als Verhältnis reziproker Intersubjektivität interpretiert werden. Die asymmetrische Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden wird dadurch aufgehoben, dass Ermöglichung von Freiheit Voraussetzung dieser Beziehung ist. Dies ist gerade in Bezug auf Weiterbildungsberater_innen zu betonen: »Nicht nur die Selbst-Entwicklung des Individuums, sondern auch seine Welterschließungsprozesse setzen die Anerkennungsformen der Empathie, des Respekts und der sozialen Wertschätzung voraus. Soziale Verhältnisse, Funktionsweisen von Bildungsinstitutionen und pädagogische Praktiken, die den Normen widersprechen, welche in diesen Anerkennungsformen impliziert sind, stellen bildungsbezogene Exklusionsmechanismen dar. Solche Mechanismen aufzuzeigen und zu bekämpfen ist zentrale Aufgabe jeder kritischen Bildungstheorie« (Stojanov 2011: 79). Nach Axel Honneth wäre Respektlosigkeit kognitive Missachtung und so für soziale Beziehungen folgenschwer. Soziale Schieflagen werden in Form subjektiver Leiden von Akteuren und Akteurinnen erfahrbar : Emotionale Vernachlässigung bzw. Empathiemangel stellt, da die intersubjektive Anerkennung fehlt, gerade bei Jugendlichen aber auch weiterbildungswilligen Erwachsenen eine massive Beschädigung dar ; zudem wird der / die Lerner_in nicht als vernünftiges Wesen behandelt, das zur Mündigkeit fähig ist. Nur unter der Bedingung sozialer Wertschätzung ist es dem Weiterbildungswilligen möglich, spezifische Fähigkeitspotenziale zu entwickeln. Respekt bzw. Anerkennung der Würde einer Person haben demnach sowohl eine moralisch-intrinsische als auch eine pädagogisch-extrinsische Bedeutungsdimension. Bildungsgerechtigkeit, als Teilhabegerechtigkeit verstanden, fördert indes die Ausbildung von sozialen Grundfähigkeiten zur menschenwürdigen Lebensführung und politischen Partizipation. Es könnte jedoch sein, dass ein vorhandener Migrationshintergrund (mit z. B. zweisprachiger Sozialisation) auch zu Sozialisationsvorteilen führen könnte.5 Unter dem Titel »Entwicklung stärken – Partizipation ermöglichen. Aufsuchende Weiterbildungsberatung in Baden-Württemberg« hat die Kirchliche 5 Vgl. Gomolla, Mechthild & Radtke, Frank-Olaf (2002): Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethischer Differenz in der Schule. Opladen: Leske + Budrich.

Gegenstand, Auftrag und Methodik der Studie

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Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg (KiLAG) im Rahmen des »Landesnetzwerks Weiterbildungsberatung« in den Jahren 2014–2016 ein AWBB-Projekt realisiert, aufgefächert in drei Teil-Projekte an drei Standorten im Land (! Kapitel I.2). Das Projekt wurde seit März 2015 durch das Land Baden-Württemberg im Kontext des BLLL (»Bündnis Lebenslanges Lernen«) gefördert.6 Das Institut für interdisziplinäre Theologie und Beratungsforschung (itb) an der Evangelischen Hochschule Freiburg hat die AWBB-Projekte der KiLAG in deren Auftrag wissenschaftlich begleitet, d. h. einerseits projektbegleitend eine wissenschaftliche Orientierung und Beratung für die Projektleitenden vorgehalten und andererseits die drei Teilprojekte empirisch beforscht und evaluiert.7 Der Forschungsauftrag ist innovativ, da bislang kaum empirische Studien speziell zu Aufsuchender Weiterbildungsberatung vorliegen. Die hier vorgelegte Studie stellt die Ergebnisse der Evaluation der drei Teilprojekte im Kontext aufbereiteter fachwissenschaftlicher Erkenntnisstände dar.

I.1.2

Auftrag: Wissenschaftliche Begleitung

Der Projektantrag auf Fördermittel zur Durchführung der AWBB-Projekte, den die KiLAG initiativ an das Kultusministerium Baden-Württemberg gerichtet hat, enthält den grundsätzlichen Auftrag an die wissenschaftliche Begleitung: »Die wissenschaftliche Begleitung sorgt für die wissenschaftliche Qualität, für die Evaluation und für die inhaltliche Unterstützung der Einzelprojekte« (KiLAG, Fördermittelantrag 2014: 4). Der Fokus wissenschaftlicher Begleitung lässt sich 6 Das BLLL (»Bündnis Lebenslanges Lernen«) »[…] wurde Ende 2011 mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit der verschiedenen Weiterbildungsträger in Baden-Württemberg zu stärken und ein neues Bewusstsein für die große Bedeutung der Weiterbildung zu schaffen. Rund 40 Dachverbände, Organisationen und Einzeleinrichtungen aus der allgemeinen, beruflichen und wissenschaftlichen Weiterbildung sowie verschiedene Fachministerien wie das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft oder das Ministerium für Wissenschaft und Kunst gehören dem Bündnis an. Federführendes Ressort für das Bündnis ist das Kultusministerium. Die Bündnispartner arbeiten in mehreren Arbeits- und Fachgruppen zusammen um die Weiterbildungsbeteiligung benachteiligter erwachsener Menschen zu fördern, ein landesweites Netzwerk für Weiterbildungsberatung aufzubauen sowie neue, multimediale Instrumente für die Erwachsenenbildung zu etablieren« (https ://www.baden-wuerttemberg.de/ de/service/presse/pressemitteilung/pid/buendnis-fuer-lebenslanges-lernen-stellt-seine-ar beit-vor/). 7 Das Forschungsinstitut führte bereits wissenschaftliche Untersuchungen in kirchlichen, diakonischen, pastoraltheologischen, seelsorglichen und religionspädagogischen Arbeitsfeldern durch, um Auswirkungen kirchlichen Handelns festzustellen bzw. zu messen. Gleichzeitig umfasst das Portfolio des itb die Beratung zu und die Durchführung von Fortund Weiterbildungen in kirchlichen Institutionen.

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Teil I: Einleitung

analytisch wie folgt unterteilen. »Wissenschaftliche Begleitung ist einmal ausgerichtet auf wissenschaftliche Erkenntnisse und zum anderen bezogen auf die Praxis im Feld« (Luchte 2005: 189). Das itb-Team verfolgte in diesem Sinne der Verzahnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Praxis im Feld einen mehrgleisigen Ansatz der wissenschaftlichen Begleitung: – Relevante fachwissenschaftliche Erkenntnisstände wurden für die Projektsteuerungsgruppe und die drei Projektleitungen aufbereitet und ihr Outcome in Workshops (! Anhang D) präsentiert; dies diente ihnen zur Orientierung i. S. einer der theorie- und forschungsgestützten Vertiefung des fachlichen Verständnisses der Beratungsarbeit in den Projekten. – Praxiserfahrungen und Fragen aus den Projekten wurden in Workshops gebündelt; dies diente der Orientierung der Forschungsgruppe i. S. einer felderfahrungsgestützten Vertiefung des Verständnisses für die Anwendungsbezüge ihrer Forschungsarbeit. – Praxisbezogene Fragen und wissenschaftliche Erkenntnisse wurden in Workshops in Diskurs miteinander gebracht. Dies diente zum einen der Beratung der Projektleitenden bei der Weiterentwicklung ihres AWBB-Konzepts und zum anderen der näheren Auftragsklärung für die Forschungsgruppe. Steuerungsgruppe und Forschungsteam erarbeiteten gemeinsam die Erkenntnisinteressen, die in der Evaluationsstudie verfolgt werden sollten. Auf dieser Grundlage entwickelte das itb-Forschungsteam die Forschungsfragen (! Kapitel III.1.1) und die Erhebungsinstrumente für die durchzuführende empirische Studie (! Anhänge A und B). – In den drei Teilprojekten wurden mithilfe der entwickelten Erhebungsinstrumente sowohl die Beratenen als auch die Beratenden befragt, beide sowohl qualitativ als auch quantitativ. Dies diente der Projekt-Evaluation, einerseits i. S. einer Erfolgskontrolle hinsichtlich Zugänglichkeit, Zielgruppenerreichung, Beratungsergebnissen und Zufriedenheit der Beteiligten mit der Beratung; andererseits i. S. der Generierung von weiterführenden Erkenntnissen über Themen und Verläufe der Beratungen, über Bildungsverständnisse, Teilnahmemotivationen bzw. Zielvorstellungen und Rollenverständnisse der Beteiligten sowie über deren Einschätzungen von Potenzialen der AWBB und von Kompetenzanforderungen an die Beratenden (! Teil III.2).

Gegenstand, Auftrag und Methodik der Studie

I.1.3

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Methodik: Rezeption wissenschaftlicher Beiträge zu Begründung und Konzeption Aufsuchender Weiterbildungsberatung. Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation der Praxisprojekte

Rezeption wissenschaftlicher Beiträge zu Begründung und Konzeption Aufsuchender Weiterbildungsberatung Speziell zum noch jungen Format der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung liegen noch kaum wissenschaftliche Beiträge vor (Gergerli/Gruber 2014; Teile von Bremer/Wagner/Kleemann-Göhring 2014; Fortmann 2012). Daher haben wir zur Rezeption bisheriger Erkenntnisstände auch auf angrenzende Bereiche wie die Weiterbildungsberatung oder die (andere Themen als Bildung adressierende) aufsuchende Beratung zurückgegriffen. Erstere eignen sich insofern zur Begründung und zur Ableitung konzeptioneller Grundlinien der AWBB, als sie die Desiderate herkömmlicher institutioneller Weiterbildungsberatung aufzeigen, denen AWBB begegnen soll. Im Literaturteil werden zunächst bildungspolitische Kontexte der Weiterbildungsberatung und die wissenschaftliche Materiallage dargestellt (! Kapitel II.1), dann werden wissenschaftliche Erkenntnisstände rezipiert: verschiedene im theoretischen Fachdiskurs vertretene Bildungs- und Bildungsberatungsverständnisse (! Kapitel II.2.1), Desiderate institutioneller vs. Konzepte und Potenziale Aufsuchender Weiterbildungsberatung (! Kapitel II.2.2), vorliegende Erkenntnisse zur Zielgruppenerreichung (! Kapitel II.2.3), zu Zugängen und Teilnahmemotivationen (! Kapitel II.2.4), zu Inhalten (! Kapitel II.2.5), Verläufen (! Kapitel II.2.6) Ergebnissen (! Kapitel II.2.7 und II.2.9) und Erfolgsfaktoren (! Kapitel II.2.10) von Weiterbildungsberatungen sowie zu den Anforderungen an Weiterbildungsberater_innen (! Kapitel II.2.8). All diese Ausarbeitungen münden in ein Zwischenfazit, welches den aktuellen Erkenntnisstand zusammenfasst und bestehende Konzept- und Forschungslücken aufzeigt, zu deren Teilschließung die vorliegende itb-/KiLAG-Studie ihren Beitrag leisten will (! Kapitel II.3). Wissenschaftliche multiperspektivische Mixed-Methods Evaluation der drei KiLAG-Teilprojekte zur AWBB Die wissenschaftliche Evaluation der drei KiLAG-Teilprojekte zur AWBB, die das itb durchgeführt hat, fußt auf Forschungsfragen (! Kapitel III.1.1). Die empirische Beantwortung dieser Forschungsfragen erfolgte in einem multiperspektivischen Mixed-Methods-Forschungsdesign. Das heißt: Sowohl die Adressat_innen der AWBB (also: die Beratenen) als auch die Anbietenden (also: die Beratenden) wurden befragt; beide sowohl mit quantitativen als auch mit qualitativen Erhebungsmethoden. Damit wurde sowohl die Perspektive der Beratenden als auch die Perspektive der Beratenen auf die Beratung erhoben. Bei

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Teil I: Einleitung

der Entwicklung der Forschungsfragen hat das itb-Team sich auf die Erkenntnisinteressen der KiLAG-Steuerungsgruppe und auf die wesentlichen Befunde und Desiderate gestützt, die die Auswertung des Wissenschaftsstands ergeben hatte (! Kapitel II.3). Bei der Entwicklung der forschungsmethodischen Instrumente hat das itb-Forschungsteam die entwickelten Forschungsfragen operationalisiert. Die Instrumentenentwürfe, die das itb auf dieser Basis entwickelt hatte, wurden jeweils im Rahmen der gemeinsamen Workshops und bei Praxisbesuchen mit den Projektanbietenden diskutiert und daraufhin im itb weiterentwickelt. So konnten Forschungslücken mit Praxisexpertise gefüllt und die Instrumente auf das reale Praxisgeschehen abgestimmt werden (! Anhang D). Als Ergebnis wurden zwei standardisierte und zwei qualitative Instrumente eingesetzt. Standardisiert waren die Befragung der Adressat_innen unmittelbar im Anschluss an den Beratungskontakt sowie das ebenso im Anschluss der Beratungen durch die Berater_innen auszufüllende Beratungsprotokoll zu diesem Beratungskontakt. Um bei den Adressat_innen Ergebnisse über die statistisch-deskriptive Ebene hinaus gewinnen zu können, hat die Forschungsgruppe ergänzend zeitlich nachgelagerte vertiefende Interviews mit Adressat_innen geführt. Die itb-/KiLAG-Studie konnte mit diesem multimethodischen Vorgehen folgende Stichprobe(n) generieren: – 40 passende Paare bestehend aus Adressat_innen-Fragebögen und Beratungsprotokollen; – vier weitere Beratungsprotokolle; – sechs Adressat_innen-Interviews. Damit fiel der Rücklauf geringer aus als erwartet: Mit der KiLAG war ursprünglich vereinbart, dass die Berater_innen pro Projekt 70 Fragebögen und 70 Beratungsprotokolle, insgesamt also 210 passende Paare von Fragebögen und Beratungsprotokollen generieren sollten. Um den geringeren Rücklauf zu kompensieren, und um für die Perspektive der Beratenden eine äquivalente Vertiefung zu erhalten, hat das itb zusätzlich zu den eingangs festgelegten Erhebungen noch – drei Fokusgruppen Interviews mit je zwei AWBB-Berater_innen und einer AWBB-Projektleitung (ein Fokusgruppen-Interview je Projekt) geführt. Mit diesen Instrumenten konnten (in Anlehnung an die Forschungsfragen, ! Kapitel III.1.1) Erkenntnisse in folgenden Bereichen generiert werden: – Bildungsverständnisse und Lernen: In der qualitativen Befragung der Berater_innen wurde nach (Weiter-)Bildungs-, WBB- und AWBB-Verständnissen gefragt. Die Adressat_innen wurden zur Beantwortung der formulierten

Gegenstand, Auftrag und Methodik der Studie

















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Forschungsfragen in den Interviews zu ihrem subjektiven Verständnis von Lernen sowie zu ihrer Lernmotivation befragt (! Kapitel III.2.1). Potenziale, Zielsetzungen und Teilnahmemotivationen: In den qualitativen Fokusgruppen-Interviews wurde die Perspektive der Berater_innen nach ihren konzeptionellen Zielen sowie den eingeschätzten Potenzialen der AWBB erhoben. Die Adressat_innen wurden in diesem Bereich in den Adressat_innen-Interviews nach ihrer Motivation zur Teilnahme an den Angeboten der AWBB befragt (! Kapitel III.2.2). Charakterisierung der erreichten Zielgruppe: Auf Basis der Abfrage der soziodemografischen Daten auf den quantitativen Adressat_innen-Fragebögen wurde die durch die AWBB-Projekte der KiLAG erreichte Zielgruppe charakterisiert (! Kapitel III.2.3). Zugänge und Gesprächseröffnungen: Unter Rückgriff auf alle vier Instrumente – Adressat_innen-Fragebögen, Adressat_innen-Interviews, Beratungsprotokolle sowie den Fokusgruppen-Interviews mit den Beratenden – wurden Fragen zu den Gesprächsorten, -initiativen, -eröffnungen und -anlässen beantwortet (! Kapitel III.2.4). Inhalte der Beratungen: Ebenfalls über alle vier Instrumente wurde die Frage nach den Inhalten der Gespräche und Beratungen beantwortet, sodass auch hier sowohl auf die Perspektive der Beratenden als auch auf die der Beratenen zurückgegriffen werden kann (! Kapitel III.2.5). Gesprächsverläufe: Antworten auf die Fragen zur Ausgestaltung der einzelnen Phasen – vom Erstkontakt bis zur Beratung – sowie zur Prozesssteuerung wurden qualitativ und quantitativ von den Berater_innen eingeholt (! Kapitel III.2.6). Zufriedenheiten: Die Zufriedenheit mit den verschiedensten Qualitäten der AWBB wie der Beratung und den Berater_innen allgemein, dem Gesprächsort, dem Beratungsergebnis sowie der Beratungskompetenz wurde sowohl quantitativ als auch qualitativ erhoben und dabei zur Beantwortung der Forschungsfragen die Berater_innen- und die Adressat_innenperspektive zugrunde gelegt (! Kapitel III.2.7). Rollen und Kompetenzen: Die Fragen zu den Rollenverständnissen und Rollenanforderungen sowie zu den Kompetenzanforderungen wurden mittels aller vier Instrumente der hier vorliegenden itb-/KiLAG-Studie beantwortet. Einzig die Wahrnehmung der Kompetenzen der Berater_innen wurde konsequenterweise nur aus Perspektive der Adressat_innen erhoben (! Kapitel III.2.8). Ergebnisse der Beratungen: Die Ergebnisse der Beratungen wurden ebenfalls für jede der beiden Perspektiven quantitativ wie qualitativ gewonnen. Die Frage nach der Überweisung resp. Weitervermittlung der Adressat_innen

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Teil I: Einleitung

wurde auf den Beratungsprotokollen durch die Berater_innen beantwortet (! Kapitel III.2.9). – Erfolgsfaktoren: Fragen zur Einschätzung von Erfolgsfaktoren in der AWBB wurden mittels der Adressat_innen-Interviews – und Fokusgruppen-Interviews mit den Berater_innen beantwortet (! Kapitel III.2.10). Die Ergebnisse aller vom itb mit unterschiedlichen Instrumenten durchgeführten Befragungen wurden zusammengeführt und Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Perspektiven gezogen. Daneben wurden die Ergebnisse in Beziehung zu theoretischen und empirischen Quellen gesetzt. Die Studienergebnisse wurden überblicksweise zusammengefasst (! Kapitel III.3). Eine ausführliche Methodenreflexion findet sich in den Kapiteln III.1.2 und III.1.3 unsere Erhebungsinstrumente sind in den Anhängen A-C abgedruckt.

I.2

Projektträgerschaft und evaluierte Projekte

I.2.1

Die Trägerschaft (Kirchliche Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg), ihre Bildungs- und Projektziele

Die KiLAG ist eine Dachorganisation, der fünf Träger_innen kirchlicher Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg angehören: – Diözesane Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung der Erzdiözese Freiburg e.V. (DiAG); – Evangelische Erwachsenen- und Familienbildung in Württemberg (EAEW); – Bildungswerk Süd der Evangelisch-Methodistischen Kirche (EmK); – Evangelische Erwachsenen- und Familienbildung in Baden (EEB); – Katholische Erwachsenenbildung Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V. (keb). Sie wurde 1972 mit dem Ziel der politischen Positionierung der kirchlich getragenen Erwachsenenbildung im Land gegründet (http://www.kilag.de/kilagpositionen/geschichte-der-kilag/, 1). Sie arbeitet mit weiteren wichtigen Akteur_innen zusammen, u. a. mit dem VHS Verband Baden-Württemberg, ist Mitglied im in der Bundesrepublik einzigartigen »Landesnetzwerk Weiterbildungsberatung« mit 400 Mitgliedseinrichtungen in Baden-Württemberg, und gestaltet so die Erwachsenenbildungslandschaft im Bundesland aktiv mit. Als Ziele ihres hier untersuchten AWBB-Projekt »Entwicklung stärken – Partizipation ermöglichen« (Laufzeit 2014–2016) gibt die KiLAG an:

Projektträgerschaft und evaluierte Projekte

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»[…] Menschen, die bisher ihren Weg in die (institutionalisierte) Bildung nicht gefunden haben, interessensensibel Wege zu zeigen, wie sich ihre Fähigkeiten weiter entwickeln ko¨ nnen und wo sie dafu¨ r geeignete Angebote finden. […] Die KiLAG hat hier aufgrund ihres Menschenbildes und ihrer Leitsa¨ tze besondere Aufgaben. Die Suche nach Bildungsformaten, die auch bildungsfernen Menschen gerecht werden, nach Bildungsorten, die auf Menschen nicht abschreckend wirken, weil sie an Schule erinnern, treibt die Mitgliedsorganisationen der KiLAG seit Langem um. […] Ziel ist, dass mo¨ glichst viele Menschen (wieder) Lust auf Bildung bekommen, dass sie merken, dass ihnen Bildung gut tut und sie perso¨ nlich, beruflich oder gesellschaftlich weiter bringt« (KiLAG, Jahresbericht 2013/14, http://www.kilag.de/fileadmin/dokumente/Jahresbericht2014. pdf: 16).

Vorausgesetzt ist ein sehr weit gefasstes Bildungsverständnis der KiLAG, das sie schon 2002 in ihrem Positionspapier kirchlicher Erwachsenenbildung »bilden – leben – gestalten« formuliert hat: »1. Prämisse: Bildung zielt auf gelingendes Leben. Bildung dient der Entfaltung der Persönlichkeit und dem Erwerb sozialer, religiöser, politischer und beruflicher Kompetenzen. Die Anpassung an die sich verändernden beruflichen Anforderungen und die Aneignung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten müssen sich verbinden mit der Förderung des ganzen Menschen.« (KiLAG 2002, online: www.elk-wue.de/fileadmin/mediapool/…/positionspapier_kilag_1086.doc: 1).

Deutlich wird aus den Zitaten: Auf der Grundlage eines emanzipatorischen Menschen- und Gesellschaftsbilds vertritt die KiLAG ein sehr weites, integratives Bildungsverständnis, welches ein auf Bildungsgerechtigkeit und Inklusion ausgerichtetes Verständnis von AWBB ist.

I.2.2

KiLAG-Projekt »BOBBI-Mobil«: mit dem Wohnwagen bei Stadtteilfesten und -märkten

Das Projekt »BOBBI-Mobil« wird von der katholischen Erwachsenenbildung (keb) in der Diözese Rottenburg-Stuttgart durchgeführt. Die Abkürzung BOBBI-Mobil steht für die Leitmaximen des Projekts: Begegnung, Orientierung, Bildung, Beratung sowie (soziale) Inklusion. In der Projektbeschreibung des Anbietenden heißt es: »Bildung soll kein Mittel mehr sein, um Menschen auszuschließen oder sich mittels Bildung anderen Menschen zu verschließen. Deshalb laden wir als kirchlicher Träger nicht mehr nur in unsere herkömmlichen Räume ein und warten dort. Sondern wir suchen die Menschen an den Lebensorten selbst auf, um sie zu erreichen. […] Aufsuchende Weiterbildungsberatung ist für uns ein Weg, die Milieus der Bildungsgewohnheiten zu durchbrechen und bildungsferne Menschen an verschiedene Formen von Weiterbildung heranzuführen. Und wir möchten ungewöhnliche Erfahrungen mit

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Teil I: Einleitung

Menschen machen, die sich weiter entwickeln wollen. Art und Inhalt derartiger Bildungsaktivitäten ergeben sich dabei ausschließlich aus den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der beteiligten Menschen« (BOBBI-Mobil: Projekt. http:// www.bobbimobil.de/index.php?id=projekt). Mittels eines mobilen Vehikels, eines Wohnwagens, werden bildungsferne Menschen in ihren Sozialräumen bei gezielt ausgewählten Events wie Flohmärkten, Stadtteilfesten etc. aufgesucht (BOBBI-Mobil: Projekt. http://www.bobbimobil.de/index.php?id=projekt), um ihr Interesse für Weiterbildung und eigene Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu wecken, Raum für Fragen zu bieten, zu beraten, zu informieren und Informationsmaterial bereitzustellen (Fokusgruppe 1). In der Projektbeschreibung der KiLAG heißt es: »›Bobbi‹ mo¨ chte es ermöglichen, sich selbst und anderen zu begegnen und im gemeinsamen Austausch Ziele und Potenziale zu entdecken. Und mit dieser schlichten, aber ungewöhnlichen Form gerade Menschen, die mit Bildung nicht oder nicht mehr viel anfangen können, wieder Lust aufs Lernen zu machen. BOBBI-Mobil sucht mit den Menschen vor Ort das Gespräch und vernetzt sie mit modernen Kommunikationsmitteln, um Orientierungen für die persönliche Zukunft zu schaffen und die individuelle Motivation wieder in Gang zu bringen. Zentrale Stärke des Projektes: Jede/r bestimmt wie nah er/sie ans Bobbimobil herankommt, sich auf Gespräche einlasst. Ist das Interesse geweckt, kann jeder/jede auf Tuchfu¨ hlung mit sich selbst gehen. […] Menschen werden in ihrer individuellen Lebenslage abgeholt, Inhalte werden gemeinsam gefunden. Eigenes Fragen wird angeregt und auf Wege zum Lernen hin beraten. […] Alle Besucherinnen und Besucher des Bobbimobils werden eingeladen, auf ein kurzes Gespräch mit dem Projektteam stehenzubleiben, sich mit Kaffee und Gebäck zu erfrischen, den Gedanken beim Anblick der stets mitgeführten Holztafel mit Fragen wie ›Was ich gerne können mo¨ chte…‹, ›Was mich motiviert…‹, ›Was mir gut tut…‹ oder ›Wovon es mehr auf der Welt braucht…‹ freien Lauf zu lassen und die eigenen Visionen selbst darauf zu verewigen. Dabei kommt es nicht selten zu individuellen Beratungsgespra¨ chen.« (KiLAG: Jahresbericht KiLAG 2014, URL: http://www.kilag.de/index.php?eID=tx_nawsecu redl& u=0& g=0& t=1436532704& hash=9af20b2a7f24d70fa591534e36a90b06 cf332518& file=fileadmin/dokumente/Jahresbericht2014.pdf). Die gelingende Kontaktaufnahme ist aus Sicht der Projektanbietenden die entscheidende Grundlage, um inhaltlich über Bildungsfragen ins Gespräch zu kommen. »Dieser erste Schritt wird eine Hürde sein, da darin eine Herausforderung liegt, mit der wir bisher als keb kaum zu tun haben. So erscheint der Anteil ›Beziehungsaufnahme und Kontakt herstellen‹ vorrangig zu sein, bevor es zu weiteren inhaltlichen Fragen gehen kann« (unveröffentlichter, dem itb zugestellter Zwischenstandbericht BOBBI-Mobil vom 08. 12. 2014).

Projektträgerschaft und evaluierte Projekte

I.2.3

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KiLAG-Projekt »FERDA«: im Treffpunkt für migrierte Frauen

»FERDA« nennt sich eine internationale Elternschule des Familienforums im Evangelischen Bildungswerk Reutlingen, die der interkulturellen Arbeit vor allem mit Frauen mit Migrationshintergrund und unsicherer bzw. prekärer beruflicher Situation verpflichtet ist. FERDA ist im türkischen, persischen, aber auch im isländischen Raum ein weiblicher Vorname und bedeutet »morgen« und »Zukunft«. Dieser Name wurde für die internationale Elternschule übernommen und wird hierbei in einem erweiterten Sinne verstanden: »Für die Zukunft unserer Kinder«. Im Webauftritt des Anbietenden wird als Zielsetzung »Bildung für alle und von Anfang an« benannt. Erreicht werden sollen »Familien mit Migrationshintergrund (und auch deutsche Familien), die zu etablierten Elternbildungs- und Beratungseinrichtungen bisher aus sprachlichen oder kulturellen Unsicherheiten keinen Zugang gefunden haben. […] Es geht um Entwicklungs- und Erziehungsfragen, um Ernährung, Sprache, miteinander Spaß haben, um Fördern und Fordern ihrer Kinder. Fragen zur deutschen Kindertagesstätte, Übergang vom Kindergarten zur Schule, schulische Fragen, Fragen an unser Gesundheitswesen und vieles mehr. Die Eltern lernen viele Fachleute kennen, dadurch bekommen die Institutionen des Landkreises (Beratungsstellen und Bildungseinrichtungen) ein Gesicht. Begegnungen können im FERDA-Rahmen zwanglos stattfinden. Anschlusstermine werden manchmal bereits vor Ort vereinbart« (Evangelische Bildung Reutlingen, Fachbereich: FERDA – internationale Elternschule, https://www.hdf-reutlingen.de/haus-der-fa milie/thema_verz.php?FachbereichNr=3.0). Insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund und/oder unsicherer/prekärer beruflicher Situation werden adressiert. »Dazu gehören Frauen aus unterschiedlichen Herkunftsnationen, unterschiedlichen Alters, unterschiedlichstem Bildungsstand (Analphabetin bis Hochschulabschluss) und unterschiedlicher beruflicher Situation, darunter immer wieder Frauen (auch Männer) mit unsicherer und prekärer beruflicher Situation« (FERDA Reflexionsfragen, unveröffentlicht8). FERDA bietet eine breite Angebotspalette: – Das FERDA-Caf8: Im FERDA-Caf8 geht es um politische Bildung, aber auch um Themen, die die Frauen von sich aus einbringen und zu welchen sie beraten werden möchten, wie z. B. die Kinderbetreuung oder die finanzielle Situation. – Weiterbildungsangebote für Frauen wie EDV-Kurse, Englisch-Kurse oder Kurse zum Haushaltsmanagement. 8 Anhand von Reflexionsfragen wurden die Projekte im dritten Workshop gebeten sich und ihr Projekt in der Rückblende vorzustellen und zu reflektieren (! Anhang F).

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Teil I: Einleitung

– Eltern-Kind-Kurse: Darunter lassen sich Kurse wie Kochen mit Eltern und Kindern oder auch Kreativkurse fassen. – (Politische) Reisen und Ausflüge: FERDAveranstaltet immer wieder Ausflüge und Städtereisen mit dem Fokus auf politischer Bildung, so beispielsweise eine Kurzreise nach Berlin zum Bundestag. – Diverse bedarfsorientierte Veranstaltungen: Wenn Adressat_innen Ideen für Angebote oder Bildungsbedarfe äußern, werden nach Möglichkeit entsprechende Angebote vorgehalten (vgl. FERDA 2014, Folie 3f). Die Zielgruppe wird einerseits im Rahmen der o. a. Veranstaltungsformate angesprochen. Darüber hinaus wird sie an zielgruppenspezifischen Orten aufgesucht, z. B. in Moscheevereinen, Migrant_innenvereinen oder beim Netzwerk Migration/Integration. Nicht zuletzt wird die Zielgruppe zu Hause aufgesucht oder telefonisch beraten. Die Beratung umfasst verschiedene Aspekte: – Bedürfnisorientierte Beratung zu individuellen Bildungs- und Kompetenzerwerbsfragen sowie beruflichen Fragen (z. B. Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Ausbildung nachholen etc.). – Information über lokale Bildungsangebote, Weiterbildungsberatungsangebote und Angebote der Arbeitsagentur. – Weitervermittlung zu Weiterbildungsangeboten. – Beratung zur Förderung von Kindern unter drei Jahren. – Alltagsberatung (Finanzen, Erziehungsthemen, interkulturelle Fragen, Familiendynamiken etc.). Hierbei greift FERDA auf verschiedene Schlüsselpersonen und -institutionen zurück, die wiederum als Türöffner_innen und Multiplikator_innen fungieren. Dazu vernetzt sich FERDA mit den verschiedenen Vereinen und Bildungsträger_innen wie der Volkshochschule und dem Haus der Familie, dem »Forum muslimischer Frauen«, sowie dem türkischem Kultur- und Integrationsverein und Moscheevereinen, aber auch der Agentur für Arbeit. Daneben verfügt FERDA über wichtige Brückenmenschen, die Teil der Zielgruppe sind (selbes Milieu und z. B. selber Migrationshintergrund) und so einen niedrigschwelligen Zugang zum entsprechenden Personenkreis haben. Mit dem Aufsuchenden Beratungsangebot verfolgt FERDA vorwiegend die Ziele, Frauen zu politischer und beruflicher (Weiter-)Bildung zu motivieren, ihnen gesellschaftliche (Bildungs-)Partizipation (z. B. in Begleitgremien) zu ermöglichen, sie als Multiplikatorinnen zur Erreichung weiterer Personen oder als Kursleiterinnen zu gewinnen und sie in ihren alltäglichen Fragen rund um das Thema Erziehung und Familie zu unterstützen.

Projektträgerschaft und evaluierte Projekte

I.2.4

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KiLAG-Projekt »forum-b«: im Internet-Café

Das Projekt »forum-b« wird im Rahmen der kirchlichen Erwachsenenbildung im Erzbistum Freiburg vom katholischen Bildungszentrum in Waldshut durchgeführt und ist im Bereich der neuen Medien angesiedelt. »Am Anfang steht der Computer. Irgendwie braucht ihn heute fast jeder Mensch, egal wie bildungsfern oder alt er ist. Es gibt keine Kurse in Tabellenkalkulation etc. Es geht an den Orten, wo Menschen sind, um die Basics der PC-Bedienung« (KiLAG: Jahresbericht KiLAG 2014. http://www.kilag.de/index.php?eID=tx_nawsecured l& u=0& g=0& t=1436532704& hash=9af20b2a7f24d70f a591534e36a90b06cf3 32518& file=fileadmin/dokumente/Jahresbericht2014.pdf), heißt es in der Projektbeschreibung der KiLAG. An sechs verschiedenen Standorten wurden www-Caf8s mit kostenloser Nutzung von Computern und Internetzugängen eingerichtet, in denen bei Kaffee und Kuchen Fragen rund um das Thema Neue Medien (Fragen zum Internet, zu Social Media oder zur Arbeit mit dem Computer allgemein) einbringen können. Die Niedrigschwelligkeit der Angebote wird durch verschiedene Elemente der Angebotsstruktur sichergestellt. Die Adressat_innen können in den vorgegebenen Zeitfenstern kommen und gehen, wann sie wollen. Es werden keine Themen vorgegeben, vielmehr erfolgt eine Orientierung an den Bedarfen der Zielgruppe. Adressat_innen mit ähnlichen Bedarfen bilden Kleingruppen, was den Austausch zwischen den Teilnehmenden befördern soll. Ansprechpartner_innen begleiten die Nutzer_innen und können dabei auch Themen der Partizipation und persönlichen Weiterentwicklung durch Weiterbildung ansprechen. (KiLAG: Jahresbericht KiLAG 2014. http://www.kilag.de/index.php?e ID=tx_nawsecuredl& u=0& g=0& t=1436532704& hash=9af20b2a7f24d70fa59 1534e-36a90b06cf332518& file=fileadmin/dokumente/Jahresbericht2014.pdf). Um künftig noch mehr bildungsferne Menschen durch niedrigschwellige Angebote zu erreichen und sie dort zum Thema Weiterbildung zu beraten, wollen die Projektverantwortlichen des forum-b ihr Netzwerk mit Kooperationspartner_innen (wie Familienzentren, Vereinen und lokalen Gruppen vor Ort) künftig noch weiter auszubauen: »Diese Kooperation und Zusammenarbeit sind ein Schlüssel zur Mobilisierung der Adressat/-innen und zur Multiplikation der Angebote – zumal durch den intensiven und von Vertrauen geprägten Kontakt mit den Adressat/-innen deren gezielter Bedarf deutlicher erkannt, mitgeteilt und aufgegriffen werden kann« (Müller/Redenz 2014: 19). Die Intention dieser doppelten Zielsetzung, also jene, ein niedrigschwelliges, mobiles (Weiterbildungsberatungs-)Angebot vorzuhalten und jene des Netzwerkausbaus, ist die Überwindung einer doppelten Distanz – die der Adressat_innen zu institutionalisierten Weiterbildungsangeboten und die der Weiterbildungsangebote zu den Adressat_innen.

Teil II: Stand des Fachdiskurses: Politische Kontexte, wissenschaftliche Theoriebildung und empirische Daten zur (Aufsuchenden) Weiterbildungsberatung

II.1

Ausgangslage

II.1.1 (Aufsuchende) Weiterbildungsberatung im Kontext bildungspolitischer Diskurse Weiterbildungsberatung steht im Spannungsfeld sozial-, wirtschafts- und bildungspolitischer Interessen an der Erhöhung von Weiterbildungsbeteiligung. Föderale, nationale und europäische Programme fördern Weiterbildungsberatung im strategischen Rahmen der Lifelong-Guidance-Politik der Europäischen Union zur Förderung lebenslangen Lernens. Den soziohistorischen Kontext hierfür bildet der Strukturwandel europäischer Gesellschaften von Industriegesellschaften zu Wissensgesellschaften. In wissensbasierten Gesellschaften sind einerseits die Prosperität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und andererseits die sozioökonomischen Teilhabechancen der Einzelnen abhängig von der Entfaltung von Bildungs- und Weiterbildungspotenzialen. Durch Lernen in Weiterbildungen können bisher erwerbslose Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden, kann die Beschäftigungsfähigkeit erwerbstätiger Menschen erhalten und können Leistungspotenziale und Karrierechancen verbessert werden. Daher besteht ein nationales und internationales politisches Interesse, die Beteiligung an Weiterbildung zu erhöhen. Darauf zielt Weiterbildungsberatung strategisch ab (vgl. Nationales Forum Bildung und Beschäftigung 2011: 3f; BMBF (BiBB) 2012; Strauch 2010: 26; Döring u. a. 2011: 5). In der Europäischen Union gewinnt Weiterbildung immer mehr an Relevanz und Prominenz. Der Europäische Rat bekräftigte bereits im Jahr 2000 in Lissabon in seinem »Memorandum über Lebenslanges Lernen«, »[…] dass der erfolgreiche Übergang zur wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft mit einer Orientierung zum lebenslangen Lernen einhergehen muss« (Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2000: 3). Derzeit gibt das Strategiepapier des Europäischen Rates »Europa 2020« den übergeordneten strategischen Rahmen

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Teil II: Stand des Fachdiskurses

europäischer Politik vor (vgl. Europäische Kommission 2016: Europa 2020. http://ec.europa.eu/europe2020/index_de.htm). Bildungs- und Berufsberatung werden hier sowohl in einzelnen Leitinitiativen als auch in den auf die Initiativen rekurrierenden Strategien als wichtige Handlungsfelder ausgemacht (vgl. a. Götz et al. 2014: Lifelong Guidance Politik der Europäischen Union. http://er wachsenenbildung.at/themen/bildungsberatung/llg_europa/politik.php). In Deutschland begann die Diskussion um die Weiterbildungsberatung mit der Bildungsreformdiskussion in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts und dem hier formulierten Desiderat der Chancengleichheit in der Bildung. In den achtziger Jahren kam es zu ersten Institutionalisierungstendenzen im Feld der Weiterbildungsberatung, als aufgrund wachsender Arbeitslosigkeit die ersten Beratungsstellen vorwiegend für von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen gegründet wurden. In den neunziger Jahren führte ein Weiterbildungstrend in den neuen Bundesländern zu einem neuen Schub der Institutionalisierung von Weiterbildungsberatungsstellen (vgl. Döring 2012: 6f). Um bildungsferne Personengruppen für die Weiterbildung zu gewinnen, wurden in den achtziger Jahren in den alten Bundesländern und zu Beginn der neunziger Jahre in den neuen Bundesländern unabhängige Weiterbildungsberatungsstellen, meist über Modellprojekte, initiiert (vgl. Schiersmann/Remmele 2002: 6). In den Jahren von 2001 bis 2008 wurde die Weiterbildungsberatung mit dem Programm »Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung staatlicherseits stärker vorangetrieben (vgl. Döring 2012: 6f). »In den Projekten entstanden vielfältige Aktivitäten zum Ausbau, zur Qualitätsentwicklung und zur Professionalisierung von Bildungsberatung in 25 Lernenden Regionen« (ebd.). Seit 2009 führt das Programm »Lernen vor Ort«, das die »Entwicklung eines lokalen Bildungsmanagements vor Ort, das lebenslanges, aufeinander abgestimmtes Lernen und erfolgreiche Bildungsbiografien für alle Bürgerinnen und Bürger« (BMBF: Das Förderprogramm »Lernen vor Ort« im Überblick. http://www.lernen-vor-ort.info/de/98.php) ermöglichen soll, die Bemühungen fort. Durch kommunales Bildungsmanagements sollen das regionale und lokale Bildungssystem in Bewegung gebracht werden sowie die Beschäftigungschancen für Bildungsferne erhöht werden (vgl. Schlüter 2014: 253). Neben dieser Förderung von Strukturen der Weiterbildungsberatung zielen aktuellere staatliche Aktivitäten auf die Zugänglichmachung und Systematisierung des Weiterbildungsmarktes. Mittels Weiterbildungsdatenbanken sollen für interessierte Personen die Transparenz auf dem heterogenen Markt hergestellt und der Zugang zu bestehenden Angeboten erleichtert werden.9 9 Vgl. u. a. Nationales Forum Bildung, Beratung und Beschäftigung (2012): Lebensbegleitende Bildungs- und Berufsberatung in Deutschland. Strukturen und Angebote: 10: »Die Bundesregierung initiiert und finanziert im Rahmen der Strategie für Lebenslanges Lernen ver-

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Beratung über Weiterbildungsmöglichkeiten ist in Deutschland gesetzlich im SGB III verankert; allerdings werden faktisch vorwiegend arbeitslose Menschen beraten. Es besteht ein Netz von meist kommunal angesiedelten Weiterbildungsberatungsstellen der Industrie-, Handels- bzw. Handwerkskammern, sowie von Weiterbildungseinrichtungen, die im Rahmen von Modellprojekten entstanden sind (vgl. Schiersmann 2011b: 431). Dennoch ist Weiterbildung in Deutschland ein Arbeitsfeld, das stärkerer Förderung bedarf. Dies zeigt nicht zuletzt ein von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Auftrag gegebenes Gutachten, das »die Wertschätzung der allgemeinen, politischen und kulturellen Weiterbildung an den aktuellen Haushaltsansätzen der Bundesländer misst« (GEW 2015: 7). Die Haushaltsansätze für Weiterbildung liegen im Querschnitt der Bundesländer bei 0,34 % und damit deutlich unter dem von der Expert_innenkommission »Lebenslanges Lernen« empfohlenen Haushaltsanteil von 1 % (vgl. ebd.). Zwar werden stets auch neue Modellprojekte aufgelegt, ein konsolidierender Ausbau ist aber noch nicht erreicht (vgl. Schiersmann/Weber 2013: 117). Aktuell (in der Legislaturperiode 2013–2017) will die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern im Rahmen einer »Qualifizierungsinitiative« die Weiterbildungsbeteiligung in der Bevölkerung erhöhen. Dazu schreibt die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Johanna Wanka, in ihrem Grußwort zum im Jahr 2015 im Auftrag der Bundesregierung veröffentlichten Adult Education Survey (AES) 2014: »Jeder Zweite sollte bis 2015 mindestens einmal jährlich an einer Weiterbildungsaktivita¨ t teilnehmen. Dieses Ziel haben wir bereits erreicht: 2014 lag die Weiterbildungsbeteiligung der 18- bis 64Ja¨ hrigen bei 51 Prozent. […] Im Rahmen der Initiative ›Chance Beruf‹ werden wir die Weiterbildungsbeteiligung in dieser Legislaturperiode weiter sta¨ rken und Fo¨ rderprogramme wie Aufstiegsstipendien, Bildungspra¨ mie und das Aufstiegsfortbildungsfo¨ rderungsgesetz (AFBG) fortsetzen. Darüber hinaus wollen schiedene Programme zur Förderung der Weiterbildung und (Weiter-)Bildungsberatung. Das Programm ›Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken‹ (2001–2007) und das aktuelle Programm ›Lernen vor Ort‹ (2009–2012) haben als speziellen Förderaspekt die Einrichtung von Bildungs- und Weiterbildungsberatung vorgesehen. Um die Bereitschaft zur und die Teilnahme an Weiterbildung von Beschäftigten zu erhöhen, fördert das BMBF diese über eine Bildungsprämie. Die Prämie in Höhe von bis zu 500 E wird im Anschluss an eine Beratung zu den Zielen der Weiterbildung, zu möglichen Kursen und deren Anforderungen sowie zu den persönlichen Voraussetzungen gewährt. Die Prämienberatung kann nur von anerkannten Einrichtungen durchgeführt werden (zumeist Volkshochschulen, kommunale oder private Weiterbildungseinrichtungen, aber auch Kammern, Gewerkschaften oder freie Träger). Darüber hinaus plant das BMBF in Zusammenarbeit mit den Ländern ein bundesweites Servicetelefon sowie ein Internetportal für Weiterbildungsberatung. In einigen Regionen, Kommunen und Ländern sind ähnliche Portale und Hotlines bereits vorhanden.« (online unter : http://www.forum-beratung.de/cms/upload/Veroeffentlichungen/Eigene_Veroeffentli chungen/NFB_MASTER_Broschre_deutsch_V02.pdf).

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Teil II: Stand des Fachdiskurses

wir die Bu¨ rgerinnen und Bu¨ rger dabei unterstützen, sich eigenverantwortlich mit Fragen von Weiterbildung und beruflicher Qualifikation zu bescha¨ ftigen. Dazu hat das BMBF zum 1. Januar 2015 einen Telefonservice zur Weiterbildungsberatung eingerichtet. Denn nur wenn die Frauen und Ma¨ nner in unserem Land die Weiterbildungsmo¨ glichkeiten kennen, ko¨ nnen sie ihre Erwerbsbiographie individuell gestalten« (vgl. BMBF 2015, ohne Seitenzahl).

II.1.2 Wissenschaftliche Materiallage Ein Literaturreview zur Erfassung der vorliegenden empirischen Forschung und der theoriebildenden Diskurse zur Aufsuchenden Weiterbildungsberatung bildete Ausgangspunkte sowohl für unsere wissenschaftliche Prozess- und Konzeptberatung der KiLAG-Steuerungsgruppe während der Laufzeit der hier evaluierten AWBB-Projekte (! Anhang D) als auch für die Entwicklung des itbEvaluationsstudienkonzepts. Die wesentlichen Forschungsstände werden nachstehend präsentiert. Insgesamt ist die Materialbasis an wissenschaftlicher Literatur, die sich speziell auf die Aufsuchende Weiterbildungsberatung bezieht, extrem schmal, so dass sich das Feld als Forschungslücke erweist. Auch über das Feld der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung hinaus sind Formate der Aufsuchenden Beratung in verschiedenen Feldern generell noch wenig erforscht. Die jüngst erstellte Dokumentenanalyse von Kaczor (2016) zur Aufsuchenden Beratung kommt zu einem vergleichbaren Schluss wie das itb-Forschungsteam: »Je länger ich mich mit dem Themengebiet beschäftigte, desto deutlicher wurde mir, dass ich mich für eine Thematik interessierte, die zwar Praxisrelevanz besitzt, die jedoch noch kaum untersucht wurde« (Kaczor 2016: 208). Dadurch wird zugleich die Relevanz der hier vorgelegten Studie evident. Als einzigen speziell auf die Aufsuchende Weiterbildungsberatung bezogenen theoretischen Beitrag fanden wir die Arbeit von – Fortmann (2012) zur Konzeptentwicklung aufsuchender Bildungsberatungsangebote in Bremen-Gröpelingen. An einschlägigen empirischen Beiträgen zur Aufsuchenden Weiterbildungsberatung fanden wir lediglich – zwei Erfahrungsberichte aus München (Gergerli/Gruber 2014 berichten über »zugehende städtische Bildungsberatung für MigrantInnen«) und aus Berlin/ Brandenburg (das LernNetz Berlin-Brandenburg e.V. dokumentiert im Jahr 2015 online Erfahrungen aus der Praxis der »mobilen« Bildungsberatung); – kleine Teile der Studien, die eine Forschungsgruppe um den Bildungswissenschaftler Hartmut Bremer von der Universität Duisburg-Essen zur Wei-

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terbildungs- und Weiterbildungsberatungslandschaft in NRW erstellt hat, insbesondere bezogen auf die Zielgruppe der »Bildungsfernen« (vgl. Bremer/ Kleemann-Göring 2011; Bremer/Wagner/Kleemann-Göhring 2014.2015); diese Studien sind ganz überwiegend auf Angebote institutioneller, nicht aufsuchender Weiterbildungsberatung bezogen. Eine davon (Bremer/Wagner/Kleemann-Göhring 2014) bietet allerdings eine sozialräumlich orientierte Bestandsaufnahme der bestehenden Struktur von Weiterbildungsberatungsangeboten und nimmt – nicht im empirischen Untersuchungsteil, aber in praxeologischen Workshops mit Praxisprojektanbietern – eine Vernetzung von Projekten in den Blick, die über die rein institutionelle Weiterbildungsberatung hinausgehen. Aufgrund dieser äußerst begrenzten Materiallage zum speziellen Feld der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung haben wir zur Verbreiterung der Erkenntnisgrundlage weitere wissenschaftliche Beiträge aus angrenzenden und erweiterten Gegenstandsbereichen ausgewertet: Am besten untersucht ist bislang das allgemeine Feld der Weiterbildung; hier haben wir u. a. folgende Beiträge rezipiert (Auswahl): Bestandsaufnahme – Zwicker-Pelzer (2015): ein Überblick über Formate und Orte von Beratung, (wozu u. a. auch Bildungsberatung gehört); Empirische Studien zu Teilnahmeverhalten, Teilnahmemotivationen und Motivationshemmnissen – BMBF (2015): Adult Education Survey (AES). Der AES wird seit dem Jahr 2007 ca. alle drei Jahre im Auftrag der Bundesregierung durchgeführt und erhebt ausschließlich unter Erwerbstätigen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland deren Lernaktivitäten bzw. deren Bildungsbeteiligung in den jeweils 12 vergangenen Monaten. Hierzu werden computergestützt (CAPI) per Zufallsauswahl bestimmte Personen von geschulten Interviewer_innen befragt. Die Stichprobe im Jahr 2015 betrug n=3.100 Personen. – Käpplinger/Meier-Gutheil (2015): Hier handelt es sich um eine systematische Meta-Analyse von aktuellen Studien zur Beratung(sforschung) in der Erwachsenen- und Weiterbildung, die einen Überblick über aktuelle methodische Ansätze und über Ergebnisse der Bildungsforschung im deutschsprachigen und im angloamerikanischen Raum gibt. Interessant ist daran (neben forschungsmethodologischen Reflexionen) insbesondere, dass quantitative Längsschnittstudien aus Großbritannien mit experimentellen und/ oder Kontrollgruppendesigns rezipiert werden, denn derartige Längsschnittstudien liegen aus dem deutschsprachigen Raum noch nicht vor.

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Teil II: Stand des Fachdiskurses

– Walter (2014): 1.600 in Deutschland erwerbstätige Personen im Alter zwischen 19 und 64 Jahren (Zufallsauswahl) wurden mithilfe von computerunterstützten standardisierten Fragebögen in Telefoninterviews auf ihre Weiterbildungsbereitschaft hin befragt. Die Befragung diente u. a. der Überprüfung der Hypothese, dass neben personen- und beschäftigungsbezogenen Merkmalen auch die subjektiven Erwartungen an den Nutzen und an den Aufwand für die Inanspruchnahme oder Nichtinanspruchnahme von Weiterbildungsangeboten ausschlaggebend sei. – Bischof et al. (2012, »Bildungsreport Leipzig 2012«); Bischof/Krüger (2015, »Bildungsreport Leipzig 2014«): Hier wurden u. a. das Bildungsverhalten der Leipziger Bevölkerung und die Zielgruppenerreichung der kommunalen Leipziger Bildungsberatung quantitativ erfasst (in beiden Jahren wurden jeweils ca. 500 Bildungsberatungen durchgeführt). – Heinemann (2012): Im Rahmen einer Dissertation an der Universität Hamburg wurden 11 Frauen mit Migrationshintergrund in leitfadengestützten Interviews vor dem Hintergrund ihrer Lebenslagen auf ihre subjektiven Begründungen für oder gegen die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten hin befragt; die Interviews wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. – Kuwan (2011): Im Rahmen der mixed-methods »EdAge-Studie« der Universität München, in der das Weiterbildungsverhalten und die Weiterbildungsinteressen von »älteren« Erwachsenen erfasst wurden, befragte Kuwan in Kooperation mit TNS Infratest Sozialforschung eine repräsentative Stichprobe von 5.000 Erwachsenen zwischen 45 und 80 Jahren insbesondere im Blick auf Teilnahmebarrieren, die die Inanspruchnahme von Weiterbildungsangeboten hemmen. Aus diesen Studien wird vor allem deutlich, welche Bevölkerungsgruppen am wenigsten an Weiterbildungen teilnehmen, und welche soziodemografischen, motivationalen und kontextbezogenen Faktoren ihrer Teilnahme entgegenstehen. Weniger als das Feld der Weiterbildung, aber deutlich besser als das Feld der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung ist das Feld der herkömmlichen, institutionellen Weiterbildungsberatung (WBB) untersucht. Die Datenlage zur Weiterbildungsberatung hat sich in jüngster Zeit »[…] deutlich verbessert, wenngleich sich die Erfassung auf bestimmte Bundesländer und Förderprogramme konzentriert« (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 168; dort auch ein Literaturüberblick). Institutionelle Weiterbildungsberatung ist Gegenstand u. a. der folgenden von uns rezipierten Beiträge (Auswahl):

Ausgangslage

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Bestandsaufnahme – Schiersmann/Remmele (2002): Hier wurden bundesweit 4562 Fragebögen an relevante Stakeholder im Bereich der Weiterbildungssberatung zugestellt und eine nicht näher bezifferte Zahl von Expert_inneninterviews geführt; der Fragenbogen-Rücklauf betrug mit 1377 ausgefüllten Fragebögen 30,2 %, wobei der Großteil des Rücklaufs aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen stammte. Gefragt wurde u. a. nach Aufgaben, Zielgruppen und Anlässen der Weiterbildungsberatungen sowie nach Selbstverständnis, Konzepten, Qualifikations- und Kompetenzprofilen der Beratenden. Empirische Studien zu Wirkung und Nutzen von Weiterbildungsberatung – Käpplinger (2010): Diese Metastudie rezipiert Nutzenanalysen von Bildungsberatung aus Großbritannien für den deutschsprachigen Diskurs (ohne Angaben von statistischen Kennzahlen). – Strobel (2010a/b): Hier wurde die Arbeit einer institutionellen Weiterbildungsberatungsstelle in München mithilfe von Adressat_innenfragebögen (n=1.105), telefonischen Nachbefragungen von Adressat_innen (n=40) Gruppendiskussionen mit Adreessat_innen (n=5) und Nicht-Nutzenden (n=2) sowie mit Expert_inenninterviews mit Beratenden der evaluierten Beratungsstelle zu zwei Zeitpunkten (n=8 bzw. n=10) und mit Akteur_innen anderer Beratungsstellen (n=6) empirisch evaluiert. Neben Beratungsanliegen, Beratungsinhalten, Beratungsformen und Beratungsdauer wurden auch nach Wirkungen der Beratungen gefragt, und zwar nach der Zufriedenheit der Beratenen und nach der Umsetzung der Beratungsergebnisse. Daten zur Zufriedenheit der Beratenen mit der Beratung bietet auch der oben schon genannte Adult Education Survey (AES), BMBF (2015). Theoretische und empirische Beiträge zu Beratungsanliegen, Beratungsverläufen und erforderlichen Beratungskompetenzen – Gieseke/Stimm (2015): Durch Detailanalyse von n=31 Transkripten von Weiterbildungsberatungsgesprächen wurden Beratungsverläufe analysiert und dialogmusterspezifische sowie dialogmusterunspezifische kommunikative Teilziele professioneller Beratungspraxis herausgearbeitet. – Schröder/Schlögl (2015): Diese praxeologische Monografie präsentiert Ergebnisse eines von Bildungsberatern aus Deutschland und Österreich moderierten Reviewprozesses, in dem Stärken und Schwächen der jeweils anderen Beratungspraxis evaluiert wurden. – Bremer/ Wagner/ Kleemann-Göhring (2014; vgl. a. Bremer/Kleemann-Göhring 2011): Im Auftrag des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen wurden an vier Standorten die bestehenden Strukturen von WBB für »bildungsferne« Menschen erfasst; darüber hinaus wurden 31 Weiterbildungskursleitende in

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Teil II: Stand des Fachdiskurses

Fragebögen auf deren weiterbildungsberatende Funktion am Rande der Kursveranstaltungen hin befragt und 14 qualitative Expert_inneninterviews mit Beratungsanbieter_innen zu Fragen der Beratungsanliegen der Beratenen und zu erforderlichen Beratungskompetenzen der Beratenden geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. – Enoch (2011): Die Monografie beschreibt als Aufgabe beruflicher Beratung, »[…] die Wissensbasis für berufliche Entscheidungssituationen zu klären, die individuelle und zu erweitern sowie daran anschlussfa¨ hige, tiefer gehende Reflexionsprozesse unter professioneller Anleitung zu ermöglichen« (Enoch 2011: 9). Es werden breite grundlagentheoretische Reflexionen zur erwachsenbildnerischen und beraterischen Wissensvermittlung angestellt. Abschließend werden Beratungsverläufe in drei sequenziellen Fallanalysen untersucht und grundlagentheoretisch ausgewertet. Die aus diesen Studien ablesbaren Desiderate der WBB lassen Schlussfolgerungen auf den Bedarf an bzw. die Relevanz von Aufsuchenden Weiterbildungsberatungsangeboten zu. Die erkennbaren Inhalte, Verläufe und Ergebnisse der WBB sowie die genannten Kompetenzanforderungen an die Berater_innen lassen sich möglicherweise auf die AWBB übertragen – was durch unsere eigene empirische Studie zu überprüfen sein wird (! Teil III). An nicht auf Weiterbildung, sondern auf andere Formate Aufsuchender Beratung, bezogene Studien konnten wir auffinden: – Sweet/Appelbaum (2004); Lungen (2010); Bräutigam et al. (2011); Kaczor (2016): Aufsuchende Beratungsarbeit im Allgemeinen; – Fröhlich und Mitschka (2004): Beziehungsaufbau im Feld der Aufsuchenden Erziehungsberatung; – Krafeld (2004): Aufsuchende Jugendsozialarbeit; – Grieger (2005): Aufsuchende Sozialarbeit bei häuslicher Gewalt; – Gillich (2006 a/b); Simon (2006); Steffan (2011): Streetwork; – Tillmanns (2015): Aufsuchende Beratung bei Intergeschlechtlichkeit. Aus diesen Beiträgen lassen sich allgemeine Erkenntnisse über Chancen und Herausforderungen aufsuchender Beratungsarbeit ableiten, auf deren Übertragbarkeit auf die AWBB wir ebenfalls unsere eigenen Studienergebnisse befragen werden (! Teil III). In den nachstehenden Kapiteln sind die wichtigsten Ergebnisse der o. a. Beiträge thematisch geordnet zusammengefasst.

