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German Pages 438 [439] Year 2023
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1506
Das Städtebauförderungsgesetz 1971 Städtebau- und Konjunkturpolitik im Spannungsfeld zwischen Bund, Ländern und Kommunen Von
Ulf Keller
Duncker & Humblot · Berlin
ULF KELLER
Das Städtebauförderungsgesetz 1971
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1506
Das Städtebauförderungsgesetz 1971 Städtebau- und Konjunkturpolitik im Spannungsfeld zwischen Bund, Ländern und Kommunen
Von
Ulf Keller
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany
ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18736-2 (Print) ISBN 978-3-428-58736-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand als Dissertation und zugleich als Abschluss meiner Forschungsarbeiten am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hermann Butzer (Hannover). Ihm sei auf das Herzlichste gedankt für die intensive Betreuung und den für viele Jahre immer ermutigend und persönlich zur Verfügung stehenden Rat. Eine besondere Rolle in der Entstehung der Arbeit spielen Prof. Dr. Bernhard Blanke und die Kolleginnen und Kollegen der früheren Abteilung für Sozialpolitik und Public Policy (Hannover), allen voran Dr. Wolfram Lamping, Dr. Henning Schridde, Judith Jungfels, Marc Beer, Dr. Stefan Plaß, Dr. Maren Kellermann, Henning Michels und Dr. Isabell Möller. Wesentliche politikwissenschaftliche Impulse und Inhalte entstammen den dortigen Jahren der Ausbildung und Mitarbeit. Es war ein toller Spirit, den „BB“ dort zusammengeführt hat. Ich danke ihnen allen sehr für die gute Zeit dort. Ich werde Bernhard Blanke als Mentor immer besonders in Erinnerung behalten. Als Wissenschaftler hatte ich das große Glück, interdisziplinär promovieren zu können. Nach der Zeit bei den Politikwissenschaftlern wurden der Lehrstuhl von Prof. Dr. Butzer und das Institut für Staatswissenschaft der Universität Hannover das neue wissenschaftliche und berufliche „Zuhause“. Viele juristische und verwaltungswissenschaftliche Anregungen entstammen der Zeit dort und es sei also gedankt für die Diskussionen und Gespräche: Dr. Aaron Bogan, Dr. Friederike Gebhard, Dr. Julia Haas, Dr. Torsten Kurtz, Dr. Christoph Lontzek, Dr. Manuel Mielke, Dr. Arndt Alexander Schmidt, Dr. Torsten Soffner. Ein besonderer Dank geht an die liebe Kollegin Gaby Behmann, die uns allen unvergessen bleibt. Mein persönlich größter Dank geht an meine Frau Monika. Das vorliegende Buch ist nicht nur berufs-, sondern auch familienbegleitend enstanden. Ohne ihre immerwährende Unterstützung wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ich danke Dir sehr. Ein besonders herzlicher und persönlicher Dank geht an meine liebe Freundin Antje Droste, die das Entstehen des vorliegenden Buchs mit Rat und Tat, mit Literaturrecherche und viel Liebe zum Korrekturlesen begleitet hat. Abschließend möchte ich meinen Eltern Karla und Herbert Keller dafür danken, dass sie mir seinerzeit ein freies und intensives Studium möglich gemacht haben.
6 Vorwort
Meinem lieben Vater Herbert kann ich leider kein persönlich gewidmetes Exemplar mehr überreichen. Diese Arbeit soll daher seinem Andenken gewidmet sein. Nordhorn/Hannover, November 2022
Ulf Keller
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 § 2 Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG): Gesetzgebungsprozess, Verabschiedung des Gesetzes 1971, wesentliche Inhalte und Funktionsweisen, Nachgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 A. Entwürfe zum Städtebauförderungsgesetz 1965 und 1966 . . . . . . . . . . . . 20 I. Motive der Städtebaupolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Die Förderung des Städtebaus aus Sicht der Entwürfe 1965/66 . . . . 28 B. Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes 1968 . . . . 35 I. Eigentum an Grund und Boden im Gesetzentwurf . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Die Finanzierung des Städtebaus im Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Der Entwurf der SPD/FDP-geführten Bundesregierung . . . . . . . . . . . 49 1. Bodenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Die Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Die Finanzierung im Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Das Leitbild einer „Demokratisierung der Planung“ . . . . . . . . . . . 62 II. Der Entwurf der Fraktion von CDU und CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Der eigentumspolitische und bodenrechtliche Schwerpunkt der Opposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Die Finanzierung von Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Die Finanzierung im Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Die Stellungnahme des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Die Einbringung beider Entwürfe in den Deutschen Bundestag (Erste Lesung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 1971 . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Die Beratung im Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen . . . . 83 II. Die Zweite und Dritte Lesung des Entwurfes im Deutschen Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 III. Die Behandlung im Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 IV. Vermittlungsausschuss; Verabschiedung in Bundestag und Bundesrat; Verkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 E. Das StBauFG von 1971: Wesentliche Inhalte und Funktionsweisen des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Allgemeine Aspekte zum StBauFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Die vorbereitende Phase und Festlegung des Sanierungsgebiets . 103
8 Inhaltsverzeichnis 2. Die Phase der Ordnungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Die Phase der Baumaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Differenzierung zwischen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Die bundesstaatliche Finanzierung der städtebaulichen Förderung . 113 IV. Die Einbindung von Eigentum, Grund und Boden in den Städtebau . 116 F. Nachgeschichte: Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Novellierungen des Gesetzes und Einfügung in das BauGB 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum StBauFG (BVerfGE 39, 96 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II. Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 18.8.1976 . . . . . . 133 III. Die „Beschleunigungsnovelle“ vom 13.7.1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 IV. Das „Gesetz zur Änderung des Städtebauförderungsgesetzes“ vom 5.11.1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 V. Eingliederung des StBauFG in das Baugesetzbuch (BauGB) durch Gesetz vom 8.12.1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 § 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 I. Das StBauFG als Investitionshilfe durch den Bund (Art. 104a Abs. 4 GG – alt) und Beispiel für eine bundesstaatliche Misch finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 II. Städtebauförderung als Investitionshilfe und Bundesprogramm . . . . . 178 1. Das Bundesprogramm nach § 72 StBauFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Aufgabenverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden . 184 III. Bewertung aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht: (Bundes-)Staat und Stadt im „kooperativen Föderalismus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Der historisch-institutionelle Standort des StBauFG im Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Zum Verhältnis vom „(Bundes-)Staat zur Stadt“ . . . . . . . . . . . . . . 200 B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Das StBauFG als Ausdruck sozial-liberaler Reformpolitik . . . . . . . . 205 1. 1971–1973: Initiierungsphase des StBauFG . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. 1974–1978: Mittlere Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Im Besonderen: Das „Zukunftsinvestitionsprogramm“ – ZIP . . . . 232 4. 1979–1986: Übergang zu den 1980er Jahren, Einfügung des StBauFG in das BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 II. Bewertung aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht: Staat und Städtebau – das Politikfeld der Städtebaupolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Zum Kontext von Konjunktur- und Städtebaupolitik . . . . . . . . . . 253 2. Zur Ausgestaltung der Städtebaupolitik durch die verfassungs politische und bundesstaatliche Frage der Mischfinanzierung . . . 257 3. „Staat und Städtebau“ – der spezifische institutionelle Handlungsdruck auf die kommunale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Inhaltsverzeichnis9 § 4 Die Umsetzung des Städtebauförderungsgesetzes in den Kommunen . . . 269 A. Rolle und Interessen der kommunalen Ebene in der Umsetzung des StBauFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 I. Städtebauliche Sanierung als Thema und Aufgabe in den Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Zur Entscheidung des Gesetzgebers für die Kommunen als Umsetzungsebene des StBauFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Zum Kontext von Gesellschaft, Wirtschaft und „städtebaulichen Missständen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Die nähere Bestimmung des Begriffs „städtebauliche Missstände“ (§ 1 Abs. 2 StBauFG) als Ausgangspunkt kommunaler Handlungsverpflichtung zu Sanierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . 281 4. Städtebau nach der „Kleinen Zeitenwende“ 1975 . . . . . . . . . . . . . 290 a) Das „Europäische Jahr für Denkmalschutz“ . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Der Verlust des städtischen Wohnwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 c) Differenzierte Interpretation des Städtebaus . . . . . . . . . . . . . . 299 d) „Dritte Säule“: zwischen Flächensanierung und Neubau . . . . 303 II. Ausgewählte Instrumente und Möglichkeiten der Kommunen zur Behebung „städtebaulicher Missstände“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Vorbereitende Untersuchungen und der Sozialplan in den Vorschriften des StBauFG; Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Vorentscheidungen durch Vorbereitende Untersuchungen . . . 312 b) Vorbereitende Untersuchungen und Sozialpläne . . . . . . . . . . . 317 c) Anmerkungen zur Praxis der Vorbereitenden Untersuchungen und des Sozialplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 d) Zum partizipatorischen Ansatz des Sozialplans; Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Organisation der Durchführung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen (§§ 33–37 StBauFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 3. Zur Finanzierung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen . . . . . . . 355 B. Merkmale kommunaler Sanierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 I. Städtebaupolitik und Selbstverwaltung – Handlungsspielräume kommunaler Sanierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 II. Implementationsstrategien kommunaler Verwaltung im Politikfeld Städtebau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 III. Die Einbindung der kommunalen Sanierungspraxis in den kooperativen Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 § 5 Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
§ 1 Einleitung Am 27. Juli 2021 hat das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) seinen 50. „Geburtstag“ gefeiert. Auch wenn das Gesetz bereits 1986, nach also nur 15-jähriger Wirkungsgeschichte, in das neu geschaffene Baugesetzbuch (BauGB) integriert wurde, war dies für die Bundesregierung und die ARGEBAU1 Anlass genug, im Jubiläumsjahr einen besonderen „Tag der Städtebauförderung“ zu begehen. In der dazugehörigen Festschrift wurde das StBauFG als „Grundstein für die Städtebauförderung in Deutschland“ gewürdigt. In der Tat konnte das StBauFG bereits seinerzeit für sich beanspruchen, ein anspruchsvolles und umfangreiches Reformgesetz darzustellen. Der 50. Jahrestag seiner Verkündung war daher auch ein Anlass für die vorliegende Schrift, die 1971 verabschiedete Gesetzgebung erneut zu betrachten und seine Auswirkungen zu bewerten. Auch aus einer verwaltungswissenschaftlichen Perspektive sprachen mehrere Gründe dafür. Der zurückschauende Blick auf das StBauFG ist wertvoll, weil das Gesetz eine der ersten Materien war, die im Sinne und in der Ausstattung des sog. kooperativen Föderalismus verabschiedet und als gemeinsames Programm von Bund und Ländern umgesetzt wurde. Es gehörte dabei zur Besonderheit des Gesetzes, dass es zu seiner Umsetzung ausdrücklich die kommunale Ebene bestimmte und einbezog. Die Darstellung einer Implementationsgeschichte des StBauFG findet damit einen gleichsam „natürlichen“ wissenschaftlichen Spannungsbogen vor, der zwischen zwei staatlichen und drei administrativen Ebenen verläuft. Hieraus entsteht als eigenständiger Aspekt und wichtige Fragestellung, welche Rolle die kommunale Ebene in der Umsetzung des StBauFG eingenommen hat. Dabei steht zur Diskussion, wie sich die Kommunen in den Geltungs- und Gestaltungsbereich des kooperativen Föderalismus einfügten, und zwar gleichermaßen als Beteiligte an der Ausführung eines Bund/LänderProgrammes wie auch als Umsetzungsebene einer konjunkturpolitisch motivierten Staatstätigkeit. 1 Die Arbeitsgemeinschaft der Bauministerinnen und -minister der Bundesländer. – Auch der Deutsche Bundestag erinnerte in seinem Online-Angebot mit einem Beitrag aus der Reihe „Vor 50 Jahren“ an die wechselvolle Geschichte zur Entstehung des StBauFG.
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§ 1 Einleitung
Schlussendlich kann sich die historische Analyse eines Politikfeldes auch deswegen lohnen, weil daraus Schlüsse und Perspektiven für die Zukunft gewonnen werden können. Dies betrifft weniger das Politikfeld Städtebau im engeren Sinne, auch wenn sich zur Zeit deutlich abzeichnet, dass sich die Funktion von Innenstädten (insbesondere in Grund- und Mittelzentren) zeitnah noch einmal wandeln wird.2 So gesehen kann es keinesfalls ausgeschlossen werden, dass eine Neuauflage oder wesentliche Modifizierung der heutigen Städtebauförderung eintritt. Hier hingegen soll stärker die These herausgestellt werden, dass es sich angesichts der in unserer Gegenwart erkennbaren Herausforderungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik abzeichnet, dass neue politisch-staatliche Kataloge von Gemeinschaftsaufgaben oder Investitionshilfen entstehen werden.3 In dieser Zukunft dürfte, wie in der Vergangenheit für den Städtebau, gelten, dass keine der beiden staatlichen wie auch der drei administrativen Ebenen über die Programm- und Implementationskompetenz verfügt, derart umfangreiche Aufgaben allein zu lösen. Das politische und technische Wissen um die Administration von Gemeinschaftsaufgaben sollte nach der hier vorgetragenen Auffassung neu bewertet werden. Auch wenn es in Zukunft (mit großer Wahrscheinlichkeit) um andere Politikfelder als den Städtebau gehen wird – aus den umfangreichen Leistungen der hier vorgestellten Epoche können wertvolle Rückschlüsse gezogen werden. Sie sollen insbesondere für solche Aufgaben Geltung beanspruchen, die mit hoher technischer Komplexität an das politische System zur Lösung herangetragen werden, und dabei besonders die Kommunen als Umsetzungsebene berücksichtigen bzw. einbinden müssen. Die vorliegende Arbeit versteht sich als verwaltungswissenschaftlicher Beitrag zur Untersuchung der Wirkungsweise des Städtebauförderungsgesetzes, im Schnittfeld von Implementationsforschung, Politik- und Rechtswissenschaft. Sie versucht, offene Forschungsperspektiven zu schließen und unterteilt ihren wissenschaftlichen Zugang dabei in mehrere Abschnitte.
2 Das hier zu nennende Stichwort sind die Wandlungsprozesse im stationären Einzelhandel, die mehrere Bundesländer dazu veranlasst haben, Programme zur Stärkung der Innenstädte aufzulegen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit war es jedoch deutlich zu früh, systematische (Rück)Schlüsse aus diesen aktuellen Ansätzen zu diskutieren. 3 Auch hier sollen und können nur Schlagworte fallen, die aber nach Auffassung des Verfassers ausreichen dürften, um die gemeinte Dimension zu verdeutlichen: „Energiewende“ und Stromtrassenbau bzw. lokale/regionale Energieverbünde; „E-Mobilität“ und damit einhergehend eine komplett neue Infrastruktur für eine deutsche Schlüsselindustrie; „Breitband“/5G als infrastrukturelle Voraussetzung einer digitalisierten Volkswirtschaft. Vgl. jüngst der Beitrag von Dispan mit einem regionalwirtschaftlichen Ansatz.
§ 1 Einleitung13
Im Abschnitt § 2 wird die Entstehungsgeschichte des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) nachgezeichnet. Wie zu zeigen sein wird, prägten besonders die erste Große Koalition (von 1966–1969) als auch die „Politik der inneren Reformen“ der Regierung von SPD und FDP (ab 1969) die Inhalte des Städtebauförderungsgesetzes mit jeweils eigener Handschrift. Die Arbeiten zur Schaffung des Reformvorhabens, dem sich die SPD unter der Führung von Willy Brandt intensiv verschrieben hatte, fiel damit in eine Zeit der komprimierten Umgestaltung der politischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland und ihres beschleunigten gesellschaftlichen Wandels. In seiner Herangehensweise bedient sich § 2 einer historisch-institutionellen Analyse entlang der Strukturen und Prozeduren, die der parlamentarische Gesetzgebungsprozess anbietet. Er wird durch Stellungnahmen aus der Sekundärliteratur, punktuell auch der zeitgenössischen Publizistik ergänzt. Mit Blick auf die Forschungstiefe wurde demnach ein mittlerer Weg eingeschlagen. Im Vordergrund stand die Aufarbeitung und Durchdringung der ohne weitere Umstände zugänglichen Parlamentsmaterialien. Auf die Einbeziehung archivarischer Bestände (z. B. Stellungnahmen, Sachverständigenanhörungen usw. aus der Ausschussarbeit des Bundestages) wurde mit Blick auf den Umfang, vor allen Dingen aber die Ziele der Untersuchung bewusst verzichtet. Auch die bereits in dieser Art und Weise dargestellten Entwicklungen können aufzeigen, dass in Stufenabfolgen und vor allen Dingen durch wechselnde politische Mehrheiten unterschiedliche Interessen in das Gesetz ein geflossen sind. Das StBauFG entwickelte sich in beinahe zehn Jahren Ent stehungsprozess zu einer Materie mit hoher Komplexität – angesichts des 50-jährigen Bestehens des StBauFG wäre es in der Tat ein lohnenswertes Unterfangen, die Gesetzgebungsgeschichte im o. g. Sinne vollumfänglich bzw. noch einmal gesondert zu untersuchen.4 Der Abschnitt endet nicht mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes im engeren Sinn und also mit dessen Ausfertigung. In zwei Teilen werden einmal die wesentlichen Inhalte und Funktionsweisen des Gesetzes skizziert (§ 2 E.) sowie der weitere Werdegang der Materie anhand der Einwirkungen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie durch Gesetzesnovellen aufgezeigt (§ 2 F.) Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Eingliederung in das BauGB 1986. An diesem Schluss des Entwicklungspro4 Besonders interessant wäre es, eine „Reformgeschichte“ der bodenrechtlichen Instrumentarien aufzuarbeiten, da diese Inhalte bereits seinerzeit und vollkommen richtig als Schlüsselmaterien zum Städtebau erkannt wurden. Sie waren politisch hoch umstritten; eine umfassende Erweiterung der Kompetenzen aus dem StBauFG fand trotz mehrfacher Anläufe nicht zur Gesetzesform.
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§ 1 Einleitung
zesses des StBauFG wird durch die Analyse erkenntlich, dass nicht allein (bau)rechtspolitische Gründe hierhin geführt hatten. Die Wirkungsgeschichte des StBauFG war immer eng verbunden mit Motiven bundesstaatlicher Reform, parteipolitischem Wettbewerb und einer Einbindung in die Konjunkturpolitik der 1970er Jahre. Beiträge zur Entstehungsgeschichte des StBauFG gibt es bereits. An hervorgehobener Stelle wäre dabei das Werk von Kurt Walter zu nennen, der mit der Kenntnis des jahrzehntelang betrauten Fachmannes u. a. eine umfangreiche Arbeit zur Entstehung und Implementation der Städtebauförderung im bundesstaatlichen System geliefert hat. Trotz ihres Umfanges lässt diese (etwas ältere) Schrift jedoch eine Lücke erkennen, die hier geschlossen werden soll. Es ist diesem Beitrag ein besonderes Anliegen, die enge Verbindung der Städtebaupolitik der 1970er Jahre zur keynesianisch motivierten Wirtschaftspolitik ebenjener Epoche herauszuarbeiten und zu betonen. Diese beiden Politiken standen in enger konzeptionierter und auch tatsächlicher Nähe zueinander. So, wie das StBauFG zu seiner Implementation einen tatsächlich „funktionierenden“ kooperativen Föderalismus benötigte, war auch dieser kooperative Föderalismus auf Politikfelder und Staatstätigkeiten angewiesen, die seine konjunkturpolitischen Möglichkeiten zur Entfaltung brachten. Diese engen Wechselwirkungen aufzuzeigen, ist u. a. das Ziel dieser Arbeit. In diesem Sinne soll Abschnitt § 3 die Geschichte des StBauFG als Staatstätigkeit beschreiben. Dabei teilt sich der Abschnitt in zwei Teile auf. Teil A. soll einen theoretischen Zugang anbieten, wie sich das StBauFG in den bundesstaatlichen Aufbau einfügte. Die Rollenverteilungen im Bundesstaat waren durch die Große Finanzverfassungsreform von 1969 zum Teil erheblich modifiziert worden. Unter anderem konnte als Ergebnis festgehalten werden, dass den Kommunen im neuen finanzpolitischen Verbund- und Fördersystem eine wesentliche und erweiterte Funktion zugesprochen wurde. Auch die Wirkungsweisen des StBauFG waren im Verhältnis „zwischen Staat und Stadt“ in ein Bündel verschiedener Funktionsweisen des kooperativen Föderalismus eingebettet. § 3 Teil B. beschreibt die hier als Städtebaupolitik bezeichnete und von Bund und Ländern gemeinsam betriebene Staatstätigkeit empirisch. Sie hatte sich in enger Anbindung an die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik der SPDgeführten Bundesregierung herausgebildet. Die vorliegende Schrift argumentiert im Zentrum damit, dass die Städtebaupolitik der „langen 1970er Jahre“ in besonderem Maße als Vehikel einer konjunkturpolitischen Steuerung zu verstehen war, dabei durch die Maßgabe der Beseitigung „städtebaulicher Missstände“ besonders legitimiert wurde, auf die Städte und Gemeinden zuzugreifen. Aus heutiger Sicht war das StBauFG ein modernes staatliches
§ 1 Einleitung15
Planungs- und Leistungsprogramm. Es hat geschafft, mehrere Intentionen und Zielsetzungen unterschiedlicher politischer Ebenen im Politikfeld Städtebau zu integrieren. Teil B. interpretiert das StBauFG und seine Implementation als neue, zentrale Institution eines Politikfelds im politikwissenschaftlichen Sinne.5 Das Zusammentreffen von städtebaulichen Sanierungsvorhaben, die Möglichkeiten zur staatlichen Mischfinanzierung und eine Wirtschafts politik der „Globalsteuerung durch Konjunkturprogramme“ leisteten einen Beitrag, der in dieser Ära zur „Handschrift“ wurde. Damit wird die zweite offene Forschungsfrage angesprochen, die dieser Beitrag sieht und zu ihr beitragen will. In der bisherigen Literatur fehlt es – mit Blick auf das StBauFG – an der inhaltlichen Verbindung zwischen den staatlich geführten und beeinflussten Politiken im Bereich des Städtebaus und der Rolle der Kommunen zu deren Umsetzung. Dies gilt nicht nur für bereits zitierte Arbeit von Walter. Selbst die wohl einflussreichste Studie der deutschen Implementationsforschung widmete sich der Politikverflechtung von Bund und Ländern, ohne dabei die Rollenfindung und -wahrnehmung der kommunalen Ebene ausreichend zu würdigen.6 Dies erstaunt umso mehr, als die staatliche Seite durch Programme tätig wurde, die auf gezielte, (richtig) geplante und (in ihrem Sinn) gesteuerte Ergebnisse seitens der Kommunalverwaltungen angewiesen waren. Die so skizzierte Lücke und offene Forschungsfrage ist aus kommunalwissenschaftlicher Sicht kein Novum. Beiträge und Ergebnisse, die sich im Speziellen dem Zugang zu lokalen Forschungsfragen widmen, gibt es natürlich in nicht zu überschauender Fülle. Es muss aber festgehalten werden, dass Forschungsbeiträge, die sich nicht nur inhaltlich den Gemeinden zuwenden, sondern ihre Fragestellung auch im Kontext zum Bund und den Ländern interpretieren, leider eine immer noch nachgeordnete Stellung einnehmen.7 Mit Blick auf das StBauFG war dies besonders erstaunlich, weil sich durch dieses Gesetz „staatliche Politik“ überhaupt erstmals legitimiert einem Thema widmen konnte, das mit der städtebaulichen Beplanung und Gestaltung bis
5 Mit zahlreichen Aspekten: Göhler, als Definition z. B. S. 29: „Politische Institutionen sind Regelsysteme der Herstellung und Durchführung verbindlicher, gesamtgesellschaftlich relevanter Entscheidungen und Instanzen der symbolischen Darstellung von Orientierungsleistungen einer Gesellschaft.“ – Als Ansatz zur wissenschaftlichen Herangehensweise vgl. Grunow (Kap. 2.2.2, 2.3.2). 6 Selbstverständlich muss festgehalten werden, dass dies der Forschungsrichtung und -fragestellung der Gruppe um Scharpf/Reissert/Schnabel geschuldet war, die erklärtermaßen auf das Verhältnis von Bund und Ländern fokussiert waren. 7 Im Bereich der Städtebau- und Stadtentwicklungspolitik z. B. die Studie von Schneider (1997), die trotz der Zusammenführung verschiedener Fallstudien keinen systematischen Bezug zu den politischen Systemen in Bund und Ländern herstellt.
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§ 1 Einleitung
dato als Kernausdruck und „Hoheitsgebiet“ kommunaler Selbstverwaltungspolitik galt. Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Kommunen als Umsetzungsebene des StBauFG war jedenfalls unstrittig, eindeutig und von Anbeginn so konzipiert. Dennoch ließ das Zusammenwirken von Städtebau- und Konjunkturpolitik nach Inkrafttreten des StBauFG ein spürbares Spannungsfeld zwischen Bund, Ländern und Kommunen zutage treten. Für die kommunale Ebene wurde bedeutsam, wie sich das StBauFG in den Aufgabenkanon des „lokalen Regierens“ (Bernhard Blanke) einfügte. Daher befasst sich der Abschnitt § 4 „im Besonderen“ mit der Darstellung der Rolle und den Interessen der Gemeinden in der Umsetzung des Gesetzes. Aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht ist dieser Schwerpunkt auch der Tatsache geschuldet, dass die materiellen „Umsetzungsbühnen“ des StBauFG notwendigerweise im lokalen Raum liegen mussten. Das Gesetz hätte von keiner anderen administrativen Ebene, weder den Ländern noch gar dem Bund, effektiv umgesetzt werden können. Zunächst ist insofern interessant, wie sich die städtebauliche Sanierung in den Kommunen als Thema und Aufgabe manifestierte, was städtebauliche Missstände als Kerntatbestand des StBauFG überhaupt ausmachten. Wie sich zeigen sollte, hielten die Themen und Aufgaben innerhalb ihrer funktionellen Fragestellung ein besonders breites und (im zeitlichen Ablauf) flexibles, ja wandelbares Spektrum bereit, das zur Funktionsvoraussetzung der Gesetzesimplementation wurde (§ 4. A.I.). „Städtebauliche Missstände“ waren als Ausgangspunkt der Handlungsverpflichtung für die Gemeinden zu sehen und die Legitimation für den öffentlichen Eingriff in Privateigentum und gewachsene Stadtstrukturen. Das zweite große Kapitel des Teils § 4 A. widmet sich daher ausgewählten Instru menten und Möglichkeiten der Kommunen zur Behebung „städtebaulicher Missstände“. Aus wissenschaftlicher Sicht wird die Frage aufgegriffen, ob die Handlungsspielräume der kommunalen Ebene in der Umsetzung des StBauFG erkennbar „zunahmen“ oder eher „abnahmen“. Damals wie heute war es populär, in den Kommunen eine dritte und „vernachlässigte“ staat liche Ebene zu entdecken, die weder über originäre Gesetzgebungs- noch Finanzfindungskompetenzen verfügt(e). Die vorliegende Arbeit teilt ein anderes Grundverständnis und kann anhand der hier untersuchten Gegenstände aufweisen, dass die kommunale Ebene über besonders wichtige Ressourcen, mithin Kernbestandteile des „lokalen Regierens“ in einem Bundesstaat verfügte, der aus zwei staatlichen, aber drei administrativen Ebenen bestand (und besteht): die materiellen, formellen und informellen Ressourcen und Chiffres der Gesetzesimplementation. Die Rückschau im Überblick und mit besonderer kommunaler Forschungsperspektive kann aufzeigen, wie geeignet das StBauFG als Programm letzt-
§ 1 Einleitung17
endlich war, unterschiedlichste Ansätze und Lösungen im Städtebau hervorzubringen und zu bewältigen. Dadurch wurden die Interessen der staatlichen und kommunalen Ebene miteinander verzahnt und gekoppelt. Im Teil § 4 B. versucht die vorliegende Arbeit daher zusammenfassend empirische Merkmale und Handlungsmuster herauszuarbeiten, die aus der Entscheidung des Gesetzes für die Kommunen als Umsetzungsebene des StBauFG erkennbar wurden. Dabei geht es nicht darum, sämtliche identifizierbaren Prozesse innerhalb des Politikfeldes „kommunale Städtebaupolitik“ zu erfassen. Ziel und Aufgabe ist hier zu untermauern, dass der kommunale Handlungsspielraum durch die Instrumente und Möglichkeiten des StBauFG insgesamt und entgegen überlieferten Annahmen zunahm. Er war dergestalt flexibel, dass Gemeinden adaptive Implementationsstrategien in ihrer Umsetzung entwickeln konnten. Quasi als Rückkopplung zum § 3 wird daher die Einbindung der Kommunen in ein Modell des kooperativen Föderalismus interpretiert, nunmehr jedoch aus der Blickrichtung der Kommunen auf „den Staat“. Das StBauFG ist bereits zeitgenössisch ein weit beachtetes Politikfeld gewesen; dies galt sowohl für seine Entstehung, die ersten Jahre seiner Umsetzung und darüber hinaus angesichts einer sehr breit aufgestellten Implementations- und Wirkungsforschung durch das zuständige Bundesministerium. Schwerpunktmäßig wird hier die zur Zeit der Implementation (und kurz darüber hinausreichende) wesentliche Literatur zum StBauFG herangezogen und ausgewertet. Auffällig ist, dass in politikwissenschaftlichen Zugängen zum ambivalenten Verhältnis vom „Staat zur Stadt“ oder „von der Stadt zum Staat“ je nach Forschungsfrage, -richtung und auch dem zeitlichen Zusammenhang deutliche Wissenschaftskonjunkturen erkennbar waren. Als integrativer Teil von Stadtpolitik, also im Schwerpunkt mit einer kommunalpolitischen Zielrichtung, wurde Städtebauförderung in den 1970er und 1980er Jahren auch von der „freien“ Forschung intensiv bearbeitet;8 ab den 1990er Jahren9 überwog eher wieder die staatliche Perspektive, auch bedingt durch die deutsche Wiedervereinigung.10 Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Fülle an Sekundärliteratur zum Thema Städtebau ausgesprochen groß ist und für das hier bearbeitete Forschungsfeld als sehr gut bezeichnet werden kann. Das Hauptinteresse dieser Arbeit ist es, einen grundsätzlichen Blick auf eine wichtige Gesetzgebung und Staatstätigkeit in einer Zeit zu werfen, die 8 Die Themen- und Problemfelder der „Stadtpolitik in den 80er Jahren“ illustriert der Sammelband von Hesse/Wollmann. 9 Die Sammelbände von Blanke und Heinelt/Wollmann interpretiert diese Arbeit als Übergang in die 1990er bzw. als „wissenschaftlichen Abschluss“ der 1980er Jahre. 10 Vgl. den Sammelband von Huhn/Witt. Für die kommunale Perspektive darin: Oebbecke, S. 185 ff., insbes. S. 195 ff. („Linien der Kommunalverfassungspolitik“ usw.).
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§ 1 Einleitung
für das Verständnis des modernen Industrie-, Planungs- und Leistungsstaates eine nachhaltige Rolle gespielt hat. Sie ist keine Studie, mit also einem konkreten Analyse- oder Vergleichsauftrag. Die Herangehensweise als Überblicksdarstellung, die die Wirkungsweisen des StBauFG zeit seines Bestehens untersucht, bringt wichtige Entscheidungen und auch Abgrenzungen hinsichtlich des Forschungszuschnittes mit sich, die kurz begründet sein wollen: Verzichtet wird hier auf eine Darstellung von Fallbeispielen oder Fall untersuchungen. Aus wissenschaftlicher Perspektive wäre eine solche Einbeziehung gerechtfertigt, wenn diese Arbeit Beiträge zu konkreten Lösungen, Problemen aktueller administrativer Arbeit leisten und/oder den gezielten Vergleich über lokal gefundene politische Lösungen herausarbeiten sollte. Dieser Ansatz liegt der Arbeit wie erklärt nicht zugrunde. Ebenfalls wird von dieser Arbeit nicht beabsichtigt, einen empirischen Gesamtüberblick aufzubauen. Dies wäre für den Geltungsbereich des StBauFG in der Bundesrepublik um „ein Vielfaches unmöglicher“, als es schon für eine Einzelfallstudie nicht zu erbringen wäre. Die inhaltliche und finanzielle Bandbreite von Sanierungsvorhaben war außerordentlich hoch und hat instrumentell-deskriptiv kaum vergleichbare, kommunale Sanierungsszenarien hervorgebracht – von der Kleinstadt in Grenz- oder Küstennähe bis hin zur westdeutschen Ruhrgebiets-Großstadt. Schon der Ansatz einer solchen Zusammenstellung wäre ohne wissenschaftlichen Wert, weil sie an nicht vergleichbaren Maßstäben scheitern müsste. Der Intention dieser Arbeit entspricht es vielmehr, eine erkenntnisorientierte „Klammer“ zwischen den Leistungen und Aspekten der staatlichen und der kommunalen Ebene in der Umsetzung des StBauFG zu ziehen. Anders ausgedrückt: Es geht eher um die Verortung eines Politikfeldes „zwischen Staat und Kommune“, weniger um die Untersuchung einzelner städtebau- oder stadtentwicklungspolitischer Probleme. In der Zusammenfassung wird auf die detaillierte Untersuchung der Fallgruppe der städtebaulichen „Entwicklungsmaßnahmen“ gem. §§ 1 Abs. 3, 53 ff. StBauFG verzichtet. Obwohl sie ein den Sanierungsvorhaben gleichwertiger Anwendungsfall des Gesetzes waren, sprachen mehrere Gründe für den Verzicht: –– In rein quantitativer Hinsicht fielen die Entwicklungsmaßnahmen weit hinter die Anwendung der Sanierungsmaßnahmen und entsprachen in ihrer Zahl zu keiner Zeit den Erwartungen der Gesetzgebungsarbeiten;11 –– In dieser Konsequenz wurde der Bereich der Entwicklungsmaßnahmen gem. StBauFG wurde nur noch als „Bestandsschutz“ in das neue BauGB 1986 übernommen. Mit Blick auf die historischen Leistungen des StBauFG hatte dieser Strang des Gesetzes keine „Anschlusslösungen“ mehr hervor11 Vgl.
Städebauförderung (1982), Kap. III.4, sowie Anhang 1 (S. 293 ff.).
§ 1 Einleitung19
gebracht, „da die Zeit der Trabantenstädte und der großflächigen Ausweisungen neuer Baugebiete im Außenbereich vorbei“ war.12 Bis heute verzichtet die Stadtentwicklungspolitik auf die Schaffung neuer Orte oder Siedlungseinheiten und es steht aktuell nicht zu erwarten, dass diese planerische Perspektive wieder Belang erreichen könnte; –– Der kommunale Handlungsspielraum war in der Umsetzung von Entwicklungsmaßnahmen deutlich relativiert. Erstens mussten sie sich in die Ziele der Raumordnung und Landesplanung einordnen (§ 1 Abs. 3 StBauFG), und zweitens waren es die Landesregierungen, die Entwicklungsmaßnahmen „durch Rechtsverordnung förmlich als städtebaulichen Entwicklungsbereich“ festlegten (§ 53 Abs. 1 StBauFG). Die Zusammenschau dieser Gründe hat letztlich den Ausschlag gegeben, die Anwendungsgruppe der Entwicklungsmaßnahmen nicht mit eigenen Untersuchungen und Bewertungen zu berücksichtigen, was den Umfang der Arbeit zudem noch einmal erheblich erweitert hätte. Vor dem Hintergrund, dass etliche der hier untersuchten kommunalen Instrumente und Möglichkeiten für Sanierungs- wie Entwicklungsmaßnahmen grundsätzlich gleichermaßen galten und angewandt werden konnten, schien diese Entscheidung vertretbar. Eher noch wäre es interessant, eine gesonderte Untersuchung für den Bereich der Entwicklungsmaßnahmen durchzuführen, die deren Rolle in der Umsetzung des StBauFG angemessen und auch mit den spezifischen Voraussetzungen würdigt, insbesondere die Einbindung in den Planungs- und Rechtsbereich der Landesraumordnungen. Dies gilt nicht zuletzt vor der oben aufgeführten Überlegung, dass in der Zukunft neue politisch-staatliche Kataloge von Gemeinschaftsaufgaben oder Investitionshilfen zu erwarten sind, für die ebenfalls darüber entschieden werden muss, ob sie administrativ eher regional und durch „das Land“ bewältigt werden sollen oder eher lokal und damit durch das bewährte Umsetzungsregime in „den Kommunen“ bzw. ihren Zusammenschlüssen. Ein solch eigenständiger Ansatz indes hätte für die vorliegende Arbeit ein weiteres Politikfeld bzw. Rechtsgebiet erschließen müssen und sich damit im Ergebnis zu sehr von den oben umrissenen Kernfragestellungen entfernt. Es bleibt daher nur dieser Einleitung überlassen, den Hinweis zu geben, dass eine gesonderte Untersuchung zu den Entwicklungsmaßnahmen nach StBauFG noch einmal anders gelagerte, wertvolle Erkenntnisse liefern könnte.
12 Vgl. BT-Drs. 10/4630 (Entwurf der Bundesregierung zum Baugesetzbuch), S. 50.
§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG): Gesetzgebungsprozess, Verabschiedung des Gesetzes 1971, wesentliche Inhalte und Funktionsweisen, Nachgeschichte A. Entwürfe zum Städtebauförderungsgesetz 1965 und 1966 I. Motive der Städtebaupolitik Bevor es zu ersten systematischen rechtspolitischen Arbeiten zur Schaffung eines Gesetzes kam, die sich der Kodifizierung des Städtebaurechtes widmeten, dominierte in der unmittelbaren Nachkriegszeit und dem Gründungsjahrzehnt der Bundesrepublik Deutschland die quantitative Bewältigung der Schäden, die der deutsche Wohnungsbestand und die Städte im Zweiten Weltkrieg erlitten hatten. Der Aufbau der Großstädte und die Unterbringung von Kriegsopfern, Vertriebenen und Flüchtlingen waren die zentralen Herausforderungen der 1950er Jahre und Aufgaben, die sich in ihrer Zahl an Millionenhöhen orientierten. Neben die Bewältigung der wohnungspolitisch größten Not und eine umfassende Aufbauleistung traten in der Wohnungsbaugesetzgebung der 1950er Jahre allmählich die Ziele der Vermögensbildung und der qualitativen besseren Versorgung in den Vordergrund. Die Förderung des Wohneigentums für ein „gesundes Familienleben“ war als politisches und kulturelles Leitbild bis zum Beginn der sechziger Jahre fest etabliert. Ausdruck dieser Zielsetzungen – die nicht zuletzt auch einer familien- und damit sozialpolitischen Intention folgten – war das 1956 erlassene II. Wohnungsbaugesetz, die fast vierzig Jahre gültige „Magna Charta“ der deutschen Wohnungsbaupolitik.1 Ab Anfang der sechziger Jahre war mit der Modernisierung der Stadtstruktur und des Wohnens ein Wandel der Ziele und Aufgaben der bisherigen Politiken festzustellen. Die Bundesrepublik Deutschland hatte seit ihrer Gründung und sozusagen in komprimierten eineinhalb Jahrzehnten die Entwicklung vom Nachkriegsdeutschland zu einer entwickelten „westlichen“ Industriegesellschaft vollzogen. Städtebau und die Raumordnungspolitik etablierten sich im Diskurs als neue Betätigungsfelder. Ein weithin gefasstes 1 Vgl.
Kornemann u. von Beyme (1999), S. 108.
A. Entwürfe zum Städtebauförderungsgesetz 1965 und 196621
Denken in räumlicher Expansion fand seinen Ausdruck in Planungen für Flächensanierungen und Großsiedlungsbauten. Sie gingen einher mit der Hochkonjunktur des „deutschen Wirtschaftswunders“ und umfassend neuen Aufgaben, die an den Infrastruktur schaffenden Staat herangetragen wurden. Etliche stadtentwicklungspolitische Impulse beruhten nicht zuletzt darauf, dass sich die quantitativ orientierte Baupolitik des Nachkriegs-Wohnungsbaus nun einer Trendwende näherte und sich der Blick zunehmend auf die bislang unberührten „Alt“-Städte richtete. Sie waren in Teilen zu kurzfristigen Renditeobjekten verkommen, in denen auf Grund jahrzehntelanger „Wohnungszwangswirtschaft und damit verbundener Mietbegrenzung nahezu alle notwendigen Erhaltungs- und Erneuerungsinvestitionen unterlassen worden […]“ waren.2 Die Viertel der alten Städte führten in ihrer baulichen Substanz, sozialen Zusammensetzung und ihren wirtschaftlichen Funktionen oftmals eine Entwicklung abseits der suburbanen westdeutschen Prosperitätsschübe und entwickelten damit eine sozialpolitische Dimension. Doch die gesetzlichen Regelungen entsprachen bis in die Mitte der 1960er Jahre sowohl dem Geist der „Wirtschaftswunderjahre“ als auch konservativ geprägten Leitbildern. Flächendeckend entstanden in Westdeutschland suburbane und Eigenheimsiedlungen. Diese Entwicklung wurde im Städtebau bericht von 19693 als „Bebauung der Randzonen insbesondere der Groß-, Mittel- und Kleinstädte“ bezeichnet: „Maßgebend waren hierfür neben dem Wunsch nach besseren Umweltverhältnissen und den niedrigen Bodenpreisen in den Randzonen auch die staatliche Wohnungsbauförderungspolitik.“ Bereits zu dieser Zeit wurde punktgenau analysiert, dass die Besiedelung und Zersiedelung der städtischen Randbereiche nicht nur enorm teuer war, was zumindest die Folgekosten der öffentlichen Erschließung betraf. Die Angewiesenheit der Lebensführung auf ein Kraftfahrzeug und ausgeprägte Pendlerbewegungen in verdichteten Räumen verdeutlichten, dass die bis dahin verfolgten städtebaulichen Ziele und Leitbilder selbstgeschaffene Grenzen erkennen ließen. Ab Mitte der 1960er Jahre wurde den Handelnden und Verantwortlichen auf allen Ebenen bewusst, dass sich die städtebaulich aufdrängenden Fragen nicht allein durch wirtschaftliches Wachstum außerhalb der Altstädte und motorisierte Mobilität allein lösen würden, sondern für die bestehenden Innenstädte neue städtebauliche Leitbilder entwickelt werden mussten. An diesem Entwicklungsschritt angelangt, konnten für die Ausgestaltung der späteren Städtebaupolitik zwei „Motivblöcke“ als besonders bedeutend angesehen werden, die nachfolgend kurz skizziert werden sollen: die Einbindung 2 Vgl. 3 S.
Scharpf/Reissert/Schnabel, S. 158. Städtebaubericht 1969, S. 36 f.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
von Bau- (und späterer Städtebau)politik in die Konjunkturpolitik auf Bundesebene und die Massenautomobilisierung der westdeutschen Gesellschaft. Die Einbindung von Bauinvestitionen in entstehende konjukturpolitische Vorstellungen einer „Globalsteuerung“ der westdeutschen Wirtschaft soll als eine erste wesentliche Grundlage für die Entstehung der Städtebaupolitik vorgestellt werden. In den Jahren 1965 und 1966 erlebte die Bundesrepublik Deutschland ihre erste wirtschaftliche Rezessionsphase, die vom Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser als Ende der Nachkriegszeit in der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland bezeichnet wurde: „Das Ende der Rekonstruktionsperiode […] brachte nicht nur einen wirtschaftlichen Rückschlag, sondern vor allem auch eine Krise der bis dahin die westdeutsche Gesellschaft kennzeichnenden Konsenspolitik mit sich. Die stetige Zunahme des Wohlstandes allein – die mit der Rezession von 1966 nur kurzfristig unterbrochen wurde – genügte nicht mehr, um die Übereinstimmung der großen gesellschaftlichen Kräfte in den Grundfragen der Wirtschafts- und Sozial politik zu sichern. Fragen der Einkommens- und Vermögensverteilung, der Mitbestimmung und der gesellschaftlichen Chancengleichheit rückten in den Vordergrund der Auseinandersetzung.“4 Die Rezession der Jahre 1965/66 hatte aber auch recht konkrete Auswirkungen auf die Bauindustrie. So hielt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten von 1966 fest: „Besonders spürbar hat sich die Restriktionspolitik diesmal auf die Baukonjunktur ausgewirkt. Wie man an den Baugenehmigungen für Hochbauten und den Auftragsvergaben im Tiefbau sehen kann, geht die Nachfrage seit dem Frühjahr 1966 zurück, besonders stark die Nachfrage der öffentlichen Hand. Obwohl die Bauwirtschaft im Hochbau noch immer über Auftragsreserven verfügt, hat sie ihre Produktion im Laufe des Jahres mehr und mehr der veränderten Nachfragesituation angepaßt. Diese Entwicklung der Bauinvestitionen zeigt einen weiteren Unterschied zur entsprechenden Phase des vorigen Zyklus an. Anders als damals haben die Ausgaben für Bauinvestitionen seit Mitte 1965 weniger stark zugenommen als die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Im Gegensatz zu damals gehen gegenwärtig von ihnen keine konjunkturstützenden Impulse aus.“5
Seit dem Dezember 1966 wurde die Bundesregierung von einer Großen Koalition getragen. Ihre Arbeit war von einer rezessionsbestimmten Wirtschaftspolitik geprägt; die Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte war angespannt und es zeichneten sich sozialpolitische Einschnitte sowie die Rückführung von Subventionen ab. Auch „[W]ohnungs- und städtebauliche Maßnahmen waren unmittelbar an die ökonomischen und haushaltspoliti4 Vgl. 5 S.
Abelshauser, S. 288 ff. BT-Drs. V/1160, S. 17.
A. Entwürfe zum Städtebauförderungsgesetz 1965 und 196623
schen Rahmenbedingungen gekoppelt“6 und standen vorerst unter Vorbehalt. Das zu diesem Zeitpunkt von der Bundesregierung „eher zu niedrig“ auf 50 Mrd. DM geschätzte Volumen der kommenden Städtebauförderung7 dürfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass sich der Bundesrat in ersten Stellungnahmen 1965 und 1966 ausgesprochen skeptisch zum Städtebauförderungsgesetz äußerte. Angesichts des konjunkturell unsicheren Umfelds, welches sich nach seiner Auffassung in den öffentlichen Finanzen widerspiegelte, empfahl er der Bundesregierung, den Gesetzentwurf zunächst nicht in den Deutschen Bundestag einzubringen.8 Die Große Koalition fasste angesichts der ersten Rezessionserfahrungen der Bundesrepublik und des sehr wohl erkannten Wechsels von der wirtschaftspolitischen Übergangsphase der Nachkriegszeit hin zu einem Gesamtkurs, der denen anderer westlicher Volkswirtschaften vergleichbar war, „diejenigen Instrumente, die nach dem heutigen Stande der Wissenschaft und den praktischen Bedürfnissen der Wirtschaftspolitik angemessen und erforderlich sind“ in einem Gesetzentwurf zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität9 zusammen. Nach Auskunft der Bundesregierung handelte es sich dabei im Kern „um eine straffere Koordination der Finanzpolitik auf allen Ebenen der staatlichen Verwaltung und ihre Absicherung durch Maßnahmen, die den privaten Sektor der Wirtschaft berühren.“10 Zu den Grundzügen der beabsichtigten Gesetzgebung führte die initiierende Bundesregierung u. a. aus: „Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß der Erfolg der konjunktursteuernden Wirtschaftspolitik am ehesten zu erwarten ist, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage an ihren Quellen erfaßt wird. […] 1.b) Die Bedeutung der öffentlichen Haushalte für den Wirtschaftsablauf insgesamt und besonders für die Investitionstätigkeit – hier wieder speziell für die Bauinvestitionen – geht aus den folgenden Schlüsselzahlen hervor, die den Verhältnissen des Jahres 1965 entsprechen: – Verhältnis der gesamten öffentlichen Ausgaben zum Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen … 39,3 v. H. – Anteil des Staatsverbrauchs am Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen … 15,6 v. H. – Anteil der öffentlichen Haushalte an den Bruttoanlageinvestitionen … 16,9 v. H. – Anteil der öffentlichen Haushalte an den Bauinvestitionen … 28,9 v. H. 6 Vgl.
Harlander/Kuhn, S. 865. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 4. Wahlperiode, 127. Sitzung. Bonn, 27.5.1964, S. 6161. 8 Vgl. Bericht über die 294. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.5.1966, Stenographischer Bericht, S. 70 (B). 9 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes und Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität, BT-Drs. V/890, S. 8; vgl. von Kieseritzky, S. 23–26. 10 S. BT-Drs. V/890, S. 8. 7 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Diesen Gegebenheiten entsprechend kann sich die Steuerung der öffentlichen Investitionen nicht auf diejenigen des Bundeshaushalts beschränken, sondern muß alle öffentlichen Haushalte erfassen. Von den Sachinvestitionen der öffentlichen Hand entfallen etwa zwei Drittel allein auf die Gemeinden und Gemeindeverbände, während sich das restliche Drittel auf den Bund und die Länder verteilt. Von den ‚eigenfinanzierten Ausgaben‘ für Investitionen (Sach- und finanzielle Investitionen, bereinigt von Doppelzählungen), die 1963 etwa 28 Mrd. DM betragen haben, entfielen rd. 26,5 % auf den Bund, 36,5 % auf die Länder und 37 % auf die Gemeinden. Aus dieser Verteilung ergibt sich, daß eine Investitionssteuerung durch den Bund allein keine ausreichende Wirkung auf den gesamtwirtschaftlichen Ablauf zeitigen könnte.“11
Diese Einschätzung der Bundesregierung war parallel zu den Ausarbeitungen der Kommission für die Finanzreform von 196612 zu lesen und zu verstehen und unterstrich, welchen Stellenwert die Bundespolitik den Bauinvestitionen der öffentlichen Haushalte für die Volkswirtschaft der Bundesrepu blik zumaß. Öffentliche Bauinvestitionen und damit auch der in der damaligen Diskussion befindliche Städtebau spielten eine der wichtigsten Rollen in den mittelfristigen konjunkturpolitischen Überlegungen der Bundesregierung. Sie wurden in ihren Wirkungen konsequent als Gesamtniveau aus Teilen des Bundes, der Länder und der Gemeinden als „öffentlicher Hand“ gesehen.13 Diese Gewichtung musste eine besondere Rückwirkung auf jene Ausgestaltung haben, welche das künftige Städtebauförderungsgesetz bezüglich seiner Finanzierung durch die drei Ebenen im Staatsaufbau der Bundesrepublik finden musste. Oder anders ausgedrückt: der Entstehungsprozess des Städtebauförderungsgesetzes blieb bis 1970 u. a. auch im Entwurfsstadium stehen, weil es integraler und gezielter Bestandteil makro-ökonomischer Konzeptionen der Bundesregierung werden sollte, und diese bis dahin aber noch in Verhandlungen standen und ungelöste politische Planungen waren. Die zweite wesentliche, oben bereits angedeutete Grundlage zur Entstehung der westdeutschen Städtebauförderung war die Massenautomobilisierung Deutschlands seit der Mitte der 1950er Jahre bzw. die Entwicklung einer „zukunfts“weisenden Verkehrspolitik. Hierzu lag der Bundesregierung seit Mitte der 1960er Jahre ein Bericht „von großer verkehrspolitischer Bedeutung vor“,14 nämlich der Bericht der Sachverständigenkommission über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse 11 S. BT-Drs. V/890, S. 9 (Hervorhebungen n. i. Orig., U.K.). Einige Zeilen später noch einmal bekräftigend: „In gefährlichen Phasen der Konjunkturentwicklung wird daher auch die private Investitionstätigkeit in die Politik zur Sicherung des gleichgewichtigen Wirtschaftswachstums einzubeziehen sein […].“ 12 Vgl. u. Kap. § 3 A.I. 13 Vgl. Hesse/Ellwein, S. 77 ff. 14 Vgl. BT-Drs. IV/2661, S. 1–231. Das Zitat entstammt dem Anschreiben von Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm zur genannten BT-Drucksache.
A. Entwürfe zum Städtebauförderungsgesetz 1965 und 196625
der Gemeinden. Der Arbeit dieser Kommission lag u. a. der gesetzliche Auftrag zugrunde, zu prüfen, „welche Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden unter dem Gesichtspunkt einer gesunden Raumordnung und eines neuzeitlichen Städtebaues erforderlich“ waren.15 Ihre Ergebnisse jedenfalls begannen mit einem beeindruckenden Befund und einer beachtlichen Prognose: „In der Bundesrepublik Deutschland ist die Zahl der Personenkraftwagen vom Jahre 1953 bis zum Jahre 1963 von 989.000 auf 6.613.800, also rund auf das 6 ½-fache angestiegen. Demgegenüber ist die Zahl der Krafträder um mehr als die Hälfte zurückgegangen. […] Der Bestand an Liefer- und Lastkraftwagen hat in der gleichen Zeit zwar nur um mehr als die Hälfte zugenommen; sie treten jedoch durch ihre Verkehrsintensität und die Beanspruchung der Straße im Gesamtbild wesentlich stärker in Erscheinung. […] Man kann davon ausgehen, daß der Bestand an Personenkraftwagen sich gegenüber dem Jahre 1960 bis zum Jahre 1965 etwa verdoppeln und bis zum Jahre 1980 vervierfachen wird. Die Schätzung für das Jahr 1965 wird durch die Entwicklung bis zum gegenwärtigen Stande bestätigt. Die Folgeerscheinungen im Verkehr der Gemeinden werden jedoch unter den örtlichen und regionalen Gegebenheiten sehr verschieden sein. Einige deutsche Großstädte rechnen in ihrer Planung bereits mit einem zukünftigen Motorisierungsgrad von 2,3 bis 3 Einwohnern je Kraftfahrzeug.“16
Die „Grundgedanken zum Verkehr in den Gemeinden“ sprachen vom „Verkehrsnotstand“ und der Überlastung der Straßen durch Kraftfahrzeuge, welcher sich besonders in kommunalen und regionalen Verflechtungen niedergeschlagen habe. Bereits 1964 jedoch formulierte die Sachverständigenkommission, dass die „Schwierigkeiten auf dem Gebiet des Verkehrs […] ihre Ursachen nicht allein im Verkehrswesen selbst [haben]“, sie seien „vielmehr zum großen Teil eine Folge tiefgreifender Strukturveränderungen in der modernen Wirtschaft und in den Siedlungsformen der heutigen Gesellschaft.“17 Die „Brennpunkte des Verkehrs“ verortete die Kommission dabei in den Städten und Ballungsgebieten. Stets ist die Arbeit umfangreicher Gremien wie auch dieser Sachverständigenkommission, der 23 Vertreter aus öffentlicher Verwaltung, Wissenschaft und (öffentlichen) Unternehmen angehörten, von konsensualer Bestandsaufnahme und Lösungsvorschlägen geprägt. Erstaunlich ist vielmehr, dass sich 15 Vgl.
