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German Pages [359] Year 2022
Andreas Goltz Heinrich Schlange-Schöningen (Hg.)
das Zeitalter diokletians und Konstantins
BILANZ UND PERSPEKTIVEN DER FORSCHUNG Festschrift für Alexander Demandt
Andreas Goltz · Heinrich Schlange-Schöningen (Hg.)
Das Zeitalter Diokletians und Konstantins Bilanz und Perspektiven der Forschung Festschrift für Alexander Demandt
Böhlau Verlag wien köln
Die Beiträge des Sammelbandes wurden einem Peer Review Verfahren unterzogen. This is a peer reviewed publication.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande ; Brill USA Inc., Boston MA, USA ; Brill Asia Pte Ltd, Singapore ; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland ; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildungen : Abb. links : Kopf der Konstantin-Kolossalstatue. Rom, Kapitolinische Mussen. © akg-images/ Album/Prisma Abb. rechts : Kopf des Diokletian, Marmor. Istanbul, Museum für orientalische Altertümer. © akg-images/Erich Lessing. Einbandgestaltung : Guido Klütsch, Köln Satz : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
ISBN 978-3-412-52520-0
Inhalt
Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Udo Hartmann
Der Blitzschlag am Tigris. Überlegungen zum rätselhaften Tod des Carus in Persien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Bruno Bleckmann
Der Bericht des Petros Patrikios über den Frieden von 298. Eine historiographische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Wolfgang Kuhoff
Augustus „emeritus“. Diokletian als Kaiser im Ruhestand und die Folgen. . . 91 Kay Ehling
Ein Meisterwerk der seleukidischen Kunst. Zur Herkunft und Bedeutung des Herakles/Hercules auf den Folles des Maximinus Daia . . . . . . . . . .
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Andreas Gutsfeld (Université de Lorraine, Nancy)
Überlegungen zum Beginn der spätantiken Prätorianerpräfektur (284–337) . 157 Andrea Binsfeld
Tyrannentopik und Sklavennarrativ zur Zeit Diokletians und Konstantins ..
169
Elisabeth Herrmann-Otto
Die Apollovision von Grand als Mutter aller Visionen. Politische, dynastische und religiöse Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183
Klaus M. Girardet
Ein Standbild Konstantins d. Gr. in Rom mit signum und Inschrift . . . . . .
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Inhalt
Rajko Bratož
Der Kampf zwischen Konstantin und Licinius um Illyricum 316/317 im Licht der zeitgenössischen Propaganda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Heinrich Schlange-Schöningen
Die Zerstörung des Asklepios-Kults in Aigeai. Überlegungen zur antiheidnischen Politik Konstantins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
Pedro Barceló
Die Erosion der kaiserlichen Macht in der Spätantike . . . . . . . . . . . . .
311
Christoph Begass
Die Rolle des Senats bei den Kaisererhebungen in Konstantinopel von Konstantin bis Justinian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325
Zu den Autoren und Herausgebern.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Am 27. und 28. Oktober 2017 fand in den Räumen des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz eine internationale Tagung statt, die dem Zeitalter Diokletians und Konstantins gewidmet war : Die „Bilanz und Perspektiven der Forschung“ wurden in fünf Sektionen behandelt, die der Herrschaftskonzeption und Herrschaftspraxis der beiden Kaiser, den politischen Reformen Konstantins, der „Konstantinischen Wende“ und damit der Religionspolitik Konstantins, dem Thema „Kontinuität und Wandel in der spätantiken Gesellschaft“ und zuletzt der Deutungsgeschichte gewidmet waren. Anlass für die Tagung war der 80. Geburtstag von Alexander Demandt am 6. Juni 2017. Unser akademischer Lehrer und Doktorvater Alexander Demandt, der allen, die auf dem Gebiet der Spätantike arbeiten, als Verfasser des „Handbuchs zur Spätantike“ seit langem ein Begriff und für die in Mainz Anwesenden zudem ein langjähriger, fortwährend zum Austausch bereiter Gesprächspartner nicht nur zu Problemen der Spätantike ist, war von der Idee, ihm zu Ehren eine solche Tagung zu veranstalten, wenig begeistert. Den Organisatoren schrieb er am 2. Januar 2017, zum Thema Konstantin erwarte er keine neuen Erkenntnisse mehr (eine Auffassung, mit der Demandt sicher nicht alleinsteht). Diokletian dagegen, zu dem er selbst bald eine Monographie verfassen wolle, könne ihn „zum eigenen Vortrag nach Mainz locken“. Demandts Vortrag am 28. Oktober 2017 trug denn auch den Titel „Von Marc Aurel zu Diokletian“ und umriss damit das Arbeitsprogramm, das der Geehrte vollbracht hat, bevor der hier nun vorliegende Band zum Druck gelangte. Wir haben indes damals an der Konzeption festgehalten, Diokletian und Konstantin gemeinsam in den Blick zu nehmen, und sehen uns darin durch die hier vorliegenden, aus der Tagung hervorgegangenen Aufsätze bestätigt. Weder über Konstantin noch über Diokletian sind „letzte Worte“ gesprochen, und wie weit die Forschung von einvernehmlichen Ergebnissen entfernt ist, zeigt sich nach wie vor beim Blick gerade auf den ersten christlichen Kaiser und seinen Weg zum neuen Glauben. Das Symposium war der Ausgangspunkt für diesen Band, der aber nicht alle Vorträge umfasst, die in Mainz gehalten worden sind ; andere sind dagegen neu dazugekommen. Unser erster Dank gilt unseren Autoren, die geduldig auf das
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Vorwort
Erscheinen des Bandes gewartet und ihre Beiträge zuletzt noch einer aktualisierenden Revision unterzogen haben. Danken wollen wir sodann der Direktion des Römisch-Germanischen Zentralmuseums für die Gastfreundschaft im Oktober 2017 ; der Empfang am Abend des 27. in den Sammlungsräumen des RGMZ ist wohl allen Teilnehmern als ein besonderer Höhepunkt in Erinnerung. Eine hilfreiche Unterstützung gewährte uns auch der „Leibniz-WissenschaftsCampus – Byzanz zwischen Orient und Okzident – Mainz/Frankfurt“. Und schließlich wollen wir unseren Partnern im Böhlau Verlag und unter ihnen vor allem Frau Dorothee Wunsch und Frau Julia Roßberg für die ausgezeichnete Zusammenarbeit auf dem Weg zur Publikation danken, die nun zum 85. Geburtstag des Geehrten erscheint. Andreas Goltz und Heinrich Schlange-Schöningen
Einleitung
Dass die Krisen- und Übergangszeit des späten 3. und frühen 4. nachchristlichen Jahrhunderts für die Geschichte des Römischen Reiches und Europas von zentra ler Bedeutung ist, steht außer Frage. Am offenkundigsten ist dies sicherlich an Konstantins in Opposition zur Religionspolitik seiner Vorgänger vorgenommenen, folgenreichen Neuausrichtung der Religionspolitik auf eine Förderung des Christentums. Und gerade diesem Aspekt hat sich die jüngere Forschung im Zuge der Konstantins-Jubiläen 2006/2007 und 2012 wieder verstärkt gewidmet, so dass die umstrittenen politischen, vielleicht auch persönlich-religiösen Gründe, die die Protagonisten zum Handeln bewogen haben, und die Wirkungen ihrer Maßnahmen auf Staat und Gesellschaft in den Fokus zahlreicher Studien gerückt worden sind. Darüber hinaus wurde in jüngerer Zeit ebenfalls wieder angemahnt, das spätantike Christentum ins Verhältnis zu den anderen zeitgenössischen Reli gionskulturen zu setzen, da nur so Besonderheiten und Gemeinsamkeiten deutlich werden können. Ausgehend von den ‚klassischen‘ Fragen nach den Motiven und Zielen der historischen Protagonisten, für die die jüngere Forschung äußerst konträre Darstellungen und Bewertungen formuliert hat, liegt ein Schwerpunkt des Bandes auch auf diesem Problemkomplex. Allerdings sind diese und andere Veränderungen und Umwälzungen während der Herrschaft Konstantins kaum zu erklären, wenn nicht zugleich die Regierungszeit seines Vorgängers Diokletian und die Zeit der Tetrarchie in den Blick genommen wird. Konstantin ist ohne Diokletian nicht denkbar, so dass der Vorgänger des ersten christlichen Kaisers – und mit ihm die Zeit der Tetrarchie – immer wieder aus dem Schatten seines sicherlich berühmteren Nachfolgers geholt werden muss. Und an strittigen Kontroversen mangelt es auch auf diesem Gebiet nicht. Nach wie vor werden generelle und spezielle Aspekte der Tetrarchie überaus kontrovers diskutiert und lohnen eine intensivere Auseinandersetzung. Vor diesem Hintergrund möchte der Band in einer Zeit immer differenzierterer Einzelstudien und zahlreicher Überblicksdarstellungen einen Beitrag dazu leisten, auf verschiedenen Feldern der Forschungen zur Tetrarchie und zur Zeit Konstantins prägnant Bilanz zu ziehen, sich kritisch mit den Wegen und Irrwegen der Forschung auseinanderzusetzen, lohnende Perspektiven für künftige Arbeiten aufzuzeigen, aber auch klar Stellung zu beziehen in Kontroversen unseres Faches.
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Einleitung
Während die Tagung im Oktober 2017, die diesem Band voranging, in fünf thematische Abschnitte gegliedert war (s. Vorwort), sind die hier publizierten Beiträge in einer anderen, stärker chronologisch ausgerichteten Anordnung zusammengestellt. Der erste Abschnitt umfasst die Beiträge zu Diokletian und zur Tetrarchie : die Ausführungen von Udo Hartmann über den Tod des Carus, die historiographische Analyse von Bruno Bleckmann über den Bericht, den Petros Patrikios über den Frieden von 298 hinterlassen hat, die Studie von Wolfgang Kuhoff über Diokletian im Ruhestand sowie die Deutung der Herakles- Darstellung auf den Folles des Maximinus Daia aus der Feder von Kay Ehling. Wie Ehlings Beitrag, so verbinden auch die Aufsätze von Andreas Gutsfeld über die Anfänge der spätantiken Prätorianerpräfektur und von Andrea Binsfeld über die Tyrannentopik und das Sklavennarrativ die Herrschaftsphasen Diokletians und Konstantins. Der zweite Abschnitt des Bandes umfasst die Beiträge, die Konstantin und seiner Religionspolitik gewidmet sind : Elisabeth Herrmann-Otto untersucht Konstantins Apollonvision im Jahre 310 als die „Mutter aller Visionen“, Klaus M. Girardet das Standbild, das der Senat für Konstantin nach dessen Sieg über Maxentius in Rom in Auftrag gab, Rajko Bratož den Propagandakampf zwischen Konstantin und Licinius in den Jahren 316/317 und Heinrich Schlange- Schöningen die Nachrichten, die über die Zerstörung des Asklepios-Kults in Aigeai vorliegen. Der dritte Abschnitt des Bandes bringt mit den Beiträgen von Pedro Barceló und Christoph Begass zwei Untersuchungen, die die Folgen der „konstantinischen Wende“ für die Spätantike bis Justinian erörtern, wobei die Perspektive einmal, im Beitrag von Pedro Barceló, stärker auf den Aspekt der Erosion der kaiserlichen Macht im Westen des Imperiums, das andere Mal, im Beitrag von Christoph Begass, stärker auf die entsprechenden Vorgänge im Osten gerichtet ist. Im Folgenden sollen diese Beiträge nun noch etwas genauer vorgestellt werden. Zur Vorgeschichte der Herrschaft Diokletians gehören die Ereignisse unter Carus und seinen Söhnen Carinus und Numerianus. Udo Hartmann untersucht unter dem Titel „Der Blitzschlag am Tigris – Überlegungen zum rätselhaften Tod des Carus in Persien“ die widersprüchliche Überlieferung zum Ende dieses Kaisers. Einleitend erläutert er die Hintergründe des Perserfeldzuges des Carus, der eine für die angreifenden Römer günstige, instabile Situation im Perserreich auszunutzen suchte. Bemerkenswerterweise beabsichtige Carus dabei, den erfolgreichen Kriegszug über Ktesiphon hinauszuführen. Das bot manchen Autoren der Spätantike die Gelegenheit, den vermeintlichen Blitztod des Kaisers als göttliche
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Strafe für die Hybris des Herrschers, der im Begriff war, gottgegebene Grenzen zu überschreiten, zu interpretieren. Der Autor der Historia Augusta indes und ihm folgend auch einige byzantinische Autoren stellten neben die wohl offizielle Blitztod-Überlieferung eine andere Erklärung, indem sie von einem natürlichen, krankheitsbedingten Hinscheiden des Carus berichteten. Und Stimmen der jüngeren Forschung brachten dann noch die Option ins Spiel, dass die Blitztod-Version das militärische Scheitern des Carus überdecken sollte. Dafür verwies man auch auf das Felsrelief von Naqš-i Rustam, das im unterlegenen Gegner den römischen Kaiser zeige. Diese Deutung wird von Hartmann ebenso zurückgewiesen wie die Krankheits-Version der Historia-Augusta. Den Weg zur Lösung des Problems weise vielmehr die gängige Version vom Blitztod, obgleich diese historisch sehr unwahrscheinlich sei. Viel näher liegt es Hartmann zufolge, von einem Mordkomplott der Offiziere des Carus auszugehen. Allerdings sollte man dann nicht das Machtstreben der Prätorianerpräfekten Aper oder Diocles, des späteren Diokletian, für die Tat verantwortlich machen, deren Streben nach der Kaiserwürde durch die Blitztod-Geschichte überdeckt worden sei. Denn für beide hätte die Ermordung von Carus allein zu keinem sicheren Machtgewinn führen können. Dagegen musste das aus dem illyrischen Bereich stammende Offizierscorps des Kaisers ein Interesse daran haben, die Pläne des Carus zu durchkreuzen, die auf eine Fortsetzung des Feldzugs ins Innere des Perserreiches abzielten. Ein solcher Kriegszug hätte neue Einfälle von Sarmaten über die Donaugrenze provozieren können ; auch musste er aus der Perspektive der illyrischen Offiziere eine Vergeudung von Ressourcen allein zur Steigerung des Ruhmes des Kaisers darstellen. Aus diesen Gründen entschieden sich die Offiziere, zu denen auch Aper und Diocletian gehörten, dazu, Carus auszuschalten, zugleich aber die Herrschaft in den Händen seiner Dynastie zu belassen. Im folgenden Abschnitt behandelt Bruno Bleckmann den „Bericht des Petros Patrikios über den Frieden von 298“. Im Zentrum steht eine „historiographische Analyse“ des Berichtes, den Petros, der unter Justinian selbst im diplomatischen Dienst stand, von den Verhandlungen zwischen Galerius und dem zuvor militärisch unterlegenen Narses gegeben hat ; dieser Bericht ist indes nur in zwei längeren Fragmenten überliefert. Beruht die Darstellung des Petros, so fragt Bleckmann, auf der Auswertung von Archivmaterial oder hat sich der Autor an Quellen des 4. Jahrhunderts orientiert und deren Inhalt übernommen ? Und wie stimmig sind die Details seiner Darstellung ? Unter den insgesamt nur achtzehn Fragmenten, die aus Petros’ Geschichtswerk, einer Gesamtdarstellung von Augustus bis Constantius II., erhalten sind, stellen die Fragmente 13 und 14 die wichtigsten,
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Einleitung
weil ausführlichsten Zeugnisse dar, die heute noch zur Diplomatiegeschichte der Tetrarchie vorliegen. Bleckmann untersucht diese Fragmente auch im Hinblick auf die von Petros verwendeten Amtstitel der an den Verhandlungen auf persischer Seite beteiligten Personen, wobei er feststellt, dass zweifelsfreie Zuweisungen zwar nicht möglich sind, aber doch bei Petros eine Kenntnis der persischen Gegebenheiten zu verzeichnen ist. Der spätantike Historiker stellt für diese Amtstitel Analogien zu den römischen Ämtern her, was der Vorgehensweise der spätantiken Geschichtsschreibung entspricht. Und auch für seine Darstellung des erfolgreichen, siegesbewussten und zugleich im Umgang mit dem Gegner maßvollen Galerius übernimmt Petros Motive der Geschichtsschreibung des 4. Jahrhunderts, während sich dagegen eine Nutzung von Archivmaterial nicht belegen lässt. Wolfgang Kuhoff widmet seinen Beitrag dem „Altkaiser“ Diokletian nach seinem Rückzug aus der aktiven Herrschaft. In den Jahren nach 305 hat Diokletian in seiner Altersresidenz nahe Salona noch geraume Zeit gelebt und von dort aus auch in die Politik eingegriffen. Kuhoff widerspricht der gängigen Auffassung, Diokletian habe nach seiner Abdankung die Stellung eines Privatmanns eingenommen und sei auch als solcher nach seinem Tod divinisiert worden. Vielmehr fungierte Diokletian, wie sein Kollege Maximianus, als senior Augustus. Als solcher verkörperte er auf der Konferenz in Carnuntum 308 die höchste Autorität im Reich. Kuhoff untersucht die Nachrichten über den Ort und den Ablauf der Konferenz und in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob das in der Nähe von Carnun tum gelegene Tetrapylon anlässlich des Kaisertreffens errichtet worden sein könnte. Nachdem in Carnuntum die zweite Tetrarchie konstituiert worden war, kam Galerius die führende Rolle im Herrscherkollegium zu. Dass er die zweite Tetrarchie in ihrer tatsächlichen Form als „Sextarchie“, also unter Einschluss der seniores Augusti, verstand, ist aus den drei Doppel-Medaillons ersichtlich, mit denen die Zierpfeiler des Osttores von Romuliana geschmückt wurden. Im Hinblick auf die schon erwähnte Vergöttlichung Diokletians meldet Kuhoff starke Zweifel an, fehlen doch offizielle Belege für diese Nachricht. Überhaupt sei für Diokletian in den Jahren nach seinem Rücktritt ein zunehmender Verlust von Einfluss zu konstatieren. Kay Ehling blickt in seinem Beitrag auf die Münzprägung des Tetrarchen Maximinus Daia, wobei es ihm besonders um die Verwendung der Herakles/Hercules-Darstellung geht. Für die entsprechenden Folles, die in der letzten Herrschafts phase dieses Kaisers geprägt und von der Forschung bislang wenig beachtet wurden, untersucht der Autor, wie weit ihre Prägung einer politischen bzw. reli-
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gionspolitischen Absicht entsprach ; die Münzprägung wird dafür in den Kontext der Politik und im Besonderen der Religionspolitik des Maximinus Daia eingebettet. Zudem wird die Frage beantwortet, welchem Herakles-Typus das Münzbild folgte ? Für Maximinus bezeugen die Quellen einen nachdrücklichen politischen Kampf gegen das Christentum, der auch den Forderungen etlicher Städte im Osten entsprach. Inschriften belegen, dass man den Tetrarchen darum ersuchte, die „seit langem irrsinnigen Christen zum Schweigen zu bringen“ (so die Kurie von Arykanda). Hatte Maximinus in den ersten Jahren seiner Herrschaft mit einer Münzprägung, die das Bildnis des Sarapis verwendete, noch ganz andere Akzente gesetzt, die offensichtlich seinem Bemühen geschuldet waren, mit diesem ägyptischen Gott einen „Gegengott“ und zugleich mit der Herausstellung des Apollonius von Tyana einen „Gegenchristus“ zu etablieren, so brachte seine spätere Münzprägung mit dem Herakles-Bildnis noch eine zusätzlich, politisch brisante Aussage ins Spiel. Ehling folgt zwar Diethelm Krull, der den unter Maximianus verwendeten Typ des Herakles Caserta als Weiterentwicklung des Herakles Farnese-Typus identifiziert hat, korrigiert aber die regionale Ursprungshypothese für Letzteren : der Caserta-Typ stamme nicht aus Kleinasien, sondern vielmehr aus Syrien, wie sich anhand der für diese Frage bislang nicht berücksichtigten Maximianus-Folles zeige. Der Ausgangspunkt liege in einer wohl von einem Sohn oder Schüler Lysipps gestalteten Bronzestatue, die am Anfang des 3. vorchristlichen Jahrhunderts, unter Seleukos I., für das Heraklesheiligtum von Daphne geschaffen wurde. Indem Maximinus gerade dieses Bildwerk auf seine Münzen setzen ließ, bekannte er sich nicht nur zur herkömmlichen Religion ; vielmehr propagierte er auch einen Herrschaftsanspruch auf den Westen des Imperiums, bestand doch das besondere Signum des Herakles Caserta in den auf den Westen verweisenden Äpfeln der Hesperiden. Andreas Gutsfeld stellt in seinem Beitrag „Überlegungen zum Beginn der spätantiken Prätorianerpräfektur (284–337)“ an, wobei der zeitliche Rahmen mit Diokletian einsetzt und bis zum Tod Konstantins führt. Konstantin wird in den spätantiken Quellen für die Neuausrichtung der Prätorianerpräfektur verantwortlich gemacht ; Zosimos z. B. sieht darin eine Neuerung, die Konstantin nach der Beseitigung des Licinius eingeführt habe. Gutsfeld kann aber zeigen, dass diese Darstellung historisch nicht korrekt ist. Es handelt sich bei der Reform der Prätorianerpräfektur nicht um eine einmalige Maßnahme, sondern um eine Entwicklung, die bereits unter Diokletian einsetzt und die in mehreren Schritten abgelaufen ist. Schon Diokletian grenzte die militärischen Befugnisse des Präfekten ein, und Konstantin ist auf diesem Weg fortgeschritten bis hin zu der finalen Auf-
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spaltung des Amtes in Gestalt von vier Präfekturen. Dabei war der Präfekt unter Konstantin wohl vom Anfang seiner Herrschaft an nur mehr auf zivile Aufgaben beschränkt, die er in den Provinzen zu erfüllen hatte ; dadurch ergab sich eine erste Ablösung von der Herrschaftszentrale. Der letzte Schritt bestand in der Vervielfachung des Amtes, die nach dem Sieg über Licinius erfolgte. Die unter Diokletian begonnene Reform wurde also von Konstantin vollendet ; spätere Kaiser wie Julian oder Valentinian I., die in der Forschung mit dem Abschluss der Reform in Verbindung gebracht werden, haben nur beibehalten, was bereits von Diokletian und Konstantin gestaltet worden war. Andrea Binsfeld geht in ihrem Beitrag „Tyrannentopik und Sklavennarrativ zur Zeit Diokletians und Konstantins“ von der in den spätantiken Quellen überlieferten Demütigung aus, die Galerius nach seiner Niederlage gegen den Perserkönig Narses in der Schlacht bei Carrhae 296 n. Chr. auferlegt worden sei : Der Caesar habe den im Wagen fahrenden Augustus Diokletian über eine weite Strecke zu Fuß begleiten müssen. Während sich die bisherige Forschung vorrangig mit dem Problem der Authentizität dieser Darstellung beschäftigt hat, zeigt die Autorin, dass sich die Episode, die aus Galerius einen „Begleitsklaven“ (apparitor) macht, sehr gut in das spätantike Verständnis von Sklaverei einfügt. Fragt man nach dem Bedeutungsinhalt, dann erweist sich das Galerius auferlegte, dienende Begleiten seines „Herren“ Diokletian als Bestandteil der Tyrannentopik resp. Tyrannenkritik : Wer seinen Mitkaiser in eine Verhaltensweise hineinzwingt, die allein von Sklaven erwartet werden kann, missbraucht seine Macht. Damit verwendet die Galerius-Episode einen negativen Aspekt des spätantiken Sklaverei-Narrativs, während dieses Narrativ andererseits auch positiv zur Beschreibung der außenpolitischen Leistungen der Kaiser eingesetzt werden konnte : Unterwarfen sie feindliche Völker, so wurden diese wie Sklaven in die Abhängigkeit des siegreichen Herren gebracht. Über die Galerius-Episode hinaus ist festzustellen, dass das Sklaverei-Narrativ bei etlichen Autoren, auch christlichen, zur negativen Charakterisierung von Tetrarchen verwendet wird. Damit schließen die Autoren an die Deutungslinien der senatorischen Historiker der Prinzipatszeit an, wenn es um den Vorwurf politischer Unterdrückung geht. Erweitert wird die Tyrannenkritik aber von den christlichen Autoren um den Vorwurf der Unterdrückung ihrer Religion. So kann der Tyrannis-Vorwurf auch Kaiser wie Diokletian, Galerius und Maximinus Daia treffen. Schließlich ist das Sklaverei-Narrativ, das in der spätantiken Literatur eine so breite Anwendung wohl deshalb finden konnte, weil es auf Alltagserfahrungen der Zeitgenossen Bezug nahm, auch zur Kennzeichnung des Usurpators Maxentius gebraucht worden.
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Elisabeth Herrmann-Otto analysiert unter dem Titel „Die Apollovision von Grand als Mutter aller Visionen“ die politischen, dynastischen und religiösen Aspekte, die mit Konstantins erster, noch paganer Vision verbunden waren. Ausgehend von dem Legitimationsproblem, das Konstantin schon als Usurpator und dann noch einmal in Folge des für Maximianus Herculius tödlichen Konflikts mit seinem Schwiegervater hatte, erläutert die Autorin die Ziele, die Konstantin mit der Propagierung eines neuen Schutzgottes verfolgte. Während an der heute gängigen Lokalisierung der vom Lobredner des Jahres 310 berichteten Apollovision durchaus gezweifelt werden kann, gestatten die paganen und christlichen Quellen, die Entwicklung von Konstantins religiösen Legitimationsversuchen genau nachzuzeichnen. Dabei sind alle militärischen Erfolge von transzendenten Begründungsversuchen – Prophezeiungen, Träumen und Visionen – begleitet. Die Überzeugung, von einem persönlichen Schutzgott geleitet zu werden, führte den Kaiser zum christlichen Glauben und zur christlichen Religionspolitik, wobei Herrmann-Otto keinen plötzlichen Übergang, keinen „sogenannten Quantensprung“ verzeichnet, sondern vielmehr eine „fortschreitende Umorientierung“. So sieht die Autorin in der Statue, die Konstantin nach der Beseitigung des Maxentius in Rom als dem Wohltäter der Stadt aufgestellt wurde, noch keinen Beleg für die Hinwendung des Kaisers zum christlichen Glauben : Das der Statue beigegebene „Zeichen des heilbringenden Leidens“, von dem Eusebios spricht, dürfe nicht als Christogramm oder als Labarum verstanden werden. Vielmehr sei eine „Standarte in vorchristlicher Version“ verwendet worden. Ebenso sei die Behauptung des Lactantius, Konstantin habe als Christ an der Milvischen Brücke gekämpft, abzulehnen. Konstantin selbst habe erst in den zwanziger Jahren, vielleicht sogar erst nach dem Sieg über Licinius, den Christengott mit der göttlichen Erscheinung identifiziert, die ihm Jahre zuvor im Apollotempel begegnet war. Aber auch danach hatte der Kaiser kein Problem damit, an den solaren Bestandteilen seiner Herrscherideologie festzuhalten. In dem dann folgenden Beitrag untersucht Klaus M. Girardet die Überlieferung zu dem Standbild, das der Senat in Rom Konstantin nach seinem Sieg über Maxentius gewidmet hat. Von diesem in der Forschung viel (und auch in diesem Band mehrfach) behandelten und zugleich in seiner Ausstattung und Aussageabsicht umstrittenen Standbild berichtet Eusebios sowohl in seiner Kirchengeschichte als auch in der Vita Constantini, es sei mit einem signum in der rechten Hand und einer Inschrift ausgestattet gewesen. Ist die Darstellung des Kirchenvaters vertrauenswürdig ? Wie könnte das Standbild tatsächlich ausgesehen haben und welche religiöse Aussage könnte mit ihm verbunden gewesen sein ? Girardet
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zufolge kann Eusebios mit dem signum nur das Kreuz Christi gemeint haben, da es für ihn keinen Zweifel gegeben habe, dass der Kaiser bereits vor dem Kampf gegen Maxentius Christ geworden war. Und der Autor hält die Angaben des Eusebios für glaubwürdig : die Statue existierte und war mit einem Kreuz als dem „Siegeszeichen des rettungbringenden Leidens“ versehen. Indem sich Konstantin in dieser Weise darstellen ließ, legte er ein nachdrückliches Bekenntnis zu seinem neuen Glauben ab, zumal in christlichen Kreisen das Kreuzsymbol noch nicht als öffentliches Glaubenssymbol verwendet wurde. Die alternative, in der Forschung vorgebrachte Deutung geht Girardet zufolge in die Irre : Keinesfalls dürfe das signum als einfaches römisches Vexillum interpretiert und Eusebios der Vorwurf einer verfälschenden Darstellung gemacht werden. Denn wie hätte ein Vexillum als „rettungbringend“ bezeichnet werden können ? Vielmehr sei anzunehmen, dass das signum bereits mit einem Christogramm versehen war, denn eine erste Verwendung des Christogramms auf Meilensteinen lässt sich bereits für 312/313 und dann auf den besonderen Münzen des Kaisers wie dem Silbermedaillon von Ticinum nachweisen. Den Einwand, dass Eusebios möglicherweise die Darstellung des Lactantius vom Traum des Kaisers ausgeschrieben und aus seiner späteren Perspektive verfälscht habe, lehnt Girardet ab ; für ihn handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Quellen. Schließlich sei festzuhalten, dass sich die von Eusebios beschriebene Statue nicht erhalten hat ; von ihrem Schema her stehe ihr aber die gleichzeitig entstandene Konstantinstatue der Lateranbasilika nahe. Mit welcher Vielfalt von Darstellungsmitteln die Machtkämpfe, die zum Ende der tetrarchischen Mehrherrschaft führten, ideologisch ausgetragen wurden, zeigt Rajko Bratož in seinem Beitrag anhand der Propaganda, die den Machtkampf um das Illyricum zwischen Konstantin und Licinius in den Jahren 316/317 begleitet hat. Bratož erläutert den Ablauf der Auseinandersetzungen, die bald nach der Konferenz in Carnuntum einsetzten, bis zum Frieden des Jahres 317 und widmet sich dann einer detaillierten Auswertung aller Quellen einschließlich der epigraphischen, numismatischen und archäologischen Befunde. Dabei treten Zeugnisse in den Fokus, die bislang kaum berücksichtigt worden sind, wie etwa das einzigartige crustulum aus Poetovio, einer zum Backen von Brot verwendeten Tonform, die sich mit ihrer vota-Inschrift wahrscheinlich auf Konstantin bezieht. Auch die im Verlauf der Auseinandersetzungen zwischen Konstantin und Maxentius und anschließend zwischen Konstantin und Licinius versteckten und wieder aufgefundenen Münz- und Silberschätze erlauben genauere Rückschlüsse auf den Verlauf und den propagandistischen Inhalt des Machtkampfes. Der Autor kann, angefangen mit den öffentlichen Denkmälern wie den Kaiserstatuen über die
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Meilensteine, Bauinschriften, Bauziegel, goldene wie silberne Gefäße, Fibeln und Treueringe bis zu Paradehelmen und Gegenständen des Alltagsgebrauches zahlreiche „Medien“ identifizieren, die als Träger politischer Botschaften verwendet wurden. In etlichen Fällen lassen die Fundumstände Rückschlüsse auf die konkrete politische Situation bzw. militärische Konfrontationen zu ; nachzeichnen lassen sich so auch temporäre Gebietserweiterungen der einzelnen Kontrahenten, die u. a. das Umstürzen von Statuen des Gegners zur Folge haben konnten. Deutlich wird auch, welche Bedeutung wertvollen, oftmals mit Siegesbotschaften versehenen Gegenständen zukam, die von den Kaisern an hohe militärische wie zivile Würdenträger verschenkt wurden, um deren Loyalität zu sichern bzw. zu belohnen. Dem Autor zufolge sind die zahlreichen Funde dieser Art zugleich auch ein Beleg für die Heftigkeit der propagandistischen Auseinandersetzung, die in jenen Jahren erbittert geführt wurde. Auch Heinrich Schlange-Schöningen geht von Eusebios aus und widmet sich in seinem Beitrag dem Bericht, den der Kirchenvater von der angeblichen Zerstörung des Asklepios-Heiligtums in Aigeai gibt. Dieser wichtige Kultort soll, wie andere auch, auf Befehl des Kaisers seiner Funktionsfähigkeit beraubt worden sein. Die Prüfung der Quellen vermittelt allerdings einen anderen Eindruck : Zwar kann es unter Konstantin zu Zerstörungen oder zumindest Behinderungen der Kultpraxis gekommen sein ; diese werden aber nicht so weitreichend und irreversibel gewesen sein, wie Eusebios dies suggeriert. Denn im Verlauf des 4. Jahrhunderts ist der Asklepios-Kult weiter betrieben worden, wie u. a. aus epigraphischen Zeugnissen hervorgeht. Wenn auch für die überregional ausstrahlenden Asklepieia grundsätzlich von einem Niedergang seit dem späten dritten Jahrhundert gesprochen werden kann, so bestand der Kult in Aigeai doch unter und auch noch nach der Herrschaft des Constantius II. weiter. Im Hinblick auf die angeblichen Zerstörungen in Aigeai scheinen die christlichen wie die heidnischen Quellen das Geschehen stark überzeichnet zu haben. Für die 50er Jahre des 4. Jahrhunderts bezeugen die Briefe des Libanios den Fortgang des Kultbetriebs ; der mit Libanios befreundete Dichter Akakios schrieb Reden auf den Asklepios von Aigeai, in denen er auch die vergangenen „Kämpfe“ um das Heiligtum beschrieb, das in seiner Zeit aber weiter für die gläubigen Patienten offenstand. Es wird auch danach nicht zu größeren Zerstörungen gekommen sein, da Julian den Asklepios-Kult generell als Antwort auf den christlichen Glauben zu nutzen suchte und Aigeai zu den funktionierenden Zentren dieses Heilkults zählte. Von größeren Wiederaufbaumaßnahmen, die unter Julian in Aigeai erfolgt wären, schweigen die Quellen aber. Für die Religionspolitik Konstantins und auch seines Sohnes Constantius’ II. lässt
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sich somit am Beispiel von Aigeai erkennen, dass im Umgang mit einzelnen Kultorten auch überregionaler Ausstrahlung entweder keine klaren Anweisungen aus der Reichszentrale erfolgten oder aber die regionalen Autoritäten solche Anweisungen nur ansatzweise umsetzen. Über die Grenzen der konstantinischen Epoche hinaus fragt Pedro Barceló nach den Hintergründen der „Erosion der kaiserlichen Macht in der Spätantike“. Wie ist der Verlust an Ansehen und Legitimität zu erklären, der dem spätantiken römischen Kaisertum widerfuhr ? Festzustellen sind zunächst Veränderungen in den vielfältigen Aufgaben und Kompetenzen des Kaisers, angefangen mit der zivilen Verwaltung bis hin zum Heerwesen und der Religionspolitik. So wurde z. B. die höchste Richterfunktion auf den Prätorianerpräfekten übertragen, der damit eine Funktion übernahm, die bisherig vom Herrscher erfüllt wurde. Der Versuch der Kaiser seit dem vierten Jahrhundert, den Verlust an Autorität, den sie Bereich der zivilen Verwaltung erlitten, durch militärische Aufgaben und Leistungen zu kompensieren, hatte keinen Erfolg. Dass die Ernennung des Arbogast 387 zum Heermeister ganz ohne kaiserliches Mitwirken zustande kam, erweist sich in diesem Zusammenhang als signifikanter Traditionsbruch. Er leitete eine weitere Veränderung im spätantiken Machtgefüge ein, übten doch die Heermeister zunehmend die zuvor beim Kaiser liegende militärische Macht aus. Schließlich ist ein erheblicher Verlust an Autorität auch im kultisch-religiösen Bereich eingetreten. War der Kaiser bis zu Konstantin durch eine besondere Beziehung zu einem der Götter des paganen Pantheons ausgewiesen und so in seiner Stellung religiös legitimiert, führte die konstantinische Wende hier zu einschneidenden Veränderungen schon deshalb, weil bald strittig wurde, wem die Kompetenz von Entscheidungen zustand, die das Innere der Kirche und die christliche Theologie betrafen. In dem Ausmaß, in dem die Bischöfe zunehmend an Autorität gewannen, kam dem spätantiken Kaiser dabei seine Kompetenz im kultischen Bereich abhanden. Alle genannten Faktoren, so führt Barcélo aus, bewirkten eine tiefgreifende Veränderung des „staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungsgefüges“ ; zugleich ließen sie eine „neue Dissenskultur“ entstehen, da die Optionen für Legitimität und Autorität kontrovers ausgehandelt wurden. Das Kaisertum verlor in diesem Prozess mehr und mehr an Ansehen und verkümmerte zu einer „Repräsentationsinstanz“ ; zuletzt konnte es dann als überflüssig erscheinen. Der Beitrag von Christoph Begass thematisiert die „Rolle des Senats bei den Kaisererhebungen in Konstantinopel von Konstantin bis Justinian“. Wenn es, wie die Forschung bislang betont hat, keine festen rechtlichen Formen für die Kaisererhe-
Einleitung
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bung gegeben hat und weiterhin juristische Kategorien nicht ausreichen können, um die Bestimmung und Einsetzung von Nachfolgern zu erklären, bedarf es einer genauen Analyse der Faktoren und ihrer Entwicklung, um zu einer angemessenen Beschreibung und Durchdringung dieser für das Kaisertum zentralen Situation zu gelangen. Nach einem Überblick über die bisherigen Positionen der Forschung, die jüngst vor allem durch Arbeiten von Flaig, Trampedach und Pfeilschifter zu neuen Einsichten gelangt ist, entwirft Begass in seinem Beitrag eine quellenfundierte, systematisch anzuwendende Typologie, mit der die Kaisererhebungen in ihrer Entwicklung nachgezeichnet und d. h. in einem Spannungsfeld von „Militärund Residenzkaisertum“, „Sakralisierung des Kaisertums“ und „Senatorisierung der Führungsschicht“ verortet werden. Der detaillierte Blick auf die Kaisererhebungen zeigt, dass das Akzeptanzmodell zwar einen Fortschritt der Analyse darstellte, die Spezifika der spätantiken Kaisererhebung aber noch nicht ausreichend erfassen kann. Vielmehr müssen die bisher verwendeten Gruppenbegriffe „Militär“, „Senat“ und „Volk“ differenziert werden, wie auch klar zwischen der Auswahl des künftigen Herrschers und seiner öffentlichen Einsetzung zu unterscheiden ist. Während etwa bei der Auswahl Leos I. nur die Aspar unterstellten Palasttruppen in Konstantinopel eine Rolle spielten, ist die Akklamation des neuen Kaisers nicht von dem Senat insgesamt, sondern allein von den führenden Senatoren vollzogen worden. Unter diesen illustres fanden sich indes auch zahlreiche Offiziere, so dass eine klare Trennung von Senat und Heer nicht mehr sinnvoll erscheint. Diese Details werden von den Quellen verdeckt, wenn sie die herkömmlichen Gruppenbegriffe verwenden. Wohl seit Marcian, so führt der Autor aus, sicher aber seit Zeno lag die Entscheidung über den neuen Kaiser bei einer gemischten Führungsschicht, die zugleich aus zivilen und militärischen Amtsträgern bestand.
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Udo Hartmann (Friedrich-Schiller-Universität Jena)
Der Blitzschlag am Tigris Überlegungen zum rätselhaften Tod des Carus in Persien
Zusammenfassung : Ein Großteil der Quellen berichtet, dass Kaiser Carus nach der Einnahme der persischen Residenz Ktesiphon 283 durch einen Blitzschlag ums Leben gekommen sei. In der Forschung ist dies vielfach in Frage gestellt worden. In diesem Beitrag wird nach der Analyse der Quellen und der Forschungsthesen aufgezeigt, dass Carus Opfer eines Mordkomplotts seiner ritterlichen illyrischen Generäle wurde. Sie ermordeten ihn, um seinen Plan für ein weiteres Vordringen in das Innere des Irans und einen prestigeträchtigen Sieg über die Sasaniden zu stoppen ; ihnen ging es vor allem um den konsequenten Schutz des Reiches vor äußeren Bedrohungen. Carus’ Dynastie wollten die Offiziere aber nicht stürzen. Abstract : Most of the sources report that Emperor Carus was killed by a lightning strike after the capture of the Persian residence of Ctesiphon in 283 AD. This has often been questioned in the scholarly literature. After analysing the sources and the research, the author shows in this paper that Carus was the victim of an assassination plot by his equestrian Illyrian generals. They assassinated him to stop his plan for a further advance into the interior of Iran and for a prestigious victory over the Sasanians. Their main concern was the protection of the empire from external threats. But the generals did not want to overthrow the dynasty of Carus.
1. Einleitung
Im Sommer 283 soll unweit der sāsānidischen Residenz Ktesiphon am Tigris der etwa 60jährige Kaiser Carus von einem Blitz getroffen worden sein. Mit dem Tod des Carus ging die Herrschaft im Römischen Reich an seine beiden Söhne und bisherigen Mitregenten, Carinus und Numerianus, über. Für Diocletian sollte sich dadurch ein Jahr später die Möglichkeit einer Machtübernahme eröffnen, so dass es nicht überrascht, dass man in der Forschung zuweilen eine Verwicklung des Illy rers in den rätselhaften Tod des Carus unterstellt hat. In diesem Beitrag möchte ich mich auf die Ereignisse in Persien konzentrieren und der Frage nach den Hin-
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tergründen des merkwürdigen Todesfalls nachgehen. Im ersten Teil soll ein knapper Überblick zu den Ereignissen und den Quellenberichten geben werden, dann möchte ich die wesentlichen Überlegungen in der Forschung präsentieren und schließlich einen neuen Deutungsvorschlag zum Mordkomplott gegen Carus unterbreiten, der letztlich natürlich auch nur eine Hypothese sein kann.1
2. Carus’ Feldzug gegen die Sāsāniden
Nach fast 50 Jahren mit ständigen Herrscherwechseln, Barbareneinfällen und Unruhen hatte sich unter den illyrischen Soldatenkaisern Aurelianus und Probus die politische Lage im Reich merklich gefestigt. Die Grenzen an Rhein und Donau waren nun weitgehend gesichert, Alamannen, Franken, Juthungen, Vandalen, Heruler und Goten waren nachhaltig geschlagen worden, die Reichsteile in Ost und West wieder unter einem Kaiser vereinigt.2 Als der Prätorianerpräfekt M. Aurelius Carus aus dem südgallischen Narbo im August oder September 282 in Raetia und Noricum die Kaisermacht übernahm,3 musste er also nicht sofort zum nächsten 1 Zu Kaiser Carus (PIR2 A 1475 ; PLRE I 183 mit Barnes 1972, 152 f.) vgl. bes. Meloni (1948) bes. 9–115 ; Kreucher (2008) 415–423 ; Altmayer (2014) ; vgl. auch Pink (1963) (zur Münzprägung) ; Christol (1997) 185–190 ; Paschoud (2001) 337–363 (Kommentar zur HA-Vita) ; Kienast u. Eck u. Heil (2017) 248 f. Zum Geburtsjahr des Carus : Ioh. Mal. 12, 34 (S. 233, 8–9 CFHB ; Carus sei mit 60,5 Jahren gestorben) ; Syn. Sath. S. 40, 8. Vgl. Meloni (1948) 19–23 (um 224) ; Paschoud (2001) 343 („vers 223“) ; Altmayer (2014) 67 f. (um 221). Nicht einsehen konnte ich das Büchlein von Francesco Bianchi, Studi sull’imperatore M. Aurelio Caro, Voghera 1911. Ein herzlicher Dank gilt den Organisatoren und Teilnehmern der Mainzer Tagung sowie den Zuhörern des Vortrags am 3. Dezember 2018 in Innsbruck, denen ich wichtige Hinweise verdanke. 2 Zu Aurelianus und Probus vgl. bes. Watson (1999) ; Kreucher (2003) u. (2008) 395–417 ; Hartmann (2008a). 3 Zum Geburtsort : Aur. Vict. Caes. 39,12 ; Eutr. 9,18,1 ; Hier. chron. S. 224g (a. 2300) ; Epit. de Caes. 38,1 ; Oros. 7,24,4 ; Sidon. carm. 23 (ad Consentium), 88–96 ; Iord. Rom. 294 ; Gallier nach Synk. S. 472,10 ; Zon. 12,30 (S. 611,8 CSHB). Andere, fiktive Geburtsorte (mit erfundenen Gewährsmännern) nennt HA Car. 4,1–5 (Geburt in Rom, aber illyrische Eltern laut Onesimus’ vita Probi ; Geburt in Illyrien, aber punische Eltern laut Fabius Ceryllianus ; Geburt in Mailand laut den Ephemeriden) ; vgl. Car. 4,6–7 ; 5,2. Zu dieser HA-Passage vgl. Syme (1971) 50 u. 247 ; Chastagnol (1980) 50–59 u. (1994) 1137 f.; Paschoud (2001) 338–343 ; Rohrbacher (2016) 27 u. 32–34 ; Migliorati (2017) 221 (Onasimus, F 3) ; 253 (Fabius Ceryllianus, F 1) ; 260–263. Zum Geburtsort Narbo vgl. auch Jones (1942) 193 f.; Meloni (1948) 10–19 ; Barnes (1972) 152 ; Loriot (2002) 148 f.; Kreucher (2008) 415 ; Altmayer (2014) 66 f.; von Narona in Dalmatien sprechen (nach einer Vermutung von Salmasius) u. a. Henze (1896) 2456 ; Mattingly (1939) 321 ; Pink (1963) 58 ; Prätorianerpräfekt : Aur. Vict. Caes. 38,1 ; HA Car. 5,4. Vgl. Passerini (1939) 343 ; Howe (1942) 83, Nr. 56 ; Meloni (1948) 23–29 ; Pink (1963) 58 ; Chastagnol (1970) 67, Nr. 41 u. 1980, 59 ; Paschoud
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Krisenherd an den Grenzen eilen. Der neue Soldatenkaiser etablierte erstmals seit Valerian zudem wieder eine Kaiserdynastie : Seine bereits erwachsenen Söhne, Carinus und Numerianus, erhielten im Herbst 282 nacheinander den Caesar-Titel.4 Als Carus dann schließlich im Frühjahr 283 gegen die Perser zog, teilte er wie zuvor Valerian die Verantwortung für das Reich auf zwei Augusti auf : Carinus wurde zum Augustus erhoben und bekam die Verantwortung für den Westteil des Reiches übertragen.5 Carus und sein Caesar Numerianus marschierten in den Osten des Reiches.6 Warum zog Carus gegen die Sāsāniden ?7 Im Jahr 283 ging keine größere Bedro hung von den Persern aus ; offenbar hatten Truppen des noch jungen Königs Wahrām II. (276–293) aber den Herrscherwechsel in Rom genutzt, um erneut Teile des umstrittenen Nordmesopotamien unter sāsānidische Kontrolle zu stellen.8 Dies wurde von Carus als Vorwand für einen großangelegten Perserfeldzug
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(2001) 343 ; Kreucher (2003) 127 ; Porena (2003) 57–59 ; Gerhardt u. Hartmann (2008) 1074, PPO 18 ; Altmayer (2014) 67–69 ; Raetia und Noricum : Zos. 1,71,4–5 = Ioh. Ant. fr. 160 (FHG IV 600 = fr. 243 Roberto = fr. 187 Mariev, CFHB) ; vgl. auch Zon. 12,29 (S. 610, 6–8 CSHB). Vgl. Meloni (1948) 23–25 ; Kuhoff (2001) 432 ; Kreucher (2008) 415 f.; Altmayer (2014) 58–61. Aur. Vict. Caes. 38,1 ; Eutr. 9,18, 1 ; Epit. de Caes. 38,2 ; HA Car. 7,1 (vgl. aber 10,1) ; 16,2 ; Oros. 7,24,4 ; Zon. 12,30 (S. 610, 20–22 CSHB). Vgl. Meloni (1948) 71–73 ; Kreucher (2008) 417 f. (Erhebung des Carinus und kurz darauf des Numerianus in Herbst 282) ; Altmayer (2014) 64 f.; 86 f.; 193 f. (Caesarerhebung des Carinus im Oktober, des Numerianus im Dezember 282 nach dem Sarmatensieg). Aur. Vict. Caes. 38,2 ; Eutr. 9,19,1 ; HA Car. 7,1 (Carinus in Gallien) ; 16,2 (Westteil des Reiches) ; Oros. 7,25,1 (in Dalmatien) ; Synk. S. 472,20–22 (in Rom). Vgl. Meloni (1948) 74 f. u. 79–84 ; Pink (1963) 58 f.; Polverini (1975) 1029 f.; Hartmann (1982) 70 f.; Christol (1997) 187 f. (Augustuserhebung des Carinus bei Abmarsch des Carus in den Osten im Frühjahr 283) u. 190 ; Kreucher (2008) 418 ; Altmayer (2014) 64 f.; 102 ; 149 f. (Augustuserhebung des Carinus erst bei Ankunft des Carus in Antiocheia am Orontes im März 283) ; 185–206. Eutr. 9,18,2 ; Aur. Vict. Caes. 38,2 ; Zon. 12,30 (S. 610, 22–23 CSHB). Zum Perserfeldzug des Carus vgl. Meloni (1948) 87 f. u. 91–115 ; Kreucher (2008) 418 f.; Altmayer (2014) 87–132. Vgl. ferner Mattingly (1939) 321 f.; Pink (1963) 58–60 ; Felix (1985) 98–104 ; Winter (1988) 128–137 ; Bleckmann (1992) 130–135 ; Paschoud (2001) 348–352 ; Luther (2006) 211–213 ; Mosig-Walburg (2009) 56–58 ; Weber (2009) 578 ; Roberto (2014) 27–30 ; Maksymiuk (2015) 46 f.; wenig instruktiv Dimitrov (2007) 31–35. Vgl. HA Car. 8,1 (Wiedereroberung Mesopotamiens nötig). Allgemein von Barbareneinfällen nach dem Tod des Probus spricht Aurelius Victor, Mesopotamia sei fast regelmäßig den Angriffen der Perser ausgesetzt (Caes. 38, 2). Vgl. Mosig-Walburg (2009) 56. Von einem „zeitlich begrenzten Grenzkonflikt im Jahr 282 unter Ausnutzung der Abwesenheit des Probus“ oder einem „sāsānidischen Raubzug“ nach Nordmesopotamien spricht Luther (2006) 212 f. Ob es 282/83 „zu einer kurzen persischen Besetzung“ Nordmesopotamiens gekommen sei, „muß unsicher bleiben“, so Luther (2006) 217. Auch Altmayer (2014) 94 u. 96 denkt „an kleinere persische Raubzüge an der römischen Ostgrenze“ zu Regierungsbeginn des Carus. Unter Aurelianus war Mesopotamia unter
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genutzt.9 Unter Gallienus, Claudius, Aurelianus und Probus waren die akuten Probleme an Rhein und Donau gelöst worden. Ein großer Programmpunkt der Soldatenkaiser war aber noch unerfüllt : ein Rachefeldzug gegen die Perser, der die Schmach der Gefangennahme Valerians im Jahr 260 wettmachen sollte.10 Der Palmyrener Odaenathus war zwar bis Ktesiphon gezogen, und Probus hatte 279 einen Frieden mit den Persern ausgehandelt, ein Kaiser hatte die Sāsāniden aber noch nicht besiegt.11 Carus proklamierte nun also einen Rachefeldzug gegen die Perser. Ein solcher großer Erfolg gegen die Orientalen versprach Ruhm, Beute, römischer Kontrolle (Zos. 1,60,1), vgl. Hartmann (2001) 373 u. 393. Das Schicksal des östlichen Teils der Provinz unter Probus und Carus ist allerdings ungewiß. In der Forschung wird teilweise angenommen, dass Mesopotamia unter Aurelianus oder Probus wieder in die Hand der Perser geraten sei, so etwa Winter (1988) 128 (zwischen 273/74 und 276 Gebiet verloren) ; ähnlich Meloni (1948) 92 f.; Felix (1985) 94. Mosig-Walburg (2009) 54–58 meint, dass die Römer weder unter Aurelianus noch unter Probus und Carus den östlichen Teil der Provinz kontrolliert hätten ; ähnlich Enßlin (1942) 71 f. (nach 260 sei das römische Mesopotamien bis Galerius in persischer Hand geblieben) ; Kreucher (2003) 161 (langfristige römische Kontrolle über Mesopotamia erst wieder unter Diocletian). Dass Zosimos (1,64,1) Mesopotamia nicht als eine der Provinzen unter der Herrschaft des Probus auflistet, heißt jedoch nicht, dass das Territorium von den Persern besetzt war. Nach Bleckmann (1992) 130 f. blieb ganz Nordmesopotamien seit den Offensiven des Odaenathus unter römischer Kontrolle (auch 282/83) ; ebenso Luther (2006) 210–213 u. 217 ; Altmayer (2014) 87–94 u. 96. 9 Während Carus bei Aurelius Victor (Caes. 38,2) auf Angriffe der Perser auf Mesopotamien reagiert, spricht der Autor der Historia Augusta (Car. 8,1–2) von einem Offensivkrieg des Kaisers gegen Persien. Carus habe dabei einen Plan des Probus aufgegriffen. Diese letzte Notiz ist aber wohl nur eine Erfindung des Autors, vgl. Anm. 56. Williams (2000) 33 vermutet, Carus habe das Perserreich erobern wollen. Für Winter (1988) 128 f. u. 130 f. hatte der Offensivkrieg des Carus das Ziel, das Perserreich zu zerstören ; zudem habe Carus den von Rom unterstützten armenischen Thronprätendenten Tiridates III. nach Armenien zurückführen wollen. Mosig-Walburg (2009) 57 nimmt an, Carus habe „durch militärische Erfolge im Innern des Perserreiches eine Rückgabe der ehemals römischen Gebiete im nördlichen Mesopotamien erzwingen“ wollen. Bleckmann (1992) 130 f. meint dagegen, dass im Jahr 283 keine Gefahr von Persien ausgegangen sei und Carus den Offensivkrieg allein aus Prestigegründen geführt habe. Altmayer (2014) 87–98 nimmt an, dass die Römer das Gebiet der Provinz Mesopotamia von 261 bis 282 kontrolliert hätten ; die persische Besetzung Armeniens sei von den Römern toleriert worden ; von den Persern sei mithin um 282 „keine Bedrohung“ ausgegangen (96). Der Perserkrieg des Carus sei vielmehr als „Rachefeldzug“ und „Strafaktion gegen die Sāsāniden“ geplant worden, mit dem die römischen Niederlagen gegen die Perser im 3. Jahrhundert „gesühnt werden sollten“. Neben der Grenzsicherung im Osten habe Carus „keine darüber hinausgehenden und dauerhaften Gebietsgewinne beabsichtigt“ (97 f.). 10 Zum Perserfeldzug Valerians und zu seiner Gefangennahme vgl. Goltz u. Hartmann (2008) 248– 254 ; Glas (2014) 167–186 ; Coloru (2017) 127–157. 11 Zu den Perserzügen des Odaenathus vgl. Hartmann (2001) 162–185 u. 211–218. Zu Probus und Persien vgl. Kreucher (2003) 158–161 ; vgl. auch Meloni (1948) 93 f.; Winter (1988) 128 ; Luther (2006) 210 f.; Mosig-Walburg (2009) 55 f.; Weber (2009) 576 f.; Altmayer (2014) 93 f.; Syvänne
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einen Siegertitel und einen prächtigen Triumph in Rom für den Kaiser ; Carus hätte damit an die glorreichen Zeiten eines Trajan und eines Marc Aurel anknüpfen können.12 Ein großer außenpolitischer Erfolg gegen die Perser hätte zudem den als Usurpator an die Macht gekommenen Herrscher als siegreichen Augustus legitimiert.13 Strategische Ziele des Zuges waren vermutlich die Sicherung Nordmesopotamiens und der Tigris-Grenze sowie die kurze Einnahme der Residenz Ktesiphon ; Gebietserweiterungen im Osten plante Carus aber sicher nicht. Im Frühjahr 283 wird er auch noch nicht über einen weiteren Vorstoß nach Persien über Ktesiphon hinaus nachgedacht haben. Die Ausgangslage war überaus günstig : Wahrām II., der Sohn Wahrāms I. und Enkel Šābuhrs I., hatte keine sehr gefestigte Stellung in Persien ; Teile der Herrscherfamilie und des Hochadels lehnten seine Machtübernahme offenbar ab. Seine schwache politische Position zeigt sich in der Betonung der dynastischen Legitimität im Kontext der Herrschaftsrepräsentation und in der Herausstreichung seiner Herrscherfamilie. Nur er ließ sich unter allen Sāsāniden auf seinen Münzen mit seiner Gattin Šābuhrduxtag und seinem Thronfolger, dem kleinen Wahrām, abbilden.14 Zudem stand er unter dem Einfluß des Magiers Kerdīr, der als „Mōgbed und Richter des Reiches“ (hāmšahr mowbed ud dādvar) eine „graue Eminenz“ am Hof darstellte und den zoroastrischen Klerus massiv förderte.15
u. Maksymiuk (2018) 113–115. Probus erhielt Mitte 279 den Titel eines Persicus maximus (vgl. P. Oxy. 14,1713 vom 21. Oktober 279). 12 Von einem solchen Rachefeldzug für die dem Reich zugefügten Verletzungen spricht auch der Dichter Nemesianus im Jahr 284 (Cyneg. 73, vgl. Anm. 131). Vgl. Altmayer (2014) 97 f. 13 Vgl. Roberto (2014) 27 f. 14 Zu Wahrām II. vgl. bes. Shahbazi (1989) ; Wiesehöfer (2008) 542 f.; Weber (2009) ; vgl. ferner Herzfeld (1924) 41–43 ; Lukonin (1969) 107–123 ; 173–180 ; 191–194 ; 1979, bes. 39–73 ; Frye (1983a) 303–306 u. (1983b) 128 f.; Choksy (1989) (zur Münzprägung) ; Syvänne u. Maksymiuk (2018) 112–119. Zur Gattin vgl. Lukonin (1969) 107 f.; 174 (подтип II б) ; 177 ; 228, Tafel 8, Nr. 901 ; 1979, 10–14 ; 39 ; 44 (тип A I) ; 48 ; 59 ; 155, Tafel 1, Nr. 2 ; anders Weber (2009) 573 u. 583– 587 (Name der Gattin bleibe ungewiss). Zum Thronfolger Wahrām vgl. Tanabe (1991) 12–20. Zur Herrschaftspropaganda Wahrāms II. vgl. Gyselen (2010) 195–212 ; Mosig-Walburg (2015) 176– 180. Mosig-Walburg deutet die Herrschaftsrepräsentation Wahrāms aber vor allem als dynastische Propaganda und sieht darin kein Zeichen für „einen Mangel an Akzeptanz beim Adel“. Der Sieg über den Rebellen Hormizd (s. u.) und die geringen Folgen des Carus-Zuges für das Reich sprechen vielmehr „für einen starken Zusammenhalt von Herrscher und Adel, für eine breite Unterstützung des Herrschers durch die staatstragenden Kreise“ (177 f.). Die lange Rebellion des Hormizd und östlicher Unterkönige gegen Wahrām II. sowie die schnelle Entmachtung des Thronfolgers 293 widerlegen diese Deutung. 15 KNRm 24–26 ; KKZ 8–9. Zum Wirken des Magiers Kerdīr vgl. Mosig-Walburg (1982) 77–105 ;
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Um 282/83 befand sich das Perserreich zudem in einer Situation des Bürgerkriegs, wie wir aus einer kurzen Notiz in einem Panegyricus auf Maximian Herculius aus dem Jahr 291 erfahren : Im Osten des Reiches rebellierte Wahrāms Bruder, der Sakenkönig Hormizd, gegen ihn. Der sāsānidische Unterkönig von Sagestān im heutigen südlichen Afghanistan versuchte offenbar, den König der Könige zu stürzen (es handelte sich also nicht um eine Autonomiebewegung im östlichen Reichsteil).16 In dieser Revolte gegen seinen Bruder wurde Hormizd laut dem PaStausberg (2002) 220–232 ; Skjærvø (2011) ; vgl. ferner Hinz (1971) ; Huyse (1998) ; Weber (2009) 592–595 ; Panaino (2016). 16 Pan. lat. 11/3,17,2 (im Rahmen einer Auflistung von Unruhen unter den Barbaren, bei Mauren, Goten, Burgundern, Alamannen, Vandalen, Gepiden und anderen) : ipsos Persas ipsumque regem adscitis Sacis et Rufiis et Gelis petit frater Ormies nec respicit vel pro maiestate quasi regem vel pro pietate quasi fratrem (im verlorenen codex Moguntinus : Saccis et Ruffis et Gellis). Vgl. Felix (1985) 98 f.; Winter (1988) 139 f.; Nixon u. Rodgers (1994) 101. Zur Gleichsetzung von Ormies und Hormizd vgl. Nöldeke (1879) 49, Anm. 1 ; Herzfeld (1924) 42 ; Weber u. Wiesehöfer (2008) 217. Dass es sich bei Hormizd um den Bruder Wahrāms II. handelt, meinen etwa Marquart (1901) 36 ; Herzfeld (1924) 42 ; Christensen (1939) 113 u. (1944) 228 ; Meloni (1948) 97 ; Chaumont (1969) 100 ; Mosig-Walburg (1982) 35 f.; Frye (1983b) 128 ; Carter (1985) 225 u. 271 ; Felix (1985) 98 f. u. 100 f.; Winter (1988) 131 u. 139 ; Shahbazi (1989) 516 f.; Schippmann (1990) 28 ; Tanabe (1991) 10 ; Shaw (1999) 153 ; Paschoud (2001) 351 ; Weber u. Wiesehöfer (2008) 222 ; Wiesehöfer (2008) 542 ; Weber (2009) 578 (vgl. aber S. 566) ; Gyselen (2010) 192 f. u. 195 ; Altmayer (2014) 96 ; Roberto (2014) 28 ; Rezakhani (2017) 81. Lukonin (1969) 108 ; 113 f.; 191 ; 1979, 10 ; 13 f.; 50–53 ; 59–61 und Frye (1983a) 304 f. nehmen dagegen an, dass Ormies im Panegyricus nicht der Bruder, sondern ein Cousin Wahrāms II., der in Šābuhrs Tatenbericht erwähnte Sāsānide Hormizd (ŠKZ § 38, mp. 26 / pa. 21 / griech. 50), der älteste Sohn des Mēšānšāh Šābuhr, gewesen sei ; vgl. dagegen Weber u. Wiesehöfer (2008) 221 f. (Verweis auf den Streit zwischen Wahrām I. und dem Mēšānšāh Šābuhr, s. u.). Syvänne u. Maksymiuk (2018) 112 meinen, der Sakenkönig Hormizd sei ein Sohn Hormizds I. gewesen. Der Rebell Hormizd kann nicht mit dem gleichnamigen kūšāno-sāsānidischen Herrscher, dem nur durch seine Münzprägung mit baktrischen und mittelpersischen Legenden (aus Münzen in Baktrien und Gandhāra) bekannten ‚König der Könige der Kūšān‘ Hormizd (I.) (mp.: ’whrmzdy kwš’n MLK’n MLK’, Jongeward u. Cribb (2015) 213, Nr. 2236), gleichgesetzt werden, der wahrscheinlich um 275–300 regierte (so Jongeward u. Cribb (2015) 210–216 ; Rezakhani (2017) 81 f.; um 270–283 nach Shahbazi 2004 ; in der Zeit des Sāsāniden Hormizd II. am Beginn des 4. Jahrhunderts nach Rosenfield (1967) 116–119 ; um 300–325 nach Carter (1985) 223 ; 240–244 ; 272–275 ; Göbl datiert ihn dagegen in die zweite Hälfte der Regierungszeit Šābuhrs II. um 350/60 : Göbl (1967) Bd. 1, 15–21 ; Bd. 2, 291–301 u. 318 ; (1984) 79–84 ; Tafel 180 ; (1993) 42–46). Die Gleichsetzung des Kūšānšahānšāh Hormizd mit dem Rebellen und Bruder Wahrāms vertreten Herzfeld (1930) 34 f.; 39 ; 47 f. (Wahrāms Bruder Hormizd habe 276–284 Kūšān regiert) ; Christensen (1939) 113 u. (1944) 227 f. (Wahrāms Bruder Hormizd als „Kūshānshāh“ und „gouverneur du Khorassan“) ; Bivar (1972) 280 u. (1983) 209 f.; Shahbazi (2004) 468 f. (anders noch Shahbazi (1989) 516 : der Kūšānkönig sei eher ein Vasall Šābuhrs II. gewesen) ; Ball (2017) 171 (eine „Kushanshah revolt in 293“) ; erwogen von Frye (1983b) 128 ; Jongeward u. Cribb (2015) 198. Vgl. gegen diese Gleichsetzung des Kūšānšāh Hormizd mit dem Sagānšāh Hormizd Carter
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negyriker von den Saci, den Rufii und den Geli unterstützt. Mit den Saci sind zweifellos die Saken gemeint, die der Sagānšāh regierte. Die Geli waren wohl die Bewohner von Gēlān am Kaspischen Meer, während der unverständliche Begriff der Rufii zu Cussi emendiert werden sollte und sich somit auf die Kūšān bezieht ;17 der Herrscher von Gēlān am Südwestufer des Kaspischen Meeres und der Kūšān-König beteiligten sich also an diesem Aufstand, über dessen Hintergründe man aber nur Vermutungen anstellen kann.18 Wahrām II. konnte Hormizd und die Saken (1985) 215, Anm. 1 u. 225–227 ; Felix (1985) 99 (Datierung nach Göbl) ; Göbl (1993) 75 f.; Nikitin (1999) 260 f. (Kūšānšāh Hormizd regierte in der Mitte des 4. Jahrhunderts) ; Weber u. Wiesehöfer (2008) 218, Anm. 8 (der Kūšānkönig habe zur Zeit Hormizds II. regiert) ; Rezakhani (2017) 81 ; vgl. auch Chaumont (1975) 123–129. 17 Dass der Rebell Hormizd als Sagānšāh die Region Sagestān regierte, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Thronfolger Wahrām nach dem Ende der Revolte diesen Titel erhielt (s. u.). Zur Deutung der Rufii als Cussi (Kūšān) vgl. Marquart (1901) 36 mit Anm. 2 ; ebenso Herzfeld (1924) 42 ; Chaumont (1969) 100, Anm. 5 ; Carter (1985) 225, Anm. 26 ; Felix (1985) 98 ; Winter (1988) 139 ; Shahbazi (2004) 468 ; Zweifel bei Shahbazi (1989) 516 ; Gyselen (2010) 196 („… il n’existe pas une réelle preuve que ce soient les Kouchans qui se cachent sous le nom des Rufii.“). Aus paläographischer Sicht spricht jedoch nichts gegen diese Emendation (Auskunft von Susanne Daub). Die Geli deuten als Bewohner von Gēlān etwa Frye (1983b) 128 ; Felix (1985) 98 ; Harmatta (1985/88) 46 ; Winter (1988) 139 ; Shahbazi (1989) 516 ; Huyse (1999) Bd. 2, 118. Weber u. Wiesehöfer (2008) 217, Anm. 2, Weber (2009) 579, Anm. 72 und Gyselen (2010) 192 f. denken dagegen an die Gelani (bei Amm. Marc. 17,5,1 zusammen mit Chioniten genannt), einen westlichen Grenzstamm der Kūšān in Zentralasien. Zu spekulativ sind die Schlussfolgerungen bei Syvänne u. Maksymiuk (2018) 112 : „Hormozd was supported by the … Gīlānis (i.e. by the King of Gīlān, presumably one of the brothers) and by the Kūšāns (presumably one of the Kārins). This means that Hormozd was probably supported by the Esfandīār, the kanārang of Ṭūs, Sūrēn Pahlaw, Andīgān and Kārins, while Bahrām’s supporters consisted of the forces of the Great King of Armenia, the King of Mēšān, western Kārins, Mehrāns, Sūrēn Pārsīg, King of Ḥira, and the kings of Fārs.“ 18 Zu dieser Rebellion vgl. bes. Herzfeld (1924) 42 f.; Carter (1985) 225–227 u. 271 f.; Weber u. Wiesehöfer (2008) (Hintergrund sei ein Streit im Sāsānidenhaus unter den Söhnen Šābuhrs I. gewesen : Wahrām I. sei 273 nach dem Tod Hormizds I. gegen den Willen seiner Brüder Šābuhr Mēšānšāh und Narses an die Macht gekommen, Wahrām I. sei daher gegen den Mēšānšāh militärisch vorgegangen ; der Bürgerkrieg zwischen den Brüdern Wahrām II. und Hormizd, den Enkeln Šābuhrs I., habe die Familienlinie Wahrāms I. in den Augen des Adels diskreditiert, der sich dann im Thronkonflikt von 293 auf die Seite des Narses gestellt habe) ; Weber (2009) 566 u. 578–581 (Hormizd sei am Ende des fast zehnjährigen Aufstandes ums Leben gekommen, da er in Narses’ Pāikūlī-Inschrift nicht mehr erwähnt werde) ; Gyselen (2010) 195 f.; Altmayer (2014) 95 f.; Syvänne u. Maksymiuk (2018) 112 ; 115 f.; 118 ; anders rekonstruiert Lukonin (1979) 59–61 (s. u.). Die wichtigen Regionen des Reiches wurden im 3. Jahrhundert vom König der Könige vor allem an Mitglieder des Sāsānidenhauses als regna vergeben ; so erhob Šābuhr I. seinen Sohn Narses zum König von Hind, Sagestān und Tūrān (ŠKZ § 34, mp. 24 / pa. 19 / griech. 42–43 ; vgl. § 37, mp. 25 / pa. 20 / griech. 48) und seinen Sohn Wahrām (I.) zum König von Gēlān (ŠKZ § 36, mp. 25 / pa. 20 / griech. 47). Bei Hormizds Unterstützer aus Gēlān dürfte es sich ebenfalls um einen Sāsāniden, einen Bruder,
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wohl im Laufe der 280er Jahre in schweren Kämpfen besiegen und den östlichen Teil des Reiches wieder seiner Herrschaft unterstellen. Hormizd verlor dabei offenkundig Herrschaft und Leben ;19 der Sohn und Thronfolger Wahrāms II., der spätere Wahrām III., wurde nach diesem militärischen Erfolg zum Sagānšāh, zum König der Saken, erhoben.20 Eutrop schreibt nun, dass die Nachricht von einem Persarum tumultus Carus zu einem Feldzug gegen die Perser bewogen habe. Auch der Autor der Historia Augusta, der von einem inneren Zerwürfnis (domestica seditio) der Perser spricht, das Carus den Sieg ermöglicht habe, kennt diese aus der Enmannschen Kaisergeschichte stammende Information über die Bürgerkriegsunruhen im Sāsānidenreich
Cousin oder Onkel Wahrāms II., gehandelt haben, während der ungenannte Kūšān-Herrscher im Panegyricus (die Interpretation der Rufii durch Marquart und die Chronologie von Jongeward u. Cribb 2015 vorausgesetzt) wohl mit dem Kūšānšahānšāh Hormizd identisch sein dürfte (s. o.). Carter (1985) 223 ; 226 f.; 252 ; 271 denkt dagegen an den ebenfalls nur durch seine Münzprägung bekannten früheren Kūšānšāh Ardaxšīr (er habe seit etwa 270 regiert und sei 285 zusammen mit dem Sagānšāh Hormizd von Wahrām II. besiegt worden), dessen Regierung Jongeward u. Cribb (2015, 203 f.) aber um 230–245 datieren. Narses nennt in der Pāikūlī-Inschrift nur einen anonymen König der Kūšān (NPi § 92, pa. 41 ; Herzfeld (1924) 204 f.; Carter (1985) 240 ; Göbl (1993) 52 f.; Kettenhofen (1995) 6. 19 Wann genau Wahrām II. den Rebellen Hormizd besiegte und seinen Thronfolger Wahrām (III.) zum Sagānšāh erhob, ist unbekannt. Dass der Panegyriker im fernen Gallien im Jahr 291 vom Aufstand wußte, hilft hier wenig. Da der kurzzeitige Thronfolger Wahrāms II. in der Überlieferung aber vor allem als ‚Sagānšāh‘ bekannt wurde (s. u.), dürfte Wahrām III. diesen Titel bereits einige Jahre vor seiner Herrschaftsübernahme im Sāsānidenreich im Jahr 293 getragen haben. Die Datierungsvorschläge in der Forschung sind spekulativ : Herzfeld (1924) 43 u. 172 ; (1930) 39 u. 47 f. meint, dass Hormizd bereits 284 besiegt worden sei ; ähnlich Mosig-Walburg (1982) 35 f. (im Jahr 283) ; Carter (1985) 225–227 u. 271 (Revolte des Sagānšāh Hormizd von 280 bis 285) ; Shahbazi (2004) 468 (der Rebell und Kūšānšāh Hormizd regierte um 270–283) ; Syvänne u. Maksymiuk (2018) 116 u. 118 (Kämpfe bis 285 oder 287/88). Weber u. Wiesehöfer (2008) 217 und Weber (2009) 580 gehen dagegen von einem fast zehnjährigen Aufstand, von etwa 282/83 bis kurz vor 293, aus ; ähnlich Felix (1985) 99 („Wirren bis in die Spätzeit Bahrāms II.“) ; Altmayer (2014) 96 ; vgl. noch Tanabe (1991) 10 ; 16 ; 18 (Revolte eher um 291 beendet, nach Lukonin) ; Gyselen (2010) 211 (Datum ungewiss). Zur Datierung von Lukonin (1979) s. u. 20 Agath. 4,24,8. Auch Narses bezeichnet seinen Gegner Wahrām III. in der Pāikūlī-Inschrift durchgängig als Sagānšāh, vgl. z. B. NPi § 6, mp. 3 (sk’n MLKA) ; § 11, mp. 5 ; § 27, pa. 11. Zu Wahrām Sagānšāh vgl. Marquart (1901) 36 ; Herzfeld (1924) 42 u. 171 f.; Christensen (1944) 228 ; Lukonin (1979) 6 ; 13 f.; 53 ; 61 ; Carter (1985) 225 (ab 285) ; Felix (1985) 99 ; Shahbazi (1989) 516 ; Tanabe (1991) 10–12 u. 18 ; Weber u. Wiesehöfer (2008) 218 ; Weber (2010) 358–360 ; Mosig-Walburg (2015) 179 ; vgl. auch Nöldeke (1879) 49, Anm. 2 (zur Angabe bei Ṭabarī). Zur Ikonographie des Thronfolgers vgl. Gyselen (2005). Zum kurzzeitigen König der Könige Wahrām III. (293) vgl. zudem Klíma (1989) ; Tanabe (1991) ; Wiesehöfer (2008) 542–544 ; Weber (2010).
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im Jahr 283.21 Mit diesen Unruhen sind offenbar die Zwistigkeiten im Sāsānidenhaus zwischen Wahrām und seinem Bruder gemeint, die der Panegyriker von 291 erwähnt.22 Die Stellung Wahrāms II. war durch diesen Bürgerkrieg in jedem Fall stark geschwächt, seine militärischen Ressourcen im Osten des Reiches gebunden. Auch in anderen Regionen des Sāsānidenreiches könnte es zu Aufständen gekommen sein.23 21 Eutr. 9,18,1 (s. u.) ; HA Car. 8,1 (s. u.). Vgl. Paschoud (2001) 350–352. 22 Der Aufstand des Hormizd gegen Wahrām II. wird zumeist mit den bei Eutrop und in der Historia Augusta genannten Unruhen in Persien zur Zeit des Carus-Feldzugs gleichgesetzt, so etwa Herzfeld (1924) 42 ; Christensen (1939) 113 u. (1944) 227 f.; Meloni (1948) 97 ; Chaumont (1969) 100 ; Bird (1976) 124 ; Bivar (1983) 210 ; Frye (1983b) 128 f. (vorsichtiger in Frye 1983a, 304 f.) ; Carter (1985) 225 ; Felix (1985) 98 u. 100 ; Winter (1988) 131 („Ob diese Unruhen den Ausgang des römischen Perserfeldzugs entscheidend beeinflußt haben, bleibt ungewiß.“) u. 139 f.; Shahbazi (1989) 516 u. (2004) 468 ; Chastagnol (1994) 1154, Anm. 3 ; Paschoud (2001) 351 ; Winter u. Dignas (2001) 45 ; Weber u. Wiesehöfer (2008) 217 (es sei aber „letztlich nicht auszuschließen, dass Ormies erst gegen Ende“ der etwa zehnjährigen Revolte „Führer des Aufstandes“ gewesen sei) u. 221 f.; Weber (2009) 578 f.; Altmayer (2014) 95 f.; anders Luther (2006) 211, Anm. 56 (ob der tumultus des Jahres 283 mit dem Hormizd-Aufstand zusammenhängt, „muß offenbleiben“) ; Zweifel auch bei Dimitrov (2007) 34 f. Shaw (1999) 153 meint dagegen, dass erst Wahrāms Misserfolg gegen Carus 283 den Aufstand des Hormizd ausgelöst habe. Eine andere Rekonstruktion der Ereignisse schlägt Lukonin (1979) 59–61 vor : Er trennt den inneren Konflikt um 283 (in der Historia Augusta) von dem um 291 (im Panegyricus). Um 283 habe sich der Mēšānšāh Šābuhr, ein Sohn Šābuhrs I., aus unbekannten Gründen gegen Wahrām II. gewandt (vielleicht sogar mit Unterstützung der Römer), sei aber von diesem besiegt worden ; Wahrām habe daher nicht gegen Carus vorgehen können (Lukonin verweist dazu auf das Felsrelief Bīšābuhr Nr. 4, auf dem Wahrām II. zu Pferde eine Delegation arabischer Nomaden empfängt, vgl. Weber (2009) 605–609 ; als Empfang einer Delegation des Ḥimyarischen Königs Šammar Yuhar’iš durch Wahrām II. gedeutet von Overlaet 2009). Daraufhin habe um 291 auch der Sagānšāh Hormizd (für Lukonin der Sohn des Mēšānšāh Šābuhr, s. o.) gegen Wahrām II. revoltiert ; er sei ebenfalls besiegt worden. Lukonins These übernimmt Tanabe (1991) 18. Für eine solche ‚Opposition‘ der Sāsānidennebenlinie aus Mēšān gegen Wahrām II. gibt es aber keine sicheren Hinweise : Das Bīšābuhr-Relief zeigt eher den Empfang von Nomaden, die Tribute überbringen, keinen Triumph des Königs über die Araber ; dass der Rebell Hormizd der Sohn des Mēšānšāh gewesen sei, ist nicht belegt. Unter Narses regierte das Königreich Mēšān keiner der Söhne des Mēšānšāh Šābuhr (die Pāikūlī-Inschrift nennt für 293 einen Ādurfarrōbay als Mēšānšāh, NPi § 34, pa. 16), es kam also offenkundig zu einem Machtwechsel ; der Hintergrund ist aber unbekannt ; vgl. Weber (2009) 566 ; Gyselen (2010) 191 f.; gegen Lukonins These auch Weber (2009) 607, Anm. 184 ; vgl. Frye (1983a) 305, Anm. 57 („This is an interesting hypothesis but no more“). Straub (1952) 125 hält den Bericht über die inneren Wirren in Persien in der Historia Augusta (Car. 8,1) für eine Erfindung des Autors. Bleckmann (1992) 132 sieht im Begriff tumultus bei Eutrop keinen Hinweis „auf bürgerkriegsähnliche Zustände“ in Persien ; vielmehr sei der persische Angriff auf Rom von Eutrop „ganz im Sinne seines imperialistischen Geschichtsbilds“ mit „Empörung und Aufruhr“ gleichgesetzt worden. 23 Laut der Chronik von Arbela (CSCO 467/468, Scr. Syr. 199/200, S. 37–40 T / S. 60–62 Ü Ka-
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Diese Chance nutzte Carus : Aus Norditalien zogen Carus und sein Caesar Numerianus in den Osten gegen die Perser. Auf dem Balkan bekriegte der Kaiser Anfang 283 die Sarmaten, die offenbar nach Pannonien eingefallen waren.24 Im Frühjahr erreichten Carus und Numerianus das syrische Antiocheia, die traditionelle Basis für Feldzüge gegen Parther und Perser.25 Von Syrien aus stieß die römische Expeditionsarmee über den Euphrat nach Nordmesopotamien vor, das wieder
werau) kam es in der Amtszeit des Bischofs Aḫā d-Abūhī von Arbela (273–291 laut Mingana) zu einem Aufstand des Gūprašnasp, des mauhapṭā der Adiabene (also des mōbad, des Obermagiers der Region), gegen Wahrām II. (in der Chronik wird er irrtümlich Wahrām III. genannt). Der Rebell habe sich einen hohen Turm in den Bergen erbaut und dann einige Jahre lang die Region und die Landbevölkerung mit seinen Anhängern terrorisiert und die Straßen verunsichert. Die Reichen der Adiabene seien daher zum König der Könige nach Ktesiphon gereist und hätten um Hilfe gebeten. Wahrām habe daraufhin seinen General Zarhasp gegen die Räuber entsandt. Nach einer erfolglosen Belagerung der Rebellenburg habe Zarhasp dann aber Gūprašnasp durch eine List bei vorgetäuschten Verhandlungen gefangen nehmen und dessen Turm zerstören können. Der vor den König in Ktesiphon geführte gefangene Magier sei schließlich gehäutet worden, seine Haut habe man im Palast zur Abschreckung aufgehängt. Die Historizität dieser detaillierten Schilderung bleibt allerdings zweifelhaft, vgl. Weber (2009) 580, Anm. 75. Ramelli (2006) 157 f. vermutet dagegen ein „fondamento storico“ im Bericht (sie spricht vom Aufstand des „satrapo dell’Adiabene“). Ortiz de Urbina (1936) 16 und Frye (1983a) 305, Anm. 56 halten die Angaben für historisch. Syvänne u. Maksymiuk (2018) 112, Anm. 402 vermuten, dass dieser Aufstand, den sie in die Zeit der Kämpfe zwischen Wahrām und dem Sakenkönig Hormizd datieren, aus der Verfolgung einer häretischen Richtung des Zoroastrismus durch Wahrām II. resultierte. 24 Eutr. 9,18,1 ; HA Car. 8,1 ; 9,4 ; Iord. Rom. 294 (bellum Sarmaticum nach der Einnahme von Ktesiphon) ; Synk. S. 472,10–11 ; Zon. 12,30 (S. 611, 6–8 CSHB ; Sarmatenkrieg nach erfolgreichem Perserzug). Bei Malalas (12,34 S. 233, 7–9 CFHB), in einer zweiten Version des Zonaras (12,30 S. 611,10–11 CSHB) und in der Synopsis Sathas (S. 40,8) zieht Carus gegen die Hunnen. Dies dürfte eine Verwechslung mit den Sarmaten sein, vgl. Anm. 63. Zum Sarmatenkrieg vgl. Meloni (1948) 64 f.; 86–91 ; 98 ; Pink (1963) 11 f. (Spiele für den Sarmatensieg) ; 43 f.; 59 ; 66 (Krieg im November 282) ; Alföldy (1966) ; Kreucher (2008) 418 (Anfang 283) ; Altmayer (2014) 80–87 (Krieg im November und Anfang Dezember 282, Siegesfeier in Siscia im Dezember) ; unwahrscheinlich Schäfer (2014) 845 f. (Sarmatenkrieg noch vor Regierungsantritt des Carus). Auf einen Besuch in Rom zum Konsulatsantritt hat Carus verzichtet, er zog von Mailand über Siscia nach Antiocheia, vgl. Altmayer (2014) 64–66 ; 80 f.; 86 f.; 263 ; vgl. auch Paschoud (2001) 399 f.; Kreucher (2008) 417 f. Einen Rom-Besuch des Carus zum Jahreswechsel 282/83 unterstellen dagegen Meloni (1948) 84–87 u. 154 f.; Halfmann (1986) 242 (vermutlich) ; Mennen (2011) 38, Anm. 52 ; Kienast u. Eck u. Heil (2017) 248. 25 Chron. pasch. S. 510,4–7 CSHB (Carus wird auf seinem Perserzug hier irrtümlich von Carinus begleitet) ; vgl. auch Synk. S. 471,18. Vgl. Meloni (1948) 99 ; Pink (1963) 59 (Februar 283) ; Kreucher (2008) 418 (Frühjahr 283) ; Altmayer (2014) 87 (März 283) u. 100–103. Unwahrscheinlich ist die Ansicht Schäfers (2014) 845, Carus sei bereits im November 282 an der persischen Grenze eingetroffen.
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vollständig der römischen Herrschaft unterstellt wurde.26 Danach marschierte die Armee in Richtung Süden. Die genaue Route ist unbekannt ; vermutlich zog der Kaiser von Nordmesopotamien aus den Euphrat abwärts und dann entlang des Königskanals bis zum Tigris.27 Nach kleineren Kämpfen in südlichem Mesopotamien28 erreichte Carus im Hochsommer schließlich den zentralen Städtekomplex am Tigris aus der hellenistischen, weitgehend verlassenen Stadt Seleukeia, der benachbarten sāsānidischen Neugründung Koche (Veh-Ardaxšīr) und der gegenüberliegenden Residenz Ktesiphon. Der Städtekomplex und die sāsānidische Residenz wurden eingenommen.29 Wahrām II. war wohl in Kämpfe mit seinem Bruder im Osten des Reiches verwickelt ; er taucht in den westlichen Berichten über den Feldzug des Carus jedenfalls nicht auf. Zu einer größeren Gegenoffensive fehlten ihm auch in den folgenden Monaten die militärischen Kräfte. Nach diesem Erfolg am Tigris erhielt der Kaiser den Titel Persicus bzw. Parthicus maxi26 HA Car. 8,1 (Mesopotamia … cepit). Vgl. Meloni (1948) 100–102 ; Frye (1983a) 305 ; Winter (1988) 130. Mosig-Walburg (2009) 57 f. meint dagegen, dass es Carus nicht gelungen sei, die verlorenen Gebiete im nördlichen Mesopotamien wieder unter römische Kontrolle zu stellen. Für Altmayer (2014) 96 u. 105 war das Gebiet 282 nicht von den Persern besetzt ; mit Mesopotamia bezeichne der Autor der Historia Augusta das persisch kontrollierte südliche Zweistromland. 27 Zur möglichen Route der Armee vgl. Altmayer (2014) 103 f. Synesios berichtet in de regno irrtümlich von einem Zug des Carinus gegen Armenien ; unter Carus kam es zu keinen Kampfhandlungen in Armenien, vgl. Anm. 129. 28 Eutropius (9,18,1) berichtet von einem proelium gegen die Perser. Laut Aurelius Victor (Caes. 38,3) vertrieb Carus die Feinde. Zonaras schildert sogar einen konkreten Kampf um eine Schlucht : Die Römer hätten in einer Schlucht gelagert ; die Perser hätten daraufhin das Wasser eines nahen Flusses durch einen Graben in der Schlucht geleitet, doch habe Carus die Perser besiegen können (12,30 S. 611,1–5 CSHB). Zonaras setzt den Kampf nach der Einnahme von Ktesiphon. Vgl. Bleckmann (1992) 133 f. Festus schreibt dagegen, es habe so gut wie keinen Widerstand der Perser gegeben (24,2 : quasi nullo obsistente) ; ebenso HA Car. 8,1. Vgl. Meloni (1948) 101 f.; Felix (1985) 101 ; Paschoud (2001) 350 f.; Altmayer (2014) 104 f. (Gefecht im Kontext der Belagerung Ktesiphons). 29 Von einer Einnahme Ktesiphons sprechen Eutr. 9,18,1 (s. u.) ; Fest. 24,2 ; Oros. 7,24,4 ; Iord. Rom. 294 ; Ioh. Mal. 12,34 (S. 233,4–5 CFHB) ; Synk. S. 472,11–12 ; Symeon Magister 85,1,2–4 S. 104 CFHB (= Leo Grammaticus S. 81,7–9 CSHB) ; Cedr. S. 464,7–9 CSHB ; Zon. 12,30 (S. 610,22 - 611,5 CSHB ; Ktesiphon und Seleukeia) ; vgl. zudem Nemes. Cyneg. 72 ; Aur. Vict. Caes. 38,3 ; Hier. chron. S. 224g (a. 2300) ; HA Car. 8,1 ; 9,1 ; Paschoud (2001) 351 f. Zosimos (3,23,3–4) berichtet zudem, dass Carus auch die 30 Stadien vor Koche (Ζωχάση) und Seleukeia gelegene Stadt Meinas Sabatha erobern konnte. Ammianus Marcellinus (24,5,3) erwähnt ebenfalls diese civitas deserta bei Coche, quam Seleuciam nominant, die Carus zerstörte. Vgl. Bleckmann (1992) 133 ; Altmayer (2014) 104. Zur Besetzung von Ktesiphon vgl. Meloni (1948) 102–104 ; Pink (1963) 60 ( Juni/Juli 283) ; Kerler (1970) 264 ; Felix (1985) 100 ; Winter (1988) 131 f.; Williams (2000) 33 ; Winter u. Dignas (2001) 45 ; Kreucher (2008) 418 ; Altmayer (2014) 104–106 (Mitte Juni). Potter (2004) 279 hält die Berichte über die Einnahme von Ktesiphon für eine Übertreibung.
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mus,30 plante nun aber, weiter in das sāsānidische Territorium vorzustoßen.31 Dies war ungewöhnlich, die römischen Kaiser oder Feldherren waren vor Carus immer nur bis Seleukeia-Ktesiphon gelangt und danach umgekehrt, da ein Vorstoß ins Innere des Iran die Römer vor zu große logistische Schwierigkeiten gestellt hätte und keine sinnvollen Operationsziele bekannt waren. Carus starb dann aber im Juli 283 im römischen Lager jenseits des Tigris bei Ktesiphon.32 Nach dem Tod des Carus übernahmen dessen Söhne Carinus und Numerianus die Macht im Römischen Reich :33 Der kränkliche Caesar Numerianus wurde von der Expeditionsarmee noch im Lager bei Ktesiphon im Juli 283 zum neuen Augustus ausgerufen.34 Der neue starke Mann hinter dem jungen Kaiser war indes der Prätorianerpräfekt Aper, der auf diesem Posten wohl bereits Carus gedient und sich mit dem Herrscherhaus verschwägert hatte :35 Der Caesar Numerianus 30 Zum Persicus maximus : CIL VIII 12522 (= ILS 600 ; Altmayer (2014) 344 f., Nr. 24) ; IGR I 1144 (= Altmayer [2014] 343, Nr. 13 ; Persicus) ; HA Car. 8,1 (Persicus) ; vgl. CIL XIV 126 (= ILS 608 ; Altmayer (2014) 361, Nr. 140 ; Carinus und Numerianus) ; Münzen mit der Averslegende divo caro pers : ric V.2 140, Nr. 48 u. 50 (Rom) ; Pink (1963) 30 u. 39 ; Münzen mit der Averslegende divo caro parthico : ric v.2 138, Nr. 30 (Lyon) ; 147 f., Nr. 108–113 (Siscia) ; Pink (1963) 46 u. 48 (Siscia). Zum Siegestitel vgl. Meloni (1948) 104 f.; Winter (1988) 132 ; Peachin (1990) 99 ; 445 ; 450 ; 468 ; 470 ; Kreucher (2008) 418 f.; Altmayer (2014) 106 f. u. 329 f. 31 Aur. Vict. Caes. 38,3 ; HA Car. 8,1. Zur Forschung vgl. Anm. 119. 32 Zum Todesort : Eutr. 9,18,1 (castra super Tigridem) ; Fest. 24,2 ; Hier. chron. S. 224g-225 (a. 2300) ; Epit. de Caes. 38,3 (apud Ctesiphonta) ; Oros. 7,24,4 ; Iord. Rom. 294 ; Synk. S. 472,12–13 (am Tigris) ; Zon. 12,30 (S. 611,11–12 CSHB) ; anders Chron. 354, Chron. min. I S. 148,17 (Seleucia Babyloniae). Zum Todesdatum vgl. Kreucher (2008) 419 (Ende Juli) ; Altmayer (2014) 128–130 (Anfang bis Mitte Juli ; mit den Papyrusdatierungen) ; vgl. ferner Meloni (1948) 112–115 (Mitte Juli) ; Pink (1963) 60 (ebenso) ; Peachin (1990) 48 u. 98 ( Juli) ; Paschoud (2001) 353 (zwischen Juli und September) ; Kienast u. Eck u. Heil (2017) 248 ( Juli/August). Veraltet ist die Datierung des Todes in den Dezember 283 durch Jones (1938) 338–342. 33 Zur gemeinsamen Regierung des Carinus (PIR2 A 1473 ; PLRE I 181) und des Numerianus (PIR2 A 1564 ; PLRE I 634) vgl. bes. Meloni (1948) 117–171 ; Kreucher (2008) 419–423 ; Altmayer (2014) 108–120 u. 132–183 ; vgl. auch Kienast u. Eck u. Heil (2017) 250–254. 34 Vgl. Peachin (1990) 49 f.; Altmayer (2014) 108 f. Christol (1997) 188 nimmt eine Verleihung des Titels Augustus an Numerianus schon zu Lebzeiten des Carus (wohl nach dem Sieg über die Perser) an. Er verweist auf eine Inschrift für die drei Augusti Carus, Carinus und Numerianus (AE 1967, 585 = Altmayer (2014) 372, Nr. 205) ; vgl. zudem CIL VIII 5332 (= VIII 17486 ; ILS 606 ; Altmayer (2014) 366, Nr. 166) ; CIL VIII 22431 (= Altmayer (2014) 366, Nr. 167). Dabei handelt es sich aber nicht um eine offizielle Titulatur, vgl. Altmayer (2014) 148 u. 196 f. 35 Aper (PIR2 A 909 ; PLRE I 81, Nr. 2) ist nur als Prätorianerpräfekt des Numerianus bezeugt : Aur. Vict. Caes. 38,6 (Apri praefecti praetorio soceri) ; 39,13 ; Eutr. 9,18, 2 ; 20,1 ; Epit. de Caes. 38,4–5 ; HA Car. 12,1–2 ; 13,2–3 ; 15,4 ; Hier. chron. S. 225a (a. 2301) ; Synk. S. 472,16. 23 ; Chron. pasch. S. 510,16–17 CSHB ; Zon. 12,30 (S. 611, 23 CSHB) ; 12,31 (S. 613,20–21 CSHB). Er war aber wohl bereits unter Carus praefectus praetorio (ist also sicherlich mit dem anonymen praefectus prae-
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hatte seine Tochter geheiratet.36 Die römische Armee zog sich im Spätsommer 283 dann aus Südmesopotamien auf das römische Territorium zurück,37 ohne dass ein Friedensvertrag mit den Persern abgeschlossen wurde.38 Das Gebiet der Provinz Mesopotamia blieb weiter unter römischer Kontrolle, bis König Narses Teile dieser Region erneut besetzte.39 Zweifelhaft bleibt, ob Numerianus im Frühjahr 284 torio in HA Car. 8,2 gleichzusetzen). Vgl. Passerini (1939) 343 ; Howe (1942) 83 f., Nr. 57 (Präfekt 282–284 ?) ; Meloni (1948) 105 f. u. 133 ; Pink (1963) 12 u. 60 f.; Chastagnol (1970) 67, Nr. 42 (Präfekt 282–284) ; Bird (1976) 126 f.; Williams (2000) 32 f.; Kuhoff (2001) 17–23 ; Paschoud (2001) 370 ; Porena (2003) 22–39 ; Brizzi (2004) 329 f.; Gerhardt u. Hartmann (2008) 1074, PPO 20 ; Leadbetter (2009) 38 ; Mennen (2011) 162 f.; 168 f.; 267 ; Altmayer (2014) 132–134 u. 332 f. Wahrscheinlich ist der Prätorianerpräfekt mit dem Ritter L. Flavius Aper (PIR2 F 207 ; PLRE I 81, Nr. 3), vir perfectissimus praeses in Pannonia inferior unter Aurelianus identisch, CIL III 15156 ; vgl. AE 2003, 1417 b : v(ir) p(erfectissimus) a(gens) v(ices) p(raesidis) ; AE 1936, 53–54. 57. Vgl. Gerhardt u. Hartmann (2008) 1159 f., Pann. in f. 9 (mit Literatur) ; Kreucher (2008) 419 ; Altmayer (2014) 332 f. 36 Zur Ehe mit der Tochter Apers : Aur. Vict. Caes. 38,6 ; Eutr. 9,18,2 ; Epit. de Caes. 38,4 ; Hier. chron. S. 225a (a. 2301) ; HA Car. 12,1 ; 18,1 ; Oros. 7,24,4 ; Iord. Rom. 294 ; Ioh. Ant. fr. 161 (FHG IV 600 = fr. 244 Roberto) ; Synk. S. 472,15–16 ; Cedr. S. 464, 10 CSHB ; Zon. 12,30 (S. 611, 22–23 CSHB) ; Zweifel an dieser Ehe bei Pink (1963) 61 ; Altmayer (2014) 134 u. 140 (Ehe allenfalls erst kurz vor dem Tod Numerians). Kuhoff (2001) 18, Anm. 9 betont, dass die Eheverbindung auch erst nach dem Tod des Carus erfolgt sein könne. Der Name der Gattin ist unbekannt, eine Münzprägung gibt es nicht (sie wurde also offenkundig nicht zur Augusta erhoben). 37 Aur. Vict. Caes. 38,6. Meloni (1948) 132 und Kreucher (2008) 420 vermuten, dass die römische Armee sich noch längere Zeit bei Ktesiphon aufgehalten habe und erst Anfang 284 über Palmyra und Emesa nach Antiocheia zurückmarschiert sei. Numerianus ist indes Ende des Jahres 283 bereits in Emesa bezeugt (vgl. Cod. Iust. 5,71,7 vom 8. September oder eher 8. Dezember 283), wo er wohl den Winter verbrachte und sich noch im Frühjahr aufhielt (Cod. Iust. 5,52,2 vom 18. März 284), vgl. Altmayer (2014) 109–111. 38 Für einen Frieden zwischen Numerianus und Wahrām II. 283/84 gibt es keine Zeugnisse. Er wird aber unterstellt von Herzfeld (1924) 42 ; Christensen (1939) 113 u. (1944) 227 (Mesopotamien und Armenien seien im Vertrag wieder an Rom gefallen) ; Meloni (1948) 130 f. (ebenso) ; Pink (1963) 45 u. 60 ; Bird (1976) 127 ; Frye (1983b) 128 (Mesopotamia wieder römisch) ; Thordarson (1992) 22 (wie Christensen) ; vgl. dagegen Enßlin (1942) 7 ; Ziegler (1964) 144 ; Felix (1985) 103 ; Winter (1988) 134 f.; Kettenhofen (1995) 65 f.; Williams (2000) 34 ; Kuhoff (2001) 17 ; Wiesehöfer (2008) 542 ; Weber (2009) 580 ; Altmayer (2014) 116 ; Roberto (2014) 29 f. Dölger (1953) 60, Anm. 62 (noch nicht in 1940, 414 f.) spricht von einem Friedensvertrag 283 zwischen Carus und Wahrām II.; hier habe zum ersten Mal die diplomatische Formel der Brüderlichkeit zwischen persischem König und römischem Kaiser Anwendung gefunden ; vgl. dagegen Ziegler (1964) 146, Anm. 33 ; Chrysos (1976) 18 f.; Dimitrov (2007) 31–35. 39 Zuweilen wird angenommen, dass Nordmesopotamien 283 wieder verlorengegangen und von den Persern besetzt worden sei, so Chaumont (1969) 102 f.; Ziegler (1964) 144 ; Frye (1983a) 305 (anders Frye 1983b, 128) ; Felix (1985) 103 f.; Winter (1988) 134–137 (Nordmesopotamien sei von den Römern geräumt worden, Mesopotamia und Großarmenien seien unter persischer Kontrolle geblieben) ; Shahbazi (1989) 516 ; vgl. dagegen Mattingly (1939) 322 ; Luther (2006) 212 f.; Alt-
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vom syrischen Antiocheia aus noch einmal eine erfolglose militärische Operation gegen die Perser unternahm, wie in der Forschung zuweilen auf Grund wenig zuverlässiger Angaben byzantinischer Historiker unterstellt wird. Die zeitnahen lateinischen Historiker erwähnen einen solchen erneuten Zug nicht, sie berichten vielmehr von einem schnellen Rückzug der Römer.40 mayer (2014) 119 f. Für diesen Verlust unter Carinus und Numerianus gibt es keine Hinweise : Der Panegyriker von 291 sieht den Tigris vielmehr als Grenze Roms im Osten an (Pan. lat. 11/3,6,6). Galerius musste Mesopotamien dann aber 297 von den Persern zurückerobern (Aur. Vict. Caes. 39,33 ; Eutr. 9,22,1 ; 9,24 ; Fest. 25,3), wahrscheinlich hatte Narses also 296 das Gebiet erneut okkupiert, so Luther (2006) 216. 40 Laut Aurelius Victor beendete Numerianus den Perserkrieg nach dem Tod seines Vaters und zog mit dem Heer ins Reich zurück (Caes. 38,6 : Numerianus amisso patre simul confectum aestimans bellum, cum exercitum reductaret). Malalas berichtet dagegen von einem erneuten Perserkrieg Numerians : Von Antiocheia aus sei er gegen die Perser gezogen und in einer Schlacht besiegt worden. Numerianus sei dann nach Karrhai geflohen, dort belagert und gefangengenommen worden. Die Perser hätten ihn schließlich getötet, ihm die Haut abgezogen und einen Sack daraus gefertigt (12,35 S. 234,15–16.23–30 CFHB). Sein Bruder Carinus sei dann erfolgreich gegen die Perser gezogen, um Numerianus zu rächen (12,36 S. 234,34–35 CFHB) ; verkürzt so auch Syn. Sath. S. 40,11–13 (Numerian) u. S. 40,16–18 (Carinus’ Rachekrieg) ; Theodoros Skutariotes 61,2–4 S. 54 (Numerianus) u. 62,1–2 S. 54 CFHB (Carinus’ Rachekrieg). Zonaras berichtet nur vom Perserfeldzug und der Ermordung Numerians (12,30 S. 611, 15–21 CSHB ; als erste Version vom Tod Numerians). Vgl. von Stauffenberg (1931) 395–397 ; Meloni (1948) 125–130. Die Osterchronik verdreht die Züge : Sie schreibt den erfolglosen Perserfeldzug nach dem Tod des Carus Carinus zu (Chron. pasch. S. 510,8–12 CSHB) und berichtet dann von einem erfolgreichen Rachekrieg Numerians (S. 510,12–15). Die Angaben über Numerians Tod im Perserkampf sind unhistorisch, so dass die übrigen Berichte über einen Perserfeldzug sicherlich ebenfalls nicht stimmen. Zumeist werden die Angaben der byzantinischen Autoren nicht beachtet oder für unhistorisch angesehen : Nach Pink (1963) 45 u. 60 schloß Numerianus sofort Frieden mit den Persern und zog langsam zurück. Von Numerians sofortigem Rückzug sprechen auch Chaumont (1969) 101 ; Felix (1985) 102 ; Halfmann (1986) 242 ; Winter (1988) 133 ; Williams (2000) 34 ; Winter u. Dignas (2001) 46 ; Dimitrov (2007) 35. Kreucher (2008) 420 geht von einem längeren Aufenthalt Numerians in Antiocheia und einem sehr langsamen Rückmarsch durch Kleinasien 284 aus. Anders sieht dies Mazzarino (1971) 664–671 : Der Feldzug Numerians gegen die Perser 284 und die römische Niederlage seien durch die lateinische Historiographie aus ‚römischem Patriotismus‘ bewußt unterschlagen worden ; ähnlich Porena (2003) 25–36. Meloni (1948) 124–132 meint, dass Numerianus bis Anfang 284 erfolgreich Operationen gegen die Perser durchgeführt habe, bis es zu einem Friedenschluß gekommen sei. Auch Kolb (1987) 13 nimmt an, dass Numerianus den Feldzug „mindestens ein Jahr lang fortgesetzt“ habe, nach dem Besuch in Emesa sei er erneut gegen die Perser gezogen. Von weiteren Operationen Numerians gegen die Perser sprechen Kuhoff (2001) 17 und Luther (2006) 211 f. Winter (1988) 133 mit Anm. 6 vermutet eine Niederlage Numerians gegen die Sāsāniden beim Rückzug aus Persien. Maksymiuk (2015) 46 meint, Numerianus habe sich nach einer Niederlage bei Karrhai gegen Wahrām II. 284 aus Nordmesopotamien zurückziehen müssen ; ebenso Syvänne u. Maksymiuk (2018) 115 f. Altmayer (2014) 111–117 vermutet, dass Numerianus im
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Auf der Rückreise nach Europa verstarb Numerianus im Spätsommer 284 in Kleinasien an einem Augenleiden.41 Den Tod des Kaisers ließ der Prätorianerpräfekt Aper einige Zeit vor der Expeditionsarmee verheimlichen.42 Als dies dann Frühjahr 284 nach Armenien gezogen sei, um die römische Oberhoheit wiederherzustellen ; diese sei aber im Zuge des Bürgerkriegs im Römischen Reich „rasch wieder ‚vergessen‘ worden“ (115). Laut Roberto (2014) 29 f. setzte Numerianus 284 den Perserzug erfolgreich fort, ohne dass ein Frieden abgeschlossen worden sei. Überzeugend wendet sich dagegen Bleckmann (1992) 134 f. gegen die Historizität der Angaben der byzantinischen Autoren in der Tradition des Malalas und der ‚Synopsisquelle‘ : Da Carus in dieser Tradition im Kampf gegen die Hunnen fällt, muss Numerianus erneut gegen die Perser ziehen, wo er gehäutet wird. 41 Die lateinischen Quellen in der Tradition der Enmannschen Kaisergeschichte sprechen von einem Mordkomplott Apers ; der Schwiegervater habe den am Auge erkrankten Numerianus ermorden lassen, Aur. Vict. Caes. 38,6–7 ; 39,13 ; Eutr. 9,18,2 ; 19,2 ; Hier. chron. S. 225a (a. 2301) ; Epit. de Caes. 38,4–5 ; HA Car. 12,1 ; 18,1 ; Oros. 7,24,4 ; 25,1 ; Iord. Rom. 295 ; ebenso Ioh. Ant. fr. 161 (FHG IV 600 = fr. 244 Roberto) ; Synk. S. 472,14–17 ; Chron. pasch. S. 510,16–17 CSHB (Todesort sei Perinthos in Thrakien, vgl. dazu Jones (1940) ; Altmayer (2014) 136 f.; Symeon Magister 85,1,5–6 S. 104 CFHB (= Leo Grammaticus S. 81,9–10 CSHB ; irrtümlich Mord an Carinus) ; Cedr. S. 464,9–10 CSHB ; Zon. 12,30 (S. 611,21–24 CSHB ; zweite Version zum Tod Numerians). Eutrop (9,18,2), der Autor der Epitome de Caesaribus (38,5), Synkellos (S. 472,16–17) und Zonaras (12,30 S. 611,23–24 CSHB) vermuten zudem, Aper habe den Tod Numerians einige Zeit verheimlicht, weil er nach der Herrschaft im Reich gestrebt habe. Bei dieser Mordgeschichte handelt es sich wohl um eine Verunglimpfung Apers durch seinen Konkurrenten und Mörder Diocletian sowie die Geschichtsschreibung der tetrarchisch-konstantinischen Zeit. Mit einem Mord an seinem Schwiegersohn Numerianus hätte sich Aper seiner Machtbasis beraubt. Auch wäre es absurd, sich nach einem solchen Mord nicht sofort zum neuen Kaiser zu erheben und stattdessen den Tod zu verheimlichen. Byzantinische Quellen sprechen von einer Gefangennahme und Hinrichtung Numerians durch die Perser : Ioh. Mal. 12,35 (S. 234,27–30 CFHB) ; Syn. Sath. S. 40,12–13 ; Zon. 12,30 (S. 611,19–21 CSHB ; erste Version zu Numerians Tod) ; Theodoros Skutariotes 61,2–4 S. 54 CFHB. Auch dieses Szenario (bzw. eine Verletzung im Perserkampf 284, s. o.) ist wenig wahrscheinlich. Kuhoff (2001) 17 f., Kreucher (2008) 420, Leadbetter (2009) 39 f. und Altmayer (2014) 132–142 denken daher an einen natürlichen Tod Numerians durch eine Krankheit. Laut Pink (1963) 12 ; 60 f.; 62 f. verstarb Numerianus in Nikaia an derselben Krankheit wie sein Vater ; Pink möchte aber nicht ausschließen, dass Aper „es an der nötigen Betreuung hat fehlen lassen, um den nahen Tod zu beschleunigen“ (63). Die Geschichte von der Ermordung Numerians durch Aper wird jedoch vielfach für historisch angesehen, so etwa Jones (1940) 302 f. (Tod in Bithynien) ; Meloni (1948) 133 f.; 135 (Tod in Perinthos) ; 137 ; Felix (1985) 103 ; Halfmann (1986) 242 ; Chastagnol (1994) 1140 ; Bellen (1998) 242 ; Ando (2012) 223 ; vgl. dagegen Porena (2003) 36 f. Von einer Ermordung Numerians durch Diocletian geht Bird (1976) 127–130 aus ; ebenso Brizzi (2004) 330 f. Vom Tod Numerians an den Verletzungen im Perserkampf spricht Hartmann (1982) 79 f. u. 110 f. Kolb (1987) 12–15 wendet sich gegen eine Verschwörung Apers oder Diocletians und nimmt ebenfalls an, dass Numerianus an den Wunden verstarb, die er sich im Perserkampf zugezogen habe ; unsicher Williams (2000) 34 f.; Paschoud (2001) 368–370 ; Roberto (2014) 34 f.; Rémy (2016) 16. 42 Aur. Vict. Caes. 38,8 ; Eutr. 9,18,2 ; Hier. chron. S. 225a (a. 2301) ; Epit. de Caes. 38,5 ; HA Car. 12,1–2 ; Iord. Rom. 295 (vier Tage) ; Ioh. Ant. fr. 161 (FHG IV 600 = fr. 244 Roberto). Offenbar
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aber nach einigen Tagen in Bithynien durch den Geruch der Leiche in der Sänfte auffiel und der Tod dem Heer offiziell bekanntgegeben wurde, entschlossen sich die führenden ritterlichen Militärs, Carinus nicht mehr als Augustus anzuerkennen und einen eigenen Kandidaten als neuen Kaiser aufzustellen : Die Heeresversammlung in Nikomedeia ernannte am 20. November 284 den Chef der protectores domestici C. Valerius Diocles zum neuen Augustus.43 Nach der Akklamation wurde der neben dem neuen Herrscher stehende Prätorianerpräfekt Aper sofort von Diocles niedergestochen. In einer Rede machte Diocles daraufhin Aper für den Tod des Numerianus verantwortlich und schwor, nichts vom angeblichen Mord an dem jungen Kaiser gewusst zu haben.44 Im folgenden Bürgerkrieg gegen Carinus erzielte Diocletian, wie sich der neue Kaiser bald nannte, die Macht über das gesamte Römische Reich.45 wollte Aper so für eine ruhige Rückkehr des Heeres nach Europa sorgen, um dieses dann Kaiser Carinus zu unterstellen. 43 Aur. Vict. Caes. 39,1 ; Eutr. 9,19,2 ; Hier. chron. S. 225c (a. 2302) ; HA Car. 12,2–13,2 ; 18,1 ; Synk. S. 472,17–19 ; Zon. 12,30 (S. 611,24–612,2 CSHB) ; Datum der Erhebung : P. Panop. Beatty 2, 162–163 ; 260–261 ; Lact. mort. pers. 17,1 ; vgl. auch Chron. pasch. S. 510,18–511,2 CSHB (17. September) ; Nikomedeia : Epit. de Caes. 39,5 ; Zos. 1,73,2 = Ioh. Ant. fr. 163 (FHG IV 601 = fr. 246 Roberto = fr. 189 Mariev, CFHB) ; Chron. pasch. S. 510,20 CSHB ; Diocles : P. Oxy. 42, 3055,7–8 (vom 7. März 285) ; Lact. mort. pers. 9,11 ; 19,5 ; 52,3 ; Lib. or. 19,45–46 ; Epit. de Caes. 39,1 ; jT Terumot 8,10 46 c ; vgl. Roberto (2014) 13 f.; Stefan (2015) 269–280 ; anders Kuhoff (2001) 19, Anm. 13 (Annahme des neuen Cognomen Diocletianus schon vor der Kaisererhebung) ; protectores domestici : Aur. Vict. Caes. 39,1 ; HA Car. 13,1 ; Zon. 12,31 (S. 613,17–18 CSHB). Unwahrscheinlich ist die andere Version bei Zonaras (12,31 S. 613,16–17 CSHB), die aus der ‚Leoquelle‘ stammt (ebenso Symeon Magister 85,2,7–8 S. 104 CFHB = Leo Grammaticus S. 81,12–13 CSHB), Diocletian sei vor Regierungsantritt dux Moesiae gewesen (als ein früheres Amt des Diocles angesehen von Meloni (1948) 138 ; Altmayer (2014) 136 u. 334). Während Seston (1946) 46 vermutete, Diocles sei Prätorianerpräfekt gewesen, wird in der Forschung sonst eher angenommen, er sei der Chef der protectores domestici gewesen, so etwa Meloni (1948) 136 ; Barnes (1982) 31 ; Williams (2000) 33 ; Kuhoff (2001) 21 ; Paschoud (2001) 370–373 ; Kreucher (2008) 421 ; Altmayer (2014) 136 u. 334 f.; Roberto (2014) 23 f. Zu Diocletian (PIR2 A 1627 ; PLRE I 253 f., Nr. 2) vgl. bes. Seston (1946) ; Barnes (1982) ; Kolb (1987) ; Williams (2000) ; Kuhoff (2001) ; Demandt (2007) 57–75 ; Roberto (2014) ; Rémy (2016) (Einführung). 44 Aur. Vict. Caes. 39,13 ; Eutr. 9,20,1 ; Hier. chron. S. 225c (a. 2302) ; HA Car. 13,2–5 ; 15,4–6 ; Oros. 7,25,1 ; Iord. Rom. 296 ; Synk. S. 472,17–24 ; Zon. 12,31 (S. 613,18 - 614,1 CSHB). Zu dieser Kaiserwahl und der Ermordung Apers vgl. Seston (1946) 47–49 ; Meloni (1948) 135 f. u. 139–144 ; Pink (1963) 62 f.; Kolb (1987) 10–17 ; Williams (2000) 35–37 ; Kuhoff (2001) 17–23 ; Kreucher (2008) 421 ; Altmayer (2014) 134–142 (Mord an Aper vor dem Heer in Chalkedon, Kaiserausrufung kurz darauf in Nikomedeia) ; Roberto (2014) 30–34 ; Rémy (2016) 16 ; vgl. ferner Bird (1976) 128–130 ; Barnes (1982) 3 f.; Christol (1997) 191 ; Porena (2003) 37–39 ; Leadbetter (2009) 39 f. 45 Vgl. Kreucher (2008) 421–423 ; Altmayer (2014) 171–179 ; Roberto (2014) 35–40 ; vgl. auch Stefan (2016). Zum Namenswechsel vgl. Stefan (2015) 274–280.
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3. Ein tödlicher Blitzschlag am Tigris ?
Warum ist der Tod des Carus in Persien aber so rätselhaft ?46 Dass jemand vom Blitz erschlagen wird, ist selten, aber möglich. Ungewöhnlich für die Soldatenkaiserzeit ist es indes, dass sich fast alle historiographischen Quellen über die Umstände des Todes einig sind : Alle Autoren der lateinischen Breviarien des 4. Jahrhunderts, Aurelius Victor, Eutrop, Festus und der Verfasser der Epitome de Caesaribus, die auf die konstantinische Geschichtsdarstellung der Enmannschen Kaisergeschichte zurückgreifen,47 aber auch die Christen Hieronymus und Orosius,48 Polemius Silvius sowie die byzantinischen Historiker Synkellos und Zonaras (in einer zweiten Version) berichten von einem Blitzschlag, durch den der Kaiser zusammen mit seinem Zelt im römischen Lager bei Ktesiphon am Tigris verbrannt worden sei.49 Dieser ungewöhnliche, aufsehenerregende Tod eines Kaisers faszinierte auch die Literaten der Spätantike : So baut der Dichter Claudian um 400 diesen Blitztod in Parthien in sein Hochzeitsgedicht für Palladius und Celerina ein.50 Der gallische 46 Zum Tod des Carus vgl. Meloni (1948) 106–115 ; Kerler (1970) 264–270 ; Bird (1976) 123–127 ; Kolb (1987) 11–15 ; Winter (1988) 133 ; Bleckmann (1992) 134 f.; Kuhoff (2001) 17 ; Paschoud (2001) 352–357 ; Kreucher (2008) 419 ; Altmayer (2014) 120–132 ; Roberto (2014) 28 f.; Antiqueira (2017) (zur Darstellung des Todes in der lateinischen Historiographie des 4. Jahrhunderts) ; vgl. ferner Jones (1938) (veraltete Datierung) ; Winter u. Dignas (2001) 45 f.; Kienast u. Eck u. Heil (2017) 248 ; wenig instruktiv Silomon (1914) 555–557 ; Schäfer (2014) 841–850. 47 Aur. Vict. Caes. 38,3 ; Eutr. 9,18,1 ; Fest. 24,2 ; Epit. de Caes. 38,3. Vgl. HA Car. 8,2.7 ; 9,1 ; 18,1. Der ‚Chronograph von 354‘ nennt nur den Todesort des Carus, Chron. min. I S. 148,17 : excessit Seleucia Babyloniae. Zur Enmannschen Kaisergeschichte, einer verlorenen lateinischen Kaisergeschichte aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, in der in der Form von Kaiserviten die Zeit von Augustus bis Constantin oder Constantius II. dargestellt wurde, vgl. nur Enmann (1884) ; Barnes (1970) ; Burgess (1995) 349–351 ; Bleckmann (1997b) ; Hartmann (2008c) 25 f. (mit Literatur und Forschungsfragen). 48 Hier. chron. S. 224g-225 (a. 2300 ; zum Jahr 284) : super Tigridem castra ponens fulmine ictus interiit ; Oros. 7,24,4 : super Tigridem in castris fulmine ictus interiit. Beide Autoren greifen ebenfalls auf die Angaben der Enmannschen Kaisergeschichte zurück. Vgl. Burgess (1995) 365. Ähnlich Iord. Rom. 294 (ipse quoque Carus super Tigridem amnem dum castra metaret, fulmine ictus occubuit). 49 Polem. Silv., Chron. min. I S. 522,54 : Carus in Perside fulminatus ; Synk. S. 472,12–13 (zum Jahr 5776) : ὃς παρὰ τῷ ποταμῷ Τίγριδι διαστρατοπεδευόμενος κεραυνοῦ κατασκήψαντος ἀθρόως ἅμα τῇ σκηνῇ διαφθείρεται. Zon. 12,30 (S. 611,11–14 CSHB ; s. u.). Den Blitztod des Carus in Mesopotamien erwähnt auch das Chron. pasch. S. 510,7 CSHB (Carus wird hier irrtümlich von Carinus begleitet). 50 Claudian berichtet in diesem Hochzeitsgedicht (epithal. Palladii et Celerinae, carm. min. 25,73– 82) über einen Vorfahren der Braut, den Militär Celerinus, der zur Zeit des Todes des Carus Ägypten verwaltet habe (Z. 73 : qui quondam Meroen iussus Nilumque tueri). Nach dem Tod des Carus (post obitus et Parthica fulmina Cari, Z. 74) hätten die Soldaten in Ägypten Celerinus zum Kaiser ausrufen wollen, er habe dies jedoch abgelehnt (Z. 73–82). Vgl. Horstmann (2004) 207 f. Cele-
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Dichter Sidonius Apollinaris rühmt um 463/65 in seinem Gedicht für Consentius dessen Heimatstadt Narbo, die auch der Herkunftsort des bedeutenden Kaisers Carus gewesen sei : Nach dem siegreichen Feldzug des Carus gegen die Perser habe ein Blitzschlag sein Leben beendet, das selbst einem Blitz geglichen habe.51 Trotz dieser Einigkeit in den Quellen über den Tod des Carus mutet es seltsam an, dass ausgerechnet der Kaiser inmitten des römischen Lagers kurz nach einem Sieg über die Perser von einem Blitz erschlagen worden sein soll. Was berichten die Autoren im Einzelnen ? Eutrop erwähnt in seiner knappen Schilderung zu Kaiser Carus den Zug in den Orient, den Sieg über die Perser in einem Gefecht und die Eroberung von Koche und Ktesiphon. Als Carus dann ein Lager jenseits des Tigris aufgeschlagen habe, sei er durch die Gewalt eines göttlichen Blitzes umgekommen.52 Aurelius Victor berichtet, dass Carus, der unbesonnener Weise zu sehr nach Ruhm gestrebt habe, über Ktesiphon hinaus vorgestoßen, dann aber durch einen Blitz getroffen worden sei. Der Autor der Caesares ergänzt, dass dies nach einigen zu Recht geschehen sei ; Orakelprophezeiungen rinus (PIR2 C 635 ; PLRE I 190) wird in der älteren Forschung vielfach als praefectus Aegypti im Sommer und Herbst 283 angesehen (vgl. etwa Meloni (1948) 113 f. u. 119 ; Stein (1950) 154 ; Thomasson (1984) 359, Nr. 124 ; so noch Birley (1997b) 1049 ; Ricci (2001) 121 f.; Kreucher (2003) 211 ; Horstmann (2004) 207 ; Huttner (2004) 349 f.), der nach dem Tod des Carus eine Usurpation gegen Carinus und Numerianus abgelehnt habe (vgl. dazu Gerhardt u. Hartmann (2008) 1089 f., Aeg. 30 ?). Das 1995 publizierte Dokument PSI Congr. 21 (Omaggio), 13, col. IV erweist jedoch, dass Pomponius Ianuarianus (282–284 Präfekt, vgl. Gerhardt u. Hartmann (2008) 1088, Aeg. 23) bereits im Juli 282 als praefectus Aegypti amtierte und der unmittelbare Nachfolger des verstorbenen praefectus Hadrianius Sallustius (Gerhardt u. Hartmann 2008, 1087 f., Aeg. 22) war, der noch im April/Mai 282 die Provinz verwaltete. Claudians Angabe über Celerinus’ Posten im Jahr 283 ist daher nicht korrekt, vgl. Kramer (1996) 282 ; Altmayer (2014) 250–252 u. 334 („möglicherweise hoher Verwaltungsbeamte in Ägypten“). Claudian berichtet hier also entweder eine erfundene Geschichte aus der Familientradition der Celerina oder Celerinus war nicht der Präfekt, sondern nur ein römischer Militär in Ägypten. Denkbar wäre auch, dass Celerinus zum Todeszeitpunkt eines anderen Soldatenkaisers in Ägypten als praefectus amtierte (etwa im Herbst 284, als Numerianus verstarb) ; doch bleibt dies Spekulation. 51 Sidon. carm. 23 (ad Consentium), 91–96 : nam quis Persidis expeditionem / aut victricia castra praeteribit / Cari principis et perambulatum / Romanis legionibus Niphaten, / tum cum fulmine captus imperator / vitam fulminibus parem peregit ? Vgl. Anm. 128. 52 Eutr. 9,18,1 : sed dum bellum adversus Sarmatas gerit, nuntiato Persarum tumultu ad Orientem profectus res contra Persas nobiles gessit. ipsos proelio fudit, Cochen et Ctesiphontem, urbes nobilissimas, cepit. et cum castra super Tigridem haberet, vi divini fulminis periit ; 9,19,2. Vgl. den knappen Kommentar bei Ratti (1996) 347–349 ; Bleckmann u. Groß (2018) 257. Ebenso berichtet über den Tod des Kaisers der Autor der Epitome de Caesaribus, der aus der Enmannschen Kaisergeschichte noch den Todesort hinzufügt (38,3) : hic apud Ctesiphonta ictu fulminis interiit. Vgl. Schlumberger (1974) 170 (Information aus der Enmannschen Kaisergeschichte) ; Festy (1999) 170.