Erfassung wissenschaftlicher Erkenntnisstände

II.2

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Erfassung wissenschaftlicher Erkenntnisstände

II.2.1 Begriffsverständnisse und Typologien II.2.2.1 Bildungsverständnisse und Bildungskontexte Konzeptionen von Weiterbildungs(beratungs-)angeboten entstehen auf der Basis des jeweils zugrunde gelegten Bildungsverständnisses. Deshalb ist eine grobe Orientierung über aktuell diskutierte Begriffe und Grundverständnisse notwendig. Es ist zu klären, was unter Bildung zu verstehen ist. In bildungstheoretischen Diskursen wird gemeinhin zwischen »funktionaler« und »nicht-funktionaler« oder auch »zweckfreier« Bildung unterschieden (Lahner 2011, Ribolitis 2009 und Grohall/Höfener 2001); im Zuge neuerer Debatten um das so genannte »Lebenslange Lernen« auch zwischen formaler und non-formaler bzw. formaler und informeller Bildung – wobei die Begriffe nicht überall trennscharf verwendet werden. Funktionale Bildung dient vordefinierten Verwendungsinteressen des Gelernten (vgl. Lahner 2011: 165). Nicht-funktionale Bildung ist eher zweckungebunden; sie »findet […] ihre ›methodische‹ Entsprechung in der Muße, jener zweckfreien, aber im höchsten Maße sinnvollen Tätigkeit« (Ribolits 2009: 111), die auf eine Persönlichkeitsbildung ausgerichtet ist (vgl. Lahner 2011: 165). »So verbindet etwa ein Kursteilnehmer mit der Einführung in Windows den Zweck, möglichst bald mit den neuen Kenntnissen an seinem PC zu arbeiten. Davon ist aber der Teilnehmer an einem Seminar zu den Hintergründen einer Kunstepoche weit entfernt. Er verfolgt keinen unmittelbaren Zweck, sondern möchte über sein Interessensgebiet mehr wissen, ohne eine unmittelbare, konkrete Anwendung anzustreben« (Grohall/Höfener 2002: 11). Das Beispiel weist einerseits darauf hin, dass es graduell unterschiedlich und differenziert zweckbestimmte Bildungsziele gibt und andererseits, dass die Zieldefinition weniger von Bildungsanbietenden, sondern eher durch die Zweckinteressen der Teilnehmenden bestimmt wird. Die Unterscheidung von »formaler« und »non-formaler« Bildung bezieht sich auf die äußeren Kontexte bzw. auf die Orte, an denen Bildungsangebote gemacht werden: »formale« Bildung findet in formalen Institutionen des Bildungssystems statt, »non-formale« Bildung außerhalb derselben; als »informell« werden eher intrapersonale, subjektive Prozesse der Informationsformationsverarbeitung, also der Aneignung von Bildung bezeichnet, die ungeplant und nicht-intendiert stattfinden, bezeichnet (Rohlfs 2011: 36ff; vgl. Dohmen 2001, Harring/Rohlfs/Palentien 2007). Formale Bildung (z. B. in einer Schule, bei einer Umschulung, etc.) zielt auf eine Zertifizierung ab und ist in der Regel hinsichtlich der Festlegung von Lernzielen, -zeit, -förderung und

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auch der Zweckgebundenheit stark strukturiert; der Anteil funktionaler Bildung ist in formalen Bildungsinstitutionen eher hoch. Non-formale Lernangebote bzw. informelles Lernen dagegen können zielgerichtet sein, sind aber auch oft nicht-intentional; sie sind nicht auf eine Zertifizierung ausgerichtet und weniger strukturiert. Lernen geschieht hier oft beiläufig, erfahrungsbezogen und zufällig (vgl. Rohlfs 2011: 39). »Informelle« Bildung findet unorganisiert, spontan und alltäglich statt (vgl. Grohall/Höfener 2002: 11). Es handelt sich um ein freiwilliges Selbstlernen der Akteur_innen, das von deren subjektiven Lerninteressen geleitet ist. Die Begriffe werden in der Fachliteratur nicht überall gleich und z. T. anders als hier verwendet als hier beschrieben. Eine exakte Abgrenzung der Begriffe und der Lern- und Bildungsformate, die mit ihnen bezeichnet werden, ist auch kaum möglich, denn überall sind immer gleichzeitig Lernkontexte, Lerninhalte, Lernziele, subjektive Lerninteressen und Lernprozesse präsent und treten in Wechselwirkungen zueinander. So findet z. B. auch in formalisierten Kontexten informelles und nicht-funktionales Lernen statt. Vor allem aber ist Lernen ein komplexer intra- und intersubjektiver, also vor allem von den beteiligten Subjekten abhängiger Vorgang, für dessen Beschreibung alle o. a. Begriffe zu kurz greifen. Dennoch ist die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Begriffen relevant. Denn es zeigt sich: Es ist keineswegs eindeutig, was unter dem Anspruch zu verstehen ist, dass Weiterbildungsberatung auf mehr Bildungsbeteiligung zielt. Von unterschiedlichen Bildungsverständnissen her sind sehr unterschiedliche Konzeptionen von WB und WBB möglich. In welcher besonderen Weise die AWBB-Berater_innen der KiLAG sich hier positionieren, wird in den Kapiteln III.2.1.1 und III.2.1.2 deutlich werden. II.2.1.2 »Bildungsberatung« und »Weiterbildungsberatung« Neben der Klärung des grundlegenden Bildungsverständnisses sind die Begriffe der Bildungsberatung und Weiterbildungsberatung näher zu beleuchten. »Bildungsberatung« wird durch die internationale, 35 Staaten umfassende Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wie folgt definiert:

Erfassung wissenschaftlicher Erkenntnisstände

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»Bildungsberatung bezeichnet Dienstleistungen, die darauf abzielen, Menschen in beliebigen Altersstufen und an beliebigen Punkten ihrer Biografien bei bildungs- und berufsbezogenen Entscheidungen und beim Managen ihres beruflichen Werdegangs zu unterstützen. Bildungsberatung hilft den Beratenen, ihre Ziele, Interessen, Qualifikationen und Fähigkeiten zu reflektieren sowie den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem zu verstehen – und beides in Beziehung zueinander zu setzen. Umfassende Bildungsberatung lehrt Menschen, zu planen und gezielte Entscheidungen über Arbeit und Lernen zu treffen. Bildungsberatung macht Informationen über den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem zugänglicher, indem sie sie organisiert, systematisiert und sie dann und dort, wo sie gebraucht werden, zur Verfügung stellt« (2004: 19; sinngemäße Übersetzung der Autoren).10

Bei der Weiterbildungsberatung handelt es sich um eine spezifische Form der Bildungsberatung (vgl. Strauch 2010: 26). Weiterbildungsberatung wendet die Prinzipien der Bildungsberatung nun auf den speziellen Ausschnitt der Weiterbildung an. Weiterbildungsberatung kann aus einem allgemeinen pädagogischen Beratungsgespräch bzw. aus einem allgemeinen kommunikativen Austausch über die persönlichen Entwicklungsziele der zu Beratenden entstehen (vgl. Strauch 2010: 24f). Weiterbildungsberatung ist »im klassischen Verständnis eine Beratung zur Entscheidungsfindung im Hinblick auf die mögliche Teilnahme an einer Weiterbildung« (Enoch 2011: 92). »Bei dieser Dimension von Beratung […] geht es in erster Linie um eine Orientierungsund Entscheidungshilfe für die Auswahl geeigneter Weiterbildungsangebote im Vorfeld der Teilnahme an Weiterbildung« (Schiersmann/Remmele 2002: 5). »Die personenbezogene Weiterbildungsberatung zielt zum einen darauf ab, den von Anbieter- und Angebotspluralismus geprägten Weiterbildungsmarkt für potenzielle Teilnehmende transparenter zu machen. Zum anderen soll sie die Weiterbildungsbereitschaft erhöhen, indem sie Individuen dabei unterstützt, ihre Interessen, Qualifikationen und Fähigkeiten zu erkennen, zu reflektieren und ggf. zu aktualisieren« (Walter 2014: 220).

Das Erfassen des konkreten Anliegens des Adressaten resp. der Adressatin, das Aufzeigen passender Anbieter_innen und Angebote von Weiterbildung sowie die Unterstützung bei der Auswahl von und bei der Entscheidung für Weiterbildungsmaßnahmen der Adressat_innen sind demzufolge zentrale Anliegen 10 »Career guidance refers to services intended to assist people, of any age and at any point throughout their lives to make educational, training and occupational choices and to manage their careers. Career guidance helps people to reflect on their ambitions, interests, qualifications and abilities. It helps them to understand the labour market and education systems, and to relate this to what they know about themselves. Comprehensive career guidance tries to teach people to plan and make decisions about work and learning. Career guidance makes information about the labour market and about educational opportunities more accessible by organising it, systematising it, and making it available when and where people need it« (OECD 2004: 19).

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der Weiterbildungsberatung. Konsequenterweise stand und steht in herkömmlichen Ansätzen der Weiterbildungsberatung der Aspekt der Information bzw. der Vermittlung von Wissen über bestehende Weiterbildungsangebote im Vordergrund. Neuere Beiträge zur Theoriebildung plädieren für eine Erweiterung des Verständnisses von Weiterbildungsberatung. »Weiterbildungsberatung übernimmt zunehmend die Aufgabe, Ratsuchenden die aktuellen Entwicklungen des Ausbildungs- und Weiterbildungsbereichs sowie des Arbeitsmarktes zu vermitteln. Gleichwohl ist der Anteil verstärkt reflexiver und situativer Beratungen eine wichtige Dimension der Weiterbildungsberatung« (Enoch 2011: 96, Hervorhebung itb). II.2.1.3 »Aufsuchende« (Weiterbildungs-)Beratung Die Begriffe ›zugehende‹, ›aufsuchende‹, ›niedrigschwellige‹, ›proaktive‹ oder ›mobile‹ Beratung werden häufig synonym benutzt, und auch in der Praxis sind die Grenzen fließend (vgl. Grieger 2005: 39; Schröder/Schlögl 2014: 31; Steffan 2011: 539; Zwicker-Pelzer 2010: 89ff). Seit den 70er Jahren praktizierten Sozialarbeiter_innen in einigen Regionen Deutschlands und in einzelnen Praxisfeldern (insbesondere im Bereich der Jugendhilfe, die damals schon regelfinanziert wurde) Aufsuchende Arbeit; in anderen waren diese noch gänzlich unbekannt. D. h., es zeigt sich eine ungleichmäßige Verbreitung des Ansatzes in unterschiedlichen Regionen und Handlungsfeldern. Seit Anfang der 1990er ist eine zunehmende Verbreitung von Formaten Aufsuchender Sozialarbeit zu verzeichnen (vgl. Becker/Simon 1995: 7). »Seine Ursachen hat dies zunächst in den zunehmenden Schwierigkeiten konventioneller Ansätze, mit einer ›Komm-Struktur‹ ihr Klientel erreichen zu wollen« (ebd.). Dennoch ist Aufsuchende Beratung bis »heute kein fester Bestandteil der Beratungspraxis geworden«, sondern »allenfalls in zeitlich befristeten und regional begrenzten Modellprojekten« (Walter 2014: 221) vorfindlich. Eine Definition Aufsuchender Weiterbildungsberatung haben wir in der Literatur nicht finden können und nehmen deshalb (auf der Basis von Schröder/ Schlögl 2014: 31f, Bremer et al. 2015: 15, Steffan 2011: 539 sowie von Kapitel II.1.1 unseres hier vorgelegten Buchs) eine eigene vor :

Erfassung wissenschaftlicher Erkenntnisstände

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Aufsuchende Weiterbildungsberatung ist ein spezielles Format der Weiterbildungsberatung: Mit der institutionellen Weiterbildungsberatung teilt sie das Ziel, die lebenslange Bildungsbeteiligung in der Gesellschaft zu verbessern. Darüber hinaus liegt ihr besonderer Akzent in der emanzipatorischen Ausrichtung auf mehr Bildungsgerechtigkeit. Aufsuchende Weiterbildungsberatung soll i. S. der Inklusion bildungsferne Zielgruppen erreichen, die von institutioneller Weiterbildungsberatung kaum erreicht werden. Dazu wird die Komm-Struktur institutioneller Weiterbildungsberatung in der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung durch eine Gehstruktur ersetzt: Weiterbildungsberater_innen suchen ihre Adressat_innen unter Nutzung informeller Zugänge aktiv in ihren sozialräumlichen Kontexten auf.

Schröder und Schlögl (2014) schlagen als Binnendifferenzierung vor, »aufsuchende« von »mobiler« Beratung zu unterscheiden: – Mobile Beratung: »Bildungsberaterinnen und -berater […] bieten wohnortoder kundennah Bildungsberatung in leicht zugänglichen öffentlichen Räumen an (Gemeindeämter, Bürgerämter, Lernfeste etc.). Man kommt den Menschen damit ein Stück entgegen, jedoch müssen diese Personen einen Ort aufsuchen, der nicht oder nur in beschränktem Maß der eigenen Alltagssituation und dem eigenen Lebensumfeld entspricht« (Schröder/Schlögl 2014: 31). – Aufsuchende Bildungsberatung: Bildungsberaterinnen und -berater suchen Orte auf, die den Alltagssituationen und dem jeweiligen Lebensraum von Menschen entsprechen und bieten dort Bildungsinformationen und/oder Bildungsberatung an (Büchereien, Bahnhöfe, Kaufhäuser, soziale Beratungsdienste wie Drogen oder Mietschuldenberatung, Beratungsbus etc.). Dabei wird die »Komm-Struktur« (der Beratungskunde kommt zur Bildungsberatung) durch eine »Geh-Struktur« (die Bildungsberatung geht dorthin, wo sich die potenziellen Kunden tatsächlich aufhalten) ersetzt (Schröder/Schlögl 2014: 31f) oder zumindest ergänzt (vgl. Bremer et al. 2015: 25). Aufsuchende (Weiterbildungs-)Beratung findet nach dem Verständnis von Schröder und Schlögl an unterschiedlichen Orten und bei unterschiedlichen Anlässen statt. Diese können gewählt werden nach den Kriterien Wohnungsnähe, Alltagsnähe, Lebensweltnähe zu den Adressat_innen, Zentralität (insbesondere im städtischen Bereich), oder anlass- und actiondefiniert am Teilnahmeverhalten der Adressat_innen andocken, z. B. bei Stadtteilfesten oder Konzerten oder durch die Ansiedlung im Freizeit- und Konsumbereich (vgl. Krafeld 2004: 59). Aufsuchende Hilfen können dabei öffentliche, halböffentliche und private Lebensfelder umfassen. Dazu zählen auch Institutionen, in denen sich Zielgruppenangehörige aufhalten (vgl. Steffan 2011: 539).

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Andere Autor_innen schlagen neben der von Schröder und Schlögl vorgeschlagenen Unterscheidung vor, noch ein weiteres Beratungssetting zu spezifizieren: – »in-home-Beratung« oder »home-based-Beratung«: Die zu Beratenden werden in ihrer Wohnung aufgesucht und dort beraten (vgl. Kreft/Mielenz 2005: 929; Sweet/Applebaum 2004: 1435f). Die Entscheidung, ob sie einen Hausbesuch zur Beratung wünschen, sollte dabei immer den Adressat_innen überlassen werden (vgl. Lüngen 2010: 26). Insgesamt liegt in »der Orientierung an Lebensmilieu und Lebenswelt der Zielgruppen […] der fundamentale Unterschied zu einrichtungsgebundenen Angeboten« (Steffan 2011: 539) gegenüber aufsuchenden Angeboten. II.2.1.4 Typologien und Themen der Weiterbildungsberatung Ausgehend von dem dargelegten Verständnis von Weiterbildungsberatung entwerfen verschiedene Autorinnen und Autoren unterschiedliche Typologien von Weiterbildungsberatung: Gieseke und Opelt 2004 (zit. nach Enoch 2011: 93f; Gieseke 2000: 15f; Gieseke 2004: 145f) unterscheiden drei mögliche Typen von Weiterbildungsberatung: – Informative Beratung: Die Adressat_innen haben ein klares Bildungsberatungsanliegen und können dieses auch formulieren. In solchen Fällen steht sinnvollerweise die Vermittlung von Informationen über passgenaue verfügbare Weiterbildungsmöglichkeiten im Fokus der Beratung. Über die reine Informationsvermittlung hinaus sollten die Beratenden die Beratenen bei der Abwägung von Gründen für und gegen die Auswahl bestimmter angebotener Kurse bzw. Weiterbildungsmaßnahmen unterstützen. Laut Schiersmann qualifiziert nicht schon die reine Informationsvermittlung, sondern erst die Anregung zu reflexiven Abwägungen der Wahlmöglichkeiten das Gespräch als »Beratung« im eigentlichen Sinne (vgl. Schiersmann 2011b: 429). – Situative Beratung: Den Ausgangspunkt des Gesprächs bildet dessen situativer Anlass, z. B. Schwierigkeiten der Beratenen, die durch eine situative Veränderung ihrer Arbeitsbedingungen oder der an sie gestellten Arbeitsanforderungen entstehen. Ein Anliegen der Beratenen wird, wenn überhaupt, dann erst im Prozess der Beratung virulent und (evtl. nur diffus) verbalisierbar. Im Fokus der Beratung stehen hier die subjektive Thematisierung der Lebens- bzw. Arbeitssituation des oder der Beratenen, die Klärung der Situationsanforderungen und die Herausarbeitung des daraus folgenden Weiterbildungs-Anliegens. Beispielsweise weiß die zu beratende Person darum, dass sie zur Situationsbewältigung eine neue Ressource braucht und ver-

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spricht sich, diese durch eine Weiterbildung erwerben zu können – hat aber keine klare Vorstellung von der Art der benötigten Weiterbildung. Hier ist erst zu klären, welche Kompetenzen zur Situationsbewältigung erforderlich sind und in welcher Art Weiterbildung passend sein könnte, um diese Kompetenzen zu entwickeln. – Biografieorientierte Beratung: Im Fokus der Beratung steht die Biografie des oder der Beratenen, etwa eine biografische Zäsur wie der Verlust des Arbeitsplatzes. Diese wird zur Bildungsbiografie in Beziehung gesetzt, mit dem Ziel, evtl. verschüttete Weiterbildungsinteressen freizulegen. Die biografische Lage macht eine Neuorientierung notwendig; sie weckt Veränderungswünsche. Die Weiterbildungsberatung kann nun aufzeigen, inwiefern Bildung bzw. Qualifizierung ein Mittel sein kann, die biografischen Entwicklungsund Veränderungswünsche zu befördern, eine Lösung zu finden oder einen Neuanfang zu machen – etwa, sich eine berufliche Tätigkeit zu erschließen, die den eigenen Neigungen entspricht. Diese Typologie von Gieseke und Opelt lässt erkennen, dass der Grad der subjektiven Eingebundenheit und subjektiven Betroffenheit der beratenen Person von Beratungssituation zu Beratungssituation stark variiert: Während eine informative Beratung losgelöst von der beratenen Person stattfinden kann, steigt in den Beratungen des zweiten und dritten Typs die persönliche Involviertheit immer mehr an. Daraus lässt sich schließen, dass von Beratungstyp zu Beratungstyp auch die Anforderungen an die beraterische Kompetenz der Beratenden und an die Gestaltung der beraterischen Beziehung ansteigen. Eine weitere Typologie der Weiterbildungsberatung stellt Schiersmann (2011a) vor. Sie unterscheidet nach den Subjekten bzw. nach den Adressat_innen der Beratung zwischen personenbezogener und organisationsbezogener Weiterbildungsberatung (! Abb. 1). Organisationsbezogene Beratung unterteilt Schiersmann in zweierlei Formate: – Qualifizierungsberatung für Betriebe berät Organisationen bei der Planung und Vermittlung von Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Mitarbeitenden; – Organisationsberatung für Weiterbildungseinrichtungen (WB) und Weiterbildungsberatungseinrichtungen (WBB) empfangen diese Einrichtungen selbst Beratungsleistungen (vgl. Schiersmann 2011a: 751f). Diese Beratungsformate bauen in zweierlei Hinsicht Brücken zwischen Anbietern und Adressat_innen der Weiterbildung: Zum einen verbessert die Beratung die WBB-Qualität in Organisationen; zum anderen verschafft die Beratung der Organisationen den Beratenden Einblicke in die aktuellen wirtschaftliche und soziale Entwicklungen der jeweiligen Region und über Qualifizierungsbedarfe,

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Abbildung 1: Aufgabenbereiche der Weiterbildungsberatung nach Schiersmann (Abbildung übernommen aus Schiersmann 2011a: 750)

die sich daraus ergeben; beides kommt am Ende wieder den Personen zugute, die WBB in Anspruch nehmen (vgl. Gellrich 2012: 155). Die personenbezogene Beratung unterteilt Schiersmann wiederum in drei Unterformate (vgl. Schiersmann 2011a: 750f): – Orientierungsberatung: Sie soll Ratsuchenden bei beruflichen und auf die Auswahl von Weiterbildungsmaßnahmen bezogenen Entscheidungsfindungsprozessen behilflich sein. – Kompetenzentwicklungsberatung: Sie soll Ratsuchenden dabei behilflich sein, ihre Kompetenzen und Qualifikationen zu bilanzieren und Strategien zu deren Weiterentwicklung zu erkennen. – Lernberatung: Sie soll Ratsuchende dabei unterstützen, ihre Lernprozesse zu reflektieren, ihre Lernprobleme zu minimieren und ihre Lernbedarfe zu identifizieren, also zu erkennen, was sie wie lernen wollen und können. Eine ähnliche Typologie ist bei Gieseke (2000) zu finden, die fünf Anwendungsfelder der Beratung in der Weiterbildung definiert. Dabei berücksichtigt Gieseke auch psychosoziale Aspekte; ihre Perspektive ist weiter bzw. holistischer als die Schiersmanns:

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»1. Beratung zur individuellen Entscheidungsfindung für eine Bildungs- oder Qualifizierungsteilnahme 2. psychosoziale Beratung in Lebenskrisen, angelegt als sozialpädagogische Intervention 3. Lernberatung zur Behebung von Lernschwierigkeiten im Prozess 4. institutionelle Beratung zur Organisationsentwicklung 5. Lernberatung als pädagogische Begleitung in einem sich selbst steuernden Lernprozess« (Gieseke 2000: 10f).

Dieses o. a. Typologien haben vorwiegend heuristischen Wert. In der Praxis sind die Übergänge zwischen den verschiedenen »Typen« fließend (vgl. Schiersmann 2011a: 749ff). »Da in der Praxis meistens Mischformen des Vorgehens im Beratungsprozess existieren, ist der/die Berater/-in besonders zu Beginn des Gesprächs gefordert, die mögliche Ausrichtung zu erschließen« (Gieseke 2000: 15). Als didaktisches Prinzip aller o. a. »Typen« von Weiterbildungsberatung soll die Förderung der Selbstbestimmung der Beratenen gelten: Man soll sie darin unterstützen, ihre Bildungs- und Berufsbiografie selbstbestimmt zu gestalten (vgl. Schiersmann 2011b: 432) und selbstgesteuert zu lernen (vgl. Kraft 2011: 413). Dazu müssen Lehr-/Lernsettings gewählt werden, die die Eigenaktivität der Bildungsinteressierten bzw. der sich Bildenden stärken.

II.2.2 Konzeptionelle Zielsetzung, Potenziale und Erschwernisse Aufsuchender Weiterbildungsberatung II.2.2.1 Konzeptionelle Zielsetzungen Chancengleichheit im Bereich der Bildung wird politisch angestrebt (! Kapitel II.2), ist aber bislang nicht erreicht. Das gilt auch für den Bereich der Weiterbildung. Die Verfügbarkeit und die Nutzung von Weiterbildungsangeboten differiert unter sozialen Gruppierungen in der Gesellschaft erheblich und ist in hohem Maße abhängig von sozialen Faktoren wie Bildungshintergrund, Lebensund Erwerbssituation. Dabei ist der Bildungshintergrund der am stärksten determinierende Faktor (von Rosenbladt/Bilger 2008a: 152.154f; 2008b: 58): Personengruppen, die vielfach »bildungsfern«11 genannt werden, haben geringere Bildungschancen bzw. nutzen vorhandene Bildungschancen weniger als andere. Auch hier zeigt sich der zuerst von dem Wissenschaftssoziologen Robert K. Merton (1910–2003) so genannte »Matthäus-Effekt«: »Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.« (Mt 25,29, vgl. Merton 1968: 57). Die Wahrschein11 Zur Klärung des hier verwendeten Begriffs »bildungsfern« (vs. »bildungsungewohnt« oder »bildungsbenachteiligt« vgl. o. Kap. I.1.1, Anm. 2.

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lichkeit, dass jemand Weiterbildungsmöglichkeiten nutzt, steigt mit dem Bildungsniveau, auf dem er oder sie sich schon vorher befindet – und umgekehrt: »Mit zunehmender schulischer Bildung sind jeweils zunehmende Teilnahmequoten […] an Weiterbildung insgesamt« festzustellen (BMBF 2015: 33f, vgl. auch Bischof et al. 2012: 261; Bischof/Krüger 2014: 18). In dieselbe Richtung weisen die Ergebnisse weiterer Studien: Lt. Strobel (2010a: 36f) ist bei den Teilnehmenden an Weiterbildungen der am häufigsten angegebene Schulabschluss mit 39 % das Abitur oder das Fachabitur, während lediglich 2 % der Befragten angaben, ohne Schulabschluss zu sein (Strobel 2010b: 273). Eine ähnliche Tendenz zeigt sich auch im Bereich der Weiterbildungsberatungen: Bischof/Krüger (2014: 210) stellten hier eine Teilnahmequote von über 50 % Personen mit (Fach-)Hochschulreife und von ca. 30 % Personen mit mittleren Schulabschlüssen fest, während »kaum« Menschen mit Hauptschulabschluss oder ohne Schulabschluss eine Bildungsberatung aufsuchen. Im fachwissenschaftlichen Diskurs wurden diese Befunde u. a. mit den Begriffen »Weiterbildungsschere« (Schulenberg et al. 1978: 525) und »doppelte Selektivita¨ t« (Faulstich 1981: 61ff) zusammengefasst. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Bedarf an Weiterbildung und an Weiterbildungsberatung bei bildungsfernen Gruppen ebenso groß ist wie bei bildungsnahen (Schröder/Schlögl 2014: 32). Dass bildungsferne Gruppen WBund WBB-Angebote so wenig in Anspruch nehmen, dürfte weniger durch ein Desinteresse begründet sein als vielmehr durch eine »doppelte Distanz«: Einerseits stehen WB- und WBB-Anbietende, also die herkömmlichen Weiterbildungs(beratungs-)institutionen den Lebenswelten bildungsferner Adressat_innen fern. Daher sprechen sie bildungsferne Zielgruppen nicht passend an; sie werben auf Weisen, die bei bildungsfernen Zielgruppen nicht effektiv sind; sie richten die Inhalte und Formen ihrer Bildungsangebote nicht so aus, dass sie zu den Bildungsbedarfen bildungsferner Zielgruppen passen (vgl. Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 28). Weiterbildungs(beratungs-)institutionen müssten, um ihre Distanz zu bildungsfernen Zielgruppen abzubauen, ihr Angebot stärker an deren (pluralen) Lebenswelten und an deren Nachfrage orientieren. Andererseits, und deshalb ist von »doppelter Distanz« die Rede, halten sich bildungsferne Adressat_innen selbst von den Weiterbildungs(beratungs-)institutionen bzw. von Angeboten institutionalisierter Weiterbildung und Weiterbildungsberatung fern. »Auszugehen ist von komplexen Widerständen gegen institutionelle Bildung und institutionelles Lernen sowie von Hemmschwellen zu den entsprechenden Lernorten« (Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 14), die zur Vermeidung eben dieser Strukturen führen (vgl. a. Fortmann 2012: 3). Diese Abständigkeit ist nach Bremer et al. häufig das Ergebnis biografischer Erfahrungen: »Oftmals zeigt sich, dass der Selbstausschluss aus Bildung Folge früherer Erfahrungen ist. Wenn etwa Schule schon immer eher ›Auswärtsspiel‹ als

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›Heimspiel‹ war, also eine fremde Welt, in die man sich nicht einbezogen fühlte, dann sind Misstrauen und Skepsis gegenüber institutionalisierter Bildung tief verankert« (Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 9). Die o. a. Kluft der doppelten Distanz sollen durch Konzepte Aufsuchender Weiterbildungsberatung überbrückt werden. Um Vertrauen in institutionalisierte Bildungssettings zu generieren und Teilnahmewahrscheinlichkeiten zu erhöhen, sollen die Anbietenden aktiv werden: »Letztlich gilt es, eine pädagogische Beziehung überhaupt erst aufzubauen, beispielsweise über den Weg des ›Aufsuchens‹ der AdressatInnen« (Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 15; vgl. a. Bremer et al. 2015: 18f). Walter (2014: 221) schlägt vor, dass »vor der eigentlichen Beratung zunächst eine Kontaktaufnahme in aktiver, aufsuchender Form über die sozialen Räume« erfolgen soll. Indem die Komm-Struktur durch eine Geh-Struktur ersetzt wird, wird Weiterbildungsberatung den Zielgruppen zugänglich gemacht: Die Berater_innen gehen selbst aktiv auf ihre Zielgruppen zu. Gleichzeitig bauen sie ihre Distanz zur deren Lebenswelten ab. Indem die Beratenden sich in die sozialräumlichen Bezüge bildungsferner Adressat_innen begeben, wird auch die Last für das Zustandekommen der Beratung nicht mehr einseitig den Beratenen aufgebürdet (vgl. Grieger 2005: 39). »Zumeist ist es besser, den Dienst dort zu leisten, wo die Probleme ihren Ort haben und nicht zu erwarten, dass die Problembeladenen eine von ihrem Milieu entfernte Dienststelle aufsuchen« (Wendt 2010: 54). Ein gelingendes Praxisbeispiel ist der mobile LernLaden des LernNetzes Berlin-Brandenburg e.V. (vgl. LernNetz Berlin-Brandenburg e.V. 2015: Die mobile Bildungsberatung. Online http://www.lnbb.de/lernnetz/projekte/mobile-beratung). »Die mobilen Bildungsberater/-innen versuchen, die Ratsuchenden dort zu erreichen, wo sie sich aufgrund eines positiven wohnortnahen Umfeldes wohl fühlen. Das kann in Jugendclubs oder Caf8s sein, in Kiez-Treffpunkten oder auf Veranstaltungen« (ebd.). Gleichzeitig versucht AWBB die subjektive Distanz bildungsferner Adressat_innen gegenüber institutionellen Settings, also deren Widerstände und Hemmschwellen zu überwinden. Es gilt »Brücken« zu bauen, die die Träger_innen institutioneller Weiterbildungsberatung und bildungsferne Zielgruppen verbinden (vgl. Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 15). »Indem Menschen Beratung in einem offenen, wenig formalisierten Setting in Anspruch nehmen können, will man Anlässe bieten, sich dennoch auf professionelle Unterstützung einzulassen oder zumindest diese anzubahnen« (Schröder/Schlögl 2014: 29f). Bildungsfernen Personengruppen sollen also durch Aufsuchende Weiterbildungsberatung Bildungschancen nahegebracht werden; die Bildungsbeteiligung bildungsferner Bevölkerungsgruppen soll durch AWBB erhöht werden (vgl. Fortmann 2012: 4). Aufsuchende Weiterbildungsberatung soll die Distanzlü-

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cken zwischen institutionellen Weiterbildungsangeboten und den hierdurch nicht erreichten Adressat_innen bzw. den nicht adressierten Interessen schließen. Sie soll Hemmschwellen senken, die die Teilnahme an institutioneller Weiterbildungsberatung und Weiterbildung verhindern. II.2.2.2 Potenziale und Erschwernisse des Formats Oben wurde beschrieben, dass das Konzept Aufsuchender (Weiterbildungs-)Beratung grundsätzlich darauf abzielt, die doppelte Distanz zwischen Institution und Adressat_innen aktiv zu überwinden, Niedrigschwelligkeit herzustellen und Personengruppen zu adressieren, die bislang nur unzureichend mit Beratungsleistungen versorgt werden. Potenziale und Erschwernisse, die damit im Einzelnen verbunden sind, werden nachstehend aufgefächert. In der EdAge-Studie wird empfehlend hervorgehoben, dass, durch den Ausbau der Informations- und Beratungsangebote zur Weiterbildung neue Zielgruppen erreicht werden können (vgl. Kuwan 2011: 388ff). Zugleich wird auf den hohen Aufwand hingewiesen, den dies erfordert: »Das aber geht nicht auf Knopfdruck oder durch neugestaltete, aber eher an der Oberfläche kratzende Werbemittel, sondern erfordert eine zeit- und personalintensive ›aufsuchende Bildungsarbeit‹« (ebd: 19). Negative Einstellungen gegenüber Bildung(seinrichtungen), schlechte Vorerfahrungen und geringe Nutzenerwartung lassen sich erst durch fortwährende Gespräche, die im gewohnten Umfeld der Adressat_innen stattfinden, überwinden. Die individuelle Auseinandersetzung mit den persönlichen Zielen muss oft erst anzustoßen, das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit und die subjektive Erwartung, dass persönliche Ziele mittels Weiterbildung erreicht werden können, müssen oft erst geweckt werden. Um die Nutzenerwartung an WB zu fördern, sollte die Beratung schon dort andocken, wo die Adressat_innen noch kein konkretes Weiterbildungsinteresse gefasst haben (vgl. Walter 2014: 220f). »Insofern besteht die wesentliche Herausforderung für die Weiterbildungsberatung in der Kontaktherstellung zur Gruppe der Personen mit geringer oder keiner Weiterbildungsmotivation. Aufgrund vorgelagerter negativer bildungs- oder milieuspezifischer Sozialisationserfahrungen […] besitzen Personen dieser Gruppe jedoch eine geringe Bildungsbereitschaft« (Walter 2014: 221). Aufsuchende Weiterbildungsberatung kann zur Erhöhung der Nutzenerwartung an Weiterbildung beitragen, insbesondere, wenn sie biografieorientierte Beratungszugänge wählt (vgl. Walter, ebd.; ! Kapitel II.2.5). Die Distanz der Adressat_innen gegenüber formalen bzw. institutionellen Angebots-Settings überschreitet AWBB schon durch die Geh-Struktur des aufsuchenden Formats. AWBB kann Teilnahmebarrieren überwinden, die mit der persönlichen Le-

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benssituation zusammenhängen, z. B. indem sie familiär eingebundenen Menschen mit Sorgeaufgaben (wie im Fall der in-home-Beratung) erlaubt, Beratung in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig ihren Sorgeaufgaben wie der Kinderbetreuung nachzukommen; oder indem sie Menschen mit Migrationshintergrund in Gesprächs- und Beratungskontakten ein Zugehörigkeitsgefühl zur Mehrheitsgesellschaft zu vermittelt (Heinemann 2012: 156ff). Darüber hinaus kann AWB eine netzwerkende Funktion im Sozialraum bzw. eine Scharnierfunktion zwischen Angebot und Nachfrage übernehmen, indem spezifisch lokale Gründe für Nicht-Teilnahmen an WB durch Gespräche in Erfahrung gebracht werden und an die WB-Stakeholder im Sozialraum Träger_innen von Weiterbildung kommuniziert werden. AWBB könnte so auch als eine Art »Frühwarnsystem«für das Hilfesystem und die Lokalpolitik fungieren (Simon 2006: 32). Daneben kann der Anschluss an Netzwerke und Bildungsverbünde strategisch wichtig sein. »Dies erfordert und ermöglicht ein Wissen über lokale Gegebenheiten einerseits, andererseits eröffnet es Einblicke in und damit auch Zugänge zu den Lebenswelten potentieller Adressat_innen« (Bremer et al. 2015: 26). 36 % der im AES befragten Personen geben an, zu wenig über die eigenen Weiterbildungsmöglichkeiten zu wissen (vgl. BMBF 2015: 51); 28 % äußern den Wunsch nach mehr Informationen und Beratung über Weiterbildungsangebote (vgl. BMBF 2015: 53f). Gleichzeitig geben lediglich 8 % der Befragten an, dass sie sich in den vergangenen zwölf Monaten in einer Beratungsstelle beraten lassen haben (vgl. BMBF 2015: 53). Lt. Schiersmann und Remmele geht die Mehrheit der Stakeholder (87 %) im WB(B)-Bereich davon aus, dass sich der Bedarf an Weiterbildungsberatung zukünftig erhöhen wird (vgl. Schiersmann/Remmele 2002: 12). Daraus ist rückzuschließen, dass der Weiterbildungsmarkt allgemein zu intransparent ist und dass eine Nachfrage nach Weiterbildungsberatung besteht, die mit den herkömmlichen Beratungsformaten nicht befriedigt wird. AWBB im Sozialraum könnte ein geeignetes Format sein, um diese Nachfrage zu decken, bestehende Beratungs- und Wissenslücken bei potentiellen Teilnehmenden von Weiterbildungsangeboten zu schließen und den Weiterbildungsmarkt transparenter zu machen. Darüber hinaus werden aufsuchenden Beratungsformaten noch eine Reihe weiterer Potenziale zugeschrieben: – Echtheit und Kongruenz: Durch das Aufsuchen der Adressat_innen in deren Sozialraum werden Differenzen zwischen erzählter und gelebter Bewältigungsstrategien und Alltagswirklichkeit schnell deutlich und können reduziert werden. »Die Vorteile liegen in der […] Echtheit und Kongruenz zwischen verbalen Äußerungen und der gelebten Wirklichkeit« (Zwicker-Pelzer 2010: 91).

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– Passgenauigkeit: Aufgrund der Lebensweltnähe Aufsuchender (Weiterbildungs-)Beratung können Potenziale des Umweltsystems deutlicher diagnostiziert und passgenauere Interventionen entwickelt werden (ebd.: 90). – Flexibilität: Aufsuchende (Weiterbildungs-)Beratung kann flexibler gestaltet und auf die Lebenspraxis der Beratenen ausgerichtet werden, »insbesondere auch im Hinblick auf den Netzwerkaufbau und das soziallebensräumliche Ankoppeln von Klientinnen und Klienten an das lokale Umfeld beziehungsweise den Stadtteil« (Wirth 2011: 326f). – Innovativität: Aufsuchende (Weiterbildungs-)Beratungsangebote können strukturelle Barrieren im Hilfesystem aufdecken (vgl. Grieger 2005: 42). – Transferkosten: Ein weiterer Vorzug der in-home-Beratung ist, dass »das Lernfeld, wo Kompetenzen erworben werden, und das Funktionsfeld, wo das Erlernte angewendet wird, identisch« (Woog 2001: 40) sind. Somit fällt den Adressat_innen der Transfer des Gelernten in alltägliche Handlungen leichter. Trotz der genannten Vorzüge ergeben sich auch Herausforderungen und Nachteile aufsuchender Beratungsangebote, die insbesondere bei in-home-Beratungssettings eine Rolle spielen können. Bräutigam, Müller und Lüngen beschreiben die Potenziale resp. Herausforderungen Aufsuchender Formate – insbesondere der in-home-Beratung als »janusköpfig«: die Vorteile des Formats seien zugleich deren Nachteile (vgl. Bräutigam et al. 2011: 24ff); die Gründe sehen sie in der Strukturlogik des Formats: – Es wird ein Zugang zu Adressat_innen geschaffen, deren Teilhabe bislang erschwert war. Gleichzeitig kann das äußere Zugehen den Zugang zur Innenwelt erschweren, da manche Adressat_innen eines Schutzraums bedürfen. – Durch das Aufsuchen gewinnen Berater_innen vertiefte Einblicke in die Lebenswelt der Adressat_innen. Gleichzeitig geben die Adressat_innen Informationen preis, die sie unter Umständen nicht freiwillig preisgeben wollen. – Im aufsuchenden Setting sind das Lernfeld und Funktionsfeld identisch und der Transfer in den Alltag erleichtert. Gleichzeitig nehmen sich Störungen aus dem Alltag größeren Raum. – Soziale Netzwerke lassen sich vor Ort besser einbeziehen, und es wird mehr Alltagsnähe ermöglicht. Gleichzeitig kann dies zu unerwünschter sozialer Kontrolle durch ebendiese Netzwerke führen. – Aufsuchende Settings gelten als wirksamer, da sie Abbruchquoten senken und Beteiligung erhöhen. Gleichzeitig ist diese Wirksamkeit beeinträchtigt, da die Professionellen sich auf unsicherem Terrain bewegen (vgl. Bräutigam et al. 2011: 25ff; vgl. u. ! Kapitel II.2.6.3).

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Diese Aufzählung verdeutlicht die speziellen Anforderungen an die Persönlichkeit und an die Fachlichkeit aufsuchend Arbeitender (vgl. Bräutigam et al. 2011: 27) (! Kapitel II.2.5; II.2.6.3; III.2.8).

II.2.3 Zielgruppenerreichung zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Soziodemografische Faktoren Wie oben gezeigt, ist der Bildungshintergrund der Faktor, der die Weiterbildungs(beratungs)teilnahme am stärksten determiniert. Neben dem Bildungshintergrund sind jedoch weitere Prädiktoren für das Teilnahmeverhalten in Anschlag zu bringen. Die Inanspruchnahme von Weiterbildung(sberatung) wird grundsätzlich »von verschiedenen Faktoren beeinflusst, u. a. durch motivationale, soziodemografische und kontextbezogene Faktoren« (von Hippel/ Tippelt 2011: 804). Hier werden zunächst die soziografischen, im nächsten Abschnitt (! Kap. II.2.4) die motivationalen und kontextbezogenen Faktoren erörtert. Der Erwerbsstatus bzw. die berufliche Stellung offenbar einer der soziografischen Prädiktoren für die Teilnahme an Weiterbildung(sberatung): Lt. AES weisen Erwerbstätige die häufigste (58 %), Arbeitslose und sonstige nicht-erwerbstätige Personen die geringste Teilnahmequote an Weiterbildung auf (32 % resp. 25 %; vgl. BMBF 2015: 26; vgl. für die Weiterbildungsberatung auch Bischof et al. 2012: 261). Aber nicht nur der objektive Status (berufstätig oder nicht-berufstätig) beeinflusst die Teilnahmequote, sondern auch die die subjektive Zufriedenheit mit der beruflichen Situation (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 171). Hinsichtlich des Faktors »Geschlecht« kommen die rezipierten Studien für unterschiedliche Angebotsformate zu unterschiedlichen Ergebnissen. An Weiterbildungen nehmen lt. AES nahezu gleichmäßig viele weibliche und männliche Personen teil (vgl. BMBF 2015: 36). Für die Teilnahme an Weiterbildungsberatungen weisen dagegen verschiedene Studien einen deutlich erhöhten Anteil von Frauen aus (Strobel 2010b: 275, 72 % weibliche Teilnehmende; Bischof et al. 2012: 261, 69 % weibliche Teilnehmende; Bischof/Krüger 2014: 210, 70 % weibliche Teilnehmende). Als ein weiterer soziodemografischer Faktor, der das Weiterbildungs(beratungs-)verhalten beeinflusst, hat sich das Lebensalter erwiesen. Die höchste Teilnahmequote an Weiterbildungen hatte lt. AES (BMBF 2015: 37) die Gruppe der 25–34-Jährigen (58 %), die Gruppe der 55–64-Jährigen dagegen die geringste (39 %). Ein ähnlicher Trend wurde für den Bereich der Weiterbildungsberatung festgestellt: Lt. Strobel (2010b: 275) waren in München die meisten Ratsuchenden in der Weiterbildungsberatung (54 %) zwischen 20 und 39 Jahre

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alt; lt. Leipziger Bildungsreport 2012 gehörten über 60 % Teilnehmende zu den Alterskohorten der 20–40-Jährigen (Bischof et al. 2012: 101); im Jahr 2014 nahmen in Leipzig ca. 75 % unter 40-Jährige an Weiterbildungsberatungen teil (Bischof/Krüger 2014: 210). Schließlich wird das Teilnahmeverhalten an Weiterbildung(sberatungen) durch einen Migrationshintergrund beeinflusst. Weiterbildung wird lt. AES (BMBF 2015: 38) in der Gruppe der Deutschen häufiger in Anspruch genommen (53 %) als in der Gruppe der Ausländer und Ausländerinnen (32 %). Bremer et al. warnen allerdings davor, vorschnelle Schlüsse aus den Befunden des AES zu ziehen. Denn: Eine »Migrationserfahrung [bedeute] nicht automatisch auch ›Bildungsferne‹« (Bremer et al. 2015: 19). Für den Bereich der Weiterbildungsberatungen stellt Strobel in ihrer auf München bezogenen Studie (2010b: 275) fest: »Bezüglich des Migrationshintergrunds geben 19 % der Ratsuchenden in der WBB an, keine deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen; knapp 40 % haben mindestens ein Elternteil, welches nicht in Deutschland geboren wurde«. Lt. Leipziger Bildungsreport nahmen in Leipzig im Jahr 2012 nahmen nur 9 %, im Jahr 2014 15 % Personen mit Migrationshintergrund an Weiterbildungsberatungen teil (vgl. Bischof et al. 2012: 261; Bischof/Krüger 2014: 210).

II.2.4 Zugänge: Teilnahmehemmnisse und Teilnahmemotivationen Aufgrund der oben beschriebenen soziodemografischen Selektivität der Inanspruchnahme von Weiterbildung und Weiterbildungsberatung steht das Bildungssystem vor der Herausforderung, die subjektive Distanz bildungsferner Personenkreise abzubauen und ihr Vertrauen in institutionelle Bildung zu (re-)aktivieren (vgl. Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 15). Gleichzeitig sind aber auch eine Reihe von pragmatischen Teilnahme-Hindernissen zu überwinden: Motivationale und kontextbezogene Faktoren wie entstehende Kosten, Anfahrtswege und mangelhafte Infrastruktur sowie ein hoher Zeitaufwand können dazu führen, dass institutioneller Bildungs- und Bildungsberatungsangebote nicht in Anspruch genommen werden (vgl. Lüngen 2010: 13). Von den in der EdAge-Studie befragten älteren Erwachsenen wurden folgende motivationale und kontextbezogene Faktoren für die Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme an Weiterbildungsangeboten benannt (vgl. Kuwan 2011: 391ff): – Allgemeine Einstellungen bzw. fehlende Nutzenerwartung: Die größte Weiterbildungsbarriere stellt der subjektiv fehlende Bedarf an Weiterbildung dar (79 %), gefolgt von der subjektiven Annahme des fehlenden Nutzens im Alter (62 %).

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– Lerndispositionen: 45 % der Befragten geben als Barriere an, dass ihnen Weiterbildung zu anstrengend sei. Jede dritte befragte Person stimmte zudem der Aussage zu: »Ich gehe nicht gerne alleine zu einer Weiterbildung«. – Präferenzen für bestimmte Lernmethoden: Die Ablehnung von zu sehr formalisierten Lernsettings ist für ca. jede dritte befragte Person ein Grund, keine Weiterbildung in Anspruch zu nehmen. – Persönliche Lebenssituation: Familiäre Verpflichtungen (31 %), gesundheitliche Einschränkungen (28 %) sowie berufliche Belastungen (22 %) stellen ebenfalls Barrieren für die Teilnahme an Weiterbildung dar. – Hemmendes oder förderndes persönliches Lernumfeld: Die wahrgenommene fehlende Unterstützung aus dem privatem und beruflichem Umfeld wird von 12,5 % der Befragten als Weiterbildungsbarriere angegeben. – Angebotsbezogene Weiterbildungsbarrieren: Häufig werden fehlende Passungen des Weiterbildungsangebots als Barrieren genannt, am häufigsten ein unpassender zeitlicher Rahmen. So gibt etwa ein Drittel der befragten Personen an, dass die Veranstaltungen zu einem ungünstigen Zeitpunkt begönnen. Etwa jede Fünfte befragte Person gibt außerdem an, dass es in ihrer Wohnumgebung keine geeigneten Angebote gibt, und etwa jede sechste befragte Person gibt zu hohe Kosten als Weiterbildungshindernis an. – Weiterbildungstransparenz, Informations- und Beratungsbedarf: »Etwa jeder fünfte Befragte gibt an, eine Beratung zu benötigen, um zu wissen, welche Weiterbildung infrage käme« (Kuwan 2011: 393). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Zusammenhang zwischen Informationsaufwand und Teilnahmebereitschaft besteht. Vgl. hierzu auch Walter 2014: 220: »Gute Beratung kann vermeiden, dass prinzipiell Weiterbildungsmotivierte allein aufgrund von Orientierungs- und Informationsdefiziten eine Teilnahme aufschieben oder von einer solchen gänzlich absehen«. Auf eine weitere Barriere bei Menschen mit Migrationshintergrund macht Heinemann (2012: 162) aufmerksam: Der Zugang zu Bildung und Weiterbildung hängt entscheidend vom subjektiven Gefühl der Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zur Mehrheitsgesellschaft ab. Das Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft führe dazu, dass sich die befragten Frauen auch nicht als legitime Ziel- und Anspruchsgruppen von Weiterbildung erleben. Personen, »die eine geringe Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft erfahren, [nehmen] sehr viel weniger beziehungsweise an sehr viel niedrigschwelligeren Angeboten teil, als diejenigen, die sich eher zu Deutschland oder auch als transnational gesellschaftlich zugehörig wahrnehmen (können)«.

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Insgesamt zeigt sich mit Blick auf die soziodemografischen Faktoren deutlich: Menschen mit niedrigen Schulbildungsabschlüssen, erwerbslose Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und ältere Erwachse (Ü55) werden von institutionellen Angeboten zur Weiterbildungsberatung und zur Weiterbildung wenig erreicht. Gleichzeitig existieren auf Seiten dieser potenziellen Adressat_innen diverse motivationale und kontextbezogene Barrieren, die die Inanspruchnahme hemmen. In diese Lücke zwischen politischem Anspruch und empirischer Wirklichkeit der Weiterbildung(sberatung) soll, wie vorgängig aufgezeigt, Aufsuchende Weiterbildungsberatung stoßen.

II.2.5 Beratungsinhalte und inhaltliche Zielsetzungen Was in Weiterbildungsberatungsgesprächen thematisiert wird, und wie Berater_innen dies gewichten und fokussieren, stellt sich in Studien zu verschiedenen WBB-Formaten unterschiedlich dar. Aus dem Feld der institutionellen (Weiter)Bildungsberatungsarbeit wird eher eine deutliche Fokussierung auf bildungsbezogener Themen berichtet; für das Feld der aufsuchenden (Weiter)Bildungsberatungsarbeit wird eher die Notwendigkeit des Beziehungsaufbaus und der Bearbeitung psychosozialer Themen betont. Im Blick auf die institutionalisierte WBB zeigt Strobel (2010a: 37) in ihrer Studie über eine Bildungs- und Weiterbildungsberatungsstelle in München, dass in den dort durchgeführten Beratungen in erster Linie »klassische Bildungsberatungsthemen wie das Finden einer passenden Weiterbildung, die Planung des beruflichen Werdegangs, die berufliche Neuorientierung und die Schullaufbahnberatung« thematisiert werden. Die befragten Berater_innen betonen die begrenzte Zeit, die sie für eine Beratung zur Verfügung haben. In der Studie von Schiersmann und Remmele geben 54 % der Beratenden als Beratungsziel an, den Ratsuchenden Orientierungs- und Entscheidungshilfe in Bezug auf Weiterbildungsfragen zu geben (vgl. Schiersmann/Remmele 2002: 13). Zwar werden hier auch psychosoziale Aspekte angesprochen, jedoch vorwiegend unter dem Aspekt, dass (in 73 % der Fälle) Fragen nach der »Vereinbarkeit der Lebensumstände mit Weiterbildung« gestellt werden. 87 % der Beratenden an, eine »Hilfe bei der Auswahl konkreter Bildungsmaßnahmen« werde von der Klientel häufig bis sehr häufig gewünscht, 79 % geben an, eine »Anpassung/Erweiterung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten« sei sehr häufig bis häufig gewünscht (vgl. ebd.: 18f). Schiersmann/Remmele folgern: »Dies unterstreicht die bereits in den Experteninterviews gemachte Beobachtung, wonach Beratungsbedarfe sich primär an beruflichen Fragen ausrichten und die Beschäftigungsfähigkeit (›employability‹) durch die Gewinnung ökonomisch verwertbarer

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Qualifikationen auch bei der Beratung im Vordergrund zu stehen scheint« (ebd.: 19). Für den Bereich der eigenständigen Weiterbildungsberatungsstellen, die nicht den Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern oder Unternehmen angegliedert waren, stellen Schiersmann/Remmele fest: hier werden in den Weiterbildungsberatungsgesprächen häufiger Themen angesprochen, die über die eigentliche Weiterbildung hinausgehen, u. a. die materielle Sicherung (90 %), die Kinderbetreuung (71 %) sowie die berufs- und lebensbezogenen Sinnfragen (65 %) (Schiersmann/Remmele 2002: 19). Im Blick auf die aufsuchende Beratungsarbeit wird berichtet, dass nach der Kontaktaufnahme im Regelfall zuerst die Beziehungsarbeit im Vordergrund stehe: »Beziehungsarbeit kommt vor der Beratungsarbeit!« (Fortmann 2012: 51f). Eine längere Phase der Kontaktanbahnung und des unverbindlichen Kennenlernens von Beratenden und potentiell zu Beratenen ist häufig die Voraussetzung dafür, dass Bildungsfragen überhaupt angesprochen werden können: »Häufig zeigt sich in dieser Phase, dass zunächst ganz andere Probleme (z. B. Verschuldung, Sucht, andere psychosoziale Probleme etc.) bearbeitet werden müssen, bevor die Bildungsberatung ansetzen kann. Hier ist zunächst die Vermittlung in angrenzende Beratungsbereiche gefragt« (Fortmann 2012: 52). Ähnlich hatten schon Fröhlich und Mitschka in ihrer Studie zur aufsuchenden Erziehungsberatung in Würzburg, die seit 1979 angeboten wird, resümiert: »Man kann z. T. die Schritte, die dem Vertrauensaufbau dienen und zur Existenzsicherung und später zur Beratung führen, hierarchisch ordnen« (Fröhlich/Mitschka 2004: 214). Bremer/ KleemannGöhring/ Wagner (2014: 77) stellen eine Durchmischung der Beratungsthemen fest: »Die Themen und Anliegen in den Beratungssituationen spielen sich zwischen Lebens- und Weiterbildungsberatung ab«. Neben Weiterbildungsinteressen werden »Alltagsbelastungen, z. T. existenzieller Art: Aufenthalts- und arbeitsrechtliche Fragen, berufliche Orientierung, Umgang mit persönlichen Konflikten, Schuldner_innenberatung, Rechts- und Erziehungsberatung und gesundheitliche Fragen« (ebd.) angesprochen. Die Ergebnisse weisen insgesamt darauf hin, dass Themen, die über eigentliche Fragen der Weiterbildung hinausgehen, bereits Bestandteil der Beratungsinhalte formalisierter Settings sind, und dass deren Anteil mit abnehmendem Organisationsgrad der Beratung steigt. Für den Bereich der AWBB zeigt sich das Eingehen auf personen-, situations- bzw. lebenslagenbezogener psychosozialer Themen mindestens eine wichtige Voraussetzung, um den Beziehungsaufbau zu gestalten und um im weiteren Gesprächsverlauf überhaupt Beratung (d. h. Weiterbildungsberatung oder, je nach Problemlage, eine andere Art von Beratung) initiieren zu können. Der Faktor Zeit ist daher eine entscheidende Ressource der AWBB.

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II.2.6 Beratungsverläufe In der AWBB geht der eigentlichen Beratungsarbeit typischerweise eine längere Phase der Kontaktaufnahme und Gesprächsanbahnung voraus. Beide Phasen sind analytisch gesondert zu betrachten. II.2.6.1 Kontaktaufnahme und Gesprächsanbahnung Was im Fachdiskurs für andere Felder Aufsuchender Beratungsarbeit festgestellt wurde, ist auch für die AWBB in Anschlag zu bringen: Der Initiierung des Erstkontakts zu den Adressat_innen kommt eine herausragende Bedeutung zu. Ein gut gewählter Zugang zu den Adressat_innen und eine passende Art der Ansprache und Beziehungsgestaltung sind entscheidende Bedingungen für das Gelingen Aufsuchender Beratungsarbeit (vgl. Schröder/Schlögl 2014: 24f). Im Bereich von Streetwork, einem Format aufsuchender Sozialarbeit, beobachtete Gillich (2006) drei verschiedene Formen der Kontaktaufnahme zur Zielgruppe: – Defensiv-abwartend: Die professionellen Anbieter_innen verfolgen die Strategie, dass sich pädagogisches Handeln nebenbei aus Gesprächen ergeben soll. Sie schaffen Bedingungen dafür, dass die Zielgruppe sie bei Bedarf ansprechen kann; ihre Strategien sind Abwarten, Signalisieren von Gesprächsbereitschaft, nonverbale Signale, Wahrnehmung verborgener Kontaktwünsche. Hierbei bedarf es einer besonderen Feinfühligkeit, um den richtigen Zeitpunkt für eine Kontaktaufnahme zu erkennen (vgl. Gillich 2006: 60). – Offensiv-direkt: Diese Strategie zeichnet sich durch die direkte Ansprache der Zielgruppe aus. Die professionellen Anbieter_innen gehen unvermittelt auf diese zu, initiieren den Erstkontakt und stellen sich und ihr Anliegen vor (vgl. ebd.: 61). – Indirekt: Die Kontaktaufnahme erfolgt über ein zwischen profesionelle Anbieter und Adrressat_innen geschaltetes drittes Element, etwa ein Medium (z. B. Flyer, Infotafeln) oder eine Brückenpersonen (vgl. aaO.: 62). In der Praxis sind gemäß Gillich häufig gemischte Formen anzutreffen. Insgesamt ist das Unterfangen der Kontaktaufnahme in der aufsuchenden Arbeit eine »[…] Gratwanderung zwischen Sicht-nicht-Aufdrängen und dem Näherbringen konkreter Hilfeangebote […]« (Gillich 2006: 59). Krafeld (2010: 59) betont, dass die Initiierung eines Gesprächs, das potenziell zu einer Beratung führen soll, sei insbesondere dann erfolgsversprechend ist, wenn an persönliche Bezüge angeknüpft werden kann. Lt. Knatz (2009: 106) ist auch die »Chemie« zwischen der beratenden Person und Adressat_in für das

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Gelingen der Beratung von großer Bedeutung: »Eine Beratung kann nur gelingen, wenn eine gute Beziehung die Basis bildet«. Fortmann (2012, 51f) stellt allgemein fest, dass die erste Herausforderung in der Aufsuchenden Weiterbildung darin liegt, geeignete Zugänge zur Zielgruppe zu erarbeiten. Bei der Schaffung von Zugängen zur Zielgruppe können Mittlerpersonen beim eine zentrale Rolle einnehmen; darauf verweisen übereinstimmend Gergeli/Gruber 2014: 223; Bremer et al. 2015: 67 und Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 29. Nicht »nur die Adressat_innen stehen den Bildungsangeboten und deren Anbietern fern, sondern auch die Weiterbildungsinstitutionen den Lebenswelten ihrer Adressat_innen. Um diese Distanz zu überwinden, die sich auf Adressat_innenseite als ein tief verankertes Misstrauen gegenüber institutionalisierter Bildung ausdrückt, bedarf es Menschen, die Vertrauen bei den Adressat_innen genießen und als Brücke fungieren können« Bremer et al. (2015: 67). Bremer und Kleemann-Göhring (2011: 29) kategorisieren solche Mittlerpersonen in »Vertrauenspersonen«, d. h. Menschen, die bereits Kontakt zur Zielgruppe haben, und »Brückenmenschen«, die selbst Teil der Zielgruppe sind. Potenziale des Zugangs über Vertrauenspersonen und Brückenmenschen sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen.

