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German Pages 97 [196] Year 2022
Das
Verhältniß
philosophischen zur christlichen
S i t t e n l e h r e, in Beziehung auf die formale Beschaffenheit beider Wissenschaften,
-arge-cllt von
Carl Wilhelm Vetter, evangelischem Pfarrer
Jenkau in Schlesien.
Berlin,
bet
G.
Retmer. 1830.
S r. Hochwürden dem König!. Superintendenten, Pastor an der Hauptund Pfarrkirche zu St. Elisabeth in.Breslau
Herrn Dr. Tschcggry widmet
diesen ersten Versuch wissenschaftlicher Forschung eh rfu rch tsv o l l
Der Verfasser.
Vorwort.
es etwas für die Wissenschaft selbst ersprießliches sei, wenn das Verhältniß zweier Disciplinen in einer besonderen Untersuchung
aufgestellt wird, könnte noch in Zweifel gestellt werden.
Einmal nämlich könnte man das
richtige Verhältniß zweier verwandten Disci,
plinen von der richtigen Darstellung beider er
warten, und es müßte einem jeden, der sich über ihr Verhältniß belehren wollte, zugemu-
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thet werden, dasselbe aus jenen wissenschaftli
chen
Darstellungen
unmittelbar
aufzufassen;
sodann aber könnte man auch Bedenken tra
gen, ob eine solche Untersuchung in der That
auf eine wissenschaftliche Weise anzustellen sei,
weil sie,
sowohl
zwei Wissenschaften berücksichtigend,
das
Reflexions # Vermögen
in
seiner
Kontinuität schwachen, als auch keinen inneren
Zusammenhang der Idee selbst erzeugen werde. Was
nun
den
ersten
Zweifel
anlangt,
so
kommt eö lediglich auf den jedesmaligen Zu
stand der zu vergleichenden Wissenschaften an, ob
ein solcher Versuch
nicht.
anzustellen sei,
oder
Gehen diese den natürlichen Gang ih«
rer Entwickelung von selbst fort, und ist man allgemein einverstanden, wie auf jedem Punkte
ihrer Entwickelung das Wesen der einen und der andern
richtig
erkannt werde,
so würde,
VII
eine solche Vergleichung insbesondere anzustel«
len, wenn auch dann noch nicht überflüssig, doch von geringerem Nüßen erscheinen. Liegt
aber in der Geschichte zweier Wissenschaften das Umgekehrte am Tage, d. i. werden sie in ihrer natürlichen Entwickelung dadurch qufge-
haüen, daß das eigenthümliche Wesen beider
verkannt, und auf eine der Wissenschaft selbst aachtheilige Weise beide Disciplinen mit einan
der vermischt werden, so tritt dann sogar das Bedürfniß ein, das Verhältniß dieser Wissen
schaften auf eine ausführlichere Weife sicher zu stellen, als dies in der eigentlichen Darstellung jeder Disciplin für sich geschehen kann. Wie
sthr nun dies von den von uns zu vergleichen--
dm Disciplinen der Fall ist, darüber ist nichts nöthig hinzuzufügen; unser Versuch wird von
dieser Seite von jedem vollkommen gerechtfer*
VIII
tigt werden. Was aber die andere Besorgniß
anbelangt, inwiefern ein solcher Versuch irgend wie auf wissenschaftliche Form Anspruch ma
chen könne, so ist ja jede solche vergleichende Untersuchung ihrem Wesen nach Kritik, und wie wenig diese, zumal in der neuesten Zeit,
für etwas nicht wissenschaftliches gehalten wird,
ist allgemein bekannt. Etwas schwieriges bleibt
es aber tmtfter, eknr gute Methode für einen
solchen Versuch aufzufinden, obwohl sich man cherlei Wege darzu darbieten. Bei gegenwär
tiger Untersuchung find wir davon ausgegan gen, daß es am besten sein möchte für die
Vergleichung zweier Disciplinen, doch den allge
meinsten Begriff beider vorauszufchicken. Denn
wollte man auch jedes in Vergleichung zu brin
gende Element, an dem Orte der Vergleichung erzeugen, so würde doch ein solches Verfahren
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bei gründlicher Darstellung jedes Einzelnen stet» auf das Allgemeine rekurriren müssen, in wel
chem das Einzelne mit enthalten ist. Wir ha
ben diesem zu Folge einen allgemeinen Theil vorausgeschickt, welcher den höchsten Begriff
beider Wissenschaften darstellen soll, und dies
sowohl ihrem Inhalte als ihrer Form nach;
indem, obwohl wir nur in gegenwärtiger Un
tersuchung auf das formale Verhältniß beider Wissenschaften Rücksicht nehmen werden, die
Konstruktion des Inhalts bei der Aufsuchung
der höchsten Begriffe nicht vermieden werden
kann; auch ist es die Absicht des Verfassers, wenn dieser Versuch einer Aufmerksamkeit ge würdigt wird, das Verhältniß beider Discipli nen auch von Seiten ihres Inhalts noch nä
her aufzustellen, in welchem Falle an jene schon aufgestellten allgemeinsten Begriffe nur
wiederum angeknüpft werden dürfte, Md somit
der Vergleich des Inhalts als der eigentliche Schluß der ganzen Untersuchung erscheinen
würde.
Inhalt des Ganzen
Vorwort
Seite v — x.
EksterThetl. Auffuchung der allgemeinsten Begriff« beider Wissenschaften.
Seite 1 — 33. §. i — 6.
Erster Abschnitt. Begriff der philosophlschcn Sit-
tenlehr«.
Seite 1 — 20. §. 1 — 4.
Zweiter Abschnitt. Begriff der christlichen Sittenlehr«.
Seite 20 — 33, §. 5 und 6.
Zweiter Theil, Vergleichung beider Disciplinen
Seite 36 — 64. §. 7 — 16.
—
XII
—
Methode der Vergleichung. Seite 34 und 35. §. 7. ErsteAbtheilung. Vergleichung der obersten Grund»
ssttzt beider Disciplinen. Seite 36 — 42. §. 8 —10. Zweite Abtheilung. Vergleichung der System«
beider Disciplinen.
Seite 43 — so. §.11 — 12.
Dritte Abtheilung. Vergleichung beider DiS
eiplinen in Bejiehung ans ibre BegriffSbildnng.
Seite so — 64. §. 13 — 16.
Erster Theil. Aufsuchung der allgemeinsten beider Sittcnlehren.
Begriffe
Erster Abschnitt. Begriff der philosophischen Sittenlehre. §. 1. Ableitung ihre- Inhalts auS der Philo sophie.
§8)enn es daS Wesen aller Begriffsbildung ist,
einmal das Allgemeine, in welchem sowohl von der realen als idealen Seite, die Begriffe ihre noth« wendige Einheit finden, und sodann auch das Be sondere, auS welchem wiederum auf beiden Seiten ihre nothwendige Trennung und Verschiedenheit hervorgeht, aufzusuchen, so erhellet, daß alle dieje nigen Wissenschaften, welche den Charakter des All gemeinen schon an sich tragen, nur noch von einer Wissenschaft abgeleitet werden können, welche im A
Allgemeinen dir höchste Einheit, und wiederum im Besondern, nur die Trennung der höchste» Gegen sätze aufweisen kann. Diese Wissenschaft nenne» wir die Philosophie, welche demnach allem bestimm ten Wissen ,so. zum Grunde liegt, daß nur durch sie sowohl die Stelle, welche jede reale Wissenschaft in dem großen Zusammenhänge alles menschlichen Wissen- einnimnit, als auch dasjenige gefunden werden kann, was jede Wissenschaft zu einer be sondern macht. Dieses gilt nun auch vorzugsweise von einer so allgemeinen Disciplin, wie die jetzt im obersten Begriff darzustellende philosophische Sittenlehre, so daß jedes andere Interesse, wie etwa daS an der Sittlichkeit, als eines Triebes der menschlichen Natur, von welchem aus man eine Ableitung dieser Wissenschaft versuchen wollte, wen» nicht überhaupt ihr jeden wissenschaftlichen Werth, dennoch gewiß den ehrenvollen Namen einer philo sophischen Disciplin rauben wür6e. So nothwen dig nun aber dieses Zurückgehen auf die Philoso phie in vorliegender Untersuchung gefordert werden muß, um so mehr ist es Pflicht, unS in demselben von vorn herein so zu beschränken, daß nicht etwa ein solcher Versuch die Philosophie selbst erzeugen wollte; sondern, da wir uns eben so wenig auf ein allgemein bekanntes System der Philosophie be rufen können wird das Verfahren das allein pas sende sein, in jenem Zurückgehen auf die Philvso-
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phie mehr auf kritische Weise einmal das allgemein Anerkannte, und dann auch nur daS für unsere Un tersuchung Nothwendige in Betrachtung zu ziehen. Je sorgfältiger wir aber in der Untersuchung selbst den ersten Gestchtspunkt im Auge behalten, desto mehr können wir hoffen, daß unser Versuch Anerken nung finden werde, sowie, je mehr wir den zweiten Gesichtspunkt ins Auge fassen, desto mehr wir alles nicht in diese Untersuchung Gehörende vermeiden, und ihren intensiven Werth dadurch erhöhen werden. Der erste Gegensatz nun, der in allen philoso phischen Schulen, sowohl der ältern, als neuern Zeit immer herauögetretcn ist, ist der von Wisse» und Sein. Die richtige Darstellung der Einheit der Glieder dieses Gegensatzes ist überhaupt die höchste Aufgabe der Philosophie, welche Einheit weder von dem einseitigen Standpunkte deS Realis mus noch dem deS Idealismus auS, gelöst werden kann. ES gehört jedoch nicht innerhalb der Gren zen dieser Untersuchung, zu sehen, in wie weit diese Aufgabe wirklich schon gelöst, und auf welche Weise; für unsere besondere Aufgabe vielmehr bedarf es keines hdhern Gegensatzes, um etwa von einem solchen aus, jene Einheit des Seins und Wissens selbst nachzuwcisen, sondern wir unsern Ortes kön nen uns völlig beruhigen, wenn wir ihn nur alS den Gegensatz bezeichnet haben, in welchem alle Ge gensätze deS bestimmten Wissens wenn auch noch A 2
4 auf verhüllte Weise, dock so enthalten sind, daß eben nur die wissenschaftliche Operation hinzukomnien darf, um sowohl daS für unsere Disciplin be stimmte Sein, als auch das ihr zugebbrige Wissen aufwcisen zu können. Wohl aber muffen wir doch das eine aus der Philosophie hcrübernehmen, daß beide Glieder des Gegensatzes, das Sein sowohl als auch daS Wissen nur in einer nothwendigen Bezie hung auf einander richtig aufgefaßt werden kön nen, d/i., daß sie einen relativen nicht absoluten Gegensatz bilden. Diesen Satz, welchen die Philophie selbst zu begründen hat, können wir aber mit um so allgemeinerer Anerkennung aus ihr entleh nen, da in allen Systemen diese Beziehung als eine wirklich vorhandene vorausgesetzt wird; in den rea listischen nämlich schon dadurch, daß sie die vor handene Zusammengehörigkeit zu Gunsten des Rea len nur mit Gewalt zu vernichten im Stande sind, so wie eben so die Idealisten zu Gunsten deö Idea len dasselbe thun. Vorausgesetzt diese nothwendige Beziehung bei der Glieder deS Gegensatzes, so frägt es sich: wel ches ist denn die Beziehung deS Wissens zum Sein, und wiederum welche die des Seins zum Wissen? Ohne Zweifel folgt dock daraus schon die negative Bestimmung, daß eS kein Wissen geben kann, ohne ein dazu gehörendes Sein, und eben so daß es kein Sein geben kann, ohne ein dazu gehörendes
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Wissen; denn gäbe es daS eine ohne das andere, so hörte jene nothwendige Beziehung auf. ES liegt darin aber auch schon die positive Bestimmung, daß beide Glieder des Gegensatzes doch so auf ein ander bezogen werden können, daß sie eine graduel verschiedene Beziehung auSdrücken. Es kann ja gedacht werden, daß in dieser Beziehung, das Wis sen das Ueberwiegende, so wie eS eine Beziehung beider Glieder des Gegensatzes geben kann, in wel cher das Sein das Ueberwiegende ist. Auf diese Weise entsteht unS ein neuer Gegensatz, welche» wir mit den Ausdrücken deS Geistigen und Sinn lichen zu bezeichnen pflegen, so namlicb, daß das Geistige eben jene Beziehung des Wissens auf das Sein ausdrückt, aber in der Potenz deS Wissens, so wie das Sinnliche die Beziehung des Seins auf daS Wissen ist, aber in der Potenz des Sinnlichen, Wenn wir nun auch diesen Gegensatz des Sinnli chen und Geistigen durch dieselbe Operation der graduclen Beziehung als einen solchen betrachten, welcher noch niedere unter ihm stehende Gegensätze in sich faßt, so könnten wir ja die Glieder des zu nächst unter ihm stehenden Gegensatzes so binden, daß wir sagen: es kann das Geistige in Beziehung auf das Sinnliche gesetzt werden, aber in der Potenz drö Geistigen, und es kann das Sinnliche in Be ziehung auf das Geistige gedacht werden, aber in der Potenz des Sinnlichen, für welche Glieder dir-
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seS neuen Gegensatze- wir die Ausdrücke Natur und Vernunft zu gebrauchen pflegen, so zwar daß die Vernunft jene- Ineinander des »Geistigen und Sinnlichen aber in der Potenz des Geistigen, und die Natur de- Ineinander des Geistigen und Sinn lichen aber in der Potenz des Sinnlichen ausdrückt. Wie nun in diesem Gegensatze von Vernunft und Natur, welchen wir zum Behuf dieser Untersuchung au- jenem hdhern Gegensatze von Sein und Wissen ableiten mußten, auch wirklich das liegt, was die Ausdrücke Vernunft und Natur einem jeden be zeichnen, erhellet ja am sichersten daraus, daß nie mand , das eine Glied des Gegensatzes setzen wird, ohne jene nothwendige Beziehung auf daö andere mitzusetzen. Denn denken wir die Vernunft, wie wäre dies möglich ohne ihre Beziehung auf die Na tur mitzudenken, so wie wir eben so wenig die Na tur setzen werden, ohne die Vernunft mitgcsctzt zu haben. Dies hindert aber so wenig in der Zusammengehdrigkeit beider, das eine Glied als das Ued«-twiegende zu denken, raß vielmehr grade hierdurch die Natur sowohl al- auch die Vernunft, Glieder eines natürlich relativen Gegensatzes werden. Wollten wir nun schon von hier auS die Frage aufwerfen, ob wir etwa das durch letztern Gegen, satz bestimmte Sei» für unsere Disciplin gefunden hätten, d. I. wollten wir fragen, mit welchem Gliede diese- Gegensatze- e- die philosophische Ethik zu
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thun habe, so wird niemand sich weigern zu sagen, mit der Vernunft. Denn auch nur ausgehend da von, daß die Ethik Regeln für den nienschtichen Willen aufstelle, so ist ja der menschliche Wille eben nach der praktischen Seite die ganze Vernunft, wir sie vorzüglich als eine in Handlungen übergehende Kraft sich manifestirt. Dennoch sind wir an die sem Orte noch nicht im Stande, über den Inhalt der philosophischen Ethik zu entscheiden, sondern es entsteht unö noch eine neue Frage, nämlich die: wird eS die Sittenlehre mit der ganzen Vernunft, im Gegensatze zur Natur zu thun haben, oder läßt sich irgend wie durch Theilung der Glieder dieses Gegensatzes, der für uns noch rin höherer ist, ein besonderer Komplexus des vernünftigen Seins auf finden, welcher der Sittenlehre als das ihr eigen thümliche Gebiet nachgewicsen werden könnte? Diese Ungewißheit fordert zu einer neuen Untersu chung auf, deren Nothwendigkeit auch noch auunserm Verfahren selbst erkannt werden muß.