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hätten Carus nämlich darüber belehrt, dass es ihm erlaubt sei, bis Ktesiphon siegreich vorzudringen. Seine Ruhmsucht sei daher bestraft worden. Aurelius Victor schließt, es sei schwierig, das vom Schicksal Verhängte abzuwenden, daher sei die Kenntnis der Zukunft überflüssig. Der göttlichen Vorsehung entkommt auch Kaiser Carus nicht, der gegen das göttliche Gebot nach der Einnahme Ktesiphons ins Innere Persiens weitermarschieren will.53 Festus spricht in seinem Breviarium nicht von einem Orakel, sagt aber ebenfalls, dass der übermäßige Sieg des Kaisers über die Perser den Unwillen der Götter erregt habe. Carus, der victor totius gentis, wird im Lager jenseits des Tigris durch einen Blitz Opfer seiner Ruhmsucht und seiner Hybris.54 In der lateinischen Überlieferung ist der Blitzschlag also durchweg negativ konnotiert und als Strafe der Götter verstanden worden. Unter den lateinischen Historikern widerspricht allein der Autor der Historia Augusta in der Carus-Vita dieser Darstellung.55 Carus erhält in der Historia Augusta zudem eine aktive Rolle : Er setzt einen Plan des Probus um und greift Persien an – im Gegensatz zum Bericht in der Enmannschen Kaisergeschichte, in der Carus auf Angriffe der Perser auf Mesopotamien reagiert.56 Der Autor berichtet 53 Aur. Vict. Caes. 38,2–5 : et quoniam cognita Probi morte barbarorum quique opportune invaserant, misso ad munimentum Galliae maiore filio Numeriani comitatu in Mesopotamiam pergit protinus, quod ea Persarum quasi sollemni bello subest. (3) ubi fusis hostibus, dum gloriae inconsulte avidior Thesiphonta urbem Parthiae inclitam transgreditur, fulminis tactu conflagravit. (4) id quidam iure ei accidisse referunt ; nam cum oracula docuissent adusque oppidum memoratum perveniri victoria licere, longius delatus poenas luit. (5) proinde arduum fatalia devertere, eoque futuri notio superflua. Vgl. Straub (1952) 126 f. 54 Fest. 24,2 (Arnaud-Lindet) : Cari imperatoris victoria de Persis nimium potens superno numini visa est. nam ad invidiam caelestis indignationis pertinuisse credenda est. is enim ingressus Persidam quasi nullo obsistente vastavit, Cochen et Ctesiphontem, urbes Persarum nobilissimas, cepit. cum victor totius gentis castra supra Tigridem haberet, vi fulminis ictus interiit. Vgl. Hartke (1940) 14 ; Straub (1952) 129 f.; Eadie (1967) 93–95 u. 146 ; den Boer (1972) 217–219 ; Altmayer (2014) 121 ; vgl. auch den philologischen Kommentar bei Fele (2009) 475–482. 55 HA Car. 8,1–9,3. Vgl. Paschoud (2001) 348–362 ; vgl. ferner Kerler (1970) 264–270. Havener (2017) 42–46 betrachtet das Sāsānidenbild in der Historia Augusta, die Carus-Vita bleibt indes unberücksichtigt. 56 Zur Darstellung der Enmannschen Kaisergeschichte vgl. Aur. Vict. Caes. 38,2. Der angebliche Plan des Probus für einen Perserfeldzug, der durch seinen Tod in Pannonien nicht realisiert worden sei (HA Prob. 20,1 ; Car. 7,1 ; 8,1), ist wohl eine Erfindung des Autors der Historia Augusta, vgl. Kreucher (2003) 180 f. (mit Literatur) ; (2008) 414. Der Plan des Probus wird in der Forschung vielfach für historisch gehalten, vgl. etwa Mattingly (1939) 317 ; Meloni (1948) 9 u. 93–97 ; Chaumont (1969) 99 f.; Kerler (1970) 258 f.; Winter (1988) 128 u. 130 ; Bleckmann (1992) 130 f.; Paschoud (2001) 145 u. 345–347 ; Altmayer (2014) 57 u. 98–100 ; Syvänne u. Maksymiuk (2018) 115 ; unsicher Felix (1985) 98.
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von inneren Wirren in Persien, die es Carus erlaubt hätten, Mesopotamien einzunehmen und bis Ktesiphon zu gelangen. Von Ruhmsucht getrieben und vor allem auf Drängen seines Präfekten (offenkundig ist Aper gemeint), der ihm und seinem Sohn Numerianus den Untergang habe bereiten wollen, sei Carus dann weiter nach Persien vorgestoßen. Der Autor der Historia Augusta notiert dann aber zwei Versionen des Todes des Carus : nach den einen sei Carus an einer Krankheit verstorben, nach den meisten Historikern aber an einem Blitzstrahl.57 Der Autor liebt solche angeblichen Historikerdebatten, durch die er seine Belesenheit veranschaulichen kann.58 Suspekt wird diese Geschichte auch dadurch, dass er in der folgenden Passage genau weiß, wie es passierte : Carus habe krank in seinem Zelt gelegen und sei an dieser Krankheit verstorben, als gerade ein furchtbares Gewitter mit Blitz und Donner getobt habe. Seine Geschichte bekräftigt der Autor noch durch den erfundenen Brief des angeblichen ab epistulis oder magister memoriae des Kaisers, Iulius Calpurnius, an den Stadtpräfekten, in dem nach einem albernen Wortspiel mit dem Kaisernamen (Carus, princeps noster vere carus) alles noch einmal erzählt wird und der Leser zudem erfährt, dass die cubiculari aus Schmerz über den Tod des Kaisers das Zelt des Carus in Brand gesteckt hätten. Daraus sei die fama entstanden, Carus sei durch einen Blitz getötet worden.59 57 HA Car. 8,1–2 : ingenti apparatu et toti[u]s viribus Probi profligato magna ex parte bello Sarmatico, quod gerebat, contra Persas profectus nullo sibi occurrente Mesopotamia Carus cepit et tesifontem usque pervenit occupatisque Persis domestica seditione imperatoris Persi nomen emeruit. (2) verum cum avidus gloriae, prafecto suo maxime [i]urgente, qui et ipsi et filii eius quaerebat exitium cupiens imperare, longius progressus esset, ut alii dicunt morbo, ut plures fulmine interemptus est. Vgl. Hartke (1940) 138 u. (1951) 218 ; Straub (1952) 125 f.; Paschoud (2001) 350–356. Zur Gleichsetzung des in Car. 8, 2 erwähnten praefectus mit dem in Car. 12, 1 namentlich genannten Aper vgl. Chastagnol (1994) 1154, Anm. 4 ; Paschoud (2001) 352 ; Altmayer (2014) 122. Vgl. auch Anm. 35. 58 Vgl. die angeblich aus verschiedenen Historikern gezogenen Varianten zum Tod des „Misitheus“, also des Timesitheus (HA Gord. 28,1) ; Straub (1952) 126. Weitere weitgehend fiktive ‚Historikerdebatten‘ finden sich in der Historia Augusta etwa zur Frage der Adoption Hadrians durch Trajan (HA Hadr. 4,3–10) oder zum Geburtsort des Carus (HA Car. 4,1–5, 3 ; vgl. Anm. 3). 59 HA Car. 8,3–7 : negari non potest eo tempore, quo perit, tantum fuisse subito tonitruum, ut multi terrore ipso exanimati esse dicantur. cum igitur egrotaret atque in tentorio iaceret, ingenti exorta tempestate inmani coruscatione, inmaniore, ut diximus, tonitru exanimatus est. (4) Iulius Capurnius, qui ad memoriam dictabat, talem ad praefectum urbis super morte Cari [a]epistulam dedit. (5) inter cetera : ‚cum‘, inquit, ‚Carus, princeps noster vere carus, aegrotaret et , tanti turbinis subito exorta tempestas est, ut caligarent omnia neque alterutrum nosceret ; coruscationum deinde ac tonitruum in modum [fulgurum] igniti sideris continuata vibratio omnibus nobis veritatis scientiam sustulit. (6) subito enim conclamatum est imperatorem mortuum, et post illud praecipu[a] e tonitrum, quo cuncta terruerat. (7) his accessit quod cubiculari dolentes principis mortem incenderunt tentorium. unde suit fama emersit fulmine interemptum eum, quem, quantum
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Der Autor widerspricht zudem der Orakelgeschichte des Aurelius Victor ; das Orakel wird dabei von einer individuellen Prophezeiung für Kaiser Carus zu einer allgemeinen Schicksalsbestimmung für die Römer ausgebaut : Viele behaupten, es sei Schicksalszwang, dass der Kaiser nicht über Ktesiphon hinaus gelangen könne, und Carus sei daher mit einem Blitzschlag bestraft worden. Der Autor der Historia Augusta meint dagegen, dass es durchaus gestattet sei, die Perser zu besiegen und über ihr Land hinaus vorzudringen, wenn die Römer die göttliche Gunst nicht verlieren ; der Zug des Caesars Maximianus (gemeint ist Galerius) habe dies erwiesen.60 Die Frage der Intention des Autors, dem Ktesiphon-Orakel so vehement zu widersprechen, kann hier nicht ausführlich diskutiert werden. Hierin kann man aber mit Straub zweifellos einen Appell des Autors der Historia Augusta an den Kaiser sehen, die Perser anzugreifen, um die römische Weltherrschaft im Osten durchzusetzen und die Schmach des Friedens zwischen Iovian und Šābuhr II. nach dem gescheiterten Perserkrieg Iulians im Jahr 363 wettzumachen ;61 einen ähnlichen Plan für einen großen Perserfeldzug hatte auch der magister memoriae Festus um 370 mit seinem Breviarium dem Kaiser Valens unterbreitet.62 scire possumus, aegritudine constat absumptum.‘ Vgl. Paschoud (2001) 356–359. Carinus erfährt vom Blitztod seines Vaters (HA Car. 18,1). Ähnliche Wortspiele fabriziert der Autor etwa in einem erfundenen Brief des Lucius Verus an Marc Aurel über Avidius Cassius (HA Avid. Cass. 1,7 : „Avidius Cassius avidus est“) oder im fiktiven Grabstein des Probus (HA Prob. 21,4 : „hic Probus imperator et vere probus situs est“). Vgl. Gilliam (1970) 104. Der Beamte Iulius Calpurnius (PIR2 I 230 ; PLRE I 177, Nr. 1) ist ebenso wie sein Brief erfunden, vgl. Kerler (1970) 267 ; Chastagnol (1994) 1154, Anm. 5 ; Paschoud (2001) 299 u. 357 f.; Altmayer (2014) 122 u. 333. Chastagnol (1976) 82 vermutet hier eine Anspielung des Autors auf T. Calpurnius Siculus, einen Dichter unter Nero ; ebenso Paschoud (2001) 357 ; Rohrbacher (2016) 40. Meloni (1948) 108–111 nimmt dagegen an, dass es sich bei diesem Brief um ein weitgehend authentisches Dokument handelt. 60 HA Car. 9,1–3 : hanc ego epistulam idcirco indidi, quod plerique dicunt vim fati quandam esse, ut Romanus princeps Ctesifontem transire non possit, ideoque Carum fulmine absumptum, quod eos fines transgredi cuperet, qui fataliter constituti sunt. (2) sed sibi habeat artes suas timiditas, calcanda virtutibus. (3) licet plane ac licebit (per sacratissimum Caesarem Maximianum constitit) Persas vincere atque ultra eos progredi, et futurum reor, si a nostris non deseratur promissus numinum favor. Vgl. Barnes (1976) 184 (zu Galerius) ; Paschoud (2001) 359–362. Zum Ktesiphon-Orakel in der Historia Augusta vgl. Straub (1952) 123–132 ; Chastagnol (1994) clxxi f.; Savino (2017) 155–157. Vgl. auch Hartke (1940) 138 f. u. (1951) 218, Anm. 1 ; Kerler (1970) 267–270 u. 284 f.; Paschoud (2001) 359–362 ; Johne (2009) 82 ; Antiqueira (2017) 15–20 u. 28–32. 61 Straub (1952) 123–132, bes. 129–132 ; Paschoud (2001) 355 f.; Savino (2017) 157. Vgl. auch Chrysos (1976) 22 f.; Antiqueira (2017) 28–32 (mit ähnlichen Überlegungen wie Straub, ohne diesen allerdings zur Kenntnis zu nehmen). 62 Fest. 30,2. Vgl. Straub (1952) 129 f.; Peachin (1985) ; Lightfoot (1990) 124–126 ; Paschoud (2001) 355 ; vgl. auch Antiqueira (2017) 20–28. Vergleichbare Aufrufe zu einem ruhmvollen Perserkrieg richteten im späten 4. Jahrhundert Libanios (or. 24) im Jahr 379 und Symmachus (epist. 10/rel., 9,
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Bei den byzantinischen Chronisten findet sich eine weitere, allerdings problematische Variante zum Tod des Carus. In der Weltchronik des Malalas geht einiges durcheinander : Er lässt Kaiser Carus zuerst Karien erobern und provinzialisieren, dann erfolgreich gegen die Perser ziehen und alles persische Land bis Ktesiphon erobern, die Grenzfestung Karrhai erbauen und schließlich nach Rom zurückkehren. Von dort zieht Carus sodann gegen die Hunnen, wo er unter dem Konsulat des Maximus und des Ianuarius im Alter von sechzigeinhalb Jahren getötet wird. Carus’ Sohn Numerianus dagegen wird in einem weiteren Perserfeldzug bei Karrhai von den Persern gefangengenommen, getötet und gehäutet. Numerians Bruder und Nachfolger Carinus zieht sodann nach Regierungsübernahme sofort erneut, nun aber erfolgreich gegen die Perser, um den getöteten Bruder zu rächen. In dieser Passage ist fast alles falsch oder verdreht : Todesort und Chronologie sind falsch. Malalas verwechselt die erst im späten 4. Jahrhundert an den Grenzen Roms auftretenden Hunnen mit den von Carus bekämpften Sarmaten, verdreht die Reihenfolge der beiden Feldzüge des Kaisers und berichtet von einer angeblichen Rückkehr des Carus nach Rom nach dem Persersieg. Zudem verwechselt er das Schicksal Numerians mit dem Valerians, der laut Laktanz nach seiner Gefangennahme von den Persern gehäutet worden sei, und schickt Carinus, der nie im Orient war, gegen die Perser. Die aus diesem bunten Gemisch aus Fehlern, Verdrehungen und Verwechslungen stammende Angabe über den Tod des Carus bei den Hunnen ist somit wertlos.63 Andere byzantinische Chronisten folgen dieser Darstellung über den Tod bei den Hunnen.64 Zonaras beschreibt zuerst den Perserfeldzug des Carus. Nach sei3) im Jahr 384/85 an Theodosius I. sowie Claudianus 396 und 398 an Arcadius, den Bruder des Honorius (carm. 7/III cos. Hon. 201–204 ; carm. 8/IV cos. Hon. 653–656). 63 Zu Carus : Ioh. Mal. 12,34 (S. 233,97–9 CFHB). Im Jahr 288 amtierten Maximianus Augustus (cos. II) und Pomponius Ianuarius als Konsuln ; Numerianus : Ioh. Mal. 12,35 (S. 234,15–16. 23–30 CFHB) ; Carinus : Ioh. Mal. 12,36 (S. 234,34–35 CFHB). Vgl. von Stauffenberg (1931) 393–397 (Errichtung einer Festung in Karrhai wohl historisch) ; Felix (1985) 102 ; Mecella (2017) 90 ; vgl. auch Altmayer (2014) 103 (Ausbesserungen an den Mauern von Karrhai). Zur Häutung Valerians : Lact. mort. pers. 5,6 ; Glas (2014) 185 f. Mit den Hunnen meint Malalas sicherlich die Sarmaten, vgl. von Stauffenberg (1931) 394 f.; Bleckmann (1992) 131 f.; Banchich u. Lane (2009) 133 ; Altmayer (2014) 84. Mazzarino (1980b) 22–25 und Porena (2003) 32 f. vermuten dagegen, dass Malalas und der ihm folgende Zonaras (s. u.) an dieser Stelle von einem Kampf mit hunnischen Hilfstruppen der Perser nach der Einnahme Ktesiphons gesprochen hätten. Ohne Kenntnis der italienischen Arbeiten nimmt auch Schäfer (2014) 841–850 an, dass der Kaiser gegen hunnische Hilfstruppen der Perser aus dem nördlichen Kaukasusgebiet gekämpft habe. Malalas habe hier auf eine syrische Quelle zurückgegriffen (wie auch Movsēs Ḫorenaçi, s. u.). Diese Versuche, die Angaben des Malalas über den Zug des Carus gegen die Hunnen zu retten, sind nicht überzeugend, s. u. 64 Der Autor der Synopsis Sathas berichtet vom erfolgreichen Perserfeldzug des Kaisers Σάρος, der
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nem Sieg über die Perser sei der Kaiser mit vielen Kriegsgefangenen und reicher Beute nach Rom zurückgekehrt und habe danach die Sarmaten besiegt und unterworfen. Wie Malalas verdreht er die Reihenfolge der Kriegszüge des Carus, weiß aber immerhin, dass Carus nicht gegen Hunnen, sondern gegen Sarmaten Krieg führte ; und wie Malalas lässt er Carus nach dem Perserzug nach Rom zurückkehren. Zonaras schreibt dann, dass sich die Historiker über den Tod des Kaisers nicht einig seien, und berichtet sowohl die Variante vom Tod im Kampf gegen die Hunnen, für die er auf die Synopsisquelle zurückgreift, als auch die Geschichte über den Blitzschlag am Tigris, die er aus Synkellos übernimmt.65 Den Tod des Carus an einer Seuche erwähnen schließlich in ihren knappen Notizen zum Soldatenkaiser die byzantinischen Historiker Symeon Magistros und Kedrenos, also die Autoren der sogenannten „Leoquelle“.66 nach Rom zurückkehrt, dann aber auf einem Feldzug gegen die Hunnen fällt (S. 40,6–8) ; ebenso Theodoros Skutariotes 60,1–2 S. 54 CFHB. Vgl. Bleckmann (1992) 134. Noch größere Verwirrung herrscht in der Osterchronik : Nach dem Blitztod des Carus in Mesopotamien zieht sein Sohn Carinus gegen die Perser, wird geschlagen und in Karrhai von den Persern gefangengenommen und gehäutet. Sein Bruder Numerianus zieht daraufhin gegen die Perser, um den Bruder zu rächen (Chron. pasch. S. 510,5–15 CSHB). In der Osterchronik wird Numerianus dann von Aper auf der Rückreise nach Europa ermordet (S. 510,16–17 CSHB). Vgl. Felix (1985) 104. 65 Zum Perser- und Sarmatenkrieg : Zon. 12, 30 (S. 610,22 – 611,8 CSHB). Zum Tod : Zon. 12,30 (S. 611,9–14 CSHB) : ὁ δὲ περὶ τῆς τελευτῆς αὐτοῦ λόγος οὐχ ὁμοίως τοῖς ἱστορήσασι συγγεγράφαται. οἱ μὲν γάρ φασι κατὰ Οὔννων ἐστρατευκότα ἐκεῖσε ἀναιρεθῆναι, οἱ δὲ παρὰ τῷ ποταμῷ Τίγρητι λέγουσι αὐτὸν ἐσκηνῶσθαι, ἐκεῖ καὶ τῆς αὐτοῦ στρατιᾶς βαλομένης τὸν χάρακα, ἔνθα κεραυνῷ τὴν ἐκείνου σκηνὴν βληθῆναι, καὶ συνδιαφθαρῆναι αὐτῇ κἀκεῖνον ἱστόρησαν. Vgl. Felix (1985) 100 ; Bleckmann (1992) 131–135 ; vgl. auch Banchich u. Lane (2009) 131–133. Verwirrung herrscht auch in der armenischen Historiographie : Movsēs Ḫorenaçi (2,79) schreibt im 8. Jahrhundert, dass Kaiser Carus siegreich gegen die Perser gezogen und dann nach Rom zurückgekehrt sei. Der Perser Artašir habe daraufhin viele Völkerkontingente zusammengerufen und auch die Araber in Mesopotamien auf seine Seite gebracht, die Römer angegriffen und diese in einer Schlacht auf beiden Seiten des Euphrats geschlagen. Carus sei in Ṙinon getötet worden (der Ort ist nur an dieser Stelle bezeugt, seine Lage ist unklar). Vgl. Thomson (1978) 227 ; Kettenhofen (1995) 54 (unhistorische Angaben) u. 149 ; Altmayer (2014) 114 u. 121 f.; vgl. auch Conybeare (1902) 397–399 („Ṙinon“ sei ein Fehler des armenischen Übersetzers, der ἐν κεραυνῷ falsch verstanden habe ; Malalas, das Chronicon paschale und Movsēs hätten auf die gleiche griechische Quelle zurückgegriffen) ; ebenso Jones (1940) 303. Mit Carus und dem ersten Sāsānidenkönig Ardaxšīr I. werden zwei Gegner zusammengestellt, die keine Zeitgenossen waren. Schäfer (2014) 848–850 hält die Geschichte dagegen für im Kern historisch (s. o.). 66 Symeon Magister 85,1,2–6 S. 104 CFHB (= Leo Grammaticus S. 81,7–11 CSHB) : ὁ Κάρος τὴν Περσίδα καὶ Κτησιφῶντα παρέλαβε, τοῦτο ἤδη τέταρτον ἁλωθέντων· ὑπὸ Τραϊανοῦ, ὑπὸ Βήρου, Σευήρου καὶ Κάρου. τελευτήσαντος δὲ Κάρου (ὑπὸ λοιμικῆς – nur in einigen Handschriften) καὶ Καρίνου τυφλωθέντος ἀνεῖλεν αὐτὸν Ἄπρος· καὶ ἐβασίλευσε Νουμεριανός. Numerianus und Carinus werden hier irrtümlich vertauscht. Cedr. S. 464,7–9 CSHB : ὁ Κάρος τὴν Περσίδα καὶ Κτησιφῶντα παρέλα-
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Wenn wir die wertlose Geschichte über den Tod bei den Hunnen beiseitelassen, liefern die antiken und byzantinischen Quellen somit im Wesentlichen zwei grundsätzliche Varianten :67 Die Version des durch einen Blitzschlag in seinem Zelt verbrannten Kaisers war sicherlich die offizielle Darstellung, die seit tetrarchischer Zeit verbreitet wurde und die in die Enmannsche Kaisergeschichte und damit in die lateinischen Breviarien und in die Historia Augusta einging ;68 diese Angaben wurden dann vermittelt über griechische Übersetzungen auch von den Byzantinern Synkellos und Zonaras verwendet.69 In der Enmannschen Kaisergeschichte dürfte auch bereits das Ktesiphon-Orakel erwähnt worden sein, über das laut Aurelius Victor schon einige erzählen (referunt). Hier fand sich also bereits die Deutung des Blitztodes als Strafe für die Übertretung einer durch die Götter gesetzten Grenze.70 Vielleicht spielte schon Kaiser Constantin im Jahr 328 in seiner bei Eusebios überlieferten „Rede an die Versammlung der Heiligen“ auf die Geschichte über den Blitztod am Tigris und die göttliche Bestrafung des Kaisers an.71 Die zweite, unspektakuläre Variante vom Tod durch Krankheit oder Seuche βεν, τέταρτον τοῦτο πεπονθυίας, ὑπὸ Τραϊανοῦ, ὑπὸ Βήρου καὶ Σεβήρου καὶ Κάρου. τελευτήσαντος δὲ Κάρου ὑπὸ λοιμικῆς. Vgl. Patzig (1904) 18. 67 Zu den beiden Quellensträngen vgl. Silomon (1914) 555–557 ; Bleckmann (1992) 134 f.; Paschoud (2001) 350–353 ; Altmayer (2014) 120–123. Zu den Quellenberichten vgl. auch Jones (1938) 338–341 ; Meloni (1948) 106–111 u. 180–182 ; Bird (1976) 123–124. 68 Vgl. Paschoud (2001) 300 u. 352 f.; Bleckmann (1997b) 15 f.; vgl. auch Meloni (1948) 181 f.; Barnes (1970) 29 f.; Burgess (1995) 365 ; Altmayer (2014) 120. Das verbrannte Zelt des Kaisers erwähnen die Historia Augusta (Car. 8,7), Synkellos (S. 472,13) und Zonaras (12,30 S. 611,13–14 CSHB), diese Information fand sich also ebenfalls bereits in der von Eutrop nur verkürzt wiedergegebenen Passage zum Blitztod des Carus in der Enmannschen Kaisergeschichte, vgl. Bleckmann (1997b) 15 ; Altmayer (2014) 131 f. 69 Vgl. Bleckmann (1992) 28 u. 134 ; (1997b) 14–19. 70 Vgl. Straub (1952) 126 f. Zur Darstellung des Todes des Carus als göttliche Bestrafung bei den lateinischen Historikern des 4. Jahrhunderts (Aurelius Victor, Festus und HA) und zu den Unterschieden in den Quellen vgl. auch Antiqueira (2017) 13–20. 71 Eus. or. 25,1–2. Constantin kritisiert in dieser Passage seiner Rede die Christenverfolgung Diocletians, der mit der Niederlegung der Herrschaft den Schaden durch seine Torheit eingestanden habe. Was habe ihm der Krieg gegen unseren Gott genützt ? Diocletian habe nur erreicht, so Constantin, dass er sein restliches Leben in der Furcht zugebracht habe, vom Blitz getroffen zu werden (or. 25,2 : τί δὴ τούτῳ συνήνεγκε πρὸς τὸν θεὸν ἡμῶν τὸν πόλεμον ἐνστήσασθαι ; ἵν’ οἶμαι τὴν τοῦ κεραυνοῦ βολὴν δεδιὼς διαγάγοι τὸν ἐπίλοιπον βίον). Für Constantin fürchtete Diocletian also nach 303 die göttliche Strafe durch einen Blitzschlag. Hier dachten die Zuhörer sicherlich an das spektakuläre Ende des Carus. Vgl. Bleckmann (1997a) 188, Anm. 27 („Vielleicht wurde in der tetrarchischen Propaganda das Ende des Carus, der in seinem Zelt von einem Blitz erschlagen wurde, als Zeichen dafür ausgegeben, dass der Vater des von Diokletian bekämpften Carinus die Ungnade Jupiters auf sich gezogen hatte. Offenkundig karikiert Konstantin einen Zug des Joviertums Diokletians.“) ; Altmayer
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könnte aus einer zeitgenössischen griechischen Quelle stammen und so dann einerseits in die Historia Augusta und andererseits in die byzantinische Überlieferung der sogenannten ‚Leoquelle‘ bei Symeon Magistros und Kedrenos eingegangen sein.72 Ein sonst unbekannter Profanhistoriker namens Eusebios schrieb wohl noch unter Diocletian ein Geschichtswerk von Augustus bis zum Tod des Carus. Ob die zweite Variante über die Krankheit des Carus aus seinem Bericht stammt, kann jedoch nicht gesagt werden.73 Die Hauptquelle der Historia Augusta nach dem Ende der Chronik des Dexippos im Jahr 270 ist unklar ; die Annales des Nicomachus Flavianus aus der Zeit Theodosius’ des Großen sind meines Erachtens wahrscheinlicher als Eunaps Historien.74 Die Variante über den Blitztod des Kaisers in seinem Zelt fand der Autor indes zweifellos in der Enmannschen Kaisergeschichte.75 Ob die Krankheitsvariante in der Carus-Vita aber aus den Annales des Nicomachus Flavianus (die vermittelt über Petros Patrikios wohl zur Grundlage der ‚Leoquelle‘ der byzantinischen Historiker wurden),76 aus einem Geschichtswerk eines unbekannten zeitgenössischen griechischen Historikers (wie Eusebios) oder aus der Phantasie des Autors der Historia Augusta stammt, kann letztlich kaum entschieden werden.77 Die dritte These ist aber meines Erachtens die wahrscheinlichste : Um seinen Lesern zur allseits bekannten Geschichte über den Blitztod eine Variante zu bieten, erfand der Autor alii, andere Historiker, die von einer Krankheit (morbus) gesprochen hätten. Diese angebliche „Historikerdebatte“ um den Tod des Carus gab ihm sodann die Möglichkeit, seine genauen historischen Kenntnisse zu präsentieren und den (2014) 127 (indirekte Anspielung auf den Blitztod des Carus). Die Rede hielt Constantin wohl auf einem Konzil in Nikomedeia im Frühjahr 328, vgl. Bleckmann (1997a) 197–200. 72 So Bleckmann (1992) 134 ; ähnlich Hartke (1940) 138, Anm. 4 ; Altmayer (2014) 123. 73 FGrH 101 T 1 (aus Euagr. hist. eccl. 5,24). Zu Eusebios (PLRE I 301, Nr. 1) vgl. Hartmann (2008b) 907–909 ; Bleckmann u. Groß (2016) 111–141 (Einleitung, Edition und Kommentar). Wie Eusebios den Tod des Carus darstellte, erfahren wir aus dem Testimonium nicht. 74 Vgl. Hartmann (2008c) 31 f. (mit Literatur). 75 Vgl. Barnes (1970) 29 f.; Bleckmann (1997b) 15 f.; Paschoud (2001) 300 u. 352 f.; Savino (2017) 155 f. 76 Vgl. Hartmann (2008c) 36–38 (mit Literatur). Zur ‚Leoquelle‘ vgl. bes. Bleckmann (1992). 77 Die Annales des Nicomachus Flavianus sehen hier als Quelle der Historia Augusta Hartke (1940) 139 f. (das Ktesiphon-Orakel habe Nicomachus Flavianus „in seinem Bericht über Carus eliminiert“) ; ebenso Altmayer (2014) 123 u. 131. Dass es sich bei der Geschichte über die Krankheit des Carus um eine Information aus der ‚Leoquelle‘ handelt, meinen Bleckmann (1992) 134 ; Paschoud (2001) 300 u. 352 f.; ähnlich bereits Patzig (1904) 18 ; Meloni (1948) 107, Anm. 180. Als Erfindung des Autors der Historia Augusta werten die Krankheitsgeschichte dagegen Straub (1952) 126 f. und Kolb (1987) 12, Anm. 26. Nach Kerler (1970) 266, Anm. 36 stammt die Krankheitsversion aus Eunaps Historien.
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Widerspruch in den Quellen mit einer detaillierten, erfundenen Geschichte über den während eines Gewitters an einer Krankheit verstorbenen Kaiser, dessen Zelt durch seine cubiculari in Brand gesetzt worden sei, aufzulösen. Zudem konnte er so noch ein Dokument eines Hofbeamten fabrizieren, um seine vorgeblichen Quellenstudien zu demonstrieren.78 Die Krankheitsgeschichte wurde also wahrscheinlich ebenso wie die alii und der Brief des Iulius Calpurnius an den Stadtpräfekten vom Autor der Historia Augusta erfunden. Hinter den Angaben des Symeon Magistros und des Kedrenos über den Seuchentod steckt wahrscheinlich ebenfalls keine substantielle Information. Seuchen werden für das 3. Jahrhundert in den Quellen zwar oft notiert,79 über eine Pest unter Carus gibt es aber sonst in der Überlieferung keine Angaben. Die beiden über die Kaiserzeit oft schlecht informierten byzantinischen Autoren dürften hier mithin eine erfundene oder auf einer Verwechslung beruhende Angabe aus ihrer Vorlage übernommen haben.80 Auch liegt hier wahrscheinlich keine gemeinsame Quellentradition mit der Historia Augusta vor,81 ist doch zwischen einer „Krankheit“ (morbus) einer einzelnen Person und einer im Heer grassierenden „Seuche“ (λοιμός) zu unterschieden. Was Nicomachus Flavianus in seinen Annales über den Tod des Carus schrieb, lässt sich somit nicht sagen. Die Berichte über eine Krankheit oder über einen Seuchentod in Persien sind jedenfalls unhistorisch. Die Blitzvariante ist damit in jedem Fall die verlässlichste Überlieferung und wird in den Überblickswerken zur römischen Geschichte und zum 3. Jahrhundert 78 Ganz ähnlich verfährt der Autor im Falle des Todes des (fiktiven) ägyptischen Usurpators Firmus (vgl. Hartmann 2001, 403–410) ; auch hier nutzt er ein erfundenes Dokument, um die (erfundene) Position anderer Historiker zu widerlegen : Viele behaupten (multi dicunt), schreibt der Autor, Firmus habe sein Leben mit dem Strick beendet ; doch die Edikte Aurelians erweisen, dass es anders gewesen ist (quadr. tyr. 5,2). Der Autor zitiert dann ein längeres Edikt, das Aurelianus in Rom angeschlagen habe ; in ihm habe der Kaiser dem sehr geliebten römischen Volk verkündet, dass der ägyptische Räuber Firmus von ihm getötet worden sei (quadr. tyr. 5,3–6). 79 Einzelne größere Pestwellen gab es im Reich unter Trebonianus Gallus (Cypr. Demetr. 5 ; 10 ; Cypr. mort. 14 ; 16 ; Orac. Sib. 13,106 ; Aur. Vict. Caes. 30,2 ; Eutr. 9,5 ; Hier. chron. S. 219a a. 2269 ; Epit. de Caes. 30,2 ; Oros. 7,21,5 ; 22,2–3 ; Zos. 1,26,2 ; Ioh. Ant. fr. 151, FHG IV 598 = fr. 228 Roberto ; Zon. 12,21 S. 590,9–13 CSHB), unter Gallienus (Aur. Vict. Caes. 33,5 ; HA Gall. 5,5 ; Zos. 1,37,3 ; vgl. Eus. hist. eccl. 7,21–22) und unter Claudius Gothicus (HA Claud. 11,3 ; 12,2 ; Zos. 1,46 ; Synk. S. 469,20 ; vgl. Porph. v. Plot. 2,7–16). Von einer Pestepidemie über 15 Jahre hinweg (ab Gallus) sprechen Iohannes Antiochenus (fr. 151) und Zonaras (12,21 S. 590,12–13). Vgl. Strobel (1993) 153 f.; 167–170 ; 196–200 ; Groß-Albenhausen (2005). 80 Vielleicht liegt hier eine Verwechslung mit der Pest vor, die im Heer des Valerianus während seines Perserfeldzugs in Edessa wütete : Petr. Patr. fr. 9 (FHG IV 187 = fr. 1, Excerpta de legationibus Romanorum ad gentes S. 3,4–10 de Boor) ; Zos. 1,36, 1 ; Synk. S. 466,9–10 ; Zon. 12,23 (S. 594,2–3 CSHB). 81 Anders Bleckmann (1992) 134 ; Paschoud (2001) 300 u. 352 f.; Altmayer (2014) 123 u. 131.
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auch oft als Todesursache des Carus angeführt.82 Nur kann die Geschichte so nicht stimmen. Abgesehen von der geringen Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet der Kaiser oder das Zelt des Kaisers im Armeelager vom Blitz getroffen wird, gibt es nämlich ein grundsätzliches Problem : Carus starb im Hochsommer unweit des heutigen Baġdād im Irak ; in dieser Zeit gibt es in der Region keine Gewitter und keine Blitze.83 Iupiters Eingriff in die Geschichte ist mithin unhistorisch. Ermordung ist für einen Soldatenkaiser zudem zweifellos ein wahrscheinlicheres Ende als Blitzschlag. Es liegt also nahe zu vermuten, dass hier ein Mordkomplott vertuscht wurde.84 82 Vom Blitztod sprechen etwa Jones (1938) 341 (Anm. 14 : „Lightning struck Carus’ tent, and he perished in the flames.“) ; Lukonin (1969) 116 u. (1979), 6 ; Kerler (1970) 264 ; Halfmann (1986) 242 ; Chastagnol (1994) 1139 f.; Eadie (1996) 73 ; Bleckmann (1997a) 188, Anm. 27 ; Demandt (2004) 1 ; Mosig-Walburg (2009) 57 ; White (2015) 167 ; Rémy (2016) 15 ; Barnett (2017) 114. Zu den Überblickswerken vgl. nur Bengtson (1967) 381 u. 387 ; Bellen (1998) 242 ; Demandt (2007) 58 ; Hekster (2008) 5 ; Ando (2012) 222 ; in Erwägung gezogen von Birley (1997a) 1000 („infolge Krankheit oder Blitzschlag“) ; Schäfer (2014) 841 (Krankheit oder Blitzschlag) ; Kienast u. Eck u. Heil (2017) 248 („infolge Krankheit oder Blitzschlag ? eher fiktiv“). Loriot (2002) 152 f. äußert die Vermutung, dass Carus an einem Ort mit dem Namen „la Foudre“ getötet worden sein könnte. Vom Tod „in mysterious circumstances“ spricht Shahbazi (1989) 516, von „ungeklärten Umständen“ Schippmann (1990) 28, vom Tod „auf ungeklärte Weise“ Luther (2006) 211, von einem „plötzlichen Tode“ Enßlin (1942) 7 ; ebenso Herzfeld (1924) 42 ; Wiesehöfer (2008) 542 ; Weber (2009) 580 ; unsicher über die Todesursache auch Kuhoff (2001) 17 ; Brizzi (2004) 329 ; Antiqueira (2017) 11 f. 83 Vgl. Bird (1976) 125 ; Altmayer (2014) 125 (mit Literatur). Jones (1938) 341 lehnte auf Grund der Berichte über den Blitztod eine Datierung des Ereignisses in den Juli 283 ab : „This story in itself gives us the date for the event. Thunderstorms occur in Mesopotamia frequently during winter months (November-March) and never in July.“ Selbstverständlich können in anderen Jahreszeiten auch in dieser Region Blitze in Zelte einschlagen : Iulius Africanus berichtet in seiner Weltchronik, dass in der Regierungszeit des Kaisers Antoninos (κατὰ τοὺς χρόνους Ἀντωνίνου Ῥωμαίων βασιλέως, Caracalla oder Elagabal sind gemeint) das in Edessa aufbewahrte Hirtenzelt Jakobs durch einen Blitz zerstört worden sei (Synk. S. 123,10–12 = Iulius Africanus, Chronographiae F29 = T99 Wallraff, GCS ; für den Hinweis auf diese Stelle danke ich Bruno Bleckmann). 84 Von einem Mordkomplott gegen Carus sprechen Mommsen (1933) 443 („vermuthlich durch Mörderhand“) ; Henze (1896) 2457 („wahrscheinlich durch Gewaltthat“) ; Schulz (1919) 176 („Komplott“ gegen den kranken Kaiser) ; Mattingly (1939) 322 (wahrscheinlich durch Aper) ; Polverini (1975) 1030, Anm. 70 (Mord durch „un complotto militare“, aber nicht notwendigerweise durch Aper) ; Felix (1985) 100 (Carus sei „im Feldlager während des Zuges getötet“ worden) ; Thordarson (1992) 22 ; Hedlund (2008) 115 f.; ähnlich Potter (2004) 279 (von „senior officers“ im Zelt verbrannt) ; vorsichtig so auch Bivar (1972) 280 (s. u.) ; Roberto (2014) 29 ; Jackson Bonner (2020) 60 (Blitzgeschichte erfunden „to conceal some form of disgrace or mutiny, or perhaps to excuse the soldiers’ fear of advancing deeper into Iran“). Nach Festy (1999) 170, Anm. 4 wurde Carus nach einer Niederlage gegen die Perser ermordet. Vgl. auch Drinkwater (2005) 57 (die offizielle Version über den Blitztod verberge „a more mundane end – caused either by illness or court intrigue“). Ge-
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4. Ein Mordkomplott der Offiziere ?
In der Forschung fragte man daher, wer aus diesem Mord Nutzen zog : Meloni denkt an eine Verschwörung des Prätorianerpräfekten Aper, dem er ein Streben nach dem Kaiserthron unterstellt. Aper habe daher das kaiserliche Zelt im Lager in Brand setzen lassen. Meloni verweist dabei insbesondere auf die Angabe der Historia Augusta über den Plan Apers zur Machtübernahme noch unter Carus.85 Doch kann Aper kaum der Mörder des Carus gewesen sein, auch wenn die lateinische Historiographie der konstantinischen Zeit behauptet, er habe nach dem Tod des Carus und der Regierungsübernahme des Numerianus nach der Herrschaft gestrebt :86 Als nach dem Tod Numerians die Heeresversammlung in Nikomedeia im Herbst 284 zusammentrat, beschuldigte Diocles Aper des Mordes an Numerianus und brachte ihn mit einem Schwertstreich um. Offenbar konnten sich beide Konkurrenten nicht einigen, wer nach Numerians Tod neuer Kaiser werden sollte. Aper wurde so als Mörder Numerians gebrandmarkt und damit vor dem Heer diskreditiert. Diocles warf seinem Konkurrenten Aper jedoch nicht vor, Carus ermordet zu haben. Es fragt sich zudem, was Aper durch einen Mord an Carus im Sommer 283 hätte gewinnen können. Als Schwiegervater des Thronfolgers Numerianus und Prätorianerpräfekt war er bereits der zweite Mann am Hof. Zwar griffen im 3. Jahrhundert Prätorianerpräfekten immer wieder nach der Macht, doch hätte Aper zur Herrschaftsübernahme neben Carus auch seinen Schwiegersohn umbringen müssen. Außerdem hätte ein Usurpator Aper im Sommer 283 einen schwierigen Machtkampf mit dem als Kaiser gut etablierten Carinus fürchten müssen. Aper sah im Sommer 283 somit eher seine Chance darin, der Strippenzieher hinter Kaiser Numerianus zu bleiben. Bird denkt dagegen an eine Verschwörung Diocletians, der während eines Sandsturms Carus ermordet und dann in Nikomedeia im November 284 seinen Komplizen Aper beseitigt habe. Bird verweist zudem auf den Gegensatz zwischen den illyrischen Offizieren und der Herrscherdynastie des Carus aus Narbo, der zu politischen Spannungen geführt habe.87 Aber auch diese These ist nicht plausibel : Warum brachte Diocles nicht auch gleich Numerianus mit um, wenn er Kaiser werden wollte ? War es nicht viel zu riskant, den Kaiser zu beseitigen und desgen ein Mordkomplott wenden sich dagegen Pink (1963) 60 ; den Boer (1972) 219 ; Kolb (1987) 11–15 ; Paschoud (2001) 353 ; Leadbetter (2009) 39 („Deep in Persian territory was the worst possible place to attempt a coup, and hard to justify in face of Carus’ successes“) ; Altmayer (2014) 124. 85 Meloni (1948) 105 f.; 111 f.; 134 ; ebenso Southern (2015) 193. Vgl. HA Car. 8,2. 86 Eutr. 9,18,2 ; Epit. de Caes. 38,5 ; daraus Synk. S. 472,16–17 ; Zon. 12,30 (S. 611,23–24 CSHB). 87 Bird (1976) 125 f. Bird 1976 macht Diocletian für den Tod des Carus, des Numerianus und des Carinus verantwortlich. Gegen eine Verschwörung Diocletians argumentiert Meloni (1948) 137.
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sen Sohn als Augustus zu inthronisieren ? Die Ereignisse nach dem Tod des Carus widersprechen also dem Szenario eines Mordkomplotts, mit dem sich Aper oder Diocletian an die Macht putschen wollten. Kolb lehnt daher eine Verschwörung Apers oder Diocletians ab ; ein solcher langfristiger „Mordplan“ gehöre eher in einen Kriminalroman von Agatha Christie. Kolb zieht dagegen eine Verwundung des Carus in den Perserkämpfen in Betracht und verweist auf die „östliche Tradition“ bei Malalas und Zonaras sowie auf einen ähnlichen Fall bei Gordian III.88 Hier berichten die meisten westlichen Quellen von einem Mordkomplott des schlecht beleumundeten Prätorianerpräfekten Philippus Arabs ; einige byzantinische Zeugnisse und vor allem der Tatenbericht des Perserkönigs Šābuhr deuten jedoch eher darauf hin, dass der Kaiser an den Verletzungen verstarb, die er sich 244 in der Schlacht bei Misiche gegen die Truppen Šābuhrs I. zugezogen hatte. Die römische Überlieferung tilgte also die Schmach einer Niederlage gegen die Perser durch eine Geschichtsfälschung aus dem historischen Gedächtnis.89 Kolb und Winter, der ebenfalls die Perser für den Tod des Carus verantwortlich machen will,90 verweisen zudem auf ein sāsānidisches Felsrelief mit einem Reiterkampf unter dem Grab Dareios’ I. in Naqš-i Rustam bei Persepolis (Abbildung 1) : Zwei sāsānidische Reiter besiegen hier in zwei übereinandergesetzten Szenen in ‚fliegendem Galopp‘ mit einer Lanze einen Gegner. Im oberen Reliefbild stößt der König mit Flügelkrone, Globus und flatternden Diadembändern seinen Feind gerade aus dem Sattel ; das Pferd des Feindes ist bereits zusammengebrochen. Kaum noch zu erkennen ist der verwitterte Standartenträger hinter dem König. Im unteren Reliefbild reiten ein angreifender sāsānidischer Herrscher mit flatternden Diadembändern – vielleicht ebenfalls der König oder eher ein Kronprinz – und 88 Kolb (1987) 12–15. 89 Von einem Komplott des Philippus Arabs berichten Aur. Vict. Caes. 27,8 ; Eutr. 9,2,3 ; Fest. 22,2 ; Hier. chron. S. 217a (a. 2258–2259) ; Amm. Marc. 23,5,17 ; Epit. de Caes. 27,2 ; HA Gord. 29–30 ; Oros. 7,19,5 ; Zos. 1,18,3–19,1 ; Ioh. Ant. fr. 147 (FHG IV 597 = fr. 225 Roberto = fr. 171 Mariev, CFHB) ; Synk. S. 443,6–9 ; Zon. 12,18 (S. 582,1–14 CSHB) ; Syn. Sath. S. 36,25–31 ; Anspielung auch in Orac. Sibyll. 13,19–20. Šābuhr I. berichtet dagegen vom Tod des Kaisers in der Schlacht (ŠKZ § 6–7, pa. 3–4 / griech. 6–9) ; dass ein Kaiser Gordian durch einen Unfall im Perserzug ums Leben gekommen sei, schreiben Zon. 12,17 (S. 580,7–14 CSHB) ; Syn. Sath. p. 36,17–19. Vgl. die Quellenanalysen bei Bleckmann (1992) 72–76 ; Körner (2002) 75–92. Zum Tod Gordians an einer Verletzung aus der Schlacht bei Misiche vgl. bes. MacDonald (1981) ; Kettenhofen (1982) 31 f.; Hartmann (2001) 70 (mit Literatur). Zu diesen ‚Geschichtsfälschungen‘ römischer Historiker, um Niederlagen gegen die Perser im 3. Jahrhundert zu kaschieren, vgl. auch Mazzarino (1971) 663–678 ; Kolb (1987) 12 f.; Porena (2003) 33–36. 90 Kolb (1987) 13 ; Winter (1988) 133 u. 135 f.
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ein Feind mit Stoßlanzen aufeinander zu ; die Lanze des Herrschers ist kurz davor, den Feind zu berühren. Unter dem Pferd des Königs im oberen und des angreifenden Herrschers im unteren Relief liegt jeweils ein besiegter Feind, wobei der Gegner im unteren Bild besser zu erkennen ist. Der bartlose liegende Tote im unteren Relief trägt eine Panzerrüstung und einen Helm mit einem kugelförmigen Kopfputz. Der sāsānidische König wird im Anschluß an Sarre und Herzfeld zumeist als Wahrām II. interpretiert.91 Doch kann der bärtige besiegte Tote am Boden unter dem Pferd des Königs als Kaiser Carus gedeutet werden, wie Winter und Kreucher dies tun ?92 Winter sieht hier einen Hinweis „auf einen sāsānidischen Hinterhalt“, in den Carus „gelockt worden sein könnte“.93 Bivar interpretiert das obere Relief als eine symbolische Darstellung des Sieges Wahrāms II. über Carus, die nicht unbedingt implizieren müsse, dass der König den Kaiser im direkten Kampf getötet habe ; der Tote unter dem Pferd des Königs sei ein anderer besiegter Feind.94 Kolb deutet den Toten unter dem Pferd Wahrāms II. als Numerianus, der an den Verlet91 Zur Deutung des Königs auf dem sāsānidischen Felsrelief Naqš-i Rustam Nr. 7 als Wahrām II. vgl. Herzfeld (1920) 41 f. u. Tafel XXIII (das obere Relief zeige Wahrām II., nicht Wahrām IV.) ; Sarre (1922) 40–42 u. Tafel 82 ; Vanden Berghe (1959) 25 u. pl. 30a ; (1983) 82, Nr. 10 ; pl. 30 ; Porada (1962) 206–208 (im oberen Relief reite Wahrām II. gegen einen römischen Gegner, das untere Relief zeige einen kronlosen Perser, der auf einen Römer zureitet) ; Bivar (1972) 279–281, fig. 11 (Sieg Wahrāms II. über Carus im oberen Relief, Sieg eines unbekannten Prinzen gegen „Hormizd Kūshānshāhānshāh“ im unteren) ; Winter (1988) 133 u. 135 f. (das obere Relief zeige den Sieg Wahrāms II. über Carus, das untere den Sieg des Königs über seinen Bruder Hormizd) ; Shahbazi (1989) 517 (oben Wahrām II. im Kampf gegen Carus, unten Kronprinz Wahrām Sagānšāh im Kampf gegen den Rebellen Hormizd) u. (2004) 469 ; Dimitrov (2007) 35 (Sieg Wahrāms II. über Carus) ; Huyse (2008) 122 (Szene mit symbolischem Charakter) ; Altmayer (2014) 55 u. 112 f. (Sieg Wahrāms II. über Hormizd im oberen Relief, Kampf eines Persers gegen einen römischen Reiter im unteren Relief, ohne einen Sieg darzustellen) ; Mosig-Walburg (2015) 179 (Darstellung der Sieghaftigkeit des König und des Thronfolgers Wahrām ; nach dem Sieg über den Rebellen Hormizd). Anders deutete Sarre das Feldbild noch in Sarre u. Herzfeld (1910) 81–83 u. Tafel VIII u. LI (beide Teile des Reliefs zeigen Wahrām IV., im oberen Teil werde er im Kampf gegen einen Römer dargestellt ; am Boden liege ein Bärtiger mit römischem Helm). Zu diesem Felsrelief vgl. bes. von Gall (1990) 31–34 (mit Literatur). 92 Winter (1988) 133 u. 135 f.; Kreucher (2008) 420. 93 Winter (1988) 133 („Die genauen Umstände seines Todes sind nicht zu klären.“) u. 134 („Es ist nicht anzunehmen, daß Carus im Zweikampf mit Bahrām II. den Tod fand.“ Das Relief spiegele die Überlegenheit der Sāsāniden gegenüber Rom). 94 Bivar (1972) 279 f. (S. 280 : „the Sasanian reliefs … have often to be interpreted as symbolic rather than purely realistic representations of events. Thus, it is not necessary to conclude that the reliefs claim the the Roman died in single combat with Bahrām II. Indeed, the Sasanid may have been justified in claiming some credit for the downfall of the invader, whose death could have been due to assassination, or a coup-de-main.“).
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Abb. 1 : Umzeichnung des Felsreliefs Wahrāms IV. aus Naqš-i Rustam (aus : von Gall [1990] 33, Abb. 4, b-c ; mit freundlicher Genehmigung des Reimer-Mann-Verlags Berlin).
zungen im Perserkrieg gestorben sei.95 Gegen diese Interpretationen sprechen zwei Punkte : Zum einen zeigt das Relief in beiden Teilen einen Sāsāniden im Kampf gegen einen iranischen oder barbarischen Feind ; sowohl die Gegner zu Pferde als auch die besiegten Toten unter den Pferden sind keine Römer. Zum anderen handelt es sich wohl eher um ein Siegesrelief Wahrāms IV. (388–399) aus dem späten 4. Jahrhundert, wie von Gall durch Verweis auf die Individualkrone des Königs im oberen Relief gezeigt hat.96 Wahrām II. war im Sommer 283 nicht am Tigris, er kämpfte nicht gegen die Römer ; die Perser können somit nicht für den Tod des Carus verantwortlich gemacht werden. Sehr unwahrscheinlich ist die Ansicht von Mazzarino. Er verweist auf die Berichte bei Malalas und Zonaras über den Tod des Carus im Kampf gegen die Hun95 Kolb (1987) 13. 96 Von Gall (1990) 32–34. Er vermutet, dass es sich um die Darstellung eines Sieges Wahrāms IV. über einen Hephthalitenkönig handelt. Von Gall meint zudem, dass der Tote unter dem König im oberen Relief einen römischen Helm trage. Der Deutung von Galls widerspricht Mosig-Walburg (2015) 179, Anm. 108. Weber (2009) 597–624 bezieht das Reiterkampfrelief Naqš-i Rustam Nr. 7 zurecht nicht in ihre Betrachtung der Reliefs Wahrāms II. mit ein.
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nen : Da bei beiden Autoren Numerianus den Kampf seines Vaters gegen die Perser fortsetze, hätten beide nur irrtümlich über eine Rückkehr des Carus nach Rom berichtet. Bei den Hunnen habe es sich um „mercenari unni“, also um hunnische Hilfstruppen der Perser gehandelt, Carus sei in Persien nach dem Sieg bei Ktesiphon im Kampf gegen diese Hunnen gefallen. Porena folgt dieser Ansicht. Die römische Niederlage und der Tod des Kaisers in dieser „controffensiva (unnico-)persiana“ seien in der „memoria storica“ der Römer durch die Blitzgeschichte verdunkelt worden ; die Götter, nicht die Perser oder Hunnen habe man so für den Tod des Persersiegers verantwortlich gemacht.97 Der Bericht des Malalas verdient jedoch, wie erläutert, kein Vertrauen. Für hunnische Hilfstruppen der Sāsāniden im 3. Jahrhundert gibt es sonst keine Hinweise. Malalas sagt zudem eindeutig, dass Carus nach dem Sieg über die Perser nach Rom zurückgekehrt und dann in einen „anderen Krieg“ gegen die Hunnen gezogen sei ; er denkt also nicht an den östlichen Kriegsschauplatz, sondern an den Sarmatenkrieg an der Donau.98 Carus fiel somit auch nicht im Kampf gegen hunnische Hilfstruppen der Perser. Die Geschichte vom Blitztod sollte keine römische Niederlage gegen die Sāsāniden oder ihre Hilfstruppen kaschieren. Andere Forscher denken an einen natürlichen Tod des Carus : Pink meint, dass der alte Kaiser Carus an den Strapazen des Krieges oder an „einer Seuche im Heer“ gestorben sei.99 Williams spricht von einem Unfall oder einem Herzinfarkt.100 Kreucher hält es für wahrscheinlich, dass Carus an einer Kriegsverletzung oder einer Krankheit verstarb.101 Auch Altmayer kommt im Ausschlussverfahren zu dem Ergebnis, dass Carus an einer Krankheit, wohl einem plötzlichen und unerwarteten Herzinfarkt gestorben sei,102 der durch die einfachen Soldaten des Expeditions 97 Mazzarino (1980b) 22–25. Der Perserkrieg des Carus sei „la prima apparizione degli Unni nella storia di Roma“ (25) ; Porena (2003) 32 f. 98 Ioh. Mal. 12,34 (S. 233,7–8 CFHB) : ὑποστρέψας δὲ ἐν Ῥώμῃ ἐξῆλθεν ἐν ἄλλῳ πολέμῳ Οὕννων, καὶ ἐσφάγη. Vgl. Anm. 63. 99 Pink (1963) 60 : „Die Sensationsmeldungen vom Blitzstrahl als Strafe der Götter oder von Verschwörung und Mord (natürlich muß bei der HA Aper und Carinus herhalten) kann man beiseite lassen.“ Zweifel an der Geschichte über die Krankheit des Carus bei Hartmann (1982) 66. 100 Für Williams (2000) 33 f. starb Carus unter mysteriösen Umständen. Es habe sich vielleicht um „a genuine accident, such as a heart attack“, gehandelt, doch habe die Atmosphäre der Verdächtigungen im Heerlager schnell Gerüchte über Intrigen entstehen lassen. 101 Kreucher (2008) 419 Von einer natürlichen Todesursache geht auch Leadbetter (2009) 38 f. aus, der sich gegen eine Verschwörung wendet : „At the height of this success, Carus suddenly died. Rumour spoke of fire from heaven, but there is no reason to suspect foul play.“ Sommer (2010) 67 zieht neben einer Krankheit auch eine Meuterei des „eventuell“ von Carus „überstrapazierten“ Heeres in Erwägung. Dafür gibt es aber keine Hinweise. 102 Altmayer (2014) 120–132, bes. 125–128 u. 131 f.
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heeres eine „volkstümliche“ Auslegung als göttlicher Blitzschlag erfahren habe.103 Diocletian habe diese Deutung als Blitztod dann für seine Herrschaftspropaganda im Bürgerkrieg gegen Carinus im Jahr 285 aufgegriffen und als göttliche Bestrafung des Carus uminterpretiert : Die später durch die Enmannsche Kaisergeschichte verbreitete Geschichte über den Tod des Carus „durch einen von Jupiter geschleuderten strafenden Blitz“ sei Teil einer gegen Carinus „gerichteten Kampagne“ Diocletians gewesen, mit der der illyrische Usurpator die göttliche Legitimation des Sohnes des divus Carus in Frage gestellt habe.104 Für Altmayer lässt sich so auch die widersprüchliche Überlieferung in Übereinstimmung bringen : Der Blitztod gehe auf eine Soldatengeschichte zurück, die Diocletian zu einer Legende über die göttliche Bestrafung des Carus ausgebaut habe ; der Tod durch Krankheit dagegen entspreche „dem medizinischen Befund und der Verlautbarung der Söhne des Carus“.105 Die zweite Version sei dann in die Annales des Nicomachus Flavianus eingegangen.106 Diese Erklärung kann aber nicht überzeugen : Wie hätte es Diocletian schaffen können, das Heer und die gesamte Oberschicht ein Jahr nach dem Herzinfarkt des Carus derart erfolgreich davon zu überzeugen, dass der Kaiser vom Blitz getroffen worden sei, selbst wenn es bei einigen Soldaten des Expeditionsheeres entsprechende Gerüchte gab ? Diese spektakuläre Geschichte muss bereits am Tigris von einer Verschwörergruppe im Heer verbreitet worden sein. Eine Erkrankung des Carus am Tigris, ein Fieber, ein Unfall oder eine Verletzung können sicherlich nicht völlig ausgeschlossen werden, dieses Todesszenario 103 Altmayer (2014) 128. Eine derartige Umdeutung einer Krankheit als ein göttlicher ‚Blitz‘ findet sich auch in der zeitgenössischen Literatur. Eusebios (v. Const. 1,58,4) beschreibt den Fiebertod des Christenverfolgers Maximinus Daia als gerechte Strafe Gottes : Maximinus Daia sei von einem „feurigen Geschoß“ Gottes getroffen worden und hingestürzt ; sein Körper sei dann „durch das gottgesandte Feuer“ verzehrt worden (βέλει θεοῦ πεπυρωμένῳ πληγεὶς πρηνὴς ἔκειτο, θεηλάτῳ πυρὶ τὸ πᾶν δαπανώμενος σῶμα). Eusebios verbindet hier also Gottes Feuerpfeil mit einer Fiebererkrankung (Hinweis von Bruno Bleckmann). 104 Altmayer (2014) 126 f. Altmayer verweist dazu auch auf Antoniniani Diocletians aus der Münze Ticinum aus dem Jahr 285/86 mit der Reverslegende iovi conservat. Die Rückseite der Prägungen zeigt einen übergroßen, stehenden Iupiter, der in der linken Hand ein Szepter und in der rechten Hand ein gewaltiges Blitzbündel hält ; links neben dem Gott erkennt man eine winzige, nach links geneigte (fliehende ?) männliche Gestalt (RIC V.2 243, Nr. 220–221 ; neben Iupiter eine „small figure of emperor“). Altmayer deutet die kleine Figur als Diocletian ; die Darstellung müsse „sich auf die von Diokletian bewusst gesteuerte Legende vom Tod des Carus beziehen“ (127). Doch müsste dann die kleine Figur nicht eher Carus darstellen ? Und war diese Darstellung des Blitztodes des Carus für den zeitgenössischen Rezipienten ohne eine erklärende Legende zum ‚strafenden Iupiter‘ überhaupt verständlich ? Zu diesen Prägungen vgl. auch Kuhoff (2001) 45 f. 105 Altmayer (2014) 128. 106 Altmayer (2014) 131.
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ist allerdings eher unwahrscheinlich, da zum einen – wie oben gezeigt wurde – die Quellenvariante über den Tod des Carus an einer Krankheit in der Historia Augusta oder an einer Seuche bei Symeon Magistros und Kedrenos nicht auf verlässlichen Angaben beruht und daher kein Vertrauen genießen kann. Zum anderen wäre in diesem Falle die Erfindung des spektakulären Blitztodes schwer erklärlich : Warum hätten das Offizierskorps am Tigris, kaiserliche Boten und spätere Historiker die unspektakuläre Nachricht vom Krankheitstod des Carus unterschlagen sollen ? Was wollte man dann mit der abenteuerlichen Geschichte über den vom Blitz getroffenen Kaiser verbergen ? Zweifellos sollte diese Version über die Bestrafung des Kaisers durch einen göttlichen Blitz von einer weniger rühmlichen Mordtat ablenken. Carus wurde somit nicht von einem Blitz getroffen und verstarb auch nicht an einer Krankheit oder Seuche, sondern war Opfer eines Mordkomplotts seiner Generäle. Wenn aber Carus von Verschwörern bei Ktesiphon umgebracht wurde, jedoch niemand der Mörder unmittelbar davon profitierte und sich selbst zum neuen Herrscher erhob, ging es offenbar nicht um die Macht im Römischen Reich, sondern um eine andere politische Frage. Vermutlich war das ritterliche illyrische Offizierscorps mit den Plänen des Carus zu einem weiteren Vorstoß nach Persien nicht einverstanden ; die Illyrer beseitigten daher den Kaiser, indem sie vielleicht das kaiserliche Zelt im Lager in Brand setzten.107 Um dann ihre Mordtat vor dem Thronfolger Numerianus, der Expeditionsarmee und dem Westkaiser Carinus zu kaschieren und den Tod des Carus gleichsam als eine göttliche Fügung darzustellen, wurde von der Verschwörergruppe die Blitzgeschichte erfunden : Iupiter habe durch seinen Blitz den siegreichen Kaiser hinter Ktesiphon gestoppt ! Auch das Orakel, nach dem der Kaiser nur bis Ktesiphon siegreich vorstoßen werde, wurde wohl von den Verschwörern nach dem Mord fabriziert, um vor dem Heer eine göttliche Bestrafung des Carus für seine undurchführbaren Pläne zu propagierten : Der Kaiser sei vorgewarnt gewesen und sei nun für seine Hybris von den Göttern bestraft worden.108 Beide Berichte gingen dann in die Geschichtsschreibung 107 Vom Brand des Zeltes berichtete die Enmannsche Kaisergeschichte, vgl. Anm. 68. 108 Denkbar, wenn auch weniger wahrscheinlich ist es, dass Numerianus und die Generäle des Heeres im Sommer 283 Blitz- und Orakelgeschichte vor dem Heer als eine Rechtfertigung für den Abbruch des von Carus geplanten Zuges in das Innere Persiens verkündeten. Die Prophezeiung und die göttliche Bestrafung für den Frevler hätten dann dazu gedient, dem Heer den sofortigen Rückmarsch zu begründen. Ein Weitermarsch hätte zwar reiche Beute versprochen, die meisten Soldaten dürften im Sommer 283 am Tigris aber wohl vor allem die Strapazen unter den ungewohnten klimatischen Bedingungen gefürchtet und eine baldige Rückkehr erhofft haben. Das Heer musste am Tigris sicher nicht erst zur Umkehr überredet werden.
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der tetrarchisch-konstantinischen Zeit ein. Das Motiv der Ruhmsucht des Carus dürfte dagegen erst in der Enmannschen Kaisergeschichte hinzugekommen sein.
5. Die Hintergründe des Mordkomplotts der Generäle
Was spricht für diese Hypothese ? Die ritterlichen Offiziere und protectores stammten seit Gallienus vor allem aus dem illyrischen Raum. Auch die illyrischen Soldatenkaiser Claudius Gothicus, Aurelianus und Probus hatten diese Offiziersgruppe weiter gefördert ; Aurelius Victor und der Autor der Historia Augusta sprechen von einer regelrechten ‚Schule‘ des Aurelianus und des Probus für die zukünftigen ritterlichen duces des Reiches.109 Sie kamen alle aus niedrigen, bildungsfernen Verhältnissen, stammten alle aus dem Donauraum und waren als einfache Soldaten in das ritterliche Offizierscorps aufgestiegen. Zu dieser gut vernetzten Gruppe illyrischer Offiziere, deren pannonische virtus der lateinische Panegyriker von 289 rühmt,110 gehörten auch Diocles und sein späterer Kollege Maximianus,111 die beide am Perserzug des Carus teilnahmen.112 Aper, praeses in Pannonia inferior unter Aurelianus, dürfte ebenfalls Teil dieser Offiziersgruppe gewesen sein.113 Für diese illyrischen Militärs stand seit den 260er Jahren der Schutz der Donaugrenze im Mittelpunkt ihrer Politik. Selbstverständlich musste auch die Integrität des Reiches im Osten gewahrt werden, die Illyrer hatten jedoch kein Interesse an einem Großunternehmen gegen die Perser, das allein dem Prestigegewinn des Kaisers diente und vor allem als Ressourcenverschwendung gewertet wurde. Die nur dem Autor der Historia Augusta bekannte Geschichte, der Prätorianerpräfekt 109 Aur. Vict. Caes. 39,28 ; HA Prob. 22,3 (ex eius disciplina). Vgl. Christol (1997) 191 ; Altmayer (2014) 314 f.; Roberto (2014) 21 f. Zur HA-Passage und den hier genannten Namen vgl. auch Syme (1971) 213 f. u. 219. Zu den ritterlichen Offizieren aus der zweiten Hälfte der Soldatenkaiserzeit vgl. zudem Kuhoff (2001) 426–442. 110 Pan. lat. 10/2,2,2. Vgl. Davenport (2016) 389–392. 111 Zur Herkunft des Diocles vgl. Aur. Vict. Caes. 39,26 ; Eutr. 9,19,2 (aus Dalmatien) ; Epit. de Caes. 39,1 ; Hier. chron. S. 225c (a. 2302) ; Synk. S. 472,19 ; Zon. 12,31 (S. 613,14–16 CSHB). Vgl. Meloni (1948) 138 ; Barnes (1982) 30 f.; Kuhoff (2001) 19–21 ; Leadbetter (2009) 40 ; Altmayer (2014) 136 ; Roberto (2014) 13–17 ; Davenport (2016) 384. Zur Herkunft Maximians : Epit. de Caes. 40,10 (bei Sirmium geboren) ; vgl. Pan. lat. 10/2,2,2 (Pannonia) ; Aur. Vict. Caes. 39,17.26. Vgl. Barnes (1982) 32 ; Leadbetter (2009) 40 ; Davenport (2016) 384. 112 Zu Diocles’ Teilnahme am Carus-Zug : Synk. S. 472,18–19 ; Zon. 12,30 (S. 612,1–2 CSHB) ; Seston (1946) 47 ; Altmayer (2014) 124 ; Roberto (2014) 28 ; Maximian in Persien : Pan. lat. 10/2,2,6 (der Euphrat zeige die vestigia virtutis Maximians) ; Barnes (1982) 32–34 ; Luther (2006) 214 f. 113 So Bird (1976) 126 f. Zu Apers Karriere vgl. Anm. 35.
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Aper habe Carus zu seinem Feldzug ins persische Hinterland angeregt, um den Kaiser ins Verderben zu führen, ist sicher erfunden. Der später von Diocles als angeblicher Mörder Numerians beseitigte Prätorianerpräfekt wird hier zusätzlich angeschwärzt.114 Von Wahrām II. ging 283 keine akute Gefahr für die römische Sicherheit aus, die militärischen Positionen der Römer in Mesopotamia und die Tigris-Grenze waren durch den Carus-Zug gesichert, Ktesiphon war eingenommen und ein Persersieg verkündet worden ; für einen Weitermarsch ins Innere Persiens gab es mithin keinen Grund. Zudem führte das Zusammenziehen von römischen Expeditionsarmeen durch Abberufung von Vexillationen aus bestimmten Grenzzonen in der Mitte des 3. Jahrhunderts zu massiven Barbareneinfällen an den entblößten Abschnitten. So war es nach der Zusammenstellung eines großen Expeditionsheeres gegen die Perser durch Valerian 258/59 zu massiven Einfällen der Franken, Alamannen, Ju thungen sowie Sarmaten und Quaden an Rhein und Donau gekommen, die man bis 261 nur unter großen Mühen zurückschlagen konnte.115 Für die illyrischen Offiziere des Carus bargen also unnötige, langwierige militärische Großunternehmungen gegen die Perser die Gefahr einer erneuten Unsicherheit an den anderen Grenzabschnitten und vor allem an der heimatlichen Donaugrenze. Schließlich scheuten die illyrischen Offiziere sicher auch die großen Probleme eines weiteren Vormarsches ins Sāsānidenreich. Das Vordringen über Ktesiphon hinaus war von Carus wahrscheinlich erst nach seinem Erfolg am Tigris ins Auge gefasst worden, es fehlten vermutlich die nötigen logistischen Vorbereitungen und ausreichender Nachschub ; die Geographie der Region jenseits des Tigris war den Römern außerdem wenig vertraut. Sorgen bereiteten den illyrischen Offizieren sicher auch die klimatischen Bedingungen des Zweistromlandes. Der Plan des Carus war für sie also wenig sinnvoll und letztlich kaum durchführbar. Carus versuchte aber offenbar, sich über diese Bedenken seines Offizierscorps hinwegzusetzen : Die Schwäche seines persischen Gegners, der große Sieg vor Kte114 HA Car. 8,2. Vgl. Paschoud (2001) 352 f. (die erfundene Angabe habe „une fonction apologétique au bénéfice de l’empereur“ ; es handele sich um einen „dédoublement de l’intervention de ce préfet“, der somit nicht nur für den Tod Numerians, sondern auch für den des Carus verantwortlich gemacht worden sei) ; Altmayer (2014) 107. Mattingly (1939) 322 und Meloni (1948) 105 f. halten den HA-Bericht über die Anstiftung Apers dagegen für historisch. Auch Hartke (1951) 218 meint, der Präfekt habe Carus vorwärtsgedrängt, da er das Orakel gekannt habe, „daß ein Weitermarsch über die Stadt hinaus die Katastrophe der Kaiser zur Folge haben würde“. Aper habe sich als Schwiegervater Numerians Hoffnungen auf die Kaiserwürde gemacht, wenn Kaiser und Thronfolger im Osten ausgeschaltet seien. 115 Vgl. bes. Glas (2014) 155–162 u. 219–224.
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siphon und die erfolgreiche Sicherung der römischen Nordgrenze durch seinen Sohn Carinus dürften für Carus hervorragende Voraussetzungen gebildet haben, um durch einen weiteren großen militärischen Erfolg gegen die Perser die Legitimität seiner neuen Herrscherdynastie zu festigen. In einem Fragment des Continuator Dionis heißt es, Carus habe bei Regierungsantritt verkündet, dass er die Kaiserherrschaft übernommen habe, damit es den Persern schlecht gehe.116 Er hatte also bereits zu Beginn seiner Regierung das Vorgehen gegen die mächtigsten Gegner Roms in dieser Epoche in den Mittelpunkt seiner Politik gestellt. Mit einem weiteren Vorstoß ins Sāsānidenreich wollte er nun wohl die Erfolge seiner Vorgänger gegen die Parther übertreffen. Mit der Betonung seiner kaiserlichen Entscheidungsgewalt stieß Carus allerdings offenbar an die Grenzen der Macht eines Soldatenkaisers, der eben nicht selbständig die politische Linie festlegen konnte, sondern auf seine Offiziere Rücksicht nehmen musste. Ob in diesem Konflikt zwischen dem illyrischen Offizierskorps und dem Soldatenkaiser aus Gallien auch die geographische Herkunft eine Rolle spielte, kann nicht sicher gesagt werden ; der Gallier Carus war für die Illyrer aber sicher keiner der ihren.117 Das weitere Vordringen nach Persien über Ktesiphon hinaus, über das Aurelius Victor und der Autor der Historia Augusta berichten,118 stoppten die Offizieren des Carus noch vor dem Abmarsch des Heeres, da der Kaiser bereits am Tigris bei Ktesiphon ermordet wurde.119 Unklar bleibt, was Carus im Sommer 283 nach der Einnahme Ktesiphons eigentlich genau plante : Laut Aurelius Victor und dem Autor der Historia Augusta wurde Carus von Ruhmsucht zu seinem Weitermarsch getrieben, über die konkreten Ziele des Kaisers schweigen die Quellen indes.120 116 Anon. Cont. Dionis fr. 12 (FHG IV 198 = Petr. Patr. fr. 180, Excerpta de sententiis S. 269,23–24 Boissevain) : ὅτι ἅμα τῇ ἀναγορεύσει λέγουσιν εἰρηκέναι τὸν Κάρον ὅτι ἐπὶ κακῷ Περσῶν εἰς τὴν βασιλείαν ἦλθεν. Vgl. Banchich (2015) 132 (Petros Patrikios, F 198) ; vgl. auch Bleckmann (1992) 131 u. 418 (aus der „Leoquelle“) ; Altmayer (2014) 87 u. 97 (Erklärung des Carus mit einem „programmatischen Charakter“) ; vgl. ferner Winter (1988) 129 (übersetzt mit „Zerstörung des Perserreiches“) ; ebenso Winter u. Dignas (2001) 45 (Carus soll mit dem Ziel, „das Perserreich zu zerstören, zum Kaiser ausgerufen worden“ sein). 117 Bird (1976) 126 unterstellt einen „sharp contrast“ zwischen der „Narbonian dynasty“ und den Illyrern. Von einer „Rivalität zwischen den in und um Gallien stationierten Truppen und denjenigen auf dem Balkan“ spricht auch Kuhoff (2001) 432. 118 Aur. Vict. Caes. 38,3 ; HA Car. 8,1. 119 Einen weiteren Vormarsch nach Persien unterstellen Meloni (1948) 106 ; Winter (1988) 133 ; Thordarson (1992) 22 ; Kreucher (2008) 419 ; vgl. Paschoud (2001) 352 f. Altmayer (2014) 107 f. hält die Berichte „vom beabsichtigten weiteren Vorstoß ins persische Kernland“ dagegen für unhistorisch. Aurelius Victor und der Autor der Historia Augusta hätten so nur „den Tod des Carus mit dem Topos von der göttlichen Strafe“ begründen wollen. 120 Aur. Vict. Caes. 38,3 ; HA Car. 8,1.
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Wollte er nach Norden entlang des Tigris oder ins iranische Hochland vorstoßen ?121 Winter vermutet, dass Carus geplant habe, nach Armenien vorzudringen, um dort den aus römischer Sicht rechtmäßigen König Tiridates wieder einzusetzen.122 Eine Passage aus Synesios’ de regno, einer Rede in Constantinopel vor Kaiser Arcadius mit dem Entwurf eines Idealherrschers, kann diese These aber nicht stützen :123 Synesios schildert hier als ein Beispiel für das kriegstüchtige Verhalten früherer Kaiser, die als Soldaten ein einfaches Leben fern des Hofes geführt hätten, detailliert eine Episode aus dem Feldzug des alten, kahlköpfigen Kaisers Carinus gegen den Arsakidenkönig, der gegen Rom gefrevelt habe.124 Carinus sei auf seinem Zug gegen die Parther an der armenischen Grenze im römischen Lager von parthischen Gesandten besucht worden, die sich über den genügsamen Herrscher gewundert hätten, der auf einer Wiese ohne Leibwache liegend seinen Erbsenbrei wie ein gewöhnlicher Soldat gegessen habe. Schließlich sei sogar der eitle junge Perserkönig mit Tiara und Kandys voller Furcht zu Carinus gekommen, der nur einen Filzhut und einen Chiton aus schlechter Wolle getragen habe.125 Für diese merkwürdige Geschichte gibt es in der Überlieferung sonst keine Parallele ; sie stellt wohl eine von Synesios erfundene Anekdote dar, wobei er vielleicht ein historisches Exemplum zu Herrschertugenden aus dem Rhetorikunterricht variiert hat.126 Anachronistisch wird der Sāsānidenherrscher hier als „Arsakide“ bezeichnet ; zudem hat Synesios offenkundig den alten Kaiser Carus mit seinem Sohn Carinus verwechselt, der sich nie im Orient aufhielt.127 Diese erfundene Anekdote 121 Williams (2000) 33 zieht in Erwähnung, dass Carus Persien erobern wollte : „The siren spell of Alexander lured them (die Römer – U.H.) on to annex huge, perfectly useless salients of territory.“ Er sagt dann aber : „What Carus intended will never be known, because very suddenly he died.“ 122 Winter (1988) 130 f. u. 133 („Der plötzliche Tod des Carus verhinderte ein weiteres Vordringen, das wohl auch Armenien zum Ziel hatte.“) ; vgl. dagegen Kettenhofen (1995) 66, Anm. 411. Altmayer (2014) 113 f. schreibt diesen Armenien-Plan Numerianus zu. 123 Synes. de regno 16 (S. 36,4–38,8 Terzaghi). 124 Synes. de regno 16 (S. 36,4–5) : λέγεται δή τινα ἐκείνων στρατείαν μὲν ἄγειν ἐπὶ τὸν Ἀρσακίδην εἰς Ῥωμαίους ὑβρίσαντα. Kaiser Carinus wird erst an späterer Stelle, in S. 37,8 (τὸν Καρῖνον ὑπὸ τῆς πρεσβείας ὀφθῆναι) und S. 37,17, genannt. 125 Synes. de regno 16 (S. 38,6–8) : ἀφικέσθαι δὲ τὸν βασιλέα τὸν ἀλαζόνα κατορρωδήσαντα, πάντα εἴκειν ἕτοιμον ὄντα, τὸν ἐν τιάρᾳ καὶ κάνδυι τῷ μετὰ χιτῶνος φαύλων ἐρίων καὶ πίλου. 126 Vorlage war vielleicht die Anekdote über das Treffen des Spartanerkönigs Agesilaos mit dem persischen Satrapen Pharnabazos auf einer Wiese an einem Baum in Kleinasien, die Plutarch (Agesil. 12) beschreibt, vgl. Lacombrade (1951) 57, Anm. 101. 127 Auf Carus und seinen Perserzug beziehen die Passage etwa Volkmann (1869) 32 ; Mommsen (1933) 442 ; Straub (1943) 280 f.; Chaumont (1969) 101 u. (1976) 183 ; Mazzarino (1980b) 24, Anm. 21 ; Felix (1985) 102 ; Winter (1988) 131 ; Kettenhofen (1995) 66, Anm. 411 ; Loriot (2002) 152 ; Dimitrov (2007) 31 ; Altmayer (2014) 113 u. 227 f. Unwahrscheinlich ist die These, Synesios
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kann jedenfalls keine Kämpfe unter Carus in Armenien bezeugen, weder Carinus noch Carus waren in dieser Region. Auch das Lob des Sidonius Apollinaris für den Kaiser aus Narbo im Gedicht auf Consentius, Carus’ Legionen hätten im Perserfeldzug den Niphates durchwandert, ein Gebirge an der Grenze zwischen Armenien und der Gordyene südlich des Van-Sees, bleibt problematisch. Der gallische Dichter verfügte in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts sicherlich nicht mehr über ausführlichere Berichte für den Carus-Feldzug. Vermutlich greift Sidonius Apollinaris hier lediglich ein Motiv aus den Oden des Horaz auf.128 Für Kämpfe an der armenischen Grenze im Jahr 283 liegen somit keine sicheren Zeugnisse vor.129 Vermutlich wollte Carus im Sommer 283 also eher in die Adiabene und nach Medien vorstoßen (wie einst Avidius Cassius und Caracalla) ; offenbar suchte er die große Konfrontation mit den Sāsāniden und ihrem jungen, geschwächten König. Der Gedanke der imitatio Alexandri wird in der Überlieferung zwar nirgendwo erwähnt, könnte aber bei Carus ebenfalls eine gewisse Rolle gespielt haben. Solche weitreichenden Pläne brachten seine illyrischen Generäle aber in arge Besorgnis vor den logistischen Problemen des Zuges und den langfristigen Gefahren einer offensiven Perserpolitik, so dass sie keinen anderen Ausweg sahen, als Carus im Lager am Tigris nördlich von Ktesiphon zu beseitigen. spreche hier von einem Perserzug des Probus, so aber Druon (1859) 159 ; von Gutschmid (1877) 50 f.; Terzaghi (1944) 36 ; Meloni (1948) 95 f. (die Episode „appartenga alla spedizione di Caro o piuttosto, come pare più probabile, a quella di Probo“) ; Lacombrade (1951) 56, Anm. 100 (eher Probus gemeint) ; Garzya (1989) 418, Anm. 68 ; Lamoureux u. Aujoulat (2008) 116, Anm. 98 (eher Probus als Carus gemeint). Die Glaubwürdigkeit des Carus-Bildes des Synesios diskutiert Altmayer (2014) 227 f.; vgl. auch Loriot (2002) 152. Zu dieser Anekdote vgl. auch Lacombrade (1951) 100 f. 128 Sidon. carm. 23 (ad Consentium), 93–94 (Anm. 51). Vgl. Meloni (1948) 100 ; Chaumont (1976) 183 f.; Altmayer (2014) 113. Horaz besingt um 27/26 v. Chr. die Siege des Augustus im Osten und die Gletscher des Niphates, die nun von Rom unterworfen seien (carm. 2,9,19–20 : cantemus Augusti tropaea / Caesaris et rigidum Niphaten …). Vgl. Verg. georg. 3,30–31 (addam urbes Asiae domitas pulsumque Niphaten / fidentemque fuga Parthum versisque sagittis). 129 Aus diesen beiden Passagen (oder nur unter Bezug auf Synesios) wird zuweilen auf Kampfhandlungen zwischen Römern und Persern in Armenien unter Carus geschlossen, so etwa Mommsen (1933) 442 (Carus sei zuerst nach Armenien gezogen, dann erst gegen Ktesiphon) ; Felix (1985) 102 (Kämpfe an der armenischen Grenze) ; Winter (1988) 130 f. (Carus habe in Armenien „Erfolge“ gegen die Perser verzeichnen können) ; Cameron u. Long (1993) 105, Anm. 2 ; Dimitrov (2007) 35 (kurze römische Besetzung Armeniens „as preventive measure against possible counteroffensive by the enemy“) ; Sommer (2010) 66 (ohne Quellenbeleg) ; vgl. dagegen Chaumont (1969) 101 f. u. (1976) 183 f. (die Angaben bei Synesios und Sidonius über Kämpfe in Armenien sind unglaubwürdig). Vgl. dazu ferner Kettenhofen (1995) 66, Anm. 411 (Marsch des Carus nach Persien durch „das Bergland Kurdistāns“) ; Porena (2003) 33 (Zug über Armenien) ; Altmayer (2014) 113 f. u. 119 (erst Numerianus sei 284 nach Armenien marschiert).
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Seine militärisch bislang erfolgreich agierende Dynastie wurde jedoch nicht ausgeschaltet : Nach dem Tod des Carus rief das Heer vielmehr einhellig Numerianus zum neuen Augustus aus ; Carus wurde konsekriert.130 Die Triumphe der beiden Söhne des divus Carus an Rhein und Tigris und mithin die Wiederherstellung der römischen Weltherrschaft rühmte in der ersten Hälfte des Jahres 284 der Dichter Nemesianus von Karthago im Proömium seiner Cynegetica. In einer geplanten Dichtung wollte er die Siege des Carinus im Norden besingen und zugleich schildern, wie dessen Bruder Numerianus „das Innerste Persiens und die alten Burgen von Babylon einnahm und dabei die Verletzungen rächte, die der hohen Würde des Reiches des Romulus zugefügt worden waren.“ Auch werde er von der feigen Flucht der Parther berichten, die ihre Pfeile nicht abgeschossen hätten.131 Mit der Besetzung der Residenz Ktesiphon durch Carus und seinen Sohn Numerianus war dieses Ziel der Rache für die römischen Niederlagen gegen die Sāsāniden in der Mitte des 3. Jahrhunderts für die illyrischen Militärs allemal erreicht und der römische Weltherrschaftsanspruch im Osten hinreichend durchgesetzt. Ins Innere Persiens wollten sie Kaiser Carus nicht folgen.132 130 Zur Konsekration des Carus vgl. Meloni (1948) 118 f.; Pink (1963) 14 f. u. 60 (zu den Konsekrationsprägungen) ; Altmayer (2014) 130 f. 131 Nemes. Cyneg. 63–75 ; 71–75 (Williams) : … utque intima frater / Persidos et veteres Babylonos ceperit arces, / ultus Romulei violata cacumina regni ; / inbellemque fugam referam clausasque pharetras / Parthorum laxosque arcus et spicula nulla. Vgl. den Kommentar bei Jakobi (2013) 85–91 ; vgl. auch Meloni (1948) 103 u. 124 f.; Altmayer (2014) 27 f. u. 97. Zum Begriff cacumen vgl. Wernsdorf (1780) 97 (zu 73 : „fastigium et maiestaten [sic !] imperii Rom.“) ; Volpilhac (1975) 98 („la majesté de l’empire de Romulus“) ; Jakobi (2013) 90 ; Altmayer (2014) 97 (mit den „an den ‚Spitzen‘ der Herrschaft der Söhne des Romulus“ verübten Gewalttaten meine Nemesianus Valerian und die „Majestät des römischen Volkes insgesamt“) ; anders Luther (2006) 211 f. (cacumina deuten auf „geschädigte Personen“, auf die Kaiserfamilie oder auf Carus und Valerian). Mit Babylon spielt der Dichter auf die von Carus eingenommene Residenz Ktesiphon an, vgl. Jakobi (2013) 90 ; Altmayer (2014) 27 u. 106. Von einer Besetzung Babylons sprechen dagegen Syvänne u. Maksymiuk (2018) 115. Nemesianus spricht somit über die Erfolge im Perserzug des Carus (vgl. Volpilhac (1975) 113, Anm. 40), die Passage kann keinen zweiten Feldzug Numerians gegen die Perser im Jahr 284 bezeugen (anders Luther (2006) 212 ; Altmayer (2014) 116 f.). Die Cynegetica entstanden, als in der ersten Hälfte des Jahres 284 ein Triumphzug der beiden kaiserlichen Brüder in Rom zu erwarten war, Numerianus befand sich also auf dem Rückzug aus Persien. Das Epos auf die beiden siegreichen Kaiser hat Nemesianus dann aber sicher nicht mehr verfasst. 132 Das zu einer künstlerischen Verarbeitung an sich einladende Motiv des Blitztodes des Carus in Persien fand in der Rezeptionsgeschichte in Mittelalter und Neuzeit wenig Beachtung : In einem um 1410 in Paris entstandenen Manuskript der zweiten französischen Übersetzung von Boccaccios De casibus virorum illustrium durch Laurent de Premierfait für den Duc de Berry (Des cas des nobles hommes et femmes, um 1409) findet sich eine Miniatur (dem Maître de Luçon zugeschrieben), die den von Boccaccio kurz erwähnten Blitztod des Carus am Tigris illustriert : Carus
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Postscriptum
Nicht mehr eingearbeitet werden konnten die Publikationen seit 2019. Peter Edwell (Rome and Persia at war. Imperial competition and contact, 193–363 CE, Abingdon [2020], 125f.) spricht vom Tod des Carus durch einen Blitzschlag. Ilkka Syvänne (Aurelian and Probus. The Soldier Emperors who saved Rome, Barnsley [2020]) vermutet, dass Carus über Armenien und den Tigris abwärts nach Ktesiphon und Babylon vorgestoßen sei (219–224). Den Blitztod des Carus hält er für wahrscheinlicher als ein Mordkomplott der Generäle (224). Hartwin Brandt (Die Kaiserzeit. Römische Geschichte von Octavian bis Diocletian, 31 v. Chr.–284 n. Chr., München [2021], 552) meint, Carus sei „durch Blitzschlag (was wenig plausibel klingt) oder durch Krankheit“ verstorben.
in einem langen blauen Gewand mit Krone und Schwert in der Hand sitzt auf seinem Thron vor seinem weißen Kriegszelt auf grünem Rasen und wird von einem Blitz aus silbernen und roten Strichen aus einer Wolke an der rechten oberen Ecke des Bildes getroffen ; seine gepanzerten Soldaten blicken mit Schrecken in den Himmel. Ein Turbanträger mit einer Art phrygischer Mütze, der am rechten Rand von hinten dargestellt wird, und ein silberner Fluß am unteren Rand des Bildes deuten auf den Ort des Geschehens hin. Neben der Miniatur findet sich in roter Tinte die Erklärung : „Fulgura Aurelianu[m] perterruit, et Carum occidit“ (Des cas des nobles hommes et femmes de Jean Boccace ; Bibliothèque de Genève, Ms. fr. 190/2, fol. 112v, vgl. http://www.e-co dices.unifr.ch/fr/bge/fr0190–2//112v ; Stand : 13.01.2018). Eine ähnliche Vignette findet sich in einem weiteren Pariser Manuskript der Boccaccio-Übersetzung von Laurent de Premierfait, das kurz darauf (um 1410/11) für den Duc de Bourgogne angefertigt wurde ; der Blitz streut hier indes über die ganze Armee und sieht eher wie Regen aus (Le livre de Jehan Boccace des cas des nobles hommes et femmes ; Paris, Bibliothèque de l’Arsenal, Ms. 5193, fol. 321v, vgl. http://gallica. bnf.fr/ark:/12148/btv1b55009572g/f648.image ; Stand : 13.01.2018). Vgl. Hedeman (2008) 72– 75 (mit fig. 39–40). August von Platen (1796–1835) schrieb während seines Italienaufenthalts in Sorrent im Juni/Juli 1830 die Ballade „Der Tod des Carus“ (August von Platen, Gesammelte Werke, Stuttgart u. a. 1839, 34), in der Carus’ Ende durch einen von Iupiter gesandten Blitz zum Sinnbild für den Untergang Roms wird. Am Ende der Ballade klagen die Legionäre des Carus, die kurz zuvor mit Siegesgesang gegen die Perser gezogen sind : „Götter haben uns gerichtet, Untergang ist unser Theil ; / Denn des Kapitols Gebieter sandte seinen Donnerkeil ! / Untergang und Schande wälzen ihren uferlosen Strom : / Stirb und neige dich, o neige dich zu Grabe, hohes Rom !“ Die Ballade entstand nach der Lektüre von Edward Gibbons History of the Decline and Fall of the Roman Empire, die Hauptbeschäftigung von Platens im Sommer 1830 im süditalienischen Seebad, wie der Dichter in seinem Tagebuch am 14. Juli 1830 festhielt : „Ausbeute hat es mir übrigens keine geliefert, eine Romanze ausgenommen : ‚Der Tod des Carus‘.“ (Die Tagebücher des Grafen August von Platen, aus der Handschrift des Dichters, Bd. 2, hrsg. v. Georg v. Laubmann u. Ludwig v. Scheffler, Stuttgart 1900, 921). Eine italienische Version dieser Ballade dichtete der Philologe Cesare De Lollis (1863–1928) unter dem Titel „La morte di Caro“ (De Lollis, Cesare, Reisebilder e altri scritti, Bari 1929, 149 f.).
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Bruno Bleckmann (Universität Düsseldorf )
Der Bericht des Petros Patrikios über den Frieden von 298 Eine historiographische Analyse Zusammenfassung : Der Beitrag analysiert den Bericht, den Petros Patrikios über den 298 n. Chr. zwischen Galerius und Narses abgeschlossenen Frieden gibt. Das Werk des Petros Patrikios ist nur in Teilen erhalten ; zwei Fragmente informieren über den Friedensschluss. Untersucht wird, ob die Informationen, die Petros gibt, auf Archivmaterial beruhen könnten, das dem Autor zugänglich war, und in wie weit Petros den historiographischen Traditionen des 4. Jahrhunderts folgt. Die Zuverlässigkeit seines Berichts erweist sich an den Amtstiteln, die Petros den persischen Verhandlungsführen zuschreibt. Zugleich folgt Petros in seiner Darstellung des siegreichen Galerius aber auch den Gewohnheiten der spätantiken Geschichtsschreibung. Abstract : The article analyses the report given by Petros Patrikios on the peace concluded between Galerius and Narses in 298 AD. The work of Petros Patrikios is only preserved in parts ; two fragments provide information about the peace agreement. It is examined whether the information Petros gives could be based on archival material that was accessible to the author, and to what extent Petros follows the historiographical traditions of the 4th century. The reliability of his account is demonstrated by the titles of office that Petros ascribes to the Persian negotiating leaders. At the same time, however, Petros follows the habits of late antique historiography in his account of the victorious Galerius.
1. Einleitung
Größere historiographische Berichte über die Zeit der Tetrarchie existieren bekanntlich nicht mehr. Was Ammian erzählt hat, ist bis auf wenige Rückverweise verloren gegangen. Durch eine bedauerliche Lücke bei Zosimos lässt sich nicht erkennen, was Eunapios über Diokletian und seine Kollegen berichtet haben könnte. Aus diesem Grunde haben zwei Fragmente des Petros Patrikios über die Friedensverhandlungen von 298 eine Bedeutung, die weit über die dort erhalte-
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nen, an sich schon gewichtigen Informationen reicht. Sie sind nämlich der einzige Rest einer ursprünglich reichen historiographischen Tradition, die im größeren Maßstab zu Diokletian berichtete. In den folgenden Betrachtungen soll es weniger um eine Feinanalyse der Friedensgespräche und Regelungen von 298 gehen als um die Frage, wie das Geschichtswerk des Petros Patrikios aussah, aus welcher Traditionsschicht es schöpfte und welches Bild der Tetrarchie in dieser Traditionsschicht greifbar ist.
2. Das Geschichtswerk des Petros Patrikios
Petros Patrikios war lange Zeit unter Justinian magister officiorum.1 Aus einer illyrischen Familie stammend, war er sowohl in der lateinischen Sprache als auch – als Mitglied der Konstantinopolitaner Elite – im Griechischen beschlagen. Justinian setzte ihn in den dreißiger Jahren des sechsten Jahrhunderts in diplomatischer Mission in Italien ein. Im Jahre 561/562 führte er die römische Gesandtschaft, die mit dem Sasanidenherrscher Khosrau I. den sogenannten 50-jährigen Frieden auszuhandeln hatte. Seinen Aufzeichnungen über seine diplomatischen Aktivitäten verdankt Menandros Protektor im Kern seine detaillierte Darstellung des Friedensvertrags von 561.2 Ferner sind einige der Protokolle des Petros Patrikios, die dieser zu Zeremonien am oströmisch-byzantinischen Kaiserhof verfasst hat, bei Konstantinos Porphyrogennetos erhalten geblieben.3 Petros hat aber – neben einem Traktat zur Staatsverfassung – auch ein Geschichtswerk mit dem Titel Historiai geschrieben, wie aus der Suda bekannt ist.4 Dass die Stücke, die in den konstantinischen Gesandtschaftsfragmenten einem „Petros“ zugeschrieben werden, aus eben diesen Historiai stammen, unterliegt aufgrund ihres historischen Inhalts keinen Zweifeln. Insgesamt besitzt man achtzehn Fragmente, die über Episoden der römischen Geschichte von Augustus bis zu Constantius II. berichten. Die Frage, ob neben den Stücken der Excerpta de Legationibus auch die anonymen Stücke aus den Excerpta de Sententiis Petros Patrikios zuzuweisen sind,5 möchte ich an dieser Stelle zunächst auf sich beruhen 1 Vgl. die Testimonien Martolini (2009) 138–144 ; Banchich (2015) 17–22. Udo Hartmann danke ich für Literaturhinweise. 2 Menandros Protektor Frg. 11 und 12 Müller. 3 Sode (2004). 4 Suda π 1406. 5 Diese Fragmente des Anonymus post Dionem oder Continuator Dionis werden mit guten Gründen als Fragmente des Petros Patrikios herausgegeben bei U. Ph. Boissevain, Dionis Cocceiani historia-
Der Bericht des Petros Patrikios über den Frieden von 298
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lassen : Für die Frage nach der zeitlichen Begrenzung des Geschichtswerks ändert sich mit dieser Zuweisung ohnehin nicht viel, da letztere bereits mit Konstantin schließen. Bezieht man noch weitere, mit der Tradition des Petros verwandte Stücke der byzantinischen Tradition ein (sogenannte „Leoquelle“), dann mag auch die Regierung Julians und vielleicht sogar des Valentinian und Valens von Petros behandelt worden sein. Hinweise, dass dieses Geschichtswerk über das vierte Jahrhundert hinausreichte, gibt es jedenfalls nicht. Wir haben es also hier mit einem Stück Historiographie zu tun, das aus der Perspektive des sechsten Jahrhunderts Ereignisse des ausgehenden dritten und beginnenden vierten Jahrhunderts beschreibt. Die Zeitspanne zwischen den Jahren, über die der Autor berichtet, und den Jahren, in denen er selbst schreibt, beträgt damit weit über zweihundert Jahre. Petros kann nun entweder eine historiographische Quelle ohne größere Veränderungen exzerpiert oder aber einen völlig neuen Bericht aus verschiedenen Materialien komponiert haben, darunter auch aus Archivmaterial. Letzteres hat man deshalb vermutet, weil solches Archivmaterial des Petros sich in der Überlieferung bei Menandros oder im Zeremonienbuch erhalten hat und die Annahme naheliegt, dass Petros als magister officiorum einen Zugang zu Archivalien der älteren Epoche gehabt haben könnte.6 Dieser Annahme kann man die These gegenüberstellen, dass Petros eine historiographische Tradition aus dem vierten Jahrhundert reflektierte, und dies anhand einer Betrachtung der Fragmente 13 und 14 Müller, die die ausführlichsten Zeugnisse zur Diplomatiegeschichte in der Zeit Diokletians darstellen, darlegen. Um einige Argumente im Sinne der zuletzt genannten These soll es im Folgenden gehen.
3. Die Fragmente 13 und 14
Beide Fragmente schildern die Verhandlungen nach dem großen Sieg, den Galerius 297 oder 298 in Armenien davongetragen hatte und bei dem er in den Besitz der Schätze und des Harems des Sasanidenherrschers Narses gelangt war.7 Insbesondere die Gefangennahme seiner Angehörigen zwang den Narses, um die Aufnahme von Friedensverhandlungen zu bitten. Das Fragment 13 beschreibt eine rum quae supersunt, Bd. III., Berlin 1901, 741–749. Zur Diskussion um die Identifizierung Bleckmann 1992 ; Martolini 2008–2009. Banchich 2015 übernimmt das Verfahren von Martolini, der die Fragmente aus De sententiis mit denen aus De legationibus kombiniert hat. 6 Vgl. z. B. Mosig-Walburg (2009) 123. 7 Die Kampagne führte von Satala aus nach Armenien, vgl. Winter (1988) 159 f. Mosig-Walburg (2009) 116 f. mit Aur. Vict. 39,34 f.; Eutr. 9,25 ; Ruf. Fest. 25,2 f.
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erste Begegnung zwischen Galerius und einem von Narses entsandten Würdenträger Apharban, in der es zwar zu einem heftigen Wutausbruch des Galerius kommt, gleichwohl die Friedensgespräche auf den Weg gebracht werden. Fragment 14 beschreibt anschließend, wie Diokletian und Galerius von Nisibis aus eine Gesandtschaft zum Perserkönig schicken und wie diese Gesandtschaft auf Geheiß der Kaiser dem Perserkönig die Friedensbedingungen diktiert. Beide Stücke geben die Verhandlungen in direkter oder in indirekter Rede wieder. Sie sind in ähnlich kunstvoller antilogischer Weise komponiert wie die vielen Darstellungen solcher diplomatischen Aktionen in anderen Texten des sechsten Jahrhunderts, etwa bei Prokop oder vor allem in der Geschichte des Menandros Protektor. Typisch ist, dass die Unterredung in ausführlicheren direkten Reden, in etwas knapperen indirekten Reden, aber auch nur in Inhaltsangaben wiedergeben wird. Im Anschluss an den Austausch von Reden und Gegenreden werden dann die jeweiligen Entscheidungen dargestellt : In Fragment 13 entscheidet sich Galerius trotz seines Zornausbruchs dafür, den Persern den erbetenen Frieden zu gewähren und die Weichen für weitere Verhandlungen zu stellen. In Fragment 14 geht es darum zu zeigen, wie Narses nach Hinhalteversuchen und nach einem Versuch, zumindest in einem Punkt eine Modifikation zu erreichen, letztlich nachgibt. Die relative Komplexität der historiographischen Darstellung wird besonders im Fragment 13 deutlich, in der Art und Weise, in der die Argumente der Kontrahenten gegenübergestellt werden. Zunächst äußert Apharban die Bitte um Gnade und argumentiert in einer direkten Rede : Apharban wurde, da er besonders eng mit Narses, dem König der Perser, befreundet war,8 als Gesandter ausgeschickt und traf bittflehend auf Galerius. Er erhielt die Erlaubnis, offen zu reden, und sagte : „Es ist dem Menschengeschlecht klar, dass die römische und die persische Monarchie gleichsam zwei Leuchten sind. Und wie Augen so muss die eine durch den Glanz der anderen geschmückt werden und keine darf die andere bis zur Vernichtung feindlich behandeln. Das nämlich wird weniger für Tugend denn für Leichtsinn oder Zügellosigkeit gehalten werden. Denn nur diejenigen die glauben, dass die Schwächeren nicht nützen können, eifern danach, die Gegner zu vernichten.“
Das Ende der Rede des Apharban wird dann abgekürzt und der Autor präsentiert die letzten Ausführungen nur noch in indirekter Rede :
8 „Freundschaft“ im Sinne einer hochrangigen Würde in Entsprechung zu comites in der Spätantike.
Der Bericht des Petros Patrikios über den Frieden von 298
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Aber Galerius überrage in einem solchen Maße die übrigen Kaiser, dass Narses von diesem allein zu Recht besiegt sei, auch wenn dieser keineswegs an Würde den eigenen Vorfahren nachstehe. Zusätzlich sagte Apharban, er sei ihm von Narses aufgetragen, dieser halte es für billig (?), das, was für die eigene Königsherrschaft gerecht sei, der Menschenfreundlichkeit der Römer anzuvertrauen. Daher bringe er auch nicht die Eide vor, unter denen der Frieden geschlossen werden müsse, sondern überlasse die Entscheidung über alles dem Urteil des Kaisers, außer dass er ihn allein darum bitte, ihm die Kinder und die Frauen zurückzugeben, wobei er sagte, dass er durch deren Rückgabe stärker den Wohltaten verpflichtet sei, als wenn dieser mit Waffen überlegen sei. Nicht einmal jetzt vermöge er nach Gebühr Dank zu erstatten, da die in Kriegsgefangenschaft Befindlichen keine Erfahrung mit Übergriffen gemacht hätten, sondern so behandelt würden wie der eigene Adel, solange sie noch nicht zurückgegeben seien.
Der weitere warnende Hinweis auf die Unbeständigkeit menschlicher Verhältnisse wird nur noch im Referat wiedergegeben : „In dieser Rede rief er auch den Wandel der menschlichen Dinge in Erinnerung.“ Petros schildert anschließend die emotional-zornige Reaktion des Galerius und lässt, nachdem er die Ansprache des Apharban zunächst in direkter, dann in indirekter Rede eingefügt hat, nun umgekehrt Galerius in indirekter Rede beginnen : Galerius schien darüber in Zorn zu geraten, wobei er mit seinem gesamten Körper in Wallung war, und er antwortete, indem er sagte, dass die Perser in unschöner Weise darum bäten, dass andere sich an den Wandel der menschlichen Geschicke erinnerten, da sie selbst, wenn sie die Gelegenheit erhielten, nicht aufhörten, weiter auf das Unglück der Menschen zu treten.
Nur ein kurzes Stück ist dann erneut in direkter Rede eingefügt, um den Sarkasmus und die bitteren Anklagen des Galerius zu illustrieren : Sehr schön habt ihr nämlich unter Valerian das Maß des Sieges gewahrt, ihr, die ihr ihn durch Listen betrogen und gefangen habt ! Bis ins letzte Greisenalter und bis zum ehrlosen Tod habt ihr ihn nicht freigelassen, sondern nach seinem Tod durch eine frev lerische Kunst seine Haut konserviert und so einem sterblichen Körper unsterbliche Schmach zugefügt.
Das Ende der Rede des Galerius wird dann in indirekter Rede zusammengefasst und der Autor leitet anschließend zu den Entscheidungen des Galerius über, der
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den Persern in Aussicht stellt, dass Gesandte für die Friedensverhandlungen zum Oberkaiser kommen dürften : Nachdem der Kaiser das ausgeführt hatte und er gesagt hatte, dass es sich zwar zieme, auf die menschlichen Schicksale zu achten (deshalb zieme es sich auch eher zornig zu werden, wenn man auf das, was die Perser getan hätte, herabsehe), aber dass man selbst den Spuren der eigenen Vorfahren folgen müsse, bei denen es Sitte sei, die Untertanen zu schonen, aber die Widersacher niederzukämpfen. Daher befahl er dem Gesandten dem eigenen König von der Tapferkeit der Römer zu berichten, deren Tüchtigkeit er erfahren hatte, und daneben zu hoffen, dass sie sehr viel später nach Ermessen des Kaisers kommen dürften.
Eine ähnliche Struktur weist das Fragment 14 auf, ohne dass dies an dieser Stelle im Detail dargelegt werden muss. Da dieser Wechsel von direkter Rede und indirekter Rede, wie bereits hervorgehoben, auch für die Gestaltung bei Prokop oder Menandros typisch ist, sie aber in ihrer Art und Weise bereits bei Herodot ausgebildet ist, dürfte es ziemlich sicher sein, dass hier nicht der Redaktor der Excerpta de legationibus in den Text eingegriffen und in ungeduldiger Weise zu lange direkte Reden zusammengefasst hat. Vielmehr liegt hier eine stilistisch durchgestaltete Darstellung der Gesprächsführung vor, die bereits Charakteristikum des Geschichtswerks des Petros war, das hier alle Möglichkeiten der historiographischen Prosa entfaltete. Diese Reden enthalten beispielsweise Gnomen,9 bei denen allerdings nicht entschieden werden kann, ob sie bereits in der historiographischen Vorlage des Petros zu finden waren, ob sie realiter in den Verhandlungen zur Sprache gebracht wurden oder ob sie von Petros erfunden worden sind.10 Ferner fallen Bezüge zu Herodot und zu Vergil auf, die möglicherweise bereits der literarisch durchgebildeten Vorlage zuzuweisen sind. Die Argumentation der gegeneinander auftretenden Parteien verrät ebenfalls die rhetorische Schulung des Petros (oder seiner Vorlage). Apharban eröffnet die Verhandlungen, indem er die Möglichkeit der Koexistenz der beiden Weltreiche hervorhebt und durch das Bild von den zwei Augen der Welt im Interesse seiner diplomatischen Mission die prinzipielle Gleichrangigkeit beider Reiche hervorhebt.11 Diese Gleichrangigkeit ist 9 Ein solcher Satz ist in der Rede des Apharban etwa : „Denn nur diejenigen die glauben, dass die Schwächeren nicht nützen können, eifern danach, die Gegner zu vernichten“. 10 Für die Geschichtsschreibung des sechsten Jahrhunderts sind diese Gnomen nicht untypisch. Einige dieser Gnomen hat Menandros Protektor aus Agathias übernommen, vgl. Apostolopulos (1894). 11 Zur Rhetorik der Koexistenz der beiden Weltreiche s. mit den Belegen Whitby (2007) 127–129.
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nur dadurch vorübergehend verloren gegangen, dass Narses – wie gleich zweimal betont wird – seinen königlichen Vorfahren zwar keineswegs unterlegen ist, dass aber Galerius jeden Vergleich mit vorangehenden Kaisern sprengt. Der herodoteische Verweis auf die Umkehrbarkeit des menschlichen Glücks ist ein Topos in Verhandlungssituationen und soll die überlegene Partei zum Einlenken und zum Maßhalten veranlassen. Dieser Hinweis versetzt nun Galerius trotz der schmeichlerischen Worte über die Bedeutung seiner Persönlichkeit in Rage. Der Hinweis auf solche Empörungs attacken ist für die Darstellung von Verhandlungen nicht untypisch. Der Histo riker Menandros Protektor hat Ähnliches für Verhandlungen zwischen Justin, den Persern und den Arabern oder zwischen einer römischen Gesandtschaft und Turxanth festgehalten.12 In gleicher Weise erregt sich Valentinian I., bevor er aufgrund der Frechheiten einer quadischen Gesandtschaft durch die Aufregung einem Schlaganfall erliegt.13 Die Schilderung von Emotionen ist also gewissermaßen verhandlungstypisch. Der aufbrausende Charakter des Galerius wird zwar in der tendenziösen Darstellung des Laktanz als schweres Defizit der Persönlichkeit geschildert.14 In der tetrarchischen Selbstdarstellung wurde aber der zornige Gesichtsausdruck als adäquate Manifestation kaiserlicher Autorität verstanden15 ebenso wie überhaupt kaiserlicher Zorn für eine durchaus für einen Herrscher angemessene Reaktion gehalten wurde, insbesondere wenn es um die Würde des kaiserlichen Amtes und die Würde Roms ging.16
Vgl. nur Theophylakt. Sim. 4,11,2–3. Die Koexistenz wird immer von der jeweils in der Situation der Friedensverhandlungen unterlegenen Macht ebenso in Erinnerung gebracht, wie die Unbeständigkeit des menschlichen Glücks, die den Gegner zur Nachsicht bewegen soll. Da die Belege vor allem aus dem sechsten und siebten Jahrhundert stammen, einer Zeit, in der die Konfrontation der beiden Reiche ihren Höhepunkt erreichte, mag es nahe liegen zu vermuten, dass hier eine Rückprojektion vorliegt, vgl. Martolini (2008–2009) 300 f., der hier von einem eigenen redaktionellen Eingriff des Petros Patrikios ausgeht. Die Argumentation der Gleichrangigkeit passt aber durchaus auch zu den Diskussionen des vierten Jahrhunderts, wie der Briefwechsel zwischen Constantius II. und Schapur II. zeigt, die sich zeremoniell als Brüder ansprechen, vgl. Amm. 17,5,3 und 10. 12 Menandros Protektor Frg. 43 (Turxanth) ; Frg. 17 (zornige Reaktion Justins II.). 13 Amm. 30,6,3. 14 Lactantius, De mort. Pers. 9,8 : In tantos namque fastus post hanc victoriam elevatus est, ut iam detrectaret Caesaris nomen. Quod cum in litteris ad se datis audisset, truci vultu ac voce terribili exclamabat „Quo usque Caesar ?“ 15 Zu dieser seit Caracalla üblichen Form der Demonstration kaiserlicher Autorität und Energie s. die Belege bei Ehling (2016). 16 Philost. 11,6,3 Bleckmann-Stein (Reaktion des Arcadius auf Übergriffe des Eutropius auf Eudoxia) : „Den Arcadius erfasste Kummer um seine Kinder, die aus Mitgefühl mit ihrer Mutter brüllten, und
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Berechtigt ist in der Darstellung die Empörung des Galerius, der zum Vertreter des Prinzips zivilisierter Humanität gemacht wird, wegen der Erinnerung an den maßlosen Umgang der Sasaniden mit der Leiche Kaiser Valerians. Vorausgesetzt ist hier eine Erzählung in der Art derjenigen des Laktanz, derzufolge die Haut Valerians ausgestopft, rot eingefärbt und ausgestellt wurde.17 Trotz der berechtigten Empörung überwindet sich aber dann Galerius und besinnt sich auf die Milde gegenüber dem besiegten Feind, und zwar in vergilischen Worten. Als untergeordneter Caesar schließt er aber keinen Frieden, sondern verweist auf die letztlich beim Oberkaiser, dem Augustus Diokletian, verbleibende Entscheidung. Dieses Detail zeigt, dass die anscheinend zeitnahe Quelle des Petros Kenntnisse vom hierarchischen Gefälle in der Tetrarchie hatte. Das zweite zu diskutierende Fragment ist einerseits sehr viel reicher an historischen, prosopographischen und geographischen Details, unter anderem, weil diese in der Kurzfassung der abschließenden Friedensregelungen eine große Rolle spielen, andererseits ist die antilogische Gestaltung weniger ausgeprägt. Der Bericht setzt damit ein, dass die Kaiser Diokletian und Galerius sich im wiedereroberten Nisibis treffen. Von dort senden sie gemeinsam den Sicorius Probus aus, der bis nach Medien zu einem sonst nicht bekannten, allerdings durchaus iranisch klingenden Fluss Asprudis18 reist. Sicorius wird eine Zeit lang vom persischen König hingehalten, unter dem Vorwand, der Gesandtschaft eine Erholungspause zu verschaffen : Diesen nahm Narses wegen der Hoffnung auf die Versprechungen gastfreundlich auf. Narses machte aber auch von einer gewissen Verzögerung Gebrauch. Weil er wünschte, dass die Gesandten um Sicorius, angeblich, weil sie müde waren, sich erholten, zog er den Sicorius – der das, was geschah, durchaus nicht verkannte – so lange in der Gegend des Asprudis, eines Flusses Mediens, weg, bis die hier und dort wegen des Krieges verstreuten Truppen versammelt waren. sein Zorn wurde entfacht. In diesem Augenblick war Arcadius durch seinen Zorn und das dadurch bedingte Gewicht seiner Worte ein Kaiser.“ 17 Lact., De mort. Pers. 5,6. 18 Medien liegt zu weit von Nisibis weg, so dass darüber nachgedacht wird, ob „medisches Land“ hier nur im Sinne von „persisch-(sasanidisches)“ Gebiet gebraucht wird. Allerdings sagt Petros Patrikios überhaupt nicht aus, wo sich der Palast befand, in dem der Perserkönig die Verhandlungen mit den römischen Gesandten geführt habe. Es könnte sich durchaus um einen Palast in Medien gehandelt haben, etwa um Ganzaka. Der Name Asprudis kann jedenfalls nicht frei erfunden sein, da er in evidenter Weise das iranische Wort für Pferd und Fluss enthält, vgl. die Hinweise auf den Hippios bei Peeters (1931) 25 f.; Felix (1988) 123 f. (s. auch im heutigen Farsi asb und rud). Von einer Verballhornung kann man daher hier nicht sprechen.
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Solche absichtlichen Verzögerungen entsprechen dem für das sechste Jahrhundert bezeugten Muster diplomatischer Wechselfälle,19 wobei es hier anscheinend um einen verzweifelten Versuch des Narses geht, seine Verhandlungssituation zu verbessern.20 Narses konnte sich dieses Vorgehen offenkundig nur deshalb leisten, weil vor dem eigentlichen Friedensschluss die Kampfhandlungen durch einen Waffenstillstandvertrag eingeschränkt waren, nachdem es zum ersten Kontakt zwischen Apharban und Galerius gekommen war. Endlich vorgelassen, präsentiert Sicorius Probus dem König und wenigen Würdenträgern die von der römischen Seite aus ausbedungenen Friedensbedingungen. Der Text ist dort, wo es um die Darstellung der Würdenträger geht, bedauerlicherweise sehr schlecht überliefert, wobei schon Missverständnisse des Redaktors der konstantinischen Exzerpte anzunehmen sind. Die Umschreibung von insgesamt zwei Ämtern legt freilich nahe, dass Petros Patrikios nicht drei Personen (Apharban, Argapetes, Barsaboros) genannt hat, sondern nur zwei und dass Argapetes nicht als Eigenname, sondern als Amtsbezeichnung zu verstehen ist. Zu übersetzen wäre dann : „Und als er sich dann im Innern des Palastes, nachdem er alle übrigen weggeschickt hatte, mit der Anwesenheit des Argapetes Apharban und des Barsaboros21 begnügte, von denen der eine der Präfekt der Prätorier war, der andere die arche tou symiou innehatte, befahl er dem Probus den Gesandtschaftsauftrag vorzutragen.“ Möglich ist allerdings auch, dass der Argapetes-Titel zu Barsaboros zu ziehen ist. Schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass Petros tatsächlich von drei Personen ausging, aber nur die Ämter der beiden zuletzt genannten Personen umschrieb, weil er Apharban bereits in der vorangehenden Erzählung dargestellt hatte. Interessant ist nun die Interpretatio Romana der Ämter der beiden Würdenträger. Bei der ersten und dritten der Interpretationsmöglichkeiten des Textes hätte der Argapetes das dem Prätorianerpräfekt entsprechende Amt inne. Bei der zweiten Möglichkeit müsste man davon ausgehen, dass die neupersische Entsprechung zum Amt des praefectus praetorio nicht genannt ist und dass das Amt des Argapetes mit einem unbekannten weiteren Amt zu identifizieren wäre. Die Funktion des argbed existierte bereits in parthischer Zeit und ist in Dokumenten des dritten Jahrhunderts für die Oasenstadt Palmyra belegt, in der nebeneinander Amtsbezei19 Vgl. Menandros Protektor frg. 55 Müller = 23,9 Blockley. 20 Mosig-Walburg (2009) 124 bezweifelt, dass die im Text erwähnten „Zerstreuten“ als „zerstreute Truppen“ aufzufassen seien. 21 Im Text steht : „Apharban und Argapetes und Barsaboros“. Justi, Iranisches Namensbuch, Marburg 1895, s. v. erklärt den Namen Barsaboros als Burz-Schapur. Erinnert sei daran, dass bei Zos. 3,17,3 der Stadtname Pirisabora (Amm. 24,2,9) als Bersabora erscheint. Beide Namen sind aus Peroz-Schapur gebildet. Ähnliches gilt vielleicht für Barsaboros.