Abbildung 2: Typen von Beziehungsarbeiter_innen nach Bremer/Kleemann-Göhring (2011) (Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 29)

Neben der Kontakt- und Beziehungsarbeit ist die Auseinandersetzung mit dem Umfeld der potenziellen Zielgruppe bedeutsam, um die für die Zielgruppe vor Ort relevanten Themen, Belange, Probleme, Fragen, Anliegen etc. zu kennen und bei der Kontaktaufnahme aufzugreifen (vgl. Schröder/Schlögl 2014: 25). Es geht darum, zwischen den ›Welten‹ der Adressat_innen und der eigenen sowie zwi-

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schen den Welten der Adressat_innen und denen der Institutionen und der Lokalpolitik zu vermitteln. Dabei ist es erforderlich, die Sprachen all dieser ›Welten‹ zu sprechen (vgl. Gillich 2006: 13). II.2.6.2 Beratungsgespräch Gieseke und Stimm (2015) arbeiteten aus Transkripten realer Berufs- und Weiterbildungsberatungsgespräche prototypische Beratungsverläufe herausgearbeitet und elf dialogmusterspezifische und dialogmusterunspezifische kommunikative Teilziele identifiziert, anhand derer Berater_innen die Gespräche strukturiert haben. Dialogmusterspezifische Teilziele beziehen sich auf die Inhalte der Beratung – hier bezogen auf die WBB –, dialogmusterunspezifische Teilziele beziehen sich auf die Interaktion und auf die Beziehung zwischen Beratenen und Beratenden. Folgende dialogmusterspezifische Teilziele werden von Gieseke und Stimm (2015: 233f) identifiziert: – »Abklärung des Beratungsanliegens – Feststellung der individuellen Berufseinstiegsbedingungen und Berufsverläufe – Klärung des bisherigen Engagements – Klärung von Weiterbildungs- und Berufs-(ausbildungs-)vorstellungen, Wünschen und (eigenen) Interessen – Informationsweitergabe zu den Weiterbildungs-, Berufs-(ausbildungs-) und Studienwünschen, ihrer Bedeutung und ihren Inhalten (Alternativen) – Suche nach alternativen Weiterbildungs-, Berufs-(ausbildungs-) und Studienmöglichkeiten – Suche nach Adressen von Weiterbildungs- sowie Arbeitsangeboten und Ausbildungsstätten in verschiedenen institutionellen Kontexten im Wunschgebiet – Anleitung zum Vorgehen bei der Recherche für eine Weiterbildung, eine Arbeitsstelle, ein Praktikum, eine Ausbildung oder ein Studium – Sichtung und Bewertung der Bewerbungsunterlagen sowie Überarbeitungshinweise – Hinweise für die Weiterbildungs-, Berufs-(ausbildungs-) oder StudiumSuche (Vorgehen) – Klärung der weiteren Zusammenarbeit« (Gieseke/Stimm 2015: 234f). Die von ihnen identifizierten dialogmusterunspezifischen Teilziele ordnen Gieseke und Stimm in zwei Kategorien:

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– »Aktivitäten zur Beziehungsausgestaltung durch die Beratenden«, etwa Verstehen, Reagieren im Sinne von Intervenieren, Spiegeln, Interpretieren und Bewerten (Gieseke/Stimm 2015: 236), und – »Aktivitäten zur Erweiterung des kommunikativen Handlungsradius der Ratsuchenden«, etwa die »Eröffnung von Erfahrungsräumen durch die Beratenden und Nutzung der Erfahrungsräume durch die Ratsuchenden« (ebd.) oder die »Anregung zur Selbstexploration/Selbstreflexion der Ratsuchenden durch die Beratenden« (ebd.). Diese herausgearbeiteten Muster und Kategorien verweisen auf zwei grundlegende Kompetenzanforderungen an die Beratenden: Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung und Wissen über Feld der Weiterbildung. II.2.6.3 Prozesssteuerung Bei Aufsuchenden Beratungen ist aufgrund der Geh-Struktur des Formats der Prozess nicht in einem vergleichbaren Maß steuerbar wie bei Beratungen mit Komm-Struktur. Im institutionellen Bereich sind Beratungserfolge »[…] bereits über die Gestaltung des Settings steuerbar« (Zwicker-Pelzer 2015: 139); im aufsuchenden Bereich entfällt diese Steuerungsmöglichkeit, was die Beratung für die Beratenden schwieriger macht. Die Beratenden haben weniger Einfluss auf die Gestaltung der Gesprächssituation und des Gesprächsverlaufs, z. B. auf die Art und Weise des Sitzens, auf Störungen wie Nebengeräusche, Gerüche, Unordnung etc. oder auf die Vermeidung von Unterbrechungen etc. (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 89). Darüber hinaus ist bei Aufsuchenden Beratungen auch offen, ob das Gespräch sich überhaupt in Richtung auf ein Beratungsgespräch hin steuern lassen wird und, wenn ja, mit welchen Inhalten. Beides hängt von den vorab nicht bekannten, erst zu explorierenden Interessen und Bedarfen der Adressat_innen ab. Dagegen sind bei der institutionellen WBB Gesprächsanlass, Gesprächsthema und Gesprächs-Setting von der Anbieter-Innenseite her vordefiniert, und die Adressat_innen haben den vorgegeben Angebotselemente mit ihrem Kommen in die Beratungsstelle schon implizit zugestimmt – all dies ist im Fall aufsuchen der Beratungen erst anzubahnen und auszuhandeln. Das steigert in der AWBB Ungewissheiten über zu erwartende Gesprächsverläufe und Unsicherheiten auf Seiten der Beratenden. Ungewissheit und Unsicherheit sind generelle Merkmale klientenbezogener Dienstleistungen wie Beratung, wie man professionssoziologischen Diskursen entnehmen kann. Diese haben wir in den von uns rezipierten Studien nicht aufgenommen gefunden, möchten aber unsererseits darauf verweisen: Professionelles Interaktions- bzw. Beziehungshandeln bei klientenbezogenen Dienstleistungen ist grundsätzlich nicht standardisierbar und ist daher immer

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»Handeln unter Ungewissheit« (vgl. Overbeck 1999, Helsper et al. 2003, zit. nach Hechler 2005: 298): ein Großteil der Arbeit besteht aus Interaktionsprozessen, und darauf haben die professionell Handelnden zu maximal 50 % Einfluss. Unsicherheit bzw. Ungewissheit auf Seiten von klientenbezogenen Dienstleistern verweist also auf in ein mit den »Ungewissheitsstrukturen« der Arbeit gegebenes »Ungewissheitsdilemma« (Rabe-Kleberg 1996: 293), und nicht auf persönliche Defizite (etwa an Fachkompetenz oder an Ich-Stärke etc.). Die professionelle Kompetenzanforderung ist nicht, die Ungewissheit zu überwinden, sondern sie als realitätsadäquat anzuerkennen und reflexiv mit ihr umzugehen. Professionell Handelnde müssen nach Marquard (1981) eine »Inkompensationskompensationskompetenz« ausbilden resp. nach Baur (2008) lernen, die Ungewissheit des Beziehungshandelns zu einer »gewissen Ungewissheit« fortzuentwickeln. D. h., sie müssen eine ausreichende Gewissheit entwickeln, dass sie gemeinsam mit ihren Klient_innen das prinzipiell uneindeutige und ungewisse Interaktionsgeschehen produktiv gestalten können. Im Fall aufsuchender Beratungstätigkeiten wie der AWBB sind gegenüber anderen Beratungsformaten die Prozesssteuerungsmöglichkeiten der Beratenden reduziert und die Anforderungen an die Bewältigung des professionellen »Ungewissheitsdilemmas« (nach Raabe-Kleeberg 1996) gesteigert.

II.2.7 Zufriedenheiten mit Weiterbildung(sberatung) Zufriedenheit der Ratsuchenden mit der Beratung ist eine der am häufigsten erhobenen Effekte von Beratungsdienstleistungen. Erkenntnisse darüber, womit die Beratenen zufrieden sind, können außerdem als Indikatoren der Erfolgsfaktoren der Beratung angesehen werden. Die schon mehrfach zitierte Studie von Strobel (2010a/b), die im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitung einer Münchner Beratungsstelle durchgeführt wurde, erhob die Zufriedenheit der Ratsuchenden auf drei Ebenen: Zufriedenheit mit der Weiterbildungsberatung allgemein, Zufriedenheit mit der Kompetenz der Beratenden sowie Zufriedenheit mit dem Beratungsergebnis. Die Ergebnisse dieser Zufriedenheitsbefragung sind nachfolgender Grafik zu entnehmen. Diese Ergebnisse belegen eine hohe Zufriedenheit mit der Arbeit der evaluierten Beratungsstelle. Ergänzend zur quantitativen Zufriedenheitsabfrage führte Strobel vertiefende Gruppeninterviews, die qualitativ ausgewertet werden konnten und Anhaltspunkte dafür geben, wodurch die Zufriedenheit ausgelöst wurde, d. h. welche Faktoren als Prädiktoren für die Zufriedenheit mit bzw. für den Erfolg der Weiterbildungsberatung genannt wurden.

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Abbildung 3: Studienergebnisse zur Zufriedenheit mit einer Beratungsstelle nach Strobel (Strobel 2010a: 37)

Die Beratenen nannten als ausschlaggebend für ihre Zufriedenheit mit der Weiterbildungsberatung: – Unterstützung der Ratsuchenden durch die Beratenden mit viel Fachwissen und Ideen; – Zeit und Möglichkeit zu spezifischer und persönlicher Beratung. Die Beratenden nannten als Indikatoren für eine gelingende Beratung: – Zeitintensität der Beratung; – Kompetenz und Fachwissen der Beratenden inkl. ihrer guten Kontakte, anhand derer sie Ratsuchende gezielt an weitere Stellen verweisen können (vgl. Strobel 2010a: 37 und Strobel 2010b: 276). »Nur die Zufriedenheit mit dem Beratungsergebnis ist nicht ganz so hoch, wie bei den anderen beiden Aspekten. In den Gruppendiskussionen fanden sich als Begründungen für dieses Ergebnis, dass dafür nicht der Beratungsprozess verantwortlich ist, sondern häufig subjektiv erhoffte Möglichkeiten in der Realität nicht umzusetzen waren« (Strobel 2010b: 276). Auch der Adult Education Survey erfragt die Zufriedenheit mit der erhaltenen Beratung: Im Ergebnis wurden vier von fünf der Weiterbildungsberatungsstellen positiv bewertet. 42 % erhielten das Urteil »sehr zufrieden« und 39 % das Prädikat »eher zufrieden« (vgl. BMBF 2015: 53).

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Die Zufriedenheitsraten der Teilnehmenden an Weiterbildungsberatungsangeboten sind insgesamt sehr hoch; dies gilt in höherem Maße für die Zufriedenheit mit der Beratung und mit der Kompetenz der Beratenden als für die Beratungsergebnisse. Prädiktoren für Zufriedenheit bzw. Effektivität der Beratung sind: Freiwilligkeit der Teilnahme an der Beratung, Kompetenz und Fachwissen der Beratenden, persönliche und zeitintensive Zuwendung durch die Beratenden. Diese Faktoren können als Erfolgsfaktoren interpretiert werden.

II.2.8 Spezifische Anforderungen an Aufsuchende Weiterbildungsberatende II.2.8.1 Kompetenz- und Qualifikationsanforderungen Für die AWBB bedarf es, wie sich bereits andeutete, spezifischer Kompetenzen aufseiten der Beratenden; es liegen in den wenigen spezifisch auf die AWBB bezogenen wissenschaftlichen Arbeiten aber kaum Ausführungen dazu vor. Lediglich Bremer et al. haben 14 Expert_innen aus verschiedenen, u. a. auch offenen oder mobilen Feldern der WBB interviewt und nach ihrer Einschätzung der für die Beratung bildungsferner Zielgruppen (nicht nur in aufsuchenden Formaten!) gefragt. Genannt wurden: – »›Milieukompetenz‹ als Kenntnis der subjektiven Lebenswirklichkeiten der Adressat_innen (bspw. Begegnen auf Augenhöhe, offene Haltung, Wertschätzung anstatt defizitärer Betrachtungsweise) – Interkulturelle Kompetenz – Individuelle Beratungskompetenz (bspw. bedarfs-und alltagsorientiertes Arbeiten; Offenheit für Anliegen: nicht wegen anderer Zuständigkeiten abweisen) – Professionalität (bspw. im Sinne der Abgrenzung, weil zumeist ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut wird, in welchem auch existenzielle Problemlagen artikuliert werden« (Bremer et al. 2014: 85). Die itb-/KiLAG-Evaluationsstudie wird die bislang spärlichen Materiallage durch eigene empirische Untersuchungsdaten ergänzen (! Kapitel III.2). Hier im Literaturreview kann vorerst nur auf Ausführungen zurückgegriffen werden, die sich auf herkömmliche Weiterbildungsberatungsformate beziehen. Einigkeit besteht bei den Autorinnen und Autoren darüber, dass die Kompetenzen der Beratenden wichtige Erfolgsfaktoren für die Zielerreichung der WBB sind (vgl. exemplarisch Strauch 2010: 27). Die Frage, welche Kompetenzen erforderlich sind, wird hingegen heterogen beantwortet. »Es gibt […] kein klares Kompetenz- oder Berufsprofil des Weiterbildungsberaters, sondern eher

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disparate Aufzählungen von Kompetenzen in immer längeren Katalogen, die als wichtig erachtet werden« (Döring 2012: 10). Pointiert stellt Schiersmann das Kompetenzprofil für Weiterbildungsberatende heraus: »Berater benötigen die Kompetenz, die Lebenssituation der Ratsuchenden, ihr Wissen und Können und ihre Einstellungen sowie Lern- und Lebensbedingungen angemessen wahrzunehmen und im Beratungsprozess zu berücksichtigen und vor diesem Hintergrund personenspezifische Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten sowie Begrenzungen des Ratsuchenden ausloten zu können. Dazu ist u. a. Wissen über Bildungsbiographien und Lebenslaufgestaltung erforderlich, über Lernprozesse, berufliche Entwicklungspfade, Formen der privaten Lebensgestaltung, Persönlichkeitstheorien sowie zielgruppenspezifische Unterschiede in Bezug auf die genannten Faktoren oder soziale Netzwerke. Ebenso bringt sich der Berater als Person mit seiner individuellen Biografie und seinen spezifischen Einstellungen und seinen persönlichen Erfahrungen in das Beratungsgeschehen ein. Um professionell handeln zu können, ist neben den methodischen und fachlichen Kompetenzen ein hohes Maß an Reflexionskompetenz auf Seiten des Beraters erforderlich. Dies schließt die Bereitschaft zu kontinuierlicher Weiterentwicklung – sei es durch (kollegiale) Supervision, sei es durch informelle oder formale Fortbildungskontexte – ein« (Schiersmann 2010: 35).

Darüber hinaus hält Schiersmann es für erforderlich, dass die Beratenden organisationale und gesellschaftlichen Kontexte der Beratung im Sinne von Vorgaben und Rahmenbedingungen berücksichtigen (vgl. ebd.: 35f). Denn bildungs- und berufsbezogene Entscheidungen sind nicht lediglich an die individuellen Persönlichkeiten und an die individuelle Lebenssituation der Beratenen, sondern auch an organisationale und gesellschaftliche Kontexte gebunden (vgl. Schiersmann 2011b: 433). Benötigt werden bspw. Kenntnisse über rechtliche, finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen der Weiterbildung, über Institutionsprofile von Weiterbildungseinrichtungen, über die Qualitätsdebatte etc. (vgl. Schiersmann 2000: 26). Aber auch arbeitsmarktbezogenes Wissen, z. B. Kenntnisse über aktuelle Qualifikationsanforderungen, sind für die Weiterbildungsberatung relevant. Letztlich ist es auch von Bedeutung, stabile Rahmenbedingungen für den Beratungsprozess selbst zu sichern sowie eine motivierende Umgebung für den zu Beratenden zu schaffen (vgl. Schiersmann 2011b: 432f). Das von Schiersmann erarbeitete Kompetenzmodell wird nachstehend abgebildet. Unter die hier unterschiedenen Ebenen der Ratsuchenden, der Beratenden, der Organisation sowie der Gesellschaft können auch andere in der Literatur benannte Kompetenzanforderungen an Weiterbildungsberatenden subsumiert werden: Zwicker-Pelzer sieht eine Kompetenzanforderung darin, den Blick auf die Ressourcen zu legen, welche die Adressat_innen im Rahmen ihrer Alltagsbe-

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Abbildung 4: Kompetenzanforderungen an Weiterbildungsberatende nach Schiersmann (Schiersmann 2009: 104)

wältigung nutzen (Ressourcenorientierung). Zudem betont sie erneut die Relevanz der Ansprache auf Augenhöhe für eine gelingende Aufsuchende Beratungsarbeit: Eine lebenswelt- und alltagsnahe Bezugnahme (Lebensweltorientierung) seien zentral (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 97). Die Beratenden sollten eine Haltung der Offenheit und Neugier für die Menschen, ihre Räume, der Atmosphäre darin, ihre Kultur und Sprache einnehmen (vgl. ebd.). Kraft (2011: 415) fordert neben handwerklich-methodischen Beratungskompetenzen (Methodik der Gesprächsführung und des Konfliktmanagements, Wissen über interaktive und gruppendynamische Prozesse, Moderationstechniken) Kompetenzen zur Selbstreflexion (vgl. zur »interaktiven Kompetenz« auch Schiersmann 2000: 25). Schiersmann und Remmele befragten 1.377 Beratende. Von diesen nannten fast alle soziale Kompetenzen; darunter erhielten die häufigsten Nennungen: Kommunikations- bzw. Gesprächsführungskompetenz (97 %) sowie Einfühlungs- und Wahrnehmungsvermögen (96 %). Weiterbildungsbezogene Fachkompetenzen wie Kenntnis des Weiterbildungsmarkts (90 %) und ein breites Wissens- und Erfahrungsspektrum (89 %) folgen in der Häufigkeit der Nennungen dicht darauf (vgl. Schiersmann/Remmele 2002: 21f). »Bezüglich der Frage, inwiefern explizit ›Kenntnisse über Beratungsmethoden und -konzepte‹ als wichtig erachtet werden, differenziert sich das Bild etwas: 74 % der Berater_innen eigenständiger Weiterbildungsberatungsstellen, aber nur 52 % der Industrie- und Handelskammern, 54 % der Handwerkskammern und 54 % der

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Fachbereichsleiter_innen der Weiterbildungseinrichtungen messen einem profunden Methodenwissen eine wichtige Bedeutung bei.« (ebd.: 22). Bei Bremer, Wagner und Kleemann-Göhring (2014: 78) gaben 31 befragten Kursleiter_innen »häufig« (ohne Bezifferung) an, Fortbildungen zu psychologischer Beratung, rechtlichen Inhalten und Bildungsberatung wären hilfreich Die 14 befragten Expert_innen gaben an, Milieukompetenz, interkulturelle Kompetenz, professionelle Abgrenzungskompetenz, aber auch individuelle Beratungskompetenz zur Bearbeitung bedarfs- und alltagsorientierter Anliegen sei erforderlich – Letztere solle man »nicht wegen anderer Zuständigkeiten abweisen« müssen (ebd.: 85). Neben derartigen normativen Forderungen wurde in einigen Studien deskriptiv erhoben, welche Qualifikationsprofile Personen, in der Weiterbildungsberatung tätig sind, aktuell tatsächlich aufweisen. Lt. Schiersmann/Remmele (2002: 23) hatten unabhängigen Weiterbildungsberatungsstellen nahezu die Hälfte der Berater_innen eine berufliche Grundqualifikation im Bereich Pädagogik oder Sozialpädagogik (49 %); in Weiterbildungsberatungsstellen der Industrie- und Handelskammern lag der Anteil der pädagogisch oder sozialpädagogisch qualifizierten Berater_innen nur bei 23 %; dort waren überwiegend Berater_innen mit beruflichen Grundqualifikationen aus den Bereichen Wirtschaft und Technik vertreten. Dies lässt den Rückschluss zu: Offenbar wird in den Industrie-, Handels- sowie in den Handwerkskammern die Vermittlung von arbeitsweltbezogenen Informationen als wichtigste Kompetenz in der Weiterbildungsberatung gesehen, während unabhängige Beratungsstellen anscheinend Kompetenzen zum Beziehungsaufbau und zur Aufnahme nicht-arbeitsweltbezogener, psychosozialer Themen für wichtig halten. Laut Bremer, Wagner und Kleemann-Göhring (2014: 78) werden »Kompetenzen für die Beratungspraxis […] selten über spezifische Qualifikationen erlangt«. Ihrer Studie stellt fest, dass WBB oft zwischen Tür und Angel, ad hoc und en passent von Kursleiter_innen in Weiterbildungseinrichtungen geleistet wird, ohne dass dafür ein definierter Auftrag, eine Honorierung oder ein Zeitbudget, geschweige denn eine für die Beratung qualifizierende Ausbildung vorliegt. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die Einschätzungen von Weiterbildungsberater_innen und anderen Fachleuten darüber, welche Kompetenzen in der WBB gebraucht werden, gehen weit auseinander. In der Literatur finden sich verschiedene disparate und eher zufällig wirkende Aufzählungen von Kompetenzen. Unstrittig ist, dass zur Gesprächsführung kommunikative- und Sozialkompetenzen erforderlich sind, ebenso Feldkenntnis und Fachwissen bezüglich des Weiterbildungsmarktes. Zum Teil werden Milieukompetenz und interkulturell Kompetenzen als erforderlich benannt. Abweichende Einschätzungen bestehen darüber, ob Methodenwissen über Beratungsverfahren bzw. Kompetenzen zur Beratung Lebensfragen bzw. in psychosozialen Problemlagen erfor-

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derlich sind. Die Kompetenzanforderungen an Weiterbildungsberatende werden also schon für herkömmliche Settings als durchaus breit angesehen. Dass für das spezifische Format der AWBB aufgrund der erhöhten Komplexität der Gesprächssituation noch zusätzliche beraterischen Kompetenzen erforderlich sind, wird hier noch gezeigt werden (! Kapitel III.2.8). Die tatsächlich vorhandenen Qualifikationsprofile von Weiterbildungsberater_innen sind gegenwärtig sehr unterschiedlich. In Weiterbildungsberatungsstellen der Industrie- und Handelskammern werden überwiegend Berater_innen mit Grundqualifikationen aus den Bereichen Technik und Wirtschaft eingesetzt; nur 23 % der Berater_innen haben pädagogische bzw. sozialpädagogische Ausbildungen; in Beratungsstellen anderer Träger_innen haben 59 % der Berater_innen pädagogische bzw. sozialpädagogische Grundqualifikationen. II.2.8.2 Anforderungen an die Rollengestaltung Die Abkehr von der Komm- zur Geh-Struktur verändert die Arbeitsbedingungen und die Rolle der Beratenden stark. »Bewährte formalisierte Rahmenbedingungen, darunter zum Beispiel sichernde Beratungsrituale, ein festes Setting und/oder professionelle Distanz zwischen den Akteur_innen, werden dahingehend verunmöglicht. Andererseits bedeutet es auch einen Gewinn, sich im Sinne einer System-Umwelt-Beziehung unvoreingenommen auf die jeweilige Situation einzulassen, ohne ein vorgefertigtes Pauschalangebot abzuspielen, das einer immer gleichen Logik und starren Struktur folgt« (Tillmanns 2015: 125). Als besondere Merkmale der aufsuchenden Beratung, die Anforderungen an die Rollengestaltung der Beratenden verändern, werden in der Literatur benannt: – Machtreduktion: Durch das Aufgesucht-Werden (insbesondere bei der inhome-Beratung), genießt die beratene Person einen Heimvorteil, der die Machtverhältnisse in der Beratung verschiebt (Wirth 2011: 326): »Der Heimvorteil beruht auf der vertrauten Umgebung, der prinzipiellen Option, die Sozialarbeiterin nicht ›über die Schwelle‹ zu lassen beziehungsweise sie zum Gehen aufzufordern, und der Möglichkeit, die Rahmenbedingungen […] nach eigenem Ermessen zu gestalten« (Reiner et al. 2005: 238). Zudem hat das Aufgesucht-Werden den Vorteil, dass die Aufgesuchten ein erhöhtes Interesse der Beratenden erleben werden und sie sich dadurch wertgeschätzt fühlen (»Da macht sich jemand die Mühe und kommt zu mir«) (vgl. Lüngen 2010: 15). – Rollenumkehrung: Bei Aufsuchenden (Weiterbildungs-)Beratungen sind die Beratenden in der Rolle des Gastes und nicht (wie bei der institutionellen Beratung) des Gastgebers oder der Gastgeberin. Dadurch verschieben sich die Rollen im Beratungsgespräch; manche sinnvollen Interventionen werden

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gehemmt: »Konfrontierende Interventionen, auf Vereinbarungen drängen, lange ablenkende Gesprächsteile des Klienten zu unterbrechen, werden unter dem Gastaspekt möglicherweise abgebremst« (Zwicker-Pelzer 2010: 90). Dies ist nicht nur für die Beratenden eine Herausforderung. Die Adressat_innen erhalten durch die Rolle des Gastgebenden zwar mehr Spielraum, das kann aber gleichzeitig auch zu einer Rollenverwirrung führen, da sie sich in der Doppelrolle von Gastgebenden und Hilfesuchenden befinden (vgl. Bräutigam et al. 2011: 25). Umgang mit Nähe und Distanz: Beratende stehen vor der Herausforderung, sich auf die Ordnungen der Adressat_innen einzulassen, in unmittelbarer Nähe zu ihnen und ihrer Hygiene, Ernährung, Art des Fernsehkonsums, Art zu reden, seltsam anmutenden Wertvorstellungen etc. zu arbeiten und gleichzeitig innere Distanz zu halten (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 90). Die Adressat_innen schätzen den Aufwand des Aufsuchens zwar und deuten dies als erhöhtes Interesse. Aber es besteht, so Bräutigam und Kolleg_innen, die Gefahr, in diesem Setting die professionelle Distanz zu verlieren (vgl. Bräutigam et al. 2011: 25). Doppeltes Mandat: Die Hilfe- und Kontrollfunktion Sozialer Arbeit ist in der Geh-Struktur schwieriger zu gestalten als in der Komm-Struktur. Es wird empfohlen, offen mit dieser Thematik und der Skepsis der aufgesuchten Adressat_innen gegenüber der Kontrollfunktion umzugehen (vgl. Bräutigam et al. 2011: 26). Allmacht und Ohnmacht: Die besondere Position, die durch das Aufsuchen gegenüber den Adressat_innen eingenommen wird, kann zu Allmachts- und Ohnmachtsgefühlen führen. Aufsuchende Berater_innen können das Selbstbild entwickeln, dass sie die Einzigen sind, die die Adressat_innen und deren Probleme wirklich kennen, oder dass sie das einzige Bindeglied zum Hilfesystem sind, was gelegentlich als belastend und nicht veränderbar wahrgenommen wird (vgl. Bräutigam et al. 2011: 27). Kompetenzdarstellungskompetenz: Im aufsuchenden Setting ist es für die Beratenden schwieriger, ihre Kompetenzen gegenüber den Adressat_innen zu präsentieren. Während im institutionellen Umfeld die Räumlichkeiten, das Inventar etc. den Status und die Kompetenz der Beratenden transportieren, entfällt dies in der Beratung im offenen Feld. Die Beratenden müssen hier also stärker als sonst ihre Kompetenz zur Darstellung bringen (vgl. Lüngen 2010: 48). Selbstreflexive Ethik- und Moralvorstellungen: Professionelle sind gefordert, sich von ihren innerlichen Norm- und Moralvorstellungen zu distanzieren, um den Adressat_innen in ihrem gewohnten Lebensumfeld wertschätzend und offen gegenüberzutreten. Gleichzeitig müssen die Professionellen auf diese ethischen und moralischen Wissensbestände zu-

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Teil II: Stand des Fachdiskurses

rückgreifen, um professionelle Einschätzungen abgeben zu können (vgl. Bräutigam et al. 2011: 26f). Diese besonderen Anforderungen gilt es zu reflektieren und über geeignete Weiterbildungen die erforderliche Qualifizierung der Berater_innen anzustreben.

II.2.9 Ergebnisse der Inanspruchnahme von Weiterbildungsberatung Die Wirkungen und Effekte von Weiterbildungsberatung zu messen, ist nicht ohne weiteres möglich, da es keine klaren Indikatoren für den Erfolg gibt. »Eine wirksame Beratung hängt stark von subjektiven Wahrnehmungen der Ratsuchenden und ihren individuellen Voraussetzungen ab. Beratung ist darüber hinaus fast immer eine einmalige Interaktion, deren Nachverfolgung von den Beratungsstellen meist aus Ressourcengründen nicht erfolgen kann« (Strobel 2010a: 36). Strobel (2010a/b) hat im Rahmen ihrer bereits zitierten Evaluation der Bildungs- und Weiterbildungsberatungsstelle in München in telefonischen Befragungen, die den Beratungsgesprächen zeitlich nachgelagert waren, Wirkungen und Effekte der erlebten Beratung erhoben. Die Umsetzung von Aspekten der Beratung »gelang insbesondere deswegen, weil die Beratung – nach Auskunft der Ratsuchenden – bei diesen eine Motivationssteigerung auslöste, ihren weiteren Bildungsweg zu planen und zu gestalten« (Strobel 2010a: 37). Ohne exakte Zahlenangabe ist in der Studie vermerkt, dass nur wenige Befragte angeben, dass die Beratung als nicht zielführend erlebt wurde. Als Hindernisse für die Umsetzung der Beratungsergebnisse wurden angegeben: zu großer Zeitaufwand, zu hohe Kosten, Veränderungen der eigenen Lebensverhältnisse oder der eigenen beruflichen Verhältnisse (vgl. Strobel 2010b: 277). Käpplinger berichtet von Auswirkungen von Bildungsberatung in folgenden Bereichen: – Verbesserung der Motivation und Veränderung der Einstellung, insbesondere des Selbstvertrauens; – Erhöhung der Bildungsbeteiligung sowie die – (Re-)Integration in Arbeit (vgl. Käpplinger 2010: 34) Darüber hinaus weisen eine Reihe von Studien positive Effekte im Sinne eines zunehmenden Selbstvertrauens aus (vgl. ebd.), sodass durch die Bildungsberatungen auch psychosoziale Effekte erzielt werden. Ohne Ausweisung konkreter Zahlen wird aufgezeigt, bei Erwachsenen werde durch die freiwillige Teilnahme an einer Weiterbildungsberatung die Wahr-

Erfassung wissenschaftlicher Erkenntnisstände

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scheinlichkeit erhöht, dass sie auch an Weiterbildung und Fortbildung teilnehmen. Die Evidenz dieser Hypothese wurde in quasi-experimentellen Untersuchungen erforscht (vgl. Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 170) und gilt damit als belastbar. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass Wirkungen der Weiterbildungsberatung, insbesondere die Wirkungen auf harte Indikatoren wie die Inanspruchnahme von Weiterbildungsangeboten oder die Reintegration in den Arbeitsmarkt, tendenziell erst mit zeitlicher Verzögerung eintreten. Dies ist u. a. darin begründet, dass sich Erträge von Bildungsbeteiligung kaum kurzfristig zeigen können (vgl. Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 171). Inwiefern sich die Effekte von Weiterbildungsberatung auf die Aufsuchende Weiterbildungsberatung übertragen lassen, bleibt empirisch ungeklärt. Insgesamt aber zeigen die Studien: Weiterbildungsberatung ist hoch effektiv. Sie steigert in vielen Fällen die Motivation zur Teilnahme an Weiterbildung, die tatsächliche Teilnahme an Weiterbildungen und kann letztlich auch die Reintegration ins Erwerbsleben fördern.

II.2.10 Erfolgsfaktoren in der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung Aus den vorstehenden Kapiteln wurden schon verschiedene Erfolgsfaktoren der WBB abgeleitet, u. a.: – die Kompetenz und die persönliche und zeitintensive Zuwendung der Berater_innen – Freiwilligkeit der Teilnahme – didaktische Förderung der Eigenaktivität der Beratenen Der Erfolg der Weiterbildungsberatung hängt jedoch nur zum Teil von solchen beratungsimmanenten Faktoren ab, sondern in hohem Maße von der strukturellen Vernetzung des Beratungsangebots und der persönlichen Vernetzung der Berater_innen im Sozialraum. Darauf verweisen die Beiträge von Grieger (2005), Kraft (2011: 412) sowie Schröder/Schlögl (2014: 45). »Kooperation und Vernetzung sind aufgrund und in Hinblick auf die unterschiedlichen Interessen und Einflüsse auf die Beratung sowie deren Erfolg insbesondere für die Weiterbildungsberatung essentiell« (Schröder/Schlögl 2014: 45). Aufsuchende Arbeit hat insgesamt eine vernetzende und koordinierende Funktion im Hilfesystem (vgl. Simon 2006: 32). Grieger fordert eine enge Zusammenarbeit mit Fachkräften aus anderen Einrichtungen (vgl. Grieger 2005: 42), Walter den Ausbau eines Netzwerks aus Multiplikator_innen (vgl. Walter 2014: 221), Kraft insbesondere die Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen (vgl. Kraft 2011: 412). Diese Einschätzungen weisen auf eine generelle Entwicklung hin, der zufolge Hilfe

94

Teil II: Stand des Fachdiskurses

»immer stärker sozialraumorientiert auszurichten sein« (Gillich 2006: 13) wird, da Probleme Sozialraumbezug haben (vgl. ebd.).

II.3

Zwischenfazit: Zusammenfassung wissenschaftlicher Erkenntnisstände. Folgerungen für die AWBB

Bildungspolitischer Kontext und Zielstellung der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung Weiterbildungsberatung geschieht im strategischen Rahmen der Lifelong-Guidance-Politik der Europäischen Union zur Förderung lebenslangen Lernens. In wissensbasierten Gesellschaften sind einerseits die Prosperität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und andererseits die sozioökonomischen Teilhabechancen der Einzelnen abhängig von der Entfaltung von Bildungs- und Weiterbildungspotenzialen. Durch Lernen in Weiterbildungen können bisher erwerbslose Menschen in den Arbeitsmarkt integriert, kann die Beschäftigungsfähigkeit erwerbstätiger Menschen erhalten und können Leistungspotenziale und Karrierechancen verbessert werden. Daher besteht ein nationales und internationales politisches Interesse daran, die Beteiligung an Weiterbildung zu erhöhen. Darauf zielt Weiterbildungsberatung strategisch ab. Weiterbildungsberatung findet in der Regel in institutionalisierten Kontexten (Beratungsstellen mit Komm-Struktur) statt. Demgegenüber zeichnet sich Aufsuchende Weiterbildungsberatung formal dadurch aus, dass die Komm-Struktur institutioneller Weiterbildungsberatung durch eine Geh-Struktur ersetzt wird: Adressat_innen der Beratung werden unter Nutzung informeller Zugänge aktiv in ihren sozialräumlichen Kontexten aufgesucht. Strategisch zeichnet sich Aufsuchende Weiterbildungsberatung dadurch aus, dass sie i. S. der Inklusion bildungsferne Zielgruppen adressiert, die von institutioneller Weiterbildungsberatung kaum erreicht werden. Mit der institutionellen Weiterbildungsberatung teilt sie das Ziel, die lebenslange Bildungsbeteiligung in der Gesellschaft zu verbessern. Darüber hinaus liegt ihr besonderer Akzent in der emanzipatorischen Ausrichtung auf mehr Bildungsgerechtigkeit.

Fachwissenschaftlicher Erkenntnisstand (Vorbefunde) Vorliegende Studien zum Feld der institutionellen Weiterbildungsberatung (WBB) haben gezeigt:

Zwischenfazit

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– WBB kann die gewünschten bildungspolitischen Effekte erzielen. Sie steigert in vielen Fällen die Motivation, den weiteren Bildungsweg »zu planen und zu gestalten« (Strobel 2010a: 37), die Motivation zur Teilnahme an Weiterbildung sowie die tatsächliche Teilnahme an Weiterbildungen und kann letztlich auch die Reintegration ins Erwerbsleben fördern; darüber hinaus steigt bei den Beratenen oft auch das Selbstvertrauen (vgl. Käpplinger 2010: 34). Die Teilnahme an einer WBB erhöht die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an einer WB (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 170). Lt. Bischof et al. (2012: 263) kann gut die Hälfte der Beratenen »[…] bereits vor bzw. aufgrund der Beratung« ein konkretes Weiterbildungsziel formulieren, das i. d. R. durch eine Ausbildung erreicht werden soll. – WBB erreicht hohe Zufriedenheitsraten bei Teilnehmenden. Die Zufriedenheit der Beratenen mit der WBB ist hoch; das gilt in etwas höherem Maße für die Zufriedenheit mit der Beratung allgemein (74,5 % sehr zufrieden; 23,7 % zufrieden) und mit der Kompetenz der Beratenden (78,3 % sehr zufrieden; 20,4 % zufrieden) als für die Beratungsergebnisse (50,4 % sehr zufrieden; 43,4 % eher zufrieden) (vgl. Strobel 2010 a: 37). – Die Anliegen der Beratenen gehen über berufs- und bildungsbezogene Themen hinaus. Laut Schiersmann/Remmele 2002: 18f, Strobel 2010a: 37 und Bischof et al.: 263 richten sich Beratungsbedarfe der Beratenen überwiegend auf Fragen der beruflichen Bildung und der Berufswegeplanung, wobei das Anliegen der Beschäftigungsfähigkeit bzw. »employability« im Vordergrund steht (Schiersmann/Remmele 2002: 19). Jedoch gilt schon für die institutionelle WBB: Bevor die Beratung auf berufs(-bildungs-)bezogene Themen fokussiert werden kann, bringen Beratene oft andere, lebenslagenbezogene Themen ein, oder beide Themenbereiche werden miteinander verknüpft (Fröhlich/Mitschka 2004: 214; Bremer et al. 2014: 77; Schiersmann/Remmele 2002: 19). Mit abnehmendem Institutionalisierungsgrad der WBB steigt der Anteil der psychosozialen, person-, situations- und lebensweltbezogenen Beratungsinhalte, d. h. diese sind in WBB-Gesprächen unabhängiger Beratungsstellen stärker vertreten als in Beratungsstellen, die Industrie und Handels- oder Handwerkskammern oder Unternehmen angegliedert sind (Schiersmann/Remmele 2002, 19). – »Beziehungsarbeit kommt vor der Beratungsarbeit« (Fortmann 2012: 51f). Für einen erfolgreichen Verlauf der WBB ist der Aufbau einer Vertrauensbeziehung zur beratenden Person Voraussetzung (aaO.). – Erfolgsfaktoren der WBB sind die Kompetenz und die Zuwendung der Berater_innen. Prädiktoren für Zufriedenheit bzw. Effektivität der Beratung sind: Freiwilligkeit der Teilnahme an der Beratung, Kompetenz und Fachwissen der Be-

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Teil II: Stand des Fachdiskurses

ratenden, persönliche und zeitintensive Zuwendung durch die Beratenden. Diese Faktoren können als Erfolgsfaktoren interpretiert werden (vgl. Strobel 2010a: 37 und Strobel 2010b: 276). – Unterschiedliche WBB-Konzepte und Typologien kommen auf zwei gemeinsame Nenner, die als weitere Erfolgsfaktoren gelten können: didaktische Förderung von Eigenaktivität und strukturelle Vernetzung mit Stakeholdern im Feld. WBB wird theoretisch als breit gefächertes Spektrum von Beratungsdienstleistungen konzipiert: als informativ, situativ oder biografieorientiert (Gieseke/Opelt 2004) oder auch als Orientierungsberatung, Kompetenzentwicklungsberatung oder Lernberatung (Schiersmann 2011a), als pädagogische Beratung oder als auf Institutionen bezogene Organisationsentwicklungsberatung (Gieseke 2000). Allen diversifizierten Konzepte sind zwei Kernelemente für den Erfolg gemeinsam: didaktisch eine Förderung der Selbstbestimmung und Eigenaktivität der zu beratenden Bildungsinteressierten (exemplarisch Schiersmann 2011b: 423; Kraft 2011: 413; vgl. im einzelnen ! Kapitel II.2.2 und strukturell eine breite Vernetzung der WBB mit anderen relevanten Stakeholdern im Feld: mit den Arbeitsagenturen, Weiterbildungsanbieter_innen und mit anderen Beratungsanbieter_innen (Grieger 2005: 42; Kraft 2011: 412; Schröder/Schlögl 2014: 45; Walter 2014: 221; vgl. a. Bremer et al. 2015: 26). – Welche Kompetenzanforderungen WBB an die Beratenden stellt, wird unterschiedlich eingeschätzt. Abweichende Einschätzungen bestehen vor allem darüber, ob für die WBB (sozial-)pädagogische Grundqualifikationen, Methodenwissen über Beratungsverfahren und Kompetenzen für die Lebensberatung erforderlich sind (Döring 2012: 10; vgl. zu unterschiedlich eingeschätzten Anforderungsprofilen im Einzelnen ! Kapitel II.2.8). – Aufsuchenden Beratungsformaten werden spezifische Potenziale und Nachteile zugeschrieben. Als besondere Vorzüge aufsuchender Beratungsformate werden eingeschätzt: Sozialraumorientierung (Gillich 2006, 13), vernetzende und koordinierende Funktion im Hilfesystem (Simon 2006: 32; Walter 2014: 221), Reduktion es Machtgefälles zwischen Beratenden und Beratenen (Reiner et al. 2005: 238; Wirth 2011: 326), Flexibilität und Passgenauigkeit der Interventionswahl (Wirth 2011: 326f; Zwicker-Pelzer 2010: 90). Als Nachteile werden benannt: Rollenumkehr (Zwicker-Pelzer 2010: 90), Abnahme der Prozesssteuerungsfähigkeit und Distanzverlust der Beratenden (Zwicker-Pelzer 2010: 89); erhöhter Bedarf an »Kompetenzdarstellungskompetenz« der Beratenden (Lüngen 2010: 48).

Zwischenfazit

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Als zentrale Desiderate institutioneller WBB treten hervor : mangelnde Zugänge und mangelnde Zielgruppenerreichung. Für die Beteiligung an WBB und WB ist der Bildungshintergrund der am stärksten determinierende Faktor, d. h., wer bereits gut (aus-)gebildet ist, geht mit höherer Wahrscheinlichkeit auf WB(B) zu als weniger gut (aus-)gebildete Personen (vgl. BMBF 2015: 33f; Bischof/Krüger 2014: 18.210; Bischof et al. 2012: 261; Strobel 2010b: 273; v. Rosenbladt/Bilger 2008a: 151.154. 2008b: 58). – Zugangshemmnisse zu institutioneller WBB sind v. a. durch die »doppelte Distanz« (Bräutigam et al. 2011: 24) zwischen institutionellen Bildungsanbietern und bildungsfernen Personen gegeben. – Die Zielgruppenerreichung institutioneller WBB unterliegt dem sog. »Matthäus-Effekt«12 im Fachdiskurs auch als »Weiterbildungsschere« (Schulenberg et al. 1978: 525) oder als »doppelte Selektivität« (Faulstich 1981: 61ff) beschrieben, d. h.: erreicht werden überwiegend Menschen, die auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt bereits gut gestellt sind; dagegen werden in unterdurchschnittlichen Anzahlen Menschen erreicht, die auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt benachteiligt sind, nämlich: – kaum Menschen mit niedrigen Schulbildungsabschlüssen (mit Hauptschulabschluss lt. Strobel 2010 b: 273 nur 17 %, lt. Bischof et al. 2012: 262 nur 2 % der Beratenen; ohne Abschluss lt. Strobel: aaO. nur 2 %; lt. Bischof et al: aaO. nur 1 % der Beratenen, lt. Bischof/Krüger 2014: 210 »kaum« Beratene); – wenige erwerbslose Menschen (25 % resp. 32 % lt. AES BMBF 2015: 26); – wenige Menschen mit (in der WBB waren es lt. Strobel 2010b:275 19 %, lt. Bischof et al. 2012: 261 nur 9 %; gesteigert auf 15 % lt. Bischof/Krüger 2014: 210; für die WB werden dagegen 32 % angegeben, vgl. AES BMBF 2015: 38); – wenige ältere Erwachsene über 55 Jahren (lt. AES BMBF 2015: 37 bilden Erwachsene im Alter von über 55 Jahren mit 39 % die Altersgruppe mit der geringsten Weiterbildungsbeteiligung; lt. Bischof et al. 2012: 263 werden nur 6 % Erwachsene im Alter über 50 Jahre mit von einem Bildungsberatungs-Angebot erreicht). In diese Lücke soll Aufsuchende Weiterbildungsberatung stoßen. Die hier vorgelegte itb-/KiLAG-Evaluationsstudie sucht erste empirische Erkenntnisse dar12 »Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.« (Mt 25,29, vgl. Merton 1985). Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Weiterbildungsmöglichkeiten nutzt, steigt mit dem Bildungsniveau, auf dem er oder sie sich schon vorher befindet – und umgekehrt.

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Teil II: Stand des Fachdiskurses

über zu sammeln, inwieweit AWBB die doppelte Distanz zwischen WB(B)-Anbietern und deren bildungsfernen Zielgruppen sowie weitere Hemmnisse abbauen kann, die die Teilnahme an WB(B) vielfach verhindern (! Kapitel III.2).

Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation von drei Projekten Aufsuchender Weiterbildungsberatung der KiLAG (2014–2016)

Auftrag, Auftraggeberschaft und Gegenstand der hier vorgelegten Evaluationsstudie wurden im Einleitungsteil der Studie ausführlich erörtert (! Teil I). Kurz zusammengefasst handelte es sich um Folgendes: Drei Projekte Aufsuchender Weiterbildungsberatung (AWBB) der kirchlichen Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg (Laufzeit 2014– 2016) wurden in der hier vorgelegten Evaluationsstudie multiperspektivisch und multimethodisch evaluiert, d. h.: Sowohl die Adressat_innen der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung als auch die Berater_innen wurden jeweils qualitativ und quantitativ befragt, – einerseits, um den Erfolg der AWBB-Projekte der KiLAG hinsichtlich Zugänglichkeit, Zielgruppenerreichung, Beratungsergebnissen und Zufriedenheit der beteiligten mit der Beratung zu evaluieren; – andererseits, um weiterführende Erkenntnisse über Themen und Verläufe der Beratungen, über Bildungsverständnisse, Teilnahmemotivationen bzw. Zielvorstellungen und Rollenverständnisse der Beteiligten sowie über deren Einschätzungen von Potenzialen der AWBB und von Kompetenzanforderungen an die Beratenden zu generieren. Nachstehend werden das Forschungsdesign und die Forschungsergebnisse beschrieben.

III.1 Forschungsdesign III.1.1 Forschungsinteresse und Forschungsfragen Der Ausgangspunkt jeder wissenschaftlichen Begleitforschung ist das Forschungsinteresse. Das Forschungsinteresse bildet nach Helfferich den Orientierungsrahmen für weitere Überlegungen zu den Forschungsfragen und zum methodischen Vorgehen (vgl. Helfferich 2011: 26ff).

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

In der vorliegenden Studie ergab sich das Forschungsinteresse aus dem Konnex von praxisbezogenen Erkenntnisinteressen der KiLAG (als Auftraggeberin der Studie) und weiterführenden Fragen, die sich aus rezipierten fachwissenschaftlichen Erkenntnissen ergaben (! Kapitel II.2 und II.3). Angestrebt wurde, Erkenntnisse zu generieren, die gleichzeitig praxisrelevant und anschlussfähig an fachwissenschaftliche Diskurse sind. Die KiLAG äußerte zu Beginn Interesse der Gewinnung empirischer Erkenntnisse über : – Zielgruppenerreichung (soziodemografisch); – Zugänge und Methoden beim Aufsuchen; – Zielstellungen der Beratenden; – Verläufe der Beratungen; – Kompetenzanforderungen an Berater_innen. Darüber hinaus ergab sich aus der Rezeption früherer Studien, dass noch kaum abgesicherte empirische Erkenntnisse über Aufsuchende Weiterbildungsberatung vorliegen (! Kapitel II.3). In Studien zur institutionellen Weiterbildungsberatung wird immer wieder auf deren Desiderate und auf den Bedarf an alternativen Beratungsangeboten hingewiesen (! Kapitel II.2.3), jedoch wurde noch nicht differenziert erhoben, was die Aufsuchende Weiterbildungsberatung demgegenüber leistet. Dasselbe lässt sich auch für die nachfolgenden Interessensbereiche feststellen, weshalb diese ebenfalls bei der Konkretisierung der Forschungsfragen und im Rahmen der Instrumentenkonzeption berücksichtigt wurden: – Motivationen zur Teilnahme an der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung; – Inhalte der Beratungsgespräche bzw. Beratungsanliegen; – Zufriedenheiten mit der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung; – Wirkungen und Effekte von Aufsuchender Weiterbildungsberatung. Aus dem oben beschriebenen Forschungsinteresse wurden Forschungsfragen abgeleitet und konkretisiert, die nachfolgend aufgezeigt sind: – Bildungsverständnisse Welche Verständnisse finden sich bei Beratenen und bei Beratenden von: – »(Weiter-)Bildung« – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Frage 1.1 – Perspektive der Adressat_innen: nicht spezifisch abgefragt – »Lernen« – Perspektive der Berater_innen: nicht spezifisch abgefragt – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Interview, Fragen 6.1 und 6.2

Forschungsdesign

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– »Aufsuchende Weiterbildungsberatung« – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Frage 1.2 – Perspektive der Adressat_innen: nicht spezifisch abgefragt – Potenziale und Zielsetzungen der AWBB aus Sicht der Beratenen und der Beratenden – Perspektive der Berater_innen: Welche konzeptionellen Ziele/Beratungsziele geben die Beratenden an? Fokusgruppen-Interview, Fragekomplex 1 und Frage 4.1 sowie Beratungsprotokoll, Frage 6 – Perspektive der Adressat_innen: Welche Teilnahmemotivationen geben die Beratenen an? Adressat_innen-Interview, Fragen 1.2 und 3.1 – Erreichte Zielgruppe – Wurden Zielgruppen erreicht, die von herkömmlichen WBB-Angeboten wenig erreicht werden (Personen mit niedrigem Stand formaler Bildung, ohne Erwerbstätigkeit, mit Migrationshintergrund, älter als 55 Jahre; vgl. Käpplinger/Maier-Gutheil 2015; Strobel 2010a/b), und in welchen prozentualen Anteilen? – Perspektive der Berater_innen: nicht spezifisch abgefragt – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Fragebogen, Fragekomplex 11 – Zugang zur Beratung und Vernetzung des Beratungsangebots – Wie und wo kommt der Kontakt zustande / werden die Zielgruppen aufgesucht? – Perspektive der Berater_innen: Beratungsprotokoll, Frage 5 – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Fragebogen, Fragen 2–5 – Welche Kontakt-Anlässe werden genutzt oder geschaffen? – Perspektive der Berater_innen: Beratungsprotokoll Frage 5, Fokusgruppen-Interview, Fragen 2.1 und 2.2 – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Fragebogen, Fragen 2–5 – Welche Vernetzungen und Kooperationen, welche Vertrauenspersonen oder Brückenmenschen werden genutzt, um die Kontaktschwelle zu senken? – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Fragen 2.1 und 4.3d – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Fragebogen, Fragen 4 und 5 – Wie oft und wohin werden Beratene weitervermittelt/verwiesen? – Perspektive der Berater_innen: Beratungsprotokoll, Frage 8 – Perspektive der Adressat_innen: nicht spezifisch abgefragt

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

– Inhalte der Beratungsgespräche – Wie häufig kommen in den Gesprächskontakten die Themen »Bildung und Weiterbildung« vor? Welche Themen kommen daneben noch vor? – Lässt sich der Vorbefund zur Weiterbildungsberatung bestätigen, dass bei abnehmendem Institutionalisierungsgrad in höherem Maße psychosoziale, person-, situations- und lebensweltbezogene Beratungsanteile vorkommen (Schiersmann/Remmele 2002)? – Lassen sich in den KiLAG-Beratungen Beratungstypen wie in der theoretischen Literatur unterscheiden, z. B. nach dem Grad der subjektiven Einbindung »informativ, situativ, biografieorientiert« (vgl. Gieseke/Opelt 2004) oder nach personenbezogenen Beratungszielen »Orientierungsberatung, Kompetenzentwicklungsberatung, Lernberatung«, (vgl. Schiersmann 2011a), aber auch »psychosoziale Beratung in Lebenskrisen, angelegt als sozialpädagogische Intervention« (Gieseke 2000)? – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Fragen 2.3 und 2.4 – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Fragebogen, Fragen 6 und 7 sowie Adressat_innen-Interview, Frage 1.1 – Gesprächsverläufe – Wie gelingt der Überschritt vom Erstkontakt zur Weiterbildungsberatung? – Lassen sich standardisierbare oder häufige Dialogmuster (vgl. Gieseke/ Stimm 2015) identifizieren? – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Fragen 1.6, 2.5–2.7 sowie Beratungsprotokoll, Fragen 4, 5 und 7 – Perspektive der Adressat_innen: nicht spezifisch abgefragt – Zufriedenheit mit der Beratung aus Sicht der Beratenen: – Wie zufrieden sind die Beratenen mit ihrer finanziellen Situation? – Perspektive der Adressat_innen: Fragebogen, Frage 11 – Wie zufrieden sind die Beratenen mit der Beratung insgesamt? – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Interview, Fragen 5.1 und 5.2 sowie Adressat_innen-Fragebogen, Frage 9 – Wie zufrieden sind die Beratenen mit der Kompetenz der Beratenden? – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Interview, Fragen 5.3– 5.5 sowie Adressat_innen-Fragebogen, Frage 10 – Wie zufrieden sind die Beratenen mit den Beratungsergebnissen? – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Interview, Frage 4.2 – Zufriedenheit mit der Beratung aus Sicht der Beratenden: – Wie zufrieden sind die Beratenden mit dem Verlauf der Beratung? – Perspektive der Berater_innen: Beratungsprotokoll, Frage 10

Forschungsdesign

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– Wie zufrieden sind die Beratenden mit den Orten/Settings der Beratungen? – Perspektive der Berater_innen: Beratungsprotokoll, Frage 10 – Wie zufrieden sind die Beratenden mit den Ergebnissen der Beratung? – Perspektive der Berater_innen: Beratungsprotokoll, Frage 10 – Rolle der Beratenden und ihrer Beratungskompetenzen aus Sicht der Beratenen und der Beratenden – Welches Verständnis haben die Beratenden von ihrer Rolle? – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Frage 1.7 – Perspektive der Adressat_innen: nicht spezifisch abgefragt – Welche Kompetenzen halten die Beratenden für erforderlich für die AWBB? – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Fragen 4.2 und 4.3 sowie Beratungsprotokoll, Frage 9 – Perspektive der Adressat_innen: nicht spezifisch abgefragt – Welche Kompetenzen erleben und schätzen die Beratenen bei den Beratenden? – Perspektive der Berater_innen: nicht spezifisch abgefragt – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Fragebogen, Frage 10 sowie Adressat_innen-Interview, Frage 5.6 – Ergebnisse der Beratungen – Welche Ergebnisse wurden in den Beratungen erzielt? – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Fragen 3.1 und 3.6 – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Fragebogen, Frage 8 sowie Adressat_innen-Interview, Fragen 4.1–6 – Inwieweit lassen diese sich den konzeptionellen Beratungszielen der AWBB zuordnen? – Erfolgsfaktoren aus Sicht der Beratenen und der Beratenden – Welche Erfolgsfaktoren bzw. welche Prädiktoren für die Zufriedenheit mit der Beratung lassen sich identifizieren? – Perspektive der Berater_innen: Fokusgruppen-Interview, Fragen 3.2, 3.4 und 3.5 – Perspektive der Adressat_innen: Adressat_innen-Interview, Fragen 1.2, 4.3–4.6 Von diesen Forschungsfragen wurde die Forschungsmethodik bzw. das Design der Forschungsinstrumente abgeleitet.

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

III.1.2 Forschungsmethodisches Vorgehen Bei der vorliegenden itb-/KiLAG-Studie handelt es sich um eine prozessbegleitende Evaluation. Als prozessbegleitend lässt sie sich aus zweierlei Gründen bezeichnen: Zum einen erfolgten die Erhebungen zu verschiedenen Zeitpunkten des Prozesses der Projektlaufzeit der teilnehmenden Projekte, zum anderen wurden die Erkenntnisse der von uns durchgeführten Studie in Workshops zu verschiedenen Zeitpunkten der wissenschaftlichen Begleitung zurückgespiegelt und mit Blick auf die praktische Weiterentwicklung der Projekte diskutiert (! Anhang F), sodass die Ergebnisse direkt in den weiteren Entwicklungs- und Planungsprozess der einzelnen Projekte einfließen konnten. Der Intention folgend, das weitgehend unerforschte Feld der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung explorativ zu erschließen und ganzheitliche Praxisentwicklungsprozesse anzuregen, konzipierte das itb das Vorhaben multiperspektivisch. Das heißt, es wurde sowohl die Perspektive der Adressat_innen als auch jene der Berater_innen erhoben. Für die Erhebung der verschiedenen Perspektiven setzte das itb verschiedene Instrumentarien ein, die in nachfolgender Abbildung veranschaulicht sind:

gleiche Codierung: Bezugnahme

Abbildung 5: Erhebungsperspektiven der itb-/KiLAG-Studie

Die Perspektive der Adressatinnen und Adressaten wurde mittels Fragebögen und zusätzlich durch Vertiefungsinterviews erhoben. Für die Erhebung der kurzfristigen Rückblende auf die Beratung wurde ein zweiseitiger Fragebogen genutzt. Die quantitative Erhebung mittels Fragebogen bietet die Möglichkeit, repräsentative Ergebnisse zu generieren, da auf diesem Weg viele Befragungs-

Forschungsdesign

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personen erreicht werden können. Die Entscheidung für den Fragebogen liegt jedoch nicht nur darin begründet. So wurde der Fragebogen daneben als niedrigschwelliger Zugang betrachtet, da die Adressat_innen ihn zeitlich und örtlich flexibel ausfüllen können und das Ausfüllen nur wenig Zeit in Anspruch nimmt. Um neben den durch den Fragebogen erlangten standarisierten Daten auch vertiefte, individuelle Einblicke aus der Perspektive der Beratenen zu erlangen, wurden auch Interviews mit einzelnen Adressat_innen geführt. Die Adressat_innen-Interviews wurden hierbei bewusst zeitlich versetzt geführt, um einen Einblick in die mittelfristige Rückblende sowie die mittelfristigen Wirkungen der Beratung zu erlangen. Die Beratenden waren maßgeblich in den Fragebogenerhebungsprozess eingebunden, da sie die Fragebögen an die Beratenen verteilten. Sie waren somit Mittlerpersonen zwischen dem Institut itb und den Befragungspersonen. Um hierbei Transparenz darüber zu gewinnen, an wie viele der angesprochenen und ggf. beratenen Personen Fragebögen verteilt wurden, hatten die Beratenden die Aufgabe, dies auf einem vorbereiteten Dokumentationsbogen festzuhalten (! Anhang C5). Die Perspektive der Beratenden wurde mittels Beratungsprotokollen und im Rahmen von Fokusgruppen erhoben. Der Einsatz der Beratungsprotokolle eröffnete neben dem Potenzial der Repräsentativität die Möglichkeit, direkte Vergleiche zwischen der Perspektive der Beratenen und der Perspektive der Beratenden auf ein und dasselbe Beratungsgespräch zu erhalten. Auf den Protokollen dokumentierten die Beratenden Details zu dem Beratungsvorlauf, -verlauf und -ergebnis. Neben dem Beratungsprotokoll führte das itb gegen Ende des Projektzeitraums pro Projekt ein Fokusgruppen-Interview. Bei dieser Erhebung waren neben den Beratenden bewusst auch projektleitende Personen eingebunden. Dieses Vorgehen wählte das itb, um die verschiedenen Blickwinkel aus Anbieter_innenperspektive auf das Projekt in Erfahrung zu bringen und gleichzeitig die Synergieeffekte der verschiedenen Perspektiven durch die gemeinsame Erhebung zu nutzen. Details und nähere Informationen zu den Fragestellungen, Instrumenten und dem Auswertungsvorgehen lassen sich jeweils getrennt nach der Perspektive der Berater_innen und der Adressat_innen in den nachfolgenden Kapiteln vorfinden.