§. 2. Aufsuchung eines neuen Gegensatzes vom Wissen. Spekulatives und empirisches Wissen.
Während wir in der vorhergehenden Untersu chung den Gegensatz von Vernunft und Natur auö
8 jenem für uns höchsten des Seins und Wissens ableiteten, so geschah dies mehr auf reale Weise,
d. i. so, daß wir die Zusammengehörigkeit des Seins und Wissens, des Sinnlichen und Geistigen, deS Natürlichen und Vernünftigen, mit dem mehr und
minder deS einen und des andern Gliedes aufzei
gend, beides in diesem Ineinander, doch immer nur als ein neues Sein auffaßten.
ES ließe sich aber
auch jedes der beiden Glieder des Gegensatzes von Sein und Wissen so weiter abwärts theilen, daß
wir die Glieder der neu gebildeten Gegensatze mehr alS das Ideale und Reale von Seiten des Wissens,
und ebenso als daS Reale und Ideale von Seiten deS Seins auffaßten, worin liegt und allerdings
vorausgesetzt werden muß, daß auch diese Glieder des
für unS höchsten Gegensatzes, dennoch auf
einem noch höher«, dem des Realen und Ideale» beruhen und ihn voraussetzen.
Diese Untersuchung
gehörte nun allerdings der höchsten Wissenschaft an,
für welche jener für uns höchste Gegensatz 'von Sein und Wissen nur ein niederer ist.
Es wird
aber an diesem Orte, so lange eine solche höchste
Wissenschaft nicht allgemein anerkannt vor uns liegt, so daß jeder nur nöthig hatte den Ort seiner dar zustellenden Disciplin in jenerWissenschaftslehre nachzuweisen, folgende ihrer Natur nach transcendentale
Untersuchung nöthig sein. Ausgehend
davon,
daß
auch
der
für uns
9 höchste Gegensatz des SeinS und Wissens, in einem noch hbhern, dem des Idealen und Realen gebunden ist, so könnten wir, jedoch ohne jenen Gegen satz des Realen und Idealen selbst begründen zu wollen, die einzelnen Glieder unsers GegensatzeinS Auge fassend, fragen: was ist denn im Sein überwiegend das Reale, waö das Ideale, und ebenso was ist denn das eine und das andere im Wissen? Könnten wir diese Frage auf eine allgemein befrie digende Weise, ohne jene transcendentalen Princi pien selbst zu deduciren, beantworten, so würden wir vielleicht den bedeutendsten Schritt in dieser Untersuchung gethan haben. Wir versuchen es, anfangend mit der Frage: was ist das Reale und Ideale im Wissen? Wir werden im Ganzen ge nommen keinem philosophischen Systeme widerspre chen, wenn wir jenes die Wahrnehmung, dieses aber das Denken in dem Sinne nennen, wie es da vollendete Wissen noch nicht zu sein braucht. Denn durch dieses beides zusammengenommen, kommt ja wohl daö menschliche Wissen zu Stande, insofern es nämlich eine doppelte Beziehung auf das Reale und Ideale im Sein annimmt, so zwar, daß die Erkenntniß des Realen im Sei» auch mehr an daReale im Wissen, d. i. an die Wahrnehmung, und die Erkenntniß de- Idealen im Sein mehr an daJdeale im Wissen, d. i. an da- Denken gebunden sein wird; wobei jedoch wohl zu merken ist, daß
10 Hier unter dem Realen und Idealen im Sein nicht für dieses die Vernunft und für jenes die Natur,
sondern schon das verstanden wird, was in beiden Gliedern an sich
wiederum
als das Reale und
Ideale erscheint, welche Trennung i»i Sein hier
noch nicht entwickelt' werden kann.
Für die noth
wendige Zusammengehörigkeit beider Wissens-For men laßt sich der Beweis am sichersten apagogisch
führen.
Könnten wir nämlich die menschliche Na
tur uns so denken, daß durch sie nur diese Erkennt niß der Dinge möglich wäre, wie sie die Wahrneh
mung, welche von der Organisation unsrer Sinne abhängt,-in uns erzeugt, so wäre dies gewiß keine
Erkenntniß mehr, sondern höchstens die thierische Empfindung der organischen Impressionen.
Von
dieser Seite also sehe» wir ein, wie jede Wahrneh
mung, auch die am meisten von den Sinnen ab
hängige, nicht ohne das Denken, als das am mei sten von jener Seclcnkraft,
welche wir Verstand
nennen, abhängige, Erkenntniß in uns Hervorrufen kann.
Eben so ist es aber auch richtig, daß das
Denken, von aller Wahrnehmung abgclöst, keine
Erkenntniß Hervorrufen kann; denn wenn alles Wis
sen eine nothwendige Beziehung auf das Sein aus drückt, so müßte ja das Denken als die eine Form
des Wissens ohne die Wahrnehmung, jene nothwen
dige Beziehung auf das Sein aufheben, und als eine Aeußerung des reinen Verstandes, also iwr als
11 daS Leere erscheinen. Daher wir auch sagen können, die bloße Wahrnehmung könnte in unS nichts Her vorrufen als das Chaos organischer Eindrücke, den bloßen Stoff für daS Wissen; und daS bloße Denken könnte in uns nichts alö einen leeren Schematis mus erzeugen, die bloße Form für bas Wissen, in welchen beiden kein menschliches Wissen gesetzt sein kann. Diese auf jedem Punkte des Wissens noth wendige Zusammengehörigkeit beider Wisseusformcn, muß mm wiederum so gedacht werden, daß in ihr sowohl das Denken, welches unter der Form deBegriffö den Charakter des Allgemeinen an sich tragt, überwiegend ist, und ebenso, daß darin auf einem andern Punkte die Wahrnehmung, wie sie unter der Form des Urtheils den Charakter deS Besondern an sich tragt, alö das überwiegende her vortreten kann. Dieses aber giebt uns eine graduel verschiedene Beziehung, welche sich in folgen der Formel ausdrücken lügt: es giebt in dem Wis sen von Seiten des Idealen ein Ineinander des All gemeinen unv Besondern, aber in der Potenz deS Allgemeinen, und es giebt in dem Wissen von Sei ten des Realen ein Ineinander des Allgemeinen und Besondern, aber in der Potenz des Besondern, von welchen beiden wir jenes erstere die spekula tive, dieses letztere aber- die empirische Form deS Wissen- nennen.
12 §. 3.
Das Sein als ein Ineinander des Allgeyieinen und Besondern. Kraft und Er scheinung. Wenn wir nun zurückkehren zur Beantwortung der andern Frage, was denn das Reale und Ideale im Sein sei, so können wir uns nicht begnügen, das Erstere im Sein als die Natur, das Letztere im Sein als die Vernunft anzucrkennen, denn so wohl in der Natur werden wir neben dem Realen das Ideale, sowie in der Vernunft neben dein Idealen das Reale antreffen. ; Wir müssen viel mehr von dem Gliede deS für uns höchsten Gegen satzes, nämlich dem Sein ausgehend, einen Gegen satz aufsuchen, in welchem das Ideale im Sein so erschiene, daß eS dem Idealen im Wissen, und ebenso daS Reale im Sein dem Realen im Wissen entsprechen würde. Diese Untersuchung könnte in einer Transcendental - Philosophie allerdings nur von dem Standpunkt der Vereinigung des Realis mus und Idealismus geführt werden, und da wir unS auf eine Philosophie dieser Art nicht berufen können, so müssen wir unS begnügen, wenn wir nur für daS Folgende allgemeine Anerkennung fin den möchten. Wenn das Wissen, wie wir es in seiner nothwendigen Beziehung auf das Sein ge setzt haben, sich unS in die beiden Formen deS fpe-
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culativen unb empirischen spaltete, so nämlich, daß daS spekulative mehr die Seite des Idealen, und daS empirische mehr die Seite des Realen in dem Wissen ausdrückte, so muß ja nothwendiger Weise in dem Sein, von welchem jenes Wissen der Aus druck werden soll, ein solches Ideale, mehr den Charakter des Allgemeinen an sich tragend, und ebenso ein solches Reale mehr den Charakter deS Besondern an sich tragend, aufzufinden sein. Denn ohne eine solche, wenn auch wiederum nur relative Trennung im Sein, zerfiele unsre ganze Untersu chung in nicht-, weil das Prinzip der Zusammen gehörigkeit beider des Sein- und des Wissens, wel che- Prinzip unsere allererste Voraussetzung war, dadurch zerstört würde. Was ist daS aber, waS im Sein da- Ineinander des Allgemeinen und Be sondern unter dem Charakter des Allgemeinen, und wiederum da- Ineinander des Allgemeinen und Besondern unter dem Charakter des Besondern auSdrückt? Wir finden bieten Gegensatz in der Sprache niedergelegt in den Ausdrücken Kraft und Erschei nung. Die Kraft nämlich das Allgemeine, die Er scheinung das Besondere im Sein darstellend, so zwar, daß der Gegensatz ein relativer bleibt, und im Allgemeinen da- Besondere mit eingeschlossen ist auf allgemeine Weise, so wie im Besonder» eingeschlossrn ist, da- Allgemeine, aber auf besondere Weise.
14 Nun sind wir endlich mit Aufsuchung der nö thigen Gegensätze überall bis ans Ende gekommen.
Wir hatten, darauf ausgehend, den Inhalt der phi
losophischen Sittenlchre zu finden, uns die Glieder
jenes höchsten Gegensatzes von Sein und Wissen, in den Gliedern eines ans ihm
abgeleiteten nie
dern Gegensatzes von Vernunft und Natur gebun den, von welchen Gliedern daS erste die Vernunft
uns als Inhalt der Sittknlehee, jedoch so erschien, daß wir noch nicht behaupten konnten, ob sie ganz
oder nur zum Theil werde Gegenstand der Ethik
werden.
Ferner
fanden wir, vom Wissen, dem
einen Gliede de- höchsten Gegensatzes ausgehend,
den Gegensatz der spekulativen und empirischen Er kenntnißform, welche Formen in ihrer lebendigsten
Durchdringung die Wcltweisheit zu Stande bringen
müßten, die aber auf dem Gebiete des realen Wis
sens immer nur in einer graducl verschiedenen Be ziehung
Vorkommen können.
Endlich sahen wir,
daß im Sein selbst ein diesem analoger Gegensatz sich uns gestaltete, nämlich 6tr von Kraft und Er
scheinung, so daß wir nun sagen können: daß alles spekulative Wisse» sich auf die Kraft als das ihm
zugehörige Sein,
so wie alles empirische Wissen
auf die Erscheinung als daS ihm zugehörige Sein sich beziehen werde.
die Frage entschieden,
mit der ganzen
Somit aber haben wir auch ob unsere Wissenschaft es
Vernunft
oder nur mit einem
15
—
Theile derselben zu thun habe.
Denn wenn bk
Vernunft als Sein gesetzt, in jenen Gegensatz von
Kraft und Erscheinung hincingchen muß, und wenn
niemand läugnen wird, daß die philosophische Ethik der spekulativen Form des Wissens bedarf, so er* hellet, daß ihr Sein nur sein kann die Vernunft,
insofern sie als Kraft, d. i. als das Allgemeine in alleni vernünftigen Sein zu denken ist.
Somit aber
haben wir auch den obersten Begriff der philophi» schen Sittenlehre ans
der Philosophie abzuleite»
versucht. —• §- 4.
Erklärende Zusatze. Es kann hier, um unsern gefundenen Begriff
in seiner richtigen Ableitung' noch klarer aufzufas sen, die Gelegenheit nicht vorbei gelassen werden,
denselben in seinem Verhältniß zu den Begriffen anderer Wissenschaften, die uns in jener Ableitung
implicite mit entstanden sind, näher zu betrachten.
Daß aber
solche Wissenschaften zugleich mit ent
standen sind, bürgt gar sehr für die Richtigkeit unM
serö Verfahrens, weil, von dem Grundsätze au-, daß jedes bestimmte Wissen nur dadurch zur Vollen
dung kommen kann, daß daS übrige Wissen auf allen Punkten zugleich
zur Vollendung
gebracht
wird, der nothwendige Zusammenhang unserer Wis-
16 senschaft mit den übrige» realen Wissenschaften kn jener Ableitung auS der höchsten Wissenschaft zu
gleich mitgefunden ist.
Es ergiebt sich nämlich,
wenn wir die ausgestellten Gegensatze sich durch kreuzen lassen, folgende Quadruplicitat von realen
Wissenschaften.
Fangen wir zunächst damit an, u«S die Ver
nunft als das Ideale im Sein, d. i. als Kraft zu
denken, und beziehe» hierauf das Ideale im Wis
sen, nämlich die spekulative Form desselben, so ent steht unS die philosophische Sittenlchre, welche dem nach das spekulative Wissen um die Vernunft alS
Kraft ist.