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chungen aus der römischen und der persischen Sphäre gebraucht wurden.22 Die von Nöldeke gefundene und lange Zeit dann vertretene Ansicht, der argbed sei ein Festungskommandeur gewesen, ist wohl nicht haltbar, sondern den Vorrang verdient eine Deutung als „Chef des Steuerwesens“.23 In späterer Zeit war der argbed ein sehr hochrangiger Würdenträger. Der Rang des bei Tabari offenkundig als militärische Verantwortung begriffenen Amtes wird mit dem des al-ispahbadh, also dem spahbed verglichen.24 Zeitgenössisch zu den Vertragsverhandlungen ist die Paikuli-Inschrift, aus der ebenfalls der sehr hohe Rang des Amtes hervorgeht, wird doch ein hargbed Schapur unter den ersten Würdenträgern des Reiches genannt.25 Eine zivile Ausrichtung des Amtes würde bei einer Identifizierung mit dem praefectus praetorio für das vierte Jahrhundert durchaus passen. Zwar hatte der praefectus praetorio in der Zeit Diokletians seinen militärischen Charakter noch nicht verloren. Vielmehr kommandieren sogar in der Zeit der Tetrarchen praefecti praetorio wie Asclepiodotus in Vertretung des Kaisers. Gleichzeitig war durch die Reform der annona natürlich der Prätorianerpräfekt vor allem der Chef der weitaus wichtigsten Steuerkasse des römischen Reiches. Die Gleichsetzung des argbed mit dem praefectus praetorio wäre also ein Element, das für die Zeit um 300 durchaus passen könnte. Beim zweiten Amt wird, identifiziert man den argbed mit dem praefectus praetorio, keine iranische Entsprechung angegeben. Auch ist unklar, wie man das Griechische deuten soll. Die wahrscheinlichste Deutung läuft darauf hinaus, hier einen Notar oder Sekretär oder einen Siegelbewahrer zu sehen.26 Ob – wenn die entsprechende Rekonstruktion des Satzes bei Petros Patrikios bevorzugt wird – auch eine Identifizierung des rätselhaften Inhabers des nur verballhornt überlieferten Amtes mit einem (nicht mehr in der Sphäre des Militärischen angesiedelten) argbed möglich ist, muss die Forschungsdiskussion in der Iranistik erweisen. Weitere Identifikationen sind möglich : In Apharban hat M. L. Chaumont den Inhaber der Würde des Chiliarchen, also des hazarapatis, gesehen. Dafür könnte 22 Ausführliche Analyse bei Gnoli (2007) 95–113. 23 Huyse (2002) 209 f. 24 Bosworth (1999) 6, Anm. 15 mit Tabari I, 815 und 869. 25 Zur Bedeutung der Paikuli-Inschrift für die Erklärung des argbed-Titles Gnoli (2007) 98 f. 26 Vermutlich ist nicht tou Symiou, sondern tou semeiou zu lesen, vgl. Peeters (1931) 27 : ten tou semeiou, also von semeion, dem Zeichen, dem Siegel. Der Verbesserungsvorschlag wird in der Regel zur Kenntnis genommen, aber nicht in den Text eingefügt. Winter u. Dignas (2001) 146 übersetzen : „von denen der eine der Unterbefehlshaber der Prätorier war, der andere die Herrschaft über Syme hatte“ ; Martolini (2009) 218 : „l’altro teneva la carica di Simio“ ; Banchich (2015) 135 : „the other held the governorship of Symius“.
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sprechen, dass im Fragment 13 Apharban als der engste Vertraute des Narses bezeichnet wird, womit in Quellen zum Chiliarchenamt in der Achämenidenzeit jedenfalls der Chiliarch gemeint ist.27 Auch der Chiliarch könnte natürlich besonders gut mit dem praefectus praetorio identifiziert werden. Definitive Bestimmungen der Ämter der an den Verhandlungen beteiligten Personen sind nicht möglich. Deutlich ist gleichwohl, dass im Text des Petros die Ämter zumindest partiell mit ihren iranischen Titeln bezeichnet wurden und dass eine entsprechende Erklärung durch die Analogie mit römischen Hofämtern erfolgte. Ein solches Verfahren gehört zu den Gepflogenheiten der spätantiken Historiographie, die auch bei Prokop oder Menandros Protektor belegt sind.28 Die Konsultation von Aktenmaterial war für diese Details nicht nötig. Nachdem der römische Gesandte zu Narses und den beiden Würdenträgern vorgelassen wird, legt er die Details der römischen Forderungen offen : Es waren aber die Hauptpunkte der diplomatischen Mission die folgenden : in der Gegend des Ostens sollten die Römer die Intilene mit der Sophene,29 die Arzanene mit den Karduenern und der Zabdikene besitzen. Der Tigris solle die Grenze beider Staaten sein. Adas Lager Zintha, das an der Grenze zu Medien lag, solle Armenien begrenzen. Der König Iberiens solle die Abzeichen der eigenen Königsherrschaft den Römern verdanken.30 Der Ort für den Warenaustausch solle die Stadt Nisibis, (die am Tigris liegt), sein.
Im Einzelnen lassen sich die Angaben über den Frieden völlig mit den parallelen Ausführungen bei Festus über den Frieden von 298 sowie in der reicheren Überlieferung über den Jovianfrieden von 363, in dem ein Großteil der Gewinne von 27 Chaumont (1973) 141 führt Diod. 18,48 und Corn. Nep. Con. 3,2 an, geht aber in diesem Punkt nicht auf die möglichen Entsprechungen zu Petros Patrikios ein. 28 Prok. Bell. 1,11,25 : Mebod bekleidetet die dem magister officiorum entsprechende Würde. Menandros Protektor Frg. 55 kennt einen Asekretis am persischen Königshof, der für den Empfang von Gesandten zuständig ist : „Zunächst trat ihnen mitten auf ihrer Reise einer von denen entgegen, die bei den Persern die kaiserlichen und öffentlichen Geschäfte unterstützen und die man, wenn jemand die lateinische Sprache gebrauchen möchte, als Asekretis benennen dürfte.“ Vgl. weiter Theophylaktos Simokatta 3,18,12 mit Chaumont (1973) 155 zum darigbid/kuropalates. 29 Just. Nov. 31,1,3 : Tzophene ; Cod. Iust. 1,29,5 : Sophenam. Nicht zu verwechseln mit der Sophanene, die von Petros Patrikios nicht erwähnt wird. Vgl. Ensslin (1942) 47 : „Auffallend bleibt, daß er Sophanene nicht nennt, das später sogar zu einer Art Oberbegriff für jene Gebiete auf dem rechten Tigrisufer und darüber hinaus nach Mesopotamien hin wurde.“ 30 Iberien wird also zur römischen Einflusssphäre geschlagen, bzw. es wird anerkannt, dass es zum römischen Einflussbereich gehört.
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298 wieder verloren gingen, in Deckung bringen.31 Einige Unklarheiten mag man entweder dem Petros selbst oder der späteren Redaktion zuweisen. Statt Intilene ist etwa Ingilene zu lesen32 und Petros als Chefunterhändler des Friedens von 561 wusste natürlich, dass Nisibis nicht am Tigris liegt.33 Unklar ist, was mit dem Tigris als Grenze zwischen den „beiden Staaten“ gemeint ist34, wenn gleichzeitig die trans tigritanischen Satrapien ebenfalls unter römischer Kontrolle kamen. Entweder ist eine vergleichbare Formulierung, wie sie Festus über die Wiederherstellung der Tigrisgrenze und die Einbindung der jenseits des Tigris liegenden Satrapien gibt,35 anzunehmen. Oder aber es ist gemeint, dass nördlich von Bezabde der Limes jenseits des Tigris, südlich davon der Limes am Tigris verlief.36 Schließlich ist offen, in welcher Form sich hinter der Abtretung des Kastells Zintha im medisch-armenischen Grenzgebiet37 eine Aussage über den Status von Armenien verbirgt. Armenien gehörte auf jeden Fall nicht mehr zum sasanidischen Hoheitsbereich,38 auch 31 Eine Kurzfassung zu den territorialen Abtretungen bietet Festus 25,3. Ausführlicher Festus 14,5 : Mesopotamia est restituta et supra ripam Tigridis limes est reformatus, ita ut quinque gentium trans Tigridem constitutarum dicionem adsequeremur. Die Aufzählung der fünf transtigritanischen Satrapien ist mit der Liste zu vergleichen, die Amm. Marc. für die Rückgabe an das Sasanidenreich im Jahre 363 erwähnt. Ammian nennt 25,7,9 fünf Landschaften jenseits des Tigris : Arzanene, Moxoene, Zabdikene, Rehimene und Karduene. Vgl. die in der Unterschriftenliste der Synode des Patriarchen Isaak begegnenden Diözesen : Arzon, Qardū, Beht Zawdai, Beth Rehimai, Beth Moksaye (Ensslin 1942, 46, Anm. 3). Diese Landschaften befinden sich östlich des Nymphios. Petros Patrikios nennt Landschaften, die sich auch westlich vom Nymphios befinden, von der Sophene am Oberlauf des Euphrat zur Ing(t)ilene nördlich von Amida. Für die Landschaften östlich des Nymphios werden Arzanene sowie Karduene und Zabdikene genannt. Die fünf Landschaften bei Ammianus sind also nicht identisch mit den von Petros Patrikios genannten Landschaften, dessen Angaben aber den fünf gentes bei Festus entsprechen. 363 wurde also nur der östliche Teil der transtigritanischen Satrapien abgegeben, s. auch Zos. 3,31,1. 32 Bekannt ist nur Ingilene. Vgl. Cod. Iust. 1,29,5. 33 Nisibis lag nahe bei Dara, der römischen Hauptfestung an der mesopotamischen Grenze im 6. Jahrhundert. 34 Die Bezeichung beider Staaten als „politeiai“ geht prinzipiell von der Gleichrangigkeit des Sasanidenreichs mit dem römischen Reich aus. Ein gewisser Kontrast lässt sich zu Festus 25,3 erkennen, bei dem im Frieden von 298 nur die römische Seite den Rang einer res publica verdient : Pax facta usque ad nostram memoriam rei publicae utilis perduravit. 35 Festus 14,5 (s. Anm. 31). Die Grenze wird durchaus am Tigris hergestellt, aber eine Oberhoheit auch über Stämme jenseits des Tigris ausgeübt. Vgl auch Festus 25,3 : Mesopotamiam cum Transtigritanis regionibus reddiderunt. Die Provinz Mesopotamien als Ganze, insbesondere die Gebiete östlich von Nisibis und Singara, wurde von persischer Seite als römischer Besitz anerkannt. 36 Blockley (1984) 33 ; Mosig-Walburg (2009) 147. 37 Mosig-Walburg (2009) 127. 38 Mosig-Walburg (2009) 129 : „Die Klausel bezeugt in aller wünschenswerter Deutlichkeit, dass das
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wenn dies – abweichend von sonstigen Anspielungen auf den Frieden von 298 – nicht explizit gesagt wird.39 Die Parallelen mit den Quellen zu den Friedensschlüssen von 298 und vor allem von 363 zeigen, dass man eine Liste solcher Details keineswegs nur aus der Konsultation von Archiven erhalten konnte, sondern dass die Wiedergabe durchaus in historiographischen Vorlagen enthalten gewesen sein kann. Die Liste ist nicht so lang und so ausführlich, dass man die Annahme rechtfertigen könnte, Petros habe hier direkt aus Aktenmaterial geschöpft. Vielmehr sind es sechs teilweise knapp zusammengefasste Punkte, deren Aufzählung vor allem dazu dient, im darauffolgenden Dialog die Haltung des Narses verständlich zu machen. Narses versucht nur in einem einzigen Punkt, in einem untergeordneten Detail, die Fülle der von römischer Seite aus diktierten Bedingungen zu korrigieren, scheitert aber mit diesem Unterfangen, da Sicorius Probus angibt, zu eigenmächtigen Änderungen nicht berechtigt zu sein : Als Narses das gehört hatte, stimmte er, da die gegenwärtige Situation ihm nicht erlaubte, irgend etwas von diesen Dingen abzulehnen, all diesen Bedingungen zu. Damit aber es nicht den Anschein hatte, dass er alles aus Zwang tue, lehnte er als einzigen Punkt ab, dass Nisibis der Ort für den Warenaustausch sein sollte. Sicorius sagte darauf : „Es ist notwendig, auch in diesem Punkt nachzugeben. Weder ist nämlich die Gesandtschaft bevollmächtigt, noch ist von Seiten der Kaiser diesbezüglich irgendeine Weisung erteilt worden.“
Sicorius Probus war ein relativ rangniedriger Gesandter,40 der keine großen Vollmachten hatte und nicht mit dem Status eines Gesandten autokrator ohne Rücksprache mit Rom Veränderungen durchsetzen konnte. Der Wortwechsel zwischen Land aus dem persischen Staatsverband ausgeschieden war.“ Es gibt aber keinen Hinweis auf eine römische Okkupation. 39 Die Feste Zintha lag zwischen Armenien und Medien. Peeters (1931) sieht hier eine Identifizierung mit Ziatha Magna, einer Festung in der Landschaft Anzitene, oder mit Ziatha in der Landschaft Ingelene, vgl. dazu Ensslin, 48. Ensslin 1942, 50 denkt an Sinschid in der Nähe von Takht-i-Suleiman (= Ganzaka / Ganzak). Zwar wird nicht explizit zum Ausdruck gebracht, dass Armenien in die römische Einflusssphäre integriert wurde, sondern es wird nur die Grenze zwischen Armenien und dem Sasanidenreich festgelegt. Daraus wird aber immerhin deutlich, dass Armenien nicht als Teil des Sasanidenreiches betrachtet wird. Die Herauslösung Armeniens aus dem sasanidischen Herrschaftszusammenhang war ein entscheidender Erfolg, den die römische Seite im Friedensvertrag erzielte, vgl. die revanchistischen Forderungen Schapurs II zur Korrektur des Friedens von 298 : (Amm. 17,5,6) : ideoque Armeniam recuperare cum Mesopotamia debeo, sowie die Replik des Constantius II.: (Amm. 17,5,11) : Mesopotamiam poscis ut tuam perindeque Armeniam. 40 Eine Verbindung mit der Familie der Anicier ist für diesen ritterlichen Amtsträger eher ausge-
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diesem wenig prominenten Sicorius Probus und dem persischen Großkönig ordnet sich dabei, von der Aufzählung der Hauptpunkte bis zum Einlenken des Narses, völlig dem erzählerischen Gesamtziel unter. Es soll die völlige Machtlosigkeit aufgezeigt werden, aufgrund derer der persische König die von einem untergeordneten Diplomaten überbrachten und nicht zu verändernden aufgereihten Bedingungen akzeptieren muss. Das gilt auch für den letztlich untergeordneten Punkt der Fixierung von Nisibis als Ort des Warenaustauschs.41 Erst nach der Erfüllung aller noch so bedeutungslosen römischen Forderungen konnte Narses dann im Gegenzug die Rückgabe seiner Angehörigen erreichen. Im Zusammenhang mit der Rückgabe als Gegenleistung für die Zustimmung zu allen von den Römern geforderten Punkten wird dabei wieder die Ehrliebe und die Besonnenheit der Kaiser hervorgehoben, der den Harem des Narses unangetastet lassen. Als sie dies nun vereinbart hatten, wurden dem Narses die Frauen und die Kinder zurückgegeben, wobei mit der Ehrliebe der Kaiser die Besonnenheit sie ihnen rein erhalten hatte.
Dieses Thema wird bereits im Fragment 13 in der indirekten Rede des Narses zur Sprache gebracht : Nicht einmal jetzt vermöge er nach Gebühr Dank zu erstatten, da die in Kriegsgefangenschaft Befindlichen keine Erfahrung mit Übergriffen gemacht hätten, sondern so behandelt würden wie der eigene Adel, solange sie noch nicht zurückgegeben seien.
Die „reine“ Erhaltung der Angehörigen verweist vor allem darauf, dass es hier um eine Analogie zur Behandlung des gefangen genommenen Harems des Dareios durch den tugendhaften Alexander den Großen geht.42 Mit einer gewissen Peneschlossen, was ich (Bleckmann 1992, 413) noch für möglich, wenn auch nicht für sicher gehalten habe, s. zur älteren prosopographischen Literatur Bleckmann (1992) 413, Anm. 69. 41 Die aus dem persischen Gebiet kommenden Händler mussten einen bestimmten Punkt an der römischen Grenze benutzen, hier Nisibis. Im Vertrag von 561 wurden analoge Bestimmungen festgelegt, vgl. Menandros Protektor Frg. 11 Müller (die dritte Bestimmung des Vertrags), wobei es sich nur um die Einschärfung bereits zuvor bestehender Konditionen handelt. Bestimmte Plätze im persischen bzw. römischem Hinterland der Grenze wurden festgelegt, wo dann die aus dem jeweils anderen Reich kommenden Kaufleute ihre Waren zu verkaufen hatten. Im fünften und sechsten Jahrhundert waren es auf römischer Seite Kallinikon und Daras, auf persischer Seite Nisibis. Edessa wird allerdings in der Expositio totius mundi 22 als Austauschplatz genannt. 42 Dass Geiseln pfleglich behandelt werden müssen, ist von der Behandlung der Kriegsgefangenen zu unterscheiden. Zu Alexanders Großmut Demandt (2009) 144–148.
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tranz hat auch Rufius Festus gleich zweimal auf die Wahrung der Keuschheit der Angehörigen des Narses hingewiesen. In 14,6 schreibt er : secundo autem conflictu superato rege Narseo, uxore eius ac filiabus captis et cum summa pudicitiae custodia reservatis pace facta est restituta. In 25,3 wiederholt er : Rex Persarum Narseus effugit, uxor eius et filiae captae sunt et cum maxima pudicitiae custodia reservatae. Dieses Element ist offenkundig den auch sonst in der spätantiken Historiographie zu entdeckenden Hinweisen auf eine – durch den Triumph über die Perser erklärliche – Angleichung zwischen Galerius und Alexander dem Großen hinzuzufügen, etwa der Bemerkung über die alexanderhafte Herkunft des Galerius.43
4. Das positive Bild von Galerius
Dies ist nicht das einzige Element einer positiven Charakterisierung des Galerius, die sich bei Petros Patrikios findet. Vielmehr rächt Galerius die Übergriffe, die sich die Perser gegenüber Valerian geleistet haben. Indem er in seiner Rede selbst auf Valerian verweist, wird die völlige Umkehr der Verhältnisse und die Rehabilitierung der imperialen Macht deutlich gemacht. Galerius erscheint somit – um es mit der Darstellung des tetrarchischen Programms durch die Historia Augusta auszudrücken – als einer, der natus est, qui acceptam ignominiam Valeriani captivitate deleret.44 Der triumphale Sieg über die persische Seite führt zu umfassenden Gebietsgewinnen und zur Sicherung der Grenze durch ein System von Pufferstaaten. Freilich lässt Galerius gegenüber dem besiegten Feind Mäßigung und Milde walten, indem er letztlich das Friedensgesuch des Narses getreu der vergilischen Maxime, die „Unterworfenen zu schonen“, akzeptiert. Dieses Thema der bei den Friedensverhandlungen in jeder Hinsicht demonstrierten moralischen Überlegenheit muss zeitnah im vierten Jahrhundert entwickelt worden sein. Denn es findet sich bereits bei Rufius Festus ausgeprägt vor. Auffällig ist dabei das Petros und Festus gemeinsame Motiv, dass die Perser selbst diese moralische Überlegenheit anerkennen, vgl. Fest. 25,3 : Pro qua admiratione Persae non modo armis, sed etiam moribus Romanos superiores esse confessi sunt.45 Bildlich hat diese Anerkennung der moralischen Überlegenheit durch die persische Seite möglicherweise ihren Aus43 Epit. Caes. 40,17 ; Lact. de mort. pers. 9,9. Vgl. Demandt (2009) 416. 44 HA, Carus 18,3. 45 Roberto (2014) 122 : „Il passo di Pietro Patrizio, con il riferimento decisivo alla tradizione restituisce integro lo spirito dell’ età di Diocleziano e della tetrarchia : difesa dell’impero dai suoi piú arroganti nemici nel rispetto delle tradizioni.“ Petros Patrikios hat diese Themen dieser Unterredung nicht erfunden, wie, so Roberto 122, die Parallele mit Festus beweise.
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druck auf dem Galeriusbogen gefunden, nämlich in der Darstellung der zu Galerius gelangenden persischen Gesandtschaft unter dem hochrangigen Apharban.46 Die positive Darstellung der herausragenden Leistung des militärisch erfolgreichen Galerius, der gleichzeitig respektvoll und in koordinierter Weise gemeinsam mit dem Oberkaiser Diokletian agiert, auf den er im Fragment 13 als letzte Instanz verweist und mit dem er sich in Fragment 14 in Nisibis trifft, dürfte deutlich machen, dass Petros Patrikios einen über die binnentetrarchischen Verhältnisse gut informierten profangeschichtlichen Bericht des vierten Jahrhunderts verwendet, bei dem noch Themen zeitgenössischer panegyrischer Überhöhung des Galerius durchscheinen.47 Die Benutzung von Archivmaterialien ist dagegen, wie zusammenfassend angemerkt werden kann, an keiner Stelle dieses fragmentarischen Berichts besonders wahrscheinlich. Selbst die Aufzählung von Kleinsatrapien am Tigris ist eine Leistung, die man der Historiographie des vierten Jahrhunderts zubilligen kann, da sich eine Liste solcher Satrapien beispielsweise auch bei Ammian findet. Die Namen der Würdenträger, die am Friedensschluss beteiligt waren, einschließlich eventuell der Bezeichnung iranischer Ämter wie des argbed, dürfte ebenfalls aus der historiographischen Tradition geschöpft sein, zumal die genauen Positionen wichtig waren, um den in diesen Fragmenten geführten Dialog verständlich erscheinen zu lassen. Dieser Befund entspricht nun völlig dem Charakter der übrigen Fragmente des Petros Patrikios, insbesondere dem Fragment 16 über die Verhandlungen zwischen Magnentius und Constantius, wo die Erscheinung des Vaters und des Bruders des Kaisers mit Sicherheit ebenfalls schwerlich ein aus archivalischen Quellen entlehntes Detail darstellt. Die Feststellung, dass Petros auch für seine Erzählung über den Frieden von 298 eine literarische Vorlage benutzt, ist bei genauer Betrachtung der Gesetzmäßigkeiten der antiken Historiographie keineswegs überraschend. Da Geschichtsschreibung nicht mit der modernen Geschichtswissenschaft verwandt ist, waren archivalische Studien für einen Zeitraum, der nicht mehr zur Zeitgeschichte gehörte, kaum mehr üblich. Die umfassende Benutzung von zeitgeschichtlichem Primärmaterial kam nur für Phasen der Geschichte in Frage, die gerade eben 46 Laubscher (1975) 51 zur Darstellung auf dem Galeriusbogen Fries B I 16 : „Angeführt von Aphar ban, einem Vertrauten des Sasanidenkönigs, traf sie nach Abschluss der Kampfhandlungen 298 n. Chr. in Nisibis ein, um den Römern Frieden anzubieten.“ Der Aufenthaltsort des Galerius geht allerdings aus der Darstellung des Petros Patrikios in Frg. 13 nicht hervor, im Unterschied zu Frg. 14. 47 Zu verweisen ist auch auf die Würdigung des Galerius durch Eutrop 10,2,1 : Galerius, vir et probe moratus et egregius re militari. Diese Würdigung ist nur durch die Überhöhung der militärischen Leistungen als Caesar zu erklären, da Galerius als Augustus alles andere als erfolgreich war.
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vergangen waren, und für die eine Erzählung erst noch zu komponieren war. Für weiter zurückliegende Phasen, für die schon historiographische Berichte existierten, wurden diese bereits vorhandenen Berichte übernommen, exzerpiert oder mit Anleihen aus weiteren literarischen Quellen angereichert. Das große Prestige, das Petros anscheinend gerade auch als Historiker genoss, bezog sich auf seine stilistischen Fähigkeiten, nicht auf seine Eigenschaften als Geschichtsforscher.
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Bruno Bleckmann
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Wolfgang Kuhoff (Universität Augsburg)
Augustus „emeritus“ Diokletian als Kaiser im Ruhestand und die Folgen
In Erinnerung an Anthony Birley (1937–2020) Zusammenfassung : Seit seiner Abdankung lebte Diokletian als senior Augustus in seinem Palast in Split. Erstmals im Jahre 308 trat er wieder in sichtbare Erscheinung, nachdem ein Jahr zuvor sein Nachfolger als erster Augustus, Galerius, ihn mit einem Konsulat wieder auf die politische Bühne geholt hatte. Die wohl im Statthalterpalast in Carnuntum stattfindende Konferenz brachte zwar mit Licinius einen neuen Kaiser hervor, doch stellte sie sich letztlich als Fehlentscheidung heraus, weil sie nichts an den verzwickten Verhältnissen der Politik änderte. Von sechs Augusti reduzierte sich deren Zahl am Ende auf zwei, die anfänglich als Kollegen amtierten, Licinius und Konstantin. Diokletian war damals bereits ausgeschieden und verbrachte seine letzten Jahre als Nutznießer seines befestigten Palastes. Als er aber ablehnte, an der Kaiserkonferenz von Mailand 313 teilzunehmen, soll er sich als Ergebnis selbst umgebracht haben, und zwar wohl gegen Ende 313. Dass ein Selbstmord tatsächlich erfolgte, ist freilich zu bezweifeln, und überdies ist eine Erhebung zum divus gleichfalls unsicher. Insgesamt gesehen verlor Diokletian letzthin wegen seiner Zurückgezogenheit immer mehr an Einfluss, bis er nur noch ein abseits lebender „Privatmensch“ war. Abstract : Emperor Diocletian lived since his abdication in his palace at Split in modern Croatia as senior Augustus. But in the year 307 his successor as first Augustus, Galerius, fetched him back to Roman policy in the function of consul together with himself. And before the end of the next year a new candidate for the role of new emperor, Licinius, was created, but in general the conference in the palace of the governor at Carnuntum could not solve the many problems which had risen in the world. From six Augusti at the beginning the number diminished to two in the year 313, Licinius and Constantine. Diocletian had at that time escaped from the policy and lived his last years as a benefactor in his fortified palace. But when he denied to participate at the conference of Milano he should have murdered himself at the end of the year 313. But if a suicide really happend is to be questioned, as also his elevation to the rank of a divus must be dubious.
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At all Diocletian loosed more and more his influence in policy because of his self retrievement until he was seen only as a “private man” by his contemporaries.
1. Einleitung
Es ist Dienstag, der 1. Mai des Jahres 305 n. Chr., Ort des Geschehens Nicomedia, vor den Toren der Stadt an der Iuppiter-Gedenksäule. Berichterstatter ist L. Caecilius Firmianus Lactantius, Rhetoriklehrer, Schriftsteller sowie dezidierter Anhänger und Propagandist der christlichen Religion. Heutzutage läse sich der Ereignisablauf in der folgenden Version : Die Kameras des römischen Staatsfernsehens sind auf die Tribüne gerichtet, auf der C. Aurelius Valerius Diocletianus, erster Augustus im regierenden Vierkaiserkollegium, eine Ansprache an die angetretenen Soldaten hält. In deren Verlauf verkündet er seinen Willen, am heutigen Tage von seiner bisherigen Amtsbürde zurückzutreten und sich in den Ruhestand zu begeben, für den er schon seit einigen Jahren vorgesorgt hat. Weit entfernt vom aktuellen Orte hatte er nämlich in seiner Heimatstadt Aspalathos in der Provinz Dalmatia einen großen Palast zu errichten begonnen, den er nun beziehen wollte, obgleich er wohl nur halbwegs fertig gestellt war : Wir kennen ihn heute als Dio kletianspalast im Zentrum der südkroatischen Metropole Split. Zugleich proklamiert Diokletian seinen bisherigen Caesar C. Aurelius Galerius Maximianus, mit Kurznamen Galerius, zum neuen Augustus in der Herrscherfamilie der Iovii und damit als seinen Nachfolger im östlichen Teil des Imperium Romanum. Als neuen Caesar aber benennt er den hinter ihm stehenden Neffen des Galerius, C. Aurelius Galerius Maximinus mit dem inoffiziellen Beinamen Daia / Daza. Alle Zuschauer applaudieren pflichtgemäß, die Soldaten brechen in Hochrufe aus und zeigen so ihre Zustimmung, ob sie nun vorher von den anstehenden Änderungen gehört haben oder nicht. Die zivilen Zuschauer zücken ihre eigenen Kameras unterschiedlichen Typs und nehmen die historische Szene auf, um sie der Nachwelt überliefern zu können. Es schließt sich eine Truppenparade an, man möchte sagen, ein römischer Großer Zapfenstreich, und damit geht die ungewöhnliche Veranstaltung zu Ende. Danach zerstreuen sich die Tausende von Anwesenden wieder, doch die römische Welt hat sich merklich geändert.1 1 Als indirekten „Vorgänger“ für die Anwendung moderner Methoden zur Schilderung historischer Ereignisse mag man den Kinofilm „Konstantin der Große“ von 1962 (Regisseur Lionello de Felice) ansehen. Dieser war natürlich in keiner Weise ein Zeugnis geschichtlicher Abläufe. Die Rolle Diokletians an seinem Anfang war eine völlig undokumentarische, die sich einigermaßen an den
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Abb. 1 : Porträt Diokletians, Archäologisches Museum Istanbul (Photo : W. Kuhoff).
2. Diokletian und sein angeblicher Rückzug aus der Politik
Auf diese Weise könnte man sich, auf die heutige Medienwelt bezogen, den Verlauf des damaligen Geschehens ausmalen. Die Wirklichkeit stellte sich jedoch grundlegend anders dar, denn es gibt nur den einen Augenzeugen Lactantius, welcher der Nachwelt den historischen Tag in seiner sehr subjektiven Sicht überliefert. In jeder Zeile seines als Pamphlet einzustufenden Werkes mit dem bekannten Titel De mortibus persecutorum kann man den Widerwillen des Autors gegenüber dem Akteur Diokletian erkennen. Seit der Wiederauffindung des Gesamtwerkes im Jahre 1678 ist die moderne Wissenschaft daher genötigt, den Realitätsgehalt dieser Aussagen zu ermessen, von denen Auszüge allerdings schon vorher bekannt waren. Nimmt man den Text des offensichtlichen Augenzeugen zur Hand, so kann Ausführungen des Lactantius orientierte. Auch unzählige Details entsprachen nicht der Wahrheit, was kaum betont zu werden braucht. Aufnahmeort war die Cinecittà östlich von Rom. Der Film zählt zum Genus der sogenannten „Sandalenfilme“, das in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt erlebte. Zu dieser Thematik siehe Lindner (2007) hier 114, 158, 188 (allzu knappe und disparate Behandlung dieses Films).
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man den Eindruck gewinnen, als habe es sich um ein Kasperletheater gehandelt. Diokletian, der durch eine lange Krankheit geschwächt und kaum noch bei Sinnen war, was man heute als Altersdemenz bezeichnen würde, verstand angeblich gar nicht, was er hätte tun sollen : Er wählte den falschen neuen Caesar aus, also Maximinus Daia, und überging den eigentlich vorgesehenen Konstantin ; danach suchte er möglichst rasch dem Geschehen zu entkommen. Dafür stand immerhin ein Reisewagen zur Verfügung, in den er sich flüchtete, um das Geschehen sofort hinter sich zu lassen. Doch was folgte danach ? Was tat der bisherige primus Augustus in dem wohl noch nicht ganz fertigen Altersruhesitz in seiner Heimat, aus der er einst aufgebrochen war, um das römische Reich vor der langsamen, als sicher erscheinenden Erosion zu retten ? Diese Frage ist noch nicht beantwortet worden, und man kann sich fragen, ob überhaupt jemals eine Antwort gefunden werden kann.2 Gemäß der Aussage des Lactantius verschwand Diokletian am späten 1. Mai 305 schnell aus dem Gedächtnis der Menschen, die ihn in Nicomedia agieren gesehen hatten. Damit endet vorläufig sein Auftritt in der Schilderung dieses Autors. Er verliert kein Wort darüber, wie der abgedankte Augustus nach Aspalathos gelangte, auf dem Landweg mit dem Reisewagen oder eventuell auf dem Seeweg bis vor die Haustür seines palatium. Dort war unter der langen Arkadenreihe im Zentrum der Meeresfassade eigens ein Zugangsportal eingefügt worden, durch das mit Schiffen eintreffende Personen, also Hausherr oder Besucher, ins Gebäudeinnere gelangen konnten. Jedenfalls kann man den Eindruck gewinnen, der ehemals aktive Augustus sei auf Nimmerwiedersehen verschwunden, verdammt dazu, in der Abgeschiedenheit seines Domizils Kohlpflanzungen zu begießen und sich an deren Wachstum zu erfreuen. So stellt es zumindest die hundert Jahre später geschriebene Epitome de Caesaribus dar, die ebenfalls keine gute Meinung vom emeritierten Kaiser hatte. Ob jedoch einer der antiken Historiker die Zeugnisse selbst in Augenschein genommen hat, die offiziell genau das Gegenteil besagen, 2 Der Text zur Abdankungsveranstaltung in Nicomedia ist Lactant., De mort. pers. 19, mit den dramatischen Schilderungen, die zwar einen Augenzeugen andeuten, aber dessen Darstellung als theatralische Inszenierung entlarven, deren Wahrheitsgehalt als höchst zweifelhaft erscheint : Kuhoff (2001) 297–326, speziell 316–326 (mit der numismatischen Präsentation) ; Leadbetter (2009) 136–146, sieht in Galerius den eigentlichen Gewinner der Abdankungszeremonie, was der Darstellung von Lactantius entspräche. Roberto (2014) 228–234 diskutiert die lactantischen Aussagen und stuft sie als Erfindung ein, den Abdankungsgedanken aber weist er dem Jahre 298 als Folgerung aus dem siegreichen Perser-Krieg zu. Das Buch von Michael Kulikowski (2018) richtet sich an ein breiteres Leserpublikum (ohne Berücksichtigung des Diokletian-Buches des Verfassers dieses Beitrages).
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darf bezweifelt werden. Wahrscheinlich hatten die Verfasser gar kein Interesse daran, sich über die Tatsachen zu informieren oder in eine Hofberichterstattung zu verfallen – für sie war Diokletian vorerst nur noch ein Fall für die Aktenablage.3
3. Diokletian und sein Palast
Was aber hatte ein ausgeschiedener Staatslenker mit einem dermaßen großen Gebäudekomplex zu schaffen, der eigens für ihn über eine Dauer von annähernd rund acht Jahren hin errichtet wurde ? Dieses simple Faktum hat keiner der antiken Autoren ins Kalkül einbezogen, weil wohl keiner von ihnen das palatium von Aspalathos jemals selbst gesehen hat. Auf geeignetem Platze über früheren Bauten angelegt, besaß der diokletianische Altersruhesitz die Außenmaße von 215 mal 180 Metern und konnte wegen dieser Größe im Jahre 612 der von den umherstreifenden Horden der Awaren bedrohten Bevölkerung der nahen Provinzhauptstadt Salona Unterschlupf und Schutz bieten. In der sogenannten Spätantike, die man mindestens bis in die genannte Zeit des frühen 7. Jahrhunderts ausdehnen kann, reichte er jedenfalls aus, um Diokletian, seine kleine Familie und die Begleitung in Form eines an Zahl deutlich reduzierten Hofstaates und der Leibwache zu beherbergen. Zu offiziellen Zwecken dienten die Teilbauten des Iuppiter-Tempels und des späteren Mausoleums, denen die eher privaten Thermen anzuschließen sind ; ein circus für große öffentliche Auftritte fehlte allerdings in bezeichnender Weise.4 Ob damals außerdem eine große staatliche Walkerei im Nordteil untergebracht war, wie es eine neuere Auffassung besagt, darf mit Recht bezweifelt werden.5 Auf alle Fälle war das Areal weitläu3 Das Bonmot von der diokletianischen Kohlzüchtung überliefert die Epit. de Caes. 39, 6 in ihrer mit Kuriositäten angereicherten Schilderung ; dazu Schlumberger (1974) 185–188. Abdankung und Rückzug nach Aspalathos behandelt Leadbetter (2009) 136–140 (richtiger Hinweis auf die lange Bauzeit des palatium ; unberücksichtigt ist allerdings das Diokletian-Buch des Verf. des vorliegenden Beitrags). 4 Mit dem Diokletianspalast beschäftigte sich vor allem der im Jahre 2009 verstorbene Jerko Marasović in mehreren Büchern ; ihm folgte sein Bruder Tomislav (auf eine Auflistung der vielen Beiträge beider Autoren wird hier verzichtet). Siehe allgemein Kuhoff (2001) 744–760, dazu kam jüngst Nikšić (2011) hinzu : Diokletians Palast ersetzte ein früheres Gebäude am selben Orte, das anscheinend profanen Zwecken diente, und unterlag mehreren Planänderungen wegen des Zeitdrucks bis zum Rücktrittstermin, wodurch die tatsächliche Palastfunktion mit Wehrcharakter verzögert wurde. 5 Die Hypothese der Walkerei im Nordteil des Komplexes vertrat Belamarić (2004) 141–162 ; außerdem Belamarić (2003) ; (2012) 66–69 (Palasterrichtung an einer Hafenanlage), 70–72 (gynae-
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fig genug, um den Bedürfnissen eines freiwillig aus seinem Amte ausgeschiedenen Augustus zu genügen. Später beherbergte der Palast in den Jahren 475 bis 480 den letzten Augustus des Reichswestens, Iulius Nepos, im erzwungenen Exil in seinem früheren Wirkungsort als magister militum Dalmatiae : Eine Funktion als Altersruhesitz kann man für diesen Fall freilich nicht behaupten : Es war stattdessen zu einer Art Ausweichquartier geworden, das nach Nepos’ Ermordung ebendort kurzzeitig in den Machtbereich des rex Odovaker geriet und später bis etwa 530 zum Ostgotenreich gehörte.6 Diokletian war jedoch gar kein Privatmann geworden, wie es die literarischen Quellen suggerieren wollen. Vielmehr hatte er sich zusammen mit seinem früheren Amtskollegen Maximianus in die Rolle eines bis dahin völlig ungeläufigen senior Augustus begeben. Daher waren beide (Ex-)kaiser zumindest theoretisch gar nicht aus der offiziellen Staatswelt verschwunden. Im Gegenteil, sie hatten in ihr einen neuen Gipfel erklommen, der noch mit Leben zu erfüllen war. Dies verstand Maximianus recht gut, als er nur wenig mehr als ein Jahr nach seinem in Mailand zelebrierten Rückzug aufs Altenteil dieses verließ und wieder praktische Reichs politik zu betreiben begann, zu der er sich als eine Art Ober-Augustus berechtigt fühlte. Anscheinend wirklich aus Gründen seiner angegriffenen Gesundheit enthielt sich Diokletian anfangs eines ähnlichen Vorgehens, zumal er mit seinem Schwiegersohn Galerius einen durchsetzungsfähigen Nachfolger im Osten zu haben glaubte.7 Die konkrete Nagelprobe ergab sich aber schon recht bald im Reichswesten. Vielleicht wirklich ohne Vorahnung seitens der ferner stehenden Personen verließ cium zu Diokletians Zeit). Die gegenteilige Ansicht zum gynaecium Iovense Aspalato äußern mit Recht Katja und Tomislav Marasović (2012). Jedenfalls ist die Datierung zu berücksichtigen : Das gynaecium ist in der Notitia Dignitatum Oc. XI 48 unter der Zuständigkeit des comes sacrarum largitionum mit der Eintragung procurator gynaecii Iovensis Dalmatiae Aspalato bezeugt und deshalb später als die Palastfunktion anzusetzen, die zwar mit dem Adjektivattribut Iovensis auf Diokletian bezogen ist, doch dessen Aufenthalt nicht exakt mit ihrer Existenz verknüpft – es handelt sich dagegen um eine mit der Tradition des Erbauers verbundene Rückbeziehung. 6 Das palatium verblieb nach Diokletians Tode im Staatsbesitz, was die Nutzung durch Iulius Nepos rund 160 Jahre später nachweist. Dessen Person und der Aufenthalt im Diokletianspalast werden viel zu wenig beachtet, obwohl er immerhin fünf Jahre dort verbrachte und von Kaiser Zenon in Konstantinopel anerkannt blieb. Siehe dazu Anm. 35. 7 Die frühe Zeit nach dem 1. Mai 305 behandelt Kuhoff (2001) 784–787. Leadbetter (2009) 136– 138, 140–142 und 145 f. versteht Galerius deshalb als „Gewinner“ der Abdankung, weil er mit Maximinus und Severus den Neffen und einen Anhänger ins Caesareat der zweiten Tetrarchie gebracht habe ; zugleich weist er zu Recht auf den Vorrang des Constantius als neuer primus Augustus hin, ohne aber die einschlägige Aureus-Rückseite einzubeziehen : Siehe dazu die folgende Anm.
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nämlich im britannischen Eburacum der nunmehrige erste Augustus Constantius die irdische Welt am 25. Juli 306. Dieser hatte ganz im Sinne der von Diokletian begründeten Tetrarchie offiziell deren grundlegende Maxime nach außen hin vertreten, nämlich die concordia Augustorum et Caesarum, was seine Münzprägung deutlich zu erkennen gibt. Zu beachten ist auf der Rückseite des entsprechenden Aureus-Typs der zwischen beiden Personen auf der Standlinie befindliche Kranz mit dem Ziffernhinweis auf die erhoffte Zwanzigjahreszeit der Regierung. Währendessen feierten normale Nummi die Ruhe der entpflichteten beiden Kaiser mit der Rückseitenlegende providentia deorum quies Augg. als eine fürsorgliche Maßnahme der Götter. Die Averse bilden die zwei seniores Augusti im Festgewand mit Adlerszepter ab, umrahmt von der gleichermaßen festlichen Legende im dazu passenden Dativ b{a}eatissimo sen. Aug. Der Kasus stellt eine Verbindung zur Reverslegende her, indem die vorausschauende Fürsorge der Götter als Voraussetzung für die Ruhe der Augusti emeriti diesen den Status von besonders glücklichen Altkaisern verlieh.8 Den offiziellen Status der seniores Augusti demonstrieren außer diesen Münztypen einige Inschriften sowie die beiden Zierpfeiler des Osttores von Felix Romuliana.9 8 Die Münztypen sind RIC 472 Nr. 148 ; Gnecchi (1912) I 13 Nr. 1 ; RIC VI 76a – 77b, 81 (Londinium) usw. Diese Münzen, die Inschriften und Zierpfeiler von Romuliana behandelt Kuhoff (2001) 320–326 (324–326 Anm. 836–839 mit den Münzen) und 764–766 (Pfeiler). Die genannte Rückseite deutet indirekt auf die beabsichtigte Zwanzigjahresdauer der Herrschaft hin, weil sie keine Vicennalien in Form von Jubiläumsfeiern anspricht, wie es sonstige Münztypen zu tun pflegten. 9 Eine erste Inschrift mit Nennung der seniores Augusti ist CIL VIII 8836 = 20648 = ILS 645 = AE 1992, 1890 aus dem mauretanischen Tubusuctitana, welche die Fertigstellung der dortigen horrea aus der Zeit des Afrika-Feldzuges von Maximian von 297/298 berichtet : [DD. nn. Diocletianu]s et Maximianus seniores Augg. et / [dd. nn. Constantius et Maximian]us invicti imperatores et / [Severus et Maximinus] nobilissimi Caesares / [quo tempore d. n. Maxim]ianus invictus senior Aug. feliciter / [comprimens turbas Quinquege]ntaneorum ex Tubusuctitana / [regione copiis iuva]retur horrea in Tubu-suctitana / [civitate fieri] praeceperunt anno pro. CCLXV[I]. Es folgt ein Meilenstein aus Theveste in Africa proconsularis, CIL VIII 10171 = 22286 = ILAlg II 3910 : DDDD. / nnnn. inv. / Diocletian(o) / et Maxim /[ian(o) seniorib(us) /Augg.] et i / pp. [[[d]]]dd. [[[n]]]nn. C / onstantio / et Maxim[[[ian]]] /o invictis / Augg. et S /[e]vero et M /[[[aximin]]]o / n[o]biliss. [Ca] ess. (hier ist die einschlägige Formel aber nur ergänzt. Drittes Dokument ist ein Meilenstein aus Arabia : Felici C. Aur. Val. / Diocletiano pat/ri immpp. et M. Aur. / Val. Maximiano / patri immpp. et F /l. Aur. Val. Constan /tio p. f. invict. A[u]g/{g}. e /t Gal. Val. Maximian /[o] p. f. [invict. Au]g. e /t [–]. Ein weiterer, ebenfalls unten fragmentarischer Meilenstein mit demselben Text und ähnlichen Fehlern ist AE 1996, 1622. Die zwei Meilensteine bieten aber nicht den Titel sen. Augg., sondern patres impp., also eine bei derartigen Stücken wie diesen durchaus häufig selbst gewählte Formulierung.
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Abb. 2 : Aureus des Constantius I., Münzstätte Siscia (© Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin).
Eine erste Möglichkeit für Diokletian, wieder in der großen Reichsöffentlichkeit aufzutreten, wäre die Einweihung der nach ihm benannten Diokletiansthermen in Rom gewesen, die zu unbekanntem Termin im Frühjahr 306 stattfand. Vom Meerestor seines palatium hätte er ein Schiff besteigen können, um nach Italien überzusetzen und von Brundisium aus im Reisewagen auf der Via Traiana und Via Appia nach Rom zu gelangen und den Feierlichkeiten ein Glanzlicht aufzusetzen. Jedoch spricht die Wahrscheinlichkeit gegen eine derartige Annahme, denn die im Original nur fragmentarisch und durch den Anonymus Einsidlensis fast vollständig überlieferte Bauinschrift der Thermen spricht nicht von einer Einweihung sub praesentia eius, sondern benutzt diesen Ausdruck allein für die Grundsteinlegung durch Maximianus im Jahre 298.10 Das Verb consecravit (Zeile 9) weist andererseits kaum darauf hin, dieser habe als zweiter sen. Aug. die Einweihung persönlich vorgenommen.11 Genau anders formulierte es rund neun Jahre später die 10 Die frühmittelalterliche Abschrift, die auch unvollständig ist, liefert der Anon. Eins. Nr. 16 : Walser (1987) 76 f. 11 Die Fragmente der Bauinschrift der Diokletiansthermen bietet CIL VI 1130 = 31242 = ILS 646 = AE 2007, 24.) : DD(omini) nn(ostri) Diocletianus et [[Maximianus]] Invicti / Seniores Augg(usti) patres Impp(eratorum) et Caess(arum) et / dd(omini) nn(ostri) Constantius et Maximianus Invicti Augg(usti) et / [[Severus et]] Maximinus nobilissimi Caesares / thermas Felices [Dio]cletianas quas / [M]aximianus Aug(ustus) re[dien]s ex Africa sub / [pr]aesentia maie[statis suae] disposuit ac / [ f ] ieri iussit et Diocletiani Aug(usti) fratris sui / nomine consecravit coemptis aedificiis / pro tanti operis magnitudine omni cultu / perfectas Romanis suis dedicaverunt. Zur Thematik Kuhoff (2001) 210 f., 304, 322, 383–386, 636, 745 f., 785 f.
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Abb. 3 : Diokletiansthermen, Stadtmodell Roms im frühen 4. Jahrhundert, Rom, Museo della Civiltà Romana (Photo : Jean-Pierre Dalbéra, Wikimedia Commons CC BY 2.0).
vergleichbare Inschrift des Militärlagers von Divitia gegenüber von Köln, an dessen Fertigstellung der Augustus Konstantin tatsächlich in eigener Person teilnahm. Daher weist die Wortwahl nicht auf die persönliche Anwesenheit Diokletians in Rom hin. Zudem dürfte ein solches Ereignis eine Öffentlichkeitswirksamkeit erzielt haben, die Auswirkungen in den Schriften der zeitgenössischen Autoren hätte zeitigen können, besonders in denjenigen des stets Geheimnisse suchenden Lactantius.12
12 Die Bauinschrift des Deutzer Militärlagers ist CIL XIII 8502 = ILS 8937 = Galsterer : Steininschriften Nr. 259. Der Text hebt eigens die Anwesenheit Konstantins hervor : Virtute domini Constantini Maximi / Pii Felicissimi Invicti Augusti / suppressis domitisque Francis / in eorum terris castrum Divitensium / sub praesentia principis sui / devoti numini maiestatique / duoetvicensimani vota fecerunt // X / XX. Zur Inschrift siehe außerdem Gechter (1991), zum Kastell Eck (2004) 605–611. Wegen der am Textende genannten vota ist die Inschrift ins Jahr 315 zu datieren, sicherlich vor Ende Juli, als Konstantin in Rom weilte, um dort den ihm gewidmeten Triumphbogen einzuweihen : Kuhoff (2015b) 41–46.
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4. Diokletian und die ungewollten Kaiserproklamationen vom Jahre 306
Zweifellos zum Leidwesen des früher vom Erfolg verwöhnten Diokletian ent wickelte sich die politische Lage seit dem Tode des Constantius. Dieser vermochte die Aura seines Vorgängers in der Rolle des primus Augustus trotz gegenteiliger eigener Hinweise auf seinen Münztypen in Wirklichkeit nicht auszuüben. Hierzu trug die geographische Lage seines Verantwortungsbereiches im äußersten Westen und Nordwesten des Reiches ein Gutteil bei, besonders als er sich auf dem Feldzug im alleräußersten Nordwesten außerhalb der Reichsgrenze im Land der Pikten aufhielt. Dennoch konnten seinen Tod wohl nur die anwesenden Offiziere vorausahnen, die am Ende des Unternehmens und bei der Rückkehr in Eburacum anwesend waren. Ob diese Personen über direkte Kontakte zu Galerius verfügten, darf bezweifelt werden, angesichts der langen Nachrichtenwege fast ein Ding der Unmöglichkeit. So verstarb Constantius, immerhin in Anwesenheit seines ältesten Sohnes Konstantin, im Truppenlager der legio VI Victrix und besiegelte damit das Ende der sogenannten zweiten Tetrarchie, lange bevor sein zwanzigjähriges Regierungsjubiläum erreicht worden wäre. Hiermit wurde die Axt an das diokletianische System der kalkulierten Herrschaftsabfolge gelegt, was sich im Nachhinein erwies. Selbst Diokletian als regelrechter „Macher“ in dem von ihm kreierten Herrschaftssystem hatte einen derartigen biologischen Zufall nicht ausreichend genug einkalkuliert, obgleich die Nachfolge der Caesares auf die Augusti als eigentlich automatische Regelung festgelegt worden war. Die unerwartete Realität und ihre Folgen sind sattsam bekannt.13 Völlig unpassend, ja regelrecht ärgerlich müssen Diokletian als dem spiritus rector des tetrarchischen Systems die sich im Jahre 306 anschließenden Ereignisse im Reichswesten erschienen sein. Die Selbsterhebung Konstantins und ihre nur mühsam in das System umgebogene Einreihung mit dem offiziellen Caesar-Titel ließ sich beinahe krampfhaft noch als Wiederherstellung der offiziellen Ordnung verkaufen, obwohl die genauen Umstände und Hintergründe weiterhin ungeklärt sind. Jedenfalls weiß man nicht, ob sich Galerius zur Situationsbewältigung um 13 Den Tod des Constantius und dessen direkte Folgen besprechen etwa Kuhoff (2001) 796–825 ; Leadbetter (2009) 156–169, widmet Constantius einen kurzen Abschnitt, in dem er ein problematisches Verhältnis der beiden Augusti betont, aber mit Recht auch eine größere Bedeutung des westlichen Kaisers anmahnt ; dafür zieht er den Panegyricus von 310 heran, erwähnt allerdings nicht das fragmentarische Siegesdenkmal von Nikaia (Kuhoff 2001) 596–598. Eine faktische Reichsteilung anzunehmen ist übertrieben (160 f.), und der Caesar Severus wurde nicht von Galerius, sondern von Maximianus ernannt (164 f.). Die Einordnung Konstantins wird schließlich in herkömmlicher Weise gedeutet (166 f.).
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Abb. 4 : Modell der principia des Legionslagers von Eburacum, York, Minster (Photo : W. Kuhoff).
einen Ratschlag seines Schwiegervaters bemüht hat. Die damalige Zukunft erwies aber seine kaum vom Vorgänger als primus Augustus, Constantius, zu unterscheidende Führungsschwäche im langsam auf tönerne Füße abgleitenden Herrschaftssystem. Am Anfang war es nur Konstantin, der sich in dieses System hineindrängte, doch wenig später folgte ihm mit noch drastischeren Konsequenzen der zweite vorhandene Kaisersohn, nämlich Maxentius, in der weiterhin offiziellen Reichshauptstadt Rom.14 14 Jüngst vertrat Wienand (2012) 119–133 nach einer Analyse der Panegyrici von 307 auf Maximianus und Konstantin und von 310 auf Letzteren die Ansicht, Konstantin sei nach vorheriger Absprache nicht nur mit seinem Vater selbst, sondern auch mit Galerius ohne Schwierigkeit als offizieller Caesar in die Tetrarchie eingetreten, als sein Vater am 25. Juli 306 in Eburacum verstarb. Diese Lösung bieten allerdings die zur Verfügung stehenden literarischen Quellenzeugnisse nicht, weil sie zumeist eine Augustus-Proklamation behaupten und die langwierigen Verhandlungen ansprechen, die anschließend zwischen Eburacum und Serdica abliefen, bis Konstantin am Ende als Caesar anerkannt wurde. Für ihn wurden auf jeden Fall keine Münzen als Augustus in Londinium geprägt, was bedeutungsvoll ist, aber die sonstigen, tatsächlich ausgegebenen Stücke lehnten sich in der Physiognomie an diejenigen des Constantius an (Wienand 128 f.). Eine alternative Möglichkeit spricht Wienand auch an : Konstantin wartete aus eigener Initiative solange mit seiner Einstufung ähnlich wie später Maxentius, bis der neue erste Augustus eine Entscheidung getroffen hatte, denn er war genau mit den Modalitäten des tetrarchischen Systems vertraut : Dessen allmählich entwickelte Regeln ließen keine Selbstproklamation zu und sahen die Einbindung von Söhnen in das Herrscherkollegium nicht vor. Seine Selbstbescheidung mit dem Caesar-Rang erklärt sich von dieser Warte aus ohne Schwierigkeit, denn zum offiziellen neuen Augustus im Westen rückte selbstverständlich der bisherige Caesar Severus auf, dessen Stelle umgekehrt frei wurde und nach Gutdünken des Galerius neu besetzt werden konnte. Die Entlassung Konstantins aus dem Militärdienst im Osten durch Galerius und sein Weg zum Vater nach Britannien haben nichts mit einer Voranerkennung Konstantins als späterer Caesar im Westen durch Galerius zu tun, die angeblichen Hindernisse ohnehin außer Acht gelassen (anders Wienand 125–127). Leadbetter (2009) 140–146, schildert
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Allerdings wird man beiderseitige Kontakte kaum in Abrede stellen wollen, was Diokletian seinem Range als senior Augustus schuldig war. Schließlich konnte die Distanz zwischen ihrer beider Residenzen von Kurieren auf der Via Egnatia gut bewältigt werden. Ob es freilich ein persönliches Treffen zwischen beiden Männern gegeben hat, ist nicht nachzuweisen. Immerhin mag man sich ausmalen, Galerius sei wie drei Jahre zuvor nach Nicomedia nun in entgegen gesetzte Richtung nach Aspalathos gereist, um seinem Mentor in einer Krisensituation einen Besuch abzustatten. Als wenig später nach dem Wiedereintritt des zweiten senior Augustus Maximianus in die aktive Politik, der Proklamation des Maxentius zuerst nur zum princeps, der folgenden Ausschaltung des amtierenden Augustus Severus, dem Scheitern des militärischen Vorgehens von Galerius und der folgenden Augustus-Erhebung Konstantins durch Maximianus das tetrarchische System in eine fundamentale Krise geriet, war es unabdingbar, eine grundlegende Neuorientierung anzugehen. Sie ist mit dem Namen Carnuntum verbunden.15 die Caesar-Ernennungen im traditionellen Sinne ; ein persönliches Treffen von Galerius und Maximianus im Vorhinein ist freilich ungesichert (145 f.). Die Hypothese von Barnes (2011) 48 f., 69, 206 (ohne Berücksichtigung einiger früherer Literatur wie des Diokletian-Buches des Verfassers des vorliegenden Beitrags), Konstantins erste Gattin Minervina sei wegen ihres Namens eventuell eine Verwandte Diokletians gewesen, ist aus der Luft gegriffen, weil diese Verbindung in der literarischen Überlieferung irgendwie hätte zum Ausdruck kommen müssen und natürlich Lactantius, an den sich der Autor ansonsten bei seiner Interpretation der angedachten Nachfolger für den 1. Mai 305 hält, nichts dergleichen berichtet – daher ist diese Dame genau andersherum eine zumindest bis heute unbekannte Größe wie es bis vor kurzem Prisca war ! 15 Eine aus der Distanz gebotene Beschreibung der Geschehnisse in Rom vom Herbst 306 und später legt Lactantius, De mort. pers. 26,1 – 28,4 (mit Darstellung der militärischen Auseinandersetzungen in Italien von Herbst 306 bis Frühjahr 307) vor. Das Verhältnis des Galerius zu seinem Schwiegervater Diokletian vor und nach 305 behandelt Leadbetter (2009) 114–146, besonders unter Heranziehung der lactantischen Ausführungen, aber mit vielfach berechtigter Reserve diesen gegenüber. Allerdings waren die zentralen Behörden nicht im Osten konzentriert (135) und der Diokletianspalast war keine Villa (139), sondern ein palatium wie Romuliana, das später auch als Villa eingestuft ist (172 bzw. 236). Andererseits ist mit Recht die Verantwortung für das Durchein ander nach der Abdankung nicht Diokletian angelastet (140). Das Maxentius-Problem verbindet er mit der Frage nach der Funktion von seniores Augusti, die er als Rückzugskaiser ohne Kompetenzen ansieht, während er dagegen Galerius einige hochtrabende Ideen für das Spätjahr 307 zuerkennt, die seine eigene Vorherrschaft hätten zementieren sollen (177–205). Suski (2016) 277–322 schildert zwar die Entwicklung nach Diokletians Abdankung mit den ungewollten Proklamationen, doch steht dabei die literarische Überlieferung zu sehr im Vordergrund ; allerdings plädiert er dafür, Constantius habe den eigenen Sohn nur als Caesar vorgeschlagen (290 f.). Casella (2017) 75–102, erörtert dieselbe Thematik eingehender, doch ist die Wortwahl imperium Daciscum für die Intentionen des Galerius innerhalb der Vorgeschichte der Maxentius-Usurpation eine typische lactantische Übertreibung gegenüber einem vom Autor verfemten Akteur (94–101).
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5. Diokletian und die Konferenz von Carnuntum
Als alle Bemühungen des Galerius in seiner Funktion als primus Augustus, die verworrene Lage zu bereinigen, sich ins Nichts aufgelöst hatten, sah er sich genötigt, an die politische Weitsicht Diokletians zu appellieren und diesem die Wiedereinrichtung eines geordneten Regierungssystems ans Herz zu legen. Zu diesem Zwecke wird er sich tatsächlich auf den Weg nach Aspalathos begeben haben, um eine Besprechung mit dem Initiator und Wahrer der concordia Augustorum et Caesarum durchzuführen. Dabei wurden sicherlich als Rahmenprogramm Gastmähler und andere Feierlichkeiten zur Umrahmung der politischen Gespräche veranstaltet. Sie fanden in den Räumlichkeiten statt, welche die Freilegungsmaßnahmen der kroatischen Archäologen unter Leitung von Jerko Marasović zumindest im Souterrain wieder zum Vorschein brachten und mit einem kleinen Teil ihres Mobiliars in Gestalt eines halbrunden Marmortisches ausstatten konnten. Daher wurde die Idee zur späteren Kaiserkonferenz an anderem Orte wohl im diokletianischen Altersruhesitz im Spätherbst 307 geboren, während im Westen zur selben Zeit Maximianus in Trier aus eigener Machtvollkommenheit seinen nunmehrigen Schwiegersohn Konstantin zum neuen aktiven Augustus erhob, wozu er sich als senior Augustus berechtigt fühlte – allerdings hatte niemand zuvor definiert, welche Kompetenzen einem solchen Altkaiser zustanden.16 Danach wurde der Vorschlag einer Krisenkonferenz an die Kaiserkollegen übermittelt, was mit deren Antworten eine beträchtliche Zeit in Anspruch nahm. Um das Vorhaben mit einer unverkennbaren offiziellen Aura zu umgeben, wurde in Aspalathos verabredet, Diokletian werde im Jahre 308 ein zehntes Mal den ordentlichen Konsulat übernehmen und Galerius, der zum siebten Male amtierte, ihm zur Seite stehen. Um diese Regelung überall kundzutun und die Zustimmung der Herrscherkollegen einzuholen, war ohne Telefon und Autobahnen, sondern mit 16 Aspalathos als Ort eines Treffens von Galerius und Diokletian zur Vorbereitung einer Bereinigung der Reichskrise liegt als Vermutung auf der Hand. Der ansonsten gesprächige Lactantius bringt sie nicht vor, doch war er anders als in Nicomedia nicht persönlich anwesend und konnte deshalb keine diesbezüglichen Gedanken spinnen. Leadbetter (2009) 180–205, sieht seit dem Tode des Constantius eine Allianz zwischen Galerius und Diokletian, in seiner Erörterung der Geschehnisse der Jahre 307 und 308 (197–200) sowie bei der Beschreibung der Paläste des Galerius äußert er sich aber nicht zu einem vorigen Zweiertreffen in Aspalathos vom Herbst 307 (235–243) ; allerdings lag Carnuntum nicht in Rhaetia, sondern in Pannonia Superior (beides 200 [sic !]). Wienand (2012) 138 f., 144, 223, 241, spricht kurz die Carnuntiner Konferenz an, ohne deren Vorgeschichte ins Kalkül einzubeziehen.
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Abb. 5 : Sog. Porta Aurea des Diokletianspalastes in Split (Photo : Falk2 Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0).
Meldereitern eine geraume Zeitspanne vonnöten. Daher ließe sich die Zweierkonferenz von Aspalathos spätestens auf den Herbst des Jahres 307 datieren, nachdem Galerius vergeblich in Italien interveniert hatte. Sie bestimmte zum Konferenzort Carnuntum an der Donau, das von allen drei Kaisern, die sich am Ende zum Kommen entschlossen, gut zu erreichen war. Den verpönten Maxentius ausgenommen, nahmen die beiden seniores Augusti und der primus Augustus teil ; ob auch Konstantin und Maximinus Daia hätten eintreffen können, ist Spekulation, denn sie waren im hier noch gültigen strengen Sinne keine Augusti und deshalb auch keine vollberechtigten Kandidaten. Die gute Erreichbarkeit galt nicht nur für Diokletian und Galerius, die von Aspalathos und Serdica und damit von Süden her anreisten, sondern auch für Maximian, der einen Teil seines Weges von Westen aus bequem auf der Donau zurücklegen konnte. Der Konferenzort bildete also den Schnittpunkt der Anreiserouten der drei potentiellen Teilnehmer, die ihre Bereitschaft zu kommen im Vorhinein bekundet hatten, und war deshalb ausgewählt worden. Der späte Zeitpunkt im Jahre war durch den Feldzug des Galerius gegen die Karpen bedingt, welcher in der günstigen Jahreszeit durchgeführt wurde, also schon bei der Konferenzfestsetzung eingeplant worden sein wird. Wie die Wetterverhältnisse im damaligen November allerdings waren, entzieht sich noch heute jeglicher Überlegung und konnte selbstverständlich schon am Ende des Jahres 307
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Abb. 6 : Kellergewölbe des Diokletianspalastes in Split (Photo : Dennis Jarvis Wikimedia Commons CC BY-SA 2.0).
nicht abgeschätzt werden. Hier bleiben daher natürliche Unwägbarkeiten bestehen.17 Was ist genauer zum Ereignis des Spätjahres 308 in Carnuntum zu sagen ? Zuerst geht es um den tatsächlichen Konferenzort innerhalb der Stadt mit ihrem Truppenlager und der großen Zivilsiedlung. Die früher gängige Auffassung identifizierte ihn mit der umfänglichen Thermenanlage im Zentrum der Zivilstadt, die dafür eigens ihrer ursprünglichen Funktion entkleidet und zu einem 17 In der Forschung wurden die rein technischen Voraussetzungen für die Abhaltung der Konferenz nicht genügend in Anrechnung gestellt. Dabei geht es nicht nur um die zurückzulegenden Wegestrecken für die Teilnehmer, sondern auch um die Vorbereitungen im Vorfeld des Ereignisses, die zusammen mit der Bestimmung der Jahreskonsuln für 308 in Gang gesetzt werden konnten. Zum Treffen äußerte sich jüngst Weber (2013) 16–27 : Hier wird auch auf die Reisewege eingegangen (20 f.), doch gilt es die Wahl von Carnuntum als Ort des Zusammentreffens noch stärker zu betonen, denn ihn als Ausweichlösung anzusehen, in dem Licinius schon anwesend war und die anderen Augusti zu ihm reisten, erscheint angesichts der Rangverhältnisse wenig plausibel. Suski (2016) 322–335, spricht die Wahl von Carnuntum mit einer kurzen Kalkulation der Reisewege an (327–329). Casella (2017) 101–114, geht auf die Ortswahl nicht ein (101 f.) und konzentriert sich stattdessen auf die Titulatur filius Augusti/orum. Roberto (2014) 237–257, handelt Diokletians Geschichte nach der Abdankung und die Tagung von Carnuntum zwar recht kurz ab, geht aber auch auf problematische Details ein (siehe unten).
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Palastgebäude umgeformt worden sei. Selbstverständlich galt es damals nicht nur, die Kaiser als Einzelpersonen unterzubringen, sondern zusätzlich deren jeweilige Entourage : Die Gesamtzahl belief sich daher auf hunderte Individuen unterschiedlicher Funktionsbestimmung, die im Gefolge der aktiven bzw. zurückgetretenen Kaiser und des zu kürenden Kaiserkandidaten anwesend waren. Die zweite ins Spiel gebrachte Möglichkeit ist der Statthalterpalast in der Nähe des Legionslagers über dem Donauufer, ein für repräsentative Zwecke bestens geeignetes Gebäude. Es war auch insofern passend, als zu den eigentlichen Konferenzsitzungen sicherlich nur ausgewählte Mitglieder aus den Begleitungen herangezogen wurden, die dort unschwer Platz finden konnten. Schließlich sollte auch damals ein Konferenzergebnis nicht sofort nach draußen durchsickern, eine Gefahr für alle derartigen Tagungen in der Weltgeschichte bis heute, wo solche Ereignisse wegen des Medieninteresses praktisch gläserne Veranstaltungen geworden sind.18 Der neue Kaiserkandidat wurde sicherlich schon im Vorhinein ausgewählt und nicht erst am 11. November wie ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert. Der Wahl müssen eingehende Verhandlungen zwischen Diokletian, Maximian und Galerius vorausgegangen sein, die selbstverständlich mehrere Tage um den bekannten 11. November herum in Anspruch nahmen. Das Vorschlagsrecht für die Kandidatur mag tatsächlich dem ersten Augustus Galerius zugekommen sein, denn nur deshalb konnte dieser seinen Freund und Kampfeskollegen Licinius vorschlagen und durchsetzen. Von woher dieser dazu stieß, bleibt freilich unsicher ; angeblich hat er sich sogar bereits in Carnuntum aufgehalten, doch eine Mitankunft im Gefolge des Galerius ist probater. Allerdings wurde diese Kür bekanntlich vorgenommen, ohne ihn zumindest kurze Zeit vorher pro forma zum Caesar zu ernennen. Auf diese Weise wäre den Anforderungen einer strengen tetrarchischen Herrschaftssystematik Genüge getan worden, was ja zuvor von Galerius gegen oder für Konstantin argumentativ benutzt worden war. Dieses anscheinende Manko, das jedoch durch die auctoritas von Diokletian abgesegnet wurde, interpretierten 18 Die Frage des tatsächlichen Konferenzortes in Carnuntum selbst ist noch in der Schwebe. Im Ausstellungskatalog von Humer (2014) bietet Franziska Beutler (28–33) keine Hinweise ; auch Gugl u. Humer (34–43) äußern sich nicht zum eigentlichen Konferenzort, betonen aber die unsichere Datierung des großen Bogenmonumentes. Im Katalogteil gibt Sedlmayer kurz an, die Thermenanlage sei um 300 zerstört gewesen (160) ; auch Weber nennt keinen Tagungsort (224 f.). Kovacs (2012) glaubt wie Weber, Licinius sei schon in Carnuntum anwesend gewesen. Besser ist es anzunehmen, er sei umgekehrt von den Konferenzveranstaltern hierhin eingeladen worden, denn wann wer tatsächlich eintraf, ist unter den antiken Wegeverhältnissen zudem im Vorwinter ohnehin unerheblich.
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die übergangenen, erst gar nicht angereisten oder überhaupt nicht eingeladenen Machthaber Konstantin und Maximinus sogleich in ihrem eigenen Sinne durch eine Negierung der Konferenzergebnisse. Eine solche Folge hätte von den Teilnehmern erahnt werden können, doch warum sie sich am Ende genauso entschieden, ist ungeklärt. Als eine zu simple Deutung erscheint jedenfalls die Annahme, die beiden älteren Herren seien von Galerius überfahren worden, wenn man die Aussagen des Lactantius zur Einleitung der Christenverfolgung Ende Februar 303 und zur Caesar-Kür vom Frühjahr 305 vergleichend heranzöge.19 Genügend Zeit zur fundierten Entscheidungsfindung war zwischen Januar und November 308 zweifellos vorhanden, die literarischen Quellen aber gaben sich keine Mühe, die wirklichen Abläufe ohne Voreingenommenheit zu schildern. In dieser Zeit hatte zudem Galerius längst damit begonnen, seinen projektierten Altersruhesitz Romuliana beim serbischen Gamzigrad auszubauen. Im Sommer 308 aber führte er seine Kampagne gegen die Karpen durch.20 19 Für die Christenverfolgung geht es um Lact., Mort. pers. 10,6 ; 11,3–8, für den angeblichen Ablauf der Caesar-Auswahl um ebd. 18,1–15 : Beide Male gibt sich Lactantius fälschlich als intimer Kenner auch der geheimsten Vorgänge im Kaiserpalast aus, der damals derjenige in Nicomedia war. Die kurze Mitteilung zur Kaiserkonferenz lautet (ebd. 29,1 f.) : Rediens (Maximianus) rursus in Gallias, ubi aliquantum moratus [est], profectus ‹est› ad hostem filii sui Maximianum, quasi ut de componendo rei publicae statu [et] cum eo disputaret, re autem vera, ut illum per occasionem reconciliationis occideret ac regnum eius teneret exclusus a suo. [2] Quo cumque venisset, aderat ibi Diocles a genere nuper accitus, ut quod ante non fecerat, praesente illo imperium Licinio daret substituto in Severi locum. Itaque fit utroque praesente. Sic uno tempore sex fuerunt. Vom zehnten Konsulat Diokletians ist auffälligerweise keine Rede. Leadbetter (2009) 200–205, erörtert die unterschiedlichen Beweggründe der drei Konferenzteilnehmer und sieht in Galerius den Nutznießer, betont aber stets seine Loyalität zu Diokletian. Andererseits hebt er dessen relative Machtlosigkeit gegenüber den eigennützigen Bestrebungen seiner Kollegen hervor, sieht ihn sogar als Schädiger des tetrarchischen Systems (216–221, 226–243) : Während diese Einschätzung nicht einleuchtet, ist die Charakterisierung des Galerius als unglücklicher und unflexibler Nachfolger auf Diokletians Spuren begründet. Roberto (2014) 246–248, betont die Erhebung von Galeria Valeria zur Augusta und sieht als Ergebnis der Konferenz die Wiederherstellung der herrscherlichen Ordnung mit Ausnahme des Maxentius. Suski (2016) 326–335, unterstreicht die Ergebnisse von Carnuntum hinsichtlich der Titulaturen einschließlich des neugeschaffenen filii Augustorum im Zweierkollegium auf Inschriften, doch ist das individuelle filius Augusti im numismatischen Bereich unbedingt einzubeziehen. Casella (2017) 102–104, sieht Galerius als Gewinner der Konferenz, aber zugleich die Fragilität der Erhebung des Licinius gleich zum Augustus ; außerdem werden mit Recht die numismatischen Volten hinsichtlich des genannten Titels ausdrücklich angesprochen (103 f. Anm. 195). 20 Innerhalb der Baupolitik des Galerius ist der Begriff „Villa“ für den Altersruhesitz Romuliana angesichts der wehrhaften Monumentalität fehl am Platze (so etwa Leadbetter 2009, 236–241). Zu diesem palatium mit Festungscharakter in der Provinz Dacia Ripensis siehe ausführlicher unten Anm. 24.
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Einziges direktes und originales Zeugnis für die Konferenz ist der bekannte Weihestein, der die Renovierung eines der örtlichen Mithrasheiligtümer als gemeinsame Handlung von Kaisern dokumentiert, deren Namen aber nicht genannt sind. Den kurzen Text D(eo) S(oli) I(nvicto) M(ithrae) / fautori imperii sui / Iovii et Herculii / religiosissimi / Augusti et Caesares / sacrarium / restituerunt begleiten die zwei Schmalseitenreliefs von Cautes und Cautopates. Besonderheiten des Wortlauts sind nicht nur das Fehlen der individuellen Stifternamen, sondern auch die ausdrückliche Nennung der zwei seniores Augusti : Einen eindeutigeren Nachweis für ein Sechs- anstatt eines Vierkaiserkollegiums seit dem 1. Mai 305 gibt es nicht, denn der Text ist ein hochoffizielles Dokument, das die kaiserlichen Bauherren in gemeinsamem Auftrag formulieren ließen. Allerdings ermöglichte die Platzbeschränkung des Inschriftfeldes auf dem zweitverwendeten Stein ohnehin keine ausführliche Titulatur aller Konferenzteilnehmer, auch nicht diejenige der unbeteiligten beiden Caesares. Auch wegen derer Abwesenheit wurden die Namen weggelassen, um für die Besucher und Nutzer des Mithrasheiligtums keinen Verdacht auf Unstimmigkeiten im Kaiserkollegium aufkommen zu lassen, zumal die Kultanhänger in Carnuntum das Geschehen am Orte wenigstens von ferne selbst verfolgen konnten : Insofern handelte es sich im Grunde um eine Textformulierung für zukünftige Leser. Die alleinige Zusammenkunft mehrerer Kaiser des tetrarchischen Regierungssystems sichert den Bezug auf die Konferenz von November 308. Der entscheidende Hinweis darauf wird der Aussage des Zosimos verdankt, Maximian und Diokletian hätten sich in Carnuntum getroffen, und Lactantius fügt als dritten Mitwirkenden Galerius hinzu. Allerdings geben beide Autoren nicht alle Details an, zumal Lactantius bei diesem Ereignis mit Sicherheit nicht persönlich anwesend war und deshalb auch nicht seine Einschätzung einfließen lassen konnte.21 Das überdimensionale, jedoch nur mehr zur Hälfte erhaltene, dazu stark ergänzte Tetrapylon südlich des Ausgrabungsareals der Zivilstadt auf dem Boden der Gemeinde Petronell wird verschiedentlich auf die Konferenz bezogen. Einerseits gibt es die Aussage von Ammianus Marcellinus, Constantius II. habe mehrere derartige Monumente in Grenznähe an der Donau errichten lassen, wofür auch Carnuntum in Anspruch genommen wird. Andererseits plädiert ein Teil der ar21 Des Zosimos Angabe bietet NH II 10,4 f.; der kurz darauf folgende Zusatz, Galerius habe Licinius zum Kaiser gemacht und sei kurz darauf gestorben (11,1), gibt keinen Hinweis auf die historische Genauigkeit des Verfassers. Zu Zosimos Kuhoff (2010). Weber (2013) 21, spricht von einem wiederverwendeten Mithrasstein ; Kremer (2014) 47 f. bestätigt dies und weist das Denkmal dem großen Mithräum III im Osten der Zivilstadt zu, wo ein anderer Mithras-Altar gefunden wurde ; ebenso Weber (2014) 224.
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Abb. 7 : Arcus quadrifrons in Carnuntum, Südseite (Photo : Naoag afterglow Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0).
chäologischen Forschung dafür, man habe es stattdessen mit einem Bau aus der diokletianisch-tetrarchischen Zeit zu tun, der im Zusammenhang mit dem Kaisertreffen zu sehen und vielleicht gerade deswegen errichtet worden sei. Für diese Einschätzung scheint die Mithras-Inschrift im Museum von Bad Deutsch-Altenburg Pate gestanden zu haben. Da genau in der Mitte des Bogendurchgangs eine kreisrunde Basis für eine Statue gefunden wurde und zu den im Bogen zweitverwendeten Steinen eine Weihung an Iuppiter optimus maximus gehörte, spricht diese Sachlage eher für ein Bauwerk der Zeit um 350. Auszuschließen ist die gegenteilige Auffassung aber nicht, denn der Iuppiter-Stein ist zu klein, um eine besondere Bedeutung zu besitzen. Zudem kann das Fragment einer Männerstatue aus dem Attika-Bereich wegen der Gewandgestaltung in die tetrarchische Epoche gehören, wenn man es mit zeitgleichen kaiserlichen Porphyrstatuen vergleicht. Natürlich krankt die Fragestellung am Fehlen einer Bauinschrift, aber Münzhortfunde deuten ihrerseits auf eine Zeit um die Mitte des 4. Jahrhunderts hin. Zudem ist zu fragen, ob es nach der Festlegung auf den Konferenzort Carnuntum frühestens Ende 307 genug Zeit gab, für die Dokumentation der Tagung ein dermaßen großes Bauwerk in Auftrag zu geben und rechtzeitig vollenden zu lassen : Die Verwendung von Spolien mag aber Hinweis auf eine schnellere Fertigstellung sein.
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Abb. 8 : Mithras-Weihestein aus Carnuntum, Bad Deutsch-Altenburg, Museum (Photo : Kharmacher Wikimedia Commons CC0 1.0).
Jüngst wurde sogar Valentinian I. in die Diskussion eingebracht, was nunmehr drei Datierungsmöglichkeiten eröffnet.22
6. Diokletian und die ersten Jahre nach Carnuntum
Die Ergebnisse der Carnuntiner Konferenz brachten bekanntlich keine definitive Lösung, weil der Eigennutz der Nichtteilnehmer und Ausgeschlossenen ihre bis22 Das sogenannte „Heidentor“ von Carnuntum besprachen etwa Soproni (1978) 125–132 (Datierung ins Jahr 308 in Verbindung mit angedachten Zeremonien zum Konferenzende) ; Kleiß (1982) 222–228 ; Jobst (2001) (dezidierte Datierung in die Zeit des Constantius aufgrund der Münzfunde allein aus konstantinischer Zeit) ; Mühlenbrock (2003) 291–295 (das Buch von Jobst war dem Autor noch nicht bekannt, deshalb Datierung und Interpretation wie Soproni). Gugl u. Humer (2014) 42 bringen Valentinian I. als Bauherren ins Spiel ; Liebmann u. Liebmann (2014) fassen es sogar als eine Art christliches Siegesdenkmal auf (80). Eine bautechnische Analyse bietet Reidinger (2007) : Die Einleitung zu Reidingers Aufsatz von W. Jobst (122–128) deutet den Bau als eine Art Baldachin über der inneren Rundbasis, auf der vielleicht ein Kreuz stand ; dabei wird teilweise jedoch eine falsche Terminologie benutzt, denn „Triumphbögen“ konnte es nur dort geben, wo Triumphe gefeiert wurden, also vornehmlich in Rom). Die jüngeren Monographien zu Diokletian und Galerius gehen auf das Tor nicht ein.
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her gewonnene Stellung nicht einschränken lassen wollte. Maxentius kümmerte sich ohnehin nicht um die Anderen, solange sie nicht sein eigenes Machtgebiet berührten. Maximinus und vor allem Konstantin fühlten sich übervorteilt : Dieser sah sich nunmehr offiziell Licinius als neuen Augustus im Westen vor die Nase gesetzt und selbst weiterhin nur als Caesar behandelt. In diesem Range sollte auch Maximinus als Dienstältester von allen, zudem noch von Diokletian persönlich berufen, verbleiben. Diese beiden Männer begehrten daher sogleich gegen ihre Zurücksetzung auf und ließen sich auch nicht durch die Notlösung der Ernennung zu filii Augustorum bzw. individuell filius Augusti beruhigen. Diokletian seinerseits sah mit dem Konferenzende seine Aufgabe als abgeschlossen an und zog sich wieder auf sein Altenteil zurück. Die römische Welt jedoch fand sich mit einer neuen Realität konfrontiert, und diese entwickelte sich nicht zu ihrem eigenen Nutzen. Lactantius schätzte die Lage im Nachhinein richtig ein und konstatierte, seit Carnuntum tummelten sich mehr als vier Herrscher im eigentlich nicht mehr vorhandenen Kollegium. Diese Situation erwies sich als untragbar, und von einer Einheit konnte ohnehin keine Rede mehr sein. Doch damit hatte Diokletian vorläufig nichts mehr zu tun.23 Gemäß der literarischen Überlieferung war der einstige Tetrarchiegründer in keines der folgenden Ereignisse bis zum Jahre 313 involviert. Für diese Zeitspanne könnte tatsächlich die süffisante Bemerkung über den Kohlanbau zutreffen. Dio kletian ließ die Selbsterklärung zu Augusti durch Maximinus und vorher schon durch Konstantin an sich vorübergehen, von der Erhebung des Domitius Alexander in Afrika überhaupt nicht zu sprechen. Wie er den unter dubiosen Umständen erfolgten Tod seines einstigen Mit-Augustus Maximian aufgenommen hat, bleibt ebenso unbekannt. Womöglich darf man eine Betroffenheit annehmen, die der Tod des Galerius Ende April 311 verursachte, denn mit dem Hinscheiden seines Schwiegersohnes verlor er seine wichtigste Stütze im turbulenten Meer der politischen Wirrnisse, in das später auch seine Gattin und Tochter verwickelt wurden. Die nominelle Wiederzulassung der Christen in die Religionslandschaft des Reiches goutierte er sicherlich nicht, doch auch dies verbleibt im Dunkel. Sein Name 23 Lactant., Mort. Pers. 29,2, spricht von sechs Herrschern. Dabei sieht er offensichtlich Maximanus nicht als wieder aktiven Augustus an und berücksichtigt andererseits Maxentius als obgleich nicht offiziell anerkannten Mitkollegen der anderen ; außerdem reiht er Alexander in die Kaiserphalanx ein. Leadbetter (2009) 200 folgt dieser Einschätzung. Roberto (2014) 247–251 äußert sich nicht zur Kaiserzahl, weist aber Konstantin die Verantwortung für das Ableben der Tetrarchie zu. Suski (2016) 327–332 schließt Maximianus ebenfalls aus ; Casella (2017) 103–108 sieht im neu erfundenen Titel filius Augusti / filii Augustorum mit Recht eine Parallele zum kaum gebrauchten patres Augustorum für die seniores Augusti (mit Verweis auf Stefan 2004 u. 2005).
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Abb. 9 : Das palatium des Galerius Felix Romuliana bei Ganzigrad (Photo : Pavle Marjanovic Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0).
taucht erst wieder in einem zweifelhaften Zusammenhang auf, als sich nach Konstantins Sieg über Maxentius am 28. Oktober 312 der Sieger und dessen jetziger Kollege Licinius im Vorfrühling 313 in Mediolanum zu einer nur noch zweiseitigen Kaiserkonferenz trafen.24 Zuvor aber ist noch ein Blick auf des Galerius unvollendeten Altersruhesitz namens (Felix) Romuliana zu werfen. Hier bekannte sich der Bauherr visuell zur sogenannten zweiten Tetrarchie, also der eigentlich als Sextarchie zu bezeichnenden Herrschaftsform seit dem 1. Mai 305. Ausdruck dieser Haltung sind die in rustikalem Stil gehaltenen Zierpfeiler des Osttores mit symbolischen Darstellungen, die glücklicherweise erhalten blieben und zum Nachdenken anregen. Sie zeigen übereinander, in Medaillons eingefügt, drei und nicht nur zwei Herrscherpaare : In dieser Form finden auch die seniores Augusti Berücksichtigung, und zwar im einen Falle als unteres, im anderen als oberes Paar.25 Ebenso drücken es die wenigen 24 Das Kaisertreffen in Mailand fand allgemeinen Niederschlag im Ausstellungskatalog von Biscottini u. Chiesa (2012) ; der Tagungsband Macchioro (2017) enthält fast nur Beiträge italienischer Verfasser. Siehe weiterhin Anm. 28. 25 Zum Altersruhesitz des Galerius namens Romuliana sind zuerst die Beiträge des Ausgräbers Dragoslav Srejović und danach seiner Mitarbeiter heranzuziehen ; später Kuhoff (2001) 761–781. Eine weitere Darstellung findet sich im Sammelband von Brandl u. Vasić (2007), hier die Beiträge
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epigraphischen Zeugnisse aus, die zusätzlich zur fragmentarischen Bauinschrift der Diokletiansthermen auf uns gekommen sind. Diese Dokumente sind sowohl im Reichswesten wie -osten vorhanden und deuten damit eine reichsweite Verbreitung an.26
7. Diokletian und die Umstände sowie die Datierung seines Todes
Einige Inschriften dokumentieren den dritten Konsulat von Maximinus und Konstantin für das Jahr 313. Sie nennen zwar die für ihre jeweiligen Reichsteile unterschiedlichen Reihenfolgen der consules, doch durch die Tatsache als solche wird ein zumindest temporäres offizielles Einvernehmen behauptet, dem stillschweigend auch Licinius beitrat.27 Die Konsulatsfestlegung wurde selbstverständlich zwischen dem 29. Oktober und 31. Dezember 312 verabredet, um rechtzeitig publik gemacht werden zu können. Für eine kurze Zeitspanne herrschte also zwischen den jetzt nur noch drei aktiven Augusti dieses Übereinkommen, in dem Diokletian in seinem abgelegenen Domizil keine Rolle spielte. Jedoch hatte Maximinus immerhin nach des Galerius Tode in einem Reskript vom 1. Juni 311 eine persönliche Bezugnahme auf seinen auctor imperii ausgedrückt, den er als dominus et parens noster Diocletianus senior A(ug.) anspricht. Insofern darf man annehmen, nach des Galerius Tode sei es Maximinus gewesen, der eine Art unsichtbare Schutzfunktion für Diokletian übernommen hatte Dies vermag zu erklären, warum sich des Galerius Gattin Galeria Valeria, Tochter Diokletians, noch im S. 33–79 von Vasić, von Bülow und Wulf-Rheidt. Hinzu kommt Živić (2011) (Bau der ersten Anlage 298–303, der äußeren zweiten ab 305) ; die nachtetrarchische Entwicklung behandeln Petković (2011) sowie Milinković (2011). Die eigentliche Funktion erörtert G. von Bülow (2011) : Die Interpretation als Hauptort für die Metallgewinnung in der weiteren Umgebung ist allerdings nicht überzeugend, vielmehr handelte es sich wie bei Diokletians Palast in Aspalathos um den gedachten Altersruhesitz am jeweils individuellen Geburtsort. In den jüngsten Monographien zu Galerius von Suski (2016) und Casella (2017) wird Romuliana fast nicht (Suski 337, 341 f.) bzw. recht umfassend behandelt (Casella 173–180), auch hinsichtlich des Todes von Galerius ; hier gilt der Gebäudekomplex als „gigantesco palazzo“ (Casella 175). 26 Eine vergleichende Zusammenfassung zur Residenzen-Thematik gibt Kuhoff (2009). 27 Konsulatsinschriften von 313 sind etwa CIL VI 507 = AE 2004, 31 (Rom) : DD. nn. Constantino et / Maximino Augg. III coss. / C. Magius Donatus / Severianus v. c. / pater sacrorum / invicti Mithrae / hierophantes / Liberi Patris et / Hecatarum [t]au10/robolium feci(t) / XVII K[a]l. Maias ; AE 1970, 119 (Gaeta) : D. n. Constan(tino) III et / Maximino Aug. / III consulibus / XI Kalendas Februaria(s) / Cornelius Gela/stus sacerdos / XVviralis M(atris) M(agnae) I(daeae) / Frygiae(!) tauro / bolium movit / feliciter. Zu dieser Angelegenheit Kuhoff (2001) 914–917.
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Jahr 311 unter den veränderten politischen Umständen in den Reichsosten zum vermeintlichen Förderer Maximinus begab, der zudem die Christenverfolgung in subtiler Form fortsetzte.28 Die angebliche Aufforderung der Augusti Konstantin und Licinius an Diokletian, an ihrem Treffen in Mediolanum teilzunehmen, kann als ein Schachzug interpretiert werden, diesem eine besondere Würde zu verleihen, ähnlich wie zuvor bei der Konferenz von Carnuntum. Ob die Einladung ernst gemeint war, kann man allerdings nicht ermessen. Das Mailänder Treffen bezeugt offiziell das berühmte Goldmedaillon von Ticinum, literarische Angaben liefern einerseits Lactantius und Eusebios, andererseits die Origo Constantini, die Epitome de Caesaribus und Zosimos, die allesamt keine Augenzeugen waren. Der Text des häufig falsch als Edikt bezeichneten mandatum nennt jedenfalls im Sinne Konstantins eine summa divinitas als Schutzgottheit.29 Die Einladung Diokletians nach Mailand behauptet allein die Epitome mit den Worten, Konstantin und Licinius hätten ihn zur Hochzeit eingeladen, doch habe er mit Hinweis auf sein Alter abgesagt ; daraufhin sei er von beiden beschuldigt worden, Maxentius und Maximinus zu begünstigen, wonach er einen Selbstmord durch Gifteinnahme vollzogen habe. Kann diese Angabe einer bekanntermaßen vielfach unzuverlässigen Quelle aber richtig sein ? Da es die einzige diesbezügliche Aussage ist, bestehen von vornherein Zweifel. Andererseits klingt die Mitteilung durchaus nachvollziehbar, denn ansonsten wäre dem unbekannten Autor eine gänzliche Erfindung vorzuwerfen. Der Text umfasst vier Teile, nämlich die Ein28 Das Reskript des Maximinus ist CTh XIII 10,2 = CJ XI 49 ; dazu Kuhoff (2001) 494 f., 916 f.; Nakamura (2003) 287 (Datierung auf 312). Zu Person und Politik des Maximinus in jüngerer Zeit Kuhoff u. Ehling (2011) ; Ehling (2011) ; (2013) ; (2016). 29 Das Goldmedaillon behandeln numismatisch Gnecchi (1912) I Nr. 16 ; RIC VI 111 ; Toynbee (1944) 108 f.; Kent u. Overbeck u. Stylow (1973) 159 f. Nr. 629. Zum Medaillon allgemein Kuhoff (2001) 923 f., zur Konferenz mit ihren Ergebnissen 924–927. Das politische Geschehen in Mailand erörtert auch Barnes (2013) (ohne Berücksichtigung wichtiger Literatur) : Ob die phantasievolle Beschreibung eines Alpenübergangs im Winter durch den kaum bekannten Pferdemedizinschriftsteller Theomnestos ein probates Zeugnis für historische Abläufe sein kann, darf bezweifelt werden, denn dafür erscheint dessen Darstellung von Reiter ereilenden Todesfällen im Frost doch allzu abstrus (540–542). Von Diokletians Schicksal sagt der Verf. nichts, sieht aber die Übereinkunft von Mailand als Einleitung von Verwaltungsmaßnahmen wie der Berufung von vicarii und magistri officiorum, abgesehen von der durch Licinius gewünschten Heirat mit Constantia. Die pferdemedizinische Diss. von Menard (2001) 43 f. nimmt die Interpretation des von Barnes herangezogenen Textes als gegeben an. Zu dem die Christen betreffenden Inhalt der Mailänder Vereinbarungen siehe besonders Herrmann-Otto (2013) ; die summa divinitas erörtert Wienand (2012) 254–280 (mit dem Blick auf literarische und numismatische Dokumente die Vorstellung eines durch christliche Elemente angereicherten, aber noch von traditionellen Vorstellungen bestimmten Allgottes).
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Abb. 10 : Kaisermausoleum im Diokletianspalast von Split (Photo : Matti Blume Mikimedia Commons CC BY-SA 4.0).
ladung an Diokletian, dessen Entschuldigung, den folgenden Vorwurf der Konferenzteilnehmer und schließlich die Konsequenz eines Selbstmordes Diokletians, der freilich vom Autor als nicht gesichert eingestuft wird. Die ersten drei Teile stellen eine recht logische Abfolge dar, der vierte klingt allerdings dubios. Die Behauptung, Konstantin habe danach eine Art abolitio nominis über Diokletian verhängt, wie es beiläufig Lactantius vermeldet, widerspricht eklatant der Mitteilung sonstiger Autoren, der senior Augustus, der fälschlich als privatus eingestuft wird, habe nach dem Tode in ungewöhnlicher Weise eine Divinisierung wie zuletzt Galerius erfahren.30 30 Der vollständige Text der Epitome de Caesaribus 39,7 lautet : Morte consumptus est, ut satis patuit, per formidinem voluntaria. Quippe cum a Constantino atque Licinio vocatus ad festa nuptiarum per senectam, quo minus interesse valeret, excusavisset, rescriptis minacibus acceptis, quibus increpabatur Maxentio favisse ac Maximino favere, suspectans necem dedecorosam venenum dicitur hausisse. Die damnatio erfolgte laut Lact., Mort. pers. 42,1 so : Et quid senes ambo simul plerumque picti erant, et imagines simul deponebantur amborum. Auslöser für die Wegnahme der Bildnisse Diokletians war also deren natürliche Vergesellschaftung mit denen des 310 umgekommenen Maximianus. Schlumberger (1974) 185–188, vermutet in der Selbstmordthese eine Konstantin feindliche Angabe ; Nakamura (2003) 284–286 und 289, erwähnt die Schilderung der Epitome nur kurz, warnt
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Die Angabe der Epitome weist jedenfalls auf das fortgeschrittene Jahr 313 hin, am ehesten auf die Zeit nach des Maximinus Tod im frühen August, womit der letzte originär tetrarchische Herrscher aus dem Ränke- und Machtspiel ausschied und Dio kletian weit und breit alleine auf der politischen Flur stand. Freilich scheint dieser Auffassung die lactantische Angabe zu widersprechen, Maximinus habe die Tochter Galeria Valeria verbannt, weil sie nicht seine Gattin werden wollte ; auch wiederholte Gesandtschaften Diokletians hätten ihn nicht umstimmen können. Später sei trotzdem Diokletians Ehefrau Aurelia Prisca der Tochter gefolgt, aus welchem Grund auch immer. Von dieser liegt seit 2003/2005 der Fund einer Statuenbasis in Salona vor, deren knapper Text ihr den Titel einer nobilissima femina gibt : Somit ist sie jetzt nicht mehr wie zuvor wegen der alleinigen zwei lactantischen Aussagen als eine Art historisches Phantom zu betrachten.31 Der christliche Autor schließt beide Frauen in die Liste der Mordopfer des Licinius nach dessen Sieg über Maximinus ein, wenn auch erst für das frühe Jahr 315 mit dem Tatort Thessalonica, wo später Licinius selbst im Frühjahr 325 sein gewaltsames Ende fand. Damals und schon zuvor wütete dieser gegen alle von ihm als potentielle politische Widersacher eingestuften Personen, die ihm hätten gefährlich werden können : Seine gegenüber Konstantin deutlich gewordene zweitrangige Rolle mag dazu den Anstoß gegeben haben.32 aber mit Recht vor einem zu großen Vertrauen auf die Angaben von Lactantius ; seine Datierung ist der 3. Dezember 312 (289). 31 Der Inschrifttext wurde veröffentlicht von Jeličić-Radonić (2009) 311–315. Auffälligerweise ist die Kenntnis dieses außergewöhnlichen Neufundes, noch ohne Berücksichtigung in der AE, einem breiteren wissenschaftlichen Publikum bisher nicht bekannt geworden. 32 Städele (2004) 225 f., sieht Licinius nach dem Tode von Galerius als sich abzeichnenden Angreifer auf die östlichen Reichsgebiete auch des Maximinus ; S. 228–230 formuliert er die Ansicht, des Galerius unehelicher Sohn Candidianus sei von Maximinus als sein späterer Caesar vorgesehen worden, und auch des Severus Sohn Severianus habe sich Hoffnungen auf eine Herrschaftsbeteiligung in einer weiteren „Tetrarchie“ machen können. Der Autor stuft Prisca als „Schemen“ ein, da er die Inschrift von Salona noch nicht kennen konnte (230) ; seine Hypothese, Galeria Valeria habe sich nach ihres Gatten Tode als eine Art Regentin für Candidianus angesehen, ist gleichfalls überaus hypothetisch (231). Leadbetter (2009), vermutet Licinius als Initiator der Beisetzung des Galerius in Romuliana, unterstreicht aber auch dessen alleinige Verantwortung für die Familienmorde von 313/315. Suski (2016) 337–374 behandelt das galerische Toleranzedikt, die Einstellung von Maximinus und Licinius zu ihm, des Galerius Todesumstände hauptsächlich mit Heranziehung der zugehörigen literarischen Angaben, sogar bis zum Alten Testament zurück (besonders 364–366), die Rolle von Galeria Valeria und das territoriale Erbe, nicht jedoch die Divinisierung. Casella (2017) 182–198 erörtert das Toleranzedikt sowie die Todesumstände mit einer ähnlichen Synopse wie Suski (2016) 187–189, wobei als damaliger Aufenthaltsort des Galerius Romuliana angenommen wird, und geht zuvor kurz auch auf die Divinisierung mit den Münztypen von Licinius, Maximinus und Maxentius ein (178 f.).
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Wie ist schließlich die Mitteilung mehrerer Quellen zu interpretieren, Diokle tian sei nach seinem Tode als einziger Privatmann in der Kaisergeschichte zum divus erklärt worden ? Diese Angabe ist insofern falsch, als sie nicht den Vater Traians, den divus Traianus pater, sowie eventuell den Vater des Philippus Arabs, den divus Marinus, berücksichtigt. Weil mehrere literarische Zeugnisse dieselbe Nachricht bieten, spräche dies auf den ersten Blick für die Richtigkeit. Doch erhebt sich sofort die Frage, wer eine solche Maßnahme angeordnet hätte, nachdem kein einziges Mitglied der ersten und zweiten Tetrarchie mehr am Leben war. An Konstantin wird man kaum denken, obgleich er sich im Jahre 302 mit Diokletian in Ägypten aufgehalten hatte, aber er wird diesem die Nichterhebung zum allgemein anerkannten Augustus in Carnuntum nicht verziehen haben. Damit fällt auch der Senat in Rom aus, denn er kann keinen derartigen Handlungsspielraum unter dem neuen Beherrscher des Reichswestens gehabt haben, zumal er Konstantin nach dem Ausscheiden des Maxentius zum maximus Augustus proklamiert hatte. Licinius hätte für seinen auctor imperii eine berechtigte pietas hegen können, doch gibt der spätere Mord an Gattin und Tochter des Verstorbenen keinen positiven Hinweis dafür, denn er sah beide zusammen mit den anderen Mordopfern Candidianus und Severianus als potentielle Machtkonkurrenten an. Daher bleibt die Divinisierung grundsätzlich fraglich, weil für sie zudem kein offizielles, nichtliterarisches Dokument wie etwa Münzen existiert. Wenn überhaupt, dann kommt nach dem Vorgang für Galerius, als die daran interessierten Herrscher ohne Rücksicht auf die Prärogativen des Senates nach eigenem Gusto Vergöttlichungen aus politischem Kalkül verkündeten, theoretisch nur noch Licinius als Initiator einer Divinisierung ins Spiel, die wenig später bereits aufgegeben wurde und deshalb keine Münznachweise zeitigte ; andererseits weisen Inschriften umgekehrt spontane Namenstilgungen auf.33
8. Zusammenfassung
Zusammenfassend darf man daher die politische Bedeutung Diokletians in Anbetracht der realen Änderungen der Machtverhältnisse als stetig abnehmend anse33 Den Tod Diokletians mit seinen Datierungsalternativen erörtert kurz Kuhoff (2001) 933 f. Eigene Beiträge hierzu bieten Nakamura (2003) ; Städele (2004) ; Leadbetter (2009) 243, datiert den Tod in der Tradition von Barnes auf den 3. Dezember 311 ; so auch Barnes (2010) 318–322. Des Lactantius Angabe über die Verbannung seiner Tante durch Maximinus und die vergeblichen Gesandtschaften bietet Mort. pers. 41. Diokletians Beisetzung in seinem Mausoleum bespricht Marin (2005/2006).
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hen. Als sein Schwiegersohn Galerius wohl nicht unvermittelt starb, entschwand mit diesem der letzte Sachwalter, der mit der Idee des tetrarchischen Regierungssystems groß geworden war und dieses am Ende als primus Augustus auf der politischen Bühne knapp sechs Jahre lang zu verfechten versucht hatte. Einen durchschlagenden Erfolg verhinderte aber manifest die Usurpation des Maxentius. Was Diokletian früher mittels seiner überragenden Autorität gelungen war, nämlich das Reich in innenpolitischer Ordnung zu erhalten, das vermochte Galerius nicht mehr, obwohl er sich anscheinend redlich bemühte. Der nach dem Ablauf des Jahre 308 auch vom Schwiegersohn nicht mehr bemühte ältere senior Augustus konnte sich von da an wirklich ins Privatleben zurückziehen und die Annehmlichkeiten des Meeres und Landes genießen. Auf diese Weise aber geriet er tatsächlich in die politische Vergessenheit und konnte in der Rückschau des späten vierten Jahrhunderts in fast logischer Weise als privatus eingestuft werden. Seine gescheiterten Versuche, der Tochter die Rückkehr zu ermöglichen, unterstreichen diesen Abstieg deutlich.34 Inwieweit seitdem die auf Öffentlichkeitswirksamkeit abzielenden Teile seines palatium, wie der Hauptplatz und die anschließende Tribüne an dessen Südrand, noch genutzt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis : Danach mag, wann auch immer, die stinkende Walkerei und Tuchfabrik im Nordteil eingezogen sein.35 34 Zur Datierung von Diokletians Tode plädiert Städele (2004) 234 f., für das Jahr 311, er widerspricht sich aber, wenn er einerseits Galeria Valeria und Prisca damals zu Maximinus entfliehen sieht und die Gesandtschaften als unhistorisch einstuft, aber der Angabe desselben Lactantius, Mort. pers. 39,5, Glauben schenkt, die Mutter sei zusammen mit der Tochter in den Osten gekommen. Ob erst der Vorstoß des Licinius gen Osten im Frühjahr 313 Prisca bewog, der Tochter zu Maximinus als dem einen vermeintlichen Schutz bietenden letzten Vertreter des tetrarchischen Gedankens nachzufolgen, bleibt fraglich (Kuhoff 2001, 933 f., mit den Quellenangaben für Diokletians Tod). Die Ermordung der beiden kaiserlichen Frauen datiert der Autor wie üblich ins Frühjahr 315 nach ihrer angeblich fünfzehn Monate dauernden Flucht (239–241). Auch die Auffassung, Prisca und Valeria seien am Ende des lactantischen Werkes als Höhepunkt der Beschreibung der mortes persecutorum aufgeführt worden, ist diskutabel, denn dann kann man demselben Autor nicht zugestehen, sie für den Anfang der Verfolgungsmaßnahmen Ende Februar 303 als Kryptochristen zu bezeichnen (15,1). 35 Mit vollem Recht weist Nakamura (2003) 287–289, auf die kleine Serie von Gedenkmünzen für divi imperatores hin, die Maxentius nach dem Tode seines Vaters Maximianus aeternae memoriae auflegen ließ, denn in ihr sind nur dieser, Constantius und Galerius, ungeachtet aller politisch-militärischen Querelen, vertreten, nicht jedoch Diokletian : Daher wird dieser im Herbst 312 noch am Leben gewesen sein, denn Galerius war ja ein Feind des Maxentius. Zusammen mit der Datierung des Erlasses CTh XIII 10,2 ins Jahr 312 mit dem Autor Maximinus zieht der Verf. die Folgerung, Diokletian habe erst hinterher die Welt verlassen. Jedoch erscheint die Festlegung des Todestages auf den 3. Dezember 312 wegen der Aussage der Epitome über die Umstände der Kaiserkonferenz von Mailand nicht nachvollziehbar. Dies spricht für eine Datierung ins Jahr 313 nach des Maximinus Tod im Juli und damit auf den 3.12.313 (so jetzt auch Kienast u. Eck u. Heil 2017, 258). Insofern mag hypothetisch das Wüten des Licinius gegen seine theoretischen Rivalen durch
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Als geraume Zeit später der aus Ravenna vertriebene Iulius Nepos als wirklich allerletzter Augustus im westlichen Reichsteil im Jahre 476 sich gerade nach Aspalathos zurückzog, war die Infrastruktur noch mehr als passabel erhalten ; immerhin hatte er als magister militum Dalmatiae früher selbst hier gewirkt. Den wehrhaften Zustand bekräftigt die Übersiedlung der Restbevölkerung von Salona hierher im Jahre 612 auf der Flucht vor den marodierenden Awaren. Auch in dieser Spätzeit wird die fortifikatorische Struktur noch so gut gewesen sein, um einen Verteidigungszweck erfüllen zu können.36 Ob die damaligen Menschen aber noch einen Gedanken an den Erbauer dieser Anlage, den großen Kaiser Diokletian, verschwendet haben, darf tunlichst bezweifelt werden, weil sie andere Bedürfnisse hatten als sich um die ruhmreiche Vergangenheit zu kümmern. Wann der Stadtgründer merklich später erneut ins direkte Bewusstsein der kroatischen Bevölkerung zurückkehrte, bleibt offen – im Jahre 2005 wurde jedenfalls mit beträchtlichem Aufwand das 1700jährige Stadtjubiläum begangen, das auch eine Tagung und einen Forschungsband zur Epoche Diokletians und seinen historisch-politischen Leistungen zeitigte.37
Literatur Barnes (2010) : Timothy D. Barnes, Maxentius and Diocletian, ClPh 105, 318–322. das Ableben Diokletians erklärbar sein. Barnes (2011) und Wienand (2012) gehen nicht auf Dio kletians Tod ein. Roberto (2014) 252–257 spricht dagegen passend von einem „morte nell’oblio“, sieht den Palast von Aspalathos als unfertig an, datiert Diokletians Tod vor den Sommer 313 und berücksichtigt dabei kurz auch die Münzprägung ; außerdem erwähnt er den Statuensturz nach Maximians Selbstmord im Herbst 310, nennt die Ermordung von Prisca und Galeria Valeria, ohne freilich die Aversion des Licinius gegen potentielle Konkurrent/inn/en zu erklären (255–257), und führt zuvor die fälschliche Bezeichnung Diokletians als Privatmann auf eine intrigante Einstufung durch Konstantin zurück (239 f.). 36 Die erzwungene Nutzung des Diokletianspalastes durch Iulius Nepos wird nur selten thematisiert, ist jedoch als historische Besonderheit hervorzuheben. Zu seinem Schicksal PLRE II, S. 777 f.; Henning (1999) 51–55, 62–65, 100–102, 172–176, 204–208, 228, 258–260, 278 f., 282–288, 306–311, 331 f. (Aufenthaltsort des „dalmatinischen Exulanten“ [208] im Diokletianspalast [285 f.]) ; Kuhoff (2005) 822 f.; (2015a) 75–77 ; Demandt (2007) 210 f., 213 f., 223, 424 f. Zur nachantiken Palastgeschichte kurz Belamarić (2012) 63–65 (spätere Besuche Splits durch kroatische Könige), 75–77 (knapper Forschungsüberblick). 37 Wann die Erinnerung an Diokletian als eine Art Gründer der späteren Stadt Split wiederauflebte, ist unsicher. Eine Traditionsgeschichte wird sich spätestens in der Zeit des Humanismus in Kro atien geformt haben (vgl. Kuhoff 2001, 935–937) : Dazu kurz auch Belamarić (2012) 59 ; der Tagungsband ist in Anm. 26 genannt.
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Kay Ehling (Universität Augsburg / Staatliche Münzsammlung München)
Ein Meisterwerk der seleukidischen Kunst Zur Herkunft und Bedeutung des Herakles/Hercules auf den Folles des Maximinus Daia*
Zusammenfassung : Auf Folles des Maximinus Daia erscheint ab 311 ein Hera kles / Hercules vom Typus Caserta. Die Untersuchung dieses Münztyps ergibt, dass es sich um die Darstellung einer bislang unbekannten, bronzenen Großplastik handelt, die zur Zeit des Seleukos I. / Antiochos I. vermutlich für ein Heiligtum in Daphne bei Antiochia geschaffen wurde. Im Zuge der heidnischen Religionspolitik des Daia wurde dieses seleukidische Meisterwerk (samt Tempel ?) wie andere heidnische Heiligtümer und Kultbilder restauriert. Da der Herakles / Hercules Caserta mit den Äpfeln der Hesperiden ausgestattet ist, darf man die Abbildung dieser Statue in der Massenprägung des Daia zudem als Reflex von Ansprüchen deuten, als dienstältester Augustus in Zukunft bei politischen Entscheidungen im Westen des Reiches mitreden zu wollen. Abstract : Since 311 A.D. a Herakles / Hercules of the Caserta type appears on the folles of Maximinus Daia. The investigation of this coin type shows that it is a representation of a previously unknown, large bronze sculpture, which was probably created for a sanctuary in Daphne near Antioch at the time of Seleukos I / Antiochos I. As part of the pagan religious policy of Daia, this Seleukid masterpiece (including the temple ?) was restored like other pagan sanctuaries and cult images. Since Herakles / Hercules Caserta is endowed with the apples of the Hesperides, the depiction of this statue in the mass minting of Daia can also be seen as a reflection of claims that, as the senior Augustus, he would like to have a say in future political decisions in the west of the Empire.
* Der Verfasser dankt Andreas Goltz, Konstantin Olbrich, Heinrich Schlange-Schöningen und Wolfram Tillack.
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1. Einleitung
Der Tetrarch Maximinus mit dem Beinamen Daia bzw. Daza1 war ab 305 n. Chr. Caesar („Juniorkaiser“) und von 310 bis 313 n. Chr. Augustus („Oberkaiser“) des Ostens. Wenn der Neffe des Galerius bei den Kirchenschriftstellern rein negativ dargestellt wird, als brutaler Trunkenbold, der jeden Abend nach dem Mahl unzurechnungsfähig zu sein und sich bevorzugt seinen sexuellen Ausschweifungen hinzugeben pflegte, als politisch wie militärisch gleichermaßen unfähiger, abergläubischer Herrscher und erbitterter Feind des Christengottes, verwundert dies kaum. Dass ein moderner Historiker wie Otto Seeck dieses Bild eins zu eins übernommen hat, überrascht allerdings doch ;2 auch bei Maxentius hat sich O. Seeck nicht von Sichtweise und Wertung der Kirchenväter freimachen können. Anders Ernst Stein, der ausgewogen urteilt und nicht nur die originellen Züge von Daias Religions- und Steuerpolitik hervorhebt, sondern in diesem auch einen militärisch durchaus tüchtigen Regenten erkennt.3 Differenzierter fällt auch das Urteil Richard Laqueurs aus, der bei seiner Analyse des im Oktober/November 311 verfassten Briefes des Maximinus an seinen praefectus praetorio Sabinus (Euseb h. e. 9, 9 a, 1–9) zu der Auffassung kommt, dass der Kaiser „alles andere eher war als das Scheusal, welches Eusebius […] in ihm erblickte“. Daia scheint R. Laqueur mehr ein Getriebener gewesen zu sein, der „nur ja niemandem wehe“ tun wollte.4 Während Eutrop und Aurelius Victor auf eine Bewertung verzichten und Maximinus Daia, darauf hat Alexander Demandt ausdrücklich hingewiesen, bei Zosimos und Zonaras eher in günstigem Licht erscheint,5 steht gegen die polemischen Stimmen der christlichen Schriftsteller eindeutig das Zeugnis der Epitome de Caesaribus, nach dem Maximinus Daia ein Förderer von Philosophie und Wissenschaft gewesen sei (40, 18). Mit dem neuplatonischen Philosoph Sossianus Hierocles können wir eine herausragende Gestalt greifen, die mit Sicherheit eine führende Rolle am Hof des Maximinus gespielt hat ; dieser war wohl im Jahr
1 Beide Formen, Daia und Daza, sind überliefert : Lact. de mort. 18,13 und Ps. Aurel Vict. epit. 40,1, vgl. Kuhoff u. Ehling (2011) 495. Daia ist in der deutschsprachigen Sekundärliteratur gebräuchlicher, deshalb wird diese Namensform auch im Folgenden verwendet. Daia haben ebenfalls Jones u. Martindale u. Morris (1971) 579. 2 Seeck (1901) 1987. 3 Stein (1928) 135 f. 4 Laqueur (1929), 163–179, 172 f. 5 Demandt (1971) 693.
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310/11 praefectus Aegypti.6 Hinzu kommt, dass Julian, der letzte Heide auf dem Kaiserthron, im Jahr 363 von seinen Freunden gegenüber dem Grab des Daia beigesetzt wurde.7 Zwar äußert sich Julian selbst nicht ausführlicher zu seinem Vorgänger,8 aber nicht ganz zu Unrecht schreibt J. Bidez, dass man diesen in religiösen Dingen „fast“ als einen „Nachahmer“ des Maximinus bezeichnen könne.9 Die Beisetzung Julians in unmittelbarer Nähe zu dessen Grab ist also eine bewusste Verbeugung vor dem Tetrarchenkaiser und ein Beleg dafür, dass man sich in bestimmten altgläubigen Kreisen positiv an diesen erinnerte. Das Besondere an der Regierung des Maximinus Daia ist, dass er schon bei seinem Machtantritt im Jahr 305 erkannte, dass die traditionellen Kulte nicht allein durch die Bekämpfung des Christentums neu zu beleben waren. Von seiner ersten Residenzstadt Alexandria, dann von Antiochia aus, begann er mit dem Aufbau einer ‚heidnischen Kirche‘. So setzte die tetrarchische Regierung des Ostens dem Gott der Christen einerseits Apollon und Sol, vor allem aber Sarapis entgegen und erklärte andererseits Apollonius von Tyana zum Gegenchristus.10 Zum Ende seiner Regierung hin, ließ Maximinus Daia Folles mit der Darstellung eines Herakles/Hercules ausprägen (Abb. 1 ; 14–21). Diese Stücke sind bislang in der Forschungsdiskussion nicht weiter berücksichtigt worden. Nach dem Gesagten ergibt sich aber die Vermutung, dass auch diese Münzen mit einer bestimmten religiösen und politischen Absicht ausgegeben wurden bzw. diese widerspiegeln. Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, um was für einen Herakles-/Herculestyp es sich handelt und was Maximinus mit dessen Abbildung auf seinen Münzen sagen wollte (4.). Zum besseren Verständnis der Ausführungen wird zunächst aber ein Abriss zur Geschichte (2.) und Religionspolitik (3.) des letzten Tetrarchen vorangestellt.11
6 Das Jahr seiner Präfektur ist umstritten. Jones u. Martindale u. Morris (1971) 432 favorisieren das Jahr 307, während Barnes (1976) 244, Cook (2000) 253 mit Anm. 14 und Kuhoff u. Ehling (2011), 502 das Jahr 310/11 vertreten. 7 Philostorgios h. e. 8,1. Vgl. außerdem davon abhängig den byzantinischen Kirchenhistoriker Nikephoros Kallistos h. e. 10,103 B = PG 146,595. Die Belege bei Ehling (2010a) 252–255. 8 Vgl. dazu Castritius (1969) 43–47. Der entscheidende Grund werden Niederlage und Tod des Daia im Jahr 313 gewesen sein. Aus heidnischer Sicht war beides ja nur dadurch erklärbar, dass die Götter dem Kaiser ihre Unterstützung verweigert und ihn verlassen hatten. 9 Bidez (1940) 349. Vgl. zur ‚Kirche‘ Julians jetzt kritisch Wiemer (2017) 520–558. 10 Der Begriff nach Demandt (2007) 72. 11 Daia als letzter Vertreter der Tetrarchie : Demandt (1971) 693.
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Abb. 1 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Antiochia (RIC 152), geprägt 311 n. Chr., mit der noch ganz ungelenk geschnittenen Abbildung eines Herakles/Hercules vom Typus des Herakles Caserta auf der Rückseite.
2. Zur Geschichte des Maximinus Daia
Am 1. Mai 305 wurde der etwa 35 Jahre alte Maximinus Daia bei einer vor den Toren Nicomedias gelegenen Iupitersäule von Kaiser Diocletian mit dem Purpurmantel bekleidet und vor der Heeresversammlung zum Caesar ausgerufen (Lact. mort. pers. 19,1-5). Doch hat sich die Szene kaum so abgespielt, wie Laktanz sie schildert (mort. pers. 19,4), jedenfalls werden die Soldaten schon vorher gewusst haben, dass sie Maximinus zum Kaiser zu küren hatten. Seine Erhebung verdankte der aus einfachsten Verhältnissen stammende Daia seiner Verwandtschaft mit Kaiser Galerius,12 dem er als Schildträger (scutarius), Leibwächter (protector) und Offizier (tribunus) gedient hatte.13 Galerius adoptierte seinen Neffen unter dem Namen Caius Galerius Valerius Maximinus.14 Als dessen Caesar wurde ihm die Verwaltung des Ostens, genauer der Diözesen Oriens (Syrien) und Ägypten übertragen. Nach seinen ersten Münzen und Medaillons zu schließen, bezog er zunächst Alexandria,15 nicht Antiochia,16 als Residenzstadt. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass Maximinus Daia der bislang letzte in hieroglyphischer Schreibung bezeugte römische Kai12 Er war der Sohn der Schwester des Galerius : Kuhoff u. Ehling (2011) 495. 13 Lact. mort. pers. 19,6. Kuhoff u. Ehling (2011) 495. 14 So sein voller Name auf den Münzen : RIC VI 692. Vgl. auch Kuhoff u. Ehling (2011) 495. Euseb h. e. 9,9 a,1 überliefert außerdem die Namensform Iovius Maximinus Augustus. 15 Kuhoff u. Ehling (2011) 495. 16 So Barnes (1976) 65.
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ser in Ägypten ist.17 Im Jahr 307 bekleidete er gemeinsam mit Severus den Konsulat. Nachdem Konstantin schon 307 durch seinen Schwiegervater Maximianus Herculius zum Augustus befördert worden war,18 freilich ohne, dass der Titel auf der Kaiserkonferenz von Carnuntum im Jahr 308 bestätigt wurde, drängte auch Maximinus auf den Augustustitel. Als Kompromiss vergab Galerius an Konstantin und seinen Neffen Maximinus den Titel eines filius Augustorum.19 Die Münzstätten Siscia und Thessalonike im Machtbereich des Galerius prägten denn auch für kurze Zeit Münzen mit der Vorderseitenlegende constantinvs fil avg bzw. maximinvs fil avg aus.20 Darüber hinaus ist der Titel inschriftlich belegt.21 Zu eben dieser Zeit, 309/10,22 führte Maximinus Daia einen nur bei Eusebius (h. e. 9,8,2-4) erwähnten, aber aus dramaturgischen Gründen chronologisch unrichtig eingeordneten Armenienkrieg.23 Christen gab es in Armenien seit ungefähr 260,24 und Maximinus zwang diese zum heidnischen Opfer. Der Kirchenvater schreibt : „Da sie (die Armenier, Anm. d. Verf.) aber ebenfalls Christen waren und Gott mit Eifer verehrten, hatte der Gotteshasser sie zu zwingen versucht, dass sie den Götzen und Dämonen opferten, und sie so aus Freunden zu Feinden, aus Bundesgenossen zu Gegnern gemacht“.25 Man ist versucht, den erwähnten Opfer zwang als böswillige Behauptung des Eusebius abzutun, auch wenn dieser im Einklang mit der tetrarchischen Religionspolitik stand. Die Historizität der Überlieferung wird jedoch durch eine Sonderserie von Münzen, die den Kaiser ganz martialisch mit Helm und Schild darstellen, gesichert (Abb. 2).26 17 Ehling (2011) 34. 18 Demandt (2007) 79. 19 Lact. mort. pers. 32,4 f. Grünewald (1990) 41–43. 20 Siscia : RIC VI 489 ; Thessalonike : RIC VI 514. Vgl. auch Grünewald (1990) 43. Bezeichnenderweise ließ auch Maximinus für Konstantin Folles mit dem FIL AVG-Titel schlagen und zwar in Nicomedia : RIC VI S. 562 f. Nr. 56 ; 61, Antiochia : RIC VI S. 631 f. Nr. 104 f.; 111 und Alexandria : RIC VI S. 679 Nr. 113 ; 117. 21 Z. B. AE 1929, 94 = 1991, 1405 : Dd(ominorum) nn(ostrorum duorum) Maximiani et Licini(i) Augg(ustorum duorum) et Maximini et Constantini filior(um) [Augg(ustorum) ae]dificatum (Diocletianopolis) oder AE 1979, 602a : … [[καὶ Μαξιμεῖνον]], υἱὸν βασιλέων | καὶ Κ[ων]σταντεῖνον, υἱὸν βασιλέων […] (Hermokapeleia). Die Literatur zum Thema findet sich bei Kuhoff u. Ehling (2011) 497. Zum Sohn zweier Kaiser, vgl. die Bemerkung von Demandt (2007) 80 Anm. 37. Es handelt sich um eine geistige, nicht physisch gedachte Sohnschaft. 22 Nicht 312, wie Barnes (1976) 66 f., Eusebius folgend, schreibt. 23 Zum Krieg vgl. Castritius (1968/69) und K. Mosig-Walburg (2006). Mit anderer Chronologie und den Münzbelegen ausführlich Ehling (2010b) 183–192. 24 Demandt (2007) 65. 25 Übersetzung von A. Bigelmair. 26 Weiteren Abbildungen bei Ehling (2010b) 186–189.