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

III.1.3 Forschungsinstrumente III.1.3.1 Der Adressat_innen-Fragebogen Um empirische Aussagen zur Charakteristik der Projektteilnehmenden treffen zu können, entwickelte das itb das standardisierte Instrument des Adressat_innen-Fragebogens und setzte es ein. Die Wahl eines standardisierten Fragebogens leitete sich methodologisch aus dem Erkenntnisinteresse ab: Die Vergleichbarkeit der Stichprobe, die eine distinkte Charakterisierung der Adressat_innen nach den im Fragebogen abgefragten Variablen zulässt, ist mittels standardisierter Instrumente erreichbar (vgl. Hussy et al. 2010: 51). Damit einher geht die forcierte Repräsentanz der Stichprobe, die forschungspraktisch und -methodisch über eine standardisierte Fragebogenerhebung möglich ist. Zudem ist mit dem Instrument Fragebogen eine Erhebungsform gewählt worden, die die zeitnahe, örtlich flexible und schnelle Bearbeitung durch die Adressat_innen erlaubt. Der Fragebogen wurde auf Grundlage der vorgängigen Literaturrecherche entwickelt. Eine in Anlehnung an theoretische Fachdiskurse (! Kapitel II.2 und II.3) angefertigte Erstversion stellten die Mitarbeitenden des itb den drei teilnehmenden Projekten (! Kapitel I.2) vor und diskutierten gemeinsam über die Finalfassung. Damit sollte einerseits die Akzeptanz des Instruments erhöht und andererseits die in der Theorie vorherrschende Lücke im Bereich Aufsuchender Weiterbildungsberatung kompensiert werden. Das Erfahrungswissen der Beratenden aus den Teilprojekten konnte so unmittelbar in die Fragebogenkonstruktion einfließen und diese Lücke abfedern. Die so diskutierte Erstversion des Fragebogens wurde – wo es methodisch sinnvoll erschien – angepasst und der Fragebogen finalisiert. Inhalte und Aufbau Die Inhalte des Fragebogens sind an den Ablauf eines Beratungsprozesses angelehnt und brechen diesen Prozess auf die Besonderheiten Aufsuchender Weiterbildungsberatung herunter. Insgesamt legten alle Beteiligten Wert darauf, dass der Fragebogen kurzgehalten und in einer einfachen, leicht verständlichen Sprache gehalten wird. Dies war vor dem Hintergrund, dass der Fragebogen in sehr offenen Settings zum Einsatz kommen sollte und die anvisierte Zielgruppe sich durch einen großen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund auszeichnet, notwendig. Ziel des Forschungsteams war es, einen Fragebogen anzufertigen, der so barrierefrei wie möglich ist. Der Fragebogen selbst ist in der Anlage einzusehen (! Anhang C1).

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Die Einstiegsfrage zum Ort und Datum des Gesprächs13 diente der Zuordnung zu den aufgesuchten Orten. Ihr liegt die Hypothese zugrunde, dass die Wirkweisen Aufsuchender Beratung in Abhängigkeit des Ortes, an dem Beratungen stattfinden, variieren. Zwei ebenfalls in diese Richtung zielende Fragen beziehen sich auf das Bekanntsein der Adressat_innen mit dem Ort der Beratung und mit dem Beratenden. Ziel und gleichzeitig Gelingensbedingung Aufsuchender Weiterbildungsberatung ist das Aufsuchen der Adressat_innen im für sie vertrauten Sozialraum (! Kapitel II.2.4). Ob das vonseiten der Adressat_innen so wahrgenommen wird, und ob dies Effekte auf die Beratung und deren Ergebnisse hat, sollte mit dieser Frage geprüft werden. Die Aufmerksamkeit für den vorgängigen Bekanntheitsgrad zwischen Beratenden und Beratenen speist sich aus der theoretischen Vorarbeit und den Erfahrungsberichten der teilnehmenden Projekte. Beide Informationsquellen betonen die Wechselwirkung von Vertrauen, Beziehung und dem Erfolg von Beratung (! Kapitel II.2.5). Weiterhin wurde erhoben, wie es zu dem Gespräch kam, ob also die Beratenen oder die Beratenden den ersten Schritt zu einem Gespräch gemacht haben oder ob eine vermittelnde Person den Kontakt hergestellt hat. Hiermit sollen insbesondere Aussagen über die Rolle der Beratenden sowie deren Einfluss auf das Beratungsgeschehen gemacht werden. Weiterhin wurden die Inhalte der Beratung abgefragt. Diese wurden in Anlehnung an die theoretischen Vorarbeiten zur Typisierung der Aufgabenbereiche von Weiterbildungsberatung (! Kapitel II.2.2) kategorisiert. Neben der Auswahl dieser thematischen Bereiche konnte danach differenziert werden, auf wen sich diese Themen im Gespräch personal bezogen. Die Praxiserfahrungen aus den zu evaluierenden Projekten zeigten nämlich, dass es durchaus vorkommt, dass bspw. ein Mann sich bezogen auf die schulische Situation seines Kindes beraten lässt oder eine Frau sich Informationen zur beruflichen Situation ihres Mannes einholt. Diese Erfahrungsberichte gaben den Ausschlag dafür, diese Differenzierung aufzunehmen und zu erheben. Die anschließende Abfrage der Ergebnisse der Beratungen wurde entlang einer operationalisierten und gekürzten Version der Ergebniskategorien von Schröder und Schlögl (Schröder/Schlögl 2014: 102f) vorgenommen. Die anschließende Zufriedenheitsfrage wurde auf Basis der berichteten Studie von Strobel konzipiert und kombinierte eine vierstufige Skala mit einer offenen Abfrage, die die gemachte Einschätzung auf der Skala begründen sollte. Die Zufriedenheit wurde sodann – gemäß Strobel – einmal bezogen auf das Gespräch als solches und einmal bezogen auf die Person der Beratenden gestellt (vgl. Strobel 2010a: 37). Neben einer allgemeinen Einschätzung der Zufriedenheit mit dieser Form der Beratung sollte so auch implizit etwas über die erlebten Kompetenzen in Er13 Das Wort Beratung wurde im Fragebogen selbst bewusst nicht gewählt, um keine ungewollten Assoziationen aufseiten der Adressat_innen zu evozieren.

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fahrung gebracht werden. Am Ende des Fragebogens wurden soziodemografische Daten erhoben, um die erreichte Zielgruppe charakterisieren zu können und um ggf. signifikante Unterschiede bezogen auf bspw. Themen der Beratung oder Relevanzen der Bekanntheit zwischen Subgruppen innerhalb der Zielgruppe aufdecken zu können. Zur Festlegung der soziodemografischen Variablen wurde auf einen Entwurf eines Beratungsdokumentationsbogens der KiLAG sowie auf die demografischen Standards des Statistischen Bundesamtes (Destatis 2010) zurückgegriffen. Damit wird, wie in den rezipierten Studien, auf die Erklärungskraft dieser Persönlichkeitsmerkmale zur Aufdeckung von Unterschieden gesetzt (! Kapitel II.3.2.2). Zudem sollten die eigenen Deutschkenntnisse sowie die persönliche finanzielle Situation auf einer vierstufigen Skala bewertet werden. Damit wird der Anschluss an die Arbeit von Käpplinger und Maier-Gutheil (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015) hergestellt und die These geprüft, ob auch die Ratsuchenden der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung eher unzufrieden mit ihrer Situation sind. Auf der zusätzlichen dritten Seite wurden die geplanten vertiefenden Adressat_innen-Interviews beworben und die ausfüllenden Personen um ein Einverständnis zur diesbezüglichen Kontaktaufnahme gebeten. Dafür hatten die Adressat_innen die Möglichkeit, ihre Telefonnummer und/oder E-Mail-Adresse anzugeben. Mit diesem Vorgehen sollte die Fallauswahl für die vorab festgelegte Anzahl an Interviews, sieben pro Standort, kontrastiv gesteuert werden. An dieser Stelle wird ein Konzept zum gesicherten Datenschutz relevant, auf welches im folgenden Abschnitt »Einsatz des Fragebogens im Feld« eingegangen wird. Einsatz im Feld Die Fragebögen sollten jeweils nach einem Beratungskontakt durch die Beratenden an die Beratenen verteilt werden. Gemeinsam mit den Beratenden wurden an einem Workshop und an den Standortbesuchen dieser Prozess des Austeilens und die Rolle der Beratenden in den Blick genommen und reflektiert. So wurde von der Forschungsgruppe die freiwillige Teilnahme sowie das eigenständige Ausfüllen des Fragebogens durch die Adressat_innen betont. Erst bei jenen Fällen, bei denen Bereitschaft zur Teilnahme besteht, der Fragebogen aber aufgrund von Sprachbarrieren oder sonstigen Hürden nicht eigenständig durch die Adressat_innen ausgefüllt werden kann, sollte eine Unterstützung durch die Beratenden erfolgen. Die Maxime lautete dabei: Den Adressat_innen so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig Unterstützung beim Ausfüllen anzubieten. Aufgrund der sensiblen Konstellation, dass die Adressat_innen Aussagen über die Berater_innen treffen, wurde der Anonymität ein hoher Stellenwert in den forschungspraktischen Überlegungen eingeräumt. Aus diesem Grund wurde den Adressat_innen neben dem Fragebogen gleichzeitig ein

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frankierter und an das itb adressierter Umschlag ausgehändigt. So konnten die Adressat_innen den Fragebogen entweder persönlich absenden oder ihn im verschlossenen Umschlag an die Beratenden übergeben, die diese gesammelt in einem monatlichen Rhythmus an das itb übergeben sollten. Die Briefumschläge waren zudem mit derselben Kodierung – bspw. 02-039 – wie der Fragebogen versehen, sodass Missbrauch ausgeschlossen werden konnte. Um die Beratenden in diesem Prozess soweit als möglich zu unterstützen, wurde vom itb für jeden Beratenden eine Mappe angefertigt, die sie während ihrer Tätigkeit in der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung mitführen konnten. In der Mappe waren jeweils mindestens zehn Paare bestehend aus zusammengehörigen und mit der gleichen Codierung versehenen Adressat_innenFragebögen, Beratungsprotokolle sowie Briefumschläge enthalten. Ebenfalls befand sich in der Mappe eine Liste zur Zählung der Grundgesamtheit aller Beratungskontakte (! Anhang C5). Das itb hat die Beratenden angehalten, jedweden Gesprächskontakt, unterschieden nach der »Anzahl der Gespräche, die zu einer Beratung geführt haben und für die ein Fragebogen ausgeteilt und ein Beratungsprotokoll ausgefüllt wurde«, der »Anzahl der Gespräche, die zu einer Beratung geführt haben, für die aber kein Fragebogen ausgeteilt wurde und daher auch kein Beratungsprotokoll ausgefüllt wurde« sowie der »Anzahl der Gespräche, die nicht zu einem Beratungsgespräch wurden« kurz auf dieser Liste zu dokumentieren. Damit sollte das Verhältnis der vorliegenden Stichprobe mit der Grundgesamtheit aller Gespräche und Beratungen eingeschätzt und die Reichweite der Aussagen bestimmt werden. Der Mappe lag außerdem ein Manual (! Anhang E) bei, in dem das Vorgehen schriftlich festgehalten war und von den Beratenden jederzeit nachgelesen werden konnte. Durch die Angabe der Kontaktdaten des itb in diesem Manual sollte jederzeit bei jedweden Unklarheiten unkompliziert Kontakt aufgenommen werden können. Datenaufbereitung und -auswertung Die deskriptiv-statistische Auswertung in Form von Auszählungen, Angaben von Mittelwerten und Kreuztabellierungen der erhobenen Daten der Adressat_innen-Fragebögen und der Beratungsprotokolle erfolgte mittels der GNUStatistiksoftware PSPP. Die offenen Fragebereiche wertete das Forschendenteam zudem inhaltsanalytisch aus, indem die Fragebereiche Kategorien zugeordnet wurden, welche induktiv, d. h. aus den vorliegenden Antworten heraus, entwickelt wurden. Auf weitergehende, über deskriptive Beschreibungen hinausgehende inferenzstatistische Analysen wurde aufgrund der Fallzahl (n=40 resp. 44) (! Kapitel III.1.4) verzichtet. Die Ergebnisdarstellung beruht auf der Verteilung gültiger Fälle. Fehlende Werte (bspw. aus der Nicht-Beantwortung der Frage) fließen nicht in die Auswertung ein. Daher werden die jeweils gültigen Fallzahlen in »n« und/oder die darauf bezogenen gültigen Prozentwerte wie-

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dergegeben, und nicht die absoluten Werte. Prozentwerte, die in der Kumulation über 100 % liegen, entstehen durch Mehrfachantworten. Der Mittelwert als arithmetischer Durchschnitt wird jeweils mit den dazugehörigen Standardabweichungen angegeben (Beispiel: 42,9 Jahre +/- 8,2 Jahre). Die Standardabweichung (+/-) gibt die durchschnittliche Entfernung der Antworten zum Mittelwert wieder (Streuung). Bei Skalen (Beispiel: »trifft zu – trifft eher zu – trifft eher nicht zu – trifft nicht zu«) ist zu beachten, dass »1« analog zu Schulnoten jeweils die bestmögliche Antwort wiederspiegelt, d. h. 1 steht für »trifft zu«. So repräsentiert z. B. ein Mittelwert von 1,3 eine höhere Zustimmung als ein Mittelwert von 2,4. III.1.3.2 Das Adressat_innen-Interview Die Perspektive der Adressat_innen wurde nicht nur mittels eines Fragebogens, sondern auch anhand von Interviews erhoben. Diese zeitlich um drei bis vier Monate nach der Beratung versetzten Adressat_innen-Interviews sind methodisch anschlussfähig an die zitierten Studien wie die von Strobel, die telefonische Nachbefragungen durchführte (vgl. Strobel 2010a: 37), und sollen mittelfristige Eindrücke der Beratung nachzeichnen. Ziel dieser Erhebung war es, vertiefte Einblicke in das subjektive Erleben des Aufsuchens und der Beratung sowie Einblicke in mittelfristige Wirkungen der Beratung zu erhalten. Die Entscheidung fiel hierbei auf face-to-face-Interviews, um möglichen Verständnisschwierigkeiten bedingt durch Sprachhürden bspw. aufgrund von Migrationshintergrund und/oder Behinderungen entgegenzuwirken. Die Interviewer_innen führten diese Interviews hierzu an vertrauten Orten der Befragungspersonen, d. h. zu Hause oder am Projektstandort. In einem Fall wurde das Interview auf Wunsch der Adressatin telefonisch geführt, da sie in der Zwischenzeit in ein anderes Bundesland umgezogen war. Der Leitfaden Fragestellungen Die Fragestellungen des Leitfadens des Adressat_innen-Interviews schließen an die theoretischen Vorüberlegungen zum Adressat_innen-Fragebogen und somit an das Erkenntnisinteresse an. Um gezielt vertiefte Informationen zu den zentralen Erkenntnisbereichen zu generieren, wurden die Interviews mit den Beratenen daher inhaltlich auf die nachfolgenden Themenbereiche bezogen: – Inhalt des Beratungsgesprächs – Das Aufsuchen und der Gesprächsort der Beratung – Die Motivation sich auf das Gespräch einzulassen

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– Das Ergebnis und die Wirkung des Gesprächs – Zufriedenheit mit der Beratung Auf Wunsch der Auftraggeberin wurde zusätzlich das Thema Lernbereitschaft und -erfahrung in den Leitfaden aufgenommen, um auch in diesen Bereichen Eindrücke und Haltungen in Erfahrung zu bringen. Struktureller Aufbau des Leitfadens Das Interesse am informativen Gehalt des Gesagten im Interview sowie der Wunsch einer Vergleichbarkeit der Interviews begründet die Entscheidung für einen teilstandardisierten Leitfaden (vgl. Helfferich 2011: 39). Interviews dieser Art »vertragen mehr Steuerung und strukturierende Eingriffe durch den Leitfaden und konkreter zugespitzte Fragen, die als Antwort die Informationen abrufen« (Helfferich 2011: 166). Die starke Strukturierung spiegelt sich auch in der vorliegenden itb-/KiLAGStudie im Aufbau des Leitfadens und in der Konzeption der einzelnen Fragestellungen wider. Der Leitfaden ist tabellarisch in drei Spalten aufgebaut. Die erste Spalte der Tabelle enthält die Hauptfragestellungen. Diese Fragen stellten die Interviewer_innen in jedem Fall, außer die interviewte Person beantwortete die Frage im Erzählfluss schon eigenständig. Die mittlere Spalte der Tabelle enthält konkretisierende Nachfragen zu den Hauptfragestellungen. Diese Art der Nachfragen haben dabei durch die konkrete inhaltliche Zuspitzung die Funktion gezielt Inhalte zu generieren, die möglicherweise von der Erzählperson auf die Hauptfragestellung noch nicht genannt werden. In der dritten Spalte ist zu einer Orientierung für die interviewende Person das Erkenntnisinteresse festgehalten. Um die Erzählperson nicht zu überfordern, wurde der Leitfaden nicht mit Fragen überladen, sondern für eine Interviewlänge von ca. 20–30 Minuten konzipiert (vgl. Helfferich 2011: 165). Zugang zur Zielgruppe Der Zugang zu Adressat_innen, die sich für ein Interview bereiterklärten, stellte das itb über die Bereitschaftserklärung her, welche am Fragebogen angeheftet war. Durch dieselbe Codierung des Fragebogens und der Bereitschaftserklärung wurde sichergestellt, dass die Erkenntnisse der quantitativen Erhebung und die der Adressat_innen-Interviews in der Auswertungsphase problemlos trianguliert werden konnten. Die Erhebung der Adressat_innen-Interviews Die Erhebung wurde vorab detailliert geplant, um eine möglichst »ideale Sprechsituation« (Gollackner/Patry 2011: 62) zu schaffen. So wurde bei der ersten Kontaktaufnahme bereits darauf geachtet, dass der/die Interviewende

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direkt den Kontakt herstellt, um bereits von Beginn an eine Vertrauensbasis zu schaffen. Bei dieser Kontaktaufnahme, die mittels Telefon oder Mail erfolgte, wurde ein Termin, ein Gesprächsort sowie ggf. weitere Fragen geklärt. Bei der Auswahl des Gesprächsortes folgte die interviewende Person hierbei den Wünschen der Adressat_innen, um auf diese Weise deren Wohlbefinden in der Interviewsituation sicherzustellen. Im Endeffekt wurden die Interviews – bis auf ein Telefoninterview – entweder bei den Adressat_innen zu Hause oder in einem Raum des AWBB-Projektes durchgeführt. Sofern die Interviews am Projektstandort geführt wurden, wurde vorab bei einer Ansprechperson des Projektstandorts um einen »störungsfreien« Raum gebeten. In der Interviewsituation selber wurde darauf geachtet, die Sitzanordnung erzählförderlich zu gestalten. Hierbei wurde dem Vorschlag von Helfferich gefolgt, die Sitzgegebenheiten schräg gegenüber anzuordnen (vgl. Helfferich 2011: 177). Zu Beginn des Interviews wurde durch das Aufzeigen der Anonymisierungsstrategien und der Unterzeichnung einer Einverständniserklärung (informed consent) eine vertrauensvolle und transparente Gesprächsbasis geschaffen (vgl. Helfferich 2011: 190) (! Anhang D1 und D2). In der Interviewsituation stand stets die Erzählperson im Zentrum. Auf Wünsche reagierten die Interviewer_innen flexibel und ließen das Aufkommen von starken Emotionen zu. Hierbei wurde der Erzählperson stets überlassen, ob sie das Interview abbrechen möchte. Um die Teilnahme zu honorieren, wurde der Erzählperson am Ende des Interviews angeboten, eine Abschrift des Interviews zu erhalten. Zudem erhielt jede teilnehmende Person am Ende des Interviews 10 Euro Aufwandsentschädigung. Die Interviews haben eine Interviewlänge zwischen ca. 15 und 50 Minuten. Insgesamt waren 21 Interviews angedacht, tatsächlich konnten wir lediglich sechs Personen für ein Interview gewinnen, da nur ein geringer Anteil an Personen sich auf dem Fragebogen dazu bereiterklärte; die Kontaktaufnahmen aufgrund fehlender oder falscher Angaben auf der Bereitschaftserklärung scheiterten; und nicht zuletzt hat sich eine Person nach anfänglicher Bereitschaft bei der Kontaktaufnahme doch dagegen entschieden. Datenaufbereitung und Auswertung Im Anschluss an die Interviews verschriftlichten externe Transkribierende das Gesagte, d. h. es wurde »eine vollständige Textfassung [des] verbal erhobenen Materials hergestellt« (Flick 2010: 89). Vor der Transkription verpflichteten sich alle Transkribierenden schriftlich zum Datenschutz. Nachdem die Abschriften der Interviews erstellt waren, wurden sie anonymisiert, d. h., sämtliche Angaben, die Rückschlüsse auf Orte, spezifische Institutionen, oder Personen zuließen, wurden unkenntlich gemacht. Im Anschluss an die Anonymisierung wertete das itb die Interviews gemäß der strukturierenden Inhaltsanalyse aus. Hierzu werden die Transkripte the-

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matisch extrahiert und zusammengefasst (vgl. Mayring 2010: 94). Das itb-Team legte zu Beginn deduktiv Hauptkategorien fest, zu welchen das Textmaterial thematisch zugeordnet werden sollte. Deduktiv bedeutet, dass die Kategorien nicht am Material, sondern vor der Materialsichtung festgelegt wurden. Diese Festlegung erfolgte gemäß Kuckartz anhand der zentralen Forschungsfragen (Kuckartz 2014: 79). Daneben wurden diese Kategorien auf Basis der ausführlichen Literaturrecherche bereits vorab durch theoriebasierte Unterkategorien ergänzt. Nach der deduktiven Festlegung der Haupt- und Subkategorien wurden diese in MaxQDA eingepflegt, da die Softwarebasierung die Auswertung erleichtert.14 Die festgelegten Kategorien wurden hierzu in einen Codebaum in MaxQDA umgesetzt (vgl. Kuckartz 2014: 145). Nach der Codebaumerstellung verfassten die itb-Mitarbeitenden Definitionen zu den Kategorien/Codes, um sicherzustellen, dass die Codierenden möglichst passgenau das Material zu den Kategorien zuordnen. Im Anschluss wurde das Interviewmaterial den Codes zugeordnet. Im Codierprozess wurden weitere Codes induktiv, d. h. anhand des Materials, ergänzt, da manche Inhalte thematisch nicht in die vorab festgelegten Kategorien passten. Die Auswertung wurde nach der Codierung inhaltlich vergleichend vorgenommen. Hierzu wurde zu jeder Hauptkategorie eine Tabelle angelegt und vergleichbare Inhalte gebündelt und unter eine Überschrift gefasst. Besonders markante Zitate wurden hierbei für die Berichtslegung hervorgehoben. III.1.3.3 Das Beratungsprotokoll für Berater_innen Ziel der Beratungsprotokolle war es, in standardisierter Weise Aussagen der Beratenden zu Beratungsverläufen, zu Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren, zu Spezifika der Zielgruppe sowie zu Erfahrungen mit Kooperationspartner_innen in Erfahrung zu bringen. Der besondere Vorteil im vorliegenden Design liegt darin, dass das Beratungsprotokoll, der Adressat_innen-Fragebogen sowie die Adressat_innen-Interviews miteinander in Beziehung gesetzt werden können. Dadurch ist die Perspektive von Beratenden wie Beratenen auf dasselbe Beratungsgeschehen festgehalten. Um die zwei erhobenen Perspektiven zu dem entsprechenden Beratungskontakt identifizieren zu können, wurden codierte Instrumentenpaare vom itb verteilt und eine entsprechende Einweisung der Beratenden vorgenommen. Für jedes Beratungsgespräch, für welches ein 14 Die Arbeit mit MaxQDA eröffnet eine schnelle und einfache Zuordnung des Materials. Zudem kann eine Textstelle trotz der Zuordnung zu einer Kategorie immer wieder rückgebunden werden an den Gesamtzusammenhang des Textes. So bleiben die Kategorien zwar »in einem gesonderten Codesystem festgehalten« (Kuckartz 2014: 145), gleichzeitig bleiben die Kategorien »wie ein unsichtbares Band mit den jeweiligen Textstellen verbunden [bleiben]« (Kuckartz 2014: 145).

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Adressat_innen-Fragebogen verteilt wurde, sollte das entsprechende Beratungsprotokoll – nach Möglichkeit zeitnah nach der Beratung – ausgefüllt werden. Das Beratungsprotokoll fußt – wie der Adressat_innen-Fragebogen – auf den methodischen Grundüberlegungen zur Vergleichbarkeit und Repräsentanz der Stichprobe. Auch in der Entwicklung des Beratungsprotokolls ist das itb gleich verfahren wie beim korrespondierenden Fragebogen: die vorgängige Literaturrecherche wurde um die bisherige Praxiserfahrung der teilnehmenden Projekte angereichert und auf dieser Grundlage das Beratungsprotokoll angefertigt. Die Datenaufbereitung und -auswertung erfolgte ebenso wie der Einsatz im Feld analog zum Prozess bei den Adressat_innen-Fragebögen, da diese gemeinsam in der Mappe für die Beratenden vom itb ausgeteilt resp. gemeinsam ausgewertet wurden. Diese Schritte werden für das Instrument nicht erneut berichtet, sondern sind den Ausführungen zum Adressat_innen-Fragebogen zu entnehmen (! Kapitel III.1.3.1). Inhalte und Aufbau des Beratungsprotokolls Das Beratungsprotokoll ist in seiner Logik an den Prozess der Beratungsführung angelehnt. Die ersten vier Fragebereiche beziehen sich zunächst auf hard facts der Beratung: Zunächst soll das Datum der Beratung zur zeitlichen Einordnung angegeben werden, bevor Angaben zur Person des Beratenden gemacht werden. Um die Anonymität der Beratenden zu wahren, wurde an dieser Stelle lediglich nach dem Geschlecht und der beruflichen resp. ehrenamtlichen Beratungstätigkeit unterschieden. Damit sollte einerseits etwas über mögliche Gendereffekte in Erfahrung gebracht werden als auch über mögliche Effekte aufgrund des Professionalisierungsgrades der Beratenden. Weiterhin sollte angegeben werden, ob die beratene Person weiblich oder männlich war und ob es sich um eine Beratung handelte, die eine Einzelperson adressierte oder in einem Gruppensetting stattfand. Als weitere hard facts sollten die Räumlichkeit der Beratung als ungestört oder belebt eingeschätzt und Angaben darüber gemacht werden, wie lange die Beratung dauerte, in welcher Sprache sie durchgeführt und wie häufig die Person bereits beraten wurde. Hier spiegelt sich wie bereits beim Adressat_innen-Fragebogen das Interesse nach der Bekanntheit und Beziehung von Beratenden und Adressat_in wider. Der anschließende Frageblock war der Kontaktaufnahme gewidmet, die eine Besonderheit Aufsuchender Weiterbildungsberatung darstellt und ein zentrales Erkenntnisinteresse dieser itb-/ KiLAG-Studie ist. In Umkehrung der Komm-Struktur ist die beratende Person zunächst in der Pflicht, den ersten Schritt auf die Adressat_innen zu machen oder zumindest insoweit präsent im Sozialraum zu sein, dass der Kontakt von den zu beratenden Personen aufgenommen wird. Damit ist, wie auch bereits der Blick in die Theorie zeigte, der Ort sowie die Art und Weise des Ansprechens von

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besonderer Bedeutung. Die Kontaktaufnahme wurde innerhalb des Beratungsprotokolls vom itb daher auch von diesen beiden Seiten her aufgebaut: Den Angaben zum konkreten Ort und dem Rahmen im Sinne von einmaligen Veranstaltungen wie Flohmärkten oder regelmäßigen Veranstaltungen wie Kursen folgt die Frage zum zwischenmenschlichen Kontaktknüpfen. Verschiedene Abstufungen sollen hier Ausloten, welche Partei in welcher Intensität den ersten Schritt zur Kontaktaufnahme unternommen hat. Sofern der Kontakt vom Beratenden aktiv aufgebaut wurde, war das Thema der Gesprächseröffnung anzugeben. Hierin spielt die theoretische Annahme ein, dass aufsuchende Beratungen insbesondere dann erfolgsversprechend sind, wenn an persönliche Bezüge angeknüpft wird (! Kapitel II.2.4). Anschließend war im Beratungsprotokoll zu vermerken, ob die Beratung einer bestimmten Zielsetzung folgte und falls ja, welche das war. Ebenso unterscheidet das Beratungsprotokoll, ob diese Zielsetzung bereits vor der Beratung festgelegt wurde oder ob diese sich im Gesprächsverlauf entwickelte. Mit dieser Frage wird dem besonderen Umstand von AWBB Rechnung getragen, dass durch das offene Ansprechen von Personen ohne Vorkonturierung der Gesprächsinhalte durch die institutionelle Einbindung die Gesprächsinhalte noch schwieriger zu antizipieren sind. Inwiefern ein bestimmter Fokus steuernd eingesetzt wird, sollte hiermit exploriert werden. Der Beratungsverlauf und die Besonderheiten, die sich durch den aufsuchenden Moment ergaben, sollten mittels Freitext festgehalten werden, da dieser Bereich nicht sinnvoll vorab zu standardisieren erschien. In standardisierter Weise wurde hingegen wieder die für den Beratungskontakt unternommenen Kooperationen oder offengelegten Kooperationsbedarfe erfasst. Ziel war es, die in der Literatur beschriebene besondere Relevanz von Kooperationen in der AWBB zu untersuchen. Ein großes Augenmerk wurde vom itb auf den vorletzten Frageblock, dem nach den für das Gelingen der Beratung hilfreichen Kompetenzen, gelegt. Dies ist einerseits im Auftrag begründet, Ankerpunkte für die Entwicklung von Modulen zur Ausbildung von aufsuchenden Weiterbildungsberatenden zu liefern. Andererseits stellt das Format AWBB, wie bereits gezeigt, besondere Anforderungen an die Kompetenzen der Beratenden. Die offene Abfrage der notwendigen Kompetenzen ist vorstrukturiert entlang der Bereiche Haltung, Wissen, Gesprächsgestaltung sowie dem Aufsuchen allgemein. Am Ende des Beratungsprotokolls hat das itb nach der Zufriedenheit mit Verlauf, Gesprächsort und Ergebnis der Beratung gefragt und somit wieder auf die Studie von Strobel (2010a: 37) zurückgegriffen. Diese sollte analog zum Adressat_innenFragebogen über eine vierstufige Skala in Kombination mit einem Freitextfeld, in dem die Entscheidung auf der Skala zu begründen war, erfasst.

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III.1.3.4 Das Fokusgruppen-Interview mit Berater_innen Neben dem Beratungsprotokoll wurde die Perspektive der Projektanbietenden vom itb noch mittels einer Fokusgruppen-Interviews erhoben. Die Idee, Fokusgruppen zu initiieren, kam im Laufe des Projektprozesses auf. Bereits in den ersten Workshops (! Anhang F) wurde deutlich, dass die Projektpartner_innen wertvolle Diskussionsbeiträge zur Kompetenz- und Praxisweiterentwicklung darboten, welche jedoch als solche nicht empirisch eingebunden werden konnten, da sie nicht (systematisch) erhoben worden waren. Als durch die geringe Anzahl an Interviews mit Adressat_innen finanzielle und zeitliche Kapazitäten frei wurden, konnte die Intention, die Projektanbietenden verstärkt einzubinden, jedoch weiterverfolgt werden. Die Entscheidung fiel bezogen auf das Erkenntnisinteresse und das empirische Potenzial auf die Durchführung von Fokusgruppen, denn mithilfe »der Fokusgruppe kann die Qualität einer Veranstaltung oder der Erfolg einer neuen Managementstrategie mit relevanten Akteuren diskursiv ermittelt und gemeinsam eventuelle Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden« (Schulz 2012: 11). Dieses Potenzial entsprach der Intention, differenzierte Beiträge zur AWBB zu erlangen und so einen Beitrag zur praktischen Weiterentwicklung dieser zu leisten. Hierbei lag das Ziel nicht darin, »Übereinstimmungen zwischen den Teilnehmern der Diskussion zu erzielen, sondern möglichst viele unterschiedliche Facetten eines Themas zur Sprache zu bringen« (Schulz 2012: 9). Daher wurden in den Erhebungsprozess nicht nur verschiedene Personen, sondern auch Personen mit unterschiedlichen Projektfunktionen – Personen mit projektleitender Funktion und (ehrenamtliche) Beratenden – vom itb bewusst eingebunden. Der Leitfaden Fragestellungen Auch bei der Konzeption des Leitfadens für die Fokusgruppe wurde vom itb bereits die Anschlussfähigkeit an die Perspektive der Adressat_innen mitbedacht. Die konsequente Ausrichtung an den Forschungsfragen stellte dies sicher. Projektspezifische Fragen zum Ablauf, zur professionellen Umsetzung sowie zu Ergebnissen der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung wurden vom Forschungsteam entwickelt. Darüber hinaus wurden aber auch das Erfahrungswissen und das Potenzial einer Gruppenerhebung über projektspezifische Fragen hinausgehend genutzt und daher Fragen zur thematischen Relevanz und Weiterentwicklung Aufsuchender Weiterbildungsberatung allgemein vom itb entwickelt.

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Der Leitfaden wurde daher in folgende Themenbereiche unterteilt: – Ziele und Konzeption des eigenen Aufsuchenden Weiterbildungsberatungsangebots; – Methodische Konkretisierung: Die Gestaltung des Aufsuchens bei der Kontaktaufnahme und im Beratungsgespräch; – Ergebnisse, Erfolgsfaktoren und Zufriedenheit mit dem eigenen Angebot sowie – Relevanz und Entwicklungspotenziale Aufsuchender Weiterbildungsberatung. Struktureller Aufbau des Leitfadens In Fokusgruppen werden als Diskussionsanregung in der Regel einige wenige offen gehaltene Stimuli verwendet, welche die Diskussion anregen sollen. Streng genommen ließe sich daher konstatieren, dass das Instrument in der hier vorgelegten Studie eine Mischform aus Gruppeninterview und Fokusgruppe ist, da auch teilweise stark vorstrukturierte enge Fragestellungen konzipiert und eingesetzt wurden. Die starke Strukturierung bei projektspezifischen Fragestellungen ermöglicht mit Blick auf die Heterogenität der Projekte jedoch eine Präzision hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Auf diese Weise wurde vom itb sichergestellt, dass die Praxisvielfalt von Aufsuchenden Weiterbildungsberatungsangeboten differenziert nach denselben Kriterien zum Ausdruck kommt. Interessant sind hierbei sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede – Gemeinsamkeiten verdeutlichen Elemente, die sich trotz der praktischen Heterogenität projektübergreifend durchsetzen und haben daher ein besonderes Gewicht; Unterschiede bieten Nachahmer_innen die Möglichkeit ein Projekt gezielt aufgrund konkreter Angaben für den eigenen Zweck auszurichten. Die projektspezifischen Fragen wurden zu Beginn gestellt. Auf diese Weise sollte ein »Rekurrieren auf eigene Erfahrungen […] angeregt« (Mack/Tampe-Mai 2011: 68) und ein niedrigschwelliger Einstieg, welcher eine Diskussion in Gang bringt, geschaffen werden. »Dabei bieten sich Fragen an, die auf faktische Informationen abzielen« (ebd.). Projektübergreifende Fragen, welche die Weiterentwicklung der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung allgemein betreffen, wurden sehr offen gehalten, um hier keine inhaltliche Steuerung vorzunehmen, sondern »den Teilnehmern Freiraum für ihre eigenen Vorstellungen, Meinungen und Prioritätensetzungen [zu] lassen« (Mack/ Tampe-Mai 2011: 68). Sie wurden erst gegen Ende der Erhebung gestellt. Von der strukturellen Konzeption ist der Leitfaden der Fokusgruppe jenem des Adressat_innen-Interviews sehr ähnlich. In tabellarischer Form lassen sich in der ersten Spalte die Hauptfragestellungen vorfinden, zu welchen in jedem Fall eine Antwort generiert werden sollte. Die Nachfragen in der zweiten Tabellenspalte nehmen eine nachrangige Rolle ein und dienen einer Präzisierung,

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sofern bestimmte Inhalte nicht mittels der Hauptfragestellung in Erfahrung gebracht wurden. Sie dienen aber auch der Aufrechterhaltung der Diskussion. In der letzten Tabellenspalte lässt sich das Erkenntnisinteresse vorfinden. »Eine Fokusgruppe dauert in der Regel zwischen anderthalb und drei Stunden« (Schulz 2011: 15). Die Leitfadenlänge wurde daher für eine Fokusgruppenlänge von 90 Minuten konzipiert. Durch die diskursive und auch teilweise offene Gestaltung lagen die Erhebungen jedoch zwischen eineinhalb und drei Stunden. Auswahl und Zugang zur Zielgruppe Bei der Festlegung der Stichprobengröße geht es »darum, dass hinsichtlich der Fragestellung möglichst alle inhaltlich relevanten Varianten von Problemzugängen und Erfahrungen durch wenigstens einen Teilnehmer in der Fokusgruppe repräsentiert sind […] und somit um die ›Reichhaltigkeit an relevanten Informationen‹« (Zwick/Schröter 2011: 31) sicherzustellen. So hat das itb bei der Auswahl der Stichprobe darauf geachtet, dass sowohl Personen mit projektleitender Funktion als auch Beratende selbst vertreten waren. Es wurden insgesamt drei, d. h. pro Projekt eine Fokusgruppe initiiert. Die Entscheidung, die Erhebungen nach Projekten zu trennen, liegt darin begründet, dass auch projektspezifische Aspekte erhoben wurden und nicht nur Metafragen zur allgemeinen Weiterentwicklung der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung. Zudem wird im Diskurs um die Gruppenzusammensetzung von Fokusgruppen auch dafür plädiert mit homogenen Gruppen zu arbeiten, so »dass alle Teilnehmenden gut miteinander sprechen können« (Schulz 2011: 15). Der Zugang zur Zielgruppe konnte über die Projektleitungen hergestellt werden. Sie wurden gebeten, jeweils zwei Beratende für das Vorhaben der Fokusgruppe zu gewinnen, was problemlos gelang. Erhebung der Fokusgruppe Die Fokusgruppen wurden durch das itb alle in Örtlichkeiten der jeweiligen Projektanbietenden geführt. Vorab wurden die Projektleitungen gebeten für eine im Erhebungszeitraum ungestörte Räumlichkeit zu sorgen, was in allen Fällen sehr gut gelang. Zu Beginn wurden durch die Forschenden nochmal das Ziel und die Inhalte der Erhebung sowie die Auswertungsstrategie und die Relevanz einer auditiven Aufnahme transparent gemacht. »Wichtig ist es, zu Beginn die Studie vorzustellen und Hintergrundwissen zu vermitteln, so dass der Kontext, in dem die Fokusgruppe stattfindet, für die Teilnehmer_innen transparent wird. Weitere Hinweise beziehen sich auf die Fragenformulierung und die Reihenfolge der Schlüsselfragen« (Mack/Tampe-Mai 2011: 68). Diese Vorabinformationen wurden auf dem Leitfaden vermerkt, um sicherzustellen, dass alle Projekte die gleichen Informationen erhalten. Im Sinne dieses »informed consent« unter-

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zeichneten vor der eigentlichen Erhebung alle Beteiligten eine Einverständniserklärung. Wenngleich der Leitfaden die Fokusgruppe inhaltlich strukturiert, wurde durch die Interviewenden in der Diskussion auf eine flexible Handhabung der Fragen geachtet. Das Interview wurde hierbei nur durch Fragen unterbrochen, wenn die interviewten Personen nicht schon von selbst Fragen aufgegriffen haben. Auf diese Weise sollte der Diskussionsfluss aufrechterhalten und eine angeregte Diskussion unterstützt werden (vgl. Mack/Tampe-Mai 2011: 75): »Als Kennzeichen einer erfolgreichen Diskussion gilt ein lebendiges Gespräch, das in erster Linie von den Teilnehmern getragen wird. Der Leitfaden dient dem Moderator vor allem als Gedächtnisstütze, soll aber den Gesprächsverlauf nicht determinieren« (Schulz 2011: 17). Nicht zuletzt ist es die Aufgabe der moderierenden Person darauf zu achten, dass sich möglichst viele Personen am Gespräch beteiligen (vgl. Mack/Tampe-Mai 2011: 75). Dieser Intention folgend haben die Interviewenden bei den Fragen die gesamte Gruppe angesprochen und darauf geachtet, dass es keine Individualkommunikationen zwischen der moderierenden Person und einzelnen interviewten Personen gab. Datenaufbereitung und Auswertung Von Interesse für die Auswertung war in erster Linie der Gruppenoutput und somit die Inhalte und Themen, die in der Gruppendiskussion geäußert wurden (vgl. Schulz 2011: 17). Zu diesem Zweck wurden die auditiv aufgenommen Fokusgruppen im Anschluss an deren Erhebung an externe Transkribierenden weitergeleitet, welche sich vor dem Erstellen der Audioabschriften zu einem datensensiblen Umgang mit den Daten verpflichtet hatten. Da der Fokus auf dem Gruppenoutput liegt, fiel auch hier – wie bei den Adressat_innen-Interviews – die Entscheidung hinsichtlich der Auswertungsstrategie auf die strukturierende Inhaltsanalyse und die Auswertung mit der MaxQDA-Software: »Mit wachsender Teilnehmerzahl, Dauer und Anzahl der Fokusgruppen nehmen die Menge und Komplexität des Datenmaterials zu, weshalb sich die Analyse mit QDASoftware empfiehlt« (Zwick/Schröter 2011: 42). Aufgrund desselben Erkenntnisinteresses und ähnlichen Ausgangsfragestellungen konnte bei MaxQDA zu weiten Teilen derselbe Codebaum wie bei den Adressat_innen-Interviews verwendet werden, was sich als ideal für die vergleichende Analyse der beiden Perspektiven erwies. Durch dieselbe kategoriale Zuordnung sind bereits dieselben inhaltlichen Bezüge in der Analyse gegeben. Da die Fokusgruppen auch andere Themen aufgriffen, wie z. B. die Frage nach der Weiterentwicklung der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung wurden teilweise weitere Kategorien festgelegt. Dies geschah zunächst deduktiv, d. h. auf Basis von den Forschungsfragen. Daneben wurden bei der thematischen Zuordnung des Materials in MaxQDA weitere Kategorien entlang des Gesagten, d. h. induktiv gebildet.

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Nach der Zuordnung wurde von den Forschenden auch hier wie bei den Adressat_innen-Interviews eine tabellarische Zuordnung unter Unterüberschriften vorgenommen. Als Unterüberschriften fungierten hierbei sehr häufig auch bereits die Subkategorien, die bereits zu weiten Teilen eine ausreichende thematische Differenzierung darboten.

III.1.4 Rücklauf und Stichprobe Die im Weiteren vorgestellten Ergebnisse rekrutieren sich aus den gewonnen Daten aus den vier Instrumenten, die in der wissenschaftlichen Begleitung des KiLAG-Projektes zum Einsatz kamen: Auf die Fragebögen und Interviews mit den Adressat_innen, auf die Beratungsprotokolle sowie auf die FokusgruppenInterviews mit den Berater_innen (! Kapitel III.1.3). An Adressat_innen-Fragebögen konnte ein Rücklauf bestehend aus 40 ausgefüllten Bögen generiert werden. Von den Beratungsprotokollen, die für jeden Beratungskontakt gemeinsam mit dem Adressat_innen-Fragebogen ein codiertes Paar bilden, konnten 44 Stück generiert werden. Erfreulicherweise ist zu jedem Fragebogen das passende Beratungsprotokoll vorhanden, d. h., es sind 40 komplette Paare und vier Beratungsprotokolle vorhanden, zu denen kein äquivalenter Fragebogen vorliegt. Die Interviews mit den Adressat_innen wurden wie beschrieben über einen dem Fragebogen angehängten Abrisszettel gewonnen. Auf den 40 generierten Adressat_innen-Fragebögen waren elf Einverständniserklärungen zur Kontaktaufnahme bezüglich eines vertiefenden Interviews ausgefüllt. Aus diesen elf Einverständniserklärungen konnten letztlich sechs Interviews geführt werden. Die restlichen fünf wurden aus diversen Gründen nicht realisiert: Die Kontaktdaten waren nicht oder unleserlich angegeben, der Fragebogen kam nach der angegeben Rekrutierungsfrist, die Person konnte auch nach mehrmaligen Versuchen nicht erreicht werden oder die Einverständnis wurde widerrufen. Die sechs geführten Interviews teilten sich mit zwei Interviews aus dem Projekt FERDA und vier Interviews aus dem Projekt forum-b auf diese beiden Standorte auf. Alle interviewten Personen waren weiblich. Die Fokusgruppen wurden pro Standort mit je zwei Beratenden und einer projektleitenden Person durchgeführt. Damit ergeben sich drei durchgeführte Fokusgruppen, die sich jeweils aus zwei Frauen und einem Mann zusammensetzen.

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III.2 Forschungsergebnisse III.2.1 Bildungsverständnisse in den AWBB-Projekten der KiLAG Was, so wollten wir wissen, verstehen in den KiLAG-AWBB-Projekten die Beratenden und die Beratenen unter »(Weiter-)Bildung«, »Weiterbildungsberatung« und »Aufsuchender Weiterbildungsberatung« bzw. (so haben wir auf Wunsch der KiLAG-Steuerungsgruppe die Adressat_innen der KiLAG-AWBBProjekte gefragt), unter »Lernen«? Die grundlegenden begrifflichen Verständnisse der Beteiligten sind hoch bedeutsam, weil sie die Motivation, die Zielrichtung und die Ausgestaltung des Anbieter_innen- und Teilnahmeverhaltens prägen. Auf Seiten derjenigen, die das AWBB-Angebot steuern, werden die Konzeption und die eingesetzten Ressourcen (einschließlich der Kompetenzen, die von Berater_innen gefordert bzw. bei ihnen durch Fort- und Weiterbildung gefördert werden) von diesen Begriffsverständnissen abgeleitet sein. Die Berater_innen werden sich bei der methodischen Ausgestaltung ihrer Beratungsarbeit von ihrem grundlegenden Begriffsverständnis leiten lassen. Und ob das Beratungsangebot von den Adressat_innen nachgefragt bzw. angenommen wird, wird nicht nur von der Passung zu ihrem Bildungs(beratungs-)bedarf abhängen, sondern initial auch von der Passung der Begriffe, mit denen ihnen das Bildungsberatungsangebot präsentiert wird, zu ihrem eigenen Verständnis dieser Begriffe und ihrer eigenen Einstellung dazu (im Fall der KiLAG-AWBB-Projekte z. B. »Lust auf Lernen?«). In unserer itb-/KiLAG-Studie haben wir daher diese Begriffsverständnisse abgefragt, ausgewertet und verglichen. Explizite Abfragen erfolgten auf Seite der Anbietenden im Fokusgruppen-Interview in den Fragen 1.1 und 1.2 und im ersten gemeinsamen Workshop (! Anhang F), auf Seite der Adressat_innen im Adressat_innen-Fragenbogen in den Fragen 1.4 und 1.5 sowie in den Adressat_innen-Interviews im Frageblock 6. Weitere qualitative Angaben zu dieser Thematik, die assoziativ an anderen Stellen im Interview gemacht wurden, haben wir entlang unserer inhaltsanalytischen Auswertungscodes ebenfalls erfasst. III.2.1.1 Verständnisse von »(Weiter-)Bildung« (Beratende) Die AWBB-Projektanbietenden der KiLAG operierten auf der Basis eines weiten (Weiter)Bildungsverständnisses. Wie im ersten gemeinsamen Workshop erarbeitet werden konnte (! Anhang F), verfolgten sie im Anschluss an Lahner (2011), Ribolitis (2009) und Grohall/Höfener (2001) weniger funktionale als vielmehr nicht-funktionale Bildungsziele. Nicht-funktionale oder, wie Lahner sie auch bezeichnet, »zweckfreie« Bildung dient keinem vordefinierten Ver-

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wendungsinteresse des Gelernten (Lahner 2011: 165; vgl. ausführlicher ! Kapitel II.2.1), beansprucht aber, deswegen von nicht geringerem Sinn und Wert zu sein als funktionale, verwendungsbezogene Bildung. Nicht-funktionale Bildung »findet […] ihre ›methodische‹ Entsprechung in der Muße, jener zweckfreien, aber im höchsten Maße sinnvollen Tätigkeit« (Ribolits 2009: 111), die auf eine Persönlichkeitsbildung ausgerichtet ist (vgl. Lahner 2011: 165). Beispiele für das breite, auf nicht-funktionale bzw. zweckfreie Bildung ausgerichtete (Weiter)Bildungsverständnis der KiLAG-Berater_innen stellt das nachstehende Zitat aus einem der Fokusgruppen-Interviews dar (weitere Beispiele folgen in den nachstehenden Teilkapiteln): »Ich sage es so, ich höre was, lese was und lerne das so für mich, also der soziale, der kommunikative Aspekt […] nehmen wir den Begriff Allgemeinbildung einfach mit dazu, das ist ja nicht nur etwa im Bereich Geschichte ein Wissen von bestimmten oder zu lernen von bestimmten Fakten, sondern tatsächlich vielleicht ein Verstehen von Dingen oder auch manchmal ein neu Fragen. Ich komme auf Zusammenhänge, ich verstehe jetzt Dinge besser, oder mir kommen ganz neue Fragen, die ich so vorher noch nicht hatte. Und damit denk ich, wenn ich das so als lebenslangen Prozess auch versteh, ständigen Prozess verstehe und dafür Geschmack machen kann, dass ich eigentlich mit einem, sich dem großen Feld Weiterentwicklung, Weiterbildung auch stelle und das nicht nur aus mir selbst heraus, sondern Impulse von außen, in welcher Form auch immer dazu hole, bleib ich im Prozess. Das macht Lust, das kann Spaß machen, mein Horizont bleibt nicht stehen, ich geh weiter, ich lerne Neues einfach mit dazu und ja, vielleicht erweitere ich damit meinen Bewegungsraum. Bewegungsraum beziehungsweise, also meinen Gedankenraum. Ich komme mit Dingen in Kontakt, setz mich mit Dingen auseinander, die mich vorher vielleicht gar nicht interessiert haben, aber auf die bin ich neugierig geworden. Das wär so eine Idealspur will ich das mal nennen, ja, so n, sicherlich Ideal« (FG 1, Z. 413ff). »Ich könnte noch ergänzen, vielleicht so auch neugierig machen für, für Neues neugierig machen, für eine Weiterentwicklung, für, das was grad schon gesagt wurde, nicht unbedingt mit dem Anspruch, jetzt klassisch, im engeren oder was wir schnell da verstehen, weiterbilden heißt immer tatsächlich Weiterqualifizierung« (FG 1, Z. 311ff). »Also Weiterbildungsberatung im engen Sinne ist glaube ich wirklich so Kompetenzermittlung, das gibt es an Angeboten, das kann man noch (??) ob das hilft und so weiter. Ich glaub’ da spielt noch ein anderer Kontext jetzt speziell auch hier fürs #INSTITUTION 1# eine Rolle, also das ist halt der Begriff der Persönlichkeitsentwicklung, also Lernen als Persönlichkeitsentwicklung. Und das hat auch viel mit Veränderung zu tun, mit wie verändere ich mich in so einem Prozess dann auch noch mal, wie verändert sich mein Gegenüber« (FG 3, Z. 1634).

Insgesamt brachten die KiLAG-AWBB-Berater_innen in den Workshops und in den Fokusgruppen-Interviews ein breites, tendenziell nicht-funktionales, nonformales oder informelles Bildungsverständnis zum Ausdruck. Über formale und funktionale Bildungsziele hinaus streben sie an, den Adressat_innen Fort-

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schritte in der Persönlichkeitsentwicklung und Erweiterungen ihrer Denk-, Handlungs- und Teilhabeoptionen zu ermöglichen. Ohne dass dies in den Interviews explizit benannt worden wäre, dürfte dies von dem auf einem christlichen Menschenbild fußenden Bildungsverständnis der Trägerkirchen und der KiLAG geprägt sein (! Kapitel I.2).15 III.2.1.2 Verständnisse von »Weiterbildungsberatung« (Beratende) Während in der theoretischen Literatur zur Weiterbildungsberatung bislang weithin ein herkömmliches funktional oder formal ausgerichtetes Verständnis vertreten wird, demzufolge Weiterbildungsberatung vornehmlich auf eine »Entscheidungsfindung im Hinblick auf die mögliche Teilnahme an einer Weiterbildung« (Enoch 2011: 92) oder auf die »Auswahl geeigneter Weiterbildungsangebote« (Schiersmann/Remmele 2002: 5) hin ausgerichtet sein soll (! Kapitel II.2.2), zeigten die Berater_innen der KiLAG in den Fokusgruppen-Interviews auch hier sehr viel weiter gefasste subjektive Verständnisse von Weiterbildungsberatung. Sie rekurrierten zwar gelegentlich auf ein klassisches Verständnis von »Weiterbildungsberatung im engen Sinne [als] Kompetenzvermittlung« (FG 3, Z. 1634f), erweiterten dieses aber um psychosoziale Aspekte (vgl. Gieseke 2000: 10f): »Das heißt, deshalb impliziert für mich eben Weiterbildung die berufliche Bildung, dann die sozialen Aspekte, wenn es um die Person geht, wenn es um das Familiensystem geht, dann Bildungsaspekte, wenn es um Bildungsfragen bei Kindern geht, berufliche Sachen. Wenn es um die eigene Ausbildung, die Perspektiven geht. Auch psychosoziale Themen. Das heißt das ist alles für mich Weiterbildung« (FG 2, Z. 1439ff).

In weiteren Interviews wurden als Ziele, an dem die Berater_innen der KiLAG ihre Weiterbildungsberatung ausrichten, explizit benannt: »Persönlichkeitsentwicklung, also Lernen als Persönlichkeitsentwicklung« (FG 3, Z. 1639f, vgl. FG 3, Z. 1661 u. ö.). »Für Neues neugierig machen, für eine Weiterentwicklung […], nicht unbedingt mit dem Anspruch, jetzt klassisch, im engeren oder was wir schnell da verstehen, weiterbilden heißt immer tatsächlich Weiterqualifizierung« (FG 1, Z. 312ff).

Die Interviews zeigen: Unter allen drei KiLAG-AWBB-Projekteanbietenden bestand ein Konsens darüber, dass Weiterbildungsberatung nicht eng auf 15 Die KiLAG hatte ihr Bildungsverständnis ja wie folgt definiert: »Bildung dient der Entfaltung der Persönlichkeit und dem Erwerb sozialer, religiöser, politischer und beruflicher Kompetenzen. Die Anpassung an die sich verändernden beruflichen Anforderungen und die Aneignung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten müssen sich verbinden mit der Förderung des ganzen Menschen« (KiLAG 2002: 1).

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zweckgebundene Bildung bzw. auf formale schulische oder berufliche Weiterqualifizierung begrenzt sein dürfe. Weder die Bildungsberatung noch die Bildungsmaßnahmen oder das Lernen in denselben dürfe nur funktionalen Zwecken, sondern den lernenden Menschen dienen und ihre Persönlichkeitsentwicklung wie auch die Gestaltung ihrer Sozialität fördern können (! Kapitel II.2.1) – ohne wiederum nur darauf eingeengt zu sein. Ein zu enger Fokus wurde als begrenzend wahrgenommen: »Also wenn ich jetzt mit dem Fokus Familienberatung reingehen würde, oder Sozialberatung oder sowas, wäre das für viele ganz, ganz schwierig. Dass wir das dabei haben müssen ist keine Frage für mich. Da kommt uns dann unsere Breite zupass, dass wir da nicht fokussiert sind auf einen Ausschnitt, sondern dass wir die Weiterbildung breit verstehen« (FG 2, Z. 1402ff). »Das heißt, deshalb impliziert für mich eben Weiterbildung die berufliche Bildung, dann die sozialen Aspekte, wenn es um die Person geht, wenn es um das Familiensystem geht, dann Bildungsaspekte, wenn es um Bildungsfragen bei Kindern geht, berufliche Sachen. Wenn es um die eigene Ausbildung, die Perspektiven geht. Auch psychosoziale Themen. Das heißt das ist alles für mich Weiterbildung, und deshalb habe ich auch – sage ich das auch mit einer gewissen Gelassenheit oder auch Selbstsicherheit, dass das für mich alles, praktisch der ganze Bauchladen dann dabei ist, wenn es um Aus- oder Weiterbildungsberatung geht, und wir entsprechend auch flexibel dann auch reagieren können, was die Person für sich als Bedarf im Rahmen dieser Palette der Weiterbildung definiert, ja« (FG 2, Z. 1436ff).

Eine thematische Offenheit sowie eine Offenheit der Zielstellungen der Weiterbildungsberatung wurden in allen drei Fokusgruppen-Interviews als Potenzial herausgestellt. Eine interviewte Person resümierte, dass so die Relevanz des Beratungsangebots für die Zielgruppen erhöht werde: »Und auch glaube ich, dass man immer vermitteln kann, Weiterbildung ist für alle wichtig« (FG 2, Z. 1410f).

Im Projektantrag der KiLAG für ihre drei AWBB-Projekte ist die Zielstellung mit »Entwicklung stärken – Partizipation ermöglichen« sehr viel weiter gefasst als (so wird sich in den nachstehenden Kapiteln zeigen) im Mainstream des Fachdiskurses. Das Bildungsverständnis der KiLAG und ihrer AWBB-Berater_innen ist anschlussfähig an die kritisch-konstruktive Didaktik nach Klafki (2007). Bei Klafki ist die Partizipation an Bildung und am Bildungserwerb grundsätzlich als lebenslanger Prozess verstanden. Der Bildungsbegriff Klafkis ist deshalb auch wesentlich gesellschaftskritisch und schließt die Ausprägung von drei Grundfähigkeiten des lernenden Menschen ein: Einmal soll Bildung die Befähigung des Einzelnen sein, über sein Leben und seine sozialen Beziehungen selbst bestimmen und auch sich für spezifische Sinndeutungen entscheiden zu können;

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Partizipation heißt bei Klafki immer zuerst die Möglichkeit, aber auch die Fähigkeit, der Mitbestimmung und Mitgestaltung gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse. Die dritte Grundfähigkeit soll darin bestehen, Menschen zu Solidarität und Engagement zu befähigen für solche, die von Selbst- und Mitbestimmung ausgeschlossen sind. Klafki steht hier in der protestantischen Bildungstradition nach Johann Amos Comenius, wonach »Bildung für alle« bedeutet, allen Menschen Zugänge zu Bildung und zum Bildungserwerb zu ermöglichen, was wiederum kognitive, handwerklich-technische, soziale, ästhetische, religiös-ethische und politische Kompetenzen und Urteilsfähigkeiten miteinschließt. Didaktisch bedeutet dieser Bildungsbegriff die pädagogische Kampfansage gegen politische und soziale Verhältnisse, die dem Erwerb oben genannter Grundfähigkeiten entgegenstehen. Demgegenüber sollen Lern- und Bildungsprozesse gewagt werden, die auf Selbst- und Mitbestimmung, Solidarität und Urteilsfähigkeit zielen. Jede Bildungsveranstaltung sowohl im formalen als auch non-formalen Bereich muss eine Befähigung zur Selbstbestimmung und Solidaritätsfähigkeit beinhalten. III.2.1.3 Verständnisse von »Aufsuchender Weiterbildungsberatung« (Beratende) Aufsuchende Weiterbildungsberatung (AWBB) stellt den Versuch dar, die Zielgruppen und die Zielstellungen der Weiterbildungsberatung in einer GehStruktur besser zu erreichen als es in der Komm-Struktur institutioneller Beratungsangebote möglich ist. Im Fachdiskurs werden theoretisch drei Typen der AWBB unterschieden, die das »Aufsuchende« der AWBB jeweils unterschiedlich ausgestalten: – die Mobile Beratung als Beratung in für die Zielgruppe in »leicht zugänglichen öffentlichen Räumen« (Schröder/Schlögl 2014: 31); – die Aufsuchende Beratung als tatsächliches Aufsuchen von Orten, »die den Alltagssituationen und dem jeweiligen Lebensraum von Menschen entsprechen« (Schröder/Schlögl 2014: 31f); – die in-home-Beratung als Beratung in der Wohnung der Adressat_innen (vgl. Kreft/Mielenz 2005: 929; Sweet/Applebaum 2004: 1435f). Auch die drei vorgestellten AWBB-Teilprojekte der KiLAG (! Kapitel I.2) realisieren die Ausgestaltung des Aufsuchens in unterschiedlicher Weise: Im Projekt BOBBI-Mobil wird eine im theoretischen Sinne reine Form des Aufsuchens praktiziert, indem lebensweltliche Kontexte wie Flohmärkte oder Stadtteilfeste aufgesucht werden. Die Projekte FERDA und forum-b realisieren eher den Typ der mobilen Beratung: In diesen beiden Projekten findet die Weiterbildungsberatung in öffentlich zugänglichen Räumen wie Kulturvereinen oder Stadt-

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teilzentren statt. Ergänzt wird diese mobile Form bei FERDA um in-home-Beratungen, die bei Bedarf durchgeführt werden. Aus dieser Vielfalt ihrer Praxis entwickelten die mitwirkenden KiLAG-Berater_innen im ersten Workshop mit dem itb-Team folgende eigene Definition Aufsuchender Weiterbildungsberatung der KiLAG: »Aufsuchende Weiterbildungsberatung sucht die Adressat_innen nach den Prämissen des Lebenswelt- und Sozialraumbezugs an zielgruppenspezifischen Orten, per Streetwork oder im häuslichen Kontext auf. Mittels authentischer und offener Haltung wird ein auf Freiwilligkeit basierendes Setting ermöglicht, in dem sich die Adressat_innen sicher, wohl sowie ernstgenommen fühlen« (! Anhang F).

