Das Wirken der Götter in der Ilias: Untersuchungen zur Frage der Entstehung des homerischen “Götterapparats” [Reprint 2022 ed.] 9783112613382


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Das Wirken der Götter in der Ilias: Untersuchungen zur Frage der Entstehung des homerischen “Götterapparats” [Reprint 2022 ed.]
 9783112613382

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D E U T S C H E A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N S C H R I F T E N DER S E K T I O N FÜR A L T E R T U M S W I S S E N S C H A F T 1

DAS W I R K E N DER G Ö T T E R IN DER I L I A S U N T E R S U C H U N G E N ZUR FRAGE DER DES HOMERISCHEN

ENTSTEHUNG

.GÖTTERAPPARATS«

VON WOLFGANG

KULLMANN

1956

A K A D E M I E - V E R L A G . B E R L I N

Gutachter dieses Bandes : Franz Dornseiff und Johannes Irmscher

Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktor dieses Bandes: Bruno Doer

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH. t Berlin W 8» Mohrenstr. 39 Lizenznummer 202 • 100/366/55 Gesamtherstellung: Druckerei „Thomas Müntzer'* Langensalza Schutzumschlag: Hans-Joachim Schauß Bestell- und Verlagsnummer: 2067/1 Printed'in Germany

Geleitwort Die Sektion für Altertumswissenschaft bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin eröffnet mit dem vorliegenden Bande eine Schriftenreihe, in der Arbeiten aus allen Gebieten der Altertumswissenschaft zum Druck gelangen sollen. Die Sektion wünscht so zur Neubelebung der Erforschung des Altertums beizutragen. Sie will mit ihrer Schriftenreihe im besonderen jungen Forschern die Möglichkeit bieten, ihre Arbeiten zurVeröffentlichung zu bringen. Berlin im Herbst 1955 Die Sektion für Altertumswissenschaft bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

Inhalt Vorwort

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Einleitung

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I. Die Götter in der vorhomerischen Dichtung Fesselung der Hera 12 — Fesselung des Ares 12 — Fesselung des Zeus 14 — Bauernspiele 18 — Elemente der Götterlieder 18 — Bellerophontes 22 — Heraklesepos 25 — Vorhomerische Troiaepik 35 — Zusammenfassung 38 — Homers Verhältnis zu seinen Vorläufern 39. II. Der,Götterapparat'der Ilias III. Die volkstümlichen Vorstellungen vom Wirken der Götter und ihre Weiterbildung in der Ilias

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42 49

1. Aaifxov

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2. Allgemeine Vorstellungen vom Einfluß der Götter auf das Menschenschicksal. 3. Göttlicher Impuls

57 68

IV. Göttliche Epiphanie 1. Die Auslösung des göttlichen Eingreifens 2. Motivierung des göttlichen Eingreifens 3. Ankunft des Gottes 4. Erscheinungsweise des Gottes 5. Götterrüstung 6. Freie Willensentscheidung und göttliche Lenkung . . . . V. Die Formen des Wirkens der Götter 1. Götterweisung 2. Götterparänese 3. Entführung 4. Göttlicher Schutz 5. Göttlicher Kampfesbeistand 6. Gegnerschaft des Gottes

83 83 87 89 93 105 106 112 112 119 125 131 134 141

Schlußbemerkung

147

Register

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Vorwort Vorliegender Arbeit liegt meine von Herrn Professor SCHADEWALDT angeregte Dissertation ,Das Wirken der Götter in der Ilias' zugrunde, die im Juli 1952 von der Universität zu Tübingen angenommen wurde. Einige neue, mir wichtig erscheinende Fragen wurden jetzt zusätzlich erörtert. Auch konnte die seit 1951 erschienene Sekundärliteratur zum Teil noch berücksichtigt werden. Dank schulde ich vor allem Herrn Professor SCHADEWALDT, nicht nur für einzelne Ratschläge und persönliche Anteilnahme an der Entstehung der Arbeit, sondern insbesondere auch für die allgemeine methodische Schulung, die seine Seminare vermittelten, die ich in den Jahren 1946—1950 in Berlin besuchen durfte. Wertvolle Anregungen gab mir außerdem das Homerseminar von Herrn Professor GTTNDERT im Sommer 1951 in Freiburg, an dem ich als Gasthörer teilnahm. Für Unterstützung bei der Drucklegung fühle ich mich Herrn Professor IBMSCHER sehr verpflichtet. Beim Lesen der Korrekturen halfen mir HELLMUT FLASHAR und KLAUS WEIDAUER, denen ich auch an dieser Stelle vielmals danken möchte. Hinterzarten/Schwarzwald Im Herbst 1955