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Abb. 2 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Antiochia. Auf dem Schild die Darstellung von bittflehenden ‚Barbaren‘. Das Schildbild belegt die Historizität des bei Eusebius erwähnten Opferzwangs, dem die gesamte Bevölkerung Armeniens unterworfen wurde, nicht allein die Christen.
Das Schildbild zeigt bei näherer Betrachtung unterworfene ‚Barbaren‘ (Armenier), dahinter zwei römische Reiter mit Drachenfahnen und links einen Opferaltar. So bestätigen die Münzen die Überlieferung eines Opferzwanges.27 Vor oder nach seiner Armenienexpedition scheint Maximinus auch einen Erfolg über die Sāsāniden errungen zu haben.28 Darauf spielen vielleicht in Cyzicus geprägte Folles an, die zum Bild einer Victoria mit Kranz und Palmzweig in der Rückseitenlegende Siege im Plural nennen (victoriae maximini avg).29 Aus dem Nordosten zurückgekehrt, ließ sich Daia vielleicht anlässlich seiner Quinquennalien am 1. Mai 31030 eigenmächtig zum Augustus ausrufen, obwohl er damit gegen die von ihm immer sorgfältig beachtete tetrarchische Ordnung verstieß. Galerius musste dies akzeptieren (Lact. mort. pers. 32,5) ; im Jahr 311 bekleideten er und Maximinus den Konsulat. Nachdem Galerius im Mai 311 bald nach der Verkündung des Toleranzediktes verstorben war, okkupierte Maximinus Daia dessen Herrschaftsgebiet in Kleinasien, während Licinius I. in Thrakien einrückte. Am Bosporus standen sich die 27 Ehling (2010b) 192. 28 Kuhoff u. Ehling (2011) 499. 29 RIC VI 594 Nr. 107 mit Taf. 14. Dort ins Jahr 312/13 datiert. Auf die Münzlegende macht schon Barnes (1976) 66 aufmerksam. 30 Zum Datum : Kuhoff u. Ehling (2011) 498. Laktanz (mort pers. 32,5) spricht von einer militärischen Feier, bei der Maximinus zum Augustus proklamiert wurde.
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Abb. 3 : Follis des Maximinus Daia für den verstorbenen und konsekrierten Galerius aus der Münzstätte Alexandria. Daia trägt den Titel filius Augustorum.
Armeen gegenüber, doch kam es nach einer Begegnung der beiden Kontrahenten auf der Meerenge zu einem Ausgleich. Wie Laktanz berichtet, wurden ein foedus geschlossen und pax et amicitia verabredet (mort. pers. 36,2). Maximinus und sein Hofstaat dürften in Nicomedia,31 gelegentlich vielleicht auch in Cyzicus residiert haben. Der tote Galerius wurde durch eine Sonderprägung geehrte (Abb. 3) ;32 die Vorderseitenlegende bezeichnet Daia im Übrigen ausdrücklich als FIL(ius) seines Onkels Galerius. Auch Licinius I. und Maxentius ehrten den Verstorbenen.33 In den nächsten Wochen und Monaten werden Maximinus Daia, Licinius I. und Konstantin Gesandtschaften ausgetauscht haben, um die nähere Zukunft zu planen. Dabei verhandelte Konstantin im Vorfeld des von ihm seit 310 ins Auge gefassten Krieges gegen Maxentius so geschickt,34 dass er Licinius I. im Herbst 31135 mit seiner Halbschwester Constantia verloben und die gemeinsame Übernahme des Konsulats für 312 vereinbaren konnte, während Maximinus der Konsulat für 313 versprochen wurde. Vermutlich wurde sogar angedeutet, dass Konstantin im Begriff war, in Italien einzumarschieren, so dass sowohl Licinius I. als auch Daia ihre Neutralität zusicherten. Gab es also keinen vernünftigen Grund 31 Barnes (1976) 65 (nach Eusebius). 32 Bastien (1968) 24–29 ; 40–43 mit Taf. 7–9. 33 Vgl. Bastien (1968) 15–24 ; 30–39 mit Taf. 1–7. 34 Dass Konstantin seit 310 den Krieg gegen Maxentius plante, zeigt möglicherweise die Wahl des Claudius II. zu seinem Vorfahren. Dieser war beim Senat hoch angesehen und Konstantin warb mit Claudius II. um die Senatoren als Bündnispartner : Ehling (2009) 132. 35 Das Datum nach Städele (2003) 199 Anm. 140.
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für den mächtigen und in seiner Position sicheren Augustus des Ostens, sich diplomatisch mit einem im Sinne der Tetrarchie illegitimen Kaiser einzulassen,36 so gibt es darüber hinaus noch weitere Indizien, die es unwahrscheinlich machen, dass es je zu einer Absprache oder einem Bündnis zwischen Maximinus und Maxentius gekommen ist. Wie der Verfasser an anderer Stelle dargelegt hat, handelt es sich bei dem von Laktanz (mort. pers. 43,3 ; 44,11) und Eusebius (h. e. 8,14,7) überlieferten geheimen Freundschaftsbündnis (amicitia ; φιλία) zwischen Maximinus Daia und Maxentius schlicht um eine Erfindung des konstantinischen Hofes.37 Historische Quellenkritik macht ein solches Bündnis unwahrscheinlich, und Inschriften und Münzen beweisen im Gegenteil, dass Daia bis zum 30. April 313 im Reichsteil Konstantins als Mitaugustus und Mitkonsul anerkannt war.38 Nach seinem Ende im Sommer 313 musste freilich eine überzeugende Erklärung dafür gefunden werden, warum der Name dieses Kaisers auch im Reichsteil Konstantins aus der Erinnerung zu streichen war. In dieser Absicht wurde die auf den ersten Blick durchaus glaubwürdige Behauptung aufgestellt, dass sich Maximinus mit dem „Tyrannen“ Maxentius gegen Konstantin verschworen hätte.39 Den Konsulat des Daia übernahm Licinius I.40 Um seine Herrschaft in Kleinasien abzusichern und seine Popularität zu steigern, erließ Maximinus Daia Steuererleichterungen. Diese gehen nicht nur für Bithynien aus Laktanz (mort. pers. 36,1) hervor, sondern sind auch durch das viel diskutierte Zensusgesetz CTh 13, 10, 2 bezeugt. Darin verheißt der Kaiser der plebs urbana in einem an den praeses von Lykien und Pamphylien gerichteten Schreiben Freiheit vom census pro capitatione, so wie er zur Zeit Diokletians üblich gewesen sei. Obwohl die von O. Seeck vorgeschlagene und von H. Castritius verteidigte Datierung des Gesetzes auf den 1. Juni 311 auf den ersten Blick plausibel erscheint, weil sich Maximinus auf diese Weise gleich zu Beginn der Übernahme Kleinasiens mit dem Erlass von Steuern beliebt hätte machen können, ist doch zu bedenken, dass er noch nicht abschätzen konnte, wie hoch sein Finanzbedarf angesichts einer sehr gut möglichen militärischen Auseinandersetzung mit Licinius I. sein würde. Daia brauchte Geld und so wird er mit Geschenken vorsichtig 36 Maxentius war auch auf der Kaiserkonferenz von Carnuntum nicht anerkannt worden : Demandt (2007) 79. 37 So verschob die Panegyrik Konstantins etwa auch den dies imperii des Maxentius vom 27. auf den 28. Oktober 306 : Demandt (2014) 3. 38 Die Münzen und Inschriften bei Ehling (2013a) bes. 181–183. 39 Ausführlich Ehling (2013a) 173–185. 40 So nennt die Mailänder Vereinbarung, die am 13. Juni 313 in Nicomedia publiziert wurde, Konstantin und Licinius I. als jeweils zum dritten Mal Konsul : Lact. mort pers. 48,1.
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gewesen sein. Da wie A. Demandt gezeigt hat, der 1. Juni 313, obwohl als Notmaßnahme möglich, sehr spät wäre,41 scheint die Ausstellung des Steuererlasses am 1. Juni 312 am wahrscheinlichsten ;42 zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Lage für den Ostkaiser konsolidiert. Wohl Anfang Februar 313 trafen sich Konstantin und Licinius I. in Mailand. Anlass für die Zusammenkunft war die Hochzeit des Licinius I. mit Konstantins Halbschwester Constantia (Anon. Val. 1,13). Bei dieser Gelegenheit wurde alles, was in den Augen der beiden Herrscher die Wohlfahrt des Reiches und die öffentliche Sicherheit betraf (Lact. mort. pers. 48,2), besprochen. Dafür, dass Konstantin am 28. Oktober 312 den Machtbereich von Maxentius übernommen hatte, der nach tetrarchischer Reichsgeographie eigentlich dem Licinius I. zustand, musste letzterer entschädigt werden. Sehr wahrscheinlich wurde deshalb in Mailand (oder im Vorfeld des Zusammentreffens) vereinbart, dass Licinius I. zum Ausgleich Gebiete des im Osten regierenden Kaisers Maximinus Daia erhalten sollte, die freilich erst noch zu erobern waren. Offenbar um dem zuvor zu kommen, marschierte Maximinus im Februar/März 313 in den licinianischen Reichsteil ein.43 Es ist denkbar, dass er hoffte, durch einen Überraschungsangriff auf Licinius I. Konstantin auf seine Seite ziehen44 oder umgekehrt, eine Allianz mit Licinius I. gegen Konstantin bilden zu können.45 Mit größeren Teilen Thrakiens konnten seine Truppen die Städte Byzantium und Heraclea, das alte Perinth, einnehmen. In seinem Reichsteil lagen damit zwei Heraclea, da Daphne bei Antiochia in früherer Zeit als Gründung des Herakles ebenfalls Heraclea genannt wurde (s. u.). Aufschlussreich ist die mit der Übernahme der Münzstätte von Heraclea neu initiierte Münzprägung der Stadt. Nach RIC VI S. 542 Nr. 76–78 könnte man meinen, es sei ausschließlich für Maximinus geprägt worden46 und auch nur in drei verschiedenen Typen (opfernder Genius, Hercules und Sol in den Offizinen Α, Β, Γ, Δ, Ε). Tatsächlich wurde aber nicht nur für Daia viel intensiver geprägt, nämlich insgesamt sieben Typen ; viel wichtiger noch ist, dass für Konstantin und 41 Demandt (1971) 693. 42 Dieses Datum haben gegen Seeck und Castritius Mitchell (1988) 123 und ihm folgend Corcoran (1996) 151 f. 43 Dass sich Daia in der Zeit des Mailänder Treffens in Syrien aufgehalten haben soll, wie Laktanz (mort. pers. 45,1) schreibt, scheint mir schwer vorstellbar ; er wird sich sprungbereit in Warteposition in Nicomedia befunden haben. 44 Ehling (2013b) 81 f. 45 Bei Laktanz hofft Maximinus, dass die Truppen des Licinius I. ihren Herren im Stich lassen und mit ihm gegen Konstantin ziehen würden (mort. pers. 46,12) 46 Grünewald (1990) 96.
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Licinius I. diese sieben Typen gleichermaßen mitgeprägt wurden.47 Diese Fürprägungen sind ein Indiz für eine flexible Taktik des Maximinus Daia : Er hielt sich die Türen in beiden Richtungen offen. Von Mailand zog Licinius I. seinem Kontrahenten in Eilmärschen entgegen (Lact. mort. pers. 45,6) und konnte am 30. April 313, am Tag vor dem dies imperii des Maximinus Daia, auf dem etwas nördlich von Heraclea gelegenen Campus Ergenus die Sache für sich entscheiden. Der Besiegte floh über Nicomedia (Lact. mort. pers. 47,5) nach Kappadokien (Lact. mort. pers. 47,6). Vielleicht sammelte er seine Truppen zunächst in Caesarea und dann bei Tyana, um sich der Hilfe und Unterstützung seines Wundermannes Apollonius zu versichern (s. u.). Schließlich formierte Daia in den Pässen des Taurusgebirges eine neue Front gegen die heranrückenden licinianischen Truppen (Lact. mort. pers. 49,1), verstarb aber völlig unerwartet im Sommer ( Juli/August)48 313 in Tarsos (Lact. mort. pers. 49,1) an einer Krankheit.49 Im Kreise der Freunde und Anhänger des Daia hat man vielleicht für einen Moment die Erhebung des Severianus erwogen (Lact. mort. pers. 50,4),50 dessen Vater Severus im Jahr 307 im Auftrag des Galerius vergeblich versucht hatte, Maxentius auszuschalten, und bei Tres Tabernae erdrosselt worden war.51 Der Sieger verhängte die damnatio memoriae ; Daias Frau und Kinder52 und seine amici53 wurden auf Befehl des Licinius I. umgebracht. Die in den Städten 47 Die Stücke liegen in einer Privatsammlung, die dem Verf. bekannt ist. 48 Der August 313 ergäbe sich nach dem Chronographen von 354 : Chron. Min. I 148 (ed. Th. Mommsen). Barnes (1982) 7 mit Anm. 24 schließt aus den datierten Papyri auf Juli/August 313. 49 Laktanz berichtet von einem Selbstmord durch Gift : 49,3, was aber eine Erfindung des Kirchenvaters sein dürfte, da ein Christenverfolger nicht ungestraft davonkommen darf. An Selbstmord denkt etwa Pohlsander (20042), 25. Daia starb tatsächlich aber wohl eines natürlichen Todes : Eutrop. 10,4,4 : … Maximinus res novas molitus vicinum exitium fortuita apud Tarsum … Aurel. Vict. 41,1 : … Maximinus apud Tarsum perit, und Ps.-Aurel. Vict. epit. 40, 8 : Maximinus apud Tarsum morte simplici periit. Vgl. Kuhoff (2001) 930 f. und Kuhoff u. Ehling (2011) 501. 50 Zumindest erhob Licinius I. gegen Severianus diesen Vorwurf, der freilich auch vorgeschoben gewesen sein kann. 51 Die Überlieferung ist widersprüchlich : Demandt (2007) 78 mit Anm. 19. Doch scheint Severus an der Via Appia im Grabmal des Gallienus beigesetzt worden zu sein : Ps.-Aurel. Vict. epit. 40,3. 52 In Antiochia wurde Daias Frau ermordet : Lact. mort. pers. 50,6. Außerdem ließ Licinius I. den achtjährigen Sohn, Maximus, und die siebenjährige Tochter des Daia beseitigen, ebenso deren Verlobten Candidianus, den Sohn des Galerius. In Thessalonike wurden zudem Prisca und Galeria Valeria, die offenbar verstoßene Ehefrau und die Tochter Diocletians, geköpft : Lact. mort. pers. 51,1–2. Vgl. auch Kuhoff u. Ehling (2011) 501. 53 Nachweislich hingerichtet wurden die hohen Beamten Peuketios, Culcianus und Theoteknos : Euseb h. e. 9,11,3–6. Vgl. zu diesen drei Männern : Jones u. Martindale u. Morris (1971) 233 f.; 692 ; 908.
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Abb. 4 : Aureus des Maximinus Daia aus der Münzstätte Alexandria. Sol nach links, auf der linken Hand eine Büste des Sarapis haltend.
ausgestellten maximinischen Bilder und Gemälde (γραφαί und πίνακες) wurden zerstört (Euseb h. e. 9,11,7), Daias Name aus den Inschriften getilgt.54 Das durch Philostorgios bei Tarsos bezeugte Grab (s. o.) wurde aller Wahrscheinlichkeit nach erst unter Kaiser Julian im Zuge des Ausbaues von Tarsos zur Residenzstadt Ende 362/Anfang 363 als Kenotaph errichtet.55
3. Die Religionspolitik des Maximinus Daia
Es ist höchst bemerkenswert, dass der neue Caesar schon in seinem ersten Regierungsjahr Münzen und Medaillons mit Sarapis ausgeben ließ. Kein anderer Tetrar chenkaiser hat auf seinen offiziellen Münzen das Bild dieses ägyptischen Gottes verwendet ; Sarapis erscheint aber am Galeriusbogen in Thessalonike. Gleich bei Machtantritt im Jahr 305 n. Chr. wurden prächtige Goldmedaillons geschlagen, die einen langgewandeten Sol mit einer Sarapisbüste auf der linken Hand darstellen (Abb. 4). Wenig später wurde derselbe Bildtypus auch für die Aurei verwendet. Medaillons und Goldmünzen dürften als Geschenke und zur Besoldung der hohen Würdenträger und Leibwächter gedient haben (Lact. mort. pers. 37,5). Hinzu kommt ein im RIC nicht verzeichneter Silbermünztyp ebenfalls aus der Münzstätte Alexandria, der die stehende weibliche Personifikation der Nilstadt
54 So etwa in Luxor : Deckers (1979) 606 und jetzt auch Jones u. McFadden (2015) 29–31. 55 Licinius I. hätte die Errichtung einer Grabstätte nicht geduldet : Ehling (2010a) 252.
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Abb. 5 : Argenteus des Maximinus Daia aus der Münzstätte Alexandria. Die Personifikation der Stadt Alexandria mit der Büste des Sarapis auf der rechten Hand.
mit Sarapisbüste auf der rechten Hand abbildet (Abb. 5).56 Aufgrund dieser auffälligen Sarapisstücke wird man davon ausgehen dürfen, dass Daia auch den in seinem Herrschaftsbereich gelegenen Tempel des Sarapis in Alexandria, der als größtes und schönstes Heiligtum der Welt galt (Theod. h. e. 5,22,3), finanziell großzügig unterstützt hat.57 Auch in Luxor war die Regierung tätig. Im tetrarchischen Lager, das das ägyptische Ammonsheiligtum umfasste, wurden zwei Tetrastyloi errichtet. Das westliche wurde nach Ausweis der Inschriften um 300, das östliche zwischen 308 und (vor Mai ?) 310 fertiggestellt. Die im östlichen Tetrastylon gefundenen Inschriften gelten Galerius und Licinius I. als Augusti und Konstantin und Maximinus als Caesares.58 Inwieweit in den Jahren zwischen 305 und 313 weitere bauliche Maßnahmen oder Ausschmückungen vorgenommen wurden, entzieht sich unserer Kenntnis, sie sind aber nicht unwahrscheinlich. Nach der Selbstproklamation zum Augustus im Mai 310 (?) wurde die Sarapis büste auf der Hand des Sol Invictus (Abb. 6) bzw. der des kaiserlichen Genius (Abb. 7) zum Thema der Massenprägungen in Bronze. Die Münze Abb. 6 zeigt Sol mit Strahlenkrone, langem Prunkgewand und Rückenmantel nach links, die rechte heilende Hand zum Segensgruß erhoben, auf der Linken eine Sarapisbüste 56 Ehling (2011) 38. Die Echtheit der Stücke ist allerdings nicht absolut sicher. 57 Ehling (2011) 38. 58 Der eradierte Name des Maximinus d(ominum) n(ostrum) gal(erium) val(erium) maximinum war nur dank der gelben (= goldenen) Farbe der Buchstaben, deren Reste im Stein sichtbar sind, zu entziffern : Deckers (1979) 606.
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Abb. 6 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Nikomedia. Sol nach links, auf der linken Hand eine Büste des Sarapis haltend.
Abb. 7 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Alexandria. Der Genius des Kaisers mit Füllhorn und Sarapisbüste.
haltend. Wie Sarapis trägt der Genius des Kaisers (Abb. 7) ein Getreidemaß (Kalathos) ; sein Blick ist auf den Gott gerichtet und umgekehrt. Der zwischen den beiden Göttern befindliche Stern ist zwar einerseits als münzstätteninternes Emissionszeichen aufzufassen, andererseits steht dieser aber auch für die kosmischen Beziehungen zwischen Allgott und Kaisergenius. In Antiochia hält der Kaiser genius keine Sarapis-, sondern eine Solbüste (Abb. 8), wahrscheinlich aus Rücksichtnahme auf lokale religiöse Gepflogenheiten.
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Abb. 8 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Antiochia. Der Genius des Kaisers mit Füllhorn und Solbüste.
Neben der gezielten Förderung insbesondere des Sarapis-Kultes begann Maximinus Daia mit dem Aufbau einer an ägyptischen – nicht christlichen – Vorbildern59 orientierten ‚heidnischen Kirche‘. Daia berief in den Städten seines Reiches die vornehmsten Männer zu Oberpriestern (sacerdotes maximi). Ihre Aufgabe war es, die täglichen Opfer „für alle ihre Götter“ darzubringen, wie es bei dem Kirchenvater Laktanz heißt. Auf Provinzebene setzte er gleichsam Hohepriester (quasi pontifices) als leitende Kontrollinstanzen ein. Beide Priesterklassen trugen besondere weiße Amtsgewänder (Lact. mort pers. 36,4 f.). Diese religiösen Würdenträger hatten sich, wie Eusebius im neunten Buch seiner Kirchengeschichte schreibt, im politischen Leben ausgezeichnet und waren hochberühmte Männer (9,4,2). Epigraphisch können wir mit Epitynchanos wahrscheinlich wenigstens einen dieser Ober- oder Hohepriester greifen. Aus einer ins Jahr 313/14 n. Chr. datierten und im kleinasiatischen Phrygien gefundenen Grabinschrift geht hervor, dass dieser Epitynchanos ein wohlhabender und gottesfürchtiger Mann gewesen ist und in seiner Heimatstadt den Kult der Hekate, des Manes-Zeus und des Apollon-Helios versehen hat. Über die Grenzen seiner Heimat hinaus hatte sich Epitynchanos als Wahrsager einen Namen gemacht.60 Gerade Zauberer und Magier soll Daia ja besonders gefördert haben (Euseb h. e. 8,14,8). Als eine besondere Maßnahme der Regierung wird die Verbreitung gefälschter Akten (ὑπομνήματα) des Prozesses gegen Jesus vor Pontius Pilatus erwähnt, die 59 Kuhoff u. Ehling (2011) 502. 60 Merkelbach u. Stauber (1999).
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im Schulunterricht zu behandeln waren. Absicht dieser Pseudodokumente war vermutlich, Jesus als Betrüger und Anstifter sittlich verwerflicher wie politisch gefährlicher Taten hinzustellen.61 So könnte ihm darin die Bildung einer Räuberbande zum Vorwurf gemacht worden sein.62 Vordenker der Religionspolitik des Maximinus Daia dürfte Sossianus Hierocles gewesen sein.63 Wie bekannt, hatte dieser maßgeblichen Anteil an den in Nicomedia geführten kaiserlichen Beratungen des Winters 302/3, die zur Christenverfolgung ab Februar 303 führten (Lact. mort. pers. 16,4). Im Jahr 310/11 war er praefectus Aegypti.64 Hierocles war der Verfasser einer aus zwei Büchern bestehenden Schrift, die nicht gegen, sondern an die Christen gerichtet war, und wohl den Titel „Wahrheitsliebende Reden“ (Φιλαλήθης oder Φιλαλήθης λόγος) trug. Die um 303 verfassten Bücher sind verloren ;65 es sind nur Bruckstücke aus der Erwiderung des Eusebius und des Laktanz erhalten. Wie G. Petzke schreibt, dürfte Hierocles im Wesentlichen auf der ebenfalls nur bruchstückhaft überlieferten Schrift κατὰ Χριστιανῶν des Porphyrius basieren.66 Entscheidend aber ist, dass hier „offenbar zum ersten Mal Apollonius und Jesus einander gegenübergestellt werden“.67 Der neuplatonische Philosoph versuchte wohl zu zeigen, dass der gottgleiche Apollonius größere Wunder als Jesus vollbracht habe.68 Die Erwiderung des Eusebius lässt den Argumentationsgang des Hierocles nicht wirklich erkennen. Deutlich wird nur, dass er gegenüber den Christen den Vorwurf erhebt, dass sie Jesus zu einem Gott gemacht hätten, während Apollonius, der nicht weniger Wundertäter als Jesus gewesen sei, nur für einen den Göttern wohlgefälligen Mann gehalten werde.69 Der ausdrückliche Hinweis darauf, dass Apollonius ein den Göttern wohlgefälliger „Mann“ war, erinnert an die Formulierung in der vieldiskutierten, im Museum von Adana aufbewahrten Epigramm-Inschrift.70 Dieser Inschriftenblock befand sich ursprünglich vielleicht über einer Nische, in der eine Statue des θεῖος 61 Euseb h. e. 9,5,1. Kuhoff u. Ehling (2011) 503. 62 Lact. div. Inst. 5,3,4 überliefert, man habe behauptet, Christus habe eine Bande aus 900 Räubern gebildet. Dazu Cook (2000) 269 f. 63 Zu Hierocles zuletzt Speyer (1991) 103–109 und Cook (2000) 250–276. 64 Siehe oben Anm. 6. 65 Zum Datum : Cook (2000) 250. 66 Petzke (1970) 6. 67 Petzke (1970) 6. Außerdem Cook (2000) 266–268. 68 So heißt es bei Laktanz … uoluit (Hierocles, Anm. d. Verf.) ostendere Apollonium uel paria uel etiam maiora fecisse (div. Inst. 5,3,7). Zu der Stelle vgl. Cook (2000) 267. 69 Petzke (1970) 6. 70 J. u. L. Robert (1979) 524 f. Nr. 592 ; Jones (1980) 190–194.
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ἀνήρ aufgestellt war.71 Es ist vermutet worden, dass der Inschriftenstein von Aigeai nach Adana verbracht wurde und zwar nach der Zerstörung des Asklepios-Tempels von Aigeai, die im Jahr 331 auf Befehl Konstantins d. Gr. erfolgte (Euseb VC 3,56). Das Gedicht lautet in der Rekonstruktion und Übersetzung von Werner Peek : Dieser Mann heißt nach Apollon. Von Tyana aus aufleuchtend, hat er die Verfehlungen der Menschen ausgelöscht (ausgetilgt). Ein kluger Mann aus Tyana hat mit folgendem Spruch das Wahre getroffen : ‚Der Himmel hat ihn gesandt, auf dass er der Sterblichen Nöte vertreibe‘.72
Folgt man Maria Dzielska, dann gibt es genügend Gründe, „to think that the epigram extolling Apollonios originated in the period between the publication of Hierocles work (der „Wahrheitsliebenden Reden“, Anm. d. Verf.) and 331 A.D.“.73 Spitzt man die von M. Dzielska vorgeschlagene Datierung, nach dem oben gesagten, noch eine Spur weiter zu, dann ist eine Ansetzung der Inschrift in der Regierungszeit des Daia eigentlich am einleuchtensten. Wie Sarapis zum Gegengott, so wurde Apollonius zum Gegenchristus aufgebaut. Wenn Konstantin – vielleicht weniger aus eigenem Antrieb als auf Betreiben seiner bischöflichen Berater – später den Asklepiostempel von Aigeai zerstören ließ, dann möglicherweise nicht so sehr des Heilgottes wegen, denn dann hätte konsequenterweise auch die Zerstörung anderer großer Asklepiosheiligtümer wie das von Pergamon oder Epidauros nahe gelegen, sondern um das Andenken an den mit dem kilikischen Tempel verbundenen Wundermann auszulöschen. Ein Zeugnis der Verehrung und Beliebtheit des Apollonius auch noch im späteren 4. bzw. frühen 5. Jahrhundert stellen die Kontorniat-Medaillons mit dessen idealisiertem Bildnis dar (Abb. 9).74 Die andere Seite der Medaille ist die Christenpolitik. Nach seiner Machtübernahme im Osten scheint Maximinus Daia darauf gedrungen zu haben, die tetrarchischen Anti-Christengesetze konsequent in die Praxis umzusetzen. Dazu gehörten das Versammlungsverbot auf Friedhöfen und das traditionelle Opfer der Untertanen.75 In der Folge spielten sich entsetzliche Szenen ab, so das Martyrium 71 Dzielska (1986) 159. 72 Peek (1981) 297 f. 73 Dzielska (1986) 161. 74 Alföldi u. Alföldi (1976/1990) 102 f. mit Taf. 38, 2 (Glasgow). 75 Vgl. Kuhoff u. Ehling (2011) 501. Zum Märtyrerkult auf den Friedhöfen vgl. Acta Maximiliani 3,4 f.
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Abb. 9 : Kontorniat-Medaillon mit der Büste des Apollonius von Tyana.
des Apphianus am 2. April 306 (Euseb mart. Pal. 4) oder die Säckung des Ulpianus in Tyros (Euseb mart. Pal. 5). Doch waren deren Schicksale insgesamt gesehen eher die Ausnahmen und nicht selten sogar Reaktionen der maximinischen Regierung auf christliche Provokationen. So hatte der genannte Apphianus etwa versucht, den Statthalter Urbanus öffentlich am Opfern zu hindern, was dieser nicht ungestraft durchgehen lassen konnte, wollte er nicht sein Gesicht verlieren. In der Regel scheinen die Statthalter die Christen zur Arbeit in den Bergwerken von Palästina, Kilikien oder Ägypten verurteilt zu haben (Euseb mart. Pal. 5 ; 8 ; 9). Ab 308 beruhigte sich die Situation langsam wieder.76 Nachdem Galerius am 30. April 311 in Serdica im Namen aller Kaiser, also auch des Maximinus Daia,77 das Toleranzedikt zu Gunsten der Christen erlassen hatte, wurden die Verfolgungen reichsweit eingestellt. Im Osten wurde der Kurswechsel durch ein Schreiben des höchsten Zivilbeamten, des praefectus praetorio Sabinus, verkündet (sog. Sabinuszirkular : Euseb h. e. 9,1-11).78 Als Folge der neuen Toleranzpolitik kam es vor allem in den großen Städten des Ostens zu starken Spannungen zwischen den städtischen Behörden und den aus Verbannung, Gefängnis und Bergwerk zurückgekehrten Christen, die insbesondere die Rückgabe ihres konfiszierten und veräußerten Eigentums an Häusern und Grundstücken forder76 Euseb mart. Pal. 9. Stein (1928) 135. 77 Castritius (1969) 71. 78 Castritius (1969) 71–76 betont, dass sich das Sabinuszirkular „inhaltlich praktisch nicht“ vom Galeriusedikt „unterscheidet“.
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ten. Die Eigentumsfrage war schon im Galerius-Edikt ausgeklammert worden und sollte wahrscheinlich in den noch zu erlassenden Ausführungsbestimmungen an die Richter (iudices) geregelt werden.79 Die Gegensätze spitzten sich so zu, dass die Decurionen von Nicomedia Ende Oktober oder Anfang November 311 mit den Bildern ihrer Götter (μετὰ τῶν ξοάνων τῶν θεῶν) vor Maximinus erschienen80 und den Kaiser baten, den Christen das Wohnen in ihrer Stadt zu verbieten (Euseb h. e. 9,9a,6). Der Kaiser lehnte dies anscheinend zunächst ab. Es traten jedoch weitere Städte, namentlich Antiochia unter Führung des curator civitatis Theotecnus (Euseb h. e. 9,2-3) und Tyros (h. e. 9,7,3-14), aber auch kleinere Gemeinwesen, wie die im Koinon von Lykien und Pamphylien zusammengeschlossenen Poleis Arykanda (OGIS 569) und Colbasa (AE 1988, 1046), mit ähnlichen Bittgesuchen (ψηφίσματα) gegen die Christen an die Kaiser81 bzw. Maximinus heran. Laktanz erwähnt städtische Gesandtschaften, die die Erlaubnis einholten, den Christen das Errichten eigener Kultstätten (conventicula) innerhalb der Städte zu verbieten (mort. pers. 36,3). In dem Gesuch von Arykanda wird darum gebeten, dass „die seit langem irrsinnigen Christen […] endlich zum Schweigen gebracht werden“ (τοὺς πάλαι [μαιvομένους Χρι]στιανοὺς […] ποτε πεπαῦσθαι),82 Diesem Ansinnen stimmte Daia in Form einer ἀvτιγραφή im April 312 zu.83 Dass die Initiative zu diesen städtischen ψηφίσματα letztlich auf den Kaiser selbst zurückgegangen sein soll,84 ist, auch wenn diese den religionspolitischen Vorstellungen des altgläubigen Kaisers entsprachen, allerdings wohl eine Behauptung der Kirchenautoren, die so die Schuld an der nun erneut einsetzenden Christenverfolgung allein dem θεομισής zuschieben konnten, während die städtischen Entscheidungsträger entlastet wurden.85 Stolz und Selbstverständnis der städtischen, heidnischen Honoratiorenschicht kommen darüber hinaus in einer Serie von Kleinstmünzen zum Ausdruck, die 312 von den Städten Nicomedia, Antiochia und Alexandria ausgegeben wurden. 79 Lact. mort. pers. 34,5. In seinem zweiten förmlichen Toleranzedikt (Euseb h. e. 9,10,7–10) vom Frühjahr bzw. Mai 313 sicherte Maximinus dann den Christen die Rückgabe ihres früheren Eigentums ausdrücklich zu, s. u. 80 Euseb h. e. 9,9 a,4. Das Datum nach Seeck (1901) 1988. 81 Das Bittgesuch von Arykanda ist an Maximinus, Konstantin und Licinius I. (in dieser Reihenfolge) gerichtet. Zu den Schreiben vgl. etwa Corcoran (1996) 149–151. 82 Nach Şahin (1994) 14 f. 83 Das Datum weist die Inschrift von Colbasa auf (AE 1988, 1046). Vgl. Mitchell (1988) 105–124 ; Konrad (1989) 89 f. 84 So Lact. mort pers. 36,3 und Euseb h. e. 9,2. 85 Euseb h. e. 9,8,2. Kuhoff u. Ehling (2011) 503 f. So richtig schon Castritius (1969) 48 ; 50, dagegen Demandt (1971) 695.
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Abb. 10 : Kleinbronze der Stadt Antiochia mit der Tyche von Antiochia auf einem Fels über dem Orontes sitzend und dem Apollon von Daphne mit Lyra und Opferschale.
Abb. 11 : Kleinbronze der Stadt Alexandria mit Sarapis und dem „Heiligen Nil“.
Es handelt sich dabei um die letzten ‚provinzialrömischen‘ Bronzen überhaupt. Wahrscheinlich prägten die Städte mit Erlaubnis der Regierung, aber auf eigene Regie, was die Unterschiede in Design und Fabrik erklären würde. Diese stellen Ceres (in Nicomedia mit den Legenden deae sanc cereri / gen civit nicom), die Tyche von Antiochia und den Apollon von Daphne (in Antiochia mit den Legenden genio antiocheni / apolloni sancto, Abb. 10), den Kopf der Stadttyche und den Apollon von Daphne (in Antiochia mit der Vorderseitenlegende genio civitatis), Zeus und Victoria (in Antiochia mit den Legenden iovi conservatori / victoria avgg) und den Kopf des Sarapis und Nil (in
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Alexandria mit den Legenden deo sancto sarapidi / deo sancto nilo bzw. deo sarapidi / sancto nilo, Abb. 11) und schließlich den Kopf des Sarapis und lagernde Alexandria (in Alexandria mit den Legenden deo sarapidi / genio alexand) dar.86 In diese Zeit der Wiederaufnahme der Christenverfolgungen Ende des Jahres 311 dürfte der inschriftlich erhaltene Bericht des Marius Iulius Eugenius gehören.87 Als Angehöriger der Oberschicht war er mit Flavia Iulia Flaviana, der Tochter eines Senators, verheiratet und gehörte dem Verwaltungsstab des Statthalters von Pisidien an. „Aber auf einmal“, so schreibt Eugenius, kam unter Maximinus (Daia) ein Befehl, dass die Christen Opfer bringen und nicht aus dem Dienst entlassen werden sollten. Ich habe unter dem Praeses Diogenes viele und schwere Qualen ertragen und es durchgesetzt, dass ich aus dem Dienst entlassen wurde, um dem christlichen Glauben treu zu bleiben.88
Eugenius wurde bald darauf Bischof der lykaonischen Stadt Laodikeia Katakekaumene und übte dieses Amt 25 Jahre aus, bis er um 340 verstarb. Die Aussage des Eugenius belegt nicht nur seinen persönlichen Mut, sondern macht auch deutlich, dass sich die heidnische Regierung ihren Beamten gegenüber moderat verhielt. Dieser lag vor allem daran, die Loyalität der Soldaten und Beamten zu überprüfen, wie dies schon Kaiser Decius Mitte des 3. Jahrhunderts verlangt hatte. Die zunehmende Christianisierung von Armee und Staat hatte bei den altgläubigen und konservativ eingestellten Kaisern Diocletian und Galerius Zweifel an der Staatstreue der christlichen Soldaten und Beamten aufkommen lassen, was sie nach Beratungen mit ihren amici im Jahr 303 veranlasste, gegen die Kirche vorzugehen. Maximinus Daia, der sich immer wieder ausdrücklich auf die beiden Oberkaiser berief, setzte im Jahr 312/13 also letztlich diese Politik – auch auf Wunsch der Städte – fort. Die Verfolgung forderte einige prominente Opfer wie Silvanus, den Bischof von Emesa,89 Petrus, den Bischof von Alexandria, der am 26. November 311 hingerichtet wurde, oder den berühmten Kirchenlehrer und antiochenischen Presbyter Lucian, der am 7. Januar 312 in Nicomedia den
86 Zu den Münzen ausführlich : Heesch (1993) 65–76 bzw. (2016) 325–337. 87 Möglich wäre freilich auch, dass Marius Iulius Eugenius aus dem Jahr 305 berichtet, als Maximinus Daia seinen Reichsteil übernahm. 88 Übersetzung von Merkelbach u. Stauber (2001) 80. 89 Zu Silvanus vgl. Euseb h. e. 9,6,1, der schreibt, dass dieser um die gleiche Zeit wie Petrus ums Leben kam.
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Märtyrertod erlitt,90 nachdem er von dem Presbyter Pancratius verraten worden war.91 Die Christenverfolgung dauerte jedoch kein Jahr (Euseb h. e. 9,10,12). Bereits im November/Dezember 312 ordnete Maximinus ihre Einstellung an. Was den Kaiser konkret dazu veranlasst hat, geht aus den Quellen nicht hervor. Wahrscheinlich erkannte er, dass das erneute Christenverbot von Ende 311 keine wirkliche Beruhigung der Situation in den Städten gebracht, sondern nur weitere Konflikte geschaffen hatte. Als Reaktion auf die ohne Zweifel auch in seinem Namen erlassenen christenfreundlichen Beschlüsse von Mailand (Maximinus bekleidete im Jahr 313 gemeinsam mit Konstantin den Konsulat) oder als Folge der Niederlage auf dem Campus Ergenus, also im Frühjahr oder Mai 313, erließ der Ostkaiser schließlich ein zweites förmliches Toleranzedikt (Euseb h. e. 9,10,7-11), mit dem die Regierung den Christen auch ausdrücklich die Rückgabe ihres früheren Eigentums an Häusern und Grundstücken zusicherte. Er ging damit weiter als Konstantin, der seine Statthalter zwar anwies, konfisziertes Eigentum der Institution Kirche zurückzuerstatten, aber keine Regelungen für Privatpersonen traf.92
4. Herakles/Hercules Caserta
Dass auf den Münzen des Maximinus Daia kein Herakles/Hercules Farnese erscheint, wird sofort deutlich, wenn man sich etwa die hier abgebildeten Münzen des Gordian III. (Abb. 12) oder Maximianus Herculius (Abb. 13) anschaut. Diese haben den Typus des Farnese, wobei zu bedenken ist, dass eine fast drei Meter hohe Plastik auf den Münzen in wenigen Millimetern zur Darstellung kommt. Auf den Münzen Gordians III. bzw. Maximianus Herculius’ ist nicht die Originalplastik, sondern eine Marmorkopie abgebildet, was daraus ersichtlich wird, dass die Figur ihre Keule auf einem Steinhügel abstützt, genau wie der berühmte, von dem Athener Glykon geschaffene, ursprünglich in den Caracallathermen aufgestellte Herakles/Hercules aus der Sammlung Farnese, der 1787 nach Neapel gebracht wurde und sich heute im Archäologischen Museum der Stadt befindet.93 Der Herakles/ 90 Zum Todesdatum zuletzt Zuntz (1995) 9 Anm. 1. Lucian war der Lehrer des Arius. 91 Zum Hintergrund der späteren Lucian-Legende, bei der ein Delphin den Leichnam des Märtyrers aus dem Meer holt und bei Drepanum, das im Jahr 327 von Konstantin zu Ehren seiner Mutter in Helenopolis umbenannt wurde, an Land bringt, vgl. Usener (1899) 168–178. Zu Pankratius ebenda 170. 92 Piepenbrink (2010) 86. 93 Grundlegend Krull (1985).
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Abb. 12 : Antoninian des Gordian III. mit dem sich auf einem Fels abstützenden Herakles/Hercules Farnese auf der Rückseite.
Hercules Farnese zeichnet sich, und das ist der entscheidende Unterschied, durch ein enges, geschlossenes Standmotiv aus, während der Typ Caserta,94 wie auch auf den Münzen sichtbar (Abb. 1 ; 14–20), breitbeiniger dargestellt wird, was der Figur eine höhere, nach vorne strebende Dynamik verleiht. Der Herakles/Hercules Farnese gilt als Spätwerk des Lysipp.95 Nach D. Krull gehören sein Eros und der Kairos in etwa dieselbe Zeit.96 Während sich die Statue des Herakles/Hercules Farnese durch eine kolossale Körperlichkeit auszeichnet und durch jeden Muskel, jede Faser „Leben … zu pulsieren scheint“,97 wirkt der Gesichtsausdruck des Heros, als ob „von innen her“ eine „Lähmung“ von ihm Besitz ergriffen hätte.98 Der Blick des seelisch erschöpften Riesen geht gleichsam ins Leere ; wie in einem schweren Traum, scheinen die Mühen der vollbrachten Taten vor seinem inneren Augen vorüberzuziehen. Der so aufgefasste Herakles/Hercules Farnese könnte sich, wie zuerst von G. Kleiner vermutet wurde, historisch in die schwierige Situation nach dem Tode Alexanders d. Großen einordnen.99 Es sind jedoch zuallererst stilistische und œuvrebedingte Gründe, die eine Datierung des lysippschen Herakles/Hercules Farnese in die Zeit um 320 v. Chr. nahelegen.100 94 Krull (1985) 337 f. 95 Krull (1985) 368. 96 Krull (1985) 368. 97 Krull (1985) 367. 98 Krull (1985) 367. 99 Kleiner (1954) 227–239. Zustimmend Krull (1985) 356 ; 377 ; 379 f. 100 Krull (1985) 352 ; 356 ; 368.
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Abb. 13 : Antoninian des Maximianus Herculius mit dem sich auf einem Fels abstützenden Herakles/Hercules Farnese auf der Rückseite.
D. Krull hat klar erkannt, dass der Herakles/Hercules Caserta eine Um- und Weiterbildung des Farnese-Typus darstellt und also jünger ist.101 Vom Replikenbestand ausgehend hält er den Caserta-Typ für kleinasiatisch und datiert ihn ins 2. Jahrhundert v. Chr.102 Dass der Ursprung dieses Typus aber nicht in Kleinasien zu suchen ist, sondern in Syrien, legen nun die in diesem Kontext bislang unberücksichtigt gebliebenen Münzen des Maximinus Daia nahe (Abb. 1 ; 14–20). Denn mit Sicherheit bilden diese Folles, genau wie die gleichzeitig ausgegebenen städtischen Kleinstmünzen mit dem Apollon von Daphne und der Tyche von Antiocheia (Abb. 10) ein bekanntes, ja weithin berühmtes Kultbild ab, das in oder bei Antiocheia aufgestellt war. Dieses wird zwar nicht auf Lysipp selbst zurückgehen, obwohl überliefert ist, dass er noch in sehr hohem Alter ein Bildnis Seleukos’ I. angefertigt hat.103 Eher wird man an einen seiner Söhne oder Schüler als Schöpfer des ersten Herakles/Hercules Caserta denken dürfen. Als Söhne genannt werden drei Künstler : Daïppos, Boïdas und Euthykrates ;104 letzterer schuf einen Herakles in Delphi,105 über dessen Aussehen allerdings nichts bekannt ist. Als Schüler
101 Krull (1985) 375. 102 Vgl. seine ausführliche Diskussion Krull (1985) 369 f.; 372. 103 Es handelt sich bei diesem Seleukos I.-Bildnis um das vielleicht letzte fassbare Werk des Lysipp : Krull (1985) 369. 104 Kansteiner u. Lehmann u. Hallhof u. Seidensticker u. Söldner (2014) 611–624. 105 Kansteiner u. Lehmann u. Hallhof u. Seidensticker u. Söldner (2014) 618 f. Nr. 2493.
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erwähnt werden Chares106 und Phanis,107 außerdem Eutychides, der Schöpfer der Tyche von Antiocheia, einem Bronzewerk,108 und Bryaxis, der die kolossale, akrolithe Apollon-Statue von Daphne anfertigte.109 Diese beide Hauptwerke110 der seleukidischen Kunst sind in die Zeit um 300 v. Chr. zu datieren, als Seleukos I. Seleukeia in Pierien und Antiocheia am Orontes gegründet hatte und im Begriff war, diese Poleis zu hauptstädtischen Zentren im Westen seines Reiches auszubauen. Von Eutychides ist überliefert, dass er einen Dionysos aus Bronze geschaffen hat,111 warum nicht also auch einen Herakles, den Herakles Caserta ? Malalas (8, 204) schreibt, dass Daphne, der Vorort von Antiocheia, in mythischer Zeit von Herakles erbaut wurde.112 Außer einem Apollon- und Artemisheiligtum113 wird dort auch ein Heraklestempel existiert haben und ebenda dürfte das bronzene Urbild des Herkules/Heracles Caserta aufgestellt gewesen sein. Zusammenfassend ergibt sich also, dass wir es bei dem Urtyp des Herkules/ Heracles Caserta mit einer Bronzestatue zu tun haben, die aller Wahrscheinlichkeit nach von einem der Söhne oder Schüler des Lysipp um 300/280 v. Chr. für das Heraklesheiligtum in Daphne hergestellt wurde. Besonders Seleukos I. hat in diesen Jahren die Statuenausstattung seiner neu gewonnnen westlichen Residenzorte vorangetrieben. Die Heraklesfigur passt in ihrer inhaltlichen Aussage durch die dynamische Vorwärtsbewegung sehr gut in die Zeit der Expansion des Seleukidenreiches unter dem ersten Seleukos.114 Mit der Ausdehnung des Reiches bis an den Hellespont verbreitete sich der Herkules/Heracles Caserta auch in Kleinasien. Wie aber kommt nun der Herkules/Heracles Caserta auf die Münzen des Maximinus Daia und welche Botschaft wird mit diesem Münzbild ausgesendet ? 106 Kansteiner u. Lehmann u. Hallhof u. Seidensticker u. Söldner (2014) 641–666, der Schöpfer der Kolossalstatue des Helios für den Hafen von Rhodos. 107 Kansteiner u. Lehmann u. Hallhof u. Seidensticker u. Söldner (2014) 667. 108 Kansteiner u. Lehmann u. Hallhof u. Seidensticker u. Söldner (2014) 667–674, bes. 668–673 Nr. 2550–2555. 109 Kansteiner u. Lehmann u. Hallhof u. Seidensticker u. Söldner (2014) 478–506, bes. 482–492 Nr. 2346–2355. 110 Lippold (1955) 81–84. 111 Kansteiner u. Lehmann u. Hallhof u. Seidensticker u. Söldner (2014) 673 f. Nr. 2556. 112 Zu Malalas : Ehling (2008) 48. Daphne hieß in früherer Zeit Herakleia. 113 Ehling (2008) 36. 114 Selbstverständlich könnte die Statue auch etwas später unter Antiochos I. geschaffen worden sein. Neben den Lysipp-Schülern der ersten Generation, gibt es einen weiteren Kreis der Enkelschüler, zu ihnen gehörten etwa Teisikrates und Xenokrates : Kansteiner u. Lehmann u. Hallhof u. Seidensticker u. Söldner (2014) 624–641.
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Abb. 14 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Heraclea mit dem Herakles/Hercules Caserta.
Abb. 15 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Nicomedia mit Herakles/Hercules Caserta.
Noch zu Lebzeiten des Galerius, also etwa zu Beginn des Jahres 311, wurde von der Münzstätte Antiochia ein Follistyp mit dem Bild des Herakles/Hercules Caserta ausgebracht (Abb. 1).115 Die Stücke haben einen Durchmesser von ca. 22,8 mm und wiegen etwa 6,16 g. Nach dem Tode des Galerius führte Maximinus Daia in seinem um Kleinasien erweiterten Machtbereich eine Münzreform durch. Die Folles haben jetzt bei einem Durchmesser von nur mehr ungefähr 21,3 mm ein Gewicht von rund 3,57 g. Der Herakles/Hercules Caserta erscheint ab Mai 311 115 RIC VI 152.
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Abb. 16 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Cyzicus mit Herakles/Hercules Caserta (nicht im RIC mit dieser Offizin).
auf den nun verkleinerten und leichteren Folles der Münzstätten Antiochia, Nicomedia (Abb. 15) und Cyzicus (Abb. 16). Als Daia im Jahr 313 für einige Wochen Heraclea erobern und besetzen konnte, wurden auch in der thrakischen Stadt Folles mit Herakles/Hercules Caserta ausgeprägt, aber nicht nur in der Offizine Δ, wie in RIC VI S. 542 Nr. 77 angegeben (Abb. 14), sondern auch in den Offizinen Α (Abb. 17), Β (Abb. 18), Γ (Abb. 19) und Ε (Abb. 20). Nicht ausgebracht wurde der Herakles/Hercules Caserta in Alexandria. Geschichte und Image dieser besonderen Figur waren offenbar so eng mit der Stadt Antiochia verknüpft, dass die Regierung bewusst darauf verzichtete, die Bevölkerung Alexandrias mit ihr zu konfrontieren. Dass der Herakles/Hercules Caserta hingegen auf den kleinasiatischen Münzen des Daia erscheint, verwundert nicht, denn gerade in dieser Region sind, nach Feststellung D. Krulls, zahlreiche Repliken dieses Typs archäologisch überliefert. Der Typus war in der Gegend weit verbreitet und gut bekannt. Integraler Bestandteil der Religionspolitik der Regierung des Maximinus Daia waren die Neuerrichtung von Tempeln und die Wiederherstellung älterer Kultstätten.116 Bei Eusebius heißt es : „In jeder Stadt ließ er Tempel errichten und die durch die Länge der Zeit zerstörten heiligen Haine mit allem Eifer wieder erneuern“117 und in mart. Pal. 9,2 schreibt er, dass Maximinus die Anweisung gab, dass
116 Kuhoff u. Ehling (2011) 502. 117 H. e. 8,14,9. Übersetzung von Ph Haeuser.
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Abb. 17 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Heraclea mit Herakles/Hercules Caserta (nicht im RIC mit dieser Offizin).
„mit allem Eifer die verfallenen Göttertempel wieder aufzubauen“ seien.118 In Antiochia etwa wurde durch den oben erwähnten Theotecnus für Iupiter Philius ein neues Kultbild errichtet (Euseb h. e. 9,3). Man wird dabei davon ausgehen dürfen, dass Daia derartige Bau- und Restaurierungsmaßnahmen unmittelbar nach seiner Regierungsübernahme im Jahr 305 einleitete119 (bzw. die durch Diokletian und Galerius 303 eingeleiteten Arbeiten fortführen ließ) und dabei nicht allein die Tempel, sondern auch die Kultbilder verschönert oder restauriert wurden. Wenn auf den pseudo-autonomen Kleinstmünzen von Antiochia sowohl der Apollon von Daphne als auch die Tyche von Antiochia abgebildet sind (Abb. 10), dann erklärt sich das zum einen dadurch, dass es sich bei diesen Statuen um besonders berühmte Götterbilder handelte, in denen sich die städtische Identität der Antiochener verdichtete. Darüber hinaus könnte dies seinen Grund auch darin haben, dass genau diese Kultbilder und deren Heiligtümer, eben weil sie von so herausragender Bedeutung für das städtische Selbstverständnis waren, von den Restaurierungsarbeiten der heidnischen Regierung profitierten. Die Münzen würden dann auch darauf hinweisen, dass die Regierung die Wiederherstellung oder Restaurierung von Statue und/oder Tempel im Jahr 312 abgeschlossen hätte. Überträgt man diesen Gedanken auf den Herakles/Hercules Caserta, so ergibt sich die Vermutung, dass diese Statue und/oder der dazugehörige Tempel im Auftrag und mit
118 Übersetzung A. Bigelmair. 119 Kuhoff u. Ehling (2011) 501.
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Abb. 18 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Heraclea mit Herakles/Hercules Caserta (nicht im RIC für diese Offizin).
Abb. 19 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Heraclea mit Herakles/Hercules Caserta (nicht im RIC mit dieser Offizin).
finanzieller Unterstützung der Regierung des Daia verschönert oder wiederhergestellt wurden. Die Entscheidung, das Bild des restaurierten seleukidischen Herakles/Hercules Caserta auf die Münzen zu setzen, verfolgte ein doppeltes Ziel : Zum einen ist es ein klares Bekenntnis zur alten Religion, zum anderen verweisen die Äpfel der Hesperiden, die der Herakles/Hercules Caserta in seiner verdeckten, auf dem Rücken liegenden rechten Hand hält, auf den Westen des römischen Reiches. Verbreitet war die Vorstellung, dass der Garten der Hesperiden am äußers-
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Abb. 20 : Follis des Maximinus Daia aus der Münzstätte Heraclea mit Herakles/Hercules Caserta (nicht im RIC mit dieser Offizin).
Abb. 21 : Silbernes Kleinmedaillon (?) Konstantins des Großen für Maximinus Daia aus der Münzstätte Trier. Maximinus Daia als Sol.
ten westlichen Rand der römischen Welt auf einer Altlantikinsel zu verorten sei.120 Maximinus, der den titulus primi nominis beanspruchte (Lact. mort. pers. 44,11), meldete damit eine Art Oberaufsicht auch über die politischen Entscheidungen im Reichsteil Konstantins an. Dieser antwortete auf diesen Anspruch, in dem er sich selbst nach seinem Sieg über Maxentius vom Senat „den Ehrentitel des ersten Namens“ übertragen ließ. Darüber hinaus legte er Maximinus auf den Osten fest, 120 Sittig (1912) 1247.
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in dem er etwa in der Trierer Sonderserie des Jahres 313 Daia im Solgestus und mit Sol auf der Rückseite abbilden ließ (Abb. 21).
5. Schlussbemerkung
An der Einstellung zu den Kultbildern schieden sich im wahrsten Sinne des Wortes die Geister. „Du sollst dir kein Gottesbildnis machen“ heißt es im Alten Testament (Ex 20, 4 ; Dtn 5, 8). Schon Paulus erzürnte über die Stadt Athen, die voller Götzenbilder (κατείδωλος) war (Apg 17, 16). Gleichzeitig überprüfte ein römischer Statthalter wie Plinius d. J. die Loyalität von Christen, indem er diese zum Opfer vor Götterstatuen (simulacra) und Kaiserbildnis (imago Caesaris) zwang (ep. 10, 96). In der christlichen Literatur des 2. und frühen 3. Jahrhunderts entbrannte eine heftige Polemik gegen heidnische „Idole“ aus Gips, Ton, Stein, Bronze, Silber und Gold, deren Schöpfer vom Teufel in die Welt gesetzt worden seien, so Tertullian (idol. 3). Die Götterbilder seien von Menschen gemacht : Mit Marterwerkzeugen würden da Statuen geschnitzt, gemeiselt, gegossen und gelötet, so der Christ Octavius bei Minucius Felix (24). Die Tiere wüssten es besser als die Menschen, deshalb würden Spinnen, Vögel und Mäuse in den Götterbildern hausen.121 In tetrarchischer Zeit erreichten die Auseinandersetzungen zwischen Christen und altgläubigen Heiden im Reichsteil und unter der Regierung des Maximinus Daia ihren Höhepunkt. Heidnischerseits wurde der Verehrung von Götterbildern nun eine besondere Rolle zugeschrieben. Die kaiserliche Zentrale ordnete die Wiederherstellung und Erneuerung von Tempeln und, darin sicher inbegriffen, die Restaurierung und Ausbesserung von Statuen an (h. e. 8,14,9 ; mart. Pal. 9,2). Die Bevölkerung sollte in den Tempeln, d. h. vor diesen Götterbildern opfern (mart. Pal. 4). Es wurden eigene ἱερεῖς τῶν ξοάνων berufen (Euseb h. e. 9,4,2). Die städtischen Honoratioren von Nicomedia erschienen mit den Bildern der Götter vor dem Kaiser (Euseb h. e. 9,9a,4) Auf den lokalen Münzen des Jahres 312 wurden die berühmtesten Götterstatuen abgebildet, in Antiochia die Tyche der Stadt und der Apollon von Daphne. Schließlich setzte die maximinische Regierung das Bild des seleukidischen Herakles/Hercules Caserta ab 311 auf ihre Billonnummi. Und selbst Konstantin der Große wirkte an diesem Kampf um die Götterbilder mit : Er ließ zahllose Kunstwerke aus allen Teilen des Reiches in seine neue Hauptstadt Konstantinopel schaffen, nicht nur um die Stadt romgleich auszuschmücken. Al-
121 Min. Fel. 24,1 ; Tert. Apol. 12 ; Clem. Al. Protr. 4,52,4. Kollwitz (1954) 319 f.
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lein 427 Statuen sollen vor der Sophienkirche Aufstellung gefunden habe.122 Berühmte Statuen fanden im Zirkus ihren Platz.123 Eusebius, um keine Erklärung verlegen, meint, Konstantin habe auf diese Weise der Bevölkerung sowohl die Hässlichkeit der Götzen, als auch deren Nichtigkeit vor Augen führen wollen (VC 3,54,1-7). Richtiger dürfte die Erklärung von Jacob Burckhardt sein : Der ‚Götterraub‘ sollte auf magische Weise „die Übertragung der Weltherrschaft auf die neue Stätte besiegeln“.124 Mit der Konfiszierung der Kunstschätze beauftragte der Kaiser, laut Eusebius (VC 3,54,5), seine Vertrauten (γνώριμοι). Einer von diesen, wenn nicht Konstantin selbst, der sich im Dezember 324 in Antiochia aufhielt,125 dürfte auch die Kunstschätze Antiochias inspiziert haben, und möglicherweise wurde die originale Bronzeplastik des Herakles/Hercules Caserta im Zuge dieser Aktivitäten nach Konstantinopel gebracht. Dass Objekte aller Art aus verschiedenen Städten und Antiochia nach Konstantinopel überführt wurden, beweist der Katalog in der byzantinschen Patria Constantinopoleos.126 J. Burckhardt spricht in diesem Zusammenhang vom „schändlichsten und massenhaftesten Kunstraub der ganzen Geschichte“,127 was aber nur zum Teil stimmt, denn andererseits überlebten viele Kunstwerke auf diese Weise die Jahrhunderte, die sonst antiheidnischer Bilderstürmerei vielleicht schon im 4. und 5. Jahrhundert zum Opfer gefallen wären. Im Jahr 1204 bereiteten die vandalisierenden Lateiner dieser Pracht schließlich ein Ende.128 Nach Niketas Choniates fiel diesen nichts Besseres ein, als die Hera vom Konstantinsforum einzuschmelzen und daraus Münzgeld zu prägen.129
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Abbildungsnachweise Abb. 3 M. Amandry (Paris) Abb. 5 und 11 aus dem Handel (München) Alle anderen Abb.: Nicolai Kästner, Staatliche Münzsammlung München
Andreas Gutsfeld (Université de Lorraine, Nancy)
Überlegungen zum Beginn der spätantiken Prätorianerpräfektur (284–337) Zusammenfassung : Die Anfänge der spätantiken Prätorianerpräfektur liegen eindeutig in der ersten Tetrarchie, in der Diokletian faktisch die Einzelpräfektur einführte und zugleich die militärischen Kompetenzen des Amtes beschnitt. Konstantin setzte diesen Kurs konsequent fort : Sein Prätorianerpräfekt war vermutlich von Anfang an, wohl seit 307, ein reiner Zivilbeamter. Diese Neubestimmung seiner Kompetenzen entfernte den Prätorianerpräfekten funktional von der zuvor gegebenen Nähe zu Hof und Kaiser. Sein Aufgabenbereich erstreckte sich von nun an auf die Regionen. Den Schlusspunkt der Reformen setzte Konstantin kurz nach dem Sieg über Licinius (324). Nachdem er bereits vor dem Krieg vier Regionalpräfekturen im Westen eingerichtet hatte, fügte er nun noch die östliche Präfektur hinzu. Damit war die spätantike Prätorianerpräfektur endgültig etabliert. Abstract : The beginnings of the late antique praetorian prefecture can be dated to the first tetrarchy. In the course of this period, Diocletian de facto introduced the single prefecture ; at the same time, he curtailed the military powers of the office. Later, Constantine consistently continued this approach : his praetorian prefect was most likely a purely civilian official from the beginning, i.e., probably from 307. With this redefinition of the office, the praetorian prefect was, on the one hand, removed from his previous functional proximity to the court and the emperor, and, on the other hand, his area of responsibility was henceforth limited to the regions. The final point of the reforms was set by Constantine shortly after his victory over Licinius (324). Having already established four regional prefectures in the west before the war, he now added the eastern prefecture as another. Thus the office of the late antique praetorian prefecture was finally established.
1. Einleitung
In den spätantiken Quellen wird die Begründung der spätantiken Prätorianerpräfektur mit Konstantin, genauer gesagt mit der Phase seiner Alleinherrschaft verbunden, die nach der Überwindung des Licinius 324 begann. In einer auf die Zeit zwischen 324 und 330 zielende Synthese über die Prätorianerpräfektur
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schreibt Zosimus, dass Konstantin nach dem Sieg über Licinius den traditionellen Zuschnitt des Amtes zerstört und damit dieses wie auch das Reich insgesamt entscheidend geschwächt habe.1 Johannes Lydus ergänzt, dass Konstantin mit der Einrichtung der Regionalpräfekturen 324/325 einen Prozeß in Gang gesetzt habe, in dessen Verlauf es bis zur justinianischen Zeit hin zum Ruin der Prätorianerpräfektur (des Ostens) gekommen sei.2 In den Augen beider Autoren zeichnete sich die neue, maßgeblich durch Kon stantin initiierte spätantike Prätorianerpräfektur durch vier Elemente aus :3 1. die aus der Umwandlung des traditionellen Doppelkollegiums hervorgegangene Einzelpräfektur (neuen Typs), deren Inhaber einem virtuellen Kollegium von zwei oder mehreren Prätorianerpräfekten angehörte ; 2. den jeweils geographisch begrenzten Wirkungskreis eines unter mehreren Prätorianerpräfekten ; 3. die relative Machtlosigkeit des Amtes, da der spätantike Prätorianerpräfekt nun nicht mehr am Hof, in unmittelbarer Nähe des Kaisers, wirkte und auch nichts mehr mit der Armee zu tun hatte, sondern sich vorwiegend um die ihm untergeordneten Provinzen und Diözesen kümmern musste ; 4. die ausschließlich zivilen Kompetenzen des Amtes. Ausgehend von diesen zeitgenössischen Beobachtungen lautet die in diesem Aufsatz zu untersuchende Frage, wie man sich den Beginn der spätantiken Prätorianerpräfektur vorstellen muss : als einen Zeitpunkt, an dem eine große Reform schlagartig, also etwa kurz nach 324, in Kraft trat,4 oder aber als einen durchaus langen Zeitraum, in dem verschiedene Kaiser, insbesondere Konstantin I., die oben erwähnten Elemente durchsetzten.5
2. Die Prätorianerpräfektur in der ersten Tetrarchie (284–305)
Macht man sich die Sicht von Zosimus und Johannes Lydus über die wesentlichen Elemente der spätantiken Prätorianerpräfektur zu eigen, dann beginnen diese 1 Zos. 2,32,1–2,33. Der Text des vorliegenden Aufsatzes hält sich eng an die Vortragsform ; die Nachweise beschränken sich wesentlich auf die Quellen. Ich danke Christian Mileta (Berlin) für seine Hilfe. 2 Lyd. mag. 2,10,3–6 ; 2,11,4–5, 24. 3 Die Reihenfolge entspricht der bei Zosimus (2,33,1–5). 4 Zos. 2,30,1 ; 2,33. 5 Lyd. mag. 2,7, 23–25.
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nicht etwa erst in der konstantinischen, sondern bereits in der diokletianischen Zeit erstmals Form anzunehmen. Als Diokletian im Spätsommer 285 Carinus geschlagen hatte und damit den Bürgerkrieg zu seinen Gunsten entschieden hatte, machte er sich umgehend daran, die Reichsspitze neu zu organisieren. Er erhob seinen alten Waffengefährten Maximianus im Herbst 285 zum Caesar und übertrug ihm die Verwaltung des Westens. Am 1. April 286 erhob er ihn sogar zum Augustus. Damit war eine Dyarchie entstanden, die Diokletian in der Folgezeit ideologisch, aber auch organisatorisch stärkte. Das hatte auch Einfluss auf das Amt des Prätorianerpräfekten. Seit Augustus hatte ein amtierender Kaiser sich im Regelfall auf ein Kollegium von zwei Prätorianerpräfekten gestützt. Diokletian hingegen verzichtete auf einen der beiden Prätorianerpräfekten und ordnete diesen seinem Mitkaiser Maximianus zu.6 Gleichwohl bildeten diese beiden Prätorianerpräfekten weiterhin ein (fiktives) Kollegium.7 In der Prinzipatszeit hatten beide Präfekten sich oft die anfallende Arbeit geteilt : der eine übernahm dann die militärischen, der andere die zivilen Aufgaben. Diese Arbeitsteilung entfiel nun, womit es bald nach 286 an den Höfen der Augusti zu einer Reflexion über die Aufgaben kam, die der einzelne Prätorianerpräfekt unter den Bedingungen einer Einzelpräfektur übernehmen konnte und sollte. Welche Entscheidungen Diokletian im Osten dazu traf, lässt sich vage einer bemerkenswerten und bis heute von der Forschung über die Prätorianerpräfektur kaum berücksichtigten Quelle entnehmen. Dabei handelt es sich um den zwischen Juni 290 und Sommer 291 entstandenen Liber singularis de officio praefecti praetorio, dessen Autor Aurelius Arcadius Charisius zu dieser Zeit das Amt des magister libellorum am Hof des Diokletian im Osten bekleidete.8 Das im Kanzleistil geschriebene Dokument ist sehr fragmentarisch erhalten : Justinians Kompilatoren des Codex iuris civilis haben in die Digesta nur einen einzigen kurzen, aber immerhin inhaltsreichen Auszug unter dem Titel De officio praefecti praetorio aufgenommen. Dieser Auszug gliedert sich in drei Teile. Im principium schreibt Charisius, dass die Kaiser die Prätorianerpräfekten nach dem Vorbild der republikanischen magistri equitum der Diktatoren wählten. Aus dem Vergleich ergibt sich, dass die Präto6 Salway (1994) 80–81. Die von dieser Neuregelung unmittelbar betroffenen Amtsträger sind namentlich nicht bekannt. Die Fasten der praefecti praetorio zwischen 285 und 305 weisen zu starke Lücken auf. Diokletians einziger aus dieser frühen Zeit bezeugte Prätorianerpräfekt ist T. Cl. Aurelius Aristobulus, der als (ziviler) Prätorianerpräfekt schon Carinus gedient hatte. Nach dessen Tod im Sommer 285 beließ Diokletian ihn zunächst im Amt (und im Konsulat), entließ ihn aber vermutlich nach Ende seines Konsulats ; PLRE I Aristobulus. 7 ILS 8929 (286/290) ; AE 1987,456 (293/306) ; vgl. ILS 619 (293–296). 8 Zum Datum Honoré (1994) 170.
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rianerpräfekten, entsprechend diesen Reiterführern, unmittelbar Nachgeordnete der Kaiser waren und nach diesen die zweithöchste Machtstellung in der Leitung des Militärwesens innehatten. Der magister libellorum beendet den Vergleich mit den Reiterführern mit der Feststellung, dass die Prätorianerpräfekten aber auch weiterreichende Vollmachten zur Förderung der öffentlichen Ordnung besaßen.9 Diese äußerten sich vor allem in ihrer Appellationsgerichtsbarkeit, die im zweiten Teil des Auszugs erörtert wird. Charisius führt hier aus, dass die Macht (auctoritas) der Prätorianerpräfekten allmählich so angewachsen war, dass niemand mehr gegen ihre Urteile appellieren konnte.10 Im dritten und letzten Teil des Auszugs verweist Charisius darauf, dass die Prätorianerpräfekten nach einem Urteil, das Minderjährige unter 25 Jahren betraf, die Möglichkeit der restitutio in integrum (Wiedereinsetzung in den vorigen Zustand) besaßen.11 Charisius’ Schrift spiegelt offensichtlich die erste Phase der Reform der Prätorianerpräfektur wider, als nämlich Diokletian kurz nach 286 wichtige Entscheidungen getroffen hatte, die den traditionell militärischen und kaisernahen Zuschnitt der Prätorianerpräfektur veränderten. Das erklärt, warum Charisius, der nach Ausweis der Digestenstelle an sich der augusteischen Konzeption der Prätorianerpräfektur anhing, zunächst die traditionellen militärischen Aufgaben und die daraus erwachsene Nähe zum Kaiser, dann aber auch die inappelable Gerichtsbarkeit der Prätorianerpräfekten historisch rechtfertigte. Wie das Amt sich nach 291, zumal nach der 293 erfolgten Ernennung der beiden Cäsaren, weiterentwickelte, kann im Einzelnen nicht nachvollzogen werden. Die wenigen epigraphischen, juristischen und literarischen Zeugnisse, die uns dazu bis zum Ende der ersten Tetrarchie 305 vorliegen, zeigen aber, dass die Prätorianerpräfekten weiterhin in dem vom Charisius beschriebenen militärischen und zivilen Wirkungskreis agierten.12 Die wenigen aus der ersten Tetrarchie bekannten Prätorianerpräfekten13 führten offenbar keine Truppen mehr selbständig im Feld ; das übernahmen nun die Kaiser selbst, ihre Cäsaren oder Berufsoffiziere. Ihre militärischen Kompetenzen beinhalteten allerdings das Kommando der Kohorten der Prätorianergarde, aber vor allem die Rolle des Stabschefs, der sich auch um die Planung und Logistik von Feldzügen kümmerte. Der einzige überhaupt in einem Krieg bezeugte Prätorianerpräfekt der ersten Tetrarchie, Asclepiodotus, 9 Dig. 1,11,1 pr. 10 Dig. 1,11,1,1. Vgl. Lyd. mag. 1,14. 11 Dig. 1,11,1,2. 12 Zum vorkonstantinischem Aufgabenprofil des Prätorianerpräfekten Salway (1994) 81–90. 13 Porena (2003) 282–283 zählt insgesamt sechs Amtsträger. Hinzu kommt vermutlich noch Asclepiades (PLRE I Asclepiades 2).
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nahm offenbar in Erfüllung dieser Amtspflichten als Stabschef 296 am Feldzug des Constantius Chlorus in Britannien teil.14 Was die allmählich immer stärker hervortretende zivile Seite des Amtes anbetrifft, so sprachen die Prätorianerpräfekten insbesondere Recht in Berufungsprozessen, führten aber auch die Aufsicht über das Hofpersonal. Hinzu kam die immer wichtiger werdende Verantwortung für die annona militaris (Naturalsteuern), die in dem überlieferten Auszug aus dem Liber singularis de officio praefecti praetorio nicht erwähnt wird.15 Als beide Augusti der ersten Tetrarchie sich 305 aufs Altenteil zurückzogen, hatte der Umbau der Prätorianerpräfektur längst begonnen. Diokletian hatte bereits 286, mit der Beförderung des Maximianus zum Augustus des Westens, das Doppelkollegium faktisch in eine je einem Kaiser zugeordnete Einzelpräfektur verwandelt, und diese trug fortan die administrative Verantwortung nur noch für das Gebiet eines einzelnen Reichsteils. Gleichzeitig war zögernd begonnen worden, dem Amt seine militärischen Aufgaben zu entziehen, ihm im Gegenzug aber viele neue zivile Kompetenzen zu übertragen.
3. Konstantin und die Prätorianerpräfektur (307–324)
Wie sich die Präfektur in den folgenden Jahren, während der 2., 3. und 4. Tetrar chie (305–312), entwickelte, kann auf Grund der schlechten Quellenlage eigentlich nicht gesagt werden. Sicher ist nur, dass die jeweiligen Augusti insofern Diokletians Regelungen folgten, als sie es jeweils bei einem Einzelpräfekten beließen.16 Konstantin ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Als er nämlich 307 den Titel und den Rang des Augustus im Nordwesten des Reiches annahm, ernannte er nur einen einzigen Prätorianerpräfekten. Dabei wissen wir faktisch nichts über das Profil von dessen Amt. Bei der Ausgestaltung der Aufgaben, die Konstantin seinem Prätorianerpräfekten übertrug, griff er aber vermutlich auf Erfahrungen zurück, die er als ranghoher Stabsoffizier (tribunus primi ordinis) an den Höfen des Diokletian und des Galerius gesammelt hatte. So scheint er seinem Prätorianerpräfekten überwiegend zivile Aufgaben im Bereich der Gerichtsbarkeit und der Naturalsteuern übertragen zu haben. Im militärischen Bereich setzte er ihn nicht als Truppenkommandeur ein, sondern dem Vorbild Diokletians folgend 14 Hier. chron. s. a. 300 ; Eutr. 9,22,2 ; Aur. Vict. caes. 39,42. vgl. Pan. Lat. 5,14–15 (ohne den Namen zu erwähnen). 15 Salway (1994) 89. 16 Salway (1994) 162 ; Gutsfeld (2016) 218–219.
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nur als Stabschef. Als solcher hatte sich der Prätorianerpräfekt vor allem um die Versorgung der Armee aus Einkünften der annona militaris zu kümmern. Diese Kompetenz erklärt, warum Konstantins erster bekannter Prätorianerpräfekt, vielleicht Petronius Annianus,17 den Kaiser 312 auf seinem Feldzug gegen Maxentius begleiten musste und demzufolge vor Verona auch an Diskussionen im Kriegsrat teilnahm.18 In der Folgezeit ging Konstantin bei der Demilitarisierung der Prätorianerpräfektur vermutlich noch weiter als Diokletian. Dabei spielte wohl auch der Umstand eine Rolle, dass Galerius 306 die Kaserne der Prätorianergarde in Rom geschlossen und bei der Gelegenheit offenbar auch (alle ?) Provinzdetachements der stadtrömischen Prätorianergarde aufgelöst hatte.19 Konstantin standen daher vermutlich keine aus Rom abgestellten Prätorianerkohorten mehr zur Verfügung, als er 307 zum Augustus für Gallien, Britannien und Spanien aufstieg. Damit entfiel die frühere Kompetenz des Prätorianerpräfekten, dass die ihm unterstellten Prätorianerkohorten über die persönliche Sicherheit des Kaisers wachen sollten. Als Konstantin 312 nach seinem Sieg über Maxentius als neuer Kaiser des Westens in die Stadt Rom eingezogen war, gehörte es zu seinen ersten Entscheidungen, die Kaserne der Prätorianergarde zu zerstören, die dort stationierten Kohorten aufzulösen20 und die einzelnen Soldaten auf Truppen am Rhein und an der Donau zu verteilen.21 Denn da er selbst keine Prätorianergarde mehr hatte, musste er die von Rom für ein obsoletes, wenn nicht gefährliches Relikt der Vergangenheit halten, das es auszumerzen galt. Antike wie moderne Autoren sehen in diesem Schritt den Anfang vom Ende der militärischen Kompetenzen des Prätorianerpräfekten.22 Tatsächlich verhielt es sich genau umgekehrt : Im Reichsteil des Konstantin endete die Geschichte des prinzipatszeitlichen Kriegspräfekten definitiv bereits 312.23 Und der Anfang des Endes der militärischen Kompetenzen des Prätorianerpräfekten ist nicht in den ersten Jahren des 4. Jahrhunderts, sondern in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts und im frühen 3. Jahrhundert zu suchen, als
17 Gutsfeld (2016) 239–240. 18 Pan. Lat. 9,11,4. 19 So Salway (1994) S. 82. Lactanz (mort. pers. 26,3) spricht nur von der Situation in Rom. 20 Aur. Vict. caes. 40,25 ; Zos. 2,17,2. 21 Pan. Lat. 12,21,2–3. 22 Zos. 2,17,2 ; 2,33,3 ; Lyd. mag. 2,10 = 3,40 ; Enßlin (1954) 2428 ; Stein (1959) 117. 23 Demandt (2007) S. 293. Die Situation im Osten sah damals freilich anders aus. Licinius folgte, was die militärischen Kompetenzen des Prätorianerpräfekten anbetrifft, nicht ganz der Linie Konstantins.
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die Antoninen und Severer begannen, der Prätorianerpräfektur immer mehr zivile, insbesondere richterliche Aufgaben zu übertragen.24 Dass Konstantin dem Amt des Prätorianerpräfekten einen rein zivilen Zuschnitt verpasste, machen die nach 312 glücklicherweise kräftiger sprudelnden Quellen mehr als deutlich. Petronius Annianus und Iunius Bassus, die zwischen 313 und 324 in seinem Dienst standen, waren nach ihren früheren Laufbahnen zu urteilen Spezialisten für die Zivilverwaltung.25 Auch die Gesetze, die sie erhielten, unterstreichen ihre nun ausschließlich zivilen Aufgaben, die sie in den Provinzen in der Rechtsprechung, bei der Erhebung sowie Verwaltung der Naturalsteuern und bei der allgemeinen Sorge für die öffentliche Ordnung erfüllen mussten.26 Wenn aber die zwischen 312 und 324 erlassenen Gesetze ausschließlich nur die provinzialen Zuständigkeiten des Prätorianerpräfekten regeln, kann dann überhaupt noch von Kompetenzen des Prätorianerpräfekten am Kaiserhof ausgegangen werden ? Die Quellenlage zu dieser wichtigen Frage ist ausgesprochen schlecht. Immerhin zeigt ein Gesetz von 318, dass Konstantin seinem Prätorianerpräfekten offenbar die Aufsicht über die höfischen officia entzogen hatte.27 Hinzu kommt im 6. Jahrhundert die allgemeine Klage des Johannes Lydus, dass die Präfektur seit Beginn des 4. Jahrhunderts kontinuierlich an Kompetenzen verloren habe. Der Niedergang habe unter Konstantin begonnen, der das Amt dadurch geschwächt habe, dass er einige seiner Kompetenzen dem neuen magisterium officiorum und anderen Ämtern wie dem magisterium militum übertragen habe.28 Es wird also deutlich, dass der Prätorianerpräfekt als Folge von Konstantins Entscheidungen seine traditionellen Aufgaben am Hof verlor : Die des Stabschefs der Armee ging an den magister militum praesentalis, während das Kommando der kaiserlichen Leibgarde und die Aufsicht über das militärische wie das zivile Hofpersonal vom magister officiorum übernommen wurde. Wenn vermutlich schon seit 307, spätestens aber seit 312 keine funktionale Notwendigkeit mehr bestand, dass der Prätorianerpräfekt sich zur Erledigung seiner Aufgaben am Hof aufhielt, liegt auch nahe, dass der Prätorianerpräfekt in der Tendenz auch räumlich entfernt vom Kaiser amtierte. Eindeutige Beweise dafür liegen aus der ersten Phase seiner Herrschaft (307–324) allerdings nicht vor. Es ist aber mit P. Porena darauf hinzuweisen, dass Konstantin, verglichen mit Diokletian, seinen Prätorianerpräfekten eine ungewöhnlich große 24 Howe (1942) 32–40 ; Absil (1997) 73–76. 25 Gutsfeld (2016) 240–241. 26 Zur Liste der einschlägigen Gesetze Gutsfeld (2016) 222–223. 27 Konstantin unterschied nämlich zwischen seinen (höfischen) scrinia und denen der Prätorianerpräfektur ; CTh 1,16,3 = CJ 7,49,2 ; zum Datum Seeck (1919) 56–57. 28 Lyd. mag. 2,7,3–5 ; 2,10,2 ; vgl. 2,24,2–4.
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Zahl an Briefen (responsa, constitutiones) zustellen ließ.29 Dieses neue Medium der Kommunikation erklärt sich am einfachsten dadurch, dass der Kaiser und der Prätorianerpräfekt sich entweder zeitweise nicht am selben Ort aufhielten oder aber am selben Ort nur unregelmäßig persönlich zusammentrafen. Eine persönliche Nähe gab es gewiss während größerer Kriegszüge, die der Prätorianerpräfekt als Sachwalter der annona militaris aufgabenbedingt mitmachte. Wenn der Kaiser aber sonst mit zivilen und militärischen Amtsträgern zu langen Reisen aufbrach, blieb der Prätorianerpräfekt in der Hauptstadt zurück und ging fern vom mobilen Hof seinen zivilen, auf die Provinzen bezogenen Aufgaben nach. Ergaben sich dabei Fragen, wandte er sich brieflich an den Kaiser und erhielt entsprechend eine schriftliche Antwort. Diese in den Codex Theodosianus eingegangenen responsa des Kaisers spiegeln somit eine bis dahin unbekannte räumliche Distanz zwischen Kaiser und Prätorianerpräfekt wider, die später auch dann erhalten blieb, wenn man am selben Ort, also etwa in Konstantinopel, residierte. Angesichts der beschriebenen Entwicklung wird klar, warum Johannes Lydus gerade die Hofreform Konstantins als Grund und Anfangspunkt des Niedergangs der Macht des Prätorianerpräfekten in der Spätantike ansah.30 Sie bedeutete für den Prätorianerpräfekten eben mehr als nur den Verlust des Kommandos über die kaiserliche Leibgarde und der Aufsicht über das Hofpersonal, die im Spektrum der präfektorischen Aufgaben inzwischen ohnehin keine größere Rolle gespielt haben dürften. Nach Ansicht von Johannes Lydus bestand die Brisanz vielmehr darin, dass sich die funktionelle und damit auch die räumliche Bindung des Prätorianerpräfekten an Kaiser und Hof zu lösen begonnen hatte. Ohne die ständige Anwesenheit am Hof, dem unbestrittenen Machtzentrum des Reiches, und den dauerhaften direkten Zugang zum Kaiser sowie ohne den Zugriff auf die Machtressource Armee aber büßte der Prätorianerpräfekt dramatisch an politischer Macht ein. Diese fiel zum Leidwesen von Johannes Lydus nun verstärkt den Inhabern der neuen Ämter am Hof zu wie etwa dem magister militum praesentalis und dem magister officiorum, die sich nun zu den starken Männern des Reiches entwickelten. Am Ende der ersten Herrschaftsphase Konstantins (306–324) ist insgesamt also festzustellen, dass die Prätorianerpräfektur nur noch über zivile Kompetenzen in der Territorialverwaltung verfügte. Damit hatte sich der Wirkungskreis des Prätorianerpräfekten vom Kaiserhof und der Reichszentrale hin zu den Provinzen verschoben, wo er höchster Berufungsrichter und oberster Sachwalter der annona 29 Porena (2003) 303 ; Porena (2007) 251–253. Von Diokletian ist nur ein einziges Gesetz bezeugt, das an Prätorianerpräfekten ging ; CJ 10,42,10 (293/305). 30 Lyd. mag. 2,10 = 3,40.
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militaris sowie der öffentlichen Ordnung war. Sein vermutlich schon 307, eindeutig nachweisbar aber erst seit 312 ausschließlich zivil definiertes Aufgabenprofil und die daraus erwachsene funktionale und räumliche Distanz zum Kaiser und zur Reichszentrale hatten zudem die Stellung des Amtes im Gefüge von Konstantins Reichsverwaltung verändert. Die militärische Macht und der direkte Einfluss auf den Kaiser waren ihm verloren gegangen. Der Prätorianerpräfekt hatte sich vom zweiten Mann in der Reichszentrale und engen Vertrauten des Kaisers zu einem allerdings sehr mächtigen Regionalpräfekten entwickelt. Letzteres geschah freilich nur de facto, weil der Prätorianerpräfekt nun zwar seine zivilen Aufgaben bezogen auf einen geographisch begrenzten Sprengel erledigte, dieser Sprengel aber noch nichts mit den späteren Regionalpräfekturen gemein hatte. Vielmehr entsprach er bis 324 Konstantins riesigem Reich im Westen und umfasste also acht Diözesen und 63 Provinzen. Die schiere Größe dieses Sprengels und die dort anfallenden zahllosen Verwaltungsaufgaben, vor allem im Bereich der Rechtsprechung, vertrugen sich nicht mit der naturgemäß begrenzten Leistungsfähigkeit eines einzelnen Prätorianerpräfekten. So war es nur eine Frage der Zeit, dass Konstantin die Initiative ergriff und an die Stelle der einzigen in seinem Reich operierenden Präfektur kleinere Sprengel, heute so genannte Regionalpräfekturen, setzte.
4. Die Einrichtung der Regionalpräfekturen (324–325)
Glaubt man Zosimus, schuf Konstantin nach dem Sieg über Licinius, in der Zeit von 324 bis 330, die spätantike Prätorianerpräfektur. Der letzte Baustein dieser Reform bestand darin, dass er aus einem Doppelkollegium von reichsweit operierenden Prätorianerpräfekten ein Kollegium von vier, sich jeweils nur um einen kleinen Sprengel kümmernden Präfekten machte. Diesen übertrug er jeweils die Sprengel Oriens, Illyricum, Italien (mit Africa) und Gallien.31 Zosimus’ Bericht beschränkt sich auf das Wesentliche, nämlich die Begründung der Regionalpräfekturen an sich. Johannes Lydus, der zweite spätantike Autor, der sich zu dieser Frage äußerte, hat eine andere Optik : Er identifiziert retrospektiv zwei Phasen dieser Reform. Demnach richtete Konstantin kurz vor dem Krieg gegen Licinius zunächst vier Regio nalpräfekturen im Westen ein : Africa,32 Gallien, Illyrien und Italien. Nach dem 31 Zos. 2,33,1–2. 32 Die afrikanische Präfektur ist insofern ein Sonderfall, als sie nur kurze Zeit bestand und nach Konstantins Tod mit der Präfektur Italien zusammengelegt wurde ; Chastagnol (1986) ; siehe auch
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Sieg über Licinius im September 324 kam dann zusätzlich zu den vier bereits existierenden westlichen Präfekturen die Präfektur Oriens hinzu, die das ganze ehemalige Reich des Licinius umfasste.33 In der Forschung wird diese Überlieferung der Begründung von fünf Regionalpräfekturen kurz vor bzw. nach dem Krieg gegen Licinius wie überhaupt insgesamt das Werk von Johannes Lydus fast durchweg ignoriert. Das liegt vor allem daran, dass sein Werk De magistratibus schwer zu lesen ist und der Autor deshalb vor allem in der älteren Forschung wüst beschimpft wird.34 Demgegenüber muss festgehalten werden, dass Johannes Lydus als Angehöriger des officium der praefectura Orientis über exzellente Quellen verfügte, die er in Konstantinopel in den Archiven des Amtes gefunden hatte. Seine Berichte über die Entwicklung des Amtes zwischen 306 und 324 sind oben deshalb bereits gewürdigt worden : Denn die darin erwähnten Reformen der Prätorianerpräfektur (der Verlust der militärischen Aufgaben an andere Amtsträger, das exklusiv zivile, auf die Provinzen bezogene Profil des Prätorianerpräfekten, die daraus resultierende Ferne vom Hof sowie der damit einhergehende Machtverlust) werden von anderen Quellen bestätigt.35 Hingegen irrt Zosimus, wenn er all dies in die Zeit zwischen 324 und 330 vordatiert. Auch Lydus’ Bericht, dass Konstantin fünf Sprengel einrichtete (vier im Westen, eine im Osten), wird von der Forschung größtenteils ignoriert, weil Zosimus nur von vier Sprengeln spricht. Dabei hat Lydus auch in diesem Punkt Recht. Drei Inschriften von 329/33236 und 335/33637 zeugen von Präfektenkollegien, die jeweils aus fünf Amtsinhabern bestanden.
5. Zusammenfassung
In den spätantiken Quellen wird die Begründung der spätantiken Prätorianerpräfektur mit Konstantin verbunden. Vor allem Zosimus schreibt, dass KonstanSalway (2007). Menander, der zwischen 321 (CTh 15,1,2) und 326 (CTh 8,5,4) einen hohen Posten in der afrikanischen Territorialverwaltung bekleidete, könnte der erste Prätorianerpräfekt für Africa gewesen sein ; so Seeck (1919) 18 ; anders PLRE I Menander 2 (comes per Africam ?) ; Porena (2003) 378 (vicarius Africae). Als solche sind praefecti praetorio Africae aber erst seit 329/332 bezeugt ; AE 1981,878. Der letzte war Gregorius, der 336–337 amtierte ; PLRE I Gregorius 3. 33 Lyd. mag. 3,33. 34 Gutsfeld (2017) 170. 35 Siehe dazu Gutsfeld (2016) 218–226. 36 AE 1981, 878. 37 SEG 35, 1485 = AE 1985, 823 ; ILTun 814 = AE 1985, 869.
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tin 324/330 die Präfektur nach seinem Sieg über Licinius radikal erneuerte. Die vorliegende Untersuchung hat aber gezeigt, dass die Wesenszüge der spätantiken Prätorianerpräfektur nicht schlagartig zu Tage traten. Statt einer einzigen großen Reform der Prätorianerpräfektur ist von einem Bündel mehrerer Reformen auszugehen, die Diokletian und Konstantin während ihrer langen Herrschaftszeiten durchsetzten. Die Anfänge liegen in der ersten Tetrarchie, als Diokletian faktisch die Einzelpräfektur durchsetzte und die militärischen Kompetenzen des Amtes beschnitt. Konstantin vollendete in der ersten Phase seiner Herrschaft (306–324) die Demilitarisierung des Amtes : Sein Prätorianerpräfekt war vermutlich von Anfang an (seit 307) ein reiner Zivilbeamter. Diese Neubestimmung seiner Kompetenzen entfernte den Prätorianerpräfekten funktional vom Hof und vom Kaiser ; seine Wirkungsstatte befand sich jetzt zunehmend in den Provinzen. Den Schlusspunkt der Reformen setzte Konstantin kurz vor dem Krieg gegen Licinius : Er richtete vier Regionalpräfekturen im Westen ein und fügte nach dem Sieg über seinen Rivalen noch die östliche Präfektur hinzu. In diesem Moment, also 324/325, war die spätantike Prätorianerpräfektur als solche im ganzen Reich etabliert. Es wird somit weder den Quellen noch der Tatkraft der beiden Begründer des spätantiken Staates gerecht, wenn manche Forscher immer noch meinen, erst Julian oder Valentinian I. hätten die Reform der Prätorianerpräfektur zu Ende geführt.38
Literatur Absil (1997) : M. Absil, Les préfets du prétoire d’Auguste à Commode 2 avant J ésus-Christ – 192 après Jésus-Christ. Paris. Barnes (1987) : T. D. Barnes, Regional Prefectures, BHAC 1984/1985. Bonn, 13–23. Barnes (1992) : T. D. Barnes, Praetorian Prefects, 337–361, ZPE 94, 249–260. Chastagnol (1986) : A. Chastagnol, Les inscriptions africaines des préfets du prétoire de Constantin, in : L’Africa romana III, Sassari, 263–273. Coşkun (2004) : A. Coşkun, Die Praefecti praesent(al)es und die Regionalisierung der Praetorianerpraefekturen im vierten Jahrhundert, Millenium 1, 279–328. Demandt (2007) : A. Demandt, Die Spätantike : Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian : 284–565 n. Chr. 2., vollständig bearbeitete und erweiterte Neuauflage. München. Enßlin (1954) : W. Enßlin, Praefectus praetorio, RE XXII 2, Sp. 2391–2502. Gutsfeld (2016) : A. Gutsfeld, Les préfets du prétoire en Gaule sous Constantin Ier (306–
38 Barnes (1987) 15 ; Barnes (1992) 249 ; Migl (1994) 140–151 ; Coşkun (2004) 286–287, 323–325.
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337), in : Constantin et la Gaule : Autour de la vision païenne de Grand. Hgg. von L. Guichard, A. Gutsfeld und F. Richard, Nancy, 217–243. Gutsfeld (2017) : A. Gutsfeld, Johannes Lydus und Konstantin, in : Entre los mundos : Homaneje a Pedro Barceló. Zwischen den Welten : Festschrift für Pedro Barceló. Hgg. von J. J. Ferrer-Maestro u. a., Besançon, 165–173. Honoré (1994) : T. Honoré, Arcadius, also Charisius : Career and Ideology, Index 22, 163–179. Howe (1942) : L. L. Howe, The Pretorian Prefect from Commodus to Diocletian (AD 180–305), Chicago. Migl (1994) : J. Migl, Die Ordnung der Ämter. Prätorianerpräfektur und Vikariat in der Regionalverwaltung des Römischen Reiches von Konstantin bis zur Valentinianischen Dynastie. Frankfurt am Main u. a. Porena (2003) : P. Porena, Le origini della prefettura del pretorio tardoantica, Rom. Porena (2007) : P. Porena, ‚A l’ombre de la pourpre‘ : l’évolution de la préfecture du prétoire entre le 3e et le 4e siècle, Cahiers du Centre Gustave-Glotz 18, 237–262. Salway (1994) : R. W. B. Salway, The Creation of the Roman State, AD 200–340. Social and Administrative Aspects. Diss. Oxford. Salway (2007) : P. W. B. Salway, Praetorian Prefect of Africa under Constantine : A Phantom ?, in : Acta XII Congressus Internationalis Epigraphiae Graecae et Latine ; Provinciae Imperii Romani Inscriptionibus Descriptae ; hg. von M. Mayer i Olivé. Barcelona, 1281–1286. Seeck (1919) : O. Seeck, Regesten der Kaiser und Päpste für die Jahre 311 bis 476 n. Chr. Vorarbeit zu einer Prosopographie der christlichen Kaiserzeit. Stuttgart. Stein (1959) : E. Stein, Histoire du Bas-Empire. Bd. 1 : De l’État romain à l’État byzantin (284–476). Paris, Brüssel und Amsterdam.
Andrea Binsfeld (Universität Luxemburg)
Tyrannentopik und Sklavennarrativ zur Zeit Diokletians und Konstantins Zusammenfassung : Wie die Spätantike selbst, hatte auch die Sklaverei dieser Epoche lange Zeit nur marginale Beachtung gefunden. Weit verbreitet war die Ansicht, dass die Sklaverei in der Spätantike kaum eine Rolle gespielt habe. Die neuere Forschung zeigt jedoch, wie verbreitet die Sklaverei in der Spätantike war und welche Bedeutung Sklavenarbeit hatte. Die Vitalität der Sklaverei zeigt sich auch in einer anderen Form der Präsenz, mit der sich der Artikel im Folgenden beschäftigen wird : Ausgehend von einer in den spätantiken Quellen überlieferten Episode – der Demütigung des Galerius durch Diokletian – zeigt der Beitrag, wie präsent das Sklavereinarrativ in der spätantiken Literatur war. Die Erzählungen über einzelne Tetrarchen sind durchsetzt mit Anspielungen auf die Sklaverei, mit Bildern, die dem Leser aus seinem Alltag mit Sklaven bekannt sind. Auf diese Art und Weise werden wahlweise die militärischen Erfolge der Kaiser gefeiert, oder sie werden als Tyrannen, Usurpatoren und Christenverfolger stigmatisiert. Dies zeugt von der Allgegenwart der Sklaverei, die bis in die Literatur hineinwirkt, aber auch von der Art, wie Geschichte wahrgenommen und wie sie erzählt wird. Abstract : Like late antiquity itself, slavery of this epoch received for a long time only marginal attention. It was widely believed that slavery hardly played a role in late antiquity. However, recent research has shown how widespread slavery was in this time and what significance slave labor still had. The vitality of slavery is also shown in another form of presence. Based on an episode handed down in late ancient sources – the humiliation of Galerius by Diocletian – the article shows how present the slave narrative was in late antique literature. The stories about individual tetrarchs are interspersed with allusions to slavery, with images that are familiar to the reader from his everyday life with slaves. In this way, either the military successes of the emperors are celebrated, or they are stigmatized as tyrants, usurpers and persecutors of Christians. This testifies to the ubiquity of slavery, which affects literature, but also to the way history is perceived and told.
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1. Einleitung
In seinem Handbuch „Die Spätantike“ widmet Alexander Demandt unter der Rubrik „Gesellschaft“ ein Kapitel dem Thema Sklaverei.1 Dieser Beitrag wird daher in einem kurzen Rückblick wichtige Forschungsbeiträge zur Sklaverei der Spätantike vorstellen, die nach der Neuauflage des Handbuchs von 2007 erschienen sind, und einen Ausblick auf weitere Forschungsfelder zur Sklaverei der Spätantike geben.
2. Forschungen zur Sklaverei in der Spätantike
Wie die Spätantike selbst, so hat auch die Sklaverei dieser Epoche lange Zeit nur marginale Beachtung gefunden. Weit verbreitet war die Ansicht, dass Sklaverei in der Spätantike kaum eine Rolle gespielt habe. Es habe an Nachschub gefehlt und die Sklavenarbeit sei sukzessive von Freien übernommen oder durch andere Formen der Abhängigkeit, wie den Kolonat, ersetzt worden. Zudem habe die Sklaverei unter dem Einfluss des Christentums an Bedeutung verloren. In seinem Handbuch zur Spätantike zeigt Alexander Demandt jedoch, wie verbreitet die Sklaverei zu dieser Zeit war und welche Bedeutung Sklavenarbeit in bestimmten Bereichen noch hatte. Auch die neueren Arbeiten, die in der Neuauflage von Demandts Handbuch von 2007 noch nicht berücksichtigt werden konnten, belegen die Vitalität dieser Institution in der Spätantike. Die zurzeit wohl aktuellste und prägnanteste Zusammenfassung der Forschungen zur Sklaverei der Spätantike findet sich im „Handwörterbuch der antiken Sklaverei“, einem Lexikon, das im Rahmen des Projektes „Forschungen zur antiken Sklaverei“ an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz entstanden ist.2 Die ausführlichste Arbeit zur Sklaverei der Spätantike stammt aus dem Jahr 2011 von Kyle Harper.3 In seiner Studie konzentriert sich Harper auf die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der spätantiken Sklaverei und hier vor allem auf die Sklaven in Haushalten und in der Landwirtschaft. Bereits 2006 hat Noel Lensky mit in seinem Beitrag zum Sammelband „Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel“ die Situation der öffentlichen Sklaven in der Spätantike in neuem Licht erscheinen lassen. Er bestätigt, dass auch die öffentliche Sklaverei bis zum 6. Jahrhundert wei1 Demandt (2007) 343–352. 2 Heinen (2017). Der Bereich Spätantike wurde von Hartmut Leppin als Fachgebietsherausgeber betreut. 3 Harper (2011).
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ter existierte.4 Speziell mit den Freigelassenen der Spätantike beschäftigt sich eine Studie von Jens Barschdorf, Oliver Schipp behandelt den weströmischen Kolonat seit der Zeit Konstantins bis zu den Karolingern.5 Einen Überblick über die rezente Sklavereiforschung zur Spätantike gibt zudem Elisabeth Herrmann-Otto in ihrem Buch „Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt“.6 Da für die Erforschung der antiken Sklaverei im Allgemeinen, besonders aber der Spätantike die Rechtstexte eine wichtige Rolle spielen, werden sie zur Zeit im „Corpus der römischen Rechtsquellen zur antiken Sklaverei (CRRS)“ gesammelt, übersetzt und kommentiert.7 Neben den Rechtstexten sind schließlich die Kirchenväter eine wichtige Quelle für die Sklaverei in der Spätantike. Sie zeigen, wie das Christentum mit dem Gegensatz zwischen seiner Lehre und der real existierenden Praxis der Sklaverei umgegangen ist. Alexander Demandt weist bereits auf die Publikationen von Heike Grieser, Richard Klein und Elisabeth Herrmann-Otto hin ; weitere Literatur – bis zum Jahr 2012 – findet sich in der „Bibliographie zur antiken Sklaverei“.8
3. Perspektiven der Sklavereiforschung : Die Sklaverei als Narrativ
Die Vitalität der Sklaverei zeigt sich aber auch in anderer Art und Weise : Der Beitrag behandelt im Folgenden die Sklaverei als Narrativ und die Frage, wie sich Erfahrungen mit der Institution der Sklaverei in den Erzählungen über die Kaiser der Tetrarchie niedergeschlagen haben. Eine zentrale Episode, die zeigt, wie Anspielungen auf Sklaverei eingesetzt wurden, um Werte, Bewertungen oder auch Emotionen zu vermitteln, findet sich in Eutrops Breviarium : Nach dem Einfall des Perserkönigs Narses in Armenien besiegte dieser Kaiser Galerius im Jahr 296 in der Schlacht bei Carrhae. Galerius floh zu seinem Mitkaiser Diokletian. Statt Unterstützung erfuhr Galerius jedoch eine zusätzliche Demütigung : 4 Lensky (2006) ; vgl. auch dessen Beitrag zur Spätantike im Handwörterbuch der antiken Sklaverei : Lensky (2017). 5 Barschdorf (2012) ; Schipp (2009). 6 Herrmann-Otto (2017) 251–267. 7 Herausgegeben wird das CRRS von Tiziana J. Chiusi, Johanna Filip-Fröschl und J. Michael Rainer. Ein Überblick über die geplanten und bereits publizierten Bände findet sich auf der Homepage des Projektes „Forschungen zur antiken Sklaverei“ an der Akademie der Wissenschaften, Mainz : www. sklaven.adwmainz.de 8 Heinen (2003) online Version – ergänzt bis 2012 : http://www.adwmainz.de/index.php?id=1584.
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Er wurde also zur Flucht gezwungen und reiste zu Diocletianus. Als er diesem unterwegs begegnete, wurde er von diesem mit so übermütiger Härte behandelt, dass er in seinem Purpur etliche 1000 Schritte weit dessen Wagen zu Fuß begleiten musste.9
Diese Episode wurde auch von anderen Autoren übernommen. Wir finden sie u. a. bei Hieronymus, Festus, Orosius, Theophanes, Jordanes und Ammianus Marcellinus.10 Ammian bettete die Geschichte in einen anderen Kontext ein. Sie dient ihm als Exempel – als vetus exemplum – für die untergeordnete Stellung der Caesaren. So bittet Kaiser Constantius II. nach Ammian seinen Caesar Gallus um Unterstützung gegen die Überfälle der Alamannen. Angesichts seiner Bemühungen um die Einheit und Sicherheit des Reiches erinnert er Gallus an die Aufgabe der Caesaren in der ersten Tetrarchie. Diese hätten keine Residenzen oder fest definierte Herrschaftsgebiete gehabt – sie hätten vielmehr den Augusti wie apparitores gedient : Diesen Gedanken fügte er ein noch gar nicht altes Beispiel hinzu, nämlich, dass dem Diocletian und seinem Mitkaiser die Caesaren als Unterbeamte ohne ständigen Sitz, hierhin und dorthin eilend, gehorchten und dass in Syrien Galerius im Purpur dem Wagen des zornigen Kaisers über eine Entfernung von fast einer Meile zu Fuß vorangeschritten sei.11
Galerius zwischen Demütigung und Triumph – dieser Gegensatz hat in der Forschung zu der Frage geführt, ob die Demütigung des Galerius durch Diokletian 9 Eutr. 9,24 : tanta insolentia a Diocletiano fertur exceptus, ut per aliquot passuum milia purpuratus tradatur ad vehiculum cucurrisse. Übersetzung : Friedhelm L. Müller, Eutropii Breviarium ab urbe condita, Stuttgart 1995. 10 Hier. chron. olymp. CCLXX : Galerius Maximianus victus a Narseo ante carpentum Diocletiani purpuratus cucurrit ; Fest. 25 : Sub Diocletiano principe pompa victoriae nota de Persis est. Maximianus Caesar prima congressione, cum contra innumeram multitudinem cum paucis acriter dimicasset, pulsus recessit ac tanta a Diocletiano indignatione susceptus est, ut ante carpentum eius per aliquot milia passuum cucurrerit purpuratus ; Oros. Hist. 7,25,9 : ut per aliquot milia passuum purpuratus ante vehiculum eius cucurrisse referatur ; Theophan. chronogr. A.M. 5793 a. 293 ; Iord. Rom. 301 : Galerius Maximianus victus primo proelio a Narseo ante carpentum Dioclitiani purpuratus cucurrit. Mit dieser Episode habe ich mich auch in einem Vortrag mit dem Titel “Dominus and Tyrannos ? Narratives of Slavery in the Political Discourse of Late Antiquity” im Rahmen der Joseph C. Miller Memorial Lecture Series am Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (11. Mai 2010) beschäftigt : Binsfeld (2021). 11 Amm. 14,11,10 : Quibus subserebat non adeo vetus exemplum, quod Diocletiano et eius collegae ut apparitores Caesares non resides, sed ultro citroque discurrentes obtemperabant et in Syria Augusti vehiculum irascentis per spatium mille passuum fere pedes antegressus est Galerius purpuratus. Übersetzung : Wolfgang Seyfarth, Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, 4 Bände, Berlin 1968 ff.
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tatsächlich stattgefunden hat oder ob es sich um eine Fehlinterpretation eines kaiserlichen Zeremoniells handelt. So hat sich unter anderem William Seston mit dieser Episode näher auseinandergesetzt.12 Er spricht sich für eine Fehlinterpretation aus, da er davon ausgeht, dass ein Autor wie Laktanz sich vermutlich nicht die Gelegenheit hätte entgehen lassen, diese Episode seinem Negativbild des Galerius in de mortibus persecutorun hinzuzufügen. Laktanz berichtet jedoch nur vom Erfolg des Galerius gegen Narses.13 Seston hält die Stelle bei Ammian daher für eine Interpolation und erklärt sie aus der Logik der Tetrarchie heraus : Das höfische Protokoll habe vorgesehen, dass der Caesar nicht im Wagen neben dem Augustus Platz nehme, sondern ihn – wie ein apparitor14 – zu Fuß begleite. Diese offensichtliche Unterordnung hätte Ammian zu dem Vergleich mit dem Verhältnis Magistrat – apparitor angeregt. Spätere Autoren hätten dieses Zeremoniell in eine Demütigung des Galerius uminterpretiert – möglicherweise, um den Christenverfolger Galerius zu verunglimpfen. Die Parallelen im Werk des Ammian, die Seston anführt, zeigen jedoch, dass es eher ungewöhnlich ist, dass der Caesar den Augustus zu Fuß begleitete.15 Die Texte illustrieren zwar eine hierarchische Abstufung, aber dennoch auch die Eintracht, die concordia, zwischen den Augusti und Caesares, die zusammen im Wagen fahren. Als Kaiser Constantius Julian zum Caesar erhebt, heißt es beispielsweise bei Ammian : „Endlich nahm der Kaiser ihn in seinen Wagen und fuhr mit ihm in den Palast“.16 Die gemeinsame Wagenfahrt der Augusti wird auch geschildert, als Kaiser Valentinian seinen Bruder Valens zum Mitherrscher erhebt : Daher glaubte er, nichts mehr aufschieben zu dürfen und führte am 28. März den Valens in die Vorstadt, wo er ihn … zum Augustus ernannte. Stattlich angetan mit dem kaiserlichen Gewand, die Schläfen mit dem Diadem umgeben, nahm er ihn in seinem Wagen
12 Seston (1940). Für eine Fehlinterpretation spricht sich auch Eadie (1967) 147 f. aus. 13 Lact. mort. pers. 9. 14 Amm. 20,8,6 : apparitor fidus. 15 Vgl. dazu Castritius (1971). Castritius zeigt, dass es weder in den literarischen Quellen noch in der römischen Repräsentationskunst Belege dafür gibt, dass der Caesar den Augustus zu Fuß begleitete. Ihm zufolge kann es sich damit aber auch nicht um eine Fehlinterpretation handeln, sondern er hält die Demütigung für historisch. Dies bestätigen auch die Beispiele für den adventus bzw. die profectio des Kaisers, die Hölscher (1967) 48–59 anführt. Weitere Literatur führt Kuhoff (2001) 172 Anm. 471 an. 16 Amm. 15,8,17 : susceptus denique ad concessum vehiculi receptusque in regiam… .
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mit zurück, als gesetzlichen Teilhaber seiner Macht, der ihm aber Gehorsam schuldete wie ein Unterbeamter.17
Valentinian erhebt in der Version des Ammian seinen Bruder Valens zum Augustus, bringt aber gleichzeitig die Unterordnung des Valens zum Ausdruck, indem er ihn als apparitor bezeichnet, ohne dies noch zusätzlich dadurch zu unterstreichen, dass Valens seinen Bruder zu Fuß begleiten muss. Der kurze Überblickt zeigt, dass bisher eher die Frage diskutiert wurde, ob die Demütigung des Galerius tatsächlich so stattgefunden haben könnte, statt danach zu fragen, was die Autoren mit dieser Episode zum Ausdruck bringen wollten ? Hier ist es nun interessant, dass Ammian mit der Bezeichnung der nachgeordneten Caesares und Augusti als apparitores auf Begriffe zurückgreift, die in den Bereich der Abhängigkeit, ja sogar der Unfreiheit führen. So waren apparitores Diener der römischen höheren und niederen Beamten, die diesen bei der Erledigung ihrer Verwaltungsaufgaben halfen. Dabei handelte es sich um Freie bzw. um Freigelassene, die in dieser Position die Chance auf einen sozialen Aufstieg sahen.18 Meiner Ansicht nach könnte man aber auch noch einen Schritt weiter gehen und in der Schilderung, wie Galerius neben dem Wagen des Diokletian herlaufen muss, eine Anspielung auf das Verhältnis Herr-Sklave sehen : Galerius läuft neben dem Wagen her wie ein pedisequus, ein Begleitsklave, oder vor dem Wagen wie ein praecursor.19 Eine solche Szene zeigt zum Beispiel ein Grabrelief aus Athen, das sich heute im British Museum befindet : Hier läuft der pedisequus hinter seinem auf einem Pferd reitenden Herrn her und hält sich dabei am Schweif des Tieres fest.20 Dasselbe Bildschema findet man auch auf einem spätklassischen Votivrelief im Louvre.21 Bezeichnend ist zudem, dass die Sklavenmetapher hier nach der Niederlage des Galerius zur Anwendung kommt, ist doch gerade die Sieghaftigkeit ein wesentlicher Bestandteil der kaiserlichen Herrschaftsideologie. Sie drückt sich in der Darstellung von Kriegsgefangenen aus oder in der Macht über Sklaven.22 Umgekehrt 17 Amm. 26,4,3 : … in eodem vehiculo secum reduxit participem quidem legitimum potestatis, sed in modum apparitoris morigerum … . 18 Mommsen (1963) 332–346 ; Purcell (1983). 19 Fischer u. Knoch u. Thomas (2017). 20 London, British Museum 1816,0610.384 ; Abbildung : https://www.britishmuseum.org/collection/object/G_1816–0610–384 ; C.W. Clairmont, Classical Attic Tombstones I-IV. Kilchberg 1993–95, Kat. 2.209a ; vgl. auch Thomas (2017) 355. 21 Louvre Inv. 744, Abbildung : N. Himmelmann : Archäologisches zum Problem der griechischen Sklaverei. Wiesbaden 1971, Abb.45 ; dazu auch Thomas (2017) 355. 22 Vgl. dazu die Arbeiten von H. von Hesberg (2010), George (2010) und Huntzinger (2019) 53–69.
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deutet eine Niederlage auf einen Autoritätsverlust hin, der durch Bilder, die aus dem Alltag mit Sklaven bekannt sind, visualisiert werden kann. Der geschlagene Kaiser wird zum Begleitsklaven herabgewürdigt. Dieses Bild ist das Negativ der Herrschaftsrepräsentation, wie man sie beispielsweise auf dem Galeriusbogen in Thessaloniki findet, der den Sieg des Kaisers über die Perser feiert.23 Bilder aus der Welt der Sklaverei können demnach sehr variabel eingesetzt werden, sei es, um das Verhalten eines Kaisers zu kritisieren, um seinen Autoritätsverlust zu illustrieren oder um das Herrschaftsverhältnis zwischen zwei Kaisern zu charakterisieren. Die Frage ist, ob Sklavereinarrative bewusst eingesetzt werden, um ein negatives Bild von Diokletian und seinen Mitherrschern zu zeichnen. Dafür spricht eine Parallele zu der Episode der Demütigung des Galerius. Dieses Bild wird nämlich auch in der Lebensbeschreibung eines anderen Kaisers verwendet. So berichtet Sueton von Kaiser Caligula : Um nichts ehrerbietiger und milder zeigte er sich dem Senat gegenüber : einige Senatoren, die höchste Ehrenstellen bekleidet hatten, ließ er in der Toga einige Meilen neben seinem Wagen einher rennen oder, während er aß, hinter seinem Divan oder zu dessen Füßen, wie Sklaven mit einem Leinenschurz bekleidet, stehen.24
Die Kritik an Caligula ist getragen von einer senatorischen Geschichtsschreibung, die das Verhalten des Kaisers als eine negative Grenzverletzung kritisiert. Als typische Sklavenaktivitäten wählt Sueton die Begleitsklaven und die Sklaven, die dem Herrn beim Mahl aufwarten. Im Falle Diokletians richtet sich die Verletzung jedoch nicht gegen den Senat, sondern den Mitkaiser Galerius. In ihrem Buch „Arbitrary Rule. Slavery, Tyranny, and the Power of Life and Death“ bezeichnet die Autorin Mary Nyquist dieses Sklavereinarrativ als „politische Sklaverei“ und grenzt diese von der Institution der Sklaverei ab. Sie zeigt auf, wie das Konzept der politischen Sklaverei seit der Antike zur Beschreibung von politischer Unterdrückung verwendet werden konnte. So wurden Begriffe aus dem Bereich der Sklaverei von oppositionellen Gruppen zur Kennzeichnung des Tyrannen eingesetzt. Nyquist macht auch deutlich, welche Langlebigkeit dieses Konzept hatte und verfolgt seine Verwendung in der politischen Philosophie und in der Literatur von der griechischen und römischen Antike bis in die frühe Neuzeit. Dazu nur einige Beispiele : In der Zeit der römischen Republik wendet Cicero die Idee der politischen Sklaverei an, um Kritik an der Unterwerfung unter die 23 Kolb (2001) 158–162. 24 Suet. Cal. 26. Vgl. dazu auch Vössing (2002) 26–27 und Reinard (2019) 195–232.
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Herrschaft eines Einzelnen zu üben. In seinen Philippischen Reden wirft Cicero zum Beispiel Marcus Antonius vor, er habe Caesar das Königtum angetragen und damit versucht, das Volk Roms zu Sklaven zu machen.25 Im lateinischen Text schwingt durch die Gleichsetzung von rex bzw. regnum und dominus auch die Konnotation der Sklaverei mit. Der König herrsche über das Volk wie der Herr über die Sklaven seines Haushaltes. In den folgenden Sätzen wird zudem durch das Verb servire (ut serviremus … ut facile servires) die Unterwerfung des römischen Volkes oder eines Einzelnen explizit als Sklaverei bezeichnet.26 Der Vorwurf der Tyrannenherrschaft trifft jedoch nicht nur Caesar, sondern auch Antonius. So habe Antonius während und nach seinem Konsulat das römische Volk in die Knechtschaft gebracht.27 Die politische Sklaverei wird hier zum Bestandteil der Tyrannentopik.28 Als solche haben wir sie auch zur Charakterisierung des Kaisers Caligula kennen gelernt. Bezeichnenderweise taucht dieselbe Konstellation – der Kaiser lässt einen Senator neben seinem Wagen herlaufen – dann auch bei Diokletian auf. Die Wortwahl der antiken Autoren – Eutrop spricht von der insolentia Diokletians, Festus von der indignatio und Ammian schließlich vom Augustus irascens – weist darauf hin, dass auch die Herrschaft des Diokletian als tyrannisch interpretiert werden kann. Ist es also die Absicht einiger spätantiker Autoren, Diokletian und seine Mitherrscher als Tyrannen zu diskreditieren ? 25 Cic. Phil. 2,34,85–86 : tu ergo unus, scelerate, inventus es, qui, cum auctor regni esses eum, quem collegam habebas, dominum habere velles, idem temptares, quid populus Romanus ferre et pati posset. At etiam misericordiam captabas ; supplex te ad pedes adiciebas quid petens ? ut serviremus ? Tibi uni peteres, qui ita a puero vixeras, ut omnia paterere, ut facile servires ; a nobis populoque Romano mandatum id certe non habebas. „Es zeigte sich also, dass du Verbrecher der einzige warst, der auf das Königtum hinarbeitete und den, der sein Kollege war, zu seinem Herrn machen wollte und nun die Probe aufs Exempel machte, was das Römische Volk ertragen könne und sich gefallen lasse. Aber auch um Erbarmen winseltest du ; demütig bittend warfst du dich ihm zu Füßen ! Mit welcher Bitte ? Dass wir Sklaven sein dürften ? Mochtest du die Bitte für dich persönlich stellen – von Kindheit an hattest du ja so gelebt, dass du dir alles gefallen ließest und gern den Sklaven spieltest -, von uns und dem Römischen Volke hattest du diesen Auftrag jedenfalls nicht.“ (Übersetzung : H. Kasten, Cicero Staatsreden, 3. Teil : Die philippischen Reden, Berlin 1970). Vgl. auch Cic. Phil.1,2,6 : die Stadt wurde vom Sklavenjoch befreit durch die Caesarmörder – patriae liberatores urbe carebant ea, cuius a cervicibus iugum servile deiererant ; Kampf für die Freiheit und gegen die Knechtschaft : Cic. Phil. 10,9–10. 26 Nyquist (2013) 51. 27 Hier nur zwei Beispiele : Cic. Phil. 3,4,9 : nos post reges exactos servitutis oblivio ceperat. Cic. Phil. 3,5,12 : Cum autem omnis servitus est misera, tum vero intolerabilest servire inpuro, inoudico, effeminato, numquam ne in metu quidem sobrio. 28 Zur Charakterisierung des Caligula und des Domitian als Tyrannen s. Nauta (2014).
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Weitere Details lassen sich anführen, die dieses Bild ergänzen : So wird von Diokletian behauptet, er sei der Sohn eines Schreibers bzw. er stamme aus dem Freigelassenenstand.29 Der Beruf des Schreibers führt uns wieder zu den apparitores zurück : Der Hinweis, dass der Vater des Diokletian den Beruf des Schreibers ausgeübt habe, impliziert eine Herkunft aus dem Freigelassenenstand. Weiterhin heißt es, Diokletian habe sich – wie ein Sklavenherr – als dominus ansprechen lassen. Bezeichnenderweise sollen dies auch Caligula und Domitian verlangt haben – zwei Kaiser, die von antiken Schriftstellern zu Tyrannen abgestempelt wurden.30 Caligula, Domitian und Diokletian, die als Kaiser über ihr Volk wie Herren über Sklaven herrschen : Das Sklavennarrativ dient auch hier zur Charakterisierung des Tyrannen – auch wenn Diokletian, wie Aurelius Victor bemerkt – seine Macht eher wie ein Vater ausübte. Diokletian ist ein Beispiel – man könnte noch weitere anführen : Eusebius von Caesarea stellt in seiner Kirchengeschichte zwei Tyrannen einander gegenüber : Maxentius präsentiert er als den „Tyrannen Roms“, Maximinus Daia als den „Tyrannen des Ostens“. Maxentius erfüllt alle Tyrannentopoi31 : „Er verfiel in jeden Frevel, ließ keine gottlose und freche Tat unverübt und beging Ehebrüche und Schändungen aller Art.“32 Ganz im Sinne der politischen Sklaverei, wie sie Nyquist definiert, führt sich auch Maxentius wie ein Sklavenherr auf : Alle, Bürger und Beamte, hoch und nieder, fürchteten ihn und litten schwer unter seiner grausamen Gewaltherrschaft. Auch wenn sie sich ruhig verhielten und das bittere Sklavenlos geduldig trugen, gab es für sie doch kein Entrinnen vor der blutgierigen Rohheit des Tyrannen.33 29 Eutr. 9,19,2 : …Diocletianum imperatorem creavit Dalmatia orundum virum obscurissime natum adeo, ut a plerisque scribae filius, a nonnullis Anullini senatoris libertinus fuisse credatur ; Epit. Caes. 39,1 : Diocletianus Dalmata, Anulini senatoris libertinus, matre pariter atque oppido nomine Dioclea, quorum vocabulis, donec imperium sumeret, Diocles appellatus, ubi orbis Romani potentiam cepit, Graium nomen in Romanum morem convertit… ; Hier. chron. Olymp. CCLXVI : Diocletianus Dalmata scribae filius imperator electus. Vgl. dazu Kuhoff (2001) 20 f. Kuhoff meint, die Überlieferung – dass Diokletian der Sohn eines Schreibers sei – könne der Wirklichkeit nahekommen. Er weist darauf hin, dass Schreiber häufig liberti seien. 30 Aur. Vict. Caes. 39,4 : Namque se primus omnium Caligulam post Domitianumque dominus palam dici passus et adorari se appellarique uti deum. 31 Zu Maxentius als Tyrann vgl. auch Aur. Vict. Caes. 40,19–29 ; Zos. 2,16,3. 32 Eus. hist. eccl. 8,14,2. 33 Eus. hist. eccl. 8,14,3 : οἱ πάντες δ̓ αὐτὸν ὑποπεπτηχότες, δῆμοι καὶ ἄρχοντες, ἔνδοξοί τε καὶ ἄδοξοι, δεινῇ κατετρύχοντο τυραννίδι, καὶ οὐδ̓ ἠρεμούντων καὶ τὴν πικρὰν φερόντων δουλείαν ἀπαλλαγή τις ὅμως ἦν τῆς τοῦ τυράννου φονώσης ὠμότητος.