Denken wir uns ebenso das Ideale in
der Natur, d. i. die Natur als Kraft, und beziehen
auch hierauf das diesem Idealen im Sein entspre
chende Ideale im Wissen, so entsteht unS ein spe kulatives Wissen um die Natur als Kraft, welches Wissen die Naturwissenschaft bildet. Denken wir uns aber das Reale im vernünftigen Sein, und
beziehen auf dasselbe daS ihm entsprechende Reale im Wissen, so entsteht uns daS empirische Wissen um die Vernunft als Erscheinung, welches Wissen
die Geschichte ist; denken wir «ns endlich das Reale des natürlichen Seins, und beziehen hierauf das
ihm entsprechende Reale im Wissen, so entsteht unS das empirsche Wissen um die Natur als Erschei nung und wir erhalten in diesem Wissen die Ra
turgeschichte. —
Vergleichen wir zunächst die Na
tur-
17
turwissenschaft mit der Ethik, so sind sie ein- ih rer Form, verschieden aber ihrem Inhalte nach. Beides nämlich sind spekulative Wissenschaften, d. i. sie fassen das Sein nur unter dem Begriffe des Allgemeinen, beziehen sich also auf die allen Er scheinungen zum Grunde liegende Kraft. Ihr In halt aber ist ein verschiedener, für die Ethik ist die ser Inhalt die Vernunft, für die Naturwissenschaft die Natur; immer jedoch so, daß die Vernunft so wohl al- die Natur nur als Kraft, d. i. als das Allgemeine ihres Seins gedacht, Gegenstand der genannten Wissenschaften werden können. Man könnte also dem ParalleliSmuS zufolge, die Ethik auch Vernunftwiffenschaft nennen; ein Name den man nirgend vorfindet, weil die ethischen Künstler hei, de« Konstruktion ihrer Wissenschaft nicht vom rein wissenschaftlichen, sondern öfter wohl von dem praktischen Interesse an der Sittlichkeit selbst au-gegangen sind. Die beiden empirischen Wissenschaf ten, die Geschichte und Naturkunde, haben es überall nur mit dem Einzelnen, wie es in Zeit und -Raum erscheint und sich gestaltet, zu thun. Sind also wie jene ein- in der Form, verschieden aber in Bezie hung auf den Inhalt, denn die Geschichte ist da empirische Wissen um die Erscheinungen der Ver nunft, die Naturgeschichte da- empirische Wissen um die Erscheinungen der Natur. Man kann aber auch die Vermmstlehre und die Geschichte in eine B
—
18
nähere Vergleichung bringen, welche Wissenschaften
sich gleich sind durch ihren gemeinschaftlichen In halt, nur daß er in der einen mehr als daS Ideale, in der andern als das Reale gesetzt ist; die sich
aber ungleich sind in der Beziehung auf die ger n,
denn die erstere hat die spekulative, die letztere aber die empirische Form; welcher Unterschied beider Dis
ciplinen wohl allgemein anerkannt werden möchte,
indem ja nicht geläugnet werden kann, daß die Ethik über die Erscheinung hinausgcht,
und die
Verminst als Kraft setzend, es versucht das Ideal einer sittlichen Weltordnung a priori zu construiren;
wogegen die.Geschichte, die schon real gewordene Vernunft, d. i. ihre Erscheinungen darstellend, nie his an jenes Ideal wird reichen können.
Wie aber
auch die Naturwissenschaft und Naturgeschichte in
Beziehung auf ein anderes Sein,
denselben Pa-
rallelismuö geben, ergiebt sich aus dem Vorigen
von selbst.
Wenn nun ttenlehre.
Daß nun in der christlichen Ethik von einem Grundsätze in dem hier aufgestellten Sinne gar nicht die Rede sein kann, dafür dürfen wir nur fol gendes in Betrachtung ziehen. Gesetzt es wollte' jemand für die christliche Sittenlehre, wie dies für die Dogmatik von Theologen oft genug versucht worden ist, ein solches Princip, auf die oben ange gebene Weise aus dem Wissen selbst deduciren, so hieße dies nichts weniger als den Versuch machen, das christliche Handeln wie eS einzig allein aus dem religiöse» Selbstbewußtsein entsteht, durch einen Akt des Wissens zu erzeugen. Das Christenthum aber würde auf diese Weise seines positiven Cha rakters beraubt werden, und es mußten alle dieje nigen, welche diesen Versuch auf konsequente und wirklich wissenschaftliche Weise irgend wir zu Ende bringen wollten, auf das gemeinschaftliche Resultat kommen, daß sie die Sendung deS Sohnes Gottes für unnöthig erklären, weil das allgemein mensch-
— 41 liche objektive Bewußtsein irgend einmal bas ganze Christenthum von selbst erzeugt haben würde; denn dieses Bewußtsein war ja in demselben Grade der Vollkommenheit, zumal in der hellenischen Welt/ vor wie nach dem Christenthume vorhanden, — Wie aber noch unzureichender daö Verfahren ist, »ach welchem aus der sogenannten Moral-Philoso phie die Principien für die christliche Sittenlehre entlehnt werden, so daß diese Wissenschaft ihrer ganzen Selbstständigkeit beraubt wird, darüber darf nach dem schon Vorausgeschickten kein Wort mehr hinzugefügt werden. Wir behaupten, es kann kein Princip, welches aus der Idee deS Wissens selbst abgeleitet, oder aus der Philosophie geborgt ist, ein Grundsatz der christlichen Sittenlehre werden, und es giebt in einem solchen Sinne überhaupt keine Principien der christlichen Sittenlehre. Soll aber dem ohnerachtet in der christlichen Sittenlehre von einem Princip die Rede sein, indem ja ohne ein solches alle christlich-ethischen Begriffe der höchsten Einheit und der allgemeinen Anerkennung ermangeln würden, so kann ein solches ja wohl kein anderes fein, als das jedem einwohnende christliche Selbst bewußtsein, wie es als ein in Handlungen überge hendes aufgefaßt werden muß. Denn nur dieses kann der gemeinsame Probirstein fein, ob irgend ein einzelnes Handeln falsch oder wahr beschrieben worden ist; keineöweges aber ein Satz, zu dessen
42 allgemeiner Anerkenntniß ein jeder durch die wissen
schaftliche Deduktion erst gelangen müßte.
Jenes
religiöse Selbstbewußtsein aber ist jedem auf einem ganz andern Wege überkomme», und kann so we
nig von
der höchsten
Wissenschaft
hcrvorgerufen
werden, als es überhaupt ein vergebliches Unter nehmen ist, jemanden den Glauben an Christum deduciren zu wollen, welcher Glaube im weiteren
Sinne des Wortes diesem religiösen Selbstbewußt
sein gleichzusetzen ist.
Wenn
aber die
Wahrheit
und allgemeine Anerkennung des christlich Sittlichen nur auf unmittelbare Weise aus diesem Selbstbe
wußtsein folgt, wenn ferner, wie in der philosophi schen Sittenlehre alles dasjenige nur als das Sitt
liche erschien, was das Princip nach einer Bezie hung hin in sich schloß, auch auf dem Gebiete des christlichen Handelns
nur alles
das ein sittliches
genannt werden kann, was ein Ausstuß jenes christ lich-religiösen Selbstbewußtseins gewesen ist, so ist
es richtig, wenn in diesem Sinne dieses christliche
Selbstbewußtsein das Princip des christlichen Han delns genannt wird.
zügen wird
Aus diesen wenigen Grund
der große Unterschied
der Principien
beider Wissenschaften zu erkennen sein, welcher Un
terschied sich allerdings noch in niancherlci Bezie hung weiter verfolgen ließ.
43
Zweite Abtheilung. Vergleichung der Systeme beider Wissenschaften.
$.11. Ueber System im Allgemeinen. Wenn
wir
beide Wissenschaften
in formaler
Beziehung auch in so fern vergleichen müssen, als sie darauf Anspruch machen ein System zu heißen, so möchte dies «ine der schwierigsten Untersuchun
gen fein; indem die Forderung des Systems, einer
Wissenschaft noch nicht so allgemein festgestcllt ist, als die Forderung des Princips derselben.
Wir se
hen unS daher auch bei dieser Untersuchung genö
thigt, eine allgemeine Bestimmung über das, was in einer Wissenschaft System genannt wird, voraus zu schicken. Wenn von vorn herein zugegeben werden must,
daß jeder in welchem nur irgend wie das objektive
Bewußtsein
als
die
allgemeine
Grundlage
alles
Wissens erwacht ist, auch sogleich auf ein System seiner Erkenntniß
getrieben
wird,
wenn also die
Nothwendigkeit desselben von jedem Wissenden ein gesehen wird, so erscheint es um so befremdender, daß gerade diejenigen Wissenschaften, welche alles
ethische und physische Wissen durchdringen,
d. i.
welche überhaupt allem realen Wissen zum Grunde
41 liegen, eines solchen Systemes nicht bedürfen.
Diese
Wissenschaften sind die Logik und Mathematik, an
welchem noch niemand die Forderung eines Systems gemacht hat.
Wenn wir den Grund dieser aller
dings merkwürdigen Erscheinung hier nicht weiter verfolgen können, so ist doch soviel daraus zu er
sehen, daß ein solches System seinen Grund mehr in demjenigen einer Wissenschaft haben müsse, was
wir das Reale, als in demjenigen, was wir das Ideale in derselben zu nennen pflegen.
Unter dem
Realen einer Wissenschaft, um diesen Terminus in
seine für unS hier geltende Bedeutung aufzulösen, verstehen wir das Gegenständliche eines bestimmten
Erkenntnisses, das bestimmte durch relative Gegen sätze für ein bestimmtes Gebiet des Wissens be grenzte Sein.
Ein solches nämlich erscheint, wenn
es anders als ein wirklich bestimmtes aufgefaßt ist, als ein System entweder so, daß es angesehen wird als ein Ganzes, in welchem jedes einzelne so inhä-
rirt, daß es nur aus dem Ganzen verstanden werdey kann, oder es erscheint auch als die Totalität
der Aeußerungen einer Kraft, welche sich aber nur in der Mannigfaltigkeit des Einzelnen manifestiren
kann.
Nun aber muß doch unbedingt zugegeben
werden, daß, sobald uns ein bestimmtes Reale in
dem angegebenen Sein als ein System erschienen
ist, auch sogleich das Ideale, unter welchem wir hier die Erkenntniß selbli verstehen, in jenes System
45 eingehen werde, welches auch folgen muß auS dem, waS wir über die nothwendige Zusammenge hörigkeit des SeinS und Wissens im Anfänge un serer Untersuchung gesagt haben. Ebenso wenn in Frage gestellt wird, waö das in uns sei, was in einem bestimmten Realen jenes System entdeckt, so wird niemand sich weigern zu sagen, das Ideale, aber dennoch in einem solchen Sinne, daß aus der Beschaffenheit des Realen das System sich ergeben muß, und daß das Ideale auf das Reale sich nur so bezieht, daß eS eben die Form des Realen wird, nickt so aber, daß aus dem Idealen wie etwa aus einem Behälter fertiger Formen, daS Reale als System erzeugt würde, und in seine Formen sich fügen müßte. §.42.
Systeme beider Sittenlehren.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen schreiten wir zur Vergleichung unserer Disciplinen fort, in sofern sie darauf Anspruch machen können Systeme zu bilden. Zngestanden also, daß jedes Reale nur in Beziehung auf das ihm zugehörige Ideale ein System werden könne, wenn auch das Reale den eigentlichen Grund des Systems in sich schließt, so kann nur durch die Darstellung der zwiefachen Art wie etwas reales ideal jn uyö werden kann, unsere
46 Begleichung et» befriedigendes Resultat geben. Denken wir uns — und das können wir doch — unter dem Realen das Alles außer uns, die Welt nämlich mit ihren unendlichen Erscheinungen, so wird alles außer uns zu einem Innern für uns, gleichsam eine symbolische Einheit des Aeußern und Innern, entweder so, daß es in unser objektives, ooer so, daß eS in unser subjektives Bewußtsein tritt. Im erster« Falle entsteht jene Einheit indem wir die überwiegend Erkennenden, im letztem, in dem wir die überwiegend Fühlenden waren. DieS Einswerden also des Aeußern und Innern, gleich sam Aufgenommenwerden der Welt in unser gan zes Bewußtsein, ober das Hineingehen der Natur in den Geist, unterscheidet sich aber gar sehr, je nachdem das menschliche Bewußtsetu in jenem Akte die Einigung entweder als das überwiegend Ob jektiv- oder als daS überwiegend Subjektiv-Ideale hervortritK Diese Trennung in ihrem eigentlichen Grunde zu verfolgen gehört nicht an diesen Ort; daS aber sei hier beantwortet, daß jenes Eingehen des Realen in das Objektiv-Ideale daS Kennzei chen der Allgemeinheit an sich trägt, d. h. daß daS Reale nicht eher wirklich in das Ideale ausgenom men worden ist, bevor es nicht auch von allen an dern, in welchen dasselbe objektive Bewußtsein an gelegt, auf übereinstimmende Weise ausgenommen worden ist. Jenes Eingehen aber des Realen in
47 das Subjektiv-Ideale trägt das jenem entgegenge setzte Merkmal der Eigenthümlichkeit an sich, indem nämlich ein solches Eingehen für einen jeden ein anderes sein kann. Daher kommt es den» auch, daß im erstem Falle jenes Eingehen des Realen in das Objektiv-Ideale, das Ich ein thätiges bleibt rind in Reaktionen übergeht, indem nämlich die Identität aller denkenden Subjekte etwas bleibt, dem nur angestrebt, was selbst aber nie erreicht werden kann; dagegen durch das Hineingehen des Realen in das Subjektiv »Ideale das Ach als das Subjektive einet» ganz andern Charakter annimmt. Denn hier kann von einem Zwiespalt im obigen Sinne nicht die Rede sein, weil daö Eigenthümliche in jedem ein persönliches ist, und von dieser Seite sein Dasein auch so ganz erfüllt, daß das Ich in jener Eitiigung ein bewegtes, d. i. so durchaus eins mit ihm wird, daß daraus das entsteht, was wir einen I«sta»»d nennen. Was folgt aus dieser Betrachtung für unsere jetzt zu lösende Aufgabe? Was zunächst die philosophische Ethik anlangt, so haben wir sie aus der Philosophie selbst abgeleitet, nämlich aus dem Gegensatz«: vor» Sein und Wissen, wie ihn die Philosophie in seiner allein möglichen Beziehung darzustellen hat. Nehmen wir nun un sere jetzt angestellte Betrachtung zu Hülfe, so folgt aus beidem zusammengcnommen: daß wenn die philosophische Ethik ein System bilden soll, das
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—
Reale in ihr, weil es nur in Beziehung auf daS Wissen von vorn herein gesetzt worden, immer nur so gesetzt sein kann, wie es in das Objektiv-Ideale hincingegangcn ist; und wenn auch in diesem Rea len das Subjektiv-Reale enthalten wäre, so könnte es dennoch nur i» dem System gesetzt sein als daS Reale, was in das Objektiv-Ideale eingehen soll. Dieses nun wird bedeuten, daß das System der philosophischen Moral nur so zu Stande kommt, daß die Totalität aller Vernunftkräfte, wie sie als Kräfte die Thätigkeit auf die gesammte Natur bil den, und das Sittliche im philosophischen Sinne hervorbringen, so gefunden werde, daß das diesem Realen entsprechende Ideale, als die nothwendige Form desselben, selbst daS Ideale ist, wie es an je nem höchsten Gegensatze von Sein und Wissen haf tet, und als solches nur int Zusammenhänge und durch die Principien des höchsten Wissens selbst ge funden werden kann. — Dies aber verhält sich anders in der christlichen Sittenlehre. Hier nämlich ist das Reale ein schon Ineinander des Realen und Subjektiv-Idealen, in welchem Ineinander die höchste sittliche Aufgabe, daß alles, waS außer uns ist auch in unser subjektives Bewußtsein ausgenom men werden soll, von dieser Seite angesehen, auch schon ganz gelöst ist. Muß es aber dennoch auS einem andern Grunde als nothwendig erscheinen, daß auch auf das in Handlungen übergehende Selbst-
49 Selbstbewußtsein das begriffsmäßige Wissen sich richte, so entsteht auch hier das Bedürfniß eines Systems,; und die Totalität aller von diesem Selbst» bewußtsein ausgehenden Kräfte, als ein bestimmtes einzelnes Handeln erzeugend, wäre das System der christlichen Moral. Das Objektiv-Ideale aber, was zu dem Realen in der christlichen Sittenlehre hinzutritt, damit sie zum System sich gestalten kön nen, ist zwar auch ein Wissen, aber kcineSweges ein solches^ -wie. eS nur aus den Principien der höchsten Wissenschaft abgeleitet sein darf. Denn während 'das System der philosophischen Moral nur Anerkennung finden kann, indem von dem Standpunkte des höchsten Wissens aus jeder jedes Einzelne in dem Systeme als wahr begreifen kann; während in der philosophischen Moral der Streit der Systeme nur von dem Standpunkte der höch sten Principien auS geschlichtet werden kann, so ist in der christlichen Moral die Anerkennung ihreSystems etwas ganz anderes; denn hier kommt eS vorzüglich darauf an, ob in dem Systeme die christ lichen Gemüthszustände, wie sie ein Handeln er zeugen wollen, einem jeoen nur so auf objektive Weise wiedergegeben werden, wie er sie anders woher in jenem Zusammenhänge schon erhalten hat. Hieraus folgt nun ganz dasselbe wie oben hei der Vergleichung der Principien, daß die christ liche Moral, auch in so fern als sie cm System D
50 bildet, nicht deducirt werden kann, sondern baß sie auch in dieser Beziehung überhaupt nur für den Christen sein, so wie von Christen dargestellt wer« den kann. —
Dritte Abtheilung. Vergleichung beider Disciplinen in Beziehung auf ihre Begriff-bildung.