WOLFGANG KULLMANN

Abkürzungen AfO AJA AJPh AUW DLZ FGrH HA MusHelv NGG NJbb PhW RE RhM RML RW SBBerl

Archiv für Orientforschung American Journal of Archeology American Journal of Philology Archiv für Religionswissenschaft Deutsche Literaturzeitung F. Jacoby Fragmente der griechischen Historiker Iwan Müller Handbuch der Altertumswissenschaft Museum Helveticum Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen Neue Jahrbücher Philologische Wochenschrift Pauly-Wissowa-Kroll-Ziegler Realenzyklopädie der Klassischen Altertumswissenschaft Rheinisches Museum für Philologie Roscher's Mythologisches Lexicon Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Bsrlin

Einleitung Die Götter Homers sind in ihrem Wesen und ihrer Eigenart o f t charakterisiert worden. Man bemühte sich, aus der homerischen Schilderung der Götter Aufschluß über die vorhomerische Religion und den historischen Wandel der religiösen Vorstellungen in der Frühzeit der Griechen zu gewinnen, 1 ) oder m a n suchte durch die Herausarbeitung der Funktionen der einzelnen Götter und der Darstellung der rein kultischen Tatsachen zu einem Bild von der homerischen Götterwelt zu kommen und stellte die ,homerische Religion' den sogenannten ,Weltreligionen' zur Seite. 2 ) Auch unsere Arbeit, die sich auf die Ilias beschränkt, will die Besonderheiten des homerischen Weltbildes erfassen. Sie betrachtet aber dieses Weltbild als ein individuelles, das erst nach seiner Entstehung auf ,die Religion' anregend wirkte. In methodischer Hinsicht sieht sie von der Verschiedenheit der einzelnen Götter ab und fragt nach den typischen Formen des göttlichen Wirkens. Darüber hinaus b e m ü h t sie sich, die Entstehung dieser typischen Formen als das Ergebnis eines historischen Prozesses zu begreifen, an dem die Entwicklung der Dichtung, insbesondere des Epos, und die Entwicklung der allgemeinen religiösen Vorstellungen gleichermaßen beteiligt war. Die Arbeit geht von der Einheit der Ilias aus. Die alte Homeranalyse h a t zwar gerade das Handeln der Götter in den einzelnen Partien der Ilias wenig einheitlich und zur übrigen Handlung nicht passend gefunden und oft aus der vermeintlichen Verschiedenheit der religiösen Vorstellungen ihre Beweise 3 ) !) Dieses Bemühenist vor allem für die moderne religionswissenschaftliche Forschung charakteristisch. Vgl. bes. M. P . NILSSON Geschichte der griechischen Religion I München 1941 in HA, 0. K E R N Die Religion der Griechen 1 1926. 2 ) C. F. v. NÄGELSBACH Homerische Theologie ¡"Nürnberg 1 8 8 4 ( 1 1 8 4 0 ) , ALFRED ROUSSELL La Religion dans Homère Paris 1 9 1 4 , W. F. OTTO Die Götter Griechenlands Frankfurt 1 9 4 7 3 ( ! 1 9 2 9 ) . 3 ) Vgl. A. BISCHOFF Über die homerische Götterdichtung Philologus 34 1876 lff, B. N I E S E Entwicklung der homerischen Poesie Berlin 1882 104, G. FINSLER Die olympischen Szenen der Ilias Gymn.-Progr. Bern 1906, E. BETHE Homer I 1914 362ff, P. CAUER Grundfragen der Homerkritik 31923 376ff. Auch U.V.WILAMOWITZ-MOELLENDORFF Ilias und Homer Berlin 1916 316f sagt z. B. : „Entscheidend (für die Einheitlichkeit von A und SO) ist allerdings erst die Behandlung der Götterwelt... Fortgebildet ist das in der Odyssee und im Q, ohne doch dieselbe Leuchtkraft zu erreichen. Ganz anders ist die hocharchaische Stilisierung im E, auch im A, das dem Dichter des A sonst