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Maximinus Daia übertrifft nach Eusebius sogar noch Maxentius in seiner Schlechtigkeit, seiner Gottlosigkeit, Gier, Feigheit und Maßlosigkeit.34 Auch in seinem Fall ist das Sklavennarrativ Teil seiner Charakteristik. So schildert Laktanz, wie Maximinus nach der verlorenen Schlacht gegen Licinius im Jahr 313 in Sklavenkleidern flieht.35 Maxentius wiederum wird in dem im Jahr 313 in Trier gehaltenen Panegyricus als vernula purpuratus, als „Sklavenwicht im Purpur“, bezeichnet.36 Im Panegyricus des Jahres 321 erinnert der Redner Nazarius im Rahmen der Feier der Herrschaftsjubiläen Konstantins und seiner Söhne an den Sieg über Maxentius im Jahr 312. Der Sieg Konstantins wird in dieser Rede zum Sieg über die Tyrannei, zur Befreiung Roms von der Sklaverei, schließlich zur Eröffnung eines neuen Zeitalters der Freiheit.37 Tyrannentopik und Sklavennarrativ werden schließlich in der Charakterisierung des Galerius miteinander verbunden. Nach dem Vorbild der Perser versucht Galerius sein Volk wie Sklaven zu behandeln. Die Strafen, die er verhängt, sind die typischen Sklavenstrafen : Er lässt selbst die Vornehmsten der Städte wegen geringfügiger Vergehen kreuzigen, in Fesseln legen oder auspeitschen.38 Laktanz spielt zudem mit der Herleitung der Bezeichnung 34 Eus. hist. eccl. 8,14,7–18. 35 Lact. mort. pers. 47. 36 Paneg. Lat. 12(9),16,3 (313) ; Übersetzung : B. Müller-Rettig, Panegyrici Latini. Lobreden auf römische Kaiser, Darmstadt 2008. 37 Paneg. Lat. 4(10),31 : … Non captivi alienigenae introitum illum honestaverunt sed Roma iam libera. Nil ex hostico accepit sed se ipsam recuperavit, nec praeda auctior facta est sed esse praeda desivit et, quo nil adici ad gloriae magnitudinem potest, imperium recepit quae servitium sustinebat. Duci sane omnibus videbantur subacta vitiorum agmina quae Urbem graviter obsederant : Scelus domitum, victa Perfidia, diffidens sibi Audacia et Importunitas catenata. Furor vinctus et cruenta Crudelitas inani terrore frendebant ; Superbia atque Arrogantia debellatae, Luxuries coercita et Libido constricta nexu ferreo tenebantur. …Vgl. dazu Swoboda (2007). 38 Lact. mort. pers. 21,2–4 : „Nach dem Siege über die Perser, die den Brauch und die Sitte haben, sich dem Dienste ihrer Könige als Leibeigene zu widmen, während die Könige ihr Volk als Hörige behandeln, wollte der Ruchlose diese Sitte auch in die römische Welt einführen … Er ließ der Folterung nicht bloß die Ratsherren der Flecken unterwerfen, sondern auch die Vornehmsten der Städte, Männer, die mit „vortrefflich“ (egregius) und „vollkommenst“ (perfectissimus) angeredet wurden, und das noch dazu in geringfügigen und bürgerlichen Streitsachen. Schienen sie todeswürdig, so standen Kreuze aufgerichtet. Für mindere Vergehen lagen Ketten bereit. Edle und vornehme Familienmütter wurden ins Frauenhaus geschleppt. Wer zu Ruten verurteilt war, für den standen in der Rüstkammer vier Pfähle eingerammt, wie sie sonst nie zur Ausspannung eines Sklaven verwendet wurden.“ (Übersetzung : Aloys Hartl, Des Lucius Caelius Firmianus Lactantius Schriften [Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 36], München 1919). Nam post devictos Persas, quorum hic ritus, hic mos est, ut regibus suis in servitium se addicant et reges populo suo tamquam familia utantur, hunc morem nefarius homo in Romanam terram voluit inducere…. In primis honores ademit. Torquebantur ab eo non decuriones modo, sed primores etiam civitatum, egregii ac perfectissimi viri, et
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servus von servare, wie sie auch in römischen Rechtstexten überliefert ist :39 Ebenso wie das Leben der Unterworfenen im Krieg bewahrt wurde, indem man sie zu Sklaven machte und nicht tötete, so bewahrten die Römer und Untertanen der Römer ihr Leben, indem sie eine Kopfsteuer zahlten.40 Das Ergebnis ist in beiden Fällen gleich – Unterwerfung und Verlust der Freiheit.
4. Zusammenfassung und Ausblick
Die bisherigen Beispiele haben gezeigt, wie die Sklaverei zur negativen Charakterisierung der Herrscher eingesetzt werden kann. Andere Passagen zeigen aber, dass das Sklavereinarrativ auch Bestandteil des Herrscherlobes sein kann : Der Sieghaftigkeit des Kaisers auf der einen Seite entspricht die Versklavung der unterworfenen Völker41 bzw. deren Befreiung aus der Sklaverei42 auf der anderen Seite. Es bleibt zum Schluss die Frage, warum Autoren wie Eutrop, Festus, Hieronymus, Laktanz, Eusebius oder die Panegyriker die Tetrarchen in einigen Passagen als Unterdrücker und Tyrannen charakterisieren. Die spätantiken Autoren stehen in einer Kontinuität zu Vorwürfen politischer Versklavung und Tyrannei, wie sie von Vertretern einer kritischen senatorischen Geschichtsschreibung geäußert werden, die den Verlust der republikanischen Freiheit bedauern. Die Traditionslinie der tyrannischen Kaiser wird aber um einen Aspekt bereichert. Der Tyrann stellt quidem in causis levibus atque civilibus. Si morte digni viderentur, cruces stabant, sin minus, compedes parati. [4] Matres familias ignavae ac nobiles in gynaeceum rapie bantur ; si quis esset verberandus, defixi in stabulo pali quattuor stabant, ad quos nullus umquam servus distendi solebat. Zur Bestrafung von Sklaven vgl. Gerhold (2017). 39 Dig. 1,5,4,2 : Servi ex eo appellati sunt, quod imperatores captivos vendere ac per hoc servare nec occidere solent. „Die Bezeichnung ‚Sklaven‘ kommt daher, dass Feldherrn ihre Gefangenen gewöhnlich verkaufen und hierdurch retten, nicht umbringen“ (Übersetzung : W. Eck, J. Heinrichs, Sklaven und Freigelassene in der Gesellschaft der römischen Kaiserzeit, Darmstadt 1993). 40 Lact. mort. pers. 23,5–6 : „Was einst die Alten gegen Besiegte nach dem Kriegsrechte verfügt hatten, das wagte jetzt Galerius gegen Römer und Untertanen der Römer zu verfügen ; denn seine Vorfahren waren einst der Kopfsteuer unterworfen worden, die Trajan als Sieger den Daziern wegen ihrer immerwährenden Empörungen zur Strafe auferlegt hatte. Von da an mußte man Steuer für den Kopf entrichten und Kaufpreis für das Leben zahlen.“ Quae veteres ad versus victos iure belli fecerant, et ille adversus Romanos Romanisque subiectos facere ausus est, quia parentes eius censui subiugati fuerant, quem Traianus Daciis assidue rebellantibus poenae gratia victor imposuit. [6] Post hoc pecuniae pro capitibus pendebantur et merces pro vita dabatur. 41 Dazu einige Beispiele : Paneg. Lat. 8(5),5,1 (Unterwerfung der Sarmaten), 8(5),8–9 (Bataver) ; 6(7),12,3 (Brukterer) 42 So z. B. Paneg. Lat. 8(5),19 ; 7(6),4,3 ; 6(7),6,1 (Britannier).
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nämlich nicht nur eine Bedrohung für die politische Freiheit dar, sondern auch für die Ausübung der Religion. Unter den Begriff des Tyrannen fallen damit auch die Christenverfolger Diokletian, Galerius und Maximinus Daia.43 Bei Maxentius dagegen steht ein anderer Aspekt des Tyrannen im Vordergrund : der des Usurpators. Seine bedrohliche Autorität wird zusätzlich noch durch Bilder und Vokabular aus dem Bereich der Unfreiheit bzw. der Sklaverei unterstrichen. Der Beitrag sollte zeigen, wie präsent das Sklavereinarrativ in der spätantiken Literatur ist. Die Erzählungen über einzelne Tetrarchen sind durchsetzt mit Anspielungen auf die Sklaverei, mit Bildern, die dem Leser aus seinem Alltag mit Sklaven bekannt sind. Auf diese Art und Weise werden die Kaiser als Tyrannen, Usurpatoren und Christenverfolger stigmatisiert. Dies zeugt von der Allgegenwart der Sklaverei, die bis in die Literatur hineinwirkt, aber auch von der Art, wie Geschichte wahrgenommen und wie sie erzählt wird.
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Elisabeth Herrmann-Otto (Universität Trier)
Die Apollovision von Grand als Mutter aller Visionen Politische, dynastische und religiöse Aspekte
Zusammenfassung : Ausgehend von dem lateinischen Panegyricus des unbekannten Redners aus Autun vom Jahr 310 stehen die politischen, dynastischen und religiösen Transformationen, die Konstantin vom Tetrarchen in Gallien bis zum Alleinherrscher im Römischen Reich in eineinhalb Jahrzehnten durchschritten hat, im Mittelpunkt des Beitrages. In chronologischer Abfolge ihrer Entstehung werden die zeitgenössischen Berichte paganer und christlicher Provenienz auf die in ihnen überlieferten Visions- und Traumerzählungen hin untersucht. In ihnen spiegelt sich wie in einem Brennglas die Deutungshoheit sowie das Selbstund Herrschaftsverständnis Konstantins wider, das er seinen Entscheidungen und den daraus folgenden Ereignissen geben will. Die von ihm und seinen Ratgebern an die Berichterstatter weitergegebenen Visionen und Träume zeigen die für die Antike charakteristische Verflechtung von Politik und Religion. Die Apollovision von 310 wird so zur Vorläuferin und Mutter aller späteren Träume und Visionsberichte, in denen sich das Narrativ des neuen christlichen Schutzgottes herauskristallisiert. Der Christengott behält dabei nicht nur die solaren Elemente seines „Vorgängers“ neben christlichen Symbolen bei, sondern bleibt auch Garant für Sieghaftigkeit und Beständigkeit der Herrschaft Konstantins und seiner Nachkommen. Abstract : Based on the Latin Panegyricus of the unknown orator from Autun from the year 310, the focus of the contribution is on the political, dynastic and religious transformations that Constantine underwent from tetrarch in Gaul to autocrat in the Roman Empire in one and a half decades. In chronological order of their emergence, the contemporary reports of pagan and Christian pro venance are examined with regard to the vision and dream narratives that have been handed down in them. They reflect, as if in a burning glass, Constantine’s interpretive sovereignty as well as his understanding of himself and his rule, which he wanted to give to his decisions and the events that followed from them. The visions and dreams passed on by him and his advisors to the reporters show the interweaving of politics and religion that was characteristic of antiquity. The Apollo vision of 310 thus becomes the forerunner and mother of all later dreams
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and vision reports in which the narrative of the new Christian patron god crystallises. The Christian god not only retains the solar elements of his “predecessor” alongside Christian symbols, but also remains the guarantor of the victoriousness and permanence of Constantine’s rule and that of his descendants.
1. Einleitung
„Wenn schlechte Kaiser träumen, wird ihnen Strafe gedroht. Wenn gute Kaiser träumen, wird ihnen Erfolg verheißen“. Diese beiden grundlegenden Feststellungen, die Alexander Demandt im Jahre 2005 auf einem Kolloquium aussprach, das zur Vorbereitung der großen Trierer Konstantin-Ausstellung von 2007 diente,1 haben mich zu der folgenden Untersuchung zu Ehren des Jubilars dieser Festschrift veranlasst. Gemäß der Zielsetzung der vorausgehenden Tagung kann es bei dieser Thematik, zu der es eine überbordende Fülle höchst kontroverser Forschungsliteratur gibt, nur um Bilanz, Vertiefung und Erweiterung von bisherigen Perspektiven gehen, nicht um definitive Lösungen. Da der Gegenstand der Untersuchung Träume und Visionen sind, die auf subjektiven Eindrücken eines einzelnen, selten mehrerer Personen beruhen, liegt die gesamte Überlieferungs- und Deutungshoheit zuerst bei dem (den) Traum- und Visionserzähler(n), um nicht zu sagen ihrem Schöpfer bzw. Erfinder. Dass wir Historiker uns – zumal nach mehreren Jahrtausenden – schwer tun müssen mit Wahrheitsgehalt, Intention, Symbolik und Bedeutung, ist selbstverständlich. Aber nicht nur Zeit und Genre wirken erschwerend bei jeder wissenschaftlichen Beschäftigung, auch divergierende Auffassungen von Religion und Politik, sowie ihrem Verhältnis zueinander, wie auch von frühem Christentum und Paganismus, ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden, stiften nicht selten anachronistische Sichtweisen, die mit der Antike nicht kompatibel sind. Versuchen wir dennoch eine adäquate Annäherung basierend auf den antiken Quellen und stets die Frage nach dem im Gedächtnis behaltend, dem die Deutungshoheit der überlieferten Visionen und Träume zukam.2
1 Demandt (2006) 49–59, Zitat : 49. 2 Weber (2017). Auf Grund der schier unüberschaubaren Literatur zu Konstantin beschränke ich mich überwiegend auf die bibliographische Erfassung der neueren Literatur.
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2. Der Panegyricus von 310
Ausgangs- und Mittelpunkt meines Beitrages ist der Lateinische Panegyricus von 310, den ein unbekannter Redner aus Autun anlässlich des Quinquenniums Kon stantins und des Geburtstages der Stadt Trier im Palast der gallischen Residenzstadt hielt.3 Trotz dieser festlichen Anlässe befand sich die Herrschaft Konstantins im Reichsteil seines verstorbenen Vaters Constantius Chlorus (†306) in einer Legitimationskrise. Sein auctor imperii, sein und seines Vaters Schwieger- und Adoptivvater, der Vater seiner Frau Fausta, der senior Augustus privatus iterum, der wie der Alt-Augustus Diokletian, allerdings 308 schon zum zweiten Mal, zurückgetreten war und in allen Ehren im Palast in Arles lebte, Maximianus Herculius, hatte sich gegen ihn erhoben. Zu diesem Zweck hatte er die in Gallien stationierten Truppen, die ihm Konstantin während seiner Abwesenheit anempfohlen hatte, mit Versprechen großer Donative auf seine Seite gelockt, war mit ihnen nach Marseille marschiert, um seinen Sohn Maxentius zur Unterstützung seiner Usurpation und zur Mithilfe an der Vernichtung seines Schwiegersohnes zu gewinnen. Konstantin konnte diesen aufgezwungenen Bürgerkrieg für sich entscheiden. Er endete allerdings mit dem notwendigen (Selbst-) Mord des Alt-Augustus. Konstantins Legitimationsbasis als Herkulier, die sich konkret von seinem Schwieger- und Adoptivvater ableitete, dem er ebenso den Augustus-Titel in seinen westlichen Provinzen verdankte, war dahin. Aufgabe des Panegyrikers war es, diese Krise – in genauer Absprache mit dem Kaiser oder eventuell seinen Beratern – argumentativ zu beheben.4 Dem Redner gelang dies, indem er nicht nur die bisherigen Leistungen Konstantins in Gallien pries, sondern ihm eine neue Dynastie ‚verschaffte‘, die er geschickt mit dem tetrarchischen System zu verbinden verstand : In seiner Altersverwirrtheit (error iam desipientis aetatis) – so der Panegyriker – war der ehemalige Augustus Maximianus Herculius nicht nur gegenüber seinem Schwiegersohn, der ihn stets in vielen Bedrängnissen bei sich aufgenommen und geschützt hatte, eidbrüchig geworden, sondern auch gegenüber dem anderen Alt-Augustus Diokletian : Jener Mann also, der von diesem als Bruder angenommen war, scheute sich, es diesem gleichzutun, und es reute ihn, diesem im Tempel des Iuppiter Capitolinus einen derar3 Panegyrici Latini, Lobreden auf römische Kaiser, Bd. I : von Diokletian bis Konstantin, lat. dt., hrsg. übers. komm. v. B. Müller-Rettig, Darmstadt 2008, 248–249. Dies. (1990) 12. 4 Zum Verhältnis Konstantin und Maximianus Herculius s. Clauss (2016) 153–159.
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tigen Eid geleistet zu haben. Ich wundere mich nicht, dass er auch gegenüber seinem Schwiegersohn seinen Eid gebrochen hat.5
Auch die Tetrarchen müssen die Bestrafung des Usurpators, der im Sinne der damnatio memoriae im Panegyrikus nie namentlich genannt wird, als gerecht anerkennen. Dennoch bleibt der Weg zu einer späteren Rehabilitation offen, die ab 317 in den dynastischen Münzprägungen zur Geburt der Söhne von Fausta greifbar wird. Altersdemenz erscheint wie ein Schicksalsschlag, der jeden Menschen treffen kann, auch einen Tetrarchen und Schwiegervater, dem man vertraut hatte. Wie opportunistisch allerdings die vom Panegyriker propagierte humanitas des Konstantin ist, wird später deutlich : aus dynastischen Gründen wird nicht nur die damnatio memoriae außer Kraft gesetzt, auch die Divinisierung durch den Erzfeind und Tyrannen Maxentius, Sohn des Maximian, wird nach dem fulminanten konstantinischen Sieg 312 anerkannt. Dazu muss der Besiegte allerdings offiziell zum Bastard erklärt werden. Ohne die ideologische Steuerung Konstantins ist das nicht denkbar.6 Eine neue, rein erbdynastische Legitimation, die bisher nur ganz wenigen Vertrauten bekannt gewesen sei, darf der gallische Redner jetzt öffentlich verkünden : Konstantin führt seine Abstammung und damit Legitimation auf Claudius Gothicus, einen entfernten Verwandten seines Vaters, zurück. Dadurch wurde er zum Porphyrogenetos, zum Purpurgeborenen, imperator natus, der schon als dritter in seinem Geschlecht, als tertius princeps, von Geburt her, die kaiserliche Herrschaft verdient hatte (imperium nascendo meruisti). Er verdankte diese weder dem Herkulier und Alt-Augustus Maximianus, noch seinem Vater, dem Herkulier Constantius Chlorus. Entsprechend lautet es im Panegyrikus : Ich will also mit der ersten Gottheit in deiner Familie beginnen, von der die Menge bisher vielleicht noch keine Kenntnis hat, welche aber diejenigen, die dich lieben, gut kennen. Es ist nämlich jener vergöttlichte Claudius, von dem das Erbe der Blutsverwandtschaft auf dich übergeht, welcher die aufgelöste und zugrunde gerichtete Ordnung innerhalb des römischen Reiches als erster wiederhergestellt … hat. Hätte er doch längere Zeit der Menschheit neue Kraft verleihen können, als so frühzeitig Gefährte der Götter geworden zu sein. … Ja sogar deinen Vater selbst hat jener alte Vorrang des kaiserlichen Hauses vorrücken lassen, sodass du schon im höchsten Rang … deinen 5 Pan. Lat. 6 [7] 15,6. Ich zitiere hier und im Folgenden nach der Übers. von Müller-Rettig (s. o. Anm. 3). 6 Pan. Lat. 6 [7] 14–16 (Betrug des Maximianus) s. hierzu Wienand (2012) 150–161 ; Orig. Const. 4,12 (Maxentius als Bastard) s. hierzu : Leadbetter (1998) 75–77.
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Standort bezogen hast – nach zwei Herrschern deiner Familie der dritte Kaiser ! … dass dir die Übernahme der Herrschaft keinen weiteren Ehrenrang hinzugefügt hat und sich Fortuna … nicht das als Verdienst anrechnen kann, was dein Eigen ist – ohne Gunsthascherei und Empfehlung.7
Die „alte“ jetzt ganz neu propagierte bluts- und erbdynastische Legitimation widersprach grundlegend der tetrarchischen Herrschaftsauffassung, die allein auf dem Leistungsprinzip beruhte. Aber auch dieses, zurückgehend auf Augustus und den Beginn des Prinzipats, hatte Konstantin voll erfüllt, durch seine Lehrzeit beim alten Tetrarchen Diokletian und seine militärischen Erfolge in Britannien, Gallien und gegen die barbarischen Franken.8 Damit aber noch nicht genug : der Rhetor verband zunächst Taten, Tugenden und äußeres Aussehen des jungen Konstantin mit dem seines divinisierten Vaters, er machte ihn zum „Divi filius“, zum Sohn des Gottes, wie dies in der Herrscherpanegyrik und Propaganda, visualisiert auf Münzen und Bildwerken, bis auf Augustus, den Divi filius Caesaris, zurückzuverfolgen ist und vollkommen gängig war. Auch dass Konstantin Sohn und Enkel je eines Divus ist, war nicht außergewöhnlich.9 Gleichsam überhöht wird diese ganze Legitimationsrhetorik abschließend von einer Apollovision, in der der junge Herrscher über den begrenzten Reichsteil seines Vaters hinaus quasi auf Weltherrschaftsniveau räumlich und zeitlich gehoben wird. Zugleich eröffnet sich durch den neuen göttlichen Begleiter, den neuen Schutzgott Apoll in seiner Identität mit dem Sol Invictus, ein Weg aus der herkulischen Götterdynastie heraus und die Bildung eines neuen Selbst- und Herrschaftsverständnisses Konstantins, dem wir im Folgenden nachgehen und das in der Langzeitperspektive nicht zu unterschätzen ist. Zunächst sei daran erinnert, dass der gallische Rhetor bei der Vision nicht dabei war. Sie muss ihm erzählt worden sein, von Konstantin selbst oder dessen nächster Entourage am Hof in Trier.10 Die rhetorische Frage des Panegyrikers ist 7 Pan. Lat. 6 [7] 2,1–5. 8 Pan. Lat. 6 [7] 3.9 – 12. S. hierzu ausführlich Wienand (2012), 161–169. 9 Pan. Lat. 6 [7] 4–8 ; vgl. z. B. die Münzpropaganda des Octavian-Augustus nach seinem Sieg in Aktium, nach Abschluss der Bürgerkriege und zu Beginn seiner Herrschaft, hierzu : van Hoff u. Stroh u. Zimmermann (2014) 97/98–102. Zur dynastischen Einbindung s. z. B. Nero in die julisch-claudische Dynastie mit zwei Divi, Claudius und Augustus, als Vater und Ururgroßvater in der Kölner Bauinschrift von 66 n. Chr.: Imp(erator) Nero Caesar Augustus / Divi Claudi F(ilius) Germanici Caesaris / n(epos) Tib(erii) Caesaris Aug(usti) pron(epos) Divi Aug(usti) abn(epos) / Pontif(ex) Max(imus) Trib(unicia ) Potest(ate) XII Imp(erator) X Co(n)s (ul) IIII P(ater) P(atriae) s. hierzu Eck (2016), 108–115, bes.113. 10 Zur Beschränkung des Einflusses der gallischen Höflinge und Beamten auf die konstantinische Po-
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ein versteckter Hinweis auf seinen Bericht aus zweiter Hand : Vidisti enim, credo, Constantine, Apollinem tuum comitante Victoria.11 Johannes Wienand geht sogar davon aus, dass der Rhetor seine Rede, die er zu den Quinquennalien Konstantins halten sollte, kurzfristig durch die Ereignisse um Maximianus habe umschreiben müssen. Umso abhängiger war er nun von genauen Anweisungen zur Propagierung der neuen Ereignisse.12 Zu ihnen gehörte auch die Apollovision, die sich auf dem Rückweg von Massilia nach Trier, also nach dem Tod des Maximianus Herculius und nach der Nachricht vom Rückzug der Barbaren rechts des Rheins zugetragen haben soll. Konstantin sei vom Hauptweg abgewichen, um ein nahegelegenes Apolloheiligtum aufzusuchen. Dieses hatte die Forschung bisher in Grand im Departement Vosges lokalisiert. Durchgeführte Grabungen haben zwar gezeigt, dass es in Grand keine archäologischen Anhaltspunkte für die Existenz eines solchen Tempels gibt. Diesem Befund widersprechen allerdings Inschriften, Münzfunde und geophysikalische Untersuchungen.13 Die Verehrung des Apollo Grannus, einer lokalen Repräsentation des Sonnengottes, ist an vielen Orten in Ostgallien nachweisbar. Sie sind von der großen Heeresstraße, die Konstantin von Marseille kommend über Arles, Lyon, Metz, Trier gezogen ist, gut erreichbar.14 So kann der archäologische Befund nicht eigentlich die Apollovision widerlegen, er kann sie höchstens modifizieren. Der Panegyriker berichtet nur das, was ihm aufgetragen wurde, vor allem in der schwierigen politischen Situation, die seit der Usurpation des Herculius für Konstantin in Gallien entstanden war. Wo auch immer sich der Apollotempel befunden hat, den der Kaiser im Juli 310, eventuell zu seinen Quinquennalien und zur Einlösung von vota, besucht hat, auch wenn es sich um einen kleinen Tempel gehandelt haben sollte, er hatte eine Erscheinung des Gottes oder gab vor, eine litik lediglich in der frühen Phase zwischen 306 bis 315 maximal bis 321, wenn sich Konstantin endgültig dem Osten zuwendet, wo er auch verwurzelt ist, s. die prosopographischen Untersuchungen von Badel (2016) 187–197. 11 Pan. Lat. 6 [7] 11,4 : „Du hast nämlich, wie ich glaube, Konstantin, deinen Apoll gesehen in Begleitung der Victoria“. Dass der Panegyriker die Vision nicht erfunden haben kann, sondern vom Bericht des Kaisers bzw. seiner Umgebung abhängig ist, bestätigt er noch zweimal in seiner Rede ; s. Rosen (2013), 20–23 ; hierzu s. auch Barbero (2016) 39–41. 12 Wienand (2012) 143–149 13 Dechezleprȇtre u. Trommenschlager (2016). Die geophysikalischen Untersuchungen haben ergeben, dass es ein Dorf um ein kleines Heiligtum gegeben haben muss : Dechezleprȇtre u. Trommenschlager (2016), 17 f. 14 Abb.1. S. hierzu Weber (1993), bes. 132 mit Abb. 26. Zur Identifikation des Apollo Grannus mit Sol invictus, s. Wienand (2012) 170 Anm. 89. Für Literaturangaben und archäologische Beratung danke ich Dr. Ernst Künzl, ehemaliger Direktor des RGZM in Mainz.
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Abb. 1 : Weihinschriften an Apollo Grannus nach Weber (1993) 132 Abb. 26, ergänzt von E. Künzl (mit freundlicher Genehmigung der wbg Darmstadt).
solche gehabt zu haben, die der Panegyriker ganz offiziell, mit all seinem rhetorischen Können, in Trier zur Feier des Geburtstages der Stadt und zur Nachfeier des Regierungsjubiläums bekannt machen sollte.15 Es stellt sich die Frage, was Konstantin mit der Propagierung der Apollovision beabsichtigte und ob sich diese auch in anderen Zeugnissen außerhalb des Panegyrikos niederschlägt. Die entsprechende Textstelle lautet : Da hat das Schicksal es selbst so gefügt, dass dich (scl. Konstantin) das Glück in deinen Unternehmungen erinnerte, den unsterblichen Göttern das, was du ihnen gelobt hattest 15 Hostein (2016) bes. 38–40. S. den Forschungsbericht von H. Schlange-Schöningen (2016), der die Entwicklung vom völligen Ignorieren der Vision bis hin zu ihrer „Hochkonjunktur“, einer Phase, in der wir uns heute befinden, genau nachzeichnet.
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Abb. 2 : Konstantin mit Sol Invictus Comes (© Nicolai Kästner, Staatliche Münzsammlung München).
(voveras), dort darzubringen, wo du von der großen Straße abgebogen warst und den Weg zum schönsten Tempel auf dem ganzen Erdkreis (ad templum toto orbe pulcherrimum) eingeschlagen hattest, zu dem dort … gegenwärtigen Gotte (praesentem deum). Du hast nämlich, wie ich glaube, deinen Apollon gesehen, der dir in Begleitung der Victoria Lorbeerkränze darreichte, deren jeder das Zeichen für dreißig Jahre bedeutet, denn dies ist die Zahl für die menschlichen Generationen, die dir ganz gewiss über das Greisenalter Nestors hinaus bestimmt sind. … Du hast ihn gesehen und hast dich in der Gestalt dessen wiedererkannt (teque in illius specie recognovisti), dem die Herrschaft über die ganze Welt (totius mundi regna) gebührt, wie es die göttlich inspirierten Lieder der Dichter sangen, dies ist, wie ich meine, erst jetzt eingetreten, da du wie jener jung, froh, Heil bringend und strahlend schön bist, Imperator ! … Schon mag es den Anschein erwecken, als riefen dich alle Tempel zu sich, und besonders unser Apollo.16
Eine der Kernaussagen dieser Darstellung ist, dass der Gott, Apollo tuus, dein Apoll, dem Konstantin Sieghaftigkeit, eine lange Regierungszeit, und zwar von 3 mal 30 Jahren, und die Weltherrschaft geweissagt hat. Mit der Sieghaftigkeit ist nicht nur die vergangene und die gegenwärtige, sondern vor allem die zukünftige gemeint, aus der sich die lange Regierungszeit über sein eigenes Leben hinaus, fortgesetzt und dadurch „verewigt“ in seiner Dynastie, ergibt. Wenn sich auch Assoziationen an Alexander und Augustus beim Weltherrschaftsgedanken einstellen, so, der Panegy16 Pan. Lat. 6 [7] 21,3–7. Der Hinweis des Panegyrikers auf Apollo noster bezieht sich auf den Apollotempel in Autun, seiner Heimatstadt, der auf omnia templa eventuell auf die anderen Apollotempel in Ostgallien. S. auch Müller-Rettig (2008) 257–258.
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Abb. 3 : Constantinus Maximus Augustus (© Siren-Com, Paris – Cabinet des Médailles de la BnF, Wikimedia Commons Public Domain).
Abb. 4 : Imperator Probus Invictus Augustus (© Nicolai Kästner, Staatliche Münzsammlung München).
riker, konkretisieren sich doch erst in Konstantin die früheren Voraussagen dichterischer Gesänge.17 Der Unter- und Einordnung in ein tetrarchisches System, sowie der Teilung von Herrschaft, ist damit für die Zukunft eine klare Absage erteilt.18 Diese Botschaft ließ Konstantin nicht nur durch den Redner in Trier propagieren. 17 Zur Verbindung mit Augustus und der 4. Ekloge des Vergil s. Rosen (2013) 21–25 ; 119. 18 Offiziell hielt sich Konstantin bis 321 an das tetrarchische bzw. das dyarchische System. S. hierzu Barbero (2016) 249–259.
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Die Assimilation zwischen dem siegreichen Herrscher und seinem neuen Schutzgott und Begleiter vermag neben dem Panegyriker am sinnfälligsten die Münzprägung zum Ausdruck zu bringen. Seit dieser Zeit mehren sich die Münzen mit der Abbildung des Sonnengottes, des Sol Invictus, als Comes mit Strahlenkrone, Mantel, Peitsche und Globus, den er, auf dem Revers abgebildet, dem Konstantin überreicht.19 Diesen Gott hatten sich schon frühere Kaiser seit Elagabal erkoren. Ähnlich wie Konstantin auf dem berühmten Goldmedaillon von Pavia aus dem Jahr 313 – mit höchstmöglicher Assimilation zwischen Kaiser und Gott – ist z. B. Kaiser Probus dargestellt, hinter dessen Profil mit Lorbeerkranz das des Sonnengottes mit Strahlenkranz hervorschaut. Beide Kaiser bezeichnen sich, unter dem Schutz des Sonnengottes stehend, als Invictus Augustus.20
3. Der Panegyricus von 313
Die Eröffnung der Perspektive auf Unbesiegbarkeit und Weltherrschaft war angesichts der sich seit 311, dem Todesjahr des Galerius, vollziehenden Umstrukturierungen der Machtverhältnisse im Reich von größter Bedeutung für Konstantin. Es stellte sich ihm die Frage, ob der vom Herrscherkollegium nicht anerkannte, als Usurpator und Tyrann geltende Maxentius, Sohn des Maximianus Herculius und Herrscher über Rom, Italien und Nordafrika, von ihm zusammen mit Licinius, dem Augustus des Ostens, bekämpft werden sollte. Konstantin entschied seinem neuen Herrschaftsverständnis gemäß, dass er das allein tun wollte. Bei 19 Abb. 2. Berrens (2004) 150–162 ; Wallraff (2013) 53–71, bes. 58, 62–64, u. 92–94 ; Wienand (2012) 192–194 ; RIC 6, 166 = K. Ehling, Konstantin 312, Staatliche Münzsammlung München 2012, Nr. 93 : Abb.: Constantinus Pius Augustus mit Helm Lorbeer, geschulterter Lanze u. Schild, comiti Augg.nn. Sol mit Strahlenkrone, Mantel, Globus und Peitsche und Stern rechts, Follis Billon 310/12 London. Vgl. auch RIC 6, 153 = Ehling Nr. 92 London ; anders RIC 6, 890 = Ehling Nr. 96 Follis, Billon 310/313 Trier, auf dem Avers Imperator Constantinus Augustus mit Lorbeerkranz, auf dem Revers Büste des Sol mit Strahlenkrone und Umschrift : soli invicto comiti 20 Abb. 3. RIC 6, 111 = Wienand 2012, Nr. 75 Goldmedaillon Ticinum Abb. Avers : Constantinus Maximus Augustus mit Lorbeerkranz, geschulterter Lanze und Schild mit Abbildung des Sonnengottes auf seinem Wagen, hinter ihm im Profil der Sonnengott als Comes ; Revers : Konstantin auf dem Pferd, geleitet von Victoria mit Kranz und gefolgt von einem Soldaten mit Feldzeichen und Lanze : Adventus Aug(ustorum) N(ostrorum). Vgl. Abb. 4 : Ehling Nr. 16 = Gnecchi 3, 67, 47 Bronzemedaillon 278 Siscia, Abb. Avers : Imperator Probus Invictus Augustus, gepanzerte Büste mit Lorbeerkranz, Schild und Lanze, dahinter Kopf des Sol mit Strahlenkranz als Comes, Revers : Imperator Probus Cons. II auf Quadriga stehend wird von Victoria bekränzt, Mars und Virtus flankieren ihn. Lit. Wienand (2012) 274–280 ; Berrens und Wallraff s. o. Anm. 19.
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dem namentlich unbekannten gallischen Panegyriker des Jahres 313 lesen wir dazu : Denn welcher Gott (quisnam … deus), welche göttliche Macht (praesens maiestas), hat dir hilfreich gegenwärtig dich ermuntert, dass du, da doch fast alle deine Begleiter und Befehlshaber nicht nur insgeheim murrend Bedenken trugen, sondern sogar offen ihre Befürchtungen äußerten, – dass du also entgegen den Ratschlägen der Menschen (contra consilia hominum), entgegen den Prophezeiungen der Wahrsager (contra haruspicum monita), ganz von dir aus der Auffassung warst, es sei die Zeit gekommen, Rom zu befreien. Du verfügst ja in der Tat irgendwie über eine geheime Verbindung mit jenem göttlichen Geist (aliquod cum illa mente divina … secretum), Konstantin, welcher sich – da die Sorge um uns minderen Göttern übertragen ist (delegata nostri diis minoribus cura) – allein dir zu offenbaren geruht. Doch übrigens, tapferster Imperator : auch so, da du Sieger bist, gib uns Rechenschaft (redde rationem).21
Es geht um den später mythisch verklärten Sieg Konstantins an der milvischen Brücke am 28. Oktober 312. Es handelt sich bei dem zitierten Redeausschnitt um den zeitnächsten zeitgenössischen Bericht über den Machtkampf zweier Konkurrenten, der wider alles Erwarten siegreich für den militärisch Schwächeren ausgegangen ist : Der Berichterstatter selbst, der beim Geschehen nicht anwesend war, wird sich auf die Erzählungen der engsten Umgebung Konstantins am Hof in Trier gestützt haben, wo er seinen Vortrag vor dem Kaiser gehalten hat. Die Verärgerung über das „selbstherrliche“, ja fast „prahlerische“ Vorgehen des Feldherrn ist dem gallischen Redner noch anzumerken : „Gib Rechenschaft“, der Rhetor wählt den juristischen Terminus Technicus für den Rechenschaftsbericht in Finanzverfahren : rationem reddere. Er habe zwar die gallische Rheingrenze nicht entblößt zurückgelassen, dafür sei er aber mit viel zu wenigen Soldaten (einem Viertel des Heers) in einen Krieg (Bürgerkrieg) gezogen, der ihm das Leben nehmen, den Truppen die Vernichtung hätte bringen können, da der Gegner bisher immer siegreich gewesen sei. Solche Kritik in einer Lobrede ist zwar gewagt, aber der Panegyriker überschreitet nie die Grenze des Zulässigen.22
21 Pan. Lat. 12 [9] 2,4–5 22 Pan. Lat. 12 [9] 2,6 ; zu reddere rationem s. A. Berger, Encyclopedic Dictionnary of Roman Law, Philadelphia 1953, ND 1980, 670. Der Panegyriker nutzt diesen Begriff im übertragenen Sinne : nur der Rechenschaftsbericht nicht der Sieg kann Konstantin in seinem sakralrechtlichen Verstoß gegen die haruspices entlasten, so wie der Rechenschaftsbericht eines Finanzverwalters aus dem Sklavenstand diesen vor Bestrafung schützt und ihm Freilassung gewährt.
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Alle Befragungen göttlicher Orakel standen gegen einen Sieg Konstantins. Und diese hätten sich auch bestätigt – der Panegyriker zählt alle durch Maxentius besiegten namhaften Feldherrn und mächtigen Heere auf –, wenn nicht der Herrscher über Rom das Unvorstellbare getan hätte, wenn er nicht die schützenden Mauern der Stadt verlassen und die Entscheidung in der offenen Feldschlacht gesucht hätte. Das Unerklärliche kann nur überirdisch auf einer transzendentalen Ebene erklärt werden, und zwar sowohl was Maxentius wie auch was Konstantin angeht. Der Pan egyriker muss auf beiden Seiten über göttliche Eingriffe berichten, durch welche aus einem bisher Unbesiegten ein strategischer Tölpel und militärischer Versager wurde und aus einem Feldherrn, der nur mühsam und gegen viel Gegenwehr langsam in Italien vorgerückt war, ein schneller und strahlender Sieger erstand. Beginnen wir mit letzterem : Konstantin hat einen Schutzgott, der mächtiger ist als alle anderen Götter. Der Panegyriker ist davon überzeugt, dass der Sieg Konstantins nur auf einen göttlichen Ratschlag (consilium divinum), eine göttliche Macht (numen divinum) zurückgeführt werden kann, auf ein Einvernehmen des Kaisers mit einer Gottheit, die über allen anderen Göttern steht. Maxentius’ Tod in den Fluten des Tiber war nur die Folge einer Zwangsläufigkeit, die auf einem höheren, göttlichen Ratschluss beruhte.23 In einer überbordenden Tyrannentypologie, die der Panegyriker auf den Herrscher Roms anwendet und der sich alle späteren Autoren, paganer und christlicher Provenienz, uneingeschränkt anschließen, berichtet er von Angstträumen des Maxentius, die ihn schon zwei Tage vor der Schlacht aus seinem Palast vertrieben haben und ihn die strategischen Fehler begehen ließen, die zu seinem Untergang führten. Mit Recht zieht Alexander Demandt in Zweifel, dass Maxentius selbst vor der Schlacht von solchen Angstträumen, falls er sie überhaupt gehabt hat, erzählt hat. „Vielmehr ist dieser erste milvische Traum eine rhetorische Fiktion zur Diskriminierung des Feindes.“24 Konstantin oder ein enger Vertrauter aus seiner Umgebung oder – allerdings am unwahrscheinlichsten – der Panegyriker selbst kommen als Urheber dieser falschen Nachricht in Betracht. Es ist verdächtig, dass der Panegyriker die Glaubwürdigkeit der Traumerzählung extra bestätigt : Was für eine andere Hoffnung soll man ihm zuschreiben, ihm, der schon zwei Tage zuvor den Palast verlassen hatte, der aus eigenem Antrieb mit Frau und Sohn in ein Privathaus gezogen war, – von Schreckensträumen, dies ist wahr, verfolgt und gehetzt von den Rächerinnen der Nacht…25 23 Pan. Lat. 12 (9),3.4.9.16.17.22.26 etc. 24 Demandt (2006) 49. 25 Pan. Lat. 12 (9),16,5 : Quid enim aliud illum sperasse credendum est, qui iam ante biduum palatio
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Mit drei Leitgedanken endet der Rhetor : Konstantin wird von Senat und Volk in einem feierlichen Adventus so geehrt wie Augustus nach Beendigung der Bürgerkriege. Er erhält von der Bevölkerung Italiens einen Schild (scutum = clupeus virtutis) und einen Kranz (corona = corona civica), vom Senat ein Götterbild (signum dei = simulacrum) als Zeichen für Tapferkeit (virtus), Frömmigkeit (pietas) und Göttlichkeit (divinitas). Alles ist, der Sakralität des Geehrten entsprechend, aus Gold.26 Das abschließende Gebet an einen vielnamigen Schöpfer der Welt (summe rerum sator) knüpft an den Weltherrschaftsgedanken der Apollovision von 310 in Raum und Zeit an : erst in einer zahlreichen Nachkommenschaft wird Konstantin auf ewig als größter Herrscher von allen (omnium maximus imperator) den Erdkreis lenken.27
4. Die Darstellung in der Kirchengeschichte des Eusebius
Aus der Vermutung eines allen anderen Göttern überlegenen Schutzgottes, sei er nun Apoll, der als Begleiter des siegreichen Konstantin auf dem berühmten Goldmedaillon aus Pavia (313) dargestellt wird, sei er sol invictus, mens divina, höchster Schöpfer etc. genannt, entwickelt sich bei den christlichen Autoren, von denen ebenfalls niemand bei den entsprechenden Ereignissen anwesend war, die Überzeugung, dass der Schutzgott Konstantins nur der allmächtige Christengott gewesen sein kann. Das Interesse der Christen, ihrer Bischöfe und ihrer „schreibenden Zunft“ an dem Alleinherrscher des Westens war seit seinem spektakulären Sieg gestiegen. Seitdem war eine konsequente Umsetzung des Galerius-Ediktes von 311 erst möglich : Rückgabe allen in der Christenverfolgung beschlagnahmten Besitzes, Überweisung von Geldern zum Wiederaufbau zerstörter Kirchen und Friedhöfe in Nordafrika, Schenkungen von Baugrund des Kaisers an die Gemeinde in Rom, versuchte Friedensstiftung Konstantins zwischen Donatisten und Katholiken, darüber hinaus die vom Ostkaiser Licinius mitgetragene Politik der Gleichstellung emigraverat, cum uxore ac filio in privatam domum sponte concesserat, ut res est, somniis terribilibus agitatus et nocturnis pulsus Ultricibus…Dt. Übers. Müller Rettig (2008) 203. 26 Pan. Lat. 12 (9),25,4. Außerdem wurde ihm vom Senat der Titel des ersten Augustus = Maximus Augustus verliehen. Vgl. Res Gestae 34,2 : quo pro merito meo senatus consulto Augustus appellatus sum et laureis postes aedium mearum vestiti publice coronaque civica super ianuam meam fixa est et clupeus aureus in curia Iulia positus, quem mihi senatum populumque Romanum dare virtutis clementiaeque et iustitiae et pietatis causa testatum est per eius clupei inscriptionem. Vgl. auch Grünewald (1990) 63–92 ; Rodgers (1986). 27 Pan. Lat. 12 (9),26,1.4–5.
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der Christen mit allen anderen Reichsbewohnern in der Mailänder Vereinbarung von 313. Solche Kaiser konnten nur Christus als Schutzgott haben. Deswegen lesen wir auch in den christlichen Quellen : Nachdem so die Gottlosen ausgetilgt, verblieb Konstantin und Licinius allein die ihnen gebührende Herrschaft in festem und unangefochtenem Besitz. Eingedenk der ihnen von Gott gespendeten Wohltaten … bekundeten (sie) ihre Liebe zur Tugend und zu Gott und ihre Frömmigkeit und Dankbarkeit gegen Gott durch ihre Gesetzgebung zugunsten der Christen.28
Eusebius, Bischof von Caesarea, der ca. 314 seine Kirchengeschichte überarbeitet hat, kann die Zwangsläufigkeit des siegreichen Geschehens vor den Toren Roms besser präzisieren als der pagane Lobredner. In misslicher Lage auf seinem Feldzug sucht Konstantin Schutz im Gebet zu dem Gott seines Vaters, der dem Kirchenvater zufolge bereits der Gott der Christen ist. In seiner Kirchengeschichte lesen wir : Fürs erste empfand Konstantin, der Oberste im Reich an Würde und Rang, Mitleid mit den bedrückten Einwohnern Roms. Nachdem er Gott, der im Himmel ist, und sein Wort, den Erlöser aller, Jesus Christus, im Gebete zu Hilfe gerufen, rückte er mit der ganzen Streitmacht vor, um den Römern die von den Ahnen ererbte Freiheit zu erwerben. … Im Vertrauen auf den göttlichen Beistand griff der Kaiser die erste, zweite und dritte Stellung des Tyrannen an, die er alle spielend nahm … und kam bis in die Nähe Roms.29
Auch hier hilft ihm, Eusebius zufolge, der Christengott, indem er den Maxentius wie an Ketten aus der Stadt herauszieht, damit Konstantin den Tyrannen, ohne viel Blutvergießen in der Stadt, vernichten kann. Sein Untergang in den Fluten des Tiber wird mit dem Untergang des Pharaos im Roten Meer parallelisiert, Konstantin zum neuen Moses stilisiert, der das Volk d. h. Rom von der Sklaverei des Tyrannen befreit.30 Der Aspekt des göttlichen Schutzgottes ist auch bei Eusebius stark ausgeprägt. Traum- und Visionsberichte finden sich bei ihm nicht, nur das Gebet an den Gott seines Vaters. Dieser kann aber nicht der Christengott sein. Auch wenn Cons28 Eus. hist.eccl. 9,11,8 : Bis zum erneuten Konkurrenzkampf 314/316 sind beide Kaiser, Konstantin und Licinius, von Gott gesandt und geliebt. Danach allerdings wird auch Licinius vom Wahnsinn befallen : Eus. h.e. 10,8. Zur Politik gegenüber den Christen zwischen 311/312 bis 324 s. Rosen (2013) 189–239. 29 Eus. hist. eccl. 9.9.2–3 30 Eus. hist. eccl. 9.9.4–8.
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tantius Chlorus die Verfolgungsedikte gegen die Christen weniger konsequent in seinem Reichsteil durchgeführt hat, so hängt das nicht mit seiner vermuteten Nähe zum Christentum zusammen, sondern dass es wenige Christen in Gallien, Germanien und vor allem in Britannien gab. Aber auch Apoll ist kein Schutzgott, den Konstantin von seinem Vater übernommen hätte. Vielmehr weist seine Münzprägung den Mars und die Götter der Tetrarchie auf. Konstantin stellt sich bewusst in eine solare Tradition von Aurelian bis Probus.31 Wie der Panegyriker berichtet Eusebius auch von dem siegreichen adventus Konstantins in Rom. Ihm, dem Wohltäter, dem Euergetes, wird zum Dank eine Statue aufgestellt. Diese Statue ist nicht erhalten, auch die Inschrift, die auf ihrem Sockel angebracht war und Eusebius aus dem Lateinischen ins Griechische übersetzt hat, kennen wir nicht mehr. Unendlich hat die Forschung über das „Zeichen des heilbringenden Leidens“, bzw. „des Heiles“ (σωτήριον σημεῖον) gestritten, das der Statue in die Hand gegeben wurde und auch auf der Inschrift aufgeführt ist. Es kann sich weder um das Christogramm noch das Labarum handeln, Zeichen, die erst später in der literarischen und ikonographischen Überlieferung auftauchen. Am ehesten könnte die Standarte in vorchristlicher Version dargestellt worden sein. Das Kreuz war zu dieser Zeit für die Römer noch eindeutig negativ konnotiert.32 Die Statue war nicht die einzige Ehrung, mit der sich Senat und Volk bei Konstantin für die Befreiung der Stadt bedankten. Im Jahr 315, pünktlich zur Feier seiner Decennalien, wurde ein Ehrenbogen mit triumphaler Ikonographie und einer entsprechenden Ehreninschrift eingeweiht. Man kann davon ausgehen, dass sowohl das Bildprogramm wie auch der epigraphische Text mit Konstantin abgesprochen wurden.33 Die Inschrift, die in der Tradition der großen kaiserlichen Ehreninschriften steht, stimmt terminologisch voll mit dem überein, was bereits der Panegyriker von 313 propagiert hatte : Senat und Volk von Rom weihen Konstantin den Bogen mit Triumphaldarstellungen, „weil er auf Eingebung der Gottheit mit tiefer Einsicht“ quod instinctu divinitatis mentis magnitudine zusammen mit 31 Zu den Göttern des Constantius Chlorus s. Guichard (2016) 63–112. Zum angeblichen Christentum des Constantius Chlorus s. kritisch Barceló (1988) 76–94, bes. 81–82. 32 Eus. hist. eccl. 9.9.9–11. Zur Statue s. auch Wienand (2012) 256–258. Allerdings bin ich skeptisch, ob es sich bei ihr um die umgearbeitete Kolossalstatue des Maxentius aus der Basilica Maxentii handelt (heute Konservatorenpalast). S. hierzu Köhne (2007). Vgl. den Versuch Haymann’s, die frontale Darstellung des Siegers Konstantin auf dem Avers eines neuen Solidus aus Ticinum (315) mit der bei Eusebius beschriebenen Ehrenstatue in Verbindung zu bringen : Haymann (2020) 82–84. Zum Kreuz s. Girardet (2006) 74–80 und den Beitrag von Girardet in diesem Band, bsd. 221–225. 33 S. hierzu u. a. Wienand (2012) 212–215 ; Barbero (2016) 312–325. Zum Ehrenbogen : L’Orange u. v. Gerkan (1939) ; Barceló (1991/2) 145–156 ; Marlowe (2006) 223–242 ; Lenski (2008) 213–219.
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seinem Heer die Res Publica von der Herrschaft des Tyrannen und seiner Clique ( factio) befreit hat. Es handelt sich der Inschrift zufolge um einen Rachefeldzug, den der Kaiser unter dem Schutz einer höchsten Gottheit zugleich aber in klarer eigener Erkenntnis siegreich abgeschlossen hat.34 Auch der Panegyriker hatte von den eigenen Überlegungen des Konstantin und der allem übergeordneten mens divina gesprochen. Im Bildprogramm des Bogens sind Diana und Apollo erkennbar, denen verschiedene Kaiser, darunter auch Konstantin, opfern. Solare und pagane Darstellungen des Sonnengottes, der Viktoria und des Mars schmücken die Feldzeichen der Soldaten. Victoria fährt mit dem Sonnenwagen in den Himmel. Ikonographie und Text präsentieren eindeutig die Politik Konstantins und seines Mitaugustus Licinius in der ihr eigenen antiken Verbindung mit den paganen Göttern und entsprechenden religiösen Vorstellungen.35
5. Der Bericht des Lactantius
In etwa zeitgleich 314/315 dürfte der Bericht des christlichen Rhetoriklehrers Laktanz, des späteren Erziehers der Söhne Konstantins am Hof in Trier, über die Schlacht an der milvischen Brücke entstanden sein. Auch er war bei den Ereignissen nicht zugegen. Er beschäftigt sich mit ihnen im Rahmen seiner Schrift : „Über die Todesarten der Verfolger“ de mortibus persecutorum. Der Titel ist zugleich Programm. Laktanz ist der erste, der von einem Traum des Kaisers berichtet. Bei ihm ist folgendes zu lesen : Aufgefordert wurde da im Schlafe Konstantin, das himmlische Zeichen Gottes (caeleste signum dei) auf die Schilde setzen zu lassen und so in den Kampf zu ziehen. Er verfuhr wie befohlen, und indem er den Buchstaben X umlegte, und seine Spitze umbog, setzt er Christi Zeichen auf die Schilde (Christum in scutis notat). Mit diesem Symbol gewappnet (quo signo armatus), greift das Heer zu den Waffen. Entgegen rückt ihm der Feind ohne seinen Oberbefehlshaber und überquert die Brücke. … mit ganzer Kraft kämpft man auf beiden Seiten, und Flucht kennen weder die einen noch die anderen. Es kommt in der Stadt zu Unruhen, man beschimpft den Feldherrn als Verräter an der Rettung
34 ILS 694 = Grünewald Nr. 239 : Imp(eratori) Caes(ari) Fl(avio) Constantino maximo / p(io) f(elici) Augusto s(enatus) p(opulus)q(ue) R(omanus) / quod instinctu divinitatis mentis / magnitudine cum exercitu suo / tam de tyranno quam de omni eius / factione uno tempore iustis / rem publicam ultus est armis / arcum triumphis insignem dicavit 35 S.o. Pan. Lat. 12 [9] 2,4–5 s. o. Text zu Anm. 21.
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des Staates (desertor salutis publicae). Da schreit plötzlich das Volk – Zirkusspiele veranstaltete er nämlich an seinem Geburtstag – wie mit einer Stimme, Konstantin könne nicht besiegt werden (Constantinum vinci non posse). … In den Sibyllinischen Büchern fand man, an jenem Tag werde der Feind der Römer (hostem Romanorum) zugrunde gehen. Diese Antwort erweckt in ihm (scil. Maxentius) die Hoffnung auf den Sieg (spem victoriae) ; deshalb rückt er aus und zieht in die Schlacht. Die Brücke wird hinter ihm abgerissen. Bei seinem Erscheinen wird der Kampf blutiger, und die Hand Gottes lag über dem Schlachtfeld (manus dei superat aciei). Das Heer des Maxentius gerät in Panik, er selbst wendet sich zur Flucht, eilt auf die Brücke zu, die unterbrochen war, und wird, von der Masse der Flüchtenden gedrängt, in den Tiber gestoßen.36
Ähnlich wie Eusebius reklamiert Laktanz gegen alle paganen Berichte und die offizielle Propaganda auf Münzen, Inschriften und Bildwerken, den Gott der Christen als Schutzgott für Konstantin. Er übertrifft das bei Eusebius überlieferte Gebet sogar mit einer göttlichen Traumerscheinung, die differenzierte Anweisungen für ein siegbringendes Zeichen und seine Verwendung in der Schlacht enthält. Woher weiß Laktanz von Traum und Inhalt ? Im Umfeld dieses Berichtes taucht 315 die erste Darstellung des Christogramms am Helm des Kaisers auf der Silbermünze von Ticinum auf. Allerdings ist die Aussage der Münze nicht eindeutig. Das Christogramm am Helm unterscheidet sich von dem Staurogramm, das laut Laktanz auf den Schilden montiert werden sollte. Der Kaiser, bei dem die Münzhoheit liegt, knüpft in der Prägung ansonsten an den besiegten Maxentius an : die Wölfin mit Romulus und Remus ist auf seinem Schild dargestellt, Symbol für Rom, das der Kaiser befreit hat. Auf der Rückseite wird er, umgeben von seinen Soldaten, von der Göttin Victoria bekränzt, eine traditionelle Ikonographie. Da mittlerweile auch die Datierung der Münze umstritten ist, ist es wahrscheinlich besser, sie nicht unmittelbar mit der Erzählung des Laktanz zu verknüpfen.37 Laktanz’ Darstellung könnte eine Reaktion auf den gallischen Panegyriker von 313 und vor allem auf den konstantinischen Ehrenbogen vom Jahr 315 sein. Denn sowohl die umgearbeiteten Spolien aus hadrianischer Zeit wie die neuen Darstellungen enthalten nur solare Elemente. Dennoch macht man es sich mit einer solchen Bewertung des laktanzischen Berichtes zu leicht.38 36 Lact. Mort. Pers. 44,5–6. 8–9. Deutsche Übersetzung : A. Städele, Laktanz de mortibus Persecutorum. Die Todesarten der Verfolger, (Fontes Christiani 43) Turnhout 2003, Zitat : 201, 203, 205. 37 Zur Neudatierung und Interpretation des Silbermedaillon von Ticinum, s. Lenski (2018) 251–295. Zum Silbermedaillon s. die Abb. 8 im Beitrag Girardet in diesem Band. 38 Eine minutiöse christliche Interpretation, die einen „zum Christentum bekehrten“ Konstantin voraussetzt, findet sich bei M.G. Girardet in vielen Aufsätzen, ganz verdichtet jedoch in seinem Buch :
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Beginnen wir deshalb zuerst mit der Gegenseite, mit Maxentius. Er passt absolut nicht in das System der laktanzischen Schrift. Er ist kein Christenverfolger, und deswegen kann sein Tod keine Strafe Gottes sein. Er wird nicht als Tyrann geschildert, nicht als unfähiger Stratege, sein Heer ist genauso groß, stark und kampfbereit wie das des Konstantin. Von seinem machtgierigen Vater Maximianus ist er hintergangen worden und dennoch will er seinen Tod im Bürgerkrieg rächen. Eventuell hat Maxentius diplomatische Beziehungen zu Maximinus Daja, dem Christenverfolger. Das könnte man ihm vorwerfen. Allerdings ist dieser Kontakt nicht gesichert. Aber auch Konstantin hat den Christenverfolger Maximinus Daja als Augustus Maximus anerkannt, der er laut tetrarchischem System auch war, und seinen vom Senat ihm übertragenen ersten Rang zurückgestellt. Wie lässt sich ein solcher Machtkampf zweier Kaisersöhne nun als gerechter Krieg und Sieg des Konstantin darstellen ?39 Der Traum böte eine Lösung auf transzendentaler Ebene : „Wenn gute Kaiser träumen, wird ihnen Erfolg verheißen.“40 Laktanz, der den jungen Konstantin in Nikomedien am Hof des Diokletian kennengelernt hat, der die Christenverfolgung im Osten des Reiches überlebt hat und nun seit einiger Zeit als Erzieher am Hof in Trier weilt, kann alle seine Informationen nur dort erhalten haben. Ob Laktanz der Erfinder dieses Traumes ist, ob er einen Traum, den der Kaiser ihm erzählt hat, christlich um- oder ausgestaltet hat, wir wissen es nicht. Wenn die Hand Gottes über dem Schlachtfeld ruht, dann ist das ein ähnlicher Eingriff in das Kampfgeschehen, wie der beim Panegyriker von 313 oder auf der Ehreninschrift von 315 geschilderte durch eine göttliche Macht, heiße sie mens divina, numen divinum, Apoll oder Sol invictus. Durch das Zeichen, das Laktanz beschreibt, erfolgt bei ihm eine klare Zuordnung zum Gott der Christen. Für Konstantin allerdings ist dieses Zeichen, wie auf dem Silbermedaillon und in vielen anderen Zusammenhängen zu sehen ist, durchaus mit Viktoria, Romulus und Remus oder dem Sonnengott kombinierbar.41
Der Kaiser und sein Gott. Das Christentum im Denken und in der Religionspolitik Konstantins des Grossen, Berlin 2010, vor allem 72–88. Zu den einzelnen Bestandteilen des Ehrenbogens s. Barceló (1991/2) 145–156 u. Lit. in Anm.33. 39 Zu Maxentius bei Laktanz s. Städele (2003) 59–61 ; Leppin (2007) 27–28. 40 Demandt (2006) 49–50 ist davon überzeugt, dass Konstantin dem Laktanz seinen Traum erzählt hat. Zum wohl fiktiven Traum des Maxentius beim Panegyriker s. o. Anm. 24.25. 41 Zum Christogramm, das außer auf dem Silbermedaillon auch auf kaiserlichen Helmspangen ab 319 auftaucht und christliche Interpretationsmöglichkeiten neben bestehenden anderen eröffnet s. Wienand (2012) 265–271.
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6. Die Lobrede des Nazarius
Der letzte pagane Panegyrikos, der auf die Schlacht an der milvischen Brücke eingeht, stammt von dem gallischen Rhetor Nazarius, der 321 zum Quinquennium der beiden Söhne Konstantins, Crispus und Constantinus II., zum Quindecennium von Konstantin selbst sowie zum zehnjährigen Gedenken an die spektakuläre Befreiung Roms vom „Tyrannen“ seine Rede in der urbs Roma, wahrscheinlich in Abwesenheit der gefeierten Persönlichkeiten, hält.42 Ich bringe eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Passagen : 6 (4)… „Du hast, o höchster Kaiser, einen Krieg geführt, den dir nicht weniger die Ehre dieser Stadt auferlegt als ihn dir die Sorge ihretwegen angeraten hat … 7 (3) Denn auf uns blickt vom hohen Himmel her als Schiedsrichter der Dinge Gott (rerum arbiter deus) (4) Jene Macht also, jene göttliche Erhabenheit (maiestas), die Recht und Unrecht scheidet … sie hat deine Liebe beschützt (pietatem tuam texit), sie hat den verbrecherischen Wahn jenes Tyrannen (nefariam illius tyranni amentiam) zerbrochen, sie hat dein unbesiegtes Heer (invictum exercitum) … mit solchen Kräften unterstützt, wie sie nur ein Gott (deus) verleihen konnte… 13 (5) Und jene Gottheit, deren Gewohnheit es ja ist, deinen Unternehmungen förderlich zur Seite zu stehen (illa divinitas obsecundare coeptis tuis), hat sich dir auch in diesem Fall nicht widersetzt ; doch etwas hat sie dir nicht nach Wunsch verliehen, um entsprechend deinen Verdiensten ein größeres Ziel anzugehen : die Verweigerung des Einvernehmens galt ja dem, für den der Sieg bereitet war. 14 (1) Schließlich geht in allen gallischen Ländern die Rede : Es seien Heere gesehen worden, die offen verkündeten, sie seien von göttlicher Seite entsandt (divinitus missos). (2) Und obgleich himmlische Wesen (caelestia) den Menschen gewöhnlich nicht zu Gesicht kommen … ließen es deine Helfer (auxiliatores tui) dort dennoch zu, dass man sie sehen und vernehmen konnte … (4) so klang ihre eigene Rede … „Konstantin suchen wir, Konstantin kommen wir zur Hilfe !“ (6) Ihr Führer war, so glaube ich (credo), dein Vater Constantius, der für irdische Triumphe dir, dem Überlegenen, seinen Platz geräumt hatte und der, nunmehr in den Rang der Götter erhoben, Feldzüge göttlicher Dimensionen unternahm. … 28 (1) Denn wir dürfen nicht annehmen, es sei durch Zufall oder aus Zuversicht geschehen, dass er (scil. Maxentius) sogar von sich aus das Heer gegen denjenigen ins Feld führte, vor dessen
42 S. B. Müller-Rettig, Panegyrici Latini, Lobreden auf römische Kaiser, Einleitung, Übersetzung, Kommentar, Bd. II, Darmstadt 2014, 187/188. Nazarius, der aus Bordeaux stammt, scheint sich nicht nur in Gallien, sondern auch bevorzugt in Rom aufgehalten zu haben, wo er in den römischen Senat von Konstantin aufgenommen wurde. Allerdings zweifelt Badel (2016) 196 an seiner Herkunft aus Bordeaux, weil er nie einen Stuhl als Rhetorikprofessor dort innehatte, sondern nur in Rom.
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waffenklirrenden Heranrücken er bereits in heftiges Entsetzen (metu) geriet, hätte nicht eine feindlicher gesinnte Gottheit (infestior deus) und die nun gekommene Stunde seines Unterganges seinen Sinn … dazu angetrieben ; denn gerade die Art und Weise, wie er sein Heer verteilte, zeigte, dass sein Geist zerrüttet (mente perdita) und sein planendes Denkvermögen in Verwirrung war, da er einen solchen Platz für den Kampf auserwählte, dass ihm die Flucht abgeschnitten war und so den Tod als unausweichliches Ende auferlegte.43
Die Rede lässt sich als Reaktion auf Laktanz lesen, dessen Traumerzählung der Rhetor aus Bordeaux sicher kannte. Er setzt dagegen eine Vision von Geisterheeren, die über Gallien von den Menschen dort eindeutig gehört und gesehen wurden und wahrscheinlich – da ist er sich nicht ganz so sicher – von dem Divus Constantius Chlorus angeführt wurden. Die Vision der göttlichen Heere ist für Nazarius real. Sie stehen als Helfer neben dem Kaiser, der, strategisch erfahren, Sieg, Frieden und Wohlstand stiftet als conservator Romae. Allerdings spricht er auch von einem deus arbiter, einem höchsten göttlichen Schiedsrichter, der mit Konstantin in engster Verbindung steht, ihn stets geschützt hat, ihm aber auch überlegen ist, indem er ihn zur Befreiung Roms zwingt. Die geistige Zerrüttung des Maxentius (mens perdita, amentia), die sich in Wahnvorstellungen und einer völlig widersinnigen Schlachtordnung geoffenbart hat, ist dem Redner zufolge von einer feindlich gesinnten, bedrohlich wirkenden Gottheit (deus infestior) ausgelöst worden. Er spricht hier nicht mehr von schlechten Träumen, die sein gallischer Kollege noch 313 bemüht hatte, sondern von einer von außen gesteuerten Sinnesverwirrung, der Maxentius nicht entkommen konnte und die ihn zu Größenwahn und falscher Selbsteinschätzung verführte. Entfernt wird man an die Altersdemenz seines Vaters erinnert. Beide göttlich gesteuerten Geistesverwirrungen verhelfen Konstantin zum Sieg in einem ihm jeweils aufgezwungenen Bürgerkrieg. Perfekter lässt sich Propaganda zur eigenen Entlastung nicht einsetzen.44
7. Die Vita Constantini des Eusebius
Der letzte zeitgenössische Bericht ist der interessanteste und am weitesten ausgestaltete. Er stammt von Eusebius und unterscheidet sich grundlegend von seinen 43 Pan. Lat. 4 (10), übers. Müller-Rettig (2014) 17, 19, 27,45. 44 Barbero (2016) 59–67, der die Ähnlichkeiten zwischen dem Panegyriker und den christlichen Quellen, vor allem Laktanz, mehr als die Abwehrhaltung und Konkurrenzsituation betont. Vgl. auch den Wahnsinn des Licinius in seinen späteren Jahren Eus. hist.eccl. 10,8,14 und s. o. Anm.28.
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früheren Ausführungen in der Kirchengeschichte. Dabei beruft sich der Kirchenvater selbst auf die Autorschaft des Kaisers bei seiner kombinierten Visions- und Traumerzählung, die er in der Vita Constantini, einer Art christlichen Panegyrikos, dargelegt hat. Er schreibt denn auch fast entschuldigend : Und während der Kaiser darum bat und inständig flehte, da erschien ihm ein wunderbares von Gott gesandtes Zeichen, an das man wohl kaum geglaubt hätte, hätte es ein anderer erzählt. Da es aber der siegreiche Kaiser uns lange Zeiten später, als wir die Schrift abfassten, verkündete, als wir für würdig erachtet worden waren, ihn kennenzulernen und mit ihm zusammentreffen zu dürfen, und er seinen Bericht auch noch durch Eide verbürgte, wer könnte da zögern, dem Bericht zu glauben ?45
Es ist sehr gut möglich, dass Eusebius noch zu Lebzeiten des Kaisers mit der Niederschrift der Vita, sicher aber mit der Recherche dafür begonnen hat. Eusebius hat den Kaiser erstmals im Umfeld des Konzils von Nicaea 325 genauer kennengelernt. Beide waren voneinander beeindruckt. Der Kaiser selbst hat Eusebius von der Vision und seiner Ausdeutung im Traum erzählt. Das geschah wahrscheinlich zwei bis drei Jahrzehnte nach dem eigentlichen Ereignis. Wir können Eusebius glauben, dass es sich um eine offizielle Erzählung des Kaisers und nicht um eine Erfindung seiner Umgebung oder gar des Kirchenvaters selbst handelt. Unterschwellig nämlich deutet Eusebius ein gewisses Unbehagen und seine Zweifel an dem Bericht an. Veröffentlicht wurde die Vita erst nach dem Tod des Kaisers zwischen 338 und 340.46 Nach dieser Entschuldigung fährt der Biograph wie folgt fort : Um die mittäglichen Stunden der Sonne, als sich der Tag bereits neigte, habe er mit eigenen Augen gesehen, wie er sagte, dass am Himmel das Siegeszeichen des Kreuzes, das aus Licht bestand, die Sonne überlagerte, und damit sei ein Schriftzug verknüpft gewesen : ‚Durch dieses siege !‘ Staunen habe ihn über das Schauspiel da ergriffen ebenso wie das ganze Heer, das ihm, als er irgendwohin aufbrach, nachfolgte und zum Zuschauer des Wunders wurde. Und so sagte er zu sich selbst, dass er ratlos sei, was die Erscheinung denn eigentlich bedeute. Er führte sich die Sache zu Gemüte und machte sich noch lange Gedanken darüber, als die Nacht über ihn hereinbrach. Da habe er im Schlaf 45 Eus. v. Constant. 1,28,1. Deutsche Übers.: Eusebius von Caesarea, De Vita Constantini. Über das Leben Konstantins, eingeleitet v. B. Bleckmann, übers. u. komm. v. H. Schneider, Turnhout 2007, Zitat S.183. 46 Zur Vita s. Bleckmann (2007) 7–15.
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den Gesalbten Gottes (sc. Christus) mit dem Zeichen, das am Himmel erschienen war, gesehen und er habe ihm befohlen, eine Nachbildung des Zeichens, das er am Himmel gesehen hatte, anfertigen zu lassen und dieses als Abwehrmittel für die Gefechte mit den Feinden zu verwenden.47
Konstantin hatte am helllichten Tage, als die Sonne sich gegen Nachmittag senkte, eine Himmelserscheinung gesehen. Peter Weiß hat in differenzierter Weise die Erzählung des Eusebius auf ihre naturwissenschaftliche Haltbarkeit überprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich um ein sogenanntes Halophänomen gehandelt haben kann, ein für den modernen Menschen physikalisch erklärbares Naturphänomen,48 das sich der Kaiser allerdings nicht erklären konnte. Die Bedeutung der Lichterscheinung wurde Konstantin, den dieses Erlebnis nicht losließ, in der darauffolgenden Nacht in einem Traum offenbart. Dieser Traum stimmt nicht mit dem bei Laktanz überlieferten überein. Der Kaiser erhielt den Befehl zur Nachbildung einer christlichen Standarte, des Labarum, das fortan in allen Schlachten als siegreiches Zeichen vorangetragen werden sollte. Das Labarum lässt sich weder mit dem laktanzischen Staurogramm auf den Schilden der Soldaten noch mit dem Sieg an der Milvischen Brücke in Verbindung bringen. Auf der Fahne sind nämlich mehrere Söhne Konstantins abgebildet. Im Jahre 312 hatte es aber nur einen Sohn, nämlich Crispus, gegeben. Außerdem ist die Standarte erst ab 324 belegt und kommt gegen Licinius in Einsatz. Vor diesem Zeitpunkt hat der Kaiser dem Eusebius nicht von seiner Vision erzählt, eher einige Zeit später. Es scheint ein Anliegen des Kaisers gewesen zu sein, das Feldzeichen, das er zwischenzeitig hatte anfertigen lassen, auf göttliche Weisung zurückführen zu können und dadurch zu sakralisieren.49 Mit dem solaren Visionsbericht bei Eusebius, den ihm der Kaiser selbst erzählt hatte, kommen wir zurück in das Jahr 310, dem Jahr der Apollovision. Diese ist es gewesen, die Konstantins religiöses Bewusstsein beeinflusst hat, unter dem Schutz 47 Eus. v. Constant. 1,28,2–29, Zitat : Schneider (2007) 183/185 48 Weiß (2003). Er verbindet das Halo in der eusebianisch-konstantinischen Erzählung mit 310. S. hierzu Schlange-Schöningen (2014) 32–33. Vgl. auch Girardet (2010) 34–40, Long (2009) 227–236, Drake (2009). 49 Zur Frühdatierung des Labarum, gegen die Aussagen der Münzen s. Barbero (2016) 145–148. Vgl. auch Singor (2003), der in dem „heilbringenden Zeichen“, das die nicht erhaltene Ehrenstatue Konstantins in Rom in der Hand hielt, ein Vexillum und darin bereits die Vorwegnahme des christlichen Labarum sieht (speziell : 486/7). Ähnlich Haymann (2020) 80–84 ; s. o. Anm. 32. Zu den Münzen s. RIC 26 : Datierung 327/8 = Ehling Nr.156 : Datierung 324/5. Rosen (2013) 153–154 sowie zu Abb. 12 bezeichnet sie als älteste Darstellung des Labarum und datiert die Münzen auf 326/7.
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eines Gottes zu stehen. Aber die Lichterscheinung des Kreuzes stimmt nicht mit dem überein, was der Panegyriker von 310 berichtet. Ihm zufolge müsste Konstantin den Apoll in menschlicher Gestalt, ihm selbst ähnlich, sowie die drei Kränze gesehen haben. Allerdings weiß der gallische Redner nicht genau, ob der Kaiser wirklich den Apoll gesehen hat, die Kränze aber schon. Die Überlegungen zum Halophänomen könnten im Blick auf sie helfen. Außerdem ist wichtig, dass die Vision der Vita sich nicht vor Rom vollzogen hat, sondern auf einem früheren Feldzug. Das könnte u.U. für Gallien und 310 sprechen.
8. Zusammenfassende Auswertung
Machen wir eine kurze Zwischenbilanz. Gehen wir nochmals zum Anfang zurück : zum Erzählen von Visionen und Träumen und der Frage nach ihrer Deutung bzw. nach der Deutungshoheit. 310 : Apollovision : Konstantin oder einer aus seiner Umgebung in Trier erzählt sie dem Panegyriker. Da sie ganz prominent zum hohen Festtag im Beisein des Kaisers und seines Hofstaates vorgetragen wird, ist sie die offizielle Version und Propaganda, die der Kaiser von seinem Schutzgott, dem Apoll, der identisch mit dem Sol invictus ist, verbreiten will : Sieghaftigkeit, lange dynastische Regierungszeit und Weltherrschaft sind ihm vorausgesagt und gewährleistet. 313 : die Schreckensträume des Maxentius. Auch sie werden vom Panegyriker ganz offiziell in Trier im Beisein des Kaisers vorgetragen. Sie spiegeln die offizielle Propaganda von der Schwäche des Gegners und der Stärke des Schutzgottes, der Konstantin den Sieg verleiht. 315 : der Traum vom Christuszeichen in Form eines Staurogramms bei Laktanz. Wir wissen nicht, ob, wann und vor wem Laktanz seine Schrift „Über die Todesarten der Verfolger“ vorgelesen hat. Eine Traumerzählung am Hof in Trier, vom Kaiser oder seiner Umgebung verbreitet, kann von Laktanz christlich umgestaltet worden sein. Das Christogramm taucht am kaiserlichen Helm zwischen 315–319 auf, an der Standarte und auf Schilden erst in den 20er Jahren. Es gilt als Phylakterion, Schutz- und Siegeszeichen. 321 : die Vision der Geisterheere in Gallien, für deren Realität sich der Panegyriker Nazarius verbürgt. Sie unterstützen den Sieg, den kosmische Mächte im Zusammenwirken mit den kaiserlichen Truppen erzielen. Die Zuhörer in Rom waren der Senat und die Beamten. Der Kaiser und seine Familie waren abwesend. 338/340 : die solare Kreuzesvision und der Traum vom Labarum bei Eusebius in der Vita Constantini. Da der Kaiser selbst als Visionserzähler, sowie als Trau-
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merzähler und -ausdeuter garantiert ist, haben wir es hier mit offizieller Propaganda auf allerhöchster Ebene zu tun. Am Ende seines Lebens unterbreitet der Kaiser seinem Hoftheologen und Biographen, wie er als Augustus Victor im Verhältnis zu seinem Schutzgott gesehen werden will, welcher Art sein religiös-militärisch-politisches Selbstverständnis ist. Spätestens 324/325, als Konstantin seinen Titel änderte und zum Augustus Victor wurde – nach der Ausschaltung des Licinius war er der Sieger schlechthin –, verschwanden der Sonnengott und seine Symbole und sein Titel Invictus langsam von den Münzen und Inschriften.50 Erst von dieser Zeit an war sich Konstantin klar geworden, dass er die Himmelserscheinung in Grand auf den Christengott zurückführen wollte. Dieser war dem Sonnengott in seiner Erscheinung zum Verwechseln ähnlich. In seiner Herrscherideologie hielt Konstantin sein Leben lang an den solaren Elementen fest, die für ihn keinen Widerspruch mit dem Christentum darstellten. Denn die spätantike Religiosität verband verschiedene monotheistische Gottesvorstellungen problemlos miteinander.51 Die Verbindung der Vision mit dem Christentum vollzog sich nicht plötzlich, es gab keinen sogenannten Quantensprung,52 sondern sie verlief in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess, den man auch als eine fortschreitende Umorientierung bezeichnen kann. Dabei ist es nicht zwingend anzunehmen, dass seine christliche Umgebung ihn dazu überredet hätte, das Lichtzeichen mit dem Christengott zu verbinden. Im Gegenteil, Konstantin ist selbstständig zu diesen Erkenntnissen, die vor allem propagandistisch für seine Politik zu nutzen waren, gelangt, teils durch die politischen Ereignisse, teils durch genauere Kenntnisse im Umgang mit dem Christentum und vor allem seinen Bischöfen.53 Denn dass er das Christentum, seine Organisation, den Mut seiner Anhänger und die Integrität seiner Priesterschaft von seinem Aufenthalt im Osten (in Nikomedien) her 50 S. hierzu differenziert : Wienand (2012) 296–319, 329–335 : Abschied in Gold. 51 Rosen (2013) 78–88 ; s. auch Barceló (2016) 113–123, bes. 120–123. 52 Hierzu, bzw. zum Damaskuserlebnis Konstantins, als welches die ältere Forschung die „conversio“ vor Rom bezeichnete s. Brandt (2006) 53–59. S. den zusammenfassenden Forschungsüberblick bei Wallraff (2013) 53–71. Es wäre ein uferloses Unterfangen, einen nur annähernd vollständigen Forschungsbericht geben zu wollen. 53 Die Einflussnahme der Bischöfe auf Konstantin sollte man allerdings nicht zu früh ansetzen. Dass er die drei gallischen Bischöfe Maternus von Köln, Reticius von Autun und Marinus von Arles zur Schlichtung des Donatistenstreites nach Rom beordert, hängt mit deren zentraler Stellung in der kirchlichen Organisation in seinem Reichsgebiet zusammen, und dass die Donatisten gallische Richter, wenn auch nicht gerade Bischöfe, gefordert hatten. Zur fehlenden „Nachhaltigkeit“ der Verbindung zwischen Kaiser und gallischen Bischöfen und ihrer Beschränkung auf die Frühphase des Donatistenstreites s. Badel (2016) 189–190 ; vgl. Eck (2007) 69–94, bes. 76–82.
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kannte und wahrscheinlich auch davon beeindruckt war, darauf lassen seine ersten christenfreundlichen Maßnahmen in Gallien nach seiner Erhebung und in Rom nach seinem Sieg schließen. Der eigentliche Schlüssel für Konstantins frühere und spätere Politik (vor und nach 312) ist in der politischen Erkenntnis zu sehen, dass die Christen, auch wenn sie eine Minderheit im Reich darstellten, weder durch Verfolgungsmaßnahmen auszurotten waren, noch dass man sie weiterhin ignorieren konnte, als wären sie und ihre reichsweite Organisation nicht existent. Wenn man das Christenproblem lösen wollte, an dem seit Decius alle Kaiser gescheitert waren, dann musste man die Christen in Gesellschaft und Staat integrieren, und zwar nicht halbherzig und teilweise, sondern voll und ganz wie alle anderen Religionen und deren Anhänger im Römischen Reich. Um eine solche Politik durchführen zu können, bedurfte es einer entsprechenden Propaganda, mit der der Kaiser zunächst die Oberschicht, später auch die Massen ansprechen konnte. Vor allem was letztere betraf, konnte man sie über die Münzpropaganda erreichen, deren vielfältige Symbole das für den antiken Menschen selbstverständliche In- und Nebeneinander verschiedener Religionen sinnfällig deutlich machten. Dass seit 318 keine Billonmünzen mehr mit Sol invictus geprägt wurden, die zwischen 310 und 318 massenhaft ausgegeben wurden, hat nichts damit zu tun, dass Konstantin sich dem Christengott eindeutig zugewandt hätte, sondern mit der aus wirtschaftlichen Gründen notwendigen Münzreform.54 Das Ineinander von Sonnen- und Christussymbolik findet sich, um nochmals zur Oberschicht zurückzukehren, auch bei Eusebius. In seiner Festrede von 335 zum 30. Regierungsjubiläum des Kaisers vergleicht er diesen mit der Sonne, die ihre Strahlen, das sind hier die vier Caesaren, in die äußersten Winkel der Erde aussendet. Dadurch ist er überall im Reich präsent. In einem anderen Bild wird Konstantin als Sonnengott auf dem Sonnenwagen stehend gefasst. Er wird von vier Pferden, den vier Caesaren gezogen, die der Kaiser leitet.55 Eusebius trägt in der Festversammlung die vom Kaiser gewünschte Herrscher ideologie vor, in der Konstantin christusgleich und sonnengleich ist. Auf diesem Hintergrund ist es auch kaum entscheidbar, wann dem Kaiser der Sonnengott zum Christengott wurde, und wann er die Apollovision christlich uminterpretierte zu einer christlichen Vision, wie sie uns Eusebius in der Vita Constantini überliefert. Die Religiosität des Kaisers und seiner Zeitgenossen ist von einer synkretistischen Symbolik geprägt, die selbst für einen Kirchenmann wie Eusebius kaum auflösbar ist. Die Übergänge bleiben fließend. 54 Wienand (2012) 299–303 ; Walraff (2013) 92–94. 55 Eus. Laus Constantini 3. Drake (2009) 223–225.
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So mag es Konstantin im Rückblick auf sein Leben erschienen sein, dass er nie den Schutzgott gewechselt hat. Die ihm in Grand prophezeite Weltherrschaft hat er in den Siegen von 312 und 324 mit solaren und christlichen Zeichen errungen, die zu seinen eigenen Symbolen wurden : die Strahlenkrone des Siegers, des Victor, die später zum Nimbus wurde, mit dem auch Christus erscheint, das Christogramm am Helm und auf der Standarte, dem Labarum. Die ihm geweissagte Ewigkeit seiner Herrschaft sehen sowohl Eusebius wie die Panegyriker in seiner Dynastie, in seinen Nachfahren verankert. Dass diese sich dem christlichen Ausschließlichkeitsanspruch beugten, was nicht ohne Auswirkung auf die spätere Bewertung Konstantins geblieben ist und sein Bild verfälscht hat,56 ist eine andere Geschichte und nicht mehr Gegenstand dieses Beitrages.
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56 Wallraff (2013) 165–184, speziell 179–184.
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Klaus M. Girardet (Universität des Saarlandes)
Ein Standbild Konstantins d. Gr. in Rom mit signum und Inschrift Zusammenfassung : Der Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea hat an zwei Stellen seines Werkes eine kurz nach dem Sieg über Maxentius am 28. Oktober 312 mitten in Rom vom Senat errichtete Konstantinstatue beschrieben. Sie war nach seinen Angaben mit einem Feldzeichen ausgestattet, und sie trug eine Inschrift, die das Feldzeichen erklärte. In der ‚Kirchengeschichte‘ (HE IX 9, 9-11) berichtet der Autor darüber ein erstes Mal, dann, sehr viel später, ein zweites Mal in seiner ‚Vita Constantini‘ (VC I 40). Um dieses Standbild, um das Objekt in der Hand des Kaisers und um das Verständnis der Aussagen der Inschrift geht es in den folgenden Überlegungen. Kann man den Berichten des Eusebius über die Statue historisch glaubwürdige Informationen abgewinnen ? Hat es das Monument überhaupt gegeben ? Sagt die Inschrift etwas über die religiöse Option Konstantins ? Auf diese Fragen bietet der Aufsatz auf breiter Quellengrundlage positive Antworten an. Abstract : The church historian Eusebius of Caesarea described in two places in his work a statue of Constantine erected by the Senate in the middle of Rome shortly after the victory over Maxentius on 28 October 312. According to him, it was equipped with a field sign, and it bore an inscription explaining the field sign. In the ‘Ecclesiastical History’ (HE IX 9, 9-11) the author reports about it a first time, then, much later, a second time in his ‘Vita Constantini’ (VC I 40). This statue, the object in the emperor’s hand and the understanding of the inscription’s statements are the subject of the following considerations. Is it possible to extract historically credible information from Eusebius’ reports about the statue ? Did the monument even exist ? Does the inscription say anything about Constantine’s religious option ? The essay offers positive answers to these questions on a broad source basis.
1. Einleitung
Der Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea hat an zwei Stellen seines umfangreichen Werkes eine mitten in Rom vom Senat errichtete Konstantinstatue be-
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schrieben. Sie war nach seinen Angaben mit einem τρόπαιον, einem σημεῖον, einem signum, d. h. einem Feldzeichen in der rechten Hand ausgestattet, und sie trug eine, wohl auf dem Sockel angebrachte, von Eusebius aus dem Lateinischen ins Griechische übersetzte Inschrift. In der ‚Kirchengeschichte‘ (HE IX 9, 9-11) berichtet der Autor darüber ein erstes Mal, dann, sehr viel später, ein zweites Mal in seiner ‚Vita Constantini‘ (VC I 40). In anderen seiner Werke finden sich zwei kürzere Hinweise auf Statue, ‚Zeichen‘ und Inschrift.1 Um dieses Standbild, um das Objekt in der Hand des Kaisers und um das Verständnis der Aussagen der Inschrift geht es in den folgenden Überlegungen. Kann man den Berichten des Eusebius über die Statue historisch glaubwürdige Informationen abgewinnen ? Hat es das Monument überhaupt gegeben ? Wann soll es errichtet worden sein ? Wie kann es ausgesehen haben ? Existiert es heute noch ? Was sagt es über die religiöse Option Konstantins ? Bei meinem Versuch, diese Fragen zu beantworten, halte ich mich an den bewährten Grundsatz, dass eine Aussage der Quellen so lange als zutreffend angesehen werden darf, wie sie nicht falsifiziert ist. Ich betone das deshalb, weil in der Forschung immer noch und immer wieder undifferenziert die Meinung vertreten wird,2 gerade was Konstantin als ersten christlichen Kaiser betrifft sei Eusebius unzuverlässig und häufig unglaubwürdig.3
2. Eusebius, HE IX 9, 9-11
In der 2. Auflage seiner ‚Kirchengeschichte‘ (HE) vom Jahr 315 (317 ? 319 ?)4 hat Eusebius, anders als später in seiner ‚Vita Constantini‘ von ca. 337 bis 339, über die Abkehr des Kaisers vom Paganismus und sein Christwerden kein Wort verloren.5 Das bedeutet natürlich nicht, dass er, als er die genannte Auflage der HE schrieb, 1 Eus. HE X 4,16 (Tyrosrede des Eusebius von ca. 314 : Inschriften) ; LC IX 8 (Tricennatsrede von 336 : Statue, ‚Zeichen‘, Inschrift, aber ohne Text). Zur Tyrosrede siehe Amerise (2008) passim. 2 Vgl. den Überblick von Vogt (1955/1974) 358–361 ; Wallace-Hadrill (1992) 539, 541 f. 3 Vgl. demgegenüber die ausgezeichnete Studie von Timpe (1998) 171–204. Hier u. a. auch der Hinweis auf den „oft vernehmbaren Ton gönnerhafter Herablassung und nachsichtiger Mißbilligung gegenüber Eusebius“ (200 Anm. 5). Zur HE : Barnes (1981) 140–147 ; Winkelmann (1991) 58– 68. – Zum Quellenwert der ‚vita Constantini‘ : Winkelmann (1991) 146–156 ; Cameron u. Hall (1999) 34–39, 46–48 ; Bleckmann (2007b) 7–11. 4 Über die Auflagen und ihre Datierung hat die Forschung bisher keine Einigkeit erzielen können. Siehe nur Barnes (1980) 191–201 : 2. Auflage ca. 315, bes. 201 (tabellarische Übersicht über die Ergebnisse des Aufsatzes) ; Thümmel (2000) 105–145 : für ca. 319, bes. 126 f. (Tabelle mit den unterschiedlichen Editionsangaben der Forschung). 5 Vgl. aber HE VIII 13,14 : Konstantin als Nachahmer seines christenfreundlichen Vaters Konstan-
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noch nichts davon gewusst hat und dass Konstantin zu dieser frühen Zeit noch kein Christ gewesen sein kann.6 Der Kirchenhistoriker begnügt sich hier damit zu schreiben, dass der Kaiser – und das ist mit Blick auf Weiteres wichtig – vor (HE IX 9, 2 : πρότερον) und nicht nach Beginn des Kampfes um die Macht gegen den in Rom residierenden ‚Tyrannen‘7 Maxentius oder vor der Schlacht bei Rom oder gar erst unmittelbar vor dem Sieg an der Milvischen Brücke Christus, den Retter aller, im Gebet um Hilfe im geplanten Krieg angefleht hat. Er betrachtete ihn also zu diesem Zeitpunkt – ob zu Recht oder Unrecht, sei vorerst dahingestellt – als einen frommen Christen.8 Da der mit dem Sieg am 28. Oktober 312 endende Feldzug von paganen Quellen als eine annua expeditio bezeichnet worden ist, gehört das Hilfeersuchen des Kaisers in die Zeit früher als zwölf Monate vor Schlacht und Sieg,9 also vor den Herbst 311. Auf welche Weise die Kampfgenossenschaft (a.a.O. 1 und 3 : συμμαχία) mit dem Christengott nach dem kaiserlichen Gebet zustande gekommen ist, sagt der Autor nicht ; doch das beweist nicht, dass ihm dies noch unbekannt gewesen wäre ; er schrieb ja eine ‚Kirchengeschichte‘, keine Geschichte Konstantins. Hier bleibt also aus heutiger Sicht eine Leerstelle, auf die ich noch zurückkommen werde.10 – Im Vertrauen auf den göttlichen Kampfgenossen, so Eusebius weiter, habe Konstantin dann Italien erobert, und als der Christengott ihm auch beim Erobern der Stadt Rom beistand und ihm die nötige Kampfkraft verlieh (5 : ἐκ θεοῦ δύναμις), habe er Maxentius schließlich besiegt (3-5). Mehrfach wird sodann Gottes Hilfe betont (6-8), so dass dieser schließlich geradezu als der ‚Urheber‘ von Konstantins Sieg bezeichnet werden konnte (9 : τῆς νίκης αἴτιος θεός). Warum der Kaiser sich, anders als Maxentius, nicht den traditionellen Göttern, sondern dem Gott der Christen als Schlachtenhelfer anvertraut hatte, wird hier ebenfalls nicht angegeben ; erst in der ‚vita Constantini‘ schreibt Eusebius darüber.11 Am 29. Oktober 312 zog Konstantin zur Siegesfeier in die Stadt Rom ein.12 Über einen beim feierlichen ingressus/adventus eines Kaisers selbstverständlitius I.; dazu auch IX 9,1 ; Eus. VC I 13,2 ; 17,2 f. (Konstantius für einen höchsten Gott, gegen die ‚Polytheï‘) ; 27,2 f. – Bleckmann (2007b) 53 f. 6 Siehe jedoch Brandt (2016) 155 f.: das Nichterwähnen von ‚Vision‘ (312) und Labarum in HE IX sei „ein gewichtiges Argument gegen … Frühdatierungen“. – Vgl. auch Singor (2003) 482. 7 Grünewald (1990) 64–71. 8 Vgl. HE IX 9,1. – Schultze (1885) 347. 9 Paneg. Lat. (ed. Galletier) IX/12 (313),21,5 ; Eutr. brev. X 4,3 : Girardet (2010) 46. Wienand (2012) 252 f. Anm. 216 hält die Angaben der beiden Quellen für „sehr unsicher“. 10 S.u. Kap. 5. 11 S.u. Kap. 5. 12 Brandt (2016) 168 : Konstantin „zelebriert nicht etwa den Sieg eines vom Christengott begnadeten Herrschers über einen verstockten, gottverlassenen Heiden“. Warum hätte er das Gegenteil denn
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chen Gang zum Kapitol, der vor dem Jupitertempel mit einem Dankopfer an den höchsten Staatsgott endete, erfährt man bei Eusebius nichts. Doch der Kirchenhistoriker hat dies nicht ‚verschwiegen‘ : dem paganen Panegyricus des Jahres 313 kann man entnehmen, dass kein Gang zum Kapitol stattgefunden hat.13 Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass Konstantin sich von den traditionellen Göttern abgewendet hatte.14 Über den Einzug in Rom schreibt Eusebius :15 Senat und Volk hätten den Kaiser als Befreier (λυτρωτής),16 Retter (σωτήρ), Wohltäter (εὐεργέτης) akklamiert ; dieser habe die Lobeshymnen jedoch zurückgewiesen. Da er sich der Hilfe des Gottes der Christen bewusst gewesen sei, habe er sogleich, also noch 312/313 oder nur wenig später, einem auf Grund eines Senatsbeschlusses ihn selbst darstellenden Standbild das – so wörtlich – „Siegeszeichen des heilbringenden Leidens“, das „rettungbringende Zeichen“ (HE IX 9, 10 : τοῦ σωτηρίου τρόπαιον πάθους, σωτήριον σημεῖον) in die rechte Hand geben lassen. Von diesem Tropaion, diesem besonderen ‚Zeichen‘, ist hier im Zusammenhang mit Konstantin zum ersten Mal die Rede. Gemeint ist damit unbezweifelbar ein Kreuz, aus der Sicht des Eusebius das Kreuz Christi,17 auch wenn das Wort Kreuz hier noch nicht vorkommt.18 Eusebius ging somit unausgesprochen und wie selbstverständlich davon aus, dass der Kaiser irgendwann vor dem Krieg und vor dem Sieg auf welche Weise auch immer zum Christen geworden war und er deshalb nicht nur Christus als Kampfgenossen angerufen, sondern auch das kreuzförmige Zeichen zu seinem signum, zu seiner den Sieg verheißenden Feldstandarte gemacht hatte. Über den Zeitpunkt der Schaffung, über die Herkunft und das Aussehen des Kreuz-Zeichens, dessen Existenz hier aber in jedem Falle bereits vorausgesetzt ist, schreibt Eusebius erst fast zweieinhalb Jahrzehnte später in seiner ‚Vita Constantini‘ (s. u. Kap. 4 und 5). tun sollen ? Ist das Unterlassen einer solchen Demonstration etwa ein Zeichen dafür, dass er kein Christ war ? Ich halte das schon deshalb für verfehlt, weil Maxentius kein Christenverfolger und der Krieg kein Religionskrieg war. Siehe auch Lippold (1992) 5 f. 13 Paneg. Lat. IX/12 (313),19,3. Darüber Girardet (2007) 64–68 ; Girardet (2010) 76–79. 14 Siehe auch Alföldi (1932) zu einer in dieser Hinsicht auffälligen Münzserie von 312/313, zit. unten in Anm. 47. 15 HE IX 9,9 f. 16 Vgl. die Inschrift am Konstantinbogen : ILS 694 (liberatori urbis). Dann auch z. B. ILS 687 (restitutori publicae libertatis) ; 689 (reddita libertate). 17 Siehe jedoch Bruun (1997) 57 ; Weber (2000) 285 Anm. 233 : „Unklar ist, was Eusebios mit dem Kreuz in der Hand der Statue gemeint hat“. 18 Vgl. Sulzberger (1925) 411–419 zu Eus. HE IX 9,10/VC I 40, zum Kreuzzeichen allgemein, auch zu Konstantin ; Baynes (1972) 62 f.; Bardill (2012) 174 f. – Zu Textproblemen an der zitierten Stelle (eine Handschriftengruppe fügt das Wort ‚Kreuz‘ ein) siehe Winkelmann (2004) 63–67, bes. 66.
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Das Standbild mit dem ‚Rettungszeichen‘ sei dann, so Eusebius weiter, auf Roms belebtestem Platz, wohl dem Forum, aufgestellt worden,19 und auf des Kaisers Anordnung hin wurde eine Inschrift mit folgendem, von Eusebius (oder einem seiner Mitarbeiter) ins Griechische übersetztem Wortlaut angebracht (10 f.) : (11) Durch dieses rettungbringende Zeichen (τούτῳ τῷ σωτηριώδει σημείῳ), den wahren Erweis der Tapferkeit, habe ich eure Stadt vom Joch des Tyrannen errettet und befreit und überdies dem Senat und Volk von Rom durch die Befreiungstat das alte ruhmreiche Ansehen und die alte Ehre wiedergegeben.
Woher, auf welchem Weg und durch wen der Bischof von Caesarea, der Metropole von Palaestina am Ostrand des Mittelmeers, die Information über Konstantins Sieg bei Rom wie auch über die römische Statue mit dem ‚Zeichen‘ und dem Inschrifttext erlangt hatte, lässt sich nur vermuten. Wahrscheinlich spielte hier die traditionell rege Korrespondenz der christlichen Bischöfe untereinander eine wichtige Rolle.20 Möglicherweise ist der eusebianische Inschrifttext aber nicht ganz authentisch.21 Denn da die Statue im Namen von Senat und Volk von Rom errichtet worden ist, wirkt es befremdlich, wenn der Kaiser durch den zitierten Wortlaut sich gleichsam selbst („habe ich“) als Stifter der Statue ausgegeben haben sollte. Darum vermute ich, es hat ursprünglich nicht „… habe ich eure Stadt“ etc. geheißen, sondern „… hat er seine Stadt“22 vom Joch des Tyrannen befreit. Dass Rom als ‚seine Stadt‘ bezeichnet werden konnte, ist z. B. durch Münzlegenden oft belegt.23 Da die Statue mit dem kreuzartigen ‚Zeichen‘ und der Inschrift in Rom für jedermann sichtbar war, darf man davon ausgehen, dass das Monument von Eusebius nicht ‚erfunden‘ oder verfälschend interpretiert24 worden ist und dass es früher als die ca. 315 erschienene 2. Auflage seiner ‚Kirchengeschichte‘, ja noch vor seiner in dieser Auflage wiedergegebenen, 314 gehaltenen Kirchweihrede von Tyros errichtet worden war.25 Die besprochenen Angaben entsprachen der historischen Wirklichkeit. 19 Vgl. Aur. Vict. 40,28 : statuae locis quam celeberrimis, quarum plures ex auro aut argenteae sunt. 20 Vgl. Sotinel (2014). – Anders van Dam (2017) 63 f.: für eine stadtrömisch-nichtchristliche Quelle, ‚Christianisierung‘ der paganen Information durch Eusebius. 21 Siehe die Bedenken von Grünewald (1990) 70 f.; Thümmel (2000) 177 f.; Bleckmann (2015) 316 f.: die Inschrift sei nur teilweise authentisch. 22 Rufinus in HE IX 9,11 : urbem Romam. Kontext unten in Kap. 6. 23 Z.B. Konstantin als conservator urbis suae : RIC VI Ticinum Nr. 91–95. Als liberator urbis suae : RIC VI Rom Nr. 303, 304 ; Nr. 312 : restitutor urbis suae. 24 S.u. Anm.64. 25 In der Rede hatte er kurz darauf hingewiesen ; s. o. Anm. 1.
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Mit ähnlichen Worten wie in der ‚Kirchengeschichte‘ heißt es viel später, wohl um 339, auch in der ‚Vita Constantini‘ (VC I 40),26 der Kaiser habe direkt nach dem Sieg über Maxentius einem ihn darstellenden Standbild (εἰκὼν ἐν ἀνδριάντι) das Rettungs- und Siegeszeichen (τὸ σωτήριον σημεῖον als μέγα τρόπαιον) – gestaltet als „große Lanze in der Form eines Kreuzes“ (ὑψηλὸν δόρυ σταυροῦ σχήματι) – in die rechte Hand geben lassen. Bei der Beschreibung des ‚Zeichens‘ fällt hier zum ersten Mal das Wort ‚Kreuz‘ ; in der Sache ist das aber nichts anderes als die eben besprochene Aussage der ‚Kirchengeschichte‘ über Konstantins ‚rettungbringendes Zeichen‘.27 Dieses hat der Kaiser laut ‚vita Constantini‘ durch die in nahezu gleichem Wortlaut noch einmal wiedergegebene Inschrift (VC I 40, 2) erläutern lassen.
3. Früheste Aussagen über Konstantins neue Gottheit
Der im Jahr 313, nur wenige Monate nach dem Sieg des Kaisers vor Rom, in Trier gehaltene Panegyricus eines unbekannten paganen Redners28 ist das erste erhaltene Dokument einer Reaktion auf Konstantins Sieg an der Milvischen Brücke Ende Oktober 312. In der Rede wird die Ansicht des Panegyristen deutlich wahrnehmbar, dass der Kaiser im Krieg gegen Maxentius unter dem Schutz eines anderen Gottes als eines den Paganen bekannten stand, auch wenn der Redner den Christengott nicht – oder jedenfalls nicht direkt – in seine Darlegungen einbezogen hat.29 Aufschlussreich ist in dem Panegyricus wie auch sonst häufig das, was nicht gesagt wird, obwohl es zu erwarten war. Der pagane Redner, persönlich ein Polytheist oder ein Henotheist,30 vermeidet – anders als seine Vorgänger in den Jahren 310 und 311 – jeglichen Götter- oder Gottesnamen.31 Besonders fällt auf, 26 Datierung von VC : Cameron u. Hall (1999) 9–12 ; Bleckmann (2007b) 11–15. 27 Brandt (2016)164 mit Anm. 67 meint, zwischen HE IX 9,10 und VC I 40,2 habe Eusebius seine Überlieferung ‚bearbeitet‘ – mit dem Ergebnis, dass eine „Veränderung des ‚Zeichens‘ zum ‚Kreuz‘“ stattgefunden habe : aber das ‚Zeichen‘ als Vexillum ist das Kreuz. S.u. Anm.66. 28 Paneg. Lat. XII/9 (313), ed. Galletier. Hierzu und zum Folgenden Girardet (2007) 68 f. Vgl. Wie nand (2012) 246 f. – Übersetzung der Rede und Kommentar von Müller-Rettig (2008) 180–215, 267–275. – Zur Bedeutung der panegyrischen Literatur siehe Straub (1964) 146–159. Vgl. Wie nand (2012) 26–43. – Konstantins persönliche Reaktion etwas früher in einem anspielungsreichen Brief : s. u. bei Anm. 50–58. 29 Vgl. Vogt (1955/1974) 350–353 ; Brandt (2016) 158 f. 30 Siehe nur 2,5 : illa mens divina… quae…uni se tibi dignatur ostendere, während es dii minores sind, die sich um die gewöhnlichen Menschen kümmern. 31 Die beiden Reden, übersetzt und kommentiert : Müller-Rettig (2008) 124–157 mit 248–259 ; 158–178 mit 259–266.
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dass der Name des seit 310 in der Münzprägung und am römischen Ehrenbogen für Konstantin (315) besonders prominenten Sonnengottes32 in der ganzen Rede nicht vorkommt. Ein dem Redner unbekannter Gott – also bestimmt nicht Iupiter, Apollo oder Sol Invictus – , eine übergeordnete, eine sozusagen anonyme mens divina habe sich Konstantin, allein ihm und niemandem sonst,33 vor dem Aufbruch nach Italien geoffenbart34 und ihn zum Krieg gegen Maxentius ermuntert ;35 die Fürsorge für die gewöhnlichen Menschen sei hingegen „kleineren Göttern“ (diis minoribus) übertragen. Zu diesen dii dürfte der Panegyrist als paganer Polytheist die traditionellen, allgemein bekannten Götter Jupiter, Apollo, Sol Invictus und andere gezählt haben.36 Konstantins Schlachtenerfolg erscheint als ein „von göttlicher Seite versprochener Sieg“ (3, 3 : promissa divinitus victoria) ; vielleicht eine Anspielung auf das ‚Erscheinen‘ von Apollo und Victoria 310 beim Besuch des Kaisers in Grand.37 Bemerkenswert ist ferner das Lob des Redners für den Umgang Konstantins mit dem Senat : der Kaiser habe diesem, wie auch die von Eusebius zitierte römische Inschrift sagt, sein altehrwürdiges Ansehen wiedergegeben ;38 doch die von ihm geschenkte Rettung der Senatoren habe er, und auch dies wird von Eusebius hervorgehoben, nicht sich selbst als Verdienst zugerechnet.39 Hier drängt sich sofort die Frage auf, wem – wenn nicht dem Kaiser – das besagte Verdienst zukommt : einem Gott ? welchem Gott ? Darüber erfährt man vom Pan egyristen nichts. Jedenfalls hat er auf sehr dezente Weise noch einmal angedeutet, 32 Seit 310 : paneg. Lat. VII/6 (310), bes. 21. – Sol in der Münzprägung und am Bogen : siehe nur Berrens (2004) 146 f., 165 f.; Bergmann (2006) passim (Bogen). Späte Münzprägung : Wienand (2011) passim. 33 Paneg. Lat. IX/12 (313) 2,4 f. Vgl. damit die Angabe des Eusebius in VC I 28,2, das ganze Heer habe eine Himmelserscheinung gesehen. Dazu aber unten Anm. 80. 34 Auch Eusebius setzt die Offenbarung des Helfer-Gottes ohne genaue Ortsangabe und Datierung zeitlich vor den Beginn des Krieges : HE IX 9,2 und u. Anm. 78. 35 So paneg. Lat. IX/12 (313),11,4 : divino monitus instinctu. Dem entspricht das vielzitierte instinctu divinitatis in der Inschrift am Konstantinbogen : ILS 694. – Siehe auch paneg. Lat. X/4 (321),17,1 : divino instinctu. Vgl. Eus. VC II 12,2 : göttliche Inspiration. 36 Vgl. Wienand (2012) 246 f.: dii minores hätten die Aufgabe, an den „konkreten militärischen Operationen“ des Kaisers Anteil zu nehmen. 37 Paneg. Lat. VII/6 (310),21 (s. o. Anm. Anm. 31). 38 20,1 : die auctoritas pristina des Senats sei von Konstantin wiederhergestellt ; Dank des Senats : Errichtung einer Statue 25,4, Verleihung des Ehrentitels maximus Augustus (Lact. mort. pers. 44,11), Errichtung des Ehrenbogens in Rom. Die Inschrift an der Konstantinstatue nach Eus. HE IX 9,11. – Grünewald (1990) 72 f., 86–92. 39 Ebd. 20,1 : … salutem, quam per te receperant, non imputasti. Siehe die Angabe des Eusebius (HE IX 9,10), der Kaiser habe den Sieg nicht sich selber zugeschrieben, sondern durch die Statue mit dem ‚Zeichen‘ und der Inschrift auf seinen göttlichen Helfer verwiesen.
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dass es aus seiner Sicht keiner der ihm bekannten Götter war. Für Eusebius war es demgegenüber der Christengott. Am Ende der Rede40 findet man ein Gebet an einen „höchsten Schöpfer der Welt“ (summus rerum sator). Dessen Bezeichnung und hier beschriebene Eigenschaften konnten ansatzweise Raum für eine Identifizierung auch mit dem Christengott als transzendentem Schöpfergott bieten.41 Wieder handelt es sich beim Panegyristen um einen Gott ohne Namen, um einen Gott, von dem man nicht weiß, wie er genannt werden will, der Konstantin geholfen hat und der ihm weiterhin verbunden bleiben soll. Vielleicht hat der Panegyrist es nicht mehr gewagt, diesen höchsten Gott, der für ihn persönlich Jupiter oder der Sonnengott gewesen sein mag, mit Namen zu nennen.42 Oder er könnte in dieser heiklen Sache einer Weisung des Hofes gefolgt sein. Das wäre dann ein – weiteres – Indiz für Rücksichtnahme darauf, dass Konstantin sich einem neuen, einem unsichtbaren Gott ohne Namen43 zugewendet hatte. So hat es ja auch die Inschrift des paganen Senats am 315 fertig gestellten Ehrenbogen für den Kaiser in Rom (ILS 694) gehalten.44 Man kann den Bogen durchaus als das „Dokument des politischen Kompromisses zwischen Konstantin und der stadtrömischen Aristokratie“45 auffassen. Das gilt, wie ich meine, gerade auch für die Inschrift : sie nennt eben wegen des Kompromisses keinen Götter- bzw. Gottesnamen, sondern sagt, Konstantin habe „auf Eingebung einer Gottheit“ (instinctu divinitatis) gehandelt. Dass für die Paganen diese Gottheit wohl der am Bogen reichlich vertretene Sonnengott sein sollte oder konnte, ändert daran nichts. Die Inschrift dokumentiert, dass dem Senat nicht anders als schon dem Panegyristen von 313 die religiöse Neuorientierung des Kaisers bekannt gewesen ist und er dieser Tatsache Rechnung getragen hat.46 40 Paneg. Lat. IX/12 (313),26, bes. 1. 41 Liebeschuetz (1981) 396 Anm. 4 zu paneg. Lat. IX/12 (313),26 : das Gebet könne „in a traditional Roman, a philosophical or a Christian sense“ aufgefasst werden ; Grünewald (1990) 84 ; Kolb (2001) 65. Vgl. Wienand (2012) 247 f., 254–258. 42 Siehe auch 13,2 : ille mundi creator et dominus, ebenfalls ohne Nennung eines Namens ; gemeint ist, wie der Hinweis auf den Blitz (fulmen) nahelegt, Jupiter. 43 Christlicher Gott ohne Name : z. B. Ex 3, 14 ; Eus. demonstr. evang. IV 1. – Unsichtbar : z. B. Ex 33, 20–23 ; J 1, 18 ; R 1, 20 ; Kol 1, 15. 44 So bereits Schultze (1885) 350 : die Bogeninschrift mit deistischer Färbung (sc. ohne Gottesname) zeige, „daß man von der dem Christentume zugeneigten religiösen Stellung Konstantins etwas wußte und auf diese entgegenkommend Rücksicht zu nehmen für gut befand“. – Grünewald (1990) 63–86, bes. 78–86. 45 Brandt (2016) 160. Ähnlich Wienand (2012) 214. 46 Siehe jedoch Brandt (2016) 162 f. zur Bogeninschrift : durch instinctu divinitatis habe Konstantin (aber es war der Senat, der die Inschrift hatte setzen lassen) „bewußt nicht in einem Nahverhältnis
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Für Konstantin selbst hingegen hatten Sol Invictus sowie die anderen Götter ‚ausgedient‘.47 Das zeigte sich schon durch das Unterlassen des Dankopfers an den kapitolinischen Jupiter am 29. Oktober 312 und durch die vor 314 errichtete Statue mit ‚Zeichen‘ und Inschrifttext. Es zeigte sich auch darin, dass Konstantin die feierlichen Opferhandlungen beim Konsulatsantritt am 1. Januar 313 und die von Opfern begleiteten, traditionell dem Gott Apollo gewidmeten Saecularfeiern 314 ausfallen ließ.48 Es wird dann schließlich auch unübersehbar deutlich durch die frühesten erhaltenen Aussagen des Kaisers über seinen Sieg von Ende Oktober 312 und über seine Einstellung zum Paganismus und zu den traditionellen Göttern, darunter dem Sonnengott. Sie stehen in seinem Brief von Ende 312/Anfang 313 an den Prokonsul Anullinus in Karthago,49 der in Nordafrika bis 305 möglicherweise50 für die Christenverfolgung mitverantwortlich gewesen war : „Durch vielerlei Tatsachen“, schreibt der Kaiser zur Begründung der Immunität für die christlichen Kleriker, sei erwiesen, dass die Misshandlung des Christentums – gemeint ist der im Namen der traditionellen Götter wie besonders des Apollo/Sol Invictus gegen die Christen geführte Vernichtungskampf der diokletianischen Tetrarchie51 – politisch höchst gefährliche Folgen für das Imperium gehabt habe. Durch „Tatsachen“ sei demgegenüber ebenso klar, dass die gesetzmäßige52 und sorgsame Pflege „derjenigen Religion, in welcher die machtvolle Hoheit der allerheiligsten zum Christentum“ erscheinen wollen. Nach meiner Ansicht wollte er „bewusst“ nicht in einem Nahverhältnis zu einer paganen Gottheit erscheinen, und das hat der Senat in der Inschrift berücksichtigt. 47 Dagegen Brandt (2011) 301 : der Autor spricht hier von „Konstantins Festhalten an der Rolle des Sol Invictus als ‚comes Augusti‘ auch in den Jahren nach 312“ ; Brandt (2016) 163, 168. Dass der Gott bis in die 320er Jahre hinein in der Münzprägung präsent ist (vgl. Wienand 2011), sagt über die persönliche Einstellung des Kaisers nichts. Siehe auch Alföldi (1932) 12 f.: eine auffällige Trierer Münzserie von Ende 312/Anfang 313, die zeigt, dass der Kaiser sich von den paganen Göttern abgewandt hatte. 48 Girardet (2010) 79. Opferverweigerung als Indiz für Christentum : Girardet (2007) 79 f. mit den Quellen. Saecularfeiern und Apollo : ILS 5050, Z. 139–149 ; Horaz, carmen saeculare 1–4.,33 f.,61– 69,75. 49 Eus. HE X 7,1 f. – Dörries (1954) 18 f. 50 Wenn es nicht sein Vater war : PLRE I 78 f. 51 Apollo als verantwortlich für die Verfolgung : Lact. mort. pers. 11,7 f.; Konstantin in seiner oratio ad sanctorum coetum Kap. XVIII 2 : Apollokult als „unschicklicher Aberglaube“ ; ebd. XXII 4 : verbrecherisches Apolloorakel vor Beginn der Verfolgung (die Rede wurde nach meiner Ansicht am 16. April 314 in Trier gehalten : Girardet (2013) Einleitung Kap. II 1 und 2) ; in der 2. Proklamation des Jahres 324 : Eus. VC II 50 f. und 54. 52 Text : ἔνθεσμος – eine Anspielung auf Konstantins Verfügung zur Kultfreiheit der Christen im Jahr 306 (Lact. mort. pers. 24,9) ?
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himmlischen Gottheit mit frommer Scheu geachtet“ wird – das heißt des Christentums –, „dem römischen Namen, bewirkt durch göttliche Wohltaten, größten Erfolg und überhaupt allen menschlichen Dingen außerordentliches Wohlergehen gebracht“ habe ; das Christentum ist darum, im Gegensatz zum Paganismus, für Konstantin die „heilige Religion“ : ἁγία … θρησκεία. Der Brief mit seiner gegen die tetrarchische Verfolgungspolitik und die für sie mitverantwortlichen paganen Götter gerichteten Erklärung war sicher auch an alle anderen paganen Statthalter des Westens gerichtet.53 Mit der in diesem Kontext genannten „allerheiligsten himmlischen Gottheit“ kann unmöglich irgendeine höchste polytheistisch-pagane oder abstrakte henotheistische pagan-philosophische Allgottheit oder Sol Invictus, sondern kann nur der Gott der von Verfolgung befreiten und durch Konstantin seit 306 (und Maxentius seit ca. 308) durch Kultfreiheit anerkannten Christen gemeint sein, mit der angesprochenen „heiligen Religion“ nur das Christentum, und die „göttlichen Wohltaten“ sind unzweifelhaft gleichsam noch tagesaktuell das beneficium des Christengottes in Gestalt des kurz zuvor, am 28. Oktober 312, errungenen Sieges über den paganen ‚Tyrannen‘ Maxentius. Die in dem gleichen Brief mitgeteilte Verleihung der Immunität an den Klerus, die auch durch ein erhaltenes Gesetz dokumentiert ist (CTh XVI 2, 2 von 313), sollte erklärtermaßen um des Staatswohls willen den christlichen Kultus sichern. Von daher gesehen war die Verfügung als Antwort auf das beneficium Gottes die Erfüllung eines officium durch den dankbaren Kaiser – durch sie sollte die Gunst des Sieghelfers, der „allerheiligsten himmlischen Gottheit“ der Christen, auch für die Zukunft erwirkt und gesichert werden. Das historisch-politisch in höchstem Maße Bedeutsame an dieser Erklärung, die Konstantins offene Ablehnung der paganen Götter zum Ausdruck bringt, besteht einerseits in der Tatsache, dass sie nicht an einen christlichen, sondern an einen paganen Amtsträger gerichtet war, andererseits darin, dass der Brief (wie auch CTh XVI 2, 2) nicht, wie noch das Galeriusedikt von 311, nur widerwillige Duldung,54 sondern aus Konstantins Sicht ausdrücklich die Staatsnotwendigkeit der „heiligen Religion“ des Christentums dokumentiert. Der Kaiser hatte mit seiner Anrufung des Christengottes als Schlachtenhelfer vor Beginn des Krieges und der öffentlichen Darstellung seiner selbst als Sieger mit dem christlichen ‚Zeichen‘ eine nach antiken Maßstäben eminent politische, eine eminent militärpolitische und zugleich religionspolitische Entscheidung55 getroffen, mit bekanntlich bis in die Gegenwart rei53 Eus. HE X 7,1. – Dörries (1954) 18 f. 54 Girardet (2013) 311–322, 335 f. 55 Girardet (2010) 8 f., 17 f.
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chenden Folgen.56 Sein neuer Gott, der Christengott, war für ihn – und durch ihn – zum Kriegsgott, zur Gottheit des siegreichen Krieges und Kriegers geworden.57 Das war jedenfalls aus frühchristlicher Sicht etwas Neues, das möglicherweise mit zen tralen Elementen der Lehre Christi nicht in Einklang stand.58 Die Denkweise wurde aber seit konstantinischer Zeit von den Christen übernommen, so schon durch Laktanz und Eusebius in ihren Darstellungen der Kriege und Siege Konstantins.
4. Das ‚Kreuz‘ in der Hand der Statue
Die Angaben des Eusebius in der ‚Kirchengeschichte‘ und in der ‚vita Constantini‘ über die römische Statue von 312/13 sind nach allem, was sich feststellen ließ, historisch verlässlich (Kap. 2). Daher kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Statue tatsächlich existiert hat, dass sie um 312/313 geschaffen wurde und dass mit Konstantins in der Inschrift angesprochenem „Siegeszeichen (τρόπαιον) des rettungbringenden Leidens“ (HE IX 9, 10 ; VC I 40) ein kreuzartiges Gebilde gemeint ist, das nach christlicher Auffassung an den die Menschen rettenden Opfertod Jesu und seinen Sieg über den Tod gemahnen sollte.59 Man muss sich aber fragen, ob es denn sein kann, dass der Kaiser nur wenige Jahre nach dem Ende der reichsweiten Christenverfolgungen mitten in der nahezu vollständig paganen Hauptstadt des Imperiums und sozusagen unter den Augen der traditionsbewussten Senatoren die unerhörte Provokation begangen hat, einem von Senat und Volk von Rom für ihn errichteten Standbild ein allgemein verhasstes Hinrichtungsinstrument, ein nacktes Kreuz – das im Übrigen bei den Christen selbst noch lange nicht öffentlich als Symbol gezeigt wurde60 – in die Hand geben zu lassen61 und 56 Siehe nur Nowak (1998) passim ; Schlange-Schöningen (2006) passim ; (2008) passim ; Goltz (2008) passim ; Staubach (2009) passim. Siehe auch das Buch von P. Veyne mit dem programmatischen Titel ‚Quand notre monde est devenue chrétien‘ (2007). 57 Clauss (2005) 38. Vgl. Heid (2002) 239 f., 253 f.: zum militärischen Aspekt. 58 Vgl. Thümmel (2000) 141–145 ; Heid (2002) 216–221 : Vexilla, Tropaea für die Christen ursprünglich ohne militärische Konnotationen, sondern als Kreuze den Sieg über Tod, Teufel, Dämonen verheißend ; Eck (2008) 79–81. 59 Eus. VC I 32,2. 60 Dinkler u. Dinkler-von Schubert (1995) 10, 31–34. Vgl. Heid (2002) 193–196, 227–230 (erst in nachkonstantinischer Zeit). 61 Abschaffung der Kreuzigung als Strafe wohl erst in der späten Regierungszeit Konstantins : Dinkler u. Dinkler-von Schubert (1995) 22–24. – Ein im Vergleich mit dem Hinrichtungsinstrument verfremdetes Kreuz erscheint aber schon früh (315) in der konstantinischen Münzprägung ; siehe das Postscriptum a mit Abbildungen 6a und b.