In dieser Arbeitsdefinition wird sinnvollerweise spezifiziert, wie die KiLAG ausgestalten will, was das unterscheidend Besondere der AWBB gegenüber konventionellen Weiterbildungsberatungsangeboten ist: nämlich das Aufsuchen. Auffallend ist gleichwohl, dass die Zielstellung der Arbeit hier offenbleibt. Vielfalt und konzeptuelle Offenheit reflektieren die Berater_innen der KiLAG auch in den Fokusgroup-Interviews: »Also zum einen ist für mich klar, dass man so einen Begriff Aufsuchende Weiterbildungsberatung nicht isoliert sehen kann. Also das was ich so in dem Projekt jetzt auch gelernt hab und durch ihre Rückmeldung und auch in den anderen Projekten. Also es gibt jetzt nicht ›das‹ Angebot Aufsuchende Weiterbildungsberatung« (FG 3, Z. 1849ff). »Ich könnte noch ergänzen, vielleicht so auch neugierig machen für, für Neues neugierig machen, für eine Weiterentwicklung, für, das was grad schon gesagt wurde, nicht unbedingt mit dem Anspruch, jetzt klassisch, im engeren oder was wir schnell da verstehen, weiterbilden heißt immer tatsächlich Weiterqualifizierung« (FG 1, Z. 311ff).

AWBB, so lässt sich zusammenfassend festhalten, kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein; dabei variiert formal vor allem der Grad der Mobilität. Die KiLAG realisiert in ihren Projekten von der mobilen Beratung über die aufsuchende Beratung bis hin zur in-home-Beratung alle bisher bekannten Typen der AWBB. Die Beratenden haben auch von daher ein variables Verständnis von AWBB.

III.2.1.4 Verständnisse von »Lernen« (Beratene) Das Bildungsverständnis, die subjektiven Einstellungen zu Bildung und die Bildungs(beratungs-)bedarfe der Adressat_innen der KiLAG-AWBB-Projekte wurden in der itb-/KiLAG-Studie auf Wunsch der KiLAG-Steuerungsgruppe unter dem Stichwort »Lernen« abgefragt (Adressat_innen-Interview, Fragen 6.1 und 6.2). U. a. mit diesem Stichwort wird den Adressat_innen bei BOBBI-Mobil auch das Beratungsangebot präsentiert.

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Subjektive Bewertung von Lernen Die befragten Adressat_innen der KiLAG-AWBB-Angebote bewerteten »Lernen« durchweg als wichtig, aber aus verschiedenen Gründen. Einige schätzten den persönlichen (Er-)Kenntnisgewinn: »[…] man erweitert seinen Horizont würde ich jetzt sagen. […] Man macht sich wieder offen finde ich für andere Themen« (AI 3-031, Z. 393ff). »Ah, weil wir haben dann viele Kenntnisse, und dann haben wir mehr Möglichkeiten in einem Job oder in einem Thema. Nicht nur um zu arbeiten, sondern auch ein Thema beherrschen, ein Thema kennen, über dieses Thema unsere Meinungen zu sagen, weil wir kennen diese Thema« (AI 2-060, Z. 318ff).

Für andere war bedeutsam, dass »Lernen« die Chancen auf berufliche und gesellschaftliche Teilhabe erhöht. Sie standen also dem o. a. funktionalen Bildungsverständnis nahe (! Kapitel II.2.1): durch Lernen bzw. Bildung sollen gute Noten und/oder formale Bildungsabschlüsse erreicht und damit Chancen auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt oder berufliches Aufstiegschancen verbessert werden. Durch Lernen »kann man viel erreichen« (AI 3-030, Z. 181): »[…] dass man einen guten Schulabschluss hat und auch guten Ausbildungsplatz oder Studienplatz oder irgendwas kriegt« (AI 3-031, Z. 416f).

oder »[…] dass sie dann auch weiterkommen, Aufstiegsmöglichkeiten haben und es denen gut geht« (AI 3-052, Z. 378f). »Dies ist wichtig, denn wenn wir nicht lernen haben wir nicht so viele Möglichkeiten« (AI 2-060, Z. 327f).

Die Relevanz von Lernen lag für einige befragte Adressat_innen auch in der Steigerung oder im Erhalt der geistigen Beweglichkeit und der Alltagsbewältigungskompetenz. Es solle helfen, »[…] fit zu bleiben, mitzuhalten […]« (AI 3-052, Z. 339f),

damit »[…] kein Stillstand […]« (AI 3-028, Z. 832) eintritt. »Man bleibt doch im Kopf fit und man fühlt sich doch, man liebt sich doch selber ein bisschen, dass man was macht – egal was« (AI 3-028, Z. 833ff). »Man muss das machen, sonst kennt man sich auch nicht mit vielen Sachen aus« (AI 2-042, Z. 271f);

Lernen wurde in diesem Zusammenhang als »[…] etwas Konstantes […]« (AI 2-042, Z. 271) d. h. als lebenslange Aufgabe verstanden. Eine Erzählerin stellte in

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diesem Zusammenhang explizit die Relevanz von Lernen für ältere Menschen heraus: »Allgemeinwissen, ganz wichtig für uns Ältere, man verblödet langsam aber sicher, hat gar nix mit Alzheimer zu tun« (AI 3-028, Z. 826f).

Nicht zuletzt betonte eine Adressatin die psychosoziale Relevanz von Lernen: »Wenn man seine Perspektive verloren hat. Und man dann bereit ist, einen neuen Weg zu gehen und sich dann auf was Neues einlässt, und dann kann man diesen neuen Weg mit lernen ein bisschen besser bestreiten.« (AI 3-030, Z. 166ff)

Insgesamt lässt sich feststellen, dass diejenigen Adressat_innen, die sich für vertiefende Interviews zur Verfügung gestellt hatten, »Lernen« durchweg als relevant bewerteten. Welcher Art die dem Lernen zugeschriebene Bedeutung war, unterschied sich je nach Kontext: Im Blick auf die eigenen Kinder wurde eher die funktionale Bedeutung (Zugang zu akademischen Bildungschancen oder angestrebten beruflichen Werdegängen) hervorgehoben. Für sich selbst und andere sahen die befragten Frauen eine breiter gefächerte Relevanz von »Lernen«: subjektiven Erkenntnisgewinn, Gewinn an Alltags- und Lebensbewältigungskompetenz, kognitive Fitness etc. Lernmotivation Die Adressat_innen, mit denen ein Vertiefungsinterview geführt werden konnte, präsentierten sich als lernmotiviert; zwei sagten von sich selbst, dass sie sehr gerne lernen (AI 3-028, Z. 810), und drei sprachen davon, dass sie eher gerne lernen (AI 2-060, Z. 284; AI 3-030, Z. 142 oder AI 3-052, Z. 301). Sowohl aufgrund der kleinen Zahl der Interviewten (n=6) als auch aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den Befragten um eine durch Selbstselektion getroffene Positiv-Auswahl von Freiwilligen handelt, die sich nach der Fragebogenbefragung noch zu einem Adressat_innen-Interview zur Verfügung gestellt haben, kann dieses Ergebnis quantitativ nicht als repräsentativ für die Gesamtgruppe der Adressat_innen der KiLAG-AWBB-Angebote angesehen werden. Besonders aufschlussreich sind aber die nachstehenden qualitativen Aussagen zur Lernmotivation. Aus Sicht der Erzählerinnen ist die Lernmotivation die notwendige Voraussetzung für eine (dauerhafte) Teilnahme an Bildungsangeboten. »Lust auf Lernen« bildet im Sinne eines inneren Motivators die Grundlage, auf der die erforderlichen Anstrengungen erbracht werden können: »Manchmal sollte man einfach mehr Lust dazu haben, was vielen Leuten schwerfällt« (AI 3-030, Z. 155ff);

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»Ich denk es wäre schon eine Überwindung mit dem Lernen. Aber wie gesagt, wenn mir das dann Freude macht, dann ist da wirklich auch dann Lust daran das zu lernen« (AI 3-031, Z. 370ff). »Aber es macht Spaß. Und wenn ich jetzt die Chance habe quasi daran teilzunehmen, dann habe ich auch wirklich Lust auf Lernen. Sonst hätte ich nicht gesagt ich setze mich freiwillig rein« (AI 3-052, Z. 314ff).

Als Faktoren, von denen die Lernmotivation abhängt, wurden genannt: – die Passung von subjektivem Interesse und thematischer Ausrichtung des Bildungsangebots: »Wenn es was ist, was mich interessiert und ich will das auch gut verstehen, dann bin ich schon bereit, da zu lernen« (AI 3-031, Z. 361f);

– die Chancenverbesserung durch die erworbenen Kompetenzen oder Bildungsabschlüsse, ergeben sich durch das Lernen z. B. bei keinen beruflichen Perspektiven, sinkt die Lernmotivation: »Aber ich denke, ich lerne hier nichts weiter; gar nichts für mich, als Frau gar nichts, als Person. Und für mich Lernen ist sehr wichtig. Egal was für Alter man ist, man muss neue Sachen entdecken, man muss Sprachen, Leute, Kultur. Und für mich das Lernen gehört zu dem täglichen Leben. Von daher besuche ich Kurse, oder versuche ich mich anzumelden: Sprachkurse, Kochkurse – irgendwelches zu machen. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder. Wobei ich in den letzten 12 Monaten, in den letzten 2 Jahren eigentlich, ja, keine Lust mehr habe« (AI 2-042, Z. 184ff).

Diese Ergebnisse deuten, wenn auch indirekt, auf die Relevanz einer Aufsuchenden Weiterbildungsberatung hin: Was oben schon der wissenschaftlichen Literatur zum Thema entnommen wurde (! Kapitel II.2.3 und II.2.4), bestätigt sich in unserer itb-/KiLAG-Studie: Fehlende Lernmotivation oder innere Widerstände können die Teilhabe an Bildung verhindern. Die Lernmotivation durch AWBB zu fördern, könnte ein zentrales Brückenglied sein. Laut Aussagen der von uns Befragten kommt es dabei entscheidend darauf an, dass in der Beratung in zweierlei Hinsicht eine Passung erreicht wird: – eine thematische Passung von Lerninhalten der vermittelten Weiterbildung und subjektivem Lerninteresse der individuellen Adressat_innen; – eine perspektivische Passung der mit der empfohlenen Weiterbildungsmaßnahme erreichbaren Weiterqualifikation und den Perspektiven, die den Adressat_innen damit tatsächlich eröffnet werden, d. h. vor allem davon, ob die erfolgreiche Teilnahme auch mehr Erfolg auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt ermöglicht (wobei auch die Vorqualifikation und Eignung der individuellen Adressat_innen berücksichtigt werden muss).

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Die Motivation, sich weiterzubilden, steigt mit der thematischen Passung und mit der Perspektiveneröffnung durch die empfohlene Weiterbildung: Die Weiterbildung muss dem subjektiven Lerninteresse der Beratenen entsprechen und sie muss ihre Perspektiven auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt realistisch erhöhen. Hieraus ergibt sich ein konzeptioneller und ein politischer Auftrag für die Erweiterung von Weiterbildungs(beratungs-)angeboten. III.2.1.5 Zusammenfassung Die KiLAG-AWBB-Berater_innen zeigten inhaltlich ein breites, tendenziell nicht-funktionales, non-formales oder informelles Verständnis von (Weiter-)Bildung und Weiterbildungsberatung. Über formale und funktionale Bildungsziele hinaus streben sie an, den Adressat_innen Fortschritte in der Persönlichkeitsentwicklung und Erweiterungen ihrer Denk-, Handlungs- und Teilhabeoptionen zu ermöglichen. Bildung soll nicht nur funktionalen Zwecken dienen, sondern dem lernenden Menschen, der Entwicklung seiner Persönlichkeit, seiner Sozialität und seinen gesellschaftlichen Teilhabechancen. Dasselbe machten die KiLAG-Berater_innen für ihre Beratungstätigkeiten geltend: In ihrer AWBB wollen sie inhaltlich nicht nur über Bildungsmaßnahmen zur Kompetenzvermittlung beraten, sondern darüber hinaus psychosoziale Themen in ihre Beratungen einbeziehen. Das sehr weit gefasste Bildungsberatungsverständnis der Berater_innen entspricht der programmatischen Weite, mit der auch ihre Trägerin die drei AWBB-Projekte überschrieben hat: »Entwicklung stärken – Partizipation ermöglichen« (Projektantrag der KiLAG 2014) und ist anschlussfähig an Klafkis Konzept der kritisch-konstruktiven Didaktik. Formal realisierte die KiLAG in ihren Projekten von der mobilen Beratung über die aufsuchende Beratung bis hin zur in-home-Beratung alle bisher bekannten Typen der AWBB; auch von der Weite ihrer Angebotspalette her haben die Berater_innen ein weites Verständnis von AWBB. Die befragten Adressat_innen der KiLAG-AWBB bewerteten Bildung bzw. »Lernen« durchweg als relevant. Welcher Art die dem Lernen zugeschriebene Bedeutung war, unterschied sich je nach Kontext: Im Blick auf die eigenen Kinder wurde eher die funktionale Bedeutung (Zugang zu akademischen Bildungschancen oder angestrebten beruflichen Werdegängen) hervorgehoben. Für sich selbst und andere sahen die befragten Frauen eine breiter gefächerte Relevanz von »Lernen«: subjektiven Erkenntnisgewinn, Gewinn an Alltags- und Lebensbewältigungskompetenz, kognitive Fitness etc. Die Befragung der Adressat_innen ergab: Die Motivation, sich weiterzubilden, steigt mit der thematischen Passung und mit Perspektiveneröffnung durch die empfohlene Weiterbildung. Die Weiterbildung muss dem subjektiven

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Lerninteresse der Beratenen entsprechen und sie muss ihre Perspektiven auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt realistisch erhöhen. Hieraus ergibt sich ein konzeptioneller und ein politischer Auftrag für die Erweiterung von Weiterbildungs(beratungs-)angeboten.

III.2.2 Zielsetzungen, Teilnahmemotivationen, Potenzialeinschätzungen in den AWBB-Projekten der KiLAG Welche konzeptionellen Ziele verfolgten die KiLAG-Berater_innen in ihren AWBB? Danach haben wir sie in jedem der drei Projekte in Fokusgruppen-Interviews befragt, explizit im Fragenblock 1 und in der Frage 4.1. Weitere qualitative Angaben zu dieser Thematik, die assoziativ an anderen Stellen im Interview gemacht wurden, haben wir entlang unserer inhaltsanalytischen Auswertungscodes ebenfalls erfasst. Auf Seiten der Adressat_innen wurden parallel dazu in den Fragen 1.2 und 3.1 der Adressat_innen-Interviews die Teilnahmemotivationen der Beratenen erfragt – welche Voraussetzungen müssen auf Seite der Beratenen gegeben sein, damit die angebotene Beratung überhaupt in Anspruch genommen wird und ihr Potenzial entfalten kann? Die o. a. Fragen wurden darüber hinaus auch im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung (in den itb-/KiLAG-Workshops) diskutiert. III.2.2.1 Konzeptionelle Ziele (Beratende) Die übergeordnete Zielrichtung einer aufsuchenden Weiterbildungsberatung sehen KiLAG-Berater_innen in Übereinstimmung mit dem zum bildungspolitischen Fachdiskurs (! Kapitel II.2.1) in der Förderung von Bildungschancen und gesellschaftlicher Teilhabe: »Teilhabe an der Gesellschaft, mitgestalten können« (FG 1, 1691f). »[…] partizipieren, in irgendeiner Form, ob es jetzt die Bildungseinrichtungen mit umbauen oder ob sie selber was anbieten, oder ob sie an Bildung teilhaben können, unabhängig vom Geldbeutel, oder von sonstigen Themen« (FG 1, Z. 2066ff). »[…] ein gesellschaftlicher und politischer Anspruch, Menschen die hier in Deutschland leben […], dass die partizipieren, in irgendeiner Form, ob es jetzt die Bildungseinrichtungen mit umbauen oder ob sie selber was anbieten, oder ob sie an Bildung teilhaben können, unabhängig vom Geldbeutel, oder von sonstigen Themen« (FG 2, Z. 2063ff).

Dies zu ermöglichen, wird als »Hauptfaden« (FG 1, Z. 1693) der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung beschrieben.

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Um diese übergeordnete Zielsetzung zu erreichen, verfolgen die Beratenden in den KiLAG-Projekten im Einzelnen die konzeptionellen Teilziele: – Sozialraumorientierung, – Integration, – Inklusion und – Lebensweltorientierung. Die Überlegungen zur Lebensweltorientierung und Sozialraumorientierung sind eng anschlussfähig an die theoretischen Erkenntnisse von Bremer und Kleemann-Göhring (2014: 15) zur Relevanz einer Lebensweltorientierung bei der Aufsuchenden Bildungsarbeit und zur Inklusion, die durch die Überwindung der doppelten Distanz erreicht werde (ebd.: 20). Auch Gergerli und Gruber sprechen im Zusammenhang von aufsuchender Arbeit bei der Zielgruppe der Migrantinnen davon, dass diese Arbeit die Integration befördere (Gergerli/ Gruber 2014: 219). Ebenso wird der Konnex zu den Befunden zur Relevanz der Sozialraumorientierung hergestellt (Grieger 2005; Kraft 2011 sowie Schröder/ Schlögl 2014). So konnte in den Kapiteln II.2.2 und II.2.3 aufgezeigt werden, dass eine lebensweltliche und sozialräumliche Bezugnahme für die Überwindung einer doppelten Distanz von Relevanz ist. Sozialraumorientierung Durch die Verortung im Sozialraum wollen KiLAG-Berater_innen Suchbewegungen der Beratenen erleichtern und zu deren Aktivierung beitragen (vgl. Hinte 2006: 9), wie auch das nachfolgende Zitat aus einer Fokusgruppe der itb-/ KiLAG-Studie zum Ausdruck bringt: »Und zum einen das Finden erleichtern, indem wir halt vor Ort solche Angebote dann auch machen und gezielt jetzt auch mit dem Kontext Beratung, also über das Weiterbildungsangebot hinaus. Und das andere auch das Suchen zu erleichtern. Also es ist viel schwieriger, etwas zentral irgendwo zu suchen, als wenn es dezentral direkt im Lebensumfeld ist« (FG 3, Z. 159ff).

Zugleich betreiben sie die Vernetzung und Kooperation mit den relevanten Stakeholdern im Sozialraum (vgl. Hinte 2006: ebd.). Auch Berater_innen in Fokusgruppen-Interviews beschrieben dies als elementar : »Diese Sachen laufen inzwischen ich glaube aufgrund unseres Netzwerkes« (FG 2, 205f).

Die Auswertung der Beratungsprotokolle zeigt, dass die KiLAG-Berater_innen in knapp 40 % der Beratungen an andere Einrichtungen in ihrem Netzwerk weiterverwiesen (! Kapitel III.2.9.2).

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Integration Unter »Integration« wird im Fachdiskurs verstanden, Menschen in das bestehende System und in vorhandene Institutionen einzufädeln (vgl. Röh 2009: 73). Dies wird auch in der AWBB der KiLAG angestrebt, wenn es ihnen, wie das folgende Zitat zeigt, darum geht, dass Menschen, »[…] die jetzt schon irgendwie sich abgehängt fühlen oder abgehängt wurden, sich selbst rausgenommen haben aus dem System oder so Erfahrungen gemacht haben, ausgeschlossen zu werden, dass man da halt hinterher geht« (FG 3, Z. 1950ff).

Inklusion Über den Integrationsgedanken hinausgehend brachten die Berater_innen in den Fokusgruppen den Gedanken der Inklusion als Leitorientierung ihrer Arbeit zum Ausdruck. Dies zeigte sich in den Interviews daran, dass nicht nur den Anspruch benannt wurde, bildungsungewohnte Menschen in bestehende Angebote zu integrieren, sondern umgekehrt auch eine Anpassung der Angebotslandschaft an die gesellschaftliche Vielfalt gefordert wurde. Diese Überlegungen der Beratenden sind eng anschlussfähig an theoretische Konkretisierungen des Begriffs Inklusion: »Die Idee des ›Normalen‹ und damit die Möglichkeit, bestimmte Personen als ›unnormal‹ an den Rand zu drängen, wird aufgegeben« (Röh 2009: 73). Konkret bedeutet dies aus Sicht der Beratenden für die AWBBB, dass Weiterbildungsangebote inhaltlich und strukturell der Vielfalt unserer Gesellschaft angepasst werden müssen. Die Berater_innen einer Fokusgruppe sahen hierbei die Wünsche, Erfahrungen, Erwartungen der Zielgruppe als Ausgangspunkt (FG 1, Z. 64f) für die Gestaltung von Programmen und Angeboten. Eine ehemalige Kursteilnehmerin und heutige Beraterin aus dem Projekt FERDA, das ja insgesamt eine inklusionsfördernde Konzeption hat (! Kapitel I.2.3),16 formulierte ihre Identifikation mit dem Inklusionsverständnis so: »Was wunderbar ist und war : die Frauen dürfen sich aussuchen oder dürfen fragen, was sie selber wollen. Also Kurse nach ihren Wünschen. Man achtet auf ihr Niveau und Rhythmus. Und dann werden Kurse gebildet für bestimmte Frauen, die nicht an einem normalen Kurs teilnehmen kann, weil sie vielleicht nicht zahlen können oder mit Kindern hat sie keine Zeit oder sie hat keine Kinderbetreuung. Und da haben viele Frauen von diesem System profitiert. Und dann haben sie nach und nach sich getraut, zu 16 Ferda möchte das Profil der angebotenen Kurse an den Bedarfen der Zielgruppen ausrichten, zu denen »Menschen aus unterschiedlichen Milieus, unterschiedlichem Bildungsstand (Analphabetin bis Hochschulabschluss), unterschiedlichen Herkunftsländern, unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit, unterschiedlichsten Alters und unterschiedlicher beruflicher Situation, darunter auch Frauen (und Männer) mit unsicherer und prekärer Situation« zählen (online: https://hdf-reutlingen.de/haus-der-familie/thema_verz.php?Fach bereichNr=3.0).

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sagen okay, wir wollen das hier und wir wollen beratend sein, wir wollen dieses Thema besprechen, wir wollen Politiker haben. Und da hat immer FERDA auf alle diese Wünsche gehört und ermöglicht. Das finde ich ganz toll an diesem System« (FG 2, Z. 105ff).

Lebensweltorientierung Eng verknüpft mit dem Inklusionsgedanken ist die Ausrichtung an der Lebenswelt der Adressat_innen: Den Ausgangspunkt für die Beratung bildet die lebensweltliche, alltagsnahe Bezugnahme auf subjektive Bedarfe und Themen der Zielgruppe (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 97). So wird es auch bei der KiLAG gesehen: »Das war halt entweder natürlich das Interesse für das Thema Weiterbildung wecken, wenn möglich. Aber erstmal überhaupt die Leute da auffangen, wo sie gerade sind, an welchem Stand, welcher Stand bei ihnen überhaupt ist. Weil sonst bringt das gar nichts, wenn wir nur informieren, Informationsberatung, wenn jemand dafür gar nicht offen ist, das wäre nicht sinnvoll. Das ist ja nicht das, worum es hier im Projekt geht.« (FG 3, Z. 429ff).

Zusammenfassend lässt sich auf Basis der Fokusgruppen-Interviews und der Beratungsprotokolle feststellen, dass die KiLAG-Berater_innen die Intention einer bedingungslosen Teilhabe an Bildung verfolgen und dazu als konzeptuelle Teilziele Sozialraumorientierung, Integration, Inklusion und Lebensweltorientierung anstreben. Dies hat sich auch im Rahmen der wissenschaftlichen Konzept- und Prozessbegleitung (d. h. in den itb-/KiLAG-Workshops) als projektübergreifender Konsens gezeigt (! Anhang F).

III.2.2.2 Teilnahmemotivationen (Beratene) Weshalb haben sich die Beratenen auf die AWBB eingelassen und daran teilgenommen? Die Teilnahmemotivationen bilden die Voraussetzung dafür, dass AWBB in Anspruch genommen wird und ihr Potenzial entfalten kann. Sie wurde bei den Beratenen, die sich zu einem Adressat_innen-Interview bereit erklärt haben, explizit mit den Fragen 1.2 und 3.1 abgefragt; alle Befragten wurden im Fragebogen (Frage 11) auf ihre Zufriedenheit mit ihrer finanziellen Situation hin befragt. Ein Vorbefund aus einer bestehenden Studie lautet, dass Personen, die Weiterbildungsberatung in Anspruch nehmen, tendenziell unzufrieden mit ihrer eigenen finanziellen Situation sind (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015). Diese Tendenz bestätigt sich tendenziell auch in der itb-/KiLAG-Studie: nur ca. 26 % der Beratenen schätzten ihre finanzielle Situation als gut ein, ca. 57 % als eher schlecht (25,7 %) oder schlecht (31,4 %).

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Eher Eher Schlecht gut schlecht Meine finanzielle 9 6 9 11 Situation ist (25,7 %) (17,1 %) (25,7 %) (31,4 %) Abbildung 6: Zufriedenheit der Beratenen mit ihrer finanziellen Situation Merkmal

Gut

MW 2,63 +/ - 1,19

Qualitativ nannten die Beratenen als Motivatoren für die Teilnahme an der Beratung: – Seelischen oder finanziellen Druck, Unzufriedenheit mit der persönlichen Situation und Veränderungswünsche, wofür die nachstehenden Zitate Beispiele geben: »Ja, weil es meine Stimmungslage grade so zuließ. Also wenn es mir gut geht bin ich nicht so gesprächsbereit, und wenn es mir einfach schlecht geht, dann bin ich froh, wenn ich den Ballast ein bisschen abladen kann und dann – das war eigentlich der Grund« (AI 3-030, Z. 68ff). »[…] Zukunftsängste und, ja, einen Partner, der halt auch total neben der Spur war« (AI 3-028, Z. 18f).

– Zuvor aufgebaute persönliche Beziehung und Vertrauensverhältnis zu den Beratenden: »Weil wir hatten immer Kontakt während dieser Gruppe. Und wir bleiben immer in Kontakt, entweder über E-Mail oder per SMS. Und sie wusste schon meinen Fall, irgendwie sind wir auch befreundet geworden. Und sie kümmert sich über mich. Sie fragt mich – nicht täglich, aber immer ab und zu – ›Wie geht’s, was ist mit deinem Leben, mit dir, mit dies und das‹. Und weil sie weiß mein Fall hat sie mich gefragt – und deshalb habe ich sie um einen Beratungstermin gebeten, und es hat geklappt« (AI 2-042, Z. 75ff). »Weil sie war auch ein paarmal vorher hier zum Tee trinken und auch bisschen sprechen« (AI 2-060, Z. 73f). »Und beide Damen dann eigentlich Zutrauen gehabt hab« (AI 3-031, Z. 100f). »Es war halt einfach eine gute Atmosphäre, wo man sich öffnen kann und wo man dann Vertrauen hat zueinander, miteinander und, ja.« (AI 3-052, Z. 109f).

Im zweitgenannten Punkt decken sich unsere empirischen Ergebnisse mit den theoretischen Vorannahmen von Fortmann (2012) und Fröhlich/Mitschka (2004), dass vor der eigentlichen Beratungsarbeit die Beziehungsarbeit stehe. Wir können diese Annahme durch unseren empirischen Befund stützen: Die Teilnahmemotivation von Adressat_innen der KiLAG-AWBB hing davon ab, ob ihnen die Berater_innen oder der Beratungskontext vertraut waren und vertrauenswürdig erschienen. Vorgängige Kontaktarbeit ist eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende AWBB. Bei der KiLAG fungierten dabei nicht Dritte

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als »Vertrauenspersonen«, sondern die Berater_innen selbst stellten sich überwiegend selbst als Kontaktpersonen zur Verfügung. III.2.2.3 Potenzialeinschätzungen in den AWBB-Projekten der KiLAG Die Frage nach den Potenzialen einer Aufsuchenden Weiterbildungsberatung drängt sich vor dem Hintergrund des wenig erforschten Themenbereichs und Überlegungen zum Fortbestand und Weiterkonzipierung von Aufsuchenden Angeboten auf. Braucht es tatsächlich ergänzend zu bereits bestehenden Angeboten der Weiterbildungsberatung noch neue, aufsuchende Weiterbildungsberatungsformate? Vorstudien hatten ergeben (vgl. o.), dass die Weiterbildungsbereitschaft »[…] u. a. durch motivationale, soziodemografische und kontextbezogene Faktoren« (von Hippel/Tippelt 2011: 804) beeinflusst wird, bzw. welche hemmenden Faktoren die Weiterbildungsbereitschaft herabsetzen: Allgemeine Einstellungen bzw. fehlende Nutzenerwartung, Lerndispositionen, Präferenzen für bestimmte Lernmethoden, persönliche Lebenssituation, hemmendes oder förderndes persönliches Lernumfeld, angebotsbezogene Weiterbildungsbarrieren sowie Weiterbildungstransparenz, Informations- und Beratungsbedarf (Kuwan 2011: 393) (! Kapitel II.2.3 und II.2.4). Bremer und Kleemann-Göhring vertreten unter dem Stichwort der »doppelten Distanz« die Annahme, dass sich einerseits bildungsungewohnte Adressat_innen von Weiterbildungsangeboten aus den verschiedensten Gründen von den Weiterbildungseinrichtungen fernhalten, und andererseits die Weiterbildungsinstitutionen bzw. die in ihnen arbeitenden Berater_innen in einer schwer überbrückbaren Distanz zu den Lebenswelten der Bildungsungewohnten stehen (vgl. Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 28) (! Kapitel II.2.3). Besteht diese theoretisch postulierte »doppelte Distanz« tatsächlich, und hat die AWBB das Potenzial, diese zu überwinden? Wir haben die KiLAG-Berater_innen dazu in den drei Fokusgruppen-Interviews der vorliegenden itb-/KiLAG-Studie explizit befragt (Frage 4.1) und entlang unserer inhaltsanalytischen Auswertungscodes auch Aussagen erfasst, die die Beratenden oder die beratenen Adressat_innen an anderen Stellen hierzu getroffen haben. Die KiLAG-Berater_innen bestätigen Bremer/Kleemann-Göhrings These von der doppelten Distanz aus ihrer praktischen Erfahrung. Sie benennen vorwiegend Vorbehalte, Artikulationshürden und Ängste als Gründe dafür, dass sich die Zielgruppe von Beratungsangeboten fernhält, wie die nachfolgenden Ausführungen aufzeigen. Das direkte Zugehen auf Personengruppen in ihrem Sozial- und Lebensraum und die Orientierung an der Lebenswelt und den Bedarfen der Adressat_innen können nach ihrer Einschätzung dazu beitragen, die Distanz zwischen den Adressat_innen zu Weiterbildungs(beratungs-)angeboten zu überwinden:

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»Weil die Leute es nicht unbedingt von sich aussuchen. Auch wenn sie vielleicht Interesse daran hätten oder Bedarfe bestehen, aber sie können’s nicht äußern« (FG 3, Z. 1916ff). »Es ist notwendig, weil eben die Menschen, die sich nicht in solchen, auf solche Beratungsgespräche in solchen Räumen einlassen würden, die auch eine Chance bekommen« (FG 1, Z. 2790ff). »Und was anzubieten. Weil oftmals so hohe Blockaden durch die Vorerfahrungen bestehen, dass von alleine nichts passieren würde« (FG 3, Z. 1953ff).

Auch folgender empirischer Befund unserer itb-/KiLAG-Evaluationsstudie stützt Bremer/Kleemann-Göhrings These von der doppelten Distanz: Beide, Berater_innen wie auch beratene Adressat_innen, erleben die Ausgestaltung bislang bestehender Weiterbildungsangebote als defizitär : »Es fehlen Angebote für die Zielgruppe« (FG 3, Z. 808f). »Das finde ich ungerecht. Denn mein Mann konnte eigentlich kein Deutsch lernen, weil er immer unterwegs war unter der Woche in den Werktagen. Und der einzige Tag war frei für ihn war nur Samstag und Sonntag, aber am Wochenende gibt es keine Kurse« (AI 2-042, Z. 289ff). »Und auf einmal ich habe gesehen – (?) auch nicht. Ich habe so viele Bücher gelesen von dieser Ausbildung, ich habe gelesen um zu lernen, und meine Worte – wow! Das ist schwierig« (AI 2-060, Z. 150f).

In der Präsenz von AWBB im Sozialraum bildungsungewohnter Menschen und an öffentlichen Plätzen sehen KiLAG-Berater_innen nicht nur das Potenzial, die Defizite bestehender herkömmlicher WB- und WBB-Angebote zu überwinden, sondern darüber hinaus auch das Potenzial, die Relevanz der Thematik gesellschaftlich sichtbar zu machen. So wird AWBB als ein wichtiges Element eingeschätzt, »[…] um das immer wieder eigentlich ins Bewusstsein zu heben und auch in die Öffentlichkeit hinein zu geben, es ist ja das Thema Weiterbildung wird dann auch, ist ein Weg auch um das noch in die breite Öffentlichkeit, also nicht nur auf ganz bestimmte Leute eben, sondern in die breite Öffentlichkeit zu tragen.« (FG 1, Z. 2797).

In der itb-/KiLAG-Evaluationsstudie haben Beratene wie auch Beratende aus ihrer Erfahrung im Feld die von Bremer und Kleemann-Göhring aufgestellte These von der doppelten Distanz zwischen herkömmlichen Weiterbildungsinstitutionen und deren Zielgruppen empirisch bestätigt. Die KiLAG-Berater_innen sehen in der AWBB einen wichtigen Beitrag, diese doppelte Distanz zu überwinden und bildungsungewohnten oder bildungsbenachteiligten Zielgruppen an Bildungsangebote näher zu bringen. Das aktive Zugehen auf diese Zielgruppen zeigt sich aus ihrer Erfahrung als elementar, da sich bildungsungewohnte Personen oft aufgrund von inneren Vorbehalten oder Schwierigkeiten

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bei der Bedarfsäußerung von Beratungsangeboten fernhalten. Daneben kann die Präsenz der AWBB im Sozialraum aus ihrer Sicht auch eine gesellschaftliche Sensibilisierung für die Bedarfe der Zielgruppe und eine Erweiterung konventioneller Bildungsverständnisse bewirken. III.2.2.4 Zusammenfassung Projektübergreifend verfolgten die KiLAG-Berater_innen in der AWBB konzeptuell das übergeordnete Ziel einer bedingungslosen Teilhabe an Bildung und die Teilziele Sozialraumorientierung, Integration, Inklusion und Lebensweltorientierung. Auf Adressat_innenseite hing die Motivation zur Teilnahme an der AWBB der KiLAG davon ab, ob ihnen die Berater_innen oder der Beratungskontext vertraut waren und vertrauenswürdig erschienen. Hier bestätigt die itb-/KiLAG-Studie Vorbefunde von Bremer/Kleemann-Göhring (2011): Vorgängige Kontaktarbeit ist eine entscheidende Voraussetzung für eine gelingende AWBB. Bei der KiLAG fungierten dabei nicht Dritte als »Vertrauenspersonen«, sondern die Berater_innen stellten sich überwiegend selbst als Kontaktpersonen zur Verfügung. Personen, die Weiterbildungsberatung in Anspruch nehmen, sind tendenziell unzufrieden mit ihrer eigenen finanziellen Situation. Dieser Vorbefund aus einer vorliegenden Studie (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015) wurde durch unsere Studie in der quantitativen Befragung tendenziell bestätigt: Nur ca. 26 % der in den KiLAG-Projekten Beratenen schätzten ihre finanzielle Situation als gut ein, ca. 57 % als eher schlecht (25,7 %) oder schlecht (31,4 %). In der qualitativen Befragung nannten die Beratenen folgende Teilnahme-Motivationen: seelischen oder finanziellen Druck, Unzufriedenheit mit der persönlichen Situation und Veränderungswünsche. Beratene wie auch Beratende haben in der itb-/KiLAG-Evaluationsstudie aus ihrer Erfahrung im Feld die von Bremer und Kleemann-Göhring aufgestellte These von der doppelten Distanz zwischen herkömmlichen Weiterbildungsinstitutionen und deren Zielgruppen empirisch bestätigt. In der AWBB sahen die KiLAG-Berater_innen das Potenzial, diese doppelte Distanz zu überwinden: Durch Präsenz im Sozialraum und aktive Ansprache könne bildungsungewohnten oder bildungsbenachteiligten Zielgruppen Bildungsangebote nähergebracht werden; gleichzeitig könne diese Präsenz die Gesellschaft für die Thematik sensibilisieren.

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III.2.3 Zielgruppenerreichung Welche Zielgruppen, so wollten wir wissen, wurden durch die AWBB-Projekte der KiLAG erreicht? Vor allem: Wurden diejenigen Zielgruppen erreicht, die durch die herkömmlichen Formate institutioneller WBB-Angebote zu wenig erreicht werden? Vorstudien hatten ja gezeigt, dass Weiterbildungsberatung und Weiterbildung vorwiegend von jüngeren Bevölkerungsgruppen mit deutscher Staatsangehörigkeit genutzt werden, die bereits ein höheres Bildungsniveau haben. Desiderate der Weiterbildungsberatung sind die fehlende Erreichung von bildungsungewohnten und bildungsbenachteiligten Bevölkerungsgruppen, von Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund und von älteren Erwachsenen. Dort besteht ein ungedeckter Bedarf an Weiterbildungsberatung, der aber aufgrund der doppelten Distanz zwischen den Institutionen der Weiterbildungsberatung und deren bisher nicht erreichten Zielgruppen sowie aufgrund einer Reihe von weiteren Teilnahmebarrieren nicht gedeckt wird (! Kapitel II.2.4). Konnten die AWBB-Projekte der KiLAG in diese Lücke stoßen? Die erreichte Zielgruppe der AWBB-Projekte der KiLAG lässt sich anhand der soziodemografischen Angaben aus den Adressat_innen-Fragebögen im Fragenkomplex 11 charakterisieren. III.2.3.1 Alter Von den 40 in den KiLAG-Projekten erreichten Personen, die einen Fragebogen ausgefüllt haben, waren – 10,8 % 19-jährig und jünger, – 35,1 % 20- bis 39-jährig, – 32,4 % 40- bis 59-jährig, – 21,6 % von 60-jährigen und älteren Personen. Die jüngste erreichte Person war 18, die älteste Person 78 Jahre alt. 27 % gaben an, zum Zeitpunkt der Befragung über 55 Jahre alt zu sein – hierbei handelt es sich um die in der WBB laut Vorstudien am schlechtesten repräsentierte Gruppe (vgl. BMBF 2015: 37; der AES schloss nur Personen im erwerbsfähigen Alter ein; die KiLAG-Beratungen bezogen in wenigen Einzelfällen Personen im Rentenalter ein). Im Vergleich zu Vorstudien zum Weiterbildungsverhalten zeigt sich: Die von herkömmlicher institutioneller WBB am meisten erreichte Zielgruppe der 20–29-Jährigen (in der WBB in München 54 %, vgl. Strobel 2010a: 36) bildet auch in den KiLAG-Projekten den höchsten, jedoch einen weit weniger überproportionalen Anteil der erreichten Personen (35,1 %). Insgesamt liegt das Durchschnittsalter der von der KiLAG-AWBB erreichten Personen bei 44,57

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Jahren und ist damit nahezu kongruent mit dem Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung von 44,3 Jahren (gemäß den Daten des Zensus 2011; vgl. Statistisches Bundesamt 2015: 17). Die KiLAG-AWBB hat also das Ziel, in der WBB bislang unterrepräsentierte Personengruppen anzusprechen, in Hinblick auf das Kriterium Alter erreicht. III.2.3.2 Geschlecht Die Angaben zum Migrationshintergrund zeigen kombiniert mit den Angaben zum Geschlecht keine genderspezifischen Trends auf. In der Gruppe der Frauen befinden sich 53,3 % mit und 46,7 % ohne Migrationshintergrund. Betrachtet man die Verteilung der Geschlechter unabhängig vom Migrationshintergrund, ist in der KiLAG-AWBB-Stichprobe ein generelles Übergewicht an erreichten Frauen zu verzeichnen, was z. T. darauf zurückzuführen sein wird, dass eines der drei Projekte (FERDA) spezifisch auf Frauen ausgerichtet ist. In der Stichprobe sind 78,95 % der Personen weiblich – ähnlich wie in der Vorstudie von Strobel (2010 a/b, 72 % Frauenanteil). Im Vergleich sind gemäß der Hochrechnung des Mikrozensus 2011 2015 50,8 % der deutschen Bevölkerung weiblich (vgl. Statistisches Bundesamt online. URL: https://www.destatis.de/ DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen/ Zensus_Geschlecht_Staatsangehoerigkeit.html). In den KiLAG-AWBB-Projekten wird hier ein Trend bestätigt, der sich auch in anderen Studien zur Weiterbildung zeigt: Frauen werden von Angeboten zur WBB generell häufiger erreicht und sind auch weiterbildungswilliger als Männer (vgl. Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 168). III.2.3.3 Migrationshintergrund Gefragt nach einem möglichen Migrationshintergrund zeigt sich, dass von den befragten Personen ca. die Hälfte (48,72 %) seit Geburt in Deutschland leben. Diese Zahlen ähneln den Daten von Strobel aus einer Weiterbildungsberatungsstelle aus München, die einen Anteil von knapp 40 % festgehalten hat (vgl. Strobel 2010b: 275). Damit sind Personen mit Migrationshintergrund in beiden Studien überrepräsentiert: Im Vergleich dazu sind laut Zensus 2014 20,3 % der in Deutschland lebenden Personen Menschen mit Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt 2014: 7). Die restlichen befragten Personen geben an, seit durchschnittlich 9,85 +/- 8,46 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland zu leben. Darunter gibt eine Person an, erst kürzer als ein Jahr hier zu sein. Die Person mit der längsten Wohndauer in Deutschland gibt an, seit 28 Jahren hier zu leben. Hier ist projektspezifisch zu differenzieren: Auffallend ist, dass das BOBBI-Mobil keinerlei Personen mit Migrationshintergrund und FERDA kei-

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nerlei Personen ohne Migrationshintergrund erreicht hat. Die AWBB von forum-b hingegen adressiert einen nahezu ausgeglichenen Anteil von Personen mit und ohne Migrationshintergrund. Die Zahlen lassen sich nicht direkt mit denen anderer Vorstudien vergleichen, da dort jeweils die Staatsangehörigkeit und nicht (wie in der itb-/KiLAGStudie) der Migrationshintergrund erfragt wurde. Deutlich ist jedoch, dass im Durchschnitt der drei KiLAG-AWBB-Projekte überproportional häufig Menschen mit Migrationshintergrund erreicht wurden, während diese in Vorstudien zur WB(B) als unterrepräsentiert angegeben wurden (Strobel 2010b: 275; Bischof et al. 2012: 261; Bischof/Krüger 2014: 210; Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 6).

Abbildung 7: Erreichte Zielgruppe nach Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund in der KiLAG-AWBB

III.2.3.4 Erwerbsstatus/Beschäftigungssituation Als ihre aktuelle Beschäftigungssituation gibt mit 36,84 % der größte Anteil der befragten Beratenen »auf Arbeitssuche« an, gefolgt von 21,05 % »in Voll- oder Teilzeitbeschäftigung«, 18,42 % »in Rente«, 15,79 % »in der Tätigkeit als Hausfrau resp. Hausmann« und an letzter Stelle »in Ausbildung« (7,89 %). Der bereits zitierte AES (BMBF 2015) vergleicht das kohortenspezifische Verhalten der Inanspruchnahme von Weiterbildung und kommt zu folgendem Schluss: »Erwerbstätige nehmen auch im Jahr 2014 am häufigsten Weiterbildung wahr (58 %) […], darauf folgen Personen in schulischer oder beruflicher Ausbildung (54 %). Die Teilnahmequoten von Arbeitslosen (32 %) und sonstigen nichterwerbstätigen Personen (25 %) liegen deutlich niedriger. Diese Rangfolge zeigt sich bereits seit dem Jahr 2007« (BMBF 2015: 26). Auch wenn der AES nur die erwerbsfähige Bevölkerung inkludiert, ist im Vergleich mit der itb-/KiLAGStudie dennoch auffallend, dass in herkömmlichen Formaten institutioneller

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WBB mehr Erwerbstätige und weniger Erwerbslose erreicht werden (vgl. Bischof et al. 2012: 261). Als Vergleichswert kann weiterhin die durchschnittliche Arbeitslosenquote in Deutschland herangezogen werden; diese lag im Juni 2016 bei 4,2 % (vgl. Statistisches Bundesamt online. URL: https://www.destatis.de/DE/ ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Arbeitsmarkt/Erwerbslosigkeit/Tabel len/TabellenErwerbsloseErwerbstatige.html). Die AWBB der KiLAG hat mit ca. 37 % überproportional viele erwerbslose Menschen erreicht. III.2.3.5 Bildungsabschlüsse Die meist genannten Bildungsabschlüsse der mit dem Fragebogen befragten Personen sind zu gleichen Teilen die Hauptschule und ausländische Abschlüsse zu je 30 %. Daneben werden die Mittlere Reife (17,5 %), die (Fach)Hochschulreife (12,5 %) und kein Schulabschluss (7,5 %) angegeben. 2,5 % entfallen zusätzlich auf die Angabe, noch in der Schule zu sein. Der Blick auf den höchsten Berufsabschluss zeigt, dass die meisten Personen angeben, keinen Berufsabschluss zu haben (32,5 %). Diese Gruppe wird eng gefolgt von der Berufsausbildung (27,5 %) und dem ausländischen Berufsabschluss (22,5 %). Ebenfalls haben Personen mit einem Studienabschluss (15 %) sowie Personen, die sich noch in Ausbildung befinden (2,5 %), an der Befragung teilgenommen. Es zeigt sich im Vergleich mit der Durchschnittsbevölkerung, dass höherqualifizierte Personen unterrepräsentiert sind. So ist der Anteil der Personen mit (Fach)Hochschulreife mit 29,5 % in der Bevölkerung höher als in der Stichprobe (vgl. Statistisches Bundesamt online. URL: https://www.destatis.de/DE/Zahlen Fakten/GesellschaftStaat/BildungForschungKultur/Bildungsstand/Tabellen/Bil dungsabschluss.html). Vergleicht man die itb-/KiLAG-Studienergebnisse mit den Ergebnissen der Studie von Strobel (2010a/b) in einer Weiterbildungsberatungsstelle zeigt sich, dass in der AWBB der KiLAG deutlich häufiger Personen mit niedrigerem Bildungsabschluss erreicht wurden. Während bei Strobel 17 % einen Hauptschulabschluss und 2 % keinen formalen Bildungsabschluss besitzen, sind dies in der vorliegenden itb-/KiLAG-Evaluationsstudie 30 % bzw. 32,5 %. Das Ziel, mit AWBB mehr bildungsferne Personen zu erreichen als mit herkömmlicher, institutioneller WBB, wurde in den KiLAG-Projekten erreicht (> 32 % KiLAG-AWBB vs. 2 % WBB laut Strobel 2010b). Insgesamt weist die Stichprobe der Adressat_innen-Fragebögen ein heterogenes soziodemografisches Spektrum auf. Möglicherweise kann hier die Selektivität, mit der die Beratenden entschieden haben, an welche Beratenen sie einen Fragebogen verteilen, und an welche nicht, einen relativierenden Einfluss auf die Repräsentativität des Ergebnisses gehabt haben.

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III.2.3.6 Zusammenfassung Im Vergleich zu Vorstudien zum Weiterbildungsverhalten und zur herkömmlichen institutionellen WBB wurden in den KiLAG-AWBB-Projekten überproportional viele Menschen mit Migrationshintergrund, überproportional viele erwerbslose Menschen und überproportional viele Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen erreicht; gleichzeitig findet sich unter den erreichten Menschen eine gleichmäßigere Altersgruppenverteilung als in den Vorstudien, in denen junge Erwachsene über- und die Altersgruppe der über 55-jährigen unterrepräsentiert war. Die KiLAG-Projekte waren erfolgreich hinsichtlich des Desiderats, die in der herkömmlichen WBB fehlende Erreichung – von bildungsfernen Bevölkerungsgruppen (> 32 % ohne Schulabschluss KiLAG-AWBB vs. 2 % WBB laut Strobel 2010a/b), – von erwerbslosen bzw. arbeitssuchenden Menschen (36,84 % zzgl. 15,79 % Hausfrauen/Hausmänner in der KiLAG-AWBB vs. 29 % bzw. 32 % lt. AES BMBF 2015: 26 und vs. 4 % Arbeitslosenquote in Deutschland), – von älteren Erwachsenen (27 % Ü55 KiLAG-AWBB vs. 6 % Ü50 lt. Bischof et al. 2012: 263) durch Aufsuchende Weiterbildungsberatung zu überwinden.

III.2.4 Zugänge zur Beratung In der aufsuchenden Beratung kommt, wie im Theorieteil beschrieben (! Kapitel II 2.4 und II.2.6.1), der Frage nach der Initiierung des Erstkontakts zu den Adressat_innen eine herausragende Bedeutung zu, denn die Lasten für das Zustandekommen des Kontakts liegen bei den Beratenden. Die Adressat_innen sind bei der aufsuchenden Arbeit nicht in der Pflicht, eine Institution aufzusuchen, sondern sie werden von den Beratenden aufgesucht oder sie finden (im Fall der mobilen Beratung) ein Beratungsangebot an Orten vor, die sie aus anderem Anlass besuchen. Geeignete Zugänge zur Zielgruppe und eine geeignete Art und Weise der Ansprache zu finden, sind wichtige Voraussetzungen für das Gelingen aufsuchender Beratungsarbeit (vgl. Schröder/Schlögl 2014: 24f; Fortmann 2012: 51f). Die interviewten Beratenden in der itb-/KiLAG-Studie berichten ebenfalls von der Besonderheit des Erstkontakts unter den Bedingungen aufsuchender Arbeit: Der Erstkontakt ist bei konventioneller, institutioneller Beratung mit Komm-Struktur für die Beratenden deutlich einfacher als bei der aufsuchenden Arbeit, denn

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»[…] bei diesem Teil [Behörden, Büros] ist schon eine andere Entschiedenheit da, dass jemand das tatsächlich will und sucht jetzt einen Ort, der ihm da weiterhelfen kann. Da ist vorher eine Entscheidung gefallen, ich will was – oder muss was – für mich tun. […] Und hier [bei der AWBB] ist das ja viel, viel – viel, viel loser« (FG 1, Z. 750ff).

Aufsuchende Beratungsarbeit erfordert »[…] Schritte davor, wenn ich jetzt als Ziel hab, […] da kommt irgendwann ein Beratungsgespräch, was dann zu einer Entscheidung in diese oder jene Richtung führen kann« (FG 1, Z. 819ff).

In unserer itb-/KiLAG-Studie haben wir deshalb detailliert analysiert, welche Kontakt- bzw. Gesprächsanlässe geschaffen und genutzt und welche Gesprächsorte gewählt wurden, wer die Initiative zu den Gesprächen ergriffen hat und wie die Gespräche eröffnet wurden. Im Vergleich zu herkömmlichen institutionellen Beratungssettings mit Komm-Struktur ist bei aufsuchenden Beratungsformaten, also auch im Fall der AWBB, die Anliegenverteilung zwischen Beratenen und Beratenden umgekehrt: Nicht die Beratenen kommen mit einem Beratungsanliegen, sondern die Berater_innen gehen mit dem Anliegen, AWBB an den Mann und an die Frau zu bringen, auf Zielgruppen zu. Wie früh und wie klar sie bei der Kontaktaufnahme »Flagge zeigen«, also ihren Auftrag (WBB) und ihre/n Auftraggeber_in (im Fall der KiLAG: Kirchen) zu erkennen geben, ist dabei eine wichtige strategische, aber auch eine ethische Frage. III.2.4.1 Gesprächsorte Wo und in welchen Settings wurden in den AWBB-Projekten der KiLAG die Beratungskontakte hergestellt? Darüber geben in unserer Evaluationsstudie aus Perspektive der Adressat_innen Angaben im Fragebogen (Fragen 2–5) sowie aus Perspektive der Berater_innen Angaben im Beratungsprotokoll (Frage 5) Auskunft. Laut beratenen Adressat_innen (n=40) fanden 77,5 % der Gesprächs- und Beratungskontakte in zielgruppenspezifischen Institutionen wie Gemeindehäusern, Familienzentren, Kunstvereinen oder Moscheen und Kindergärten statt (was dem konzeptionellen Modell mobiler AWBB entspricht). 2,5 % der Beratungskontakte wurden im Stadtteil und 7,5 % an sonstigen Orten hergestellt (was dem Konzept des Aufsuchens im engeren Sinne entspricht), 10 % entfielen auf Gespräche bei den Adressat_innen zuhause (was dem Konzept der in-homeBeratung entspricht), 2,5 % auf telefonische Kontakte.

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Abbildung 8: Beratungsorte der KiLAG-AWBB

Laut KiLAG-Berater_innen (n=44) fungierten als Setting, in dem Kontakt zu den Adressat_innen hergestellt wurde, zu 84,09 % regelmäßige Veranstaltungen, zu 2,27 % einmalige Aktionen bzw. Veranstaltungen; 13,64 % entfielen auf ›Sonstiges‹.

Abbildung 9: Beratungssettings der KiLAG-AWBB

III.2.4.2 Kontakt-/Gesprächsanlässe Welche Kontakt- bzw. Gesprächsanlässe wurden in den KiLAG-AWBB-Projekten geschaffen und genutzt? Zur Beantwortung dieser Frage werden Daten aus den Fragebögen (Fragen 2–5), den Beratungsprotokollen (Frage 5) sowie der Fokusgruppen-Interviews (Fragen 2.1 und 2.2) genutzt. Dabei zeigt sich, dass die

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Mitarbeitenden der Teilprojekte der KiLAG versuchen, den Erstkontakt zu möglichen Adressat_innen über drei verschiedene Wege zu initialisieren: – Einstieg über Medien (»Eye-Catcher«) – Einstieg über spezifische Veranstaltungsangebote – Einstieg über Dritte Der Einstieg über Medien (»Eye-Catcher«), die im öffentlichen Raum das Interesse und die Neugier der Zielgruppe wecken sollen, wurde vorwiegend im KiLAG-Teilprojekt BOBBI-Mobil genutzt: Zunächst das Aushängeschild des Projektes, das Wohnmobil, sowie davor aufgestellte Campingstühle, die zum Verweilen und damit zum Schaffen einer Gesprächsmöglichkeit einluden und an öffentlichen Veranstaltungsorten »[…] sehr begehrt [waren] wenn man nicht mehr stehen konnte« (FG 1, Z. 1481f).

sowie Seifenblasen, die auf Stadtteilfesten etc. die Aufmerksamkeit von Kindern erregen sollten, denn Kinder »[…] kommen ja meistens mit Eltern und so konnte man dann auch ins Gespräch kommen« (FG 1, Z. 534f).

Darüber hinaus wurden bei BOBBI-Mobil kostenlose Give-Aways wie Märchenbücher oder Muffins verteilt, um Adressat_innen für den Stand zu interessieren. Die Botschaft der gewählten Medien, bzw. ihr Zusammenhang mit dem Thema der Absender_in (AWBB) war den Adressat_innen hierbei anscheinend nicht immer deutlich, so dass zwar Gespräche entstanden, diese z. T. aber nicht oder erst umwegig auf Bildungs- und Weiterbildungsthemen zu bringen waren. Das zeigen die nachstehenden Gesprächsbeispiele: »An einem Standort hatten wir zum Beispiel Märchenbücher, das war das Genialste was wir irgendwie hatten. Man, die Leute sind gekommen, sie haben über Märchen geredet und irgendwie konnte jeder damit was anfangen und die waren da sogar kostenlos zu verschenken und die Leute wollten was geben, aber das war eben umsonst und das war eine ganz interessante Weise« (FG 1, Z. 120ff).

Über diese Muffins entstand bspw. ein »[…] zwei-Stunden-Gespräch über Essen oder Ernährung« (FG 1, Z. 127f). »›Ja, das Wohnmobil, Sie verkaufen doch Wohnmobile.‹ ›Nein, verkaufen wir nicht.‹ – ›Ja, wieviel kostet der denn?‹ – ›Der ist nicht zu verkaufen, der ist einfach für uns da.‹ – ›Ok, aber Wohnmobile, die sind doch toll.‹ – ›Ja, haben Sie selber einen?‹ – ›Ja, ich fahr viermal im Jahr mit meinem Campingwagen oder Bus oder was auch immer, fahr ich in Urlaub immer in ein andres Land und das find ich total toll und hier und da.‹ – ›Ja, das ist ja toll, in welche Länder gehen Sie denn?‹ – ›In dieses Land, in dieses Land, in dieses Land und dieses Land, das ist total toll, ich nehme immer meine ganze Familie mit und das macht so Spaß. Ja, immer unterwegs, passiert ja immer was und weil das ja auch

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weite Strecken sind und so und ich hab da, mir jetzt einen neuen Werkzeugkasten besorgt und dann kann ich das immer alles bauen und, und, und so weiter.‹ – Und ich so: ›Ja, das ist doch toll, das macht Ihnen bestimmt Spaß oder, wenn Sie das auch noch im Urlaub gerne machen, das Ihr Hobby ist.‹ – ›Ja, ja, ich hab mir auch mal fast selber meinen Campingwagen zusammengestellt aus verschiedenen Teilen und so weiter und, ja das macht mir so total Spaß.‹ – ›Ja, machen Sie denn sowas auch beruflich?‹ – ›Ja nee, ich mach eigentlich einen Bürojob.‹ – ›Ah, ok, das hat sich so angehört als würden Sie sowas in der Richtung machen.‹ – ›Ne, aber eigentlich wär’ das ja auch eine Idee‹« (FG 1, Z. 2053ff).