BT-Drs. IV/2661, S. 6. BT-Drs. IV/2661, S. 9. Der Motorisierungsgrad der Bundesrepublik Deutschland (ohne Berlin) wurde zu dieser Zeit und an derselben Stelle des Berichtes mit durchschnittlich 8 Einwohnern je Personenkraftwagen ermittelt. Nur zum Vergleich: der Bestand an Personenkraftwagen wurde vom Kraftfahrtbundesamt mit Stand 1.1.2021 mit 48,2 Mio. angegeben. 17 Vgl. BT-Drs. IV/2661, S. 10. 16 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
einige Passagen bereits zu diesem Zeitpunkt der Veröffentlichung wie eine Vorwegnahme der Entwicklungen und Konflikte lasen, die den Städtebau zu Beginn der siebziger Jahre prägen sollten: „Die Anpassung an die Erfordernisse des Verkehrs wird in Deutschland […] dadurch erschwert, daß die Städte […] über lange Zeiträume zu ihrer heutigen Gestalt gewachsen sind. Sie können den modernen Verkehr nur unter schweren Eingriffen in ihr kompliziertes Gefüge aufnehmen. Auch der zum größten Teil schon abgeschlossene Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadtteile konnte aus vielen Gründen den Erfordernissen der Verkehrsentwicklung nicht ausreichend Rechnung tragen. Allzu harte Eingriffe in dieses Gefüge können nicht nur das individuelle Stadtbild zerstören, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Stadtorganismus gefährden. Ferner gibt der Verlust eines großen Teils der wertvollen alten Stadtbilder gerade in Deutschland besondere Veranlassung, erhalten gebliebene historische Werte zu schützen und zu pflegen. Der Ausbau der Verkehrsanlagen ist in vielen Fällen mit der Stadterneuerung zu verbinden. Beide Maßnahmen sind dann aufeinander abzustimmen. Bei solchen Stadterneuerungen und in neuen Städten und Stadtteilen kann die planmäßige Berücksichtigung des modernen Verkehrs wesentlich zu zeitgemäßen städtebaulichen Gestaltungen beitragen. Der Verkehr darf jedoch auch in solchen Fällen nicht auf Kosten anderer Funktionen einseitig betont werden. ‚Autogerecht‘ ist nicht eine Stadt, die ausschließlich nach den Bedürfnissen des Kraftfahrzeugverkehrs angelegt ist, sondern eine Stadt, in der die Forderungen und Möglichkeiten des Kraftfahrzeugs in den Zusammenhang einer insgesamt gesunden Stadt eingeordnet sind.“18
Umfangreich widmete sich die Kommission der Antwort auf die erste der beauftragten Fragestellungen: „Wie können durch Maßnahmen der Raumordnung und des Städtebaues die Verkehrsverhältnisse der Gemeinden verbessert, insbesondere die Ballungsgebiete vom Verkehr entlastet werden?“19 Breiten Platz nahmen dabei Erörterungen zum Strukturwandel in Wirtschaft und Berufswelt und damit einhergehend der Gesellschaft und ihrem Bedürfnis nach umfassender und individueller Mobilität ein. Unter dem Gesichtspunkt raumordnerischer Maßnahmen stand die verkehrliche Entlastung der westdeutschen Ballungsgebiete im Zentrum der Überlegungen. Als eine der möglichen Antworten wurde dabei eine konsequente regionalisierte Planung und Steuerung verflochtener Verkehrsströme erachtet, die sich den Gegebenheiten des modernen Wirtschaftslebens anpassen musste und im Schwerpunkt also die kommunale Planungs- und Handlungsebene ansprach.20 Die Inhalte dieser Überlegungen waren (und sind in gebauter Form auch heute noch) tragend für die Ausgestaltung der Verkehrswege in den deut18 Vgl.
BT-Drs. IV/2661, S. 10 f. BT-Drs. IV/2661, S. 13. 20 Vgl. BT-Drs. IV/2661, S. 19 ff. 19 Vgl.
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schen Städten und Gemeinden und orientieren sich grundsätzlich an Verkehrserfordernissen des Pendelverkehrs in die Innenstädte hinein. Es war, wie der Kommissionsbericht es formulierte, eines der „wesentlichsten Kriterien für die gesamten räumlichen Zusammenhänge von Siedlung und Wirtschaft“, Individualverkehr aus dem Umland in den städtischen Raum hinein zu lenken.21 Klar war damit: Der „Siedlungsorganismus städtischer Prägung in seiner Gesamtheit“ musste sich verändern, nicht zuletzt in seiner baulichen Gestalt und Form. Es stand also die Frage im Raum, auf welchen konkreten Grundstücken sich die beobachteten und in vielfacher Menge prognostizierten Verkehrsströme ihren Raum suchen sollten. Die Antwort hierauf lieferte der Kommissionsbericht von 1964 sogleich mit, und es sollte keine zehn Jahre später zur Verwirklichung dieser Legierung von Städtebaupolitik und zu planender und geplanter Verkehrsführung in den Städten und Gemeinden kommen: „Baulichkeiten aller Art können den Verkehr dadurch behindern, daß sie ‚im Wege‘ stehen, Straßen verengen und unübersichtlich machen. Solche Behinderung kann sich auf einzelne Straßenzüge beschränken, aber auch auf Ortsteile und Stadtviertel, insbesondere auf die Altstädte als Ortszentren Auswirkungen haben.“22 Daraus leitete die Kommission städtebauliche Empfehlungen ab, die von der Analyse geleitet waren, dass die „städtebauliche Aufnahmefähigkeit der Kerngebiete“ insgesamt schließlich „von der Leistungsfähigkeit des innerstädtischen Straßennetzes und vom Umfang der verfügbaren Parkflächen abhängig“ waren.23 Dies war in der Zusammenschau nichts anderes als der wissenschaftlich begründete Aufruf, dem unaufhaltsam steigenden Verkehrsaufkommen entsprechende Einfallschneisen in den Baubestand der deutschen Städte zu ermöglichen. Aus heutiger Sicht ist es mehr als auffällig, mit welch programmatischer Genauigkeit ein Abschlussbericht zur „Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden“ vorwegnahm, wie sich Städtebauförderungspolitik im Folgejahrzehnt konkret äußern sollte. Im Ergebnis bedeutete dies: Die Entwicklung des Verkehrsaufkommens wie das Aufkommen von Verkehrs(wege)politik überhaupt spielte für die Entstehungsgeschichte und 21 So hieß es auf S. 21 des Berichtes: „Die Gesamtverkehrsplanung muß den ganzen Bereich der Verkehrsverflechtungen erfassen, die den Ablauf der Verkehrsströme maßgebend beeinflussen. Den stärksten und schwierigsten Faktor im Gesamtverkehr der großen Städte und der Ballungsgebiete bilden die periodisch wiederkehrenden Verkehrsströme des werktäglichen Binnen- und Nahverkehrs mit ihren hohen Verkehrsspitzen. […] Von ausschlaggebender Bedeutung für die Abgrenzung des Planungsbereichs für die Gesamtverkehrsplanung in Städten und Ballungsgebieten sind daher die Ziel- und Quellgebiete starker werktäglich ein- und ausflutender Nahverkehrsströme, und zwar nicht nur des Berufspendelverkehrs, sondern auch des Wirtschaftsverkehrs (Güter und Personen).“ 22 S. BT-Drs. IV/2661, S. 24. 23 Vgl. BT-Drs. IV/2661, S. 26.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Wirkungsweise des Städtebauförderungsgesetzes eine kaum zu unterschätzende Rolle.24 So lauteten die Kommissionsempfehlungen zu den Geschäftsund Kerngebieten der Städte: „Folgende Maßnahmen zur städtebaulichen Neuordnung bieten sich an: 1. Sanierung überalterter Kerngebiete und deren verkehrsgerechter Umbau; 2. Umwandlung sanierungsbedürftiger Wohnviertel der Innenstadt in moderne Wohnviertel mit angemessener Wohndichte; 3. Erweiterung der Kerngebiete unter Umwandlung überalterter, aber nicht sanierungsbedürftiger Wohnviertel in Geschäftsgebiete; 4. Schaffung von Fußgänger-Einkaufsstraßen und von Ladestraßen oder Innenhöfen für die Belieferung von Waren- und Geschäftshäusern bei der Sanierung vorhandener und bei der Anlage neuer Geschäftsgebiete; 5. Entwicklung von Geschäftsgebieten in den verschiedenen Stadtteilen zu Nebenzentren; 6. Anlage neuer Geschäftsgebiete in großen Städten; 7. Förderung benachbarter zentraler Orte zweiten Grades; 8. Verlagerung oder Ansiedlung von geeigneten Dienstleistungsbetrieben mit hohem Verkehrsbedürfnis in Erweiterungsflächen der Kerngebiete, in Nebenzentren oder in Zentren zweiten Grades.“25
II. Die Förderung des Städtebaus aus Sicht der Entwürfe 1965/66 Nachdem im vorhergehenden Kapitel einige Ursprünge und Motivlagen für die aufkommende Städtebaupolitik der Bundesrepublik vorgestellt wurden, widmet sich dieses Kapitel der Entstehung des (späteren) Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) im Näheren. Vor dem StBauFG in seiner Form von 1971 standen mehrere „Entwicklungsstufen“ und gesetzgeberische Abfolgen, im Gesetzgebungsprozess durchzogen von Unterbrechungen und inhaltlichen Revisionen. 24 So berichtete Walter (1997) für die spätere Zeit der Implementation des StBauFG von einem „Abkommen“ zwischen den beiden zuständigen Bundesministerien, das im August 1972 in „Grundsätze[n] zur Förderung der Zusammenarbeit in den Geschäftsbereichen des Bundesministers für Verkehr und des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen“ festgehalten wurde: „Vorhaben des Verkehrswegebaus, die sich auf den Städtebau, und städtebauliche Vorhaben, die sich auf Vorhaben des Verkehrswegebaus“ auswirkten, sollten „[…] soweit eine Förderung durch den Bund in Betracht kommt – so aufeinander“ abgestimmt werden, „daß die jeweiligen Finanzierungsmittel wirtschaftlich sinnvoll und sachlich optimal eingesetzt“ wurden (S. 145 m. w. N.). 25 S. BT-Drs. IV/2661, S. 26.
A. Entwürfe zum Städtebauförderungsgesetz 1965 und 196629
Bereits 1961, direkt nach Verabschiedung des Bundesbaugesetzes, wurde mit den Vorarbeiten für das Städtebauförderungsgesetz begonnen.26 Seinem Ursprung nach waren das Städtebauförderungsgesetz und seine inhaltlichen Vorentwürfe eine legislative Ergänzung, ein „Sondergesetz“ gegenüber dem allgemeinen Baurecht27 bzw. ein „spezielles Sanierungsrecht“.28 Die Umsetzung neuer städtebaulicher Vorstellungen war mit dem geltenden, vom Bundesbaugesetz aus dem Jahr 1960 hergeleiteten Normengefüge offenkundig nicht zu leisten, was insbesondere die „tiefgreifenden und vielschichtig facettierten Tatbestände einer städtebaulichen Erneuerung und Entwicklung“ (Kurt Walter) betraf.29 Dabei wurden die gesetzgeberischen Unzulänglichkeiten aus städtebaulicher Sicht bereits in der Entwicklungsphase des Bundesbaugesetzes erkannt und bekannt. So hieß es im Städtebaubericht 1969 der Bundesregierung: „Um die Verabschiedung des Bundesbaugesetzes nicht zu verzögern, wurde von der Normierung eines speziellen Sanierungsrechts im Bundesbaugesetz weitgehend abgesehen. Die städtebauliche Erneuerung wird im Bundesbaugesetz nur unter dem gebietsbezogenen, sachlich eng eingegrenzten Begriff der Sanierung nur beiläufig in wenigen Vorschriften unmittelbar […] oder mittelbar […] angesprochen. Die eingehende Regelung dieser Materie hat der damalige Gesetzgeber bewußt einem späteren Gesetz vorbehalten.“30
Noch 1970 griff die Bundesregierung auf die oben genannte Argumentation zurück, indem sie attestierte, dass mit dem Städtebauförderungsgesetz „ein erster Schritt unternommen wurde, die Mängel des geltenden Rechts für 26 Vgl. Städtebaubericht 1970, S. 69, sowie Harlander/Kuhn, S. 866. Labahn zufolge datiert ein erstes Ministerialkonzept unter dem Titel „Gesichtspunkte zum Recht der Stadtsanierung“ auf den 15.11.1961 und dokumentiert „schon zu diesem frühen Zeitpunkt […] die Zusammenarbeit zwischen Ministerium und Verbänden“ (S. 12). Weiter heißt es bei Labahn: „Widerstände innerhalb der Regierung und Bedenken der Länder machten eine mehrmalige Änderung der Vorlage erforderlich, bis schließlich Ende 1963 den wohnungswirtschaftlichen Spitzenverbänden ein Entwurf zur Stellungnahme zugeleitet wurde. Obwohl eine endgültige Abstimmung der einzelnen beteiligten Ressorts noch nicht stattgefunden hatte, erging an die Verbände eine Einladung bezüglich einer Besprechung des Entwurfs für den 18.2.1964.“ 27 Vgl. Bielenberg, Rdnr. 210. 28 Vgl. Pergande/Pergande, S. 159. 29 Albers sah es als „Versäumnis“ der Zeit der frühen Bundesrepublik, „[…] daß die politische Aufgabe, ein Planungs- und Bodenrecht zu entwickeln, das einem sozialen Rechtsstaat als Leitlinie hätte dienen können, nicht gelöst worden ist.“ (1972, S. 27). 30 Vgl. Städtebaubericht 1969, S. 102. Weiter hieß es: „Die „Rechtsinstitute des Bundesbaugesetzes sind im Prinzip auf die Sachprobleme zugeschnitten, die sich aus dem Blickpunkt und den Bedürfnissen einer normalen städtebaulichen Entwicklung der Gemeinden ergeben. Die Bauleitplanung ist demgemäß darauf angelegt, dieser Entwicklung den planerischen Rahmen zu setzen.“ Vgl. Walter, Rdnr. 10, ebenso Pergande/Pergande, S. 159 sowie BT-Drs. 10/4630, S. 49 (Nr. 3).
30
§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
diese besonderen städtebaulichen Maßnahmen zu beseitigen“.31 Folgte man hingegen Scharpf, Reissert und Schnabel, lagen die ursprünglichen Impulse nicht allein in einer funktionalen Lücke des Baurechts, sondern bereits grundlegend im Motiv der Städte und Gemeinden, den Bund und die Länder finanziell umfänglich an der kommunalen Aufgabe einer Stadtsanierung zu beteiligen. Die treibende Kraft war der Deutsche Städtetag als politische Interessenvertretung der westdeutschen Großstädte. So gesehen erachteten der Bund wie auch die Städte als Kern der Lösung des Sanierungsbedarfes in den Städten eine „finanzwirtschaftliche Ergänzung des Bundesbaugesetzes“ unter Einbeziehung der Verpflichtung des Bundes, „zur Finanzierung der städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen einen angemessenen Beitrag […] zu leisten.“32 Kilper und Lhotta gingen, aus Sicht einer Darstellung zum deutschen Föderalismus, noch einen Schritt weiter und konstatierten, dass Städtebaupolitik bereits in den 1950er Jahren „zum Bestandteil einer umfassenden Raumordnungs-, Struktur- und Wirtschaftspolitik des Bundes werden“ sollte und dass sich Anfang der 1960er Jahre „auf diesem Problemgebiet eine Allianz von Bund und Kommunen gegen die Bundesländer“ herauskristallisierte.33 Die ersten konkreten Entwürfe eines „Gesetzes über die Förderung städtebaulicher Maßnahmen in Stadt und Land (Städtebauförderungsgesetz)“ wurden von der Bundesregierung in den Jahren 1965 und 1966 vorgelegt.34 Sie bildeten die Grundlagen für die parlamentarischen Debatten um die gesetzgeberische Gestaltung der Städtebauförderung. Sie waren wortlautgleich; die praktisch zweimalige Einbringung des Entwurfes erklärte sich durch den Ablauf der vierten Legislaturperiode des Bundestages, welche im Juli 1965, nur zwei Monate nach dem ersten Anlauf, endete. Er konnte zwar nicht mehr im Bundestag bearbeitet werden, allerdings nahm zum ersten Entwurf zwischenzeitlich der Bundesrat insofern Stellung, als er auf nicht gelöste verfassungsrechtliche Fragen verwies sowie Vorbehalte, „ob der Bund überhaupt die Kompetenz für den Finanzierungsteil habe“.35 Diese Einwände hatten Bedeutung. Sogar innerhalb der Bundesregierung war umstritten gewesen, ob
31 S.
Städtebaubericht 1970, S. 68. Scharpf/Reissert/Schnabel, S. 160. 33 Vgl. Kilper/Lhotta, S. 195. 34 Entwurf 1965: BT-Drs. IV/3491 vom 28.5.1965; Entwurf 1966: BR-Drs. 64/66 vom 22.4.1966. Zu den Vorarbeiten benennt Städtebauförderung (1982), S. 13: 1961 – Vorarbeiten für ein Stadterneuerungsgesetz; 1962 – vorläufiger Entwurf fertig gestellt und im Beirat des Ministeriums für Städtebau und Raumordnung beraten; bis 1964 – Erörterungen und Diskussionen innerhalb der verschiedenen Bundesressorts sowie zwischen Bund und Ländern. 35 BT-Drs. IV/3491, Anlage 2. Vgl. Pergande/Pergande, S. 160. 32 Vgl.
A. Entwürfe zum Städtebauförderungsgesetz 1965 und 196631
die Aufnahme eines Finanzierungsteiles in den Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes erfolgen sollte.36 Im April 1966 brachte die Bundesregierung den vorliegenden Entwurf von 1965 dennoch erneut und wortlautgleich in den fünften Deutschen Bundestag ein und übersandte ihn wiederholt dem Bundesrat.37 Dort wurde der Entwurf umfangreich, d. h. im Ausschuss für Wiederaufbau und Wohnungswesen (federführend), dem Agrarausschuss, dem Ausschuss für Innere Angelegenheiten, dem Ausschuss für Wirtschaft, Finanzen sowie dem Rechtsausschuss behandelt.38 Von den mit dem Bauwesen vertrauten Ausschüssen, insbesondere dem Ausschuss für Wiederaufbau und Wohnungswesen, wurde der Gesetzentwurf hauptsächlich begrüßt, wenn auch mit zahlreichen Änderungen versehen. Durchgesetzt hatten sich am Ende jedoch der Finanz- und der Wirtschaftsausschuss mit ihren Stellungnahmen. Sie formulierten weiterhin verfassungsrechtliche Bedenken und sahen die bevorstehende und zu diesem Zeitpunkt bereits beratene Finanzreform sowie seinerzeit unabsehbare finanz- und konjunkturpolitische Auswirkungen als gravierendste Hindernisse für eine Beschlussfassung an.39 In der allgemeinen Begründung der Bundesregierung zum Entwurf 1965/66 wurde von der „nachhaltige[n] Gesundung der baulichen Umwelt, insbesondere der Wohnverhältnisse“ als Ziel einer verantwortlichen Wohnungspolitik gesprochen. Städtebaugesetzgebung und -politik waren nach Ansicht der Bundesregierung als qualitative Fortsetzung der Wohnungspolitik im Sinne 36 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 4. Wahlperiode, 127. Sitzung. Bonn, 27.5.1964, S. 6160 f. 37 Vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 13. Kabinettssitzung am 2.2.1966, TOP E. „Das Kabinett ist mit der unveränderten Neueinbringung des Gesetzentwurfs einverstanden.“ Vgl. a. Pergande/Pergande, S. 159. 38 Vgl. Bericht über die 294. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.5.1966, Stenographischer Bericht, S. 62 (A). 39 Vgl. Bericht über die 294. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.5.1966, Stenographischer Bericht, S. 64 (C) ff. In der Stellungnahme zum Beschluss des Bundesrates (Schreiben an die Bundesregierung vom 13.5.1966) heißt es u. a.: „[…] Durch das im Zweiten Teil des Entwurfs vorgesehene Verfahren würden dem Bund erhebliche Ingerenzrechte gegenüber den Ländern und Gemeinden eingeräumt und damit für den Bund Verwaltungszuständigkeiten begründet, die weder unter dem Gesichtspunkt der Artikel 83 ff. des Grundgesetzes noch unter dem der Zulässigkeit überregionalen Verwaltungshandelns gerechtfertigt scheinen. […] Die damit angestrebte Einflußnahme des Bundes auf die Erfüllung der den Ländern und Gemeinden obliegenden städtebaulichen Aufgaben verstößt gegen den Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern (Artikel 109 GG). […] Die Beteiligung des Bundes, wie sie der Entwurf vorsieht, würde dem Bund eine so starke Stellung beim Vollzug des Gesetzes einräumen, daß auch Bedenken aus dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Vermischung der Verwaltungsbereiche von Bund und Ländern (Mischverwaltung) bestehen.“
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
des I. und II. Wohnungsbaugesetzes konzipiert, als Weiterentwicklung angesichts der seinerzeit vertretenen Auffassung, dass eine „zahlenmäßig ausreichende Wohnungsversorgung“ demnächst erreicht sei. Die Begründung dieses konkreten ersten Gesetzesentwurfs benannte „gesunde Wohn- und Lebensbedingungen für die Bevölkerung“ als ihr Leitmotiv, insbesondere in überalterten Baugebieten, die „in ihren Funktionen, ihrer Erschließung und Bebauung häufig nicht mehr den […] Anforderungen an […] menschenwürdiges Wohnen und Arbeiten“ entsprächen. Im Vordergrund stünde dabei „die Erneuerung der Gebiete, in denen Mängel solchen Umfanges vorliegen, dass sie nur durch Abbruch von Gebäuden oder wesentliche Neugestaltung des gesamten Gebietes beseitigt werden“ könnten.40 Mit den ersten Entwürfen zum Städtebauförderungsgesetz wurden die Unterschiede zur Planung im Rahmen des Bundesbaugesetzes klar definiert. Bauleitplanung setzte in der Stellungnahme der Bundesregierung den „Rahmen für die Privatinitiative, d. h. dem Privateigentümer [blieb] es überlassen, sein Grundstück der festgesetzten Nutzung selbst zuzuführen.“41 Das Städtebauförderungsrecht beließ es nicht bei dieser Arbeitsteilung der öffentlichrechtlichen Planung und privat-wirtschaftlichen Ausführung, sondern setzte für den Geltungsbereich des Städtebauförderungsrechts das öffentlich-rechtliche Interesse an Beplanung und Verwirklichung in den Vordergrund. Hiervon ausgehend unterschied bereits der Entwurf 1965/66 „zwei Gruppen, nämlich die Erneuerung der Städte und Dörfer, namentlich die Sanierung, und die Entwicklung neuer Städte und Ortschaften aus raumordnerischen Notwendigkeiten.“42 Diese grundlegende Zweiteilung des Städtebauförderungsrechts sollte durch alle folgenden Entwürfe hindurch Bestand haben. Gemeinsam war beiden Fallgruppen, dass angesichts der bevorstehenden Aufgaben das öffentlich-rechtliche und damit politische Interesse an der Durchführung der Ziele des Städtebauförderungsrechts überwiegen sollte. Eine zentrale Rolle spielte dabei seit den ersten Entwürfen das planerische und verwirklichende Handeln der kommunalen Verwaltung: „Das öffentliche Interesse an der Planverwirklichung macht es […] der Gemeinde zur Aufgabe, auch für die Durchführung einer von ihr beschlossenen Sanierung zu sorgen, die Abstimmung der verschiedenen der Durchführung dienenden Maßnahmen aufeinander zu veranlassen und die ihr selbst obliegenden Maßnahmen rechtzeitig in
40 S.
Allgemeine Begründung Entwurf 1965: BT-Drs. IV/3491, S. 19. Begründung Entwurf 1965: BT-Drs. IV/3491, S. 20. Die diesem Konstrukt innewohnenden Schwierigkeiten für die städtebauliche Entwicklung sind eines der Leitmotive im Beitrag von Wollmann (1974). 42 S. Begründung Entwurf 1965 (BT-Drs. IV/3491, S. 20). 41 S.
A. Entwürfe zum Städtebauförderungsgesetz 1965 und 196633
Angriff zu nehmen.“43 Insgesamt war die Verwirklichung der Bauleitplanung im entworfenen Sanierungs- oder Entwicklungsfall „ohne das Tätigwerden der Gemeinde nicht denkbar“.44 Man konnte zu diesem Zeitpunkt der Entstehung (CDU/CSU und FDP stellten als Mehrheitsfraktionen die Bundesregierung) von einem Städtebauförderungsgesetz sprechen, welches als Hybrid aus sozialstaatlicher Wohnungspolitik und kommunaler Bebauungsplanung konzipiert wurde. Dies wurde verstärkt noch einmal durch den räumlichen Bereich sichtbar, den sich der Entwurf ausdrücklich zu eigen machte, nämlich gleichermaßen für die Stadt wie für das Land zu gelten. In beiden räumlichen Ordnungszusammenhängen waren in der Vergangenheit „tiefgreifende Wandlungsprozesse“ geschehen.45 Die Kompetenz, diese politisch aufzugreifen und nunmehr gesetzgeberisch zu steuern, leitete die Bundesregierung aus einem Schlüsselmotiv gleichermaßen der Sozialpolitik wie des deutschen Föderalismus ab: „Durch geeignete städtebauliche Maßnahmen soll entsprechend den Zielen der Raumordnung eine ausgeglichenere Siedlungsstruktur angestrebt werden, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu gewährleisten. Ein besonderes Gewicht kommt dabei der zentralörtlichen Gliederung in den verschiedenen Räumen zu.“46 Wohnungsbau als Sozialpolitik, Städtebau als kommunale Planungsaufgabe, Städtebauliche Gliederung im Rahmen der Raumordnungpolitik: damit waren die drei inhaltlichen Eckpfeiler und Herausforderungen benannt, denen sich das Städtebauförderungsrecht widmen sollte, und insofern auch die drei Ebenen der Hauptbeteiligten. Insbesondere in verwaltungswissenschaftlicher Hinsicht wird auch heute noch deutlich, dass ein Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden an einer derart umfangreichen Aufgabe wie der Sanierung/Erneuerung oder gar der Schaffung eines Stadt- und Ortsteiles von Anfang an kontroverse und konfliktträchtige Perspektiven beinhalten musste. Das StBauFG war weder in diesem Entwurfsstadium noch bis zu seiner Ausfertigung als ein Gesetz des Bundes, ausgeführt durch die Länder bzw. die Kreise und Gemeinden, zu verstehen, sondern in der Lesart der 43 S.
Begründung Entwurf 1965 (BT-Drs. IV/3491, S. 20). Begründung Entwurf 1965 (BT-Drs. IV/3491, S. 20). 45 „Die Schaffung gesunder Lebensbedingungen ist […] in gleicher Weise in Stadt und Land notwendig. […] Während sich auf der einen Seite infolge der starken Ausweitung der industriellen Produktion eine erhebliche Konzentration von Wohnsiedlungen und Arbeitsstätten auf engem Raum herausgebildet hat, stehen auf der anderen Seite Räume mit geringer Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft.“ S. Allgemeine Begründung Entwurf 1965 (BT-Drs. IV/3491, S. 19). Vgl. hierzu auch Scharpf/Reissert/Schnabel, S. 158. 46 S. Allgemeine Begründung Entwurf 1965 (BT-Drs. IV/3491, S. 19, Hervorhebung n. i. Orig.). 44 S.
34
§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Bundesregierung vielmehr als ein Gesetz, das den Ländern und Gemeinden für angestrebte städtebauliche Reformen das erforderliche Instrumentarium an die Hand geben konnte: „Die städtebaulichen Maßnahmen, die der Gesetzentwurf anspricht, bedürfen also der Förderung, teils durch die Gemeinden und Gemeindeverbände unter subsidiärer Beteiligung des Staates, teils durch den Staat, ggf. unter Beteiligung der Gemeinden oder Gemeindeverbände. Neben den Gemeinden und Gemeindeverbänden sind vor allem die Länder zur Förderung der städtebaulichen Maßnahmen im Sinne des Entwurfs berufen. Der Bund wird sich im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten an der Förderung beteiligen, wenn und soweit bei der Durchführung der Maßnahmen nach diesem Gesetz Bundesaufgaben zu erfüllen sind.“47
Der Bund konnte jedoch zur Größenordnung des von ihm gesehenen Handlungsbedarfes keine belastbaren Schätzungen abgeben. Deutlich wurde in diesem Stadium eher, dass CDU und FDP der finanziellen Größenordnung der Stadtsanierung mit Vorbehalten gegenüberstanden; nur vage sprach die Bundesregierung davon, der „gesamte Investitionsaufwand“ könne wohl eine Größenordnung erreichen, „die mit dem Aufwand für den Wohnungsbau nach dem Kriege vergleichbar“ sei.48 Die finanziellen Kosten des von der Bundesregierung initiierten oder – besser – rechtlich ermöglichten Städtebaus sah die Bundesregierung in Händen des Kapitalmarktes und der Eigentümer der betroffenen Grundstücke bzw. Immobilien: „Die finanzielle Beteiligung von Bund, Ländern und Gemeinden wird sich darauf beschränken, unrentierliche Kosten zu decken oder Finanzierungslücken in dem auch bisher im Wohnungsbau üblichen Rahmen zu schließen.“49 Inwieweit die inhaltlich gleichen Regierungsentwürfe von 1965 und 1966 in der Abgrenzung der finanziellen Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden steckenblieben, oder inwieweit sie vielleicht sogar als weiteres Vehikel zur Ausgestaltung der Großen Finanzverfassungsreform 1969 genutzt werden konnten,50 kann und muss an dieser Stelle offen bleiben. Erst als es in der Zeit der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD zu konkreten Planungen und Entwürfen gemeinsamer Finanzierungshilfen für beson-
47 S. Begründung Entwurf 1965 (BT-Drs. IV/3491, S. 21). Ebenso deutlich zum subsidiären Charakter S. 22, zu § 6 – Förderung durch den Bund: „Eine Beteiligung des Bundes kommt vielmehr nur in Betracht, soweit mit der Durchführung städtebaulicher Maßnahmen Bundesaufgaben erfüllt werden. […] Durch die Beteiligung des Bundes verlieren die anderen Kompetenzträger – Gemeinde […] oder Land – ihre eigenen Zuständigkeiten nicht. Die Beteiligung des Bundes soll nur darin bestehen, die Maßnahmen so zu fördern, daß die Erledigung dem Gesamtinteresse gerecht wird.“ 48 S. Begründung Entwurf 1965 (BT-Drs. IV/3491, S. 20). 49 S. Begründung Entwurf 1965 (BT-Drs. IV/3491, S. 20). 50 Vgl. Scharpf/Reissert/Schnabel, S. 161.
B. Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes 1968 35
ders bedeutsame Investitionen kam, erschien ein Städtebauförderungsgesetz sowohl politisch als auch verfassungsrechtlich möglich.51 Durch die konkreten Elemente und Vorarbeiten der Entwürfe hatte sich jedoch der Bedarf an einer gesamtstaatlichen gesetzgeberischen Lösung zur Bearbeitung drängender städtebaulicher Reformmaßnahmen manifestiert. Eine bundesstaatliche Lösung unter Ausklammerung einer finanziellen Beteiligung des Bundes an der genuin kommunalen Aufgabe des Städtebaus oder ohne die Regelung der eigentums- und bodenrechtlichen Bedingungen war nicht mehr ersichtlich, wenn dies überhaupt vorab als möglich erachtet worden war. Eine weitere Ausarbeitung und Bearbeitung der Entwürfe erfolgte jedoch erst wieder durch die Große Koalition im Bundeskabinett Kiesinger. In der Bundesregierung Erhard wurde der Entwurf eines „Gesetzes über die Förderung städtebaulicher Maßnahmen in Stadt und Land“ letztmalig im Februar 1966 beraten.52 Nicht nur das zurückhaltende Votum des Bundes rates und die konjunkturell zu diesem Zeitpunkt schlechten Prognosen dürften zu einem „Zurückstellen“ der Entwürfe beigetragen haben. Die lahmende, von Krisen überschattete Kanzlerschaft Erhards, die bereits im Oktober 1966 mit dem Zerbrechen der Koalition aus CDU/CSU und FDP enden sollte, verfügte wohl nicht mehr über die perspektivische und politische Kraft, das ambitionierte Gesetzeswerk weiter voranzubringen.53
B. Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes 1968 Nach dem Bruch der Koalition aus CDU/CSU und FDP amtierte seit Anfang Dezember 1966 eine Bundesregierung unter Bundeskanzler Kiesinger, die aus einer Großen Koalition von CDU/CSU und SPD gebildet wurde. Koalition und Regierung machten es sich zur Aufgabe, die bisherigen Arbeiten zum Städtebauförderungsgesetz unter den Vorzeichen der neuen politischen Konstellation zu überarbeiten, was sich zeitlich lange hinzog. Erst recht spät im Laufe der fünften Legislaturperiode des Bundestages, im November 1968, brachte die Bundesregierung erneut den „Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes“ in den Bundestag ein.54 Im 51 Vgl.
Pergande/Pergande, S. 160.
52 Vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 13. Kabinettssitzung am 2.2.1966,
TOP E. 53 Vgl. Wolfrum, Kap. B § 5 c), S. 270 ff.; von Kieseritzky, S. 17 ff. 54 Vgl. BT-Drs. V/3505 vom 15.11.1968. Der Entwurf ist wortlautgleich mit der BR-Drs. 530/68. Für die hier verwendete Zitation beziehen sich die Seitenangaben ausschließlich auf die BR-Drs. Der Entwurf bzw. einzelne Paragraphen des Entwurfes werden hier zitiert als „E-1968“. Der Entwurf gliederte sich in: „Allgemeine Vor-
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Bundeskabinett hatte eine erste Beratung dieses Entwurfes vorab im September 1968 stattgefunden. Ausweislich der Kabinettsprotokolle der Bundesregierung zeigte sich, dass eine Reform bzw. Schaffung des Städtebaurechts zwar als notwendig erachtet wurde, zwischen den Koalitionspartnern aus CDU/CSU und SPD aber umstritten war: „Staatssekretär Carstens [CDU] teilt mit, daß [Bundeskanzler Kiesinger, CDU] diesen Punkt von der Tagesordnung dieser Sitzung abzusetzen wünscht. Bundesminister Lauritzen [SPD, BM Wohnungswesen und Städtebau] weist darauf hin, daß der Entwurf noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollte [sic] und daß der Bundesrat sich deshalb am 25. Oktober mit dem Text befassen solle [sic]. Das Kabinett solle deshalb die Beratung in der nächsten Woche vornehmen. Der Gesetzentwurf habe für seine Partei eine große Bedeutung. Bundesminister Höcherl [CSU, BML] führt aus, daß der Gesetzentwurf noch eine große Anzahl von Streitpunkten enthalte und nennt die mietpolitischen Wirkungen in den Entwicklungs- und Sanierungsgebieten sowie die Vorschriften über die Entschädigung. Der Entwurf stelle ihn vor sehr große Schwierigkeiten. Bundesminister Dollinger [CSU, BM Post] äußert Zweifel, ob das Gesetz finan ziell tragbar ist. Staatssekretär Grund [BMF] hält den Gesetzentwurf wegen der Gesamtkosten, wegen der Zweckbindung der Rückflüsse, wegen der Gründung eines deutschen Rates für Entwicklung für problematisch und weist darauf hin, daß er zu Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Stationierungsstreitkräfte führen könne. Der Bundeskanzler äußert, daß in der CDU/CSU heftige Widerstände gegen Teile des Entwurfs bestünden. Das Kabinett kommt überein, den Gesetzentwurf in der nächsten Woche zu behandeln. In der Zwischenzeit sollen die Staatssekretäre der interessierten Ressorts eine neue Beratung abhalten. Der Herr Bundeskanzler teilt mit, daß parallel hierzu Gespräche in der CDU/CSU-Fraktion stattfinden.“55 schriften“ („Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“), den zweiten und dritten Teil „Sanierung“ und „Entwicklungsmaßnahmen“, „Städtebauliche Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur“ (vierter Teil), die „Förderung durch den Bund“ (fünfter Teil) sowie abschließend „Ergänzende“ und „Schlußvorschriften“. 55 S. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 138. Kabinettssitzung am 18.9. 1968, TOP 3 „Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Stadt und Land (Städtebauförderungsgesetz), BMWo“. Die Ergänzungen in den [eckigen Klammern] sind nicht Teil der Kabinettsprotokolle, sondern vom Autor eingesetzt, U.K. Zu den Konfliktlinien zwischen CDU und SPD schrieben Harlander und Kuhn (S. 866): „Wie dem Städtebauförderungsgesetz mit den in ihm vorgesehenen Eingriffsrechten standen die CDU und noch dezidierter die FDP auch in anderen Bereichen jedem Ausbau oder Erhalt von ‚staatlichem Dirigismus’ skeptisch, wenn nicht ablehnend gegenüber. Gegen den Etatismus der SPD pochte die CDU auf das Subsidiaritätsprinzip und suchte in erster Linie die Funk tionsfähigkeit des Marktes zu verbessern, Investitionshemmnisse für den Haus- und Grundbesitz zu beseitigen und die Eigentumsförderung zu stärken.“
B. Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes 1968 37
Die so verschobene Beratung mit dem Ziel, vor der Bundesratssitzung im Oktober zu einem im Kabinett verabschiedeten Entwurf zu gelangen, musste eine Woche später noch einmal vertagt werden.56 Politischen Beobachtern dürfte bereits damals klar gewesen sein, dass ein derart umfangreiches Gesetzgebungsvorhaben ein Jahr vor den nächsten Bundestagswahlen im September 1969 kaum zu verwirklichen war. Zu offenkundig hatte sich die Große Koalition zum Ende ihrer Arbeitszeit inhaltlich erschöpft und setzten die Protagonisten auf neue politische Mehrheiten.57 Dennoch fand das Bundeskabinett Kiesinger in seiner 140. Sitzung Anfang Oktober 1968 zu einer Kompromisslinie. Die Vorlage erhielt den erneuerten Titel „Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes“, unter dem sie anschließend in den Beratungen im Bundesrat firmieren sollte. Ausweislich der Protokolle der Bundeskabinette wurde ersichtlich, dass erneut die boden- und eigentumsrechtlichen Fragestellungen (Eigentumsrechte, sog. Planwertausgleich) sowie die bundesstaatliche Konstruktion zur Finanzierung städtebaulicher Vorhaben im Mittelpunkt von Diskussion und Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition standen.58 Als größte Hürde zwischen den 56 S. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 139. Kabinettssitzung am 25.9.1968, TOP 4: „Bundesminister Dr. Lauritzen bittet, die Entscheidung um eine Woche zurückzustellen. Der Gesetzentwurf sei im gestrigen Koalitionsgespräch behandelt worden. Die Bemühungen, volles Einvernehmen über den Gesetzentwurf zwischen den Koalitionspartnern zu erreichen, sollen fortgesetzt werden. Er bittet, seine Bemühungen zu unterstützen. Das Kabinett ist mit einer Zurückstellung einverstanden.“ Labahn zufolge hatte der Referentenentwurf 1968 bereits im Juli vorgelegen, jedoch war dem Vorhaben im so genannten „Kressbonner Kreis“, dem Koalitionsausschuss von CDU/ CSU und SPD, offensichtlich keine Priorität zugeschrieben worden, vgl. Labahn, S. 16. 57 Vgl. Wolfrum, S. 302; ebenfalls Harlander/Kuhn, S. 866. 58 S. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 140. Kabinettssitzung am 2.10. 1968, TOP 5: „In der Diskussion wies Bundesminister Lauritzen auf die von den beteiligten Ressortministern und den Vertretern der Koalition erzielte Kompromißformel hin. Die Zustimmung zu dem Gesetz sei schließlich dadurch erleichtert worden, daß zu einzelnen Gesetzesbestimmungen neue Formulierungen vorgelegt wurden. So [… wird klargestellt…], daß die Eigentumsrechte von Haus- und Grundbesitzern bei Sanierungsmaßnahmen so weit irgend möglich erhalten bleiben oder nach der Sanierung neu begründet werden sollen. Die Bedenken des Bundesministers Benda [BMI, CDU] nach einer Berücksichtigung der Werterhöhung seien ausgeräumt. […] In der allgemeinen Aussprache erhebt Bundesminister Benda keine Einwendungen mehr, auch nicht verfassungsrechtlicher Art. Staatssekretär Neef [BM Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, vormals BMWi] trägt die Bedenken seines Ministers wegen des bodenrechtlichen Teils des Gesetzentwurfs vor. Deshalb habe er den Auftrag seines Ministers, der Vorlage zu widersprechen. Staatssekretär Grund [BMF] stellt fest: […] Offen ist noch die verfassungsrechtliche Frage, ob Artikel 104a GG in der Fassung der Regierungsvorlage auch Finanzierungshilfe für Stadtentwicklung (Teil III des Gesetzentwurfs) zulasse, sowie die allgemein-politische Frage, ob ein Gesetz verabschiedet
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Koalitionspartnern sollte sich bereits hier die Neuordnung der Grundlagen des Eigentums an Grund und Boden darstellen. Zur vermeintlichen Entschärfung der größten Differenzen in diesem Bereich konnte Bundesminister Lauritzen auf die Vorarbeiten einer im Bundesministerium angesiedelten „Arbeitsgruppe Bodenrecht“ zurückgreifen.59 Auch die entsprechenden Organisationen und Verbände hatten sich inhaltlich umfangreich positioniert und erwarteten den Fortgang der Gesetzesarbeiten.60 Die Konflikte über den Entwurf setzten sich über Parteigrenzen hinweg im Bundesrat fort, der sich in seiner Sitzung Ende Oktober 1968 mit dem genannten Entwurf der Bundesregierung befasste. Zunächst einmal empfahl der Bundesrat, den Gesetzentwurf der Bundesregierung erneut umzubenennen, da die Schwerpunkte zur Umsetzung der städtebaulichen Maßnahmen zukünftig im Bereich der Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen gesehen wurden.61 Als Berichterstatter des federführenden Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen sprach sich Bausenator Schwedler (SPD) aus Berlin für eine „stärkere Sozialbindung“ des künftigen Gesetzentwurfes aus, dergestalt die vom Entwurf „skizzierten Schwerpunktaufgaben […] praktisch nur unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel mit der erforderlichen Zügigkeit und nur damit in einer für die Allgemeinheit sowohl vertretbaren wie auch fruchtbaren Weise durchgeführt werden“ könnten. Nach dieser Auffassung wurde das „öffentliche Interesse an den Sanierungsmaßnahmen“ und der „Einsatz öffentlicher, d. h. von der Allgemeinheit aufzubringender Mit-
werden soll, dessen Gesamtkosten nicht überschaubar sind und dessen Finanzierung nicht gesichert ist. Die durch das Gesetz erweckten Erwartungen werden nicht erfüllbar sein, was zwangsläufig zu Enttäuschungen führen muß. […] Bundesminister Benda und Staatssekretär Ehmke [SPD] bejahen die von Staatssekretär Grund aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage. Danach ist die Finanzierungsmöglichkeit auch für Entwicklungsmaßnahmen gegeben.“ Ergänzungen in eckigen Klammern n. i. Orig., U.K. 59 Nach Auskunft der Bundesregierung hatten zwei sachverständige Gremien beim BMin für Wohnungswesen und Städtebau weiterführende Vorarbeiten geleistet, und zwar als „Arbeitsgruppe Bodenrecht“ und als „Arbeitskreis Stadtentwicklung“, vgl. BR-Drs. 530/68, S. 34. 60 Nach Auskunft des Ministeriums waren dies in der Hauptsache: der Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, der Deutsche Industrie- und Handelstag, der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Zentralverband der Deutschen Haus- und Grund eigentümer, die Bundesvereinigung Deutscher Heimstätten sowie die Kommunalen Spitzenverbände, zit. n. Labahn, S. 16. 61 S. Bundesrat, 329. Sitzung am 25.10.1968, S. 251 (C): „Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz)“. Damit war der Titel des späteren StBauFG gefunden und sollte in den künftigen Beratungen so beibehalten werden.
B. Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes 1968 39
tel“ vom Entwurf 1968 zu wenig gewertet.62 Der Wesensgehalt des grundrechtlichen Schutz des Eigentums wurde dem Ausschuss zufolge nicht angetastet. Uneinigkeit bestand im Bundesrat über die Bewertung des bundesstaatlichen Konstruktes zum Einsatz von Sanierungsförderungsmitteln des Bundes. Hier widersprachen sich der o. g. federführende Ausschuss für Wiederaufbau und Wohnungswesen und der Finanzausschuss des Bundesrates. Letzterer vertrat die Auffassung, dass der Bund mit den von ihm vorgelegten Regelungen in „die von der Verfassung geschützte Finanzhoheit der Länder und Gemeinden“ eingriff und ihm hierzu die „erforderliche Gesetzgebungsbefugnis“ fehle. Die Gegenposition nahm nach Darstellung des Mitberichterstatters der genannte „Wohnungsausschuß“ ein, nach dessen Deutung der Bund zwar eingebunden sei, es aber „dem Landesgesetzgeber überlassen bleibe, ob, wie und in welcher Form er Sanierungsmittel zur Verfügung stellt.“63 Am Horizont der parlamentarischen Beratungen erschienen damit bereits deutlich die Konturen der späteren Auseinandersetzung vor dem Bundesverfassungsgericht.64 Nach Darstellung des damaligen Finanzministers des Landes NordrheinWestfalen, Wertz (SPD), bekundeten sämtliche befassten Ausschüsse deutliche Vorbehalte, bereits eine Stellungnahme zum § 69 des Entwurfes (Finanzhilfen des Bundes) abzugeben, da zu diesem Zeitpunkt die maßgeblichen Regelungen des künftigen Art. 104a GG noch nicht verabschiedet seien. Diese Einwände wurden bekräftigt und bestärkt von den Ministerpräsidenten Lemke und Altmeier (Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, beide CDU), die ihre spätere Zustimmung zum Städtebauförderungsgesetz davon abhängig machen wollten, dass neben der Einfügung des Art. 104a GG ein zusammenhängendes rechtliches Umfeld zur Umsetzung des Städtebauförderungsgesetzes erstellt und abgearbeitet sein müsse.65 Hierauf erwiderte für die Bundesregierung der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau, Lauritzen (SPD), dass „bei allen Erörterungen“ zur Einfügung des Art. 104a GG „immer wieder zum Ausdruck gebracht worden [war], daß diese neue Grundge62 S. Bundesrat, 329. Sitzung am 25.10.1968, S. 251 (D), 252 (B). Gemeint waren damit konkret die §§ 15 (sog. Wertermittlung bei Ausgleichs- u. Entschädigungsleistungen) und 24 (Veräußerungspflicht der Gemeinde). 63 S. Bundesrat, 329. Sitzung am 25.10.1968, S. 253 (B). 64 Vgl. u. § 3 A.II.3. 65 S. Bundesrat, 329. Sitzung am 25.10.1968, S. 256 (C). Ministerpräsident Lemke: „Deswegen, meine ich, muß mehr kooperiert werden. Sie [gemeint war BMin Lauritzen, U.K.] müssen sich mit uns mehr darüber abstimmen, daß diese Gesetze, die Finanzreform, die Gemeindefinanzreform, vor allen Dingen die Ausführungsgesetze – die Grundgesetzänderung können Sie sicherlich sehr leicht mit uns machen, aber ohne die Ausführungsgesetze ist das alles auch wieder nichts – wirklich im D-ZugTempo auf uns zukommen.“
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setzvorschrift den Wohnungsbau und den Städtebau mit umfassen soll“. Der inhaltliche Umfang der Sanierungseinzelheiten wie auch deren Einbindung in die mittelfristige Finanzplanung des Bundes erschwerten eine gesetzliche Regelung und machten Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern notwendig, „die naturgemäß nur mit allen Ländern einheitlich abgeschlossen werden“ konnten.66 Bundesminister Lauritzen vertrat im Bundesrat zudem dezidiert die Auffassung, dass „von einem Eingriff in die Finanzhoheit der Länder […] nach Meinung der Bundesregierung nicht gesprochen werden“ konnte.67 Zweifelsohne war der Entwurf 1968 eine Weiterentwicklung der Entwürfe 1965/66. Er war vom Bundesministerium für Wohnungsbau insbesondere in den Bereichen der Festlegung von städtebaulichen Sanierungsgebieten und Entwicklungsbereichen, über boden-, eigentums- und mietrechtliche Fragen der Sanierung sowie über die Förderung durch den Bund überarbeitet worden. Zudem war erkennbar, dass sich die städtebaupolitischen Vorstellungen und Erwartungen schnell weiterentwickelten. Von der Sanierung als engerem Begriff (im Sinne der Gesundung einer abbruchreifen Bausubstanz) entwickelte sich das jetzt skizzierte Städtebauförderungsrecht hin zu einem Gesetzeswerk, das für den Bereich von „Verdichtungsräumen“, also für die urbanen Schwerpunkte der Bundesrepublik, „Strukturveränderungen“ ganz vielfältiger technisch-wirtschaftlicher-gesellschaftlicher Natur attestierte, welche im Ergebnis „zu einer Überlastung und damit einer wachsenden Funktionsschwäche der Stadtkerne“ führten.68 Auch wenn die ländlichen Räume mitgenannt wurden – die Schwerpunkte, Handlungsbedarfe und Ziele wurden in den (überalterten) Verdichtungskernen, Kerngebieten und deren Randzonen gesehen.69 Deutlich wurde dies anhand einer (geplant) stärkeren Einbindung der Städtebaupolitik in einen Kontext von „Raumordnung und Strukturpolitik“, wie bereits dem Raumordnungsbericht der Bundesregierung von 1966 zu entnehmen gewesen war: „Das Raumordnungsgesetz des Bundes bestimmt, daß die Gesundung von Verdichtungsgebieten mit unausgewogener Wirtschafts- und Sozialstruktur und ungünsti66 S.
Bundesrat, 329. Sitzung am 25.10.1968, S. 255 (A). Bundesrat, 329. Sitzung am 25.10.1968, S. 255 (D). Interessant war zudem folgender Hinweis Lauritzens zum Werdegang der Bundesförderung (S. 258 (A)): „Ich habe mich einmal auf den Standpunkt gestellt, daß der Städtebau Gemeinschaftsaufgabe sein müßte. Das würde bedeuten, daß der Bund sich mit 50 % zu beteiligen hätte. Dazu ist es in den Verhandlungen mit den Ländern nicht gekommen. Ich habe mich dann auf den Standpunkt gestellt, daß bei der Fassung des Art. 104a GG Vorsorge getroffen werden muß, daß der Bund mitfinanzieren kann.“ 68 Vgl. allgem. Begründung zum Regierungsentwurf, BR-Drs. 530/68, S. 31. 69 Deutlich: Raumordnungsbericht 1966 der Bundesregierung, BT-Drs. V/1155, S. 49 ff. 67 S.
B. Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes 1968 41 gen Arbeits- und Lebensbedingungen u. a. durch die Entwicklung von Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung zu Entlastungsorten in angemessener Entfernung von den Verdichtungsräumen gefördert werden soll. Dieser Bestimmung entspricht der Entwurf des Städtebauförderungsgesetzes (Drucksache IV/3491) […]. Die städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen sind in die regionale Planung und in die Raumordnung einzuordnen.“70
Dabei handelte es sich um einen gesamtstaatlichen, volkswirtschaftlichen Steuerungs- und Entwicklungsanspruch, der deutlich über die in den Entwürfen 1965/66 skizzierte Aufgabe des Städtebaus als konjunkturpolitischer Flankierung hinaus ging.71 Städtebaupolitik wurde zum integralen Bestandteil eines langfristig erwarteten bundesrepublikanischen Wachstumskurses in Form von wachsenden Gemeinden, neuen Städten und größeren Ortsteilen sowie großräumigen Verflechtungen des Straßenverkehrs. Dies formulierte auch der Regierungsentwurf zum Städtebauförderungsgesetz 1968 genau so.72 Zusehends wurde der Katalog der zu erfüllenden Erwartungen, welche mit der seinerzeitigen Städtebaupolitik verknüpft wurden, umfangreicher und schwerer.73 Dies wurde auch daran erkennbar, dass der 1968 vorgelegte Ent70 S. Raumordnungsbericht 1966 der Bundesregierung, BT-Drs. V/1155, S. 50. Bekräftigend auch der Raumordnungsbericht 1968 der Bundesregierung, BT-Drs. V/3958, S. 66 f.: „Dem vordringlichen Ziel der Raumordnung, die strukturellen Unterschiede im Bundesgebiet auszugleichen, soll das Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetz dienen, dessen Entwurf vom Bundeskabinett am 2. Oktober 1968 verabschiedet wurde.“ 71 Vgl. Scharpf/Reissert/Schnabel, die insbesondere den 1968 im Entwurf eingefügten „Tatbestand der Funktionsschwäche eines Stadtgebiets“ § 3 Abs. 2 Nr. 2 E-1968 als Indikator hierfür sahen: „In dem Maße, wie die raumstrukturelle Relevanz der Sanierungen und Entwicklungen […] Beachtung fand, trat auch in der folgenden Diskussion die mögliche Verwendung der staatlichen Mitfinanzierung als struktur politisches Steuerungs- und Koordinationsinstrument in den Vordergrund.“ (S. 162). 72 S. BR-Drs. 530/68, S. 32: „[…] Schließlich ist die planmäßige Inangriffnahme dieser städtebaulichen Aufgabe auch zur Sicherung eines angemessenen Wirtschaftswachstums und im Interesse einer aktiven und ausgewogenen Strukturpolitik notwendig.“ 73 So heißt es u. a. im Städtebaubericht 1969 unter den Überschriften „Städtebau und Raumordnung“ bzw. „Städtebau und Strukturpolitik“, S. 71: „Die Strukturpolitik von Bund und Ländern müßte darauf angelegt werden, den Gemeinden in diesen Gebieten das notwendige Instrumentarium und sonstige Hilfen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre örtlichen und überörtlichen Funktionen erfüllen können. Erforderlich sind insbesondere der Ausbau der städtebaulichen Infrastruktur und Umbau nicht mehr funktionsgerechter Baugebiete, die Beseitigung ungesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse, die Herstellung einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs und die Schaffung von Grün- und Erholungsanlagen. Durch diese städtebaulichen Maßnahmen werden zugleich die Standortbedingungen der Wirtschaft verbessert und ein angemes-
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wurf im Impetus nunmehr verstärkt gesellschaftspolitische Reformvorstellungen verfolgte. Die Handschrift des Koalitionspartners SPD wurde, legte man die spätere Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt und die gesetzgeberischen Arbeiten ab 1970 als Folie dahinter, deutlich erkennbar.74 Das im Entwurf stehende Städtebauförderungsrecht sollte nicht nur die „mate riellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Handhaben zur Bewältigung der anstehenden städtebaulichen Aufgaben“ stellen, was als unzureichend bewertet wurde.75 Benannten die vorhergehenden Arbeiten städtebauliche Missstände noch als recht abstrakte, jedoch technisch zu benennende „Fakten“, wurden die städtebaulichen Vorstellungen der von CDU/CSU und SPD gestellten Bundesregierung nun so begründet: „Mit der Stadt- und Dorferneuerung muß […] Raum gegeben werden für ein kulturelles und politisches Gemeinschaftsleben sowie für die Förderung menschlicher Kontaktnahme. Ihr zentrales Anliegen besteht darin, eine bauliche Umwelt zu formen, die in dem Bürger die Überzeugung festigt oder wiedererweckt, daß er einer Gemeinschaft angehört, in der er seinen Bedürfnissen entsprechend leben kann. Alle Bemühungen um eine Erneuerung sind – über Maßnahmen zur Beseitigung städtebaulicher Mißstände hinaus – dem positiven Moment zugewandt, den lebendigen und in die Zukunft weisenden sozialen und wirtschaftlichen Kräften Möglichkeiten zur freien Entfaltung zu bieten.“76
Wie bereits bei den Entwürfen von 1965/66 hatten auch in diesem Entwurfsstadium zwei Kernelemente der städtebaulichen Reformpolitik im Zentrum der politischen Auseinandersetzungen gestanden: einmal die bodenpolitische bzw. eigentumspolitische Frage, in welchem Maße also bestehendes Eigentum an Grund und Boden in städtebauliche Maßnahmen eingebunden werden konnte, sowie die bundesstaatliche Kernfrage einer gemeinsamen Finanzierung der anstehenden Aufgabe der Städtebauförderung.77 Diese um den Entwurf 1968 sehr gut erkennbaren Konfliktlinien zeigten zweierlei: Einerseits die Begrenzung reformpolitischer Reichweite, wenn, wie im Falle der „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“, dadurch ein essenzielles Interesse senes Wirtschaftswachstum gefördert […].“ Vgl. hierzu – sehr instruktiv gerade mit Blick auf den Zeitgeist der „Planbarkeit“ – den Raumordnungsbericht 1968 der Bundesregierung, BT-Drs. V/3958, Abschnitte II, 8 und 9 (Sozialplanung bzw. Bildungsplanung). 74 Wozu bis zur Verabschiedung des StBauFG die personelle Kontinuität in Person des zuständigen Bundesministers Lauritz Lauritzen (1966–1972) ebenfalls beigetragen hat. Nach Auskunft von Kieseritzky bedeutete das Städtebauförderungsgesetz eines „der zentralen und erfolgreichen Projekte“ der Brandtschen „Modernisierungspolitik“ (S. 52). 75 Vgl. BR-Drs. 530/68, Allgemeine Begründung, S. 33, sowie Städtebaubericht 1969, S. 102. 76 S. BR-Drs. 530/68, Allgemeine Begründung, S. 32. 77 So auch Walter (2007), Rdnr. 10.
B. Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes 1968 43
der Wählerschaft eines der Koalitionspartner berührt wurde.78 Zweitens wurde der Zwang zu weitreichenden politischen Verständigungen innerhalb des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik deutlich, wenn es um die Schaffung gemeinsam wahrgenommener Aufgaben ging. Diese beiden Punkte sollen nachfolgend näher betrachtet werden.
I. Eigentum an Grund und Boden im Gesetzentwurf Noch zur Zielsetzung des Entwurfs 1965/66 gehörte die Kernaussage: „Die städtebaulichen Maßnahmen im Sinne des Gesetzentwurfs dürfen […] nicht dazu mißbraucht werden, anstelle von privatem Einzeleigentum Kollektiveigentum zu begründen.“79 Diese Tonlage änderte sich in den Folgeentwürfen und beförderte eine in Teilen erbitterte politische Debatte darüber, wie weit das Eigentum an Grund und Boden eingeschränkt werden konnte und sollte. Bereits im Städtebaubericht 1969 hieß es: „Bei einer Betrachtung des Baulandmarktes ist zu berücksichtigen, daß der für städtebauliche Zwecke benötigte Boden ein Wirtschaftsgut eigener Art darstellt. Er ist nicht wie andere Güter beliebig vermehrbar und austauschbar.“80 Die 1960er Jahre waren durch zwei „Ausschläge“ am Baulandmarkt geprägt. Zunächst einmal beobachtete die Bundesregierung seit ihrem Beginn einen enormen Anstieg der Grundstückstransaktionen. Dies führte sie auf die Aufhebung der Grundstückspreisbindung (und also eine aufholende Bewegung nach Beendigung der zwangswirtschaftlichen Begrenzungen noch in Folge des Krieges) zurück, auf eine durch Zuwanderung von mehr als 12 Millionen Menschen in die Bundesrepublik deutlich gestiegene Nachfrage nach Bauland sowie auf konjunkturell begründete Vorratskäufe.81 Zweitens verdoppelten sich, ausgehend von dieser Entwicklung, die im Bundesdurchschnitt erfassten Preise für baureifes Land in noch nicht einmal zehn Jahren,82 und entwickelten sich damit „erheblich stärker nach oben […] als die Preise der Mehrzahl der übrigen Güter und das allgemeine Verbraucherpreisniveau“.83 Gegen Ende der 1960er Jahre ging diese Entwicklung nach der Rezession von 1966/67 über in einen „beispiellosen Bauboom, der schließlich im Re78 Vgl.
Harlander/Kuhn, S. 866, sowie Schmidt (1978). Begründung Entwurf 1965: BT-Drs. IV/3491, S. 22. 80 S. Städtebaubericht 1969, S. 103. 81 Vgl. Städtebaubericht 1969, S. 105. 82 Vgl. BT-Drs. VI/2239, S. 8: 14,83 DM/qm (1962) – 16,92 DM (1963) – 18,46 DM (1964) – 21,89 (1965) – 23,61 DM (1966) – 25,71 DM (1967) – 28,37 DM (1968) – 29,86 DM (1969) – [30,66 DM (1970)]. – Vgl. hierzu auch Beitragsrecht Aufschließungsmaßnahmen, S. 66. 83 Vgl. Städtebaubericht 1969, S. 106. 79 S.
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kordjahr 1973 mit dem Bau von ca. 714.000 Wohnungen gipfelte“.84 Die kurzfristige Entwicklung wurde auch als inflationsbedingte „Flucht in die Sachwerte“ gedeutet, die einen erheblichen Anstieg der Lebenshaltungskosten mit sich führte und erkennbar auf die Mietpreisentwicklung in den unter Spekulationsdruck stehenden Großstädten rückwirkte. Nicht zuletzt die in die Höhe schießenden Mietpreise betrafen das Wählerklientel der SPD.85 Es mag dahingestellt sein, ob sich in der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu dieser Zeit tatsächlich ein „kollektives Erschrecken“ über die „Verwerfungen“ eines ungebremsten Wirtschaftswachstums im Bereich des Wohnungs- und Städtebaus eingestellt hatte.86 Deutlich wurde der Bundesregierung der Großen Koalition jedenfalls, dass der städtebaupolitische Reform bedarf aus sich selbst nährenden konjunkturellen Entwicklungen zu einem immer drängenderen Problem wurde: „Eine […] weitere Verschärfung der Situation auf dem Baulandmarkt ist aus städtebaulicher Sicht besonders bedenklich. Bei der Durchführung jeder Sanierung ist die Gemeinde in angemessenem Umfange auf den Erwerb von Grundstücken im Sanierungsgebiet […] angewiesen. […] Jede Sanierung und jede Entwicklung wird erheblich erschwert oder gar unmöglich gemacht, wenn die Gemeinde die benötigten Grundstücke – freihändig, durch Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts oder im Wege der Enteignung – zu dem überhöhten Preis erwerben muss, der sich inzwischen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gebildet hat.“87
Damit war für die bodenpolitische Dimension des Städtebauförderungsgesetzes deutlich umrissen, was Kurt Walter88 als „Dilemma der staatlichen 84 Vgl.
Harlander/Kuhn, S. 876. „26 781 Prozent“, in: Der Spiegel, Nr. 35/1969, S. 30 ff.: „ ‚Es gibt Tausende von Beispielen‘, teilte Georg Leber 1966 – damals noch Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bau, Steine, Erden, heute Bundesverkehrsminister – auf dem Gewerkschaftstag seiner IG mit. ‚In München hat man eine Satellitenstadt geplant. Die nassen Wiesen, auf denen sie gebaut werden sollte, kosteten vorher 93 Pfennig pro Quadratmeter. Nachdem offenkundig wurde, daß dort gebaut werden sollte, und die Makler sich dabei einschalteten, stieg die Forderung von Geschäftemachern und Maklern, die den Boden in der Zwischenzeit an sich gezogen hatten, auf 250 Mark. Kollegen, hört mal gut zu. Ich habe lange daran gerechnet. Das ist eine Preissteigerung um 26.781 Prozent.‘ 86 Vgl. Harlander/Kuhn, S. 870. Vgl. hierzu auch Bundesminister Lauritzen in der 348. Sitzung des Bundesrates am 13.2.1970, S. 20 (C): Das „bisher vorrangige Verfahren, nur den privaten Wohlstand anzustreben, wird fragwürdig, wenn sich wirtschaftliches Wachstum und technische Perfektion von den menschlichen Bedürfnissen ablösen, die nicht ökonomischer Natur sind. Unser gesamtes Gesellschaftssystem wird fragwürdig, wenn die immer deutlicher sichtbar werdende Diskrepanz nicht abgebaut wird, die zwischen den individuell erreichbaren Gütern und der Unfähigkeit der Gemeinschaft besteht, gesellschaftliche Bedürfnisse […] für alle zu befriedigen.“ 87 S. Städtebaubericht 1969, S. 113. 88 Vgl. Walter (2007), Rdnr. 11. 85 Vgl.
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Planungsapparate“ bezeichnet hatte, nämlich entweder mit einem praktisch ungesteuerten und unzureichenden Angebot an Grund und Flächen in Sanierungs- und städtebaulichen Zielgebieten planen zu müssen, oder aber auf eine „Monopolstellung der Grundeigentümer und deren Preisgestaltung“ zu stoßen. Aus Sicht der Bundesregierung war eine Bodenrechtsreform ein wichtiger Bestandteil der geplanten Reformgesetzgebung, da die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten, und dies schloss die Regelungen des Bundesbaugesetzes von 1960 ausdrücklich ein, zur „Bewältigung der anstehenden städtebaulichen Aufgaben“ nicht ausreichten.89 Im Verhältnis zu den Regierungsentwürfen von 1965/66 machte sich die Begründung 1968 zu eigen, dass das bodenrechtliche Instrumentarium „materiell noch zu schwach und in der verfahrensmäßigen Ausgestaltung […] zu umständlich“ formuliert gewesen sei.90 Auch wenn die Bundesregierung mit den „vorgesehenen Eigentumsbegrenzungen“ nicht weiter zu gehen gedachte, als „dies von dem Sachbereich der Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen her geboten“ schien,91 war klar, dass das Ungleichgewicht zwischen Bodenbesitz und dessen Preisentwicklung, zwischen dem „Dilemma der staatlichen Planungsapparate“ und dem unerfüllten politischen Handlungsdruck, einer aktiven Städtebaupolitik konkret im Wege stand. Im Juni 1969, kurz vor den anstehenden Bundestagswahlen, bezeichnete es der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau mit seinem Städtebaubericht als Ziel, „daß jeder an Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen Beteiligte zur Deckung der erheblichen Kosten, die der öffentlichen Hand entstehen, bis zur Höhe der durch die Maßnahmen herbeigeführten Bodenwertsteigerungen“ beitragen sollte.92 Den handelnden Akteuren war bewusst, dass schon in den geplanten Novellierungen des Bundesbaugesetzes der sog. „Planwertausgleich“, d. h. eine Abschöpfung allein planungsbedingter Bodenwertsteigerungen, im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen gestanden hatte.93 Dieses enorme politische Konfliktpotenzial um das Städtebauförderungsrecht verlagerte sich nun in eine „Arena“ der Gesetzgebung, die von einer neuen Koalition auf Bundesebene geprägt wurde.
89 Vgl.
allgem. Begründung zum Regierungsentwurf, BR-Drs. 530/68, S. 33. allgem. Begründung zum Regierungsentwurf, BR-Drs. 530/68, S. 34. 91 Vgl. allgem. Begründung zum Regierungsentwurf, BR-Drs. 530/68, S. 35. 92 S. Städtebaubericht 1969, S. 113. 93 Vgl. Harlander/Kuhn, S. 872 u. 873; zum sog. Planwertausgleich grundlegend: Friauf u. a., Kap. 4. 90 Vgl.
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II. Die Finanzierung des Städtebaus im Bundesstaat Die Finanzierung des Städtebaus war bundesstaatlich seitens der Länder von Anfang an mit Argusaugen betrachtet worden; eine gezielte Beteiligung an städtebaulichen Projekten verstieß nach ihrer Auffassung gegen den Grundsatz der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern.94 Bereits seit 1962 hatte sich der Bund an den sog. „Studien- und Modellvorhaben zur Erneuerung von Städten und Dörfern“ beteiligt, welche planungsrechtliche, organisatorische und finanzwirtschaft liche Grundlagen für das städtebauliche Gesetzgebungsverfahren erarbeiten und liefern sollten.95 Scharpf, Reissert und Schnabel zufolge hatte sich jedoch „Nordrhein-Westfalen […] nicht an den vom Bund mitfinanzierten Studienvorhaben beteiligt, um die Landeskompetenz für den Städtebau zu demonstrieren. Allein in diesem Bundesland wurde auch vor 1971 eine beachtliche Städtebauförderung durch das Land betrieben.“96 94 Vgl.
BR-Drs. 530/68, S. 68 ff. Städtebauförderung: Auswertung der Erfahrungen nach 10 Jahren […], S. 53: „Das Programm diente dazu, praktische Erfahrungen für die Vorbereitung des StBauFG zu sammeln und zugleich einige dringend anstehende Sanierungsmaßnahmen in Angriff zu nehmen. Für 122 Vorhaben gab der Bund bis 1971 rd. 141,5 Mio. DM. Nach Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes im Jahre 1971 wurde der größte Teil der Maßnahmen in das erste Bundesprogramm nach §§ 71, 72 StBauFG übergeleitet.“ 1975, also nach Inkrafttreten des StBauFG verortete der Bund die Studien- und Modellvorhaben als „Vorläuferprogramm“ „[…] der angewandten Stadtforschung; es steht vom Gegenstand und seiner Zielsetzung her in Wechselwirkung zum Bundesprogramm nach dem Städtebauförderungsgesetz und dem Mittelfristigen Forschungsprogramm Raumentwicklung und Siedlungsentwicklung (MFPRS). Die Studien- und Modellvorhaben sollen eine weiterführende Einwirkung auf Praxis und Forschung der städtebaulichen Erneuerung ermöglichen.“ (Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 25, Hervorhebungen n. i. Orig.). Vorgängerprogramme reichten nach Auskunft von Koopmann (1983, S. 105) noch weiter zurück, bis in das Jahr 1956 mit sog. „zweckmäßigen Maßnahmen zur Gesundung von Altbaugebieten (Altstadtsanierung)“ – ein Beleg dafür, dass die Sanierungsproblematik in den (west)deutschen Gemeinden quasi mit dem Ende der unmittelbaren Nachkriegszeit auf die Tagesordnung rückte. 96 Vgl. Scharpf/Reissert/Schnabel, S. 164. Nach Auskunft der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (vgl. Städtebauförderung in Nordrhein-Westfalen [1969], S. 2 ff.) waren Städtebauförderungsmittel seit 1950 kontinuierlich im Haushaltsplan des Landes ausgewiesen. Hier nur exemplarisch einige Jahre: 1950 – 17,6 Mio. DM; 1955 – 29,8 Mio. DM; 1960 – 38,8 Mio. DM; 1965 – 134,3 Mio. DM; 1969 – 173 Mio. DM. Insbesondere seit Mitte der 1960er Jahre fiel ein sprunghafter Anstieg der Landesfördermittel auf, was sich in das Gesamtbild einfügte, dass das Thema „Städtebau“ nach Beseitigung schwerster Kriegsfolgen reflexartig bearbeitet wurde. – Als zweites westdeutsches Bundesland, das mit eigenen Ansätzen und Impulsen zur Städtebauförderung hervorgetreten war, galt der Freistaat Bayern. So hieß es in der Drucksache Nr. 6/2220 des Bayerischen Landtags vom 15.7.1969: „Versuchs-, Vergleichs- und 95 Vgl.
B. Entwurf eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes 1968 47
Wie im vorhergehenden Teil A. beschrieben, wurde die Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen im Gesetzentwurf 1965/66 durch den Bund nur und insoweit vorgesehen, als im Rahmen der Städtebauförderung Bundesaufgaben zu erfüllen waren. Diese zurückhaltende, subsidiäre Stellungnahme zur finanziellen Ausgestaltung rührte nicht zuletzt daher, dass die entstehende Mischfinanzierung auch innerhalb der Bundesregierung umstritten war. Unabhängig davon wurde teilweise angemerkt, dass sich im Bereich zahlreicher Beteiligungen des Bundes auf Fonds- und Dotationsgrundlage eine „Zwielichtigkeit der Abkommen“ zwischen Bund und Ländern im Bereich des Wohnungs- und Städtebaus ergeben hatte, aus dem heraus ein „Wildwuchs unkoordinierter und teilweise unkontrollierbarer Finanzierungsverflechtungen“ entstanden war.97 „Bis in die 1950er Jahre zurück“ ließen sich demnach Feldversuche und eine geübte, aber unnormierte Staatspraxis erkennen, durch die der Bund darum bemüht war, „nicht nur auf das ‚Ob‘ städtebau licher Investitionen, sondern auch auf das ‚Wie‘ ihrer Gestaltung“ Einfluss zu nehmen. In dieses noch ungeklärte Umfeld – die Finanzreform der Großen Koalition von 1969 befand sich in den parlamentarischen Beratungen – stieß der Regierungsentwurf zum Städtebauförderungsgesetz von 1968 vor. Dieser wies wohl darauf hin, dass die Neuordnung der Finanzverfassung eingeleitet worden sei, um unter anderem für die Städtebauförderung ein grundgesetzlich abgesichertes Fundament im Finanzgefüge der Bundesrepublik zu schaffen,98 konnte am Ende des Tages aber nicht recht verbindlich werden. Auch wenn die Bundesregierung im Entwurf zum Städtebauförderungsgesetz formulierte, die neue grundgesetzliche Regelung hätte es erlaubt, „zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungmaßnahmen den Ländern Finanzhilfen zu gewähren“,99 erwähnte dies die zentrale Begründung für das Finanzreformgesetz in diesem Sinne nicht.100 Zum damaligen Stand der BeDemonstrativbauvorhaben sind vom Freistaat Bayern seit etwa 1960 mit rund 86 Mio. DM und vom Bund mit ca. 37 Mio. DM gefördert worden. Für die Stadt erneuerung haben der Freistaat Bayern seit 1963 etwa 23 Mio. DM und der Bund etwa 19 Mio. DM im Rahmen der Studien- und Modellvorhaben aufgewendet. Für Planungszuschüsse zur Dorferneuerung nach raumordnerischen und landesplanerischen Zielsetzungen haben der Freistaat Bayern und der Bund seit 1965 je etwa 1,13 Mio. DM bereitgestellt.“ 97 Vgl. Walter (2007), Rdnr. 18 u. 19. 98 Vgl. allgem. Begründung zum Regierungsentwurf, BR-Drs. 530/68, S. 33: „Der Vorschlag der Bundesregierung zu Art. 104a Abs. 3 GG läßt für konjunktur- und strukturpolitisch begründete Finanzhilfen des Bundes zugunsten von Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen Raum.“ 99 S. BR-Drs. 530/68, S. 68 f. 100 Vgl. BT-Drs. V/2861 (Finanzreformgesetz), z. B. Textziffer 121 oder 298, hier spricht der Entwurf von „Verkehrsnotständen“ und der „Verbesserung der Verkehrs-
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ratungen sah die neue Finanzverfassung des Grundgesetzes die Möglichkeit vor, den Ländern nach Art. 104a GG-Entwurf Finanzhilfen zu gewähren „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts […] für bestimmte Arten von Investitionen der Länder und Gemeinden“. Das gleiche gelte für „Investitionen von besonderer Art und Bedeutung zur Abwehr von erheblichen Störungen der regionalen Wirtschaftsentwicklung“.101 Ein mögliches Fazit, dass die Städtebauförderung politisch auf die Lösung struktureller, räumlicher Aufgaben hinarbeite, „sie aber verfassungsrechtlich als Instrument der Wirtschaftsförderung begründet“ worden war,102 zeigte sich in diesem Stadium der Entwurfsarbeiten sehr deutlich. Es ist an dieser Stelle nicht die Aufgabe, die Entstehungsgeschichte der Finanzverfassungsreform bzw. des Art. 104a des Grundgesetzes nachzuzeichnen.103 Wohl wurden in der Bundesregierung zu jener Zeit verschiedene Konzeptionen diskutiert und vertreten, wie die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Beteiligung des Bundes am Städtebau in den Gemeinden geschaffen werden konnte.104 Interessant war der Hinweis von Scharpf, Reissert und Schnabel,105 die von einer „Allianz“ zwischen dem „Bund (besonders dem BMBau) und den Kommunen zugunsten einer umfassenden Städtebauförderung durch den Bund“ sprachen. Im Wege unterschiedlicher Kompromissfindung und -formulierung war im Ergebnis „das Politikfeld Städtebauliche Erneuerung und Entwicklung auf eine verfassungsrechtlich kodifizierte Mitfinanzierungskompetenz des Bundes gegründet“.106 Die Finanzververhältnisse in den Gemeinden“ oder aber von der „Förderung des sozialen Wohnungsbaus nach dem 2. Wohnungsbaugesetz“, nicht aber vom Städtebau. 101 S. BT-Drs. V/2861 (Finanzreformgesetz), Art. 104a Abs. 3 (S. 6,) i. V. m. BRDrs. 530/68, S. 68. 102 Vgl. Walter (2001), S. 520. 103 Nähere Ausführungen, insbesondere mit Blick auf den hier vorgelegten Zusammenhang der Untersuchung, bietet u. § 3 A. I. 104 Vgl. Bielenberg, Rdnr. 209. – Scharpf/Reissert/Schnabel verwiesen in diesem Kontext noch einmal darauf, dass sich spätestens mit dem Entwurf 1968 eine inhaltliche Verknüpfung von Raumordnungs-/Strukturpolitik mit der Aufgabe des Städtebaues vollzog, vgl. S. 163: „Die Frage, warum die raumordnerische Steuerung auf dem Wege der Mitfinanzierung […] unbedingt den Bund einschließen müsse, blieb in der historischen Konstellation bei der Entstehung des StBauFG undiskutiert: Das Thema der Städtebauförderung war ja gerade durch die Allianz von Bund und Kommunen in den politischen Prozeß eingebracht worden. Außerdem hatte das bis 1969 für die Raumordnung zuständige Bundesministerium, das BMBau, in der Städtebauförderung den einzigen raumwirksamen Investitionsbereich erkannt, in dem die Umsetzung raumordnerischer Ziele direkt vom BMBau beeinflußt werden konnte, wenn der Bund sich an ihm finanziell beteiligte.“ 105 Vgl. Scharpf/Reissert/Schnabel, S. 160 f., m. w. Nachw. zur „wechselnden Positionierung“ der Städtebauförderung im Rahmen der Finanzreform. 106 Vgl. hierzu den Beitrag von Walter (2001), S. 519–520.
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fassungsreform von 1969 war so gesehen also ein bedeutender „Geburtshelfer“ für erstens ein neues Politikfeld und brachte zweitens eine entscheidende institutionelle Verschiebung in dem bis dahin überlieferten Arrangement hervor – denn mit dem Bund bewegte sich nun ein bedeutender Akteur auf einer von ihm selbst geschaffenen Ebene. Der Einschätzung von Walter, „dass die Generalklausel des Art. 104a Abs. 4 GG“ quasi als Ersatzklausel „diejenigen Sachgebiete abdecken muss, die an sich als Gemeinschaftsaufgaben ins Auge gefasst worden waren und es nach ihrer Investitionsbedeutung auch“ waren,107 folgt diese Arbeit allerdings nur in Teilen. Die Städtebauförderung war nicht aus politischem Kompromiss, sondern intendiert und beabsichtigt als Investitionshilfe und damit als „Instrument der Wirtschaftsförderung“ begründet worden. Sie wurde als Programm ganz bewusst nicht mit dem verpflichtenden, dauerhaften Charakter der Gemeinschaftsaufgaben ausgestattet, sondern verfügte innerhalb des Rahmens der Mischfinanzierung des 1969 eingeführten Art. 104a Abs. 4 GG über eine größere inhaltliche Flexibilität. Für das spätere Gesetz bedeutete dieses Stadium der Vorarbeiten ein ganz deutliches Wesensmerkmal. Es war von Anfang mit dem Ziel konzipiert worden, auch als konjunkturpolitisches Instrument eingesetzt zu werden. Diese Grundvoraussetzung sollte später, in seiner Umsetzung als Staatstätigkeit, voll zum Tragen kommen.108
C. Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden 1970 I. Der Entwurf der SPD/FDP-geführten Bundesregierung Nach dem Abflauen der Rezession 1965/66 und der Verabschiedung der wichtigsten Reformvorhaben (wie z. B. der genannten Finanzreform und der Einführung von Gemeinschaftsaufgaben) traten innerhalb der Großen Koalition grundsätzliche Kontroversen und gegensätzliche Konzeptionen zutage, die das Ende des Bündnisses einläuteten.109 Im September 1969 brachten dann die Wahlen zum sechsten Deutschen Bundestag erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik eine Koalition aus SPD und FDP hervor. Zu den Zielen seiner Bundesregierung gab der sozialdemokratische Bundeskanzler 107 Vgl. Walter (2001), S. 520. Im Vermittlungsausschuss zum Finanzreformgesetz bestand Einvernehmen, dass Art. 104a GG städtebauliche Sanierungsmaßnahmen umfasste, vgl. Kap. § 3 A.I. 108 Wie diese Arbeit in der Hauptsache in § 3 Teil B. argumentieren wird. 109 Vgl. Wolfrum, Kap. B. § 5d); von Kieseritzky, S. 17 ff.
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Willy Brandt eine Erklärung ab, in der es im Bereich der Innenpolitik und der inneren Reformen hieß: „Umwelt und Lebensverhältnisse werden sich in den 70er Jahren immer rascher verändern. Besonders auf den Gebieten der Raumordnung, des Städtebaus und des Wohnungsbaus werden daher systematische Vorausschau und Planung immer wichtiger. Als erster Schritt muß ein Städtebauförderungsgesetz zügig verabschiedet werden. […] Die Zielvorstellungen für die räumliche Entwicklung der Bundesrepublik sollen in einem Bundesraumordnungsprogramm entwickelt werden. Maßnahmen der Strukturpolitik, der regionalen Wirtschaftsförderung und des Städte- und Wohnungsbaus werden sich hier sinnvoll einfügen. Die Bundesregierung bietet Ländern und Gemeinden an, Vorstellungen für einen langfristig angelegten Städtebau zu entwickeln. Sie wird diese in einem zweiten Städtebaubericht konkretisieren.“110
Ressortchef für das Städtebauförderungsgesetz blieb über den Koalitionswechsel hinweg Dr. Lauritz Lauritzen (SPD), jedoch änderte sich die Bezeichnung des Hauses im Sinne der programmatischen Erklärung des Bundeskanzlers von „Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau“ in „Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen“. Der 1968 angestoßene Gesetzgebungsprozess war also noch einmal vom Ende einer Legislaturperiode unterbrochen worden und wurde durch die neue Koalition einer gründlichen Revision unterzogen. Nach Beratung und Beschluss im Bundeskabinett111 wurde der nun so genannte „Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz)“ im März 1970 dem Bundestag zugeleitet mit der Bitte, das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren einzuleiten.112 Der Bundesrat hatte den Entwurf bereits im Februar 1970 beraten und zu ihm Stellung genommen.113 Gegenüber den vorhergehenden Entwürfen verstärkte der Entwurf der neuen Bundesregierung das Ansinnen des Städtebauförderungsgesetzes, „in engem Zusammenhang mit anderen politischen Sachbereichen“ zu stehen und seine Wirkungsweise auch in diesem Kontext zu sehen. Hierzu zählte die Bundesregierung u. a. die Raumordnung und Strukturverbesserung, die regionale Wirtschaftsförderung sowie die Wirtschafts- und Finanzpolitik, ebenso aber die Agrarstrukturverbesserung, die Verbesserung der Verkehrs110 Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 5. Sitzung. Bonn, 28.10.1969, S. 28 (B). 111 Vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 10. Kabinettssitzung am 18.12.1969, TOP 7, unter Einfügung diverser detaillierter Änderungsanträge. 112 BT-Drs. VI/510 vom 12.3.1970. Der Entwurf bzw. einzelne Paragraphen des Entwurfes werden hier zitiert als „E-1970“. 113 Vgl. Bundesrat, 348. Sitzung am 13.2.1970. Im Bundesrat wurde der Gesetzesentwurf als BR-Drs. 1/70 geführt und behandelt.
C. Entwurf eines Gesetzes 197051
verhältnisse und den Ausbau des Bildungswesens.114 Dem entsprach aus Perspektive der Bundesregierung mit Blick auf die Städte und Gemeinden, dass „isolierte, punktuelle und einseitig auf örtliche Interessen beschränkte Lösungen“ im Städtebau nicht mehr möglich sein und zur Notwendigkeit überörtlicher Koordinierung führen sollten.115 Eine „Zentralisierung der Städtebaupolitik“ mochte der Bund zwar nicht für sich in Anspruch nehmen, „wohl aber für Bund, Länder und Gemeinden die Verpflichtung, loyal zusammenzuwirken und die bundesstaatliche Städtebaupolitik, soweit sie gesamtstaatliche Bedeutung hat, als eine zusammenhängende Planungs- und Finanzierungsaufgabe zu betrachten.“116 Die überregionale, im Gesamtzusammenhang wirkende finanzielle Ausgleichsfunktion reklamierte der Bund großzügig für sich, „weil es sich um eine langfristige Aufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung handelt, der hier anfallende Finanzbedarf die Leistungsfähigkeit der Länder und Gemeinden übersteigt und die in Frage kommenden Objekte aus einer Gesamtschau beurteilt werden müssen“.117 Klar benannt wurde zu diesem Zeitpunkt endgültig auch, dass Städtebaupolitik für die neue Bundesregierung ein konjunkturpolitisches Instrument war. Grundsätzlich wollte man den Städtebau von „kurzfristigen Schwankungen“ freihalten und gleichmäßig entwickeln, zudem stellten „öffentliche und private Bauinvestitionen“ einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Zentrales Anliegen der Bundesregierung war es nach eigenem Bekunden also, „die zu erwartende Abschwächung im Wohnungsbau durch städtebau liche Sanierungsmaßnahmen und Infrastrukturmaßnahmen abzufangen.“118 Insgesamt bezeichnete die Bundesregierung den Entwurf 1970 selbst als einen „neuen Entwurf […], der zudem gegenüber seinen Vorgängern wesentlich gestrafft worden“ sei.119 Drei Kategeorien räumlicher Förder- und Ziel114 Vgl.
BT-Drs. VI/510, S. 25, 26. Städtebaubericht 1970 der Bundesregierung, BT-Drs. VI/1497, S. 59. Scharpf/Reissert/Schnabel zufolge (S. 162) trat damit „die mögliche Verwendung der staatlichen Mitfinanzierung als strukturpolitisches Steuerungs- und Koordinations instrument in den Vordergrund.“ Dem ist zuzustimmen, denn im Städtebaubericht heißt es u. a. (S. 60): „Die Eingliederung des Städtebaues in ein übergeordnetes Zielsystem entspricht auch dem ökonomischen Gebot der Kräftekonzentration. Finanziell bewegen sich die städtebaulichen Maßnahmen, insbesondere im Bereich der infrastrukturellen Ausstattung, durchweg in solchen Größenordnungen, daß sie nur unter Zusammenfassung aller für diesen Zweck verfügbaren volkswirtschaftlichen Hilfsquellen sach- und zeitgerecht bewältigt werden können.“ 116 S. Städtebaubericht 1970 der Bundesregierung, BT-Drs. VI/1497, S. 60. 117 S. Städtebaubericht 1970 der Bundesregierung, BT-Drs. VI/1497, S. 61. 118 S. BT-Drs. VI/510, S. 26. 119 S. Storck, S. 46. Dr. Louis Storck war von 1969–1972 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen. 115 S.
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gebiete wurden von der Bundesregierung identifiziert und in einem Katalog mit jeweils eigenen Bedarfen umschrieben: „Verdichtungsräume, deren Randzonen und die ländlichen Gebiete.“120 Für die Verdichtungsräume sah der Gesetzentwurf oftmals die Notwendigkeit, die gesamten städtebaulichen Strukturen verbessern zu müssen. Für die Randzonen der Verdichtungsgebiete stellte der Entwurf zur Zeit seiner Abfassung eine starke Bau- und Entwicklungstätigkeit fest. Hier traten deutlich raumordnerische Überlegungen mit dem Modell der zentralen Orte zutage – die Randzonen sollten u. a. „entweder Entlastungsaufgaben für den Verdichtungsraum oder […] die Aufgaben eines zentralen Ortes für den umliegenden ländlichen Bereich“ übernehmen. Interessant war auch der Verweis der Bundesregierung, die Infrastruktur in den Verdichtungsrandzonen sei Förderziel der Städtebauförderung: „Es ist nicht richtig, wenn gelegentlich geltend gemacht wird, die Gemeinden könnten sich auf Sanierungsmaßnahmen beschränken.“121 Die ländlichen Gemeinden standen unter einem besonderen Wandlungsdruck aus städtebaulicher Sicht, fußend auf nachholenden Entwicklungen in die bundesrepublikanische Moderne hinein: In fast allen Gemeinden des ländlichen Bereichs waren nach Auskunft des Entwurfes „städtebauliche Mängel vorhanden. Es fehlen Schulen, Krankenhäuser, größere Sportanlagen, Einrichtungen der Altenhilfe, Anlagen der Wasserversorgung, der Abwasserund der Müllbeseitigung und vieles mehr. Die Bausubstanz ist überdurchschnittlich erneuerungsbedürftig, der Wohnkomfort weit zurückgeblieben.“122 Darüber hinausgehend, sozusagen um die Ambitionen des Gesetzgebers abzurunden, schlug der Entwurf „eine Koordinierung der Maßnahmen der Struktur-, Wirtschafts- und Finanzpolitik mit städtebaulichen Maßnahmen“ vor.123 Dies sollte um so mehr für die Kommunen gelten, welche die unterschiedlichen Aufgaben und Stränge städtebaulicher Projekte ihrerseits zusammenführen müssten. Die Bundesregierung betonte, dass die „konkreten räumlichen Zusammenhänge, die zwischen Stadtsanierung und Neuinvestitionen innerhalb eines Ballungsgebietes, innerhalb einer Stadtregion“ entstünden, auch unter funktionalen Gesichtspunkten betrachtet und bewertet werden mussten. „Der Bauboom am Rande unserer Städte“, erörterte seinerzeit der Parlamentarische Staatssekretär Ravens, „enthält zu einem Teil sicher Verschwendungsinvestitionen, die entstehen, weil die Steuerungsmechanismen zur Entwicklung un120 Vgl. BT-Drs. VI/510, S. 25. Die „gleichwertige“ Aufführung von städtischen Gemeinden und ländlichen Gemeinden wertete die Bundesregierung als Neuerung dieses Gesetzentwurfs, vgl. Storck, S. 46. 121 Vgl. BT-Drs. VI/510, S. 25. 122 Vgl. BT-Drs. VI/510, S. 26. 123 Vgl. BT-Drs. VI/510, S. 26.
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serer Städte nicht richtig funktionieren.“124 Vor diesem Hintergrund berief sich die neue Bundesregierung auch auf die Erfahrungen der nordrheinwestfälischen Landesregierung (ebenfalls gebildet aus einer Koalition von SPD und FDP) im Bereich der städtebaulichen Sanierungen. Dort waren nach Auskunft des Innenministers Weyer (FDP) zusammenwirkend und „auf drei Gebieten neue Wege beschritten worden“, indem das Land ein Landesentwicklungsprogramm auf den Weg gebracht, eine integral hierzu wirkende Kommunal- und Gebietsreform durchgeführt und schließlich im NordrheinWestfalen-Programm von 1975 die städtebaulichen Maßnahmen des Landes zusammengefasst habe.125 Neben die raumordnerisch-allokative Funktion der Städtebauförderung stellte die Bundesregierung in ihren Stellungnahmen ebenfalls „weitergehende verteilungspolitische“, ergo sozialpolitische Konsequenzen heraus. Die Sanierung der Städte sollte erklärtermaßen „nicht zu einer Belastung für die unteren Einkommensschichten“ werden, indem sie „qualitativ schlechte, aber auch billige Wohnungen beseitigt. Die Menschen, die in diesen Wohnungen lebten, waren [sic!] bei den bestehenden Marktverhältnissen und bei ihrem Einkommen häufig darauf angewiesen, in diesen Wohnungen zu wohnen. Deshalb erfordert eine Sanierung in großem Stil, wenn sie nicht zu sozialen Nachteilen führen soll, eine gleichzeitige Ausweitung des Angebots preiswerter Sozialwohnungen.“126 Nicht näher benannte „Mindestanteile“ öffentlich geförderter Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand sowie ausgeglichene Marktstrukturen, diese beiden Mittel galten der Bundesregierung als wichtig zur Erfüllung des sozialstaatlichen Auftrags der Wohnungsversorgung – deutliche Indizien dafür, dass der großvolumige Wohnungsbau der Nachkriegszeit als Modell sozialer Staatstätigkeit allmählich von anderen Leitbildern überlagert und ergänzt wurde. Ungeachtet dieses „städtebaulichen Umfeldes“ sowie zahlreicher Erweiterungen und Änderungen zu den Vorarbeiten hielt der Entwurf 1970 an der grundsätzlichen Unterscheidung von städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen fest.127 Die – im Vergleich zu den vorherigen Entwürfen – umfassender aufgestellten Aufgaben und Zielsetzungen beider Begriffs124 Vgl. Ravens, S. 60 f. Die Bundesregierung hatte das Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs als Mitglied der Bundesregierung neu eingeführt; dies war zunächst Karl Ravens (SPD), der dann von 1974–1978 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städte war. 125 Vgl. Weyer, S. 7. 126 Vgl. Ravens, S. 59 f. 127 § 1 E-1970: „[…] (2) Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Beseitigung städtebaulicher Mißstände, insbesondere durch Beseitigung baulicher Anlagen und Neubebauung, wesentlich verbessert oder umgestaltet wird. Sanierungsmaßnahmen umfassen auch erforderliche Ersatzbauten und Ersatzanlagen.
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felder führte die Bundesregierung auf die „inzwischen eingetretene weitere Entwicklung im Bereich der Raumordnung und des Städtebaus“ zurück, womit also abermals eine enge Verbindung zwischen modernem Städtebau und gesamtstaatlich-räumlichen Zielen hergestellt wurde.128 Unter Sanierung verstand die Bundesregierung begrifflich-konkret einerseits „die Beseitigung abbruchreifer Bausubstanz mit anschließender Neubebauung der Grundstücke“ im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet. Weiterhin lagen „städtebauliche Mißstände“ zur Sanierung nun auch vor, wenn neben einer maroden Bebauung ein Gebiet „nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ nicht mehr entsprach bzw. Baugebiete die ihnen zugewiesenen Funktionen „nicht mehr oder nur unzureichend erfüllen“ konnten.129 Zu den Tatbeständen einer solchen Interpretation der gebauten und bebauten stadträumlichen Umwelt zählte § 3 Abs. 3 Nr. 2 E-1970 schließlich die Funktionsfähigkeit des Gebietes in Bezug auf die Verkehrsverhältnisse, die wirtschaftliche Situation und die infrastrukturelle Erschließung eines Gebietes. Dies waren samt und sonders „moderne“ Dimensionen, die besonders gut in die begrifflichen Instrumente zur Modernisierung der Gemeindestrukturen passten. Hier kam eine rationalistische Interpretation räumlicher Funktionen und Zusammenhänge voll zum Tragen und schlug endgültig – eben in Erweiterung und Abkehr zum „konventionellen“ Baurecht des BBauG – als modernes Sanierungsrecht einen eigenständigen Weg ein. Für die Entwicklungsmaßnahme galt eine ähnliche räumliche Festlegung, allerdings deren stärkere Einbindung in Ziele der Raumordnung und Landesplanung. In der Praxis stand schon seinerzeit zu erwarten, dass die Schaffung neuer Ortschaften „auf der grünen Wiese“ eine untergeordnete Rolle spielen würde; die Entwicklungsmaßnahme sollte gewissermaßen zu einer Entlastungs- und Ergänzungsrolle unter strukturpolitischen Zielen finden, dabei in (3) Entwicklungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die zur Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung 1. neue Ortschaften geschaffen oder vorhandene Ortschaften zu neuen Siedlungseinheiten entwickelt werden oder 2. vorhandene Ortschaften um neue selbständige Siedlungseinheiten erweitert werden. Die Schaffung neuer Ortschaften oder die Entwicklung vorhandener Ortschaften zu neuen Siedlungseinheiten muß zur Entlastung von Verdichtungsgebieten oder zur Entwicklung der hinter der allgemeinen Entwicklung zurückbleibenden Gebiete notwendig sein. Die Erweiterung vorhandener Ortschaften um neue Siedlungseinheiten muß für die Entwicklung der vorhandenen Ortschaften aus funktionellen Gründen von wesentlicher Bedeutung sein. Diese Voraussetzung ist insbesondere erfüllt, wenn diese Maßnahme für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen in bebauten Gebieten notwendig oder für die Entwicklung der Gemeinde oder der Gemeinden oder des Verflechtungsbereiches bestimmend ist.“ 128 Vgl. a. für das Folgende: Begründung zu § 1 E-1970, BT-Drs. VI/510, S. 28. 129 Vgl. Begründung zu § 1 E-1970, BT-Drs. VI/510, S. 28.
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der Praxis aber wie eine Sanierungsmaßnahme funktionieren. Darin sah der Entwurf der Bundesregierung denn auch eine zuverlässige Abgrenzung zu (städte)baulichen Vorhaben im Rahmen des Bundesbaugesetzes. 1. Bodenordnung Auf eines der strittigsten Felder der Städtebauförderungspolitik wollte der Entwurf 1970 nach Auskunft der Bundesregierung dadurch reagieren, dass den „Belangen der Eigentümer […] in besonderem Maße Rechnung“ getragen würde, nämlich durch die Einengung der Voraussetzungen für Eingriffe in Besitz und Eigentum, weiterhin durch das Gebot einer strikten Reprivatisierung zuvor kommunalisierter Grundstücke oder durch die Leistung besonderer Härteausgleiche. Ein besonders strittiger Punkt wurde hingegen weitergeführt, es waren dies die Regelungen zur Entschädigung von Grundeigen tümern bei „Werterhöhungen, die lediglich durch die Aussicht auf die Sanierung und Entwicklung, durch ihre Vorbereitung oder Durchführung eingetreten sind“.130 Zu diesem Punkt nahm die Begründung der Bundesregierung zu § 20 E-1970 präzisierend Stellung: „Die Nichtberücksichtigung von Werterhöhungen des Grund und Bodens bei Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen, die infolge der Erwartung, der Vorbereitung und der Durchführung der Sanierung entstehen, ist für das Gelingen der Sanierung von entscheidender Bedeutung. Ohne sie wird jede Sanierung wesentlich erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Denn die Erfahrung zeigt, daß dann, wenn Sanierungsabsichten in der Öffentlichkeit bekannt werden, im Hinblick auf die Sanierung oft Grundstücksgeschäfte vorgenommen werden, die die Grundstückspreise in dem betreffenden Gebiet in die Höhe treiben. Sie nehmen damit den durch die Sanierung erstrebten Erfolg, der gerade erst durch Einsatz öffentlicher Mittel und behördliche Initiative herbeigeführt werden soll, vorweg. Würde das zugelassen, so könnten aus der Beseitigung unwürdiger Zustände unberechtigte Gewinne erzielt werden und damit eine doppelte Belastung der Allgemeinheit eintreten. Unter diesen Umständen könnte die Sanierung vielfach überhaupt nicht durchgeführt werden.“131
Noch deutlicher wurde diese Ambition jedenfalls nach dem Regierungswechsel zur SPD/FDP-geführten Bundesregierung im neu aufgelegten Städtebaubericht 1970 formuliert, welcher nicht als Ergänzung, sondern als Neuakzentuierung des Berichtes 1969 zu lesen war: „Das boden- und enteignungsrechtliche Instrumentarium des Bundesbaugesetzes reicht für die Durchführung der Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen nicht aus.“132 130 S.
Begründung zu E-1970, Allgemeiner Teil, BT-Drs. VI/510, S. 27. Begründung zu § 20 E-1970, BT-Drs. VI/510, S. 38. 132 S. Städtebaubericht 1970, S. 68. In den Vorbemerkungen und der Zusammenfassung (S. 8) heißt es: „Um das Mißverhältnis der gesellschaftspolitischen und der 131 S.
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Prägnante Impulse erhielt der Entwurf zum Städtebauförderungsgesetz vom Berliner Senator für Bau- und Wohnungswesen, Schwedler (SPD), der bereits seit 1963 Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Stadterneuerungsmaßnahmen gesammelt hatte. Schwedler galt als Verfechter großzügiger und umfangreicher Abrisssanierungen, welche später auch als „Kahlschlagsanierungen“ bekannt wurden, gleichzeitig aber auch als ein Vertreter, der Städtebauförderung als stadtfunktionelle Modernisierung konzipierte.133 Auf einer Konferenz des Bundesministeriums für Städtebau und Wohnungswesen berichtete Schwedler ausführlich davon, dass die „Ausgestaltung des Bodenrechts in den nächsten Jahren für die Frage der Bereitstellung der benötigten Grundstücke in der Stadterneuerung entscheidende Bedeutung“ zukomme, da die Senatsverwaltung Berlin auf „einen harten Kern fehlender Bereitschaft zur Beteiligung bzw. zum Verkauf“ träfe. Niemand solle glauben, „daß es ohne ein allzu einschneidendes Enteignungsrecht weitergehen werde.“134 Der Berliner Senator sprach sich konsequent für eine Lockerung der Vorgaben zu Enteignungen (§ 19 E-1970) sowie eine Auf weichung des Reprivatisierungsgebotes (§ 22 E-1970) aus;135 eine ähnliche, unterstreichende Sicht wurde auch von Mitgliedern der Bundesregierung formuliert.136
wirtschaftlichen Bedeutung des Gutes Boden auszugleichen, bedarf es keineswegs einer Änderung der gegenwärtigen Eigentumsordnung. Dem Gesetzgeber ist vielmehr aufgegeben, den verfassungsrechtlichen Gestaltungsrahmen des Artikels 14 des Grundgesetzes voll auszuschöpfen. […] Eine Aufgabe der Städtebaupolitik des Bundes ist es deshalb, für eine Verbesserung der Bodenmobilität zu sorgen.“ 133 S. Abgeordnetenhaus von Berlin, 33. Sitzung, 18.6.1964, S. 357: „In keinem Fall dürfen wir Stadterneuerung auf Wohnungssanierung und den Wohnungsbau beschränken. Ob es sich um Fragen des Straßenverkehrs und der öffentlichen Verkehrsmittel handelt, um Erholungsmöglichkeiten, um Gewerbebetriebe und Geschäfte oder soziale Einrichtungen und Schulen – das alles gehört mit zur Stadterneuerung, wenn sie mehr sein soll als ein Ausbesserungsversuch mit zweifelhaftem Erfolg. Stadtplanung und damit Stadterneuerung können nicht nach einem starren System betrieben werden […], sondern als Richtlinien großzügiger Ordnung […].“ 134 S. Schwedler, S. 36. 135 Das Land Berlin habe aus stadtentwicklungspolitischer Sicht positive Erfahrungen mit langfristigen Treuhänderschaften gemacht und diese wären in ihrem Engagement am ehesten durch handhabbare, zuverlässige Szenarien erreichbar. Gleichwohl räumt Schwedler Berlin eine besondere Rolle ein, da es „nicht mit der zeitlich begrenzten Lösung eines vereinzelten städtebaulichen Mißstandes“ konfrontiert sei, „sondern mit einem außerordentlich langfristigen Erneuerungsprozeß […]“ in mehr als 200.000 sanierungsbedürftigen Altbauwohnungen (Schwedler, S. 40 f.). 136 Vgl. Ravens, S. 59: „Wir sind uns wohl auch darüber einig, daß eine Abschöpfung der Sanierungs- und Entwicklungsgewinne zugunsten der Finanzierung dieser Investitionen einen ersten wichtigen Fortschritt in unsere Bodenordnung bringt. Wir sind uns wohl auch darüber einig, daß es nach Verabschiedung des Städtebauförde-
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2. Die Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen Die Finanzierung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen regelte im Zweiten Teil der Sechste Abschnitt des Entwurfs zum Städtebauförderungsgesetz 1970 (§§ 34 ff.). Grundsätzlich griff der Entwurf dabei auf die vorherigen Entwicklungsstufen und Entwürfe zurück und sah eine Verteilung der Kosten auf die öffentliche Hand und die Eigentümer der betreffenden Grundstücke und Immobilien vor. Sanierung und Neubau waren demnach von den Eigentümern zu leisten und zu finanzieren; vorbereitende, ergänzende und öffentlichen Leistungen demnach von der öffentlichen Hand bzw. dem beauftragten Sanierungsträger (§ 29 E-1970) und anteilig von den Eigentümern. Der Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände waren mit ihren Sanierungsförderungsmitteln zur Deckung der Kosten der Vorbereitung der Sanierung, den Kosten der sog. Ordnungsmaßnahmen sowie der Kosten nach §§ 38 und 39 E-1970137 zuständig, welche nicht vom Eigentümer übernommen wurden. Für die Gemeinden und Gemeindeverwaltungen entstand damit die anspruchsvolle Aufgabe, umfangreiche Sanierungskonzepte mit komplexen Förderkulissen aufzubauen. Zur Vorbereitung der Sanierung gehörten insbesondere die Kosten der vorbereitenden Untersuchung, die Ausarbeitung von Bauleitplänen, Vorverhandlungen mit den Eigentümern wie auch die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes (§ 36 Abs. 2 E-1970). Von den Gemeinden und den Eigentümern anteilig getragen werden sollten die Kosten der Ordnungsmaßnahmen entspr. § 37 E-1970.138 Die Kosten sollten rechnerisch nach dem Verhältnis verteilt werden, welches sich aus der Erhöhung der Werte der Grundstücke ergab (§ 37 Abs. 3 E-1970). Die Gemeinde sollte dazu verpflichtet werden, die entstehenden Kosten der Ordnungsmaßnahmen soweit zu tragen, als sie nicht durch die Erhöhung des Grundstückwertes gedeckt werden konnten und die Eigentümer (entsprechend) in der Höhe, bis zu der die Werterhöhung reichte. Diese Auffassung wurde von der Bundesregierung in der Beratungsphase zum Gesetz ausdrücklich und auch etwas verständlicher wiederholt: Die „Heranziehung erfolgt bei den Eigentümern, die ein Grundstück veräußern, dadurch, daß sie den Verkehrswert vor der Sanierung erhalten und bei Rückkauf im rungsgsesetzes zu weiteren Reformen des Bodenrechts kommen muß, damit wir hier nicht partielle Lösungen auf die Dauer nebeneinander behalten.“ 137 Das waren Kosten der Modernisierungsmaßnahmen (§ 38) und der Neubebauung (§ 39). 138 Diese waren in § 10 Abs. 1 Nr. 1 E-1970 näher definiert. Ordnungsmaßnahmen umfassten die Bodenordnung, den Umzug der Bewohner und Betriebe, die Beseitigung baulicher Anlagen, die Erschließung sowie „sonstige Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Baumaßnahmen durchgeführt werden können.“
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Wege der Reprivatisierung den neuen durch die Sanierungsmaßnahmen beeinflußten Verkehrswert bezahlen müssen. Eigentümer, die aus dem Sanierungsgeschehen nicht ausscheiden müssen, müssen nach Abschluß der Sanierung den Differenzbetrag bezahlen, der zwischen dem Verkehrswert ihres Grundstückes vor und nach der Sanierung liegt.“139
Derartige Formulierungen und deren gesetzliche Umsetzung konnten nichts anderes bewirken als den massiven Widerstand („großer“ und „kleiner“) Grundstücksbesitzer. Gerade angesichts der exorbitanten, spekulativen Grundstückspreisentwicklungen im Bauboom zu Beginn der 1970er Jahre musste die Aussicht, jahrelange und großflächige Sanierungsmaßnahmen unter Beteiligung der öffentlichen Hand (und mit sozusagen ungewissem Ausgang) zu erdulden, manchem Grundstücksbesitzer de facto wie eine Enteignung vorkommen. Die Gemeinden sollten für bestehende Grundstücke Baugebote erlassen (§ 17) oder für bestehende, im Rahmen der Sanierung nicht zu beseitigende Gebäude Modernisierungsgebote (§ 18 E-1970). Bei Modernisierungsmaßnahmen wurden Kosten vom Eigentümer getragen, teilweise unter Ergänzung durch die Gemeinde (§ 38 E-1970). Hier entstand, folgte man dem Gesetzentwurf 1970 der Bundesregierung, ein in der Praxis deutliches Moment der finanziellen Unberechenbarkeit; denn in der Begründung hielt die Bundesregierung fest, dass Modernisierungsmaßnahmen oftmals hohe Kosten verursachten, die absehbar nicht aus den Erträgen der Modernisierung zu erwirtschaften gewesen wären. § 38 sah daher vor, dass „der Eigentümer nur die rentierlichen Kosten der Modernisierung zu tragen“ habe, „im übrigen jedoch einen Anspruch gegen die Gemeinde“ erhalte, „ihm die unrentierlichen Kosten zu erstatten, soweit sie nicht von anderer Stelle durch einen Zuschuß gedeckt werden“ könnten.140 Kosten der Neubebauung sollten grundsätzlich durch den Eigentümer getragen werden.141 Hierzu stellte der Entwurf 1970 in seiner Begründung zu § 39 lakonisch fest: „Die Wiederbebauung nach der rechtlichen und tatsächlichen Neuordnung des Sanierungsgebietes wirft keine anderen Probleme auf
139 Vgl.
Storck, S. 47. BT-Drs. VI/510, Begründung zu § 38, S. 45. Zum Begriff der Rentierlichkeit vgl. u. § 4 C.II.3. 141 Vgl. BT-Drs. VI/510, Begründung zu § 39, S. 45. Gemäß E-1970 sollten die Bauherren im Sanierungsgebiet „ebenso wie andere Bauherren öffentliche Förderungsmittel erhalten können, insbesondere solche des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus.“ Sanierungsförderungsmittel konnten „nur ausnahmsweise“ als Mittel des sozialen Wohnungsbaues Einsatz finden, soweit diese für den Neubau von Wohnungen nicht zur Verfügung standen und unter weiteren Voraussetzungen, u. a. dem Abbruch einer bereits angefangenen Sanierung. 140 Vgl.