§. 13. Bildung der ethischen Begriffe über haupt.
Man theilt die Begriffe in jedem wissenschaft lichen Ganzen in obere und untere, so zwar, daß die obern auf Gegensätzen beruhen, deren Glieder einen größern KomplexuS des Sein- ausdrücken, die niedern aber auf Gegensätzen, deren Glieder einen kleinern Umfang des Sein- haben. Eint eigentliche Grenze würde hier niemals zu finden sein, denn jeder schon höhere Begriff ließe fich im Vergleich mit den noch hbhern als ein niederer.
50 bildet, nicht deducirt werden kann, sondern baß sie auch in dieser Beziehung überhaupt nur für den Christen sein, so wie von Christen dargestellt wer« den kann. —
Dritte Abtheilung. Vergleichung beider Disciplinen in Beziehung auf ihre Begriff-bildung.
§. 13. Bildung der ethischen Begriffe über haupt.
Man theilt die Begriffe in jedem wissenschaft lichen Ganzen in obere und untere, so zwar, daß die obern auf Gegensätzen beruhen, deren Glieder einen größern KomplexuS des Sein- ausdrücken, die niedern aber auf Gegensätzen, deren Glieder einen kleinern Umfang des Sein- haben. Eint eigentliche Grenze würde hier niemals zu finden sein, denn jeder schon höhere Begriff ließe fich im Vergleich mit den noch hbhern als ein niederer.
51
so wie jeder schon niedere Begriff im Vergleich mit dem noch n'edern, wiederum als ein höherer be trachten. Wir entdecken aber in einem wissenschaft lichen Ganzen, welches darauf Anspruch machen kann im Begriff dargestellt zu werden, noch einen andern Unterschied in den Begriffen, von welchem Unter» schiede ausgehend, wir am richtigsten die Begriffs bildung unserer Disciplinen vergleichen können. Wir stoßen nämlich in jeder begriffsmäßigen Darstellung irgend eines bestimmten Seins auf Begriffe, welche sich nicht verhalten, wie obere und untere, oder höhere und niedere, sondern welche einander coordinirt In verschiedenen Reihen dasselbe Gebiet deSeinS ganz darstellen. Solche Begriffe, welche un mittelbar nur aus der höchsten Idee einer Wissen schaft abgeleitet werden können, und dasselbe Sitt liche nur unter verschiedenen Formen darstellen, nennen wir formale Begriffe, zu welchen, weil sie den Umfang eines bestimmten Sein- nur für ein« besondere Reihe angeben, nothwendig die realen hin zukommen müssen, welche auf jenem Gegensatze des Höher» und Niedern beruhend, das bestimmte Sein so darstellen, daß keine weitere Trennung Desselben mehr gedacht werden kann. Die ver schiedenen Methoden nach welchen beide Arten die ser Begriffe in unsern zu vergleichenden Discipli nen gebildet werden, wollen wir nun näher ver gleichen. D 2
—
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-
§. 14. Formale Begriffe der philosophischen Sittenlehre.
Es sind solche, welche den Inhalt eine- be stimmten Seins in einer bestimmten Reihe darstel len, und welche mit dem Princip einer Wissenschaft unmittelbar zusammenhängen. Was nun zunächst die philosophische Ethik anlangt, so ist also klar, daß an eine Bildung formaler Begriffe nicht eher zu denken ist, bevor nicht der höchste sittliche Grund satz selbst gefunden worden ist. Denn wollten wir auch versuchen, ohne jenes Princip solche Begriffe auf synthetische Weise zu bilden, so würden wir doch auf keinem auch noch so hohen Punkte im Stande sein, das Gebiet des sittlichen Seins ganz zu überschauen. Wir wollen, um dies noch an schaulicher zu machen, es versuchen, von unserm gefundenen Princip aus solche Begriffe zu bilden. Unser höchstes Princip für die rationale Sittenlehre war die gesammte Thätigkeit der Vernunft auf die Natur, so daß das Sittliche selbst nicht mehr die bloße Natur, und nicht mehr die reine Vernunft war, sondern das Einssein beider ausdrückte. Fragt man nun, wie ist von diesem Princip aus die Mög lichkeit gegeben, zu formalen Begriffen zu gelan gen, so ist nicht zu zweifeln, daß man die Totali tät des Sittlichen darstellen werde, wenn man in
53 einer Reihe das Sittliche so beschreibt, wie eS als das Ineinander von Vernunft und Natur erscheint. Dieses nun Ware die objektive Darstellung' alles Sittlichen, welche Darstellung unter dem Namen der sittlichen Güter auch geschichtlich vorhanden ist. Wenn wir aber auf jede- einzelne Glied unsers Princips sehen, so entstehen unS noch zwei andere formale Begriffe, unter welchen sich dasselbe Sitt liche, in zwei von einander verschiedenen Reihen ganz Varstellen läßt. Da nämlich die Vernunft alKraft gesetzt, daS thätige Princip auf die Natur ist, so niuß sich auch daS ganze Sittliche darstellen lassen, wenn in allen Gliedern einer besondern Reihe dasjenige beschrieben wird, waS alles Sittliche her vorruft, nämlich das thätige Princip selbst, die Ver nunft als Kraft, abgesehen aber von ihrem eigent lichen Objekte, der Natur. DieS giebt uns den formalen Begriff der Tugenden, der geschichtlich auch vorhanden ist. Endlich aber, wenn wir auf die Natur sehen, so erscheint sie uns, so lange sie noch nicht ganz in die Vernunft hineingegangen ist, d. L, so lange das höchste sittliche Gut noch nicht erschienen ist, als das noch nicht gewordene Sittliche; besteht aber der eigentliche sittliche Pro zeß darin, daß jenes nicht gewordene Sittliche in der Zeit als ein Sittliches erscheinen soll, so wird das ganze Sittliche auch beschriebe» werden kön nen, wenn die Regeln angegeben werden, nach wel-
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chen jene Dernuuftthätigkeit drs noch nicht gewor denen Sittlichen in jedem Momente des sittlichen Verlaufs sich bemächtigen soll. Die- giebt uns den formalen Begriff von Pflichten. Von allen drei formalen Begriffen ist also klar, daß sie sich nicht verhalten wie obere und untere, höhere und niedere, sondern daß jeder für sich daS Sittliche in einer bestimmten Reihe erschöpfend darstellt. Denn ich habe, wenn ich da- ganze Ineinander von Ver nunft und Natur dargestellt, auch das ganze Sitt liche auf objektive Weise dargestellt. Eben so habe ich, wenn ich die Vernunftkraft, wie sie das ganze Sittliche hervorbringen muß, beschrieben, auch da ganze Sittliche dargestellt, und endlich würde ja unstreitig, so wie da- ganze Sittliche, das höchste Gut erscheinen müßte, wenn jene Vernunftthätig keit in allen auch in jedem Momente der Zeit in Beziehung auf daS noch nicht gewordene Sittliche festgehalten, und in jedem folgenden, der sittlichen Idee näher gerückten Moment, auf gesetzmäßige Weise übergetragen würde, auch da-ganze Sittliche unter der Form deS Pflichtbegriffes beschrieben. Wenn aber da- ganze Sittliche in jedem dieser Be griffe vollständig enthalten ist, so könnte allerdings in Frage gestellt werden, welches der eigentliche Grund sei, daß eine tüchtige Sittenlehre in allen drei genannten Formen daS Sittliche darstellen müsse; und in der That sind diese verschiedenen
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Formen in den vorhandenen Sittensystemen nicht immer auf gleichmäßige Weise herausgetreten. In der neuern Zeit hat man sehr die Form der Güter und Tugenden verlassen, und sich lediglich an den Pflichtbegriff gehalten, so wie in der alten Zeit das Entgegengesetzte Statt fand. Diese Frage aus« führlich zu beantworten, ist nicht diese- Orte-, ereicht hin hier zu bemerken, daß schon da- ge schichtliche Vorhandensein aller drei Fornren von je der neu aufzustellenden Eittenlchre berücksichtiget werden müsse, §. 15. Formale Begriffe der christlichen Sitten lehre.
Sehen wir auf die christliche Ethik hinüber, so ist ein solcher Unterschied formaler und realer Begriffe aufzuweisen ein sehr schwierige- Geschäft. Zwar finden wir noch in den neuesten christlichen Mo ralsystemen jene formalen Begriffe wie den der Pflicht und der Tugend; aber eben weil diese Be griffe aus der philosophischen Ethik herübergenom men sind, und da- christliche Sittliche unter er borgten Formen behandelt worden ist, so kann kaum die Verwirrung auf einem andern Gebiete größer gedacht werden, al- auf diesem, wo man ein or dentliche- Recht zu haben meint, von der sogenann«
56 fett praktischen Philosophie alles sowohl in Bezie hung auf Form als Inhalt, aufzuborgen, damit nur diese Disciplin einen recht philosophischen Cha rakter bekommen möge. Ist es nun gelungen die Dogmatik in der neuesten Zeit als eine von der Philosophie durchaus unabhängige Disciplin zu be handeln, so ist eS Pflicht, dahin mitzuwirken, daß auch daS ethische Gebiet der christlichen Theologie, nicht mehr als der eigentliche Sammelplatz philoso phischer und theologischer Meinungen angesehen werde. Nur etwas in dieser Beziehung durch die sen Versuch beigetragen zu haben, würde den Ver fasser aufs Herrlichste belohnen. WaS nun jeneformalen Bedingungen, eine Sittenlehre wissen schaftlich zu begründen, nämlich die Principien und Systeme anlangt, so glauben wir aus dem ober ste» Grundsatz beider Wissenschaften den großen Un terschied in dieser Beziehung nacbgewiesen zu ha ben ; ob es unS aber mit der jetzigen Untersuchung gelingen werde, daran könnte gezweifelt werden, in sofern nämlich der Versuch, rein vom christlichen Standpunkte auö, eine Sittenlehre zu Stande zu bringen, noch nicht gemacht, also auch gar noch nicht gefunden ist, inwiefern ein solcher Unterschied von formalen und realen Begriffen wirklich in der selben zu machen sei. Alles also, was wir in die ser Beziehung zu einer wirklichen Begründung eines solchen Unterschiedes sagen werden, kann nur einen
67 hypothetischen Werth haben, wenn d« solcher Ver such die Grenzen der nöthigen Bescheidenheit nicht überschreiten soll. Don dem obersten Begriffe der christlichen Sit tenlehre, in dem Sinne nämlich, wie wir ihn nur auf eine uneigentliche Weise einen Grundsatz ge nannt haben, müßte ausgegangen werden, um for male Begriffe zu bilden; wenn eö auch hier nicht etwa solche gebe/ die lieber auf synthetische Weise von unten anfingen und die obersten Begriffe fei* nesweges au- dem Obersten, sondern nur durch Aufsuchung und Verknüpfung der Niedern allmählig die Hdhern und endlich den Höchsten finden woll ten. Wir unsern Orte- könnten ein solche- Ver fahren schon wegen der erforderlichen Kürze dieser Untersuchung nicht «inschlagen, wenn die Möglich keit desselben auch ^«gestanden werden müßte. Un ser höchster Grundsatz für die christliche Sittenlehre war da- christlich religiöse Selbstbewußtsein, inso fern e- al- «in lebendig Innere- auch ein noth wendiges Handeln erzeugt. Finden wir in diesem eine Theilung, die auf formale Begriffe führte, welche einander coordinirt ganze Reihen für sich bilden, und in denen da- ganze Sittliche erschöpft dargestellt werden könnte? Es ist vom Herrn Professor Schleiermacher diese- religiöse Selbstbewußtsein beschrieben worden, al- ein solche-, welches al- Zustand den überwieE
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genben Charakter entweder der Lust oder Unlust an sich trägt, welcher relative Gegensatz zum TheilungSgrund für die Beschreibung aller christlich frommen Gemüthszustände, insofern sie nämlich einen Moment deS Menschenlebens wirklich ausfüklen, gemacht worden ist. Könnte wohl diel er Ge gensatz auch einen TheilungSgrund für ethische Be, griffe abgeben? Die Beantwortung dieser Frage erforderte eine Untersuchung darüber, daß auch das christliche Handeln, insofern eS ja seinen Grund nur in demselben Bewußtsein haben kann, auch ganz veranlaßt würde durch dieses Selbstbewußt sein, wie eS sowohl den Charakter der Lust als auch den der Unlust an sich tragt. Was aber wäre das Handeln, was aus einem Gefühle der Unlust ent stände? Doch gewiß kein anderes, als dasjenige, was eben darauf ausginge, jenes Gefühl des ge hemmten LebenS dadurch verschwinden zu machen, daß daS in dem christlichen Leben durch ein be stimmte- Handeln aufgehoben würde, waS jenes Gefühl der Hemmung veranlaßte. Sowie das Handeln, was auS dem Gefühle des geförderten LebenS, also der Lust hervorginge, ja offenbar nur darauf auSgehen könnte, dieses Gefühl nur noch mehr zu steigern und zu erhöhen, dadurch, daß daS christliche Leben durch das aus jenem Gefühle ent sprungene Handeln, seiner Vollkommenheit immer näher gerückt würde. Hierin läge nun allerdings
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rin Theilungsgrund für zwei einander coordinirte, also formale Begriffe, von denen jeder das christ liche Handeln auch ganz beschriebe. Denn denken wir uns das christliche Handeln unter jenem zuerst ausgestellten negativen Begriff ganz zu Stande ge bracht, so wäre ja alles, was im christlichen Leben die Unlust in jenem Gefühle hervorriefe, verschwun den, und nur das andere Glied des Gegensatzes, da- Gefühl der Lust bliebe übrig, und zwar so, wie wir e- als nicht mehr von.der Unlust getrübt, nur alS das reine Gefühl der Seligkeit in uns trage« könnten, d. i. eS würde auch das Handeln von diesem Gefühl aus als ein wirksames, d. i. daS christliche Leben weiter förderndes, vollendet sein. Sowie umgekehrt, wenn daS Handeln von dem Ge fühle der Lust ausgehend gänzlich vollendet wäre, auch das Gefühl der Unlust, folglich auch das Handeln al- Folge desselben nicht mehr vorhanden sein könnte. Daß übrigens beide Arten des christ lichen Handelns noch nicht zu begreifen sind, wenn nicht auch dasjenige Handeln beschrieben wird, wel ches entsteht, wenn wir darauf sehen, wie, da beide Gefühle nicht unmittelbar auf einander folgen kön nen, noch ein eigenes von jenem verschiedenes fühl sich manifcstirt, können wir dahin gestellt sein lassen, da dieses Handeln, was eine nähere Unter suchung leicht zeigen müßte, mit an dem positiven Handeln haftet. DaS aber bleibt uns noch z«
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unferfudjeti übrig, und schließt auch von dieser Seite unsere Untersuchung, wie unterscheiden sich diese formalen Begriffe der christlichen von jenen der philosophischen Sittenlehre. Zunächst erhellet, daß sich weder das positive noch negative christliche Handeln (wir gebrauchen diese Ausdrücke noch in ihrer Unbestimmtheit, obschon in einer wirklichen Sittenlehre noch bezeichnendere aufgefunden wer den müßten) mit einem von jenen formalen Begrif fen, der Güter, Pflichten und Tugenden vergleichen läßt. Sodann aber, wa- das wichtigste und auch der Grund der Unmöglichkeit dieser Vergleichung ist, so find jene Begriffe der christlichen Moral uns un mittelbar au- dem christlichen Princip auf durchaus positive Weise entstanden. Denn diese- Princip war uns ein gegebenes, nämlich daS religiöse Selbst bewußtsein, wie eS durch die Menschwerdung Jesu Christi in uns das geworden ist, was sowohl der Grund aller unserer christlichen Gemüthszustände, als auch die Triebfeder aller unserer christlichen Handlungen ist. Wir nannten es daher auch in einem unei gentlichen Sinne ein Princip, insofern nämlich, als eS auf eine durchaus reale Weise den ganzen Um fang unsers christlichen SeinS ausdrückt, und als ein solche- alle Gegensätze in sich fassen muß, durch welches sich jene- Sein, wenn es Objekt des Wis sens wird, auch im Begriff darstellen läßt, nicht aber insofern eS auf ideale Weise deducirbar ist.