Deutlicher war der thematische Zusammenhang durch die drei folgenden Medien hergestellt: Ein Ständer, der WB(B)-themen und -Angebote über Flyer und Postkarten präsentierte, eine Tafel mit der Aufschrift »Was ich gerne können möchte« (FG 1, Z. 222f), zu der Passant_innen eigene Assoziationen aufschreiben oder aufmalen konnten, und die den Berater_innen dann Anlass boten, »[…] zu fragen, ja, ›was machen Sie denn, möchten Sie denn was machen?‹« (FG 1, Z. 130f),

sowie Bleistifte als Give-Aways: »›Grüß Gott, möchten Sie einen Bleistift?‹ – ›Ja, was kostet der denn?‹ – ›Nichts!‹ – ›Ja warum nicht, vielen Dank. Oh! Sie haben ja da noch mehr‹« (FG 1, Z. 2007ff).

Der Einstieg über spezifische Veranstaltungsangebote wurde vorwiegend im Projekt FERDA oder forum-b gesucht. In einem Stadtteiltreff, der von Zielgruppen der AWBB frequentiert wird, wurden ein Orientierungskurs oder Ausflüge angeboten, bei denen die KiLAG-Berater_innen die Teilnehmenden dann aufsuchten und WBB-Gespräche anboten. Eine Adressatin berichtet darüber : »Ja, das war der Kurs hier im Haus, das war ja dann im Programm drin, war zum ersten Mal jetzt für Frauen, die sich eben beruflich neu orientieren wollen oder, ja. Und das hab ich eben gelesen gehabt im Internet das Programm und denk jetzt ja- weil ich halt eben nach jedem Strohhalm greife wo mich weiterbringt für meine berufliche Zukunft« (AI 3031, Z. 78ff).

Eine Beraterin berichtet, dass zu den angebotenen Ausflügen »[…] manchmal auch Frauen mit[kommen], und auch Männer, die ich vorher noch nie gesehen habe. Das ist auch so ein Thema wo ich merke, da ist in dem – bei der Busfahrt während der Busfahrt, oder wenn man irgendwo läuft, da ist ganz viel möglich, so Kontakt auch zu kriegen« (FG 2, Z. 492ff).

Über Dritte wurden in allen drei KiLAG-Projekten Erstkontakte initiiert, teils über gezielte Weiterempfehlungen von bereits angesprochenen Adressat_innen, teils über Gruppeneffekte. Beide Varianten sind anschlussfähig an das schon

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

theoretisch beschriebene Konzept der Arbeit über Mittlerpersonen (vgl. Gergerli/Gruber 2014: 223). Gelungene Weiterempfehlungen spiegeln sich z. B. in folgenden Interviewzitaten: »Oder wie gesagt dass tatsächlich dann bei uns so eine Rückmeldung ist ›Ihr solltet mal mit der oder dem mal Kontakt aufnehmen‹« (FG 2, Z. 501ff). »Eine Dame, die da oft zu Besuch war, die immer mit einer Freundin gekommen ist, allein nie gekommen wäre, immer am Anfang sehr schüchtern war. Dann habe ich da versucht, mal so das Gespräch zu suchen. Und Sicherheit war immer nur, wenn die andere dabei war, und als sie mich dann doch besser kannte war es mal möglich, dass wir uns zusammengesetzt haben« (FG 3, Z. 1103ff).

Gruppeneffekte wurden von den KiLAG-Berater_innen z. T. über Medien (vgl. o.), z. T. über gezielt inszenierte Gespräche unter Berater_innen hergestellt. Die Projektmitarbeitenden haben »[…] angefangen zu philosophieren und dann bleiben auch Menschen stehen« (FG 1, Z. 195f). »[…] da bleiben auch andere stehen […], so ganz uninteressant kann es ja nicht sein« (FG 1, Z. 451ff).

Konsens besteht bei allen Beratenden darüber, dass der Small-Talk eine sehr bedeutsame Funktion hat, um Gesprächskontakte einzuleiten und aufrechtzuerhalten. Eine Beraterin berichtet: »Es ist eher so wenn man kommt so wohin, dazu, und versucht dort Kontakte zu kriegen. Das ist sehr viel schwieriger, und da geht es einfach drum, zunächst mal mit diesen Menschen Kontakt zu kriegen – diese berühmte Smalltalk-Phase oder was es auch immer ist, glaube ich wirklich auch« (FG 2, Z. 787ff). (vgl. auch z. B. FG 1, Z. 823ff, FG 3, Z. 2058ff u. ö.).

III.2.4.3 Gesprächsinitiative Wer initiierte die einzelnen Beratungsgespräche (nachdem die KiLAG-Projektmitarbeitenden durch ihre Präsenz an zielgruppenspezifischen Orten Kontaktmöglichkeiten geschaffen hatten)? Auf Basis der Adressat_innen-Fragebögen und der Beratungsprotokolle ergibt sich dazu folgendes Bild:

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Abbildung 10: Initiative der Gesprächseröffnung in der KiLAG-AWBB

Der Vergleich beider Perspektiven zeigt leichte Unterschiede in der Wahrnehmung der Erstaktivität; beide Seiten stimmen aber darin überein, dass die Beratenden weit mehr als doppelt so oft wie die Beratenen den Gesprächskontakt initiiert haben. Besonders interessant ist, dass die beratenen Adressat_innen, die selbst die Gesprächsinitiative ergriffen haben, mit nur einer Ausnahme angeben, dass ihnen die angesprochenen Berater_innen schon vorher persönlich bekannt waren, und dass sie konkrete Fragen an sie hatten. Hier zeigt sich erneut, wie wichtig in der AWBB eine vorgängige Kontaktarbeit ist. III.2.4.4 Gesprächseröffnung Sofern die KiLAG-Berater_innen selbst das Gespräch eröffneten, taten sie dies laut offenen Angaben in den Beratungsprotokollen in der Mehrzahl der Fälle (56,5 %) über das Thema Weiterbildung, und zwar entweder : – durch Fragen nach den allgemeinen Weiterbildungsinteressen der Adressat_innen (21,7 %) (BP 3-055, BP 3-057, BP 3-088, BP 3-092, BP 3-098), – durch Hinweise auf konkrete Weiterbildungsangebote, die die Adressat_innen interessieren könnten (30,4 %) (BP 3-027, BP 3-051, BP 3-054, BP 3-055, BP 3-059, BP 3-060, BP 3-099) oder – durch evaluierende Nachfragen nach der Zufriedenheit mit bereits empfohlenen oder besuchten Weiterbildungen (8,7 %) (BP 3-056, BP 3-087, auch AI 3-052, Z. 35ff).

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Weitere Gesprächseröffnungen der Berater_innen bezogen sich – auf die persönliche Lebenslage der Beratenen (13,0 %) wie »private Veränderung[en]« (BP 3-031), Wohlergehen der Kinder (BP 3-058 oder FG 2, Z. 1270ff) oder auf Hobbys der Angesprochenen (BP 3-091) oder – auf arbeitsbezogene Themen (13,0 %) wie »Arbeitssuche« (BP 3-088), »Praktikumssuche« (BP 3-100) oder eine »Ausbildung, die sie im Ausland gemacht hat« (BP 3-087).17 Für die meisten der o. a. Gesprächseröffnungen ist ein Wissen der Berater_innen um die persönlichen Lebensumstände der Adressat_innen sehr förderlich, wenn nicht gar Voraussetzung (! Kapitel II.2.5). Auch hier bestätigt sich, dass die vorgängige Kontaktarbeit zur Zielgruppe eine wichtige Grundlage der AWBB ist. Diese wurde in den KiLAG-Projekten offenbar vorwiegend von den eigenen Berater_innen geleistet, und nicht über fremde sog. »Vertrauenspersonen« (Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 29) gesucht. III.2.4.5 Transparenz von Auftrag und Auftraggeber_in Wie positionieren und verhalten sich die KiLAG-Berater_innen zu der strategischen und ethischen Frage, ob, wann und wie deutlich sie in der Kontakt- und Beratungsarbeit ihren Auftrag (WBB) und ihre/n Auftraggeber_in (Kirchen) zu erkennen geben? Hierzu äußern die Beratenden aus den verschiedenen Teilprojekten sehr unterschiedliche Ansichten. Eine ehrenamtliche Beraterin gibt in einer Fokusgruppe an, das »[…] grundsätzlich nicht gemacht [zu haben]. Ich bin da. Und das war es« (FG 3, Z. 776f).

Die hauptamtliche Beraterin löst diese Frage in der praktischen Arbeit in anderer Weise: »Na klar, das war jedes oder oft ja andere Leute da, da muss man das einfach noch mal für die Leute zur Einordnung dann sagen. Weil sonst denken sie: ›Wer sitzt denn da mir jetzt gegenüber? Kenn ich gar nicht‹« (FG 3, Z. 862ff).

17 Im Vergleich zu den Ausführungen zu den Kontakt- und Gesprächsanlässen ist auffallend, dass die vor allem vom Projekt BOBBI-Mobil genutzten Methoden der Gesprächseröffnung an dieser Stelle nicht erscheinen. Dies hängt damit zusammen, dass für das BOBBI-Mobil lediglich sieben Beratungsprotokolle ausgefüllt wurden und lediglich eines davon Angaben zu diesem Punkt enthält.

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In einem anderen Teilprojekt stand das Anliegen im Vordergrund, »[…] auf einer Augenhöhe wahrgenommen zu werden, aber vielleicht ist das nicht immer geglückt, weil wir dann, eben, weil wir als Team immer dastanden, manchmal auch mit Namensschildern, das wirkt natürlich schon etwas, vielleicht distanzierend« (FG 1, Z. 778ff).

Hier wurde der »Absender« bzw. die »Absenderin« nur auf dezidierte Abfragen hin kenntlich gemacht: »Und wenn dann verstärkt dann immer die Frage kam ›und von welchem Träger und wer trägt denn das alles?‹, dann haben wir uns breitschlagen lassen und es gesagt, manchmal war es dann abschreckend, manchmal auch nicht« (FG 1, Z. 628ff).

Offenbar kannten und befürchteten einige der KiLAG-Berater_innen einen abschreckenden Effekt der kirchlichen Trägerschaft des Beratungsangebots. Sie meinen, Beratende seien »bei vielen Leuten angeeckt« (FG 1, Z. 325f),

wenn sie sich als kirchliche Mitarbeitende kenntlich gemacht hatten; sie erzählen von Adressat_innen, für die »[…] nur das Wort ›KONFESSION‹ […] ein negatives Reizwort dann auch war« (FG 1, Z. 342f),

sowie von Fällen, in denen der Beratende und der Beratene eben aufgrund ihrer beider kirchenkritischen Haltung »[…] zueinander gefunden haben, weil einfach eine Aggression gegenüber der KONFESSION Kirche da war« (FG 1, Z. 831f).

Das Phänomen der Skepsis gegenüber einem kirchlichen Beratungsanbieter bzw. einer -anbieterin sei »[…] vielleicht viel seltener so artikuliert […], sicherlich häufiger empfunden […]« (FG 1, Z 366f).

worden. Auffällig ist, dass diese Äußerungen sämtlich von Beratenden aus dem Projekt BOBBI-Mobil stammen, dem einzigen im strengen Sinne aufsuchenden Projekt. Die Gründe für die Häufung solcher Aussagen in diesem Teilprojekt lassen sich aus den erhobenen Daten nicht entnehmen. (Hat dort womöglich das proaktive Auf-die-Straße-Gehen der Mitarbeitenden in Verbindung mit dem Absender/der Absenderin »Kirche« bei Adressat_innen und/oder Beratenden negative Assoziationen von »Missionierung« o. ä. geweckt? Waren in diesem Teilprojekt evtl. die Mitarbeitenden weniger mit ihrem kirchlichen Träger und Auftraggeber_in identifiziert als in den anderen Projekten? etc.).

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Die Frage, welche Resonanzen eine kirchliche Trägerschaft der AWBB (und anderer Beratungsangebote) bei Beratenden und Adressat_innen tatsächlich auslöst und wie die Beratenden damit umgehen, wäre eine eigene empirische Untersuchung wert. Weiterhin wäre die Entwicklung von Konzepten zu Supervision und Mitarbeitendenschulungen in diesem speziellen Bereich förderlich. Sollten sich nämlich Beratende veranlasst sehen, intentional intransparent mit ihrem Auftrag und ihrem Auftraggeber/ihrer Auftraggeberin umzugehen, könnte dies zu einer Reihe von Problemen hinsichtlich beraterischer Haltung, Beratungsmethodik und Beratungsethik (Verletzung des Grundsatzes des ›informed consent‹) (Helfferich 2011: 190) führen. III.2.4.6 Zusammenfassung Insgesamt hat sich gezeigt, dass die KiLAG-Berater_innen die Zielgruppen ihrer AWBB überwiegend in sozialräumlichen Kontexten aufgesucht haben, je nach Projekt entweder vorrangig in zielgruppenspezifischen Institutionen oder vorrangig bei stadtteilbezogenen Veranstaltungen; die in-home-Beratung macht mit ca. 10 % einen vergleichsweise geringen Anteil aus. Kontaktanlässe wurden über Medien (Wohnmobil und Campingstühle als Eye-Catcher, Give-Aways, Flyer und Postkarten, thematische Gestaltungs-Tafeln), über spezifische InitialVeranstaltungsangebote (Orientierungskurse, Ausflüge) und über Dritte geschaffen. Zur Frage, wer die Gesprächsinitiative ergriffen hat, unterscheiden sich die Angaben von Beratenen und Beratenden; beide sehen die Initiative zu etwa 50 % bei den Berater_innen; die beratenen Adressat_innen sehen die Initiative zu etwa 23 % bei sich selbst; die Beratenden sehen die Gesprächsinitiative dagegen nur zu ca. 12 % bei den Adressat_innen. Lag die Gesprächsinitiative bei den Adressat_innen, waren ihnen die Berater_innen in fast allen Fällen bereits bekannt. Lag die Gesprächsinitiative bei den Berater_innen, eröffneten diese die Gespräche in der Mehrzahl der dokumentierten Fällen (56,5 %) über Fragen zu Bildungsmaßnahmen und Bildungsanliegen der Adressat_innen, von denen sie bereits Kenntnis hatten, und am zweithäufigsten über Fragen zu persönlichen Lebenslagen der Adressat_innen, von denen sie bereits Kenntnis hatten. Vorgängige Kontaktarbeit, mehr noch: Eine vorgängig aufgebaute persönliche Beziehung zwischen Berater_innen und Adressat_innen war in der überwiegenden Zahl der Fälle die Voraussetzung für die AWBB-Gespräche der KiLAG-Berater_innen. Diese Kontaktarbeit leisteten die KiLAG-Berater_innen in der Regel selbst, anstatt Dritte als sogenannte »Vertrauenspersonen« (Bremer/Kleemann-Göhring 2011: 29) einzusetzen. Die dokumentierten Fallzahlen aus dem im engeren Sinne aufsuchenden AWBBProjekt BOBBI-Mobil, wo proaktive Erstkontaktarbeit und Beratungsangebot in

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eins fielen, waren vergleichsweise deutlich geringer ; der Aufwand, um überhaupt in Kontakt und ins Gespräch über Bildungsfragen zu kommen, war hier naturgemäß höher. Große Unterschiede zeigten sich darin, wie transparent die Berater_innen mit ihrem (weiter-)bildungsbezogenen Beratungsauftrag und mit ihrem kirchlichen Auftraggeber bzw. ihrer kirchlichen Auftraggeberin umgingen. Im proaktiv aufsuchenden Projekt BOBBI-Mobil zeigte sich hier eine große Zurückhaltung, bedingt durch bei den Adressat_innen befürchtete Ressentiments und durch eigene Distanz zum Auftraggeber/zur Auftraggeberin. Daraus ergeben sich Fragen hinsichtlich beraterischer Haltung, Methodik und Beratungsethik, die ggf. durch eine eigene empirische Studie näher untersucht und durch Supervisions- und Schulungsangebote für Mitarbeitende bearbeitet werden könnten.

III.2.5 Inhalte der Beratungsgespräche und Zuordnung zu Weiterbildungsberatungs-Typen Gerade vor dem Hintergrund des weiten Bildungs- und Beratungsverständnis und der thematischen Offenheit der KiLAG-Berater_innen ist es interessant zu evaluieren, inwieweit in den von ihnen durchgeführten Beratungsprozesse die politisch angestrebten Beratungsziele (Teilhabe an Bildung ermöglichen, Bildungsinteressen wecken, Bildungsbereitschaft fördern, Bildungsangebote vermitteln, etc.) verfolgt wurden. Die Inhalte der Beratungsgespräche wurden dem Design der vorliegenden Studie entsprechend multimethodisch, d. h. quantitativ und qualitativ erhoben. Die Adressat_innenperspektive wurde hierzu dezidiert mit den Fragen 6 und 7 des Adressat_innen-Fragebogens und mit Frage 1.1 des Adressat_innen-Interviews abgefragt; die Berater_innenperspektive mit den Fragen 2.3 und 2.4 des Fokusgruppen-Interviews. Entlang unseres Codebaums wurden außerdem auch Antworten, die an anderen Stellen zu diesen Themen gegeben wurden, erfasst. III.2.5.1 Angesprochene Themen (Häufigkeitsverteilung) Wie häufig bildeten in den AWBB-Gesprächen der KiLAG Fragen der (Weiter-)Bildung den Fokus? Wie häufig waren es andere Themen, und welche? Laut quantitativen Angaben der beratenen Adressat_innen (Fragebogen, Frage 7) wurden in insgesamt 82,5 % der Beratungsgespräche berufs- und weiterbildungsbezogene Aspekte wie »Weiterbildung«, »Ausbildung« oder »Arbeit, Beruf oder Berufswünsche« thematisiert, in 47,5 % wurde eine Lernberatung bzw. eine Beratung bezüglich der »Kenntnisse und Fähigkeiten« der Adressat_innen durchgeführt. Der Anteil der psychosozialen Themen

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

(»Alltag und Lebenssituation«) war mit 32,5 % vertreten, unspezifische Themen mit 25 %. (n=40; Mehrfachantworten möglich)

Berufs- und weiterbildungsbezogene Themen (»Weiterbildung«, »Ausbildung« & »Arbeit, Beruf oder Berufswünsche«)

82,5%

Lernberatung und Kompetenzen stärken (»Kenntnisse und Fähigkeiten« & »Lernen und wie man lernt«)

47,5%

Psycho-soziale Problemlagen (»Alltag und Lebenssituation«)

32,5%

Unspezifische Themen (»etwas Anderes« & »nichts Bestimmtes«)

0%

25,0%

20%

40%

60%

80%

100%

Abbildung 11: Themen der Beratungsgespräche der KiLAG-AWBB

Diese Themen wurden zu 95 % in Bezug auf die beratene Person selbst, zu 60 % ausschließlich auf die beratene Person, zu 22,5 % (auch) auf deren Kinder, zu 10 % (auch) auf deren Partner_in und zu 15 % (auch) auf Verwandte, Bekannte oder Freunde angesprochen (Fragebogen, Frage 6). Beratung zu berufs- und weiterbildungsbezogenen Themen In den qualitativen Befragungen (Adressat_innen-Interview, Frage 1.1, Beratungsprotokoll, Fragen 2.3 und 2.4) konkretisieren die Befragten das Spektrum der (weiter-)bildungsbezogenen Beratungsthemen. Beispiele sind die folgenden Angaben: – Arbeitsplatzsuche: »Also die Leute fragen nach Möglichkeiten für Arbeit auch, wenn sie dann putzen zum Beispiel wo, wie kann ich das machen« (FG 2, Z. 875f). – Wiedereinstieg in den Beruf: »Wiedereinstieg oder genereller Einstieg oder nach Mutterschaft oder wie sagt man Erziehungspause oder so verschiedene – von verschiedenen Leuten halt die Themen« (AI 3-052, Z. 36ff). – Fort- und Weiterbildung: »Weiterbildung und Fortbildung und was gibt es für Möglichkeiten im Rahmen dessen, was man kann, und wie die Möglichkeiten liegen« (AI 3-052, Z. 100ff).

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»Was gibt es für Möglichkeiten im Rahmen dessen, was man kann, und wie die Möglichkeiten liegen« (AI 3-052, Z. 101f). – Ausbildung und berufliche Weiterentwicklung: »Weil ich wollte eigentlich diese Ausbildung machen, hat nicht geklappt. Und dann sie hat sich gesagt, ich soll zu ihr kommen, und gesagt ›egal, es gibt andere Möglichkeiten. Und sie können vielleicht dieses Jahr nicht, aber in Jahre oder zwei Jahre sie können noch mal überlegen oder nochmal eine Ausbildung machen. Aber bitte bleiben sie daran, suchen sie den Gruppe und‹ – ja, sie hat mir sehr gut unterstützt« (AI 2-060, Z. 84ff). – Anerkennung ausländischer Abschlüsse: »Qualifizierung oder die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen« (FG 2, Z. 841f). In den meisten Beratungsgesprächen der KiLAG wurden also Themen verfolgt, die klassischen Konzepten von Bildungsberatung oder Weiterbildungsberatung (82,5 %) im engeren Sinne entsprechen (! Kapitel II.2.2): – Unterstützung bei bildungs- und berufsbezogenen Entscheidungen und beim Managen des beruflichen Werdegangs (Bildungsberatung lt. OECD 2004: 19) – »Beratung zur Entscheidungsfindung im Hinblick auf die mögliche Teilnahme an einer Weiterbildung« (Weiterbildungsberatung laut Enoch 2011: 92) oder – »Orientierungs- und Entscheidungshilfe für die Auswahl geeigneter Weiterbildungsangebote im Vorfeld der Teilnahme an einer Weiterbildung« (Weiterbildungsberatung laut Schiersmann/Remmele 2002: 5, Hervorhebung itb). Orientierungs-, Kompetenzentwicklung- oder Lernberatung In 47,5 % der Beratungen wurden Themen angesprochen, die der von Schiersmann so genannten – »personenbezogenen Beratung« als »Orientierungs-, Kompetenzentwicklungs- oder Lernberatung« entsprechen. Diese kann laut Schiersmann der o. a. klassischen Art von Weiterbildungsberatung vorgelagert werden, wenn die Voraussetzungen für eine Weiterbildungsteilnahme überhaupt erst geschaffen werden müssen (Schiersmann 2011a: 750f; ! Kapitel II.2.1). Psychosoziale Beratung In 32,5 % der Beratungen in den KiLAG-Projekten standen psychosoziale Problemlagen im thematischen Fokus. Die Auffassung, dass die Beratung zu psychosozialen Themen zu den genuinen Aufgabenfeldern der (A)WBB gehöre, findet sich im Fachdiskurs nur vereinzelt: Gieseke beschreibt die

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

– »psychosoziale Beratung in Lebenskrisen, angelegt als sozialpädagogische Intervention« als einen von fünf möglichen Beratungsbereichen der WBB (Gieseke 2000: 10f; ! Kapitel II.2.1.4). Für die Varianz der angesprochenen psychosozialen Themen bieten die nachfolgenden Zitate einige Beispiele: – Psychische Probleme: »Gut, ich hab’ halt klar meine ganze Geschichte erzählt da die Problematik mit der Psyche und ja, geht halt schon ein paar Jahre zurück und auch familiäre Umfeld und so« (AI 3-031, Z. 46ff oder AI 3-052, Z. 48f) ; »Richtig ja, weil vor zwei Jahren ist mein Mann verstorben muss ich dazu sagen, und von dem her gab es da schon gewisse Problematik einfach, ja, mit Depressionen und so« (AI 3-052, Z. 75ff; ähnlich auch AI 3-030, Z. 12). – Familiäre Probleme: »Da gings um Scheidung und Trennung« (FG 3, Z. 617); »Oder Familienprobleme – was kann ich machen wenn ich Schulden habe, was kann ich machen, wenn ich mit Geld nicht umgehe – da haben wir auch Fachleute gehabt, um alle Fragen beantworten, so, alles Mögliche« (FG 2, Z. 892ff; ähnlich auch AI 3-031, Z. 48f). – Sucht- und Schulden: »Hilft ja auch auf den Ämtern, alles, ne? Und wir versuchen Kaufsucht so ein bisschen zu kontrollieren und Schulden abzubauen und also beratenderweise. Aber das ist eigentlich das, was hier eingetroffen ist aufgrund dieses Projektes« (FG 3, Z. 588ff; ähnlich auch FG 2, Z. 893). – Rechtstreitigkeiten: »Nein – also ich habe gerade ein ziemlich – wie soll ich sagen bewegenden Moment gerade in meinem Leben, also ich ziehe gerade wieder um und hab ein bisschen Stress mit meinem ehemaligen Vermieter und so« (AI 3-030, Z. 19ff). – Mobbing: »Der eine hatte eben Mobbing im Beruf und die andere hatte so private Probleme« (AI 3-052, Z. 47f).

Beratung zu Alltagsthemen Darüber hinaus wurde in 25 % der Beratungen eine Vielzahl von unspezifischen Themen bzw. Alltagsthemen angesprochen. Diese können hier nicht alle aufgeschlüsselt, sondern werden in der nachstehenden Grafik allenfalls überblicksweise skizziert. Um einen Eindruck von der Heterogenität der Themen zu vermitteln, seien hier nur drei Beispiele zitiert: – Auto: »Auch ein Auto wurde gesagt, ich möchte gern das Auto haben, also das gar nicht, ganz, was heißt richtig, geantwortet wurde, aber ein Mann möchte so ein bestimmtes Auto haben« (FG 1, Z. 664ff).

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– Reisen und Ausflüge: »Mir sind noch weiter auch ganz oft Reisen vorgekommen, also ich möchte gerne reisen, ich möchte gerne lebenslang in Urlaub gehen« (FG 1, Z. 654ff). – Wohnen: »über ›ich hab ein eine Frage bezüglich einer Wohnungsvermietung, können Sie mir da rechtlich weiterhelfen‹, Beratung geben also im puncto Immobilien« (FG 3, Z. 645ff).

Wohnen

Einbürgerung

Medien

Gesundheit Glaube/ Religion

AWBB der KiLAG Zeichnen

Hauswirtscha!

Freizeit Kinder

Auto

Bewegung

Reisen/ Ausflüge

Abbildung 12: Alltagsthemen in der KiLAG-AWBB

In wenigen Fällen boten diese unspezifischen Alltagsthemen Anknüpfungspunkte für die WBB: »Und sie hat mir dann so ein bisschen erzählt, dass sie ganz viel eigentlich so zeichnen würde, und hat mir dann ganz viel gezeigt, was sie so alles gemacht hat und ob sie da nicht in der Richtung was weiter kann« (FG 2, Z. 1654ff).

Die Diversität der Beratungsthemen erschien in den Aufsuchenden Weiterbildungsberatungen der KiLAG größer, als es Schiersmann und Remmele in ihrer 2002 vorgelegten Studie für den Bereich der institutionellen Weiterbildungsberatung erhoben haben. Im institutionellen Kontext waren die Beratungsthemen stärker auf die (Weiter-)Bildungsthematik fokussiert (Schiersmann/Remmele 2002: 18f): in 87 % der Beratungen war »Hilfe bei der Auswahl konkreter Bildungsmaßnahmen«, in 79 % »Anpassung/Erweiterung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten«, in 65 % »Berufs- und lebensbezogene Sinnfragen« Thema. Daneben spielen nach Schiersmann/Remmele »Berufs- und lebensbezogene Sinnfragen« in den Weiterbildungsberatungsstellen eine Rolle (65 %). In unserer Befragung entfielen nach einer Kategorisierung der Antworten 82,5 %

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

der Nennungen auf das Themencluster Weiterbildung, Ausbildung, Arbeit, Beruf oder Berufswünsche. Wir konnten in unserer Studie die Varianz der Themen differenzierter erheben und Erkenntnisse über den Anteil psychosozialer Beratungsanliegen generieren. Jedoch weist die Studie von Bremer et al. darauf hin, dass Bildungsbedarfe häufig mit Lebensproblematiken verknüpft sind: »Alltagsbelastungen, z. T. existenzieller Art: Aufenthalts- und arbeitsrechtliche Fragen, berufliche Orientierung, Umgang mit persönlichen Konflikten, Schuldner_innenberatung, Rechts- und Erziehungsberatung und gesundheitliche Fragen« (Bremer/ Kleemann-Göhring/ Wagner 2014: 78). Ob etwaige Problemlagen in der AWBB stärker vertreten sind als in der institutionellen WBB, lässt sich aufgrund nicht vergleichbarer Abfrageraster nicht verifizieren. Was wir aber sagen können, ist: Der Befund von Schiersmann/Remmele, »[…] wonach Beratungsbedarfe sich primär an beruflichen Fragen ausrichten und die Beschäftigungsfähigkeit (›employability‹) durch die Gewinnung ökonomisch verwertbarer Qualifikationen auch bei der Beratung im Vordergrund zu stehen scheint« (ebd.: 19) hat sich in unserer Erhebung nicht bestätigt. Dies mag einerseits mit konzeptuellen Unterschieden zusammenhängen: Die KiLAG-Berater_innen streben in ihrer AWBB ja in ganzheitlicher Weise die Perspektiv- und Potenzialentwicklung der beratenen Menschen an, ohne dies auf Weiterbildungsfragen zu verengen. Es mag aber auch mit den Spezifika des aufsuchenden Beratungsformats zusammenhängen. Unsere Studie stützt empirisch die These, die wir oben aus der vergleichenden Auswertung anderer vorliegender Studien gezogen haben: Der Anteil von Themen bzw. Beratungsanliegen, die über Fragen der (Weiter-)Bildung hinausgehen, steigt mit abnehmendem Organisationsgrad der Beratungen (! Kapitel II.2.6 und II.2.6). Person- und situations- bzw. lebenslagenbezogene psychosoziale Themen der Adressat_innen waren in der AWBB in höherem Maße zu erwarten als in herkömmlichen Formaten institutioneller WBB – und auch tatsächlich stark vertreten. In den Fällen, in denen es in den AWBB-Kontakten der KiLAG zur Empfehlung konkreter Weiterbildungsmaßnahmen kam, bildete die erwartete Steigerung der II.2.5 (neben der Passung zu den persönlichen Lerninteressen der Beratenen) eine von zwei Motivationen zur Teilnahme (! Kapitel II.2.4). Aufsuchende Weiterbildungsberater_innen werden in ihren Beratungsgesprächen in hohem Maße (in unserer Erhebung in einem Drittel der Beratungen) mit psychosozialen Themen und Beratungsanliegen konfrontiert. Das stellt spezielle Kompetenzanforderungen an die Berater_innen. Aus unserer Sicht der fachwissenschaftlichen Begleitung und Beratung macht es aber auch eine konzeptuelle Klärung notwendig: Welche Bedeutung und Funktion hat das Gespräch über psychosoziale Themen in der AWBB? Welche Reichweite haben der Auftrag und die Expertise von AWBB-Berater_innen im Bereich der Beratung zu

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psychosozialen Themen? Sollen AWBB-Berater_innen, wenn andere als im engen Sinne weiterbildungsbezogene Beratungsanliegen virulent werden, (wie von Gieseke 2000 befürwortet) auch zu diesen beraten – im Sinne einer psychologischen Beratung oder einer sozialpädagogischen Intervention? Dann müssten die Kompetenzprofile für AWBB-Berater_innen auf Grundlinien psychotherapeutischer und/oder sozialpädagogischer Beratungsverfahren hin erweitert werden. Oder sollen sie in solchen Fällen eine Lotsenfunktion ausüben und an andere, psychologisch oder sozialpädagogisch spezialisierte Beratungsanbieter_innen im Sozialraum weitervermitteln? Dann genügen die Feldkenntnisse über die verschieden spezialisierten Beratungsanbieter_innen im Sozialraum und Vernetzung mit denselben. Diese konzeptuellen Klärungen stehen sowohl im fachwissenschaftlichen Diskurs als auch bei den AWBB-Anbieter_innen noch aus. III.2.5.2 Umgang mit Themenvielfalt und konzeptuellen Zielkonflikten Wie gehen die AWBB-Berater_innen der KiLAG mit der Themenvielfalt in den Beratungen um? Geraten ihr Auftrag, zum Thema Weiterbildung zu beraten und die zu großen Teilen anders gelagerten Beratungsanliegen ihrer Adressat_innen (32,5 % psychosoziale Problematiken, 25 % unspezifische Themen) miteinander in Konflikt? Oder geraten sie selbst in einen konzeptuellen Zielkonflikt? Aus unserer fachwissenschaftlichen Perspektive ist durchaus eine konzeptuelle Spannung zwischen dem zielorientierten Auftrag einer themenspezifischen Beratung und dem beratungsethischen Ideal einer subjektorientierten Beratung zu konstatieren. Denn die AWBB Berater_innen der KiLAG sehen sich in den Beratungen mit einer großen Themenvielfalt konfrontiert, die zudem häufig psychosoziale und unspezifische Themen sind (! Kapitel II.2.5; III.2.5). Wie gehen die KiLAG-Berater_innen damit um? Verfolgen sie eine Agenda, z. B., in möglichst vielen Fällen das Thema Weiterbildung zu platzieren? Gehen sie ohne Agenda in die Gespräche und beraten thematisch offen und ergebnisoffen? Das Ergebnis der quantitativen Befragung (Beratungsprotokoll, Frage 6) lautet: Die Frage, ob sie in ihren Beratungen ein bestimmtes thematisches Ziel verfolgt haben, beantworten KiLAG-Berater_innen für 57,89 % der Beratungen mit »Ja«, für 26,32 % mit »Nein«. Für 15,79 % der Beratungen geben sie an, in deren Verlauf eine inhaltliche Zielsetzung entwickelt zu haben. Auf den ersten Blick erscheint es so, dass die KiLAG-Berater_innen in der Mehrzahl ihrer Beratungen eine geschlossene Agenda verfolgen. Die qualitative Befragung (Fokusgruppen-Interviews, Fragen 2.7 und 2.3b) ergibt ein etwas differenzierteres Bild:

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Abbildung 13: Thematische Agenda der Beratenden in der KiLAG-AWBB

Zwar sei das Thema Weiterbildung »natürlich immer im Hinterkopf« (FG 3, Z. 1245), zugleich müsse man aber »[…] flexibel und offen und schauen wenn man zu dem Thema kommt, dann kommt man dazu […]. Und immer bereitliegen, und dann konnte ich es ja auch schon oft anwenden, aber nicht immer« (FG 3, Z. 1242ff).

Eine Beraterin aus einem anderen Projekt äußert: »Ich weiß vorher nicht, was das Anliegen und das Thema ist von der Person, die da kommt. Sondern, dass ich das versuche rauszufinden. Und andere Dinge als Anregung einzubringen. Aber das Thema Weiterbildung immer im Kopf zu haben« (FG 3, Z. 819ff).

In diesen Stimmen zeigt sich eine zielorientierte Agenda, verbunden mit der Bereitschaft, davon zeitweilig abzuweichen, wenn es nötig ist. Man »liegt bereit«, um das eigene Thema – Weiterbildung – zu platzieren, und scannt das Gespräch ständig daraufhin ab, ob und wann das möglich wird. Ein anderer Berater schlägt ein gestuftes Vorgehen vor: Erst die psychosozialen Probleme lösen, dann an Weiterbildung denken. »Was ist eigentlich die Voraussetzung für aufsuchende Weiterbildungsberatung? Also ich denke mal jetzt so über die Spanne hinweg betrachtet ist zumindest für mich eine Erkenntnis, dass aufsuchende Weiterbildungsberatung im Sinne von Weiterbildungsberatung ja auch erst dann funktionieren kann, wenn andere Probleme dann vorher gelöst sind« (FG 3, Z. 280ff).

Beide Auffassungen sind anschlussfähig an o. a. theoretische Überlegungen zu psychosozialen Anteilen der AWBB: »Voraussetzung dafür ist, dass eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Berater_innen und Ratsuchenden besteht. Denn erst wenn ein tragfähiges Arbeitsbündnis hergestellt ist, werden Informationen überhaupt auf- und angenommen. Beratende müssen in der Lage sein,

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Informationen individuumsbezogen, verständlich und konkret darzustellen […] und sich dabei an den Möglichkeiten und Bedürfnissen der Ratsuchenden orientieren« (Bamler/Werner/Nestmann 2013: 82). Aus Sicht eines dritten Beraters ist dagegen stellt sich psychosoziale Beratung als genuiner Bestandteil der WBB dar : »Das heißt, deshalb impliziert für mich eben Weiterbildung die berufliche Bildung, dann die sozialen Aspekte, wenn es um die Person geht, wenn es um das Familiensystem geht, dann Bildungsaspekte, wenn es um Bildungsfragen bei Kindern geht, berufliche Sachen. Wenn es um die eigene Ausbildung, die Perspektiven geht. Auch psychosoziale Themen. Das heißt das ist alles für mich Weiterbildung, und deshalb habe ich auch – sage ich das auch mit einer gewissen Gelassenheit oder auch Selbstsicherheit, dass das für mich alles, praktisch der ganze Bauchladen dann dabei ist, wenn es um Aus- oder Weiterbildungsberatung geht, und wir entsprechend auch flexibel dann auch reagieren können« (FG 1, Z. 1439ff).

III.2.5.3 Zusammenfassung Die Diversität der Beratungsthemen war in den Aufsuchenden Weiterbildungsberatungen der KiLAG größer, als es Schiersmann und Remmele in ihrer 2002 vorgelegten Studie für den Bereich der institutionellen Weiterbildungsberatung erhoben haben. Darüber hinaus waren in den KiLAG-Projekten psychosoziale Beratungsthemen sehr stark vertreten (vgl. Gieseke 2000: 10f) eingebrachten Auch Alltagsthemen zeigten sich als für die Adressat_innen Alltagsthemen beraterisch relevant.

In insgesamt 82,5 % der Beratungsgespräche wurden berufs- und weiterbildungsbezogene Aspekte thematisiert (»Weiterbildung«, »Ausbildung« oder »Arbeit, Beruf oder Berufswünsche«), in 47,5 % wurde eine Lernberatungen bzw. eine Beratung bezüglich der Kenntnisse und Fähigkeiten der Adressat_innen durchgeführt (»Kenntnisse und Fähigkeiten«, »Lernen und wie man lernt«). Der Anteil der psychosozialen Themen (»Alltag und Lebenssituation«)

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war mit 32,5 % wesentlich geringer ; ebenso unspezifische Themen mit 25 % (»etwas Anderes«, »nichts Bestimmtes«). Den in der Fachliteratur vorliegenden Typologien WBB (! Kapitel II.2.1) kann dies wie folgt zugeordnet werden: In den meisten Beratungsgesprächen der KiLAG wurden Themen verfolgt, die klassischen Konzepten von Bildungsberatung oder Weiterbildungsberatung im engeren Sinne entsprechen (82,5 %): – Unterstützung bei bildungs- und berufsbezogenen Entscheidungen und beim Managen des beruflichen Werdegangs (Bildungsberatung lt. OECD 2004: 19) – »Beratung zur Entscheidungsfindung im Hinblick auf die mögliche Teilnahme an einer Weiterbildung« (Weiterbildungsberatung lt. Enoch 2011: 92) oder – »Orientierungs- und Entscheidungshilfe für die Auswahl geeigneter Weiterbildungsangebote im Vorfeld der Teilnahme an einer Weiterbildung« (Weiterbildungsberatung lt. Schiersmann/Remmele 2002: 5, Hervorhebung itb) In 47,5 % der Beratungen wurden Themen angesprochen, die der von Schiersmann so genannten – »personenbezogenen Beratung« als »Orientierungs-, Kompetenzentwicklungs- oder Lernberatung« entsprechen. Diese kann der o. a. klassischen Art von Weiterbildungsberatung vorgelagert werden, wenn die Voraussetzungen für eine Weiterbildungsteilnahme überhaupt erst geschaffen werden müssen (Schiersmann 2011a: 750f; ! Kapitel II.2.1). In 32,5 % der Beratungen standen psychosoziale Problemlagen im thematischen Fokus. Die Auffassung, dass die Beratung zu psychosozialen Themen zu den genuinen Aufgabenfeldern der (A)WBB gehöre, ist im Fachdiskurs nur vereinzelt vertreten: Gieseke beschreibt – »psychosoziale Beratung in Lebenskrisen, angelegt als sozialpädagogische Intervention« als eines von fünf möglichen Aufgabenfeldern der WBB in (Gieseke 2000: 10f;! Kapitel II.2.1.4). Schiersmann und Remmeles Befund, »[…] wonach Beratungsbedarfe sich primär an beruflichen Fragen ausrichten und die Beschäftigungsfähigkeit (›employability‹) durch die Gewinnung ökonomisch verwertbarer Qualifikationen auch bei der Beratung im Vordergrund zu stehen scheint« (ebd.: 19), hat sich in unserer Erhebung nicht bestätigt. In unserer Studie bestätigt sich vielmehr empirisch der Schluss, den wir oben aus der vergleichenden Auswertung anderer vorliegender Studien gezogen haben: Der Anteil von Themen, die über Fragen der (Weiter-)Bildung hinausgehen, steigt mit abnehmendem Organisationsgrad der Beratungen (! Kapitel II.2.5 und II.2.6).

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Aufsuchende Weiterbildungsberater_innen werden in ihren Beratungsgesprächen in hohem Maße (in unserer Erhebung in einem Drittel der Beratungen) mit psychosozialen Themen und Beratungsanliegen konfrontiert. Das stellt spezielle Kompetenzanforderungen an die Berater_innen. Aus unserer Sicht der fachwissenschaftlichen Begleitung und Beratung macht es aber auch konzeptuelle Klärungen notwendig: Welche Bedeutung und Funktion hat das Gesprächs über psychosoziale Themen in der AWBB? Welche Reichweite haben der Auftrag und die Expertise von AWBB-Berater_innen im Bereich der psychosozialen Beratung? Sollen sie selbst sozialpädagogisch oder psychologisch intervenieren? Dann müssten sie entsprechende Beratungsverfahren beherrschen. Oder sollen sie eine Lotsenfunktion zur Weitervermittlung an entsprechend spezialisierte Beratungsanbieter_innen ausüben? Dann genügen Feldkenntnisse und Vernetzung mit fachlich anders spezialisierten Beratungsanbieter_innen im Sozialraum. Zusammenfassend ergeben sich daher folgende konzeptionelle Klärungserfordernisse: – Klärung der Bedeutung und Funktion des Gesprächs über psychosoziale Themen in der AWBB – Festlegung der Reichweite des Auftrags – Methodische Festlegungen: Sozialpädagogische oder psychologische Intervention vs. Lotsenfunktion – Schärfung und Festlegung des Kompetenzprofils von AWBB-Berater_innen

Diese konzeptuellen Klärungen stehen sowohl im fachwissenschaftlichen Diskurs als auch bei den AWBB-Anbieter_innen noch aus. Die Vielfalt der in den Beratungen angesprochenen Themen und Beratungsanliegen erzeugt eine konzeptuelle Spannung zwischen dem zielorientierten Auftrag einer themenspezifischen Beratung (Weiterbildungsberatung) und dem beratungsethischen Ideal einer subjektorientierten Beratung. Die AWBB-Berater_innen der KiLAG gingen damit unterschiedlich um. Quantitativ geben sie an, in 57,89 % der Beratungen eine themenspezifische Agenda (Weiterbildung) verfolgt zu haben, in 26,32 % der Beratungen keine themenspezifische Agenda verfolgt zu haben und in 15,79 % der Beratungen im Verlauf der Beratung eine inhaltliche Zielsetzung entwickelt zu haben. Qualitativ befragt, vertreten sie implizit drei unterschiedliche Konzepte und Mischtypen derselben, die wir aus unserer fachwissenschaftlichen Sicht wie folgt kategorisieren: – geschlossene Agenda: möglichst das Thema Weiterbildung anbringen; – gestufte Agenda: erst psychosoziale Probleme lösen, dann das Thema Weiterbildung anbringen; – inklusive Agenda: psychosoziale Beratung ist Teil der Weiterbildungsberatung, bzw. sie ist selbst eine genuine Form von Weiterbildungsberatung.

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III.2.6 Gesprächsverläufe Um Gesprächsverläufe exakt zu analysieren und belastbare Daten über Dialogmuster, Methodeneinsatz etc. zu gewinnen (vgl. Gieseke/Stimm: 2015) müssten Beratungsgespräche video- oder audiografisch aufgezeichnet oder mit der Methode der teilnehmenden Beobachtung verfolgt werden. Dies war vom Auftraggeber resp. der Auftraggeberin der vorliegenden Studie nicht gewünscht; der Fokus seines/ihres Erkenntnisinteresses lag nicht auf den Beratungsgesprächen selbst, sondern auf den speziellen Bedingungen des Aufsuchens, auf der Frage nach der Zielgruppenerreichung, auf den Beratungsergebnissen etc. Wir haben daher hinsichtlich der Gesprächsverläufe nur erhoben, was einerseits mit Blick auf den besonderen aufsuchenden Charakter der AWBB relevant und was andererseits mit den Instrumenten der vorliegenden Studie zu erheben möglich war, nämlich die Einschätzungen der Berater_innen zu folgenden Aspekten: (Beratungsprotokoll, Fragen 4, 5 und 7; Fokusgruppen-Interview, Fragen 1.6, 2.5–2.7): – Gesprächsphasen und kritische Übergänge – wie gelingt der Überschritt von der unverbindlichen aufsuchenden Kontaktaufnahme zur WBB? – Prozesssteuerung – wer steuert was, und wie? III.2.6.1 Vom Erstkontakt zur Weiterbildungsberatung – Gesprächsphasen und kritische Übergänge Die Phasen eines AWBB-Prozesses lassen sich nach unseren generellen Beobachtungen aus den Workshops mit den Berater_innen und aus dem erhobenen Material im Groben wie folgt skizzieren: – Kontaktanbahnungsplanung und Kontaktanbahnung – Kontaktaufnahme – Gespräch – (Weiterbildungs-)Beratungsgespräch Die Phasen lassen sich nicht trennscharf voneinander abgrenzen; die Übergänge sind fließend. Dennoch hilft die analytische Unterscheidung, um zu untersuchen, wie der Überschritt vom Erstkontakt zu einem gelingenden Beratungsgespräch zustande kommen kann. Die beiden ersten Phasen wurde bereits im Kapitel »Zugänge zur Beratung« eingehend behandelt (! Kapitel III.2.4). Im Weiteren beschreiben die AWBBBerater_innen der KiLAG besonders die Übergänge zwischen den Phasen als kritisch; das wird nachstehend näher ausgeführt.

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Am Übergang von der Kontaktaufnahme zum Gespräch seien bei aufsuchender Arbeit stets ablehnende Reaktionen der Adressat_innen möglich und zu akzeptieren: »[da will ich] dann niemandem was aufdrängen und frag’ dann vielleicht noch mal ’was, einfach ob jetzt vielleicht grad eine andere Situation ist, man muss irgendwo schnell hin und dann stört jetzt, dass ich noch eine Frage stelle« (FG 3, Z. 724ff).

Anknüpfungspunkte, um ins Gespräch zu kommen, konnten entweder aus der Veranstaltung generiert werden, die gerade besucht wird, z. B. ein Stadtteilfest oder ein Kurs bei FERDA: »Und da war immer das Praktische, wenn man einfach schon ein Thema hatte, was nicht persönlich was mit einem zu tun hatte, aber an dem man zusammengearbeitet hat, das gemeinsame Tun« (FG 3, Z. 665ff).

Oder man konnte Resonanzen aufgreifen, die Beratenen auf die von den Beratenden eingesetzten Eyecatcher und Medien zeigten. Als weitere Strategie, um ins Gespräch zu kommen, empfiehlt ein Berater, die Adressat_innen auf ihr unmittelbares Lebensumfeld anzusprechen, insbesondere auf ihre Familie: »Ich erkundige mich nach der Familie, ganz schnell. Dass ich einfach frage ›wie geht es Ihren Kindern, und wie geht es Ihrer Frau?‹. Aber vor allem den Kindern, wenn Kinder da sind. Dass dann erzählt wird. Und dann frage ich noch mal nach, also das heißt Einstieg über Thema Familie. Das finde ich ist – da schmilzt oft schnell so ein Eis oder was, und dann kann auch sein ich erzähl selber was, weil ich merke ah, da ist eine MiniParallele da und so, ich erzähle was von einem Kind von mir grade, um auch zu zeigen ich verstehe Sie da, ich bin auch Vater oder so. Also das heißt: Familie ist ein Einstieg für mich oft« (FG 2, Z. 1270ff).

War ein Gespräch in Gang gekommen, bemühten sich die Berater_innen um Beziehungs- und Vertrauensaufbau. Hierfür brauche man »[… ein] bisschen Zeit, also, das geht nicht in einer Minute mal eben, und natürlich auch auf die Inhalte kommt es so ein Stück an« (FG 1, Z. 1931ff).

Man dürfe »[…] nicht mit der Tür ins Haus« (FG 1, Z. 2097) fallen,

sondern müsse auf die Themen und Interessen der Adressat_innen achten und sie einladen, »auch etwas von sich selbst zu erzählen« (FG 3, Z. 645f).

Beziehung vor Beratung, so kann man zusammenfassen, wie die Berater_innen der KiLAG das grundlegende Verlaufsprinzip der AWBB beschreiben. Hierin bestätigen sie Befunde aus Vorstudien, die ebenfalls den Beziehungsaufbau als

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Voraussetzung für gelingende Beratungsprozesse herausarbeiten; so postuliert etwa Knatz: »Eine Beratung kann nur gelingen, wenn eine gute Beziehung die Basis bildet« (Knatz 2009: 106; vgl. ähnlich auch Fortmann 2012: 51f; Bremer/ Kleemann-Göhring/Wagner 2014: 83). Ähnliche Erfahrungen und Einschätzungen der KiLAG-Berater_innen spiegeln sich in folgenden exemplarischen Interview-Zitaten: »Also deswegen klassischer Ablauf war wirklich eher Kontakt und Kennenlernen. Vertrauen überhaupt fassen. Und dann das Gespräch suchen. Und vielleicht nicht nur eins, sondern halt mehrere. Und dann auch Öffnung für Themen, die mit Weiterbildung zu tun haben. Und selten, dass es so war, dass jemand direkt dann gesagt hat: ›Ah, Weiterbildung, das interessiert mich. Können wir da mal drüber reden?‹ Gab es aber auch Fälle. Das waren dann aber nicht so viele.« (FG 3, Z. 1122ff). »[Erst muss] Vertrauen entstehen. Und dann werden auch andere Themen angesprochen. […] und das heißt nicht, dass daraus immer gleich natürlich die Teilnahme an irgendeinem Kurs folgt, aber dass vielleicht Interesse besteht, und man jetzt offener durch die Welt geht oder nochmal wüsste, man könnte sich an uns wenden, wenn es dazu eine Frage gäbe« (FG 3, Z. 444ff).

Dabei ist offenbar speziell in der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung ein langer Atem nötig, wie die AWBB-Berater_innen der KiLAG immer wieder betonten: »Aber das war in der Regel nicht beim ersten Kontakt der Fall, sondern dass man sich beim zweiten oder späteren Treffen wiedergesehen hat« (FG 3, Z. 655ff). »Bei manchen war es halt gab es nach mehreren Gesprächen, dass was möglich war« (FG 3, Z. 234ff). »Ich habe mich mit ihrem Mann ja länger unterhalten, mit anderen Vätern, weil ich gesagt habe ich mache da einfach Beziehungsarbeit, Kontaktarbeit, um da langsam, aber das braucht auch Jahre« (FG 2, Z. 612ff).

Als schwierigsten Abschnitt im Gesprächsverlauf der AWBB beschrieben die KiLAG-Berater_innen den Übergang vom Gespräch zum Beratungsgespräch. Auch hier gilt: Oft kommt es gar nicht dazu, und die Gespräche verbleiben Gespräche auf einer Vorstufe zur Beratung: »Und, aber das ist so, wenn das das Maß der Dinge wäre, wo halt jetzt tatsächlich eine halbe Stunde, Viertelstunde oder länger ein unmittelbares, definitives Beratungsgespräch im klassischen Sinne stattgefunden, was auf auch Weiterbildung hinzielt, dann denk ich ist das eher eine Vorstufe und hat eher so, meistens an der Schwelle oder an der Stelle, ja, ne, neugierig machen, zum Nachdenken bringen, innehalten, vielleicht eine Tür zu öffnen« (FG 1, Z. 773ff).

Auch hier wird es als Gratwanderung erlebt, den richtigen Zeitpunkt für den Übergang zur WBB zu finden:

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»Puh, das ist schwierig zu sagen, weil es wirklich immer in der Situation, das muss man wirklich dann so rausfühlen« (FG 3, Z. 490f). »Was natürlich für uns sehr, sehr schwierig war, wann können wir in die Richtung gehen, wann auch nicht. Und natürlich sind wir auch vielleicht ein paar Mal natürlich auch gescheitert damit und haben falsch gelegen, das kann natürlich auch sein, aber das ist eigentlich die Kunst, das Gefühl herauszubekommen […] einfach in dem richtigen Moment das Richtige zu sagen« (FG 1, Z. 951ff).

Gute Beobachtung und sensible Wahrnehmung der Signale des Gesprächspartners resp. der Gesprächspartnerin wurden als Kompetenzen benannt, die die Beratenden erkennen lassen, ob und wann sie das Gespräch in Richtung WBB lenken können: »Ich weiß aufgrund seines Verhaltens, dass er mir nicht gleich davonrennt, wenn ich sage ›da gibt es was, das ist mir jetzt so durch den Kopf geschossen, vielleicht wär das ja was für Sie‹. Das signalisiert mir mein Gegenüber, ganz spontan. Entweder es ist Sympathie, Empathie da, oder es haben ihn schon so viele Faktoren abgeschreckt, dass ich einfach nicht zu diesem zweiten Schritt komme. Diese Signale waren, können unter anderem sein die Offenheit des Gegenübers, er oder sie vertraut mir ziemlich viele Dinge an, persönlich an, Persönliches an, oder auch die Gesprächsdauer. Während jemand der nur ›hallo‹ und ›tschüss‹, und das war ihm schon zu viel, gesagt hat, natürlich kann man da kein Gespräch aufbauen, also, genau das signalisiert mir immer mein Gegenüber, in dem Augenblick« (FG 1, Z. 919ff). »[…] und dann hört man was und dann fragt man nach und dann merkt man da kommt so ein Signal, da könnte ich Hilfe brauchen oder weißt du was, und man fragt – also das geht dann sehr schnell« (FG 2, Z. 526ff).

Was macht die Beratung zur Beratung? Kriterien, an denen sich aus Sicht der KiLAG-Berater_innen messen lässt, ob ein Gespräch zum Beratungsgespräch im eigentlichen Sinne geworden ist, sind: Ob den Berater_innen Fragen gestellt wurden, ob sie um Hilfestellungen gebeten werden, ob beide Gesprächspartner_innen gemeinsam die Fragen der Beratenen bearbeitet und Antworten entwickelt haben: »[…] ab dem Zeitpunkt, ab dem wir gemerkt haben, nicht mehr nur das Zuhören ist wichtig, sondern wir werden aufgefordert Hilfestellung [zu geben]« (FG 1, Z. 1960ff). »Und Beratung wäre, wenn ich anfangen würde, auf diese Fragen von jemandem oder auf was, was er sagt einzugehen, und das mit ihm weiterzuentwickeln« (FG 2, Z. 1087ff).

III.2.6.2 Prozesssteuerung – wer steuert was? Inwieweit schreiben die AWBB-Berater_innen der KiLAG sich selbst die Verantwortung für den Verlauf der Beratung zu, und inwieweit sehen sie die Ver-

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antwortung bei den Adressat_innen? Danach haben wir dezidiert in Frage 1.7 des Fokusgruppen-Interviews gefragt. Bei sich selbst sehen die Berater_innen die Verantwortung für – die Konzeption des Beratungsangebots: »Wenn ich aber bedenke, es gibt eine Menge an Vorüberlegungen was wir gemacht haben […] bis wir dann an so einem Ort stehen und so weiter und alles da ist, nicht nur die pragmatischen und operativen Dinge, sondern tatsächlich auch an Konzeption, was wollen wir und so weiter, damit ist es aber indirekt ja auch schon eine Menge an Input. Unabhängig von meinem Wortanteil dabei oder Redeanteil« (FG 1, Z. 1006ff).

– die Auswahl eines geeigneten Beratungssettings: »Wir haben [auf dem Flohmarkt] einen sehr guten Standort, da so an der Hauptader war und drumherum natürlich Klamotten und klassische Flohmarktwaren, aber doch ziemlich am Anfang. Es gibt mehrere Zugänge dann zu dem Platz, und beim Stadtteilfest das war so’n bisschen überschaubar aber auch einfach ein ganz guter Standort wo man selbst zufriedener war, ja, der ist so schlecht nicht, da kommen wirklich auch Leute dran vorbei, können dort stehen bleiben, verweilen und man kann in Ruhe sprechen, ohne dass da gleich […] laute Autos im Hintergrund sind« (FG 1, Z. 1464ff).

– die Initiierung des Gesprächskontakts: »Weil ja der Impuls in diesem Fall tatsächlich schon von uns ausging, wir gehen tatsächlich irgendwo hin und versuchen anzuregen und, denn sonst könnte man ja eigentlich auch in seinem Büro bleiben und sagen: ›Ihr könnt kommen‹, und Annoncen schalten« (FG 1, Z. 768ff).

– die intentionale Zielstellung ihres Angebots (WBB): »Das ist natürlich nur ein Impuls und nicht jetzt, so, da und da will ich dich hin haben, aber tatsächlich etwas in Gang setzen zu wollen, das ist ein hohes Maß an Absicht, das da verdeckt sicherlich drin ist. Also man steht nicht nur da, man guckt was so passiert und beobachtet, sondern, zwar ist der, der unmittelbare Lenkungsanteil, die Steuerung, ist vielleicht nicht so stark, aber die Absichtserklärung die dort hinter steckt, die ist schon höher« (FG 1, Z. 1026ff).

Bei den Adressat_innen sehen sie die Verantwortung für – die Mandatserteilung zur Beratung. Berater_innen dürfen nicht unerlaubt beraten, sondern nur dann, wenn ihr Gegenüber beraten werden will: Entscheidend ist, »ob jemand erlaubt, dass ich diese Frage stelle. Oder dass ich auf den Punkt noch mal eingehe. Oder dass mich das noch mal interessiert, und ob das dann auch was ist, wo das Gegenüber die Erlaubnis auch gibt, dann da dran weiterzumachen. Das ist eigentlich der Punkt, wo dann man was weiterentwickeln kann« (FG 2, Z. 1310ff).

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– die Definition ihres Beratungsbedarfs. Berater_innen sollen keine ungefragten Beratungsinhalte »überstülpen«, sondern »liefern«, was von den Beratenen gefragt ist: »Also ich hab mich nicht als Expertin nur gesehen, sondern wirklich mehr als Begleiterin in diesem Prozess, die mit Wissen da vor Ort ist, und wenn es nötig ist das gerne dann liefert, weiterhilft. Aber es muss einfach von der Person auch mit was kommen, weil nur das Überstülpen, dann passiert ja noch nichts.« (FG 3, Z. 516ff).

Bei beiden Akteur_innen sehen die KiLAG-Berater_innen die Verantwortung für – die Definition und die Umsetzung der Beratungsergebnisse. »Letztlich hat sie die Verantwortung dafür, ob sie etwas draus macht oder nicht, ob sie weitere Schritte geht. Und man kann nur dabei unterstützen« (FG 3, Z. 516ff). »Ich denke, bei der einen ist es mehr, die Verantwortung liegt mehr bei denen, was sie dann draus machen, da muss ich auch nicht mehr hinterher sein oder sowas. Und beim anderen als Experte da würde ich schon auch sagen: da gibt es auch so ein paar, wo ich denke, die muss man wirklich an der Hand nehmen, und denen muss man echt ganz klar aufzeigen, wo sie jetzt hingehen« (FG 2, Z. 2024ff).