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als der Neubau von bislang unbebauten Flächen.“142 Dies war aus heutiger Sicht wenig realitätsnah und dürfte bereits damals Widerspruch hervorgerufen haben; gerade angesichts der in jener Zeit geschilderten Umstände in den bestehenden Altstadtbebauungen und Grundrissen, die es ja zu sanieren galt, konnte ein Vergleich mit einem Bau auf bislang unbebauten Flächen nur da greifen, wo die Eigentumsverhältnisse bereits derart neu geordnet worden wären, dass von einer sprichwörtlichen tabula rasa gesprochen werden konnte. Dies setzte jedoch entsprechende Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen der Gemeinde voraus.143 So formulierte der Entwurf zu § 41: „Schuldner einer Entschädigung im Rahmen der städtebaulichen Sanierung ist auf Grund des Bundesbaugesetzes oder des vorliegenden Gesetzes regelmäßig die Gemeinde.“144 Üblicherweise wurden die von der öffentlichen Hand getragenen Mittel als „unrentierliche Kosten“ bezeichnet, ein Begriff, der aus der Wohnungswirtschaft entnommen wurde. Hierunter wurden diejenigen Kosten verstanden, welche im Rahmen einer Sanierung entstanden und durch Sanierungsmittel bestritten werden mussten, deren Tilgung und Verzinsung jedoch nicht aus den Erträgen von Sanierung und Neubebauung erfolgen konnte. Sie waren demnach regelmäßig mit Zuschüssen zu finanzieren. Zu ihnen gehörten ausweislich des Gesetzentwurfes u. a. die Kosten der Vorbereitung der Sanierung und wesentliche Teile der Ordnungsmaßnahmen. Dem Entwurf von 1970 zufolge mussten für die unrentierlichen Kosten „letzten Endes die Gemeinde, die die Sanierungsmaßnahmen veranlaßt, aufkommen und hierzu eigene Haushaltmittel bereitstellen oder andere Haushaltsmittel der öffentlichen Hand beantragen.“145 Die Gemeinden sollten den Umfang ihrer Finanzverantwortung dokumentieren und eine Kosten- und Finanzierungsübersicht erstellen. Die Übersicht sollte den höheren Verwaltungsbehörden zur Genehmigung vorgelegt werden, wobei für letztere eine Prüfung dieser Übersicht vorgesehen war. Für die höheren Verwaltungsbehörden wurde in dieser Per spektive auch eine „alle Kostenträger umfassende Koordinierungsaufgabe“ 142 Vgl.
BT-Drs. VI/510, Begründung zu § 39, S. 45. § 19 E-1970 unter Verweis auf § 88 BBauG (Enteignung aus zwingenden städtebaulichen Gründen) und trotz der Einschränkungen des § 20 E-1970 (Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen unter Nichtberücksichtigung von Werterhöhungen des Grund und Bodens). Der Bundesregierung zufolge war eine „spezielle, zweckentsprechende Ausgestaltung des Enteignungsverfahrens […] bei Sanierungsvorhaben besonders bedeutungsvoll“ (vgl. BT-Drs. VI/510, Begründung zu § 19, S. 37). Ihr zufolge waren Enteignungsverfahren zu langwierig im Ablauf und mussten angesichts der Sanierungsziele des Gesetzes zeitlich abgekürzt werden, „ohne dabei jedoch den Rechtsschutz der Betroffenen zu beeinträchtigen“ (ebd.). 144 Vgl. BT-Drs. VI/510, Begründung zu § 41, S. 46. 145 Vgl. BT-Drs. VI/510, S. 44. 143 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
vorgesehen, da sie die finanziellen Planungen der übrigen öffentlichen Träger (Straßenbau, nicht-kommunale öffentliche Einrichtungen, Eisenbahn, Telekommunikation) zusammenführen und bewerten sollte.146 Insgesamt waren durch den Entwurf von 1970 bereits etliche gesetzliche Grundlinien erkennbar, die ab 1971 das endgültige StBauFG prägen sollten. Gleichwohl war die Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen, wie sie der Regierungsentwurf von 1970 vorsah, für Eigentümer, mögliche Investoren und die Gemeinden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Risiken behaftet, insbesondere unter Beachtung der zu erwartenden Umfänge möglicher Sanierungsprojekte. Aus heutiger Sicht mag es zwar erstaunlich klingen, aus damaliger Sicht waren die Themen Städtebau und Stadtsanierung aber derart zukunftsträchtig und erwartungsfroh besetzt, dass diese Perspektive für nachrangig gehalten wurde. Städtebau sollte sich, ganz im Sinne auch anderer Investitionen eines sich verschuldenden Staates, durch ein generiertes volkswirtschaftliches Wachstum und in dessen Folge gesteigerte Steuereinnahmen mittel- bis langfristig amortisieren. Soweit die Vorstellungen – erst in der Implementation des StBauFG und mit den Erfahrungen erster Stadtsanierungsprojekte kehrte wieder eine nüchternere und belastbarere „Sicht der Dinge“ ein. 3. Die Finanzierung im Bundesstaat Die Rechtsauffassung der Bundesregierung zur Aufstellung von Bundesprogrammen (Fünfter Teil § 55 ff. E-1970: „Förderung durch den Bund“) zur Durchführung des Städtebauförderungsgesetzes war es, dass durch die vorgesehenen Bestimmungen nicht in die Finanzhoheit der Bundesländer und der Gemeinden eingegriffen wurde: „Das Bundesprogramm, von dem im Städtebauförderungsgesetzentwurf die Rede ist, soll und will lediglich die von den Ländern aufgestellten Programme als Grundlage für die Verteilung der Bundesmittel nach den Grundsätzen des Artikel 104a des Grundgesetzes zusammenfassen und mit den übrigen Maßnahmen des Bundes koordinieren. Die Koordination ist wesentliche Aufgabe des Bundes.“147 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vertrat den Standpunkt, dass die „verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Mitfinanzierung durch den Bund […] im Rahmen der Finanzreform durch Art. 104a Abs. 4 des Grundgesetzes geschaffen“ worden waren148 und städtebauliche Sanierungs- und 146 Vgl.
BT-Drs. VI/510, Begründung zu § 34. Storck, S. 49. 148 S. BT-Drs. VI/510, S. 51. Hier fand sich ein interessanter Hinweis zur Entstehungsgeschichte der Grundgesetzänderung: „Der Deutsche Bundestag hatte zunächst eine Fassung des Artikels 104a Abs. 4 des Grundgesetzes beschlossen, die den Bund 147 S.
C. Entwurf eines Gesetzes 197061
Entwicklungsmaßnahmen von dieser Vorschrift erfasst wurden. Daher sah er in § 55 (Finanzhilfen des Bundes) vor: „(1) Zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen nach diesem Gesetz gewährt der Bund den Ländern für Investitionen der Gemeinden Finanzhilfen, insbesondere für Maßnahmen, die die Strukturverbesserung in den Verdichtungsgebieten, die Verdichtung von Wohn- und Arbeitsstätten im Zuge von Entwicklungsachsen oder den Ausbau von Entwicklungsschwerpunkten außerhalb der Verdichtungsgebiete zum Gegenstand haben.“
Absatz 3 bestimmte näherhin, dass die Finanzhilfen nach „Schwerpunkten gemäß der Bedeutung der Investitionen“ zu gewähren seien, Abs. 4 ermächtigte den Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen, „durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Förderungsverfahren“ zu regeln. Die Begründung des § 56 (Einsatz der Finanzhilfen des Bundes) sah „die Entwicklung, Anpassung und Fortführung eines Programms in Zusammenarbeit zwischen den zuständigen obersten Landesbehörden und dem Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen“ vor, also bereits in der Entwicklung ein hohes Maß an Kooperation. Demnach sollten die in das Programm kommenden Sanierungsmaßnahmen von den „obersten Landesbehörden“ ausgewählt und vorgeschlagen werden, wobei andere geförderte oder durchgeführte Maßnahmen bei diesem Auswahlverfahren berücksichtigt werden sollten. Zur endgültigen (Bundes-)Programmformulierung sollte es dann durch den Bundesminister kommen, der sich „auf Grund der Vorschläge mit den obersten Landesbehörden“ beraten und „unter Abstimmung mit anderen im Zusammenhang stehenden Maßnahmen das Programm für die Finanzhilfen des Bundes“ aufstellen sollte.149 Über dessen Höhen waren im Entwurfsstadium 1970 noch keine Planungen benannt; der Entwurf verwies insoweit als Platzermächtigte, den Ländern Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Gemeinden zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu gewähren (s. BT-Drucksache V/3605 in Verbindung mit der Niederschrift über die 204. Sitzung des Deutschen Bundestags, Tagesordnungspunkt 4). Gegen diese weitgehende Fassung hatte der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen mit dem Ziel, die Bestimmung enumerativ auf die Verbesserung der gemeindlichen Verkehrsverhältnisse und die städtebauliche Erneuerung und Entwicklung zu beschränken (s. BRDrucksache 14/69 – Beschluß –). Im Vermittlungsausschuß wurde daraufhin ein Kompromiß erzielt, der der jetzigen Fassung des Artikels 104a Abs. 4 des Grundgesetzes zugrunde liegt. Dabei bestand im Vermittlungssausschuß Einigkeit, daß die städtebaulichen Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden von der Vorschrift erfaßt sind (s. Mündliche Berichte der Berichterstatter des Vermittlungsausschusses in der 222. Sitzung des Deutschen Bundestags und in der 338. Sitzung des Bundesrats). Es ist daher nunmehr möglich, im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfs genauere Regelungen über die Finanzhilfen des Bundes und ihren Einsatz vorzusehen.“ 149 S. Begründung zu § 56 E-1970, BT-Drs. VI/510.
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halter auf die zu erwartende mittelfristige Finanzplanung des Bundes und wollte ab 1974 aus „allgemeinen Deckungsmitteln“ heraus jährlich zu bestimmende Fördermittel bereitstellen. Die finanzielle Beteiligung des Bundes an städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen entsprach nach Auskunft des Entwurfes „wiederholten und nachdrücklichen Forderungen der städtebaulichen Praxis“, leider ohne nähere Bezeichnungen von Quellen.150 Als interessant ist zudem zu bewerten, dass der Entwurf 1970 den oben schon angesprochenen Wandel von der quantitativen Wohnungsbaupolitik der Nachkriegszeit zur qualitativ orientierten Städtebaupolitik auch unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Förderung nachvollzog: „Dementsprechend ist vorgesehen, daß aus der Rückflußmasse des sozialen Wohnungsbaus Finanzhilfen auch für städtebauliche Maßnahmen im Sinne des Entwurfs gewährt werden können, die der Fortführung des Wohnungsbaus oder der Verbesserung der Wohnverhältnisse dienen.“151 4. Das Leitbild einer „Demokratisierung der Planung“ Die Bundesregierung stärkte in ihrem Entwurf partizipative und kooperative Elemente der Gesetzesausführung und Implementation. Im Sinne des angestoßenen „inneren Reformkurses“ der Regierung Brandt152 und der SPD war es das – im Rahmen der parlamentarischen Debatte ausgesprochen kontrovers diskutierte – Ziel, die „Demokratisierung des Planungsprozesses“153 voranzutreiben und die betroffenen Eigentümer, Mieter und Pächter in die vor Ort umzusetzenden Reformprozesse einzubinden. Die Bundesregierung sah darin einen entscheidenden Faktor zum Gelingen kommunaler Stadtentwicklungsprozesse.154 Einem weiteren Leitbild jener Jahre entsprach das Vorhaben, den städtebaulichen Reformprozess wissenschaftlich durch ein beratendes Gremium zu 150 S.
Begründung zu E-1970, Allgemeiner Teil, BT-Drs. VI/510, S. 27. Begründung zu E-1970, Allgemeiner Teil, BT-Drs. VI/510, S. 27. 152 „Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsere Arbeitsweise öffnen und dem kritischen Bedürfnis nach Information Genüge tun. Wir werden darauf hinwirken, daß nicht nur durch Anhörungen im Bundestag, sondern auch durch ständige Fühlungnahme mit den repräsentativen Gruppen unseres Volkes und durch eine umfassende Unterrichtung über die Regierungspolitik jeder Bürger die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken. […] Mitbestimmung, Mitverantwortung in den verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft wird eine bewegende Kraft der kommenden Jahre sein. […] Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert.“ Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 5. Sitzung. Bonn, 28.10.1969, S. 20 (C/D). 153 Vgl. Storck, S. 49. 154 Vgl. dazu u. § 4 Kap. A.II.1.c) und d). 151 S.
C. Entwurf eines Gesetzes 197063
begleiten, den sog. „Deutschen Rat für Stadtentwicklung“ (§ 66 E-1970). Er sollte in der Zeit der Gesetzesausführung dazu dienen, „wissenschaftlich fundierte und abgesicherte Entscheidungshilfen und Entscheidungsalterna tiven“ für den städtebaulichen Reformprozess zu formulieren. Durch eine starke Beteiligung der Länder und der Kommunen, so war es zumindest die Intention der initiierenden Bundesregierung, sollte der Rat eine „echtes Instrument föderativer und kooperativer Koordination“ sein.155
II. Der Entwurf der Fraktion von CDU und CSU Noch vor der Einbringung des Entwurfs der Bundesregierung hatte die Fraktion von CDU und CSU, nun seit Gründung der Bundesrepublik zum ersten Mal in der Rolle der parlamentarischen Opposition im Deutschen Bundestag, im Februar 1970 einen eigenständigen Gesetzentwurf zum Städtebauförderung vorgelegt.156 Dieser forderte bereits mit seinem Titel „Förderung von städtebaulichen Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Stadt und Land“ eine stärkere Beachtung des ländlichen Raums. Auch in seiner Einleitung griff der Entwurf unmittelbar auf die vom Grundgesetz postulierte und geforderte „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land“ zurück. Doch war dies tatsächlich ein alternativer Entwurf zu demjenigen der Bundesregierung? Im Großen und Ganzen bestand nach wie vor sachliche Einigkeit über die Notwendigkeit und zentralen Anliegen der Einführung bzw. Reform einer Städtebauförderungsgesetzgebung; eine grundsätzlich andere Linie wäre angesichts der bisherigen Führung der Bundesregierung durch die CDU und CSU auch wenig glaubhaft gewesen. Die nun neue Opposition formulierte soziale, hygienische, wirtschaftliche und kulturelle Erfordernisse städtebaulicher Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen, hierdurch sollten „optimale Siedlungsstrukturen […] entsprechend den Zielen der Raumordnung und Landesplanung als Voraussetzung gesunder Lebens- und Umweltverhältnisse“ geschaffen werden.157
155 Vgl.
Storck, S. 50. VI/434 vom 24.2.1970. Der Entwurf bzw. einzelne Paragraphen des Entwurfes werden hier zitiert als „E-CDU/CSU-1970“. Unter „C. Alternative“ führten CDU und CSU auf: „Es liegt ein Regierungsentwurf vor, der hinsichtlich der Einschaltung und Mitwirkung der Grundeigentümer und sonstigen Betroffenen wie auch der Durchführung des Verfahrens und in den bodenrechtlichen Bestimmungen zu anderen Lösungen kommt.“ (BT-Drs. VI/434, Vorblatt). 157 BT-Drs. VI/434, Vorblatt. 156 BT-Drs.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
1. Der eigentumspolitische und bodenrechtliche Schwerpunkt der Opposition Der von der Opposition behauptete wie auch tatsächliche Unterschied zum Regierungsentwurf war der eigentumspolitische und bodenrechtliche Schwerpunkt. Er wurde in den folgenden Auseinandersetzungen besonders vehement als politische Alternative formuliert.158 Nach Auffassung von CDU und CSU sollte durch das Städtebauförderungsgesetz „ein Zusammenwirken von Eigentümern von Grund und Boden und der öffentlichen Hand herbeigeführt werden“ unter Berücksichtigung der „Individual- wie auch […] Sozialfunktion des Grundeigentums“. Darauf waren die „besonderen bodenrechtlichen Bestimmungen“ des Alternativentwurfs abgestellt, wie auch dafür gesorgt werden sollte, dass „der Erwerb von Eigentum an Immobilien für jedermann, insbesondere auch für kapitalschwache Bevölkerungskreise gefördert“ werden sollte.159 Dadurch wurde die „Polrichtung“ der Städtebauförderung zumindest dem Anspruch nach umgekehrt, es offenbarte sich ein anderes Staatsverständnis: nicht die Gemeinde erkannte den Sanierungsbedarf und führte das Sonderrecht Sanierung unter Erfassung und Einbindung des Privateigentums durch. Nach Auffassung der CDU und CSU wirkten vielmehr die „Eigentümer von Grund und Boden“ zusammen mit der öffentlichen Hand auf städtebauliche Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen hin. Weite Teile des Entwurfes waren von einer Rollenvorstellung der Gemeindeverwaltung geprägt, welche mehr eine subsidiäre als eine initiierende oder prägende Rolle des Sanierungsgeschehens einnehmen sollte. Dieses Motiv sollte sich bis in die Verhandlungen der finalen Version des StBauFG zeigen. Hierfür sprach nicht nur der Aufbau des Entwurfs, der bereits in § 1 E-CDU/ CSU-1970 festlegte, dass „Bund und Länder einschließlich Gemeinden und Gemeindeverbände […] im Rahmen ihrer Zuständigkeiten städtebauliche Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ förderten und § 6 Abs. 1 weiterhin besagte: „Die Durchführung von Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen obliegt den Eigentümern.“160 Nach der Vorstellung der Opposition im Bundestag war das künftige Städtebauförderungsrecht kein „Ermöglichungsrecht“ für die Gemeindeverwaltung, städtebauliche Probleme planend, konkret und baulich zu beseitigen. Allenfalls bei den vorbereitenden Untersuchungen und Stellungnahmen (§ 9) und bei der Durchführung der Bodenordnung und Erschließung (§ 8) erhielt die Kommunalverwaltung eine pri158 Vgl.
„Lächerliche Quadratmeter“, in: Der Spiegel, Nr. 4/1971, S. 27 f. Nr. VI/434, Vorblatt. 160 Diese Position wurde später gar von der Bayerischen Staatsregierung vertreten, vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 27 (B). 159 BT-Drucksache
C. Entwurf eines Gesetzes 197065
märe und führende Rolle. Für das übrige ergab sich eher eine Rollenverteilung zwischen dem Staat und staatlicher Verwaltung einerseits sowie den zusammengeschlossenen Eigentümern andererseits.161 Verschiedenartige, gegenüber dem Regierungsentwurf weiter gefasste Genehmigungsvorbehalte und Mitwirkungsrechte der Landesregierung gehörten dazu; ebenfalls sollte die Gemeindeverwaltung deutlich stärker zu Berichterstattung und Offenlegung verpflichtet werden, zumindest den Eigentümern gegenüber. Auch eine viel straffere Kontrolle mit Blick auf die finanzielle Ausstattung von Sanierung und Erweiterung war im Oppositionsentwurf vorgesehen.162 Der Zusammenschluss und Vorrang der Eigentümer in diesem Sinne wurde von CDU und CSU so stark befürwortet, weil die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen nach Auffassung der Opposition entscheidend davon abhing, „die Eigentümer von Grund und Boden und die sonstigen Betroffenen zur Mitwirkung bei der Erneuerung und Entwicklung zu gewinnen.“163 Diese Einschätzung war, wie die späteren Erfahrungen mit dem StBauFG zeigen sollten, richtig. Darüber hinaus bewogen CDU/CSU auch sozial-konservative Motive, die bisherige Eigentümerschaft per Gesetz zu einer neuen Körperschaft zusammenzuschließen: „Auf diese Weise kann gewährleistet werden, daß bestehendes Grundeigentum im Rahmen des Möglichen erhalten bleibt. Soweit es unvermeidlich ist, daß das Grundeigentum während der Durchführung der Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahme auf die öffentliche Hand, insbesondere die Gemeinden übergeht, ist durch praktikable Vorschriften gesichert, daß nach Durchführung der Maßnahmen das Eigentum wieder auf breite Schichten der Bevölkerung verteilt wird (Reprivatisierung). Vorrang haben hierbei die früheren Grundeigentümer. Auf der Basis des Privateigentums werden die Möglichkeiten, Sozial- und Individualfunktion des Grundeigentums miteinander zu verbinden, genutzt. Das Gesetz soll der gesamten Bevölkerung, insbesondere auch den leistungsschwächeren Teilen dienen.“164
161 Dem Entwurf zufolge konnten sich die Eigentümer in „einer geeigneten Rechtsform des bürgerlichen Rechts“ zusammenschließen, in der Form eines „freiwillig gebildeten öffentlich-rechtlichen Erneuerungs- oder Entwicklungsverbandes“ oder einer „freiwillig gebildeten Erneuerungs- oder Entwicklungsgesellschaft“. Erst danach war die zwangsweise Vereinigung vorgesehen (§ 6 Abs. 2 E-CDU/CSU-1970) und erst in einem dritten Schritt die Durchführung der Städtebaumaßnahmen durch die Gemeinde (Abs. 3), vgl. a. BT-Drs. VI/434, S. 34. 162 Vgl. nur §§ 9, 11, 12 und etliche andere Einzelvorschriften im E-CDU/CSU1970. 163 S. Begründung zu E-CDU/CSU-1970, Allgemeiner Teil, BT-Drs. VI/434, S. 33. Weiter hieß es: „Die öffentlichen Förderungsmittel müssen in einer Höhe, zu Bedingungen und zu einem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden, die den Eigentümern oder ihren Zusammenschlüssen die Durchführung ermöglichen.“ 164 S. Begründung zu E-CDU/CSU-1970, Allgemeiner Teil, BT-Drs. VI/434, S. 33 f. Zur zu bildenden Körperschaft vgl. § 6 E-CDU/CSU-1970.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Der Gedankengang bzw. die Vorgabe der Reprivatisierung spielte in den Vorstellungen der CDU/CSU-Opposition eine herausragende Rolle. Hierzu gehörte konsequenterweise, dass eine „Enteignung nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig“ und nur „äußerstes Mittel“ zur Zielerreichung sein sollte. Sie sollte nur greifen, „wenn der Eigentümer die Mitwirkung endgültig“ verweigerte.165 Unter allen Umständen sollte vermieden werden, dass die Gemeinden bzw. die Kommunalverwaltungen zu Eigentümern weiterer Teile bisher privaten Grund und Bodens wurden und sollten ausdrücklich „Gewinne der Gemeinde ausgeschlossen“ sein. Daher sah der Gesetzentwurf vor, dass Grundstücke noch vor der Bebauung in allererster Linie den vorherigen Eigentümern zum Rückkauf anzubieten seien, unter direkter Weitergabe etwaiger Zuschüsse des Bundes und des Landes an den Alteigentümer.166 Sollte es tatsächlich zu Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen kommen, war eine Entschädigung „grundsätzlich nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes […] (Verkehrswertprinzip)“ vorgesehen. Ähnlich wie der Entwurf der Bundesregierung sollten bei der dann erfolgenden Ermittlung des Verkehrswertes solche Werterhöhungen unberücksichtigt bleiben, die spekulativ im Gefolge einer Sanierungsankündigung zu beobachten waren, jedoch galt hier eine rückwirkende Einschränkung von vier Jahren vor dem Beschluss zur Festlegung des Erneuerungsgebietes und konnte ggf. der Alteigentümer Werterhöhungen durch „eigene Aufwendungen zulässigerweise“ nachweisen.167 2. Die Finanzierung von Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen Auch die Finanzierung und Förderung von Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen war konsequent an einer Stärkung der Eigentümer im Sanierungs- bzw. Entwicklungsgebiet ausgerichtet.168 „Öffentliche Finanzhilfen“, so formulierte der Alternativentwurf, sollten „so zu gewähren [sein], daß die Bereitschaft der Eigentümer zur freiwilligen Durchführung von Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen geweckt und unterstützt“ werden sollte. Dies geschah nach den Planungen der Opposition in größerem Umfang durch die finanzielle Unterstützung der Eigentümer bei gleichzeitigem Einsatz vorzeitiger Rückflussmittel aus dem öffentlichen und sozialen Wohnungsbau. Ebenfalls war beabsichtigt, sanierungsbereite Eigentümer „mit Kosten nicht unzumutbar“ zu belasten, „ehe die Erneuerungs- oder Entwick165 Vgl.
Begründung zu §§ 58–64 E-CDU/CSU-1970, BT-Drs. VI/434, S. 37. Begründung zu § 22 E-CDU/CSU-1970, BT-Drs. VI/434, S. 36. 167 Vgl. § 65 E-CDU/CSU-1970, BT-Drs. VI/434, S. 27. 168 Für das Folgende: Vgl. Begründung zu § 39–45 E-CDU/CSU-1970, BT-Drs. VI/434, S. 36 ff. 166 Vgl.
C. Entwurf eines Gesetzes 197067
lungsmaßnahmen Ertrag abwerfen“ würden. Gleichzeitig wurden die Eigentümer aber auch zur Kasse gebeten, sofern es um Kosten der Ordnungsmaßnahmen ging, welche nicht von der Gemeindeverwaltung zu tragen gewesen wären. (Die Gemeinden legten im Entwurf der Opposition zunächst einmal die Kosten der Ordnungsmaßnahmen aus und wurden dabei finanziell vom Bund unterstützt.) Zugunsten der Eigentümer war jedoch ein Bremsfallschirm eingebaut: die Erneuerungs- und Entwicklungsbeiträge, die Beiträge nach Bundesbaugesetz und die Kommunalabgaben durften in Summe „den Betrag nicht übersteigen, welcher der Erhöhung des Grundstückswertes entspricht.“169 Der Möglichkeit der Gemeinde, mit nur eingeschränktem eigenen Risiko auf eine wirtschaftlich riskante oder aber über den Bedarf hochwertige Sanierung zu drängen, war im Entwurf der Opposition sozusagen eine Mithaftung anbei gegeben. Dieser Punkt war gegenüber demjenigen der Regierungsfraktionen auch besser formuliert: „Die Kosten der Modernisierung aufgrund eines Modernisierungsgebotes“ sollte „der Eigentümer nur soweit […] tragen, als er die entstehenden Kapitalkosten aus Erträgen des modernisierten Gebäudes aufbringen kann.“ Angesichts teilweise utopischer städtebaulicher Planungen zu Beginn der 1970er war dies ein richtiger Ansatzpunkt. 3. Die Finanzierung im Bundesstaat Anders als der Entwurf der Bundesregierung nahm die Opposition eine erstmalige Nennung konkreter Höhen an Bundesmitteln vor: in den Jahren 1971 bis 1973 sollten 500 Mio. DM jährlich bereitgestellt werden, danach 300 Mio. DM zuzüglich einer jährlichen Steigerungsrate von 10 % zum Vorjahresbetrag (§ 46). Und anders als die Regierung sah die Opposition die Einführung eines eigenen Abschnittes mit steuer- und abgabenrechtlichen Vorschriften vor (§§ 53–57), durch die für „alle Rechtsvorgänge im Zusammenhang mit der Vorbereitung oder Durchführung von Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen […] Abgabefreiheit“ vorgesehen war.170 Dies war eine ausgesprochen weit reichende Ergänzung im Gesetzgebungsprozess, welche sich in der 1971 verkündeten Fassung des Städtebauförderungsgesetzes wiederfinden und dort voll zum Tragen kommen sollte.171 Beachtenswert war insoweit auch, dass ein Großteil dieser steuerlichen Entlastungen vom Bund und den Ländern hätte getragen werden müssen, was für die Gemeinden auf Grund der indirekten Wirkungen im Steuerverbund kaum Potenzial zur eigenen Gestaltung geliefert hätte. Auch an einer solchen Systematik 169 S.
BT-Drs. VI/434, S. 36. Begründung zu §§ 53–56 E-CDU/CSU-1970, BT-Drs. VI/434, S. 37. 171 Vgl. Sechster Teil StBauFG, §§ 76 ff. 170 Vgl.
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wurde gut erkennbar, dass CDU und CSU als Oppositionsparteien vom steuerzahlenden Eigentümer und Grundbesitzer ausgehend dachten, nicht vom direkt agierenden und planenden Staat oder den Kommunen. Weiterhin wurde von der Opposition die Vergabe der Fördermittel derart vorgesehen, dass die Länder für einen mehrjährigen Zeitraum der Finanzplanung ihre städtebaulichen Programme aufstellten; sie sollten jährlich angepasst und fortgeführt werden (§ 47 Abs. 1 E-CDU/CSU-1970). Sodann wurde vorgeschlagen, dass der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen die „Bundesmittel auf der Grundlage der Programme im Einvernehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden an die Länder“ verteilte (Abs. 2). Nicht einmal im gedachten Konfliktfall, dass die Länder kein Einvernehmen hätten erzielen können, war dem Bund eine materielle oder formelle Prüfung zugedacht; die Mittel hätten dann ausgehend von der Entwicklung der Bevölkerungszahlen „nach der jeweils letzten statistischen Fortschreibung“ weitergezahlt werden sollen. Dass dieser Vorschlag in den Reihen von Bundesregierung und Regierungsmehrheit wenig Unterstützer finden musste, braucht nicht gesondert erörtert werden. Aus heutiger Sicht war der 1970 von der CDU/CSU-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf eine Alternative, deren Bedeutung nicht zuletzt darin gesehen werden kann, den parlamentarischen Dualismus von Regierungsmehrheit und oppositioneller Alternative abzubilden. Es war bemerkenswert, dass aus den Reihen einer neuen Oppositionskraft in so kurzer Zeit ein kompletter Gesetzentwurf entstand, der in Gliederung und Struktur deutlich vom Entwurf aus der Ministerialbürokratie abwich. Dies war auch ein Zeichen dafür, dass die Inhalte und Zielsetzungen der bisherigen Entwürfe – bis 1969 letztlich verantwortet von CDU/CSU-geführten Bundesregierungen – von den jetzt treibenden Kräften in der Fraktion in wichtigen Punkten nicht vorbehaltlos mitgetragen worden waren. In der Tat waren, trotz ähnlicher Analyse der städtebaulichen Tatbestände und des politischen Handlungsdrucks in den Städten und Gemeinden und trotz eigentlich ähnlicher Ziel- und Stoßrichtungen, deutlich andere Schwerpunktsetzungen als im Regierungsentwurf erkennbar. Gleichwohl darf nicht unterschätzt werden, dass der Oppositionsentwurf auch aus politischen Gründen und Kalkül hervorging. Mit dem Verlust der Regierungsverantwortung hatten sich die CDU unter Rainer Barzel wie die CSU unter Franz-Josef Strauß nach 20-jähriger Hegemonie seit Gründung der Bundesrepublik ausgesprochen schwer abgefunden und mussten sich unter nun neuen Voraussetzungen neu formieren und profilieren.172 Im Alternativentwurf der CDU/CSU fand sich eine starke Betonung des Eigentums und der überlieferten Strukturen an Grund und Boden. Aus der 172 Vgl.
nur „Machtwechsel: Großer Sprung“, in: Der Spiegel, Nr. 41/1969, S. 27 ff.
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heutigen Sicht und in der Rückschau wirkte eine so gewichtete Rollenverteilung („Die Durchführung von Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen obliegt den Eigentümern.“) für den Gesetzesvollzug eines späteren Städtebauförderungsgesetzes jedoch unrealistisch. Es sollte zu den konkreten Erfahrungen der Gemeindeverwaltungen werden, dass es bereits aus einer starken öffentlich-rechtlichen Stellung heraus umfassend und sehr schwer zu bewältigen war, öffentliche Planungen, Finanzierungen, private Eigentümer und Sanierungsprozesse zu koordinieren und sachangemessen zu bewältigen.173 Diesen Komplex einem wie auch immer verfassten bürgerlichen Zusammenschluss zu überantworten, hätte das Scheitern jedes Städtebauprojektes bedeutet – man denke nur an die Auseinandersetzungen, die bereits Sanierungsplanungen in Mehrparteienhäusern bzw. in Eigentümergemeinschaften regelmäßig mit sich bringen. Man muss wohl eher den politischen, wenn nicht symbolischen Reflex sehen, mit dem die Neupositionierung der Christdemokraten nach der verlorenen Bundestagswahl überdeutlich auf ihr Wählerpotenzial abzielte und damit die überlieferte Förderung des bewohnten Privateigentums stärken wollte. Dies war als wahlstrategisch wichtiger Baustein der politischen Mobilisierung jener Zeit und als Reaktion auf das „sozialliberale Projekt“ zu verstehen, auf welches man gezwungenermaßen klare Antworten finden musste. Gleichwohl gab es auch innerhalb der CDU klare Tendenzen, städtebaulich nicht zu verengt oder restaurativ zu denken. So äußerte der damalige Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Städtebau und Wohnungswesen, Josef Mick (CDU), auf dem Bundesparteitag der CDU im November 1969: „Wir sprechen immer noch davon, daß die Wohnungsbaupolitik der Christlichen Demokraten in der Hauptsache Eigentums- und hier Eigenheimpolitik ist. Dabei haben wir übersehen oder übersehen es geflissentlich, […] daß die Voraussetzungen, ein Eigenheim etwa in einer Großstadt oder großstadtnahen Räumen zu bauen, von der Masse unserer Bevölkerung einfach nicht mehr erfüllt werden können. Ich habe weiter den Eindruck, daß wenn wir in diesem Stil fortfahren, wir keine Eigenheimpolitik mehr betreiben, sondern lediglich noch eine ideologische Gartenlaubenpolitik […]. Ich unterstreiche, was dieser Tage ein verehrter Fraktionskollege in der CDU-Fraktion sagte: Die CDU hat nicht nur im Eigenheim, sondern sie hat auch in der Wohnwabe eines Hochhauses präsent zu sein. [… D]as Städtebauförderungsgesetz steht auf der Tagesordnung. Jenes Gesetz, welches darüber entscheiden wird, wie die Stadt von morgen, wie das Dorf von morgen aussehen wird. Wir werden zum Schwur kommen müssen über die Maßnahmen, die wir für die Bodenordnung anzubieten haben und man wird uns aus dieser Verantwortung nicht entlassen. Wir werden sie so zu beantworten haben, daß wir nicht nur in den 70er Jahren mit dieser Bodenordnung Politik machen können, sondern daß wir im Jah-
173 Vgl.
hierzu unten § 4 Kap. A.II.
70
§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
re 2000 aus der von uns gestalteten Bodenordnung eine gesunde Struktur in der Bundesrepublik haben.“174
Es kann aus heutiger Sicht dahingestellt sein, ob der Alternativentwurf zu einseitig auf die Interessen der Eigentümer Rücksicht nahm und dabei die Frage vernachlässigte, inwieweit der Mieterschutz in die Gesetzgebung einfließen musste – denn unstreitig war, dass ein Großteil der von kommenden Maßnahmen betroffenen Menschen eben Bewohner von Mietwohnungen waren und nicht deren Eigentümer. Die Debatte jedenfalls über eine künftige Wohnungs- und Städtebaugesetzgebung, über die Einbindung und Verpflichtung von Bodenbesitz wurde von Seiten der CDU/CSU intensiv geschürt und gewann an nicht zu überhörender Schärfe im Tonfall.175 Dies hatte, wie zu zeigen sein wird, Einfluss auf die Gesetzgebungsarbeit in Bundestag und Bundesrat.
III. Die Stellungnahme des Bundesrates Der Bundesrat befasste sich in seiner 348. Sitzung am 13.2.1970 unter Punkt 1 der Tagesordnung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung.176 Zugeleitet worden war dem Bundesrat die Regierungsvorlage auf Grundlage des Art. 76 Abs. 2 GG. Federführend war im Bundesrat der Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen. Berichterstatter für diesen Ausschuss wie für den Finanzausschuss war Senator Schwedler (SPD) aus Berlin, der bereits zum Gesetzentwurf von 1968 berichtet hatte. Weiterhin befasst waren mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung der Agrar- und der Finanzausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten sowie der Rechtsausschuss. Für die Ausschüsse berichtete Schwedler, dass auf Grund des neuerlich gefassten Gesetzentwurfes aus den Beratungen der Ausschüsse zwar zahlreiche Änderungsanträge hervorgegangen seien, es auf Grund der weit reichenden Vorarbeiten aus den vorherigen Legislaturperioden des Deutschen Bundestages aber zu erwarten sei, „daß das Städtebauförderungsgesetz in absehbarer Zeit verabschiedet werden“ könne.177 174 S. 17. Bundesparteitag der Christlich Demokratischen Union Deutschlands – Niederschrift, Mainz, 17./18. November 1969, S. 95. 175 Vgl. 18. Bundesparteitag der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, Niederschrift, Düsseldorf, 25.–27. Januar 1971, Abschnitt „Raumordnung, Städteund Wohnungsbau“, S. 426 ff. 176 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 17 ff. 177 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 18 (B).
C. Entwurf eines Gesetzes 197071
Schwedler begrüßte nicht nur das Fortschreiten an den gesetzgeberischen Arbeiten, sondern auch als „zunächst ausreichend“, dass die Bundesregierung in ihrer mittelfristigen Finanzplanung nunmehr einen Bindungsrahmen für 1971–1973 von 450 Millionen DM pro Jahr vorgesehen hatte. Er berichtete, dass in den Ausschüssen weder gegen die Finanzförderung noch gegen den bodenrechtlichen Entwurf der Bundesregierung grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken und Einwände hervorgebracht worden seien. Indes sei gegen § 56 E-1970 (Einsatz der Finanzhilfen des Bundes) argumentiert worden, dass die von der Bundesregierung konkret vorgelegte Fassung unzulässig in die Ausführung der Finanzhoheit der Länder eingreife. Die im Bundesrat befassten Ausschüsse votierten demnach übereinstimmend für eine „einvernehmliche globale Verteilung der Bundesmittel auf der Grundlage der von den Ländern aufgestellten Programme“.178 Damit stellten sich die Ausschüsse des Bundesrates direkt gegen die Rechtsauffassung der Bundesregierung, nach der eine globale Zuweisung auf Grund des neu geschaffenen Art. 104a GG nicht möglich sei.179 Für die Bundesregierung sprach Bundesminister Dr. Lauritz Lauritzen (SPD). In der Aussprache im Bundesrat warb er für den aus seinem Haus vorgelegten Gesetzentwurf und für ein Gesetz, das „die dringendsten Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen der Gemeinden durch rechtliche Handhaben und finanzielle Hilfen des Bundes ermöglichen soll“.180 Lauritzen stellte heraus, dass die Vorarbeiten der vergangenen Jahre zum Städtebauförderungsgesetz sowie zahlreiche fachliche Stellungnahmen „von politisch und fachlich interessierten Kreisen und Verbänden“ in den Entwurf von 1970
178 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 18 (B). Diesen Standpunkt formulierte am deutlichsten die Bayerische Staatsregierung: „Die Aufstellung der städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsprogramme ist eine eigenständige Aufgabe der Länder. Die Bundesmittel sind den Ländern nach Maßgabe dieser Programme global zuzuteilen“, s. S. 27 (D). Die Bayerische Staatsregierung sah die Gefahr, dass das BMin nach § 56 Abs. 4 E-1970 das Finanzprogramm alleine aufstellt und die vorhergegangenen Beratungen keine Bindungswirkung hätten, s. S. 28 (A). 179 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 18 (B). Für den Agrarausschuss sprach weiterhin gesondert der Landwirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz, Otto Meyer (CDU). Er betonte die strukturellen Änderungen und tlw. auch finanziellen Nachteile, die der Entwurf des Städtebauförderungsgesetzes für den ländlichen Raum und dessen Bewohner bedeute (S. 19 f.). Diese Stellungnahme wurde von der Bundesregierung zurückgewiesen, ganz im Sinne ihrer städtischen Schwerpunktsetzung: „Es kann nicht die Aufgabe dieses Gesetzes sein, besondere agrarstrukturelle Förderungsmaßnahmen vorzusehen“, BMin Lauritzen (S. 22 (B)). 180 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 21 (A).
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
eingeflossen waren.181 In Weiterentwicklung der bis dahin vorliegenden Arbeiten läge ein wesentlich veränderter Entwurf vor, dem auch die Bundesländer zustimmen sollten.182 Bei der Aufstellung künftiger Bundesfinanzhilfen im Rahmen eines Städtebauförderungsprogrammes erachtete die Bundesregierung die Formulierungen ihres Regierungsentwurfes in § 56 E-1970 als ausreichende Mitwirkungsmöglichkeit der Länder. Demnach war vorgesehen, dass zunächst einmal durch den Bund die mehrjährige Finanzplanung aufzustellen und jährlich fortzuführen sei (Abs. 1). Im Anschluss daran sollten die zuständigen obersten Landesbehörden, also in der Regel die Länderministerien, der Bundesregierung städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen vorschlagen, welche für eine Förderung in Betracht kämen. Bereits hier sah der Entwurf eine inhaltliche Koordinierung mit den übrigen, oben genannten „raumwirksamen Vorhaben“ vor (Abs. 2). In einem dritten Schritt sah der E-1970 vor, dass das Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen mit den Ländern über „die Aufstellung des Programms“ berät, „insbesondere die vorgeschlagenen Maßnahmen, die Zeit für ihre Durchführung, die Höhe der Finanzhilfen des Bundes und die Beteiligung der Länder an der Förderung der Maßnahmen.“ Entsprechende Abstimmungen galten ausdrücklich auch „für die Anpassung und Fortführung des Programms.“183 Hierzu konnten dann Vertreter der kommunalen Spitzenverbände beratend hinzugezogen werden. Im Anschluss an diese Verfahren sollte der Bundesminister „unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beratungen und unter Abstimmung mit anderen im Zusammenhang stehenden Maßnahmen das Programm für den Einsatz der Finanzhilfen des Bundes“ aufstellen (§ 56 Abs. 4 E-1970). Auf Grundlage dieses so erstellten Programmes sollten dann die Fördermittel 181 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 21 (B). An späterer Stelle (S. 23 (D)) hob Lauritzen den Zentralverband der Haus- und Grundeigentümer (Haus & Grund) sowie den Deutschen Bauernverband als Gegner des Städtebauförderungsgesetzes hervor. 182 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 21 (B). Lauritzen hob im Plenum des Bundesrates fünf Punkte hervor: 1. die „städtebauliche Erneuerung von Städten und Dörfern“ würde nun gleichwertig verfolgt werden; 2. „Voraussetzungen für die förmliche Festlegung“ von Sanierungsgebieten und -maßnahmen seien städtebauliche Missstände baulicher und funktionaler Art, zudem müssten sich die Städtebauförderung in die Ziele von Raumordnung und Landesplanung einfügen; 3. die hoch umstrittene Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen sei neu gefasst worden; 4. die in der Vergangenheit als problematisch gesehenen Entwürfe zum sog. Sanierungsverband seien gestrichen worden; 5. die Förderungsvorschriften seien konkretisiert und verbessert worden, in dem zurückfließende Wohnungsbaufördermittel in den Städtebau übernommen werden sollten und der Bund mit der mittelfristigen Finanzplanung einen fest kalkulierbaren Förderrahmen vorlegen könne. 183 Vgl. BT-Drs. VI/510, § 56, S. 20 f.
C. Entwurf eines Gesetzes 197073
an die Länder ausgegeben werden (Abs. 5); die Bewilligung der Förderung der einzelnen Maßnahmen erfolgte dem Entwurf zufolge durch die Länder (Abs. 6). In einigen Punkten widersprach der Bundesminister den Voten der Ausschüsse des Bundesrates, die im Plenum der 348. Sitzung zur Abstimmung standen. Dies geschah erwartungsgemäß in der Diskussion um die Förderungsgrundlage aus Art. 104a GG gegenüber der Forderung der Länder, auf die engere Auswahl der zur Förderung bestimmten Sanierungsmaßnahmen Einfluss zu nehmen und somit materiell auf die Arbeit der Bundesregierung zuzugreifen: „Der Bund muss nach unserer Auffassung in eigener Verantwortung auch prüfen können, ob die [in Art. 104a Abs. 3 GG, U.K.] genannten Voraussetzungen für eine Mitfinanzierung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen erfüllt sind und ob sie mit den übrigen raumwirksamen Vorhaben im Bereich der Raumordnung, des Verkehrs, der regionalen Wirtschaftspolitik und der Agrarstruktur politik übereinstimmen. Auch die Verteilung der Förderungsmittel nach einem festen Schlüssel, wie sie hier vorgeschlagen worden ist, würde dem Wortlaut und der Bedeutung des Art. 104a Abs. 4 GG nicht gerecht werden.“184
Damit wurde deutlich ausgesprochen, dass sich der Bund qua seiner Aufgabe und Sichtweise, in der Struktur des Gesamtstaates für „ausgewogene“ Lebensverhältnisse zu sorgen,185 ein argumentativ sehr gutes Vehikel geschaffen hatte, auf eine genuin kommunale Aufgabe (nämlich die Städtebaupolitik) Zugriff zu nehmen – unabhängig davon, ob dies jetzt in Koalition mit den Kommunen gegen die Länder erfolgte, oder nicht. Der jetzt vorgetragenen Argumentation, Städtebauförderung sei in einen Kontext „raumwirk samer Vorhaben“ eingebettet, konnten (oder wollten) die Länder nichts Wirksames entgegenstellen. Dem Bund war der materielle Zugriff auf die Städtebaupolitik gesichert, und in der Folge ging es nur noch um den Preis, den er dafür zu zahlen hatte. Insgesamt schien das vom Gesetzentwurf formulierte Verfahren aus heutiger Perspektive ausreichend, um eine recht umfangreiche Beteiligung der Interessen der Bundesländer bejahen zu können. Die Landesregierungen bzw. Länderadministrationen, so muss man es klar feststellen, hatten bereits in diesem Entwurfsstadium erreicht, bei der Programmaufstellung in weitreichendem Maße genauso mitzuwirken wie bei dessen fortlaufender Weiterentwicklung und den jährlich aufzustellenden Vereinbarungen zur finanziellen Ausgestaltung des Bundesprogramms (dies erfolgte dann praktisch in den 184 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 22 (C). 185 Vgl. § 2 (d. i. Grundsätze der Raumordnung) des Raumordnungsgesetzes, BGBl. I, Nr. 16, 8.4.1965, S. 306 ff.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
späteren sog. Verwaltungsvereinbarungen zur Ausführung des StBauFG). Unter städtebaupolitischen Gesichtspunkten durfte damit allen Beteiligten klar gewesen sein, dass eine hochgradig kooperationsintensive Abstimmungspraxis zwischen Bund und Ländern eingeführt wurde, ähnlich den Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91 GG) oder weiteren Investitionen des Bundes entsprechend Art. 104a GG. Dass der Bund insofern zu weitreichend in die Befugnisse der Länder eingriff, kann aus heutiger Sicht nicht mehr richtig überzeugen, zumal die Länder, dem Entwurf 1970 folgend, sehr vielfältig in den Willensbildungs- und Ausformulierungsprozess zu den Programmen der Städtebauförderung einbezogen werden sollten. Die erste der im Bundesrat erkennbaren politischen Konfliktlinien entsprang den räumlich-strukturellen Disparitäten der Länder, also zwischen ländlich geprägten Ländern und solchen, die einen besonders hohen Handlungsdruck im städtebaulichen Sinne aufwiesen: die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, ferner Nordrhein-Westfalen und Hessen. Im Bundesrat ergriff zu diesem Punkt, wie auch bei den Beratungen zum Entwurf 1968, der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Lemke (CDU), das Wort. Stellvertretend für ein weithin durch seine ländliche Struktur geprägtes Bundesland formulierte er seine Bedenken über die Verteilung der in Aussicht gestellten Mittel: „Es muß sichergestellt sein, daß die Sanierungsmaßnahmen in Ballungsräumen und die Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Gebieten mit schwacher Wirtschaftskraft gleichrangig behandelt werden. Geklärt werden muß auch, wie der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder bei der Gewährung der Finanzhilfen Rechnung getragen werden soll. Von der befriedigenden Beantwortung dieser Fragen, Herr Bundesminister, wird natürlich die Zustimmung des Landes SchleswigHolstein im zweiten Durchgang abhängen.“186
Eine Art Mittelweg war der Vorschlag aus der von der SPD regierten Stadt Hamburg. Auch der für sie sprechende Justizsenator Heinsen wies darauf hin, dass der Bund nach Art. 104a Abs. 4 GG die Arten der Investitionen bestimme, keineswegs jedoch deren nähere Auswahl und inhaltliche Prüfung, diese Aufgabe sei den Verwaltungen der Bundesländer vorbehalten. Sozusagen als Summe, unterstrich der Hamburger Senator, ergebe sich aus den einzelnen Programmsträngen der Länder die „Aufstellung des Gesamtprogramms“, für dessen nähere Ausgestaltung die „Herstellung eines Einvernehmens zwischen Bund und Ländern grundsätzlich erforderlich“ sei.187 Der (im 186 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 24 (C) und im Verlauf weiter: „[…] daß also nicht nur die Sanierung in Ballungsgebieten erfolgt und wir uns wieder einmal hintangestellt sehen müßten.“ 187 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 28 (A).
C. Entwurf eines Gesetzes 197075
Nachhinein abgelehnte) Hamburger Kompromissvorschlag, entstanden aus der Arbeit des Innenausschusses, sah nunmehr eine Art zweistufiges Verfahren vor, nämlich grundsätzlich erst einmal zu versuchen, das Einvernehmen zwischen Bund und Ländern herzustellen. Erst für den Fall dessen Scheiterns empfahl das Hamburger Modell, die Finanzmittel „global“ an die Bundesländer auszukehren, welche dann, ausgestattet mit Bundesmitteln, formell und materiell in den landeseigenen Städtebauprogrammen arbeiten sollten.188 Eine zweite erkennbare Konfliktlinie war, dass ein deutlich verschärfter parteipolitischer Anspruch in die Arbeit und die Funktionsweise des Bundesrates einzog. Dies entsprach der Strategie der CDU-Führung, nach dem Verlust der Mehrheit im Bundestag „ihre“ CDU-geführten Landesregierungen im Bundesrat verstärkt zur oppositionellen Rolle gegenüber der sozial-liberalen Bundesregierung auszubauen. Die Ausgangsbedingungen erwiesen sich in diesem Sinne als gut. Anders als in den beiden Jahrzehnten zuvor gab es ab 1969 „erstmals klar auseinanderlaufende Mehrheiten“ in Bundestag und Bundesrat – und die CDU konnte diese Mehrheit ausbauen, durch Gewinne in mehreren Landtagswahlen der 1970er Jahre.189 Vor diesem Hintergrund war zu sehen, warum auch in der Aussprache des Bundesrates zum Städtebauförderungsgesetz der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Dr. Kohl, ankündigte, auf die gesetzgeberische Arbeit im Bundestag Einfluss nehmen zu wollen.190 Kohl hatte erst wenige Monate zuvor den langjährigen Ministerpräsidenten Altmeier abgelöst und war mit 188 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 29 (A). 189 Vgl. Lehmbruch (2002), Kap. 5.2. „Die sozialliberale Koalition und die Konfrontation im Bundesstaat“, S. 141 ff. (Zitat: S. 141). Auch die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat „schnellte“ in den 1970er Jahren in die Höhe: betrugen die Anrufungen in der vierten, fünften und sechsten BT-Legislatur 34, 34 und 31 Verfahren, so waren es in der siebten und achten Wahlperiode 96 bzw. 69 durch den Bundesrat initiierte Verfahren, vgl. Andersen/Woyke, Anhang Tab. 30 bzw. S. 767. 190 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 26 (A): „Ich möchte […] erklären, daß auch das Land Rheinland-Pfalz ein klares Ja zur Notwendigkeit und, Herr Bundesminister, auch zur baldigen Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes sagt. Wenn ich dieses Ja hier ausspreche, heißt das jedoch nicht, daß wir uns durch die auch von uns bejahte Notwendigkeit, schnell zu arbeiten, davon abhalten lassen werden – etwa auch bei den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages –, darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz in entscheidenden Punkten unseren Ansprüchen einer gesellschaftspolitischen Relevanz der siebziger Jahre – um diesen Begriff hier einzuführen – nicht entspricht.“ Und im Verlauf weiter: „[…] daß der jetzt vorliegende Entwurf in entscheidenden Punkten unserer Vorstellung von einer modernen Struktur- und Gesellschaftspolitik nicht entspricht und daß er hier ganz entscheidende Verbesserungen erfahren muß.“ (C).