61 d. i. in der höchsten Wissenschaft selbst erst erzeugt werden muß, wie wir dies von dem Princip der pbilosophischen Sittenlehre in der That nachgewiesen haben. §. 16. Reale Begriffe beider Sittenlehren.
Was nun endlich die realen Begriffe anlangt, mit deren Vergleichung in Beziehung auf ihre Ent stehung wir diese Aufgabe beschließen, so kann hier über nur noch weniges gesagt werden. Reale Be griffe waren diejenigen, die das Sittliche bis zum Einzelnen herab, so ausdrückten, daß in jedem solchen relativ begrenzten sittlichen Sein der Zusammenhang desselben mit allein übrigen sittlichen Sein, als auch der Grund der relativen Trennung nachgewiesen, und eine abermalige Trennung eines so bestimmten Sein- nicht mehr denkbar ist. Wenn wir nun zu nächst auf die philosophische Ethik hinüberblicken, so müssen die realen Begriffe in derselben, das Sittliche wie es in den endlichen Reihen durch die formalen Begriffe schon bezeichnet war, seinem eigentlichen Inhalte nach nun wirklich darstellen. Hierin liegt, daß die Bildung solcher realen Begriffe abhängig ist von den formalen, welche die Princi pien der weiteren Theilung in sich schließen. Aus dem formalen Begriffe der Güter in der philosophi8
-
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schen Sittcnlehre, müßten sich auf diese Weife auch
die zu demselben gehörenden realen ableiten lassen.
Wenn z. B. in der philosophischen Sittenlehre das Sittliche unter der Form der Güter als Ineinan
der von Vernunft und Natur dargestcllt wird, so ist hierin schon die Theilung für reale Begriffe ein
geschlossen; denn cS ist ja jenes Einswerden von
Vernunft und Natur, ein relativ verschiedenes, wie es durch die schon organisirte Natur zu Stande ge bracht wird, von dem Einswerden, wie es durch einen Akt unsers Bewußseins zu Stande kommt.
Auf gleiche Weise müßten in einer christlichen Mo
ral in den formalen Begriffen auch schon die realen angelegt sein, jedoch immer so, daß hier das Posi
tive
dieser Wissenschaft in jedem solchen Begriffe
sich offenbaren müßte.
Wenn nun aber auf diese
Weise die realen Begriffe ihre eigentliche Begrün
dung und Ableitung in den formalen finden, und diese nach dem oben Aufgestellten sich so unterschei den, daß die philosophischen aus einem Princip,
was deducirt werden muß, diese aber auS einem Princip, was in der Erfahrung gegeben ist, abzu
leiten sind, so erhellet zugleich hieraus, wenn auch nur auf mittelbare Weise, der eigentliche Unter schied der realen Begriffe beider Sittenlehren.
Noch
einS könnte hier bemerkbar gemacht werden.
Wir
stoßen nämlich in beiden Sittenlehren auf verwandte reale Begriffe.
Hierher gehören vorzugweise die Be-
63 griffe deS Allgemeinen und Individuellen, durch welche Begriffe sowohl in der philosophischen alS
christlichen Ethik deö Sittliche theilbar wird.
ES
entsteht also die Frage: wie verhalten sich diese,
Leiden Wissenschaften gleich sehr zugehdrendcn rea
len Begriffe?
Wir werden
von unserm Stand
punkte aus nothwendig sagen müssen, giebt es in
der Philosophischen Ethik ein Individuelles und All gemeines, so muß die Nothwendigkeit desselben auS dem Princip selbst nachgewiesen werden; wogegen
in der christlichen Ethik auch dieser Gegensatz des Allgemeinen und Besondern einmal alS eine That sache der menschlichen Vernunft vorausgesetzt, und
sodann nur vom Standpunkte des Christenthums
auS
entschieden
werden müsse,
ob das christlich
Sittliche seinem Princip gemäß in diesen Gegensatz
des Allgemeinen und Individuellen wird eingehen können oder nicht; denn wäre auch in der philoso
phischen Ethik das
Individuelle und
Allgemeine
wirklich construirt, so kann es doch in der christli
chen Ethik nur ein Individuelles und Allgemeines
geben, wenn das religidse Selbstbewußtsein, wie es der Impuls zu
allen christlichen Handlungen ist,
auch in der That in diese Formen des Individuel len und Allgemeinen
hineingcgangen
ist.
Dieses
nun, sowie die Vergleichung der realen Begriffe
überhaupt führt uns schon darauf, wie auch der Inhalt beider .Sittenlehren, wenn auch seiner ur-
64
—
sprÜnglichen Ableitung nach ein verschiedener, den» noch ein sich nicht widersprechender sein kann. Eine vergleichende Untersuchung auch über den Inhalt beider Sittenlehren müßte dies auf eine evidente Weise auseinandersetzen, welche Untersuchung, ob wohl sie als der eigentliche Schluß dieser Abhand lung erscheinen müßte, wir für dieses Mal aus schließen wollten.
Gedruckt bei C. F. Müller.
Das Verhältniß
der philosophischen zur christlichen
S i t t e n l e h r e in Beziehung auf die materielle Beschaffenheit beider Wissenschaften,
dargestellt von
Carl Wilhelm Vetter, Prediger ju Jenkau in Schlesien.
Zweiter Theil. Berlin, bei G. Reimer 18 34.
Vorwort zum zweiten Theil. Als ich vor drei Jahren das Verhältniß der
philosophischen zur theologischen Sittenlehre in
formaler Beziehung darzustellen versuchte, be,
zweckte ich mit der öffentlichen Bekanntmachung jenes Schriftchens, das ursprünglich für eine
Dissertation bestimmt war, einen nicht unwe
sentlichen Beitrag für die wissenschaftliche Be gründung beider Sittenlehren dem theologische»
Publikum zu
übergeben.
Ich
könnte dem
nach, zumal andere Berufsarbeiten meine Kraft
in Anspruch nehmen, es ruhig abwarten, in wie weit ich meinen Zweck erreichen und meine
Abhandlung einigen Ruhen für die Wissenschaft stiften werde; allein der Wunsch, etwas Ange
fangenes nicht unvollendet zu lassen, und die
Ueberzeugung, daß doch Manchem, namentlich
dem Anfänger auf diesem Gebiete der Wissen schaft, der zweite Theil werde willkommen sein, weil er das Verständniß des erstem wird er-
Y a
IV
leichtern helfen, bewog mich, die Bearbeitung des Ganzen zu vollenden.
Da es bei dem öffentlichen Vortrage der einen, oder der andern Sittenlehre immer ein Schwieriges ist', auch an dem Orte, wo von
ihrem wesentlichen Unterschiede gehandelt wer den muß, etwas Genügendes hierüber zu sagen, indem der Standpunkt
der Betrachttmg nur
auf dem einen Gebiete genommen werden kann: so glaube ich durch die Vergleichung, welche von beiden Standpunkten, der philosophischen
sowohl, als der theologischen Betrachtungsweise, aus gleichmäßig durchgeführt worden ist, allen Denjenigen einen Dienst geleistet zu haben, die
sich noch ausführlicher über einen so wichtigen
Gegenstand belehren wollen, als es über dem Vortrage der einen oder der andern ethischen Wissenschaft geschehen kann. Nachstdem ist es mein Wunsch, daß ^ dieses Büchchen vor
züglich von denjenigen studirenden Jünglingen gelesen werde, die» in das Heiligthum der Wissen
schaft einmal eingeführt,
mit oberflächlichem
Fachwerk sich nicht begnügen lassen, sondern,
von wahrhaft wissenschaftlicher Erkenntniß be seelt, den Standpunkt zu erreichen streben, auf
welchem sie eben so sicher einer traurigen Ver-
jener gemächlichen
krrung entgehen, als auch
Zufriedenheit, die kraftlos sich mit Jedem be gnügen läßt, entsagen werden. Für die Rechtfertigung einer solchen Schrift
reicht dies, verglichen mit dem, was in der Vorrede zum ersten Theile gesagt worden ist,
vollkommen hin.
Ob aber in der That der
innere Gehalt dieser Schrift einem solchen Zwecke entsprechen werde, das muß der Zukunft
überlassen bleiben. In Beziehung auf den letzten Theil ins
besondere
habe ich noch zu erinnern, daß es
von denen, welche gewohnt sind, die ethische Wissenschaft nur unter der Form des Pflicht
begriffs darzustellen, nicht übel gedeutet wer den möge,
wenn
anders ausgedrückt
überall
das Sittliche dort
erscheint.
Der Vergleich
hätte freilich auch so durchgeführt werden kön nen, daß der Begriff desselben überall als das Pflichtgemäße
Vergleichung
gefaßt wäre, aber da es die des Inhalts
betraf, fo
mußte
auch unter derjenigen Form das Sittliche ge
faßt werden, welche das Gegenständliche dessel
ben am meisten ausdrückt, nämlich der objecti
ven Form, die bei den Alten unter dem Na
men der Güter bekannt ist.
Auch wird jeder
—
VI
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Kenner aus der Abhandlung selbst es abneh men. wie die philosophische Sittenlehre, wenn sie vollkommen dargestellt werden soll, unter der dreifachen Form.der Güter, fugenden und Pflichten behandelt werden muß, obgleich in der That ein und dasselbe Sittliche in jeder dieser Form auch ganz enthalten ist.
Ienkau. am Listen Sonntage nach Trinitatis,
Vetter.
Inhalt M Ganzen
Vorwort
Seit« in — vi.
Po» den Schwierigkeiten eine«? materielle» Vergleichung -er philosophischen und christlichen Sittenlehre, und von -er Methode dieser Untersuchung« Seit« 1 — 10. §, i. ErsterTheil. Vergleichung des Inhalts beider Wissen« schäften in Beziehung aus ihr Bildungsprinrip. Seite 11 — 45. §. 2 — io. Erster Abschnitt. Da« Bildungsprinrip der philosophischen und der christlichen Moral. Seite 11 — 22. §. 2 und 3. Da« Bildungsprinrip der philosophischen Moral. Seite ii — 13. §. 2.