Was die Beratenen »draus machen«, also welche Schlüsse sie aus der Beratung ziehen und wie sie diese umsetzen, liegt laut einer Beraterin/einem Berater zwar »letztlich« bei ihnen selbst, bedarf aber doch noch der »Unterstützung«. Und ein anderer Berater/andere Beraterin unterscheidet zwischen einer Gruppe von Beratenen, die er/sie für kompetent genug hält, eigenverantwortlich Konsequenzen aus der Beratung zu ziehen, und einer anderen Gruppe, die seines/ihres Erachtens direktive Instruktionen des Beratenden braucht. Aus Sicht der Berater_innen haben die Adressat_innen also die Expertise bzw. die Definitionsmacht für ihr Beratungsanliegen (»Problem«), aber nicht unbedingt für die Beratungsergebnisse und deren Umsetzung (»Lösung«). Vor dem Hintergrund, dass die Berater_innen in puncto Bildungsverständnis größten Wert auf Subjektorientierung legen, überrascht der Befund, dass sie den von ihnen den beratenen Subjekten die Lösungskompetenz für ihre Probleme und Anliegen nicht immer zutrauen.

III.2.6.3 Zusammenfassung Die Phasen eines AWBB-Prozesses lassen sich grob wie folgt skizzieren: – Kontaktanbahnungsplanung und Kontaktanbahnung – Kontaktaufnahme – Gespräch – (Weiterbildungs-)Beratungsgespräch

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Als kritisch beschrieben die AWBB-Berater_innen der KiLAG besonders die Übergänge zwischen den Phasen; als schwierigsten Abschnitt im Gesprächsverlauf der AWBB sahen sie den Übergang vom Gespräch zum Beratungsgespräch – der offenbar in vielen Fällen auch nicht zustande kommt. »Beziehung vor Beratung«, so beschreiben die KiLAG-Berater_innen das grundlegende Verlaufsprinzip der AWBB. Damit bestätigen sie Vorbefunde (Knatz 2009: 106; Fortmann 2012: 51f ! Kapitel II.2.5). Im Fall der AWBB kann der Beziehungsaufbau, so sagen die KiLAG-Berater_innen, intensive und langwierige Bemühungen erfordern – oft, ohne dass der Prozess sich dann über diese Gesprächsphase hinausführen lässt. Gute Beobachtung und sensible Wahrnehmung der Signale des Gesprächspartners resp. der Gesprächspartnerin sind Kompetenzen, die die Beratenden erkennen lassen, ob und wann sie ein Gespräch in Richtung WBB lenken können. Der Übergang vom Gespräch zum Beratungsgespräch ist nach Einschätzung der KiLAG-Berater_innen gelungen, wenn folgende Kriterien gegeben sind: Den Berater_innen wurden Fragen gestellt; sie wurden um Hilfestellungen gebeten; beide Gesprächspartner_innen haben gemeinsam die Fragen der Beratenen bearbeitet und Antworten entwickelt. Die Verantwortung für den Verlauf der Beratungen haben die Berater_innen den Aktanten wie folgt zugeschrieben: Bei sich selbst sehen sie die Verantwortung für die Konzeption des Beratungsangebots, die Auswahl eines geeigneten Beratungssettings, die Initiierung des Gesprächskontakts und die intentionale Zielstellung des Beratungsangebots (WBB). Bei den Adressat_innen sehen sie die Verantwortung für die Erteilung oder Nicht-Erteilung des Mandats, sie zu beraten und für die Definition ihres Beratungsbedarfs (also: ob und worüber sie beraten werden wollen). Bei beiden Aktanten sehen die KiLAG-Berater_innen die Verantwortung für die Definition und die Umsetzung der Beratungsergebnisse. Aus Sicht der Berater_innen haben die Beratenen also die Expertise bzw. die Definitionsmacht für ihr Beratungsanliegen (»Problem«), aber nicht immer für die Beratungsergebnisse und deren Umsetzung (»Lösung«); manche Beratene haben Handlungsinstruktionen nötig. Die letztgenannte Einschätzung der Berater_innen überrascht, nachdem sie an anderer Stelle eine starke Subjektorientierung ihrer AWBB anstreben.

III.2.7 Zufriedenheit mit der AWBB Wie zufrieden sind die beratenen Adressat_innen mit der erlebten AWBB in den KiLAG-Projekten? In einer vorliegenden Studie wurde die Zufriedenheit mit der Beratung und mit der beratenden Person erhoben (Strobel 2010). Wir haben hierzu quantitative Vergleichswerte abgefragt (Adressat_innen-Fragebogen,

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Fragen 9 und 10). Darüber hinaus haben wir die Beratenen qualitativ nach den Ergebnissen der Beratung und nach ihrer Zufriedenheit damit gefragt (Adressat_innen-Fragebogen, Frage 8; Adressat_innen-Interview, Frage 4.2), sowie nach ihrer Zufriedenheit mit der Kompetenz der Beraterin oder des Beraters (Adressat_innen-Interview, Fragen 5.3–5.5) und – im Blick auf das Spezifikum der Aufsuchenden WBB – mit dem Ort der Beratung (Adressat_innen-Interview, Frage 2.3) gefragt. Ergänzend hierzu haben wir es gerade im Blick auf die von den Beratenden benannten spezifischen Erschwernisse des aktiven Aufsuchens in der AWBB (! Kapitel II.2.4.3) für sinnvoll gehalten, auch die Perspektive der Berater_innen einzuholen: Wie zufrieden sind diese mit den Orten, mit den Verläufen und mit den Ergebnissen der Beratung (Beratungsprotokoll, Frageblock 10)? III.2.7.1 Zufriedenheit der Beratenen… … mit der Beratung insgesamt und mit dem Berater / der Beraterin Die befragten Adressat_innen der AWBB der KiLAG haben in unseren qualitativen Befragungen geäußert, dass sie zufrieden mit den erhaltenen Beratungsleistungen sind (AI 2-060, Z. 225; AI 3-028, Z. 514f oder AI 3-030, Z. 95f). Exemplarisch lassen sich nachfolgend zwei dieser Zitate vorfinden: »Ja. Sehr zufrieden! Es war – beruhigend. […] Ja, ich war beruhigt. Mit Frau #LUDWIG#, sie hat mir gesagt; es gibt viele Wege, und sie können so oder so oder so. Sie hat mir auch Angebote gegeben, ›Gehen sie noch in die Volkshochschule und besuchen sie noch einen Sprachkurs oder bleiben sie in Kontakt mit (??), gehen sie vorbei am Wochentag A, da können sie viel reden und es gibt so viele Frauen wie Sie, und wir haben so viele Gespräche‹« (AI 2-060, Z. 225ff). »Sehr zufrieden. Doch, war sehr erfolgreich und zufriedenstellend. Doch, war ganz gut. […] Also es erleichtert echt den Tag ein bisschen und es gibt noch ein bisschen Kraft ab und zu« (AI 3-030, Z. 95f).

Daneben haben sie auch in unserer quantitativen Befragung extrem hohe Zufriedenheitswerte angegeben: Jeweils 100 % waren mit der Beratung und mit dem Berater oder der Beraterin »zufrieden« oder »eher zufrieden«. Über 82 % gaben den höchstmöglichen Zufriedenheitswert mit der Beratung an, über 87 % den höchstmöglichen Zufriedenheitswert mit dem Berater oder mit der Beraterin. Mit diesen Zufriedenheitswerten übertreffen die KiLAG-AWBB-Projekte bei weitem die in Vergleichsstudien erreichten Werte: Im AES wurde die allgemeine Zufriedenheit mit Weiterbildungsberatungsstellen erhoben, 42 % erhielten den höchstmöglichen Zufriedenheitswert (vgl. AES, BMBF 2015: 53); der in den KiLAG-Projekten erreichte Wert liegt um 40

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Abbildung 14: Zufriedenheiten mit Beratung und Berater/in mit der KiLAG-AWBB

Prozentpunkte darüber. In der im Wissenschaftsteil beschriebenen Studie von Strobel (2010a) (! Kapitel II.3.3) lag der Höchstzufriedenheitswert mit der Beratung bei 74,5 %; der in den KiLAG-Projekten erreichte Höchstzufriedenheitswert liegt um 7,5 Prozentpunkte höher. Der Höchstzufriedenheitswert mit der Beraterin oder dem Berater lag in der Strobel-Studie bei 78,3 %; der in den KiLAG-Projekten erreichte liegt um 8,88 Prozentpunkte höher. … mit Qualitäten bzw. Kompetenzen der Berater_innen Aus welchen beraterischen Qualitäten bzw. Kompetenzen resultiert die Zufriedenheit der Beratenen mit den Berater_innen, d. h. was haben die Beratenen an den Berater_innen und ihren Beratungsleistungen geschätzt? Hierzu haben die Beratenen folgende qualitative Angaben gemacht: – Gesprächsführungsmethodik: Hier werden namentlich die Kompetenzen des Zuhörens und Nachfragens (FB 3-029) sowie der allgemeinen Fähigkeit auf »Gespräche jeder Art einzugehen« (FB 3-052), sowie »auf mich selbst eingegangen wurde« (FB 1-008). – Gestaltung einer »angenehme[n] Atmosphäre« (FB 1–007). – Wertschätzende Haltung (»sie sich einfühlsam in die konkrete Situation meiner Bekannten versetzen konnte«, FB 2-043) und Ernstgenommen-Werden (Die Beraterin »mich und meine Wünsche sehr ernst nimmt und helfen will. Wir haben auch schon öfter telefoniert«, FB 3-031). – Zutrauen und Ermutigung: »Und ja manchmal tut es einfach gut wenn jemand einem positiv zuspricht und sagt du schaffst das und das wird alles gut. Und da hat sie echt eine gute Ader dafür. Und das war echt – hat mir viel Kraft gegeben auch wieder« (AI 3-030, Z. 38ff). – Feldkenntnis/Fachkenntnis i. S. von »viel Erfahrung, viele hilfreiche Tipps« (FB 1-007).

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– Teamkultur, partnerschaftlicher Kommunikationsstil: »Ja, und dann, dass sie beide so miteinander umgehen ist für alle anderen super« (AI 3-028, Z. 862f). Neben Kompetenzen im eigentlichen Sinne spielten hier auch zwischenmenschliche Faktoren eine Rolle: – »Chemie«(FB 3-028). – Identifikation aufgrund der Ähnlichkeit von Biografien und Lebenslagen: »[…] dass sie einfach dazu gehört, dass sie genau mit so Ängsten und Sorgen und Problemen behaftet [ist]« (AI 3-028, Z. 713f). »Und weil man so ein bisschen denselben Werdegang hat und sie in meinem Alter ist« (AI 3-028, Z. 716ff). … mit den Beratungsorten Die Adressat_innen zeigen in den Interviews (Frage 2.3) auf, dass sie sich geschützte Räume für die Beratungsgespräche wünschen – was beim Aufsuchen im öffentlichen Raum oft nicht gegeben ist. An dieser Stelle besteht noch Verbesserungspotenzial, da befragte Personen von einer Diskrepanz zwischen gewünschter und realisierter geschützter Atmosphäre sprechen: »Es war ein bisschen laut, so ein bisschen auf der Straße – es war im Juli oder August. Ne, im August. Und, ja, es war nicht der gemütlichste Platz, aber wir konnten doch darüber reden« (AI 2-042, Z. 85ff).

Auf die Rückfrage, ob ein anderer Ort besser gewesen wäre, gibt die Person an, dass es angenehmer gewesen wäre »[…] in einem richtigen Beratungsbüro oder einem geschlossenen Platz« (AI 2-042, Z. 90f).

Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine weitere beratene Person: »Also, es könnte ein bisschen mehr Intimität sein« (AI 3-028, Z. 480).

… mit den Beratungsergebnissen Die Zufriedenheit mit dem Ergebnis der Beratung wurde in unserer Studie nicht quantitativ, sondern qualitativ erhoben: Was haben die Beratenen als Ergebnisse der Beratung wahrgenommen, und was haben sie daran geschätzt? (Adressat_innen-Fragebogen, Frage 9; Adressat_innen-Interview, Frage 4.2). Die häufigsten Nennungen drehen sich hier darum, dass durch die AWBB neue Perspektiven eröffnet sowie Anregungen und Impulse gegeben wurden, wofür die folgenden Zitate beispielhaft sind (die Zitate sind vollständig; im offenen Bereich des Fragebogens wurden nur Stichwörter eingetragen):

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»mir in manchen Sachen/Themen die Augen geöffnet hat« (FB 3-030); »Neue Anschauung, neue Möglichkeiten« (FB 1-005).

Daneben werden Dimensionen der Informiertheit von den Beratenen genannt, mit denen sie zufrieden sind. Einerseits schätzen sie es, neue Informationen (»ich neue Informationen habe: Kurse und Anbieter«, FB 3-051) »klar + deutlich« (FB 3-055) vermittelt zu bekommen. Andererseits ist es ihnen ein Anliegen, »Antworten auf meine Fragen [zu] bekommen« (FB 3-098). Über die Informiertheit hinaus berichtet eine beratene Person von der konkreten Unterstützung bei der Entscheidungsfindung (»es geholfen hat, meiner Bekannten eine Entscheidung zu treffen«, FB 2-043), mit der sie zufrieden ist.

III.2.7.2 Zufriedenheit der Berater_innen… … mit den Orten/Settings der Beratungen Die Berater_innen zeigten sich in der quantitativen Befragung zu über 89 % zufrieden mit dem Beratungsort.

Abbildung 15: Zufriedenheit mit dem Beratungsort in der KiLAG-AWBB

Gleichwohl gibt es auch eine Nennung, die auf eine gewisse Unzufriedenheit mit den Örtlichkeiten hinweist. Sie berichteten zwar von einigen Fällen, in denen sie nach dem Erstkontakt auf der Straße oder bei einer Veranstaltung das Setting für das Beratungsgespräch gewechselt hatten (Caf8, verabredeter Anruf, BP 3-027), schätzten aber überwiegend die »Neutralität« (BP 2-064) der aufgesuchten Beratungsorte, die »Erreichbarkeit« für die Adressat_innen (BP 2-043; BP 2-060) oder die »Vertrautheit« der Zielgruppen mit diesen Orten (BP 3-055; BP 3-058; BP 2-044). In nur einem Fall war es der/dem Berater_in am öffentlichen Ort »zu laut« (BP 2-062).

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… mit den Verläufen der Beratung Mit dem Verlauf der von ihnen protokollierten Beratungen zeigten sich die AWBB-Berater_innen zu 71,1 % »zufrieden« und zu 11,29 % »eher zufrieden« – es gab keine Angabe von Unzufriedenheit mit dem Beratungsverlauf. Die Zufriedenheit mit dem Verlauf machen die Beratenden an verschiedenen, über eine offene Nachfrage generierten Kriterien fest: – gelungener Gesprächseinstieg (BP 3-031; BP 3-090); – gelungene Überwindung von Sprachbarrieren (BP 3-087; BP 3-054); – gelungener Übergang von einem allgemeinen Gespräch hin zu einem (ggf. auf Weiterbildung fokussierten) Beratungsgespräch; so äußerten sich Beratende z. B. zufrieden damit, dass sie: »[…] vom Hobbythema nach einigem Ausholen zu Weiterbildung als Thema (Interessen und Fähigkeiten als Zwischenschritt) kamen« (BP 3-091),

oder »[…] nach Gespräch zu ›Familienthema‹ auch zu Lernen und Weiterbildung als Themen kamen« (BP 3-058),

ggf. als Ertrag früherer Kontaktarbeit, wenn »[… an] ein vorheriges Beratungsgespräch angeknüpft werden konnte« (BP 3-099);

– gelungene Unterstützung bei beruflicher oder psychosozialer Perspektivklärung z. B. wenn »Suchbewegungen der zu Beratenden für sie zu Prioritätensetzung geführt haben (persönlich, familiär, beruflich)« (BP 2-042), – gelungene Vermittlung relevanten Fachwissens, wenn z. B. »[…] Informationen gut aufgenommen wurden und interessierte Fragen gestellt wurden« (BP 3-051). Interessanterweise benennen die Berater_innen damit auch alle Scharnierstellen, die besonders in der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung kritisch sind. … mit den Ergebnissen der Beratung Die Berater_innen zeigten sich mit den Beratungsergebnissen quantitativ nur zu ca. 63 % »zufrieden«, zu ca. 32 % »eher zufrieden« und zu je 2,6 % »eher nicht zufrieden« oder »nicht zufrieden«. In der qualitativen Befragung nannten die KiLAG-Berater_innen als Kriterien für Zufriedenheit: – Beratene konnten für Weiterbildung interessiert (BP 3-057, BP 1-084; BP 2059), bei Entscheidungen für Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt oder in Weiterbildungskurse vermittelt (BP 3-027) werden; – Beratene nahmen konsequent an Kursen teil (FG 2, Z. 1708f);

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Abbildung 16: Zufriedenheit der KiLAG-AWBB-Berater_innen mit dem Beratungsergebnis

– Berufs- oder bildungsbezogene Ziele der Beratenen konnten geklärt werden (BP 3-056); ggf. konnten Schritte darauf hin herausgearbeitet werden (BP 2042); – Fragen der Beratenen konnten geklärt werden (BP 3-091; BP 3-100); – Beratene konnten (psychosozial) gestärkt werden (BP 3-054); – Beratenen konnten neue Perspektiven eröffnet, Anregungen und Impulse gegeben werden (BP 3-052; BP 3-093); – Beratene konnten an andere Hilfe- oder Beratungsinstitutionen weitervermittelt werden (BP 2-044); – Beratene gaben zufriedene Rückmeldungen: »Vielleicht auch ein Lächeln oder eben bestimmte Gestiken, Mimiken, die einem zeigen, hey, danke, dass man die Möglichkeit hat zu reden, also es muss ja auch nicht ausgesprochen werden« (FG 1, Z. 2397ff); – Zeit konnte effektiv eingesetzt werden (BP 2-043). Deutlich wird hier, dass einige KiLAG-Berater_innen implizit doch ein engeres Verständnis von Weiterbildungsberatung haben, als an anderer Stelle explizit geäußert (! Kapitel II.2.2), denn sie gaben dann Zufriedenheit mit dem Beratungsergebnis an, wenn bei den Adressat_innen Interesse an beruflichem Fortkommen und Weiterbildung geweckt wurde. Offenbar sahen sie dies als ihren Auftrag an, und waren zufrieden, wenn dieser erfüllt war – unabhängig davon, ob das geweckte Interesse auch zur Teilnahme an Weiterbildungen geführt hat: »[…] berufliche und Bildungsziele sind geklärt worden, aber wir haben keine konkreten nächsten Schritte planen können« (BP 3-056);

und eine andere Beraterin gibt an: »[…] nächste Schritte [wurden] herausgearbeitet« (BP 2-042).

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Als Kriterien für Unzufriedenheit gaben die Berater_innen an: – Beratene zeigten sich unmotiviert gegenüber der Beratung und der Umsetzung von Beratungsergebnissen (BP 3-099); – Das Thema Weiterbildung konnte in der Beratung nicht platziert werden (BP 3-088); – Die Zielgruppenerreichung wurde als nicht ausreichend empfunden (FG 3, Z. 1507ff). »Also ich hätte gern mehr Menschen erreicht, das kann ich ganz klar sagen. Also ich habe mir mehr erhofft, aber mir immer zwischendurch gesagt ›und wenn ich nur ein zwei Leuten weitergeholfen habe, ist das auch schon wertvoll. Und jetzt nicht deswegen frustriert sein, sondern da weitermachen, wo man es kann‹« (FG 3, Z. 1507ff).

III.2.7.3 Zusammenfassung Die AWBB der KiLAG hat sehr hohe Zufriedenheitswerte erreicht, sowohl bei den Beratenden als auch bei den Beratenen. Dabei lagen die Zufriedenheitswerte der Beratenen z. T. deutlich über den Vergleichswerten aus Vorstudien und ebenso deutlich über denen der Berater_innen: Eine Ausnahme bildet die Zufriedenheit mit Ort und Setting der Aufsuchenden Beratung: 89 % der Berater_innen sind damit zufrieden. Sie berichteten zwar von einigen Fällen, in denen sie nach dem Erstkontakt auf der Straße oder bei einer Veranstaltung das Setting für das Beratungsgespräch gewechselt hatten (Caf8, verabredeter Anruf), schätzten aber überwiegend die »Neutralität« der aufgesuchten Beratungsorte oder die »Vertrautheit« der Zielgruppen mit diesen Orten. Dagegen war die (hier nur qualitativ, nicht quantitativ erhobene) Zufriedenheit der Beratenen mit Ort und Setting z. T. eingeschränkt. Die Vorteile der Aufsuchenden Beratung (Überwindung der doppelten Distanz und anderer Teilnahmehemmnisse, bessere Zielgruppenerreichung) stehen dem Nachteil weniger geeigneter Orte gegenüber (vgl. Fortmann 2012: 51f; Bremer/Kleemann-Göhring/Wagner 2014: 83); da Beratungssettings an öffentlichen Orten wenig geschützt sind und die Gesprächsinhalte von Dritten mitgehört werden können Mit dem Gespräch und mit der Beratungsperson waren 100 % der Beratenen, mit dem Beratungsort, den Beratungsverläufen und dem Beratungsergebnis mindestens jeweils ca. 82,5 % der Berater_innen »zufrieden« oder eher »zufrieden«. Für ihre Zufriedenheit mit den Beratungsergebnissen gaben 82,5 % der Beratenen den Höchstzufriedenheitswert an. In den KiLAG-Projekten vergaben die Beratenen mehr Bestnoten als die Beratenen in Vorstudien: Für die Beratung im Allgemeinen wurde der Vergleichswert der AES-Studie (BMBF 2015: 53) um 40 Prozentpunkte übertroffen, der Vergleichswert der Strobel-Studie (Strobel: 2010b) um 7,5 Prozentpunkte.

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Für die Leistung der KiLAG-AWBB-Berater_innen vergaben 87 % der Beratenen den höchsten Zufriedenheitswert; im Vergleich zu den Berater_innen der Strobel-Studie schnitten die KiLAG-Berater_innen um 8,88 Prozentpunkte besser ab. Als Beratungskompetenzen, die sie bei den KiLAG-AWBB-Berater_innen wahrgenommen und wertgeschätzt hatten, nannten die Beratenen bevorzugt allgemeine Gesprächsführungskompetenzen (Gestaltung einer positiven der Gesprächsatmosphäre, partnerschaftlicher Kommunikationsstil, Zuhören, Eingehen auf Anliegen, wertschätzende Haltung, Zutrauen und Ermutigung etc.), aber auch bildungs- und arbeitsmarktbezogene Fachkenntnisse. Als Beratungsergebnisse, die wahrgenommen wurden und die extrem hohen Zufriedenheitswerte von 100 % (82 % höchster, 15 % zweithöchster Zufriedenheitswert mit der Beratung) generiert haben, nannten die Beratenen vor allem: Eröffnung von persönlichen Zukunftsperspektiven, Erhalt von erwünschten Informationen und Unterstützung bei Entscheidungsfindungen. Die KiLAG-Berater_innen zeigen sich mit den Beratungsergebnissen in der quantitativen Befragung (BPe) nur zu ca. 63 % »zufrieden«, zu ca. 32 % »eher zufrieden« und zu je 2,6 % »eher nicht zufrieden« oder »nicht zufrieden«. In der qualitativen Befragung zur Zufriedenheit mit dem Beratungsergebnis legen die Berater_innen z. T. die gleichen Kriterien an wie die Beratenen: Eröffnung von persönlichen Zukunftsperspektiven, Weitergabe von erwünschten Informationen, Unterstützung bei Entscheidungsfindungen; darüber hinaus nennen sie aber noch andere und spezifischere Erfolgskriterien: – Weckung, Steigerung oder Planung der Umsetzung von berufs- und (weiter-) bildungsbezogenen Interessen der Beratenen; – Vermittlung in Weiterbildungsmaßnahmen; – psychosoziale Stärkung der Beratenen; – Weitervermittlung der Beratenen an andere Hilfe- oder Beratungsinstitutionen. Kriterien für Unzufriedenheit der Berater_innen mit den Beratungsergebnissen waren: – zu geringe Zielgruppenerreichung; – nicht gelungene Platzierung des Themas (Weiter-)bildung; – geringe Motivation der Beratenen, Beratungsergebnisse umzusetzen. Mit den Beratungsverläufen sind die KiLAG-Berater_innen zu 71,1 % »zufrieden« und zu 11,29 % »eher zufrieden«. Als Kriterien für ihre Zufriedenheit mit den Beratungsverläufen nennen sie vor allem solche, die das Gelingen der schwierigen Übergänge in der AWBB betreffen: Gesprächseinstiege, Überwin-

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dung von Sprachbarrieren, Überschritt vom Smalltalk zum fokussierten Beratungsgespräch. Offen bleibt, inwieweit Effekte der Selektion und der Selbstselektion der Befragten die Evaluationsergebnisse beeinflusst haben. Haben z. B. die Berater_innen vorwiegend solche Beratungen protokolliert, mit denen sie zufrieden waren – und andere nicht? Haben sie die Fragebögen vorwiegend an zufriedene Adressat_innen ausgeteilt – und an andere nicht? Haben Beratene sich vorwiegend zu Adressat_innen-Interviews bereit erklärt, wenn sie mit der Beratung zufrieden waren? Sind also negative Rückmeldungen in der Erhebung unterrepräsentiert? Solche Effekte lassen sich nicht ausschließen. Das gilt natürlich in gleicher Weise für die zitierten Vergleichsstudien. Von daher sind die erzielten Ergebnisse besonders im Vergleich mit denen anderer vorliegender Studien aussagekräftig.

III.2.8 Rollenverständnis, Rollengestaltung und Kompetenzen der Beratenden III.2.8.1 Rollenverständnisse der Berater_innen Welches Verständnis haben die Beratenden von ihrer Rolle als Aufsuchende Weiterbildungsberater_innen? Das haben wir in Frage 1.7 der FokusgruppenInterviews erfragt. Im Ergebnis zeigt sich ein breites Spektrum von Rollen, die die Berater_innen sich selbst oder die die Adressat_innen ihnen zuschreiben: Berater_in, Auskunftgeber_in, Lehrer_in, Ratgeber_in, Überweiser_in (Triage-Funktion); Vermittler_in, Vertrauensperson, Seelsorger_in, Unterhalter_in etc. Dieser Befund ist nicht überraschend: Die KiLAG und ihre AWBB-Berater_innen haben ein sehr weites Verständnis von Auftrag, Zielen und erwünschten Inhalten der AWBB – entsprechend weit ist das wahrgenommene Rollenspektrum ihrer AWBB-Berater_innen. Eine solche Vielfalt von Rollen in sich zu vereinen, bzw. unter diesen verschiedenen Rollen in einzelnen Beratungskontakten jeweils adäquat (d. h. situations-, personen- und anliegenorientiert) intern zu makeln, ist eine besondere Herausforderung. Je weiter das Konzept der Aufgaben von AWBB gefasst wird, desto größer wird die Rollenvielfalt der Berater_innen, und desto komplexer wird die Aufgabe, diese Rollenvielfalt intra- und interpersonal zu managen. Aus unserer fachwissenschaftlichen Sicht liegt die Empfehlung nahe, den Berater_innen für die hohen Anforderungen, denen sie im Bereich des Managements beruflicher Rollenvielfalt ausgesetzt sind, Unterstützung durch Supervision anzubieten.

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III.2.8.2 Formattypische Erschwernisse der Rollengestaltung Für das Beratungsformat der AWBB wurden in theoretischen Arbeiten formattypische Herausforderungen an die Rollengestaltung benannt, die besonders bei der in-home-Beratung zum Tragen kommen, in abgeschwächter Form aber auch im Rahmen anderer AWBB-Angebotsformate eintreten können (! Kapitel II.2.8): – Heimvorteil der Beratenen (vgl. Reiner et al. 2005: 238) – Rollenverdrehung (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 90) – Nähe und Distanz (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 89) – Beeinflussung der Prozesssteuerungsfähigkeit (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 89) – Kompetenzdarstellungskompetenz (vgl. Lüngen 2010: 48). Im empirischen Datenmaterial unserer KiLAG-Befragungen werden diese Punkte z. T. kaum, z. T. gar nicht adressiert. Möglicherweise lag zu wenig signifikante Erfahrung mit diesen Phänomenen vor – in-home-Beratung wurde ja nur in einem der drei Projekte überhaupt angeboten und bildete dort nur einen Teil der Angebotspalette. Wir können auf der schmalen Datenbasis nicht viel mehr sagen, als dass die KiLAG-Berater_innen die ersten drei der o. a. Erschwernisse kennen. »Also wenn ich natürlich zu jemandem heimkomme, dann ist es für mich so ich bin dort Gast. Das ist das alleroberste. Erst mal diese Haltung. Ich gucke erst mal, wie der Gastgeber, die Gastgeberin beginnt mit diesem Gespräch, und was sie will, bis zu dem, dass man dann häufig was angeboten bekommt oder sonst irgendwas. Also dieses Thema Gastfreundschaft, ich darf jetzt bei Ihnen – zu Ihnen kommen, das ist so, glaube ich, wenn ich Hausbesuche mache, erst mal meine Haltung, meine Anfangshaltung. Ohne irgendwas jetzt Festes mitzubringen, im Sinne von so und so will ich das jetzt machen« (FG 2, Z. 1187ff).

In diesem Zitat wird deutlich, wie die beratende Person den Beratenen ihren Heimvorteil zugesteht und es ihnen in respektvoller und wertschätzender Weise überlässt, den Rahmen des Besuchs zu gestalten. Damit ist eine (partielle) Rollenumkehrung akzeptiert, denn i. d. R. gehört die Gestaltung des Settings zu den professionellen Aufgaben der Beratenden. Wie das den Gesprächsverlauf hinsichtlich Rollenverteilung und Prozesssteuerung im Weiteren beeinflusst, geht aus dem Interviewmaterial nicht hervor. Das Thema Nähe und Distanz wird durch das Aufsuchen der Lebenswelt der Adressat_innen virulent. Das Eintreten in die Freizeit- und Privatsphäre stellt (insbesondere in der in-home-Beratung) per se eine starke Nähe her. Es erscheint offenbar nötig und erfordert eine gewisse Anstrengung, dieser Nähe eine professionelle Distanz entgegenzusetzen, wie das nachstehende Zitat zeigt:

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»Aber auch zu gucken, dass ich auf mich mit achtgebe, und mich da jetzt nicht nur Leuten anpasse oder alles für die tue, sondern was is da jetzt notwendig oder wo kann ich helfen? Wo ist aber auch Schluss. Und wo vermittle ich weiter? […] Um die professionelle Ebene einfach auch zu wahren, dass das ganz klar ist, und dass man sich hier in diesem Kontext vor Ort trifft, dass das auch vertraut sein kann, aber dass klar ist, dass wir jetzt nicht alle automatisch Freunde werden« (FG 3, Z. 1216ff).

Ganz ungenannt bleiben in unserem Interviewmaterial die beiden letztgenannten Punkte: Beeinflussung der Prozesssteuerungsfähigkeit und Kompetenzdarstellungskompetenz. Entgleitet den Beratenden ihre Prozesssteuerungsfähigkeit, wenn sie den Heimvorteil der Beratenen und eine partielle Rollenumkehrung akzeptieren? Oder wie können Teile der professionellen Rolle affirmiert und Teile der Prozesssteuerungskompetenz bewahrt werden? Auch hierzu stehen in Fachdiskurs und Fachpraxis konzeptionelle und methodische Weiterentwicklungen noch aus. Wie die o. a. formattypischen Herausforderungen sich im Beratungsprozess tatsächlich auswirken und wie die Aktanten sie rollengestaltend und methodisch bewältigen, ist eine beratungsmethodisch hoch relevante Frage; sie stellt sich in ähnlicher Weise für andere Felder aufsuchender Beratung, z. B. für die aufsuchende Seelsorge18. Ihre Erforschung steht noch aus; zur Datenerhebung würden sich forschungsmethodisch am besten video- oder audiografische Aufzeichnungen oder die teilnehmende Beobachtung eignen. III.2.8.3 Kompetenzanforderungen an Beratende (Selbst- und Fremdeinschätzung) In den theoretischen Ausführungen wurde deutlich, dass sich die Kompetenzanforderungen für die Weiterbildungsberatung häufig katalogartig und je nach Autor/in unterschiedlich präsentieren. Für die Aufsuchende Weiterbildungsberatung fehlt es hingegen an einer solchen Ausarbeitung (! Kapitel II.2.8). In diese Lücken stoßen die im Folgenden berichteten Ergebnisse, die die Selbstund Fremdeinschätzung der Kompetenzanforderungen in der AWBB-Projekten der KiLAG berichten. Welche Kompetenzen sind für die Arbeit in der AWBB erforderlich? Hierzu haben wir die Einschätzungen der AWBB-Berater_innen mit der Frage 9 des Beratungsprotokolls und mit den Fragen 4.2 und 4.3 der Fokusgruppen-Interviews erhoben, die Einschätzungen der Beratenen mit der 18 Vgl. zur aufsuchenden Seelsorge: Kreitzschek, D. / Neuendorff, F. (2004): »Was willst du, dass ich dir tue?« Über die Notwendigkeit der Arbeit mit inhaltlichen Kontrakten in der Klinikseelsorge, in: WzM 54 (2004), 407–420; Lammer, K. (2016), Wie arbeitet Seelsorge? Ausrichtung und Methodik. In: dies. et al. (2016) Menschen stärken. Seelsorge in der Evangelischen Kirche. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 59–72; Lammer, K. (2016): Welche operative Qualität braucht Seelsorge, aaO, 81–92.

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Frage 10 im Adressat_innen-Fragebogen und mit der Frage 5.6 im Adressat_innen-Interview. In der Präsentation der Ergebnisse verzichten wir auf Aufzählungen grundlegender Beratungskompetenzen, die für jede Art von personenbezogener, psychosozialer Beratungstätigkeit erforderlich sind (personale oder SelbstKompetenzen, soziale Kompetenzen, Kommunikations- und Gesprächsführungskompetenzen, Interventions-, Moderations- und Prozesssteuerungskompetenzen, Bewusstsein über die eigenen Kompetenzgrenzen und Delegationsfähigkeit etc.). Solche allgemeinen beraterischen Kompetenzen wurden in unserer Erhebung natürlich auch benannt, ihre erneute Katalogisierung bringt aber keinen Erkenntnisgewinn. Ein Befund wie: 97 % der Beratenden halten Kommunikations- und Gesprächsführungskompetenz für die wichtigste Kompetenz in der Beratung (Schiersmann/Remmele 2002: 21f) ist im Beratungskontext eher erwartbar und muss hier nicht repliziert werden. Vom Interesse ist im Rahmen unserer Evaluationsstudie vielmehr die Feststellung, dass die AWBB-Berater_innen aufgrund der hohen Fallzahlen, in denen psychosoziale Themen Gegenstand der Beratung werden (laut unserer Erhebung in 32,5 % der Beratungen, ! Kapitel III.2.5) nicht nur branchenspezifische Fachberatungskompetenzen i. S. von Fach- und Feldwissen brauchen, sondern darüber hinaus auch generalistische Beratungskompetenzen für die personbezogene psychosoziale Beratung. Wie weit die Kompetenzen in diesem Bereich ausgebildet sein sollten, hängt davon ab, wie der Auftrag der AWBB im psychosozialen Bereich vom Anbieter resp. der Anbieterin konzeptuell definiert wird. Weiterhin ist im Rahmen unserer Evaluationsstudie relevant, welche besonderen Kompetenzanforderungen die AWBB im Unterschied zu anderen Beratungsformaten an die Beratenden stellt. Diese ergeben sich aus den spezifischen Merkmalen, die AWBB von anderen Beratungsangeboten unterscheidet. Sie sind unserer Ansicht nach am sinnvollsten nach den folgenden Kategorien aufzuschlüsseln: – besonderer Gegenstand/Thema der AWBB: Weiterbildung – besonderes Feld der AWBB: (Weiter-)Bildungssystem, Arbeitsmarkt – besondere Zielgruppen der AWBB: bildungsbenachteiligte Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Erwachsene – besonderes Format der AWBB: aufsuchend Aus dem besonderen Thema und Feld der AWBB ergibt sich, welche besonderen Fach- und Feldkompetenzen erforderlich sind. Schiersmann kommt zu der theoretischen Erkenntnis, dass einerseits hinsichtlich der Personen, um deren Weiterbildung es geht, »Wissen über Bildungsbiographien und Lebenslaufgestaltung […], über Lernprozesse, berufliche Entwicklungspfade« etc. (Schiers-

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mann 2010: 35), und andererseits hinsichtlich des Feldes, in dem Weiterbildung stattfindet, Kenntnisse über rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, Institutions- und Organisationsformen von Weiterbildungseinrichtungen sowie Kenntnisse über den Arbeitsmarkt (Schiersmann 2011b: 433; 2000: 26) erforderlich seien (! Kapitel II.2.6; II.2.8). Die AWBB-Berater_innen der KiLAG sehen unter den themen- und feldspezifischen Kompetenzen die Priorität bei zwei spezifischen Akzenten der Feldkompetenz: Die Berater_innen müssen umfassende Kenntnisse über die regionalen Anbieter_innen von Weiterbildung und Beratung haben, um dorthin vermitteln zu können. »Also ich denk hilfreich ist ein Grundwissen zu haben, was gibt es hier im Umfeld an […] vielleicht an Trägern, die im weitesten Sinne Weiterbildung anbieten, das wär aber ein klassisches Denken, aber nicht unbedingt in ’ner differenzierten Form, das ist ja sicherlich schön, aber nicht als erstes Kriterium, das wäre in der Anfangsphase, mehr muss dafür, oder, so, eigentlich Lernphase, Einführungsphase, Kennenlernphase, da sicherlich so ein Punkt, so, sich ein Bild zu machen, wie sieht die Landschaft hier eigentlich aus, was ist abgedeckt, wo gibt es verschiedenste Anbieter, die sowas machen und wie differenziert es sich da?« (FG 1, Z. 2864ff). »Also wenn wir alle drei – oder wir beide jetzt über so Netzwerke verfügen, und einfach auch die Landschaft kennen in #STADT A#, und wenn wir dann merken und das sortieren, wie es Frau #SCHMITT# gerade beschrieben hat, dass wir – wenn sie jetzt merkt das ist ein – ja ist ein Erziehungsthema, also, dass wir Kontakt haben zum Beispiel auch zu Beratungsstellen« (FG 2, Z. 953ff).

Das schätzen die Beratenen genauso ein. Sie erwarten und schätzen bei den Berater_innen besonders das Wissen über die regionale Angebotsstruktur (FB 1-007, FB 3-055, FB 3-051); sie wollen über die Palette ihrer Auswahlmöglichkeiten informiert werden. Dafür bietet das nachstehende Zitat ein Beispiel: »So wie sie gewusst hat – sie hat ja eben so ein ganzes Ding dabei, einen ganzen Ordner: wie, wo, was, und da konnte sie sagen da könnt ihr dahin oder dahin« (AI 3-052, Z. 268ff).

Die Feldkompetenz schließt nach Einschätzung der KiLAG-Berater_innen aber nicht nur Feldkenntnisse ein, also Wissen und Informationen über die regionale Angebotspalette, sondern darüber hinaus auch eine persönliche und institutionelle Vernetzung mit den relevanten Stakeholdern in der Region. Kontakte müssen geknüpft und laufend gepflegt werden, persönliche Kooperation ist erforderlich, um die Bedarfe in der Region arbeitsteilig aufzugreifen und Adressat_innen wechselseitig aneinander zu überweisen. Das wird aus den nachstehenden Zitaten deutlich:

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»Sie muss bereit sein, in einem Netzwerk zu arbeiten. Das heißt dass ich Teil eines Netzwerkes bin, dass auf mich verwiesen wird, dass ich auf andere verweise. Also das ist für mich etwas Unabdingbares« (FG 2, Z. 1842ff). »Aber auch die Fähigkeit, zu delegieren. Also genau zu wissen: Was kann ich und was kann ich nicht. Was gebe ich weiter? Wo sitzt da jemand, der kompetent ist, der mich da unterstützt? Also auch daran keine Überschätzung« (FG 3, Z. 2019ff). »Dass die Person einfach das Netzwerk auch selber lebt« (FG 2, Z. 1852f).

Unter den zielgruppenspezifischen Kompetenzen priorisieren die Berater_innen diejenigen, die für den Umgang mit der Zielgruppe Menschen mit Migrationshintergrund notwendig sind. Bemerkenswerterweise werden die beiden anderen besonderen Zielgruppen der AWBB (ältere Erwachsene und bildungsungewohnte Menschen) und die für deren Beratung erforderlichen Kompetenzen (man könnte hier etwa an Milieusensibilität etc. denken) nicht adressiert. Als vor allem erforderlich heben die Berater_innen Kompetenzen für die interkulturelle Kommunikation hervor, die wir hier etwas vereinfacht mit Kultursensibilität zusammenfassen. Darunter fällt nach Einschätzung der Berater_innen: – Interesse und Respekt für andere Kulturen: »Neugier auf Vielfalt und Unterschiede« (BP 2-063), bzw. eine »soziokulturelle Neugier« (BP 2-062) werden hier genannt.

– Wissen über andere Kulturen, deren Wertesystem und Normen: Hier wird zum Beispiel mit Blick auf Hausbesuche wiederholt das Wissen über die Rolle und die Verhaltenskodizes des Gastes genannt. Insbesondere wird das Wissen über Schamgrenzen in anderen Kulturen betont. Das nachstehende Zitat ist dafür ein Bespiel; zugleich kommt darin eine generell aufmerksame und respektvolle Haltung gegenüber kulturell unterschiedlich geprägten Werten und Normen zum Ausdruck: »Das sind manchmal in – also wir haben es manchmal teilweise mit Kulturen zu tun, die sehr aus dieser Schamkultur heraus auch kommen, und wo ich denke da muss ich ganz, ganz viel dazu lernen, zu dem was ich auch natürlich unter Scham verstehe. Aber da hat diese Verbindung zwischen Ehre und Scham, das ist nun mal was ganz Anderes als das, was ich in meiner Kultur kenne. Und da auch sich einzuhören und sich einzustellen und einzulassen auf jemand anders, und zu merken okay, das ist dem seins, ich würde das anders machen, aber das bedrückt den total und man muss das miteinander respektieren, also auch das respektieren, ohne dass ich es – […] bewerte. […] doch, ich bewerte es sehr wohl, also bitte, ich bin nicht objektiv. Also ich bewerte es sehr wohl, also ich bewerte es an meinem Wertesystem, aber ich kann es stehen lassen« (FG 2, Z. 1016ff).

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– Interkulturelles Wissen der Berater_innen wird auch auf Adressat_innenseite wahrgenommen und für relevant gehalten: »Ja. Also, sie ist mit verschiedene Leute aus verschiedene Länder. Sie kennt die Kultur von (Ländernamen, nicht verstanden), sie konnte die Situation so und so machen, sie kennt diese. […] Ja. Weil sie hat viel Kontakt mit Ausländern« (AI 2-060, Z. 252ff).

– Wissen über Ausbildungssysteme anderer Länder und die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Abschlüsse in Deutschland ist immer wieder gefragt, was z. B. im nachfolgende Auszug aus einem Beratungsprotokolls zum Ausdruck kommt: »[…], und dann sind es diese Themen wie Anerkennung von meinem Abschluss, den ich im Ausland gemacht habe. Oder habe ich überhaupt diese Qualifikationen. Dann wissen ganz viele gar nicht wo sollen sie denn mit diesen Fragen überhaupt hingehen« (FG 2, Z. 288ff); (vgl. a. BP 3-057).

Solches Wissen wird auch von den Beratenen besonders geschätzt: »Berater können viel machen, weil als Ausländer kennt man sich nicht so richtig aus mit verschiedenen Themen: mit Schule, mit Beruf, bei Behörden, mit wichtigen Daten« (AI 2-042, Z. 162ff).

Weiterhin wird die Fähigkeit für nötig gehalten, mit Sprachschwierigkeiten der Adressat_innen methodisch umzugehen und sie z. B. durch den Einsatz nonverbaler Medien zu mildern: »Und sonst methodisch gibt es natürlich viele Möglichkeiten, also bei Menschen, die nicht ganz so gut Deutsch sprechen oder ich eben auch nicht so besonders gut Englisch oder Französisch, was manchmal auch noch hilft, aber in vielen anderen Sprachen nicht. Ich versuche es häufig auch zu visualisieren, bestimmte Sachen. Also wenn es um Prioritätensachen geht oder habe auch manchmal was dabei, wo ich dann so bisschen aufzeichne, wenn es um’s Thema Familie geht, wer gehört denn jetzt zur Familie, habe ich das richtig verstanden, entweder mache ich schnell ein Genogramm mit denen oder versuche dann auch über andere Materialien so eckig und rund manchmal dabei, und dann legen wir das manchmal so aus. Es kommt eben einfach immer d’rauf an, was ist denn das Thema. Wenn wirklich ein Thema dann ist und man nicht erst so entwickeln muss, was ist es denn eigentlich. Was hab’ ich sonst noch methodisch. Also ich versuch’ auch ganz, ganz einfache Sachen dann auch, was weiß ich, was auf ’m Tisch steht, man kann auch Kaffeetassen nehmen oder sonst irgendwas legen« (FG 2, Z. 1196ff).

Als notwendige formatspezifische Kompetenzen werden diejenigen beschrieben, die der professionelle Umgang mit den besonderen Schwierigkeiten des aufsuchenden Beratungskontakts erfordert, d. h. zum einen damit, dass die Last der Kontaktaufnahme auf Seiten der Beratenden liegt, und zum anderen damit, dass die Gesprächssituationen und -verläufe der AWBB in höchstem Grade

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

nicht-standardisiert und nicht standardisierbar sind – was naturgemäß Unsicherheiten generiert. Kontaktfreude ist daher nach Einschätzung der Beratenden eine der Kernkompetenzen in der AWBB: »Es ist eher so wenn man kommt so wohin, dazu, und versucht, dort Kontakte zu kriegen. Das ist sehr viel schwieriger, und da geht es einfach d’rum zunächst mal, mit diesen Menschen Kontakt zu kriegen – diese berühmte Smalltalk-Phase oder was es auch immer ist, glaube ich wirklich auch« (FG 2, Z. 787ff). »weil sie nicht wie klassische Beratungssituationen sind, wie fang’ ich so ein Gespräch auf, das zwischen Tür und Angel entsteht« (FG 3, Z. 2059ff).

Weiterhin sind Kreativität und die Fähigkeit zur Kompensation von Unsicherheit (»Mut«) erforderlich, um die Nicht-Standardisierbarkeit von Beratungsdienstleistungen zu bewältigen.19 Das kommt im nachstehenden Zitat zum Ausdruck: »[…] selbst mit kreativ auch zu sein, ist, also nicht nur in ein festes Muster so reinzugehen was man jetzt so auch grade hat, sondern tatsächlich auch, ja diesen Grundgedanken auch mit in den Blick zu nehmen, ne, also selbst auch diesen Teil, aufsuchend, ja in der Lage zu sein, den Mut dazu haben oder auch befähigt zu -, ja, oder, aus-, den Mut haben es auszuprobieren, das kann man ja nicht einfach so mitbringen und können, was heißt das schon, ne, aber, und kommunikativ auch, dass jemand das sein muss der von sich aus auch n Impuls verspürt, oh ja, ich probiere mal was aus, was Ungewohntes aus« (FG 1, Z. 2809ff).

Kreativität (sicher auch Sensibilität) ist vor allem bei der Gestaltung der kritischen Übergänge vom Kontakt zum Gespräch und vom Gespräch zur Beratung erforderlich, wie schon in Kapitel III.2.6 eingehend beschrieben wurde. Hier soll deshalb zur Illustration nur ein Zitat in Erinnerung gerufen werden: »[…] aber das ist eigentlich die Kunst, das Gefühl herauszubekommen […] einfach in dem richtigen Moment das Richtige zu sagen« (FG 1, Z. 951ff).

III.2.8.4 Zusammenfassung Die AWBB-Berater_innen der KiLAG schreiben sich eine enorme Vielfalt von Rollen zu. Das ist vor dem Hintergrund des holistischen AWBB-Konzepts der KiLAG nicht überraschend: Ein weites Aufgabenverständnis generiert ein breites Rollenspektrum. Dadurch sind die Berater_innen im Bereich des intrapersonalen Managements beruflicher Rollenvielfalt stark gefordert. Aus unserer fachwissenschaftlichen Sicht liegt die Empfehlung nahe, den Berater_innen hierfür Unterstützung durch Supervision anzubieten. 19 Vgl. hierzu Kap. II.2.6.3.

187

Forschungsergebnisse

Für das Beratungsformat der AWBB wurden in theoretischen Arbeiten formattypische Herausforderungen an die Rollengestaltung benannt, die besonders bei der in-home-Beratung zum Tragen kommen, in abgeschwächter Form aber auch im Rahmen anderer AWBB-Angebotsformate eintreten können (! Kapitel II.2.4.3.; Kapitel II.2.6.3): – Heimvorteil der Beratenen (vgl. Reiner et al. 2005: 238) – Rollenverdrehung (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 90) – Nähe und Distanz (vgl. Zwicker-Pelzer 2010: 89) – Beeinflussung der Prozesssteuerungsfähigkeit (Zwicker-Pelzer, 2010: 89) – Kompetenzdarstellungskompetenz (vgl. Lüngen 2010: 48). Im empirischen Datenmaterial unserer KiLAG-Befragungen werden diese Punkte z. T. kaum, z. T. gar nicht adressiert. Wir können auf der schmalen Datenbasis nicht viel mehr sagen, als dass die KiLAG-Berater_innen die ersten drei der o. a. Erschwernisse kennen. Wie die o. a. formattypischen Herausforderungen sich im Beratungsprozess tatsächlich auswirken und wie die Akteur_innen sie rollengestaltend und methodisch bewältigen, ist eine beratungsmethodisch hoch relevante Frage; sie stellt sich in ähnlicher Weise für andere Felder aufsuchender Beratung, z. B. für die aufsuchende Seelsorge. Ihre Erforschung steht noch aus. Welche spezifischen Kompetenzen für die AWBB erforderlich sind, lässt sich nach unserem fachwissenschaftlichen Dafürhalten am besten daraus ableiten, was das Beratungsformat AWBB von anderen Beratungsformaten unterscheidet, nämlich: Thema, Feld, Zielgruppen und aufsuchendes Format. Daraus ergibt sich die von uns vorgenommene Unterscheidung in themen- und feldspezifische, zielgruppen- und formatspezifische Kompetenzen. In diese Kategorien haben wir die Antworten der Befragten zu- und eingeordnet. Themen- und feldspezifische Kompetenzen

Zielgruppenspezifische Kompetenzen

Formatspezifische Kompetenzen

Kenntnisse über regionale Bildungsangebote (FG 1, 2; AI 3-052; AI 1-007, 3-055, 3051) Vernetzungs- und Kooperationsfähigkeit (FG 2, 3)

Kultursensibilität (BP 2-063; BP 2-062) und interkulturelles Wissen (FG 2; AI 2-060) Kreative Methoden für Menschen mit Sprachschwierigkeiten (non-verbale Methoden) (FG 2) Kenntnisse, z. B. über die Anerkennung ausländischer Abschlüsse (FG 2; BP 3-057; AI 2-042)

Kontaktfreude (FG 2, 3)

Fähigkeit zur Kompensation eigener Unsicherheit (»Mut«) (FG 1), »Inkompetenzkompensationskompetenz« Kreativität (insbesondere bei der Gestaltung des Übergangs vom unspezifischen Gespräch zur Beratung) (FG 1)

188

Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Unter den themen- und feldspezifischen Kompetenzen haben Beratende und Beratene übereinstimmend die Feldkompetenz für den regionalen Bereich als besonders wichtig angesehen, und halten sie nicht nur als detaillierte Kenntnisse über die Weiterbildungs- und Beratungsangebote in der Region, sondern vor allem auch als eine Vernetzung und Kooperation mit den relevanten Stakeholdern in der Region für erforderlich. Unter den zielgruppenspezifischen Kompetenzen priorisieren die Berater_innen die für den Umgang mit Menschen mit Migration erforderliche Kultursensibilität sowie die Fähigkeit, Sprachschwierigkeiten der Adressat_innen durch methodischen Einsatz nonverbaler Medien zu mildern. Weiterhin werden Kenntnisse über die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Bildungs- und Berufsausbildungsabschlüsse für erforderlich gehalten. Die formatspezifischen Kompetenzen beziehen sich auf den professionellen Umgang mit den besonderen Schwierigkeiten des aufsuchenden Beratungskontakts, d. h. mit nicht-standardisierten und nicht-standardisierbaren Gesprächssituationen und Gesprächsverläufen. Hier schätzen die KiLAG-Berater_innen Kontaktfreude, die Fähigkeit zur Kompensation eigener Unsicherheit (»Mut«), und Kreativität als wichtigste Kompetenzen ein – Kreativität vor allem bei der Gestaltung der kritischen Übergänge vom Kontakt zum Gespräch und vom Gespräch zur Beratung (! Kapitel III.2.6). Angesichts der hohen Fallzahlen, in denen psychosoziale Themen in der AWBB angesprochen werden (laut unseren Befragungsergebnissen in 32,5 % der AWBB-Beratungen der KiLAG), ist evident, dass in der AWBB neben den o. a. besonderen Fachberatungskompetenzen auch generalistische Beratungskompetenzen für die personenbezogene psychosoziale Beratung erforderlich sind. Wie weit die Kompetenzen in diesem Bereich ausgebildet sein sollten, hängt davon ab, wie der Auftrag der AWBB im psychosozialen Bereich vom Anbieter bzw. von der Anbieterin konzeptuell definiert wird.

III.2.9 Ergebnisse der Beratungen III.2.9.1 Kurzfristige und mittelfristige Effekte Teil des Auftrags der itb-/KiLAG-Studie war es, Ergebnisse der Inanspruchnahme der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung zu erheben. Diese wurden für die Adressat_innenperspektive anhand der Angaben zu Frage 8 in den Adressat_innen-Fragebögen und zu Frageblock 4 in den Adressat_innen-Interviews ersichtlich; für die Berater_innenperspektive aus den Antworten zu Frage 8 der Beratungsprotokolle und zu den Fragen 3.1 und 3.6 der Fokusgruppen-Interviews. Mit dem eingesetzten standardisierten Instrumentarium

189

Forschungsergebnisse

(Fragebögen) konnten hauptsächlich die subjektiv wahrgenommenen unmittelbaren, d. h. kurzfristigen Ergebnisse der Beratung erhoben werden. Nach mittelfristig erlebten und beobachteten Effekten haben wir in den drei Monate nach der Beratung geführten vertiefenden Interviews mit den Adressat_innen und in den Fokusgruppen-Interviews mit den Berater_innen gefragt, u. a. spezifisch nach konkret unternommenen Schritten wie z. B. Anmeldungen zu einer Weiterbildung. Vorbefunde zeigten ja, wie oben dargestellt, dass die Inanspruchnahme von Weiterbildungsberatung – die Informiertheit, Orientiertheit, Strukturiertheit sowie Motiviertheit der Beratenen im Blick auf Weiterbildung erhöht (Schröder und Schlögl 2012: 92ff); – die Wahrscheinlichkeit erhöht, Weiterbildungen und Fortbildungen zu besuchen (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 170). Ob dies auch auf die AWBB der KiLAG zutrifft, und welche anderen Effekte bewirkt werden konnten, wollten wir mit der vorliegenden Studie überprüfen. Die Fragebögen-Antworten der Beratenen sind in der nachstehenden Tabelle visualisiert: Trifft eher zu

Trifft eher nicht zu

Trifft nicht zu

War kein Thema

Fragen sind geklärt

19 9 (61,3 %) (29,0 %)

2 (6,5 %)

-

1 (3,2 %)

Interessen sind klarer

19 11 (57,6 %) (33,3 %)

1 (3,0 %)

-

2 (6,1 %)

Persönliche Ziele sind klarer

22 7 (68,8 %) (21,9 %)

2 (6,3 %)

-

1 (3,1 %)

Kenntnisse und Fähigkeiten 16 9 sind klarer (48,9 %) (27,3 %)

3 (9,1 %)

-

5 (15,2 %)

Bildungsziele sind klarer

12 10 (41,4 %) (34,5 %)

1 (3,5 %)

-

6 (20,7 %)

Berufliche Ziele sind klarer

15 5 (48,4 %) (16,1 %)

2 (6,5 %)

Lernstrategien sind deutlicher

7 7 (26,9 %) (26,9 %)

2 (7,7 %)

Trifft zu

MW

Informiertheit und Orientiertheit

1 8 (3,2 %) (25,8 %) -

10 (38,5 %)

1,43 +/ - ,63 1,42 +/ - ,56 1,35 +/ - ,61 1,54 +/ - ,69 1,52 +/ - ,59 1,52 +/ - ,85 1,69 +/ - ,70

190

Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

(Fortsetzung)

Trifft zu

Trifft eher zu

Trifft eher nicht zu

Trifft nicht zu

War kein Thema

MW

Strukturiertheit und Motiviertheit 1,43 +/ - ,73 1,81 Nächste Schritte sind 10 13 3 1 1 +/ gemeinsam geplant worden (35,7 %) (46,4 %) (10,7 %) (3,6 %) (3,6 %) - ,79 1,67 Entscheidung für mögliche 11 10 3 4 +/ WB fällt leichter (39,3 %) (35,7 %) (10,7 %) (14,3 %) - ,7 Nächste Schritte können 1,76 11 10 3 1 3 +/ selbständig gemacht (39,3 %) (35,7 %) (10,7 %) (3,6 %) (10,7 %) werden - ,83 Abbildung 17: Effekte der KiLAG-AWBB aus Sicht der Adressat_innen Interesse an Weiterbildung ist gewachsen

15 7 (55,7 %) (25,9 %)

1 (3,7 %)

-

4 (14,8 %)

Der Überblick zeigt: Im Wesentlichen konnte die AWBB der KiLAG die von Schröder und Schlögl (2012) erhobenen Effekte (WBB erhöht die Informiertheit, Orientiertheit, Strukturiertheit sowie Motiviertheit der Beratenen im Blick auf Weiterbildung; Schröder/Schlögl 2012: 92ff) replizieren. Auffallend ist, dass die stärksten Effekte im Bereich der Klärung von persönlichen Zielen, gefolgt von der Klärung der eigenen Interessen und der Klärung von Fragen eintreten sind; an vierter Stelle (von 11) steht der Zuwachs an Weiterbildungsinteressen. Auch an der Identifizierung der Ressourcen der Adressat_innen wurde in den Beratungen offenbar fokussiert gearbeitet (»Kenntnisse und Fähigkeiten sind klarer«) – allerdings kaum an der Identifikation der eigenen Lernstrategien, für die die zweitschwächsten Effekte angegeben wurden. Hohe Zustimmungswerte erhalten die Aussagen, dass die Entscheidung für eine mögliche Weiterbildung leichter fällt. Der Schluss liegt nahe, dass die AWBB tatsächlich (wie Käpplinger/ Maier-Gutheil 2015 angeben) ein Delta zur Einmündung in den Weiterbildungsmarkt bilden kann. Geben die qualitativen Interviews Hinweise darauf, dass die in den AWBBProjekten der KiLAG Beratenen mittelfristig tatsächlich auf Weiterbildungen zugegangen sind? Oder welche anderen mittelfristigen Effekte der Beratung haben sich gezeigt? Die Befragten berichten als nachhaltigen mittelfristigen Beratungseffekt, dass hinsichtlich ihrer Bildungs- und Arbeitsmarktchancen Hoffnungslosigkeit überwunden und der Glaube an nutzbare Teilhabechancen gestärkt werden konnte. Hierin stimmen die Angaben der Beratenen mit denen der Beratenden überein:

Forschungsergebnisse

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»Dass die Tore oder Fenster nicht alle zu sind! Vielleicht ist eins zu, aber andere sind offen. Und vielleicht in einem Moment oder in einer Situation ist etwas nicht möglich, aber in Zukunft – in einem Jahr oder so – dann ist es möglich. Und man kann nicht denken ›ich bin vorüber und es gibt keine Möglichkeit für mich‹ […]. Und sie [i. e.: die Beraterin] hat mir gezeigt, dass das so ist, und ich bin so froh« (Beratene, AI 2-060). »Wir haben gesagt, ja, da gibt es nämlich Wege, wie man weitergehen kann, und dann konnten sie von ihrem alten Denken, dass sie nur bis dahin gebracht hat, konnten wir weiterhelfen, wir haben das aufgebrochen und sie konnten weitergehen, indem sie eine Lösungsmöglichkeit dann vor Augen hatten« (Beraterin, FG 1, Z. 2516).