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
39 Jahren bis dahin jüngster Ministerpräsident der Bundesrepublik geworden. In der damaligen Wahrnehmung galt der junge stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU als dynamischer Regierungschef und ambitionierter Politiker, als Mann einer neuen Generation. Durch ihn erfuhr die hier analysierte Sitzung des Bundesrates eine ungewohnte rhetorische Aufladung, indem er dezidiert auf die seinerzeit intensiv geführte Debatte über Eigentum an Grund und Boden, Boomphase im Baugewerbe und Gewinnführung an spekulativen Immobiliengeschäften abhob. Er verknüpfte seine Motive im Plenum des Bundesrats eng mit dem vorgebrachten Motiv der CDU und ihres Entwurfes, im Interesse der Eigentümer von Grund und Boden zu handeln. Das zentrale Ziel war es, so betonte Kohl an mehreren Stellen, eine „breite Streuung des Eigentums“ zu erreichen. Dem musste es nach seiner Darstellung konsequent entsprechen, einer vermeintlichen Vergesellschaftung innerstädtischer Grundstücke entgegenzutreten.191 Die Auseinandersetzungen um die Entwicklungen in den innerstädtischen Bereichen bargen massive politische Dimensionen, die sich aus den unübersichtlichen Strukturen des deutschen Wohnungsmarktes mit seinem hohen Anteil gemeinnütziger Wohnungsunternehmen ergeben hatten. Um es pointiert zu sagen: Ein Städtebauförderungsgesetz, das gewerkschaftszugehörige Großunternehmen als aktive Profiteure von Abriss und Sanierung192 hervorbrachte, musste nach Auffassung der CDU als „Monopolisierung von vornherein ausgeschlossen werden.“193 Dies bot im Zeichen der damaligen Zeit eine hervorragende Projektionsfläche, um das als politisches Projekt der „inneren Reformen“ der Bundesregierung aufgewertete Städtebauförderungsgesetz inhaltlich anzugreifen und half mit den Schlagworten „Eigentümerschutz“ und „Liberalisierung des Wohnungsmarktes“ dabei, die eigenen Machtstrukturen innerparteilich neu auszutarieren und zu festigen. Dies wurde konsequent auch schon im Bundesrat angemerkt, als Minister Dr. Stre191 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 26 (B): „Wir haben […] bei diesem Gesetz den Eindruck, daß […] eine starke Vermehrung des Eigentums bei Kapitalstarken stehen wird und daß von einer breiteren Streuung in diesem Zusammenhang kaum die Rede sein wird. Man braucht kein Prophet zu sein um vorauszusehen, welche in der Bundesrepublik beheimateten Wohnungsbaugesellschaften am Ende dieser Entwicklung wirklich die ganz große Verbreiterung ihrer Basis erfahren haben. Wir sind der Auffassung, daß im Gespräch im Ausschuß, mit der Bundesregierung und allen zuständigen Stellen gerade an diesem Punkt wir noch einmal auf das Angebot des Herrn Bundesministers zurückkommen sollten, daß hier die Rechte des Eigentümers vernünftig gewahrt werden; unter ‚vernünftig‘ verstehe ich natürlich die vorhin erwähnte Sozialbindung des Eigentums an Grund und Boden.“ 192 Vgl. u. § 4 Kap. A.II.2. 193 Ministerpräsident Dr. Lemke, Schleswig-Holstein, Bericht über die 348. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenographischer Bericht, S. 33 (B).
C. Entwurf eines Gesetzes 197077
litz (SPD) aus Hessen anmerkte, er „habe den Eindruck“, das Städtebauförderungsgesetz „wird zu einer Eigentumsdebatte“, die es „zu entmythologisieren“ gelte.194 Entsprechend deutlich positionierte sich mit seinem nächsten Redebeitrag noch einmal Justizsenator Dr. Heinsen (SPD) aus der Freien und Hansestadt Hamburg. Ihm zufolge war die Eigentumsstruktur an Grund und Boden der Vergangenheit verhaftet geblieben und litt die westdeutsche Gesellschaft darunter, „daß in den letzten 20 Jahren in der Politik in diesem Lande dem individuellen Wohlergehen der Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft gegeben wurde.“ Und ergänzte hierzu: „Das führt dazu, daß wir hier einen Nachholbedarf haben. Deshalb müssen jetzt einmal die Interessen der Gemeinschaft – leider kann man vielleicht sagen – etwas stärker betont werden. Das gilt auch auf dem Gebiet der Sanierung der Gemeinden. Wir müssen jetzt wirklich mit der Sozialbindung des Eigentums Ernst machen.“195
Bundesminister Lauritzen griff diesen Spannungsbogen erneut auf und bekräftigte im Bundesrat für die Bundesregierung, dass der Entwurf von 1970 „den Belangen der Eigentümer […] mehr Rechnung als die früheren Entwürfe“ trage, freilich nicht ohne die Einschränkung, was darunter verstanden werden müsse, wäre relativ.196 Hierfür führte er eine Reihe detaillierter Regelungen des Gesetzentwurfes ins Feld, die durch die Entwicklungen der vergangenen Zeit in den jetzt vorliegenden Entwurf eingeflossen seien und das bodenrechtliche Instrumentarium einschränkten. Nicht zuletzt gehörte hierzu auch die Argumentation, dass das StBauFG in seiner jetzigen Fassung eine umfassende Reprivatisierungspflicht der Gemeinden vorsah und es schlussendlich die Gemeinden gewesen wären, die vor Ort mit der Durchführung des StBauFG beauftragt und dabei „demokratisch kontrolliert“ würden.197 Dies hätte die Beteiligung und die Berücksichtigung der Eigen tümerinteressen eingeschlossen. Mit etlichen Änderungen versehen nahm der Bundesrat gemäß Art. 76 Abs. 2 GG zum Regierungsentwurf Stellung und erhob im Übrigen gegen ihn keine Einwände. Zurück blieb zu diesem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens die Erkenntnis, dass auf dem Weg zum StBauFG zwar bereits ein Stück zurückgelegt war, offenkundig aber noch eine erhebliche Strecke mit 194 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung graphischer Bericht, S. 32 (D). 195 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung graphischer Bericht, S. 28 (B). 196 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung graphischer Bericht, S. 32 (A). 197 Vgl. Bericht über die 348. Sitzung graphischer Bericht, S. 31 (D).
des Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenodes Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenodes Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Stenodes Bundesrates. Bonn, 13.2.1970, Steno-
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
parteipolitischen, koalitionspolitischen und regionalpolitischen Interessen und Hindernissen lag. Das Städtebauförderungsgesetz war seit seinen ersten Entwürfen politisch umstritten, von den einen als Allheilmittel gepriesen, von anderen, zum Beispiel den mächtigen Verbänden Haus&Grund sowie dem Bauernverband, auf das heftigste umkämpft. Zwei politische Dimensionen kreuzten sich im Politikfeld zur Städtebaugesetzgebung: die regionalstrukturellen Belange zwischen den Bundesländern (mit allgemein hohem Sanierungsbedarf auf der einen Seite sowie Ländern mit allgemein geringerem Sanierungsbedarf und der Befürchtung fiskalischer Benachteiligung auf der anderen Seite). Die andere, überlagernde Dimension war eine starke parteipolitische Auseinandersetzung auf der Bundesebene, reformerisch geprägt und polarisierend verkörpert von einer neuen, ambitionierten SPD/ FDP-Regierungskoalition, angegriffen von der nunmehrigen Opposition aus CDU und CSU.
IV. Die Einbringung beider Entwürfe in den Deutschen Bundestag (Erste Lesung) Der Deutsche Bundestag behandelte die beiden eingebrachten Gesetzentwürfe in seiner 39. Sitzung am 18. März 1970 in einer gemeinsamen Ersten Lesung.198 Die Stellungnahme des Bundesrates lag, wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben, zu diesem Zeitpunkt seit ungefähr einem Monat vor und war den für die Fraktionen SPD, FDP und CDU/CSU sprechenden Mitgliedern des Deutschen Bundestages naturgemäß bekannt. Sprecher für die CDU/CSU-Fraktion war der Abgeordnete Erpenbeck.199 Er verwies für seine Fraktion darauf, dass es die Aufgabe des Bundesgesetzgebers war, eine „zukunftsweisende Siedlungsstruktur“ zu ermöglichen und dass die „vorhandene unausgeglichene Raum- und Siedlungsstruktur“ nicht verbessert werde könne, „wenn nicht der Gesetzgeber Entwicklungsziele
198 Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von städtebaulichen Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Stadt und Land (Städtebauförderungsgesetz) (CDU/ CSU), (Drucksache VI/434) – Erste Beratung – in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz) (Drucksache VI/510) – Erste Beratung. – Soweit nicht anders vermerkt, zitiert nach: Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2018 ff. 199 Erpenbeck war von 1956 bis 1970 Bürgermeister der Stadt Osnabrück gewesen, also in der Zeit, in der seine Heimatstadt intensiv als Modellvorhaben für das StBauFG saniert wurde. Dies ist, neben z. B. BMin Lauritzen, dem FDP-Politiker Richard Wurbs oder Josef Mick (CDU), ein gutes Beispiel, wie viel „kommunale Expertise“ letztlich im Bundestag an der Arbeit zum StBauFG beteiligt war.
C. Entwurf eines Gesetzes 197079
weist und das Instrumentarium zur Erreichung dieser Ziele schafft“.200 Gleich im ersten Abschnitt seiner Rede ging Erpenbeck auf den für seine Fraktion zentralen Gesichtspunkt der eingebrachten Gesetzgebung ein: „Ein Gesetz, das die Siedlungsstruktur beeinflussen soll und das damit städtebauliche Maßnahmen der Entwicklung und Erneuerung fördern und bestimmen soll, darf den gesellschaftspolitischen Grundsatzentscheidungen über das Bodeneigentum nicht ausweichen. Die Frage ‚Wem sollen unsere Städte gehören?‘ muß von uns klar und eindeutig beantwortet werden. Ein Gesetz zur Verbesserung der Siedlungsstrukturen muß, Art. 14 des Grundgesetzes folgend, Inhalt und Schranken des Bodeneigentums so bestimmen, daß dessen Gebrauch dem Eigentümer größeren Nutzen bringt und zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dient. Nur so kann die Gesellschaft eine ihr dienende und von ihr bestimmte Siedlungsstruktur realisieren.“ […] „Die Sozialverpflichtung des Grundeigentums braucht nicht zu einer Sozialisierung des Bodens zu führen.“201
Als Gegenentwurf zur eingebrachten Vorlage der Bundesregierung bekräftigte Erpenbeck für die CDU, dass das Gelingen städtebaulicher Reformen davon abhängen würde, „die Eigentümer von Grund und Boden und alle sonstigen Betroffenen zur Mitwirkung bei der Erneuerung und Entwicklung zu gewinnen“. Der Entwurf der CDU sah rechtlichen „Zwang nur insoweit“ vor, „als es unbedingt nötig“ gewesen wäre. Die Alternative der Opposition hätte sich im Übrigen dadurch vom Regierungsentwurf unterschieden, dass der Gemeinde subsidiäre Kompetenzen zugewiesen und die Erweiterung des kommunalen öffentlichen Aufgabenkatalogs eingeschränkt worden wären.202 Für die Bundesregierung ergriff der Minister für Städtebau und Wohnungswesen, Lauritzen (SPD), das Wort. Er hob alternativ zu den Vorstellungen der CDU/CSU hervor, dass der Regierungsentwurf den Gemeinden „die rechtlichen und organisatorischen Rechtsbehelfe an die Hand geben“ wollte, „damit die städtebaulichen Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen vorbereitet und geplant werden können und ihre Durchführung gewährleistet“ gewesen wäre.203 Hierfür sollte die finanzielle Hilfe des Bundes durch den eingefügten Artikel 104a des Grundgesetzes zur Verfügung gestellt werden. Im Hauptteil seiner Rede parierte der Bundesminister die Einwände und Bedenken bodenrechtlicher Art:
200 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2019 f. 201 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2020 (B). 202 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2021 (A, B). 203 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2025 (C).
Bundestages, 6. Wahlperiode, Bundestages, 6. Wahlperiode, Bundestages, 6. Wahlperiode, Bundestages, 6. Wahlperiode,
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
„Die materiell-rechtlichen Vorschriften bodenrechtlicher Art sind durch das Bemühen gekennzeichnet, das natürliche Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Bindung des Grundeigentums im Bereich städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen durch einen wohlabgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und denen der betroffenen Eigentümer zu überbrücken, wie dies den Grundsätzen des Art. 14 unseres Grundgesetzes entspricht.“204
In der parlamentarischen Auseinandersetzung unterstrich Lauritzen die Sozialfunktion des Eigentums und bemühte zu seiner Argumentation insbesondere Positionierungen aus dem kirchlichen Raum. Zur finanziellen Ausstattung des Bundesprogramms konnte Lauritzen für die Jahre 1971, 1972 und 1973 einen Bindungsrahmen von vorgesehenen 450 Millionen DM erklären, nachdem die Bundesregierung die mittelfristige Finanzplanung vorgelegt hatte. Er wies jedoch darauf hin, dass es bis dato nicht gelungen sei, „mit den Ländern im Bundesrat ein Verfahren über die Verteilung der Mittel zu vereinbaren.“205 Hier formulierte der Bundesminister seinen inhaltlichen Anspruch auf Mitgestaltung zur Verteilung der Bundesmittel und begründete dies damit, dass Art. 104a GG „Bundeshilfen zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und unterschiedlicher Wirtschaftsstruktur der Länder“ vorsah und damit „eine nicht schematische, sondern eine angepaßte Verteilung der Bundesmittel.“206 An dieser Stelle setzte auch punktgenau die Kritik der Fraktion von CDU/ CSU ein, welche die Regelung der Regierungsvorlage für die Zeit nach 1973 als „ungenügend“ bezeichnete, da diese außer einem Verweis auf die mehrjährige Finanzplanung keine weiterreichenden Angaben über die Höhe der bereitzustellenden Bundesmittel traf. Der Kritikpunkt der Union war an dieser Stelle, dass es sich bei den „Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen um langfristige Maßnahmen“ handele, für die auch entsprechend langfristige Bundesbeiträge im Städtebauförderungsgesetz festgelegt werden müssten.207 204 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2026 (B). 205 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2028 (B). Scharpf/Reissert/Schnabel notierten, dass spätestens durch die „umfassende Mitfinanzierung des Bundes für städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen mit dem Ziel einer Erhöhung des Investitionsniveaus“ die von ihnen analysierte „Allianz von Bund und Kommunen erreicht“ war (S. 161). 206 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2029 (C). Lauritzen erklärte im Bundestag „daß es […] keineswegs so sein darf, daß dann, wenn ein Einvernehmen [zwischen Bundesregierung und Bundesrat, U.K.] nicht erzielt werden kann, die Mittel nach der Bevölkerungszahl der Länder verteilt werden.“ (S. 2028 (B)). 207 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2023 (D).
C. Entwurf eines Gesetzes 197081
Diese Kritik war so bereits wiederholt vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten im Bundesrat vorgetragen worden. Eine weitere Aussprache über die bundesstaatlichen Modalitäten der Finanzierungsgrundlage fand an dieser Stelle im Bundestag dann aber nicht mehr statt. Für die Fraktion der FDP sprach der langjährig mit der Materie vertraute Abgeordnete Wurbs aus der Stadt Kassel. Er verwies darauf, dass der zu diesem Zeitpunkt vorliegende Entwurf der Regierungskoalition als Ergebnis aus den Ausschussberatungen der letzten Legislaturperiode, aber auch „eingehenden Koalitionsgesprächen“ zur Thematik anzusehen war.208 An die Adresse der CDU gerichtet, unterstrich Wurbs für die FDP den „besonderen Akzent der Erhaltung und Bildung von Eigentum“ im Regierungsentwurf und versuchte, die Position der CDU zu entkräften, es würden im künftigen Städtebau „besondere Eingriffe in das Eigentum“ vorgenommen.209 Der neue Regierungspartner in der Bundesregierung verteidigte ebenfalls die Initiative und den Vorrang der Eigentümer bei der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen.210 Für die SPD sprach der neu gewählte Abgeordnete Dr. Ahrens aus Holzminden. Er betonte in der Aussprache des Plenums vor allen Dingen den zeitigen Verzug und die Notwendigkeit einer tragfähigen politischen und verwaltungsrechtlichen Lösung zur Bearbeitung der städtebaulichen Reformen. Bevor auch er auf das zentrale Thema des Bodenrechts zu sprechen kam, begründete er für die SPD die Dringlichkeit der Initiative mit den enormen Steigerungen der Bodenwerte in der vergangenen Zeit, welche zu weiten Teilen aus den Steuermitteln zum öffentlich geförderten Wohnungsbau und unter „hemmungslose[r] Ausnutzung einer Monopolstellung“ entstanden seien – direkt gemeint waren damit die Grund- und Baulandbesitzer.211 In 208 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2030 (D). Dem wird nicht entgegengestanden haben, dass sich Wurbs und Lauritzen aus gemeinsamer Zeit in verantwortlicher Position bei der Stadtverwaltung Kassel gekannt haben müssen. 209 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2030 (D). Auf S. 2031 (B) fasste Wurbs zusammen: „Den Belangen der Eigentümer wird in besonderem Maße Rechnung getragen. Die Voraussetzungen für Eingriffe bodenrechtlichen Inhalts sind eingeengt. […] Die Sanierungsträger sind zur Reprivatisierung verpflichtet. […] Die Vorschriften über die Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen tragen in besonderem Maße dem Art. 14 des Grundgesetzes Rechnung.“ 210 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2031 (C). Hierzu führte Wurbs aus: „Die Gemeinde übernimmt erst insoweit die Durchführung der Sanierung, als die Sanierung durch den Eigentümer nicht gewährleistet ist. […]“. 211 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2033 (B).
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
der folgenden Argumentation zu den Grenzen des Eigentums nach Art. 14 des Grundgesetzes führte Ahrens auch das Bundesverfassungsgericht in den „Zeugenstand“.212 Er betrachtete es als „Aufgabe des Gesetzgebers, den Konflikt zwischen privatem Recht und öffentlicher Verpflichtung des Eigentümers zu lösen, die Grenze zwischen privater Nutzung und sozialer Bindung zu ziehen und damit Art. 14 des Grundgesetzes zu konkretisieren und authentisch zu interpretieren.“213 Mit Blick auf die „Festsetzung der Entschädigungen“ legte die Regierungsvorlage seiner Auffassung nach zu Recht den Verkehrswert zugrunde, für die Eigentümer ausgenommen „Wertsteigerungen, die lediglich durch die Aussicht auf die Sanierung, durch ihre Vorbereitung oder ihre Durchführung eingetreten sind […]. Wir meinen, daß dieser Vorschlag eine brauchbare Lösung des Konflikts darstellt.“214 Im Unterschied zum Entwurf der CDU stellte Ahrens in puncto „Reprivatisierung“ heraus: „Man hört nicht selten den Vorwurf, das Städtebauförderungsgesetz werde zu einer Kommunalisierung oder gar Sozialisierung des Grund und Bodens führen. Derartige Bedenken verkennen, glaube ich, die Regelungen der Regierungsvorlage. Wir sind […] der Auffassung, daß die früheren Eigentümer die Gelegenheit erhalten müssen, im Rahmen ihres aufgegebenen Eigentums wieder Eigentum zu erlangen […] oder eigentumsgleiche Rechte oder Surrogate. Eine über diese Reprivatisierung hinausgehende Verpflichtung der Gemeinde, den gesamten erworbenen Grundbesitz zu veräußern, lehnen wir ab. Wir würden die Gemeinden damit unter Druck setzen und sie zwingen, sich von Grundstücken zu trennen, die sie möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt selber brauchen oder dann auch einer privaten Nutzung zuführen können.“215
Damit waren für die im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen erste wesentliche Inhalte und Positionen wiedergegeben, die im politischen Pro212 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2033 (D), zitiert wurde BVerfG, 12.01.1967 – 1 BvR 169/63. 213 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2034 (A). 214 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2034 (B). 215 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 39. Sitzung. Bonn, 18.3.1970, S. 2036 (A). Nach außen hin getragen wurde diese Vorstellung von der auch damals reichlich naiven Vorstellung, durch die Sanierungen nach StBauFG handelte es sich um eine Art „Treuhand auf Zeit“ durch die Gemeinde und dass die Grundeigentümer keinerlei Benachteiligungen erfahren müssten (Ahrens: „Nach Durchführung der Ordnungsmaßnahmen kann er [der Eigentümer, U.K.] wieder Eigentum erwerben. Das wird nicht immer Einzeleigentum sein können. Daher kann er auch Teileigentum erwerben, auch Eigentumsanteilsrechte, und zwar im Werte seines aufgegebenen Eigentums. Darauf hat er Anspruch, nicht auf mehr, aber auch nicht weniger.“, S. 2036 (C)). Diese Positionierung musste natürlich erheblichen Widerstand hervorrufen, gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich die Alteigentümer an den Wertsteigerungen der sanierten Flächen beteiligen sollten.
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 197183
zess jedoch alle bereits wiederholt ausformuliert worden waren. Nach einer weiteren detailreichen, teils auch polemischen Aussprache, an der u. a. noch die Abgeordneten Schneider, Mick und Niegel teilnahmen (alle CDU/CSU) wurden beide Gesetzentwürfe nach dem Vorschlag des Ältestenrates und ohne Gegenstimme an den Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen (federführend) sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie den Haushaltsausschuss überwiesen.
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 1971 I. Die Beratung im Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen Nach der Zuweisung durch das Plenum des Bundestages wurden die beiden Gesetzesentwürfe gleichrangig und unter Verwendung einer erstellten Textsynopse im Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen (14. Ausschuss) beraten. Hinsichtlich der Systematik und der Paragraphenfolge sollte von der Regierungsvorlage ausgegangen werden. Die Beratungen waren sehr umfangreich, umfassten insgesamt 43 Sitzungen, drei Ortstermine, zwei Expertenhearings sowie mehrere redaktionelle Überarbeitungen, durch welche die Formulierungs- und Änderungsvorschläge der Bundesregierung, des Bundesrates, der mitbefassten Ausschüsse sowie natürlich der im Bundestag vertretenen Parteien eingefügt werden mussten.216 Die Arbeit im Ausschuss unter Vorsitz des nordrhein-westfälischen CDUAbgeordneten Josef Mick war offensichtlich von dem Bemühen geleitet, die umfangreiche und vielschichtige Thematik auf einer differenzierten und inhaltlich abgesicherten Ebene zu erfassen. Die Beratungen begannen daher mit der Anhörung von wissenschaftlichen Sachverständigen, welche „einen Einblick in die bisherige Praxis bei der Durchführung von Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ vermitteln sowie Antworten liefern sollten auf die „gesetzgeberisch lösungsbedürftigen städtebaulichen, kommunalpolitischen, soziologischen, bodenrechtlichen und verfahrensrechtlichen Fragen.“217 Be216 Bis zur Vorlage des vom Ausschuss verabschiedeten Gesetzentwurfs im Mai 1971 tagte der Ausschuss 28 mal (s. BT-Drs. zu VI/2204, S. 1). Danach, in der intensiven Phase der Zweiten und Dritten Lesung im Bundestag, tagte der Ausschuss noch einmal in 15 Sitzungen (vgl. Labahn, S. 41). 217 S. BT-Drs. zu Drucksache VI/2204, S. 2. Als Experten wurden angehört: Prof. Dr. Albers zum Thema „Bodenrecht aus der Sicht des Planers“; Prof. Dr. Bahrdt, Göttingen, zum Thema: „Probleme der durch die Sanierung betroffenen Bevölkerungsteile“; Prof. Dittrich, Nürnberg, zum Thema: „Voruntersuchungen als Voraussetzung für Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“; Prof. Dr.-Ing. Farenholtz, Stutt-
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
sonderen Wert hatte der Ausschuss nach eigenem Bekunden darauf gelegt, „sich an den Gegebenheiten und Bedürfnissen der Praxis zu orientieren“. Hierzu informierte er sich anhand zweier Exkursionen und einer Arbeits tagung in Kassel über die Problemlagen, Aufgaben und Herausforderungen sowohl von Entwicklungs- als auch Sanierungsmaßnahmen.218 In Alsfeld (Hessen) umfasste dies die „planerischen, rechtlichen und finanziellen Schwierigkeiten […], die mit der Sanierung einer Altstadt mit z. T. erhaltungswerten Baudenkmälern verbunden sind.“ Einer Anregung des sehr engagierten Prof. Farenholtz aus Stuttgart folgte der Ausschuss ebenfalls und ließ sich ein bei der Stadt Stuttgart entwickeltes Planspiel präsentieren, „um den Gesamtablauf einer Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahme beispielhaft darzustellen und die Praktikabilität der Regelungen zu überprüfen.“219 Folgt man einer Erhebung über die Arbeitsweise des Ausschusses, so war die Beratungskultur insgesamt geprägt von einer „Atmosphäre des überwiegend sachlichen Argumentierens, in der jedoch auch die politischen Meinungsunterschiede zwischen den Parteien deutlich zu Tage traten.“220 Dies betraf in der Hauptsache diejenigen Fragestellungen, die auch von den Ausschussmitgliedern als „besonders kontrovers bezeichnet wurden: die Frage der Reprivatisierung bzw. der Privatisierung; die Frage nach dem Grund erwerbsrecht der Gemeinde; die Diskussion um die Einführung eines Stich tages und die erweiterten Möglichkeiten für steuerliche Erleichterungen.“221 Die Arbeit des 14. Bundestagsausschusses ist ein gutes Beispiel dafür, wie tiefgreifend Ausschüsse inhaltlich in den Entstehungsprozess einer Gesetzgebung eingreifen konnten.222 Insbesondere die Begleitung des städtebaulichen Sanierungsprozesses durch die „soziale Dimension der Stadterneuerung“ war als eine wesentliche Neuerung aus seiner Arbeit hervorgegangen.223 Im Kern gart, zum Thema: „Städtebau im kommunalen Bereich und Anforderungen an den Gesetzgeber“; Prof. Dr. Spengelin, Hannover, zum Thema: „Städtebau und Wohnungswesen“; Prof. Tamms, Düsseldorf, zum Thema: Städtebau. In der 28. Sitzung des Ausschusses fand eine weitere Expertenanhörung statt zum Thema „Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen“, bei der auf Einladung der CDU Prof. Dr. Forsthoff und auf Einladung der SPD Dipl.-Ing. Thiemann aus Essen referierten. 218 Vgl. zur „engen Interaktion zwischen den (formal) politikformulierenden und den implementierenden Einheiten“ im Bundesstaat: Garlichs (1980, Politikformulierung […]), S. 20 f. 219 S. BT-Drs. zu Drucksache VI/2204, S. 2. 220 Vgl. Labahn, S. 42 f. 221 Vgl. Labahn, S. 42 f. 222 Vgl. Rudzio, Kap. 7.5 („Die Ausschussphase – Züge eines Arbeitsparlaments“). 223 Vgl. Häußermann/Läpple/Siebel, „Die soziale Dimension der Stadterneuerung“, S. 123 ff.
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 197185
bezog sich dies auf §§ 4 Abs. 1, 2 (Vorbereitende Untersuchungen und Stellungnahmen) sowie 8 Abs. 2 (Aufgaben der Gemeinde, Sozialplan).224 Die Einführung des Sozialplans ging offensichtlich auf die Anregung des Göttinger Stadt- und Industriesoziologen Prof. Hans Bahrdt zurück, der dem Ausschuss als Sachverständiger zum Thema „Probleme der durch die Sanierung betroffenen Bevölkerungsteile“ angehörte.225 Häußermann, Läpple und Siebel226 zufolge konnte der Sozialplan als „die erste rechtlich kodifizierte und für Sanierungsmaßnahmen obligatorisch gemachte Form der Sozialverträglichkeitsprüfung in der kommunalen Planung angesehen werden.“ Der Ausschussbericht227 formulierte seinerzeit das Ziel, den „gesellschaftlichen Zusammenhängen“ müsse „bei einer Sanierung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden“ und zeigte sich insofern sensibilisiert für die massiven Eingriffe, die umfassende Sanierungen für die ansässige Bevölkerung zweifelsohne mit sich bringen mussten. Der Ausschuss berief sich in seinen Formulierungen deutlich auch auf das o. g. Leitbild einer Demokratisierung der Planung. In diesem Stadium der Gesetzesarbeiten war der Sozialplan jedoch noch etwas Abstraktes. Einerseits sollte er die Gemeinden „im Rahmen der Daseinsvorsorge“ verpflichten, „daß bei der Durchführung der Sanierung nachteilige Auswirkungen für die Betroffenen in ihren persönlichen Lebensumständen oder im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich soweit wie möglich vermieden“ werden sollten. Andererseits formulierte der Ausschuss im Konsens auch, dass es die dem Sozialplan innewohnende „Dynamik“ nicht zulasse, „ihn so auszugestalten, daß der einzelne daraus Rechtsansprüche herleiten könnte.“228 Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde die Einfügung des Sozialplans nicht kontrovers diskutiert. Für die Praxis der Sanierungsplanung in den Gemeinden sollten diese Einfügungen jedoch spürbare Auswirkungen haben, wie noch zu zeigen sein wird.229 Die Arbeit im 14. Bundestagsausschuss war von einer Besonderheit geprägt, nämlich der Einrichtung einer sog. „Kleinen Kommission Städte224 Aufschlussreich und kritisch gleichermaßen zur Entstehungsgeschichte: Korte, S. 20 ff. Vorbereitende Untersuchungen und Sozialplan waren als Eckpfeiler der sozialen Dimension des StBauFG durch den Gesetzgeber offensichtlich bewusst offen gelassen worden, auch mit Blick auf die administrativen Verfahren. Dazu vgl. u. § 3 C.II.1. 225 S. Labahn, S. 53: „Dessen Vorstellungen wurden von allen Seiten gleichermaßen positiv aufgenommen.“ Labahn zufolge waren die konkreten Wortlaute des Entwurfes dann von der sog. „Kleinen Kommission“ des Ausschusses vorgenommen worden, deren „Formulierungen die einmütige Billigung aller Ausschußmitglieder fanden“. Mit weiteren inhaltlichen Nachweisen: Korte, S. 27–31. 226 Vgl. S. 123. 227 S. BT-Drs. zu VI/2204, S. 5. 228 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, Begründung zu § 8, S. 6 f. 229 Vgl. u. § 4 A.II.1.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
bauförderungsgesetz“, sozusagen ein Generalsekretariat im Ausschuss. Seine Aufgabe war es, bei besonders schwierigen Fragekomplexen für den Ausschuss zu sondieren und vorzuformulieren und damit vor allen Dingen auch eine zeitliche Straffung herbeizuführen. Die Fraktionen der SPD und CDU/ CSU entsandten jeweils drei Mitglieder in die „Kleine Kommission“, die FDP eines, allesamt bekannte und mit der Materie vertraute Namen.230 Erweitert wurde diese Gruppe um Vertreter des Ministeriums und Berater der Fraktionen, so dass ein zwölfköpfiges Gremium entstanden war, in welchem offensichtlich wichtige inhaltliche Vorentscheidungen getroffen wurden.231 An der Arbeit im Ausschuss waren etliche Verbände beteiligt, einige davon punktuell, einige Verbände durchgehend und mit „programmatischen Zielvorstellungen“, Stakeholder sozusagen an der Städtebauförderung insgesamt. Hierzu zählten demnach der Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen (Vorläufer des heutigen GdW), der Deutsche Bauernverband, der Deutsche Industrie- und Handelstag, der Bund Deutscher Industrie, die Bundesvereinigung Deutscher Heimstätten sowie der Zentralverband der Hausund Grundeigentümer. Die Verbände vertraten in der Ausschussarbeit sowohl ihre grundsätzlichen Haltungen zu den Fragen Wohnen, Städtebau und Eigentum wie auch konkrete Forderungen und Formulierungen zu einzelnen Punkten der Vorlagen. Seitens der Verbände wurde eine breite gutachterliche und wissenschaftlich fundierte Arbeit betrieben. Dies schien spürbaren Einfluss auf die Arbeit der Ministerien und des Ausschusses gehabt und in mehreren Fällen konkrete Änderungen bzw. Ergebnisse erzielt zu haben, auch durch taktisch geschicktes Vorgehen.232 Weiterhin waren an der Ausschussarbeit regelmäßig und in beachtenswertem Ausmaß die Vertreter aus dem Ministerium für Städtebau und Wohnungswesen und anderen Häusern sowie dem Bundesrat, also den Landesregierungen beteiligt. Das Interesse schien überdurchschnittlich gewesen zu sein, was ein Vertreter der SPD-Fraktion mit den Worten kommentierte, dass 230 Hierzu gehörten die Abgeordneten Dr. Ahrens, Meermann und Schmidt (SPD), Erpenbeck und Prassler (CDU), Niegel (CSU) und Wurbs (FDP). Der Ausschussvorsitzende Mick (CDU) gehörte nicht zu dieser Aufzählung. 231 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 2, sowie Labahn, S. 39 f. Labahn konnte für seine Arbeit intensiv mit den Ausschussunterlagen arbeiten und die Mitglieder des Ausschusses hierzu auch empirisch befragen. Er hielt fest (S. 39): „Daß in der ‚Kleinen Kommission‘ ‚zügiger und komprimierter‘ verhandelt und gearbeitet werden konnte, wurde von einem Mitglied dieses Organs als das positive Merkmal hervorgehoben, da sich dadurch schneller als im Gesamtausschuß eine Kompromißformel finden ließ. Die Arbeit der Kommission trug zwar nur vorbereitenden Charakter, doch folgte der Ausschuß dieses Gremiums weitgehend, zumal wenn dort Einigung bezüglich des Inhalts der zu besprechenden Paragraphen erzielt werden konnte.“ 232 Vgl. Labahn, Kap. 2.5 „Stellung und Einfluß der Verbände“, S. 62 ff.
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 197187
„viele Beamte an guten Gesetzen interessiert“ gewesen sind.233 Dies ging einher mit der Beobachtung, dass im Laufe der Beratungen etliche „Formulierungshilfen“ aus dem Ministerium auch in die Formulierungen der Ausschussergebnisse eingeflossen waren. Ergebnisse aus der Parlamentarismusforschung, welche die Rolle der Ministerialbürokratie in der Ausschussarbeit als die der „Informationsbeschaffung und wechselseitigen Einflussnahme“ charakterisierten, können so gesehen bestätigt werden.234 Erweitern konnte man diese Erkenntnisse für die Arbeiten zum Städtebauförderungsgesetz dadurch, dass die Rollenverteilung nicht zu übergewichtig auf „Mehrheitsfraktionen und Ministerialverwaltung“ versus „Oppositionsfraktionen“ verteilt war, sondern CDU/CSU auf Grund ihrer vorhergehenden jahrzehntelangen Regierungsverantwortung ebenfalls auf „gute Berater“ vertrauen konnten, „die früher im Ministerium gearbeitet“ hatten.235 Mit dem Ende der Ausschussberatungen und als Grundlage für die Zweite und Dritte Lesung im Deutschen Bundestag legte der Ausschuss am 27.5.1971 einen zweiteiligen Abschlussbericht vor. Der erste Teil A umfasste den schriftlichen Bericht der beiden Ausschusssprecher, Dr. Ahrens (SPD) und Erpenbeck (CDU), welche beide auch bereits Sprecher ihrer Fraktionen in der Ersten Lesung im Plenum gewesen waren, zu den Ausschussarbeiten und deren inhaltlichen Begründungen.236 Der zweite Teil B umfasste als Antrag des Ausschusses an das Plenum den „Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz)“ und war somit eine zusammengearbeitete Entwurfsfassung aus dem eingebrachten Entwurf der Bundesregierung und dem Alternativentwurf der CDU/CSU-Fraktion.237 Wichtig war für den parlamentarischen Entstehungsprozess, dass sich die im Ausschuss vertretenen Mitglieder von CDU und CSU bei der Schlussabstimmung enthalten hatten, trotz der offensichtlich vorherigen guten und fachlichen Zusammenarbeit.238 233 Vgl.
Labahn, S. 43. Ismayr, Kap. 4.4.8, S. 187 ff. 235 Vgl. Labahn, S. 45. 236 Teil A: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen (14. Ausschuß) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz)“ – Drucksache VI/510 –; über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes zur Förderung von städtebaulichen Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Stadt und Land (Städtebauförderungsgesetz)“ – Drucksache VI/434 –; Bericht der Abgeordneten Dr. Ahrens und Erpenbeck. BT-Drs. zu Drucksache VI/2204 vom 27.5.1971. 237 Teil B: Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen). BT-Drs. VI/2204 vom 27.5.1971. 238 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 1. 234 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Durch die Arbeit im Bundestagsausschuss und sein Ergebnis, d. h. die Vorlage des Teils B, wurde insgesamt ein weitgehend durch- und umgearbeiteter Gesetzesentwurf zur Abstimmung vorgelegt, der in seiner Gliederung und Struktur nun die endgültige Form des später verabschiedeten Städtebauförderungsgesetzes erkennen ließ. Die Beratungsvorgänge im Ausschuss hatten die Entstehung des Städtebauförderungsgesetzes in seiner Form, in welcher es dann 1971 ausgefertigt wurde, so maßgeblich verändert und geprägt, dass im Grunde genommen von einem eigenständigen Gesetzesentwurf 1971 gesprochen werden müsste. Die Beratungen zum Städtebauförderungsgesetz sind insofern ein gutes Beispiel für die hochintensive und spezialisierte Arbeitsweise sowie eigenständige Rolle der Ausschüsse im Deutschen Bundestag.239 Im Zeitabschnitt von März 1970 bis Mai 1971 entstand aus diesen Vorarbeiten die konkrete Gesetzgebung, die durch die parlamentarischen Beratungen sowie Auseinandersetzungen im Bundesrat nur noch in den politisch umstrittenen Inhalten, nicht aber mehr in ihrer Grundstruktur verändert wurde.
II. Die Zweite und Dritte Lesung des Entwurfes im Deutschen Bundestag Der zur Abstimmung im Deutschen Bundestag vorgelegte Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen wurde, zusammen mit den zugrundeliegenden Entwürfen der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion sowie dem Städtebaubericht 1970 der Bundesregierung, am 16.6.1971 vom Deutschen Bundestag in Zweiter und Dritter Lesung beraten.240 Bereits im Vorfeld der Beratungen war die Materie zu einer politischen Auseinandersetzung über die Zukunft des Städtebauförderungsgesetzes stilisiert worden. Der Erwartungsdruck wurde auf beiden Seiten geschürt und medial aufbereitet. Auf Seiten der Mehrheitsfraktionen wurde mit der Aussicht auf Verabschiedung „eines der größten Reformwerke dieser Bundesregierung“ geworben. Die Bundesregierung hatte in ihrer Haushaltsplanung noch für 1971 100 Mio. DM in Aussicht gestellt (kurzfristig waren für 1972 und 1973 150 bzw. 200 Mio. DM geplant).241 Bundesstaatssekretär Ravens umwarb die politischen Kräfte in den Ländern mit den vielsagenden Worten: „Wir haben […] eine Reihe von Projekten, die darauf warten, mit den Instru menten des neuen Gesetzes ausgeführt zu werden.“ Weithin Beachtung gefunden hatte die 16. Hauptversammlung des Städtetages in München unter dem Motto „Rettet unsere Städte jetzt!“, die vierzehn Tage vorher stattgefun239 Vgl.
Ismayr, Kap. 4.4, Sontheimer/Bleek, S. 292 ff. nicht anders vermerkt, zit. n.: Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 127. Sitzung. Bonn, 16.6.1971, S. 7317 ff. 241 Vgl. BT-Drs. VI/2273. 240 Soweit
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 197189
den hatte.242 CDU und CSU verständigten sich in erster Linie auf ihre Oppositionsrolle und die bereits bekannte grundlegende Kritik der „Vergesellschaftung und Kommunalisierung des Grund und Bodens“.243 Die zuvor geübte konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss wurde sichtbar hintan gestellt. Sogar der seit Jahren an der Entstehung des Städtebauförderungsgesetzes beteiligte Abgeordnete Erpenbeck, der als Berichterstatter für seine Fraktion und in den Ausschussberatungen eine herausragende Rolle gespielt hatte, ließ sich nun zitieren, dass mit den Entwürfen der Bundestagsmehrheit „in entscheidenden Punkten“ die „Aufhebung des Privateigentums“ verbunden sei.244 In auffallendem Kontrast zur vielleicht auch nur erklärten politischen Schwere der Auseinandersetzung (CDU und CSU hatten sich bereits im Ausschuss der Zustimmung zum Entwurf enthalten, s. o.) standen letztendlich Inhalt und Umfang der Redebeiträge im Plenum des Deutschen Bundestages. Das Plenarprotokoll umfasste mehr als 80 Seiten dokumentierte, also tagesfüllende Redebeiträge, in denen von den Hauptrednern politische Fürsprache und Gegenrede entlang allseits bekannter inhaltlicher Argumentationen gehalten wurde. Wesentliche neue Inhalte oder Kompromissvorschläge, welche die sich abzeichnende Ablehnung durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hätten verhindern können, wurden nicht vorgetragen. Angesichts der durch die Ausschussarbeiten vorliegenden grundlegenden Konzeption des Städtebauförderungsgesetzes gewinnt der heutige Betrachter vielmehr den Eindruck, dass die Befürchtungen und geahnten Perspektiven der „Kommunalisierung von Grundeigentum“, die ein besonders oft wiederholter Debattenpunkt waren, völlig überhöht wirken. Schon zum damaligen Zeitpunkt stand fest, dass die Gemeinden selbstverständlich nicht entschädigungslos hätten enteignen und sanieren können. Im Falle einer Enteignung vor oder während der Sanierung hätten sie immense Finanzmittel aufbringen müssen, was die tatsächlichen, kurzfristigen Möglichkeiten de facto enorm einschränken musste.245 Insge242 Vgl. Rettet unsere Städte jetzt!, programmatisch: die Rede von Dr. Hans- Jochen Vogel, dem späteren Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (1972–74). 243 Vgl. zur Logik der Oppositionsrollen von CDU und CSU: Schmidt (1978), S. 219. 244 Zitate in diesem Absatz, soweit nicht anders vermerkt.: „Eigentümer bevorzugt“ sowie „Die Stadt ist eine teure Sache“, in: Der Spiegel, Nr. 23/1971, S. 28, 29. 245 Dies war auch den CDU-geführten Ländern vollumfänglich bewusst und damit wurde die „Enteignungs-Diskussion“ von CDU und CSU zwar in schwärzesten Farben gemalt, letztlich aber absurd geführt: „[…] daß der tatsächliche Bedarf unserer Gemeinden an Mitteln für Sanierung und Entwicklung die heutigen Möglichkeiten der öffentlichen Hand weit übersteigt. Diese Erkenntnis wird niemand bestreiten. […]
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
samt, so sollte die Praxis bereits wenige Jahre nach Einführung des StBauFG zeigen, kamen die stärksten Waffen des Gesetzes, die besonderen bodenrechtlichen Gebote, nur ausgesprochen selten zum Einsatz.246 Der parlamentarischen Debatte im Deutschen Bundestag musste mit Fug und Recht eine hohe Symbolik konstatiert werden. Für weite Teile der Arbeit von CDU und CSU im sechsten Deutschen Bundestag war dies der neue Oppositions-Stil, in den Ausschüssen und auf Arbeitsebene zum „Gesetzgeber und Mitregenten“ zu werden, im Plenum hingegen „mit höchstmöglicher Öffentlichkeitswirksamkeit vorgetragene Konfrontation“ zu demonstrieren.247 Die Entstehung des StBauFG war ein frühes, sehr gutes Beispiel für die parlamentarische Strategie der Union dieser Jahre. Der Umfang der Bundestagsdebatte muss mit diesen politischen Zielen der handelnden Akteure und dem ausgeprägten „Dualismus von Mehrheit und Opposition“ erklärt werden.248 Für die Mehrheitsfraktionen schien indes die Feststellung von Lehmbruch bestätigt zu werden, „daß die sozialliberale Regierungskoalition sich dieser veränderten strategischen Konstellation insofern besser anpaßte, als sie – in Abwendung von hergebrachten parlamentarischen Gebräuchen – nach 1969 konsequent die ‚Mitarbeit‘ der Opposition verschmähte und deren Anträge niederstimmte […].“249 Dies betraf sowohl die Außen-, als auch die Innenpolitik. Umgekehrt standen die Spitzen von CDU und CSU im Bundestag ihren strategischen Ansatz mehr als einmal nicht bis zum Ende des politischen Prozesses durch. Der Wahrnehmung der Union haftete in der Öffentlichkeit der Ruf der Obstruktion an, dessen „taktische Serpentinen man als Das beste Instrumentarium eines Städtebauförderungsgesetzes ist nach unserer Überzeugung für unsere Städte wertlos, wenn ihnen die finanziellen Mittel für seine Anwendung fehlen.“ So Innenminister Titzck (CDU) des Landes Schleswig-Holstein am 9.7.1971 in der 369. Sitzung des Bundesrates (S. 179 (D)). 246 So verzeichnete der Bericht der Bundesregierung zum Vollzug des StBauFG aus dem Jahre 1975 (S. 31): „Der wesentliche Grund für die Zurückhaltung der Gemeinden bei der Anwendung hoheitlicher Gebote ist im Städtebauförderungsgesetz selbst angelegt. Es ist so konzipiert, daß die Gebote von vorn herein als Mittel für den äußersten Konfliktfall und nicht als Mittel für den normalen Ablauf einer Sanierung gedacht sind. Einvernehmliche Regelungen werden durch die vorbereitenden Untersuchungen, in deren Rahmen auch die Mitwirkungsbereitschaft und die Möglichkeiten der städtebaulichen Planung zu erörtern sind, ebenso gefördert wie durch die Erörterung der Neugestaltung des Sanierungsgebiets/Entwicklungsbereichs mit den Eigentümern, Mietern, Pächtern und anderen Nutzungsberechtigten sowie durch die Erarbeitung des Sozialplans. All dies bewirkt im Verfahrensablauf, daß die Gemeinden auf einvernehmliche Regelungen hinarbeiten und die Anwendung hoheitlicher Gebote möglichst zu vermeiden suchen.“ 247 Vgl. Jäger (1986), S. 65–67. 248 Vgl. Rudzio, Kap. 7.1, „Der Dualismus von Mehrheit und Opposition“. 249 S. Lehmbruch (1999, Die Große Koalition […]), S. 45.
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 197191
entwürdigend empfand“ – und „am Ende dann die Stimmenthaltung, das ‚Weder-Noch‘“.250 So auch im Fall des StBauFG. Noch in einem abschließenden Ersuchen hatten sich CDU und CSU in einer Beratung aller Frak tionsspitzen darum bemüht, zumindest einige Kompromisse auszuhandeln; jedoch wurden sämtliche Änderungsanträge der Opposition zum Bericht des Ausschusses mit Regierungsmehrheit abgelehnt.251 Sprichwörtlich am Ende des Tages, nach einem mehr als zwölfstündigen Plenartag und über 30 Wortbeiträgen zum Städtebau, verabschiedete die Bundestagsmehrheit aus SPD und FDP das Städtebauförderungsgesetz auf der Grundlage des eingebrachten Ausschussberichtes. Und trotz aller vorgebrachten Kritik vermochte die CDU/CSU-Fraktion nicht mit „Nein“ zu stimmen und enthielt sich ihrer Stimme. Die „föderalistische Struktur der Bundesrepublik und die Rolle des Bundestages als Ausschußparlament“ wirken rein konfliktorientierten Strategien entgegen – und der Werdegang des StBauFG war geeignet zu demonstrieren, dass dies sowohl für die Opposition als auch die Bundestagsmehrheit galt. Schon zeitgenössischen Akteuren und Beobachtern war klar, dass es auf grundlegende Kompromisse hinauslaufen musste.252 Nicht ohne Hintergrund betonte der Ausschussvorsitzende Mick (CDU) im Bundestag anlässlich der Abstimmung über das StBauFG, „daß dann, wenn dieser Gesetzentwurf über den Vermittlungsausschuß erneut in diesem Plenum landet,“ eine Zustim250 Vgl.
Jäger (1986), S. 66. ging aus den Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden Dr. Rainer Barzel hervor (Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 127. Sitzung. Bonn, 16.6.1971, S. 7389 passim). Sämtliche Änderungsanträge der CDU/CSU wurden in der Zweiten Lesung des Bundestages mehrheitlich abgelehnt. Daraufhin hielt die CDU/CSU-Fraktion in der Dritten Lesung nur noch zwei Änderungsanträge aufrecht, nämlich zu § 25 (Veräußerungspflicht der Gemeinde) sowie § 54 (Zuständigkeit und Aufgaben der Gemeindeverwaltung bei Entwicklungsaufgaben, CDU/CSU entdeckten in Abs. 3 eine „Enteignungspflicht“ der Gemeinde). Auch diese Anträge wurden abgelehnt (Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 127. Sitzung. Bonn, 16.6.1971, S. 7409). 252 Vgl. Rudzio, S. 237 (Zitat). – Im Interview mit dem Spiegel (Nr. 44/1969, S. 29 ff.) hatte Bundeskanzler Brandt einige Zeit vorher ausgeführt: „Wenn die CDU/ CSU […] eine totale Opposition machen wollte, wird sie scheitern. Ich rechne damit, daß sie das versucht, aber das würde nur einige Monate gehen. [Spiegel: Was verstehen Sie unter totaler Opposition?] Brandt: Unter totaler Opposition verstehe ich eine Opposition auf Gebieten oder zu Gegenständen, zu Vorschlägen, zu Gesetzentwürfen, die man eigentlich unterstützen möchte, sich aber gegen sie stellt, weil man die Regierung in ihrer Tätigkeit behindern oder ihren Sturz vorbereiten will. Die CDU/CSU würde daran scheitern. Es würde sich nach sehr kurzer Zeit zeigen, daß, wenn die Regierung beispielsweise ein halbwegs vernünftiges Sozialgesetz vorlegt, nicht alle CDU-Abgeordneten dagegen stimmen. Da mag abgesprochen werden, was will, einige könnten sich sonst zu Hause nicht mehr sehen lassen.“ 251 Dies
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
mung der Union möglich sei.253 Eine komplette tatsächliche Verhinderung der Städtebauförderung durch Bundestag und Bundesrat war also weder erkennbar noch durchführbar noch geplant; dazu hatten die Länder mittlerweile zu starke Eigeninteressen an der Einführung einer Städtebauförderung unter finanzieller Beteiligung des Bundes, dazu war die Thematik der städtebau lichen Sanierung zu weit fortgeschritten. Aber kann man für die Entstehungsgeschichte des Städtebauförderungsgesetzes auch davon sprechen, dass sich die Opposition „anfänglich schwertat, einen […] angemessenen Oppositionsstil zu entwickeln“?254 Zwar fanden sich deutliche Hinweise darauf, dass eine parteipolitische Konfrontation bewusst einkalkuliert wurde und davon auch die Bedenken und sachlichen Vorarbeiten der Ausschussarbeit überlagert wurden.255 Aber wie gezeigt werden konnte, wurden für das Städtebauförderungsgesetz von der Union deutliche inhaltliche Schwerpunkte gesucht, gesetzt und durch die Arbeit des Bundestagsausschusses auch formuliert. Nur im Plenum des Deutschen Bundestages konnten diese Ziele eben nicht erreicht werden und wurden in der Tat „niedergestimmt“. Die CDU/CSU-Fraktion kündigte bereits in der Entstehung des Städtebauförderungsgesetzes konsequent an, ihre Ziele also vermittels „Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates“ zu erreichen. Aus heutiger Sicht mag es dahinstehen, ob es also seitens der Mehrheitsfraktionen im Bundestag nicht „klüger“ gewesen wäre, etwas mehr Konzilianz zu zeigen. Dass CDU und CSU im Bundestag kein bindendes Zugeständnis gemacht wurde, hatte zur Folge, dass im Bundesrat die Interessen der Bundesländer im Städtebauförderungsgesetz ein größeres Gewicht erlangten, als es der ursprünglichen Intention der Bundesregierung nach vorgesehen und gewünscht war. Gerhard Stoltenberg, der neue, mit absoluter Mehrheit ausgestattete Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, formulierte es noch vor den Sitzungen des Vermittlungsausschusses eingängig so: „Die Bundesregierung ist gut beraten, wenn sie endlich einsieht, daß sie mit ihrer schwachen Mehrheit im Bundestag nicht alle Gesetze durchpauken kann, sondern mit unserer Mehrheit im Bundesrat rechnen muß.“256
253 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 127. Sitzung. Bonn, 16.6.1971, S. 7412 (B). 254 Vgl. Lehmbruch (1999, Die Große Koalition […]), S. 45. 255 Vgl. Labahn, S. 70. 256 S. „Wir sind nicht unbegrenzt handlungsfähig“, in: Der Spiegel, Nr. 30/1971, S. 19.