—
>ttl
—
Das Mldungsprinekp der christlichen Stttenlehre. Seite 14 — 22. §. 3. Zweiter Abschnitt. Vergleichung der beiden Bildungsprincipc, der menschlichen Vernunft mit -em göttlichen Geiste. Seite 22 — 39. §• 4 — 10. Erste Abtheilung. Negative Seite. Seite 22 — 32. §.4 — 6. Einleitendes Vorwort. Seite 22 — 25. §. 4. Die menschliche Vernunft ist als «ine wirksame Kraft dem gdttlichen Geiste nicht entgegengesetzt. Seite 25 — 30. §. 5. D«r göttliche Geist ist als eine wir^ame Kraft des menschlichen Vernunft nicht entgegengesetzt. Seite 30 — 3L §.6. Zweit «Abtheilung. Positiv« Seite. Seite 32 — 45. §.7 — 10. Die sittliche Wahrheit auf dem allgemeine« Vernunft gebiet«. Seit« 32 — 36. §. 7. Die sittlich« Wahrheit auf dem christliche» Gebiete. Seite 36 — 38. §. 8. Di« Realität der allgemeinen sittlichen Wahrheit ist nicht im Widerspruch mit der Realität der beson der» christlich sittlichen Wahrheit. Seite 38 — 39. §. 9* Di« Vernunft ist das Organ des göttliche» Geistes. Seite 39 — 45. §. 10,
IX
Zweiter Theil. Vergleichung des Inhalts beiher Wissenschaften in Beziehung auf ihren Umfang. Seite 46 — 66. §. 41— 15. Einleitendes Vorwort. Seite 46 — 4s. §. 11. Erst« Seite. Der Anfangspunkt sowohl des allgemein menschlich sittlichen, als auch des christlich sittliche» Handelns. Seite 4s — 57. §. 12 und 13. Der Anfangspunkt des allgemein menschlich sittliche« Handelns. Seite 4s — 52. §. 12. Der Anfangspunkt der christlich sittliche» Handelns, verglichen mit dem Anfangspunkte der allgemein menschlich sittlichen Handelns. Seit« 52 — 57. §. 13. Zweite Seite. Der Endpunkt sowohl des allgemein menschlich sittlichen, als auch des christlich sittlichen Handelns. Seite 57 — 66. K. 14 und 15. Der Endpunkt des allgemein menschlich sittliche» Handeln». Seite 57 — 62. z 14. Der Endpunkt des christlich sittlichen Handelns, ver glichen mit dem Endpunkt« des allgemein menschlich sittlichen Handelns. Seite 62 — 66. §. 15. Dritter Theil. Vergleichung des Inhalts beider Wissenschaften in Beziehung auf ihre einzelnen Gebiet«. Seite 67 — 106. §. 16 — 24. Einleitendes Vorwort. Seite 67 — 71. §. 16. Verhältniß des Christenthums zu dem allgemeine« (universellen) und eigenthümlichen (individuelle») Bildnngsprozeß der Vernunft. Seite 7i — so §. 17.
Verhältniß des Christenthums zum äußern Naturbildungsvrozeß. Seite so — 85. §. 18. Verhältniß deS Christenthums zum intelligenten BildungSprojetz. Seite 85 — 96. §. 19 *- 21. Einleitendes Vorwort. Seite 85 — 88. §. 19. Das Christenthum in seinem Verhältniß jur Wissen schaft. Seite 88 — 92. §. 20. Da- Christenthum in seinem Verhältniß jur Kunst. Seite 92 — 95. §• 21. Verhältniß des Christenthums zum äußern und inner« NaturbildungSprozeß, wir beide in dem bestimmte« Maaße der Familie nnd de» Staates erscheine«. Seite 96 — 106. §. 22 — 24. Einleitendes Vorwort. Seite 96 — 98. §. 22. Verhältniß des Christenthum- jur Familie. Seite 99 — 101. §. 23. Verhältniß der christlich religiösen Gemeinschaft zum Staate. Seite 101 bis 106. §. 24.
§. 1. Von den Schwierigkeiten einer materiel len Vergleichung der philosophischen und christlichen Sittenlehre und von der Methode dieser Vergleichung, ^aben wir vielleicht die zuerst angestellte Unter
suchung über das formale Verhältniß beider Sit tenlehren sowohl in ihrem Umfange erschöpfen, als auch bis auf den Punkt der nöthigen wisienschaftlichen Klarheit bringen können, so treten hier für die Vergleichung des Inhalts zweier so verwandten Wissenschaften größere Schwierigkeiten uns entge gen, die, wenn wir sie scharf ins Auge fassen, «in gleich befriedigendes Resultat wie auf dem vorigen Gebiete fast nicht erwarten lassen. Einmal näm lich, was den Inhalt der jetzt von uns zu lösen den Aufgabe anlangt, so muß ja wohl die Ver gleichung zweier sittlichen Stoffe, die doch inner halb ein und derselben menschlichen Natur sich A
2 vorfinden,
schon
deshalb
etwas
außerordentlich
Schwieriges feilt, da es scheint, als ob es in der That zwei
verschiedene Maximen gebe, nach wel
chen vollkommen sittlich gehandelt werden könnte, so daß zumal der Mensch, innerhalb des christlichen
Gebietes stehend, hinsichtlich seiner Handlungsweise und praktischen Lebensrichtung eine Persona duplex
sein könnte, was unmöglich gedacht werden kann. Diese Schwierigkeit hat auch da, wo sie nicht nach höher» Principien hat beseitigt werden können, die
einseitige Tendenz in der ethischen Wissenschaft her vorgebracht, entweder aus dem Gebiete der Philo
sophie das Ethische-so auszusassen und darzustellen, daß es fast scheint, als sei durch solche allgemein
ethische
Systeme
die
besondere
Darstellung des
Sittlichen vom christlichen Standtpunkte aus überfiüssig geworden; oder, was in der That noch öftet
geschieht, auf dem
Gebiete der Theologie
lieber
bald die allgemeine Sittenlehre gänzlich zu vernei nen
und
Handelns wir auf
jede
Maxime
eines
als überflüssig
den
rein vernünftigen
zu betrachten.
Sehen
gegenwärtigen Zustand der Wissen
schaften, so tritt in der Philosophie, wenn sie an ders einer richtigen Organisation sich erfreut, als
ein sehr wesentliches Gebiet, die allgemeine Moral hervor, und auf gleiche Weise erscheint auch in der
Theologie
unter ihren
wesentlichen,
organischen
Theilen, der Dogmatik gegenüber, die Ethik.
ES
s sind demnach in der That zwei Sittenleh«»: vor handen, und wenn die eine, weil sie allgemeines« Natur ist, keine besondere Notiz nehmen wollte von der andern, so ist es doch undenkbar, wie eine christliche Moral sich darstellen ließe, ohne dass'dsr, welcher sie darstellen wollte, sich ihres richtigen Verhältnisses zur allgemeinen ethischen Wissenschaft vollkommen bewußt würde. Da nun weder die Philosophie, noch auch die Theologie die Ethik als ein besonderes, aus ihrer organischen Einheit ent springendes Gebiet wird aufgeben wollen, so ist. die gänzliche Verneinung einer dieser besondern Wissen schaften vom philosophischen sowohl als christlichen Standpunkt aus, wenn auch ein sehr bequemes, aber ein durchaus falsches, die Wissenschaft selbst hemmendes Verfahren, welches sich auch in einer einseitigen Ausführung der Wissenschaft sehr bald als solches zu erkennen giebt. Vielmehr wird, so groß auch die Schwierigkeit erscheint, bei der wirk lichen Existenz zweier Sittenlehren, durchaus ein solches Verhältniß des sittlichen Inhalts aufgestellt werden müssen, daß die beiden Maximen des sitt lichen Handelns sich nicht nur nicht widersprechen, sondern sogar in einer nothwendigen Beziehung und gegenseitigen Unterstützung so das Sittliche erzeu gen, daß eben nur aus dem Vorhandensein beider die höchste sittliche Vollkommenheit hervorgeht. Eine andere.Schwierigkeit zeigt sich uns, wenn A 2
4 wir nach der Methode fragen, nach welcher eine solche Vergleich»«-des Inhalts beider Sittenlehren
auf die genügendste Weise zu erzielen wäre.
Bei
der formalen Vergleichung wurde die Methode der leichter gestrnden, weil
Ausführung
bie. einzelnen
Theile der Vergleichung sich schon aus der Natur der allgemeinern Betrachtung, welche jenem Theile zu eigen war, von selbst ergaben; hier jedoch, wo
es gilt, den Inhalt zweier Wissenschaften, der, ob wohl «r im Princip schon enthalten, in den realen Begriffen aber erst klar angeschaut werden kann, zu
übersehen, scheint sich uns die Betrachtung bis zum Einzelnen
herab
zu
erweitern.
dungsmerkmale des sittlichen
Die Unterschei
Inhalts, sowie die
Exponenten ihrer Verhältnisse würden dem zufolge erst dann aufgefunden fein, wenn wir beide Wissen
schaften, jede in ihrer ihr zukommenden Eigenthüm lichkeit, vor uns hätten, so daß wir über der An schauung selbst nur die differenten Merkmale uns
merke«, um sogleich das Resultat der Vergleichung ziehen zu könne«.
Allem weder
eine philosophi
sche Sittenlehre, die den ganzen Umfang ihres Ge bietes umfaßte und in Beziehung auf die christli
che
Moral
den richtigen
Standpunkt
einnehme,
noch auch eine christliche Ethik ist vorhanden, die
nur den ihr eigenthümlichen
schung
fremdattiger
Gehalt ohne Beimi
Elemente
darstellte;
und es
scheint eben dadurch desto nothwendiger die Forde-
s rung einzutreten, durch eine solche für sich durchge-
führte Betrachtung, wie die schon begonnene uhb noch zu vollendende, allererst mit dahin zu wirken)
daß in Zukunft jene Wissenschaften in ihrem wah ren Verhältniß zu einander dargestellt werden «lü
gen.
Auf
dem
Gebiete
rein
theoretischer An
schauung habe» die Wissenschaften der Philosophie und der
Theologie
bereits einen festeren Stand
punkt erreicht, vv» welchem aus man ihr Verhält niß und ihre gegenseitige Beziehung übersehen kann; und wenn auch hier die Aufgabe noch nicht ganz
vollendet ist, so wird die Spekulation, wie sie in
einer ununterbrochenen Bewegung die theoretischen Gebiete der philosophischen und theologischen Er
kenntniß durchdringt, immer mehr das besondere
Wesen jeder dieser Wissenschaft« in feinem letzten
Grunde zu erfassen und die Grenzen der Wissen
schaften selbst richtig abzustecken siechen. praktischen Gebiete
dagegen ist dieses
Auf dem
spekulative
Bestreben nach Absonderung des Fremdartigen und
nach Sicherstellung der nöthigen Grenzbestimmun
gen noch nicht so cingetretcn, daß nicht die Ver
wechselung verschiedenartiger Dinge große Verwir rung in die wissenschaftliche
Erkenntmß gebracht,
sowie eine systematische Gestalt beider Sittenlehren zu ihrem größten Nachtheile verhindert hätte. Es frägt sich nun, da die einmal angefangene Untersuchung auch zu Ende geführt werden muß.
6 woher nehmen wir, eine Methode, die «ns sowohl die, Ausführung in räumlicher Hinsicht so möglich Machte, wie sie dieser Untersuchung als angemeffen erscheint, als uns auch im Verfolg der Darstellung so leitete, daß wir nichts unbeachtet ließen, was dazu beitragen könnte, das Verhältniß in seinem ganzen Umfange, in aller nur möglichen Klarheit an« zuschapen. Wollten wir in -der Analogie zum vorigen Theil auch hier einen allgemeinen Theil vorausschicken, der uns den ethischen Stoff beider Sit-. tenlehren in allgemeinen Umriffen vor die Augen stellte > um alsdapw den.Vergleich best« sicherer zu Stande zu dringen, so: , würden doch bei gründ licher Darstellung eines so allgemeinen Theils die räumlichen Grenzen dieser Untersuchung überschrit ten werden müssen, indem ein solches Geschäft sich gar nicht unterscheiden lassen würde von der wirk lichen, wenn auch allgemeinsten Darstellung der Wissenschaften selbst. Wir haben daher jeden Ge danke« an eine solche ausführlichere Construction des sittlichen Inhalts, welche als eine allerdings wesentliche Vorbereitung für die Vergleichung selbst erscheinen müßte, sogleich aufgegcben und uns nach einem andern Wege umgesehen, aus welchem wir eben so sicher und auf eine unserer Aufgabe angemeßnere Art zum Ziele kommen möchten. Dieser Weg, da er für unS leitete Methode werden
7 soll, muß durch Folgendes noch näher bezeichnet werden. Dasjenige nämlich, von welchem wir ausgehen ist eine Voraussetzung, die aber im vorigen Theile der formalen Vergleichung schon ihre Begründung gefunden. Wir haben bereits die höchsten Begriff« beider Sittenlehren gefunden und daraus auch ihre Principien abgeleitet, die wir in formaler Bezie hung schon verglichen, sowie den Exponenten ihres Verhältnisses angegeben haben. Ein Princip aber, wenn es, wie wir es gethan haben, aus der richti gen Auffassung der höchsten Gegensätze des Seins und Wissens abgeleitet, d. i. wenn es wahrhaft philosophisch deducirt worden ist, wird nicht blos die Beschaffenheit der Form einer Wissenschaft, son dern ebenso auch den ganzen Umfang ihres Inhalts enthalten, so daß, wenn ein einziges Element des Stoffes aus dem Princip nach dem logischen Ver fahren nicht könnte abgeleitet werden, dies der si cherste Beweis wäre für die Untüchtigkeit und Un brauchbarkeit des Princips selbst. ES giebt näm lich, von dem transcendentalen Standpunkt aus, auf welchen wir uns von vorn herein gestellt ha ben, keinen solchen Unterschied von formalen und materiellen Principien, welcher etwa in. einer Ent gegensetzung aufzufaffen wäre,, in der die eigen thümliche Beschaffenheit des Formalen in einer ihr ausschließlich zukommenden Einheit ihren Ursprung
—
8
—
hätte, so daß sich Disciplinen von verschiedenem In
halt doch in diese oder jene philosophische Form fü
ge» müßten; vielmehr ist die höchste Einheit der wahrhaft philosophischen Erkenntniß die, in wel cher Inhalt und Form identisch erscheinen^- und bei welcher, wenn sie in die Vielheit übergeht, jedes
mal die Entgegenfttzung gleichmäßig in Beziehung
auf Form und Inhalt zu machen ist, damit diese
oder jene Beschaffenheit des Inhalts auch
immer
tiefe oder jene Beschaffenheit der Form nach sich
ziehe.
So z. B. konnte von der philosophischen
Sittenlehre,, weil sie das Sein her Vernunft auf
allgemeine Weise darstellen soll, die Form nur stin die begriffsmäßige Form der Erkenntniß, da eben
de» Begriff im Idealen am meisten hem allgemein ne» Sim» im Realen entspricht. Wen» wir daher im vorigen Theile nur die Form jeder Wissenschaft ins Auge faßten und ver
glichen, so wurde doch der Umfang ihres Inhalts schon in ihrem höchsten Begriffe mitgegeben, und
wie wir dort die Form beider
Wissenschaften in
Absicht auf Princip, System und Begriffsbildung darstellten, so können wir nach einer Analogie mit dem dortigen Verfahre»» die Frage so stellen:
Wie
mrterscheidet sich der Inhalt beider Wissenschaften
in Beziehung auf ihr bildendes Princip, auf den sie
begrenzenden Umfang
und
auf die Beschaffenheit,
der besondern sittlichen Gebiete?