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Abb. 1 : Reliefplatte am Konstantinbogen.
dessen magische rettung- und siegbringende Macht62 auch noch mit einer Inschrift hervorzuheben. In der Forschung ist denn auch vorgeschlagen worden, ein gewöhnliches römisch-paganes Feldzeichen, ein aus einer Lanze mit kürzerer Querstange und daran hängendem Fahnentuch gebildetes Vexillum, anzunehmen (Abb. 1 und 2),63 das Eusebius christlich uminterpretiert und damit verfälscht habe.64 Indessen wurde ein Vexillum von den Christen seit früher Zeit als ein – wenn auch durch das von der Querstange herabhängende Fahnentuch verhülltes – 62 Zur magischen Funktion des Kreuzes : Lact. div. inst. IV 26,38 f.; 27,1. Heid (2002) 215–221 ; (2006) 1127 : „apotropäische Deutung“ auf Dämonen bezogen. Siehe auch die Aussagen des Eusebius unten in Anm. 93. – Vgl. Seeliger (1989) 158–163 (aber zum Christogramm als Schildzeichen). 63 Abb. 1, Reliefplatte am Konstantinbogen : http://ancientrome.ru/art/artwork/sculp/rom/relief/ arcus-constantini/ac014a.jpg ; Stand : 13.3.2018 : Rome, Arch of Constantine, south side : The captive barbarians before the emperor ; Photo (c) 2006/2008 Sergey Sosnovskiy. – Abb. 2 : Ausschnitt aus dem Einzugsrelief an der Ostseite des Bogens, hinter dem kaiserlichen Prunkwagen ein Vexillarius mit Vexillum, das auf der Spitze eine runde Plakette trägt. Photo von W. Storage, mit nochmals herzlichem Dank für die Erlaubnis zur Wiedergabe : Girardet (2010) 185 f. 64 Grégoire (1932) 138–143. Dann u. a. Bleicken (1992) 38 ; Wienand (2012) 262 : eusebianische „Überinterpretation“ (in VC I 28–32), „Umdeutung“ eines gewöhnlichen Vexillums. Ligota (1963) 189 hält Eus. HE IX 9, 10 für eine „confused description“. – Vgl. Brandt (2016) 164 mit Anm. 67.
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Abb. 2 : Ausschnitt aus dem Einzugsrelief an der Ostseite des Konstantinbogens.
Kreuz angesehen.65 Von daher ist die in der Forschung häufig vertretene Alternative ‚entweder Kreuz oder Vexillum‘ (bzw. Labarum)66 von vorneherein verfehlt : ein Vexillum ist aus christlicher Sicht ein Kreuz. Aber ein gewöhnliches Vexillum allein, wie es seit alters in der römischen Armee von niederrangigen vexillarii mitgeführt wurde, konnte doch unmöglich, wie in der Inschrift, als „rettungbringend“ und als „wahrer Erweis der Tapferkeit“ bezeichnet werden. Das Feldzeichen als Kreuz wies daher offenbar eine optisch 65 Iustin. I apolog. 54, 2 und 8 ; 55, 3 (Kreuz als trópaion) ; Hippol. antichr. 58–62 ; Tert. apol. 16,6 und ad nat. 1,12 ; Minuc. Fel. 2,12,5 und 29 ; Hieron. ep. 107,2. Vgl. Heid (2006) 1100 : sogar ein Schiffsmast mit Rahe wurde von Christen als Kreuz gedeutet. – Heid (2002) 239 : „das Labarum mit seiner verborgenen Kreuzesform“ ; ders., Kreuz S. 1124 : Kreuz „in verdeckter, aber erkennbarer Form in Gestalt des Labarums“. Zu ‚Labarum‘ s. u. Anm. 85. 66 So z. B. Gagé (1933) 389 f.; Bleicken (1992) 38 : ein ‚Kreuz‘ sei ganz unglaubwürdig. „Tatsächlich“ handele es sich nur um ein Vexillum ; Dinkler u. Dinkler-von Schubert (1995) 50 f. zu Eus. VC I 40 : es sei nicht ein ‚Kreuz‘, sondern das Labarum mit Christogramm ; Brandt (2016) 164 mit Anm. 67 (zit. oben in Anm. 27).
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Abb. 3 : Christogramm auf einem Meilenstein aus Nordafrika.
wahrnehmbare Besonderheit auf, die seinen rettungbringend-christlichen Charakter für Christen erkennbar machte. Es ist offenbar jetzt schon das Christogramm gewesen, obwohl Eusebius darüber erst in der ‚Vita Constantini‘ spricht.67 Denn das Symbol ist auf Meilensteinen in Nordafrika zu sehen, die recht genau auf Ende 312/Anfang 313 datiert sind. Diese nach meiner Kenntnis derzeit frühesten Belege für die Verwendung des Christogramms auf staatlichen Inschriften68 wurden 1998 von P. Salama veröffentlicht :69 die Meilensteine AE 2000 Nr. 1799 zwischen 28. Oktober 312 und 30. April 313 (seit 1. Januar 313 Konsulat von Konstantin und Maximinus Daia ; Ende April Niederlage Daias gegen Licinius) und Nr. 1801 von Ende 312 (siehe Abb. 3).70 Die Authentizität des Christogramms auf den Meilensteinen ist von verschiedenen Gelehrten mit Nachdruck bekräftigt worden : „une gravure postérieure est exclue“, so N. Duval in Übereinstimmung mit P. Salama.71 Zuletzt haben N. Lenski, Tiph. Moreau und I. Tantillo keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Gestaltung der Meilensteine als authentisch ansehen.72 Einwände dagegen sind mir nicht bekannt geworden. Das Christogramm ist dann auch an Konstantins Helm auf dem berühmten Silbermedaillon von Ticinum zu sehen. Es wies seinen Träger, unabhängig von der Datierung des nunmehr in vier Exemplaren vorlie67 S.u. Kap. 5. 68 Siehe auch den Hinweis von Lenski (2016) 56 und 73 auf eine neugefundene Münze von 313 mit Christogramm. 69 Salama (1998), hier bes. 150–157 : die beiden Meilensteine mit Christogramm – Photos und Umzeichnungen. Das Christogramm sei das „signum personnel de l’empereur“ (155) ; Salama (2002) 106 f.: so auch C. Leppeley in Salama (1998) 157 : „monogramme personnel de Constantin“. Dagegen Duval in Salama (1998) 158 : man könne nicht von einem „signum personnel“ Konstantins sprechen, sondern nur von einem allgemein christlichen Dokument. 70 Dazu auch die etwas spätere Inschrift bei Salama (1996) : ein Meilenstein aus dem Jahr 319. – Die Datei mit der hier wiedergegebenen Abbildung hat mir freundlicherweise N. Lenski zur Verfügung gestellt (Lenski 2016, 8). 71 In der Debatte bei Salama (1998) 155–159. So auch Salama selbst a.a.O. 72 Lenski (2016) 8 f.; Moreau (2015) 148 mit Anm. 500 ; Tantillo (2017) 134–143.
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genden Medaillons,73 als einen Christen aus. Nach eigener, nicht widerleglicher Aussage bei Eusebius hatte der Kaiser es schon vor dem Beginn des Feldzugs, also schon vor Herbst 311, an seinem Helm anbringen lassen :74 er war als ein Christ in den Krieg gezogen, und sein Vexillum hat aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls das Christogramm getragen. Eine andere Möglichkeit, ein Vexillum zu christianisieren, zeigt sich auf einem erst kürzlich veröffentlichten Aureus Konstantins aus dem Jahr 315 : den oberen Teil des Vexillums nimmt ein kleines, etwas verfremdetes Kreuz ein (siehe unten das Postscriptum a) mit der Abbildung 6).
5. Zu VC I 27-32
In der ‚Vita Constantini‘ hat Eusebius die Vorgeschichte des Krieges gegen Maxentius und den Sieg Konstantins an der Milvischen Brücke noch einmal behandelt, unter Berufung auf eigene Mitteilungen des Kaisers75 aber viel ausführlicher.76 Dadurch lässt sich die oben benannte ‚Leerstelle‘ in der ‚Kirchengeschichte‘77 schließen. Eusebius berichtet wie schon in der ‚Kirchengeschichte‘, dass der Kaiser sich vor Beginn des Feldzugs,78 also vor Herbst 311, im Gebet dem Christengott zugewendet hat. Über das Motiv zu dieser Entscheidung schreibt er, Konstantin habe beobachtet, dass die paganen Götter bei den Christenverfolgungen und in
73 Die übliche Datierung auf 315 (z. B. Ehling 2011, 27 f.) wird neuerdings infrage gestellt von Bernardelli (2007) : für 326 statt 315 ; Lenski (2018) 268–284 : für 321 (vgl. schon von Schoenebeck 65). Siehe jedoch Bleckmann (2014) 198–202 : für 315. – Inzwischen ist nun ein viertes, sehr gut erhaltenes Exemplar (wie die anderen drei mit eigenem Stempel) bekannt geworden ; siehe Lenski (2018) 253 Abb. 4 (NAC 106, 1058). Dazu unten das Postscriptum b) mit Abbildung 7. 74 Eus. VC I 31,1. Vgl. paneg. Lat. X/4 (321),29,5 : in der Schlacht am pons Mulvius fulget nobilis galea des Kaisers – eine Anspielung auf den Helm mit Christogramm ? – Brandt (2016) 154 hingegen meint, es könne „keine einzige substantielle Information dafür angeführt werden, daß Konstantin im Oktober 312 tatsächlich bereits mit irgendwelchen Anzeichen einer Nähe zum Christentum vor Rom aufmarschiert“ sei. Man müsste also alle diesbezüglichen Angaben des Eusebius und des Laktanz als historisch nicht relevant verwerfen. 75 Eus. VC I 29,1 ; nochmals in anderem Zusammenhang VC II 8,2 und 9,3. Gegen die häufige Behauptung, darin zeige sich der fiktive Charakter der Angaben des Eusebius, siehe mit Recht Bleckmann (2007b) 55. 76 Cameron u. Hall (1999) 204–213 ; Schneider (2007) 180–188 ; Girardet (2017b) 327 f., u. a. mit Auswertung der relativen Chronologie in der Darstellung des Eusebius. 77 S.o. bei Anm. 10. 78 VC I 26 f. und 28,1 ; Beginn des Feldzugs erst in I 37,1. Also nicht „vor der Schlacht“ an der Milvischen Brücke, wie z. B. Egger (1960) 10 und 11 meinte.
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den Kämpfen anderer Kaiser untereinander gescheitert waren.79 Sie hatten sich als machtlos, als nicht existent erwiesen. Auf der Suche nach einem stärkeren oder dem stärksten, einem ‚wahren‘ Gott habe ihm auf Grund seiner Bittgebete der Christengott irgendwo – wohl in Gallien – am hellen Tag das auch von der ganzen Armee gesehene80 Himmelszeichen eines Lichtkreuzes gezeigt, das über der Sonne erschien (VC I 28-32). Das kann die christlich interpretierte Form des von einem paganen Panegyristen berichteten Anblicks des Apollo/Sol invictus sein, wohl des Sonnenkreuzes eines Halos bei oder in dem Apollonheiligtum von Grand/Vogesen, als der Kaiser sich im Jahr 310 hier aufgehalten hatte.81 Was Konstantin nach seiner eigenen, von Eusebius wiedergegebenen Darstellung gesehen hat, war also ein Lichtkreuz, auf keinen Fall, entgegen häufig in der Forschung geäußerter Ansicht,82 das chi-rho, das Christogramm. Der Kaiser hat dann, so Eusebius, von Christus im Traum dazu angeregt, ein neuartiges Vexillum als Nachbildung des Lichtkreuzes gestalten lassen : das modifizierte, die Kreuzform mit kostbarem Stoff und sonnenhaft gleißenden Edelsteinen verhüllende Vexillum erhielt, so wie Eusebius es mehr als ein Jahrzehnt später mit eigenen Augen gesehen hat, auf dem oberen Ende der Fahnenstange statt einer Lanzenspitze, einer Statuette des Sonnengottes, eines Sterns, einer Victoriastatuette oder eines anderen Objekts ein in einen Siegeskranz gefasstes Christogramm, wie es der Kaiser von da an – d. h. seit 311 – auch an seinem Helm trug (VC I 31, 1 f.). Nichts daran ist unwahrscheinlich oder gar falsch : das Christogramm erscheint schon 312/313 auf Meilensteinen.83 Durch das wohl auf eine Scheibe aufgebrachte Christogramm war das Vexillum, ansonsten eine gewöhnliche, wenn auch prunkvolle Feldstandarte, christi79 So Eus. VC I 27,2 und 3. Beispiele : allgemein frühere Christenverfolger, dann Severus gegen Maxentius 306, Galerius gegen Maxentius 307 (vgl. paneg. Lat. IX/12 (313) 3,4 : Desertion der Armeen zu Maxentius). 80 Das steht nicht in Widerspruch zu der Angabe des Panegyristen von 313, die Gottheit habe sich allein dem Kaiser geoffenbart (paneg. Lat. IX/12 (313) 2,4 f.) : bei Eusebius erfolgte die Offenbarung im Traum des Kaisers als Reaktion auf den Anblick des Sonnenphänomens (VC I 29). 81 Paneg. Lat. IX/6 (310) 27,3–7 ; dazu Müller-Rettig, oben Anm. 31. Das vom Panegyristen genannte templum ist kein Gebäude, kein ‚Tempel‘ (in einem Tempel-Gebäude hätte das Lichtphänomen natürlich nicht gesehen werden können … ; vgl. Weber (2000) 281 Anm. 210 ; Bardill (2012) 169 f.), sondern der riesige kreisrunde, heute noch sichtbare Heiligtumsbezirk in Grand. – Zur Sache (mit Abbildungen) siehe Weiß (2003). Die Halo-These wird von vielen Gelehrten akzeptiert, von vielen aber auch abgelehnt ; statt ihrer siehe Demandt (2006) passim. 82 So u. a. Alföldi (1948) 17 ; Ferguson (1987) 13 f.; Seeliger (1989) 151 ; Bruun (1997) 41 f.; Radnoti- Alföldi (1998/2001) 271 f.; Weiß (2003) 238 ; Girardet (2007) 75 ; Wienand (2012) 271–274. Dagegen mit Recht Cameron u. Hall (1999) 207 ; Singor (2003) 485 f.; Bleckmann (2007b) 57 Anm. 295. 83 S.o. Anm. 68–74 und Abb. 2.
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anisiert ;84 später hat dieses besondere Vexillum den Namen Labarum erhalten.85 Für Eusebius war es sicher identisch mit dem in der HE besprochenen, aber nicht näher beschriebenen ‚Zeichen‘86 von 311. Wie das Christogramm an der Stan darte diese unaufdringlich als christlich kenntlich machte,87 so demonstrierte es am Helm des Kaisers, dass sein Träger ein Christ war, dass er unter dem Schutz des Christengottes stand. Wer das bisher bei den Christen unbekannte chi-rho als Abkürzung des griechischen Wortes Χριστός88 erfunden hat, weiß man nicht. Wenn nicht der Kaiser selbst,89 kann man den christlichen Gelehrten Laktanz vermuten, der sich zu dieser Zeit, wegen der Christenverfolgung aus dem griechischen Osten vom Hof Diokletians in Nikomedien in den Westen gekommen, am Hof Konstantins in Trier als Lehrer des kaiserlichen Prinzen Crispus aufhielt.90 Es könnten aber auch gallische Bischöfe wie etwa der Bischof von Trier gewesen sein, die sich, wie W. Eck nachgewiesen hat, seit ca. 310/311 in Konstantins Entourage befanden.91 Die Buchstaben entstammen der zu dieser Zeit auch im Westen, sogar in Rom, noch aktuellen liturgischen Sprache der Christen, des Griechischen.92 Festzuhalten bleibt in jedem Fall, dass nach dem Glauben der Zeit die magische Wirkung unmittelbar vom Kreuz,93 nicht vom chi-rho ausging :94 Konstantins ‚Zeichen‘ war nicht das chi-rho als solches, sondern das kreuzförmige Vexil84 Baynes (1972) 62 : das Christogramm als „the distinctiv element in the Christian standard“. 85 Erstmals bezeugt in der Kapitelüberschrift zu Eusebius, VC I 31, die wohl erst nach dem Tod des Eusebius (ca. 339) hinzugefügt worden ist. Vgl. Egger (1960) 14–21 ; Weiß (2003) 254 f.; Heid (2006) 1118 f. 86 S.o. Kap. 2. 87 Ich halte es für möglich, dass der Vexillarius, der auf dem Einzugsrelief an der Ostseite des römischen Bogens hinter dem Prunkwagen des Kaisers schreitet, das Vexillum mit Scheibe auf der Spitze und aufgemaltem Christogramm getragen hat (s. o. Abb. 1b mit Anm. 63) : Girardet (2010) 86. – Zur möglichen Größe bzw. Kleinheit des Christogramms siehe das Diptychon mit Kaiser Honorius und Labarum : Radnoti-Alföldi (1998/2001) 281 mit 287 Abb. 20 ; Elsner (1998) Abb. 55 ; Moreau (2015) 267. 88 Seeliger (1989) 154 f. 89 Vgl. Eus. VC I 31,1. – Wienand (2012) 271, 273 f.: das Christogramm sei bei Laktanz und Eusebius Teil der sog. Vision gewesen. Davon kann aber keine Rede sein. 90 Hieronym. vir. illustr. 80. Laktanz in Trier : Barnes (2011) 176 f.; Heck (2009) passim. Zum Pro blem von Lact. mort. pers. 44,5 f. s. u. Anm. 96. 91 Eck (2007) passim ; ders. (2008) 82 f. Siehe auch Bleckmann (2007a) 70. – Christliche Berater Konstantins : Eus. VC I 32. 92 Girardet (2017b) 329 f. 93 Siehe zur Bedeutung des Kreuzes (auch in Gestalt des durch Christogramm christianisierten Vexillums) für Konstantin nur Eus. VC I 29 : ἀλέξημα ; 31,3 : ἀμυντήριον ; II 7 : das σωτήριον τρόπαιον als νικητικὸν ἀλεξιφάρμακον ; IV 9 : das σημεῖον Gottes als Heereszeichen. 94 So aber z. B. Seeliger (1989) 158–163 ; Ehling (2011) passim.
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lum, das durch chi-rho christianisiert war, das Labarum.95 Und was schließlich den Krieg gegen Maxentius betrifft, so wäre es sicher verfehlt, ihn als einen Religionskrieg aufzufassen : es standen zwar ein Christ und ein Paganer einander gegenüber, aber es war, auch für Eusebius, ein Kampf um die Macht zwischen einem legalen Kaiser und einem Usurpator, einem ‚Tyrannen‘, der kein Christenverfolger gewesen war. Gibt es irgendeinen Grund, unabhängig von den Wertungen des Eusebius die historische Verlässlichkeit der Angaben des Bischofs anzuzweifeln ? Handelt es sich bei dem in der VC Berichteten nur um die nachträgliche legendarische Ausgestaltung einer Notiz des Laktanz (mort. pers. 44, 5 f.) über einen Traum Konstantins im Zusammenhang mit der Schlacht an der Milvischen Brücke ?96 Ich meine : nein, Laktanz und Eusebius schreiben nachweislich über zwei verschiedene Ereignisse, die zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten stattgefunden haben,97 und was Eusebius berichtet, kann auch nicht durch die Münzprägung falsifiziert werden. Denn dass das Labarum erst ab 324/25 durch Münzen bezeugt ist,98 besagt nicht, dass es erst in dieser Zeit geschaffen wurde ; das Motiv kann sehr wohl entsprechend den Angaben des Eusebius und Konstantins schon früher, seit 311/312, vorhanden gewesen und geprägt worden sein, und es ist reiner Zufall, dass davon bisher keine Exemplare bekannt sind.99
6. Die Inschrift an der römischen Konstantin-Statue bei Rufinus
Rufinus hat die ‚Kirchengeschichte‘ des Eusebius ins Lateinische übersetzt. Auch ihm war offenbar die oben benannte Leerstelle in der eusebianischen Vorge95 So auch Heid (2002) 254 : das Labarum „wird sicher schon von Konstantin als Kreuzsymbol verstanden“. – Zum Objekt in der Hand des Kaisers auf der Vorderseite des Ticinum-Medaillons (s. u. im Postscriptum b die Abbildung 8) siehe Bleckmann (2014) 215–220 : nicht, wie man bisher gemeint hat, ein (Kreuz-)Szepter, sondern ein signum militare wie das Labarum ohne Fahnentuch, auf der Spitze keine Kugel, sondern eine Scheibe mit Christogramm, ähnlich dem Motiv auf einer Münze Valentinians II. (RIC IX Roma 37). 96 So u. a. Seeliger (1989) 150 f.; Demandt (2006) 50 f.; Wienand (2012) 258–265, 273 f. – Vgl. Laktanz, der von einem caeleste signum dei spricht (mort. pers. 44,5 ; dazu Girardet (2010) 72–76 : ich rechne aber inzwischen damit, dass er hier weder ein Christogramm noch ein Staurogramm meint, sondern das Kreuz (vgl. Vogt, 1955/1974, 362 f.) ; eine Begründung dafür an anderer Stelle. 97 Girardet (2017b) 328 f. 98 Bruun (1962) 27–29 ; Bruun (1997) passim ; Radnoti-Alföldi (1998/2001) passim. 99 Wie ja auch der neue Aureustyp von 315 mit einem Kreuz auf der Spitze des Vexillums einem glücklichen Zufall zu verdanken ist. Siehe unten das Postscriptum a mit Abbildung 7.
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schichte von Konstantins Feldzug gegen Maxentius (Kap. 2) aufgefallen, und er hat sie in seiner Version von HE IX 9 auf seine Weise geschlossen. Er fügte, wohl teilweise orientiert an der bekannten Darstellung in der ‚Vita Constantini‘ des Eusebius,100 als Antwort des Christengottes auf Konstantins Gebete um göttliche Hilfe (divinum auxilium) beim Kampf gegen Maxentius das Erscheinen eines Kreuzzeichens (signum crucis) aus Licht am nächtlichen Himmel in seine Übersetzung der ‚Kirchengeschichte‘ ein (HE IX 9, 1). Anders als in der HE und der VC des Eusebius soll sich dies aber nicht schon vor Beginn des Feldzugs im Herbst 311, sondern erst während des Krieges nachts auf dem Marsch nach Rom zugetragen haben. Der Kaiser habe dann, als Engel ihm das berühmt gewordene τούτῳ νίκα, quod est : in hoc vince – „in diesem siege“ – zugerufen hätten,101 sich sogleich das signum crucis auf die Stirne gezeichnet102 und sei so, ähnlich wie einst der Apostel Paulus, direkt vom Himmel her zum Christenglauben eingeladen worden (ita caelitus invitatus ad fidem). Dann habe er das Himmelszeichen zu seiner kreuzförmigen Feldstandarte gemacht (in speciem crucis dominicae exaptat), die Labarum genannt wurde,103 dieses beim Kampf in seine rechte Hand genommen und von Gott als Lohn dafür (IX 9, 9 f.) den Sieg erhalten. Vom Christogramm ist bei Rufinus zwar keine Rede, er hat es beim Gebrauch des Wortes Labarum, des durch Christogramm christianisierten Vexillums, aber wohl ‚mitgedacht‘. Bemerkenswert ist nun im Vergleich mit dem griechischen Inschrifttext des Eusebius der lateinische Text bei Rufinus, der auf Anordnung des Kaisers an der römischen Ehrenstatue angebracht worden war. Der Text lautet hier (HE IX 9, 11) : (10 : vexillum dominicae crucis in dextera sua iubet depingi104 et subter adscribi, quia) 11 : in hoc singulari signo, quod est verae virtutis insigne, urbem Roman senatumque et populum Romanum iugo tyrannicae dominationis ereptam pristinae libertati nobilitatique restitui.
Wie zum griechischen Text bei Eusebius,105 so stellt sich auch hier die Frage nach dem originalen Wortlaut. Der Text des Rufinus stimmt mit dem griechischen Eusebiustext insofern überein, als er die Aussage in der 1. Person Singular bie100 Christensen (1989) 282–300 zu Eus./Ruf. HE IX 9. 101 Bei Eusebius (VC I 28,2) sollen die Worte zusammen mit dem Lichtkreuz am Himmel erschienen sein. 102 Siehe zu dieser Geste Konstantins Eus. VC III 2,2. 103 S.o. Anm. 85. 104 Ligota (1963) 191 f.: das Objekt sei ein Gemälde. 105 S.o. bei Anm. 21.
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tet (restitui).106 Ich hatte allerdings zu bedenken gegeben, dass aus bestimmten Gründen107 statt dessen die 3. Person Singular (hier : restituit) wahrscheinlicher wäre. Nun ist bekannt, dass Rufinus sich in den 360er Jahren und gegen Ende des 4. Jahrhunderts in Rom aufgehalten hat. Er könnte das Monument und die Inschrift also gesehen und nicht einfach den Eusebiustext ins Lateinische rückübersetzt haben.108 Dann wäre die 1. Person Singular durch Autopsie bestätigt und die vorgeschlagene Modifikation durch die 3. Person Singular wäre obsolet. Wenn Rufinus die Inschrift jedoch rückübersetzt hat, bleibt die Frage bestehen, ob man nicht doch mit der 3. Person Singular im – nicht erhaltenen – Original rechnen muss, so dass es, als Aussage von Senat und römischem Volk als den Stiftern des Standbildes, geheißen haben könnte : … urbem Romam senatumque et populum Romanum … pristinae libertati nobilitatique restituit. Die Inschrift bezeichnet das vexillum dominicae crucis (10) in der Hand des Kaisers als verae virtutis insigne, als Zeichen „wahrer virtus“.109 Virtus bedeutet hier doch wohl situationsbedingt nach dem Schlachtensieg über Maxentius militärische Leistungsfähigkeit, kämpferische Tüchtigkeit. Aber wessen virtus ist gemeint ? Konstantins ? Nein, oder besser gesagt : nur indirekt. Im Kontext heißt es bei Rufinus nämlich, nach Konstantins Ansicht sei der Sieg nicht seiner eigenen virtus, sondern dem divinum munus, dem göttlichen Gunsterweis zu verdanken (10) gewesen, und er habe divinae virtutis auxilio (1) den Sieg errungen. Die vera virtus der Inschrift ist also die virtus des Christengottes,110 die sich in Kampf und Sieg des zum Christen gewordenen Kaisers manifestiert hat. Der Krieger und Sieger war sozusagen das Gefäß der göttlichen virtus ; der Christengott, der „Urheber alles Guten“ (auctor bonorum omnium deus), war für ihn daher auch der „Urheber jeglicher Kampfkraft und Kampfleistung“ (12 : auctor totius virtutis atque operis). Dokument dieses Bewusstseins ist nach Rufinus das Standbild mit dem „Zeichen des Kreuzes des Herrn“ und der darauf bezogenen Inschrift (10). Am Anfang des Inschrifttextes stehen die Worte in hoc singulari signo. Ist damit etwas ganz anderes gemeint als die griechische Formulierung des Eusebius, die ins Lateinische zurückübersetzt lauten würde : (in) hoc salutari signo – „durch 106 Dazu auch Eusebius : „eure Stadt“ (τὴν πόλιν ὑμῶν) ; demgegenüber Rufinus (s. o.) : urbem Romam. 107 S.o. bei Anm. 21–25. 108 So z. B. Gagé (1933) 385 ; Bonamente (1981) 73 ; Grünewald (1990) 71. 109 Bei Eusebius heißt es demgegenüber : „das wahre Zeichen der ἀνδρεία“ (HE IX 9,11 ; VC I 40,2). Die Akzentsetzung ist hier also etwas anders. Und was wäre ein ‚unwahres‘ Zeichen von Tapferkeit bzw. ‚unwahre‘ virtus ? Die des paganen Maxentius mit seinen Götterzeichen ? 110 Gottes virtus : Eus. VC II 55. Vgl. auch Tert. apol. 50,3 f.: das Kreuz als vexillum virtutis (sc. Christi) ; Orig. hom. in Num. 25,5 : Christus als dei virtus.
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dieses heilbringende Zeichen“ habe er gesiegt ? Also salutare statt singulare ? Ist hier womöglich ein Versehen oder ein Überlieferungsfehler zu konstatieren ? Oder hatte Eusebius den ihm vorliegenden lateinischen Text durch seine Übersetzung absichtlich verfälscht111 und wurde jetzt von Rufinus stillschweigend korrigiert ? Um diese Möglichkeit auszuschließen, braucht man nur den Kontext bei Rufinus zu beachten. Unmöglich kann ein gewöhnliches paganes Vexillum als singulare bezeichnet worden sein. Die Einzigartigkeit des Zeichens besteht vielmehr darin, dass es nach Rufinus (10) das Labarum war, das – mit dem Christogramm versehene – vexillum dominicae crucis. Und als reichte das noch nicht, bezeichnet der Autor einige Zeilen vor seinem Text der Inschrift das Zeichen u. a. auch als – signum salutare (4). Es gibt daher zwischen Eusebius und Rufinus in der Sache keinen Unterschied oder gar Gegensatz. Ob Rufinus den originalen Wortlaut wenigstens teilweise wiedergegeben hat, der den Begriff salutare geboten haben könnte, oder ob er um der terminologischen Abwechselung willen statt salutare, das er zuvor schon gebraucht hatte, das Wort singulare eingesetzt hat, spielt somit für die Beurteilung der Aussage des Textes keine Rolle. Im Übrigen war die Statue auch insofern singulär, als hier offenbar erstmals, worauf schon A. Alföldi und P. Franchi de’ Cavalieri hingewiesen haben, ein Kaiser mit Vexillum in der Hand dargestellt worden ist,112 sozusagen als sein eigener vexillarius.
7. Die ‚Eusebius-Statue‘ und der Marmorkoloss in Rom
Eine weit verbreitete, ja womöglich, mit wenigen Ausnahmen, Allgemeingut gewordene Forschungsmeinung betrifft die Antwort auf die Frage, ob unter den bis heute erhaltenen Konstantinstatuen die von mir verkürzend hier so bezeichnete Eusebiusstatue noch identifizierbar ist. Handelt es sich, wie man zumeist meint, um den berühmten römischen Marmorkoloss,113 dessen Fragmente mit dem 111 Aus meiner Sicht ganz entschieden zu weit geht van Dam (2011) 196, wenn er zu Eus. HE IX 9,11 schreibt : „On the basis of a mistranslation of the dedication, a misunderstanding of its connection to a statue, and an inference about Constantine’s Christianity, Eusebius equated the ‚symbol of salvation‘ mentioned in his translation of the dedication with a ‚symbol of salvation‘ in the statue’s hand. Although Constantine had wanted to present himself in this dedication at Rome as a traditional Republican emperor, Eusebius concluded that he had presented himself as an overtly Christian emperor, and he had adjusted his translation and narrative accordingly“. Vgl. auch ebd. 201–213 zu Eus. VC I 40,2. 112 Alföldi (1939/1974) 236 f.; Franchi de’ Cavalieri (1953) 25 mit 98 f. Anm. 113. 113 Von den Neueren nenne ich nur Egger (1960) 11 ; Thümmel (1998) 158–165, 171 u.ö.; Bardill (2012) 206–208 ; Brandt (2006) 49–52 ; Brandt (2016) 164 f.; Cameron u. Hall (1999) 218 ; van
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enorm ausdrucksvollen Kopf Konstantins in der Maxentius- bzw. Konstantinbasilika am römischen Forum gefunden worden waren und die heute im Hof des Konservatorenpalastes (siehe Abb. 4)114 aufgestellt sind ? In der Debatte um die Datierung des Kolosses und des Konstantinportraits115 werden immer wieder zusätzlich zu Stilvergleichen mit anderen Bildnissen des Kaisers die hier behandelten Eusebiustexte aus der HE und der VC direkt oder indirekt der Argumentation zu Grunde gelegt, und zwar sowohl von den Anhängern einer Frühdatierung als auch von denen einer Spätdatierung. Die Frühdatierung orientiert sich an der Angabe des Eusebius, in Rom sei unmittelbar nach Konstantins Sieg über Maxentius am 28. Oktober 312 eine besondere Statue des Kaisers mit ‚Zeichen‘ und Inschrift errichtet worden.116 Anhänger der Spätdatierung berufen sich ebenfalls u. a. auf Eusebius, meinen jedoch, seine frühe Datierung sei falsch.117 Aber die grundlegend wichtige Frage, ob die Annahme, dass die ‚Eusebiusstatue‘ mit dem Koloss oder der Koloss mit der ‚Eusebiusstatue‘ identisch ist, überhaupt zutrifft, wird dabei, wenn ich richtig sehe, nicht oder nur, und das mit sehr zaghaften Antworten, selten gestellt.118 Die Einzelheiten der Kontroverse, auch um die Bedeutung der beiden fragmentarischen rechten Hände, die angeblich durch eine christianisierende Umarbeitung des Kolosses zustande gekommen sind,119 will ich hier nicht erörtern. In der gebotenen Kürze nur noch folgendes : der Koloss ist, wie die neueste sehr gelungene Rekonstruktion zeigt,120 eine im Jupiterschema konzipierte Sitzstatue
Dam (2011) 190 ; Wienand (2012) 257 : „höchstwahrscheinlich“ Identität von Eusebiusstatue und Koloss. 114 Photo : KMG. 115 Zu der Debatte (und zu allen anderen Problemen der Statue) siehe die glänzende Übersicht von Zanker (1985) 147–152, bes. 147 f. (Forschung). 116 HE IX 9, 10. – Zuerst offenbar Cecchelli (1948) passim ; aber 87 : das Standbild sei keine „statua ufficialmente cristiana“ ; Cecchelli (1954) 13–15 : Eusebiusstatue = Koloss. 117 Z.B. L’Orange u. Unger (1984) 74–77 ; Maraval (2011) 125 f. Vgl. Leeb (1992) 62–65. 118 Siehe Zanker (1985) 148 : Identität „möglich, aber alles andere als sicher“ ; Singor (2003) 483 mit Anm. 7 : Vorbehalte gegen Identität von Eusebiusstatue und Koloss ; Ruck (2007) 255f.: es müsse „völlig offenbleiben“, ob die Eusebiusstellen sich auf den Koloss beziehen. 119 Ersetzung der ursprünglichen Hand mit einem Langszepter durch eine Hand mit Kreuz, auch dies unter Berufung auf Eusebius : L’Orange u. Unger (1984) 65, 73f., 75 ; Leeb (1992) 66 f.; Thümmel (1998) 175–179 ; Maraval (2011) 127 ; Bardill (2012) 207–209, obwohl bei ihm von einer Umarbeitung der Statue mit keinem Wort die Rede ist. Überdies gehört eine der beiden Hände gar nicht zu dem Koloss : Parisi Presicce (2006) 138 mit Abb. 32 und 33. 120 Siehe die Abbildungen in Parisi Presicce (2006) 147 Abb. 48 ; Demandt u. Engemann (2007) 131 ; Schuller u. Wolff (2007) 247.
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Abb. 4 : Die Fragmente der Konstantinstatue.
des Kaisers in quasigöttlicher Halbnacktheit,121 vielleicht, wie dort zu sehen, mit einem Langszepter in der Rechten ; offenbar hat man sich bei der Rekonstruktion von dem als Langszepter mit einer Kugel auf der Spitze höchstwahrscheinlich fehlgedeuteten Objekt auf der Vorderseite des Medaillons von Ticinum leiten lassen.122 Ganz anders aber das ‚Eusebiusstandbild‘ : dieses trug nach Eusebius und Rufinus in der rechten Hand ein Vexillum, also ein – durch das chi-rho christianisiertes – militärisches Zeichen, ein Feldzeichen. Der Kaiser stand dort mithin kurz nach dem Sieg als siegreicher Krieger, er war nicht wie die Kolossalstatue halbnackt sitzend dargestellt, und das bedeutet auch, dass er im Gegensatz zum Koloss eine Rüstung getragen haben muss. Das von Eusebius besprochene Standbild kann somit nur eine Panzerstatue gewesen sein,123 vielleicht in vergoldeter
121 Aber Jupiter setzt das linke Bein vor, hält den Globus in der Rechten, das Langszepter in der Linken : Schuller u. Wolff (2007) 243. 122 Zur Erklärung des Objekts hinter der linken Schulter des Kaisers siehe Bleckmann (2014), oben Anm. 95 : kein Szepter, wie zumeist angenommen, sondern eine besondere Form des Labarums. 123 So auch Singor (2003) 483 Anm. 7 : eine „standing statue in military attire“ ; Deckers (2005) 171 : „eine Darstellung des thronenden Kaisers mit einem Labarum (wäre) ganz ungewöhnlich. Präsen-
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Abb. 5 : Die Konstantinstatue vor der Lateranbasilika.
Bronze. Das Original ist aber nicht erhalten. Ich hatte deshalb vorgeschlagen,124 mit einem Standbild zu rechnen, das dem Schema der wohl ebenfalls zwischen 312/13 und 315 entstandenen Statue entspricht, die heute auf der linken Seite des Atriums der Lateranbasilika steht (siehe Abb. 5).125 Die Statue ist vielfach ergänzt, aber man wird auf Grund des erhaltenen rechten Armansatzes doch annehmen dürfen, dass der Dargestellte ein Feldzeichen gehalten hat. Ob das ein gewöhnliches Vexillum oder das Labarum als christianisiertes Vexillum gewesen ist, muss natürlich offenbleiben ; ich halte das Labarum für das Wahrscheinlichste.126 Auf dem Kopf trägt der Kaiser als Sieger in einem Bürgerkrieg hier die corona civica, einen Eichenkranz, der seinen Träger, wie einst Oktavian/Augustus, als Retter römischer Bürger feiert. Aus der Zeit gut ein Jahrzehnt tieren Konstantin oder spätere Kaiser das Labarum, so tragen sie eine Rüstung und sind stehend oder ausschreitend, nicht aber thronend dargestellt“. Dagegen Brandt (2016) 165 mit Anm. 71. 124 Girardet (2010) 93–95, mit Abbildung und Literaturhinweisen. Mein Vorschlag wird abgelehnt von Brandt (2016) 164 f. 125 Nach Delbrück (1933) Taf. 33. 126 Vgl. auch Bruun (1962) 27 f., jedoch (28) : die Eusebiusstatue sei „possibly identical“ mit der Lateranstatue.
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Abb. 6 : Goldmutiplum Konstantins, heute Nationalmuseum Belgrad.
später (ca. 325/326) ist zufällig dann noch ein in Rom, Trier und Siscia in Silber bzw. in Gold geprägter Medaillontyp erhalten, der selbstverständlich auch früher entstanden sein kann. Er zeigt Konstantin als Krieger und Sieger mit dem Labarum in der Rechten, mit einem Langszepter oder einer zum Boden gerichteten Lanze in der Linken (siehe Abb. 6).127 Auf dem Kopf trägt er jetzt ein Banddiadem, das im Nacken mit einer Schleife zusammengehalten wird. Das Christogramm steht hier sehr schön sichtbar auf dem Tuch, nicht auf einer Scheibe an der Spitze des Labarums. Ich meine, dem Schema der Lateranstatue und der Szene auf dem Medaillon (-typ) entsprechend dürfte das ‚Eusebiusstandbild‘ mit Labarum in etwa ausgesehen haben, wobei der Kaiser 312/313 natürlich ohne Banddiadem dargestellt war, das ja erst um 324/325 eingeführt worden ist, sondern wie die Lateranstatue mit corona civica.
127 Girardet (2010) 56–59. – Goldmultiplum/2 Solidi (Unikat) RIC VII Siscia Nr. 207. Original in der Münzsammlung des Nationalmuseums Belgrad (Inv. No. RCW 156/26 = RCW 6168) ; mit Dank für das Photo von Neboja N. Borić. – Silbermedaillon aus Rom : Bellinger (1958) 135 f. mit Abb. 13 ; Silbermedaillon aus Trier : Gnecchi (1912) I argento 57 mit II Taf. 28 Nr. 9. – Das Motiv (aber nicht mit glatter Fahnenstange, sondern verziert mit Scheiben/imagines) erscheint später auch in der Münzprägung der Konstantinsöhne Konstantius II. und Konstans (Girardet 2010, 59 Anm. 278 ; Radnoti-Alföldi 1998/2001, 279 f. mit 286 Abb.3, 8 und 9) und des Vetranio (Radnoti-Alföldi 1998/2001, 280 f. mit 287 Abb. 19).
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Postscriptum
a) Einer breiteren Öffentlichkeit ist vor kurzem ein neuer Aureustyp Konstantins d. Gr. bekannt gemacht worden.128 Auf der Vorderseite mit der Legende constan-t invs pf avg zeigt er das Portrait des Kaisers mit Lorbeerkranz auf dem Kopf, im Bild nach rechts gewendet. Wohl im Jahr 315 ist der Aureus in der Münzprägestätte Ticinum hergestellt worden. Auf der Rückseite mit der Legende victor omni-vum gentivm sieht man den Kaiser en face in militärischer Kleidung und mit Schwert, seinen linken Fuß auf einen Unterworfenen setzend, seine linke Hand auf einen Schild mit Abbildung eines Tropaions gelegt, der den Unterworfenen zusätzlich niederdrückt. In der Rechten hält er ein Vexillum mit Querstange ohne Fahnentuch, und das Vexillum trägt wenig unterhalb der den Lanzenschaft kreuzenden Querstange ein Medaillon bzw. eine imago clipeata mit Frontalbüste (wohl des Kaisers)129 und, als bisher einmalige Besonderheit in der frühkonstantinischen Zeit, oberhalb des Medaillons und der Querstange ein kleines Kreuz : F. Haymann hat den Aureus kürzlich in einem Aufsatz vorgestellt und sorgfältig interpretiert.130 Der Aureus131 demonstriert auf das Klarste, dass das Kreuz schon in der frühen Selbstdarstellung Konstantins als Christ eine wichtige Rolle zu spielen begann, sei es 311/12 in der Form eines durch chi-rho, sei es, wie sich jetzt erstmals gezeigt hat, 315 eines durch ein Kreuz christianisierten Vexillums,132 das den Christen ohnehin schon immer als ein Kreuz galt.133 Das Kreuz auf dem neuen Aureus ist im Vergleich mit einem realen Kreuz als einem Hinrichtungsinstrument dadurch verfremdet, dass der senkrechte untere Teil, der unmittelbar von der imago clipeata aufsteigt, von der Querstange des Vexillums durchschnitten wird. Eine andere Art der Verfremdung zeigt sich auf einem Goldmultiplum von Konstantins Sohn Konstantin (II.), das wohl aus dem Jahr 326 stammt :134 das Vexillum trägt oberhalb der Querstange ein gleichschenkeliges Kreuz (‚grie128 FAZ Nr. 139/25 R 1 vom 18. 6. 2019, 25, mit Abbildung. 129 Eine solche auch in der Beschreibung eines (christianisierten) Vexillums durch Eusebius : VC I 31,2. 130 Haymann (2019) 255 f. zur Darstellung des Kaisers auf der Rückseite ; 258–264 die Beschreibung des Vexillums ; 265–272 zur Frontalität der Darstellung des Kaisers. 131 Die Abbildung 7 : Dr. Busso Peus Nachf., Frankfurt/Main ; Auktion 423, 2018, S. 424. Mit Dank an F. Haymann, der mir die oben verwendeten Dateien zur Verfügung gestellt hat. 132 Zum Vexillum von 311/12 siehe Girardet (2010) 44–62 ; Girardet (2017b) bes. S. 326–331. 133 S.o. Anm. 65. 134 Haymann (2019) 259 f., mit Abbildung.
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Abb. 7 : Der neugefundene Aureustyp.
chisches Kreuz‘).135 Die Kreuzform des Vexillums auf dem neuen Aureus ist als solche durch die je zwei an der Querstange links und rechts befestigten Schnüre (?) und durch das Medaillon verfremdet. Die Kreuzform des mit chi-rho christianisierten Vexillums wiederum ist durch das Fahnentuch verhüllt.136 Den Sinn dieser Verhüllung bzw. der Verfremdung des Kreuzes sehe ich darin,137 dass eine aufdringliche Präsentation des Skandalons in Gestalt eines ‚nackten‘ Kreuzes138 noch vermieden werden sollte.139 b) Ebenfalls erst kürzlich ist ein viertes Exemplar des Silbermedaillons von Ticinum aus dem Jahr 321 im Münzhandel erschienen, das Konstantin auf der Vorderseite mit dem Christogramm am Helm zeigt.140 Das Christogramm ist hier wesentlich besser erhalten als in den bekannten Exemplaren. Auf der Rückseite sieht man, anders als auf den drei anderen Exemplaren, zwei Vexilla mit einem
135 Das gleiche Symbol bieten auch Folles des Jahres 316 aus Ticinum als Beizeichen, aber mit Sol Invictus Comes und Mars Conservator : RIC VII Ticinum Nr. 43–47. 136 Girardet (2010) 53. – Weiteres in einer in Arbeit befindlichen Studie zu Lact. mort. pers. 44,5. 137 Girardet (2010) 53 f. mit Quellen und Literatur. 138 Vgl. Eus. VC II 5,2 : ‚Symbol der Schande‘ (so Licinius über das christianisierte kreuzförmige Vexillum Konstantins). 139 Vgl. Haymann (2019) 259 Anm. 62. 140 Quelle : Katalog von Numismatica Ars Classica (NAC), Auktion 106, 9. Mai 2018, Nr. 1051. Ich danke Frau Veltman von NAC für die Erlaubnis, die Abbildung zu verwenden. – Die neue Datierung auf 321 (statt 315) hat N. Lenski vorgelegt : Lenski (2018). S.o. Anm. 73.
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Abb. 8 : Das 4. Exemplar des Silbermedaillons.
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Rajko Bratož (Universität Ljubljana)
Der Kampf zwischen Konstantin und Licinius um Illyricum 316/317 im Licht der zeitgenössischen Propaganda Zusammenfassung : Die Auseinandersetzungen zwischen den Kaisern nach dem Verfall des tetrarchischen Systems waren gekennzeichnet durch den Propaganda krieg, in dem die Protagonisten (zuerst Maxentius und danach Licinius und Konstantin) verschiedene Mitteilungsformen verwendeten : Darunter befinden sich nicht nur Kaiserstatuen mit Dedikationsinschriften (dedicatio) in den Städten des nordöstlichen Italiens (Tergeste, Parentium, Emona, Aquileia, Verona). Eine ähnliche Rolle spielte die Aufstellung prachtvoller Meilensteine an den Hauptkreuzungen und auf strategisch wichtigen Punkten. Dabei war auf dem Meilenstein nicht nur die Kaisertitulatur ausgemeißelt, sondern auch sein Porträt. Eine ähnliche propagandistische Mitteilung vermittelten auch Bauinschriften in den Städten, denen die Kaiser besondere Gunst schenkten (beispielsweise Aquileia und Aquae Iasae). Stärker persönlicher Natur waren kaiserliche Geschenke für verdienstvolle Mitglieder der Staatsbürokratie und der militärischen Elite. Sie enthielten kurze Inschriften, die in einer Optativform den erwarteten Sieg des Kaisers ausdrücken (Licinius’ Paradenhelm aus Berkasovo). Im Falle der bevorstehenden kaiserlichen Jubiläen – in meisten Fällen der zehnte Jahrestag der Regierung – drücken sie den Wunsch nach der Wiederholung aus und damit die Vorfreude auf die zwanzigjährige Regierung (Licinius’ Silberschalen). Die persönlichste Form der Zugehörigkeit stellen Konstantins Ringe mit der Inschrift fidem Constantino dar sowie Licinius’ wertvolle Fibeln und Silberschalen. Mit seinem originellen Inhalt hebt sich das crustulum ab, ein Backmodell aus Ptuj mit einem äußerst aussagekräftigen Inhalt, das sich – zwar ohne den Namen des Kaisers zu nennen – sehr wahrscheinlich auf Konstantin bezieht. Auf dem Modell ist ein Triumphbogen mit einem triumphalen Vierspänner dargestellt ; darunter befindet sich eine Inschrift mit dem Wunsch, dass der zehnjährigen Regierung des Kaisers eine zwanzigjährige folgen möge. Die Forschungen zur historischen Topografie von Rom weisen darauf hin, dass das crustulum aus Ptuj die Darstellung des Triumphbogens aufweist, der im Mittelalter den Namen Arcus manus Carneae oder Arcus Argentariorum trug und im späten 15. Jahrhundert
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zerstört wurde. In der Zeit seiner Entstehung stellte er mit seinem aussagestarken Inhalt das Pendant zum Konstantinsbogen dar. Abstract : Following the downfall of the Tetrarchy, conflicts between emperors were marked by the propaganda war, with protagonists (initially Maxentius and later Licinius and Constantine) making use of different forms of messages, including statues of emperors with inscriptions in the form of a dedication (dedicatio) in north-eastern Italian cities (Tergeste, Parentium, Emona, Aquileia, Verona). Erecting lavish milestones on main crossroads and strategically important spots had a similar role. These milestones did not feature merely the emperor’s title, they also included his portrait. A similar propagandistic message was conveyed by building inscriptions in cities, to which emperors showed particular favour (e.g. Aquileia and Aquae Iasae). The emperor’s presents for deserving members of the state administration and the military elite for their loyalty were of a more personal nature. They featured short inscriptions in the optative form, expressing the emperor’s pending victory (Licinius’ parade helmet from Berkasovo) or in the event of the emperors’ upcoming jubilees – in the majority of cases their decade-long reign – a wish for its repetition and, consequently, the anticipation of a two-decade reign (Licinius’ silverware). The most personal form of affiliation represent Constantine’s rings with the inscription fidem Constantino and Licinius’ valuable fibulae and silverware. Owing to its original content, the crustulum, a bread-baking pan from Ptuj, features a very expressive content that – without mentioning the emperor’s name – most probably refers to Constantine. This pan showes a triumphal arch depicting a triumphal four-in-hand ; beneath it, there is an inscription, expressing a wish that the emperor’s decade-long reign be followed by a two-decade one. The research of the Roman historical topography indicates that the Ptuj crustulum depicts a triumphal arch that bore the name Arcus manus Carneae or Arcus Argentariorum in the Middle Ages and was demolished in the late 15th century. In the period of its construction, this triumphal arch, with its expressive content, was a pendant to the Arch of Constantine.
1. Einleitung
Das Ziel dieses Beitrags ist es, die politische und ideologische Propaganda während des Kampfes zwischen Konstantin und Licinius um die Vorherrschaft über den Balkan- und Donauraum des Reiches zu untersuchen. Um das gesamte Spek
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trum der ideologischen Auseinandersetzungen zu verstehen, muss man die gesamte Zeitspanne von der Konferenz der Tetrarchen in Carnuntum (11. Nov. 308) bis zum Ende des ersten Krieges und des Friedensabschlusses zwischen Konstantin und Licinius mit dem Frieden im Frühjahr 317 betrachten. Die Quellen, die Form und Inhalt der Propaganda illustrieren, stammen aus verschiedenen Krisengebieten, von Nordostitalien bis zum Ostbalkanraum. Einige von ihnen ergänzen die Informationen, die wir über die Topographie der militärischen Konflikte besitzen. Während einige der hier untersuchten Quellen in der Forschung häufig diskutiert wurden, sind hingegen vereinzelte unter ihnen fast ignoriert worden. Die Ausdehnung der Macht Konstantins von Italien auf den Balkan verlief im Rahmen der Krise und des Verfalls der tetrarchischen Ordnung. Bei der Konferenz der zwischen den zu dieser Zeit anerkannten Herrschern in Carnuntum, an der Diokletian als Augustus senior teilnahm, wurde im Sinne der Vorschläge des Galerius die sog. Vierte Tetrarchie gegründet. In dieser übernahm Galerius, der Herrscher im Balkanraum und in Kleinasien, als Augustus die führende Rolle. Neben ihm wurden aus der vorangehenden Tetrarchie als Caesares Maximinus Daia und Konstantin einbezogen (von Anfang 309 an als filii Augustorum). Die schon anderthalb Jahren vakante Stelle des Augustus im Westen (bis Frühling 307 von Severus bekleidet) übernahm Licinius, ein Anhänger des Galerius. Drei Anwärter wurden hingegen von der Macht ausgeschlossen. Da zwei von ihnen im Jahr 310 beseitigt wurden (Maximianus im Westen und Alexander in Afrika), bleib als das einzige akute Problem Maxentius, der Italien und Afrika für sich beanspruchte.1
2. Der erfolglose Versuch des Licinius, die Macht auf Italien auszuweiten (309/310) : Propagandistische Elemente bei Licinius und Maxentius
Der erstaunliche Aufstieg des Licinius wurde von zwei Problemen überschattet. Während einerseits Maximinus Daia und Konstantin 305 bzw. 306 dem tetrarchi* Ich danke Herrn Hartmut Leppin und Frau Alexandra Hasse-Ungeheuer (Goethe-Universität Frankfurt) für ihre sprachlichen und inhaltlichen Hinweise. 1 Barnes (1982) 6 (das Kollegium der Herrscher nach der Konferenz in Carnuntum) ; Kuhoff (2001) 826–840 (Tetrarchenkonferenz in Carnuntum) ; 841–870 (der Ausschluss des Maximianus und Domitius Alexander). Zur vierten Tetrarchie und zum Titel filius augustorum Stefan (2004) 290 f.; Stefan (2005) 188–199 ; Leadbetter (2009) 200 ; 205 ; 209 ; Corcoran (2012) 12–15 ; zu Maxentius Leppin u. Ziemssen (2007) 11–34 ; zu Licinius Chantraine (1997) 305–311 ; Bleckmann (2006) ; Cristofoli (2010) (Religionspolitik, das Verhalten zum Christentum) ; zu Maximinus Daia Castritius (1969) 25–47 (Maximinus Daia im tetrarchischen System) ; 63–88 (seine Christenpolitik).
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schen System entsprechend zunächst als die Herrscher mit niedrigem Rang, als Caesaren, eingesetzt bzw. bestätigt wurden, wurde Licinius sofort zum Augustus erhoben, was ein Präzedenzfall war. Dies empfanden die beiden Caesaren, die auf ihren Aufstieg in den Rang eines Augustus warteten, als ungerecht und ehrverletzend. Auf der anderen Seite war der neue Augustus des Westens ein Herrscher ohne Land, der sich das versprochene Territorium (Italien und Afrika) zuerst im Krieg gegen Maxentius erkämpfen musste.2 Bei dem Aufstieg zum Augustus überließ Galerius ihm die pannonische Diözese (mit der Münzstätte Siscia) und die Provinz Raetia (sonst ein Teil der Diözese Italia annonaria). Wie seine Bauinschrift aus Diokletianopolis in Thrakien bezeugt, griff er auch in die Angelegenheiten außerhalb dieses Territoriums ein.3 Während der schweren Erkrankung des Galerius, die bis zu seinem Tod Anfang Mai 311 währte, musste Licinius die gesamte, bis zu 2800 km lange Donaugrenze von Rätien bis zum Schwarzen Meer schützen. Seine Siegestitel – Germanicus (309/310) und Sarmaticus (310) – lassen vermuten, dass er bei dieser Aufgabe erfolgreich war.4 Nach dem Tod des Galerius übernahm Licinius die Regierung für das gesamte Territorium der Balkan- und Donauprovinzen (Diözesen Moesia und Thracia), während die kleinasiatischen Diözesen Pontica und Asiana aufgrund der Vereinbarung mit Licinius an Maximinus Daia fielen.5 Wegen der unzureichenden Militärmacht für die Verteidigung der Donaugrenze und einer gleichzeitigen Invasion Italiens sowie wegen der bitteren Erfahrungen von zwei erfolglosen Versuchen – Severus im Frühjahr 307 und Galerius im Sommer des gleichen Jahres6 – wagte Licinius keinen groß angelegten Angriff auf Italien. Er gab sich mit territorial begrenzten Militäraktionen in dem 2 Origo Constantini (V) 13 (factus imperator velut adversum Maxentium pugnaturus) ; König (1987) 40 ; 92–95. 3 Kuhoff (2001) 858–859, Anm. 1634 ; Zur Inschrift aus Diokletianopolis (Galerius und Licinius als augusti, Maximinus und Constantin als Filii Augustorum) Stefan (2004) 280–282 (mit Datierung der Inschrift in die Zeit von Januar 309 bis Mai 310). 4 Kienast (2004) 295 ; Kovács (2016) 31 f. 5 Gedrängt dazu Origo Constantini 8 (Tunc Galerius in Illyrico Licinium Caesarem fecit. Deinde illo in Pannonia relicto, ipse ad Serdicam regressus…). Die Bezeichnung des Licinius als Caesar ist in dieser prokonstantinischen Quelle falsch !) ; 13 (Licinius itaque ex Nova Dacia vilioris originis, a Galerio factus imperator velut adversum Maxentium pugnaturus. König 1987, S. 36–40 ; 92–95) ; Eutr. 10,4,1 ; Aur. Vict. Caes. 40,8 (… Licinium … eoque ad munimentum Illyrici et Thraciae relicto …) ; Socr. Hist. eccl. 1,2,1 (SC 477,50). Leadbetter (2009) 218 f.; 244, Anm. 21 ; Barnes (2011) 71 ; Kovács (2016) 31. Zur territorialen Ausdehnung der Macht des Licinius nach dem Tod des Galerius Lact. mort. persec. 36,1–2 (SC 39,118 f.; 397 f.). Kuhoff (2001) 879 f. 6 An der letzten hat auch Licinius als Offizier des Galerius und am Schluss als der erste zweier Unterhändler mit Maxentius teilgenommen (Origo Constantini 3,7).
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Grenzgebiet zwischen Italien und Illyricum zufrieden, mit denen er beabsichtigte, eine strategische Grundlage für den geplanten Feldzug gegen Maxentius zu schaffen. In den literarischen Quellen findet sich darüber zwar keine Notiz. Trotz des Schweigens der literarischen Quellen ermöglichen indes die epigraphischen Funde einen Einblick. Zwei Inschriften zu Ehren des Licinius aus Istrien, eine aus Parentium – gestiftet von der res publica Parentinorum im Jahre 3107 – die zweite, ähnlich konzipierte, jedoch nicht datierte aus Pola,8 die von der res publica Polensium gestiftet wurde, befinden sich auf dem Sockel zweier Licinius-Statuen. Diese Monumente samt ihrer Inschriften propagandistischen Inhalts, die, wie in dieser Zeit üblich, im Dativ und somit als dedicatio verfasst wurden, beweisen Licinius’ Macht in einer Region, die als der östliche Teil der Provinz Venetia et Histria zur Diözese Italia annonaria gehörte. Angesichts der Halbinsellage Istriens und der Verkehrsverbindungen der damaligen Zeit konnte Licinius die Macht über Istrien nur in dem Fall ausdehnen, dass er zuvor den östlichen Grenzbereich Italiens mit der Straßenverbindung Siscia – Tarsatica kontrollierte, von wo aus er die Macht über Istrien ausweiten konnte.9 Die wichtigste Quelle für die militärischen Auseinandersetzungen in Istrien in den Jahren 309 und bes. 310 ist der große, mehrteilige Schatzfund (A-E) von Čentur aus dem Areal einer kleinen spätantiken Festung in der Nähe des Ortes, 8 km südöstlich von Koper / Capodistria im nordwestlichen Istrien. Das Schicksal des Schatzfundes (der Hauptteil wurde im Jahre 1944 entdeckt) wurde von der schwierigen Geschichte der Region in den Kriegs- und Nachkriegsjahren geprägt. Der größte Teil des Fundes befindet sich jetzt in dem Slowenischen Nationalmuseum in Ljubljana (über 12.300 Münzen, A, B und ein Teil von C). Ein weiterer beträchtlicher Teil (fast 3400 Münzen) befindet sich in dem Archäologischen Museum in Pula / Pola in Kroatien, wobei die Zahl der restlichen Münzen, die sich 7 Inscr. It. X,2,7 (Parentium) : Imp(eratori) [Caes(ari) V]alerio [Licini]ano [Licinio] Pio F(elici) Invicto Aug(usto), p(ontifici) m(aximo, trib(unicia) p(otestate III, con(suli), p(atri) P(atriae), proco(nsuli), r(e)sp(ublica) Parentinor(um) d(e)v(ota) nu(mini) mai(estati)q(ue) aeius. (zwischen 10. 12. 309 und 9. 12. 310 ; Alföldy (1984) 81, Nr. 19). Witschel (2006) 383, Nr. 6. 8 In etwas verkürzter Form und ohne Datumangabe, sonst gleichlautend ist die Inschrift Inscr. It. X,1,45 (Pola) : Imp(eratori) C(a)esa(r)i Val(erio) Liciniano Licinio Pio Felici Invicto Aug(usto) res p(ublica) Pol(ensium) d(evota) n(umini) m(aiestatique) e(ius). Alföldy (1984) 79, Nr. 8 ; Witschel (2006) 383, Nr. 5. 9 Der Fund eines nummus des Maxentius aus dem Jahr 307 in der Substruktion der Festung von Klana nördlich von Tarsatica spricht für die Annahme, dass Maxentius die Grenze gegen Dalmatien (den sog. Limes von Liburnien) zu befestigen versuchte. Vor der Einnahme Istriens 309/310 musste Licinius in den Grenzgefechten diese Festung einnehmen. Zum Fund Kos (2012) 287, Taf. 16, Nr. 2 (Klana).
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in verschiedenen Museen Italiens und anderenorts befinden, unbekannt ist.10 In dem am besten erhaltenen und vorbildlich analysierten Teil des Schatzfundes (A und B) stammen 97,1 % Prozent der Münzen aus den Münzstätten des Maxentius, davon 64,4 % Prozent aus dem nur 30–40 km entfernten Aquileia. Ähnlich in Hinblick auf die Zusammensetzung und den Zeitpunkt ist Fund D (aufbewahrt in dem Archäologischen Museum von Pula).11 Der Schatzfund von Čentur ist höchstwahrscheinlich ein Überrest der Kasse einer Militäreinheit des Maxentius, die sich panikartig vor den feindlichen Angriff zurückgezogen hat. Alle Umstände weisen auf einen ansonsten im Ganzen erfolglosen Invasionsversuch des Licinius über Nordistrien nach Italien im Spätsommer 310 hin.12 In der gleichen Zeit wurde die Produktion in der Münzstätte in Aquileia aufgegeben. Es ist unbekannt, wie tief die Streitkräfte des Licinius vorgedrungen 10 Eine Übersicht der gesamten Schatzfunde bei Kos (1988) 83–85 ; vgl. Kos (1986) 140–142. (I) Schatzfund Čentur A, entdeckt 1944, mit einem Gewicht um 80 kg, zählte ursprünglich um 12.000 Münzen. Davon erwarb das Slowenische Nationalmuseum in Ljubljana 5032 Münzen ; ein Teil des Fundes wurde nach Triest verkauft und ist im Münzhandel verschwunden, während der größte Teil von dem Finder zu Kupfersulfat verschmolzen und als Spritzmittel für die Weinrebe verwendet wurde. Nach der Auskunft einiger Dorfbewohner befanden sich in dem Schatz auch goldene und silberne Münzen, von denen keine erhalten sind. Die Münzen wurden im Spätsommer 310 vergraben. Die grundlegende Veröffentlichung stammt von Jeločnik (1973) 97–180 (engl. Studie) ; 183–224 (Katalog). (II) Čentur B : entdeckt 1962, ursprünglich um 6000 Münzen, ein Drittel davon (genau 2042 Münzen) wird im Slowenischen Nationalmuseum (Ljubljana) aufbewahrt, die anderen wurden in Triest verkauft und später veröffentlicht (Picozzi, 1964, S. 181 ff., mit der Veröffentlichung von 695 reduzierten folles, davon 510 geprägt in der Münzstätte Aquileia). Die Münzen wurden zur gleichen Zeit wie Fund Čentur A vergraben. (III) Čentur C : schon 1938 entdeckt, ursprünglich 3000–4000 Münzen, davon wurden 2276 von dem Slow. Nationalmuseum in Ljubljana erworben, die anderen jedoch schon vor dem Krieg in Triest verkauft ; grundlegende Studie : Jeločnik u. Kos (1983) ; die Münzen wurden Mitte 309 vergraben. (IV) : Čentur D : schon 1935 entdeckt, im Umfang von 3378 Münzen, von denen 2195 Münzen von dem Archäologischen Museum in Pula/Pola [Kroatien] erworben wurden. Publikation des Fundes : Matijašić (1983). Die Münzen wurden Mitte 309 vergraben. (V) Čentur E : ein kleiner Schatzfund von Aurei (vermutlich 310 vergraben), von denen nur ein Stück [Aureus des Licinius aus Siscia, 309/310] im Slowenischen Nationalmuseum aufbewahrt wird, während die anderen Münzen im Münzhandel verschollen sind. Diesem Fund gehörte vermutlich die goldene Fibel mit einer Maxentius-Inschrift an. Die Gründe für das Vergraben der Schatzfunde C und D (309 !) sind nicht so eindeutig wie im Fall von A und B auszumachen. Bei dem Schatzfund E geht es wahrscheinlich um kleineren Fund, ebenfalls aus dem Jahre 310. 11 Jeločnik (1973) 99 f.; Kos (1986) 154 f. 12 Jeločnik (1973) 95–160 : die Struktur der Teilfunde A (mit um 12.000 Münzen) und B (ursprünglich um 6000 Münzen) zeigt, dass sogar 97,1 Prozent der Münzen in den Münzstätten des Ma-
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sind.13 Ebenso kann man nur vermuten, dass Maxentius mit der Rückeroberung Istriens ein Gegenschlag gelungen war. Die Löschung des Namens auf den beiden Licinius-Inschriften in Istrien könnte eine Konsequenz der Rückeroberung Istriens durch Maxentius (310/311) sein, jedoch gibt es dafür keinen stichhaltigen Beweis. Dies erscheint auch im damaligen historischen Kontext wenig wahrscheinlich.14 Den einzigen vagen Beleg in den schriftlichen Quellen, der zumindest hypothetisch auf die Rückeroberung Istriens durch Maxentius hinweisen könnte, liefert Zosimus. Laut seinem Bericht beabsichtigte (!) Maxentius nicht nur die Eroberung von „Rätien“, sondern auch von „Dalmatien und dem Illyricum“, was nur im Fall einer vorherigen Rückeroberung Istriens möglich gewesen wäre. Allerdings ist es nicht bekannt, ob Maxentius nach dem erfolgslosen Versuch der Eroberung
xentius geprägt wurden, davon um zwei Drittel in dem nahe gelegenen Aquileia ; S. 161–167 (zur Datierung und Gründen für das Vergraben). 13 Vgl. Jeločnik (1973) 166 f. Anm. 366, machte auf einen kleinen Schatzfund (137 folles) in Mittelitalien (!) aufmerksam, der ebenso in das Jahr 310 datiert wird und eine ähnliche Struktur hat. 14 Jeločnik (1973) 166 f. und Callu (2002) 114 Anm. 23 nehmen einen Gegenangriff des Maxentius und Rückzug des Licinius 310/311 an, ebenso Barnes (2011) 71, mit der Auffassung, dass die Löschung der Licinius-Inschriften in Istrien auf die Rückeroberung Istriens durch Maxentius hinweisen könnte. Vgl. Barnes (1981) 33 ; 301 f., Anm. 51 f., mit Hinweis auf ILS 2776 (Inschrift aus Promona in Dalmatien : … Val. Va[le]nti [p]rotectori defun[cto] bello civile in Italia, ann. L … .), die vielleicht in diesen Kontext passt. Callu, (1974) 551 f. zufolge wurde der Schatz von Čentur erst 311 vergraben. Die Ursache für die Vergrabung könnte der Gegenangriff des Maxentius mit der Rückeroberung Istriens gewesen sein und nicht der Angriff des Licinius in Richtung Italien. Als einen Beweis für seine Hypothese verweist Callu auf die Existenz von zwei nummi aus der Münzstätte Trier und 9 folles aus der Münzstätte Siscia aus dem Jahr 310 in dem Schatz. Jeločnik u. Kos (1983) 40, Anm. 29 weisen zu Recht seine These zurück. Der Fund ist der Struktur nach in seiner Gänze ein Schatz des Maxentius, der im Sommer 310 vergraben wurde, und nicht ein Schatz des Licinius aus dem Jahre 311, der auf dem Rückzug seiner erfolglosen Streitkräfte aus Italien nach Osten in Eile vergraben wurde. Die letzten Münzen der Münzstätte Siscia in dem Schatzfund von Čentur, neun Folles des Augustus Maximinus und ein Follis Konstantins mit der gleichen Titulatur wurden nach dem 1. Mai 310, als die beiden Herrscher als Augusti anerkannt wurden, geprägt, wahrscheinlich um die Mitte des Jahres 310. Später hat Callu (2002) 114, Anm. 23 die Vergrabung in die zweite Hälfte des Jahres 310 datiert und ist damit der Chronologie von Jeločnik (1973) 166 f.; 179 (Vergrabungszeit Sommer 310) nahegekommen. Zur schwierigen Frage, wie den Verlauf der Ereignisse in der Grenzzone zwischen Italien und Illyricum um 310 auf Grund der numismatischen und epigraphischen Quellen zu interpretieren sei, gibt es in der Forschung noch einige weitere Stellungnahmen : Picozzi (1976) 274 vertrat die Ansicht, dass Licinius das Territorium Nordostitaliens bis zum Fluss Isonzo kontrollierte ; seiner Meinung nach hat Maxentius keinen Gegenangriff mit Rückeroberung Istriens unternommen. Ähnliche Auffassungen vertreten auch Kuhoff (2001) 859, Anm. 1634 und Witschel (2002) 349 Anm. 152. Ihrer Einschätzung nach blieb Istrien bis zur Schlacht bei Cibalae unter der Herrschaft des Licinius.
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Rätiens (Frühsommer 310)15 die Idee einer Rückeroberung „Dalmatiens und Illyricums“ überhaupt irgendwann zu realisieren versuchte.16 Der kleine Schatzfund Čentur (E) enthält – neben einer unbekannten Zahl von aurei – auch einen Gegenstand mit propagandistischem Inhalt. Es geht um die goldene Zwiebelknopffibel (5,3 cm lang, 46,9 g schwer) aus der Zeit 308/309, hergestellt anlässlich des Konsulats von Maxentius und seines Sohnes Romulus,17 mit folgender Inschrift : maxenti vincas / romule vivas. Merkwürdigerweise stehen die beiden Namen hier ohne Titulatur (Augustus bzw. nobilissimus vir). Der wertvolle Gegenstand, der sich jetzt in der Prähistorischen Staatssammlung in München befindet, wurde in den letzten Jahrzehnten mehrmals veröffentlicht.18 Zu den propagandistischen Gegenständen des Maxentius auf dem Territorium Nordostitaliens aus den Jahren 308–312 gehören auch elf prächtige, großdimensionierte Meilensteine mit der Inschrift Imp(eratori) Caes(ari) M(arco) Aur(elio) Val(erio) Maxentio P(io) Invic(to) Aug(usto). Diese Zeugen kaiserlicher Macht, mit der Konzentration auf das strategisch sehr wichtige Verona, einen Knotenpunkt der Straßen Richtung Westen, Norden und Osten, weisen auf die große Bedeutung dieses Gebietes für ihn hin.19 Die wichtige Rolle dieser Region für die Politik des Maxentius (Konzentration der Streitkräfte, militärische Bauten, Sorge um die Infrastruktur) belegen auch 16 Schatzfunde, die für eine hohe Geldeinfuhr in diese Gegend sprechen.20
15 ILS 664 (der Sieg des Licinius am 27. Juni gegen einen nicht genannten Feind). Kuhoff (2001) 859, Anm. 1634 : weil der Feind nicht genannt wird, geht es wahrscheinlich um einen innenpolitischen Konflikt, vielleicht um einen Erfolg des Licinius gegen Maxentius in Nordostitalien. Als einen Bürgerkriegszustand interpretiert die Inschrift auch Dietz (2017) 110 ; 536 Anm. 33. Demgegenüber deutete Barnes (1981) 33 die Inschrift als Beleg für einen Sieg des Licinius über die Sarmaten. 16 Zos. 2,14,1 (Paschoud (2003) 84 ; 215 f., Anm. 22). Zum erfolglosen Eingriff des Maxentius in Rätien um 310 Czysz (1995) 374–376 ; Dietz (2017) 110 ; 536 Anm. 33. 17 CLRE a. 308 und a. 309 ; Kienast (2004) 291 f. 18 Jeločnik u. Kos (1983) 40 Anm. 28. Zum Zeitpunkt und den Umständen des Fundes ist wenig bekannt. Angeblich gehörte die Fibel zum Schatzfund Čentur E. Auswahl der Veröffentlichungen aus den letzten Dezennien : Wamser u. Zahlhaas (1998) 174 f., Nr. 230 f.; Deppert-Lippitz (2000) 46, Nr. 5 ; Demandt u. Engemann (2007) 77 ; Beyeler (2011) 252 f., Nr. 9 (mit umfangreichen Literaturangaben) ; 445 (Tafel 9a und 9b). 19 Pavan (1991) 101 f. Die Meilensteine befinden sich entlang der Straßenverbindung Aquileia – Verona – Brescia und entlang der Straße von Verona nach Trient bis Blumau (Bozen) auf dem Territorium der Provinz Raetia Secunda. An den annähernd gleichen Stellen wurden später 8 Meilensteine Konstantins aufgestellt. Buonopane u. Grossi (2014) 168–175. 20 Pavan (1991) 117 Anm. 41.
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Nicht einfach ist die Deutung von zwei Meilensteinen des Licinius in der weiteren Umgebung Aquileias. Es geht um einzelne nur diesem Kaiser gewidmete und mit gleicher Inschrift versehenen Meilensteine in Norditalien : D(omino) n(ostro) Liciniano Licinio Pio Felici invicto Aug(usto). Der erste Meilenstein stammt aus der Ortschaft Miren, um 17 Meilen (26 km) nordöstlich von Aquileia an der Straßenverbindung Aquileia – Emona, allerdings östlich von Isonzo, gelegen.21 Der zweite Meilenstein wurde westlich (!) von Aquileia an der Straße Aquileia – Concordia (via Annia) gefunden.22 Diese zwei Meilensteine lassen die Schlussfolgerung zu, dass Licinius zumindest für eine begrenzte Zeit seine Macht auf Aquileia und seine Umgebung ausgedehnt hat. Allerdings gibt es dafür keine verlässlichen Beweise. Noch 312 stand Aquileia fest entschlossen auf der Seite des Maxentius, erst nach dem Sieg Konstantins bei Verona trat die Stadt zu ihm über.23 Für die recht bescheidenen Erfolge des Licinius 310 im nordöstlichen Italien gibt es verschiedene Gründe. Im Frühsommer dieses Jahres führte der Kaiser einen Krieg in Noricum,24 auch stellten sich ihm wegen der Krankheit des Galerius andere Aufgaben. Außerdem muss man berücksichtigen, dass Maxentius nach dem Sieg über Domitius Alexander in Afrika (Ende 309/Frühjahr 310) seine militärische Macht ausbaute. Zosimus berichtet über seine Absicht, Licinius „die 21 Inscr. It. X,4,380 (mit einer Datierung in das Jahr 314) ; Witschel (2002) 385 f., Nr. 13 II. 22 ILS 675 ; InscrAq 2899. Witschel (2002) 385, Nr. 11. In mehreren Inschriften im Territorium Italiens kommt Licinius – immer an der zweiten oder dritten Stelle genannt – zusammen mit Konstantin und Maximinus Daia vor, nach dem Tod des letzten wird er jedoch zusammen mit Konstantin angeführt (bis Oktober 316). Witschel (2006) 348. 23 Vgl. Neri (1975), mit einer Zurückweisung der These, dass Licinius seine Macht auf Aquileia mit Umgebung ausgedehnt habe. Seiner Meinung nach errichtete Konstantin in den Jahren 312–314 den Meilenstein, weil er, zumindest theoretisch, Licinius den höheren Rang zuerkennen sollte. Dagegen mit Recht Witschel (2002) 351–353 : die Errichtung von beiden Meilensteinen mit dem Namen des Licinius auf dem Territorium Konstantins war ihm zufolge Ausdruck der Allianz zwischen den beiden Herrschern in den Jahren 312–316 ; hierfür gibt es andernorts in Italien und im Westen vereinzelte Parallelen. Zum Verhalten Aquileias im Jahr 312 Paneg. 12 (9),11,1 (quos obsidendo servaveras) ; 4(10),27,1 (oppugnatio) vgl. Nixon u. Saylor Rodgers (1994) 311 f., Anm. 74 ; 372, Anm. 113 f.; Bratož (2012–2013) 22–24 ; Bonamente (2014) 208–212 ; Roberto (2014) 132–135. Die Stadt war von Konstantin umzingelt, jedoch nahm er keine richtige Belagerung vor. 24 ILS 664 : der Sieg des Licinius am 27. Juni 310 gegen einen auf der Inschrift nicht genannten Feind, wobei die drei legitimen Kaiser in der folgenden Reihe auftreten : an der ersten Stelle Maximinus Daia, an der zweiten Konstantin, erst an der dritten Licinius, der reale Herrscher in diesem Teil des Reiches. Zur Inschrift Czysz (1995) 374–376 ; Kuhoff (2001) 559 Anm. 1634 ; Demandt u. Engemann (2007) 79 (Photo) ; Kovács (2016) 31–32 ; Dietz (2017) 110 ; 336, Anm. 32 f. Weil der Feind nicht genannt wird, könnte sich der Sieg auf die Erfolge des Licinius gegen Maxentius im Nordostitalien beziehen.
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Provinz Rätien, die sich in der Nachbarschaft Galliens sowie Illyricums befand“, wegzunehmen und dadurch die territoriale Verbindung zwischen Konstantin und Licinius zu unterbrechen.25 Über Licinius’ Maßnahmen im Jahr 311 ist wenig bekannt. Er war an der Formulierung des Toleranzediktes des Galerius beteiligt (30. April 311), bei dem er an der zweiten Stelle (vor Maximinus Daia und Konstantin genannt wird.26 Nach dem Tod des Galerius hielt er sich mehrere Monate in Serdica auf. Als der Erbe des Galerius musste er die Beziehung zu seinem Kollegen Maximinus Daia, der seine Macht vom Osten über Kleinasien bis zum Bosporus ausgedehnt hatte, nochmals erneuern. Erst nach der Machtübernahme in dem gesamten Donau- und Balkanraum und nach der Verständigung mit Maximinus erlangte er endlich ein fest umrissenes und von allen legitimen Herrschern anerkanntes Territorium mit großem militärischen Potenzial, das er durch eine Privilegierung seiner Soldaten und Veteranen noch zu verstärken beabsichtigte (10. Juni 311).27 Gleichzeitig verzichtete er auf die aufreibende Kriegsführung gegen Maxentius in dem Grenzgebiet zwischen dem Illyricum und Italien, orientierte sich gegen Osten und ermöglichte damit seinem Mitherrscher Konstantin, an den er sich gerade in dieser Zeit politisch annäherte,28 den Eingriff in Italien. Anders als Licinius, dem es in der Zwischenzeit (309–311) nicht gelang, den hostis publicus Maxentius zu beseitigen, stabilisierte Konstantin zwar seine Macht im Westen durch den erfolgreichen Krieg gegen die Franken, die Beseitigung seines rebellierenden Schwiegervaters Maximianus (Sommer 310), den strate25 Zos. 2,14,1. Paschoud (2003) 84 ; 215 f. Anm. 22 (Kommentar). König (1987) 110 ; Bleckmann (2004) 78. Angeblich beabsichtigte Maxentius sich auch die Mitteldonauprovinzen und Dalmatien anzueignen, wobei er auf die Zuneigung der hohen Offiziere und teilweise auch der Truppen des Licinius rechnen sollte. Vgl. Pavan (1991) 115 ; Roberto (2014) 139–140, mit Hinweis auf Lact. Mort. pers. 43,2–4 ; 44,10 (Geheimpakt [amicitia, Vorbereitung der gemeinsamen imagines] zwischen Maximinus und Maxentius gegen Licinius, mit der Absicht, Licinius gleichzeitig von Westen und Osten zu bedrohen). 26 Kuhoff (2001) 873 f. Anm. 1649. Vgl. Feld (1960) 79–81 (mit der Meinung, dass Licinius den Inhalt des Ediktes bedeutend beeinflusste). 27 Lact. Mort. pers. 36,1–2 (SC 39,118 f.; 397–400). FIRA I, Nr. 93 (mit dem Datum 10. Juni 311) Kuhoff (2001) 471 f.; Corcoran (2000) 145–148, Nr. 53¸ Liebs (2006) 97 Anm. 2. 28 Wahrscheinlich erfolgte 311 die Verlobung des Licinius mit Constantia, der Halbschwester Konstantins. Lact. Mort. pers. 43,2 (SC 39,125 ; 423) ; Zos. 2,17,2 (hier fällt die Verlobung in der Zeit, als Konstantin wegen des Streites mit Maxentius versuchte, Licinius als seinen Verbündeten zu gewinnen. Umgekehrt war für Licinius diese Verbindung wegen des gemeinsamen Gegners und wegen seiner eigenen Schwäche vorteilhaft. PLRE I, 21 (Constantia 1). Im Gesetz vom 10. Juni 311 zur Privilegierung der Soldaten führte Licinius Konstantin an erster Stelle auf. Zum Inhalt und dem neueren Stand der Forschung Bonamente (2014) 195.
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gisch wichtigen Besuch Britanniens (310) und, zumindest in Hinblick auf seine Selbstinszenierung, durch die Fünfjahresfeier seiner Regierung (quinquennalia). Im Frühling 312 fiel er in Italien ein und beseitigte Maxentius bis Ende Oktober. Damit übernahm er die Macht in Italien und Afrika, die Länder, die in Carnuntum als künftiges Territorium des Licinius zugewiesen worden waren. Infolge des Senatsbeschlusses nahm er die höchste Stellung unter den drei Augusti ein (primi nominis titulum, maximus Augustus). Seinen Sieg gegen Maxentius propagierte er auch auf den Münzen mit der Legende Victoria Constantini Aug(usti) und Virt(us) Exercit(us) Gall(ici).29 Die wichtigste Aufgabe Konstantins als Herrscher der westlichen Hälfte des Reiches war die Regelung der Beziehung zu Licinius. Die Verhandlungen erlangten ihren Höhenpunkt bei der Begegnung der Herrscher in Mailand Anfang Februar 313. Als der Sieger über Maxentius ergriff Konstantin die Initiative sowohl bei der Vorbereitung der Zusammenkunft als auch bei der Ausgestaltung der Beschlüsse. Wenn wir dem prokonstantinisch gesinnten Anonymus Valesianus (Origo Con stantini) Glauben schenken, rief Konstantin Licinius, der sich im Frühjahr 313 in Carnuntum befand, zum Treffen nach Mailand. Dieser begab sich auf den langen Weg nach Norditalien, obwohl die Bedingungen für die Reise in der Winterzeit extrem ungünstig waren : infolge der tiefen Minusgrade erfroren die Reiter auf dem Pferderücken zusammen mit ihren Tieren.30 Konstantin band Licinius mit einem Vertrag ( foedus) an sich, dessen Geltung er mit der Verheiratung seiner ältesten Halbschwester Constantia mit Licinius bekräftigte.31 Das wichtigste 29 Lact. Mort. persec. 44,10–12 (SC 39,127 f.; 444 f.). Den Titel des ersten unter den Augusti benutzte Konstantin am Anfang selten, um nicht seine Kollegen zu beleidigen. Erst nach der Errichtung des Siegesbogens 315 war die Verwendung dieses Titels allgemein üblich. Zur Inschrift auf dem Konstantinbogen Grünewald (1990) 64–108 ; Kuhoff (2001) 914–916 ; zu den gelegentlichen Solidi-Prägungen Beyeler (2011) 97 f. Zu Konstantins Italienzug Bonamente (2014) 198–214 ; Pellizzari (2014) 152–158. 30 Dass sich Licinius Anfang Februar 313 in Canuntum befand, von wo er rasch durch Oberpannonien, das Südnoricum, über die Julischen Alpen (wo die extreme Kälte eingetreten ist) und von dort über Aquileia nach Mailand reiste, berichtet der medizinische Schriftsteller Theomnestus, Hippiatrica Berolinensia 32,4, mit der Beschreibung einer ungewöhnlichen Episode auf dem Weg. Corpus Hippiatricorum Graecorum I, Hgg. E. Oder u. K. Hoppe, Leipzig 1924, 183 ; Barnes (1981) 62–65 ; Barnes (1982) 81. Die Strecke von Carnuntum nach Mediolanum war dem damaligen Straßenverlauf entsprechen (Carnuntum – Savaria – Poetovio – Celeia – Emona – Aquileia) fast 900 km lang und nahm bei einer schnellen Reise um die drei Wochen in Anspruch. Vgl. Kovács (2016) 35 f. 31 Origo Const. 13 : Sed opresso Maxentio cum recepisset Italiam Constantinus, hoc Licinium foedere sibi fecit adiungi, ut Licinius Constantiam sororem Constantini apud Mediolanum duxisset uxorem. Nuptiis celebratis Gallias repetit Constantinus, Licinio ad Illyricum reverso. Auch in den anderen Quellen wird die Hochzeit als der wichtigste oder sogar einzige Akt des Kaisertreffens präsentiert.
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Resultat des Treffens war das Festlegen einer gemeinsamen Religionspolitik. Allerdings übernahm Konstantin auch bei dieser Frage die Initiative und setzte eine christenfreundliche Politik um, die Licinius als sein Verbündeter übernahm.32 Die beiden Kaiser schickten an Maximinus Daia einen eindringlichen Brief mit der Hauptforderung, dass dieser seine gegen die Christen gerichtete Religionspolitik sofort beenden und die christenfreundliche Politik übernehmen sollte.33 Nach der Vereinbarung von Mailand begann Licinius mit dem Kriegszug gegen Maximinus, der nach der Bekanntgabe des Bündnisses zwischen Konstantin und Licinius nach Thrakien vordrang. In dem seit der Einführung der tetrarchischen Ordnung ersten Krieg zwischen zwei legitimen Kaiser besiegte Licinius Ende April 311 den östlichen Herrscher in der Schlacht am Campus Ergenus/Serenus (nördlich von Herakleia) und verfolgte ihn über Kleinasien bis zum kilikischen Tarsos, wo sich Maximinus das Leben nahm.34 Der Umgang des Licinius mit der besiegten Seite – die Hinrichtung aller greifbaren Familienmitglieder der ehemaligen Tetrarchen (Diokletian, Severus, Galerius) – weist auf die Absicht des KaiLact., mort. persec. 45,1 (SC 39, S. 128 ; 446) ; Aur. Vict. Caes. 41,2 ; Epit. de Caes. 39,7 (Konstantin und Licinius luden zur Hochzeit auch Diocletian ein, der jedoch absagte) ; 41,4 (Hic sororem suam Constantiam Licinio Mediolanum accito coniungit). Die Hochzeit erwähnt auch Eutr. 10,5. Die inhaltlich gleiche Formulierung, dass Konstantin Licinius nach Mailand rief, übermittelt auch Zos. 2,17,2 (Paschoud 2003, 88 ; 221 f. Anm. 27) ; vgl. auch Zon. 13,1 (PG 134, Sp. 1100). Die Verschwägerung unter den Kaisern auch bei Eus. hist. eccl. 10,8,2–4 (SC 55, S. 113 f.; GCS 9,2/2, S. 892 f.) ; Vita Const. 1,49,2 ; 1,50,1 (FC 83, S. 208 ; 210) ; Soz. Hist. eccl. 1,7,5 (SC 306, S. 138). Zur Münzprägung Konstantins aus Anlass des Treffens in Mailand (Invictus Constantinus Maximus Augustus und felix adventus augustorum nostrorum RIC VI, 296 f., Nr. 111–114 ; Beyeler (2011) 99 (Münzstätte Ticinum). 32 Eus. hist. eccl. 9,9,12 (SC 55, S. 64 ; Konstantin und Licinius promulgierten das „für die Christen vornehmste Gesetz“) ; 9,9a, 12 (SC 55, S. 67 ; der Brief Konstantins und Licinius an Maximinus). Dieser Text soll mit dem Konstantins Brief an Maximinus unmittelbar nach der Schlacht an der Milvischen Brücke identisch sein (Lact. mort. pers. 37,1 [Constantini litterae] bzw. 44,11 [SC 39, S. 404 f.]). Aufgrund dieses Briefs, der Maximinus „erschreckte“, brach dieser die Christenverfolgung im Osten ab (Eus. hist. eccl. 9,9a,1–9] SC 55, S. 65–67 ; GCS 9,2/2, S. 834–836). Kuhoff (2001) 924–926. 33 Lact. mort. persec. 48,2–13 (SC 39, S. 132–135 ; 456–464 ; Creed (1984) 121–123). Eine in den Einzelheiten andere Fassung bei Eus. hist. eccl. 10,5,2–14 (SC 55, S. 104–107 ; GCS 9, 2/2, S. 883– 887. 34 Lact. mort. persec. 49–51 (SC 39, S. 135–137 ; 464–471 (Kommentar) ; Creed (1984) 123 f. Herrmann-Otto (2007) 98–101 ; 230–231, Anm. 11–14. Neben Lactanz, der eine umfangreiche Beschreibung des Krieges übermittelt, bieten die anderen Quellen nur kurze und manchmal unpräzise Notizen : Eus. hist. eccl. 9,10,4 ; Aur. Vict. 41,1 ; Eutr. 10,4,4 ; Epit. de Caes. 40,8 ; Zos. 2,17,3 (mit einer Lokalisierung der Schlacht im „Illyricum“). Zur Münzprägung des Licinius aus Anlass des Sieges gegen Maximinus Daia vgl. Beyeler (2011) 100.
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sers hin, eine eigene Dynastie zu begründen. Die neue territoriale Aufteilung des Reiches infolge der Dyarchie Konstantin – Licinius schildert der sog. Laterculus Veronensis, ein Verzeichnis der zwölf Diözesen mit rund hundert Provinzen, das vermutlich im Jahre 314 kompiliert wurde. Nach dieser Ordnung regierte jeder Kaiser über sechs Diözesen, wobei die Zahl der Provinzen jedoch im Bereich des Licinius (58) sichtlich größer war als im westlichen Teil Konstantins (nur 43).35
3. Die schwierige Dyarchie zwischen Konstantin und Licinius : Propaganda der beiden Kaiser zur Zeit der Vorbereitungen auf die Decennalien
Mit dem Sieg über Maximinus weitete Licinius seine Macht von dem Balkan- und Donauraum auf den gesamten Osten aus. Nachdem er in den folgenden Jahren mit Erfolg gegen Persien und im unteren Donauraum gegen die Goten gekämpft hatte,36 stand er in Hinblick auf sein militärisches Potential und auch die militärischen Erfolge mit Konstantin auf einer Stufe. Was seine politischen Beziehungen betrifft, war er sogar im Vorteil. Konstantins Sieg gegen Maxentius 312 mit der Eroberung Italiens und der damit verbundenen Aneignung Afrikas stand im Gegensatz zu den Beschlüssen der Tetrarchen-Konferenz in Carnuntum, der zufolge Italien zu dem Machtbereich des Licinius gehören sollte. In der neuen Machtkonstellation begann Licinius Druck auf Konstantin auszuüben, damit er ihm Italien abtrete. Damit entstand in der Grenzzone zwischen Nordostitalien und dem westlichen Illyricum wieder eine Krisensituation, die viel gefährlicher war als in den Jahren 309/310. Um von vornherein den Druck des Licinius zu mindern, schlug Konstantin eine neue Ordnung des Reiches vor, die eine modifizierte Form der Tetrarchie darstellen sollte. Statt einer Dyarchie, die nach dem Tod des Maximinus Daia herrschte, sollte eine neue territoriale und administrative Einheit geschaffen werden, die das 35 Zum Laterculus Veronensis Barnes (1982) 201–208 ; Barnes (1996) 548–550 (mit Datierung Ende 314) ; Zuckerman (2002) 624 ; 636–637 ; Kovács (2016) 42 f. 36 ILS 696 und 8942 : zwei Konstantin gewidmete Inschriften, die erste aus Mauretanien (315), die zweite aus Africa proconsularis (319), auf denen – vergleichbar mit der Epoche der Tetrarchie – Konstantin mit den Siegesbeinamen auftritt, die ungefähr in dieser Zeit sein Herrscherkollege Licinius erworben hat. Auf der Inschrift aus Mauretanien tritt er als Persicus maximus, Adiabenicus max., Medicus max., Persicus max., Cappadocicus max., Gothicus max. auf, auf der Inschrift aus Africa proconsularis als Arabicus maximus, Medicus max., Armen. max. und Gothicus max. Barnes (1982) 81 f. Nach Kovács (2016) 37 ; 43 ; 64 war Licinius nur Sarmaticus maximus und Germanicus Maximus).
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Territorium zwischen den beiden Kaisern umfassen und damit die beiden Herrscher territorial voneinander abgrenzen sollte. Zu dieser neuen territorialen Einteilung sollte sicher Konstantins Italien gehören, vielleicht auch Afrika und die Pannonische Diözese (das westliche Illyricum) unter der Herrschaft des Licinius. In diesem Grenzgebiet sollte ein Caesar als Herrscher niedrigeren Ranges regieren, der mit den beiden Augusti dynastisch verbunden sein sollte. Konstantins Vorschlag bedeutete einen Übergang von der Dyarchie zur Triarchie. Diese Idee Konstantins ist nur durch eine kurze Notiz aus der Origo Constantini bekannt, wobei durch die knappe Darstellung manche Fragen offenbleiben.37 Möglicherweise bezieht sich der Bericht Eusebs auf dieses Geschehen, in dem Konstantin die Vorbereitung von drei Verschwörungen zugeschrieben wird.38 Eine kurze Auskunft zu diesem Komplott übermittelt auf Grundlage der älteren Quellen der byzantinische Chronist Leo Grammaticus aus dem 10. Jahrhundert.39 Der anonyme prokonstantinisch orientierte Historiker aus der Mitte des 4. Jahrhunderts berichtet folgendes : Konstantin habe einen in der Quelle nicht näher vorgestellten Constantius mit dem Vorschlag zu Licinius geschickt, dass ein gewisser Bassianus, der mit der zweiten (Halb)Schwester Konstantins, Anastasia, verheiratet und damit Konstantins Schwager war, als Caesar das zwischen Konstantin und Licinius liegende Gebiet regieren solle. Nach diesem Vorschlag, der „dem Vorbild Diokletians und Maximians“ folgen sollte, sollte in dem Zwischen37 Origo Constantini V,14 f. (König 1987, 40) : Post aliquantum deinde temporis Constantium Constantinus ad Licinium misit, persuadens ut Bassianus Caesar fieret, qui habebat alteram Constantini sororem Anastasiam, ut exemplo Diocletiani et Maximiani inter Constantinum et Licinium Bassianus Italiam medius obtineret. (15) Et Licinius talia frustrante, per Senicionem Bassiani fratrem, qui Licinio fidus erat, in Constantinum Bassianus armatur. Qui tamen in conatu deprehensus Constantino iubente convictus et stratus est. Cum Senicio auctor insidiarum posceretur ad poenam, negante Licinio, fracta concordia est, additis etiam causis quod apud Emonam Constantini imagines statuasque deiecerat. Bellum deinde apertum convenit ambobus. Kommentare zur Stelle (in Auswahl) : Barnes (1981) 66 f.; König (1987) 113–118 ; Šašel (1992) 806–808 ; Elliott (1992) 223–232 ; Neri (1992) 253–268 ; Bleckmann (1996) 79–82 ; Callu (2002) 111–114 ; Odahl (2004) 163 f.; Herrmann-Otto (2007) 102–105 ; Schmitt (2007) 174–178 ; Stephenson (2011) 162–165 ; Barnes (2011) 100–102 ; Rosen (2013) 215–217. Zur Dyarchie Mirković (2012) 8–11. 38 Eus. V. Const. 1,47,2 (FC 83, S. 206) erwähnt, dass gegen Konstantin einige Verschwörungen organisiert wurden, die aber von dem Kaiser mit Gottes Hilfe rechtzeitig entdeckt worden seien. Nach dem erfolglosen Komplott seines Schwiegervaters Maximianus (310) war die nächste die Verschwörung des Bassianus (316) ; dieser Verschwörung folgte 326 die Familienkatastrophe als die Folge eines politischen Komplottes. 39 Leo Grammaticus, Chronographia, cap. Constantinus Magnus (ed. I. Bekker, CSHB 26, S. 84) : Die Erwähnung der Abtrünnigen, die von Konstantin zu Licinius überwechselten, könnte auf eine Verschwörung mit mehreren Teilnehmern hinweisen. Neri (1992) 257.
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territorium, das in dieser Quellenpassage auf Italien begrenzt wird, Konstantins Schwager Bassianus regieren. Hier ergab sich eine scheinbare Analogie zu Galerius als Diokletians Schwiegersohn und Caesar in der ersten Tetrarchie, dessen Territorium (die Balkan- und Donauländer) Diokletian von Maximian trennte. Jedoch bestehen im Vergleich mit der ersten Tetrarchie erkennbare Unterschiede : In der ersten Tetrarchie wurden zwei Caesares nominiert, die als Schwiegersöhne der ihnen übergeordneten Augusti hierarchisch, territorial und hinsichtlich der politischen Zuordnung klar definiert waren, während jetzt nur ein Caesar vorgesehen war. Seine politische und dynastische Orientierung war nicht klar, da er trotz der Verschwägerung mit Konstantin auch Licinius, dem Schwager Konstantins, verpflichtet war. Weil sowohl Licinius als auch Bassianus mit den Halbschwestern Konstantins verheiratet waren, waren alle drei Herrscher miteinander verwandtschaftlich verbunden, was für Konstantin die meisten Vorteile barg. Auch nach neuen prosopographischen Untersuchungen ist über die Identität des Bassianus nichts Genaueres bekannt. Zuverlässig identifiziert ist die zweite Halbschwester Konstantins, Anastasia, die Tochter des Constantius I. und der Theodora. Con stantius, der Bote Konstantins zu Licinius, ist sehr wahrscheinlich mit dem späteren Praefectus praetorio im Osten Flavius Constantius identisch. Dieser war aller Wahrscheinlichkeit nach ein Angehöriger der Dynastie.40 Licinius, der zu diesem Zeitpunkt politisch in einer günstigeren Lage war, wies das Angebot Konstantins nicht offen zurück, sondern versuchte es zu seinem eigenen Vorteil zu verwenden, wofür sich eine gute Gelegenheit ergab. Sein Vertrauensmann ( fidus) war nämlich der Bruder Bassians, Senicio (auch Senecio). Dieser wurde in der älteren Forschung mit dem dux limitis im Noricum identifiziert,41 nach neueren prosopographischen Untersuchungen jedoch war er ein Angehöriger von zwei einflussreichen senatorischen Familien Roms, den Anicii und den Nummi Albini Seneciones. Seine Rolle als Vertrauensperson des Kaisers, die vielleicht wichtiger war als die verwandtschaftliche Beziehung, weist darauf hin, 40 Callu (2002) 112, Anm. 5. Chausson (2002) 138. PLRE I, S. 224 f. (Constantius 1 = Constantius 5). Es ist wenig wahrscheinlich, dass dieser Constantius mit dem Halbbruder Konstantins Iulius Constantius (PLRE I, S. 226) identisch war, ebenso nicht mit dem gleichnamigen praeses Sardiniae, dessen Würde zu niedrig war. Vgl. auch König (1987) 113. Die von Chausson identifizierten Mitglieder der konstantinischen Dynastie beurteilt ein Teil der Forschung als zu spekulativ. Vgl. Rosen (2013) 216 ; Barbero (2016) 32 Anm. 19 ; 299 Anm. 75.; 682–683 Anm. 18. 41 ILS 664. Winkler (1969) 105 f.; Šašel (1992) 807–809. Nach dieser Auffassung ist Senecio mit Aurelius Senecio, dem vir perfectissimus …, dux in Noricum identisch, der im Jahre 311 der Göttin Victoria einen Altar zum Wohl der damaligen Kaiser Maximinus Daia, Konstantin und Licinius weihte. Damit feierte er seinen Sieg gegen unbenannte Feinde, der ein Jahr vorher (27. 6. 310) von einer Eliteabteilung der Reiterei unter Senecios Führung errungen wurde. Vgl. Anm. 15.
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dass Licinius auch im Senat eine Anhängerschaft hatte. Jedoch stärkte auch Konstantin seine Position im Senat durch die Verheiratung seines Halbbruders und seiner Halbschwester mit Angehörigen der römischen Aristokratie.42 Angesichts dieser Machtverhältnisse versuchte Senicio – der anonymen Quelle zufolge der wahre Organisator der Verschwörung (auctor insidiarum) – im Interesse des Licinius den eigenen Bruder und den soeben als Caesar akklamierten Bassianus für einen Anschlag auf Konstantin zu gewinnen. Nach der Entdeckung der Verschwörung ließ Konstantin Bassianus hinrichten, verlangte aber von Licinius sogleich die Übergabe Senicios, der der Mittäterschaft bezichtigt wurde. Weil Licinius die Auslieferung Senicios verweigerte, war das Bündnis ( foedus), das die beiden Herrscher im Februar 313 in Mailand geschlossen haben, endgültig zerbrochen (fracta concordia). Ein Grund für den Versuch Konstantins, seinen Schwager als Caesar auf dem dazwischen liegenden Territorium zu installieren, waren auch innerfamiliäre Verhältnisse, auf Grund derer eine dynastische Lösung nicht möglich war. Konstantin konnte seinen älteren Sohn Crispus (geb. um 300) nicht zum Caesar erheben, weil dieser zu jung war und außerdem nicht aus einer vollgültigen Ehe stammte. Seine Ehe mit Fausta (von 307 an) war nach fast einem Jahrzehnt noch immer kinderlos, da der erste Sohn (Konstantin II.) aus dieser Verbindung erst im Sommer 316, einen Monat vor Kriegsausbruch, geboren wurde. Licinius befand sich in einer ähnlichen Lage : Sein unehelicher Sohn war für eine dynastische Ordnung des Staates nicht geeignet, während der Sohn aus der Ehe mit Constantia (Licinius Iunior) erst im Sommer 315 geboren wurde.43 Die genaue Chronologie der Ereignisse ist nicht zu rekonstruieren. Dass sich die Spannungen zwischen den beiden Kaisern im Jahr 315 intensiviert haben, beweisen die Vorbereitungen auf die Feierlichkeiten für das zehnjährigen Regierungsjubiläums Konstantins (mit Beginn am 25. Juli 315). Die Münzstätten im Westen und in Italien emittieren zu diesem Anlass Serien von Gedenkmünzen mit den entsprechenden Inschriften (vota X). Die beiden Münzstätten im Illyricum, Siscia in der Diözese Pannonien und Thessalonike in der Diözese Mösien, die sich auf dem Territorium des Licinius befanden, prägten keine Münzen anlässlich des Jubiläums.44 Im westlichen Teil des Reiches wurden hingegen aus Anlass der 42 Callu (2002) 114 ; Chausson (2002) 138–142 ; 151 ; Herrmann-Otto (2007) 105. 43 Callu (2002) 112 ; 116 (mit Datierung der Geburt des Crispus in die Zeit um 300 [nach PLRE I, 233 erst 305], der Geburt Konstantins II. in das Jahr 316) ; 137 f.; 151–153 (die Geburt des Crispus 298/300). 44 Grünewald (1990) 112 ; Herrmann-Otto (2007) 106.
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Abb. 1 : Crustulum aus Poetovio. © Pokrajinski muzej Ptuj Ormož / Regionalmuseum Ptuj Ormož (Inv. Nr. 1007 [Original] ; 1107a [Positiv]) ; Photo : Boris Farič.
zehnjährigen Regierung Konstantins auch zahlreiche Ehreninschriften in öffentlichen Gebäuden und an anderen geeigneten Orten aufgestellt, in denen bekundet wurde, dem Kaiser die dem Jubiläum gemäße Ehre erwiesen zu haben und in denen gleichzeitig gute Wünsche für das künftige zwanzigjährige Regierungsjubiläum ausgesprochen wurden (votis X – votis XX). Auf dem Territorium der beiden Diözesen im Illyricum (Panoniae und Moesiae), die unter der Herrschaft des Licinius standen, sind solche öffentlichen Inschriften nicht erhalten.45 Dabei verdient eine private Ehrung anlässlich von Konstantins Jubiläum Aufmerksamkeit, die sich auf dem crustulum, einer Tonform zum Backen, aus Poetovio (Noricum Mediterraneum) befindet. Die Ortschaft gehörte damals sicher zum Herrschaftsgebiet des Licinius. Es geht um eine volkstümliche, offensichtlich inoffizielle, jedoch tolerierte Form der Ehrung Konstantins. Ein zentraler Teil der Form ist beschädigt und erschwert die Interpretation des gesamten Szenariums (Abb. 1).46 Die Tonform für das Backen von Hefekuchen (crustulum) aus Poetovio (mit einem Durchmesser von 22,5 cm, gefunden vor 1913) wurde aus Anlass der Feier der Decennalienfeier eines auf dem Gegenstand nicht namentlich genannten Kaisers hergestellt. Die in den Formen gebackenen Hefekuchen transportieren auch die kaiserliche Selbstdarstellung, wobei die Form selbst die Szene der Feier seiten45 Grünewald (1990) 111 f.; 237–241, Nr. 375–400 (die Inschriften zur Ehre Konstantins aus den Diözesen Pannoniae und Moesiae). 46 In den wesentlichen Zügen folge ich der Auslegung von Abramić (1925) 100–103 (Nr. 94) ; Parisi Presice (2004) ; Parisi Presice (2005).
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verkehrt wiedergibt (als Negativ). Wegen des geringen Platzes und wegen einer eventuell mehrmaligen Verwendung des Modells befindet sich auf der Backform keine Inschrift, jedoch war für die Bäcker und Käufer der Kaiser auch ohne Inskription bekannt. Auf der Tonform wird der Dezennalien gedacht (vota soluta) und bereits ein Ausblick auf das zwanzigjährige Jubiläum gegeben (vota suscepta). Da der Kaiser nicht namentlich genannt wird, könnte sich die dargestellte Triumphszene auf mehrere Kaiser beziehen : Diokletian (mit seiner Feier 294 in Nicomedia), Maximian (seine Feier zusammen mit der Errichtung des Arcus novus in Rom 293),47 und Konstantin (315). Die Zuordnung zu Konstantin scheint am wahrscheinlichsten. Folgendes findet sich auf der Matritze : In der Mitte ist ein Triumphbogen mit drei Durchgängen zu sehen. Im oberen Teil des Bogens befindet sich der Kaiser auf einer Quadriga. Der Kaiser trägt einen Kranz auf dem Kopf und hält in der rechten Hand einen Palmenzweig. Links und rechts vom Kaiser sind je zwei Victorien und Trophäen abgebildet. Auf dem oberen Frontalfries steht die Inschrift : votis x et xx / fel(iciter). Unter den Gewölben stehen auf den kleinen, mit Kränzen geschmückten Sockeln vier Männerfiguren, im inneren Teil stehen auf vier Sockeln die weiblichen Figuren, von denen die Göttin Victoria mit erhobener rechter Hand am besten sichtbar ist. Die zentrale Männerfigur, die trotz der Beschädigung der Matritze erkennbar ist, hat einen Kranz auf dem Kopf und hält einen nicht sicher identifizierbaren Gegenstand (einen Harnisch, ein Zepter oder eine Lanze ?). Im Hintergrund befinden sich mit drei coronae gemmatae verzierten insignia militaria, ein Baldachin und ein Adler. Ganz oben, auf Höhe der Inschrift, sind zwei offene Handflächen (Schwurhände) abgebildet. Links und rechts vom Siegesbogen stehen zwei bebänderte Säulen, auf denen zwei Reiterstatuen in der Pose der adlocutio abgebildet sind. Vor dem Siegesbogen liegen zwei ovale Schilde, unter diesen nebeneinander zwei Lanzen. Unter den Bögen stehen, wie bereits erwähnt, auf den Sockeln, die mit Blumengewinden geschmückt sind, verschiedene Figuren. In der Mitte steht die größte, mit einem Panzer bekleidete männliche Figur, mit Zepter oder Lanze in der Hand, sehr wahrscheinlich der Kaiser ; zu seiner Rechten steht eine weibliche Figur mit langer Kleidung und Mantel, vielleicht die Kaiserin. Auf der linken Seite befindet sich eine kleinere männliche Figur mit Panzer, Helm und Lanze, sowie mit erhobener rechter Hand, die dem Kaiser zugewandt (?) ist. Es handelt sich hierbei vielleicht um den mitregierenden Augustus (Licinius ?), ein anderer Vorschlag 47 Kienast (2004) 266 ; 272.
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möchte hier die Göttin Roma dargestellt sehen. Auf der schmalen Fläche über den beiden Reiterstatuen befindet sich die kaum lesbare Signatur des Künstlers. Das crustulum von Poetovio wurde in Rom oder von einem Künstler, der Rom kannte, hergestellt, da er die Topographie Roms und die urbanen Veränderungen zur Zeit Konstantins wiedergibt. Die Backform bildet einen damals bestehenden, jedoch nicht leicht identifizierbaren kaiserlichen Bau in Rom ab. Der überzeugenden Argumentation Claudio Parisi Presice zufolge, der verschiedene Interpretationen diskutiert, stellt die Abbildung auf dem crustulum den nördlichen Eingang zu dem Forum Traiani dar ; von dort führt der Weg zur Basilica des Maxentius, wo in der westlichen Apsis die Kolossalstatue Konstantins errichtet wurde und wo die Feierlichkeiten mit der adoratio des Kaisers abgehalten wurden. In diesem Fall diente dieser Bau in unmittelbarer Nähe der Trajanssäule als eine Ergänzung des nicht weit davon erbauten Konstantinsbogens.48
4. Der Zwischenfall von Emona und die Frage des dortigen LiciniusPorträts
Die Schuldzuweisung für den Kriegsausbruch war in der Spätantike eine politisch brisante Frage. Die heidnischen Autoren schoben die Schuld Konstantin zu ; dieser habe in seinem Streben, das gesamte Reich alleine zu regieren, alle vorangehenden Vereinbarungen missachtet.49 Nur Aurelius Victor führt als Ursache die verschiedenen Sitten der Kaiser an (ob diversos mores), die dazu geführt hätten, dass ihre Regierung nur unter großer Anstrengung drei Jahre gedauert habe (anxie triennium congruere quivere).50 48 Dieser Bau ist in keiner spätantiken Quelle belegt, jedoch in einer Reihe von Quellen aus dem Hoch- und Spätmittelalter, und zwar als Arcus Manus Carneae oder arcus Argentariorum. Laut der mittelalterlichen Legende hielt an diesem Ort Diokletian über die Märtyrerin Lucia Gericht, mit einem Namen gebenden Strafwunder : Als der Henker die Märtyrerin zu prügeln begann, wurde er zu Stein. Der Name Manus stammte von den Abbildungen der Schwurhände auf dem Bau, die bei verschiedenen militärischen Szenen auf der Trajan- und auch auf der Mark Aurel-Säule vorkommen. Die Inschriften zu Ehren der Decennalia mit Voten für die Vicennalia trug damals der im Jahre 315 vollendete Konstantinbogen. Die letzten Belege über die Existenz des Arcus Manus Carneae stammen aus dem späten 15. Jahrhundert (1478–1490). Übersichtlich Gregorovius (1978) 714 ; grundlegend Parisi Presice (2004) 288 ; 295–298 ; Parisi Presice (2005) 149 f. 49 Zos. 2,18 (Konstantins Eidbruch und sein Wunsch nach neuen Gebieten) ; Eutr. 10,5 (Konstantins Wunsch, das gesamte Reich selbst zu regieren). 50 Aur. Vict., De Caes. 41,2–5 : Konstantin war großzügig und nachsichtig mit den besiegten Feinden ; weil er die Kreuzigung als Todesstrafe aufhob, war er allseits beliebt. Demgegenüber war Licinius
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Die christlichen Autoren weisen hingegen Licinius die volle Schuld zu, der Christen verfolgt und damit die Vereinbarung von Mailand gebrochen habe.51 Aus seinem Territorium sind insgesamt fünf Märtyrergruppen bekannt, eine in Moesia I (Hermylus und Stratonicus in Singidunum), die anderen (Strato mit zwei Begleitern, Makrobios mit fünf Begleitern, eventuell auch Chrestus und Pappus, Helias) in Tomis in der Provinz Scythia minor.52 Weil die Martyrologien keine Jahresangaben übermitteln, könnten sich diese Martyrien, zumindest hypothetisch, auf verschiedene historische Kontexte beziehen : (1) die Zeitspanne zwischen Ende 308 und dem Toleranzedikt des Galerius Ende April 311 ; (2) die Zeit der Spannungen mit Konstantin und Vorbereitungen auf den Krieg (315– 316) ; (3) die Zeit der Vorbereitungen auf den zweiten Krieg gegen Konstantin (322–324).53 Allerdings war nach dem gescheitertem Versuch eine ‚Triarchie‘ einzurichten und der Verschwörung gegen Konstantin der Ausbruch des Krieges nur eine Frage der Zeit. Die chronologische Abfolge des Krieges ist infolge mehrerer Studien in den letzten Dezennien unstrittig : der Krieg begann im Spätsommer/ Früherbst 316 und endete mit einem Friedenschluss im Frühjahr 317. Die einstmals vorgeschlagene frühere Datierung in das Jahr 314 (nach Cons. Const.; nach Hieronymus sogar 313) ist falsch. Ebenso unhaltbar ist die Annahme von zwei zeitlich und geographisch voneinander getrennten Kriegen, des ersten 314 in Pannonien, des zweiten 316/7 in Thrakien.54 geizig und ordinär ; im Unterschied zu Konstantin verschärfte er die qualvolle Hinrichtung durch die Kreuzigung noch. Einen unterschiedlichen Regierungsstil beschreibt auch Philostorg. hist. eccl. 1,6d-e (Bleckmann u. Stein 2015a, 148 f.). 51 Eus. hist. eccl. 10,8,8–11 (SC 55, S. 115 f.) ; Oros. 7,28,18 ; Soz. hist. eccl. 1,6,6 (SC 306, S. 134–136). Die Origo Const. 20 und Socr. hist. eccl. 1,3 (SC 477, S. 54–56) nannten die Christenverfolgungen als Ursache für die kriegerische Auseinandersetzungen. Zon. 13,1 (PG 134, Sp. 100 A) erwähnt verschiedene Ursachen, von denen der antichristlichen Politik des Licinius die größte Bedeutung zugeschrieben wird. Zur religiösen Politik des Licinius Barnes (1981) 70–72 ; eine ausführliche Analyse liefert Cristofoli (2010). 52 Bratož (2004) 236–239 ; 246. 53 Diese zeitliche Abfolge ist ersichtlich bei Philostorg. hist. eccl. 1,6e (Bleckmann u. Stein 2015a, 148–150). 54 Zur Chronologie zuletzt Becker u. Bleckmann u. Groß u. Nickbakht (2016) 84 f. Die Annahme, dass der Krieg in zwei zeitlich und geographisch getrennten Phasen verlief (314 Cibalae, 316 Campus Ardiensis ; Neri (1992) 258–262 ; Weiler (1996) 130 ; Weiler (2003) 58) ist nicht haltbar. Zos. 2,19 verband das Ende des Krieges in Pannonien mit seiner Fortsetzung in Thrakien durch die folgende Episode : Nach der Eroberung von Cibalae und Sirmium entsandte Konstantin eine starke Abteilung (5000 Soldaten), die Licinius in östlicher Richtung verfolgen sollte. Diese Abteilung verfehlte den Weg, auf dem Licinius geflüchtet war (2,19,1). Als die Heere Konstantins und des Licinius aufeinander zu rückten und die Schlacht am Campus Ardiensis begann, nahm die
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Die Origo Constantini führt als zusätzliche Ursache für den Kriegsausbruch (bellum apertum) die Zerstörung der Bilder und Statuen Konstantins apud Emonam an, was sich konkret auf diese östlichste Stadt Italiens, gleichzeitig aber auch auf ihr Verwaltungsgebiet beziehen könnte.55 Der Plural weist auf die Zerstörung von mehreren Monumenten hin, die nach dem Abkommen von Mailand die beiden Kaiser in der Stadt und wahrscheinlich auch auf den Grenzstationen errichteten. Unter diesen Stationen spielte Atrans, der Passübergang an der Grenze zum Noricum Mediterraneum, eine wichtige Rolle, wo Spuren eines Militärobjektes und die Reste von zwei vergoldeten Reiterstatuen entdeckt wurden.56 Die Zerstörung stellte eine offene Provokation dar, gleichviel ob dieses Territorium zu diesem Zeitpunkt zum Einflussbereich Konstantins oder des Licinius gehörte.57 Die prokonstantinische Quelle schrieb die Tat Licinius zu, wobei in der historischen Forschung auch alternative Szenarien diskutiert wurden.58 Militäreinheit Konstantins, die zuvor Licinius verfolgt hatte, an der Schlacht teil (Zos. 2,19,3). Bei der Annahme von zwei Schlachten, die im Abstand von zwei Jahren stattfinden, wäre dies nicht möglich. 55 Origo Const. 15 (König (1987) 40 ;118) : Cum Senicio auctor insidiarum posceretur ad poenam, negante Licinio, fracta concordia est, additis etiam causis quod apud Emonam Constantini imagines statuasque deiecerat. Bellum deinde apertum convenit ambobus. Šašel (1992) 806–808, vertrat die Ansicht, dass sich der Bericht auf die Statuen und Abbildungen an den Grenzen des Verwaltungssprengels Emonas (die Straßenstationen Atrans, Praetorium Latobicorum, Carnium, Nauportus) bezieht. Seiner Meinung nach wurde vor allem die Post- und Zollstation Atrans an der Grenze zum Noricum zerstört. Weiler (2003) 58 Anm. 66 übernimmt diese Deutung, nimmt jedoch eine andere Zeitfolge an. König (1987) 118 meinte, dass es um die Zerstörung in der Stadt Emona geht, die zu diesem Zeitpunkt zum Territorium des Licinius zählte. Callu (2002) 114 vertritt die Auffassung, dass Licinius nach dem Sieg Konstantins bei Verona im Sommer 312 seine Macht auf Emona ausgedehnt habe. 56 Šašel (1992) 807 (mit Bezug auf die Zeit Konstantins). Den neueren Forschungen zufolge stammen die spärlichen Reste der zwei vergoldeten Reiterstatuen aus der Zeit Mark Aurels (Istenič (2015) 96 f.). 57 Šašel (1992) 807 (seiner Meinung nach gehörte Emona zu Konstantin) ; Witschel (2002) 351 Anm. 162 (die Stadt wurde möglicherweise im Sommer 310 [zur Zeit seines Krieges gegen Maxentius in Istrien] von Licinius eingenommen und stand bis 316 unter seiner Gewalt). 58 Vgl. Schmitt (2007) 178 und bes. 302 Anm. 13, mit Erörterung der Frage, ob die Statuen nicht durch von Konstantin bezahlte Unruhestifter umgestürzt wurden, um Licinius öffentlich ins Unrecht zu setzen. Seiner Meinung nach wollte Licinius vor Abschluss seiner Kriegsvorbereitungen keinen offenen Bruch riskieren. Demandt in Demandt u. Engemann (2007) 79 (Konstantin war derjenige, der den Krieg wollte). Barnes (2011) 101–103 (Konstantin suchte den casus belli ; die Episode über die Zerstörung der Statuen Konstantins ist seiner Meinung nach ein Produkt der konstantinischen Propaganda im Sinne der ‚invented story‘). Die Hauptursache für die Schwierigkeiten bei dem Verständnis dieser Stelle sollte die – seiner Meinung nach – falsche Vorstellung sein, dass Emona zur Provinz Venetia et Histria als einem Teil der Diözese Italia annonaria gehörte
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Abb. 2 : Porträt des Kaisers Constantius Chlorus oder des Kaisers Licinius. Frühes 4. Jahrhundert, die Höhe des Fragments 28 cm. © Narodni muzej Slovenije / Slowenisches Nationalmuseum Ljubljana (Inv. Nr. R 11649) ; Photo : T. Lauko.