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 197193
III. Die Behandlung im Bundesrat Am 9.7.1971 behandelte das Plenum des Bundesrates in seiner 369. Sitzung das vom Bundestag am 16.6.1971 verabschiedete Städtebauförderungsgesetz, d. h. in der mit Mehrheit beschlossenen Fassung aus der Arbeit des Bundestagsausschusses.257 Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz wurde zunächst in den Ausschüssen des Bundesrates beraten. Über die Ergebnisse der Beratungen im federführenden Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen berichtete der Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz, Gaddum (CDU).258 Ihm zufolge hatte der Ausschuss etliche Änderungsanträge bearbeitet. Diese betrafen sowohl inhaltliche Aspekte des verabschiedeten Gesetzes (u. a. zu § 15 – Genehmigungspflichtige Vorhaben und Rechtsvorgänge), juristische bzw. verfassungsrechtliche Aspekte der anstehenden Gesetzgebung (z. B. § 18 – gemeindliches Grunderwerbsrecht) oder der Rückgriff auf die politisch umstrittenen Inhalte – dies betraf z. B. § 25 (Veräußerungspflicht der Gemeinde) sowie § 54 (Zuständigkeit und Aufgaben der Gemeindeverwaltung bei Entwicklungsaufgaben, Zwischenerwerb von Grund und Boden). Interessant war, dass sich der Ausschuss mehrheitlich gegen sämtliche Änderungsanträge gestellt hatte, da sich das Inkrafttreten des Gesetzes dadurch noch länger verzögert hätte und dies „nicht im Sinne der Sache“ läge, „zumal die Gemeinden schon geraume Zeit auf dieses Gesetz warteten.“ Dem Berichterstatter zufolge hatte es zu § 72, d. h. den angedachten Finanzhilfen des Bundes, weiterhin erhebliche Vorbehalte gegeben, die daraus resultierten, dass sich „der Bund über die Vorstellungen der Länder bei den Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen hinwegsetzen könne.“ Die Länder erwarteten eine klare Trennlinie zwischen „Programmkompetenz und Ver teilungskompetenz“.259 Diesen Bedenken sei dadurch Rechnung getragen worden, dass der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums während der Ausschussarbeiten erklärt habe, „daß der Bund, wenn irgend möglich, bestrebt sei, den Vorstellungen der Länder zu entsprechen“ und dass der Bundesminister bereit sei, eine entsprechende Erklärung auch vor dem Plenum des Bundesrates zu Protokoll zu geben. 257 Soweit nicht anders gekennzeichnet, sämtliche nachfolgenden Zitate nach: Bundesrat, 369. Sitzung am 9.7.1971, Punkt 3 der Tagesordnung: Gesetz über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz), S. 171 ff. Das vom Bundestag beschlossene Gesetz war am 18.6.1971 an den Bundesrat weitergeleitet worden und wurde dort als BR-Drs. 332/71 geführt. 258 Vgl. Bundesrat, 369. Sitzung, S. 172 (C/D). 259 Zur Einflussnahme der Länder während der Programmentwicklung: vgl. Garlichs (1980, Politikformulierung), S. 32.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Diesem Bedürfnis der Bundesländer, einer umstrittenen und offenen verwaltungspolitischen Frage zunächst einmal durch die Abgabe einer Erklärung entgegenzukommen, ist Bundesminister Lauritzen im Plenum des Bundes rates „im Namen und mit Zustimmung der Bundesregierung“ auch nachgekommen. Es ist ein interessantes Dokument des kooperativen Föderalismus: „Grundlage für die Finanzhilfen des Bundes sind die von den zuständigen Ministern und Senatoren der Länder aufgestellten Programme. Maßnahmen, die in diesen Programmen nicht enthalten sind, können aus den Finanzhilfen des Bundes nicht gefördert werden. Über die Programme der Länder berät der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen mit den zuständigen Ministern und Senatoren der Länder. Dabei sind alle Gesichtspunkte, die der Bund und die Länder bei der Aufstellung des Bundesprogramms oder der Zuteilung der Finanzhilfen an die Länder berücksichtigt sehen wollen, zwischen Bund und Ländern zu erörtern. Das bedeutet, daß die Aufstellung des Bundesprogramms und die Mittelverteilung im Benehmen mit den Ländern zu erfolgen hat. Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen wird bei der Aufstellung des Bundesprogramms regelmäßig von der Rangfolge, die die Länder in dem von ihnen vorgelegten Landesprogramm vorgesehen haben, ausgehen. Wenn wichtige Bundesgesichtspunkte eine Abweichung erfordern, müssen sie vor der Aufstellung des Bundesprogramms mit den Ländern erörtert werden. Das Bemühen aller Beteiligten, also des Bundes wie der Länder, muß es sein, bei der Beratung zu einem Einvernehmen über das Bundesprogramm und die Zuteilung der Finanzhilfen an die Länder zu gelangen. Sollte sich trotz aller Bemühungen ein Einvernehmen zwischen dem Bund und allen Ländern nicht erzielen lassen, so wird der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen das Ergebnis der Beratungen bei der Aufstellung des Bundesprogramms und der Zuteilung der Finanzhilfen des Bundes zugrunde legen, soweit dies sachlich möglich ist.“260
Welche rechtlichen Wirkungen diese Erklärung gehabt oder welche Folgebindungen sie eventuell für nachfolgende Bundesregierungen entfalten konnte, kann hier zweitrangig sein. In der Folgezeit entstand durch diese dokumentierte „Modalität der Finanzierung der Städtebauförderung“ ein ausgesprochen enger Verbund zwischen dem Bund und den Ländern. Hervorzuheben war dabei aus bundesstaatlicher Perspektive, dass hiermit nicht nur ein Finanzverbund zwischen Bund und Ländern vorangetrieben worden ist, sondern ganz praktisch ein Zusammenwirken aus Bund, Ländern und den Gemeinden mit ihren städtebaulichen Planungen. Hinzu kam, dass sich die Länder zur Herstellung des Benehmens untereinander verständigen und also 260 Vgl. Bundesrat, 369. Sitzung, S. 176 (A). Das Einverständnis war im Bundeskabinett ohne dokumentierte Aussprache erfolgt, vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 75. Kabinettssitzung am 7.7.1971, TOP H.
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 197195
auch inhaltlich bewerten mussten. Ob dies alles die inhaltliche Handlungsfreiheit der Länder wirklich vergrößert hat – zur Erinnerung: in den Beratungen des Bundesrates war stets moniert worden, der Bund hätte durch sein Wirken keine städtebaulichen Maßnahmen präjudizieren dürfen –, musste kritisch diskutiert werden. Konsequent wurde dies von den politisch Verantwortlichen jedenfalls damals schon gesehen und so formuliert.261 Anders fiel die Bewertung aus, wenn man als vielleicht wünschenswertes Ergebnis ansah, dass die Städte und Gemeinden „in einen Planungs- und Finanzierungsverbund mit Bund und Ländern integriert und zu einem In strument der Konjunktur- und Strukturpolitik“ werden sollten.262 Dies war schlussendlich auch das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens, denn § 71 Abs. 2 StBauFG legte in seiner Ausgangsfassung 1971 fest, dass Finanz hilfen „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ grundsätzlich gewährt werden konnten. Wer politisch ein solches Ansinnen verfolgt hatte, konnte mit dem hier dargestellten, bundesstaatlich verabredeten Verfahren wohl einen guten Erfolg verbuchen. Hiervon unabhängig wiederholte und bekräftigte der Freistaat Bayern auch in der 369. Sitzung des Bundesrates seine verfassungsrechtlichen Bedenken und Einwände, dass die geplanten Verfahren zu § 72 E-1971 nicht mit den Bestimmungen des Grundgesetzes zu vereinbaren waren. Damit wurden wiederholt diejenigen Argumentationen und Zweifel vorgetragen, mit denen sich ab 1974 auf Antrag Bayerns das Bundesverfassungsgericht befassen sollte.263 Die in diesem Stadium des Gesetzgebungsprozesses erkennbare parteipolitische Debatte verlief entlang zweier Hauptredner, für die sozialdemokratisch regierten Bundesländer war dies Ministerpräsident Osswald aus dem ohne Koalitionspartner sozialdemokratisch regierten Land Hessen; für die unionsgeführten Länder war dies Dr. Kohl, der in Rheinland-Pfalz seit knapp zwei 261 So äußerte sich im Bundesrat der Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Dr. Goppel, zu den Modalitäten des § 72 E-1971 (Einsatz der Finanzhilfen des Bundes): „[…] wenn das Einvernehmen nicht zustande kommt, werden Sie [gemeint war der Bundesminister, U.K.] entscheiden. […] Das heißt für uns bei der Beschränktheit unserer Mittel, daß wir dem Bundesprogramm ausgeliefert werden und darüber hinaus unsere eigenen innenpolitischen Vorstellungen auch im Städtebau nicht mehr durchsetzen können. Das gilt für viele Dinge. Das zeigt sich heute schon bei den allgemeinen Gemeinschaftsaufgaben; ich erinnere an die Gemeinschaftsaufgabe ‚regionale Wirtschaftsförderung‘. Wir kommen auf diesem Wege über diese Mischverwaltung, Mischfinanzierung, Mischzuständigkeit in den Zustand, daß kein Land mehr für sich Politik machen kann, sondern wir dann nur noch […] in absoluter Obedienz und ohne Opposition dem Bunde gehorchen müssen.“ (Vgl. Bundesrat, 369. Sitzung, S. 187 (C)). 262 Vgl. Häußermann/Läpple/Siebel, S. 90. 263 Vgl. den Beitrag von Staatsminister Dr. Merk, Bundesrat, 369. Sitzung, S. 176 ff. Zum Urteil des BVerfG vgl. u. § 2 F.I.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Monaten ebenfalls eine Regierung ohne Koalitionszwänge anführte. Der Disput erfolgte über die bereits im Bundestag hervorgehobenen Fragen zur Reprivatisierungspflicht der Gemeinden (§ 25 E-1971) und die Pflicht der Gemeinde zum Erwerb von Grundstücken im Bereich von Entwicklungsmaßnahmen (§ 54 Abs. 3 E-1971). Bereits vor der Aussprache im Plenum war offenkundig, dass der Bundesrat anders abstimmen würde, als es der o. g. Ausschuss empfohlen hatte und dass er den gemeinsamen Ausschuss gem. Art. 77 Abs. 2 GG anrufen würde.264 Spätestens seit der Entscheidung der Bundestagsfraktion der SPD, sämtliche inhaltlichen Vorstellungen, Vorschläge und Änderungswünsche aus Reihen der CDU und CSU im Bundestag abzulehnen,265 waren die Weichen der politischen Auseinandersetzung dahin eingestellt. Bereits hieran entzündeten sich Auseinandersetzungen – ob die parteipolitische „Nutzung“ des Organs der Länder beim Bund denn legitim sei. Den Warnungen des Sozialdemokraten Osswald, den Bundesrat nicht zu Oppositionszwecken zu instrumentalisieren, sondern in föderativer Tradition einen „sachbezogenen Beitrag zur Gesetzgebungsarbeit“ zu leisten,266 entgegnete Helmut Kohl, dass es die Rolle des Bundesrates sei, als „zweite wichtige Kammer der gesamtstaatlichen Gesetzgebung und Verantwortung […] aus dem Vollzug der Aufgaben ein Stück mehr Sachgerechtigkeit in die Diskussion einzubringen.“ Seiner Auffassung nach sei „es doch ganz natürlich, daß wir Gesetze, die hier verfaßt und verabschiedet werden, nach unserem Grundverständnis betrachten.“267 Mit einer Stimme Mehrheit im Bundesrat wurde die Anrufung des „Vermittlungsausschusses“ (Art. 77 Abs. 2 GG) in der hier wiedergegebenen 369. Sitzung wie angekündigt beschlossen. Damit war für die endgültige Fassung des Städtebauförderungsgesetzes noch einmal ein Stück weit offen, 264 So war dem Beitrag des nordrhein-westfälischen Ministers für Bundesangelegenheiten, Dr. Diether Posser (SPD), zu entnehmen: „Ich will hier keine großen Ausführungen zur Sache machen. Falls es zur Anrufung des Vermittlungsausschusses kommt – daß das der Fall sein wird, hat ja wohl die Vorbesprechung gezeigt – wird man sich über diese beiden Punkte [gemeint waren die §§ 25 u. 54, U.K.] sehr gründlich unterhalten müssen.“ Bundesrat, 369. Sitzung, S. 188 (B). – Das zur Abstimmung im Plenum abweichende Votum des Bundesratsausschusses erklärte sich dadurch, dass die Bundesländer in den Ausschüssen mit jeweils einer Stimme vertreten waren, wohingegen im Plenum entlang der Stimmenanzahl der Länder abgestimmt wurde. 265 Vgl. Beitrag Dr. Kohl, Bundesrat, 369. Sitzung, S. 184 (D). 266 Vgl. Bundesrat, 369. Sitzung, S. 182. Osswald führte u. a. aus: „[…] daß der Bundesrat nicht seiner Funktion als föderative Revisionsinstanz der Bundesgesetzgebung völlig entkleidet und in ein zweites parteipolitisches Schlachtfeld verwandelt werden dürfe. […] der Bundesrat ist kein Anti-Bundestag.“ (B). 267 Vgl. Bundesrat, 369. Sitzung, S. 184 (A), etwas später heißt es: „[…] dieser Bundesrat ist ein politisches Gremium […].“ (B).
D. Das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von 197197
welche politische Kompromissformel sich in seinem Wortlaut wiederfinden würde.
IV. Vermittlungsausschuss; Verabschiedung in Bundestag und Bundesrat; Verkündung Die Arbeit des „Vermittlungsausschusses“ (Art. 77 Abs. 2 GG) und seiner Mitglieder als „Instrument der politischen Kompromißfindung“ ist „integraler Bestandteil des normalen Gesetzgebungsverfahrens“.268 Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses verfügen regelmäßig über politisches Ansehen, politische Erfahrung und Durchsetzungskraft, um „ausgehandelte Kompromisse in Fraktion oder Landesregierung wirksam vertreten und durchsetzen“ zu können.269 Der Bundesrat kann den Vermittlungsausschuss nur mit dem Ziel anrufen, eine Änderung oder Aufhebung eines vom Bundestag beschlossenen Gesetzes zu erzielen. Zu den Besonderheiten seiner Arbeit gehört, dass diese nicht öffentlich, vielmehr streng vertraulich sind; zwar verfügt er über eine Geschäftsordnung, seine Arbeit ist jedoch auch von Vor- und Zwischenbesprechungen politischer Natur geprägt. Ein in die Wege geleitetes Vermittlungsverfahren kann nur durch die Vorlage eines Einigungsvorschlages oder die Erklärung eines gescheiterten Vermittlungsverfahrens beendet werden. Schlägt der Vermittlungsausschuss eine Änderung des Gesetzes vor, so hat der Bundestag erneut einen Beschluss zu fassen (Art. 77 Abs. 2 GG); diesem erneuten Beschluss hat der Bundesrat zuzustimmen bzw. ihn abzulehnen. Der Vermittlungsausschuss bestimmt jeweils eines seiner Mitglieder zum Berichterstatter in Bundestag und Bundesrat. Dies waren im vorliegenden Fall für das Städtebauförderungsgesetz der Bundestagsabgeordnete Russe (CDU). Berichterstatter im Bundesrat war der nordrhein-westfälische Minister Posser (SPD).270 Am 19.7.1971 wurden die Ergebnisse des Vermittlungsverfahrens dem Bundestag vorgestellt.271 In der umstrittenen Veräußerungspflicht der Gemeinde (§ 25) hatte der Vermittlungsausschuss zu einem Kompromiss und den letztlich ausgefertigten Formulierungen des Gesetzes gefunden, hauptsächlich fußend auf Vorschlägen des Parlamentarischen Geschäftsführers der 268 Grundsätzlich
zum Vermittlungsausschuss: Dietlein, S. 1565 ff. Dietlein, S. 1566. 270 Vgl. Kurzprotokoll der 8. Sitzung des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrates am 15.7.1971. Protokoll Nr. 8 (VI/1969) vom 2.10.1971, S. 27. 271 Im Folgenden wiedergegeben nach: Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 133. Sitzung. Bonn, 19.7.1971, S. 7745 ff. Den genauen Wortlaut der Beschlüsse des Vermittlungsausschusses gibt die Bundestags-Druck sache VI/2442 wider. Im Bundesrat wurde hierzu die Drucksache 384/71 geführt. 269 S.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
SPD-Bundestagsfraktion, Wienand.272 Die umstrittene Erwerbspflicht der Gemeinde war in § 54 Abs. 3 in eine „Soll-Vorschrift“ geändert worden, ein von der CDU heftig erstrittener Vorschlag, der im Vermittlungsausschuss in der jetzt endgültigen Fassung vom Abgeordneten Lenz (CDU) eingebracht wurde. Im Vermittlungsausschuss selbst wurde noch einmal intensiv darüber diskutiert, Teile der Anrufung des Bundesrates abzulehnen.273 Entsprechend seiner Geschäftsordnung wurde jedoch einstimmig beschlossen, dass im Bundestag nur gemeinsam über alle Änderungen abgestimmt wurde. Dieser Empfehlung des Vermittlungsausschusses stimmte die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und damit dem Gesamtkompromiss schließlich zu. Auch die SPD- und die FDP-Fraktionen gaben als Regierungsmehrheit eine zustimmende Erklärung ab. Das Städtebauförderungsgesetz wurde in dieser Form erneut zur Abstimmung gestellt und bei „wenigen Enthaltungen ohne Gegenstimmen“ angenommen.274 Die abschließende Beratung und Abstimmung erfolgte in der 370. Sitzung des Bundesrates am 23.7.1971.275 In der Sache wurde der vom Vermittlungsausschuss gefundene Kompromiss von allen Beteiligten gewürdigt und mitgetragen. Allerdings überlagerte im Plenum des Bundesrates eine Kontroverse über den erfolgten politischen Stil im Gesetzgebungs- und Vermittlungsverfahren sowie das Verhältnis der Organe Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung zueinander den Beschluss über das Städtebauförderungsgesetz. Getragen wurde die Auseinandersetzung vom Ministerpräsidenten Dr. Kohl und für die Bundesregierung von Bundesminister Prof. Ehmke, welcher die parteipolitische Zuspitzung im Bundesrat wiederholt kritisierte.276 Seiner Darstellung zufolge schätzte die Bundesregierung die nun durch das Vermittlungsverfahren gefundenen Kompromisse als nachteilig für die Stellung der Gemeinden im Gefüge des Städtebaurechts ein. Jedoch scheint dem heutigen Betrachter, dass die Frage, wer nun öffentlich welchen Erfolg für sich verbuchen konnte, die Auseinandersetzungen um die Detailfragen des künftigen Städtebaus in diesen Momenten überragte. 272 Vgl. Kurzprotokoll der 8. Sitzung des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, 15.7.1971. Protokoll Nr. 8 (VI/1969), 2.10.1971, S. 26 und 27. 273 Dies betraf im Einzelnen: § 23 Abs. 2 (Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen, Einführung eines Stichtages für die Wertfeststellung eines Grundstücks), § 41 Abs. 5 (Wertermittlung des Grundstücks) sowie § 84 (Änderung des Einkommensteuergesetzes, Einführung eines § 7 f des Einkommensteuergesetzes); (fehlerhaft genannt wurde auch ein § 93 Abs. 3). 274 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 133. Sitzung. Bonn, 19.7.1971, S. 7749 (D). 275 Vgl. Bericht über die 370. Sitzung des Bundesrates. Bonn, 23.7.1971, Stenographischer Bericht, S. 228 ff. 276 Vgl. Bundesrat, 370. Sitzung, S. 229 (D).
E. Das StBauFG von 197199
Auch in der abschließenden Beratung im Bundesrat sah die Staatsregierung des Freistaates Bayern ihre seit langem formulierten Bedenken zum vorgesehenen „Einsatz der Finanzhilfen des Bundes“ (§ 72 StBauFG) nicht ausgeräumt; der Gesetzentwurf sehe vor, dass „die Länder für die Zuteilung der Förderungsmittel des Bundes zwar Programme aufstellen, daß aber der Bund letztlich über die Auswahl und die Reihenfolge der zu fördernden Einzelprojekte“ entscheide. Nach Auffassung und Darstellung des bayerischen Staatssekretärs Kiesl bedeutete dies eine „unzulässige Mischverwaltung“ und eine „Einschränkung des staatlichen und politischen Entscheidungsspielraums der Länder“.277 Bayern bestritt weiterhin dezidiert eine Planungs- und Entscheidungskompetenz des Bundes und der Bundesregierung, welche es durch das entstehende Fördersystem vermutete und – damit ganz konkret verbunden – einen Verstoß gegen Art. 104a Abs. 4 des Grundgesetzes. Es reagierte damit auch auf die durch die Bundesregierung im 369. Bundesrat abgegebene Erklärung, sah diese als inhaltlich richtig, in ihrer Form jedoch als unzureichend an. Aus diesen Überlegungen heraus kündigte die Bayerische Staatsregierung an, unter Umständen ein abstraktes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anzustrengen. Im Ergebnis und versehen mit diesen Vorbehalten kündigten die Bayern an, sich bei der anstehenden Abstimmung im Bundesrat ihrer Stimme zu enthalten.278 Der Gesetzgebungsprozess zum Städtebauförderungsgesetz endete nach der Aussprache im Bundesrat; gemäß Art. 84 Abs. 1, 104a Abs. 4 Satz 2 und Art. 105 Abs. 3 GG stimmte der Bundesrat dem Städtebauförderungsgesetz in der vorliegenden, vom Vermittlungsausschuss überarbeiteten und vom Bundestag verabschiedeten Fassung mehrheitlich zu; wie angekündigt enthielt sich nur die Bayerische Staatsregierung ihrer Stimme.279 Ausgefertigt wurde das „Gesetz über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz)“ sodann am 27.7.1971 (BGBl. I S. 1125). Gemäß § 97 StBauFG trat es am 1.8.1971 in Kraft.
E. Das StBauFG von 1971: Wesentliche Inhalte und Funktionsweisen des Gesetzes Wie in den vorhergegangenen Kapiteln gezeigt werden konnte, war ab 1971 mit Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes, mithin seiner näheren Entstehungsgeschichte, eine Institution (im politikwissenschaftlichen 277 Vgl.
Bundesrat, 370. Sitzung, S. 232 (D). Bundesrat, 370. Sitzung, S. 233 (B). 279 Vgl. Bundesrat, 370. Sitzung, S. 234 (A). 278 Vgl.
100
§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Sinn)280 und instrumentelle Förderkulisse für lokale Reformprozesse entstanden, die insbesondere von den Kommunen lange erwartet worden war. Nicht nur der Bund bewertete das neue Förderungsrecht als „entscheidenden Durchbruch.“281 Der nachfolgende Teil E. hat zur Aufgabe, wesentliche Inhalte und Funktionsweisen des nun verabschiedeten Gesetzes, sprich: die gesetzlichen Lösungen des StBauFG kurz zu skizzieren. Dabei soll es zuvorderst darum gehen, Aussagen des Gesetzes im Gesamtkontext der neuen Materie, also mit dem Ziel der in sich geschlossenen, vom Gesetzgeber intendierten Zusammenwirkung, darzustellen. Hier muss – angesichts der Komplexität des StBauFG – eine Auswahl getroffen werden. Sie bemisst sich entlang verschiedener Perspektiven: Nach einer allgemeinen, auf den verwaltungswissenschaftlichen Gehalt hin orientierten Einschätzung282 (I.) sollen die beiden „Hauptunterfälle“ des Gesetzes, nämlich die Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, vorgestellt werden (II.). Danach bietet es sich an, die gefundenen Lösungen für die beiden oben bereits ausgeführten Grundkontroversen vorzustellen, um deren Lösung lange gerungen wurde: Einerseits die bundesstaatliche Finanzierung der städtebaulichen Förderung (III.), andererseits die Einbindung des Eigentums an Grund und Boden in den städtebaulichen Reformprozess (IV.). Diese Aspekte sind geeignet, die besonderen Geltungsbereiche und -ansprüche des StBauFG im Bereich der Städtebaupolitik zu verdeutlichen. Im Grunde genommen müsste auch dieser Abschnitt die Rolle, die Auf gaben und die Kompetenzen der Kommunen in der Umsetzung des StBauFG näher betrachten und beschreiben. Diese Aufgabe ist jedoch im besonderen Schwerpunkt dem unten ausgeführten Abschnitt § 4 vorbehalten und wird dort ausführlich, entlang der kommunalen Planungs-, Organisations- und Finanzierungshoheit, dargestellt. Eine Befassung an dieser Stelle wäre aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht also richtig, auf Grund des gewählten Zuschnitts der Untersuchung allerdings redundant. Insofern muss hierzu an entsprechenden Stellen auf den unten dargestellten Abschnitt „querverwiesen“ werden.
280 Mit zahlreichen Aspekten: Göhler, als Definition z. B. S. 29: „Politische Institutionen sind Regelsysteme der Herstellung und Durchführung verbindlicher, gesamtgesellschaftlich relevanter Entscheidungen und Instanzen der symbolischen Darstellung von Orientierungsleistungen einer Gesellschaft.“ 281 Vgl. Lauritzen, S. 11. 282 Deren gewählte Punkte also auch in § 4 z. T. behandelt werden.
E. Das StBauFG von 1971101
I. Allgemeine Aspekte zum StBauFG Im Verhältnis zum allgemeinen Baurecht war das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) ein auf „städtebauliche Maßnahmen abgestelltes materiellund verfahrensrechtliches Instrumentarium“,283 ein „Sondergesetz“ g egenüber dem allgemeinen Baurecht284 bzw. ein „spezielles Sanierungsrecht“.285 Die grundsätzliche Anwendung des bestehenden BBauG (und späteren BauGB) wurde bei der Umsetzung des StBauFG vorausgesetzt.286 Das StBauFG konnte daher auch „nicht auf alle städtebaulichen Maßnahmen angewendet werden; sein Geltungsbereich [war] vielmehr beschränkt auf die besonderen städtebaulichen Sachverhalte der Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, bei denen eine einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse [lag] (§1 Abs. 1).“287 Bedeutsam für die Stadt- und Gemeindeverwaltungen war daher mit dem neuen Städtebauförderungsrecht der zwingende räumliche Zusammenhang des Sanierungsgebietes, der durch eine kommunale Satzung auch als solcher beschrieben und begrenzt werden musste (§ 3 Abs. 1 StBauFG). Das StBauFG auf einzelne Gebäude oder exemplarische Ensembles anzuwenden, war nicht möglich;288 denn die Sanierungsmaßnahmen sollten dem „Wohl der Allgemeinheit“ dienen (§ 1 Abs. 4). Besonders wichtig war dem Gesetzgeber bereits 1971 darauf hinzuweisen, dass das StBauFG kein Gesetz war, das eine bestimmte Sanierungsvariante bevorzugte, namentlich nicht die Flächensanierung. Dies geschah vor dem Hintergrund umfangreicher in diese Richtung tendierender öffentlicher Diskussionen, die das StBauFG mit dem programmatischen „Totalabbruch alter Bausubstanzen“ verbanden.289 Aus diesem Grund wurde die Modernisierung von Gebäuden als gleichberechtigte Alternative in § 1 Abs. 2 StBauFG hervorgehoben.290 283 So
die BReg in BT-Drs. VI/510, S. 26 f. Bielenberg, Rdnr. 210. 285 Vgl. Pergande/Pergande, S. 159. 286 Vgl. Rechtsvorschriften zur Städtebauförderung, S. 9. 287 Vgl. Walter (1971), S. 19. § 3 Abs. 2 StBauFG legte fest: „Städtebauliche Mißstände liegen vor, wenn das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnund Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht oder in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen.“ 288 Vogel, in: Städtebauförderungsgesetz – Kommentar (1986), § 1 Rdnr. 22. 289 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 29. 290 Zentral: BT-Drs. zu VI/2204, S. 3, in Abgrenzung zum Entwurf der BReg 1970: „Vielmehr sollen erneuerungsbedürftige, aber erhaltenswerte Gebäude, soweit dies möglich ist, bestehen bleiben und der beabsichtigten städtebaulichen Erneuerung angepaßt werden. Um diese Forderung auch normativ klarzustellen, hat der Ausschuß 284 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Insgesamt bot das StBauFG eine breite inhaltliche Offenheit an, zu der es weder formell noch materiell eine Alternative gegeben hätte. Die Probleme und Herausforderungen, Materien, Interessen und Lösungsansätze im Städtebau waren zu vielseitig, als dass ein Gesetz auf Bundesebene ein „geschlossenes“ städtebauliches Leitbild hätte entwerfen oder vorgeben können. Sinnvoll war es, systematisch zu unterscheiden a) in der Zielsetzung zwischen einer Bausubstanzsanierung und einer Funktionsschwächesanierung, als auch b) von der Verfahrensweise her zwischen einer Flächensanierung und einer Objektsanierung.291 § 1 Abs. 1 StBauFG legte als einleitende Norm fest, dass sich der Gesetzgeber für die Kommunen als Umsetzungsebene des Gesetzes entschieden hatte (Satz 1 i. V. m. weiteren Bestimmungen des StBauFG): „1Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen in Stadt und Land, deren einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse liegt, werden nach den Vorschriften dieses Gesetzes vorbereitet, gefördert und durchgeführt. 2Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände wirken im Rahmen ihrer Zuständigkeiten an diesen Aufgaben mit.“
Die Umsetzung des StBauFG war allerdings keine Aufgabe, die von Eingriffen der staatlichen Ebenen unberührt gewesen ist. Das Gesetz wurde entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes von den Bundesländern als eigene Angelegenheit durchgeführt.292 § 1 Abs. 1 Satz 2 StBauFG verdeutlichte darüber hinaus die Rolle der Kommunen als derjenigen einer Aufgabenstellung im Bereich des kooperativen Föderalismus, wie er zu Ausgang der 1960er Jahre in das Grundgesetz Eingang gefunden hatte und die drei Ebenen der Administration in der Bundesrepublik konzeptionell miteinander verbunden hatte.293 einstimmig beschlossen, in Absatz 2 auch die Modernisierung von Gebäuden ausdrücklich als mögliche Sanierungsmaßnahme aufzuführen.“ – Vgl. weiterhin Lüers/ Koopmann, S. 17 f. 291 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 29: „Die Bausubstanzsanierung knüpft primär an bauliche Bestandsmängel an. Bei der Funktionsschwächesanierung steht eine stadtentwicklungsorientierte Funktionsverbesserung im Vordergrund.“ – „Bei einer Flächensanierung werden größere Areale freigeräumt, um sie neu zu bebauen. Bei der Objektsanierung wird dagegen die bestehende Bausubstanz mehr oder weniger erhalten und lediglich dort erneuert und modernisiert, wo es notwendig erscheint.“ Lüers/Koopmann bezeichnen das Begriffspaar Bausubstanzsanierung/Funktionsschwächesanierung als „verschiedene Arten städtebaulicher Mißstände“ und Objektsanierung/Flächensanierung als „unterschiedliche Strategien“ zu ihrer Behebung, S. 24: „In der Praxis zeichnet sich freilich ab, daß Funktionsschwächesanierungen eher mit Flächensanierungen und Bausubstanzsanierungen eher mit Objektsanierungen einhergehen.“ 292 Vgl. Rechtsvorschriften zur Städtebauförderung, S. 11, 12. 293 Vgl. hierzu unten § 4 A.I.1. und B.III.
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Aus heutiger Sicht war mit Blick auf das StBauFG der konditionale Charakter des Gesetzes bedeutsam, das als Programm stringente Abläufe zu seiner Verwirklichung vorsah. Diesen Abläufen wurde sowohl vom Gesetzgeber, den Administrationen wie auch der städtebaulichen Praxis eine hohe Funktion und Bedeutung beigemessen. Insgesamt schien es geboten, mit Wollmann den „Hergang einer lokalen Sanierungsplanung […] als Ablauf eines politisch-administrativen Entscheidungsprozesses“ zu begreifen, als aufeinander aufbauende Stufenabfolge eines Programms im verwaltungswissenschaftlichen Sinne.294 Dieser Umstand war nicht nur der Nachbarschaft und Nähe zum deutschen Baurecht geschuldet, sondern auch der deutschen Verwaltungsrechtstradition, die durch justiziable Verfahrensabläufe und der aus ihnen resultierenden Rechtssicherheit rechtsstaatliche Legitimation aufbaut und erfährt. Grundlegend bot es sich an, auch aus der analytischen Sichtweise der Verwaltungswissenschaften heraus, drei Phasen im Ablauf des StBauFG als Programm zu unterscheiden:295 1. die vorbereitende Phase, mit den vorbereitenden Untersuchungen, städtebaulichen Planungen, öffentlichem Grunderwerb usw.; 2. die Phase der Ordnungsmaßnahmen, d. h. der konkreten Vorbereitung der baulichen Phase durch (in erster Linie) die Kommunalverwaltung; 3. die Phase der Baumaßnahmen, d. h. die Umsetzung und Verwirklichung der nach dem Bebauungsplan festgelegten Nutzung. 1. Die vorbereitende Phase und Festlegung des Sanierungsgebiets Für die vorbereitende Phase wesentliche Bestimmungen ergaben sich aus den §§ 3 (Voraussetzungen der förmlichen Festlegung) und 4 (Vorbereitende Untersuchungen und Stellungnahmen). Die Schlüsselnorm zur Vorbereitung einer Sanierungsmaßnahme war § 3.296 Absatz 1 machte im Wesentlichen zur Voraussetzung, dass es zur Festlegung eines Sanierungsgebietes eines förmlich herbeigeführten kommunalen Beschlusses bedurfte (s. u. zu § 5). Die Regelungen über die Begrenzung des Sanierungsgebiets sollten im Wesentlichen den umlegungsrechtlichen Vorschriften des BBauG entsprechen und gingen nach Auskunft der Bundes regierung auf die gleichen Erwägungen zurück. Absatz 2 war die nähere 294 Vgl.
(1974), S. 199. Städtebauförderung (1982), S. 19. 296 Vgl. hierzu u. § 4 A.II.1. 295 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Bestimmung dafür, ab wann ein Gebiet als sanierungsbedürftig anzusehen war. Die dort genannten „allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ erschlossen sich nach Ansicht der Bundesregierung „aus den anerkannten städtebaulichen Grundsätzen.“ Sie bezogen sich besonders auf „die städtebauliche Hygiene und den Schutz der Menschen vor seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen, deren Ursachen in städtebaulichen Verhältnissen zu suchen sind.“297 Zur Voraussetzung für die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebietes wurde es, dass städtebauliche Missstände nicht nur vorlagen, sondern es (im Regelfall durch die Kommunen) zum Ziel erklärt wurde, diese auch zu beseitigen (§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 StBauFG). Zur programmatischen Definition offerierte das StBauFG einen Katalog derjenigen Gesichtspunkte, die „städtebauliche Missstände“ zu definieren geeignet waren.298 Dabei waren städtebauliche, funktionale oder hygienische, verkehrstechnische und wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 3).299 Ausgehend von dem auch gesetzestechnisch neu eingeführten, zentralen Tatbestand der „städtebaulichen Missstände“ ergaben sich aus dem StBauFG jedoch keine konkret festgelegten und definierten Ziele, mithin also „städtebauliche Nicht-Missstände“, die es im Endeffekt zu erreichen galt. Folgerichtig war es den materiellen Vorstellungen und der Praxis in den Kommunen überlassen, städtebaulich deskriptiv, konzeptionell und planerisch tätig zu werden und die Vorstellungen des Gesetzes inhaltlich näher zu bestimmen. Was Städtebau konkret erreichen und in seinen Ergebnissen sein sollte, musste in den gesetzesanwendenden Gemeinden definiert und entschieden werden.300 Auch wenn der Anstoß zur Sanierung „von der Bevölkerung“ ausgehen konnte, so waren es im Regelfall die Kommunalverwaltungen, die Missstände feststellten und Sanierungen projektierten.301 Sie verfügten über 297 Vgl.
BT-Drs. VI/510, S. 28 f. BT-Drs. zu VI/2204 zu § 3 Abs. 3: „Es werden nur beispielhaft typische Gesichtspunkte angegeben, aus deren Würdigung sich insgesamt ergibt, ob Mißstände vorliegen, die eine Sanierung erfordern.“ – Vgl. Walter (1971), S. 21. 299 Walter (1971) hat diesbezüglich zwischen „zwei verschiedenen Sanierungstatbeständen“ unterschieden: „1) Städtebauliche und hygienische Kriterien […] 2) Strukturelle Kriterien (Funktionsschwäche) […], vgl. Kap. B.I. 300 Vgl. Städtebauförderung: Auswertung der Erfahrungen nach 10 Jahren […], S. 32. Vgl. ebenfalls Müller (1980, Handlungsrationalitäten), S. 60. – Vgl. a. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 29 f.: „Selbst in Fällen, in denen vergleichbare Verhältnisse vorliegen, können sich in der Praxis der Gemeinden unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten zur Behebung städtebaulicher Mißstände anbieten. Hierüber kann nur auf gemeindlicher Ebene entschieden werden. Es ist eine Konsequenz der gemeindlichen Planungshoheit, daß die Verantwortung für die jeweilige Lösung bei den zuständigen Gemeindeorganen liegt.“ 301 Vgl. Walter (1971), S. 23. 298 Vgl.
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die Übersichtsplanungen und das fachliche und technische Wissen der Stadtentwicklung.302 Damit schien im Widerspruch zu stehen, dass das StBauFG durch seinen Ursprung im und die Nachbarschaft zum Baurecht in seinen Verfahren gesetzlich stark konditioniert war und es in seinem Aufbau einen stringenten administrativen Ablauf entworfen hat. Aus heutiger Sicht scheint es jedoch eher, dass städtebaulich-inhaltliche Offenheit und administrativ-prozessuale Geschlossenheit gegenseitig erforderliche Bedingungen waren. Dieser programmatisch-ambivalente Charakter des StBauFG303 ermöglichte einerseits, Städtebaupolitik überhaupt als Politikfeld auf Bundesebene (und daher sehr abstrakt) in einem politisch-administrativen Programm formulieren zu können. Andererseits bot er Städtebauprojekten auf kommunaler Ebene (ganz konkret) administrativ geeignete und flexible Instrumente und Verfahren zu ihrer Umsetzung. Dabei kann nicht oft genug betont werden, dass die Ziele und der Katalog des StBauFG den Stadt- und Gemeindeverwaltungen durch ihre inhaltliche Unbestimmtheit ein immens großes Spektrum interpretatorischer und planender Freiheiten anboten. Dass dies für kleine und mittelgroße Gemeindeverwaltungen zur Herausforderung wurde, ist bereits Mitte der 1970er Jahre erkannt und analysiert worden.304 In § 4 StBauFG wurde die sanierungsbereite Gemeinde dazu verpflichtet, vor der förmlichen Festlegung eines Sanierungsgebietes vorbereitende Untersuchungen durchzuführen oder zu beauftragen, die geeignet waren, die „Notwendigkeit der Sanierung, die sozialen, strukturellen und städtebaulichen Verhältnisse und Zusammenhänge sowie die Möglichkeiten der Planung und Durchführung der Sanierung“ zu beurteilen (Abs. 1).305 Auch in diesem Punkt kam die Intention des Gesetzgebers zum Tragen, die Voraussetzungen einer städtebaulichen Sanierung zu objektivieren. Allein ein politischer Beschluss der Gemeinde, der z. B. ausschließlich auf wirtschaftsfördernde Gesichtspunkte abgezielt hätte, wäre unzulässig gewesen. Dies wurde besonders in Abs. 2 konkretisiert, der als inhaltliche Vorgabe zu den Untersuchungen 302 Vgl.
hierzu u. § 4 A.II.1.a) und b). dazu u. § 4 A.I.1. 304 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 10: „Die Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen ist eine komplexe Aufgabe, bei der vielfältige Probleme technischer, rechtlicher, finanzieller, steuerlicher, aber auch sozialer und sozioökonomischer Art zu bewältigen sind. Zunehmend wird erkannt, daß das Städtebauförderungsgesetz ein Hilfsmittel zur Bewältigung dieser Aufgabe ist, aber kein Ersatz sein kann und will für Bemühungen um Bestimmung und bestmögliche Verwirklichung von Zielen der Stadtentwicklung in den Gemeinden.“ 305 Weiteres zum § 4 StBauFG bzw. den Vorbereitenden Untersuchungen unten in § 4 A.II.1. 303 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
hervorhob, dass auch „nachteilige Auswirkungen“ beachtet werden sollten, die sich aus der Sanierung für die dort lebende Bevölkerung in „persönlichen Lebensumständen, im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich“ voraussichtlich ergeben hätten. Gesetzestechnisch wurde es als „Wahrung der Belange der Betroffenen“ apostrophiert.306 Auch die „Träger öffentlicher Belange“ waren dazu aufgerufen, frühzeitig in diesem Verfahren Stellung zu beziehen (Abs. 4). Insgesamt waren die Vorbereitenden Untersuchungen kein nachrangiger Bereich des Sanierungsverfahrens, sondern standen verpflichtend an deren Anfang. Diese Bedeutung wurde von § 4 Abs. 3 insofern unterstrichen, als der Beginn der Vorbereitenden Untersuchungen sowohl förmlich zu beschließen als auch ortsüblich bekannt zu geben war. Am Schlusspunkt der Vorbereitenden Untersuchungen und Arbeiten stand die „förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets als Satzung“ (§ 5 Abs. 1), die, versehen mit einer inhaltlichen Begründung, der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde bedurfte. Mit der Bekanntmachung wurde die Satzung rechtsverbindlich (§ 5 Abs. 3), was sich in zahlreichen weiteren „Wirkungen der förmlichen Festlegung“ äußerte (§ 6), auf die hier aber nicht näher eingegangen werden kann.307 Eine der Folgen der Satzungsbekanntgabe war, dass die im Sanierungsgebiet liegenden Grundstücke einem „Sanierungsvermerk“ unterlagen und dies im Grundbuch vermerkt wurde (Abs. 4). Damit waren für Eigentümer erste Einschränkungen über die in ihrem Besitz befindliche Immobilie verbunden. 2. Die Phase der Ordnungsmaßnahmen Nach den vorbereitenden Arbeiten und Untersuchungen, die von der Gemeinde in Angriff zu nehmen und zu bewältigen waren, um städtebauliche Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, folgte – idealtypisch – die Phase der Ordnungsmaßnahmen, d. h. die Phase der konkreten Vorbereitung der baulichen Sanierung des Gebietes durch (in erster Linie) die Kommunalverwaltung. Wesentliche Normen zu dieser Phase finden sich in den §§ 8 bis 14 StBauFG. Näher angesprochen werden sollen hier §§ 8 (Aufgaben der Gemeinde), 10 (Bebauungspläne), 12 (Ordnungs- und Baumaßnahmen im Sanierungsgebiet) und 13 (Durchführung der Ordnungs- und Baumaßnahmen) sowie § 41 (Kosten der Ordnungsmaßnahmen). § 8 Abs. 1 StBauFG legte fest, dass die Gemeinde „für die Durchführung der Sanierung zu sorgen und die Abstimmung der einzelnen Sanierungsmaß306 Vgl.
Walter (1971), Kap. B.III. der Aufstellung der Sanierungssatzung waren zudem weitere genehmigungspflichtige Vorhaben und Rechtsvorgänge verbunden (§ 15), auf die sogleich (III.) eingegangen wird. 307 Mit
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nahmen aufeinander zu veranlassen“, also zu steuern und zu koordinieren hatte. Die Ausführung des StBauFG war eine Aufgabe der gemeindlichen Selbstverwaltung; sie fügte sich damit in die deutsche Tradition der Kommunalverwaltung ein.308 Die Gemeinde sollte ihre Befugnisse im StBauFG wie auch im BBauG ausüben, „sobald und soweit es zur Erreichung des Sanierungszwecks erforderlich“ war (Abs. 1 Satz 2). Die zentrale Norm zur Aufstellung des sog. Sozialplans war § 8 Abs. 2 StBauFG.309 Er war zu verstehen als „Parallel-Prozeß zur ‚technischen Durchführung‘ “310 der Sanierung und auch als Fortführung der Vorbereitenden Untersuchungsergebnisse aus dem oben beschriebenen § 4. Erst nach der förmlichen Festlegung in § 8 Abs. 1 Satz 1 bzw. während der Dauer der Durchführung (Abs. 2 Satz 1) wurde der Sozialplan als Instrument zum Bestandteil des Sanierungsgeschehens. Auch inhaltlich war der Sozialplan an die Vorbereitenden Untersuchungen des § 4 gekoppelt (§ 8 Abs. 2 Satz 1: „die Erörterungen mit den unmittelbar Betroffenen fortsetzen“).311 Beide Normen, §§ 4 und 8, stellten die kommunale Verwaltung grundsätzlich in das Zentrum der Stadtsanierung – ergänzt und „angereichert“ um öffentliche Verfahren außerhalb gewählter Gremien und die besondere Berücksichtigung spezifischer Sachverhalte der sozialen Gemeinde. Sie generierten für die Kommunen und die Kommunalverwaltungen inhaltlich mehrdimensionale Instrumente, die in wichtigen gemeinsamen Schritten aufeinander aufbauten. Zumindest dem Anspruch nach sollten sie zu einem „echten Bindeglied zwischen der Öffentlichkeit und Gemeinden“ werden; dabei betonten sowohl Vertreter der entscheidungstragenden Politik als auch der Bürokratie, dass die „neuen Pflichten“ der öffentlichen Verwaltung mehr sein sollten als städtebauliche „Gestaltungsprobleme“.312 Nicht zuletzt aus diesem Anspruch resultierten die Regelungen des § 85 StBauFG, die einen Härteausgleich für Sachverhalte vorsahen, die vom Sozialplan nicht bewältigt werden konnten.313 Nicht mit der Intention des Sozialplans, eher mit der Intention der Erörterung der baulichen Neugestaltung des Gebietes, sollte die Gemeinde § 9 zufolge „möglichst frühzeitig“ Eigentümer, Mieter, Pächter, andere Nutzungs308 Vgl.
Oestreicher, Komm. zu § 1 (S. 11). Vgl. Dieterich/Farenholtz, S. 38. zum § 8 (und auch § 9) StBauFG bzw. dem Sozialplan unten in § 3
309 Weiteres
C.II.1.b). 310 Vgl. Walter (1971), Kap. B.III.1. 311 Ergänzend hierzu: Auch § 9 Abs. 1 StBauFG mit seiner unbestimmten Aufforderung, „möglichst frühzeitig“ die „Erörterung der Neugestaltung des Sanierungsgebiets“ mit den hiervon berührten Gruppen vorzunehmen, fügt sich in dieses Verfahrensverständnis ein. 312 Vgl. Lauritzen, S. 13, und Walter (1971), Kap. B.III.1. 313 Vgl. Walter (1971), S. 29.
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berechtigte und in ansässigen Betrieben beschäftigte Arbeitnehmer einbinden. Anders als zur Erstellung des Sozialplanes gab es hier keine Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation und Fortführung während der Dauer der Sanierung. Bereits der Gesetzgeber hatte zur Zeit der Einführung der o. g. Instrumente (§§ 4, 8, 9) deren besonderen Stellenwert für das deutsche Baurecht und die diesbezügliche administrative Kultur hervorgehoben. Sie wurden als notwendige Veränderungen des bisherigen Rechts und wesentliche Fortschritte bezeichnet.314 Von einer „Demokratisierung der Planung“ zu sprechen, wie dies seinerzeit sowohl Befürworter als auch Gegner der neuen Regelungen taten, würde aus heutiger Sicht jedoch zu weit führen. Wie insbesondere unten die näheren Ausführungen im § 4 verdeutlichen sollen,315 ist es sinniger, die neuen Instrumente als für „Sanierungsmaßnahmen obligatorisch gemachte Form der Sozialverträglichkeitsprüfung in der kommunalen Planung […]“ zu charakterisieren.316 § 10 Abs. 1 zufolge waren die Gemeinden verpflichtet, nach der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 BBauG aufzustellen. Dabei galt es, im Rahmen des § 1 Abs. 5 BBauG auf die Erhaltung von Bauten, Straßen, Plätzen oder Ortsteilen von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung Rücksicht zu nehmen. Auch der Schutz und Erhalt von Bau- und Naturdenkmälern wurde gesondert erwähnt. Aus dem Bebauungsplan sollten die Gebäude und baulichen Anlagen hervorgehen, die durch die beabsichtigte Sanierung beseitigt (und deren Eigentümer darüber auch benachrichtigt) werden sollten. Das Gebot zur Aufstellung von Bebauungsplänen kann in der hier vorliegenden Arbeit jedoch nicht näher erörtert werden,317 auch wenn sich „in der Praxis […] die starke Abhängigkeit des Sozialplans vom Bebauungsplan gezeigt“ hatte und es sich nach Auffassung des Bundes „um zwei ineinandergreifende Vorgänge“ handelte, die sich wechselseitig beeinflussten.318 § 12 Abs. 1 StBauFG legte fest, dass die „Durchführung der Sanierung […] die Ordnungsmaßnahmen und die Baumaßnahmen“ innerhalb eines Gebietes umfasste. Dies bedeutete nach der Vorbereitungsphase auch dem Wortlaut des Gesetzes nach die Zweiteilung der Sanierungsdurchführung. Es gehörten: 314 Vgl.
Lauritzen, S. 12–15. unten § 4 A.II.1.d). 316 Vgl. Häußermann/Läpple/Siebel, S. 123. 317 Für die Wechselwirkungen StBauFG/BBauG sowie StBauFG/Raumordnung und Landesplanung sei auf die Auswahlliteraturliste in Oestreicher verwiesen (S. XI ff.). 318 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 31. 315 Vgl.
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Eine ebenfalls wichtige, darauf folgende Zweiteilung nahm § 13 mit der Regelung der Durchführung der Ordnungs- und Baumaßnahmen vor. Absatz 1 bestimmte, dass die Gemeinde die Ordnungsmaßnahmen durchführte. Absatz 2 legte fest, dass die „Durchführung der Baumaßnahmen […] den Eigentümern überlassen“ blieb, „soweit die zügige und zweckmäßige Durchführung durch sie gewährleistet“ war. Sollte dies nicht feststellbar sein, waren die Gemeinden gem. Abs. 3 aufgefordert, subsidiär „[…] insoweit für die Durchführung der Maßnahmen zu sorgen oder sie selbst zu übernehmen.“ Die Kosten der Ordnungsmaßnahmen waren von der Gemeinde zu tragen (§ 41 Abs. 1). Der Systematik des StBauFG entsprach es jedoch, und aus diesem Grunde fanden sich die Regelungen zu den unten ebenfalls besprochenen Ausgleichsbeträgen in dieser Norm wieder, dass die Eigentümer an Grund und Boden im Sanierungsgebiet indirekt an ihnen zu beteiligen waren.319 Für Einzelheiten muss im Weiteren auf die Regelungen der Einzelnormen verwiesen werden. 3. Die Phase der Baumaßnahmen Der Phase der Ordnungsmaßnahmen folgte in der Systematik des Gesetzes die Phase der Baumaßnahmen. Bereits oben wurde zu §§ 12 Abs. 1 und 13 Abs. 2 StBauFG festgehalten, dass es weder einen richtigen Übergang noch eine klare Trennlinie zwischen beiden Phasen gab. Die gesamte Sanierung war durch einen „Prozeßcharakter“ gekennzeichnet, der auch „Überschneidungen und Überlappungen einzelner Verfahrensschritte deutlich“ erkannte und zuließ.320 Hierauf wiesen schon die ersten Stellungnahmen aus der Praxiskommentierung hin: „Die Unterteilung in Ordnungs- und Baumaßnahmen bedeutet nicht zwangsläufig ein zeitliches Nacheinander. Selbst dann, wenn bei der Bodenordnung in der Sanie319 Vgl. BT-Drs. VI/510 (E-1970), S. 45: „Die Gemeinde soll verpflichtet werden, die Kosten der Ordnungsmaßnahmen insoweit zu tragen, als sie nicht durch die Erhöhung des Wertes der Grundstücke gedeckt werden, die Eigentümer insoweit, als diese Werterhöhung reicht.“ 320 Vgl. Städtebauförderung (1982), S. 19.
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rung wieder Einzelgrundstücke entstehen, wird es zu einer abschnittweisen Durchführung kommen und werden Ordnungs- und Baumaßnahmen ineinander übergehen. […] Die Unterteilung […] ist also nur ein Hilfsmittel, mit dem zwei Maßnahmegruppen zusammengefaßt und teilweise besonderen Regelungen unterstellt werden. Die Unterteilung ist vor allem im Hinblick auf die Finanzierung der einzelnen Maßnahmen von Bedeutung (vgl. §§ 38 ff.).“321
Die Kosten der Neubebauung und der Ersatzbauten wurden § 45 Abs. 1 StBauFG zufolge grundsätzlich von den Eigentümern der Grundstücke als Bauherren getragen. Die Gemeinde sollte diese bei der Beschaffung von weiteren Fördermitteln, also neben dem erforderlichen Eigenkapital und dem Einsatz von StBauFG-Fördermitteln, unterstützen. Dies zielte nach der Intention des Gesetzgebers „insbesondere“ auf Förderungsmittel aus öffentlichen Haushalten, besonders für den sozialen Wohnungsbau ab. Nur nachrangig und „in besonderen Fällen“ sollten StBauFG-Mittel „für den Neubau von Wohnungen im Sanierungsgebiet“ eingesetzt werden, „insbesondere, wenn eine begonnene Sanierung sonst nicht abgeschlossen werden“ konnte (Abs. 2).322 Ein weiterer (nicht nachrangiger) Fall waren die Kosten der Modernisierungsmaßnahmen, die auf ein Modernisierungsgebot der Gemeinde (gem. § 21) zurückzuführen sein konnten. Diese Kosten waren vom Eigentümer des Grundstückes (bzw. der Immobilie) zu tragen, soweit sie rentierlich waren (§ 43 Abs. 1). Darüber hinaus gehende, also unrentierliche Kosten einer sanierungsbedingten Modernisierung, waren von der Gemeinde zu erstatten.323 Die ggf. vom Eigentümer bzw. der Gemeinde zu tragenden Anteile waren gem. § 43 Abs. 2 zu ermitteln. In § 43 Abs. 3 wurde eine dem Gedanken des Erhaltes geschichtlich, künstlerisch oder städtebaulich wertvoller Gebäude verpflichtende Regelung formuliert.
II. Differenzierung zwischen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen Der idealtypisch als Abfolge von Phasen zu denkende Ablauf der Maßnahmen nach dem StBauFG galt grundsätzlich für beide „Fallgruppen“ des Gesetzes, für Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen (§ 1 Satz 1 StBauFG), gleichermaßen. Die gleichlautenden inhaltlichen Zielsetzungen, die mit bei321 Vgl.
Dieterich/Farenholtz, S. 121. BT-Drs. VI/510 (E-1970), S. 45. Vgl. a BT-Drs. zu VI/2204, S. 20: „Die Bereitstellung von Mitteln des sozialen Wohnungsbaus für Wohnungsbauten im Rahmen der Sanierung wird nach Auffassung des Ausschusses Aufgabe der künftigen Wohnungsbaupolitik und der Regelungen bei einer Reform des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder in einem Dritten Wohnungsbaugesetz sein.“ 323 Vgl. zur „Rentierlichkeit“/„Unrentierlichkeit“ u. § 4 A.II.3. 322 Vgl.
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den Maßnahmetypen verbunden werden sollten, verdeutlichte dabei § 1 Abs. 4.324 Per Definition griffen Sanierungsmaßnahmen auf bereits bestehende Gebiete und zur Behebung dort festzustellender städtebaulicher Missstände zu, insbesondere durch die Beseitigung bestehender baulicher Anlagen und eine Neubebauung oder durch die Modernisierung von Gebäuden und Bebauung (§ 1 Abs. 2 StBauFG). Gesetzessystematisch befasste sich der Zweite Teil des Gesetzes in sieben Abschnitten mit dem Maßnahmentyp der Sanierung (§§ 3–52). Die meisten Punkte der in diesem Teil E. vorgestellten Aspekte beziehen sich also genuin auf die Sanierungsmaßnahme. Die sogleich genannten Punkte sollen sich daher dem Typus der Entwicklungsmaßnahme widmen. Er wurde im Dritten Teil des StBauFG in den §§ 53–63 niedergelegt (ohne Unterteilung in Abschnitte). Entwicklungsmaßnahmen sollten im Regelfall Maßnahmen der Gemeinde sein, durch die entsprechend den Zielen der Raumordnung und Landesplanung neue Orte geschaffen oder vorhandene Orte zu neuen Siedlungseinheiten entwickelt oder vorhandene Orte um neue Ortsteile erweitert wurden (§ 1 Abs. 3).325 Sie mussten u. a. zur Strukturverbesserung in Verdichtungsräumen oder zur Verdichtung entlang von Entwicklungsachsen und -schwerpunkten dienen. Hieraus wurde und konnte der direkte Bezug zu Raumordnung und Strukturpolitik hergestellt werden.326 Bereits dieses Erfordernis bedeutete in Erweiterung zur Sanierungsmaßnahme einen qualitativ höheren Anspruch. Doch auch quantitativ waren wohl Hürden zu verzeichnen – „in der Regel“, so sah es zumindest die Bundesregierung, konnte „der Bau einer ‚Wohn anlage‘ mit 100 oder 200 Wohnungen keine Entwicklungsmaßnahme“ darstellen. Für derlei Maßnahmen waren die Regelungen des BBauG anzuwenden,327 da für das Sonderrecht StBauFG kein ausreichender räumlicher Zusammenhang erkennbar war.