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Einleitung

führen zu können geglaubt. Ich hoffe aber, daß diese Ansicht schon implizit ihre Widerlegung findet und mir somit eine ausdrückliche Polemik erspart bleibt. Anregungen gegeben hat: seinen Olympiern, selbst der Hera, kann man das Gelüste, Priamos und die Troer roh zu verschlingen (A 35), nicht mehr zutrauen. Der Stil des E ist dann im 7 $ ins Plumpe übertrieben, vom 0 nicht zu reden." — Wesentlich auf vermeintliche Differenzen zwischen den religiösen Vorstellungen in den einzelnen Partien der Dias gründet auch jetzt noch W. T H E I L E B Die Dichter der Ilias in: Festschrift für Edouard Tische zum 21. März 1947 Bern 1947 125 ff und Noch einmal die Dichter der Ilias in: Thesaurismata Festschrift für Ida Kapp München 1954 113 ff seine Analyse. Soeben erscheint von K. SCHEFOLD der instruktive Aufsatz .Archäologisches zum Stil Homers' im MusHelv 12 1955 132 ff. Bei seinem Vergleich mit dem archäologischen Material geht SCHEFOLD ebenfalls von den verschiedenen Gottesvorstellungen in einzelnen epischen Schichten (Homer-Iliasdichter-Kyklos) aus. Dem Kyklos kommt bei ihm für die Gesamtbeurteilung eine Art Schlüsselstellung zu. Da aber gerade sein Stil schwer zu fassen ist und sein Inhalt größtenteils sehr alt ist (gerade auch wo er mit den Denkmälern übereinstimmt), wird man gegenüber der ganzen These SCHEFOLDS sehr skeptisch sein müssen.