Für diese dreifa-
9 che Aufgabe haben wir nun den oberste» Begriff
jeder Wissenschaft, in welchem ja der ganze Inhalt
schon mitenthalten ist/ als den Anfangspunkt, von welchem wir ausgehen
können, und wir dürfe«
demnach nur noch cm Wort über diese drei Aufga-
den, die wir uns stellen, hinzufiigen. Es ist nämlich in der vollkommenen Lösung jeder
dieser Aufgaben
für sich
auch
die
ganze
Frage nach der Verschiedenheit des Inhalts voll
kommen gelöst.
Denn haben wir z. B. die Ver
schiedenheit der Bildungsprincip« beider Wissenschaf
ten richtig erkannt, so könnte darüber kein Zweifel mehr Statt finden, ww sie in Beziehung auf den
Umfang ein
verschiedenes Verhältniß einnchmen;
oder auch darüber, wie dir einzelnen Parthien des
Sittlichen in jeder Disciplin ei»
eigenthümliches
Gepräge an sich tragend erscheinen; denn in dem
Dildungsprincipe wird die Totalität des Umfangs,
sowie das eigenthümliche
Gepräge
des
sittlichen
Stoffs in den einzelnen Parthirn mit befaßt.
Um
gekehrt wäre die Verschiedenheit des Umfangs oder die
aus
der einzelnen
derselben
auch
Theile gegeben, so müßte sich
die
Verschiedenheit der Bil
dungsprincipe eonstruiren lassen,
Für die Betrach
tung ist inzwischen dieses dreifache Verfahren ein
unentbehrliches,
indem,
da
bei her Vergleichung
des Inhalts Fragen aus jedem dieser Theile ins besondere aufgeworfen werden können, die Verglei-
—
10
—
chung selbst von diesem dreifachen Standpunkt aus in ihrer vollkommensten 'Klarheit erst überschaut und somit die Untersuchung über das Verhältniß des Inhalts als vollkommen vollendet und über jeden Zweifel erhoben angesehen werden kann.
Erster
Theil.
Vergleichung des Inhalts beider Wisse» schäften in Beziehung auf ihr Bildungsprincip.
Erster Abschnitt.
D«S BildungSpkinrip der philosophischen und der christli chen Moral.
§. 2. Das Dlldnngsprincip der philosophischen Moral.
§8enn wir hier unmittelbar die im ersten Theil schon gefundenen Prineipien wieder aufnehmen und in eine nähere Betrachtung derselben eingehen müssen, so schließt sich dieser erste Theil der Untersuchung an den vorigen an und es ist natürlich mit ihm zu beginnen. Zn bemerken ist zuvörderst, haß wir im vorigen Theil, wo wir aus dem obersten Begriff der beiden Sittenlehren ihre ihnen zukommenden höchsten
12 Grundsätze
und
ablekteten
verglichen, wohl von
Principien, aber nicht von Bildungsprincipien spra
chen.
Wie kommen wir hier zu der» Ausdruck Bil
dungsprincip, und kann eine solche Beziehung etwa eine Differenz in den schon festgestellte« Principien
herbeiführen, so daß wir, nicht rein an das Vorige «»knüpfend, unbewußter Weise wohl gar ei« fremd
artiges Element mit in die Vergleichung ausneh mend
dem
Die Sache verhält sich also:
erste»
Theile bei
Verschiedenheit uns
Wie wir in
Aufsuchung der formalen
ganz begnügen
konnten, die
Principien nur so. hinzustesten, wie sic aus der phi-
losophischen Deduktion der Wissenschaften sich er
geben, f» ist bei der jetzigen anzustellende« Betrach-
trachtvng über die Verschiedenheit des Inhalts es weniger wichtig, zu wissen, wie die Principien ab
geleitet und auf spekulative oder empirische Weise
gefunden werden, denn darauf beruht ausschließeytlich der Unterschied ihrer formalen Beschaffenheit, als
vielmehr unsere
richten, wie das
ganze
Aufmerksamkeit darauf zu
Princip in seiner Beziehung auf
den Inhalt einer Wissenschaft erscheint.
Wenn 'wir
nun hier wegen dieser überwiegenden Beziehung die Principe Bildungsprincipe nannte«:, so geschah dies
nicht ohne Grund.
Da
nämlich schon in allen
Wissenschaften das Princip in seiner Beziehung zum Inhalt wird ein Bildungsprineip genannt werden
können, so kommt ihm auf dem ethischen Gebiete
13
—
diese Bezeichnung ausschliestentlich zu»
Denn was
zunächst das philosophische Morahrrincip anlangt,
so
ist es
keine schwierige
Bildungsprincip aufzufassen.
Gebiet seines
Sache,
Das
dasselbe
als
eigenthümliche
Seins wat ja hiet Kraftäusterun-
oder Thätigkeit der Vernunft; denn jede Sittenlehre, die von der Passivität des mensthlrchcn Soins, wie es als ein Wohlbefinden in der Lust aufgtfastt das Sittliche bHeuten sollte, ausginge, ist schon von uns
anderswo gänzlich verneint wordtn»
Ist nun jene
Araftäüßerung oder Thätigkeit der Vernunft auf die Natur gerichtet, welche mit ihrem Totalomfange
als der für die Vernunft empfängliche Stoff er-
scheint, so hindert ja wohl nichts, jene Thätigkeit
der Vernunft als ein fottwährcndes Bilden, diese Empfänglichkeit der Natur aber als de» bildsamen Stoff zu bezeichnen»
Die Thätigkeit oder die Kraft
äußerung, wie sie das philosophisch Sitttiche erzeugt, beruht nun ganz auf der Vernunft, und zwar, wie
sie in ihrem allgemeinen Sein von der Spekula tion aufzufaffen, nicht aber, wie sie in ihrem beson dern Sein, d. i. in ihrer empirischen Zergliederung,
geschichtlich vor uns liegt.
Die Vernunft oder die
Intelligenz in diesem Sinne ist das einfache Bildungsprincip der philosophischen Moral.
14 §. 3.
Das Bildungsprincip der christlichen Sit tenlehre.
Schwerer scheint
es zu
sein, dieses einfache
Princip als ein Bildungsprincip in der christlichen
Sittenlehre aufzufinden, weswegen diese Untersu chung auf eine ausführlichere Weise von uns ange
stellt werden soll.
Daß uns das christlich Sittli
auch als aus der Thätigkeit entsprungen er
che
schien, ist hinlänglich klar aus der vorigen Untersu chung. Wir haben aber dort nichts Einfacheres ge-
funden, als das christlich fromme Selbstbewußtsein,
welches dem liegt.
Dieses
Händeln des Christen zum Grunde nämlich scheint auf unserm jetzigen
Standpunkte ein noch aus zu Vielem zusammenge setzter Begriff zu sein, um es in Analogie mit der Vernunft als ‘ ein
können.
Bildungsprincip bezeichnen
zu
Wir müssen es versuchen, das Einfache,
welches als reines Thätigkeitsprincip das Sittliche
in dem
christlichen
Handel»
erzeugt,
herauszu
mit dem
Ausdruck
Selbstbe
finden.
Wir beginnen wußtsein
und
lassen die
Begriffe christlich
fromm vor der Hand noch fallen.
und
Der Ausdruck
Selbstbewußtsein ist gleich dem Ausdruck
Gefühl.
Wenigstens werden diejenigen es für gleichbedeutend erklären, welche gewohnt find, das Bewußtsein des
15 Menschen überhaupt, als seine Geistigkeit, in ein zwiefaches, ein subjectives und objectives, zu thei
len.
Das subjective Bewußtsein ist eben das Selbst
bewußtsein, indem das Seihst nicht etwa'als ein Gegenständliches in demselben, sondern in einer sol chen Einheit mit Allem, was sonst ein rein Objec
tives für uns ist, hcrvortritt, daß daraus das ent steht, was wir vorläufig schon anderswo mit dem
Worte Zustand bezeichneten.
In dem Gefühl neh
men wir ein solches Zurücktreten des rein Objecti
ven und ein solches Einswerden desselben mit dem Subjectiven, in welchem das Subjective als da-
Ueberwiegende erscheint, ebenfalls wahr, und hier aus geht die Gleichheit desselben mit dem Selbst bewußtsein hervor.
Grenzen unserer
Es gehört nicht innerhalb der Aufgabe,
ausführliche,
psycho
logische und anthropologische Untersuchungen über das Gefühl hier anzustellen, vielmehr können wir von diesem Begriffe nur soviel in Betrachtung zie hen, als für die Erläuterung und Darstellung des
frommen
Gefühls
nothwendig erscheint.
Vorerst
müssen wir achten auf eine Duplicität, nach wel
cher die Gefühle einen zwiefachen Character anneh
men.
Ein Gefühl nämlich repräsentirt in Bezie
hung auf das Aeußere
das
(Gegenständliche) und auf
Innere (Subjective) als Zustand
allerdings
nur die Einheit von beiden, aber wir unterschei
den,
bevor das Gefühl zu Stande kommt, das
16 Subjekt Und die
äußere
Welt,
welche eben int
Gefühl das Subjekt so oder anders mit bestimmt.
Diese Bestimmung im Gefühl erfolgt nun nach ge
wissen Gesetzen der Harmonie oder Disharmonie^
welche eben in bet zwiefachen Art, wie die Intelli genz und die Natur im Selbstbewußtsein eins wer
den können, vvrgeöildet sind.
Tritt im Gefühl die
Harmonie bbet Gesetzmäßigkeit in dem Verhältniß der Intelligenz zur Natur hervor, so tritt das Ge
fühl als Zustand der Lust hervor> wogegen^ wenn
im Momente bet Einigung des Innern und Aetißern die Disharmonie entsteht, bas Gefühl als Unlust
Die Verschiedenheit also in dem Verhältniß des Intelligenten und Natürlichen,
zum Vorschein kommt.
des Innern und Aeußern, wie sie in den objectiven
Lebensreihen vor dem Gefühl schon vorhanden war, erzeugt auch eine Verschiedenheit int Gefühl selbst.
Und ebenso verhält sich das, was nach dem Gefühle folgt, als ein Verschiedenes.
Im Zustande der Lust
oder Unlust selbst repräsentier
das Gefühl immer
nur die vollkommene Einheit; das Intelligente in mir und das Natürliche außer mir sind nicht mehr
zu unterscheiden, sie sind in Gefühl übergegangen in die Einheit einer so oder anders bestimmten Ge
müthsbewegung; nach dem die
Sonderung
des
Zustande jedoch
Subjektiven
und
tritt
Objektiven
wiedenim ein, und wenn im Gefühl die Dishar
monie beider als Unlust in der Einheit hewortrat, so
so entstehk bet bestimmte Wille, die Harmonie iMch die übrigen Geistesfunktionen miedet Herzastelken, und im umgekehrten Falle, die Harmonie selbff als daS Wohlgefallen Erregende durch die Thätige keit btt übrigen Seelenfunktionen noch zu steigern/ öder die schon gesteigerte äußerlich darzustellen. Bek jedem Gefühl wäre demnach zu unterscheiden di« Beschaffenheit jener Einheit und dasjenige, worin jene Gesetzmäßigkeit als gegründet erscheint. Di« Einheit, wie sie im Gefühl sich darstellt, ist gar sehr verschieden von' bet Einheit, welche die Er* kenntniß in uns auf dem objektiven Gebiete des Seins hervortust; und auf dem richtigen Unter* schiede beider, der hier nicht näher verfolgt werden kann, beruht größtentheils die Beantwortung der psychologischen Frage, was das Gefühl sei. So viel ist gewiß, daß diese Einheit im Gefühl nut eine Einheit für die Persönlichkeit ist und in jedem da» her eine verschiedene sein kann; während umgekehrt jene Einheit im Erkennen für alle ein und dieselbe werden muß. WaS die zweite Frage nach dem Grunde der Gesetzmäßigkeit anlangt, so kann diese Gesetzmäßigkeit auf dem allgemeinen Gebiete aller Gefühle nur in bet Intelligenz, wie sie bie höchste Erkenntniß als wirksam aus bie Natur auffaßt, ih ren Grunb haben; in bem frommen Gefühl wird sich bies noch anbers verhalten. Das, was dem religiösen Gefühl für sich zu-
—
18
kommt, ist: die Thatsache, daß in demselben unsere Intelligenz mit zu demjenigen gehört, was, als das Aeußere, Natürliche oder Objektive, daS Selbstbe wußtsein mit bestimmt; das Intelligente aber int frommen Gefühl, was
als das absolut Einfache
die Harmonie zur gesammten Außenwelt hervorruft und
als
Grund
der Gesetzmäßigkeit erscheint, ist
«egativ ausgedrürkt das rein Außetweltliche, posi tiv
aber das
absolut Geistige, die Gottheit;
diese Fähigkeit des
und
Menschen, vermöge deren er
durch die Gottheit der absoluten Harmonie, alles Seins inne werden kann, — Und dieses Bestreben des
Menschen, durch s welches
er
seinem
Sein diese
höchste Beziehung zur Gottheit giebt twb: aus
ihr
im Gefühl sich das aneignet. Was seine Geistigkeit
zur göttlichen steigert: — dieses beides nennen wir Re
ligion.
In sofern nun jene Fähigkeit, so wie dieses
Bestreben im Gefühl ihren Grund haben, hat auch die Religion ihren Sitz im Gefühl.
in dem frommen Gefühl
Ist aber auch
die absolute Intelligenz
als das die Harmonie Hervorrufende gesetzt, so er
scheint es dennoch,
je nachdem das
Bewußtsein
des Natürlichen jene höchste Einigung hemmt, oder
fördert, als ein Gefühl der Unlust, oder Lust. So weit die Erklärung des frommen Gefühls im Allgemeinen.
Wir haben jetzt noch in Erwä
gung zu ziehen das christlich fromme Gefühl.