324 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 3: „In Übereinstimmung mit dem Rechtsausschuß geht der Ausschuß davon aus, daß die in den Nummern 1 bis 3 aufgezählten Kriterien nicht kumulativ, sondern alternativ zu verstehen sind.“ 325 Dies war bereits zur Entstehung des Gesetzes nicht so zu verstehen, dass ausschließlich neue Orte im Sinne von Plan- oder Trabantenstädten entstehen sollten, vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 3: „[…] daß es bei Entwicklungsmaßnahmen u. U. auch darauf ankommt, die Verdichtungsgebiete städtebaulich zu ordnen, nicht aber unbedingt diese Gebiete zu entlasten. In bestimmten Bereichen wird diese städtebauliche Ordnung sogar durch eine stärkere Verdichtung an einzelnen Punkten erreicht werden können.“ Dementsprechend entwarf § 62 StBauFG Sonderregelungen für im Zusammenhang bebaute Gebiete, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden kann. 326 Vgl. Oestreicher, zu § 1 Abs. 3, S. 12. 327 Vgl. Walter (1971), S. 20.
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Ein wichtiges formalwirksames Kriterium in der Umsetzung von Entwicklungsmaßnahmen war die Rolle der jeweiligen Landesregierungen. Ihnen kam, in Anerkennung der Zielsetzung, dass sich Entwicklungsmaßnahmen in höhere Raumordnungsplanungen einzufügen hatten, die Aufgabe zuteil, den zukünftigen Entwicklungsbereich durch eine Rechtsverordnung festzulegen (§ 53 Abs. 1; gem. § 63 erfolgte die Aufhebung ebenfalls durch Verordnung).328 Die Voraussetzungen zur förmlichen Festlegung einer Entwicklungsmaßnahme benannten in § 53 Abs. 1 die Nrn. 1–4.329 Mit diesem Verfahren ging bereits die Vermutung einer durch die Landesadministration durchzuführenden, umfangreichen und eingehenden vorherigen Untersuchung des Entwicklungsgebietes einher.330 Ähnlich zu den Sanierungsgebieten waren Entwicklungsbereiche in der Verordnung genauestens zu benennen (§ 53 Abs. 3) und so zu begrenzen, dass sich die Maßnahme zweckmäßig durchführen ließ (Abs. 2). § 54 Abs. 1 zufolge waren auch Entwicklungsmaßnahmen von der Gemeinde vorzubereiten und durchzuführen. Anders als im Bereich der Sanierung war nicht vorgesehen, dass Teile der gemeindlichen Aufgaben von privaten Eigentümern vorgenommen werden konnten. Hierin kam der Gedankengang der übergeordneten Planung in der Entwicklung zum Tragen. Gleichwohl konnte mit der Vorbereitung und Durchführung der Entwicklung (parallel in etwa zu § 33 bei der Sanierung) ein Entwicklungsträger beauftragt werden, auch wenn Besonderheiten zu berücksichtigen waren. Das „höhere“ Planungsinteresse kam auch hier dadurch zum Ausdruck, dass die jeweilige Landesregierung die Gemeinde zur Vergabe an einen Entwicklungsträger verpflichten konnte (§ 55 Abs. 1).331 § 54 Abs. 3 legte fest, dass die Gemeinden die Grundstücke im festgelegten Entwicklungsbereich im Regelfall zu erwerben hatten.332 Dies diente dem Gedanken, dass durch die Entwicklungsmaßnahme ein insgesamt „lebensfähiges örtliches Gemeinwesen“ entstehen sollte, das planerisch und tatsächlich von der öffentlichen Hand vollumfänglich erschlossen werden sollte (vgl. § 54 Abs. 2). Ähnlich dem Bereich der Sanierungen (hierzu § 25) stand die Gemeinde nach Abschluss der Entwicklungsmaßnahme auch in einer Veräußerungspflicht gem. § 59 StBauFG. 328 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, Begründung zu § 53. Der Rechtsausschuss des Bundestages hatte vorgeschlagen, die im Normengefüge niedrigschwelligere Form des Verwaltungsaktes zur Einrichtung von Entwicklungsmaßnahmen zu wählen. 329 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 22: „In Absatz 1 Nr. 1 bis 4 sind im Einzelnen die Voraussetzungen festgelegt, unter denen die förmliche Festlegung erfolgen darf.“ 330 Vgl. Walter (1971), Kap. C.II.1. 331 Vgl. a. Walter (1971), Kap. C.II.2. 332 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, Begr. zu § 54.
E. Das StBauFG von 1971113
Abschließend sei noch auf die Regelungen des § 57 StBauFG verwiesen, der besondere Vorschriften für den Entwicklungsbereich beinhaltete. Dies war der enumerative Verweis auf anzuwendende Vorschriften aus dem Bereich der Sanerungsmaßnahmen; insbesondere den Sozialplan, die Wirkungen der förmlichen Festlegung, die Regelungen zur besonderen bodenrechtlichen und bodenpolitischen Konzeption des StBauFG, die Bemessung von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen sowie die Beendigung von Miet- und Pachtverhältnissen. Diese Regelungen „teilten sich“ Entwicklungsmaßnahmen gesetzessystematisch sozusagen mit Sanierungsvorhaben. Der Anspruch war, dass beide Sachbereiche für die Durchführung der jeweiligen Aufgabe rechtlich über vergleichbare, wenn nicht inhaltsgleiche Instrumente verfügten.333
III. Die bundesstaatliche Finanzierung der städtebaulichen Förderung Die Finanzhilfen des Bundes, d. h. die Förderung städtebaulicher Maßnahmen, war eines der Kernreformanliegen in der Schaffung des StBauFG gewesen. Sie war als bundesstaatliche Finanzierung der städtebaulichen Förderung Gegenstand des fünften Teils des StBauFG, niedergelegt in den §§ 71– 75. Von Anbeginn der konkreten Vorarbeiten zum Gesetz, spätestens seit Schaffung der institutionellen Voraussetzungen durch die Große Finanzreform 1969, war klar hervorgetreten, dass sich der Bund in nicht unerheblichem Maß an der zu schaffenden Städtebaupolitik beteiligen würde. Diese Beteiligung war gem. § 71 Abs. 1 StBauFG in Form von Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 des Grundgesetzes vorgesehen, und zwar nicht fakultativ, sondern verpflichtend mit 450 Millionen DM in den Haushaltsjahren 1971 bis 1973 und ab 1974 aus allgemeinen Deckungsmitteln.334 Weitergehenden Vorschlägen von CDU/CSU, die Programmatik auf die Dauer von 10 Jahren auszule333 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, Begründung zu § 57. Vgl. Walter (1971), Kap. C.I., „Grundsätzliche Anwendungen der Sanierungsregelungen“. 334 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 22: „Der Verfügungsrahmen des Bundes für das jeweilige Bundesprogramm setzt sich aus Haushaltsmitteln und Verpflichtungsermächtigungen zu Lasten kommender Haushaltsjahre zusammen. Diese Kombination trägt der Tatsache Rechnung, daß städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen gründlicher Vorbereitung bedürfen und ausgabewirksame Verpflichtungen erst nach einer längeren Vorlaufzeit entstehen.“ – Für die frühe Förderpraxis verzeichnete der Bund ebenfalls: „Für die Finanzhilfebeträge im Bundesprogramm, die den einzelnen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen zugeordnet sind, ist eine konkrete Aufteilung zwischen Haushaltsmitteln und Verpflichtungsermächtigungen nicht festgelegt. Auf diese Weise haben es die Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Abwicklung des Bundesprogramms in der Hand, bei den Mittelanforderungen der Gemeinde den unterschiedlichen Durchführungsstand der Maß-
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
gen, wollte die Mehrheit im Bundestag nicht folgen unter dem Verweis, „daß auf eine derart lange Zeit der Bundeshaushalt nicht durch Gesetz gebunden werden“ konnte.335 Das nähere Verfahren zur Aufstellung der Finanzhilfen benannte § 72 StBauFG, die gesetzliche Schlüsselnorm zur Aufstellung des Förderprogrammes.336 Nach Bekunden des Gesetzgebers fußte die verabschiedete Fassung des Abs. 2 auf Vorschlägen des Bundesrates aus dem Gesetzgebungsverfahren. Einer weitergehenden, im politischen Raum stehenden Forderung, wonach die vom Bundesprogrammgeber aufzustellenden Mittel in einem Globalansatz zu vergeben gewesen wären, erteilte das Gesetz in seiner verabschiedeten Form jedoch eine Absage. Die Mehrheit im Deutschen Bundestag war „in Übereinstimmung mit der Bundesregierung der Auffassung, daß der zuständige Bundesminister bei der Gewährung der Finanzhilfen des Bundes die Möglichkeit haben [musste] zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Artikels 104a Abs. 4 des Grundgesetzes gegeben“ waren.337 Diesem Ansinnen entsprach schließlich die gefundene Formulierung in § 72 Abs. 3 StBauFG. Das Gesetzgebungsverfahren hatte deutlich gezeigt, dass es zwischen dem Bund und den Ländern, insbesondere dem Freistaat Bayern, zu Konflikten darüber kam, in welchem Maß der Bund über die Finanzhilfen des Art. 104a Abs. 4 GG die programmatisch-inhaltliche Umsetzung der Städtebauförderung beeinflussen konnte. Sie führten zum unten besprochenen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.338 Nach dem Richterspruch waren sowohl der Bund als auch die Länder politisch und administrativ darum bemüht, zu praktikablen Verfahren zu kommen und die Städtebauförderung ab 1975 in Verwaltungsvereinbarungen umzusetzen.339 Die Implementation des StBauFG wurde dadurch entscheidend mitgeprägt, da dem Bund spürbare Grenzen aufgezeigt und Verfahrensfestlegungen mitgegeben wurden. Anders als in den Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91a GG sollten dem Bund in den Investitionshilfeprogrammen nach Art. 104a GG keine näheren Rechte der „Mitsprache in der Sache“, sondern in erster Linie eine Finanzierungskompetenz zugesprochen werden.340 Dies war mithin eine Doppelperspektive, wie diese Arbeit unten vor allen Dingen in Abschnitt § 3 auszuarbeiten versucht: die Entscheidung des Bundesgesetzgebers für die Verortung der Städtebaufördenahmen zu berücksichtigen und den MitteIfluß bedarfsgerecht und flexibel zu lenken.“ (S. 22). 335 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 26. 336 Hier wiedergegeben in § 3 A.II.1. 337 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 26. 338 BVerfGE 39, 96, vgl. hierzu unten § 2 F.I. 339 Vgl. Walter (2001), S. 522, 524. – Vgl. u. § 3 A.II.1. 340 Vgl. Stern, S. 1145.
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rung im verfassungsrechtlichen Bereich der sog. „Investitionshilfen“ und als Instrument der Wirtschaftsförderung war sehr bewusst getroffen worden. Dies beinhaltete bereits in der Konzeption des StBauFG dezidiert auch, dass die Ansteuerung des Städtebaus unter dem Gesichtspunkt einer Konjunkturpolitik gesehen wurde.341 Von Anbeginn der Planungen zur finanziellen Förderung der Städtebaupolitik war deutlich ersichtlich, dass sich der Bund grundsätzlich an „der Finanzierung der städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, die in die Bundesförderung einbezogen sind, mit einem Drittel der förderungsfähigen Kosten“ beteiligte.342 Diese Drittelparität war und ist ein übliches föderales Prozessmuster bei Förderpolitiken. Zwischen den Ländern und Gemeinden war das Beteiligungsverhältnis der übrigen zwei Drittel an der Finanzierung unterschiedlich. In den meisten Ländern wurde er mit einem Drittel festgelegt. In Nordrhein-Westfalen und Hessen („städtebauintensiven“ Ländern) wurde die kommunale Eigenleistungsquote der gemeindlichen Leistungsfähigkeit zunächst angepasst, sie schwankte in Nordrhein-Westfalen zwischen 10 und 40 %, in Hessen sogar zwischen 15 bis 55 %. Das Saarland erhob für den gemeindlichen Eigenanteil fast 52 %. Für etliche Gemeinden bereitete „die Aufbringung des gemeindlichen Eigenleistungsanteils […] zum Teil erhebliche Schwierigkeiten […].“ Aus kommunaler Sicht gesehen kamen zur Finanzierung von städtebau lichen Sanierungen verschiedene Möglichkeiten in Betracht.343 Die o. g. Finanzhilfen des Bundesprogrammes (§§ 71 u. 72 StBauFG) waren für die Kommunen die wichtigsten Quellen, ergänzt um die Mittel des jeweiligen Bundeslandes.344 Diese Mittel konnten als Darlehen oder Zuschüsse oder zur Verbilligung weiterer Darlehen ausgegeben werden (§ 39 Abs. 2). Bis in die 1980er Jahre wurden die Mittel vorbehaltlich einer späteren Entscheidung als Vorauszahlungen gewährt.345 Weiterhin kam für die Kommunen in Betracht, 341 Vgl. Walter (1971), S. 85: „Die Gewährung von Finanzhilfen zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Konjunkturprogramme!) bleibt ausdrücklich unberührt.“ 342 Vgl. (a. für das Folgende): Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 22. 343 § 39 Abs. 1 Satz 1 StBauFG: „Mittel des Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die von ihnen zur Förderung der Sanierung bestimmt sind […]“; vgl. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen Schriftenreihe), Kap. 4.1.4 („Förderung der Sanierung aus anderen Mitteln und Programmen“). 344 Vgl. Städtebauförderung: Auswertung der Erfahrungen nach 10 Jahren […], S. 51. 345 Vgl. Städtebauförderung: Auswertung der Erfahrungen nach 10 Jahren […], S. 51. – So auch zwischen Bund und Ländern: „Auf dem Gebiet der städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen beteiligt sich der Bund mit einem Drittel an den förderungsfähigen Kosten. Die Finanzierungshilfen werden den Ländern teils
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sich um die Verwendung „besonderer Bundesmittel“ (§ 73) zu bewerben, in praxi waren dies zum Großteil Fördermittel im (vom Volumen her nicht kleinteiligen) Bereich der „Studien- und Modellvorhaben“; diese Mittel wurden vom Bund gesondert mit Auflagen versehen und ausgegeben, allerdings mittelbar von den Landesverwaltungen zwecks „Koordinierung mit den allgemeinen Städtebauförderungsmaßnahmen“ verwaltet.346 Mittelbar konnten zur Sanierungsfinanzierung vom Bund auch „Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen“ (§ 75) ausgesprochen werden, Bundesbürgschaften kamen hier in Betracht „zur Verstärkung von Bürgschaften, die die Länder zur Förderung der Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ übernommen hatten (d. h. im Regelfall zur Vergünstigung kommunaler Kredite am Finanzmarkt).347 Insbesondere ab Mitte der 1970er Jahre kamen dann in erheblichem Umfang konjunkturstützende Maßnahmen und Mittel in Form von Sonderprogrammen zum Einsatz, die flächendeckend und in zahlreichen Maßnahmen zum Tragen kamen;348 diese Sonderprogramme wurden nicht zuletzt aus dem Grunde aufgelegt, zahlreiche Finanzengpässe in StBauFGMaßnahmen mit benötigter Liquidität zu versorgen.
IV. Die Einbindung von Eigentum, Grund und Boden in den Städtebau Der dritte Abschnitt im zweiten Teil des StBauFG wurde als „Besondere Bodenrechtliche Vorschriften“ bezeichnet und schlug sich in §§ 15–25 nieder. Nach Darstellung der Bundesregierung sollte das StBauFG den „Einstieg in die Reform des Bodenrechts“ erbringen und „einen ersten Schritt zur Bekämpfung der Bodenspekulation“ bedeuten.349 Es war dieser programmatische Anspruch, der die Einbindung von Eigentum, Grund und Boden in den Städtebau zu einem besonders umstrittenen Punkt werden ließ. Die neuen bodenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes sollten insgesamt zu einer Beschleunigung der Sanierungsverfahren führen, ihr Instrumentarium wurde vom Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen als „Kern des Städtebauförderungsgesetzes“ beschrieben. Der Ausgangspunkt der bodenpolitischen Konzeption wurde derart beschrieben, dass kein an der Sanierung oder Entwicklung Beteiligter durch das StBauFG finanzielle Schäals Darlehen, teils als Zuweisungen zur Verfügung gestellt.“ (S. BT-Drs. 7/4101, S. 25). 346 Vgl. Oestreicher, § 73, S. 182. 347 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 26 f. sowie Oestreicher, § 75, S. 183 f., dort bezeichnet als „Rückbürgschaften“. 348 Vgl. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 10. 349 Vgl. Lauritzen, S. 13 f.
E. Das StBauFG von 1971117
den erleiden, aber auch niemand aus einer öffentlichen Sanierungsmaßnahme ungerechtfertigte Gewinne erzielen sollte.350 Zahlreiche Rechtsvorgänge und tatsächliche Veränderungen an Grundstücken unterlagen im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet einer Genehmigung durch die Gemeinde. Diese Regelungen wurden von den das StBauFG anwendenden Gemeinden durchweg als wichtige kommunale Instrumente der Stadterneuerung gesehen, wie eine Erhebung zur Mitte der 1980er Jahre betonte.351 Der entsprechende Katalog fand sich in § 15 StBauFG und umfasste u. a. den Verkauf eines Grundstückes oder die Bestellung von Erbbaurechten, mithin „grundbuchrelevante“ Vorgänge, aber auch Nutzungs- und Veränderungseinschränkungen. Die genehmigungspflichtigen Tatbestände des StBauFG entsprachen inhaltlich zum Großteil den im Bundesbaugesetz (BBauG) formulierten Genehmigungspflichten für Vorhaben und Rechtsvorgänge bei einer sog. Veränderungssperre, einer Bodenverkehrsgenehmigung und einer umlegungsrechtlichen Verfügungs- und Veränderungssperre. Die Anwendung dieser BBauG-Vorschriften war ausgeschlossen; sie waren hier im StBauFG zu einem einheitlichen Genehmigungsvorgang durch die Gemeinde zusammengefasst worden.352 Ein für das politische Gefühl und Verständnis jener Zeit wichtiger Punkt waren die Vorschriften, die in (künftigen) Sanierungsgebieten für Preisstabilität von Grund und Boden sorgen sollten. Den enormen Auswüchsen der Spekulation mit diesem Wirtschaftsgut sollte in Zeiten von Hochkonjunktur und Bauboom durch das StBauFG ein Riegel vorgeschoben werden, um Projektierungen von Stadtsanierungen überhaupt wirtschaftlich vertretbar wie auch planbar erscheinen zu lassen. Dieser komplexe Eingriff war einer der umstrittensten Aspekte der zurückliegenden Gesetzgebungsarbeiten gewesen. Eine der einschlägigen Normen fand sich in § 15 Abs. 3 Satz 2, die sich mit den näheren Gründen zur Versagung einer der soeben genannten Genehmigungen durch die Gemeinden befasste: „Eine wesentliche Erschwerung der Sanierung liegt auch vor, wenn bei der rechtsgeschäftlichen Veräußerung eines Grundstücks sowie bei der Bestellung oder Veräußerung eines Erbbaurechts der vereinbarte Gegenwert für das Grundstück oder das Recht über dem Wert liegt, der sich in Anwendung des § 23 ergibt.“353 Ergänzend hierzu 350 Vgl.
Walter (1971), S. 37 f., 51. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 13. 352 Vgl. Walter (1971), S. 38 f.; Zinkahn, S. 15 (V.). 353 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 9: Absatz 3 entsprach der Regierungsvorlage des StBauFG im Entwurf 1970 in der vom Bundesrat beschlossenen Fassung. Der 14. BT-Ausschuss hatte einem Antrag von CDU und CSU, „von einer Preisprüfung abzusehen und in Absatz 3 die Sätze 2 und 3 zu streichen, mit Mehrheit nicht entsprochen“; § 23 – Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen – lautete i. d. F. von 1971: „(1) Sind auf Grund von Maßnahmen, die der Vorbereitung oder 351 Vgl.
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bzw. um die Rechtsposition des Eigentümers zu stärken, sah das StBauFG in § 15 Abs. 7 vor, dass der Eigentümer des Grundstückes bei einer Genehmigungsversagung die Übernahme des Grundstückes durch die Gemeinde verlangen konnte, wenn es ihm wirtschaftlich nicht zumutbar war, an dem Eigentum festzuhalten oder es anderweitig zu nutzen. Die Gemeinden erlangten durch § 17 StBauFG ein erleichtertes Vorkaufsrecht, das gegenüber dem BBauG einen verbesserten „Zugriff“ auf Grund und Boden bedeuten sollte. Zur Zeit der Einführung des StBauFG war dem Gesetzgeber fraktionsübergreifend klar gewesen, dass der Erfolg oder Misserfolg projektierter Sanierungen mit einem (räumlich) zusammenhängenden Sanierungsgebiet in Aussicht stand. Zur Ausübung des Vorkaufrechtes bedurfte es nun, anders als im BBauG, keiner besonderen Begründung mehr; allein die Lage des Grundstücks im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet begründete nun das Recht der Gemeinde. Weiterhin konnte die Gemeinde das Vorkaufsrecht direkt zu Gunsten eines Sanierungsträgers ausüben (§ 17 Abs. 2).354 Als Voraussetzungen musste ein Veräußerungsvertrag des Eigentümers vorliegen, eine Genehmigungsversagung gem. § 15 StBauFG sowie die Erforderlichkeit des Grundstückserwerbs zur Durchführung der Sanierung (vgl. § 18 Abs. 2 StBauFG). Von der Konzeption her sollte diese Regelung nicht zuletzt eine weitere „preisdämpfende Wirkung“ erzielen, indem Durchführung der Sanierung im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet dienen, nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes oder dieses Gesetzes Ausgleichs- oder Entschädigungsleistungen zu gewähren, so werden die Vorschriften des Dritten bis Fünften Teils des Bundesbaugesetzes angewandt, soweit dieses Gesetz nichts Besonderes bestimmt; dies gilt insbesondere für Entschädigungen nach § 95 oder § 96 des Bundesbaugesetzes für einen eintretenden Rechtsverlust oder für andere Vermögensnachteile sowie für die Entschädigung in Land nach § 100 des Bundesbaugesetzes. (2) Bei der Bemessung der Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen nach Absatz 1 werden jedoch Werterhöhungen, die lediglich durch die Aussicht auf die Sanierung, durch ihre Vorbereitung oder ihre Durchführung eingetreten sind, nur insoweit berücksichtigt, als der Betroffene diese Werterhöhungen durch eigene Aufwendungen zulässigerweise bewirkt hat. Änderungen in den allgemeinen Wertverhältnissen auf dem Grundstücksmarkt sind zu berücksichtigen. (3) Der Gutachterausschuß hat auf Antrag ein Gutachten über die nach den Absätzen 1 und 2 maßgebenden Grundstückswerte einschließlich der Werte land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke zu erstatten. (4) Bei der Bemessung von Ausgleichs- oder Entschädigungsleistungen auf Grund von Maßnahmen, die der Vorbereitung oder Durchführung der Sanierung im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet dienen, bleibt eine Vereinbarung insoweit unberücksichtigt, als sie von den übrigen Vereinbarungen in vergleichbaren Gebieten, die nicht förmlich festgelegte Sanierungsgebiete sind, auffällig abweicht und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie getroffen worden ist, um eine Ausgleichs- oder Entschädigungsleistung zu erlangen.“ 354 Zu § 17 bestand Konsens zwischen SPD/FDP und CDU/CSU, vgl. BT-Drs. zu VI/2204, S. 10.
E. Das StBauFG von 1971119
die Gemeinde zu den von Gutachterausschüssen festgelegten Verkehrswerten kaufen konnte.355 Weitergehend dazu wurden in § 22 StBauFG Vorschriften für mögliche Enteignungsverfahren normiert. Nach Auskunft der Bundesregierung hatten die Erfahrungen mit den Regelungen des BBauG gezeigt, dass diese für Enteignungen in Sanierungsverfahren zeitlich „viel zu langwierig“ in der Anwendung waren.356 Die Intention des Gesetzgebers war es, das Verfahren zeitlich zu beschleunigen, „ohne dabei jedoch den Rechtsschutz der Betroffenen zu beeinträchtigen.“357 Vorgesehen war u. a. in § 22 Abs. 2 StBauFG, dass die Einleitung eines Enteignungsverfahrens in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten keinen rechtsverbindlichen Bebauungsplan voraussetzte. Es reichte aus, wenn ein Bebauungsplan mit Begründung öffentlich ausgelegt worden war und die dagegen vorgebrachten Bedenken und Anregungen mit den betroffenen Personen erörtert worden waren. Die Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen regelte § 23 StBauFG. Naturgemäß war dies eine Norm, die bei den von einer Sanierung betroffenen Bürgerinnen und Bürgern besondere Aufmerksamkeit erzeugte. Während Entschädigungsleistungen seitens der öffentlichen Hand auf die Regelungen des BBauG zurückgriffen, waren Ausgleichsleistungen ein Novum. In der Systematik des StBauFG waren sie ein Beitrag, mit dem sich die Grundstücksbesitzer an den Kosten der Ordnungsmaßnahmen (welche von den Gemeinden zu tragen waren) beteiligten. Der Eigentümer eines an der Sanierung beteiligten Grundstückes hatte nach Abschluss der Sanierung „einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Werts seines Grundstücks“ entsprach (§ 41 Abs. 4 StBauFG). Für das Verfahren zur Bemessung dieser Leistungen verwies das StBauFG zwar ebenfalls auf die Normierungen des BBauG (Abs. 1). Für die Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen im Sinne des StBauFG und dessen bodenpolitische Konzeption war jedoch Abs. 2 als Sonderrecht einschlägig. Er legte fest, dass, in Ergänzung zu den Leistungen des BBauG, „[…] Werterhöhungen, die lediglich durch die Aussicht auf die Sanierung, durch ihre Vorbereitung oder ihre Durchführung eingetreten sind, nur insoweit berücksichtigt [wurden], als der Betroffene diese Werterhöhungen durch eigene Aufwendungen zulässigerweise bewirkt hat[te]. Änderungen in den allgemeinen Wertverhältnissen auf dem Grundstücksmarkt [waren] zu berücksichtigen.“358 Auszugleichen bzw. zu entschädigen waren nach den 355 Vgl.
Walter (1971), S. 45. Walter (1971), S. 42 f. 357 Vgl. Begründung zu § 19 im E-1970, BT-Drs. VI/510, S. 37 f. 358 In diesem Zusammenhang muss noch einmal auf die Begründung der BReg in ihrem Gesetzentwurf 1970 verwiesen werden (vgl. BT-Drs. V//510, S. 38). – Eben356 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Regelungen des StBauFG also diejenigen Grundstückswerte, die vor der Bekanntgabe des Sanierungsvorhabens der Gemeinde zu verzeichnen waren. Über die Grundstückswerte entschied auf Antrag der Gutachterausschuss (§ 23 Abs. 3 StBauFG, vgl. §§ 136–144 BBauG).359 Über die Methodik zur Berechnung von Ausgleichsleistungen (die ggf. also vom Eigentümer des Sanierungsgrundstückes an die Gemeinde zu entrichten waren) bzw. die Entschädigungen (welche also von den Gemeinden an den vormaligen Eigentümer zu entrichten waren) gaben § 41 Abs. 4–10 StBauFG Auskunft.360 Wesentlich war Abs. 5, demzufolge sich die Wert erhöhung von Grundstücken aus dem Unterschied zwischen dem Grundstückswert vor dem Bekanntwerden der Sanierung und dem Wert nach ihrem Abschluss ergab (Saldierungsverfahren).361 Die Bebauung des Grundstückes war nicht zu bewerten. Auf Antrag wurde auch hier der Gutachterausschuss angerufen, ein Testat über die Erhöhung des Grundstückswertes zu erstellen. Für den Fall zu zahlender Ausgleichsbeträge konnte die Gemeinde Vorauszahlungen verlangen (Abs. 9), allerdings konnten diese zur Abfederung wirtschaftlicher Härten in ein Tilgungsdarlehen umgewandelt werden (Abs. 8).
falls wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Sanierungsträger Ausgleichsbeträge gem. § 41 zu entrichten hatten, so sie Eigentümer sanierter Grundstücke blieben (§ 35 Abs. 7 StBauFG). – Vgl. BT-Drs. 10/3690, S. 10: „Der Ausgleichsbetrag dient der Deckung der Kosten der Sanierung. Er ersetzt nach Maßgabe des § 6 Abs. 7 StBauFG sonst anwendbare Beitragsregelungen. Auch die Bestimmung des § 23 StBauFG über die Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen, die auch beim sonstigen Grunderwerb der Gemeinde maßgeblich ist, dient u. a. – mittelbar und spiegelbildlich zur Ausgleichsbetragsregelung des § 41 StBauFG – der Deckung von Kosten der städtebaulichen Sanierung.“ 359 Der Gutachterausschuss war bei seiner Tätigkeit grundsätzlich an die Wertermittlungsverordnung gebunden, vgl. BT-Drs. V//510, S. 39. 360 Vgl. BT-Drs. zu VI/2204 zu § 41, S. 18: „Der Ausschuß hat sich einmütig zu der Auffassung bekannt, daß die durch die Sanierung bedingte Werterhöhung der Grundstücke zur Deckung der Kosten der Sanierung in Anspruch genommen werden soll.“ Und weiter: „Jeder Eigentümer soll in Höhe der Werterhöhung seines Grundstücks einen Ausgleichsbetrag an die Gemeinde entrichten. Sollte sich ausnahmsweise nach Abschluß der Sanierung herausstellen, daß die Kosten der Sanierung insgesamt niedriger waren als die von der Gemeinde, insbesondere auch über die Ausgleichsbeträge, erzielten Einnahmen, so ist dieser Überschuß nach § 48 auf die Eigentümer nach Maßgabe der dortigen Regelung zu verteilen; […].“ 361 Die Regelungen des o. g. § 23 und des hier erörterten § 41 StBauFG ergänzten sich also „spiegelbildlich“, wie Walter (1971, S. 55) es passend ausdrückte: „Das bedeutet im Grundsatz: Die Beträge, die nach § 41 als Ausgleich für eine Wertsteigerung an die Gemeinde zu zahlen sind, bleiben bei der Bemessung einer Entschädigung nach § 23 unberücksichtigt.“
E. Das StBauFG von 1971121
§ 25 StBauFG präzisierte mit seiner Veräußerungspflicht seitens der Gemeinde die allg. Vorstellungen des Gesetzgebers aus § 1 Abs. 5 StBauFG, demzufolge ein Eigentum der bisherigen Eigentümer an den Grundstücken im Sanierungsgebiet nach Möglichkeit erhalten bleiben oder aber an anderer Stelle neu gegründet werden sollte. Die Gemeinde war § 25 zufolge verpflichtet, das ihnen im Zuge der Sanierung zugegangene Vermögen an Grund und Boden grundsätzlich und unter den geschaffenen Voraussetzungen wieder zu veräußern, dies betraf alle Grundstücke, die sie freihändig oder in Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 17), des gemeindlichen Grunderwerbsrechts (§ 18) oder der Enteignung (§ 22) erworben hatte.362 Entlang eines „Rangfolgenkatalogs“ (Walter) regelte § 25 Abs. 2 StBauFG, an welche Personenkreise privatisiert bzw. reprivatisiert werden musste. Ausdrücklich auf Betreiben von CDU und CSU war der Passus entstanden, dass ggf. zur Verfügung stehende Grundstücke „[…] unter Berücksichtigung weiter Kreise der Bevölkerung“ veräußert werden sollten. Weiterhin war hier im Kontext der bodenpolitischen Konzeption des StBauFG nicht unwesentlich, dass die Gemeinden über ein Abbruchgebot (§ 19), notfalls gegen den erklärten Willen der Eigentümer, ein Baugebot (§ 20), in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten auch unabhängig von einer Umlegung i. S. d. BBauG sowie ein Modernisierungsgebot (§ 21), das gesondert die vorhandene Altbausubstanz im Sanierungsgebiet ansprechen sollte, verfügen konnten. Es waren alles gemeindliche Rechte, insofern fand auch hier eine Stärkung der Grundkonzeption des Gesetzes statt, welche die Kommunen in den Mittelpunkt in das Zentrum der Gesetzesausführung stellten. Eine weitere Erörterung dieser Gebote soll an dieser Stelle und vor dem Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit zwar nicht erfolgen; wichtig ist jedoch, die seinerzeitige Gesamteinschätzung der Bundesregierung zu den neu eingeführten Möglichkeiten zur Kenntnis zu nehmen: „Öffentliche Planungen sind damit nicht mehr nur Möglichkeitsplanungen, die solange auf dem Papier stehen, bis ein privater Investor bereit ist, diese Möglichkeiten auszuschöpfen oder bis ein Eigentümer bereit ist, sein Grundstück für die Zwecke der neuen Nutzung zu verkaufen. Mit den neuen Instrumenten ist die Voraussetzung geschaffen, daß Planungen zügig durchgeführt werden und daß damit unzumutbare und die Allgemeinheit belastende Verzögerungen unterbleiben.“363
362 Vgl. 363 Vgl.
BT-Drs. zu VI/2204, S. 13 f., weiterhin Walter (1971), S. 57–61. Lauritzen, S. 13.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
F. Nachgeschichte: Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Novellierungen des Gesetzes und Einfügung in das BauGB 1986 Das am 1.8.1971 in Kraft getretene StBauFG blieb nicht lange unverändert. Daher soll hier kurz auf den weiteren Werdegang des Gesetzes eingegangen werden. Die Untersuchung beschränkt sich auf die wesentlichen Stationen: das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Gesetz von 1974, die Änderung des Gesetzes selbst bzw. für die Materie einschlägiger Gesetze und abschließend die Einfügung des StBauFG in das BauGB 1986.364 Angesichts der Detailreiche mancher Novellierung, insbesondere der Eingliederung in das BauGB 1986, muss die Arbeit auch hier eine Auswahl treffen. Sie orientiert sich an den Schwerpunkten des vorigen Teils § 2 E., namentlich der Mischfinanzierung und der politisch umstrittenen Einbindung von Grund und Boden in den Städtebau.
I. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum StBauFG (BVerfGE 39, 96 ff.) Die im Gesetzgebungsprozess bereits mehrfach angesprochenen Auseinandersetzungen zwischen dem Bund und der Rechtsauffassung einiger Bundesländer mündeten 1974/1975 in einem Verfahren der abstrakten Normenkon trolle vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG).365 Die Bayerische Staatsregierung hatte beantragt, § 72 Abs. 3 Sätze 3 und 4 StBauFG für verfassungswidrig zu erklären, da sie gegen die damalige Fassung des Art. 104a Abs. 4 GG verstießen.366 Das Urteil vom März 1975, das sich auf die Prüfung 364 Untergesetzliche Normen wie Rechtsverordnungen und Verwaltungsvereinbarungen bleiben in dieser Arbeit grundsätzlich außer Acht. Der Gesetzgeber hatte in § 91 StBauFG einen Katalog entworfen, der es erlauben sollte, aus „systematischen Gründen die Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen“ zusammenzufassen (vgl. Oestreicher, zu § 91). In dreien dieser Fälle hat der Bund von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht: durch die Wertermittlungsverordnung (BGBl. I 1972 S. 1416), die Ordnungsmaßnahmenverordnung (BGBl. I 1976 S. 174, 1978 S. 1833) und die Ausgleichsbetragsverordnung (BGBl. I 1976 S. 273). – Zu Verwaltungsvereinbarungen u. § 3 A.II.1. 365 Sämtliche nachfolgenden Zitate aus dem Urteil beziehen sich auf: BVerfGE 39, 96 ff. Urteil des Zweiten Senats vom 4. März 1975 auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 1974 – 2 BvF 1/72 – mit der entsprechenden Fundstelle. 366 Inhaltlich verwarf das BVerfG die Klage der Bayerischen Staatsregierung, BVerfGE 39, 96 (122): „Die einschlägigen Vorschriften des Städtebauförderungsgesetzes lassen eine Auslegung zu, die mit der finanzverfassungsrechtlichen Grundlage und den durch die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes gezogenen Grenzen
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der §§ 71 und 72 StBauFG insgesamt erstreckte,367 war bedeutsam u. a. dahingehend, dass mit der verfassungsgerichtlichen Prüfung der Modalitäten über die Finanzhilfen des Bundes an die Länder wesentliche Voraussetzungen für die Verwaltungspraxis in der Ausführung des Städtebauförderungsgesetzes geschaffen wurden. Mit dem Normenkontrollverfahren griff die Bayerische Staatsregierung aber auch einen zentralen Baustein der Finanzreform der Großen Koalition von 1969 an,368 der nicht zuletzt mit der Perspektive der von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Finanzierung des Städtebaus geschaffen worden war. Das Begehren des Freistaates richtete sich nicht gegen die Zahlungen des Bundes per se, sondern gegen dessen weiterhin geführten Anspruch, in der Umsetzung des StBauFG zu einer „Programmkompetenz“ zu gelangen, also materiell und nicht nur formell zu prüfen und „[…] auf diese Weise […] in den raumordnungs- und strukturpolitischen Entscheidungsraum der Länder hineinzuwirken“.369 Bereits im Gesetzgebungsverfahren hatte es erhebliche für die Finanzleistungen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG vereinbar ist.“ Und S. 127: „In dieser Auslegung sind §§ 71, 72 StBauFG mit dem Grundgesetz vereinbar.“ – Dem Rechtsgutachten des BVerfG von 1954 war zu entnehmen, dass die Bayerische Staatsregierung bereits 1954 die „Bundeszuständigkeit zur gesetzlichen Regelung des Baurechts als einer geschlossenen Gesamtmaterie“ bestritten hatte (BVerfGE 3, 407, (410 f.)). 367 Vgl. BVerfGE 39, 96 (S. 106). 368 Im Folgenden soll und kann keine Würdigung des BVerfG-Urteils hinsichtlich der damaligen Auswirkungen auf das Bund-Länder-Verhältnis unter besonderer Beachtung der Finanzverfassung vorgenommen werden. Eine scharfsichtige zeitgenössische Besprechung des Urteils war die Besprechung von Starck. Er begrüßte das Urteil in der hier untersuchten Perspektive. Für den angesprochenen Bereich von „Finanzausgleich und Finanzhilfen“ sah er deutliche Schwächen, u. a. „[…] in dem Versuch, aus den Förderungszielen des Art. 104a Abs. 4 eine brauchbare Begrenzung der Finanzhilfen herzuleiten“ vor dem Hintergrund, dass die „[…] Weite und Unbestimmtheit dieser Zielbestimmung […] nahezu alle Infrastrukturmaßnahmen [umfaßte], weil diesen bei der engen Verflochtenheit des gesamten Wirtschaftsgebietes stets überregionale Bedeutung [zukam].“ (S. 363) „Die Argumentation des BVerfG“, so Starck, „ist zu stark auf Art. 104a Abs. 4 fixiert. Das Gericht hätte den Bezug zum Gesamtsystem des Finanzausgleichs herstellen müssen, um zu einer zuverlässigen – auch vom Gericht beabsichtigten – einschränkenden Auslegung des Art. 104a Abs. 4 zu kommen.“ (S. 364, Hervorh. i. Orig., U.K.). 369 Vgl. Walter (2001), S. 521. Die Bundesregierung hatte im Verfahren vor dem BVerfG u. a. vorgetragen: „Die öffentlichen Investitionen seien ein wichtiges Steuerungsmittel. Die Finanzhilfen seien dem Bund wegen seiner gesamtstaatlichen Verantwortlichkeit als ein wichtiges Instrument eröffnet worden, das aus der Sicht des Gesamtstaates regional bezogene Steuerungen oder Anreize für Investitionen der Länder und Gemeinden gestatte. Damit müßten die zur vollkommenen und wirksamen Ausübung seiner Zuständigkeit erforderlichen Mittel als Bestandteil der Zuständigkeit des Bundes angesehen werden. […] Bei der Finanzierung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen widerspreche eine globale Zuteilung von
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Vorbehalte etlicher Landesregierungen gegenüber dem Steuerungsanspruch des Bundes im Städtebau gegeben, die sich nach dessen Ausfertigung und den ersten Erfahrungen in der „Programmsteuerung“ des StBauFG schnell zum Streitfall entwickelten370 – auch wenn der Bund dies noch im September 1975, also zeitnah nach dem Urteil, in die verharmlosende Formel gepackt hatte, das Gesetz habe einen „auf allen Verwaltungsebenen […] nicht abgeschlossenen Lernprozess ausgelöst“.371 Gleich zu Anfang seiner Begründung stellte das Bundesverfassungsgericht für die Verwaltungspraxis fest, was durch seine Urteilsverkündung später verworfen bzw. für unzulässig erklärt werden sollte: „Als Hauptgesichtspunkte für die Förderung eines Sanierungs- oder Entwicklungsvorhabens gelten in der Verwaltungspraxis des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau raumordnerische Rücksichten, städtebauliche Bedürfnisse und ein Bündelungseffekt, der durch die begleitende und unterstützende Koordinierung (§§ 2, 38 Abs. 2, 47 und 58 StBauFG) mit sonstigen Förderungsmaßnahmen des Bundes und des Landes (sog. flankierende Maßnahmen) in den Bereichen der Wirtschaft, der Landwirtschaft, des Verkehrs, der Wissenschaft und anderer Gebiete wie dem Postwesen, dem Krankenhausbau und ähnlichem erreicht werden soll. Darüber stimmen sich die beteiligten Bundesressorts ab. Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau behält sich vor, sowohl die Kostenansätze der Landesprogramme zu verändern als auch von einem Land zurückgemeldete Bundesmittel in anderen Ländern einzusetzen.“372
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes fand sich die Bundes regierung zwar weiterhin in der Rolle und Aufgabe eines „Schöpfers der Bundesmitteln nach Quoten dem Zweck der notwendig projektorientierten Bundesbeteiligung. Wenn damit die Bundesexekutive hinsichtlich der Verwendung der Bundesmittel auf die Länderverwaltungen Einfluß nehmen könne, schließe das an die jahrelange Praxis der Fondswirtschaft des Bundes an, der Art. 104a Abs. 4 GG nachgebildet worden sei.“ (BVerfGE 39, 96 ff., S. 105). 370 Vgl. o. § 2 Kap. C.I.3 und C.III. – Weiterhin: Walter (2001), S. 520 f. – Darüber hinaus muss dokumentiert sein, dass bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Großen Finanzreform 1969 der Bundesrat insgesamt den Vermittlungsausschuss angerufen hatte, u. a. mit dieser Begründung zum Art. 104a Abs. 4 GG: „Der Bundesrat hält jedoch eine generelle Investitionskompetenz des Bundes mit dem Ziele, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu wahren, für zu weitgehend. Eine solche generelle Kompetenz widerspricht der mit der Finanzreform beabsichtigten klaren Trennung der Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeiten. Die allgemeinen Voraussetzungen der neuen Bundeskompetenz müssen deshalb auch in der Verfassung klar umgrenzt werden.“ (S. BT-Drs. V/3826 vom 07.02.1969, S. 4). Auch die Vorbehalte gegen eine „Programmkompetenz“ des Bundes hatten sich früh artikuliert, so verlangte der BR in seiner Stellungnahme zum Finanzreformgesetz 1968: „[…]; es soll klargestellt werden, daß die Auswahl der zu fördernden Vorhaben der zuständigen Landesregierung obliegt.“ (S. BT-Drs. V/2861, S. 86). 371 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 10. 372 S. BVerfGE 39, 96 (100).
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Gesamtkonzeption“ wieder – sie konnte Städtebau als Politikfeld und Staatsaufgabe373 mit Inhalten und gesetzlichen Vorgaben füllen, konnte volkswirtschaftlich vermittels städtebaulicher Programmvorgaben das gesamtwirtschaftliche Wachstum steuern. So gesehen wurde der kooperative Födera lismus der 1970er Jahre durch das BVerfG 1975 auch bestätigt. Die Nuance des Urteils war aber, dass die Länder in ihrer zentralen und vor allen Dingen gleichgewichtigen, nicht nachgelagerten Rolle innerhalb des politischen Systems bestärkt wurden. Auf Staatsebene wurde den Ländern die wohl wichtigste Rolle in der näheren Umsetzung des StBauFG zugewiesen374 – dadurch, dass sie entschieden, „was, wann, wo und wie“ städtebaulich in ein Programm aufgenommen wurde. Die Landesverwaltungen erreichten zusammen mit der daran geknüpften fachlichen und rechtlichen Aufsichtskompetenz (auch in rechnungsprüferischer Sicht),375 die schon durch das StBauFG selbst genau so formuliert wurde, durch den Rechtspruch des Bundesverfassungsgerichtes eine einflussreiche regionalpolitische, raumordnerische und konzeptionelle Position in der Ausführung des StBauFG: „Der Auftrag des § 71 Abs. 3 StBauFG, die Finanzhilfen zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen nach räumlichen oder sachlichen Schwerpunkten gemäß der Bedeutung der Investitionen für die wirtschaftliche und städtebauliche Entwicklung im Bundesgebiet einzusetzen, kann mangels entsprechender Verwaltungskompetenzen keine Mitplanungs- und sonstigen Mitwirkungsbefugnisse des Bundes nach bundeseinheitlichen Gesichtspunkten bei der Auswahl der zu fördernden Einzelprojekte begründen. […].“376
373 So BVerfGE 39, 96 (117): StBauFG als ein Bundesgesetz, das „[…] umfassend eine Sachmaterie, die zu den Staatsaufgaben zählt, regelt (Städtebauförderung) […].“ 374 Vgl. BVerfGE 39, 96 (108 f.): „Eine Einflußnahme auf die Freiheit der Länder, ihre staatlichen Aufgaben selbständig und weisungsfrei zu erfüllen, widerspricht dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik und dem damit verbundenen Recht der Länder zur Eigengestaltung ihres Aufgabenbereichs. Auch für die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG kann nichts anderes gelten als für andere Zuständigkeiten des Bundes, die mit Landeszuständigkeiten zusammentreffen. Sie sind im Grundgesetz, insbesondere in Art. 83 ff., 30 GG – auch für die Aufgaben der gesetzesfreien Verwaltung (…) – erschöpfend geregelt und grundsätzlich kein dispositives Recht (…) und nur begrenzt durch die wechselseitige Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten. In dieses System fügt sich auch die Zuständigkeit des Bundes zu Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG ein.“ – Vgl. auch Walter (2007), Rdnrn. 27–27i. 375 Vgl. BVerfGE 39, 96 (127): „Die zuständigen Landesbehörden erledigen den administrativen Vollzug der Bundesförderung in eigener Verantwortung. Sie unterliegen dabei der parlamentarischen Kontrolle und der Kontrolle des Rechnungshofes des Landes, während die parlamentarische Kontrolle des Bundestages und die des Bundesrechnungshofes nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen der Länder reicht.“ 376 S. BVerfGE 39, 96 (108), Hervorh. n.i. Orig. Vgl. a. Stern, S. 1144 f. – So zu verstehen dann auch BT-Drs. 7/4101 (Finanzplan des Bundes 1975), S. 25, kurz nach dem Urteil des BVerfG.
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Neben der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils schloss der Blick des Bundesverfassungsgerichtes auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern dezidiert auch die kommunale Ebene ein377 und damit die Kompetenz der Landesregierungen und -parlamente, administrative Verfahren näher und föderal zu bestimmen: „Das Städtebauförderungsgesetz ist (ebenso wie das Bundesbaugesetz und das Wohnungsbaugesetz) mangels anderweitiger Bestimmung im Grundgesetz gemäß Art. 83 GG von den Ländern als eigene Angelegenheit auszuführen. Im Sinn dieser Vorschrift ist ‚eigene Angelegenheit‘ der Länder auch das, was nach einem Bundesgesetz den Kommunen, Kommunalverbänden oder Planungsverbänden an Ausführung obliegt. Denn nach dem Grundgesetz sind diese öffentlich-rechtlichen Träger von Zuständigkeiten ausschließlich dem Verfassungsbereich der Länder zugeordnet. Sie haben im Wege der Aufsicht die Kompetenz, Verantwortung und Pflicht, sicherzustellen, daß jene Träger ihre Maßnahmen zur Ausführung der Gesetze in Bindung an das Gesetz, d. h. auf der Grundlage und im Rahmen des Gesetzes treffen. Das gilt auch, soweit die Gesetze in ihren materiell-rechtlichen Vorschriften die Berücksichtigung gesamtstaatlicher Gesichtspunkte vorschreiben. Dem Bund kommt bei der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder als eigener Angelegenheit die Bundesaufsicht nach Art. 84 GG zu. […] Dieser Weg kann aber nicht dadurch ersetzt oder erweitert werden, daß im Zusammenhang mit der Gewährung von Finanzhilfen an die Hingabe dieser Mittel weitere Auflagen, Bedingungen, Kontrollen oder Wertungen seitens eines Bundesministeriums geknüpft werden, die die Länder hinnehmen müssen, um in den Genuß der Finanzhilfe zu kommen. Denn dadurch würde das bundesstaatliche Gefüge zwischen Bund und Ländern in einem zentralen Punkt und im Widerspruch zu der Grund regel des Art. 84 GG verändert.“378
Einen deutlichen Schlusspunkt setzte das Gericht damit unter die geübte „ungeregelte“ Förderungspraxis des Bundes, durch Studien- und Modellvorhaben faktisch umfangreiche städtebauliche Modelle zu schaffen, durch die der Bund im Übrigen einen erheblichen „Einfluß auf die Erfüllung von ihm mitfinanzierten Aufgaben nahm“.379 Das Urteil dürfte mithin weitreichende 377 Vgl. BVerfGE 39, 96 (122): „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen werden von den Gemeinden vorbereitet und durchgeführt.“ 378 S. BVerfGE 39, 96 (109 f.). Ebenso pointiert zum Ende des Urteils, BVerfGE 39, 96 (127): „Mit der Zuweisung [der Finanzhilfen, U.K.] hat der Bund [den Ländern, U.K.] aber seine Finanzleistungen der Höhe und dem Verwendungszweck nach rechtlich verbindlich zugesagt. Jeder weitere Einfluß auf die Verwaltung der Bundesmittel durch die Länder, die die Bundesfinanzhilfen durch Bewilligung gemäß § 72 Abs. 4 StBauFG an die kommunalen Projektträger vergeben, ist dem Bund versagt. Es ist ihm nicht mehr möglich, in die Abwicklung des Bundesprogramms einzugreifen und die Mittelvergabe durch die Länder zu lenken. Die zuständigen Landesbehörden erledigen den administrativen Vollzug der Bundesförderung in eigener Verantwortung.“ 379 Vgl. BVerfGE 39, 96 (110). – Vgl. zu den Studien- und Modellvorhaben den „Subventionsbericht“ der Bundesregierung (BT-Drs. 7/1144 vom 29.10.1973), S. 135, 141.
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bundesstaatliche Auswirkungen auf weitere Politikfelder gehabt haben, in denen der Bund durch faktisches Verwaltungshandeln inhaltliche Maßstäbe und Vorgaben setzte. Die Reform der Finanzverfassung hatte diese Art der „Fondswirtschaft“ nach Auffassung des Gerichtes verfassungsrechtlich beendet, indem „diese unbefriedigende Entwicklung der Bezuschussung von Landesaufgaben durch den Bund, die einen immer größeren Umfang annahm, in Art. 91a, 91b und 104a Abs. 4 GG verfassungsrechtlich institutionalisiert und verrechtlicht und damit in klare Bahnen gelenkt und in mehrfacher Hinsicht rechtlich begrenzt“ worden war.380 Die inhaltliche Grenze im Verfahren zur Programmaufstellung fand sich in der Auslegung und nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes dort, wo der Bund außerhalb der Finanzhilfen gem. Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG eigene politische und inhaltliche Schwerpunkte setzen wollte vermittels bundesstaatlicher Dotation. Die Befugnis des Bundes, „den Ländern aus Bundesmitteln zweckgebundene Finanzhilfen zu Investitionen im Landesbereich zur Verfügung zu stellen, ist kein Instrument direkter oder indirekter Investitionssteuerung zur Durchsetzung allgemeiner wirtschafts-, währungs-, raumordnungs- oder strukturpolitischer Ziele des Bundes in den Ländern.“381 Anders als in den Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91a hatte der Bund in den Investitionshilfeprogrammen nach Art. 104a GG keine nähere „Mitsprache in der Sache“, sondern in erster Linie eine Finanzierungskompetenz.382 Diese Sicht der Dinge, dass die inhaltlich nähere Bestimmung der Ausführung des StBauFG ausschließlich in den Händen der Länderverwaltungen lag, hat der Bund im September 1975 in seinem Bericht zur Umsetzung der Städtebauförderung bestätigt.383 Die Länderkompetenzen wurden in diesem wichtigen Politikfeld also deutlich gestärkt, was sich gleichzeitig in die bundes380 Vgl. BVerfGE 39, 96 (110). Pointiert auf S. 120 f.: „Bedingungen (Einvernehmens-, Zustimmungs- und Genehmigungsvorbehalte, Einspruchsrechte) und Dota tionsauflagen finanzieller oder sachlicher Art seitens des Bundes bei dem Einsatz dieser Finanzhilfen, die unmittelbar oder mittelbar darauf abzielen, die Planungs- und Gestaltungsfreiheit der Länder in ihrer Rolle als Zuwendungsempfänger entweder innerhalb der Förderungsziele des Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG über die aufgezeigten Möglichkeiten hinaus oder sonst an andere bundespolitischen Interessen und Absichten zu binden, sind im Gegensatz zu der Praxis der Bundesfondswirtschaft vor der Finanzreform nach der verfassungsrechtlichen Normierung der Finanzhilfekompetenz nicht mehr möglich.“ 381 Vgl. BVerfGE 39, 96 (111 [Hervorh. i. Orig., UK], auch Leitsatz 2). 382 Vgl. Stern, S. 1145. 383 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 15. Der Bund hielt sich in seiner Interpretation des Urteils drei Gesichtspunkte zur weiteren materiellen Prüfung vor: 1) die Verpflichtung des Landes, sachliche oder räumliche Schwerpunkte zu bilden; 2) die generelle Eignung der vorgeschlagenen Maßnahmen, zur Verwirk lichung der mit Bundesfinanzhilfen angestrebten Ziele beizutragen; 3) die konkrete Eignung des für die einzelne Maßnahme vorgesehenen Finanzhilfebetrages, sich auf
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staatliche Tradition einfügte, dass „Bauen“ in der Ausführung Ländersache war.384 Einen Widerspruch darin, dass die Bundesfinanzhilfen zwar zweckgebunden waren, für den Bund allerdings keine weiteren „Differenzierungs- und Präzisierungsmöglichkeiten sachlicher Art“ beinhalten sollten,385 sah das Gericht nicht, denn grundsätzlich waren die Bundesländer für ihre Investi tionsplanungen und damit einhergehend die Entwicklung ihrer „eigenen strukturpolitischen Vorstellungen“ verantwortlich.386 Das Bundesverfassungsgericht betonte an dieser Stelle konsequent, dass das Bundesprogramm des StBauFG im Bündel aus Landesprogrammen bestand, und nicht etwa die Landesprogramme quotale Derivate der Städtebaupolitik des Bundes sein sollten: „Soweit die Finanzierung von Investitionen der Länder und Gemeinden zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums aus Programmen erfolgt, die anhand von Investitionsplänen nach Maßgabe der in Bund, Ländern und Gemeinden zur Verfügung stehenden Investitionsförderungsmittel aufgestellt werden, hat der Bund also grundsätzlich von den entsprechenden Programmen der Länder auszugehen, in die die Investitionsplanungen und -entscheidungen der Länder und Gemeinden einfließen. Nach dem dargelegten verfassungssystematischen Zusammenhang steht den Ländern die Planungsfreiheit und die alleinige Entscheidung zu, ob in ihrem Aufgabenbereich ein Investitionsvorhaben durchgeführt und vom Bund mitfinanziert werden soll. Der Einsatz der Bundesfinanzhilfen hängt daher von der Anmeldung geeigneter Investitionsvorhaben durch die Länder ab, ohne daß der Bund dabei unmittelbar durch die Auswahl ihm mehr oder weniger förderungswürdig erscheinender Maßnahmen oder mittelbar durch Aufstellen engerer Auswahlkriterien als der der Investitionsart in die Zuständigkeiten der Länder übergreifen kann.“387
„Investitionsplanungen“ waren in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein durchgehendes Motiv als Ausdruck von Autonomie, und man konnte in dieser Begrifflichkeit und deren inhaltlicher Ausgestaltung offenkundig einen wesentlichen Bestandteil des modernen, vielleicht uni tarischen, so doch differenzierenden Verbundföderalismus entdecken. Dies musste gerade auch als Querverbindung zur Motivation in der Schaffung des die konjunktur- und wachstumspolitischen Ziele der Finanzhilfen auswirken zu können. 384 Grundsätzlich: BVerfGE 3, 407. 385 Vgl. BVerfGE 39, 96 (115). 386 Vgl. BVerfGE 39, 96 (115 f.): „Ihnen ist die Entscheidung überlassen, wo die ihnen zugewiesenen Bundesmittel im Einzelfall ihrer Zweckbindung entsprechend eingesetzt werden. Länder und Gemeinden bleiben damit in ihren Investitionsentscheidungen frei, wenn sie auch bei ihren Planungen erfahrungsgemäß auf die vom Bund geförderten Investitionsbereiche besonderes Gewicht legen, um in den Genuß der Finanzhilfen zu kommen.“ 387 S. BVerfGE 39, 96 (117 f.).