I. Die Götter in der vorhomerischen Dichtung Die Frage nach den Göttern der Ilias ist nicht gleichbedeutend mit der Frage nach der Religion der homerischen Zeit. Denn die Göttervorstellungen in einem literarischen Werk werden weitgehend von den literarischen Voraussetzungen und Absichten dieses Werkes bestimmt und sind deshalb nur zum Teil Ausdruck der gleichzeitigen Volksreligion. 1 ) Damit ist natürlich nicht bestritten, daß ein Epos wie die Ilias seinerseits wieder entscheidend den Volksglauben beeinflussen kann. Daß die Ilias in einer längeren literarischen 8 ) bzw. poetischen Tradition steht, wird heute niemand bezweifeln. 3 ) Aber von welcher Art war diese vorhomerische ,Literatur' und welche Vorstellungen von den Göttern kamen in ihr zum Ausdruck ? Diese Frage ist neben der Frage nach den religiösen Vorstellungen der homerischen Zeit vor allem ins Auge zu fassen, um die Götterwelt der Ilias richtig deuten zu können. Wohl erst durch Zurückgreifen auf (meist von auswärts übernommene) Sagen- und Märchenmotive gestalten sich lokale Götterlegenden zu Götterliedern und Göttermythen aus, ähnlich wie wohl aus der noch ereignisnahen Kunde von einer — meist kämpferischen — Begebenheit durch Aufnahme solcher die Phantasie ansprechenden Sagen- und Märchenmotive das Heldenlied entsteht. Es ist wichtig, immer diese beiden Komponenten der Lieder im Auge zu behalten, die zeitlich-örtlichen Daten und die Sagen- und Märchenzüge, die, wenn sie ü b e r h a u p t einmal zeitlich-örtlich gebunden waren, diese Vgl. zum Problem K. MAKÖT Arsbok d. Vetenskaps-Societeten i Lund 1924 151ff, PhW 45 1925 674ff, J . IBMSCHER Götterzorn bei Homer Leipzig 1950 1. 2 ) Bei dem Ausdruck .literarisch' ist nicht unbedingt an schriftliche Fixierung gedacht. Ich glaube allerdings, daß der Übergang von ,oral poetry' zu .written poetry' schon längere Zeit vor Homer lag, daß also die Ergebnisse der großartigen Forschungen von MILMAN P A R R Y (vgl. Harvard Studies in Classical Philology 41 1930 73ff, ebd. 43 1932 Iff) für Homer nur mittelbar wichtig sind. Vgl. F. D O R N S E I E T Die archaische Mythenerzählung Berlin und Leipzig 1933 43. Anders M. P . NILSSON Homer und Mycenae London 1933 210f, C. M. B O W R A The Comparative Study of Homer AJA 54 1950 184ff, ders. Heroic Poetry London 1952 240f, H. T. W A D E - G E R Y The Poet of the Iliad Cambridge UP 1952 38f. Interessant in diesem Zusammenhang G. M U R R A Y The Eise of the Greek Epic C a&avdxcov vecpeXr] eiXvfievog ¿ j f i o v g , og rovrov ßeXog Qrjxog yvdXoio, xai fiiv e y o y y ' ¿q>dfir]v 'Aiöcovrji ngoidipeiv, E[i7Vt]q ö' ovx eödftaaaa • •deog vi rig ¿an xoxrieig. Diese Rede des Pandaros nimmt insofern eine besondere Stellung im Ablauf der Handlung ein, als sie zum Spiegel und Symbol sowohl für Pandaros' ganzes Schicksal als auch für das Troias selbst wird. In tragischer Ironie spricht Pandaros, ein dahingesagtes Wort des Aineias aufnehmend (177f), von einem Groll der Götter (191) und im weiteren Verlauf der Rede von seiner möglichen Rückkehr in seine Heimat und wird doch in Kürze von Diomedes' Hand sterben, womit sein verräterischer Schuß auf Menelaos gesühnt ist. Es verdient also das Bild, das Pandaros hier von der mutmaßlichen Hilfe der Gottheit für Diomedes entwirft, unser besonderes Interesse. Die Gottheit hüllt sich nach Meinung des Pandaros in eine Wolke und steht in der Nähe ihres Schützlings, sie wirkt nicht etwa aus der Ferne. Man muß denken, daß sie durch unmittelbaren, wenn auch unsichtbaren Zugriff die Bahn des Geschosses lenkt. Das besondere Homerische zeigt sich wieder in der zurückhaltenden Art göttlichen Wirkens. Pandaros fühlt sich nicht in seiner Wirkungsmöglichkeit gänzlich gehemmt, sondern nur beschränkt: Diomedes ist nur leicht verwundet, nicht getötet; aber er ist immerhin verwundet. Offensichtlich hat sich der Dichter hier mehr volkstümlichen Anschauungen und eigener Erfahrung angeschlossen als dem literarischen Mythos. Von der direkten Gegenwart der Gottheit zum Schutz eines Helden ist auch A 129, A 541, y 98, vgl. E 603 die Rede. Die Art der Einflußnahme auf die Geschosse durch die Gottheit ist ganz verschieden. Entweder wird die Wucht des Anpralls gemildert, so daß nur eine ungefährliche Verwundung eintritt, so bei Menelaos A 129ff, indem dort Athene den Pfeil auf die Spangen des Gurtes kommen läßt, oder A 437f bei Odysseus; oder aber es wird das Geschoß gänzlich ferngehalten, was A 542 als hypothetischer Fall angenommen, P 562 von Menelaos erwünscht, von Pandaros in bezug auf Diomedes E 187 behauptet wird und & 311 durch Apollon in bezug auf Hektor nach des Dichters Aussage tatsächlich geschieht. Ebenso sorgt Poseidon 7V554f dafür, daß Antilochos nicht getroffen und Apollon 0 521f, daß Polydamas nicht getötet wird. Die Spitze der Lanze des Adamas stumpft Poseidon N 562f ab, so daß sie in des Antilochos Schild stecken bleibt, und Athene wendet den Speer des Hektor auf diesen selbst durch einen Hauch zurück, indem sie „ganz sacht bläst" (jjxa. [idXa ipvtiaaa), so daß er wieder zu Füßen des Hektor fällt, ohne dem Achill etwas anhaben zu können (Y438ff). Dadurch, daß an göttliche Einflußnahme auch bei Treffern gedacht wird, wenn die Geschosse nur zum