In diesem Zusammenhang verdient ein interessanter Fund aus Emona Aufmerksamkeit, der sich möglicherweise auf diesen oder einen ähnlichen historischen Kontext bezieht. Es geht dabei um das Fragment einer Statue (ein beschädigter Kopf ), das im späten 19. Jahrhundert in einer Grube am westlichen Tor von Emona gefunden wurde (Abb. 2). Kunsthistoriker, slowenische wie internationale, datierten die Plastik in das späte 3. oder das frühe 4. Jahrhundert, da der Bildhauer dem kaiserlichen Porträtstil der Tetrarchie folgte.59 Verschiedene Autoren weisen auf eine Ähnlichkeit zwischen dem Porträt von Emona und dem Porträt eines reiferen Mannes (damals unter Konstantin) und nicht zur Diözese Pannonien (damals unter Licinius), wo dieser bei einer für ihn passenden Gelegenheit die Zerstörung der Statuen Konstantins anordnen könnte. Jedoch bestätigte der 2001 gefundene Grenzstein zwischen den Verwaltungsterritorien von Aquileia und Emona in der Ortschaft Bevke 13 km südwestlich von Emona die früher vorgelegte Hypothese Šašels (1992, 707–714), dass Emona schon von seinen Anfängen an zu Italien gehörte (Šašel Kos 2014). 59 Cambi u. Popović u. Popović u. Srejović (1987) 234, Nr. 223 [S. Petru] ; unter den slowenischen Autoren grundlegend Osvald (2014) (mit einer umfangreichen Bibliographie zur älteren Forschung).
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auf dem Konstantinsbogen hin, das Licinius darstelle. Die aus der gleichen Zeit stammenden Statuen aus dem Balkan- und Donauraum (Styberra, Tomis, Apulum) weisen stärker individualisierende Züge auf. Die in ähnlicher Weise stilisierten Porträts aus Italien (Alba Fucens, Neapel, Sperlonga) wurden zeitlich früher der Tetrarchie zugeschrieben.60 Im Fall, dass auf dem Fragment von Emona die gleiche Person wie der Konstantinsbogen abbildet ist, stellt sich zusätzlich die Frage, ob das Fragment aus Emona entweder Licinius (was mir wahrscheinlicher scheint) oder den Vater Konstantins darstellt (die Mehrheit der Forscher votiert für Licinius,61 eine Minderheit für Constantius Chlorus62). Weil die ikonographische Analyse keine sichere Antwort bietet, operieren die Kunsthistoriker vorwiegend mit historischen Argumenten, die im konkreten Fall aber keine sicheren Schlüsse zulassen. Was kann der Fund über den historischen Kontext der Zerstörung der Statuen Konstantins aussagen ? Im Fall, dass die Statue von Emona Licinius darstellte, ist es allerdings möglich, dass beim Vordringen der konstantinischen Armee von Norditalien in Richtung Pannonien im Frühherbst 316 bei der Einnahme Emonas die Statue des gegnerischen Kaisers am westlichen Stadttor umgestürzt wurde. Annähernd zur gleichen Zeit wurden in der Provinz Venetia et Histria die Licinius-Statuen in Parentium und in Pola demoliert. In beiden Fällen wurden sie von dem Sockel gerissen, wobei der Name des Kaisers eradiert wurde. In den gleichen Kontext gehört die Beschädigung der beiden Licinius-Meilensteine auf dem Gebiet von Aquileia.
5. Politische Konzeption und Propaganda im Lichte der kaiserlichen largitiones und der öffentlichen Inschriften A. Licinius
(1) Zur Zeit der Vorbereitungen auf das zehnjährige Regierungsjubiläum (11. Nov. 317), die mit der Intensivierung der Spannungen mit Konstantin und den Kriegsvorbereitungen zusammenfallen, gab Licinius in den Werkstätten in Sirmium und 60 Bergmann (1977) 160 Anm. 654. 61 Zur Ikonographie des Licinius Calza (1972) 32 f.; 200–202 ; R.R.R. Smith (1997) (mit zahlreichen Abbildungen) ; Rohmann (1998) bes. 261–266 ; 278–282 ; Demandt u. Engemann (2007) 67, Nr. 25. 62 Osvald (2014) (mit älterer Bibliographie) ; Istenič (2015) 138 f.
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Naissus (daneben auch in Nicomedia und Antiochia) die Herstellung von silbernem Geschirr mit den entsprechenden Inschriften in Auftrag, von denen insgesamt zwölf Teile erhalten sind.63 Das silberne Geschirr war schon im 3. Jahrhundert als Geschenk für hohe militärische und zivile Würdenträger als Zeichen der Anerkennung für ihre Treue gebräuchlich.64 Ganz besonders wertvoll waren die Jubiläumsgeschenke mit den kaiserlichen Inschriften oder sogar mit einer Abbildung des Kaisers. Als Beispiel sei die Schale aus der Werkstatt in Naissus genannt. Auf der Schale steht die Inschrift Licini Auguste semper vincas / Sic X et sic XX, daneben auch eine kleinere Inschrift mit dem Namen des Herstellungsortes und des Meisters : Naiss(i) / (H)ermes vascularius f(ecit).65 Diese Gegenstände wurden in Naissus (damals in Dacia mediterranea gelegen) und an zwei weiteren Orten in Bulgarien gefunden. Bei Berücksichtigung von drei Fragmenten haben sich insgesamt 14 Schalen erhalten :66 drei (davon eine ohne Inschrift) in Červen Brjag (Bezirk Pleven, Nordwestbulgarien, damals in der Provinz Moesia Secunda) ;67 drei (ursprünglich sechs) in Eni Eri (Bezirk Haskovo in Südostbulgarien, damals in der Provinz Thracia gelegen),68 fünf
63 Beyeler (2011) 104–107. 64 Über silberne Schalen als kaiserliche Geschenke an verdienstvolle Offiziere berichten zwei ansonsten fiktive Briefe in der Historia Augusta : I. Kaiser Valerian gab dem Militärtribun Probus (dem späteren Kaiser) reiche Geschenke : neben ausgewählten Kleidern und Delikatessen auch patinam argenteam librarum decem specellatam (Vita Probi 4,5) ; II. Gallienus soll einen verdienstvollen Offizier, den späteren Kaiser Claudius, reichlich beschenkt haben. Er gab ihm … pateras gemmatas trilibres duas, scyphos aureos gemmatos trilibres duos, discum corymbiatum argenteum librarum viginti … lanceam argenteam hederaicam librarum uiginti. (Vita Claudii 17,5). Für das späte 6. Jahrhundert vgl. auch Corippus, In laudem Justini 2,140 ff. 65 Zu Sirmium und Naissus als Zentren der Werkstätten von Gold- und Silbergegenstände Popović u. Borić u. Brešković (2013) 162–172 ; 299 ; 303 ; 325 f. 66 Gesamtübersicht mit erschöpfender und kritischer Bibliographie : Beyeler (2011) 104–107 ; 253–265 (Katalog) ; 445–450 (Tafeln). Auswahl der Teilübersichten : Garbsch u. Overbeck (1989) 47–60 ; 64–67 ; Wamser u. Zahlhaas (1998) 110–119 ; Donati u. Gentili (2005) 227 f., Nr. 40 f. (zwei silberne Schalen aus Naissus) ; Nr. 42 (die Tonmatrize von Niš, die zur Herstellung dieser Schalen diente. Die Form und die Dimensionen der Form stimmen mit den Maßen Dimensionen der silbernen Schale überein). 67 Beyeler (2011) 253–255, Nr. 10a-b und 11a-b, Tafeln, S. 445 mit der Inschrift : a. Licinius Invict(us) Aug(ustus) ob diem X (decennaliorum) suorum) ; 445 (Tafel 10a-b ; als Herstellungsorte werden Serdica, Ratiaria, Heraclea und Sirmium vorgeschlagen. 68 Beyeler (2011) 256–258, Nr. 12, 13 (Fragment), 14, beide mit der gleichen Inschrift wie Nr. 10 und 11). Vgl. auch Mirković (1997) 146–149 ; Mirković (2012), 11, Anm. 9–12 (Bibliographie der bulgarischen und serbischen Beiträge) ; Popović (1997) 134–142 ; Popović (2004) ; Donati u. Gentili (2005) 227 f., Nr. 41 f.; Beyeler (2011) 263 f., Nr. 20 f.; 448, Tafel 20 a-b, 21 ; Kovács (2016) 38.
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in Naissus (Dacia mediterranea),69 zwei (eine ohne Inschrift) in Esztergom (Ungarn, damals im Nordteil der Provinz Valeria gelegen),70 während in einem Fall der Fundort nicht bekannt ist.71 Die Herstellungsorte sind in einigen Fällen bekannt (Naissus, Sirmium), in anderen jedoch strittig. Licinius ließ die wertvollen Gegenstände, die wahrscheinlich im Voraus, vor dem Ausbruch des Krieges im Herbst 316 hergestellt wurden, nach der Niederlage bei Cibalae in aller Eile nach Thrakien transportieren, da Konstantin nach dem Sieg in Pannonien sehr rasch das gesamte Illyricum unter seine Kontrolle brachte. Die Funde in Bulgarien stehen im Zusammenhang mit dem schnellen Rückzug der geschlagenen Licinius-Armee, von der ein Teil in der Richtung Osten entlang der Donau marschierte (Červen Brjag), der Hauptteil der Armee bewegte sich in Richtung Südosten gegen Philippopolis (Fundort Svirkovo/Eni Eri). (2) Unter den wertvollen Gegenständen, die Licinius als largitio für seine Würdenträger hat herstellen lassen, verdient der Paradehelm eines seiner Offiziere besondere Aufmerksamkeit, gefunden in Berkasovo bei Šid (nordwestlich von Sirmium, unweit von dem Schlachtfeld von Cibalae), auf dem die schwer lesbare eingestanzte Inschrift Lici(n)iana vi(n)cit zu finden ist.72 Der hervorragend erhaltene Helm wurde wahrscheinlich kurz vor der Schlacht hergestellt oder zumindest damals mit der Inschrift versehen. Dass die Schenkungen von prächtigen Helmen zu einem politischen Zweck eine Gepflogenheit war, beweist auch eine Episode aus der Zeit der ersten Tetrarchie (um 294/295).73 69 Beyeler (2011) 258, Nr. 15–19, Tafeln 446–448 : 15a-b, 16a-b, 17a-b, 18a-b, 19a-b. 70 Beyeler (2011) 263, Nr. 20–21 (letzte ohne Inschrift). 71 Beyeler (2011) 264, Nr. 22, 23 (Fundort unbekannt, angeblich auf dem Territorium des ehem. Jugoslawien oder in den östlichen Provinzen), Tafeln 449–450 : 20a-b, 22 a-b-c, 23 a-b-c. 72 Die gepunzte Inschrift Liciniana / vincit (oder vincit / Liciniana) befindet sich auf zwei kleinen (um 2 cm langen) Plättchen – jeweils mit einem Wort – auf der linken und der rechten Seite des Helms in Höhe der Schläfe. Auswahl neuerer Veröffentlichungen : Piussi (2008) III. 41.c-d.; 126 ; Dautova-Ruševljan u. Vujović (2006) 107, Nr. 136. Dautova-Ruševljan u. Vujović (2011) 99–101 ; Popović u. Borić-Brešković (2013) 72 f.; 303. 73 Paneg. Lat. 7(6), 1 f. (307 in Trier). Der anonyme Redner erzählte anlässlich der Hochzeit von Konstantin und Maximians Tochter Fausta in Trier 307, wie das erste Treffen des jungen Konstantins (damals um 22 Jahre alt) mit der vier- bis fünfjährigen Fausta in Aquileia um 294/5 verlief. Das gleiche Ereignis wurde auch auf einem Wandmosaik im Palast Maximians in Aquileia dargestellt. Das kleine Mädchen übergab dem jungen Konstantin einen wunderschönen Paradehelm (offert tibi etiam tum puero, Constantine, galeam auro gemmisque radiantem et pinnis pulchrae alitis eminentem …). Der Helm ist dem Redner zufolge ein Verlobungsgeschenk (sponsale munus) für die künftige Hochzeit und seine Übergabe ist als politisch programmatisch zu deuten. Die in der te trarchischen Ordnung schon bestehende familiäre Verbindung zwischen Maximianus Herculius als
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Die Gegenstände, die mit Inschriften Konstantins versehen sind, lassen sich in folgende Gruppen einteilen : Statuen und Meilensteine mit Weiheinschriften, Stifteroder Bauinschriften, Ziegel mit dem Stempel Constantini Victoris (erst nach 324 ?), Fibeln mit Inschriften, und als originellste Gruppe die Treueringe. (1) Nach der Machtübernahme Konstantins in Norditalien wurde die von Maxentius praktizierte kaiserliche Repräsentation durch das Errichten prächtiger Meilensteine nicht nur fortgesetzt, sondern sogar gesteigert. Auf dem Gebiet der Provinz Venetia et Histria sind 29 Inschriften auf Meilensteinen aus der Zeit Konstantins bekannt. Davon wurden 16 ihm allein gewidmet,74 die späteren 13, die aus der Nachkriegszeit stammen, wurden im Sinne des Friedensabkommens vom Frühjahr 317 der gesamten konstantinisch-licinischen Kaiserfamilie mit den zwei Augusti und drei Caesaren gewidmet.75 Neben den Kaiserstatuen samt Inschriften (in Nordostitalien in Tergeste und Aquileia [Marignane]) griffen die Inschriften auf den Meilensteinen Formulierungen auf, die an die Zeit Trajans erinnern, wie humanarum rerum optimo principi und die (schon zur Zeit Diokletians bekannte) Redensart bono rei publicae nato). Im frühen 4. Jahrhundert nahmen diese eine ähnlich große Bedeutung in der kaiserlichen Propaganda ein. Der neueren Forschung zufolge sollen auf einigen Meilensteinen sogar die Porträts der damaligen Kaiser zu finden sein.76 Dagegen sind die Bauinschriften, die neben der gesamten Titulatur Konstantins ein Lob auf den Kaiser enthalten (wie aeterna divi nominis propagatio, divina dispositione, divinae mentis ductu, divinae virtutis princeps) und seine Verdienste auflisten (restitutor, reparator, instaurator) eher selten. Auch Ziegel (in Aquileia und Umgebung) wurde mit der Inschrift Constantini Victoris Augustus und Constantius Chlorus als Caesar – dieser war mit Theodora, der Stieftochter Maximians, verheiratet – sollte durch die geplante Eheverbindung der beiden Kinder zusätzlich gefestigt werden. 74 Acht Inschriften aus der Zeit 312/315–324 tragen die gleiche Titulatur : D(omino) N(ostro) Flavio Constantino Maximo Pio Felici Invicto Augusto. Buonopane u. Grossi (2014) 168 f. 75 Witschel (2002) 358 ; 385 ; Witschel (2015) 39 f.; Tiussi (2010) 316–320. Für Mazedonien, Dacia Mediterranea und Thrakien Grünewald (1990) 241 Nr. 396, 397, 397b ; 398, 400. Zu den Bauinschriften Konstantins in Aquileia und Umgebung Witschel (2006) 394 f.; Zaccaria (2013) ; Cuscito (2016) 1139 (thermae Constantinianae). 76 Witschel (2012–2013) 39 f.; Tiussi (2010) 315 f. Vgl. auch Lafer (2017) : die Angabe der Namen der Kaiser auf den Meilensteinen im Dativ sprechen für die Deutung, dass die Inschriften in dieser Form zugleich als eine Widmung an oder zumindest eine Erklärung der Treue gegenüber den genannten Kaisern fungierten.
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gestempelt, die jedoch aus der Zeit nach 324 stammen könnten.77 In allen Fällen geht es um wichtige Unternehmungen wie den Bau oder die Renovierung der Thermen (Aquileia mit felices thermae Constantinianae, Aquae Iasae mit der Renovierung der einem Brand zum Opfer gefallenen Stadt samt ihrer Thermen) und Aquädukte. Schon inmitten des Krieges gegen Maxentius im Sommer 312 profitierte Aquileia nach dem Abfall von Maxentius von der Wohltätigkeit des Kaisers, da es von Konstantin mit den incredibilium bonorum commoditates belohnt wurde. Die Redewendung der Inschriften ist manchmal identisch mit der Redensart bei den zeitgenössischen Panegyrikern (divino instinctu, divino consilio, divina mens, divinum numen …) und auf dem Konstantinsbogen (instinctu divinitatis).78 (2a) Die goldenen Treueringe Konstantins mit einem durchschnittlichen Gewicht von 10,9 g (1/30 Pfund) und der Inschrift fidem Constantino wurden ungefähr in der Zeit zwischen 315 und 317 (maximal 319) hergestellt, annähernd zur gleichen Zeit wie die Vota-Schalen des Licinius. Mit diesen wertvollen Gaben wünschten die beiden Kaiser die Loyalität der eigenen Offiziere zu festigen oder die Kommandanten der gegnerischen Armee für den Abfall oder Verrat zu gewinnen, was während der Bürgerkriege häufig geschah. Während die kaiserliche largitio an hohe Offiziere in Form von Geld, wertvollem Geschirr, ausgewählter Kleidung sowie Wein und Delikatessen allgemein bekannt war, waren die Treueringe mit Gravur wie fidem Constantino als Ausdruck der politischen und ideologischen Zugehörigkeit zum Kaiser ein Novum.79 Die meisten lokalisierbaren und datierbaren Exemplare beziehen sich auf den ersten Bürgerkrieg zwischen Konstantin und Licinius. Unter den heute bekannten 25 Treueringen verdienen fünf Exemplare aus dem Kriegsgebiet im Illyricum besondere Aufmerksamkeit.80 Wenn wir sieben 77 Tiussi (2013) 32 ; 223 ; Zaccaria (2014) 181 f. 78 Paneg. Lat. 10,27,1. Vgl. ILS 739. Ries (2001) 271 f., Nr. 2. Zu den Redensarten Buonopane u. Grossi (2014) 164 ; Zaccaria (2014) 184–188 (mit der Feststellung, dass die Redewendungen in den Inschriften manchmal mit denen der zeitgenössischen Panegyriker übereinstimmen). 79 Martin (2002) 259 : „Die dahinstehende Propaganda wird personalisiert, der Treueschwur nicht dem Staat oder einer Institution, sondern ad personam, der Person geleistet.“ 80 Den neuesten Stand bietet die Epigraphische Datenbank Clauss u. Slaby (EDCS), wo 25 Treueringe aufgeführt sind. Das Verzeichnis der Fundorte der goldenen Treueringe Konstantins im Donau- und Balkanraum : (1) Sirmium in Pannonia Secunda (Tóth (1979) 164, Nr. 10 ; Beyeler (2011) 283, Nr. 42 ; Martin (2002), 261, Nr. 12 ; Popović u. Borić-Brešković (2013) 165). (2) Lug (Bilje), Nordostkroatien in Valeria (Tóth (1979) 164, Nr. 11 ; Beyeler (2011) 287, Nr. 52 ; von der Inschrift nur FIDEM erhalten) ; Popović (2000) 190 (Abbildung) ; Martin (2002), 262 Nr. 18.
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Treueringe, deren Fundort unbekannt ist, außen vor lassen, bleiben zwei gesicherte Herkunftsregionen übrig : 13 Exemplare in Nordgallien und dem Rheinland, woher der Kern der Armee Konstantins stammte (Exercitus Gallicus),81 mindestens fünf aus dem mittleren Donau- und Balkanraum (Valeria, Pannonia II, Moesia I, Dacia Mediterranea), wo der Bürgerkrieg stattfand. Konstantins Sohn Constans ließ Treueringe in einer leicht modifizierten Form herstellen (drei Exemplare sind bekannt), etwas später auch Magnentius (ein Exemplar) und zuletzt Valens (Valenti Aug[usto] fidem) mit ebenfalls nur einem Exemplar).82 (2b) Erhalten geblieben sind zwei Fibeln mit der Inschrift anlässlich der Decennalia Konstantins. Die erste Fibel mit unbekannter Herkunft, mit einer zweiteiligen Inschrift (Votis X multis XX / Domini Nostri Constantini Aug[usti]) ist eindeutig in das Jahr 315 datierbar.83 Schwierige chronologische und interpretatorische Fragen wirft die Fibel von Niederemmel auf, mit der Inschrift zu Ehren der Decennalia Konstantins und des Licinius : Votis X Domini Nostri Constantini Augusti / Votis X Domini Nostri Licini Augusti [11. Nov. 317]). Die Fibel wurde vor der Feier der Decennalien, die zwei Jahre und drei bis vier Monate auseinander lagen, wahrscheinlich im Jahr 315 oder spätestens im Frühjahr 316 hergestellt, allerdings vor dem Bruch zwischen den Kaisern ( fracta concordia) und deren Kriegsvorbereitungen (erste Hälfte 316 ?).84
(3) Iovia/Alsohéteny in Valeria (Noll (1974), 242, Nr. 11 (‚Ungarn‘) ; Martin (2002), 261, Nr. 11 (‚Ungarn‘) ; Popović (2000), 189 und 197, Nr. 11). (4) Remesiana (1) in Dacia Mediterranea (Beyeler (2011), S. 285, Nr. 46) ; Noll, (1974), 242, Nr. 13) ; Popović (2000), 197 f., Nr. 14 ; (Beyeler) 2011, S. 285, Nr. 46) ; Martin (2002) 261, Nr. 13 ; 262, Nr. 16. (5) Remesiana (2) in Dacia Mediterranea (Popović (2000) 198). Die Herkunft der anderen Exemplare (nach EDCS) : 7 Exemplare in der Provinz Belgica, 2 in Germania Superior, 3 in Germ. Inferior, 1 in Raetia. Für 7 Exemplare ist der genaue Fundort nicht bekannt. Vgl. Popović (2000) 197 f.; Beyeler (2011) 277–288 (Nr. 32–55) ; 452–452, Tafel 32–55 ; zuletzt Kovács (2016) 40). 81 RIC VII, S. 427 f. (Siscia, Nr. 29 f.: virtus ex-ercitus Gall[ici]). Zur Provenienz der Armee Konstatins Zos. 2, 15, 1 (barbarische Kriegsgefangene, Germanen, verschiedene keltische Gruppen und die Einheiten aus Britannien). Bonamente (2014) 203. 82 Treueringe des Constans : (1) fidem Constanti (der prächtigste und größte Goldring von Viminacium, 17,40 Gramm schwer, mit einem Durchmesser von 28x26 mm ; Noll (1974) 243 ; (2) zwei Treueringe mit der Inschrift fides(!) Constanti (Popović (2000) 198, beide aus Britannien ; Beyeler (2011) 293 f.) ; zum Treuering des Magnentius Demandt u. Engemann (2007) 91 (Abbildung) ; Beyeler (2011) 307 f.; für Valens Tóth (1979) 178, Nr. 21 (Fundort Varaždin in Nordwestkroatien). 83 Beyeler (2011) 276–277, mit umfangreichen Literaturangaben. 84 Zur gesamten Problematik ausführlich Beyeler (2011) 268–270. Noll (1974).
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6. Der Anfang des Krieges nach dem Fragment Philostorgs und die Rolle des Passübergangs ad Pirum
Neben der äußerst knappen Origo Constantini übermittelt ein Fragment aus der nach 425 verfassten, prokonstantinisch gesinnten Kirchengeschichte Philostorgs einen Einblick in die Zeitumstände der Kriegsvorbereitungen und die steigenden Spannungen zwischen den Kaisern.85 Philostorgs Bericht zufolge unternahm Licinius aus Gier – ohne auf das Schicksal des Maxentius Rücksicht zu nehmen – den Feldzug vom Illyricum aus gegen das konstantinische Italien. Seine Absicht sei gewesen, sich über die Julischen Alpen nach Italien durchzukämpfen und das Land unter seine Herrschaft zu bringen. Nach der Befragung von verschiedenen Orakeln, die ihm den sicheren Erfolg vorhergesagt haben sollen, mobilisierte er die Militäreinheiten und unternahm weitere Kriegsvorbereitungen. Danach habe er mit dem Kriegszug begonnen, um über die Alpen in das Gebiet Konstantins vorzustoßen. Zu diesen Umständen passt zeitlich die Zerstörung von Konstantinbildern und Statuen apud Emonam. Die Pluralform weist auf Zerstörungen an verschiedenen Orten hin, nicht nur in der Stadt. Die östlichste Stadt Italiens lag damals im Machtbereich des Licinius ; bei seinem geplanten Kriegszug über die ( Julischen) Alpen nach Italien konnte er Emona – wenn man die Straßenverbindungen berücksichtigen – nicht umgehen. Emona und die Julischen Alpen, besonders der Pass ad Pirum (Hrušica / Birnbaumerwald) wurden zum ersten Kriegsschauplatz.86 Der schnelle Gegenangriff Konstantins, der nach Philostorg die Taktik des Licinius durchschaute, verschob den Ort der ersten kriegerischen Auseinandersetzungen, die ansonsten auf italischem Boden irgendwo zwischen Emona und Aquileia verlaufen wären, um 400 km gegen Osten, nach Pannonia Secunda.87 Die Zeit und Umstände unmittelbar vor dem Krieg können auch durch die archäologischen Untersuchungen der Poststation und der Siedlung ad Pirum näher beleuchtet werden.88 Die Bedeutung dieser Lage nahm als zentraler Übergang 85 Philostorgios, Kirchengeschichte, 1,6e,3 f. (Hrsg. v. B. Bleckmann u. M. Stein, 2015a : Band 1 [Einleitung, Text und Übersetzung, S. 150 f.]) ; 2015b : Band 2. Kommentar, 66 f. 86 Bleckmann u. Stein verorten den Umsturz der Konstantinstatuen „unmittelbar vor dem Pass, in dem administrativ eigentlich noch zu Italien gehörenden, aber dem Reichteil des Licinius zugeschlagenen Emona“. Šašel (1992), der Emona mit seinem Verwaltungsgebiet Konstantin zuordnet, hat Atrans an der Grenze zwischen Italien und Noricum als Ort des Geschehens vorgeschlagen. 87 Philostorgius 1,6e,4. Bleckmann u. Stein 2015a, 150 f.;2015b, 66–68 (Kommentar). 88 Nach Itin. Burd. 560,4 ad Pirum summas Alpes (Vedaldi Iasbez (1994) 72–81 ; 101–103). Šašel u. Petru (1971) 93–96 ; Šašel (1992) 386 f.
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über die Julischen Alpen (867 m) am Anfang des 4. Jahrhunderts zu. Die Funde aus dieser Zeit, vor allem die Münzen, weisen auf einen zunehmenden militärischen Charakter der Siedlung, die zu dem wichtigsten befestigten Kontrollpunkt auf der Straße Aquileia – Emona und von dort zum Illyricum wurde.89 Bei den Ausgrabungen der deutschen Archäologen (Thilo Ulbert und Mitarbeiter, 1971– 1973) wurden auf dem Areal an der östlichen Mauer der Siedlung drei Münzen gefunden, unter ihnen ein follis des Licinius aus den Jahren 312/313, geprägt in der Münzstätte Thessalonike. Die Münze befand sich im Fundkontext des Ausbaus der östlichen Mauer der Festung.90 Diese nur leicht abgenutzte Münze bietet einen terminus ante quem für den Bau der Mauer. Die Datierung ist nur eine Schätzung, weil unbekannt ist, wie lange die Münze im Umlauf war, bevor sie verlorenging. Den weiteren Rahmen stellt die Zeit zwischen dem Mailänder Abkommen im Frühjahr 313 und der Verschärfung der Beziehungen zwischen den beiden Kaisern (315/316) dar, die im Herbst 316 in den Krieg mündete. Schon bei der ersten Veröffentlichung dieser Münze wurde vermutet, dass die Spannungen zwischen den Kaisern Anlass für den Mauerbau gewesen sei, um das Gebiet Konstantins vor dem Einfall der Truppen des Licinius zu schützen.91 Nach dem Sieg Konstantins bei Cibalae und seiner Eroberung des gesamten Illyricums existierte diese Gefahr nicht mehr, weil sich die Grenze zwischen den beiden Seiten um 900 bis 1000 km nach Südosten verschoben hatte.92 Ein Mauerausbau bereits in dieser Zeit (313 bis 316) wird von den literarischen Quellen nicht bezeugt. Hypothetisch könnte sich eine Passage der zweiten Rede des Julian Apostata zu Ehren Constantius’ II. (358/359) auf diese Mauer beziehen, wo von einer „alten Mauer auf dem Alpengipfel“ die Rede ist. In dieser Rede gibt Julian eine Beschreibung der Befestigungsbauten der Julischen Alpen, die in dem Jahr 352 von Magnentius vorgenommen wurden. Bei dieser Gelegenheit erwähnt Julian auch „die alte Mauer“ (tò dè hypèr tôn ‹Alpeon teîchos palaión), die von dem Usurpator erneuert und durch neue Militärbauten verstärkt wurde. Diese „alte 89 Ulbert (1981) 3–11 ; 44–46. 90 Ulbert (1981) 43 ; Mackensen (1981) 134, Nr. 48 ; FMRSl I, 17/1, Nr. 85. Kos (2012) 286 (Tabelle 15, Nr. 3 : die Münze fand sich auf der äußeren Seite der Mauer in einer dunklen Schicht, die mit dem Kalkmörtel der Mauer verbunden war. 91 Mackensen (1981) 149, Anm. 34 (Konstantins Verteidigung Italiens mit einer Festung am strategisch wichtigen Übergang, wo der Angriff des Licinius zu erwarten war. Dabei wurde eine Anzahl von etwas später datierten konstantinischen Münzen gefunden. Mackensen (1981) 134, Nr. 53–65 ; FMRSl I, 17/1, Nr. 98–101 ; 103 f. 92 Nach dem Itin. Ant. 129,2–135, 4 machte die Distanz zwischen Emona und Serdica 610 Meilen bzw. mehr als 940 km aus, von dort bis zur Grenze Thrakiens (dem Pass Succi) noch um die 30 km. Löhberg (2006) 136–141.
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Mauer“ sei nach fast vier Jahrzehnten Mitte des 4. Jahrhundert erneuerungsbedürftig gewesen.93 Die Poststation Fluvio Frigido (Ajdovščina) war in ihrer Bedeutung mit ad Pirum vergleichbar, die am westlichen Anfang des Passes über die Julischen Alpen lag, die ebenfalls in eine Festung umgebaut und im gleichen Zeitraum in Castra umbenannt wurde.94 Leider ist die Datierung der ersten Bauphase dieser Siedlung wegen einer geringen Anzahl an Münzen ungenügenden Bezeugung von Münzen des Galerius (ein nummus des Galerius aus der Zeit 305–311) nicht so überzeugend wie im Fall von ad Pirum.95 Die Münzen in beiden Festungen, die bei den Ausgrabungen oder mithilfe von Metalldetektoren gefunden wurden, weisen auf einen starken Anstieg des Geldumlaufs in der Zeit 315–324 hin.96
7. Das Bellum Cibalense
Konstantins Krieg um das Illyricum ist wesentlich schlechter dokumentiert als sein Kampf um Italien. Die Herangehensweise war aber in den beiden Fällen ähnlich : Dabei betrieb Konstantin, zumindest in der Anfangsphase, einen ‚Blitzkrieg‘, und ergriff die gesamte Zeit über die Initiative und zeigte eine hohe Risikobereitschaft. Einige Quellen erwähnen, zumindest in der ‚pannonischen‘ Phase, mehrere 93 Jul. Or. 3,18,v. 1–5 (72d ; Bidez S. 145 ; Šašel u. Petru (1971) 25 [Nr. 9d]). Auch diese Erneuerung wurde durch die Münzfunde bestätigt (Kos (2012) 286 : Tabelle 15, Nr. 4). Die Vorbereitungen des Magnentius Italien zu verteidigen und seine Befestigung der Sperren in den Julischen Alpen finden sich in Jul. Or. 1,31 f. (Bidez 55, v.1–10 ; 56, v.13–26) ; Or. 3,17 (Bidez 143 f., v.20–24 und 52–54) ; Šašel u. Petru (1971) Nr. 9 b-d). Vgl. Duval (1976) 247 f.; Ulbert, (1981) 42–45. Zur Datierung der Anfänge der Sperrbefestigung der Julischen Alpen um 310 oder etwas später auch Witschel (2002) 349 f. (affirmativ) ; Marcone (2004) 346 f. (ist skeptisch : der Anfang der Claustra Alpium Iuliarum in dieser Zeit sei „möglich, jedoch nicht beweisbar“) ; Vannesse (2007) 320 (in den Jahren 306–314 gäbe es „keinen Eingriff … in die Festungsarbeiten“) ; ähnlich Vannesse (2010) 307 f. Eine späte Datierung der Mauersperren vertritt auch Napoli (2007) 56–58 ; 282–284 („zwischen 375 und am spätesten 425/430“). Die Bau der Festung in dieser Zeit (um 316) wird aufgrund der archäologischen Befunde von T. Ulbert und Mitarbeiter von Bleckmann 2003, 14 angenommen ; Bleckmann u. Stein (2015b) 66 f.; etwas später datiert Christie (2007) 566 ; 568 (nach 320). 94 Itin. Burd. 560,2 f. (mutatio Castra inde surgunt Alpes Iuliae). Zum neueren Stand der Forschungen Horvat u. Lazar u. Gaspari (2020) 9–46 : (T. Žerjal u. V. Tratnik) : Fluvio Frigido, Castra- Ajdovščina) ; 61–76 : P. Kos, Ad Pirum – Hrušica). 95 Kos (2012) 287 (Tabelle 16, Nr. 3 ; Castra, der Turm 13 ; im gleichen Kontext wurden auch Münzen des Probus und Diocletian gefunden). Zu den Münzen aus Ajdovščina in der Zeit von 308 bis 320 FMRSl III, 12, Nr. 76–95. 96 Kos (2012) 276 (Tabelle 6, Graf. 8 und 9).
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Gefechte (varia proelia), jedoch sind wir nur über zwei, eines in Pannonien und eines in Thrakien, etwas besser informiert. Die Atmosphäre während des Krieges wird durch einen Brief aus der Briefsammlung des Julian Apostata veranschaulicht. Es handelt sich um den Briefwechsel zwischen dem Philosophen Iamblichus und einem nicht genannten Bekannten, der sich bei Kriegsausbruch bei einem nicht namentlich erwähnten Kaiser in der Provinz Pannonia Superior aufhielt. Sehr wahrscheinlich handelt sich um Licinius und seine Residenz in Carnuntum. Dieser Bekannte des Iamblichus hat sich vor den Auswirkungen (Lebensbedrohung, die Belagerung einer – wieder nicht genannten [!] – Stadt) nach Chalcedon gerettet.97 Dem Zwischenfall von Emona und der Mobilisierung der Streitkräfte durch Licinius folgte eine gewaltige Offensive Konstantins. Der von P. M. Bruun (1966) und danach von T. D. Barnes (1982) vorgeschlagenen zeitlichen Abfolge der Bewegungen Konstantins entsprechend,98 hielt sich der Kaiser in der ersten Hälfte August in Arles auf (am 7. Aug. 316 wurde sein erster Sohn mit Fausta geboren [Constantinus II.]), am 13. Aug. promulgierte er zwei Gesetze99) und reiste danach nach Norditalien. Hier schloss er die letzten Kriegsvorbereitungen ab und eröffnete die Münzstätte in Aquileia neu. Mit dem Kriegszug ins Illyricum begann er – einer nur fragmentarisch erhaltenen und unverlässlich datierten Quelle zufolge – erst am 29. September 316 von Verona aus.100 Dabei eroberte er Siscia mit der dortigen Münzstätte. Schon am 8. Oktober, also nur neunzehn (nach Bruun) oder nur neun Tage (nach Barnes) nach dem Aufbruch des Kaisers von Verona kam es zur entscheidenden Schlacht um das Illyricum bei Cibalae in der Provinz Pannonia Secunda.101 Die in der Forschung vorgeschlagene Zeitfolge des Zuges stimmt nachdenklich. Falls Konstantin erst am 29. September von Verona aufbrach, hätte der Kaiser mit seiner Armee die um 500 Meilen (750 km) entfernte Stadt in der Pannonia Secunda in zehn Tagen erreicht, was eine sehr hohe Marschgeschwindigkeit (durch 97 Iulianus, Ep. 181,448D-450A ; 184,416D) in den Iuliani Imperatoris epistulae et leges (Hrsg. v. J. Bidez, F. Cumont), Paris (1922) 238–255). Kovács (2016) 32 f. 98 Bruun (1966) 76 ; Barnes (1982) 73. Zur Geburt Konstantins II. Kienast (2004) 310. 99 Cod. Theod. 11,30,5 ; 30,6. 100 Fragmenta Vaticana 290 (FIRA II, S. 528). Der fragmentarisch erhaltene Text nennt den Namen des Kaisers nicht ; bei der Datierung des Gesetzes fehlen die Namen der Konsuln. Barnes (1982) 73 ; Bruun (1966) 76, datiert auf den 20. September. 101 Die in den Consularia Constantinopolitana um zwei Jahre zu frühe Datierung (in Hieron. Chron. sogar drei Jahre zu frühe Angabe) ist sicher falsch. Vgl. Becker u. Bleckmann u. Groß u. Nickbakht (2016) 36 ; 84 f.
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schnittlich um die 75 km an einem Tag) voraussetzt.102 Diese Problematik ließe sich lösen, wenn man annimmt, dass die Armee Konstantins bereits Anfang September aus Norditalien aufbrach. Wenn man eine Marschgeschwindigkeit von 30 km pro Tag mit gelegentlichen Pausen annimmt, hätte das Heer in einem Monat Cibalae erreichen können. Dabei ist anzunehmen, dass sich der Kaiser erst später der Armee anschloss, indem er den schnelleren Postweg nahm. Licinius, der seine Streitkräfte in Sirmium konzentrierte, zog der Armee Konstantins bei der Stadt Cibalae entgegen, die von Sirmium 48 Meilen (um die 72 km) entfernt war. Weil Emona, wo sich der Zwischenfall ereignete und von wo aus Licinius mit seiner Armee eine Invasion Italiens plante, um 280 Meilen (zumindest 400 km) von Cibalae entfernt war, stellt sich die Frage, warum sich Licinius mit seiner Armee so weit in Richtung Osten zurückzog. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen : (1) weil Konstantin sehr schnell in Richtung Osten vorstieß, wurde Licinius zum schnellen Rückzug gezwungen ; (2) Licinius wollte Konstantin überlisten : mit einer Verschiebung seiner Armee nach Osten wollte er seine Armee aus Italien entfernen, von wo Konstantin Verstärkungen hätte bekommen können ; gleichzeitig konnte Licinius einen strategisch vorteilhaften Ort für die Schlacht suchen. Die Schlacht verlief in einem strategisch wichtigen Gebiet der Provinz Pannonia Secunda, zwischen den Flüssen Drau, Donau und Save samt Nebenflüssen, unweit des Sumpfgebietes (Hiulca palus), wo seit der spätaugusteischen Zeit bis ins späte 5. Jahrhundert mindestens noch vier weitere große militärische Auseinandersetzungen stattfanden.103 Die Schlacht zwischen den zwei mittelgroßen Streitkräften – Licinius’ ‚illyrische‘ Armee zählte um die 35.000 Soldaten, Konstantins ‚gallische‘ Armee um die 20.000 – dauerte einen ganzen Tag (8. Okt.) und einen Teil der Nacht. Es wurde erbittert gekämpft (dubium certamen), erst in 102 Zur Entfernung Löhberg (2006) 135–137. Eine hohe Marschgeschwindigkeit einer Armee nennt Lact. Mort. pers. 47,5) für das Jahr 313. Nach der Niederlage gegen Licinius auf dem Campus Ergenus habe die Armee des Maximinus Daia auf der Flucht in zwei Nächten und einem Tag (um die 36 Stunden) das 160 Meilen / 240 km entfernte Nicomedia erreicht, was eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 6 km pro Stunde voraussetzt. 103 (1) Im Jahr 7 n. Chr. eine unentschiedene Schlacht zwischen Römern und den aufständischen Illyrern bei dem Oulkaíon hélos nordwestlich von Sirmium (Cass. Dio 55,32,3) ; (2) 260 der Sieg Galliens über den pannonischen Usurpator Ingenuus bei Mursa (Aur. Vict. Caes. 33,2) ; (3) die Schlacht bei Cornacum zwischen Carinus und Diokletian 285 (Eusebius, Chron. a. 285, armenische Fassung) ; (4) 351 der Sieg Constantius’ II. gegen Magnentius bei Mursa (Zos. 2,45–53) ; nach Zos. 2,48,3 diente die Stadt Cibalae der Armee Constantius’ II. als strategischer Ausgangspunkt unmittelbar vor der Schlacht bei Mursa ; (5) im Winter 488/489 der Sieg der Ostgoten unter Theoderich gegen die Gepiden auf dem Sumpfgelände bei Ulca (Ennod. Paneg. 7 ; 28–34).
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der letzten Phase, die bei Nacht auf einem schwierigen Sumpfgelände ausgetragen wurde, durchbrach Konstantins Armee die Stellungen des Gegners und schlug ihn in die Flucht.104 Nach Zosimus verlief die entscheidende Schlussphase entlang einer morastigen etwa fünf Stadien (1 km) breiten Ebene (Hiulca palus) am Ufer des Flusses (Ulca, heute Vuka) nördlich von der Stadt Cibalae (Vinkovci, bei der Ortschaft Borinci-Draganovci). Noch heute trägt das Gelände den topographischen Namen ‚Blato‘ (das Moor).105 Über die Topographie der Schlacht ist wenig bekannt. Mit dem Kampf könnte man den Fund von Licinius-Aurei in einem zerstörten Grab in der Nähe der Siedlung Žankovac in Verbindung bringen,106 ebenso den Paradehelm aus dem Ort Berkasovo bei Šid – etwa in der Mitte zwischen Cibalae und Sirmium gelegen –, der die Inschrift Liciniana vi(n)cit trägt.107 Fast sicher gehört der 2012 in Vinkovci gefundene, fast 38 kg schwere Schatzfund von 47, zumindest zum Teil in Aquileia hergestellten Silberschalen, der noch nicht wissenschaftlich veröffentlicht ist, nicht in diesem Zusammenhang. Nach den bisher vorgebrachten Deutungen handelt es sich wahrscheinlich um eine kaiserliche largitio aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts (um 380 ?).108 Licinius, der große Verluste hinnehmen musste – angeblich 20.000 oder mehr als die Hälfte seiner Armee (samt einem Teil der Panzerreiterei), wobei die Ver104 Origo Const. 16 : Utriusque ad Cibalensem campum ductus exercitus. Licinio XXXV milia peditum et equitum fuere ; Constantinus XX milia peditum et equitum duxit. Caesis post dubium certamen Licinianis viginti peditum milibus et equitum ferratorum parte, Licinius cum magna parte equitatus noctis auxilio pervolavit ad Sirmium (König (1987) 40–42 ; Kommentar 123–126). Zum Verlauf der Schlacht Zos. 2,18,2–4 (Paschoud (2003) 88–90 ; 222 f., Anm. 28). Kürzere Beschreibungen und Erwähnungen : Hier. Chron. a. 313(!) (GCS 47, 230) ; Eutr. 10,5 : Constantinus … Licinio bellum intulit … Ac primo eum in Pannonia secunda ingenti apparatu bellum apud Cibalas instruentem repentinus oppressit omnique Dardania, Moesia, Macedonia potitus numerosas provincias occupavit. Epit. de Caes. 41,5 (… primumque apud Cibalas iuxta paludem Hiulcam nomine Constantino nocte castra Licinii irrumpente…) ; Oros. 7,28,19 : Sed Constantinus Licinium, sororis suae virum, in Pannonia primum vicit, deinde apud Cibalas oppressit universaque Graecia potitus Licinium crebris bellis terra marique adsurgentem et repressum tandem ad deditionem coegit (Lippold [2001] 330–332 ; Kommentar 498). Soz. Hist. eccl. 1,6,6 (SC 306, S. 134–136). Von den späteren Quellen erwähnt Leo Grammaticus, Chronogr. (CSHB 26,85) den Sieg Konstantins in Pannonien, BHL 365 (Vita Constantini 13 ; Opitz 1934, S. 554) seinen Vorstoß nach Illyricum und Mazedonien. 105 Zu der archäologischen Forschung und der Topographie der Stadt rund ihrer Umgebung Rapan Papeša (2011) 212–220. 106 Tomičić (1999) 207 ; Jozić (2006) 11. 107 Zur Topographie der Stadt Cibalae samt der Umgebung in der Spätantike Iskra-Janošić (2004) 181–183 ; Rapan Papeša (2011) 201–213. Zum Helm von Berkasovo s. Anm. 72. 108 Marin (2018) 254 f.
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luste Konstantins in den Quellen nicht erwähnt sind –, flüchtete mit dem verbliebenen Teil der Reiterei im Schutz der Nacht bis zum etwa 70 km entfernten Sirmium, das er am nächsten Tag (am 9. Okt) erreichte. Unverzüglich führte er von dort seine Familienangehörigen (seine Frau Constantia und seinen Sohn Licinius Iunior) und die Schätze mit sich, ließ nach dem Überqueren der Save die dortige Brücke abreißen und flüchtete mit dem Rest seiner Einheiten in Richtung Südosten, um in Thrakien den Widerstand vorzubereiten.109 Die Weiterführung des Krieges veränderte nicht das Ergebnis der Schlacht bei Cibalae. Nach der Einnahme Sirmiums ließ Konstantin die Save-Brücke wiederherstellen, danach übernahm er bei einem schnellen Vorstoß die Macht über das gesamte Illyricum und Mazedonien. Licinius erhob auf der Flucht vor Konstantin Valens, den militärischen Befehlshaber in Dacia ripensis (dux limitis) zum Augustus, also anstelle Konstantins zu seinem Mitregenten (in der Origo Constantini und bei Zosimus findet sich der falsche Titel Caesar). Er sammelte dann seine Streitkräfte bei Adrianopel und bot Konstantin, der inzwischen bis Philippopolis vorgedrungen war, Verhandlungen an. Der Versuch scheiterte, weil Licinius nicht bereit war, den neuen Augustus Valens preiszugeben. Es folgte die zweite Schlacht auf dem Campus Ardiensis westlich von Adrianopel, in der – mit hohen Verlusten auf beiden Seiten – Konstantin das zweite Mal den Sieg errang.110 Wegen eines geschickten taktischen Zuges – auf der Flucht vor Konstantin schwenkte er bei Nacht unauffällig seine Truppen Richtung Norden gegen Beroia, Konstantin aber verfolgte ihn in östlicher Richtung gegen Byzanz – verlor dieser seinen taktischen Vorsprung. Es drohte sogar die Gefahr, dass Licinius die Verbindungen Konstantins zum Westen unterbrechen könnte. Diesen Umständen entsprechend nahm Konstantin die Verhandlungen mit Licinius auf, wie der prokonstantinisch gesinnte Zonaras berichtet auch wegen seiner (Halb)Schwester und Gattin des Licinius Constantia.111 Das Friedensabkommen zwischen den Kaisern bestätigte die infolge der Schlacht bei Cibalae hergestellte Verteilung der Balkan- und Donauprovinzen. 109 Origo Constantini 16 f. (vgl. Anm. 44). Zos. 2,18,5 (nach diesem Bericht ließ Licinius die Brücke über den Fluss Save in Sirmium zerstören (Zos. 2,19,1 ; Paschoud (2003) 223 f., Anm. 29). Vgl. Lenski (2006) 74 (mit der Ansicht, dass es um die Zerstörung der Brücke in Singidunum und nicht in Sirmium gehe). 110 Origo Constantini 17 ; Zos. 2,19 ; Zos. 2,20,2. Kurze Berichte über die Schlacht in Thrakien übermitteln : Aur. Vict. 41,6 ; Epit. de Caes. 41,5 ; Leo Grammaticus, Chron. CSHB 26, S. 85. Kurze Erwähnung der Schlacht in Thrakien : Eus., V. Const. 1,50,2 ; Hist. Eccl. 10,8,3 ; Philostorg, Hist. Eccl. 1,6e,4 (Bleckmann u. Stein 2015a, 151 ; 2015b, 67 f. (Kommentar). 111 Origo Const. 18 ; Zos. 1,20 ; Zon. 13,1 (PG 134, Sp. 1100 B).
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Nach dieser Ordnung bekam Konstantin zwei Diözesen, die pannonische und die mösische, mit insgesamt 18 Provinzen, während die thrakische Diözese mit insgesamt 6 Provinzen im Machtbereich des Licinius verblieb. Leidtragender bei dieser Verhandlung war der neu ernannte Kaiser Valens, den Licinius auf die Forderung Konstantins hin absetzte und hinrichten ließ.112
8. Die Propaganda der Kaiser nach dem Friedensabkommen im Frühjahr 317
Wie bei dem Abkommen in Mailand Anfang 313 war auch bei dieser Einigung Konstantin der stärkere Partner. Nach den Verhandlungen kehrte er nach Serdica zurück, wo seine Präsenz in der ersten Dezemberhälfte 316 zweimal belegt ist.113 Mehr als zwei Monate später, am 1. März 317, führte er in Serdica als zweifellos stärkerer Herrscher in Abwesenheit seines Mitregenten (Licinio absente) und im Geiste des dynastischen Prinzips die neue, auf die nächste Generation ausgerichtete dynastische Ordnung ein. Seinen älteren Sohn Crispus (damals 17 Jahre alt) und seinen zweiten Sohn, den damals höchstens sieben Monaten alten Konstantin II., daneben aber auch den damals um 20 Monate alten Licinius II., den Sohn des Licinius aus der Ehe mit Constantia und somit seinen Neffen, erhob er zu Caesaren.114 Die beiden Augusti und alle drei Caesares wurden in den nächsten Jahren bis 321 zu Konsuln ernannt. Auch bei diesem prestigereichen Amt mit öffentlichen Wirkung war die Seite Konstantins, die mit drei Protagonisten auftrat, stärker, da sie die Würde häufiger und mit einem höheren Rang bekleideten – drei erste und drei zweite Konsulate – Licinius’ Linie bekleidete nur einen ersten und einen zweiten Konsulat.115 Von diesem Augenblick an begann wieder – wie nach dem Abkommen von Mailand – eine gemeinsame Propaganda, besonders im Balkanraum, bei der in einer Reihe von Inschriften (besonders Meilensteinen), die Namen von zwei Augusti und drei Caesares der neuen Kaiserfamilie genannt 112 Origo Const. 17 f. (König (1987) 42 ; 129–134) ; Zos. 2,19,2–3 ; 2,20,1–2 (Paschoud (2003) 224– 226 Anm. 30). Petrus Patricius, in : Excerpta de legationibus II,394,Nr. 13 (De Boor 1903, 394 : Konstantins Hauptforderung war die Beseitigung des Valens) ; Epit. de Caes. 40,9 (Valens a Licinio morte multatur). Bleckmann (1996) 82 ; Barnes (1982) 73 (Chronologie). 113 Seine Anwesenheit in der Stadt am 4. Dez. 316 bestätigt Cod. Theod. 9,1,1 ; am 8. Dez. befand er sich der korrigierten Datierung von CI 1,13,1 (Barnes (1982) 73) entsprechend ebenfalls dort. 114 Cons. Const. a. 317 (Becker u. Bleckmann u. Groß u. Nickbakht (2016) 36 f.; 86 f.; Hier. Chron. a. 317 (Helm, 230). 115 Origo Const. 19 (König (1987) 136–142 ; CLRE, a. 318–321 ; Herrmann-Otto (2007) 106–108.
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wurden. Dabei wurde in den ‚Idealfällen‘ die folgende hierarchische Folge wiedergegeben : Constantinus als Maximus Invictus semper Augustus, Licinius als (nur) semper Augustus, danach Konstantins ältester Sohn Crispus, der Licinius-Sohn Licinius Iunior und am Ende Konstantins zweiter Sohn Constantinus II. als nobilissimi Caesares (der letzte und zugleich der jüngste auch als princeps iuventutis). Aus den Inschriften ist ersichtlich, dass die offizielle hierarchische Folge oftmals nicht konsequent eingehalten wurde.116 Die Reihenfolge der wichtigsten Ereignisse gegen Ende 316 bis in die ersten Monate 317 bleibt in der Forschung umstritten.117 Der Krieg, der von September 316 ins Frühjahr 317 andauerte, endet mit dem Sieg Konstantins, der das gesamte Illyricum erwarb. Der Krieg um Thrakien war trotz der Niederlage des Licinus auf dem campus Ardiensis noch nicht entschieden. Konstantin erwarb in dem Krieg, der nur vier Monate dauerte – also etwas weniger als der Krieg um Italien – ein umfangreiches Territorium. Er wurde im Stil eines ‚Blitzkrieges‘ ausgefochten. Mit schnellen Truppenverschiebungen über lange Strecken : entsprechend der damaligen Straßenführung marschierte sein Heer 800 km auf der Linie Verona – Sirmium, davon mehr als 500 km bis Serdica und schließlich weitere 350 km in der Richtung Adrianopel. Die Schlacht bei Cibalae zählt in der zeitgenössischen und in der späteren Historiographie nicht zu den großen und entscheidenden Militärereignissen der konstantinischen Epoche. Im Gegensatz zum Sieg Konstantins in der Schlacht auf der Milvischen Brücke und dem Sieg des Licinius gegen Maximinus Daia auf dem Campus Ergenus [Serenus] in Thrakien war die Schlacht bei Cibalae nicht einer legendenhaften Deutung unterworfen. Kein zeitgenössischer Panegyricus berichtet darüber.118 Während für Konstantins Italienkrieg militärische Operati116 Grünewald (1990) 224–237, bes. Nr. 291, 302, 304, 310, 322, 328, 331–333, 335, 338, 340, 365, 371. 117 Drei Vorschläge : (I.) Bruun (1966) 76 datierte die Schlacht auf dem campus Ardiensis in den Herbst 316 : vor dem 4. Dezember, also annähernd in die zweite Hälfte des Monats November ; im Dezember verliefen die Verhandlungen, die mit dem Friedensabkommen am 17. Februar 317 abgeschlossen wurden, danach folgte am 1. März 317 Konstantins Nominierung der drei jungen Caesares. (II.) Nach Barnes (1982) 73 verlief die Schlacht in Thrakien (campus Ardiensis) im Januar 317, also mindestens einen Monat später als bei Brunn. (III.) Paschoud (2003) 223, Anm. 29 datierte die Schlacht auf dem campus Ardiensis Ende 316 oder Anfang 317, und erörterte (224–226, Anm. 30) die genaue Abfolge der Kinder Konstantins. 118 Die Angaben zu den Beziehungen zwischen Konstantin und Licinius in den Jahren 313–324 in Eus. hist. eccl. 10,8,8,14–19 (GCS 2, S. 892–898) und in der V. Const. 1,49,2 – 1,54,3 (FC 83, S. 208–216), beziehen sich fast ausschließlich auf den zweiten Krieg. Das gleiche gilt für den erhaltenen Teil der um 330 verfassten panegyrischen Geschichte Konstantins des Praxagoras von
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onen an acht Orten dokumentiert sind, werden bei dem Krieg um das Illyricum nur Cibalae und Sirmium explizit erwähnt. Nur der byzantinische Chronograph Leo Grammaticus schrieb dem Krieg um das Illyricum eine bedeutendere Rolle zu, indem er Konstantins Kreuzesvision in Pannonien anstatt bei der Schlacht an der Milvischen Brücke stattfinden ließ.119 Die materiellen Funde wie die Treueringe Konstantins und die wertvollen, mit kaiserlichen Inschriften versehenen Gegenstände des Licinius (silberne Schalen, Paradehelme, goldene Fibeln) deuten auf die Schärfe des Propagandakrieges hin. Auch nach dem Friedensabkommen zwischen Licinius und Konstantin 317, mit einem Entwurf der neuen Ordnung und der Gestaltung einer gemeinsamen Dynastie, beging Konstantin seinen Sieg mit der Prägung einer Serie von Solidi aus der Münzstätte Siscia. Die Legenden auf den Münzen wie Victoria Constantini Aug(usti) und Virtus exercitus Gall(ici), die den Sieg mit der Prägung Konstantins über Licinius und zugleich den Sieg der ‚gallischen‘ Armee Konstantins über die ‚illyrische‘ Armee des Licinius feierten, weisen auf eine Fortsetzung des Propa gandakrieges hin. Dass auch Licinius das Abkommen mit Konstantin brach, beweist seine Fortsetzung der antikonstantinischen Propaganda. An dem Fundort Taraneš (Kreis Debar im westlichen Teil der Republik Nordmazedonien, damals an der Schnittstelle zwischen den Provinzen Epius Nova, Dardania und Macedonia Secunda gelegen) wurde vor 1984 die Grabstätte einer vornehmen Person aus dem frühen 4. Jahrhundert entdeckt, in der sich reiche Grabbeigaben (insgesamt 18 Gegenstände) befanden : ein silberner Krug, eine fein dekorierte, silbervergoldete Schale (Durchmesser 45,5 cm, 1701,5 gr.), ein Ring und eine Schnalle, Schreibgegenstände, ein silberner Löffel, ein Diatretum und andere Gegenstände. Neben diesen Funden ist die goldene Zwiebelknopffibel mit den Inschriften Iovi Aug(uste) vincas und Iovi Caes(ar) vivas besonders aussagekräftig. Schon bei der ersten Veröffentlichung120 wurde die Fibel mit der Athen (F. Jacoby, FGrHist. Zweiter Teil : Zeitgeschichte B, Nr. 219, Berlin 1929, S. 948–949 ; Barnes 2011, 195–197). Im Jahre 321 hat Nazarius in seinem Paneg. zu Ehren Konstantins den Krieg 316/317 ignoriert und hat den schon ein Jahrzehnt alten Krieg gegen Maxentius glorifiziert. Eine sinnvolle Erklärung für seiner Nichtbeachtung gibt Ehrhardt (1992) 88–91 : nach den Vorstellungen damaliger Zeit galt der Kampf zwischen Konstantin und Licinius im ersten Krieg, nach dem sich die Kaiser zumindest formell gegenseitig noch anerkannten, als nicht entschieden und galt damit für nicht vollendet. 119 Leo Grammaticus, Chronographia (CSHB 26,85). Zur Konstantins Kreuzesvision an der Milvischen Brücke Eus. V. Const. 1,28–32 [FC 83, S. 182–188]). 120 Ivanovski (1984) (in makedonischer Sprache) ; Ivanovski (1987) (in engl. Sprache). Unter neueren Veröffentlichungen Beyeler (2011) 271 f.; zuletzt Quast (2012) 247 f.; Mirković (2012) 11–12 Anm.14.
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Inschrift der ‚Iovier‘ Augustus und Caesar dem Kaiser Licinius und seinem Sohn Licinius Iunior zugeschrieben. Besteht in diesem Fall aber nicht auch die Möglichkeit, dass sich die Inschrift auf einen anderen Iovius Augustus und Iovius Caesar bezieht ?121 Diese Fibel ist 10,4 cm lang und 160,8 g (fast ein halbes Pfund) schwer. Zum Vergleich : Sie ist dreimal schwerer als die zuvor erwähnte Maxentius-Fibel aus Čentur (5,3 cm, 46,9 gr.) und zweimal schwerer als die sog. Kaiserfibel von Niederemmel (9,5 cm, 75,5 gr.).122 Sie wurde in der Zeit zwischen dem 1. März 317 – als Licinius Iunior zum Caesar erhoben wurde – und Konstantins Absetzung des 121 Zu Frage vgl. Beyeler (2011) 271 f. Das Cognomen ‚Iovius‘ wurde von den vier Herrschern getragen : (1) Diocletian : ‚Iovius‘ von 1. April 286 an, von 21. Mai 293 an mit dem Caesar Galerius ; das Cognomen ‚Iovius‘ stand am Ende der offiziellen Titulatur. (2) Galerius war die gesamte Regierungszeit [293–311] über ‚Iovius‘, wobei das Cognomen am Ende der Titulatur stand ; vom 1. Mai 305 an herrschte er zusammen mit dem Caesar Maximinus Daia ; die beiden Herrscher trugen das Cognomen ‚Iovius‘ am Ende der Titulatur. (3) Maximinus Daia trug das Cognomen ‚Iovius‘ die ganze Regierungszeit über [305–313] ; ‚Iovius‘ stand bei ihm in dem Schlussteil der Titulatur, an einigen Inschriften auch am Anfang (Iovius Maximinus Aug.). Da Maximinus Daia keinen Caesar nominierte, kommt er bei unserer Fragestellung nicht in Betracht. Nach seinem Tod im Spätsommer 313 gab es unter den Herrschern keinen ‚Iovius‘ mehr. Licinius ist bei der Erhebung zum Augustus (11. Nov. 308) als designierter Herrscher im Westen (Italien und Afrika) zusammen mit Konstantin ‚Herculius‘ geworden. Vgl. Bruun (1988) 126. Der letzte ‚Iovius‘, und zwar erst in den letzten Jahren seiner Regierung, war Licinius, der nach der Regelung von 1. März 317 zusammen mit seinem jungen Sohn Caesar Licinius Iunior regierte. Die Inschrift aus Taraneš mit dem Namen des Iovius Augustus und des Iovius Caesar bezieht sich auf die Regierungszeit der beiden Licinier und passt damit in die Zeit von dem Frühjahr 317 bis zum Sommer 324. In dieser Zeit ereignete sich der Wechsel von ‚Herculius‘ zu ‚Iovius‘. Von der Verlobung mit Konstantins Halbschwester Constantia (311 ?) und der Heirat in Mailand im Frühjahr 313 an war Licinius mit dem ‚Herculius‘ Konstantin verschwägert. Nach dem Verfall der politischen Verbindung mit Konstantin (315/316), besonders nach dem Bellum Cibalense, zur Zeit der politischen Spannungen und Grenzprovokationen zwischen den beiden Augusti, distanzierte sich Licinius von seinem jüngeren und erfolgreicheren Konkurrenten auch damit, dass er für sich und für seinen Sohn Licinius Iunior den Namen ‚Iovius‘ übernommen hat. Dabei stand das Cognomen ‚Iovius‘ in der offizielen Titulatur explizit an der ersten Stelle, was eine Neuigkeit war. Er ist dominus noster Iovius Licinius semper Augustus geworden (ILS 676). Auf den Münzen präsentierten sich die beiden Herrscher als Domini Nostri Iovii Licinii Invicti Augustus et Caesar (Cohen VII2, S. 210, 1, 1–3 [zitiert nach Cristofoli 2010, 163]). Zur Frage vgl. Chantraine (1997) 309 ; Kienast (2004) 294 ; Cristofoli (2010) 163–165. 122 Diese Fibel mit der Inschrift Votis X D(omini) N(ostri) Constantini Aug(usti) / Votis X D(omini) N(ostri Licini Aug(usti) wurde aus Anlass der Dezennalien der beiden Augusti hergestellt und gehört damit zu einem der letzten Nachweise für die für die formal noch bestanden Dyarchie von Konstantin und Licinius. Schon die darauffolgende Serie von Fibeln mit der Inschrift D(omini) N(ostri) Constantini Aug(usti) / votis X multis XX wurde nur im Namen Konstantins hergestellt. Popović (2000) 196.
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Licinius (19. Sept. 324) hergestellt. Der Empfänger dieser largitio gehörte zur sozialen Elite und war offensichtlich eine Licinius treue Person.123 Obwohl in dieser Zeit offiziell zwei Augusti und drei Caesares regierten, wurden nur Licinius als Augustus und sein Sohn Licinius Iunior als Caesar genannt, während die konstantinische Seite unerwähnt blieb. Der Empfänger dieser largitio des Licinius wohnte im Machtbereich des Konstantin. Hieraus könnte man schlussfolgern, dass der Empfänger der largitio als Anhänger des Licinius Konstantin gegenüber zumindest reserviert war. Eine ähnliche, jedoch namenlose Fibel aus Mazedonien, die in dem Ort Ramnište (Bezirk von Skopje) gefunden wurde, wartet noch auf eine international zugängliche Veröffentlichung.124 Bei einem Vergleich des Kriegs um das Illyricum mit dem Italienzug Konstantins muss man in Betracht ziehen, dass Licinius, der als General des Galerius und später als Kaiser den Bürgerkrieg gegen Maximinus Daia, die Kriege gegen Germanen, Sarmaten und vielleicht auch an der persischen Grenze mit Erfolg geführt hatte, als Gegner zweifellos gefährlicher war als der wenig erfahrene Maxentius. Die Kriegsführung des letzteren wies nach dem Tod seines tüchtigen Generals Pompeianus in der Schlacht um Verona große Schwäche aus, wie seine Strategie in der Schlacht an der Milvischen Brücke beweist. Wenn man den Sieg Konstantins bei Cibalae nach den Folgen beurteilt, hat dieser Triumph die Geschichte des Imperiums im 4. Jahrhunderts wesentlich geprägt. Konstantin erwarb ungefähr drei Viertel von den Donau- und Balkanprovinzen. Laut der administrativen Ordnung wie sie im Laterculus Veronensis wiedergegeben wird, gehörten von den damaligen drei Diözesen im Donau- und Balkanraum zwei zu Konstantin : (1) die Dioecesis Pannoniarum, später auch die Dioecesis Illyricum oder Illyricum occidentale, mit sieben Provinzen im Ostalpen- und mittleren Donauraum und auf dem westlichen Balkan ; (2) die Dioecesis Moesiarum mit elf Provinzen im Zentral- und Südbalkanraum, von der Donaugrenze bis einschließlich der Inselprovinz Kreta. Diese Diözese wurde später in zwei Einheiten aufgeteilt, die Dioecesis Macedonia mit sechs und die Dioecesis Dacia mit fünf Provinzen.125
123 Ivanovski (1984) ; Ivanovski (1987) ; Deppert-Lippitz (2000) 51 ; 247 f.; Beyeler (2011) 271 f.; Quast (2012) 247 f. 124 Die 8,6 cm lange goldene Fibel aus Ramnište hat eine Inschrift, von der nur der Satz vivas multis / que annis erhalten ist. Ivanovski (1984) 220 Anm. 7 ; Tafel II/2. Die Veröffentlichung in der Publikation Zavod za zaštita na spomenicite na kulturata na grad Skopje [Das Amt für den Schutz der Kulturdenkmäler der Stadt Skopje], Skopje 1983, Abb. 49] war mir nicht zugänglich. 125 Zu den neuen Territorien Konstantins vgl. die kurzen Berichte bei Eutrop. 10,5 ; Origo Const. 18 ; Zos. 2,20,1 ; Socr. 1,3,3–4 ; Soz. 1,6,6.
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Außerhalb von Konstantins Gebiet blieb die Dioecesis Thracia mit sechs Provinzen die kleinste auf dem östlichen Balkan.126 Was den Umfang des neuerworbenen Territoriums – um eine halbe Million Quadratkilometer – betrifft, war der Sieg Konstantins bei Cibalae vergleichbar mit dem Erwerb Italiens und Afrikas nach dem Sieg gegen Maxentius 312 : In beiden Fällen gewann er je 18 Provinzen. Wenn man jedoch die Bevölkerungszahl und das wirtschaftliche Potential berücksichtigt, waren Italien und Afrika viel bedeutender als das Illyricum. Mit dem Gewinn dieses Gebietes hat Konstantin für ungefähr acht Jahrzehnte die administrative Ordnung des Balkans und des Donauraums bestimmt. Bis in die letzten Jahre der Regierung Theodosius’ I. gehörte der West-, Süd- und Zentralbalkanraum einschließlich dem heutigen West- und Nordwestbulgarien zum westlichen Teil des Imperiums. Dieser Umstand spielte zurzeit von Konstantins Nachfolgern Constans und Constantius II., danach zur Zeit Valentinians I. und Valens’, Gratians und Valentinians II. und schließlich des Theodosius I. eine bedeutende Rolle. Erst mit der Gründung der Präfektur Illyricum in der Spätzeit der Regierung des Theodosius (392), die nach 395 dem Oströmischen Reich zugeschlagen wurde, wurde die Ordnung Konstantins abgeschafft, wodurch die östliche Grenze um einige hunderte Kilometer nach Westen verlegt wurde.127 Die Vorstellung, dass nicht nur der West-, sondern auch der Zentral- und Südbalkan zum Westen gehörte, setzte vom frühen 5. Jahrhundert an die Kirche – im Gegensatz zur zivilen administrativen Ordnung – mit der Gründung des Vikariats von Thessalonike um, das zum Bestandteil des Römischen Patriarchats wurde.128
9. Fazit
In der Zeitspanne vom Beginn der Feindseligkeiten zwischen Licinius und Maxentius (Ende 308–311) in Nordostitalien bis zum Ende des ersten Krieges zwischen 126 Barnes (1982) 201–208, besonders 202 f.; 206 f. Aufgrund der Behauptung in der Origo Const. 18, dass Licinius (nur) Thraciam, Moesiam minorem, Scythiam behalten habe, äußerte Neri (1992) 264 die Vermutung, dass der Anonymus an dieser Stelle die Provinzen aufzählte und Konstantin auch einige von den thrakischen Provinzen erworben habe. Weil die Detailangabe in der Quelle nicht gesichert ist (vgl. König (1987) 132–134), ist es nicht möglich, die Vermutung Neris zu verifizieren. 127 Weiler (1996) 130 f.; 141, Karte 1 und 2 ; 142, Karte 3. 128 Epistularum Romanorum pontificum ad vicarios per Illyricum aliosque episcopos Collectio Thessalonicensis 8 (Hrsg. C. Silva Tarouca, S. 27–32).
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Konstantin und Licinius (Frühjahr 317) wurden mindestens acht verschiedene Medien zur politischen und ideologischen Propaganda genutzt. Unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung und ihrer Verwendung ist es möglich, die Gegenstände kaiserlicher Repräsentation in acht Gruppen einzuteilen. 1. Öffentliche Denkmäler wie Kaiserstatuen mit Inschriften (regelmäßig im Dativ, als dedicatio) in den Städten und an strategisch wichtigen Punkten : für Licinius in Parentium, Pola und wahrscheinlich Emona [?]), für Konstantin in Emona, Tergeste, Aquileia und Verona. Diese Denkmäler wurden regelmäßig zerstört, wenn der Gegenkaiser die Macht übernahm. 2. Meilensteine mit Kaiserinschriften in Dativ- bzw. Dedikationsform (in einigen Fällen sogar mit der Abbildung des Kaisers) entlang der wichtigen Straßenverbindungen, besonders an Straßenkreuzungen und Pass- oder Grenzübergängen. Diese Quellengruppe kommt bei allen drei Herrschern vor (am wenigstens bei Licinius), besonders zahlreich ist sie aber bei Konstantin (nur in Nordostitalien bis 29). 3. Bau- und Stifterinschriften, vor allem für Konstantin, in Nordostitalien (Aquileia), Südpannonien (Aquae Iasae) und Mösien. Die Zahl dieser Inschriften ist bedeutend kleiner als bei den bisher genannten Gruppen. 4. Wertvolle, goldene oder silberne Gefäße aus den kaiserlichen largitiones für pflichttreue und verdienstvolle Angehörige der sozialen Elite, wobei die Mili tärelite besonders wichtig war. Diese Gegenstände wurden mit knappen Inschriften (in den meisten Fällen finden sich Segenswünsche für den Kaiser und seinen Sohn/Nachfolger im Optativ) ausgestattet, die eine persönliche Bindung an den Kaiser betonten. Wenn wir die Münzemissionen mit ihren die militärischen Siege (Victoria) lobenden Legenden als Selbstrepräsentation der Kaiser beiseitelassen (Konstantins Sieg über Maxentius, Licinius’ Sieg über Maximinus Daia und Konstantins Sieg über Licinius), gehören in diese Gruppe an erster Stelle die goldenen Fibeln von Maxentius (1), Konstantin (2) und Licinius (1), wobei mir die Dokumentation zu einer weiteren Fibel aus Makedonien nicht zugänglich war. 5. Silberne Vota-Schalen und Silberplatten mit votiven Inschriften (im Optativ) und kleinen Stempel-Porträts des Kaisers, die anlässlich des zehnjährigen Regierungsjubiläums des Licinius im vorab hergestellt wurden, von denen – die lediglich fragmentarisch erhaltenen eingeschlossen – nur 14 bekannt sind. Der Schatzfund von Vinkovci/Cibalae (um 38 kg an Silberschalen) stammte der bisherigen Deutungen zufolge aus späterer Zeit (zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts).
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6. Die originellsten und zugleich persönlichsten Gaben waren die goldenen fidem-Treueringe Konstantins, von denen insgesamt 25 erhalten sind, davon zumindest 5 aus dem Kriegsgebiet. 7. Zu einer kaiserlichen largitio gehörte auch der Paradenhelm von Berkasovo, mit einer schwer lesbaren Inschrift zum erwarteten Sieg des Licinius in der bevorstehenden Schlacht in Pannonien. 8. Zu den Gegenständen des Alltagslebens mit Abbildungen und einer Inschrift politischen Inhalts gehört das crustulum von Poetovio, unseres Wissens nach der einzige Gegenstand aus diesem zeitlichen und räumlichen Kontext mit einer prokonstantinisch orientierten Ausrichtung. Falls der Ziegelstempel mit der Inschrift Constantini Victoris nicht erst aus der Zeit nach Konstantins Sieg gegen Licinius (324) oder nach dem Gotensieg (332) stammt, könnte mit Vorbehalt auch diese Inschrift auf dem Baumaterial eine politische Dimension besitzen.
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Heinrich Schlange-Schöningen (Universität des Saarlandes)
Die Zerstörung des Asklepios-Kults in Aigeai Überlegungen zur antiheidnischen Politik Konstantins
Zusammenfassung : Eusebios von Caesarea behauptet, Konstantin habe die Zerstörung des Asklepios-Heiligtums in Aigeai befohlen. Dabei handelt es sich um einen der wichtigsten paganen Kultorte Kleinasiens. Die genauere Prüfung der Quellen zeigt indes, dass Eusebs Bericht nicht zutreffen kann. Einschränkungen der Funktionsfähigkeit des Heiligtums kann es gegeben haben, nicht aber eine umfassendere Zerstörung. Aus verschiedenen, auch epigraphischen Zeugnisses geht hervor, dass der Kultbetrieb im weiteren Verlauf des 4. Jahrhunderts fortgesetzt wurde. Aus dem Befund für Aigeai lässt sich vermutlich ableiten, dass sowohl Konstantin als auch Constantius II. im Hinblick auf pagane Kultorte überregionaler Ausstrahlung entweder keine klaren Anweisungen zur Zerstörung erteilt haben oder aber die regionalen Autoritäten solche Anweisungen nur ansatzweise umsetzten. Abstract : Eusebios of Caesarea claims that Constantine ordered the destruction of the sanctuary of Asclepius in Aigeai. This was one of the most important pagan cult sites in Asia Minor. A closer examination of the sources, however, shows that Euseb’s report cannot be correct. There may have been restrictions on the sanctuary’s ability to function, but not a more comprehensive destruction. From various testimonies, including epigraphic ones, it is clear that cult operations continued in the further course of the 4th century. From the findings for Aigeai, it can presumably be deduced that both Constantine and Constantius II either did not issue clear instructions for destruction with regard to pagan cult sites of supra-regional appeal or that the regional authorities only rudimentarily implemented such instructions.
1. Einleitung
Im 3. Buch seiner Konstantins-Vita präsentiert Euseb seine Belege für Konstantins prochristliche und antiheidnische Religionspolitik : Kap. 25 bis 53 behandeln seine Kirchenbauten, und mit der Schilderung der Maßnahmen, die der Kaiser gegen die Verehrung der Eiche von Mamre ergreifen ließ (Kap. 51–53), folgt dann
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der Übergang zu den heidnischen Tempeln, die auf seinen Befehl hin zerstört worden seien. Eusebs Behauptung in Kap. 54,2, Konstantin habe „Stadt für Stadt“ (kata poleis) die Tempel profanieren lassen, hat von Seiten der Forschung wohl zu Recht viel Skepsis erfahren : so weit könne der Kaiser wohl kaum gegangen sein.1 Die konkreten Beispiele, die Euseb dann anführt, sind dagegen als Einzelfälle akzeptiert und unterschiedlich erklärt worden : zunächst das Aphrodite-Heiligtum im phönizischen Aphaka (Kap. 55,3), „eine Schule der Schlechtigkeit für alle Zügellosen“,2 dann ein Asklepios-Heiligtum in Kilikien, das gleich näher zu betrachten sein wird, zuletzt dann noch einmal ein Aphrodite-Tempel, wieder in Phönizien, diesmal bei Heliupolis, wobei Euseb hier noch ergänzt, Konstantin habe diese Zerstörungsmaßnahme nicht nur mit einem „neuen Gesetz“ begleitet, „das verkündete, man dürfe nichts von den früheren Gewohnheiten wagen“, sondern auch noch „schriftliche Belehrungen“ hinzugefügt (Kap. 58,2) ; ein Gesetz und ein Brief – wohl an die Einwohner von Heliupolis – begründeten also die durchgreifende kaiserliche Anordnung. Und „auch dort“ – kai para toisde –, also in Heliupolis, habe der Kaiser zudem eine Kirche an der Stelle der alten Kultstätte errichten (und einen Bischof einsetzen) lassen (Kap. 58,3). Zwischen den beiden Aphrodite-Tempeln steht nun das Heiligtum in Kilikien, in dem, wie Euseb schreibt, der „Dämon der Kilikier“ verehrt worden sei. Hier waren, so Euseb weiter, „Unzählige über ihn wie über einen Retter und Heiler in Ekstase, da er bald den Schlafenden erschien, bald die Krankheit der körperlich Leidenden heilte“ (Kap. 56,1). Gemeint ist ohne Zweifel Asklepios und sein Heiligtum in Aigeai, wenn auch weder der Gott noch der Ort seines Tempels ausdrücklich genannt werden. Aber Euseb erwähnt nicht nur die Inkubation, sondern gibt noch einen weiteren eindeutigen Hinweis : der Gott bzw. Dämon sei durch Konstantins Maßnahme so getroffen worden wie einst von dem „Blitzschlag, von dem im Mythos erzählt wird“ (Kap. 56,2) – jene Strafe, die Asklepios zuteilwurde, weil er Verstorbene wieder zum Leben erweckt hatte.3 Insofern ist die Kapitelüberschrift : „Beseitigung des Asklepios-Tempels in Kilikien“ (Asklepiou tou en Aigais katalusis), vom wem immer sie auch stammen mag,4 richtig. Und Euseb beschreibt auch klar die Konkurrenz zwischen Asklepios und Christus, denn letzterer wird – gleich zweimal hintereinander – als der „wahre Retter“ bezeichnet, von dem die 1 Vgl. z. B. Demandt (2007) 94 mit Anm. 172. Zur Bedeutung des Themas Tempelzerstörungen in der christlichen Geschichtsschreibung Gotter (2008), bsd. 48 f. und 59–64. 2 σχολή τις ἦν αὕτη κακοεργίας πᾶσιν ἀκολάστοις (Euseb hier und sonst in der Übs. von P. Dräger 2007). 3 Die Quellen dazu (u. a. Euripides und Ambrosius) bei Edelstein (1945) I 53–56 (mit dem Kommentar in Bd. II, 46–53). 4 Vgl. Dräger (2007) 391–393.
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Anhänger des Asklepios, weil sie „dem Trug zugeneigt waren“, weggezogen worden seien (Kap. 56,1). Konstantins Maßnahme habe also den Einfluss des „Verderbers der Seelen“ (Kap. 56,1) beendet. Man sieht, wie geschickt Euseb seinen Bericht auch hier angelegt hat : Der Fall des Heilgottes Asklepios, der aufgrund seiner Popularität wohl eine gewisse Konkurrenz für den christlichen Glauben darstellte, wird von zwei Beispielen des Aphrodite-Kults eingerahmt und damit auf die gleiche Ebene von Verderblichkeit und Unsittlichkeit gestellt. Ausdrücklich – und zweimal – sagt Euseb auch, dass der Tempel niedergelegt worden sei,5 während er in seiner vorangehenden Darstellung der allgemeinen Maßnahmen, die gegen heidnische Tempel ergriffen worden seien, nur von der „Bloß legung der Vortore“ (Propyla), der Öffnung der Tempeldächer und dem Abtransport der Erzarbeiten gesprochen hatte (Kap. 54,2). Aigeai wäre demzufolge also von umfassenderen Zerstörungsmaßnahmen betroffen gewesen, so wie auch der Aphrodite-Tempel in Aphaka vollständig zerstört worden sein soll (Kap. 55,4). In Aigeai sei „nicht einmal eine Spur der vormaligen Raserei übrig“ geblieben (56,3). Im Folgenden soll zunächst kurz die Bedeutung von Aigeai und seinem AsklepiosKult erläutert werden (2.). Dann werden die verschiedenen Erklärungen vorgestellt, die in der Forschung für Konstantins Maßnahme vorgeschlagen worden sind (3.). Anschließend müssen die Quellen des 4. Jahrhunderts zu Aigeai gesichtet werden ; es sind nicht viele (4.). Ein kurzer Vergleich mit dem, was man für die Zeit Konstantins über weitere zentrale Kultorte des Asklepios erfährt, soll angeschlossen werden (5.), damit abschließend diskutiert werden kann, wie der besondere Fall von Aigeai zu bewerten ist und was sich daraus für das religionspolitische Handeln Konstantins ableiten lässt (6.).
2. Zur Geschichte von Aigeai
Αἰγέαι, manchmal auch Αἰγαὶ,6 an der Küste des ‚Ebenen Kilikien‘ gelegen, war eine Gründung aus frühhellenistischer Zeit ; mit ihrem Namen erinnerte die Stadt an die alte makedonische Residenz. Die Stadt konnte während der Kaiserzeit von ih5 Kap. 56,1 : καὶ τοῦτον εἰς ἔδαφος φέρεσθαι τὸν νεὼν ἐκέλευσεν ; 56,3 : καὶ ὁ τῇδε νεὼς ἀνετρέπετο, ὡς μηδ’ ἴχνος αὐτόθι τῆς ἔμπροσθεν περιλελεῖφθαι μανίας. 6 Z.B. Philostratos 568 (ed. Wright, S. 185) : Der Sophist Antiochus wurde im „kilikischen Aigai“ geboren. Er besuchte oft den Asklepios-Tempel ; nicht nur um Träume zu empfangen, sondern auch, um in wachem Zustand mit dem Gott zu kommunizieren.
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rer strategisch günstigen Lage profitieren. Hadrian etwa nutzte sie im Kontext des jüdischen Krieges und Severus Alexander für seinen Feldzug gegen die Sassaniden. Nicht ganz klar ist, seit wann es hier ein Asklepios-Heiligtum gab – auf jeden Fall seit hellenistischer Zeit –, aber deutlich ist, dass es in der römischen Kaiserzeit zu den bedeutendsten Kultorten zählte, über die der Heilgott im griechischen Osten verfügte. Die lokale Münzprägung stellt die Bedeutung des Kultes für den Ort klar heraus und verbindet ihn im 3. Jahrhundert mit der Darstellung von Kaisern, die als Asklepiospriester erscheinen, bzw. von Kaiserinnen, die mit Hygeia identifiziert werden. Schon unter Severus Alexander war die Stadt mit der Neokorie ausgezeichnet worden. Aus den Münzen geht auch hervor, dass Aigeai unter Kaiser Decius den Ehrennamen „Asklepioupolis“ führen durfte und unter Kaiser Valerian ein „oikomenischer Agon“ zu Ehren des Heilgottes veranstaltet wurde. Dieser Agon ist seit 2001 durch eine Inschrift bereits für die Zeit Neros bezeugt.7 Beides, der Ehrenname wie die Wettspiele, sind deutliche Belege für die weite Ausstrahlung des Kultes. Wettkämpfe oder Festspiele mit überregionaler Bedeutung sind auch aus anderen Asklepios-Heiligtümern bekannt, z. B. aus Epidauros,8 aber der Stadtname „Asklepioupolis“ ist doch wohl einmalig. Ob er zur Zeit Konstantins, der etliche Orte mit neuen, auf seine Familie verweisenden Namen versehen ließ,9 noch genutzt wurde, lässt sich allerdings nicht sagen. Aus den zahlreichen Münzen, die in Aigeai für Decius und seine Söhne geprägt wurden, hat Ruprecht Ziegler 1994 erschlossen, dass diese kurzlebige Dynastie in der Stadt besonders wertgeschätzt wurde, und er hat zur Erklärung dafür auf die Religionspolitik des Decius verwiesen. Denn in diesem zentralen Kultort konnten die „gezielte Förderung und Erneuerung tradierter Kulte“ durch Decius und seine antichristliche Religionspolitik auf Zustimmung stoßen.10 Ziegler erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die ökonomische Bedeutung, die der Kultbetrieb für die Stadt hatte, und auf einen deshalb noch einmal schärferen Konflikt, der sich – ähnlich wie schon die Apostelgeschichte (19,23 ff.) für Ephesos erzählt – zwischen Heiden und Christen abgespielt haben dürfte. Möglich ist, dass Aigeai dann zu den Städten des Ostens gehörte, die 312 n. Chr. Maximinus Daia darum baten, die Christen aus ihren Gemeinden vertreiben zu dürfen ; für Lykien und Pamphylien ist dies belegt, für Kilikien allerdings nicht.11
7 Strasser (2001) 194–199. 8 Vgl. Krug (1993) 133. 9 Lenski (2016) 139–147 ; 155–162. 10 Ziegler (1994) 204. 11 Demandt (2007) 86 ; vgl. Castritius (1969) 48 ff.; Minale (2018) 42–51. Vgl. auch den Beitrag von K. Ehling in diesem Band.
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3. Zur Deutungsgeschichte des Euseb-Berichtes
Wie stellt sich nun die Deutungsgeschichte zum Fall von Aigeai dar ? Warum ist Konstantin gegen den dortigen Asklepios-Kult vorgegangen ? Edward Gibbon und Jacob Burckhardt haben – der eine indirekt,12 der andere ausdrücklich13 – auf die Orakelfunktion des Asklepios hingewiesen. Für Burckhardt war die Zerstörung der Kultstätte eine „bedenkliche“ Maßnahme des Kaisers, die aber möglicherweise damit erklärt werden könne, dass sich der Gott „auch auf politische Fragen eingelassen“ habe.14 Burckhardt ergänzte diese Überlegung mit dem Hinweis auf den Aufstand des Calocaerus auf Zypern,15 der aber erst 333/4 n. Chr. stattfand bzw. niedergeschlagen wurde.16 Mit der inneren, wenn auch unsicheren Chronologie von Eusebs Vita Constantini passt das nicht gut zusammen. Was aber die politische Deutung als solche anbelangt, so bewegt sich auf Burckhardts Linie später z. B. Ludwig Voelkl, der 1957 zu Aigeai schrieb : „Hier war Gefahr und die besondere Wachsamkeit des Kaisers erforderlich, bevor die heißen Dämpfe der Heilquellen die klaren Sinne ehrlich denkender Menschen mit Phantasiegebilden erfüllten, die sich gegen Kaiser und Reich auswirken konnten.“17 Voelkl betonte zudem die religiöse Konkurrenz : „… Asklepios, mit dem göttlichen Beinamen ‚der Erlöser‘“, habe „hier [in Aigeai] Ehren empfangen, die nur Christus, dem Erlöser der Welt, gebührten.“ Diese religiöse Argumentation findet sich in jüngerer Zeit z. B. in der Julian-Biographie von Klaus Rosen : Den Kult des Asklepios, den schon Kelsos und Porphyrios „als Gegenchristus herausgestellt“ hatten, habe Konstantin „für so gefährlich gehalten, daß er befahl, das bekannte Heiligtum des Gottes im kilikischen Aigai abzutragen.“18 Elisabeth Herrmann-Otto hat in ihrer Konstantin-Biographie vermutet, es hätten hier „vielleicht …. Bedenken des Kaisers gegenüber magischen Praktiken vorgelegen“.19 Joseph Vogt hatte dagegen in seinem RAC-Artikel über Konstantin die Finanzpolitik als Grund für die Tempelzerstörungen geltend gemacht : Konstantin habe sich (seit 330) „nicht mehr gescheut, in den östlichen Ländern Tempel für den Fiskus auszurauben und an einigen Orten
12 Gibbon (1781/1994) 825 (chap. XXI). 13 Burckhardt (1853/2013) 199 ; 299. 14 Burckhardt (1853/2013) 299. 15 Burckhardt (1853/2013) 299, Anm. 1. 16 Salamon (1984) 17 Voelkl (1957) 191. 18 Rosen (2006) 319. 19 Herrmann-Otto (2007) 172.
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völlig zu zerstören“.20 Es gibt auch Stimmen wie etwa Florian Steger, die nicht an eine Anordnung Konstantins glauben wollen. Steger meinte in seiner Arbeit über „Asklepiosmedizin – Medizinischer Alltag in der römischen Kaiserzeit“, erschienen 2004, eine „Zerstörung eines paganen Heiligtums“ hätte „Konstantins Haltung gegenüber heidnischen Kulten und Heiligtümern geradezu widersprochen“.21 Konstantin habe doch „während seiner Regierungszeit eine betont vermittelnde und integrative Religionspolitik verfolgt, indem er an den paganen Kulten festhielt und das Christentum begünstigte und unterstützte.“ Bei Euseb sei folglich nur christliche Propaganda zu finden, und offen bleibe, „auf wessen Veranlassung das Heiligtum in Aigeai … zerstört wurde“.22 Die ausführlichste Untersuchung hat schließlich Ruprecht Ziegler 1994 vorgelegt. Ausgehend von der Rolle, die Aigeai im 3. Jahrhundert spielte, hat er für die konstantinische Zeit sein Argument wiederholt, dass Städte im römischen Kaiserreich dafür büßen mussten, wenn sie sich in Bürgerkriegsphasen auf die falsche Seite, die des anschließenden Verlierers, gestellt hatten. Ebendies sei Aigeai widerfahren, wobei gerade diese Stadt die antichristliche Position begrüßt haben müsste, die Licinius in seiner Konfrontation mit Konstantin eingenommen hatte. „Nach Constantins Sieg“, so Ziegler, „wurde die offenbar starke und betont christenfeindliche Anhängerschaft des Licinius in Aigeai dort bestraft, wo sie am empfindlichsten zu treffen war : in der Beseitigung des Asklepiostempels.“23 Zuletzt, in einer Publikation aus dem Jahr 2014, hat sich Florian Haymann der Auffassung Zieglers weitgehend angeschlossen, aber darauf hingewiesen, dass es Libanios zufolge erst unter Constantius II. zu einer Zerstörung des Heiligtums gekommen sei. Haymann schreibt : „Daran, dass Constantin den Tempel plündern ließ und der Kultbetrieb eingestellt wurde, ist kaum zu zweifeln. Zerstört aber wurde das Heiligtum, so können wir Libanios wohl glauben, durch Constantius II.“24 Aber gab es eine solche Beseitigung, d. h. vollständige Zerstörung des Tempels unter Konstantin oder Constantius II. überhaupt ? Diese Frage führt zu den Quellen.
20 RAC Bd. III (1957) Sp. 348. 21 Steger (2004) 101. 22 Ziegler (1994) 102. 23 Ziegler (1994) 208. Bleckmann (1996) 98 verbindet die politische und religiöse Erklärung : „Das Heiligtum […] wurde geschlossen, weil es in hohem Maße die Gunst der Verfolgerkaiser Decius und Valerian genossen hatte […] und weil der Heilgott Asklepios als Erlöser in direkter Konkurrenz zu Christus stand.“ 24 Haymann (2014) 140 f.
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4. Quellen zu Aigeai im 4. Jahrhundert
Eusebs Bericht von der Tempelzerstörung wird beinahe gleichlautend von Sozomenos wiederholt (II 5), was nicht weiterhilft. Zonaras bietet – im 12. Jahrhundert – in seiner Epitome den erbaulichen Bericht, dass Kaiser Julian von heidnischer Seite um einen Wiederaufbau des Asklepios-Tempels ersucht worden sei : Zonaras zufolge (13, 12) traf Julian in Tarsos auf einen Asklepiospriester aus Aigeai namens Artemius, der sich vom Kaiser die Säulen erbat, die der Bischof der Christen aus dem Tempel entfernt hatte, um damit seine Kirche zu bauen. Ein entsprechender Befehl sei dann von Julian auch ergangen : der Bischof habe den Rücktransport der Säulen bezahlen sollen. Nachdem die Heiden mit viel Mühe eine Säule niedergelegt hätten, wäre es ihnen allerdings nicht möglich gewesen, diese auch aus der Kirche zu entfernen ; nach mehrfachen, vergeblichen Versuchen sei die Säule liegen geblieben, nach Julians Tod aber vom Bischof mit Leichtigkeit wieder in ihre Position zurückversetzt worden. Zonaras vermittelt also den Eindruck, dass der Tempel nicht hätte restauriert werden können. Weder bei Julian selbst noch bei den julianfeindlichen christlichen Autoren des 4. Jahrhunderts findet sich indes eine Bestätigung für diese Überlieferung, d. h. für die an sich naheliegende Restaurierung dieses wichtigen Kultortes. Dass auch Julian – in der Nachfolge von Kelsos und Porphyrios – Asklepios zu einem ‚Gegenchristus‘ macht und diese ‚Lehre‘ mit philosophisch-theologischen Aussagen unterlegt, die dem christlichen Dogma nahe stehen, sei hier nur am Rande erwähnt (s. auch das nachfolgende Zitat).25 Zitiert werden muss hier allerdings ein Hinweis auf Aigeai, der sich in „Contra Galilaeos“ findet. Julian schreibt : Beinahe hätte ich das größte der Geschenke von Zeus und Helios vergessen. […] Es gehört nicht uns Römern allein, sondern auch unseren griechischen Mitbürgern. Ich glaube, dass Zeus aus sich selbst heraus Asklepios als einen der erfassbaren Götter geschaffen und ihn vermittels des erschaffenden Helios zur Erde gesandt hat. Als Asklepios vom Himmel auf die Erde kam, erschien er in menschlicher Gestalt zwar zuerst in Epidauros, aber danach vervielfältigte er sich und erstreckte seine heilende rechte Hand bei seinen Besuchen über die ganze Welt. Er kam nach Pergamon in Ionien, anschließend nach Tarent, und später nach Rom. Und er reiste nach Kos und dann nach Aigeai. Er be-
25 Vgl. Rosen (2006) 173 ; 318 f.; 326 f.; Stöcklin-Kaldewey (2015) 214 f.; 250–252 ; 258–260 (Asklepios nicht als „Gegenfigur“ zu Jesus : „Julian präsentiert nicht den anderen, besseren Christus, sondern den eigentlichen“ [259 f.]).
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sucht nicht jeden von uns einzeln, und doch richtet er Seelen auf, die gesündigt haben, und Körper, die krank geworden sind.26
Man könnte geneigt sein, Julians Aufzählung wichtiger Kultorte des Asklepios als Beleg für einen dort überall noch funktionierenden Kultbetrieb zu verstehen. Das wird gleich noch zu prüfen sein. Für Aigeai jedenfalls bezeugen Briefe des Libanios aus dem Jahr 362, dass hier der Kult wieder gepflegt und Patienten geheilt wurden. In der älteren Forschung, ausgehend von Otto Seeck und Richard Förster,27 sind diese Stellen bei Libanios zumeist auf ein vermeintliches Asklepios-Heiligtum in Tarsos bezogen worden, was möglich war, weil Libanios zwar ausdrücklich von Kiliken spricht, den Ort selbst aber nicht klar benennt. Aber schon 1975 hat Louis Robert dargelegt, dass das „Heiligtum des Asklepios in Kilikien“, von dem Libanios spricht, eben das in Aigeai war,28 und auch die jüngere Forschung – zuletzt Gil Renberg in seiner 2017 erschienenen, umfassenden Arbeit über „Incubation Sanctuaries in the Greco-Roman World“ – hat den Unterschied zwischen Tarsos und Aigeai betont : Tarsos hatte nur ein unbedeutendes Asklepios-Heiligtum, von dem keine überregionale Anziehungskraft ausging. Wenn Libanios, von Antiochia aus, über den Heilgott in Kilikien spricht, muss Aigeai gemeint gewesen sein. Und Libanios bezeugt in seinen Briefen nicht nur, dass das Heiligtum nach wie vor seine herausragende Rolle spielte und sogar Hymnen auf den Gott gedichtet wurden, sondern er schickt auch seinen Bruder als Stellvertreter in das Asklepieion : Der Bruder soll dort für ihn im Heilschlaf die therapeutischen Anweisungen des Asklepios entgegennehmen.29 Ein weiteres wichtiges Zeugnis für Aigeai liegt mit einem weiteren Brief des Libanios vor, der ebenfalls aus dem Jahr 362 stammt. Libanios lobt hier „logoi“, die der Rhetor Akakios, der Adressat des Briefes, über Asklepios verfasst hat. Akakios hat darin nicht nur die Dankesinschriften von Patienten zitiert, die Asklepios geheilt hatte, sondern auch den „Krieg“ beschrieben, den die „Gottlosen“ gegen das Heiligtum geführt haben : „die Zerstörung, das Feuer, die umgestürzten Statuen und die hilfebedürftigen Patienten, die keine Befreiung von ihren Leiden mehr finden konnten.“30 Und noch ein weiteres Zeugnis muss beachtet werden : Eine sicher auf das Jahr 355 n. Chr. zu datierende Weihinschrift aus Epidauros richtet sich an den Asklepios 26 200 A ; Wright III 375. 27 Foerster u. Münscher (1925) 2537. 28 Robert (1973) 184. 29 Ep. 706. 30 Ep. 695.
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von Aigeai.31 Diese Inschrift aufzustellen, wurden dem örtlichen Asklepios-Priester Mnaseas im Traum befohlen. Darf man daraus schließen, dass der Asklepios-Kult in Aigeai in der Mitte des 4. Jahrhunderts, unter Constantius II., fortbestanden hat, wie dies offensichtlich auch für Epidauros festzustellen ist ? Kurt Latte hatte diese Inschrift allerdings (1931) als „Protest gegen die Zerstörung“ von Aigeai interpretiert,32 was Vivian Nutton 2004 übernommen hat,33 und auch Louis Robert vermutete 1973, „ein kultivierter Anhänger des Gottes“ habe „darauf beharrt, einen Gott zu verehren, dessen Heiligtum längst zerstört war“.34
5. Der Asklepios-Kult unter Konstantin und seinen Nachfolgern
Wie aber stellt sich die Lage des Asklepios-Kultes überhaupt unter Konstantin und seinen Nachfolgern dar ? Neben einer ungezählten Vielfalt kleiner Asklepios-Tempel – schon der RE-Artikel über Asklepios aus dem Jahr 1896 (Eduard Thraemer) zählt 186 Heiligtümer auf – gab es im Osten des Reiches nur wenige große Heiligtümer dieses Gottes : neben Aigeai sind es Epidauros, Pergamon und Kos ; alle werden auch von Julian in „contra Galilaeos“ genannt. Aber für keines dieser Heiligtümer, mit Ausnahme von Aigeai, liegen literarische Quellen vor, die noch für das 4. Jahrhundert von einer größeren Anziehungskraft sprechen würden. Die archäologische Literatur weist für Kos und Pergamon auf die verheerenden Erdbeben hin, die schon in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts große Schäden anrichteten,35 und verbunden wird dieser Hinweis in der Regel mit dem zweiten Argument, dass für den Niedergang der Heiligtümer die Konkurrenz der Christen in Rechnung zu stellen sei, die früher oder später die heidnischen Kultorte auch mit ihren Kirchen überbaut oder aber, das ist in Pergamon der Fall, Grabstätten auf dem Kultgelände angelegt hätten.36 Genauere Datierungen, wann das geschah, sind nicht möglich, und so kann man nur hoffen, dass epigraphische Zeugnisse 31 Inscriptiones Graecae IV 2, Nr. 438. 32 Latte (1931/1968) 748 ; vgl. Robert (1973) 193 f., Anm. 129. 33 Nutton (2004) 415, Anm. 77. 34 Robert (1973) 193. 35 So Radt (1999) 242 zu Pergamon. 36 Deubner (1938) 20. Wenn Demandt in seinem „Handbuch zur Spätantike“ (2007) 357 schreibt, dass „die Asklepiosheiligtümer, insbesondere Pergamon, die Heimatstadt von Oreibasios, berühmte Stätten der Heilkunst“ geblieben seien, so trifft dies sicher zu, was den Ruhm der Vergangenheit anbelangt. Praktisch entfalten konnte sich der Asklepioskult hier aber schon seit konstantinischer Zeit nicht mehr, und Julians Religionspolitik blieb auch auf diesem Feld letztlich wirkungslos. Im überlieferten Werk des Oreibasios wird Asklepios übrigens nicht ein einziges Mal genannt. Auch
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weiterhelfen. Die bereits erwähnte Inschrift aus Epidauros aus dem Jahr 355 ist indes das bislang einzige datierbare Zeugnis aus diesem Ort für die Zeit nach Konstantin ; vielleicht weist der Titel des Mnaseas, der nur „Priester“, aber nicht „Oberpriester“ war, darauf hin, dass nur mehr ein rudimentärer Kultbetrieb aufrecht erhalten wurde. In Epidauros gibt es schon für die Zeit von etwa 260 bis 290 n. Chr. keine datierbaren Inschriften mehr, dann aber noch einmal einen kürzeren Zeitraum bis etwa 310 n. Chr. mit Zeugnissen, die belegen, dass das Kultpersonal aus Athen stammte, mit Eleusis verbunden war und neuplatonischen Kreisen angehörte.37 Weihungen für Kaiser erfolgten noch für Caracalla (und für seine Mutter Julia Domna), dann aber nicht mehr.38 Auf Kos reichten die Kaiserweihungen nach den älteren Inschriftenpublikationen ebenfalls bis zu Caracalla und seinem Bruder Geta.39 Hier wurde 2010 ein Inschriftenblock aufgefunden, der aus dem Heiligtum stammte und eine Weihung des Valerius Silvinus an Caesaren der konstantinischen Zeit bezeugt : der Stein war zunächst mit einer Ehreninschrift für Hadrian beschrieben, 317 n. Chr. dann aber um 180 Grad gedreht und für eine neue Weihinschrift wiederverwendet worden : dominis nostris Flavio Valerio Crispo et Liciniano Licinio et Flavio Claudio Constantino nobilissimis caesaribus. Wenige Jahre später wurde der Stein ein weiteres Mal bearbeitet : der Name des Licinianus wurde getilgt und der des Caesars Constantius aufgenommen. Das muss zwischen November 324 und Frühjahr 326 geschehen sein. Nun könnte man eine weitere Bearbeitung nach dem Tod des Crispus im Jahr 326 erwarten, aber eine solche erfolgte nicht.40 Ist das ein Hinweis auf das Ende des Kultbetriebes in Kos ?
6. Zu Konstantins Religionspolitik
Konstantin hat selbst am Ende seines Lebens Hilfe für seine Erkrankung in den „Warmwasserbädern bei Konstantinopel“ gesucht, wie Euseb schreibt,41 und zwar, als er sich auf dem Weg nach Helenopolis befand : Bei den Bädern kann es sich nur um das bityhnische Pythia Therma, beim heutigen Yalova, gehandelt haben,42 bei Eunap fällt der Name des Asklepios kein einziges Mal ausdrücklich ; nur in der Vita des Oreibasios wird gesagt, der Arzt habe „den Schutzgott seiner Heimat“ nachgeahmt (ton patrion theon). 37 Latte (1931/1968) 733, Anm. 7. 38 Habicht (1969) 191. 39 Paton u. Hicks (1891) 389. 40 Bosnakis u. Hallof (2010) 348–350. 41 IV 61 : ἐπὶ λουτρὰ θερμῶν ὑδάτων πρόεισιν. 42 Vgl. Corsten (1987) 114 ; Bleckmann (1996) 128 ; Brandt (2006) 159 mit Anm. 13.
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und diese Anlage war ein Heiligtum, in welchem Apollon, Asklepios und Herakles verehrt wurden.43 Suchte der christliche Kaiser, kurz vor seiner Taufe, noch Hilfe in einem heidnischen Heiligtum ?44 Das bleibt, da die Christianisierung von Pythia Therma zeitlich nicht genau zu bestimmen ist, Spekulation, wie auch die Frage, ob Konstantins gegen Aigeai gerichtete Maßnahme von dem dortigen Bischof beeinflusst war : Als Tarkondimantos am Konzil von Nizäa teilnahm, hatte dieser Bischof als Arianer – so wird er von Philostorg bezeichnet – wohl kaum das Wohlwollen des Kaisers, aber das kann sich in den Jahren danach durchaus geändert haben.45 Im Hinblick auf den Asklepioskult von Aigeai muss festgehalten werden, dass die genaueren Hintergründe von Konstantins Maßnahme, an der grundsätzlich nicht zu zweifeln ist, im Dunkeln bleiben. Ob er gezielt gegen ein Heiligtum vorgehen wollte, in dem der Heilgott auch als Orakelgott auftrat, oder ob es um die Konkurrenz zwischen dem richtigen und dem falschen „Retter“ – soter – ging, lässt sich nicht entscheiden. Zieglers Annahme, dass Konstantin aus politischen Gründen gehandelt habe – um sich an den Anhängern des Licinius zu rächen – überzeugt m.E. nicht. Von einer solchen Rache hätten doch auch andere Städte und Tempel betroffen sein müssen. Nicht nur die Angaben Eusebs, sondern auch die Briefe des Libanios sprechen deutlich dafür, dass es in Aigeai zu Zerstörungen und Wiederherstellungsmaßnahmen gekommen sein muss. Aber es ist schwer vorstellbar, dass ein – wie Euseb behauptet – völlig zerstörter Asklepios-Tempel, mitsamt den zugehörigen Kultbauten, unter Julian innerhalb eines Jahres wiederaufgebaut worden wäre. Auch fehlt jeder Hinweis auf entsprechende Anordnungen Julians. Man ist geneigt, beiden Seiten, Christen wie Heiden, Euseb wie Libanios bzw. Akakaios zu unterstellen, dass sie das jeweilige Ausmaß von Zerstörung und Wiederaufbau weit übertrieben haben müssen. Dann aber müssten die von Konstantin angeordneten Maßnahmen nur von geringer Durchschlagkraft gewesen sein, entweder weil der Kaiser selbst gar keine völlige Zerstörung angeordnet hätte oder aber weil ein solcher Befehl vor Ort nicht durchgeführt worden wäre. Gleiches wäre dann für 43 Corsten (1987) 140–156, bsd. 141 ; 150. 44 Hatten Heiligtümer mit Badebetrieb bessere Chancen, christianisiert zu werden ? Vgl. den Fall von Gadara bei Krug (1993) 187. 45 Zu den verschiedenen Namensformen (u. a. Tarcundimantos Aegeon, Tarcundimatus Aegeitanus, Tarcundimantis Egeas) vgl. die Listen in Patrum Nicaenorum [T 74800] : 24 ; 65 (Nr. 90 : griechisch : Tarkodemantos Aigeon) ; 86 ; 104 ; 196 f. In der arab. Liste ein Tracodinatus Beryto (158 f.; Nr. 134). Vgl. auch RE IV A,2, Sp. 2324 (s.v. Tarkondimantos). Vgl. auch Harnack (1924) II 731 f. mit Anm. 7 ; bei ihm heißt der Bischof Thaleläus. Vgl. weiter den Komm. zu Philostorg : Bleckmann u. Stein (2015) II 89.
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Constantius II. anzunehmen, d. h. auch er hätte die antiheidnische Politik in Aigeai nicht bewusst verschärft, sondern die Angelegenheit den örtlichen Kräften überlassen. Für eine solche Deutung sprechen sowohl die Inschrift aus Epidauros von 355 als auch der Inhalt der „logoi“ auf Asklepios, die Akakios gedichtet hat. Dass Akakios in seinen Lobreden auf Asklepios auch von Bränden sprach, deutet auf Brandstiftung und damit auf örtliche Auseinandersetzungen ; das erinnert an das Schicksal des Apollon-Tempels von Daphne, der 362 in Flammen aufging.46 Kein Zweifel kann dagegen an der herausragenden Bedeutung des Asklepios-Kultes von Aigeai noch im 4. Jahrhundert bestehen. Damit ist dieses Heiligtum offensichtlich ein Sonderfall, und dies sicher nicht nur wegen des Orakels. Kein anderes Asklepios-Heiligtum des Ostens scheint unter Konstantin und seinen Nachfolgern noch die Anziehungskraft gehabt zu haben, die von Aigeai ausging ; das könnte auch der eigentliche Grund dafür gewesen sein, dass sich Konstantin zum Handeln veranlasst sah. Die Anziehungskraft von Aigeai als religiösem Zentrum aufzuheben, dazu reichten einige wenige gezielte Maßnahmen aus, die allerdings der staatlichen Legitimation bedurften. Ein Verbot der Orakel, generell formuliert oder für einzelne Orakel, etwa in Delphi oder Dodona, erlassen, ist für Konstantin und seine Nachfolger nicht bezeugt, aber es gibt doch Hinweise – so für Delphi oder Daphne bei Antiochia – dahingehend, dass der Orakelbetrieb nicht mehr ungestört von statten gehen konnte.47 Zu erinnern ist auch daran, dass Konstantin 312 oder 324 n. Chr. zwar die Tätigkeit von Magiern verbot, soweit diese „gegen das Wohlergehen der Menschen handeln“, dabei jedoch ausdrücklich nicht nur die Mittel – remedia –, die man in der Landwirtschaft für gute Ernten brauchen könnte, von seinem Verbot ausnahm, sondern auch solche, „die für die Gesundheit der Menschen erfunden wurden“.48 Der Kaiser wird vielleicht an Amulette gedacht haben, aber es ließ sich hieraus doch auch eine Rechtfertigung der Kultpraktiken in den Asklepieia ableiten. Beschränkungen also der Tätigkeit 46 Amm. XXII 13. Die Grablege des Babylas auf dem Tempelgelände wurde durch Gallus veranlasst : Demandt (2007) 131 f. Er verweist für ähnliche Fälle auf Pfaff, RE II A 1923, 1622–1628. Ist Vergleichbares denkbar für Aigeai ? In Daphne schweigt anschließend das Orakel. 47 Zu Delphi vgl. Parke u. Wormell, (1956) 287 f. (290 : die letzten Verlautbarungen aus Delphi keine Orakel mehr) ; Demandt (2007) 498 : Ein letzter Spruch in Delphi von Themistios bezeugt. Vgl. auch Theodoret III 21 : Julian lässt vor dem Perserkrieg die Orakel in Delphi, Delos und Dodona („und die anderen Orakelstätten“) befragen (dazu Rosen 2006, 333). Julian selbst verzeichnet allerdings in contra Gall. (198 C), dass die griech. Orakelstätten in Schweigen gefallen seien. In Delphi noch Statuen von Konstantin und seinen Söhnen, auch von Valentinian und Valens. Vgl. Vatin, 1962. Zu Olympia vgl. Lehmann u. Gutsfeld (2013). 48 CTh. IX 16,3 : nullis vero criminationibus implicanda sunt remedia humanis quaesita corporibus. Vgl. Fögen, (1993) 42.
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von Haruspices und Magiern wurden angeordnet, nicht aber ein allgemeines Verbot der Orakel. Wollte man den Heilkult in Aigeai beenden oder zumindest einschränken, so konnte dies geschehen, indem man etwa den Zugang zum Abaton, zum Schlafraum, sperrte, oder aber die Statue des Gottes aus dem Heiligtum entfernte. Über diese Statue und ihre Geschichte schweigen die Quellen, während größere Zerstörungen der Kultgebäude trotz entsprechender Aussagen bei Euseb und Akakios / Libanios wohl nicht anzunehmen sind. Irgendwie haben es die Heiden aber verstanden, dem von der Reichszentrale und von lokalen christlichen Kräften ausgehendem Druck zu widerstehen oder ihm auszuweichen. Und Konstantin und seine Söhne haben den Streit um die Heiligtümer offensichtlich zumindest ein Stück weit dem ‚Spiel‘ der lokalen Kräfte überlassen. Entsprechend schnell konnte der Kult auch wieder neu beginnen, als das Orakel- und Opferwesen von Julian wiederbelebt, d. h. nun wieder staatlich unterstützt wurde.
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Pedro Barceló (Universität Potsdam)
Die Erosion der kaiserlichen Macht in der Spätantike Zusammenfassung : Seit Augustus war die Bildung des römischen Kaisertums das Ergebnis eines Prozesses der Konzentration von Einzelbefugnissen in der Person des Princeps, der als Befehlshaber des Heeres, als oberster Richter und als Vorsteher des Kultes auftrat. Mit Hilfe einer Mischung aus personenbezogenen und institutionellen Zuständigkeiten war eine Regierungsform entstanden, die auf den Machtquellen und staatsmännischen Fähigkeiten des Herrschers fußte. Im Verlauf des 4. Jahrhunderts lässt sich eine schleichende Erosion der richterlichen, militärischen und religiösen Vollmachten des ersten Mannes im Staate beobachten, was schließlich zur Aushöhlung der kaiserlichen Macht führen wird. Abstract : Since the Augustean epoch the construction of the Cesarism has beeen the result of a concentration process of the militarian, juridical and religious powers within the person of the princeps. A kind of government was established by a combination of individual and institutional competences that extremely depended on the abilities and capacities of the actual imperator. During the fourth century one can observe how the militarian, juridical and religious attributions of the regent were gradualy eroded. The consequences of this development consisted in a creeping demolition of the imperial power.
1. Einleitung
Stellen wir uns einmal vor, die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika würde außer Kraft gesetzt, das mächtigste Gemeinwesen der neueren Zeit wäre in Auflösung begriffen und die Presse würde kaum Notiz davon nehmen. So ähnlich muss man sich den Machtverzicht des Romulus Augustulus, des letzten weströmischen Kaisers vorstellen, der mit seinem Abgang eine glanzvolle Epoche römischer Geschichte zu Grabe trug, die das Schicksal der zivilisierten Welt jahrhundertelang geprägt hatte. Dieses Revirement war allerdings der letzte Akt eines Prozesses, der lange zuvor eingesetzt hatte, in dessen Verlauf die kaiserliche Autorität zunehmend unterminiert worden war. Die Absetzung des letzten weströmischen Kaisers war so unspektakulär, dass selbst zeitgenössische
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Pedro Barceló
Chronisten es nicht für werthielten, darüber zu berichten.1 Wie konnte es dazu kommen ? Seit Augustus die Grundlagen der Kaiserherrschaft gelegt hatte, galt der Imperator als oberster Richter, Gesetzgeber, Befehlshaber und Priester. Die gleichzeitige Wahrnehmung dieser Funktionen bestimmte seinen Regierungsstil. Sie beruhte darauf, dass die Bestandteile seiner Macht von jedem Amtsinhaber stets aktualisiert wurden. Verlor er die Kontrolle über wesentliche Teile seines komplexen Machtgefüges, dann war seine Herrschaft gefährdet. Die Ausübung der gebündelten militärischen, gesetzgeberischen und priesterlichen Kompetenzen war das unverkennbare Gütezeichen kaiserlicher Herrschaft. Wurden sie jedoch nicht regelmäßig wahrgenommen, so führte dies unweigerlich zur fortschreitenden Entmachtung des Herrschers und zur Aushöhlung des eingespielten Regierungssystems. Hier soll zunächst den Wandel der richterlichen Kompetenzen der Imperatoren betrachtet werden.
2. Das kaiserliche Richteramt
Im Zuge der Schaffung der Tetrarchie wurden die Amtsbefugnisse des Prätorianerpräfekten neu geregelt. Die nun vier amtierenden Prätorianerpräfekten wurden von ihren militärischen Aufgaben entbunden. Im Gegenzug erhielten sie neue juristische Funktionen, was zur Folge hatte, dass die höchste richterliche Appellationsfunktion, die bisher dem Kaiser oblag, auf seinen höchsten zivilen Stellvertreter überging. Die Kaiser des 4. Jahrhunderts haben durch die Delegierung ihres Richteramtes eine zunächst nicht als Verlust empfundene, doch mittelfristig durchaus wirksame Schwächung ihrer Machtposition in Kauf genommen. Ammian berichtet, wie der Praefectus Praetorio Modestus Kaiser Valens von der Ausübung des Richteramtes fernhielt, indem er das Argument der Missachtung der maiestas der kaiserlichen Herrschaft ins Feld führte : Die Kleinigkeiten privater Rechtsfälle stünden unter der Würde des Kaisers (…) die persönliche Untersuchung von Rechtsfällen (…) würde die Hoheit des Amtes erniedrigen. Der Historiker Ammian folgert daraus :
1 Im liber pontificalis findet sich für das „Epochenjahr“ 476, das ins Pontifikat von Simplicius (468– 483) fällt, keine Erwähnung über die Absetzung des Romulus Augustulus durch den magister militum Odoaker. Das Ende des weströmischen Kaisertums erschien derart folgerichtig und unspektakulär, dass der Chronist dieses Ereignis in seinen Aufzeichnungen nicht vermerkte.
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(Valens) hielt sich daraufhin von der Ausübung des Richteramtes zurück. Damit öffnete er räuberischem Unwesen Tür und Tor. Es nahm durch die Schlechtigkeit der Richter und Rechtsanwälte, die gemeinsame Sache machten, von Tag zu Tag zu ; denn sie verkauften die Rechtsfälle geringerer Leute an Truppenführer oder an die Mächtigen im Palast und erwarben so Schätze oder hervorragende Ämter.2
Aufschlussreich an dieser Begründung ist, dass die Verdrängung des Kaisers aus der Rechtspflege kritisch gesehen wird. Sie habe, so Ammian, nicht eine Besserung der Lage, sondern vielmehr das Gegenteil bewirkt, letztlich die Zunahme der Korruption gefördert. Auf die Stellung des Kaisers bezogen, bedeutete eine derartige Kompetenzverschiebung, dass in dem Maß, in dem sich zivile Befugnisse in den Händen seines Stellvertreters häuften, die Machtfülle des Staatsoberhaupts durch den Rekurs auf andere Quellen der kaiserlichen Herrschaft kompensiert werden musste. Gerade die militärische Leitungskompetenz war im spätrömischen Reich, das aufgrund der zahlreichen Usurpationen und Kriege gegen Grenznachbarn sich einer ständigen Bedrohung gegenübersah, in besonderer Weise gefragt. Schon längst beruhte die kaiserliche Herrschaft nicht mehr auf dem Konsens der senatorischen Führungsschichten, sondern wurzelte vielmehr auf der Akzeptanz des jeweiligen Thronkandidaten durch eine zunehmend politisierte Armee.3
3. Der Kaiser als oberster Feldherr
Der Kaiser als oberster Feldherr verdankte seine Herrscherstellung wesentlich der Aktualisierung seines militärischen Oberkommandos. Den Imperatoren des 4. Jahrhunderts waren diese Zusammenhänge sehr bewusst. Immer wieder traten sie inmitten ihrer Soldaten auf, vollzogen Ernennungen und Beförderungen bewährter Offiziere, leiteten persönlich militärische Operationen oder feierten Triumphe über innere und äußere Feinde.4 Die Biografien Constantins, Constantius’ II., Julians, Valentinians und Theodosius’ sind beredte Beispiele dafür. Dieje2 Ammian 30,4,1–2. 3 Zur Funktion der Armee in der späten Kaiserzeit Alföldy (1987) 26–42 ; Demandt (1989) 255– 272. 4 Whitby (2004) 156–186. Am deutlichsten wird dieser Zusammenhang von Ammian 27,6,12 formuliert. In einer Rede, die er Valentinian halten lässt, werden die Herrscheraufgaben des gerade zum Augustus proklamierten Gratian umrissen : Rüste dich nun in Anbetracht der Last dringender Umstände als Kollegen deines Vaters und Onkels und bereite dich darauf vor, unerschrocken mit den Abteilungen der Fußsoldaten über das Eis der Donau und des Rheins zu gehen, in nächster Nähe dei-
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nigen, die in Konflikt mit den militärischen Eliten des Reiches gerieten, wie etwa Constans, bezahlten die Vernachlässigung ihrer Imperatorenpflichten mit dem Leben. Dies galt auch für Julian und Valens, die für das Scheitern von Militär operationen gegen auswärtige Völker verantwortlich waren.5 Die intensive Pflege der Beziehungen zwischen Herrscher und Armee sowie die guten Kontakte zur Generalität waren entscheidend für die Stabilität der Kaiserherrschaft. Eine Zäsur in den Beziehungen zwischen Imperator und Armee markierte das Jahr 387, als der aus der germanischen Militärelite stammende Arbogast ohne kaiserliches Mandat das Amt eines magister militum erhielt. Überraschend an dem Vorgang war, dass diese Berufung ohne vorherige Konsultation des Kaisers geschah und auch nachträglich nicht von diesem legitimiert wurde. Ein Teil der militärischen Elite hatte die Zügel der Macht ergriffen und unter Umgehung des Imperators einen der ihren an die Spitze der Armee gesetzt und somit den Kaiser zum Statisten degradiert. Damit wurde die Autorität des Staatsoberhaupts entscheidend geschwächt. Denn durch die Entwöhnung der Kaiser, militärische Hoheitsrechte auszuüben, wurden gerade jene Kräfte, die diese Situation ausnutzten, proportional dazu gestärkt. Die danach immer mehr vom Heer isolierten Regenten vermochten nur über eine stets kleinere und von militärischen Machtmitteln entblößte Umgebung zu gebieten. Die Herrschaft über weite Teile des Reichs glitt ihnen aus den Händen. Dies traf auf die meisten Kaiser des 5. Jahrhunderts zu, die dem westlichen Reichsteil vorstanden. Wie sehr Arbogasts Amtsführung einen Traditionsbruch bedeutete, belegt eine Szene, die sich innerhalb der Palastmauern ereignete : Der Heermeister ermordete eigenhändig im Consistorium einen Vertrauten des Herrschers, der unter dem kaiserlichen Purpurmantel vergeblich Schutz gesucht hatte ; anschließend zerriss er vor den Augen des Hofes das von Valentinian II. ausgefertigte Entlassungsdekret.6 Arbogast blieb im Amt und der desavouierte Kaiser musste um sein Leben fürchten. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis der machtbewusste Arbogast sich seiner entledigte und bei passender Gelegenheit einen Kaiser seiner Wahl als Nachfolger einsetzte : Eugenius.7 Je mehr der Kaiser von der Ausübung seiner militärischen Führungsaufgaben ferngehalten wurde, die stets die Grundlage seiner Herrschaft dargestellt hatten, ner Krieger zu stehen und Blut und Leben entschlossen für die hinzugeben, die du führst, und nichts als nebensächlich anzusehen, was zum Bestand des römischen Reiches gehört. 5 Aurelius Victor, Die römischen Kaiser 41,23 ; Eutrop 10,9,3. 6 Zosimos 4,53. 7 Arbogasts starke Persönlichkeit bestätigt der Kirchenhistoriker Orosius 7,35,11, der ihn folgendermaßen beschreibt : (Arbogast) selbst ein Barbar, sehr stark an Denkkraft, Rat, Tapferkeit und Macht, sollte die Herrschaft ausüben.