In
dem christlich frommen Gefühl ist das zum Gmnde
19 liegende Verhältniß zu Gott dasjenige Verhältniß, in welches wir durch Jesus von Mazaret gesetzt worden sind. Das Wort Christlich bezeichnet dem
nach erstlich das Positive des Verhältnisses, wie es nicht etwa aus der schon ursprünglichen Befähigung des Menschen, nach welcher er als ein vernünfti
ges Wesen bis zur absoluten Geistigkeit sich erheben kann, abzuleiten, sondern wie es vielmehr, als ein
ursprünglich neu Hinzugetretenes, durch das Faktum
der Erscheinung Christi zunächst in die Reihen des reli giösen Erscheinungslebens hineingetreten ist. .Zwei tens bezeichnet das Wort Christlich auch seinem In
halte nach die absolute Vollkommenheit jenes Verhält nisses; denn die
Bestimmtheiten" unserer frommen
Gefühle haben durch die Erscheinung Christi die
vollkommenste Richtung empfangen, daß wir näm lich intensiv alle unsere Gefühle der Unlust in die der frommen Lust durch die erlösende Kraft Christi können übergehen lassen und durch die Person Jesu
von Nazaret in eine vollkommene Vereinigung mit
Gott treten; als auch extensiv, daß alle Bestimmt heiten des Gefühls in Beziehung auf die Außenwelt durch die heiligende Kraft des
Erlösers
absoluten Geistigkeit sich steigern sollen.
bis zur
Das Ein
fache in dem christlich frommen Gefühle, was die
absolute Gesetzmäßigkeit und Harmonie in uns her vorriefe, wäre
hiernach die göttliche
Kraft, die
wir uns durch die Vermittelung Christi allerdings B 2
—
20
für das schon ursprünglich fromme Gefühl aneig-
nen sollen.
aber hier das christlich fromme
3nbem wir
Selbstbewußtsein > wie
es unserm
Handeln zum
Grunde-Jitgt, in Betrachtung ziehen, so müssen wir
dieses Einfache, um es alsdann mit dem Einfachen in dem andern Bildungsprincip zu vergleichen, noch auf eine ander«, aber keinesweges dieser entgegen gesetzte, Weise
Das
aufsuchen und
näher
bestimmen.
fromme Gefühl nämlich ist theils
christlich
ein persönliches, theils ein Gemeingcsühl; der Un terschied ist nur
ein relativer; er beruht auf det
natürlichen Beschaffenheit des Menschen^ nach wel
cher er von stich
nicht nur das
Bewußtsein als
eines Einzelwesens, sondern auch das Bewußtsein als eines ELenrplars der Gattung haben muß.
Jenes
persönliche Gefühl wird auf dem Gebiete der christ lichen Frömmigkeit am meisten in uns aufgeregt
durch das Vechältniß, in welchem unser Sein durch die erlösende Thätigkeit Christi ein Sehr in Gott
geworden ist;
dieses
Gemeingefühl wird vorzugs
weise in uns aufgeregt durch das Verhältniße in welchem das Sein Aller
durch die Heiligung in
Christo ein Sein in Gott geworden» allem Handeln
Da nun in
diese nothwendige Beziehung des
Individuums zur Gattung hervortritt, indem ja je
des Handeln nur ein Wirken in der Gemeinschaft und auf die Gemeinschaft sein kann, so muß das
21 persönliche Gefühl, wenn es der Grund von Hand
lungen werden soll, jedesmal in ein Gemeingefühl übergehen; und es
ist eine wesentliche Forderung,
daß —7 da in dem sittlichen Handeln jedesmal die ge genseitige Beziehung aller
Individuen in Absicht
auf die absolute Einheit aller sittlichen Zwecke, rod«
die Idee des Reiches Gottes ist, heraustritt,
ehe
und da Leine Handlung als sittlich bezeichnet wer«
den kann ohne diese gemeinsame Beziehung — die
selbe auch im Zustande des schon mitbegriffen' sei.
frommen Erregtseins
Die göttliche Kraft aber,
welche hier als das- Einfache dieses Gemeingefühl,
aus welchem das christlich sittliche Handeln entsteht, belebt und in das Verhältniß der absoluten Geistig keit erhebt, ist der göttliche oder heiligende Geist, der von Christo he» Jüngern verheißen, nach seiner
von
Entfernung
der
Erde- über
sie ausgegossen
wurde und noch jetzt die Gläubigen in der christli chen Gemeinschaft verbindet und sie, in Beziehung
letzten Zweck, in
auf ihrer»
Er
ist
dem
Geiste
Christi
alle Wahrheit leitet.
nicht
entgegengesetzt,
vielmehr, weil das Gemeingefühl das
persönliche
voraussetzt, nimmt er es von seinem Geiste; er ist
aber, weil alles christliche Handeln nur in Bezie hung
auf die
das absolut principe.
Gemeinschaft zu
Stande kommt,
Einfache in dem christlichen Moral
Er kann ebenfalls, da alles christliche
Handeln in Beziehung auf die Totalität des Stoffes
22 ein Bilden ist, em Bildungsprincip genannt wer den.
Und jetzt erst,
nachdem wir
aus beiden
Principen die einfachen Bildungsprincipe abgelei
tet haben, können wir den ersten Theil des Ver
gleiches beginnen.
Zweiter Abschnitt.
Vergleichung der beiden Bildungsprincipe, der menschlichen Vernunft mit dem göttlichen Geiste.
Erste Abtheilung.
Negative Veite.
§. 4. Einleitendes Vorwort.
Zunächst ist dieses klar, daß, wenn wir bewei
sen könnten, wie beide Principe einander nicht wi dersprechen, auch in einem zwiefachen sittlichen Han
deln kein Widerspruch sich finden kann; denn wenn in dem Ursprünge der Handlung, d. i. in ihrem Be wegungsgrunde,
kein Widerspruch sich findet, so
kann dann in dem Heraustreten derselben, d. i. in
ihrem Realwerden, kein Widerspruch erscheinen, es sei denn, daß sie in ihrem Verlaufe durch unsitt-
22 ein Bilden ist, em Bildungsprincip genannt wer den.
Und jetzt erst,
nachdem wir
aus beiden
Principen die einfachen Bildungsprincipe abgelei
tet haben, können wir den ersten Theil des Ver
gleiches beginnen.
Zweiter Abschnitt.
Vergleichung der beiden Bildungsprincipe, der menschlichen Vernunft mit dem göttlichen Geiste.
Erste Abtheilung.
Negative Veite.
§. 4. Einleitendes Vorwort.
Zunächst ist dieses klar, daß, wenn wir bewei
sen könnten, wie beide Principe einander nicht wi dersprechen, auch in einem zwiefachen sittlichen Han
deln kein Widerspruch sich finden kann; denn wenn in dem Ursprünge der Handlung, d. i. in ihrem Be wegungsgrunde,
kein Widerspruch sich findet, so
kann dann in dem Heraustreten derselben, d. i. in
ihrem Realwerden, kein Widerspruch erscheinen, es sei denn, daß sie in ihrem Verlaufe durch unsitt-
23 liche Einflüsse gestört würde, welche Störung- auch wenn sie ihren
Grund
nur in dem Aeußcrlichen
hätte, dennoch immer eine Korruption des Princchs,
also eine Unsittlichkeit schon
andeuten würde.
in ihrem Ursprünge
Mithin beweisen wir, wenn: wir
zeigen können, daß
der .göttliche Geist
die menschliche Vernunft und einander
nicht
entgegengesetzt
sind,: dieses: daß es ein sittliches Handeln der Ver nunft geben kann, was dem göttlichen Geiste nicht
zuwiderlauft, und umgekehrt, daß es ein Handeln
des göttlichen Geistes durch uns geben kann, was der Vernunft nicht zuwidcrläuft, — so daß solche
Fragen, wie etwa: ob man etwas mit Erlaubmiß der Vernunft thun könne, was der sittlichen Maxime
des
Christenthums zuwidcrläuft und sich doch'als
ein sittliches Thun vor der -Vernunft rechtfertigen ließe, und umgekehrt, als ganz widersinnig und un gereimt erscheinen müßten;
aber eben
die Frage
nach der Beschaffenheit des göttlichen Geistes und
der menschlichen Vernunft, in welcher beide
nic^t
als einander widerstreitende, sich gegenseitig aufhe
bende Kräfte
erscheinen, ist eine der schwierigsten
Fragen der vorliegenden Untersuchung; ja von der
richtigen Beantwortung dieser Frage, so wie hernach von der richtigen Auffassung dcö Verhältnisses, in wel
chem der göttliche Geist und die menschliche Vernunft stehen, wird, weil beide das Ganze erhellen, auch die Klarheit und Anschaulichkeit des Ganzen abhangen.
24 Hin Vortheil «nb eine Erleichterung bietet sich unS auf diesem Gebiete der schwierigsten Unters»» chung dar.
Es ist nämlich der Vortheil, daß wir
mit unsrer Untersuchung auf dem praktischen Stand punkte stehen, auf welchem Iweifel und Widersprü che- durch die unmittelbare Lebensanschauuiig leich
ter zu heben sind, als auf dem rein theoretischen Gebiete, wo entweder die einseitige Richtung in de»
Begriffsbildung, oder auch die Unbehülflichkeit, ein Gefühl bis zur vollkommnen klaren Anschauung zu «erheben, mehr Hinderniffe in den Weg legen.
Kragen nach jenem Verhältnisse werden
Die
auf die-
fem theoretischen Gebiete auch immer noch von einander entgegengesetzten
Gestchtspunkten
beant
wortet; die Einen nämlich habe« eine Neigung, der
menschlichen
Vernunft
das
Primat
über
den
göttlichen Geist zu geben; die Andern aber zeigen die Tendenz, die menschliche Vernunft als das dem
göttlichen Geiste Zuwiderkaufcnde zu betrachten und sie überhaupt in ihrer Wirksamkeit zu negiren.
Der
Standpunkt, von welchem aus dieser Gegensatz des
Rationalismus
und Supranaturalismus auch auf
diesem theoretischen Gebiete als nichtig erscheint, läßt sich hier nicht näher bezeichnen; uns gereicht
eS zum Vortheil, auf dem rein praktischen Gebiete so verfahren
zu können, als
hier gar picht vorhanden wäre.
ob jener Gegensatz Vielleicht daß auf
diese indirekte Weise die folgende Untersuchung zur
25 Auflösung jener Frage
etwas
beitrage»» könnte;
denn es ließe sich ja recht wohl denken, daß, wenn man
lange
genug auf dem theoretischen
Gebiete
über diese Frage gestritten, nun einmal dir Unter
so von vorn anfinge, daß das praktische
suchung
Gebiet der eigentliche Standpunkt der Betrachtung würde.
Doch wir können einen solchen Erfolg unse
rer Untersuchung
nur wünschen, nie aber darauf
auSgehen, ihn absichtlich hcrvorzurufcn; wir müssen, fern von jeder vorgefaßten Meinung, uns sogleich
auf den Standpunkt der freisten Untersuchung stelle».
§. S. Die menschliche Vernunft ist als eine wirk*
sameKraft dem göttlichen Geistenicht «entgegengesetzt.
Wir
brauchen de» Beweis hierfiir nicht- in
Beziehung auf den Ursprung beider zu führen, und
haben daher auch nicht nöthig die Ansicht zu wi derlegen, nach welcher, da beide ihren Ursprung in Gott haben, die menschliche Vernunft durch einen
bösen Einfluß von außen das göttliche Wesen ver
loren haben soll.
Alle Betrachtungen der Art wür
den uns von dem praktischen Standpunkt der un mittelbaren
Lebensanschanung nur abführen.
Wir
stellen uns Behufs der Beweisführung des obigen
Satzes sogleich auf den praktisch christlichen Stand-
26 punkt und sehen von hier aus, wie die Vernunft dem göttlichen Geiste nicht entgegengesetzt ist.
Vorerst ist als ausgemacht anzunehmen , daß, wenn vom christlichen Standpunkt aus die nunft
als
etwas dem
Widersprechendes
Ver
göttlichen Geiste geradezu
angesehen
werden
müßte, das
Christenthum selbst, bevor es in seiner praktischen
Tendenz heraustrat, darauf hätte ausgehen müssen, die menschliche Vernunft vorher zu vernichten,
so
daß das erste Produkt seiner geistigen Wirksamkeit
hätte sein müssen eine gänzliche Umschaffung
der
menschlichen Natur überhaupt, in welcher sich die
Vernunft auch in ihrer praktischen Richtung als ein
natürliches Willenövermögen vorfand. solchen Vertilgung
Von einer
der menschlichen Vernunft fin
den wir im Christenthume keine Spur, und eine solche Umschaffung der menschlichen Natur, dmch
welche jene nur möglich gewesen wäre, würde dem Christenthume direkt entgegenstehen, welches ja die ganze frühere Schöpfung und vorzüglich
die der
menschlichen Vernunft als einen Pkt der göttlichen Allmacht erklärt,
Alles was das Christenthum in
Beziehung auf den frühern Zustand der praktischen Lebcnsrichtung verlangte, drückt sich in der Johannei
schen Predigt als
aus, d. i. als eine Aen
derung des Sinnes oder der allgemeinen vernünfti
gen Willensrichtung.
Denn da der
eben das
allgenrein Vernünftige im Menschen, im Gegensatz
27 zu in«;»*, bezeichnet, so zeigt diese Forderung einer
Aenderung des »«»< nichts weiter
an, als daß in
der damaligen Beschaffenheit des menschlichen Han
delns sich eben die ursprüngliche Idee des »«« nicht
mehr offenbarte und daß vorerst hier eine Aende
rung, d. h, diejenige Beschaffenheit des »m eintre
ten müsse, die als reine
Empfänglichkeit für hie
Einwirkung des göttlichen Geistes als nothwendig vorausgesetzt werden mußte.
wird überdies die
In dem Christenthume
menschliche
Vernunft
gradezu
angesehen als ein Vermögen des Menschen, durch
welches auch die Heiden, welche kein geoffenbartes Gesetz hatten, ssch des göttlichen Strafgerichts hät
ten entziehen können.
Der Apostel Paulus näm
lich schreibt der menschlichen Vernunft die Fähig keit zu, die Alles
wirkende Gottheit durch
die
Wahrnehmung der Schöpfung (welche Wahrnehmung
eine Thätigkeit des »«-- ist) zu erkennen« Derselbe Apo stel sieht ferner den»«-«in seiner richtigen Beschaffen
heit als die Tüchtigkeit zum Glauben an; denn wenn
w »«-> find, so sinh sie
die Menschen
7«» xisTn.
Der »avr ist, als das Geistige
im Menschen, auch seine natürliche Kraft zum Gu
ten, entgegengesetzt der bloßen Sinnlichkeit.
Jene
Kraft, die sich gesetzmäßig für das Gute entschei
den kann, nennt der Apostel den
7»? ,«»'«, die
ihr entgegenstehende Kraft der Sinnlichkeit den * 7.7k ftixw.
Würde uns hier vielleicht der Ein-
28 wmf gemacht, daß. in den meisten dieser paulini-
die Rede fei,, wie
schen Aussprüche von dem
er innerhalb des Christenthums etwa schon gleich bedeutend sei mit Twvtw, so steht zu erwiedern, daß
und »0*5 doch immer in einem wesentlichen Unterschiede aufzufassen sind.
ist
aber kein
Dieser Unterschied
andrer, als bei dem Ausdrucke »o*