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WOLFGANG KTJLLMANN

Glück des Getroffenen ihre beabsichtigte Wirkung verfehlt haben, wird vom Dichter der möglichen Vielfalt und Differenziertheit der Vorkommnisse Rechnung getragen; und die von ihm geschilderten Menschen erscheinen nicht gänzlich der Willkür der Gottheit unterworfen. An einigen Stellen ist noch an eine andere Art der Abwehr von Geschossen gedacht. So scheint E 433 ein Davorhalten der göttlichen Hände zur Verhinderung der Verwundung gemeint zu sein, wenn Diomedes gegen Aias vorgeht, „obwohl er merkt, daß Apollon selbst über ihn seine Hände breitet" (yiyvtboxcov, 8 oi avTOQ v jieige%e %£iQaq 'AnoXXmv). I 419f ist dann diese Vorstellung ins Groteske gesteigert, wenn Achill von Ilion spricht und feststellt, „daß sehr der weitschauende Zeus seine Hand darüberhält" {[J,6.Xa yag e&ev evgvona Zevg \ %£IOA erjv VJIEQECS%£). Man vergleiche hier wieder E 312ff, wo Aphrodite ihren Peplos um Aineias breitet, „ein Schutz zu sein vor den Geschossen" (316: ißxos £fi£v ßeXecov). Vgl. P 268ff, wo Zeus um die leuchtenden Helme der Achaier viel Nebel breitet, offenbar damit sie ungestört den Leichnam des Patroklos bergen können. Es seien hier ein paar Stellen angefügt, wo der Dichter die Götter noch auf eine andere Weise als Beschützer fungieren läßt. H 272 hilft Apollon dem von einem von Aias geschleuderten Stein getroffenen Hektor wieder auf die Beine. W 184ff hält Aphrodite die Hunde vom Leichnam des Hektor ab, und Q 18ff hat Apollon durch Zudecken mit der Aigis gegen die Entstellung des Leichnams Hektors Vorsorge getroffen. Diese beiden letzten Stellen sind wahrscheinlich in Anlehnung an die Fürsorge der Thetis und der Eos für ihre Söhne in der ,Memnonis' gedichtet. Vgl. Q 749f.

5. G ö t t l i c h e r

Kampfesbeistand

Die größte Intensität göttlichen Wirkens ist erreicht, wenn der Gott selbst aktiv am Kampf teilnimmt, entweder als Helfer oder als Gegner. Die bisher behandelten Formen des Eingreifens der Götter zeigten immer nur eine verhältnismäßig mittelbare Beeinflussung des Geschehens. Bei der Götterweisung und der Götterparänese beschränkte sich das Wirken der Gottheit im wesentlichen auf die seelische Beeinflussung eines Schützlings, während es bei der Entrückung eines Menschen oder seiner Beschützung vor einem Geschosse zwar vor allem für den Gegner schon konkretere Formen hatte, aber doch durch die unbestimmte Art und Weise der Epiphanie z. B. in der Umhüllung einer Wolke, an Unmittelbarkeit wieder verlor und in jedem Falle den Charakter der Zeitweiligkeit an sich h a t t e (und damit die Möglichkeit offen ließ, daß im Wiederholungsfalle der auf Vernichtung drängende Wille des Menschen sich schrankenlos durchsetzte). Dagegen bei den jetzt abzuhandelnden Stellen, wo es um göttlichen Kampfesbeistand geht (vgl. Abschn. 6), kämpfen die Götter Seite an Seite mit ihren menschlichen Vertrauten oder treten gar an die Spitze