Darauf aufbauend berichten einige Beratene, dass sie die geöffneten Perspektiven gezielt weiterverfolgt haben resp. planen, sie in naher Zukunft zu realisieren: »Ja, dann habe ich den Termin bei der #Einrichtung T# gemacht. Und die Frauen dort waren sehr, sehr nett. Und an diesem Tag, genau zu der Stunde, kam auch eine Antwort von der Arbeitsagentur in #Stadt T#. Sie haben mir auch geholfen, also beide. Sie haben meinen Lebenslauf durchgeschaut und auch Vorschläge gegeben und dies und das. Und das war auch mal nötig. Aber jetzt ich muss noch einen weiteren Termin bei der Arbeitsagentur in #STADT T# mit dieser zweiten Frau ausmachen, denn diese würde meinen Lebenslauf und solche Wege« (AI 2-042, Z. 115ff). »Aber gut, es war dann schon interessant dann auch Tipps zu kriegen und die auch zu verfolgen auch mit dem Arbeitsamt und so. Ja« (AI 3-031, Z. 36ff). »Ja, die Möglichkeiten quasi was man noch so hat von der #BILDUNGSEINRICHTUNG A#, was sie für Kurse anbieten und ja. Und da hat sie mir dann auch Material mitgebracht. […] Das möchte ich jetzt quasi in Angriff nehmen jetzt für Frühjahr« (AI 3-052, Z. 118f).

Nur eine interviewte Person berichtet, dass sie seit der Beratung noch keine konkreten Schritte unternommen hat (AI 3-030, Z. 92). Über die (weiter-)bildungs- und arbeitsbezogenen Effekte hinaus hat die AWBB der KiLAG auch im psychosozialen Bereich mittelfristige Effekte der AWBB erzielt. Die Beratenen berichten von psychischer und emotionaler Unterstützung durch die AWBB bzw. von einer Stärkung ihres Selbstwertgefühls. Dafür stehen beispielhaft Aussagen wie: »Jedes Mal wenn ich heim komm denk ich ›ah, ist doch alles gar nicht so schlimm‹« (AI 3-028, Z. 522f) »Also es erleichtert echt den Tag ein bisschen und es gibt noch ein bisschen Kraft ab und zu« (AI 3-030, Z. 101f). »Also ich bin positiv aufgestellt wieder raus und konnte wieder grinsen und ja, habe so bei mir gedacht eigentlich bist du eine starke Frau, und eigentlich haben sie recht was sie [i. e.: die KiLAG-Berater_innen] dir sagen, dass alles der Faden weiterläuft und dass du das schaffst, so bin ich rausgelaufen« (AI 3-030, Z. 74ff).

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Übereinstimmend damit geben die Berater_innen an, beobachtet zu haben, dass die AWBB die Adressat_innen »[…] selbstsicherer macht« (FG 2, Z. 1518).

Mittelfristige Effekte der AWBB der KiLAG traten also vor allem in zwei Bereichen auf: Klärungs- und Entscheidungshilfen hinsichtlich bildungs- und berufsbezogenen Perspektiven (was dem WWB-Typ der Orientierungs- und Kompetenzentwicklungsberatung nach Schiersmann (2011a) entspricht), und psychosoziale Unterstützung und Stärkung (was wir bei Gieseke (2000) intendiert gefunden haben). III.2.9.2 Überweisung/Weitervermittlung Beratener Nicht nur selbst erzielte Beratungserfolge gehören zu den wichtigen Ergebnissen einer orientierenden Erstberatung, wie sie die AWBB in der Regel darstellt, sondern auch die Identifizierung des Folgebedarfs und die Überweisung an geeignete Anbieter_innen, die diesen Bedarf decken können: Die Weiterbildungsinteressen der Beratenen herauszuarbeiten und an passende Weiterbildungsanbieter_innen zu verweisen, stellt im engeren Sinne einen Kernerfolg einer AWBB dar ; in der Linie eines erweiterten Bildungs- und Bildungsberatungsverständnisses (! Kapitel III.2.1) gehört es auch zu den Zielen und Erfolgen einer AWBB, die psychosozialen Unterstützungsbedarfe der Beratenen zu klären und sie an geeignete Anbieter_innen weiterzuvermitteln. Dies ist in den Beratungen der KiLAG vielfach gelungen, wie die Auswertung der Antworten auf Frage 8 des Beratungsprotokolls zeigt: In ca. 40 % der Beratungskontakte wurden die Beratenen an weitere Einrichtungen verwiesen, in ca. 16 % wurde der Kontakt zu einer anderen Einrichtung von den Beratenden selbst hergestellt, und in knapp 32 % haben die Berater_innen die Beratenen bei der Kontaktausnahme zu anderen Einrichtungen unterstützt. In den Freitexten zu Kooperationsbedarfen zeigt sich: Vor allem die vertiefte Kooperation mit Anbieter_innen von Sprachkursen und mit Stellen, die über die Anerkennung von in- und ausländischen Bildungsabschlüssen informieren können, sehen die KiLAG-AWBB-Berater_innen als relevant für ihre Arbeit an. III.2.9.3 Zusammenfassung Vorbefunde haben gezeigt, dass die Inanspruchnahme von Weiterbildungsberatung

Forschungsergebnisse

193

Abbildung 18: Kooperationen und Überweisungen bei Beratungen der KiLAG-AWBB

– die Informiertheit, Orientiertheit, Strukturiertheit sowie Motiviertheit der Beratenen im Blick auf Weiterbildung erhöht (Schröder und Schlögl 2012: 92ff); – die Wahrscheinlichkeit erhöht, Weiterbildungen und Fortbildungen zu besuchen (Käpplinger/Maier-Gutheil 2015: 170). Die von Schröder und Schlögl (2012) erhobenen WBB-Effekte konnten in den KiLAG-AWBB-Projekten repliziert werden. Die stärksten kurzfristigen Effekte erzielte die AWBB der KiLAG im Bereich der Klärung persönlicher Ziele, Interessen und Fragen, gefolgt vom Zuwachs an Weiterbildungsinteressen sowie der Klärung, beruflicher und Bildungsziele der Beratenen. Hohe Zustimmungswerte erhalten auch die Aussagen, dass die Entscheidung für eine mögliche Weiterbildung den Beratenen nach der AWBB leichter fällt und dass die nächsten Schritte dazu selbständig gemacht werden können. Die mittelfristigen Effekte der AWBB der KiLAG entsprechen dem Befund von Käpplinger und Maier-Gutheil (2015): Beratene haben neues Zutrauen in ihre Möglichkeiten gewonnen und Hoffnung auf Teilhabechancen auf dem Bildungsund Arbeitsmarkt geschöpft. Etwa die Hälfte der in unserer Erhebung qualitativ Befragten hat ihre in der Beratung identifizierten Ziele bereits in Angriff genommen oder plant, dies in naher Zukunft zu tun. Dies entspricht in etwa den Effekten des WBB-Typs, den Schiersmann (2011a) »Orientierungs- und Kompetenzentwicklungsberatung« nennt. Nur eine befragte Person gab an, nach der Beratung noch keinen Schritt in die anvisierte Richtung unternommen zu haben.

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Über den bildungs- und arbeitsbezogenen Bereich hinaus wurden (wie bei Gieseke (2000) intendiert) durch die AWBB der KiLAG nachhaltige psychosoziale Beratungseffekte erzielt: Die Beratenen wurden emotional, in ihrem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gestützt und gestärkt. Weitere wichtige Beratungsergebnisse sind die Identifizierung des Folgebedarfs und die Überweisung an geeignete andere Anbieter_innen im Beratungsnetzwerk bzw. im Hilfesystem. Auch hier war die AWBB in den KiLAGProjekten sehr erfolgreich: In ca. 40 % der Beratungskontakte wurden die Beratenen an weitere Einrichtungen verwiesen, in ca. 16 % wurde der Kontakt zu einer anderen Einrichtung von den Beratenden selbst hergestellt, und in knapp 32 % haben die Berater_innen die Beratenen bei der Kontaktausnahme zu anderen Einrichtungen unterstützt. Als relevanteste Verweisstellen für die AWBBProjekte der KiLAG haben sich nach Einschätzung der Berater_innen Einrichtungen erwiesen, die Sprachkurse anbieten sowie Beratungsstellen, die über die Anerkennung von in- und ausländischen Bildungsabschlüssen informieren können.

III.2.10 Erfolgsfaktoren Welche Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren lassen sich für die AWBB lassen sich identifizieren? Danach haben wir die Berater_innen in den Fokusgruppen-Interviews (bes. Fragen 3.2, 3.4 und 3.5) und die Beratenen in den Adressat_innenInterviews (1.2 und 4.3–4.6) gefragt. Gegen quantitative Messungen oder die Abfrage von quantitativen Einschätzungen der Beratungserfolge erhoben die Beratenden grundsätzliche Bedenken: »Da kann man jetzt nicht sagen: Also wir vermitteln jetzt so und so viele Menschen in Weiterbildungsangebote. Das ist jetzt unser Ziel. Also des ist so das Klassische, was man so macht, also am Ende des Jahres oder so haben wir dann was weiß ich dreißig Leute in Weiterbildungsangebote vermittelt. Und genau das funktioniert eben nicht an der Stelle« (FG 3, Z. 1535ff).

Es wurde als strukturlogisches Dilemma Sozialer Arbeit beschrieben, dass man »[…] die Prozesse, die man in den Menschen auslöst, einfach nicht messen kann« (FG 3, Z. 1626f).

Daher seien nicht Kennzahlen für den Erfolg der AWBB ausschlaggebend. Qualitative Einschätzungen von Erfolgsfaktoren wurden aber benannt. Wir haben sie in die Kategorien strukturelle und fachliche Aspekte unterteilt.

Forschungsergebnisse

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III.2.10.1 Strukturelle Aspekte Beratende und Beratene, die wir in unserer Studie befragt haben, haben folgende strukturelle Aspekte als Erfolgs- oder Misserfolgsfaktoren für die Beratung eingeschätzt: – Zeit: Ausreichend Zeit zu haben, wird von den Berater_innen als essenzielle Voraussetzung für die Kontaktaufnahme mit Adressat_innen im Sozialraum und für den erfolgreichen Beziehungsaufbau über mehrere Kontakte hinweg benannt (FG 1, Z. 2501ff und FG 2, Z. 383f). Auch auf der Adressat_innenseite ist der Faktor Zeit wirksam. So gibt eine Interviewte an, dass sie nicht genügend Zeit zur Verfügung habe, um ein Weiterbildungsangebot in Anspruch zu nehmen (AI 2-060, Z. 220f). Damit ist die Frage der Vereinbarkeit von Weiterbildung mit den sonstigen alltäglichen Aufgaben angesprochen. Zu einem ähnlichen Befund kam auch die Studie von Bremer et al.: »Zeit für Gespräche und Beratung ist bislang nicht ausreichend, um nachhaltige Prozesse anzustoßen« (Bremer et al. 2014: 78). – Vernetzung wird in verschiedenen Hinsichten als unverzichtbarer Erfolgsfaktor für die AWBB benannt: – projektinterne Vernetzung im AWBB-Beratungsteam dient der Selbstreflexion und der Selbstsorge sowie der Reflexion und der konzeptionellen Weiterentwicklung des AWBB-Angebots: »Aber ich fand das wertvoll, dass wir auch zusammen halt uns zusammengesetzt haben und […] reflektiert haben, einfach Themen noch mal besprochen haben und dass ich dann auch zu dir gesagt hab: ›Jetzt weiß ich auch gerade gar nicht, wie wir da noch weitermachen können‹. Und wir dann einfach überlegt haben: ›Was gibt es noch für Ideen‹ oder uns noch Ideen von jemand anderem mit reingeholt haben. […] Einfach nicht denken, man sitzt da jetzt alleine und muss des bewältigen. […] Dann war das auch, dass ich sie noch mal am Anfang angesprochen hatte, was man da noch anders einfach einbringen kann, um die Leute irgendwie zu erreichen oder hier die Leiterin, um bestimmte Themen zu behandeln, ob wir es konkreter machen müssen, also in dem Angebot haben wir ja auch noch mal Veränderungen dann vorgenommen. (2)« (FG 3, Z. 1353ff).

– projektexterne Vernetzung im Sozialraum dient dem projektübergreifenden kollegialen Erfahrungsaustausch, der wechselseitigen Erweiterung der Angebotsmöglichkeiten und der Verbesserung des »Standing[s]« (FG 2, Z. 1767) im Sozialraum: »Also Vernetzung ist einfach noch mal so das große Stichwort. Also untereinander sich zu vernetzen also in so einer Kollegialität auch nochmal zu vernetzen. Auf der Ebene find ich es ganz wichtig, aber auch mit andern Einrichtungen mal zu vernetzen […]. Da auch ein bisschen Vernetzung herzustellen, um dann auch quasi noch mal als Ermöglicher auch zu fungieren« (FG 3, Z. 1567ff).

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Ähnlich wie die KiLAG-Berater_innen heben auch Bremer et al. den Vernetzungsbedarf hervor : ihres Erachtens bedarf es einer Vernetzung »[…] zwischen den Akteur_innen, die aufeinander verweisen, aber auch in der Arbeit mit Multiplikator_innen, die einen Zugang zur Zielgruppe der ›Bildungsfernen‹ haben, aber noch nicht ausreichend über Angebote und Möglichkeiten innerhalb der Region informiert sind« (Bremer et al. 2014: 86). – Standort: Der Erfolg einer im Sozialraum aufsuchenden Beratungsarbeit ist in hohem Maße von der Umgebung abhängig. Die Beratenden weisen darauf hin, dass z. B. Umwelteinflüsse wie schlechtes Wetter oder ein hoher Lärmpegel der Beratung abträglich sein können (FG 1, Z. 1474f). Die Beratenen betonen, wie oben schon dargestellt, dass sie ruhige und geschützte Orte für die Beratungsgespräche bevorzugen (! Kapitel III.2.7.2). Den weitergehenden Schluss, den Bremer et al. auf der Basis ihrer Kursleiter_innenbefragung ziehen: »Ratsuchende benötigen vertraute Räume und Personen, um ihr Anliegen zu artikulieren« (Bremer et al. 2014: 78), bestätigt unsere Befragung so nicht. Sie zeigt aber, dass ein gut gewählter Standort, d. h. ein Ort, der wetterfeste, ruhige, und geschützte Bereiche aufweist, ein wichtiger Erfolgsfaktor für die aufsuchende Beratung ist (FG 1, Z. 1466ff). – Gendersensible Angebotsgestaltung: Genderaspekte wurden von den Beratenen mit gegensätzlichen Vorzeichen als Erfolgsfaktoren benannt: Auf der einen Seite werden eine Geschlechtertrennung bzw. eine klare Option für die Frauen geschätzt: Es wird positiv hervorgehoben, dass die AWBB-Beraterin »[…] immer die weibliche Perspektive hat. Sie leitet eine weibliche, eine Frauengruppe in STADT« (AI 2-042 Z. 67ff).

Auf der anderen Seite wird ein geschlechtergemischtes Angebot für sinnvoller gehalten: »Also das ist ja Fakt, dass ich nicht ganz verstehe, warum man wieder sortiert Frauen und Männer. Oder nicht eine Gruppe macht gemischte. Da könnte man ja von den anderen auch wieder viel rausholen, wo man, wenn nur Frauen in so einem engen Tunnel sind, sind sie auch bloß eine Richtung, und das Problem – meistens ist es ja ein Mann, mit dem man das Problem hat, oder mit dem Partner oder mit den Kindern oder sonst was« (AI 3-028, Z. 781ff).

Das Thema »Gender« weckt in verschiedenen und z. T. gegenläufigen Hinsichten Sensibilitäten und erfordert einen sensiblen Umgang. – Beteiligung der Zielgruppe: Vertreter_innen der Zielgruppen der Weiterbildungsberatung auch als Anbieter_innen von Weiterbildungen und Weiterbildungsberatungen aktiv einzubeziehen, hat sich im Projekt FERDA als Erfolgsfaktor erwiesen: Hier haben die adressierten Frauen die Gestaltung der Angebotspalette mitbestimmt und einen Nähkurs nicht nur eingefordert,

Forschungsergebnisse

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sondern auch selbst geleitet und dadurch als Multiplikator_innen fungiert (FG 2, Z. 1724ff). Als weitere Faktoren, die indirekt Einfluss auf den Erfolg der Beratung nehmen, haben sich in unserer Studie die folgenden erwiesen: – Zugangsmöglichkeiten zu Weiterbildungen: Ob die Ergebnisse einer erfolgreichen AWBB auch erfolgreich umgesetzt werden können, sprich: Ob die Beratenen z. B. an Weiterbildungsmaßnahmen, zu denen sie durch die Beratung motiviert wurden, auch teilnehmen können, hängt oft von behördlichen Genehmigungen ab. Eine Beratene berichtet, dass sie die geplante Weiterbildung nicht machen kann, so lange ihr Einbürgerungsantrag noch in Bearbeitung ist (AI 2-042, Z. 100ff); in einem anderen Fall muss erst die noch auf ausstehende Genehmigung der Rentenversicherungen abgewartet werden (AI 3-031, Z. 202ff). Ohne dass dies von den Interviewten benannt würde, kann man aus dieser Beobachtung die Empfehlung ableiten, dass AWBB-Anbietende sich i. S. eines kooperativen Case-Managements auch mit Behörden vernetzen sollten. – Finanzmittel zur Deckung von Weiterbildungskosten: Weiterbildungsbereitschaft scheitert mitunter an den Kosten der Weiterbildung, wenn »[…] die Fördermöglichkeiten durch, je nachdem Jobcenter, halt irgendwo auch aufhören« (FG 3, Z. 1681f). Dasselbe berichtet eine Adressatin, die zwar gerne einen Weiterbildungskurs in Anspruch nehmen möchte, dies aber nicht realisiert, weil sie die finanzielle Belastung nicht tragen kann (AI 2-060, Z. 238ff). Die Kosten für Weiterbildungen müssten also gesenkt bzw. die Fördermittel erhöht werden, um einen breiteren Personenkreis nicht nur an Weiterbildung heran-, sondern auch in Weiterbildung hineinführen zu können. – (An-)Passung angebotener Weiterbildungen: Die Passung der Weiterbildungsangebote zu den Lern- und Entwicklungsinteressen der jeweiligen Adressat_innen steigert die Motivation zur Teilnahme an Weiterbildungen, so wurde oben schon theoretisch (! Kapitel II.2.3) und empirisch aus Sicht der Beratenen festgestellt (! Kapitel II.3.2.2): Auch die Berater_innen sehen hierin einen wichtigen Erfolgsfaktor für die Beratung: »Also es bleibt ja nicht dabeistehen, die zu beraten und zu sagen ›also es gibt jetzt was oder es gibt was nicht oder das passt noch am ehesten‹ oder wie auch immer, sondern für mich stellt sich ja auch die weiterführende Frage: ›Was für Angebote müssen das denn sein?‹ Und die müssen dann ja auch sehr gut passen. Für diese speziellen Zielgruppen, die wir da so im Blick haben mit der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung, die eben jetzt nicht den klassischen Weg gehen« (FG 3, Z. 1552ff).

198

Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Zusammenfassend lassen sich die o. a. Faktoren wie folgt abbilden: Strukturelle Erfolgsfaktoren der AWBB, beratungsbezogen: Faktor

Erfolgsstrategie

Berater_innen haben ausreichende Zeitbudgets für Kontaktaufnahme, Beziehungsaufbau und Beratungsleistungen Partizipation Adressat_innen werden in Auswahl und Durchführung der Angebote einbezogen Standort Gewählte Standorte sind den Zielgruppen vertraut, wetterfesten und weisen ruhigen und geschützten Beratungsbereichen auf Gender Unterschiedliche Bedarfe an geschlechtergemischten und geschlechtergetrennten Angebote werden durch die Angebotspalette abgedeckt und gendersensibel adressiert Zeit

Strukturelle Erfolgsfaktoren der AWBB, beratungsübergreifend/systembezogen: Faktor

Erfolgsstrategie

Passung des B-Angebots

WB-Empfehlungen werden an Lern- und Entwicklungsinteressen der Beratenen orientiert; die WB-Palette enthält passende Angebote, auf die verwiesen werden kann Cooperatives Casemanagement erleichtert den Zugang zu gewünschten WB-Maßnahmen (z. B. durch Erleichterungen bei der Einholung notwendiger behördlicher Genehmigungen) WB-Maßnahmen sind für WB-Willige erschwinglich; Kosten für Teilnehmende werden gering gehalten oder durch Fördermittel gedeckt

Zugang zur WB Kosten der WB

III.2.10.2 Fachliche Aspekte Folgende fachliche Aspekte schätzten die Befragten als Erfolgsfaktoren für die AWBB ein: – Personale und soziale Kompetenzen der Berater_innen wie Freundlichkeit (FG 1, Z. 2571f), Kontaktfreudigkeit (FG 3, Z. 1654ff), Interesse bzw. »Neugier« (BP2-062; BP2-063), Fähigkeit zu unvoreingenommenem Zugehen auf andere (alle FGs) und Authentizität (FG 1, Z. 2567ff u. ö.) erhöhen nach Einschätzung der Beratenden die Erfolgschancen in der AWBB: »[…] ein gewisses oder bis hohes Maß, ein gutes Maß an Freundlichkeit« (FG 1, Z. 2571f). »Also man bietet sich als Person, als Mensch an, jetzt auch grade in unserem Kontext noch mal sehr stark. […] Durch dieses Angebot, durch dieses Sich-Anbieten an das Gegenüber kommt ja so ein Prozess in Gang« (FG 3, Z. 1654ff).

Forschungsergebnisse

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»[… dass man] also dazu auch stehen kann und auch von seinen Erfahrungen mit halt sprechen kann, um das einfach auch weiterzugeben. Muss nicht unbedingt als Vorbild fungieren, aber so dass man einfach zeigen kann: Bei mir ist auch nicht immer alles rund gelaufen, es gibt immer noch Möglichkeiten« (FG 3, Z. 2000ff).

Aus Sicht der Beratenen sind hier zu ergänzen – die persönliche Vertrauenswürdigkeit der Berater_innen »[…] wo man weiß, okay, da kann man hingehen« (AI 3-052, Z. 23ff),

– und darüber hinaus ein für die Lebens- und Bedarfslage der Beratenen relevantes Erfahrungswissen der Berater_innen: »Mit viel Erfahrung. Viel Erfahrung, und sie unterstützt viele Frauen wie mich. Sie kennt die Situation, sie ist in Kontakt mit viele Ausländer und sie kennt gut« (AI 2-060, Z. 247ff). »Und sie macht das so schon fast professionell, aber sie erzählt ja dann, dass es gar nicht so ist, dass sie ihre Ängste hat und dass sie es selber auch schlimm findet, wenn sie zum Psychiater geht und so. Und sie gibt ein gutes Gefühl, dass sie einfach dazu gehört, dass sie, genau, mit so Ängsten und Sorgen und Problemen behaftet ist und deshalb komm ich vor allem gern da her« (AI 3-028, Z. 710ff).

Die Bedeutung des für die Beratenen relevanten Erfahrungswissens der Beratenden bestätigen auch die Berater_innen: »Also dazu auch stehen kann und auch von seinen Erfahrungen mit halt sprechen kann, um das einfach auch weiterzugeben. Muss nicht unbedingt als Vorbild fungieren, aber so dass man einfach zeigen kann: Bei mir ist auch nicht immer alles rund gelaufen, es gibt immer noch Möglichkeiten« (FG 3, Z. 2000ff).

– Die berufsethische Haltung der Berater_innen wurde von den Beratenen als Erfolgsfaktor benannt. Sie legten vor allem Wert auf Wertschätzung und auf Verschwiegenheit: »Und, dass man halt ernstgenommen wird« (AI 3-031, Z. 56); »[…] dass sie vertrauensvoll waren und ja. Denk auch im Raum geblieben ist, was wir besprochen hat also ja« (AI 3-031, Z. 58ff).

– Beraterische Fachkompetenzen wie Ergebnisoffenheit, Subjekt- und Bedarfsorientierung: Als notwendige Voraussetzung für einen Beratungserfolg nannten die Berater_innen die Ausrichtung der Beratung an den Themen und Anliegen der Beratenen (FG 2, Z. 1629ff u. ö.). Oft erfordere dies ein Abweichen von den (weiterbildungsorientierten) Beratungsanliegen der Berater_innen. Erfolg verspreche nicht, mit der Botschaft auf die Adressat_innen zuzugehen,

200

Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

»›Ich hab hier was, und das ist gut für dich‹« (FG 3, Z. 1333), sondern stattdessen, »[…] dass man auf die Fähigkeiten eingeht, jemanden auch darauf hinweist, oft auch die richtigen Fragen einfach stellt. Oder es nach und nach ausprobiert, aber niemandem was aufdrängt und überfordert. Da auch sanft vorgehen oder auch mal merken: Okay, an der Stelle brauchen wir jetzt nicht weitermachen. Vielleicht sehen wir uns das nächste Mal, vielleicht fördern wir auf andere Art und Weise. Dass wir ein bestimmtes Thema einbringen wie nein sagen. Weil das für viele ein Thema ist, was sie aber von sich aus nicht sagen konnten, wir dann angeboten haben, und dann war es möglich« (FG 3, Z. 1313ff).

Hier spiegelt sich erneut die bereits beschriebene grundlegende Konzeptspannung zwischen dem Auftrag, mit dem Fokus Weiterbildung zu beraten und dem beratungsethischen Anspruch, subjekt- und bedarfsorientiert zu beraten (! Kapitel III.2.5.2) wider. – Feldkompetenzen und Fachwissen: Beratene profitieren davon, wenn die Berater_innen ihnen orientierende Informationen, z. B. über den Bildungs- und Arbeitsmarkt, über Qualifizierungsmöglichkeiten, Bildungsangebote, andere Beratungsangebote, Ressourcen im Hilfesystem etc. geben können, die ihnen Perspektiven und Handlungsoptionen eröffnen. »Und für mich war wichtig, dass sie gute Vorschläge nicht nur für mich immer hat, sondern für alle« (AI 2-042, Z. 69ff). »Einfach wenn die Handlungsmöglichkeiten erweitert werden, das ist glaub ich von meiner Sicht aus ein Zufriedenheitsaspekt. Wenn ich eine Handlungsoption mehr hab in meinem Leben, nach diesem Gespräch« (FG 1, Z. 2550ff).

– professionelle Frustrationstoleranz und Ausdauer im follow-up: »Aber, also was ich glaube ich grundsätzlich sagen kann bei der Zielgruppe, auch mit dieser Aufsuchenden Weiterbildungsberatung, die nicht einfach mit einem Thema immer wieder zu einem kommt, dass man dranbleiben muss. Also sich immer wieder erkundigen, kurze Mail schreiben, mal auch anrufen, ›sind Sie schon weitergekommen?‹ Oder dann vielleicht auch ausmachen ›ah, da ist das Ferda-Caf8 dann und dann, vielleicht wissen Sie bis dahin was, bringen Sie doch was mit‹. Also auch so kleine Schritte zu setzen, aber auch selber dranzubleiben. Also das ist was, wo ich glaube ich bei allen so« (FG 2, Z. 1614ff).

201

Forschungsergebnisse

Fachliche Erfolgsfaktoren der AWBB / erforderliche Kompetenzen der Beratenden: Personale und soziale Kompetenzen

Berufsethische Haltung

Beraterische Fachkompetenzen

Kontaktfreudigkeit, Freundlichkeit Erfahrungswissen

Wertschätzung

Authentizität

Ergebnisoffenheit

Subjekt- und Bedarfsorientierung Fachwissen über Qualifizierungsmöglichkeiten, Bildungsangebote, Beratungsangebote, Ressourcen im Hilfesystem Professionelle Frustrationstoleranz

Persönliche Vertrauenswürdigkeit

Verschwiegenheit

Unvoreingenommenheit

Bei den o. a. Angaben über Erfolgsfaktoren der AWBB ist handelt sich um subjektive Einschätzungen Befragten die qualitativ erhoben wurden. Ergänzende Aussagen über Erfolgsfaktoren liefern die Kapitel III.2.7 und III.2.8, aus denen sich Prädiktoren der Zufriedenheit mit der Beratung und Kompetenzen, die für die Durchführung der Beratung nötig sind, ablesen lassen. Die von uns erhobenen Einschätzungen decken sich z. T. mit denen aus Vorstudien: Der Faktor Passung der WB-Angebote wurden in der EdAge-Studie (2011: 391ff) thematisiert: fehlende Passung der WB-Angebote wird unter die Weiterbildungsbarrieren gezählt (dort allerdings nicht im Blick auf die Lern- und Entwicklungsinteressen der Beratenen, sondern z. B. im Blick auf Zeitstruktur, räumliche Nähe etc.). Der Faktoren Zeit und Fachwissen werden auch von Strobel (2010a: 37 und Strobel 2010b: 276) als Prädiktoren für die Zufriedenheit und für die Effektivität der Beratung benannt. Als Kompetenzen, die die von ihnen befragten WB-Kursleitenden für erforderlich halten, nennen Bremer/Kleemann-Göhring/Wagner (2014: 78): – »Zielgruppen- und biographieorientierter Umgang: offene Haltung, themenu¨ bergreifend, individuelle Zuga¨ nge, Selbstreflexion, Vorbildfunktion, ›Wegweiserfunktion‹, interkulturelle Kompetenzen – Anspruch an die eigene (Beratungs-)Ta¨ tigkeit: Professionalita¨ t, sachliches und kompetentes Informieren, Empathie, Authentizita¨ t, Anerkennung und Nachhaltigkeit der Beratung«. Gegenüber anderen Studien treten in unserer Studie als Faktoren, von denen der Erfolg oder Misserfolg von AWBB abhängt, gegenüber anderen Studien besonders hervor :

202

Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

– strukturelle Systembedingungen, in deren Kontext AWBB angeboten wird; – Partizipation der Zielgruppe an Konzeption und Durchführung der Angebote; – Selbstkompetenzen der Beratenden (u. a. Ausdauer, Frustrationstoleranz); – Follow-up nach der Beratung. III.2.10.3 Zusammenfassung Die in der itb-/KiLAG-Evaluationsstudie Befragten identifizierten eine breite Palette von Erfolgsfaktoren für die AWBB: – strukturelle Faktoren wie ausreichende Zeitbudgets für Kontaktaufnahme, Beziehungsaufbau und Beratungsleistungen, gut gewählter Beratungsstandort mit ruhigen und geschützten Beratungsarealen, gendersensible Gestaltung der Angebotspalette der AWBB, Vernetzung der Berater_innen (projektintern und im Sozialraum), Partizipation der Zielgruppe bei der Auswahl und bei der Durchführung der WB(B) Angebote, behördlicher Genehmigungen zur Teilnahme an Weiterbildungen, Passung von WB(B)-Empfehlungen zu den Interessen der Klientel, ausreichende finanzielle Mittel zur Deckung von Weiterbildungskosten etc.; – fachliche Faktoren wie die berufsethische Haltung der Berater_innen, personale, soziale und schließlich fachliche Kompetenzen der Berater_innen, darunter Ergebnisoffenheit, Subjekt- und Bedarfsorientierung, Feldkompetenzen und Fachwissen, professionelle Frustrationstoleranz und Ausdauer im follow-up. Diese Einschätzungen überschneiden sich z. T. mit Befunden aus Vorstudien.

III.3 Zusammenfassung der Evaluationsergebnisse Drei Projekte Aufsuchender Weiterbildungsberatung (AWBB) der kirchlichen Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg (KiLAG) Laufzeit von 2014–2016 wurden in der hier vorgelegten Evaluationsstudie multiperspektivisch und multimethodisch evaluiert, d. h.: Sowohl die Adressat_innen der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung als auch die Berater_innen wurden jeweils qualitativ und quantitativ befragt, – einerseits, um den Erfolg der AWBB-Projekte der KiLAG hinsichtlich Zugänglichkeit, Zielgruppenerreichung, Beratungsergebnissen und Zufriedenheit der Beteiligten mit der Beratung zu evaluieren; – andererseits, um weiterführende Erkenntnisse über Themen und Verläufe der Beratungen, Bildungsverständnisse, Teilnahmemotivationen bzw. Zielvor-

Zusammenfassung der Evaluationsergebnisse

203

stellungen und Rollenverständnisse der Beteiligten sowie über deren Einschätzungen von Potenzialen der AWBB und von Kompetenzanforderungen an die Beratenden zu generieren. Ausgewertet wurden: – 40 Fragebögen, von Beratenen ausgefüllt; – 6 Vertiefungsinterviews mit Beratenen; – 44 Beratungsprotokolle, von Berater_innen ausgefüllt; – 3 Fokusgruppen-Interviews mit je 1 Projektleitung und 2 Berater_innen aus den evaluierten Projekten. Die Repräsentativität und Verallgemeinerbarkeit der quantitativen Forschungsergebnisse werden relativiert durch die relativ kleinen Samples unserer Evaluationsstudie (n=40 resp. 44) und durch mögliche Effekte der Selektion und Selbstselektion bei der Verteilung von befragten Adressat_innen. Gleichzeitig erhöhen die Multiperspektivität unserer Befragungen und die Vergleiche zu Vorstudien die Aussagekraft der Ergebnisse. Unsere Studie stößt in eine Forschungslücke: Während einige theoretische und empirische Studien zur Nutzung und zur Effektivität von Weiterbildung und institutioneller Weiterbildungsberatung vorliegen, ist die AWBB ein noch sehr wenig erforschtes Feld (! Kapitel II.1.2). Nachstehend sind zunächst die Erfolge zusammengefasst, die in den untersuchten AWBB-Projekten der KiLAG erzielt wurden, dann die weiterführenden Erkenntnisse, die sich aus unseren Erhebungen für das Feld der AWBB ergeben.

III.3.1 Erfolgskontrolle In den AWBB-Projekten der KiLAG wurden formal von der mobilen Beratung über die aufsuchende Beratung bis hin zur in-home-Beratung alle bisher bekannten Typen der AWBB realisiert. Die bildungspolitischen Zielstellungen der AWBB konnten in den AWBBProjekten der KiLAG erfolgreich umgesetzt werden. Desiderate institutioneller WBB (mangelnde Zugänglichkeit, selektive Zielgruppenerreichung) konnte wirksam begegnet werden. – Die Zugänge zur Beratung wurden durch Präsenz im Sozialraum und Vernetzung mit anderen regionalen Bildungs- und Beratungs-Stakeholdern, vor allem aber durch das proaktive Aufsuchen der Zielgruppen an relevanten und vertrauten Orten ihrer Lebenswelt (Geh-Struktur statt Komm-Struktur) verbessert.

204

Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

– Im Vergleich zur Zielgruppenerreichung institutioneller WB(B) wurden deutlich mehr der dort unterrepräsentierten Zielgruppen erreicht, d. h., der »Matthäus-Effekt« und die »doppelte Distanz« zwischen Bildungs(-beratungs)anbietern und deren bildungsfernen bzw. benachteiligten Zielgruppen konnten gemindert werden. Erreicht wurden: – 7,5 % Personen ohne Schulabschluss (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 1 % bzw. 2 %; vgl.o.); – 30 % Personen mit Hauptschulabschluss (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 2 % bzw. 17 %; vgl. o.); – 36,84 % erwerbslose bzw. »arbeitssuchende« Personen zzgl. 15,79 % Personen in der Tätigkeit als Hausmann oder Hausfrau (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 25 % bzw. 32 %, erwerbslose Personen; vgl. o.); – 51,85 % Personen, die nicht seit Geburt in Deutschland leben (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 9 %, 15 % bzw. 32 % Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit; vgl. o.); – 27 % Personen im Alter über 55 Jahren (Vergleichswerte aus Studien zu institutioneller WB(B): 39 % über 55 Jahre bzw. 9 % über 50 Jahre; vgl. o.). – Bei vielen der Personen, die in den AWBB-Projekten der KiLAG beraten wurden, stieg das Interesse an Weiterbildung, was wir im Unterschied zu den o. a. Vorstudien aus dem Bereich der institutionellen WBB-Settings auch beziffern können: 55,7 % der Befragten gaben an: »trifft zu«; 25,9 % gaben an: »trifft eher zu«). – Persönliche Ziele konnten geklärt werden (68,8 % gaben an: »trifft zu«; 21,9 % gaben an: »trifft eher zu«); ebenso berufliche- bzw. Bildungsziele (41,4 % gaben an: »trifft zu«; 34,5 % gaben an: »trifft eher zu«); auch hier übertreffen die Werte der Studien zu institutioneller WB(B) (lt. Bischof et al. 2012 gaben ca. 50 % der Befragten an, es sei eine Klärung von Bildungszielen erfolgt; vgl. o.). – Darüber hinaus konnten Beratene in psychosozialer Hinsicht unterstützt und gestärkt werden, wie unsere qualitative Erhebung zu den mittelfristigen Wirkungen aufzeigen konnte. – 40 % der Beratenen wurden an andere Stakeholder (Bildungs- und Beratungseinrichtungen) verwiesen, in ca. 16 % stellten die Beratenen den Kontakt zu einer anderen Einrichtung eigenständig her, in knapp 32 % wurden die Beratenen von den Beratenden bei der Kontaktausnahme zu anderen Institution unterstützt. – Ein Großteil der Beratenen sah sich orientiert und in den Stand versetzt, die nächsten Schritte selbständig zu tun (39,3 % gaben an: »trifft zu«; 35,7 % gaben an: »trifft eher zu«).

Zusammenfassung der Evaluationsergebnisse

205

– In unserer qualitativen Befragung gaben Beratene dezidiert an, die in der Beratung identifizierten Ziele bereits in Angriff genommen zu haben oder zu planen, dies in naher Zukunft zu tun. Nur eine Befragte gab an, seit der Beratung noch keine konkreten Schritte unternommen zu haben. In den AWBB-Projekten der KiLAG wurden sehr hohe Zufriedenheitswerte erzielt; die in Vergleichsstudien erreichten Zufriedenheitswerte wurden deutlich übertroffen: Die Beratenen vergaben zu 82 % Höchstnoten für die Beratung im Allgemeinen (Vergleichswert für die institutionelle WBB: 74,5 %; vgl. o.), und zu 87 % Höchstnoten für den Berater/die Beraterin (Vergleichswert für die institutionelle WBB: 78,3 %; vgl. o.). Die Berater_innen waren zu 71 % mit dem Verlauf der Beratungen und zu 63 % mit den Beratungsergebnissen zufrieden.

III.3.2 Weiterführende Erkenntnisse Als ausschlaggebend für die Teilnahme an der Aufsuchenden Weiterbildungsberatung der KiLAG lassen sich zwei Motivatoren identifizieren: Leidensdruck hinsichtlich Einkommens- und Lebensverhältnissen und Vertrauensbeziehung zur Beraterin oder zum Berater. Den gesprächseröffnenden Schritt machen in mehr als der Hälfte der Fälle die Berater_innen (lt. Angaben der Berater_innnen zu 55 %, lt. Angaben der Beratenen zu 62 %). In der Mehrzahl der Fälle sind Beratende und Beratene einander bereits bekannt, ehe es zu einer Beratung kommt. Kontaktarbeit ist entscheidend: Beziehung kommt vor Beratung – darin bestätigt unser Evaluationsergebnis die Vorbefunde (vgl. o.). Oft erfordert der einer Beratung vorgängige Aufbau einer Vertrauensbeziehung wiederholte und langwierige Kontaktarbeit. Laut den von uns befragten Beratenen waren für deren Lernmotivation bzw. für die Motivation zur Teilnahme an einer empfohlenen Weiterbildung zwei Faktoren ausschlaggebend: ob die Weiterbildung den subjektiven Lerninteressen der Beratenen entspricht und ob sie deren Chancen auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt steigert (»employability«). Aber : Nicht nur Weiterbildung und Employability sind Themen der AWBBGespräche in den KiLAG-Projekten. In 32,5 % der Gespräche sind es psychosoziale Probleme. Die von uns interviewten KiLAG-Berater_innen begegnen dem Spannungsfeld von Weiterbildungsthemen und psychosozialen Themen mit drei verschiedenen Strategien:

206

Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

– geschlossene Agenda: möglichst das Thema Weiterbildung anbringen; – gestufte Agenda: erst psychosoziale Probleme lösen, dann das Thema Weiterbildung anbringen; – inklusive Agenda: psychosoziale Beratung ist Teil der Weiterbildungsberatung, bzw. sie ist selbst eine Form von Weiterbildungsberatung. Die Mehrheit der KiLAG-Berater_innen vertritt das weite Bildungs- und AWBBVerständnis der KiLAG: Bildung ist auch Persönlichkeitsbildung. AWBB zielt nicht nur auf formale und berufliche Weiterqualifizierung, sondern auch auf persönliche und soziale Entwicklung. Das holistische AWBB-Konzept der KiLAG generiert ein breites Spektrum an Aufgaben und Rollen der Berater_innen. Das intrapersonale Management ihrer beruflichen Rollenvielfalt ist eine komplexe Herausforderung, die eine hohe professionelle Kompetenz (und/oder u. E. Unterstützung durch supervisorische Rollenberatung) verlangt. Spezifische Kompetenzanforderungen an Berater_innen im Feld der AWBB sind laut Einschätzungen der Befragten: – Feldspezifisch: Kenntnisse über Weiterbildungs- und Beratungsangebote in der Region; Vernetzung und Kooperation mit regionalen Stakeholdern. – Zielgruppenspezifisch: Kultursensibilität in der Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund; methodische Fertigkeiten zur Milderung von Sprachproblemen (z. B. Einsatz nonverbaler Medien); Wissen über die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse. – Formatspezifisch: Kompetenzen zur Bewältigung der mit aufsuchender Arbeit verbundenen Anforderungen: Kontaktfreude, Kreativität und Kompensation von Unsicherheit in nicht-standardisierbaren Gesprächssituationen und Gesprächsverläufen (insbesondere Kreativität bei der Gestaltung kritischer Übergänge vom Gespräch zur Beratung). Neben diesen spezifischen Fachberatungskompetenzen sind aufgrund der hohen Fallzahlen von Beratungen mit psychosozialen Thematiken und Beratungsanliegen u. E. wenigstens grundständige generalistische Kompetenzen für die psychosoziale Beratung erforderlich. Wie weit die Kompetenzen in diesem Bereich ausgebildet sein sollten, hängt davon ab, wie der Projektträger bzw. die Projektträgerin den Auftrag der AWBB im psychosozialen Bereich konzeptuell definiert: Soll die Beratung zu psychosozialen Themen zu den genuinen Aufgaben der AWBB gehören (vgl. Gieseke 2000)? Dann müssten die Berater_innen u. E. mindestens Grundzüge eines sozialpädagogischen oder psychotherapeutischen Beratungsverfahrens beherrschen. Oder soll die AWBB, wenn psychosoziale und andere, nicht im engen Sinne

Zusammenfassung der Evaluationsergebnisse

207

bildungsbezogene Beratungsanliegen zur Sprache kommen, eine Lotsenfunktion übernehmen und jeweils an andere, entsprechend spezialisierte Beratungsanbieter_innen weitervermitteln? Dann wären u. E. feldspezifische Kenntnisse über die Palette verschieden spezialisierter Beratungsanbieter_innen im Sozialraum und Vernetztheit mit denselben die zentrale Kompetenz, und es müssten nur Basics einer psychologisch helfenden Gesprächsführung (z. B. nach Carl Rogers) eingeübt sein. Praxeologisch betrachtet, brauchen die Berater_innen in dieser Frage eine Auftragsklärung mit dem Anstellungsträger resp. der Anstellungsträgerin. Auftragsklärung war oben auch schon im Blick auf die Adressat_innen als Desiderat der AWBB herausgearbeitet worden: Das aufsuchende Format kehrt die Rollenverteilung in der Beratung in mehrfacher Weise um. Im fachwissenschaftlichen und fachpraktischen Diskurs ist noch nicht genügend reflektiert, dass dies auch die Beratungsanliegen betrifft: nicht die Beratenen bringen ein Beratungsanliegen, sondern die Berater_innen. Die Adressat_innen haben möglicherweise gar kein Beratungsanliegen, oder ein ganz anderes als die Berater_innen. Hier ist u. E. aus ethischen und methodischen Gründen zu klären, ob dem Berater bzw. der Beraterin überhaupt ein Beratungsmandat erteilt wird, und, falls ja, welcher Beratungskontrakt geschlossen werden kann. Es besteht in der AWBB also nach unserem Dafürhalten ein Bedarf nach einer »doppelten Auftragsklärung«.

III.3.3 Fazit Als wichtigste Potenziale der AWBB haben sich in unserer Studie empirisch erwiesen: Verbesserung der Zugänglichkeit der Weiterbildungsberatung; Vertrauensaufbau mit Personen, die bildungsfernen Zielgruppen zuzurechnen sind; Minderung von Zugangshemmnissen zu Bildungsangeboten. AWBB ist demnach erfolgreich im Realisieren ihrer konzeptionellen Ziele: – Überwindung der doppelten Selektivität von Bildungschancen (»Matthäuseffekt«, Chancenungleichheit) – Überwindung der doppelten Distanz zwischen Anbieter_innen und Adressat_innen von Weiterbildung und Weiterbildungsberatung (Zugangshemmung) – Erhöhung der Motivation zur Teilnahme an WBB und Weiterbildung. Allerdings müssen die Anstrengungen des Aufsuchens oft prolongiert werden zu mehreren Anläufen intensiver Kontaktarbeit und zu einem sukzessiven Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen Beratenden und Adressat_innen.

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Teil III: Multiperspektivische Mixed-Methods-Evaluation

Es gilt das Prinzip »Beziehung vor Beratung«. Der Einsatz an Zeit und Personal ist hoch. Als wichtigstes Desiderate der AWBB haben sich gezeigt: – Auf der theoretischen Ebene ist die Konzeptspannung zwischen der gebundenen Themen- und Zielstellung der Beratung auf der einen Seite und den beratungsethischen Postulaten der Subjektorientierung und der Ergebnisoffenheit der Beratung auf der anderen Seite noch weiter zu bearbeiten. – Auf der praxeologischen Ebene besteht die Notwendigkeit einer doppelten Auftragsklärung: Die Berater_innen müssen mit ihrem jeweiligen Anstellungsträger bzw. ihrer Anstellungsträgerin die Reichweite ihrer Zuständigkeit für psychosoziale Beratungsanliegen klären, und mit ihren jeweiligen Adressat_innen, ob diese ihnen ein Beratungsmandat erteilen, und welche Art von Beratungskontrakt zwischen beiden geschlossen werden kann. – Auf der Praxisebene stellt das intrapersonale Management der Rollenvielfalt der Berater_innen eine besondere Herausforderung an deren professionelle Kompetenz dar. Zur Unterstützung der Berater_innen in diesem Bereich ist Supervision zu empfehlen, zu deren Kernkompetenzen die Rollenberatung gehört.

Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente

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Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente

Anhang A1: Adressat_innen-Fragebogen Version BOBBI-Mobil

Anhang A1: Adressat_innen-Fragebogen

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Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente

Anhang A2: Leitfaden Adressat_innen-Interview

Anhang A2: Leitfaden Adressat_innen-Interview

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Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente

Anhang A2: Leitfaden Adressat_innen-Interview

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Anhang A3: Beratungsprotokoll

Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente

Anhang A3: Beratungsprotokoll

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Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente

Anhang A4: Leitfaden Fokusgruppen-Interviews

Anhang A4: Leitfaden Fokusgruppen-Interviews

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Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente

Anhang A4: Leitfaden Fokusgruppen-Interviews

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Anhang A: Verwendete Erhebungsinstrumente

Anhang B: Datenschutzdokumente

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Anhang B: Datenschutzdokumente

Anhang B1: Vorlage Einverständniserklärungen Einverständniserklärung Adressat_innen-Interview

Anhang B1: Vorlage Einverständniserklärungen

Einverständniserklärung Fokusgruppen-Interview

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Anhang B: Datenschutzdokumente

Anhang B2: Vorlage Datenschutzerklärungen Datenschutzerklärung Adressat_innen-Interview

Anhang B2: Vorlage Datenschutzerklärungen

Datenschutzerklärung Fokusgruppen-Interview

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Anhang C: Manual zur Handhabung der Adressat_innen-Fragebögen und Beratungsprotokolle

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Anhang C: Manual zu Adressat_innen-Fragebögen und Beratungsprotokolle

Anhang C: Manual zu Adressat_innen-Fragebögen und Beratungsprotokollen

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Anhang D: Wissenschaftliche Prozess- und Konzeptberatung

Das itb-Team realisierte die wissenschaftliche Prozess- und Konzeptberatung des Projekts »Entwicklung stärken – Partizipation ermöglichen. Aufsuchende Weiterbildungsberatung in Baden-Württemberg« zweigleisig, nämlich einerseits im fortlaufenden Email- und Telefon-Kontakt und andererseits durch punktuelle Workshops mit KiLAG-Steuerungsgruppe, Projektleitenden und Mitarbeitenden in den Projekten. Der fortlaufende Kontakt des itb-Forschungsteams diente zu Beginn der Prozessbegleitung folgenden Zielen: – den Forschungsprozess partizipativ zu konsensualisieren; – die theoretischen Vorarbeiten des Forschungsteams zum Forschungsdesign mit der in den Teilprojekten vorhandenen praktischen Expertise anzureichern; – die Identifikation der KiLAG-Mitarbeitenden mit dem Evaluationsprozess zu stärken. In Vorbereitung der Erhebungen wurden das vom itb-Forschungsteam entworfene Konzept des forschungsmethodischen Vorgehens sowie Entwürfe der Forschungsinstrumente in mehreren Feedbackschleifen mit der KiLAG-Steuerungsgruppe und mit Projektleitungen und Berater_innen der einzelnen Teilprojekte praxisnah weiterentwickelt. Während der Erhebungsphase wurde der Kontakt vorwiegend dazu genutzt, Rückfragen der Berater_innen zum korrekten Einsatz der Forschungsinstrumente zu klären (insbesondere zum forschungsmethodisch und forschungsethisch korrekten Umgang mit Fällen, in denen die Beratenen wegen Sprachschwierigkeiten Probleme hatten, einen in deutscher Sprache formulierten Fragebogen auszufüllen oder zur Handhabung der Beratungsprotokollbögen, die die Beratenden nach jeder Beratung auszufüllen hatten). Parallel dazu wurden im Rahmen von drei Workshops mit itb- und KiLAGMitarbeitenden wissenschaftliche Erkenntisstände und praktische Beratungs-

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Anhang D: Wissenschaftliche Prozess- und Konzeptberatung

erfahrungen aus den Projekten miteinander in Verbindung gesetzt und Fragen der praxeologischen Fortentwicklung der Projektkonzeptionen bearbeitet.

Erster Workshop (11. & 12. Juli 2014) Der erste Workshop setzte vor dem Beginn der Erhebungphase der wissenschaftlichen Projekt-Evaluation an und verfolgte zwei Ziele, die darüber hinaus während der gesamten Projektlaufzeit forciert wurden. Einerseits wurden Bestände vorliegende wissenschaftlicher Theoriebildung Erkenntnisstände zur AWBB aufbereitet und den Teilnehmenden der KiLAG vorgestellt. Ziel war die Steigerung der Bewusstheit und der Auskunftsfähigkeit über die eigene Arbeit in den KiLAG-Projekten Aufsuchender Weiterbildungsberatung. Theorien, so die dahinterstehende Annahme, sind Instrumente, mit denen Wirklichkeit verstanden und beschrieben werden kann: »Sie bieten Begriffe, Definitionen, Kategorien, mit deren Hilfe wir die Welt ›interpunktieren‹ und verstehen können. Sie zeigen uns, wie wir die Wirklichkeit beschreiben können, sie stellen Modelle dar, anhand derer wir unsere Beobachtungen machen können. Sie weisen uns darauf hin, worauf wir achten sollen, wenn wir hinsehen. Neben der Definition und Beschreibung stellen sie Zusammenhänge her, sie verbinden bestimmte Elemente, sie verdeutlichen, wie sie aufeinander einwirken und sie erklären Wirkungszusammenhänge« (Herwig-Lempp 2003: 16f).

Während und nach der Präsentation wurde immer wieder der Raum geöffnet, um die in den KiLAG-Teilprojekten implizit entwickelte Praxislogik an Theorien anzubinden. Mit dem Arbeitsauftrag, auf Grundlage des Inputs in jedem der drei Projektteams projektintern das je eigene begriffliche Verständnis von AWBB zu reflektieren, wurde die Verbindung zwischen Theorie und Praxis aktiv hergestellt und der Versuch unternommen, Implizites zu Explizieren (vgl. Schäffer 2009: 21ff). Die einzelnen Projektteams erhielten den Auftrag, eine Projektvorstellung entlang folgender Leitfragen auszuarbeiten und im Workshop vorzustellen: 1. Wer sind wir? 2. Wie kam es zur Idee unseres Angebots der ›Aufsuchenden Weiterbildungsberatung‹? 3. Was wollen wir anbieten bzw. was bieten wir bereits an ›Aufsuchender Weiterbildungsberatung‹ an? 4. Welches Ziel bzw. welche Ziele möchten wir mit der ›Aufsuchenden Weiterbildungs-beratung‹ verfolgen bzw. verfolgen wir bereits? 5. Welche Zielgruppe soll erreicht werden bzw. wird bereits erreicht? (Die Zielgruppendefinition sollte möglichst konkret gefasst werden, d. h. bspw.

Zweiter Workshop (18. März 2015)

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sollte ein Begriff wie, ›bildungsfern‹ auf eine bestimmte Personengruppe/ mehrere Personengruppen hin konkretisiert werden.) 6. Welchen inhaltlichen Beratungsbedarf hat die Zielgruppe bzw. könnte die Zielgruppe haben? Wer hat diesen festgestellt bzw. soll diesen feststellen? 7. Weshalb nutzt die Zielgruppe bisherige Formen der Bildungsberatung nicht? Wozu ist ein aufsuchendes Angebot nützlich? 8. Wie wird die Zielgruppe erreicht? 9. Welche Anknüpfungspunkte, mögliche Kooperationspartner_innen und Anlaufstellen gibt es im Sozialraum? 10. Welche Anforderungen werden an das Profil der Beratenden gestellt? In einem zweiten Schritt fand ein moderierter Austausch unter den verschiedenen Projektteams im Plenum statt; hierdurch konnten die Profile der je einzelnen Projekte geschärft, konzeptuelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet und – definitorisch, konzeptuell und atmosphärisch – eine gemeinsame Basis für die projektübergreifende Zusammenarbeit geschaffen werden. In einem vertiefenden fachlichen Diskurs konnte ein gemeinsames Verständnis von Aufsuchender Bildungsberatungsarbeit entwickelt werden (vgl. Offene Hochschulen: Zielsetzung. https://de.offene-hochschulen.de/public_ pages/4). Abschließend wurden die Möglichkeiten wissenschaftlicher Begleit- und Evaluationsforschung im Rahmen der vorliegenden Projektkonzeption zur Aufsuchenden Weiterbildungsberatung vorgestellt. Die empirische Begleitung stellt nach Luchte den Schwerpunkt einer wissenschaftlichen Begleitung dar (vgl. Luchte 2005: 189).

Zweiter Workshop (18. März 2015) Der zweite Workshop zu Beginn der Projektlaufzeit drehte sich zum einen um die Forschungsinstrumente für die Evaluationsstudie. Das itb-Team instruierte die KiLAG-Projektmitarbeitenden hinsichtlich der Handhabung der bereits entwickelten quantitativen Instrumente (Fragebögen für Beratene und Beratungsprotokollen für Beratende). Gleichzeitig holte es deren Praxisexpertise ein: Die KiLAG-Projektmitarbeitenden instruierten das itb-Forschungstem hinsichtlich der strukturellen Rahmenbedingungen und der Besonderheiten der Zielgruppen der drei Teilprojekte, sodass das Forschungsteam in die Lage versetzt wurde, einen an die Praxisbedingungen der Projekte angepassten Leitfaden für die qualitativen Adressat_innen-Interviews zu entwickeln. Zum anderen präsentierte das itb-Team ein Input, in dem empirische Befunde und Fachdiskurse zu Fragen professioneller Kompetenzentwicklung in

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Anhang D: Wissenschaftliche Prozess- und Konzeptberatung

der AWBB aufbereitet waren. Damit wurde konzeptuellen Überlegungen der KiLAG-Steuerungsgruppe zur künftigen Entwicklung eines Ausbildungsmoduls für Aufsuchende Weiterbildungsberatende eine wissenschaftliche Fundierung gegeben.

Dritter Workshop (30. Januar 2016) Der dritte Workshop zum Ende der Projektlaufzeit bündelte Praxiserfahrungen aus den drei inzwischen abgeschlossenen Teilprojekten. Die Projektteams waren im Voraus gebeten worden, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse strukturiert zu präsentieren. Der anschließende diskursive Austausch fokussierte auf örtliche, finanzielle und zeitliche Rahmenbedingungen sowie auf Bedingungen der kooperativen Vernetzung im Sozialraum und reflektierte Verbesserungs- und Entwicklungspotenziale gegenüber dem bisherigen Status Quo. Darüber hinaus präsentierte das itb-Forschungsteam die Rücklaufquoten der Evaluationsstudie sowie erste Auswertungsergebnisse zum Themenbereich »Kompetenzprofile in der AWBB«. Hier wurde vorgestellt, welche Kompetenzen aus Sicht der befragten Beratenden und Beratenen zur Ausübung der AWBB erforderlich sind – dies wurde mit Ankerbeispielen, d. h. exemplarischen Zitaten aus den geführten Interviews illustriert. Im selben Zuge wurden auch das auswertungsmethodische Vorgehen und die vom itb auf Basis wissenschaftlicher Vorbefunde entwickelten Auswertungskategorien vorgestellt, sodass die erweitere KiLAG-Steuerungsgruppe Einblicke in Substanz, Strukturierung und Darstellung der Ergebnisse erhielt. Der Ausschnitt »Kompetenzprofile« war wiederum gewählt worden, weil die KiLAG nach wie vor vor der Aufgabe stand, Aus- und Fortbildungsmodule für Aufsuchende Weiterbildungsberatende zu entwickeln. Die vorgestellten Befragungsergebnisse wurden in Bezug zum vorliegenden wissenschaftlichen Fachdiskurs gesetzt. Anschließend entwarfen die KiLAG-Mitarbeitenden in Kleingruppen Skizzen von Ausbildungsmodulen zu einzelnen Kompetenzbereichen (Inhalte, didaktische Vermittlung) und stellten diese im Plenum vor. Den Abschluss bildeten gemeinsame Überlegungen zu nötigen strukturellen Rahmenbedingungen der geplanten Aus- und Fortbildung (Dauer und Umfang, Zugangsvoraussetzungen, Qualifikation der Lehrenden, etc.). Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die wissenschaftliche Prozess- und Konzeptberatung übernahm eine wichtige intermediäre Funktion. Sie vermittelte und übersetzte zwischen den beteiligten Akteuren (Projektteams, Steuerungsgruppe, Forschungsteam) und zwischen Theoriebildung, empirischer Forschung und Praxis.

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