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umso mehr wuchs der politische Einfluss jener Kreise, die sich diese Kompetenzen aneigneten. Dass sich nun eine wachsende Zahl von Heermeistern wie Arbogast, Merobaudes, Ricimer, Stilicho oder Odoaker8 in den Vordergrund schoben, war die logische Folge dieser schleichenden Machtverlagerung. Die Heermeister übten faktisch die Herrschaft im Reich aus, indem sie den jeweils regierenden Kaiser ins zweite Glied zurückdrängten.9 Trotzdem entstand kein Machtvakuum, sondern es entwickelte sich ein Transfer von Leitungsaufgaben zum Nachteil des Staatsoberhaupts. Die Isolierung der Herrscher ging zu Lasten ihrer Politikfähigkeit. Ab dem Ende des 4. Jahrhunderts schmolz die effektive militärische Befehlsgewalt der Imperatoren in den westlichen Reichsteilen dramatisch. Sie verkam zu einem Torso. Ohne die Kontrolle über die Armee musste die Autorität des Kaisers in einer Sackgasse münden. Kann man den Verlust militärischer Kompetenzen, den die spätantiken Kaiser erlitten, als Traditionsbruch bezeichnen, so gilt dies nicht weniger für die Minderung der imperatorischen Autorität im kultisch-religiösen Bereich, die seit Augustus die ureigene Domäne des Herrschers geworden war.
4. Die religiöse Autorität des Kaisers
Mit der Begründung des Principats übte der göttlich verehrte römische Herrscher als Mitglied der wichtigsten Priesterkollegien einen entscheidenden Einfluss auf das religiöse Leben seiner Untertanen aus.10 Die Akzeptanz und Förderung bestimmter Gottheiten11 oblag ihm ebenso wie die Zustimmung oder Ablehnung von Kulten,12 die auf römischem Boden heimisch werden wollten.13 Die Präferenz für einen bestimmten Kult wurde konstitutiv für die Gestaltung der Religionspolitik. Ein entscheidendes Kriterium war die Reziprozität. Gewöhnlich erwiesen die Kaiser einer speziellen Gottheit besondere Verehrung, die wiederum ihre Regierung mit einer Aura göttlichen Glanzes ausstattete. Dieser Zusammenhang prägte das polytheistische Modell der Herrschaftsausübung der Tetrarchie. Daher lehnten die Tetrarchen jede Anfechtung der göttlichen Weltordnung ab, die sie selber repräsentierten. 8 Vgl. hierzu die Eloge des Claudian auf Stilicho, der den magister militum auf das Niveau des Kaisers hebt (Über das Consulat des Stilicho I,376–385). 9 Martin (1995) 36–37 ; Demandt (1989) 261–262. 10 Zu den priesterlichen Funktionen der Kaiser vgl. den Tätigkeits-Katalog bei Stepper (2003). 11 So bei Elagabal und Baal von Emesa ; Aurelian und Sol Invictus ; Constantin und Christus. 12 Wie Augustus den Isiskult, Valerian das Christentum, Diocletian den Manichäismus. 13 Barceló (1996) 84–100.
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Ebenso wenig konnten sie den Anspruch des christlichen Gottes hinnehmen, das Götterpantheon zu monopolisieren. Aus diesem Grund war die Christenverfolgung eines ihrer zentralen politischen Anliegen. Diocletian, Maximian, Constantius und Galerius handelten wie Jupiter, Hercules, Apollo und Mars, die sich einander auf Augenhöhe begegneten. Diese konzertierte Herrscher- und Götterpluralität stellte die auf Ausschließlichkeit abgestellte Grundhaltung des Christentums in Frage.14 Das Gleichgewicht der römischen Religion änderte sich schlagartig mit dem Einbruch eines trinitarisch, monotheistischen christlichen Gottes in die polytheistische Landschaft des Reichs, der auf den Zusammenbruch der Tetrarchie folgte.15 Wie kaum ein anderer weltgeschichtlich bedeutsamer Vorgang hat die Durchsetzung der christlichen Lehre, die mit der gleichzeitigen Zerschlagung einer säkularen Tradition einherging, die politische und religiöse Szenerie der alten Welt verändert.16 Die nach Constantin amtierenden christlichen Herrscher haben im Widerstreit mit der sich formierenden Bischofskirche um die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem christlichen Kult und dem Staat gerungen. Kirche und Theologie mussten sich unter den veränderten Bedingungen des sich rasch wandelnden Reichs an die neuen politischen Realitäten anpassen. Alte Gepflogenheiten gingen zu Bruch, neue wurden dabei begründet. Dies betraf sowohl die Festlegung der theologischen Messlatten, denen man Geltung verschaffen wollte, als auch die Interaktion und Rollenzuweisung innerhalb der Führungsschichten. Es stellten sich nun neue Fragen : Wer gestaltete innerhalb der christlichen Kirche die Modalitäten der Religionspolitik : der Kaiser oder die Bischöfe ? Wer war in letzter Instanz für Fragen der Kirchendisziplin, der Kirchenverfassung oder gar für die theologischen Inhalte der Kirchenlehre zuständig ? Was bisher Bestandteil der pontifikalen Amtsausübung der römischen Kaiser gewesen war, konnte plötzlich in Frage gestellt werden. Standen die heidnischen Imperatoren im Mittelpunkt eines religiösen Koordinatensystems, das die Ordnung der damaligen Welt widerspiegelte, so liefen die christlich gewordenen Nachfolger Constantins Gefahr, zu Randfiguren der Kirchenpolitik zu verkümmern. Der Umgang mit diesen Themenkomplexen verschob das staatliche und gesellschaftliche Ordnungsgefüge der alten Welt tiefer und grundlegender als es auf den ersten Blick anmutet. Dies spiegeln bereits beispielhaft die Ereignisse rund um den Donatistenstreit wider, als Kaiser Constantin – von den Betroffenen aufgesucht und um eine Entscheidung gebeten – einer Bischofssynode die Handlungsvoll14 Kolb (1987) 88–90. 15 Barceló (2008) 32–41. 16 Herrmann-Otto (2007) 48–50.
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macht übertrug, anstatt selbst zu entscheiden. Ein solches Faktum spielte für die Gestaltung der Zukunft des Reichs eine größere Rolle als etwa die als epochal apostrophierte constantinische Wende des Jahres 312. Von der Haltung des Kaisers sollte eine beträchtliche Wirkung ausgehen. Als er in seiner Funktion als Staatsoberhaupt von den zerstrittenen religiösen Gruppen aus Nordafrika um Schlichtung ersucht wurde, verwies er die Angelegenheit an Fachleute, an eine zunächst in Rom (313) und dann in Arles (314) tagende Bischofssynode, die, wie die späteren Ereignisse zeigen sollten, keine Lösung des Problems erzielen konnten. Hatte Constantin sich damals einer lästigen Angelegenheit entledigen wollen, so waren die Konsequenzen des damit gesetzten Beispiels weitreichend. In Zukunft sollten Bischofsversammlungen in Fragen der Kirchenordnung eine immer größere Rolle zu Lasten der Reichsregierung einnehmen. Ähnlich wie im militärischen Bereich lässt sich aus der Entwicklung des Kultwesens ebenfalls eine fortschreitende Abdrängung des Kaisertums aus dem Zentrum der Religionspolitik beobachten.17 Mit Constantins Haltung in der Donatistenfrage, eine Entscheidung, die ihm eigentlich oblag, zu delegieren, begann eine der wichtigsten Innovationen dieser Zeit : Die Eroberung des öffentlichen Raumes durch eine selbstbewusste, nach Macht und Einfluss drängende klerikale Hierarchie.18 Der Aufstieg des Bischofs zu einer autonomen Autorität im christlichen Sakralwesen war verbunden mit einer Beeinträchtigung der kaiserlichen Schlichtungsfunktion. Darüber darf die devote Verehrung, die Constantin seitens der Bischöfe genoss, die in ihm den Retter der Christen vor der Verfolgung sahen, nicht hinwegtäuschen. Die Spannungen zwischen seinen Nachfolgern und den führenden Kirchenmännern, etwa zwischen Constantius II. und Athanasios von Alexandria19 oder zwischen Theodosius I. und Ambrosius von Mailand,20 um nur zwei bekannte Beispiele aufzuführen, bildeten lediglich die Spitze des Eisbergs.
5. Eine neue Dissenskultur
Wenn maßgebliche Bischöfe ihre Treue zu einer bestimmten dogmatischen Lehrmeinung höherstellten als ihre Gehorsamspflicht gegenüber dem Kaiser, und das ge17 Die Kirche zog zunehmend juristische Kompetenzen an sich, die der Bischof im Rahmen der episco palis audientia ausübte, wobei ausdrücklich nicht-kirchliche Fälle eingeschlossen waren. Cimma (1989) ; Harries (2001) 62–82. 18 Brown (1986) 87–138. 19 Barceló (2004) 65–67 ; Martínez Maza (2009) 224–275. 20 Groß-Albenhausen (1999) 63–78.
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schah während der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts fortwährend, dann zerbrach damit eines der wirksamsten Bande, das Politik und Religion bisher zusammengehalten hatte. Mit der Verfestigung einer derartigen Dissenskultur entwickelten sich neue Formen religionspolitischen Handelns. Bischöfe und Kaiser wetteiferten immer mehr um die Gunst des einen unteilbaren Gottes. Bestand am Anfang eine Art Äquidistanz, so verkürzten sich die Wege immer mehr zugunsten der Kirchenrepräsentanten, die mit Vehemenz ihren Platz in seiner Nähe behaupten konnten. In früheren Zeiten waren die Herrscher hinsichtlich der Monopolisierung der sacra publica so gut wie konkurrenzlos. Die Anerkennung und Durchsetzung des christlichen Gottes erforderte ein neues Beziehungsgeflecht, aus dessen Zentrum der Kaiser immer mehr verdrängt wurde. Heilige Männer, Bischöfe oder theologisch geschulte Experten, samt ihren weit verzweigten Anhängerschaften, traten als Sprachrohr des göttlichen Willens auf und handelten als von Gott gesandte Autoritäten in Kultfragen. Damit war der Kaiser nicht mehr die unanfechtbare Instanz, sondern eben nur eine Autorität neben anderen. Laut christlicher Lehre galt die weltliche Herrschaft ausschließlich als von Gott verliehen. So formulierte am Ausgang der theodosianischen Epoche der machtbewusste Bischof Kyrill von Alexandria, einer der führenden Köpfe der Ostkirche, in einem Memorandum, das an den Hof von Constantinopel gerichtet und dessen Adressat Theodosius II. war, die Leitprinzipien des christlichen Kaisertums und unterstrich dabei die Unterordnung des Kaisers unter den Willen Gottes. Wichtiger sind dabei weniger die Inhalte solcher Traktate, die keineswegs neu waren,21 sondern der belehrende Ton, der sich bei derartigen Gelegenheiten einschlich. Noch bemerkenswerter ist der Umstand, dass ein Bischof, indem er eine Brückenfunktion zwischen Himmel und Erde beanspruchte, theologische Begründungen lieferte, wie die gottgefällige politische Ordnung auszusehen habe : Die unerschütterliche Grundlage eurer so gottliebenden und ruhmgekrönten Regierung ist unser Herr Jesus Christus selbst, denn ‚durch ihn üben die Könige Königsmacht und bestimmen die Machthaber, was recht ist‘, wie geschrieben steht. Denn sein Wille ist allmächtig, und durch einen bloßen Wink verleiht er die Fülle alles Guten. Und gern und bereitwillig verteilt er an diejenigen, die ihn lieben, das Auserlesenste von allem, was man zu wünschen und zu bewundern pflegt. Ein ausreichender Beweis für das Gesagte liegt schon in dem, was eurer Herrschaft geschenkt worden ist und, wie wir vertrauen, noch geschenkt werden wird.22 21 Vgl. etwa Ambrosius’ Haltung gegenüber Gratian ; Ambrosius, Briefe 4 ; Leppin (2008) 33–49. 22 Kyrill von Alexandria, Vom rechten Glauben 1.
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Wer, wenn nicht die Bischöfe als Heilsvermittler und als privilegierte Diener Gottes und Deuter seines Willens, sollte dem Staatsoberhaupt in Fragen, die den Umgang mit der von Gott verliehenen Herrschaft betrafen, beraten und leiten ?
6. Die Differenzen zwischen Ost und West
Die bisher untersuchten Konfliktfelder spiegeln vor allem die im weströmischen Kaiserreich vorherrschenden politischen Verhältnisse wider, wo Heermeister, Bischöfe, regionale Aristokratien und römischer Senat zeitweilig in Konkurrenz zum Kaiser auftraten und sich einen Wettbewerb um die Monopolisierung zentraler Staatsaufgaben lieferten, was dem Kaiserhof einen erheblichen Verlust an Ansehen und Regierungskompetenz einbrachte.23 Anders verlief die Entwicklung im östlichen Reichsteil, wo das seit Justinian wieder erstarkte byzantinische Kaisertum seine Machtgrundlagen sowie den territorialen Bestand des Reiches behaupten konnte. Wenn das östliche Erfolgsmodell jedoch nicht als Vorbild für die westliche Reichshälfte taugte, so lag dies nicht allein an den Auswirkungen der Barbareneinfälle, die im Westen deutlich gefährlicher ausfielen als im Osten,24 sondern dessen Unübertragbarkeit war auch die Folge der tiefgreifenden Autoritätskrise, die das westliche Kaisertum längst erfasst hatte und seine Regierungsfähigkeit beträchtlich einschränkte. Die Beobachtung antiker und moderner Krisen lehrt, dass abrupte Transformationsprozesse von Gewalt, Ungerechtigkeit und Unsicherheit begleitet werden – aber ebenso zeigt sich, dass nicht immer Anarchie und allgemeines Chaos am Ende stehen müssen. In der Auflösungsphase des weströmischen Reiches verschlechterten sich die ohnehin prekären Lebensbedingungen der meisten Menschen keineswegs dramatisch, als die kaiserliche Autorität kollabierte. So führte etwa die Übertragung von juristischen Kompetenzen auf den praefectus praetorio, wiewohl sie dem Kaiser zum Nachteil gereichte, keineswegs zum Zusammenbruch der Rechtspflege. Die Kritik des Ammian geht in dieser Hinsicht zu weit. Man kann auch nicht ausschließen, dass diejenigen, die davon betroffen waren, in diesen Maßnahmen zur Dezentralisierung der Entscheidungsprozesse eine positive Entwicklung sahen. Ähnliches lässt sich über die Neugliederung der Reichsverteidigung sagen, insofern die größeren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der magistri militum diesen 23 Zur politischen und sozialen Entwicklung der westlichen Provinzen Martin (1995) 37–48 ; Heather (2007) 294–493. 24 Heather (2007) 405–407.
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erlaubte, effizienter auf kritische Situationen an den bedrohten Grenzen zu reagieren als in der Vergangenheit. Stilicho, Aëtius, Ricimer oder Odoaker vermochten dank ihrer Fähigkeiten Gefahrenlagen zu meistern, an denen die jeweiligen Kaiser gescheitert wären.25 Es sollte auch bedacht werden, dass die offizielle Einführung eines monotheistischen Glaubenssystems die überfällige Reform überholter Kultinstitutionen überlagerte. Es bleibt eine offene Frage, bis zu welchem Grad die ersten christlichen Imperatoren sich bewusst waren, welche Veränderungen sich durch die religiöse Neuorientierung des Reichs vollzogen. Doch in dem Maß, wie der Kaiser einen Verlust seiner religiösen Führungsposition verzeichnete, entfaltete sich komplementär dazu eine von der klerikalen Elite getragene Dynamik, die eine umfassende Neuordnung der kultischen Sphäre vorantrieb.26 Die Beziehungen zwischen dem Herrscher und seinem engsten Umfeld erachteten die antiken Autoren als entscheidend für die Beurteilung seiner Regierung.27 In diesem Kontext bedeutete die fortschreitende Entmachtung der kaiserlichen Vorrechte keineswegs das Ende der Politikgestaltung, sondern machte lediglich ein verändertes Politikverständnis sichtbar. Vor allem im Westreich ist eine Stärkung der zentrifugalen Kräfte zu beobachten : die germanischen Militäreliten, die lokalen Aristokratien, die Bischöfe und nicht zuletzt der römische Senat, der eine Renaissance erlebte und zeitweilig zum Schiedsrichter zwischen den antagonistischen politischen Gruppierungen aufstieg. Auf der anderen Seite machte die mit dem Verlust der traditionellen Kompetenzen einhergehende neue Rolle des Kaisertums als bloße Repräsentationsinstanz seine Entbehrlichkeit deutlich. Wenn der Kaiser nicht gebraucht wurde, was sollte dann aus dem Imperium werden ? Der in theodosianischer Zeit schreibende Historiker Ammian war nicht der Einzige aus der Riege der traditionell gesinnten Intellektuellen, der diese Entwicklung mit Sorge betrachtete. In einer seiner berühmtesten Passagen äußerte er sich über die historische Rolle der Kaiserherrschaft folgendermaßen : Zum Jüngling und Manne gereift hat es (das römische Volk) in allen Gegenden des Erdkreises Lorbeeren und Triumphe geerntet. Schließlich schon dem Greisenalter nahe 25 Im Sonderfall der Provinz Hispania ging der General Gerontius, der zur Kontrolle und Verteidigung dieses Gebietes eingesetzt worden war, sogar so weit, einen neuen Kaiser auszurufen, den Hispanier Maximus, vgl. Sozomenos, Kirchengeschichte 9,12–13 ; Orosius, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht 7,42. 26 Zur Fortwirkung des christlichen Kulturerbes in der Spätantike vgl. Brown (1996). 27 Der Historiker Aurelius Victor führt zur Regierungstätigkeit des Constantius II. folgendes aus (Die römischen Kaiser 42,25) : „Und um in Kürze der Wahrheit zu genügen : wie es nichts Vortrefflicheres gibt als den Kaiser selbst, so nichts Abscheulicheres als die meisten seiner Gehilfen.“
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und zuweilen allein durch seinen Namen überlegen, hat es sich einem ruhigeren Leben zugewandt. Darum hat die verehrungswürdige Stadt, nachdem sie den übermütigen Nacken vieler Völker bezwungen und ihnen Gesetze als ewige Fundamente und Stützen der Freiheit gegeben hatte, wie eine besonnene, kluge und reiche Mutter den Kaisern als ihren Söhnen die Verwaltung ihres Erbteils anvertraut.28
In dieser Aussage schwingt die Hoffnung mit, dass durch einen energischen Herrscher die Heilungskräfte des Reichs gestärkt werden könnten. Bei derartigen Gedankenspielen, die eine von der Mehrzahl der Gebildeten geteilte deterministische Sichtweise von Geschichte offenbaren, wonach es keine Alternative zu dem durch das Kaisertum verkörperten Ordnungssystem der alten Welt zu geben schien, schimmert die Unhaltbarkeit des vehement verteidigten Modells durch. Es ist anzunehmen, dass Ammian seine Historien noch in der Amtszeit des Theodosius veröffentlichte. Hätte er sie später, also unter der Regierung des Arcadius und Honorius abgefasst, wäre sein diesbezügliches Urteil vermutlich düsterer ausgefallen. Zu diesen Herrschern passt der aus der modernen Verfassungstheorie stammende Satz : le roi règne, et il ne gouverne pas. Damit war auf Dauer die auf dem Imperiumsgedanken gegründete Stabilität der politischen Verhältnisse kaum aufrechtzuerhalten.
7. Zusammenfassung
Ungeachtet der unterschiedlichen Nuancen der untersuchten Quellen, offenbart ihre Zusammenschau ein politisches Koordinatensystem, das den Zerfall der kaiserlichen Macht dokumentiert, genauer : die Erosionsprozesse, die dazu führten, dass die Kaiser des 4. und 5. Jahrhunderts wesentliche Teile ihrer schiedsrichterlichen, militärischen und religiösen Kompetenzen sukzessive einbüßten. Trotz der unleugbaren Hinweise, die es dafür gibt, thematisieren dennoch die antiken Autoren so gut wie nie die weitreichenden Konsequenzen dieses Phänomens. Daher müssen dessen Gründe aus der Rückschau rekonstruiert werden ; allein mittels einer systematischen Quellendurchsicht gelangt man zu den dargelegten Schlussfolgerungen. Dies bedeutet keineswegs, dass den Intellektuellenkreisen der Spätantike diese Zusammenhänge unbekannt geblieben wären. Es ist offensicht28 Ammian 14,6,4–5. Zur imperialen Ideologie Kolb (2001). Zum profanen und religiösen Zeitbegriff der Spätantike vgl. die Aufsatzsammlung in de Salvo u. Sidoni (2002) ; Martínez Maza (2006) 209–228.
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lich, wie sehr die starke Fixierung auf die Bindekraft der Tradition wirkte, so dass die zeitgenössischen Beobachter die daraus abzuleitenden Implikationen ignorierten. Eine solche Geisteshaltung lässt sich ebenfalls auf jene Autoren ausdehnen, die den letzten Abschnitt der Geschichte Roms von einem religiös bestimmten Standpunkt aus bewerteten, wie beispielsweise Orosius aus christlicher oder Zosimos aus heidnischer Sicht.
Literatur Alföldy (1987) : G. Alföldy, Römische Heeresgeschichte, Amsterdam. Barceló (1996) : P. Barceló, Die Macht des Kaisers – Die Macht Gottes. Alleinherrschaft und Monotheismus in der römischen Kaiserzeit, in : ders. (Hg.) : Contra quis ferat arma deos ? Vier Augsburger Vorträge zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit, München, 84–100. Barceló (2004) : P. Barceló, Constantius II. und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums, Stuttgart. Barceló (2008) : P. Barceló, Konstantins Bekehrung zum Christentum, Historicum. Zeitschrift für Geschichte 27, 2, 32–41. Brown (1986) : P. Brown, Die letzten Heiden. Eine Geschichte der Spätantike, Berlin. Brown (1996) : P. Brown, Die Entstehung des christlichen Europas, München. Cimma (1989) : M. R. Cimma, L’episcopalis audientia nelle costituzione imperiali da Costantino a Giustiniano, Turin. Demandt (1989) : A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diokletian bis Justinian 284–565 n. Chr., HdAW III 6, München. De Salvo / Sidoni (2002) : L. de Salvo / A. Sidoni (Hgg.), Tempo sacro e tempo profano. Visione laica e visione cristiana del tempo e della storia, Rubbettino. Groß-Albenhausen (1999) : K. Groß-Albenhausen, Imperator christianissimus. Der christliche Kaiser bei Ambrosius und Johannes Chrysostomus, Frankfurt. Harries (2001) : J. D. Harries, Resolving Disputes. The Frontiers of Law in Late Antiquity, in : R. W. Mathisen (Hg.), Law, Society and Authority in Late Antiquity, Oxford, 62– 82. Heather (2007) : P. Heather, Der Untergang des römischen Weltreiches, Stuttgart. Herrmann-Otto (2007) : E. Herrmann-Otto, Konstantin der Große, Darmstadt. Kolb (1987) : F. Kolb, Diocletian und die Erste Tetrarchie, Berlin, New York. Kolb (2001) : F. Kolb, Herrscherideologie in der Spätantike, Berlin. Leppin (2008) : H. Leppin, Zum politischen Denken des Ambrosius. Das Kaisertum als pastorales Problem, in : T. Fuhrer (Hg.), Die christlich-philosophischen Diskurse der Spätantike : Texte, Personen, Institutionen, Stuttgart, 33–49. Martin (1995) : J. Martin, Spätantike und Völkerwanderung, München. Martínez Maza (2006) : C. Martínez Maza, Los primeros calendarios cristianos, in : J.
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Christoph Begass (Universität Mannheim)
Die Rolle des Senats bei den Kaisererhebungen in Konstantinopel von Konstantin bis Justinian Zusammenfassung : Der Aufsatz untersucht die Kaisererhebungen im Osten des Römischen Reiches vom 4. bis 6. Jahrhundert n. Chr. Neben einer Analyse von Einzelfällen und einer kritischen Durchsicht der aktuellen Forschungen zeigt die Studie, dass die bisherigen Erklärungsmodelle die relevanten Akteure bzw. Akteursgruppen nicht adäquat beschreiben bzw. ihr Handeln analysieren können. Anders als das ,Akzeptanzmodell‘, das sich auf die in den Quellen zu findenden Großgruppen „Militär“, „Senat“ und „Stadtbevölkerung“ stützt, entwirft der Beitrag eine Typologie der Kaisererhebungen, die eine Entwicklung von einem militärischen geprägten Zeremoniell zu einem Akt, an dem gleichermaßen zivile wie militärische Amtsträger beteiligt waren, in dem aber auch zunehmend der Patriarch von Konstantinopel integriert wurde, abzubilden erlaubt. Abstract : This article examines the elevation to imperial rank in the late-antique Eastern Roman Empire from the 4th to 6th centuries AD. In a first step, several cases and recent scholarship are discussed. It can be shown that recent models that aim at explaining the coronation rituals are too closely focused on groups (“soldiers”, “Senate”, “populus”) which are found in the sources. By contrast, this article establishes a typology of imperial elevations that shows how the proclamation and coronation of a new emperor developed from a military-based ceremonial to a ritual in which both military and civil administrators – and increasingly the patriarch of Constantinople – were involved.
1. Einleitung
Wie Alexander Demandt in seinem Spätantike-Handbuch ausdrücklich betont, hat es für die Erhebung zum römischen – und später zum byzantinischen – Kaiser nie ein festes, rechtlich fixiertes Verfahren gegeben.1 Obschon dieser Befund eigent* Ich danke den Teilnehmern der Tagung sowie Kai Trampedach (Heidelberg) für die Diskussion meiner Thesen. 1 Demandt (2007) 255.
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lich eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist die Diskussion, wer auf welche Weise die Kaiserwürde erlangte und über eine gewisse Zeit erhalten konnte, zumeist mit juristischen Argumenten ausgefochten worden. Wie offen das Verfahren in der Realität aber war, zeigt eine Passage des Dialogs περὶ πολιτικῆς ἐπιστήμης, der mit guten Gründen in justinianische Zeit datiert worden ist.2 In ihm diskutieren zwei ranghohe Magistrate in enger Anlehnung an Platons Staatsphilosophie über die gerechte Ordnung des Gemeinwesens. Da die Herrschaft, wie sie festhalten, nun einmal eine kaiserliche sei,3 widmen sie sich intensiv der Frage, wie die βασιλεία gestaltet sein müsse. Nach platonischem Vorbild schlägt einer der Diskutanten fünf Gesetze vor,4 die zentrale Angelegenheiten des Staates regeln sollen. Da in einer Monarchie von der Auswahl des Kaisers alles weitere abhänge, müsse durch ein erstes Gesetz (πρῶτος θετέος) eine „rechtlich geregelte Erhebung zum Kaiser“ (ἐννόμου ἀνναρρήσεως) etabliert werden.5 Ohne die Einzelheiten hier näher auszuführen, soll dieses Verfahren garantieren, dass der βασιλεὺς ἀγαθός6 jeweils durch göttlichen Wink und „die Bürger“ ausgewählt wird.7 Hier wird also – im ausdrücklichen Gegensatz zum bestehenden Prozedere – ein Modell entwickelt, das vor allem die Auswahl des künftigen Monarchen regulieren und in planbare Bahnen lenken soll. Obschon die Auswahl des Kaisers bereits von den spätantiken Zeitgenossen als zentrales Problem der Politik gesehen wurde und sie auch in der modernen Forschung große Aufmerksamkeit erfahren hat, liegt bis heute keine systematische Untersuchung der Kaisererhebungen in der Spätantike vor. Aikaterini Christophilopoulous Studie über „Auswahl, Ausrufung und Krönung“ aus dem Jahre 1956 ist
2 Zur Datierung vgl. Bell (2009) 19–27 ; Begass (2018) 1, Anm. 3. 3 De scientia politica V 16, p. 23,3–7 Mazzucchi2. 4 Nach dem fünften Gesetz weist die Handschrift eine Lücke auf ; möglicherwiese wurden also noch weitere Gesetze entworfen. Zum durchweg manifesten Einfluss Platons vgl. Bell (2009) 54–58 ; 71–72. 5 Vgl. Beck (1970) 18 ; Nelson (1976) 106. 6 De scientia politica V 21, p. 23,20–21 Mazzucchi2. 7 De scientia politica V 17, p. 23,9–13 Mazzucchi2 : oὐκοῦν ἐπὶ τῶν μὲν νόμων – ὦ Θωμάσιε – πρῶτος θετέος αὐτῇ ὑπ’ αὐτῆς τῇ βασιλείᾳ τῆς ἐννόμου χάριν ἀνναρρήσεως ὡς ἂν ὁ ὅμοιος αὐτῇ καὶ ἐπώνυμος ἀνὴρ συγγίνεσθαι μέλλων δικαίως, ὡς προερρήθη, παρὰ Θεοῦ τε διδομένην καὶ τῶν πολιτῶν δέξοιτο προσφερομένην. Wie göttliches Urteil und ,bürgerliches‘ Votum zu vereinbaren sind, wird nicht weiter ausgeführt, vgl. dazu Beck (1970) 18. Problematisch, weil unspezifisch ist auch der Begriff der „Bürger“ (τῶν πολιτῶν), da in diesem die platonische bzw. aristotelische Verwendung (vor dem Hintergrund der griechischen Polis klassischer Zeit) und die spätantike Bedeutung changieren, vgl. Nelson (1976) 106.
Die Rolle des Senats bei den Kaisererhebungen in Konstantinopel
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vor allem eine Quellensammlung, weniger eine systematische Analyse.8 Eine solche bot zum ersten Mal Hans-Georg Beck in seiner heute noch zentralen Abhandlung Senat und Volk von Konstantinopel (1966), in der er dem Zusammenspiel verschiedener Akteursgruppen großen Raum einräumt.9 Becks Blickwinkel blieb aber, wie der Untertitel Probleme der byzantinischen Verfassungsgeschichte zeigt, einem staatsbzw. verfassungsrechtlichen Denken verhaftet.10 In dieser Hinsicht bedeutete vor allem Egon Flaigs „praxeologischer Ansatz“ einen entscheidenden Schritt über die in verfassungsrechtlichem Denken gefangene Analyse hinaus.11 Nicht durch eine irgendwie geartete Verfassung und rechtlich bindende Regelung – die es ja in der Konstruktion des augusteischen Prinzipats gar nicht geben konnte – sei eine Person zum Kaiser geworden, sondern durch den Konsens der entscheidenden „Akzeptanzgruppen“, als die Flaig für die Hohe Kaiserzeit Senat, die Stadtbevölkerung Roms und das Militär – und hier insbesondere die Praetorianer-Garde – identifizierte.12 Bereits 1910 hatte J. B. Bury – in enger Anknüpfung an Mommsen – Armee, Senat und Volk als die drei entscheidenden Faktoren für eine als gültig akzeptierte Kaiserwahl in Konstantinopel identifiziert.13 Darüber hinaus hatte er sogar darauf hingewiesen, dass es, ähnlich wie in der Kaiserzeit, auch in Konstantinopel den Gruppen, die den Kaiser ,machten‘, zustand, ihn wieder zu entmachten : If anyone so proclaimed obtained sufficient support from the army, Senate, and people, the old Emperor was compelled to vacate the throne, retiring into a monastery, losing 8 Christophilopoulou (1956) 3–66 (ND 2003) ; vgl. auch MacCormack (1981) 240–256 ; Lilie (1994) 10–30 ; Kolb (2001) 91–102 ; Schreiner (2011) 74 f.; Lilie (2017). 9 Beck (1966). 10 Beck war sich freilich der Probleme bewusst, die eine byzantinische ,Verfassungsgeschichte‘ mit sich bringen musste, problematisierte aber trotzdem nicht die zugrunde liegende, mit staatsrechtlichen Kategorien operierende Methode, vgl. Beck (1966) 3–4 ; 72 ; 74. 11 Vgl. Flaig (2019) bes. 198–235 mit Ausblicken auf die Spätantike (so etwa 205 f.; 227 ; 231 f.). Die zweite Auflage (2019) ist im Vergleich zur ersten (1992) grundlegend überarbeitet ; ich folge überwiegend der zweiten Auflage, greife aber gelegentlich auf Beobachtungen in der ersten Auflage zurück, die nicht übernommen wurden. – Das unbestrittene Verdienst, eine alternative Sicht auf die späte Republik und den frühen Prinzipat – jenseits einer verfassungsrechtlichen Interpretation – eröffnet zu haben, gebührt zweifellos R. Symes The Roman Revolution, Oxford 1939 ; vgl. Alföldy (1983) 15. Mommsen selbst hatte freilich bereits die Probleme gesehen, den Prinzipat in rechtlichen Kategorien erfassen zu wollen, vgl. zuletzt Pfeilschifter (2013) 2 f. 12 Vgl. Flaig (2019) 203–235 ; zu den Praetorianern bes. ebd. 249–251 u.ö. Vgl. aber bereits Treitinger (1956) 18 f.: „Wichtig ist also die Übereinstimmung aller Wahlgruppen, die sich in der Akklamation äußert.“ 13 Bury (1910) 8 ; wiederholt von dems. (1923) 5 f.: „Senate, army, and people, each had its place in the inaugural ceremonies.“
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his eyesight, or suffering death, according to the circumstances of the situation or the temper of his supplanter.14
Er fasste jedoch das gesamte Verfahren, mit dem ein neuer, als „legitim“ erachteter Kaiser erhoben wurde, als genuin staatsrechtliches Problem, weshalb er die drei genannten Gruppen auch als „constitutional bodies“ fasste.15 Ausdrücklich an Flaigs Ansatz anknüpfend hat Kai Trampedach dessen Modell der „Akzeptanzgruppen“ auch auf die Spätantike und das frühe Byzanz angewandt.16 Waren diese Gruppen als Faktoren in nuce bereits seit Bury bekannt, bedeutete diese Studie vor allem methodisch einen wichtigen Schritt für das Verständnis der Krönungen, da sie eine Erklärung anbot, „Legitimität“ – eine für den neuen Kaiser zweifellos überlebenswichtige Ressource – jenseits staatsrechtlicher Kategorien zu fassen.17 Anstatt zu versuchen, die „Legitimität“ des Herrschers in staats- bzw. verfassungsrechtlichen Kategorien zu ergründen, betonen Flaig und Trampedach, wie eine – im Ritual bzw. Zeremoniell ausgedrückte – Übereinkunft einen Kandidaten zum akzeptierten Kaiser mache.18 Das Modell der Akzeptanzgruppen hat jüngst auch Rene Pfeilschifter seiner ebenso großangelegten wie gewichtigen Studie zugrunde gelegt, die das Verhältnis des spätantiken Kaisers zu Konstantinopel zum Thema hat. In diesem Rahmen hat er sowohl die Kaiserwechsel als auch die handelnden Gruppen eingehend untersucht und insgesamt die umfassendste Analyse der Kaisererhebungen in der Spätantike geboten.19 Seine Untersuchung hat eindringlich gezeigt, dass ab der Mitte des 4. Jahrhunderts Konstantinopel als Zentrum des östlichen Reichsteils 14 Bury (1910) 8 : „It was a principle of state-law in the Early Empire that the people which made the Emperor could also unmake him, and this principle continued in force under the autocracy.“ 15 Bury (1923) 5 ; so auch Treitinger (1956) passim, bes. 29–31 ; Enßlin (1947), 11 u. ö. 16 Vgl. Trampedach (2005). 17 Vgl. Trampedach (2005) passim ; vgl. dazu grundlegend Flaig (1992) 179–181 ; 184–189 ; 191– 193 ; ders. (2019) 203–215 (in enger Auseinandersetzung mit Mommsen). Kritisch zur ubiquitären Verwendung von „Legimitität“ jüngst auch Meier (2014) 148. 18 Bei Flaig bleibt – trotz aller methodischen Reflexion – der Ritual-Begriff erstaunlich blass. Neben der Kaiserwahl, die in ein Ritual eingebettet ist (Flaig [2019] 227 f.), identifiziert er vor allem Spiele im Zirkus als „Konsensrituale“ zwischen Kaiser und Bevölkerung, vgl. ebd. 83–87 ; 111–115. Nützlich ist daher Trampedachs Arbeitsdefinition eines Rituals als „eine strukturierte Sequenz von symbolischen Handlungen“, vgl. Trampedach (2005) 275. Zur Frage nach der Dynamik ritueller Handlungen in der Spätantike vgl. Witschel u. Mattheis (2012) 67–96, die betonen, dass Rituale selten von einem einzelnen „Ritualdesigner“ (auch nicht vom Kaiser ; ebd. 72 ; 79), sondern zumeist von „einem ganzen Konglomerat unterschiedlicher Ritualdesigner“ gestaltet wurden (90). Aus der in den letzten Jahren stetig gewachsenen Literatur zu Ritualen verweise ich nur auf die Übersichtswerke von Stollberg-Rilinger (2013) sowie auf Brosius u. Michels u. Schrode (2013). 19 Vgl. Pfeilschifter (2013) bes. 1–38 (Akzeptanzmodell) ; 123–177 (Kaiserwechsel) ; 210–251 (Sol-
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eine ähnlich zentrale Rolle spielte, wie sie Rom in der Hohen Kaiserzeit zukam.20 Nur hier konnte ein Kaiser, der darauf hoffen durfte, allgemein akzeptiert zu werden, seine Herrschaft antreten.21 Nach wie vor fehlt aber eine Studie, die die einzelnen Erhebungen vom 3. bis zum 7. Jahrhundert nicht nur nachzeichnet, sondern auch typologisiert und in die allgemeine Entwicklung einbettet – ich nenne nur als Schlagworte „Militärkaisertum“ und „Residenzkaisertum“,22 „Sakralisierung des Kaisertums“23 und „Senatorisierung der Führungsschicht“.24 Vor allem die Beiträge von Trampedach und Pfeilschifter haben viel zum Verständnis der Kaisererhebungen in der Spätantike beigetragen ; gerade Pfeilschifters Arbeit hat hier Grundlegendes geleistet, zugleich kann sie aber durch ihren Schwerpunkt nicht durchweg die Erhebungen in den Fokus nehmen. Eine solche Untersuchung würde selbstredend eine umfassende monographische Behandlung erfordern, weshalb ich hier nur einige Schlaglichter auf dieses Thema werfen kann. Dies soll anhand einiger Beispiele geschehen : Ausgehend von Konstantins Erhebung (306) möchte ich das Augenmerk auf die Ausrufung Theodosius’ I. (378) sowie auf die Wahlen Leos I. (457) und Anastasius’ (491) richten. Anschließend ist zu untersuchen, inwieweit hier eine Entwicklung zu erkennen ist und welchen Platz die einzelnen Erhebungen in einer Typologie einnehmen.25 Dabei geht es zunächst darum, das Verhältnis der verschiedenen Akzeptanzgruppen zu erörtern. In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob das Akzeptanz-Modell nicht immer noch zu starr angelegt ist und daher ab einem bestimmten Punkt den Blick zu sehr auf die Frage von „Legalität“ und „Legitimität“ lenkt, statt danach zu fragen, wer sich hinter – den zumeist aus daten) ; 294–354 (Stadtbevölkerung Konstantinopels) ; 452–510 („Eliten“ ; ich halte diesen Begriff für zu unspezifisch, vgl. Begass [2018] 11). 20 Pfeilschifter (2013) passim ; zur Rolle Roms vgl. Flaig (2019) 111–115 u.ö. 21 Vgl. dazu unten Abschnitt 6. 22 Vgl. Diefenbach (2002) 21–49 ; Pfeilschifter (2013) passim ; Meier (2017) 515–524 (mit weiterer Literatur) ; besonders zu den Anfängen vgl. jetzt Maier (2019a) und dens. (2019b). 23 Diefenbach (1996) 35–66 ; M. Meier hat den Komplex der „Liturgisierung“ bzw. „Sakralisierung“ in mehreren Studien intensiv untersucht, vgl. dens. (2002) ; (2012) 220–241 ; zuletzt Meier (2017) 529–543 mit der zentralen Literatur 535 Anm. 128. 24 Löhken (1982) 117. 25 Flaig (2019) 230 : „Um die politische Funktionsweise der Akzeptanzmonarchie zu untersuchen, sind Umfang, Intensität und Form der Konsensakte so genau als möglich zu registrieren. Der historische Wandel des Systems wird beschreibbar, wenn man das Augenmerk darauf richtet, welche Gruppen auf welche Weise am Konsens partizipieren, ob neue Gruppen hinzutreten, ob alte ausscheiden. Wenn in der Kette der Zustimmungsakte ein Glied schwächer wird und schließlich herausfällt, dann verändert sich das politische System, weil sich die Kräfteverhältnisse zwischen maßgeblichen Sektoren verschieben.“
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den Quellen übernommenen Großbegriffen – „Militär“, „Senat“ und „Volk“ eigentlich verbirgt.26 Abschließend soll ein Blick auf die historische Entwicklung der Krönungen als zentralem Bestandteil des kaiserlichen Zeremoniells geworfen werden. Dessen Bedeutung war, wie Albrecht Berger es formuliert hat, „für den römisch-byzantinischen Staatsgedanken von enormer Bedeutung, denn es bildete gewissermaßen den Ersatz für die nicht vorhandene Verfassung.“27 Entscheidend für eine genaue Analyse der Mechanismen, wie eine Person in der Spätantike Kaiser werden konnte, ist eine strikte Unterscheidung zwischen der eigentlichen Auswahl des Kandidaten auf der einen und den folgenden öffentlichen Konsensritualen auf der anderen Seite. Erst wenn diese beiden Aspekte voneinander getrennt untersucht werden, lassen sich beide Teile exakt fassen, bevor in der Folge auch ihr Zusammenspiel, wie es sich zumeist in den Quellen darbietet, durchleuchtet werden kann.
2. Die Kaiserwahl im 3. und 4. Jahrhundert
Seit Augustus herrschten die römischen Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit. Dass sie aber trotzdem keinesfalls völlig frei agieren konnten, sondern verschiedenen „Akzeptanzgruppen“ verpflichtet waren, ist eine mittlerweile etablierte und allgemein akzeptierte Deutung.28 Die zeitgenössische Vorstellung forderte vom Kaiser, zwei Seiten in seiner Person zu vereinen : Zum einen musste er als oberster und zudem qua Amt erfolgreicher Feldherr militärische Siege feiern, zugleich durfte er sich aber als civilis princeps nicht zu weit von seinen – vor allem senatorischen – Untertanen entfernen. Aus diesem Grunde blieben die Kaiser in den ersten zwei Jahrhunderten offiziell immer auch dem Senat als Versammlung der wichtigsten Bürger verbunden. Die Situation änderte sich zunehmend im 3. Jahrhundert, als der Senat das letzte Mitspracherecht bei der Wahl eines neuen Kaisers an das Militär verlor, wie eine bekannte Passage aus Aurelius Victor verrät :29 26 Die Frage, ab wann der Patriarch eine tragende Rolle bei den Krönungen einnahm, muss ich hier ausblenden, da sie ein eigenes komplexes Problem darstellt, vgl. dazu Winkelmann (1978). Zur Quellenlage, die m. E. weniger eindeutig ist, als von Winkelmann dargestellt, vgl. jetzt Begass (im Druck). 27 Berger (2002) 13 ; zur politischen Bedeutung des Zeremoniells vgl. auch Diefenbach (2002) 39–44. 28 Vgl. exemplarisch Flaig (1992) 177 : „Jede Monarchie ist in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt, weil sie sich auf konkrete Gruppen bezieht, deren Gehorsam sich in unterschiedlicher Modalität verwirklicht und dem Monarchen zu herrschen erlaubt.“ In der zweiten Auflage ist diese Passage weniger griffig formuliert, vgl. Flaig (2019) 73. 29 Aur. Vict. 37,5 (Übers. Groß-Albenhausen u. Fuhrmann).
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abhinc militaris potentia convaluit ac senatui imperium creandique ius principis ereptum ad nostram memoriam, incertum an ipso cupiente per desidiam an metu seu dissensionum odio. Von nun an (sc. nach Tacitus’ Tod im Sommer 276) erstarkte die Macht der Truppen, und dem Senat blieb die Regierung sowie das Recht der Kaiserwahl bis auf unsere Zeit entzogen, wobei ungewiss ist, ob er es selbst aus Schlaffheit so wünschte oder aus Furcht oder Abscheu vor Streitigkeiten.
Die Wahl des Tacitus durch den Senat war bereits, wie Aurelius Victor betont, eine Ausnahme gewesen, hatte das Heer doch schon seit dem Ende der Severer die entscheidende Rolle bei der Auswahl des neuen Kaisers gespielt.30 Dass das Militär allein über Wohl und Wehe der Kaiser entschied, ohne dass mit dem Senat (oder früher auch der Bevölkerung der Hauptstadt) eine zivile Institution mitentscheiden konnte, blieb auch während der Tetrarchie und im 4. Jahrhundert die Regel.31 Diokletian selbst war 284 als Kommandeur der protectores domestici32 allein durch die ihm unterstehenden Soldaten zum Kaiser ausgerufen worden.33 Während der Tetrarchie kam in erster Linie Diokletian als senior Augustus die Entscheidungsgewalt zu. Damit lässt sich hier – trotz dieser besonderen Herrschaftsform – bereits ein Typus der Kaisererhebung fassen : Wenn es einen legitimen Herrscher gab – und in der Spätantike kann dies auch die Schwester (Pulcheria)34 oder Witwe (Ariadne)35 des verstorbenen Kaisers sein –, so durfte diese Person einen neuen Kaiser auswählen. Konstantin selbst wurde ebenfalls nach seines Vaters Tod von den in Britannien stehenden Truppen zum Kaiser ausgerufen, obschon es dem 30 Aur. Vict. 36,1 : igitur tandem senatus mense circiter post Aureliani interitum sexto Tacitum e consularibus, imperatorem creat, cunctis fere laetioribus, quod militari ferocia legendi ius principis proceres recepissent. Zur Herrschaft des Tacitus (Ende 275 – Sommer 276) vgl. Kienast u. Eck u. Heil (2017) 241 f. 31 Vgl. Kolb (2001) 97. Zur Rolle des Heeres vgl. zuletzt Rocco (2012) ; Hebblewhite (2017). 32 Enßlin (1948) 2422. 33 Vgl. Kolb (1987) 10–21, bes. 15–18. 34 Zur Rolle Pulcherias vgl. Holum (1982) 208 f.; gegen dessen Deutung hat Burgess (1993/94) betont, Pulcheria habe nur zur dynastischen Legitimation gedient, während Marcian tatsächlich Aspars Kandidat gewesen sei : „since it could not be revealed that Marcian was in reality Aspar’s choice, he seemed to have been the choice of Pulcheria herself “ (ebd. 67). Einen Mittelweg zwischen der offiziellen Version des Hofes und den tatsächlichen Kräfteverhältnissen bietet Pfeilschifter (2013) 151–152 ; 514–516, der konstatiert, Pulcheria und Aspar hätten die „Nachfolge […] unter sich aus[gemacht]“ (151 ; so bereits Sickel [1898] 517 : „In Konstantinopel, wo die Wiederbesetzung erfolgte, besaßen Pulcheria, die Schwester des verstorbenen Kaisers, und der Arianer Aspar bei der Wahl den maßgebenden Einfluss.“) ; vgl. zuletzt auch McEvoy (2016) 487. 35 Zur Rolle Ariadnes s. unten Anm. 89.
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senior Augustus zugestanden hätte, einen Nachfolger für Constantius Chlorus zu bestimmen.36 Typisch für das 3. Jahrhundert hören wir auch im Falle Konstantins nichts von einer zivilen Legitimationsstrategie. Sein Kaisertum hat Hans-Georg Beck daher mit guten Gründen „im Grunde ein Soldatenkaisertum“ genannt.37 Um die Mitte des 5. Jahrhunderts, d. h. unter Theodosius II. (408–450), veränderten sich jedoch die Rahmenbedingungen grundlegend.38 Nachdem bereits Konstantin selbst das alte Byzantion neugegründet hatte, baute Constantius II. das Mausoleum seines Vaters zu einer zweiten Hauptstadt aus.39 Dazu gehörte nicht nur – wie im Falle Roms – ein Stadtpräfekt, sondern selbstredend auch ein Senat nach römischem Vorbild.40 Die Frage, ob hier die alte städtische Boulé Byzantions zu einem Senat aufgewertet oder ein solcher ganz neu gegründet wurde, lasse ich hier beiseite. In der Folgezeit wurde die Senatorenschaft aus der Munizipalaristokratie des östlichen Mittelmeerraumes rekrutiert. Anders als im Senat von Rom war den östlichen Senatoren daher immer bewusst, wem sie ihre Stellung verdankten : Nämlich allein dem Kaiser. Der Senat von Konstantinopel war daher von Beginn an im eigentlichen Sinne ein senatus imperatoris. Diese enge Bindung zwischen Kaiser und Senatorenschaft verfestigte sich im Laufe des 5. Jahrhunderts vor allem dadurch, dass die Kaiser kaum noch Ihre Hauptstadt, oft lange Zeit nicht einmal mehr den Palast verließen. Eine solche Konzentration auf Konstantinopel musste zwangsläufig deutliche Folgen für die Auswahl der neuen Kaiser zeitigen.
3. Die Erhebung Theodosius’ I.
Als erstes möchte ich exemplarisch die Erhebung Theodosius’ I. zum Kaiser beleuchten. Die entscheidende Rolle kommt hier – in der besonderen Situation unmittelbar nach der verheerenden Katastrophe von Adrianopel – Kaiser Gratian zu.41 In 36 Vgl. zuletzt Börm (2015) 239–264 (mit weiterer Literatur). 37 Beck (1966) 5. Für eine solche Interpretation spricht auch Konstantins Versuch, eine familiäre Dynastie zu etablieren, vgl. Börm (2015) 251. 38 Vgl. bereits Beck (1966) 10 ; zuletzt Meier (2017) 509–544. 39 Zu möglichen ursprünglichen Funktionen Konstantinopels vgl. Berger (2011) 7–12 ; 21–23 (mit weiterer Literatur). 40 Zum weiteren vgl. Begass (2018) 35–42 ; Begass (2020) ; Moser (2018) 214–276. 41 Vgl. Lippold (1972) 4–6 (= 1973, 840–842) ; Leppin (2003) 40–44. Die Frage, ob oder inwieweit Theodosius bereits wichtige militärische Siege vorzuweisen und daher als Thronkandidat qualifiziert war, möchte ich hier ebenso ausblenden wie die Frage, welcher Berater den jungen Gratian zum spanischen General geraten haben mag.
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Sirmium ernannte dieser zu Beginn des Jahres 379 – wohl am 19. Januar42 – den erfolgreichen Feldherren zum Kaiser und wies ihm, wie Orosius betont, Thrakien und den Osten zu :43 qui cum adflictum ac paene conlapsum reipublicae statum videret, eadem provisione, qua quondam legerat Nerva Hispanum virum Traianum, per quem respublica reparata est, legit et ipse Theodosium aeque Hispanum virum et restituendae reipublicae necessitate apud Sirmium purpura induit Orientisque et Thraciae simul praefecit imperium… Als er den Zustand des angeschlagenen und kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Staates vor sich sah, wählte er selbst mit der gleichen Voraussicht, mit der einst Nerva den Spanier Trajan gewählt hatte, durch den der Staat erneuert wurde, Theodosius, ebenfalls einen Spanier. Aus der Notwendigkeit heraus, den Staat wiederherzustellen, legte er ihm in Sirmium den Purpur[mantel] an und übertrug ihm zugleich mit dem Imperium des Ostens Thrakien.
Die Chronologie wird durch zahlreiche Chroniken bestätigt,44 und aus der Kirchengeschichte Theodorets wissen wir, dass bei der Erhebung vor allem Soldaten anwesend waren. „Das Publikum,“ so hat Hartmut Leppin die Szene zusammengefasst, „dürfte das versammelte Heer gestellt haben, das in der Spätantike die Volksversammlung ersetzen konnte und dessen hauptsächliche Pflicht darin bestanden hätte, in einmütige Jubelrufe auszubrechen.“45 Wieder hören wir nichts von einem zivilen Element bei der Erhebung. Einzig Malalas berichtet, Theodosius sei vom Senat in Konstantinopel zum Kaiser ernannt worden :46 μετὰ δὲ τὴν βασιλείαν Γρατιανοῦ ἡ σύγκλητος Κωνσταντινουπόλεως ἀναγόρευσε βασιλέα Θεοδόσιον, ὡς ἐκ τοῦ γένους αὐτῶν ὄντα ἐκ τῆς Ἱσπανίας χώρας. καὶ ἀναγορευθεὶς ὑπὸ τῆς συγκλήτου ἐβασίλευσεν ὁ θειότατος Θεοδόσιος ὁ Σπανός, ὁ μέγας γαμβρὸς Γρατιανοῦ, ἔτη ιζ´. Nach der Regierung des Gratian aber ernannte der Senat von Konstantinopel Theodosius zum Kaiser, stammte er doch aus seinem Geschlechte ; er kam aus dem Spanierland.
42 Zum Datum s. unten Anm. 50. 43 Oros. VII 34,1 (Übers. Lippold). 44 Cons. Const. p. 243 Mommsen = p. 48 Becker u. a.: his coss. levatus est Theodosius Augustus ab Augusto Gratiano die XIIII kal. Feb. in civitate Syrmium. Vgl. Kienast u. Eck u. Heil (2017) 323. 45 Leppin (2003) 43. 46 Malal. XIII 37, p. 266,52–55 Thurn (Übers. Thurn u. Meier).
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Und nach seiner Ernennung durch den Senat war der göttlichste Theodosius, der Spanier, der Schwestermann des Gratian, für 17 Jahre lang Kaiser.
Diese Angaben sind jedoch falsch, oder zumindest sehr ungenau, und dies aus mehreren Gründen : Zunächst werden bei Malalas mit Marcian und Leo I. mehrere spätantike Kaiser vom Senat erhoben (was der Chronist zumeist sogar mit dem gleichen Ausdruck wiedergibt), bei denen die Lage ebenfalls deutlich komplexer ist.47 Erschwerend kommt in unserem Fall hinzu, dass keine andere Quelle von einer Wahl des Theodosius durch den Senat berichtet.48 Darüber hinaus ist diese Angabe Teil eines äußerst fehlerhaften Berichts, nach dem Gratian schon 379 im Hippodrom getötet worden sei, obschon er erst 383 in Gallien ermordet wurde.49 Wollte man die Malalas-Passage nicht einfach als einen der unzähligen Fehler dieses Autors verbuchen, sondern annehmen, der Senat habe tatsächlich eine gewisse Rolle bei der Auswahl gespielt, wäre die einzig plausible Erklärung, dass der Senat von Konstantinopel Theodosius nachträglich als Kaiser anerkannte. Als Zeugnis hierfür kann Themistios’ berühmte 14. Rede dienen, die er im Frühjahr bzw. Sommer 379 in Thessaloniki hielt ;50 darin heißt es :51 47 So bei Marcian (Malal. XIV 28, p. 289,34–35 Thurn : ἀπὸ τῆς συγκλήτου στεφθείς ὁ θειότατος Μαρκιανός) und Leo I. (XIV 35, p. 290,65–66 : ἐστέφθη ὑπὸ τῆς συγκλήτου ὁ θειότατος Λέων ὁ μέγας). Zur Schilderung dieser beiden Kaiser bei Malalas vgl. Wood (2011) 300 f. – Justin wurde laut Malalas angeblich vom Heer ernannt, da er Kommandeur der excubitores gewesen sei (XVII 1, p. 336,7–9 : ὅντινα ὁ στράτος μετὰ τῶν φυλαττόντων το παλάτιν κελεύσει θεοῦ ἐξκουβιτόρων ἅμα τῷ δήμῳ στέψαντες ἐποίησαν βασιλέα), eine Version, die die Verhältnisse erheblich simplifiziert ; zu Justins Krönung s. unten Anm. 58 und 99. Bei den Erhebungen eines Kaisers durch einen anderen Kaiser ist Malalas deutlich zuverlässiger : Theodosius II. wurde laut Malalas von seinem Vater gekrönt (XIV 1, p. 272,6), Anthemius von Marcian (XIV 35, p. 291,68–69), Leo II. von Leo I. (XIV 46, p. 299,11–13), wurde aber von seiner Mutter, der Tochter Leos I. stark gefördert (XIV 47, p. 299,19 : ὑπερλήθη δὲ ὑπὸ τῆς ἰδίας αὐτοῦ μητρὸς τῆς ἐπιφανεστάτης Ἀριάδνης). Leo II. krönte wiederum seinen Vater Zeno (XIV 47, p. 300,21–23), dessen Schwiegermutter Verina ihren Bruder Basiliskos (XV 3, p. 301,19–20). Einzig zur Krönung des Anastasius nennt er keine Einzelheiten (XVI 1, p. 319,3–12) ; zu dieser Problematik vgl. bereits die kurze Notiz von Beck (1966) 9. 48 Soweit ich sehe, wird diese Information auch nicht von Autoren, die Malalas exzerpieren, weitergegeben, vgl. Joh. Ant. fr. 279–280 Roberto ; Chron. Pasch. p. 561,1–4 Dindorf ; Joh. Nik. LXXXIII 1–8, p. 84–85 Charles ; Theoph. a. m. 5871, p. 66,16–20 de Boor ; Georg. Mon. p. II 561–562 de Boor ; Kedr. p. 550,12–17 Bekker = Georgii Cedreni Historiarum compendium ed. L. Tartaglia, Rom 2016, 334.1, p. 546 (anders Lippold [1972] 6 = RE 842). 49 Vgl. die Belege in PLRE I 401. 50 Zur Datierung vgl. Themistios, Staatsreden, übers. und hg. v. H. Leppin u. W. Portmann, Stuttgart 1998, 240, Anm. 4. Nach der Krönung schlug Theodosius sein Hauptquartier in Thessaloniki auf, um die Kriege gegen die Goten besser koordinieren zu können ; erst Ende 380 kam er nach Konstantinopel, vgl. Errington (1996) 1. 51 Them. Or. 14, 182b.
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πρόσεισι δὲ οὐκ αἰτήσουσα μόνον ὧν δεῖται, ἀλλὰ βεβαιοῦσα πρώτη τὴν ψῆφον τῆς ἀναρρήσεως. προσήκει γὰρ δήπου τῷ βασιλεῖ τῶν πόλεων συνᾴδειν τοὺς βασιλεύσαντας τῶν ἀνθρώπων. Die Stadt (sc. Konstantinopel) kommt nicht etwa nur, um das zu erbitten, wessen sie bedarf, sondern um als erste die Wahlentscheidung zu bestätigen. Es ziemt sich nämlich in der Tat, dass mit dem Kaiser der Menschen die kaiserlichen Städte sich im Einklang befinden.
Bei Themistios bestätigt (βεβαιοῦσα) die Stadt – d. h., wie aus dem weiteren Verlauf der Rede klar hervorgeht, der Senat – die „vorherige Ausrufung“ (ψῆφος τῆς ἀναρρήσεως), will sagen : die alleinige Entscheidung Gratians. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, als habe es einer solchen Adresse nicht unbedingt bedurft. Vielmehr wurden die Senatoren beim Kaiser vorstellig, um die endgültige Angleichung des östlichen Senats an sein westliches Pendant zu erreichen : Indem die Senatoren von Konstantinopel den Kaiser formell anerkennen und bestätigen, erhöhen sie in erster Linie die Position ihrer eigenen Körperschaft. Einer formellen Zustimmung des Senats zur Wahl bedurfte es hingegen nicht. Dies zeigt schon der große zeitliche Abstand zwischen der Erhebung durch Gratian im Januar und der vermeintlichen Bestätigung durch den Senat im Sommer.
4. Die neue Rolle von Hofbeamten und Senat
Ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts liegen die Dinge anders. Durch das unter Theodosius II. (408–450) immer mehr auf die Hauptstadt konzentrierte „Residenzkaisertum“ verschob sich das Machtgefüge im Reich, aber auch in der Hauptstadt selbst fundamental. Zudem sind wir über die Einzelheiten der Kaisererhebungen ab Leo I. (457–474) deutlich besser informiert. Müssen die Umstände von Auswahl, Durchsetzung und Erhebung eines neuen Kaisers aus vielen, nicht selten widersprüchlichen Versatzstücken rekonstruiert werden, ohne dass wir Einblicke in die Zirkel der handelnden Akteure erlangen könnten, bieten die in der Exzerptsammlung de cerimoniis des Konstantinos VII. Porphyrogennetos (reg. 913–959) – dem sog. ,Zeremonienbuch‘ – überlieferten Krönungsprotokolle eine Quelle ersten Ranges. Seit J. B. Burys Untersuchung kann als sicher gelten, dass diese Dokumente zum größten Teil aus der Feder des Petros Patrikios, mithin von Justinians Protokollchef stammen.52 Da sich aber im erhaltenen Text Kürzungen und spätere Einschübe 52 Bury (1907) 209–227 ; 417–439 ; so auch Sode (2009) 443 f. Zu Petros Patrikios vgl. zuletzt Banchich (2015) 1–3.
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nachweisen lassen,53 können die Protokolle keinesfalls als einzige Autorität zu den einzelnen Krönungen gelten, zumal sich in der Parallelüberlieferung nicht wenige glaubhafte Informationen finden lassen, die das Zeremonienbuch nicht bietet.54 Insgesamt haben sich – in chronologischer Reihenfolge – in de cerimoniis sechs Krönungsprotokolle erhalten : von Leo I. (cap. 91),55 Leo II. (cap. 94),56 Anastasius (cap. 92),57 Justin I. (cap. 93)58 und Justinian (cap. 95).59 Einzig das Protokoll der Krönung des Nikephoros Phocas (cap. 96), der als Nachfolger von Konstantinos’ VII. Sohn Romanos II. (reg. 959–963) von 963–969 regierte, muss offensichtlich von einem anderen Autor zu Lebzeiten des Nikephoros verfasst worden sein.60 Überdies ist auffällig, dass die Krönungen Zenos (474)61 und Basiliskos’ (475)62 ebenso fehlen wie eine Notiz über die Wiedereinsetzung Zenos nach seiner erfolgreichen Rückkehr. Es bleiben folglich fünf authentische Krönungsprotokolle aus dem 5. und 6. Jahrhundert, die sich in zwei Gruppen teilen lassen : Ist ein Kaiser (bzw. eine Kaiserin) vorhanden, der (oder die) seinen Nachfolger bestimmt oder liegt eine ,freie‘ Wahl vor ? Während nach dem Tode Zenos 491 seiner Witwe Ariadne die Rolle zukam, mit der Heirat eines neuen Gatten zugleich einen kaiserlichen Nachfolger zu legitimieren (wie dies bereits 450 die Schwester Theodosius’ II., Pulcheria, getan hatte), lag nach dem Tode des Anastasius 518, der keine Witwe hinterließ und auch keinen Nachfolger bestimmt hatte, eine ,freie‘ Wahl vor, wie es auch im ,Zeremonienbuch‘ ausdrücklich hervorgehoben wird.63 Beide Fälle haben jedoch so viel gemein, dass sie, trotz mancher Unterschiede im Detail, deutlich zeigen, wie sich im Vergleich mit dem 4. und frühen 5. Jahrhundert die Kräfteverhältnisse verschoben haben. Betrachten wir zunächst die Krönung Kaiser Leos I. im Jahre 457, deren Bericht im ,Zeremonienbuch‘ wie folgt beginnt :64 53 Vgl. exemplarisch Lilie (1998) 400–406. 54 Ich habe dies an anderer Stelle für die zeitlich nahe, wohl unter Justin verfasste Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes gezeigt, vgl. Begass (im Druck) passim. 55 Boak (1919) 37 f.; Lilie (1998) 395–408 ; Croke (2005) 149–152 ; Siebigs (2010) 194–215 (zu Wahl und Krönung) ; 657–681 (zu den Quellen). 56 Boak (1919) 41 ; Croke (2004) 559–575. 57 Boak (1919) 38 f.; Lilie (1995) 3–12 ; Ballaira (2003) ; Haarer (2006) 1–6 ; Meier (2009) 63–75. 58 Boak (1919) 39 f.; Greatrex (2007) 99–105 ; Sode (2009) 429–446. 59 Vgl. Boak (1919) 41 ; Croke (2007) 43–55 ; Leppin (2011) 89–91. 60 Vgl. Bury (1907) 211 ; Kresten (2000) ; weitere Lit. bei Sode (2009) 433 Anm. 11. 61 Vgl. Kosiński (2010) 70–72. 62 Vgl. Redies (1997) 213–215 ; Prostko-Prostyński (2000) 259–265 ; Kosiński (2010) 79–82. 63 De cerim. I 93, p. 426,4–6 Reiske. 64 De cerim. I 91, p. 410,6–11 Reiske.
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τελευτήσαντος Μαρκιανοῦ τοῦ τῆς θείας λήξεως, καὶ τοῦ ψηφίσματος εἰς Λέοντα τὸν τῆς εὐσεβοῦς λήξεως γινομένου παρὰ τῆς συγκλήτου, συνῆλθον πάντες ἐν τῷ κάμπῳ, τοῦτο μὲν οἱ ἄρχοντες καὶ αἱ σχολαὶ καὶ οἱ στρατιῶται, τοῦτο δὲ καὶ Ἀνατόλιος ὁ ἀρχιεπίσκοπος Κωνσταντινουπόλεως, Μαρτιαλίου ὄντος μαγίστρου. Als Markian auf göttliches Geheiß verstorben war, und auf frommes Geheiß ein Beschluss des Senats für Leo ergangen war, kamen alle auf dem Hebdomon zusammen, sowohl die Magistrate, die scholae und Soldaten, als auch der Erzbischof Konstantinopels, Anatolios, und Martialios, der magister (sc. officiorum) war.
Laut diesem Bericht bestimmte folglich „der Senat“ nach Marcians Tod Leo zum Kaiser. Nachdem der neue Kaiser den Ornat angelegt hatte (I 91, p. 414,7–9) und ihm von den Soldaten auf dem Hebdomon (ἐν Μαρτίῳ) akklamiert worden war (I 91, p. 414,9), zog er in die Stadt ein, wo er auf dem Konstantins-Forum den Senat begrüßte und von diesem ebenfalls akklamiert wurde (I 91, p. 414,13–17). Anschließend begab er sich, begleitet von Senatoren und Amtsinhabern, in die Palastkirche. Auffallend ist hier die Trennung zwischen militärischem Teil der Erhebung vor der Stadt und zivilem Teil in der Stadt : Die Inthronisierung des neuen Kaisers lag laut dem Protokoll allein in Händen des Militärs (bzw. im Falle Leos beim mächtigen magister militum Aspar), weshalb die Wahl des ehemaligen Tribunen Leo nicht weiter verwundern mag. Aus diesem Grunde spricht der neue Kaiser durch seinen libellensis zu den Soldaten als seinen „entschlossensten Mitstreitern“ (ἰσχυρώτατοι συστρατιῶται), die ihm ewige Treue schwören.65 Bereits seit dem 3. Jahrhundert betonten die Kaiser nicht mehr nur ihre enge Verbindung mit den Soldaten, sondern hoben vielmehr hervor, einer der ihren zu sein. In der hier zu fassenden Beschwörung der commilitio von Soldaten und Kaiser ist daher noch Mitte des 5. Jahrhunderts ein zentrales Charakteristikum der Soldatenkaiser zu fassen.66 Als der Kaiser in die Stadt einzieht, sind Wahl und Einsetzung bereits vollzogen. Im Anschluss an eine Stelle der Osterchronik, nach der Leo „durch das Heer“ zum Kaiser ausgerufen worden sei,67 scheint Leo I., ebenso wie Diokletian und Konstantin, „praktisch ein Soldatenkaiser“ gewesen zu sein.68 Kann es aber einen Soldatenkaiser geben, der auf „Beschluss des Senats“ gekrönt wurde ? Die 65 De cerim. I 91, p. 411,24 Reiske. 66 Vgl. Hebblewhite (2017) 22–27. 67 Chron. Pasch. p. 592,20 Dindorf : ἐπήρθη Λέων ὁ μέγας βασιλεὺς ὑπὸ τοῦ ἐξερκέτου. 68 Lilie (1998) 401 ; aus diesem Grunde muss er die dann unpassend erscheinenden Glückwünsche von Senat und Volk auf dem Marsfeld (410,17–19) als Interpolationen ausschließen ; vgl. dazu die berechtigte Kritik von Trampedach (2005) 278 Anm. 8.
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Lösung dieses Problems liegt m. E. in der Terminologie der Quellen, die mehr verdeckt als sie erhellt. Neben dem Zeremonienbuch berichtet einzig Malalas von einer Wahl Leos durch den Senat, ohne aber auf die weitere Einsetzungszeremonie einzugehen.69 Problematisch an beiden Berichten ist das völlige Fehlen Aspars, der im gesamten, ausführlichen Protokoll des Zeremonienbuches nicht erwähnt wird.70 Dies ist umso auffälliger, da dessen tragende Rolle bei der Einsetzung Leos von zahlreichen anderen, voneinander unabhängigen Quellen ausdrücklich betont wird,71 und Leo auch die ersten Jahre seiner Herrschaft ein Kaiser von Aspars Gnaden blieb. Unter den Quellen, die von der Krönung Leos berichten, sind vor allem Priscus und Candidus als zeitnahe Beobachter von besonderem Wert ; beide betonen, dass Aspar den neuen Kaiser nach eigenen Vorstellungen und aus eigener Machtvollkommenheit einsetzte.72 Von den Historiographen des 6. Jahrhunderts betonen dies auch Iordanes73 und Prokop74, von den mittelbyzantinischen Autoren besonders Symeon Magister (Leon Grammatikos ; ca. 10. Jahrhundert), der hervorhebt, Leo sei von Aspar und Ardabur eingesetzt worden, weil der Senat ihnen als Aria nern verwehrt habe, selbst zu herrschen.75 Diese Sicht setzt sich – ohne direkte Abhängigkeiten der Quellen vorauszusetzten – bei den späteren byzantinischen Autoren wie Kedrenos (11./12. Jahrhundert)76, Konstantinos Manasses (12. Jahr-
69 Malal. XIV 35, p. 290,65–66 Thurn : μετὰ δὲ τὴν βασιλείαν Μαρκιανοῦ ἐστέφη ὑπὸ τῆς συγκλήτου ὁ θειότατος Λέων ὁ μέγας ὁ Βέσσος κτλ. Vgl. Beck (1966) 9 und oben Anm. 46. 70 Vgl. Lilie (1998) 398 f.; Trampedach (2005) 278 Anm. 8 ; 285. 71 Vgl. Lilie (1998) 399 ; Siebigs (2010) 661. 72 Cand. fr. 1,26 Blockley : διέρχεται δὲ ἐν τῷ πρώτῳ λόγῳ … τὴν ἀνάρρησιν διὰ Ἄσπαρος Λέοντος ; Prisc. fr. 20 Müller = fr. 19 Blockley (= Suda A 3803 [I 343,9–11 Adler]) : Μαρκιανοῦ δὲ τοῦ βασιλέως χρηστοῦ μὲν γεγονότος, θᾶττον δὲ ἐκβεβιωκότος, αὐτοκελεύστῳ γνώμῃ Ἄσπαρ Λέοντα διάδοχον αὐτοῦ γενέσθαι παρεσκεύασεν = Suda A 4201, s.v. Ἄσπαρ (I 387,12–14 Adler) : ὅτι Μαρκιανοῦ τοῦ βασιλέως χρηστοῦ μὲν γεγονότος, θᾶττον δὲ ἐκβεβιωκότος, αὐτοκελεύστῳ γνώμῃ Ἄσπαρ Λέοντα διάδοχον αὐτοῦ γενέσθαι παρεσκεύασεν. 73 Iord. Rom. 335 : Leo Bessica ortus progeniae Asparis patricii potentia ex tribuno militum factus est imperator. 74 Proc. BV I 5,7 ; 6,3. 75 Leon Gramm. 113,2–5 Bekker = Symeon Mag. Chron. 99, p. 129,1–130,5 Wahlgren (ich folge dieser Ausgabe) : Λέων ὁ μέγας, ὁ Μάκελ, ἐβασίλευσεν ἔτη ιη, διὰ τὴν ἀρετὴν αὐτοῦ καὶ διὰ τὸ εἶναι ὀρθόδοξον προβληθεὶς παρὰ Ἄσπαρος καὶ Ἀρδαβουρίου. τούτων γὰρ βουληθέντων τὴν βασιλείαν κρατῆσαι οὐκ εἴασεν ἡ σύγκλητος ὡς Ἀρειανῶν ὄντων. Theophanes wiederum verschweigt zwar im Zusammenhang der Krönung Aspars Einfluß (Theoph. a.m. 5949, p. 109,23–24 de Boor), betont diesen aber in seinem Bericht über dessen spätere Ermordung (a. m. 5963, p. 117,11–13). 76 Kedr. p. I 607,11–608,2 Bekker = p. 593–594 Tartaglia.
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hundert)77 oder Theodoros Skutariotes (13. Jahrhundert)78 fort, die besonders die Verbindung Aspars mit dem Senat betonen, wobei hier möglicherweise auch die Verhältnisse byzantinischer Zeit eingeflossen sein mögen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Gruppe der Quellen betont, Aspar habe Leo als Marionette eingesetzt, da ihm selbst die Herrschaft verwehrt gewesen sei ; Malalas und das Zeremonienbuch dokumentieren eine zentrale Rolle des Senats bei der Auswahl des Kaisers, den dann das Heer eingesetzt habe. Eine dritte Quellengruppe bietet keine genaueren Informationen zur Herrschaftsübernahme Leos I.79 Leo war weder ein Soldatenkaiser noch ein Kaiser des Senats. Er war ein Kaiser Aspars, dem die Herrschaft selbst nicht zugänglich war oder nicht erstrebenswert erschien.80 Mitte des 5. Jahrhunderts war Aspar, worauf Alexander Demandt nachdrücklich hingewiesen hat, princeps senatus (πρῶτος τῆς συγκλήτου)81 ; es muss ihm folglich ein leichtes gewesen sein, die Senatoren ein ψήφισμα über Leo als neuen Kaiser verabschieden zu lassen.82 Einem solchen Beschluss werden wiederum Beratungen im engsten Kreise um Aspar vorausgegangen sein, ähnlich denen, wie wir sie am deutlichsten bei der Wahl des Anastasius fassen können.83 Einen 77 Konst. Man. 2812–2813 Lampsidis : ἡ σύγκλητος σὺν ῎Ασπαρι τῷ τότε πατρικίῳ | εἰς Λέοντα μετάγουσι τὴν σκηπτροκραρίαν. 78 Theod. Skutariotes II 143, p. 96,1–5 Tocci : ὅτι πᾶς ὁ δῆμος μετὰ τῆς συγκλήτου δεδώκασιν ἐξουσίαν τῷ Ἄσπαρι πατρικίῳ, μὴ συγχωροῦντες ὡς Ἀρειανὸν ἐκεῖνον γε βασιλεῦσαι, βασιλέα τὸν ὀφείλοντα βασιλεῦσαι ἐκλέξασθαι· ὁ δὲ τὸν προνοητὴν τῶν ἰδίων κτήσεων ἀγαγὼν βασιλεύει ὑποσχόμενον πρότερον καίσαρα ποιήσαι τὸν ἕνα τῶν υἱῶν αὐτοῦ. 79 Der Frage, ob der Patriarch bereits in die Krönung Leos involviert war, wie es Theophanes a. m. 5950, p. 110,19–21 de Boor nahelegt, kann hier nicht nachgegangen werden. Da dessen Informationen aus Theodoros Anagnostes (Epit. 367, p. 103,19–20 Hansen) stammen, kann sie früheren Datums sein als Winkelmann angenommen hatte, vgl. dazu meine ausführliche Diskussion : Begass (im Druck). 80 Proc. BV I 6,3 (der impliziert, ein Bekenntnis zur Orthodoxie hätte Aspar die Kaiserwürde ermöglicht) und Theoph. a. m. 5961, p. 116,6–7 de Boor geben als Grund sein arianisches Bekenntnis an ; vgl. Siebigs (2010) 663 ; 671. Ob ethnische Argumente Mitte des 5. Jahrhunderts noch ein ähnliches Gewicht besaßen wie sechzig Jahre zuvor (Philostorg, HE XI 2, p. 133,9–10 Bidez u. Winkelmann3 über Arbogast), darf bezweifelt werden, vgl. von Haehling (1988) 94 f.; Siebigs (2010) 671 ; McEvoy (2016) 487 ; 494–505. 81 Malal. XIV 40, p. 294,18 Thurn ; Chron. Pasch., p. 596,18 Dindorf mit Demandt (2007) 220. 82 Dies betont zurecht auch Pfeilschifter (2013) 152. Aus dieser Gemengelage erklärt sich m. E. auch die Anfrage des Senats an Aspar, ob er selbst Kaiser werden wolle (Acta synodorum habitarum Romae 5 [MGH AA XII 425,23–24 Mommsen]) : aliquando Aspari a senatu dicebatur ut ipse fieret imperator, qui tale referetur dedisse responsum : timeo ne per me consuetudo in regno nascatur. Zu dieser komplexen Stelle vgl. von Haehling (1988) 97–108 ; Demandt (2007) 220 ; Croke (2005) 150 Anm. 10 ; Siebigs (2010) II 670–671. 83 Zur Wahl des Anastasius vgl. Anm. 57 und 82.
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ähnlichen Fall berichtet die Daniels-Vita für die Hinzuwahl Zenos, die ebenfalls durch ein συμβούλιον des Senats abgesichert wurde. Dieses wurde sicher von Ariadne und den einflussreichen Magistraten initiiert.84 Der Kandidat, auf den sich diese Gruppe im Falle Leos I. geeinigt hatte, wurde in der Folge sicher nicht „dem Heer“, sondern lediglich ausgewählten Abteilungen des Heeres präsentiert und von diesen akklamiert. Da Aspar zu dieser Zeit wohl magister militum praesentalis war,85 wird es sich wohl um die ihm unterstellten Palasttruppen gehandelt haben. Diese komplexe Gemengelage wurde im Protokoll so stark verkürzt, dass es zu erheblichen Missverständnissen in der modernen Forschung geführt hat. Kollektiv handelnde Großgruppen wie „Heer“, „Senat“ und „Volk“ verstellen daher mehr den Blick auf die Prozesse als dass sie die Situation im Detail adäquat zu erfassen vermögen. Seit der Krönung Zenos durch seinen Sohn, Leo II., findet die Erhebung nicht mehr auf dem Hebdomon, sondern im Hippodrom statt.86 Abgesehen von weiteren Veränderungen im Ablauf des Rituals, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann, ist dies insofern wichtig, als sich hier zeigt, wer dadurch überhaupt noch über den neuen Kaiser zu entscheiden in der Lage ist. Da Zeno bis zu seinem Tode im April 491 keinen Nachfolger bestimmt hatte, kam in den Tagen nach seinem Ableben seiner Gattin Ariadne eine zentrale Rolle zu.87 Aber lag bei ihr auch die Entscheidung über den neuen Kaiser ? Die Quellen sagen etwas Anderes :88 ὁ τῆς εὐσεβοῦς λήξεως Ἀναστάσιος ἐν τῷ ἱππικῷ ἀνηγορεύθη οὕτως· ἀποθανόντος Ζήνωνος τοῦ τῆς θείας λήξεως, ἐν τῇ νύκτι τῇ ἑξῆς συνήχθησαν, οἱ ἄρχοντες καὶ οἱ συγκλητικοὶ καὶ 84 V. Dan. Styl. 67, p. 65,12–14 Delehaye : καὶ ἐγένετο συμβούλιον ὑπὸ τῆς συγκλήτου ἕνεκεν τοῦ νήπιον ὑπάρχειν τὸν βασιλέα καὶ μὴ δύνασθαι ὑπογραφὰς ποιεῖν. 85 Vgl. PLRE II 165. 86 Zeno : Λέων ὁ μικρὸς ὁ Ζήνωνος υἱὸς ἀνηγορεύθη βασιλεὺς Λέοντος τοῦ μεγάλου ἀρρωστήσαντος καὶ μετὰ βραχὺ τελευτήσαντος. Λέων ὁ μικρὸς τὸν ἴδιον πατέρα Ζήνωνα βασιλέα ἐν τῷ ἱπποδρομίῳ ἀνηγόρευσεν (Theod. Anagn. 400, p. 112,11–14 Hansen). Vgl. zu dieser Stelle ausführlich Begass (im Druck). Anastasius : ἐν τῷ ἱππικῷ (De cerim. I 92, p. 417,15 Reiske) ; bei Justins Krönung versammeln sich die wichtigsten Beamten im Palast (εἰς τὸν παλάτιον ; I 93, p. 426,7–9), während der δῆμος im Hippodrom zusammenströmt (συνήχθη δὲ καὶ ὁ δῆμος ἐν τῇ ἱπποδρομίᾳ ; I 93, p. 426,21–427,1) ; zu Justins Krönung s. unten Anm. 102. 87 Zur Wahl des Anastasius vgl. die oben Anm. 57 angeführte Literatur. 88 De cerim. I 92, p. 417–418 Reiske. Zur Wahl des Anastasius äußern sich die Parallelüberlieferungen ähnlich : Theod. Anagn. Epit. 446–448 Hansen ; Evagr. HE III 29, p. 125,6–31 Bidez u. Parmentier ; Theoph. a. m. 5983, p. 136,3–12 de Boor ; Zon. XIV 3,1, p. 133,6–16 Pinder. Zur zitierten Stelle vgl. Meier (2009) 66–70.
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ὁ ἐπίσκοπος ἐν τῷ πορτίκῳ τῷ πρὸ τοῦ μεγάλου τρικλίνου, ὁ δὲ δῆμος ἐν τῷ ἱππικῷ ἐν τοῖς ἰδίοις μέρεσιν, οἱ δὲ στρατιῶται καὶ αὐτοὶ ἐν τῷ ἱππικῷ ἐν τῷ στάματι. Anastasius wurde aufgrund göttlichen Beschlusses im Hippodrom auf diese Weise zum Kaiser ausgerufen : Nachdem Zeno aufgrund göttlichen Beschlusses sein Leben ausgehaucht hatte, versammelten sich in der Nacht seines Ablebens sogleich die obersten Hofbeamten sowie Männer von senatorischem Range und der Patriarch [sc. Euphemius] im Porticus an der Seite des großen Tricliniums, die Stadtbevölkerung hingegen im ihr zugewiesenen Teil des Hippodroms, die Soldaten gleichfalls im Hippodrom, im Bereich des Stama [sc. gegenüber der kaiserlichen Loge ; dort, wo die Wagenrennen endeten].
Diese Hofbeamten und einige Männer senatorischen Ranges entscheiden über den neuen Kaiser, vom Militär kein Wort. Das Hebdomon taucht gar nicht mehr auf, die Soldaten versammeln sich mit dem Volk im Hippodrom, wobei dieser Satz deutlich durch ein δέ vom oben zitierten abgegrenzt wird (418,2). Das Heer ruft also nicht mehr von sich aus den Herrscher aus und lässt ihn später von den Amtsund Würdenträgern formell bestätigen. Es darf hier zwar beratend teilnehmen – d. h. die magistri militum durften einen Kandidaten vorschlagen –, das ψήφισμα des Militärs wurde aber, wie der weitere Bericht zeigt, gar nicht mehr berücksichtigt (419,19–20). Da sich die Beratungen hinzogen, begab sich die Kaiserin auf Bitten der beratenden ἄρχοντες und συγκλητικοί, und nicht etwa aus eigenem Entschluss, in das Kathisma, um von dort die im Hippodrom versammelte Menge zu beruhigen.89 Nachdem Ariadne die dem Kaiser zustehenden Siegesakklamationen (σὺ νικᾷς) im Hippodrom entgegengenommen hat,90 berieten die ἄρχοντες über einen Kandidaten (421,18–19) : ὅι δὲ ἄρχοντες […] ἐκάθισαν, καὶ ἤρξαντο βουλεύεσθαι περὶ τοῦ ὀφείλοντος γενέσθαι, καὶ πολλὴ φιλονεικεία μεταξὺ αὐτῶν ἐκινήθη. Diese Beamten aber […] setzten sich nieder und waren aufgefordert, über den zukünftigen Kaiser zu beraten ; und darüber entstand großer Streit unter ihnen.
89 Die Rolle Ariadnes bei der Krönung wurde unterschiedlich bewertet, vgl. zuletzt die Diskussion bei Pfeilschifter (2013) 154 (mit weiterer Literatur), der in der Kaiserin mit guten Gründen nur eine „Ausführende […], nicht Anordnende“ sieht. Tatsächlich ist bemerkenswert, dass sie, nachdem sie auf Bitten der Magistrate Anastasius erwählt hat, nicht an der Krönungszeremonie teilnimmt (De cerim. I 92, p. 421,16–17, vgl. Burgess [1993/94] 67 ; Lilie [1998] 5) ; Meier (2010). 90 Zu diesen Akklamationen vgl. Begass (2015) 432.
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Erst als diese zu keiner Lösung kamen, übergab der mächtige praepositus sacri cubiculi Urbicius91 der Kaiserin die Aufgabe, einen Kaiser auszuwählen. Dass er selbst als Chef der Kammerdiener bei der Auswahl ebenfalls mitmischte, zeigt sich eindeutig in der Wahl seines ehemaligen Mitarbeiters, des silentiarius Anastasius. Dieser scheint als Kompromisskandidat von Aridane, Urbicius und weiteren involvierten Magistraten auf den Thron gekommen zu sein. Der magister officiorum, dem bei der Krönungszeremonie qua Amt eine zentrale Rolle zukam, war im April 491 noch Longinus von Cardala, ein Gefolgsmann von Zenos Bruder Longinus, dessen Ambitionen er unterstützte.92 Er wird folglich Anastasius nicht unterstützt haben, was sich auch daran ablesen lässt, dass er rasch nach dessen Krönung sein Amt verlor.93 Ähnlich wie Aspar im Protokoll der Krönung Leos I. fehlt,94 taucht Longinus nicht im Bericht über Anastasius’ Einsetzung auf. Dies zeigt einmal mehr, dass es sich bei diesen Urkunden nicht um objektive Berichte, sondern um zumindest semi-offizielle Versionen handelt, nach der der Kaiser seine Wahl verbreitet sehen wollte.95 Aus diesem Grunde wurde, wie Lilie richtig gesehen hat, im Protokoll die Rolle Ariadnes besonders betont : Während die eigentliche Auswahl bei den Archonten lag, die auch sonst eng mit dem Kaiser zusammenarbeiteten,96 kam Ariadne die zentrale Rolle im Ritual zu, damit das Volk dem neuen Kaiser akklamierte. Wie bedeutsam Wahl und Krönung des Kaisers während seiner gesamten Herrschaft blieben, zeigt sich auch darin, dass der praefectus praetorio Constantinus die Ausrufung Leos I. noch 471 – mithin kurz nach Aspars Ermordung, aber vierzehn Jahre nach der Krönung – in einem als Mosaik(zyklus ?) darstellen ließ.97 Hier wird Aspar, wie auch im offiziösen Protokoll des Zeremonienbuches, keine Rolle gespielt haben. Nach vollzogenen Exequien für Zeno traf Anastasius am kommenden Tag im Palast ein, wo ihn der gesamte Senat – diesmal als Körperschaft –, gekleidet in festliche Tuniken, begrüßte (καὶ εἰσῆλθον πάντες οἱ ἄρχοντες καὶ οἱ σγκλητικοὶ πρὸς αὐτόν [422,17–18]). Hier entspricht die Rangordnung, in der die verschiedenen Gruppen geschildert werden, exakt ihrer Bedeutung bei der Kaiserwahl : Wäh91 PLRE II 1188–1190 ; Begass (2018) 251–253. 92 Theoph. a. m. 5983, p. 135,31–136,5 de Boor. 93 Begass (2018) 183. 94 S. o. Anm. 70. 95 Dies erklärt auch, warum die Wahl des Anastasius angeblich auf allgemeine Zustimmung fiel (καὶ μαθόντες οἱ ἄρχοντες πάντες ἠράσθησαν ; De cerim. I 92, p. 422,3–4) ; allein die Fraktion um Longinus wird kaum gejubelt haben, vgl. Lilie (1998) 4 ; Pfeilschifter (2013) 155. 96 Lilie (1998) 5. 97 Joh. Lyd. De mag. II 20, p. 76,5–7 Wünsch ; vgl. Bauer (1996) 321 ; Begass (2018) 109 f.; 416.
Die Rolle des Senats bei den Kaisererhebungen in Konstantinopel
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rend die Senatoren der Krönung im Triclinium des Palastes beiwohnen, sind Volk und Militär im Hippodrom angetreten. Schon die Verlegung in die Stadt bezeugt bereits deutlich der Bedeutungsverlust des Militärs, ohne dass dies gleichzeitig eine Aufwertung des populus mit sich gebracht hätte.98 In Bezug auf die Auswahl des Kaisers sind Militär und Stadtbevölkerung in eine passive Funktion gedrängt, die einzig der Bestätigung einer bereits getroffenen Wahl dient. Indem der neue Kaiser aber gerade im Hippodrom präsentiert wird – mithin in dem Raum, in dem sich die hauptstädtische Öffentlichkeit wie in einem Brennglas verdichtet –, nehmen Militär und Stadtbevölkerung durch ihre zustimmenden Akklamationen eine wichtige Rolle im Ritual ein. Dies wird noch deutlicher bei der Krönung Justins 518. Während die Spitzenbeamten unter Führung des magister officiorum Celer im Palast aushandeln, wer den Purpur übernehmen wird,99 strömt der δῆμος im Hippodrom zusammen.100 Die unter Anastasius bereits weit vorangeschrittene Entwicklung setzte sich unter Justin also fort. In dieser Situation akklamiert die wartende Bevölkerung – oder vermutlich eher die Zirkusparteien, wie wir unten sehen werden – dem Senat mit den üblichen Siegesrufen.101 Dies wurde in der Forschung als Zeichen dafür gewertet, dass der Senat in einer Situation, da es weder einen vom früheren designierten Nachfolger noch eine Kaiserin gibt, die höchste Staatsgewalt innehabe.102 Es gibt jedoch auch eine Erklärung jenseits des Staatsrechts : Die handelnden Personen waren im politischen Alltag Konstantinopels präsent. Nicht nur Celer als langjähriger magister officiorum und ordentlicher Consul des Jahres 508 oder Justin als Chef der Leibgarde, auch die übrigen Teilnehmer an der inoffiziellen Versammlung waren als prominente Mitglieder des Senats der Öffentlichkeit bekannt, etwa durch Prozessionen, bei denen die Senatoren, herausgehoben durch die nur ihnen zustehenden purpurnen Togen, dem Kaiser folgten.103 Diesen Hofbeamten akklamierte der δῆμος in ihrer gemeinsamen Eigenschaft als Mitglieder des Senats, nicht aus verfassungsrechtlichen Überlegungen heraus.
98 Dies betont zurecht Schreiner (2011) 75 ; s. auch unten Anm. 109. 99 De cerim. I 93, p. p. 426,7–21 Reiske : εἰς τὸν παλάτιον. Zu Celer vgl. PLRE II 255–257 ; Begass (2018) 100–103. 100 De cerim. I 93, p. 426,21–427,1 Reiske : συνήχθη δὲ καὶ ὁ δῆμος ἐν τῇ ἱπποδρομίᾳ. 101 De cerim. I 93, p. 427,2–3 Reiske. 102 Vgl. etwa Treitinger (1956) 18 ; Ballaira (2003) 275 ; Siebigs (2010) 663. 103 Vgl. Begass (2018) 39.
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5. Die illustres in actu
Soweit die Quellen. Um die Kaisererhebungen systematisch erfassen zu können, ist, wie bereits einleitend angedeutet, ein Schritt über eine reine juristische Sichtweise hinaus erforderlich : „Die Krönung“, so hat Kai Trampedach völlig zurecht konstatiert, allein „mit einem juristischen Maß zu messen und ,rechtlich relevante‘ Handlungen von rechtlich irrelevanten zu unterscheiden […], trägt nichts zur Erklärung der realen Vorgänge bei. Das ganze Ritual macht den Kaiser ,legitim‘ (im Sinne von Max Weber), während das sogenannte ,Staatsrecht‘ eine retrospektive Fiktion des 19. Jahrhunderts darstellt.“104 Alternativ wurde seit den frühen 1990er Jahren das Modell der ,Akzeptanzgruppen‘ eingeführt, das jenseits rechtlicher Kategorien betont, es sei der Konsens dieser Faktoren, der darüber entscheide, „ob ein Monarch sich hält oder ob er fällt ; und darum musste diese Zustimmung immer wieder zum Ausdruck gebracht werden.“105 Verfolgt man diesen Ansatz weiter, stellt sich – vor dem Hintergrund unserer Ausgangsfrage, wer eigentlich über einen neuen Kaiser entscheide – die Frage, wie weit wir mit dem Festhalten an der Vorstellung von, ,Akzeptanzgruppen‘ wie Senat, Hof, Militär und Volk, die dem Konzept nach immer recht starr sind, tatsächlich kommen. Anders ausgedrückt : Wer oder was verbirgt sich hinter den Quellenbezeichnungen wie σύγκλητος, συγκλητικοί oder ἄρχοντες, die wir in den Quellen finden ? Wie an anderer Stelle gezeigt, bildete sich im Osten seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert ein Nukleus innerhalb der Senatorenschaft heraus.106 Diese „senatorische Führungsschicht“, wie ich sie anknüpfend an Géza Alföldy bezeichnet habe, zeichnet sich durch drei Eigenheiten aus : Zum einen residierte sie dauerhaft in der Hauptstadt, zum anderen bekleidete sie hohe Ämter, durch die sie sowohl senatorischen Status erlangte als auch, und dies ist die dritte Eigenschaft, direkten Zugang zum Kaiser hatte. Vor diesem Hintergrund wird klar, wer die handelnden Personen bei den Kaisererhebungen sind. Während etwa bei der Begrüßung ausdrücklich erwähnt ist, dass der neue Kaiser „vom ganzen Senat“ bzw. von „allen Senatoren“ akklamiert wird,107 ist bei den harten Auseinandersetzungen im Vorfeld selbst keinesfalls „der Senat“ – weder als Körperschaft noch als Gesamtheit aller Personen von senatorischem Status – gemeint. Es handelt sich hier vielmehr um die Spitze der Senatorenschaft, d. h. um die illustres administratores in 104 105 106 107
Trampedach (2005) 287 Anm. 34. Trampedach (2005) 287 Anm. 34. Begass (2018) 483. De cerim. I 92, p. 414,15 Reiske ; I 92, p. 415,14 ; I 92, p. 422,18–19.
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actu.108 Dies zeigt sich darin, dass die handelnden Personen – etwa der magister officiorum als Vorsteher des Hofes oder der comes domesticorum als Chef der Leibwache – wechselnd als συγκλητικοί bzw. ἄρχοντες zusammengefasst werden. Die Anwesenheit dieser illustres in actu ist daher aus zwei Gründen wichtig : Zum einen repräsentierten sie als Spitzen des Senats diese Körperschaft, deren verstreute Mitglieder keinesfalls am Auswahlprozess teilnahmen. Zum anderen bildeten sie auch sonst eine geschlossene Gruppe, denen de facto die Verwaltung des Reiches zukam. Συγκλητικοί werden daher üblicherweise zusammen mit den ἄρχοντες genannt, weil beiden Gruppen zu dieser Zeit weitgehend deckungsgleich sind, auch wenn zu den ἄρχοντες zusätzlich solche Beamte gezählt werden müssen, die, trotz ihres geringeren Ranges allein durch ihre Nähe zum Kaiser, etwa ihrer Funktion als Wächter über die kaiserlichen Insignien und Gewänder, eine wichtige Rolle im Aushandlungsprozess spielten. Zudem – und dies ist ein entscheidender Punkt, der bisher in der Forschung nicht gesehen wurde – war auch mit den obersten militärischen Rängen (magistri militum) die senatorische Würde eines illustris verbunden, so dass sich eine strikte Dichotomie von (zivilen) Senatoren und Archonten auf der einen bzw. Offizieren auf der anderen kaum aufrecht halten lässt. Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Rolle des Militärs bei den Krönungen anders dar. Es geht, im Unterschied zum 4. Jahrhundert, nicht mehr um die Zustimmung des Heeres als Ganzes. Vielmehr war die Spitze des Heeres nun ebenfalls Teil jener Gruppe, die hinter den Palastmauern über den neuen Kaiser entschied, bevor außerhalb überhaupt die Nachricht vom Tode des alten Kaisers bekannt wurde. Ähnlich verhält es sich mit dem δῆμος. Mit dieser Gruppe wurde in der Forschung üblicherweise – in auffälliger, wenn auch nie näher begründeter Parallelisierung zum kaiserzeitlichen populus Romanus – die Stadtbevölkerung Konstantinopels identifiziert, die ebenfalls als „constitutional body“ Anteil an der Krönung gehabt habe.109 Ohne hier im Einzelnen auf die Rolle des δῆμος bei Krönungen eingehen zu können, ist es doch wichtig zu berücksichtigen, wer sich in der jeweiligen Situation hinter dem Begriff δῆμος verbirgt. So ist es unstrittig, dass auch die Zirkusparteien mit diesem Begriff bezeichnet wurden, offensichtlich aus dem Grunde, da sie im kleinen die Stadtbevölkerung abbildeten.110 Wenn sich also, wie 108 Begass (2018) 55. Enßlin (1947) hat nebenbei bereits das Richtige gesehen, als er nach der Rolle fragte, die „der Senat und dann natürlich einer der ansehnlichsten Senatoren“ bei der Krönung gespielt habe ; weitere Folgerungen zog er daraus aber nicht. 109 Vgl. die berechtigte Kritik bei Pfeilschifter (2013) 85 mit der älteren Literatur. 110 Zur Etymologie vgl. Cameron (1973) 71 und v. a. dens. (1976) 28–44 ; Kritik an dieser Eng-
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bei Anastasius 491 und Justin 518, jeweils der δῆμος im Hippodrom versammelt111 und diszipliniert in Form von Akklamationen Forderungen zunächst an die im Palast beratenden Magistrate, dann an den neuen Kaiser richtet, fassen wir hier lediglich Teile der in den Zirkusparteien organisierten Stadtbevölkerung, keinesfalls aber den populus Constantinopolitanus und erst recht kein „Verfassungsorgan“. Gerade die Akklamationen zeigen eindeutig, dass hier keinesfalls Wünsche der Stadtbevölkerung spontan und unkontrolliert artikuliert werden, und dies umso weniger, als „Akklamationen in der Regel gesteuert wurden.“112 Dies gilt in besonderem Maße für Anrufungen im Hippodrom, wo die Zirkusparteien gleichsam auf heimischem Terrain agierten.113 Es zeigt sich also, dass auch das Akzeptanz-Modell, wenn es, die Quellenbegriffe übernehmend, in sich geschlossene Gruppen voraussetzt, Gefahr läuft, die sich stets wandelnden Konstellationen zu sehr zu schematisieren, kurz : Auch wenn die Quellen diese Gruppen durchweg als homogen handelnde Körperschaften behandeln, geht es folglich nicht primär um „die Übereinstimmung dreier Kürfaktoren“ Senat, Volk und Armee.114 Wenn alle hohen Beamten ebenso wie die obersten militärischen Ränge senatorischen Status besitzen, verlieren die Quellenbegriffe „Senat“, „Armee“ und „Volk“ an Bedeutung. Nicht der Konsens dieser drei Gruppen entschied im Konstantinopel des 5. und 6. Jahrhunderts über einen neuen Kaiser. Dies oblag, vermutlich bereits seit der Ausrufung Marcians, spätestens aber ab der Krönung Zenos einer Gruppe, die aus den wichtigsten zivilen und militärischen Magistraten bestand, die über Zugang zum Hofe verfügte und zudem beinahe ausnahmslos senatorischen Status innehatten.115 Erst nachdem diese führung durch Zuckerman (2000) 78–93. Zu den Zirkusgruppen vgl. zuletzt Pfeilschifter (2013) passim und Begass (2017) 135 mit weiterer Literatur. 111 S. o. Anm. 98 (Anastasius) und 100 ( Justin). 112 Wiemer (2004) 55. 113 Anders Pfeilschifter (2013) 300 ; dessen Einwand, dass in Gesetzen „als Verantwortliche stets das Kollektiv – also das Volk, die Grünen oder die Blauen – […], nicht einzelne Anführer“ bestraft werden, entkräftet Wiemers Befund nicht, vgl. auch Gregory (1979) 21–30, bes. 28. 114 Treitinger (1956) 27 ; dazu Lilie (1994) 12. 115 Im Kern hatte bereits Boak dieses Verfahren erkannt, vgl. Boak (1919) 42 : „The joint meeting of the officials and the senate was, therefore, nothing more than a gathering of the most influential members of the official class.“ Vgl. auch Beck (1966) 12 ; Gereon Siebigs Überlegungen weisen ebenfalls in die richtige Richtung, wenn er festhielt, die „entscheidende Rolle“ komme „also offenbar den führenden Beamten zu, ihnen wird zusammen mit der Kaiserin im Hippodrom akklamiert“ (2010, 679). Er schießt aber sogleich weit über das Ziel hinaus, wenn er diesen Beamten zuschreibt, sie hätten eine institutionalisierte „προβουλία, ein Vorschlagsrecht wie der Rat der 500 im Athen des 4. Jahrhundert v. Chr. Die Senatoren stimmen nur über das ihnen Vorgelegte ab.“
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einen geeigneten Kandidaten installiert hatten, wurde er der Öffentlichkeit, zuerst noch auf dem Hebdomon, dann im Hippodrom, später in der Hagia Sophia präsentiert. Die Akklamationen der Öffentlichkeit gehörten dennoch fest zum Ritual der Inauguration und erkannten den neuen Kaiser an ; Einfluss auf die Auswahl hatten Senat, Volk und Armee als Ganze aber nicht. Dies bedeutet aber wiederum keinesfalls, dass die Partizipation der Gruppen und ihre rituelle Zustimmung überflüssig gewesen wären. „In einem Akzeptanzsystem ist“, wie Flaig gezeigt hat, „die Entscheidung ein untergeordneter bis unwichtiger Gesichtspunkt für die Motivation, an einem Konsensakt teilzunehmen. Die Beteiligung am Konsensakt oder an der Serie der Konsensakte ist mit politischer Semiotik aufgeladen, weil das Teilnehmen eine Differenz zu allen anderen nichtbefugten Gruppen herstellt. Die Ausübung des politischen Rituals ist ein Mittel sozialer Distinktion.“116 Somit hat Lilie zwar Recht, „selbst den legitimatorischen ,Stellenwert‘ des Senats […] bei der Krönung Leoss nicht sehr hoch“ einzuschätzen, er verkennt aber zugleich die Bedeutung, die eine Teilnahme der versammelten Senatoren für deren Selbstverständnis haben musste.117 Indem der Senat und seine Mitglieder einen festen Platz im Krönungsritual behaupteten, ließ sich leicht über die tatsächliche Machtlosigkeit der Körperschaft hinwegsehen. Aus dem gleichen Grunde hatte der Senat bereits 379 aus eigenem Antrieb eine Gesandtschaft zum neuen Kaiser Theodosius nach Thessaloniki geschickt, die, wie das caput Senatus Themistios selbst betonte, „als erste“ eine Entscheidung Gratians „bestätigen“ sollte (βεβαιοῦσα πρώτη τὴν ψῆφον τῆς ἀναρρήσεως), eine Entscheidung also, an der der Senat keinen Anteil gehabt hatte und deren Bestätigung es nicht bedurfte.
6. Das Residenzkaisertum
Wie kam es zu dieser Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert, die dazu führte, dass den wichtigen Hofbeamten und Senatoren nun die zentrale Position zukam ? Meines Erachtens lassen sich fünf Punkte isolieren, die diese Entwicklung gefördert haben : 1. Sie ist aufs engste verbunden mit der Entstehung eines Residenzkaisertums unter Theodosius II. Im Unterschied zu den ,Soldatenkaisern‘, zu denen auch die Kaiser bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts gezählt werden müssen und die zumeist an den Grenzen zu kämpfen hatten, verließen die Kaiser nun kaum mehr die Stadt, 116 Flaig (1992) 196 ; weniger prägnant in der zweiten Auflage, vgl. Flaig (2019) 207. 117 Lilie (1998) 399.
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und die neuen Kaiser wurden aus Hofkreisen rekrutiert. Dazu gehörten auch magistri militum wie Zeno, die sich ebenfalls dauerhaft am Hofe aufhielten. Auf diese Weise wurde die Rolle des Militärs, das noch im 4. Jahrhundert die Entscheidung dominierte, zurückgedrängt und durch eine informelle Versammlung der Beamten ersetzt, der jetzt eine zentrale Rolle zukam. 2. Wie wir gesehen haben, verschob sich auch der Ort der Krönung. Wurden früher Kaiser wie Konstantin und Diokletian vom Heer öffentlich ausgerufen, verlagerte sich die Krönung zunächst vom Hebdomon in die Stadt und zugleich von der Öffentlichkeit des Marsfeldes bzw. der „Halböffentlichkeit“118 des Hippodroms in das verborgene Innere des Palastes und später in die Hagia Sophia. Damit war die Entscheidung, wer Kaiser werden würde, dem Zugriff weiter Teile der Bevölkerung und der Soldaten entzogen. 3. Der Senat hatte sich um die Mitte des 5. Jahrhunderts als Versammlung etabliert. Er bestand zu dieser Zeit seit etwa 120 Jahren und konnte daher bereits eine gewisse Anciennität für sich in Anspruch nehmen. Diese Tradition drückte sich auch im Selbstverständnis seiner wichtigsten Repräsentanten aus. 4. Damit verbunden ist ein Phänomen, das dieser Versammlung außerordentliches Gewicht verlieh : Seit seiner Gründung bestand der Senat nicht aus Familienclans, sondern beinahe ausschließlich aus verdienten Beamten, denen durch Erreichen eines bestimmten Ranges in der Ämterhierarchie senatorische Würden zukamen. Auf diese Weise verschmolzen zunehmend die Spitzen von Senat und Hof miteinander, zumal beide Institutionen durchgehend nicht nur in einer Stadt, sondern innerhalb dieser in einem engbegrenzten Raum interagierten. Aus diesem Grunde mag es kaum verwundern, dass just ab der Mitte des 5. Jahrhunderts auch der Patriarch bei den Krönungen erwähnt wird und beginnt, eine zunehmend aktivere Rolle zu spielen. 5. Anders als im Westen wurden mit den magistri militum die Spitzen des Militärs in Hof und Senat integriert. Im Unterschied zu Italien konnten sie so – mit Ausnahme Aspars – keine eigene Politik betreiben und mussten daher keine eigenen Klientelen mehr bedienen.119 118 Dieser Begriff bei Pfeilschifter (2013) 161 ; 173 u. ö. 119 Nach Aspar versuchte einzig noch Illus (magister officiorum 477–481 ; magister militum Orientis 481–483), eine Politik jenseits der kaiserlichen Kontrolle durchzusetzen. Nach dessen Usurpation und Entmachtung wurden die obersten Militärs noch enger an den Kaiser gebunden, vgl. Meier (2017) 528 f. und umfassend Begass (2018) 154–158 ; 286–310. Als Vitalian 515 gegen Anastasius usurpierte, gehörte er als comes militaris (bzw. foederatorum) noch nicht zu den magistri militum. Erst nach der vorläufigen Einigung mit dem Kaiser wurde er zum magister militum per Thracias befördert, um so seine Loyalität zu erkaufen, vgl. Begass (2018) 255–261.
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7. Die Verschmelzung von Hof und Senat
Vor allem durch die Etablierung eines Residenzkaisertums waren die verschiedenen Akteure gezwungen, ihr Verhältnis zueinander neu zu ordnen.120 Da der Kaiser nicht mehr selbst ins Feld zog, war das Militär als Ganzes nicht mehr der gleichsam natürliche Kaisermacher.121 Die führenden Generäle hingegen wurden in Hof und Senat integriert, so dass das militärische Element auf diese Weise erhalten blieb. Auf ähnliche Weise wurde die Sieghaftigkeit des Kaisers auf Münzen ikonographisch nicht mehr anhand konkreter Ereignisse dargestellt, sondern wandelte sich zu einer allgemeinen „immerwährenden Sieghaftigkeit“.122 Dass es sich hierbei um eine allgemeine Entwicklung der kaiserlichen Repräsentationsformen handelt, zeigt sich auch an den Siegestiteln der Kaiser, die nun zwar teilweise noch „speziellere, ,kleinräumigere‘ Siegestitel“ tragen ; „andererseits [wird] die Feier des konkreten Sieges mehr und mehr zurückgedrängt … zugunsten der Vorstellung einer universalen Siegeseigenschaft des Kaisers“,123 die sich in allgemeinen Titeln wie victor (νικητής)124 – manchmal gesteigert zu victoriosissimus oder semper victor125 – ausdrückt. Auch in der bildlichen Darstellung ist diese Tendenz zu beobachten, da sich etwa bei Reliefdarstellungen „eine deutliche Tendenz von der historischen Erzählung hin zum zeitlosen Repräsentationsbild abzeichnet.“126 Überdies waren der Kaiser und seine wichtigsten zivilen wie militärischen Amtsträger beinahe ausnahmslos in der Hauptstadt anwesend, konnten sich also permanent austauschen. Durch die im Laufe des 5. Jahrhunderts voranschreitende 120 Dazu jetzt umfassend Maier (2019b). 121 So bereits Treitinger (1956) 17. 122 Mittag u. Sode (2007) 250 f.; McCormick (1986). 123 Kneißl (1969) 174. Justinian stellt mit seiner ausladenden, ganze Völkerscharen aufzählenden Titulatur (z. B. Grégoire, Recueil 220 = I. Milet VI 623a) eine deutliche Ausnahme dar (so auch Kneißl [1969] 179 f.), die ich mit seinem ausdrücklichen Rückgriff auf die römische Vergangenheit erklären möchte. 124 Rösch (1978) 45 f.: „Seit dieser Zeit ist der victor-Titel in den Intitulationen der kaiserlichen Schreiben und Urkunden allgegenwärtig.“ Vgl. auch Grünewald (1990) 136–138 ; Kolb (2001) 73 ; Wienand (2012) 483–505. 125 Beide Titel waren aber offenbar nie fester Bestandteil der offiziellen Titulatur. Victoriosissimus ist belegt etwa in einer ephesischen Ehrung Kaiser Julians (I. Ephesos II [I. K. 12] 313A,5–8) : piissimi imperatori | victoriosissimo Augusto | omnium barbarorum | gentium debellatori. Der Titel semper victor wurde nur selten verwendet, so in CIL X 677 = Grünewald (1990) 223 Nr. 278 (Sorrent ; nach 18. Sep. 324) und auf einer Münze des Crispus RIC VII 72, p. 306 (Aes, Rom, 317– 324), Av.: D(ominus) N(oster) crispvs semper victor nob(ilis) C(aesar) ; Rev.: sacra moneta vrbis. 126 Bauer (1996) 321.
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Verschmelzung von Hof und Senat sowie die Integration der magistri militum in die Senatsaristokratie entstand eine zentrale Gruppe, die täglich mit dem Kaiser in Kontakt stand. Diese Gruppe, in der die Elemente Militär, Senat und Hof vereinigt waren, bestimmte allein über den neuen Kaiser. Ein Indiz, dass die Kaiser nun nicht mehr bestimmte Gruppen bedienen mussten, zeigt sich ebenfalls in der Ikonographie der Münzen. Wurden bis in das 4. Jahrhundert gerade das Heer – am deutlichsten wohl auf dem sog. Medaillon von Ticinum Konstantins des Großen – und die Zivilbevölkerung – etwa über die sog. congiarium-Prägungen127 – über das Medium der Münzen explizit angesprochen, verschwand, wie Peter Franz Mittag und Claudia Sode gezeigt haben, spätestens ab theodosianischer Zeit „nahezu alles, was auf eine Rücksichtnahme des Kaisers auf einzelne Gruppierungen oder auf konkrete Ereignisse hindeuten könnte, aus der Münzprägung. […] In dieser Situation ist eine Kommunikation im Sinne eines Dialogs zwischen Kaiser und der herrschaftsrelevanten Gruppe überhaupt nicht intendiert.“128 Das Kaisertum befindet sich bereits auf dem Weg zur Theokratie. Von Marcian (450) bis einschließlich Justinian (527) stammten die Kaiser aus der hofnahen Gruppe senatorischer Amtsträger. Mit letzterem änderte sich das Prozedere wieder : Justinian wurde bereits von seinem Onkel zum Mitregenten erhoben.129 Zu Lebzeiten einen Nachfolger zu bestimmen blieb in der Tat die einzige sichere Möglichkeit, den Herrschaftsübergang vorhersehbar zu gestalten, da, wie Pfeilschifter jüngst gezeigt hat, „Designationen durch den verstorbenen Herrscher […] in Konstantinopel niemals missachtet oder angefochten“ wurden.130 Dies galt sogar für den Fall, wenn, wie bei Leo II. und Zeno 473, der Sohn den Vater contra consuetudinem krönte.131 Aus diesem Grunde baute auch der kinderlose Justinian seinen Neffen Justin II. (565–578) als Caesar zum Nachfolger auf.132 Auch dessen Nachfolger Tiberios (578–582)133 sowie der diesem folgende Maurikios
127 Zu diesen Münzen im 4. Jahrhundert vgl. Beyeler (2011) 27 f.; 54 m. Anm. 258. 128 Mittag u. Sode (2007) 250 f. Zur ausdrücklichen Adressierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen in der Münzprägung der Hohen Kaiserzeit vgl. Lummel (1991). 129 Vgl. Croke (2007). 130 Pfeilschifter (2013) 141. 131 Vict. Tunn. ad ann. 474,2, p. 112,5 Hansen. 132 Cor. Iust. I 135 : cum magni regeres divina palatia patris ; vgl. die Kommentare von Cameron (1976b), 135 und Stache (1976) 139–145. 133 Tiberios war seit Dezember 574 Caesar unter Justin II., herrschte aber – wegen Justins II. Umnachtung –gemeinsam mit Justins Gattin Sophia als Kaiser, vgl. PLRE IIIB 1325 ; Whitby (1988) 6 ; Pfeilschifter (2013) 142–147. Erst 578, wenige Tage vor Tiberios’ Tod, wurde er offiziell von diesem zum Augustus ernannt, vgl. PLRE IIIA 756 ; Whitby (1998) 7 ; Pfeilschifter (2013) 146.
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(578–602)134 wurden jeweils von ihrem Vorgänger proklamiert. Erst als es Phokas im Jahre 602 gelang, sich als erster Usurpator seit mehr als drei Jahrhunderten135 gegen den bisherigen Kaiser Maurikios durchzusetzen, musste auch das Krönungszeremoniell den neuen Gegebenheiten angepasst werden.136
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Die Rolle des Senats bei den Kaisererhebungen in Konstantinopel
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Zu den Autoren und Herausgebern
Prof. Dr. Pedro Barceló, geboren 1950, ist Emeritus für Alte Geschichte an der Universität Potsdam. Monographien u. a. zu Hannibal, Constantius II., Alexander d. Gr.; zuletzt „Die Alte Welt. Von Land und Meer, Herrschaft und Krieg, Mythos, Kult und Erlösung“ (2019). Prof. Dr. Christoph Begass, geboren 1983, ist seit 2017 Junior-Professor für Alte Geschichte an der Universität Mannheim. 2018 ist seine Dissertation erschienen : „Die Senatsaristokratie des Oströmischen Reiches, ca. 457–518. Prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchungen“ (Vestigia, Bd. 71). Prof. Dr. Andrea Binsfeld, geboren 1970, ist Associate professor für Alte Geschichte am Institut d’Histoire der Université du Luxembourg. Publikationen u. a. zur Geschichte der antiken Sklaverei, zur Geschichte des antiken Christentums und zur Epigraphik. Prof. Dr. Bruno Bleckmann, geboren 1962, hat seit 2003 den Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf inne. Arbeiten zum klassischen Griechenland und zur spätantiken Geschichtsschreibung, Monographien u. a. über die Reichskrise des 3. Jahrhunderts und über den Kaiser Konstantin. Prof. Dr. Rajko Bratož, geboren 1952, ist Emeritus für Alte Geschichte an der Faculty of Arts der Universität von Ljubljana in Slowenien. Arbeiten zur Römischen Kaiserzeit und Spätantike sowie zur Geschichte des frühen Christentums, im Besonderen in den nordöstlichen Provinzen des römischen Imperiums. Prof. Dr. Kay Ehling, geboren 1966, ist Oberkonservator an der Staatlichen Münzsammlung München und Professor für Alte Geschichte an der Universität Augsburg. Publikationen zur antiken Numismatik und modernen Medaillen, Monographien u. a. zur Geschichte der späten Seleukiden und zum Kaiser Konstantin. Prof. Dr. Klaus Martin Girardet, geboren 1940, ist Emeritus für Alte Geschichte an der Universität des Saarlandes. Veröffentlichungen u. a. zur Krise der
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Zu den Autoren und Herausgebern
römischen Republik und zu Caesar, zum spätantiken Kaisergericht und zur Konstantinischen Wende. Dr. Andreas Goltz, geboren 1970, ist Akademischer Oberrat für den Bereich der Alten Geschichte am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Arbeiten zur Geschichte der Germanen und zu ihrer Rezeptionsgeschichte, zur Wirkungsgeschichte Konstantins und zu Theoderich d. Gr. Prof. Dr. Andreas Gutsfeld, geboren 1957, ist Professor für Römische Geschichte an der Université de Lorraine in Nancy, Frankreich. Publikationen u. a. zum kaiserzeitlichen Nordafrika, zum spätantiken Olympia, zu Konstantin in Gallien. Dr. Udo Hartmann, geboren 1970, ist Privatdozent für Alte Geschichte an der Universität Jena. Arbeiten zum spätantiken Palmyra und zum Austausch zwischen dem römischen Reich und dem Orient. 2018 ist seine Habilitationsschrift erschienen : „Der spätantike Philosoph. Die Lebenswelten der paganen Gelehrten und ihre hagiographische Ausgestaltung in den Philosophenviten von Porphyrios bis Damaskios“ (Antiquitas, Reihe 1, Bd. 72.1–72.3). Prof. Dr. Elisabeth Herrmann-Otto, geboren 1948, ist Emerita für Alte Geschichte an der Universität Trier. Von 1977 bis 2000 Leiterin der Arbeitsstelle „Forschungen zur antiken Sklaverei“ an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Arbeiten zur antiken Sklaverei und zur Geschichte der frühen Kirche, Monographien u. a. zum Kaiser Konstantin. Prof. Dr. Wolfgang Kuhoff, geboren 1951, ist Emeritus für Alte Geschichte an der Universität Augsburg. Arbeiten zur Römischen Kaiserzeit und zur Spätantike, Monographie u. a. zu Diokletian und zu Mark Aurel. Prof. Dr. Heinrich Schlange-Schöningen, geboren 1960, hat seit 2006 den Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Universität des Saarlandes inne. Publikationen u. a. zum Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, zur Sozialgeschichte der Römischen Kaiserzeit und zur Rezeptionsgeschichte des Kaisers Konstantin.