Die Formen des Wirkens der Götte r

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des Heeres und führen es zum Siege. Auch diese Art des göttlichen Handelns h a t in bestimmten Bereichen des Volksglaubens Analoges: I m Heroenglauben spielt die Tätigkeit der Heroen als 7iQ0[Jia%0i und ßorjfloi eine große Rolle. 1 ) Achill, Diomedes, Aias scheinen einmal solche übermenschlichen Heroen gewesen zu sein, die unter wunderbaren Begleitumständen erschienen, u m den Menschen im K a m p f e beizustehen. B e i Homer gibt es solche Heroen im Sinne des Volksglaubens nicht. E r h a t die Heroen zu Menschen gemacht, die sich von andern Menschen nicht grundsätzlich unterscheiden. Höchstens für Augenblicke einmal können sie noch in dem früheren Glänze erscheinen, so Achill, als sein Zorn beim Tode des Patroklos umschlägt und er, von Athene mit flammender Wolke umgeben, unbewaffnet durch sein R u f e n die Troer zurückschreckt (2 203ff) oder Diomedes, als er im Begriff ist, seine Aristie zu beginnen und durch göttliche Einwirkung von seinem Helm und Schild ein F e u e r leuchtet, das dem Funkeln des Siriusgestirns vergleichbar ist ( E 4ff) usw. 2 ) W a s früher Kennzeichen des Übermenschlichen war, wird also zu einem bloßen Zeichen für die m o m e n t a n e Gottgeliebtheit der betreffenden Gestalt. Wenn Homer von rjgmeq spricht, meint er d a m i t alle Menschen seines E p o s . F ü r die alten rjocDSQ treten bei ihm — ähnlich wie für die daifiovst; — die olympischen Götter ein. Diese wirken als K a m p f e s h e l f e r und Vorkämpfer. U n d charakteristischerweise wird in den oben erwähnten wenigen Fällen, wo die alte K r a f t der entheroisierten ,Heroen' noch durchbricht, dieser Glanz ihres Heroentums auch schon durch die Götter bewirkt. Athene ist es, die Achill und Diomedes mit Feuersglanz schmückt. Eine zweite Wurzel der homerischen Vorstellungen v o m Beistand im K a m p f ist wieder der Schutzgottglauben des Adels. Wenn die poetische Tradition dem Dichter der Ilias in einigen Fällen diese unmittelbare Art der göttlichen Wirksamkeit schon vorgebildet zu haben scheint, so m a g auch sie durch den Schutzgottglauben ursprünglich inspiriert sein. Beispiele für vorhomerische Götterhilfe sind vor allem der B e i s t a n d der Athene im Heraklesepos, ferner der der Athene in der thebanischen S a g e . Aus der troischen S a g e kann m a n eigentlich nur den Beistand, den Apollon d e m Paris bei Achills T o d gewährt, anführen, sowie den Athenes, den sie nach den Worten des Aineias einst Achill gewährte, als sie ihn gegen Leleger und Troer trieb und Aineias gerade auf dem Idagebirge die K ü h e weidete ( Y 9 4 f f l —wenn hier nicht eine Ü b e r t r a g u n g der homerischen Verhältnisse in die vorgefundene S a g e vorliegt. Wie weit d a s Erscheinen des Ares und der Athene auf dem Schild des Achilleus { £ 516ff) als ßonrj&oi der Belagerten realen Vorbildern entsprach (d. h. Darstellungen der Bildniskunst), muß dahingestellt bleiben. F. P f i s t e r a. a. 0 . 510ff; E i t r e m R E VIII Sp. l l l f f 8. v. Heros, M. P. N i l s s o n ARW 22 1924 373, ders. Geschichte d. griech. Religion I 677ff, P. Von d e r M ü h l l Der große Aias Rektor.-Progr. Basel 1930 40ff, ders. Hypomnema 90. 2 ) Daß der Heroenkult in vielen Fällen von Homer unabhängig ist, ist von P f i s t e b a. a. 0 . 535ff erwiesen.

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Wolfgan o Kullmann

Wir kommen zur Handlung der Ilias selbst, in der der Krieg ganz andere Dimensionen h a t und dementsprechend die Götterhilfe oft ins Große ausgestaltet ist. Von göttlicher F ü h r u n g des Heeres 1 ) hören wir zunächst E 592ff. Hektor treibt die Reihen der Troor nach vorn, „und es ging also ihnen voran Ares und die Herrin Enyo, die zwar mit dem scheußlichen Wirrwarr des Schlachtstreits, Ares aber schwang eine gewaltige Lanze in den Händen, und er ging bald vor Hektor, bald hinter i h m " : •fjQXS