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Art. 104a Abs. 4 GG verstanden werden. Die Aufstellung der Landesprogramme hatte der Bund zu respektieren, sie entzogen sich grundsätzlich seiner inhaltlich-materiellen Prüfung, auch mit Blick auf die durch die Länder eingereichte „Prioritätenwahl“ – denn diese sei „ein wesentliches Element“ der konkreten Planungen zum Städtebau und nach Ansicht des Verfassungsgerichtes damit Sache der Länder.388 Eine aktive räumliche Planung städtebaulicher Vorhaben – „Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungs befugnisse gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder“ – schied nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts als grundgesetzlich unzulässige „Mischverwaltung“ generell aus.389 Auch der Einrede des Bundes, es hätte einer Art ausgleichender Bundessteuerung bedurft – wohl um Raumordnung und Strukturpolitiken auf gesamtstaatlicher Ebene zu koordinieren390 –, mochte das Gericht nicht folgen. Im Gegenteil: Auch hier sah es die grundgesetzlich verankerte Kompetenz der Bundesländer im Vordergrund stehen, mit ihrer administrativen Kraft und den damit verbundenen Möglichkeiten. Aus heutiger Sicht lesen sich die Ausführungen Karlsruhes fast wie eine Aufforderung an die Länder, die ihnen zustehenden Möglichkeiten selbstbewusst zu nutzen und in räumlicher und strukturpolitischer Dimension aktiv zum Staatsgelingen beizutragen: „Den Ländern obliegt es ebenfalls, für eine sachgerechte Abstimmung ihrer Vorschläge mit den in § 72 Abs. 2 Satz 3 StBauFG aufgeführten anderen Maßnahmen des Bundes und der Länder zu sorgen.[391] Soweit nötig, hat der Bund ihnen aus dem Gesichtspunkt der Kooperation die unter dem gesamtstaatlichen Aspekt be388 Vgl.
BVerfGE 39, 96 (118). BVerfGE 39, 96 (120). Ausführlicher heißt es (120 f.): „Bedingungen (Einvernehmens-, Zustimmungs- und Genehmigungsvorbehalte, Einspruchsrechte) und Dotationsauflagen finanzieller oder sachlicher Art seitens des Bundes bei dem Einsatz dieser Finanzhilfen, die unmittelbar oder mittelbar darauf abzielen, die Planungs- und Gestaltungsfreiheit der Länder in ihrer Rolle als Zuwendungsempfänger entweder innerhalb der Förderungsziele des Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG über die aufgezeigten Möglichkeiten hinaus oder sonst an andere bundespolitischen Interessen und Absichten zu binden, sind im Gegensatz zu der Praxis der Bundesfondswirtschaft vor der Finanzreform nach der verfassungsrechtlichen Normierung der Finanzhilfekompetenz nicht mehr möglich.“ 390 So wird die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Verfahren zitiert: „Die öffentlichen Investitionen seien ein wichtiges Steuerungsmittel. Die Finanzhilfen seien dem Bund wegen seiner gesamtstaatlichen Verantwortlichkeit als ein wichtiges Instrument eröffnet worden, das aus der Sicht des Gesamtstaates regional bezogene Steuerungen oder Anreize für Investitionen der Länder und Gemeinden gestatte. Damit müßten die zur vollkommenen und wirksamen Ausübung seiner Zuständigkeit erforderlichen Mittel als Bestandteil der Zuständigkeit des Bundes angesehen werden.“ (BVerfGE 39, 96 (105)). 391 § 72 Abs. 2 Satz 3 StBauFG lautete: „Die Maßnahmen sind mit anderen vom Bund oder von den Ländern geförderten oder durchgeführten Maßnahmen, insbeson389 Vgl.
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deutsamen Daten zu liefern. Der in § 72 Abs. 3 Satz 3 StBauFG vorgesehenen ‚Abstimmung mit anderen im Zusammenhang stehenden Maßnahmen‘ kommt daneben keine selbständige Bedeutung zu, die den Bund zur einseitigen Durchsetzung überregionaler Planungs- und Koordinierungsbedürfnisse dieses oder anderer Sachgebiete im Aufgabenbereich der Länder berechtigt. Dies ist vielmehr Sache der Länder.“392
Ebenfalls bedeutsam für die praktische Implementation des StBauFG waren die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes zu den von Bund und Ländern regelmäßig getroffenen Verwaltungsvereinbarungen, die auf Grundlage von Art. 104a Abs. 4 Satz 2 GG getroffen wurden und ab dem Programmjahr 1975 fester Bestandteil des Verfahrens in der Umsetzung waren:393 „Verwaltungsvereinbarungen können den Einsatz der Bundesfinanzhilfen vereinfachen und beschleunigen. Ebenso wie die Bundesgesetze, an deren Stelle sie treten, müssen sie sich jedoch im Rahmen der finanzverfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Finanzhilfen halten und sich an der bundesstaatlichen Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung des Grundgesetzes ausrichten. Eine Verwaltungsvereinbarung über ein Einzelprojekt kommt nur zustande, wenn Bund und Land sich über dessen Auswahl verständigen. Weitergehende Mitwirkungsbefugnisse sachlicher Art folgen daraus nicht. In den von Art. 104a Abs. 4 GG betroffenen Investitionsbereichen kann der Bund keine Investitionspläne in eigener Regie aufstellen und durch Vergaberichtlinien absichern. Im übrigen ist die in Art. 104a Abs. 4 GG vorgesehene Verwaltungsvereinbarung (soweit sie nur mit einzelnen Ländern geschlossen wird) nicht geeignet, die oben dargelegte Pflicht des Bundes zu umgehen, alle Länder
dere der Raumordnung, der Wirtschaft, der Landwirtschaft, des Verkehrs oder der Wissenschaft, abzustimmen.“ (Fn. nicht i. Orig.). 392 S. BVerfGE 39, 96 (123). 393 Vgl. § 3 A.II.1. – Investitionshilfen gem. Art. 104a Abs. 4 GG waren Gegenstand eines späteren Beschlusses des BVerfG (BVerfGE 41, 291 – Strukturförderung), durch den Präzisierungen zu der wohl teilweise formlosen Staatspraxis vorgenommen wurden. Hier nur die Leitsätze: „1. Das Nähere im Sinne des Art. 104a Abs. 4 Satz 2 GG kann nicht auf andere Weise als durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz oder Verwaltungsvereinbarung geregelt werden; denn die verfassungsrechtlich gewährleistete Mitwirkung der Länder bei der Entscheidung über die Grundlagen der Finanzzuweisungen nach Art. 104a Abs. 4 GG ist nur in diesen beiden Beteiligungsformen ausreichend gesichert. 2. Verwaltungsvereinbarungen nach Art. 104a Abs. 4 GG haben dieselbe – in der Entscheidung des Senats vom 4. März 1975 (BVerfGE 39, 96) näher dargelegte – Funktion und Bedeutung wie das in dieser Bestimmung vorgesehene Zustimmungsgesetz und bedürfen deshalb einschließlich der auf ihren Abschluß gerichteten direkten Willenserklärungen der Schriftform. Sie müssen in einem gehörigen Verfahren so zwischen Bund und Ländern ausgehandelt werden, daß alles, worüber Einigkeit erzielt worden ist, in ihrem Text festgehalten wird.“ – Der geschilderte Sachverhalt in den Gründen (A.II. u. III.) vermittelt einen Eindruck, wie konfliktgeladen die Aus einandersetzungen um die „Programmhoheit“ zwischen Bund und Ländern waren.
F. Nachgeschichte131 gleichmäßig (anteilig) an einer Finanzhilfe gemäß Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG zu beteiligen.“394
Das Urteil des Gerichtes verkannte keineswegs die Komplexität des deutschen Regierungssystems und seinen durch den Bund und die hervorgehobene Stellung der Landesregierungen geprägten Charakter, sei es dass man ihn als „Exekutivföderalismus“,395 „Verwaltungsföderalismus“396 oder „Verbund-Föderalismus“397 umschrieb und in Funktionsweisen zu kategorisieren versuchte. Es war also keine Widersprüchlichkeit in der Urteilsfindung darin zu sehen, dass das Bundesverfassungsgericht formulierte: „Als eine Form bundesstaatlichen Zusammenwirkens verlangt die Beratung [entsprechend § 72 Abs. 3 StBauFG, U.K.], daß Bund und Länder mit dem Ziel verhandeln, eine einvernehmliche Zuteilung der Bundesmittel herbeizuführen.“398 Dass in diesen Verhandlungen der Bund, genauer die Bundesregierung, und die Landesregierungen diejenigen waren, die am Verhandlungstisch zusammentrafen, war für das Bundesverfassungsgericht gesetzt, wurde nicht beanstandet und im Übrigen ja auch vom StBauFG selbst formuliert. Für die Inhalte und Ergebnisse der Verhandlungen, mithin für die Frage: „Wer hat die besten Aussichten auf Durchsetzung seiner Interessen?“, waren daher im Ergebnis die Landesregierungen (und damit die einflussreichen Minister und Fach beamten, die im Bundesrat und auf der „dritten Ebene“399 der Länder untereinander wirken) die stärksten Akteure in der Umsetzung des StBauFG als Programm.400 Jeweils gegenüber ihren Landtagen und Regierungsfraktionen 394 S.
BVerfGE 39, 96 (121). Lehmbruch (2000), S. 104 ff., „Die Unitarisierung und der Exekutivföderalismus“. 396 Vgl. Hesse/Ellwein, S. 97 ff., „Verwaltungsföderalismus und Politikverflechtung“. 397 Vgl. Kilper/Lhotta, S. 203 ff.; Rudzio, S. 355, „Der deutsche Verbund-Föderalismus“. 398 S. BVerfGE 39, 96 (125). Und weiter: „Dieser Auffassung ist die Bundesregierung in dem Gesetzgebungsverfahren zum Städtebauförderungsgesetz ausdrücklich beigetreten (vgl. die Erklärung des Bundesministers Dr. Lauritzen in der 369. Sitzung des Bundesrates am 9. Juli 1971; StenBer. S. 176). Entsprechend sind sämtliche bisherigen Bundesprogramme einschließlich des Bundesprogramms 1974–1977 im Einvernehmen von Bund und Ländern aufgestellt worden.“ – Die genannte Erklärung findet sich wiedergegeben im vorliegenden § 2, Kap. D.III. – Vgl. weiter als Bestandteil der Problematik um die „Politikverflechtung“ Scharpf (1985), S. 328 m. w. Nachw., der diese Formulierung des BVerfG so interpretiert: „Alle Möglichkeiten des Bundes, mit einem Teil der Länder ‚minimum winning coalitions‘ zu bilden, wurden dann 1975 für die Finanzhilfen […] vollends ausgeschlossen durch ein die Einstimmigkeitsregel festschreibendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts.“ 399 Vgl. Hesse/Ellwein, S. 98 f. 400 Interessant auch die „Innenansicht“ der Landesregierung von Hessen (vgl. LTDrs. HE 9/5854, S. 13): Der „schmale Grat der politischen Einigungsfähigkeit bleibt 395 Vgl.
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konnten sie auftreten mit der Verhandlungssituation derjenigen, die der Abstimmung mit anderen Landesregierungen und dem Bund bereits verpflichtet waren; gegenüber dem Bund und anderen Landesregierungen konnten sie argumentieren, „ihre Landesprogramme“ wären jeweils aufgestellt, austariert und als „geschlossene Pakete“ nur unter weiterführenden Konzessionen verhandelbar.401 Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes als wichtiger Station im Versuch einer Bewertung des StBauFG nach gut 50 Jahren passt die Analyse Korioths: „Die Bedeutung des [Bundesverfassungsg]erichts für die Weiterentwicklung des dynamischen Systems Bundesstaat ist hoch zu veranschla gen.“402 Das hier betrachtete Urteil von 1975 war seiner Lesart zufolge ein erster Höhepunkt einer Phase der „Verrechtlichung des kooperativen Föderalismus“403 und fügte sich im Übrigen ein in eine Phase weithin beachteter Auseinandersetzungen zwischen der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht, die Züge einer manifesten politischen Auseinandersetzung annahmen.404 Auch politikwissenschaftliche Befunde sprachen dem BVerfG die Rolle eines herausragend wichtigen „Vetospielers“ im Regierungssystem der Bundesrepublik zu, um mit den Arbeiten von Manfred G. Schmidt zu sprechen.405 Die deutsche Bundesstaatlichkeit entwickelte sich im (eben auch verfassungsrechtlich bewerteten) Zusammenwirken von Bund und Ländern in der Zeit der 1970er Jahre intensiv und evolutionär, was zum Beispiel Isensee erst einmal neutral analysierte: „Der kooperative Föderalismus bewegt sich nach seinen eigenen pragmatischen Bedürfnissen, ohne sich sonderlich um die kompetenzrechtlichen Trennlinien zu kümmern. Ihm geht es um ökonomische Lösungen, um Synergieeffekte, um administrative Optimierung.“406 […] nur begehbar, wenn die jeweiligen Landesregierungen ihren Initiativbereich von politischen Vorfestlegungen freihalten, Verhandlungsspielräue behalten, kompromißbereit bleiben und nach außen über das Verhalten ihrer Verhandlungspartner Diskretion wahren.“ 401 Ganz in dem Sinne, wie es auch BVerfGE 39, 96 (126) aufgreift: „Grundlage der Beratung sind nur die nach § 72 Abs. 1 und 2 StBauFG aufgestellten und fortgeführten (§ 72 Abs. 1 Satz 2 StBauFG) Programme der Länder. Städtebauliche Projekte, die nicht in den Landesprogrammen enthalten sind, kann der Bundesminister ohne Zustimmung der Länder nicht zum Gegenstand der Beratung machen.“ 402 S. Korioth, S. 393. Vgl. a. Isensee, S. 726, 727. 403 Vgl. Korioth, S. 400–402, der diese Phase bis ca. 1992 andauernd erkannte. Sie war ihm zufolge entscheidend von mehreren Urteilen zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowie Ländern untereinander geprägt. 404 Vgl. Jaeger (1987), S. 58 ff. 405 Vgl. Schmidt (1978, „Filtersysteme“ für die Reformpolitik), (1992, Kap. 3 „Gegengewichte zur Bundesregierung“). 406 S. Isensee, S. 727.
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Diese Sicht der Dinge kann auch die Ambivalenzen im oben dargelegten, doch grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur „Kooperativität“ im Bundesstaat erklären. Dem politisch erklärten Willen von Bund und Ländern, der sich in der Finanzverfassungsreform von 1969 niedergeschlagen hatte, konnte sich auch das Bundesverfassungsgericht nicht verschließen. Als verfassungsrechtliche Frage wurde letztlich nicht das Ob überprüft, sondern die Ausgestaltung und das Ausmaß, also die Konkretisierung im staatsrechtlich-praktischen Bereich: Wie weit reicht das Verbot von Misch- und Mit finanzierungen?407
II. Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 18.8.1976 Bereits zur Zeit des Inkrafttretens des StBauFG galt als ein „besonders schwerwiegender Mangel“ im bestehenden Bundesbaugesetz (BBauG) von 1960, dass „eine Inanspruchnahme von Wertsteigerungen des Grund und Bodens“ durch dessen Systematik generell nicht effektiv verwirklicht werden konnte.408 Nunmehr wurde die Schaffung entsprechender Instrumente im 1971 verabschiedeten StBauFG (s. o. E.III., Ausgleichsleistungen) derart bewertet, dass in dessen Geltungsbereich die Unzulänglichkeiten „beseitigt oder wenigstens entschärft“ worden waren.409 Die Bundesregierung leitete daraus den Auftrag ab, die im StBauFG neu geschaffenen Grundsätze „in das allgemeine Städtebaurecht“ zu übertragen und dadurch die bodenpolitischen Instrumente in den Gemeinden zu verbessern. „Die Steigerung im Kaufwert, die Grundstücken durch Planungen und Investitionen der öffentlichen Hand“ 407 So richtig Deutsch (S. 114) und weiter: „Können Bund und Länder Vereinbarungen darüber treffen, dass in naheliegenden Konstellationen ein Aufgabenverantwortlicher die Erfüllung der Aufgabe dem anderen Kompetenzträger überlässt und sich auf eine Mitfinanzierung beschränkt?“ – Auch die Sicht der Länder war interessant, so z. B. der Landesregierung Hessen (LT-Drs. 9/5854, S. 3): „Von der Verfassung ist das Recht des Gesamtstaates und der Gliedstaaten auf Kooperation lediglich durch die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes sowie durch die bundesstaatlich vorgegebene Eigenstaatlichkeit der Länder begrenzt.“ 408 Vgl. BT-Drs. 7/2496, S. 1; vgl. BT-Drs. 7/3583, S. 57. Dort, im Städtebaubericht 1975, wurde von der „bodenpolitischen Situation der Gemeinden“ und der „Fortentwicklung des gemeindlichen Planungsrechts“ als „dringendstem Problem“ der Reformgesetzgebung gesprochen. – Die mangelhafte Lösungsfähigkeit des BBauG war im Grunde genommen ein „Geburtsfehler“ und dem Gesetzgeber bereits bei dessen Entstehung ab 1958 bekannt, wenn auch natürlich nicht in dem Ausmaß vorhersehbar, welche die Marktentwicklungen ab Mitte der 1960er Jahre annehmen sollte. Vgl. hierzu besonders BT-Drs. 3/336, Begründung, Kap. A.2., S. 56 f. 409 Bisherige Erfahrungen „mit den neuen bodenordnungspolitischen Mitteln und den Vorschriften über die verstärkte Beteiligung der Bürger an Vorbereitung und Durchführung gemeindlicher Planungen“ im StBauFG wurden positiv bewertet, vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 9.
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zufiel, sollte zukünftig „zur Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen herangezogen werden.“410 Ein weiterhin wichtiger Gesichtspunkt war, dass die Regelungen des StBauFG in einer Gemeinde ggf. „neben“ Regelungen des allgemeinen Baurechtes Bestand hatten, zudem zeitlich befristet waren auf die Geltungsdauer der entsprechenden Sanierungssatzung. Dieses Manko sollte durch entsprechende Übernahme der positiv bewerteten StBauFG- Instrumente in das BBauG geändert werden.411 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des BBauG hatte im Wesentlichen zum Ziel, das Planungsrecht der Gemeinden zu verbessern, deren Planungsbefugnisse zu stärken und die kommunalen Möglichkeiten zur Durchsetzung des Planungswillens zu vergrößern. Er war geprägt von dem Leitgedanken, dass sich der Umfang und die Kultur der Bauleitplanung änderten und verstärkt den Anforderungen des modernen Städtebaus Rechnung tragen mussten und sollten; aus diesem Grund sollten „die Gemeinden gleichzeitig zu einer verstärkten Bauleitplanung“ angehalten werden.412 Bei der Aufstellung von Bauleitplänen sollten mit der Novelle des BBauG verstärkt Bereiche des Umwelt- und Landschaftsschutzes oder der Verkehrsplanung unter Berücksichtigung des öffentlichen Personennahverkehrs in das Baurecht einfließen, Inhalte, die heute unter dem Schlagwort der „Nachhaltigkeit“ in der Stadtentwicklung diskutiert würden.413 Ein konkreter Schritt des Bundesgesetzgebers war es z. B., dass die Vorschriften des StBauFG, die dem Erhalt kulturhistorisch bedeutender Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile (§ 10 Abs. 1 StBauFG) gewidmet waren, in das neu gefasste BBauG und das allgemeine Bau- und Bodenrecht übernommen wurden. Den Gemeinden sollten Möglichkeiten gegeben werden, die Belange der Erhaltung durchzusetzen. Als geeignete Mittel hierzu wurde die Entwicklungsplanung (§ 1 BBauG-E) i. V. m. den erweiterten Nutzungsfestlegungen im Bebauungsplan nach § 9 gesehen.414
410 Vgl.
BT-Drs. 7/2496, S. 1. BT-Drs. 7/4793, S. 8. Im Städtebaubericht 1975 hieß es hierzu in gesetzessystematischer Hinsicht: „Das Nebeneinander zweier stark unterschiedlicher Städtebaugesetze hat zu einer Disparität in der städtebaulichen Rechtsordnung geführt, die auf die Dauer aus rechts-, zum Teil auch verfassungs- und kommunalpolitischen Gründen, schließlich auch im Hinblick auf die Gleichgewichtigkeit der städtebaulichen Entwicklung nicht vertretbar ist.“ (Vgl. BT-Drs. 7/3583, S. 57). 412 Vgl. BT-Drs. 7/4793, S. 7, 8. 413 Vgl. BT-Drs. 7/3583, S. 58. In diesem Zusammenhang wäre auch zu nennen das Gesetz zur Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Stadtkerne, das auf Initiative des Landes Schleswig-Holstein entstand, vgl. BT-Drs. 8/896. 414 Vgl. BT-Drs. 7/3583, S. 50. 411 Vgl.
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Durch das schlussendlich verabschiedete Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes415 wurden weitere wichtige Vorschriften des StBauFG in das allgemeine Baurecht des BBauG übernommen. Hierunter fielen u. a. die Über tragung der Plandurchsetzungsgebote, des Sozialplans und der Bürgerbeteiligung, wodurch die entsprechenden Vorschriften des StBauFG zum Teil g egenstandslos bzw. anpassungsbedürftig wurden. Das Änderungsgesetz BBauG formulierte deshalb in Art. 2 § 1 (Folge-)Änderungen des StBauFG und weiterhin in Art. 3 § 13 Überleitungsvorschriften. Im Fazit konnte durch die Novellierung 1976 von einer engeren „Verklammerung von BBauG und StBauFG“ gesprochen werden,416 die bereits Merkmale der späteren Zusammenlegung im BauGB erkennen ließ. Das StBauFG wurde dementsprechend ebenfalls als Neufassung ausgegeben.417 Sie beinhaltete wesentlich folgende Änderungen:418 –– die Vorschriften zur Bodenordnung (§ 16), zum Vorkaufsrecht (§ 17) und zur Enteignung (§ 22) wurden an die geänderten Vorschriften des BBauG angepasst; –– Übernahme des Abbruch-, Bau- und Modernisierungsgebotes in das BBauG (§§ 19–21), damit aus dem StBauFG gänzlich entfallen; –– Streichung der Mieterhöhung bei Modernisierungsmaßnahmen (§ 32); –– Einführung der bereits im BBauG für Erschließungsbeiträge bekannten Freistellung in das Ausgleichsbetragsrecht des StBauFG (§ 41 Abs. 9); –– Erweiterung der Modernisierungsförderung um die Instandsetzung (§ 43); –– Übernahme des gesamten Vierten Teils „städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur“ (§§ 64–70) in den neuen Teil VIIa des BBauG. Eine nähere Darstellung der Novellierung des BBauG kann und soll diese Arbeit aber nicht leisten, denn das Ziel dieses Teils der vorliegenden Arbeit ist es, den geschichtlichen Prozess um die Entstehung des StBauFG vorzustellen. Für die wesentlichen Punkte der BBauG-Novelle muss auf das dementsprechende Material verwiesen werden.419 415 BGBl. I, Nr. 105, 18.8.1976, S. 2221–2255; „Bekanntmachung der Neufassung des Bundesbaugesetzes“, BGBl. I, Nr. 105, 18.8.1976, S. 2256–2317. 416 Vgl. Oestreicher, S. 6. 417 „Bekanntmachung der Neufassung des Städtebauförderungsgesetzes“, BGBl. I, Nr. 105, 18.8.1976, S. 2318–2347 (sowie S. 3617). 418 Vgl. BT-Drs. 7/4793, S. 55 f.; Rechtsvorschriften zur Städtebauförderung, S. 11. 419 Vgl. zum Überblick sehr gut und umfangreich: Berichterstattung des Bundestagsausschusses (BT-Drs. 7/4793), Teil II. (Grundzüge des Gesetzentwurfs) mit den
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Allein der oben bereits thematisierte Bereich der Einbindung von Eigentum, Grund und Boden soll hier in einem kurzen Abriss gewürdigt werden, denn er ist für das Verständnis des weiteren Vorgehens der Arbeit von Bedeutung: Die Ausgleichsbetragsregelungen (§§ 135a ff. BBauG i. d. F. von 1976) wurden in den gesetzgeberischen Arbeiten nicht nur genauso bezeichnet wie im StBauFG 1971, sondern sie sollten diesem auch „systematisch und inhaltlich“ folgen. Hier wie dort sollte für die Stadtentwicklungspolitik „sichergestellt“ sein, dass „Bodenpreissteigerungen und Bodenspekulation eingedämmt werden“ konnten.420 Beansprucht wurde für das BBauG eine höhere Praktikabilität und Verbesserung gegenüber der Vorbildfunktion des § 23 StBauFG. Auf den ersten Blick schien dies jedoch nur in Teilen erreicht worden zu sein, denn durch die Bearbeitung des 15. Bundestagsausschusses war der Entwurf der Bundesregierung um ein vielfaches umfangreicher und komplexer geworden.421 Die Novelle des BBauG sah konkret vor, dass ein vom Eigentümer zu zahlender Ausgleichsbetrag nach Abschluss der Bebauung zur Finanzierung der Infrastruktur herangezogen werden sollte. Der Betrag war auf 50 % der Bodenwertsteigerungen beschränkt, die auf öffentlichen Maßnahmen beruhten; die Wertsteigerung sollte aus dem Unterschied zwischen dem Endwert und dem Anfangswert eines Grundstückes errechnet werden (§ 135a Abs. 2 BBauG-E). Dieser war nach Ansicht der Ausschussmehrheit durch einen beitragsähnlichen, nicht steuerähnlichen Charakter gekennzeichnet.422 SpieUnterpunkten „Bauleitplanung und gemeindliche Planungshoheit“, „Bürgerbeteiligung und Sozialplanung“, „Instrumentarien zur Planverwirklichung“, „Sicherung der Infrastruktur“, „Sicherung der Bauleitplanung“, „Zulässigkeit der baulichen Nutzung/ Bauen im Außenbereich“, „Erweiterung der gemeindlichen Vorkaufsrechte“, „Erleichterung des Enteignungsverfahrens“, „Veräußerungspflichten der Gemeinde“, „Planungsschadensrecht“, „Aufgaben und Organisation der Gutachterausschüsse“. 420 Vgl. BT-Drs. 7/2496, S. 2. – Vgl. BT-Drs. 7/4793, S. 18; mit direktem Bezug zu den §§ 41, 42 StBauFG auf S. 45 f. – Wie die Bundesregierung sah auch die Mehrheit im Bundestagsausschuss aus SPD und FDP in den umstrittenen Regelungen „[…] den eigentlichen Schwerpunkt der anstehenden Fortentwicklung des Bau- und Bodenrechts“ liegen. 421 Vgl. die Synopse E-BReg/E-Ausschuss in BT-Drs. 7/4793, S. 114–121, weiterhin die inhaltlichen Begründungen zu den §§ 135a–m (S. 45 ff.). Allerdings muss der Einwand berücksichtigt werden, dass die Regelungen des BBauG alle abstrakten Anwendungsfälle berücksichtigen mussten und nicht nur die sachlich, zeitlich und räumlich umgrenzte Anwendung im Bereich des StBauFG. 422 Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 18, 274, 287. Der Ausgleichsbetrag war demnach u. a. dadurch gekennzeichnet, dass er keine Kostendeckung für die Aufwendungen der Gemeinde bedeutete, sondern eine Teilleistung erbrachte. Diese Sicht auf die geplante Regelung im BBauG ähnelte der Systematik im StBauFG, in dem die Ausgleichsbeträge ebenfalls Bestandteile zur Deckung der den Gemeinden anfallenden Kosten der Ordnungsmaßnahmen waren.
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gelbildlich hierzu waren als weitere Instrumente vorgesehen, dass die durch Maßnahmen und Leistungen der öffentlichen Hand in bestimmten Gebieten eintretenden Wertsteigerungen bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung nicht berücksichtigt werden sollten, so dass bei der Ausübung eines Vorkaufsrechts eine Herabsetzung des Kaufpreises erfolgen konnte oder in der Umlegung eine Berücksichtigung bei den Umlegungswerten.423 Für das Verständnis des weiteren Werdeganges der Novellierung des BBauG unter diesem Gesichtspunkt, also praktisch dem Versuch der Adoption bodenrechtlicher Regelungen aus dem StBauFG, ist es wichtig zu wissen, dass dieses Reformvorhaben sogar von Bundeskanzler Schmidt als eines der wichtigsten politischen Projekte seiner Bundesregierung bezeichnet wurde. Jedoch war die konkrete gesetzliche Ausgestaltung zwischen allen Parteien im Deutschen Bundestag hoch umstritten, so auch zwischen den Koalitionären aus SPD und FDP. Hatten sich die beiden Partner noch 1972 „in einem streng unter Verschluß gehaltenen Programm verständigt“, die Instrumente der Ausgleichsbeträge des StBauFG in das allgemeine Baurecht zu übernehmen, tat sich die FDP mit diesem Bestandteil der Novelle nunmehr ausgesprochen schwer. Hier, an dieser erklärtermaßen von allen im Bundestag vertretenen Parteien gesehenen Kernfrage des modernen Städtebaus, taten sich wieder grundsätzliche Konfliktlinien auf, die nur eine Zeitlang vom gemeinsam getragenen Willen zur Schaffung des StBauFG überdeckt worden waren. Auch ein erweitertes gemeindliches Vorkaufsrecht widerstrebte dem kleineren Koalitionspartner in Bonn zutiefst, wurde in Teilen doch gemutmaßt, „die meist SPD-beherrschten Städte oder etwa die gewerkschaftseigene ‚Neue Heimat‘ “ könnten „mehr noch als ohnehin schon selbst zu Spekulanten werden“. Lange zumindest bevor die konkreten parlamentarischen Arbeiten begannen, verschärfte sich der Koalitionskonflikt zwischen SPD und FDP und führte zu verschiedenen politischen Lösungsmodellen bezüglich des „Planwertausgleiches“, wie er in der Politik verkürzt hieß.424 Vgl. BT-Drs. 7/4793, S. 45 f.: „Entscheidendes Merkmal für den Beitrag ist die enge Beziehung der Geldleistung zu den Vorteilen, die dem Leistungspflichtigen durch eine ‚Veranstaltung des Gemeinwesens‘ erwachsen.“ 423 Vgl. BT-Drs. 7/4793, S. 19. Vgl. zur Herabsetzung des Kaufpreises bei Ausübung des Vorkaufsrechtes die Begr. zu § 28a (BT-Drs. 7/4793, S. 34), zur Berücksichtigung bei Umlegungswerten die Begr. zu § 60a (S. 41 f.) und zur Enteignungsentschädigung die Begr. zu § 96a (S. 43). 424 Vgl. Der Spiegel, Nr. 48/1973, S. 92 f.; Nr. 29/1975, S. 29 ff. – Noch Kanzler Brandt hatte in seiner letzten Regierungserklärung die Einführung einer „Bodenwertzuwachssteuer“ angekündigt (Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 7. Sitzung. Bonn, 18.1.1973, S. 128). Sie wurde als Projekt von der SPD (und dem SPD-geführten BMin) zwar in Angriff genommen, aber von der FDP nicht mitgetragen; von Bundeskanzler Schmidt wurde bereits 1974 verkündet, dass die Arbeit an diesem Steuermodell in der 7. Legislaturperiode nicht mehr zum Ab-
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Diesen erkennbaren Schwachpunkt, ja Koalitionskonflikt in der Regierungsmehrheit nutzte die Opposition aus CDU und CSU weidlich. Sie setzte auf ihre inhaltliche und konzeptionelle Alternative einer steuerrechtlichen Abschöpfung von „Bodenwertzuwächsen“ und schlug alternativ eine Lösung auf Basis einer aufgestockten Grundsteuer und einer zeitnahen Einheitsbewertung für neue Bebauungsplangebiete vor. Weiterhin sollten durch eine Verlängerung der „Spekulationsfrist“ im Einkommensteuergesetz realisierte Gewinne über die Einkommensteuer erfasst werden.425 CDU und CSU lehnten jedenfalls sowohl im Ausschuss als auch im Bundestag das Ausgleichsbetragskonzept konsequent ab,426 sehr wohl wissend, dass auch die FDP aus ordnungspolitischen Gründen lieber eine „Steuerlösung“ gesehen hätte.427 Über die Zustimmungspflichtigkeit der Novelle kam es im weiterhin CDU-dominierten Bundesrat im April 1976 zur Anrufung des Vermittlungsausschusses.428 Zum politischen Erfolg der Opposition im Bund wurde auch tatsächlich, dass die sehr umfangreichen und detaillierten, gleichwohl grundsätzlich konfliktgeladenen Vorarbeiten zur Änderung des BBauG in der Frage der Ausgleichsbeträge scheiterten.429 Eine Einigung oder Annäherung zwischluss gebracht werden sollte, vgl. Der Spiegel, Nr. 29/1975, S. 29. – Getrennt von der Frage der steuerlichen Abschöpfung ließ der Bund untersuchen, wie eine „Rechtsfortbildung im Bereich des Erschließungsbeitragswesens“, auch unter Beachtung des föderal ausdifferenzierten Landesabgabenrechts gestaltet werden könnte, vgl. Beitragsrecht Aufschließungsmaßnahmen (Kap. 1.1.). 425 Vgl. BT-Drs. 7/4793, S. 18. Nach Auffassung von SPD/FDP war das „Steuermodell“ nicht umsetzbar, weil kein belastbares Bewertungsrecht zur Verfügung stand. Weiterhin dienten Ausgleichsbeträge einer bodenpolitischen Konzeption in den Gemeinden, keiner fiskalpolitischen Zielsetzung. 426 Vgl. BT-Drs. 7/4793, S. 18; vgl. BT-Drs. 7/4850, S. 1. Dem hat der Vermittlungsausschuss nicht entsprochen (BT-Drs. 7/5204). 427 Vgl. Der Spiegel, Nr. 18/1976, S. 30 f., demzufolge dies FDP-Bundesparteitagsbeschluss war. 428 Vgl. BT-Drs. 7/5059, S. 6: „Die vorgesehene abgabenrechtliche Regelung begegnet vor allem aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der Praktikabilität so schwerwiegenden Bedenken, daß sie insgesamt abgelehnt werden muß.“ – Weiterhin: „Der Bundesrat wendet sich auch gegen den unvertretbaren hohen Verwaltungsaufwand, den das vorgesehene Verfahren verursachen würde. Der Personalaufwand wird außer Verhältnis zum Aufkommen der Ausgleichsbeträge stehen. Das Nebeneinander von Ausgleichsbetrag und Erschließungsbeitrag führt zu einer weiteren Komplizierung, die den ohnehin hohen Verwaltungsaufwand noch vergrößert.“ (S. 7) – Sowie: „Die Vorschriften über den Ausgleichsbetrag und die weiteren Vorschriften, die auch nach der Konzeption des Gesetzes im untrennbaren Zusammenhang mit den Vorschriften über den Ausgleichsbetrag stehen, müssen deshalb gestrichen werden.“ (S. 7). 429 Vgl. Kurzprotokoll der 35. Sitzung des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrates am 13.5.1976. Protokoll Nr. 35 (7/1972), TOP 2 bzw. S. 25.
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schen den gegensätzlichen Standpunkten von Bundestag und Bundesrat war nicht möglich gewesen mit der darauf folgenden Verständigung, „den Planwertausgleich aus dem vorliegenden Gesetz zu streichen und auch die steuerrechtlichen Änderungen“ nicht weiter zu verfolgen. Die hierzu gehörigen gegenseitigen Schuldzuweisungen waren politischer Natur. Im Ergebnis wurde der Versuch einer Lösung der anstehenden Fragen auf die nächste Legislaturperiode vertagt, die sich zu diesem Zeitpunkt mit der Bundestagswahl im Oktober 1976 bereits überdeutlich ankündigte.430 Im Ergebnis galt festzuhalten, dass das Gesetz zur Änderung des BBauG 1976 keine originäre Novellierung des StBauFG war. Es griff vielmehr die Einschätzung und Konzeption aus dessen Entstehungsgeschichte auf, dass es in der Bundesrepublik zu grundlegenden bodenpolitischen Reformen kommen musste, um einer Städtebaupolitik sowohl im „sanierungsrechtlichen Sonderfall“ als auch im Zusammenhang mit dem „allgemeinen Städtebaurecht“ wirtschaftlich tragfähige Lösungsmöglichkeiten zu ermöglichen. Interessant war für den vorliegenden Zusammenhang also, dass wichtige Aspekte des StBauFG (wie auch seiner Entstehungsgeschichte) in das allgemeine Baurecht zwar hineinwirkten, sich aber einstweilen auf Grund der politischen Konstellation zu Mitte der 1970er Jahre nicht durchsetzen konnten. Das StBauFG blieb ein „Teilkompromiss“ auf dem Weg zu einer weiteren und umfassenderen BBauG-Novellierung. Die politischen Koalitionen und Verständigungen, welche die Entstehungsphase des StBauFG in hohem Maße geprägt hatten, formierten sich über diese Frage teilweise neu.
III. Die „Beschleunigungsnovelle“ vom 13.7.1979 Im September 1978 begannen auf Initiative der Bundesregierung die parlamentarischen Arbeiten zum „Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht“.431 Anders als der Titel auf den ersten Blick vermuten ließ, umfasste es schwerpunktmäßig eher das BBauG, als dass es eine Novellierung des StBauFG war. Nach wie 430 Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 245. Sitzung. Bonn, 20.5.1976, S. 17376 (Zitat), 17378, 17381. Beim BMin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau wurden hiernach zwei „Sachverständigengremien“ eingesetzt, die sich mit Problemen der Reform des Bodenverkehrsrechtes sowie des Bodenordnungsrechtes befassten. Jedoch wurde bereits im Dezember 1978 in Aussicht gestellt, dass es zu neuen Gesetzentwürfen zur Änderung des BBauG auch in der 8. Legislaturperiode nicht mehr kommen sollte (vgl. BT-Drs. 8/2451, S. 15). 431 Zugeleitet dem Bundesrat als Drs. 446/78 vom 29.9.1978. Eingebracht in den Bundestag (zusammen mit den Stellungnahmen von Bundesrat und BReg) als BTDrs. 8/2451 vom 29.12.1978. Verkündet: BGBl. I, Nr. 37, 13.7.1979, S. 949 ff.
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vor sprachen beide Gesetze unterschiedliche städtebaurechtliche Sachverhalte an und verkörperten so immer noch die Parallelität von allgemeinem und speziellem Städtebaurecht. Im Kern ging es der Bundesregierung darum, „Maßnahmen zur Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens sowie zum Abbau von Investitionshemmnissen im Baubereich“ in beide bereits bestehenden Gesetze einzuarbeiten. Dies geschah nicht zuletzt „im Zusammenhang mit dem ungünstigen Verlauf der Baukonjunktur im Jahre 1977“ und wies insofern einen direkten Zusammenhang zu den hier in § 3 B. beschriebenen Konjunkturpolitiken auf Bundesebene auf.432 So sollten im BBauG u. a. die Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen (z. B. Zustimmungs- und Genehmigungsbedürfnisse) vereinfacht und beschleunigt werden ebenso wie diejenigen für Baugenehmigungsverfahren. Gesetzestechnisch wurden auch durch die sog. Beschleunigungsnovelle hauptsächlich Regelungen des BBauG geändert.433 Diese wiesen zwar etliche Anknüpfungspunkte und Rückkopplungen an das StBauFG auf, müssen als gesetzgeberische Arbeiten für die hier vorliegende Arbeit aber außer Acht bleiben. Wohl wäre eine nähere Behandlung im Kontext vertretbar und tlw. auch erkenntnisführend, würde aber ihren Zielen und ihrer Abgrenzung widersprechen.
432 Vgl. BT-Drs. 8/2885, S. 1 f. (A. Problem), vgl. BT-Drs. 8/2451, S. 13 (A.1.). Der Gesetzgeber wies an mehreren Stellen darauf hin, dass er nur einen „begrenzten Beitrag zur Entbürokratisierung und Vereinfachung von Verfahren im Städtebau leisten“ konnte. Er erwartete von den Bundesländern und Gemeinden zielgerichtete Maßnahmen, die im Bauordnungsrecht und Vollzug des Baurechtes ebenfalls zu Beschleunigungen und Erleichterungen im Städtebau führen sollten. Gleichwohl war sein Ziel, möglichst zügig durch die parlamentarischen Arbeiten zu kommen (BT-Drs. 8/2885, S. 31). Mit einer Bearbeitungszeit von nicht ganz einem halben Jahr im Bundestag und seinen Ausschüssen konnte dies als erreicht angesehen werden. 433 Einen konzisen Überblick über die Arbeiten zu dieser BBauG-Novelle bietet der Punkt „4. Beratungsergebnisse zur Beschleunigungsnovelle“ in BT-Drs. 8/2885, S. 32–36. Hier nur die Überschriften als Stichworte: „Vereinfachte und beschleunigte Aufstellung von Bauleitplänen“ (4.1), „Erleichterung der Teilinkraftsetzung von Flächennutzungsplänen“ (4.2), „Parallelverfahren, vorzeitiger Bebauungsplan“ (4.3), „Gerichtliche Entscheidungen über die Unwirksamkeit von Bauleitplänen und deren Folgen“ (4.4), „Erleichterung des Bodenverkehrs“ (4.5), „Erleichterung und Beschleunigung der Baugenehmigungsverfahren“ (4.6), „Beschleunigung der Baulandumlegung“ (4.7), „Erleichterung und Fortentwicklung der Grenzregelung“ (4.8), „Änderung des Erschließungsrechts“ (4.9), „Errichtung der Gutachterausschüsse bei kreisangehörigen Gemeinden“ (4.10) sowie „Heilung mangelhafter Bauleitpläne“ (4.11). Dem letztgenannten Punkt wurde eine hohe Praxisrelevanz sowohl im allgemeinen Baurecht als auch dem StBauFG zugesprochen.
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Die Änderung folgender Vorschriften konnte für das StBauFG als relevant erachtet werden:434 –– Änderungen der Vorschriften über die Vorbereitenden Untersuchungen (§ 4 StBauFG). Die Novellierung sollte ein Übermaß an Formalisierung und bürokratischen Anforderungen im Vorfeld bzw. der Frühphase der Maßnahmen gem. StBauFG vermeiden. Die Untersuchungen sollten sich zeitlich flexibler in den Praxisablauf der Sanierungsplanungen einfügen können;435 –– Erleichterung des Einsatzes der Städtebauförderungsmittel (Einsatz von Sanierungsförderungsmitteln, Kosten der Vorbereitung der Sanierung und Modernisierungsmaßnahmen, Sonstige Kosten der Sanierung (§§ 39, 40 und 43, 44)); –– Einführung der Ablösung des Ausgleichsbetrags im Ganzen bereits vor Abschluss der Sanierungs- bzw. Entwicklungsmaßnahmen sowie Einführung des vorgezogenen Abschlusses von Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen bei einzelnen Grundstücken (§§ 41, 50, 63). –– Befreiung der Durchführungsvorschriften von diversen redundanten Engführungen und formalen Voraussetzungen im Interesse einer zügigen Durch führung (§§ 8, 10, 38). Der Gesetzgeber selbst ordnete die Novelle einem technisch-administrativen Bereich zu, der „in erster Linie Verfahrensvorschriften für den internen Verwaltungsvollzug“ betreffen sollte und „keine grundlegenden Fragen materiellen Baurechts zum Gegenstand“ hatte.436 Im Schwerpunkt traf diese Einschätzung zu; jedoch zeigten die Aktivitäten um die Beschleunigungsnovelle einmal mehr, dass es 1978/79 nicht nur um eine verwaltungspolitische Abrundung des Städtebaurechts ging, sondern sich auch konzeptionelle Weiterentwicklungen des Städtebaurechtes ankündigten. Dies wurde nicht nur an den „ausgeklammerten“ Arbeiten zu den §§ 34 und 35 BBauG deutlich, sondern auch an der Initiative von CDU und CSU zu den sog. „vereinfachten städtebaulichen Erneuerungsverfahren“. 434 Vgl. BT-Drs. 8/2451, S. 1 f.; 8/2885, S. 36 f.; Rechtsvorschriften zur Städtebauförderung, S. 11. Die „Beschleunigungsnovelle“ enthielt darüber hinaus Klarstellungen (u. a. § 53 i. V. m. § 62 StBauFG) und Ergänzungen zum Gesetzestext und eine neue Überleitungsvorschrift (§ 95a). 435 Vgl. BT-Drs. 8/2451, S. 34 f.; 8/2885, S. 47. 436 Vgl. BT-Drs. 8/2885, S. 32. Als Ausnahmen mit politisch strittigerem Charakter wurden die Beratungen zu den §§ 34 und 35 („5. Erweiterung des Bauens im Innen- und Außenbereich“, S. 37 f.) genannt (vgl. hierzu auch den eigenständigen Gesetzentwurf von CDU/CSU, BT-Drs. 8/1970). Nach Auskunft des BT-Ausschusses sind indes die Beschlussempfehlungen für fast alle Bestimmungen und auch für die Gesamtempfehlung einstimmig ergangen (S. 32).
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Im Laufe der Beratungsverfahren im Bundestagsausschuss hatte die Op position einen Vorschlag der Fachkommission „Städtebauförderung“ der ARGEBAU aus den Bundesländern aufgegriffen und ein vereinfachtes städtebauliches Erneuerungsverfahren vorgeschlagen, das Maßnahmen „ ‚mittlerer Intensität‘ zwischen Wohnungsmodernisierung einerseits und städtebaulicher Sanierung andererseits unter Einbeziehung des Wohnumfeldes“ schaffen wollte. In der Summe war dieser Vorstoß mit der Regierungsmehrheit abgelehnt worden, jedoch nicht aus inhaltlichen Gründen.437 Bereits im September 1978 hatte die Bundesregierung in einer parlamentarischen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass sie künftige Maßnahmen „mittlerer Intensität“ nicht nur für erforderlich hielt, sondern hier auch ein „weites Feld von Gestaltungsmöglichkeiten“ sah.438 Im Vordergrund standen 1979 jedoch eindeutig Überlegungen, das Gesetzgebungsverfahren zur Beschleunigungsnovelle nicht „mit Grundsatzfragen“ zu überfrachten und dadurch eine zügige Verabschiedung zu gefährden.439 Zweierlei wurde an diesem Punkt sichtbar: einmal drängten, dies konzedierten alle politischen Kräfte im Deutschen Bundestag, wieder konzeptionelle und gesetzgeberische Grundlagenarbeiten am StBauFG in den Vordergrund, weil sich städtebaupolitische Zielsetzungen geändert hatten und sich eine veränderte Kultur der städtebaulichen Ansprüche und Voraussetzungen offenbarte, die nicht oder nur zum Teil durch gesetzestechnische Korrekturen abgefangen werden konnte.440 Dies fand seinen Ausdruck am besten bereits in der Begrifflichkeit der „Maßnahmen mittlerer Intensität“, die vor allen 437 Vgl. Koopmann (1983), dem zufolge sich die Kommunen für „Maßnahmen mittlerer Intensität“ als Novellierungsinhalt einsetzten (Kap. 5, mit weiterführenden Literaturhinweisen). Sein Fazit: „Damit hat[te] der Erhaltungsgedanke bei den Novellierungsüberlegungen deutlich Pate gestanden.“ – Vgl. BT-Drs. 8/2085, S. 10 f. Grundsätzlich: Stadterneuerung mittlerer Intensität. 438 Vgl. BT-Drs. 8/2085, S. 10 f.: „Vor dem Hintergrund einer reduzierten Neubautätigkeit in den Stadtzentren setzt sich in den Kommunen zunehmend die Erkenntnis durch, daß sich mit Sanierungsgebieten nach dem Städtebauförderungsgesetz allein der ‚Problemstau‘ in den Altbauquartieren nicht auflösen läßt. In dem Maße, wie die Modernisierung der Wohnungen und Gebäude in den Mittelpunkt staatlicher Wohnungspolitik und -förderung rückt, wird von der kommunalen Planungspraxis in der Koordinierung von Modernisierung und Wohnumfeldverbesserung eine notwendige Ergänzung zu den auf wenige städtische ‚Inseln‘ beschränkten Erneuerungsmöglichkeiten nach dem Städtebauförderungsgesetz gesehen.“ Vor allem zwei Elemente sollten daher im Vordergrund stehen (S. 10): „a) die Förderung von umfassenden und zusammenhängenden Aus- und Umbaumaßnahmen (Intensivmodernisierung) im älteren Althausbestand, b) eng verknüpft damit städtebauliche Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes.“ 439 Vgl. BT-Drs. 8/2885, S. 39 („7. Vereinfachtes städtebauliches Erneuerungsverfahren“). 440 Vgl. u. § 4 A.I.4.
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Dingen auf Wohnumfeldverbesserungen in Altbaubeständen abzielten, unter gezielter Einbeziehung z. B. als positiv bewerteter Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung.441 Zweitens wurde durch diese im Konsens beschlossene Vertagung442 noch einmal deutlich, dass das StBauFG nicht als Gesetzes materie zu begreifen war, die unter rein städtebaulichen Gesichtspunkten, also raumordnerischen, boden- oder baupolitischen Gesichtspunkten Beachtung finden musste. Dass grundsätzliche Arbeiten gemeinschaftlich zurückgestellt wurden, um zunächst einmal den Gesetzesvollzug zu beschleunigen, verdeutlichte, wie sehr auch Wirtschaftspolitik in die Städtebaupolitik einfloss, um steuernd „auf den Verlauf der Baukonjunktur“ und eine „Verstetigung insbesondere der öffentlichen Baunachfrage“ einzuwirken.443
IV. Das „Gesetz zur Änderung des Städtebauförderungsgesetzes“ vom 5.11.1984 Obwohl die Schaffung des BauGB als große Reform im Baurecht für die achte Legislaturperiode des Bundestages angekündigt worden war, erfolgte noch 1984 ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des StBauFG.444 Das Gesetz sollte an veränderte Problemlagen und Aufgabenstellungen der städtebaulichen Erneuerung angepasst werden und im höheren Maße private Investitionen im Städtebau ermöglichen bzw. erleichtern.445 Der Gesetzentwurf griff in einem Schwerpunkt die oben skizzierten, „offen gebliebenen“ Vorhaben aus den vorangegangenen Novellen auf, namentlich die seinerzeit bereits aus den Reihen der Bundesländer sowie von CDU und CSU im Bundestag vorgeschlagenen Möglichkeiten zur vereinfachten 441 Vgl. BT-Drs. 8/3137, S. 9. – Rechtspolitisch kam von Koopmann (1983) der durchaus interessante Gedanke, das StBauFG zusammen mit der (energetischen, steuerrechtlichen) Modernisierungsförderung dieser Zeit zusammenzulegen und von einem „vorrangig wohnungswirtschaftlich-wohnungspolitische[n] Ansatz der Modernisierungsförderung“ zu einer „mehr kommunalpolitisch-städtebauliche[n] Aufgabenstellung“ zu finden (S. 121). Hier hätte ein durchaus innovativer Ansatz entstehen können, stadtentwicklungspolitische Ziele mit denen der Eigentumsförderung und der Mobilisierung privaten Kapitals zu verbinden. Unabhängig von dieser politisch zu beantwortenden Frage hatte er aus kommunalwissenschaftlicher Sicht Recht mit der Feststellung, dass es für die „alten Städte“ – dies musste indes für alle Sanierungsgemeinden Gültigkeit haben – „besonders wichtig [war] zu wissen, in welchem Verhältnis künftig Neubau- und Bestandspolitik zueinander stehen werden.“ (S. 120). 442 Vgl. BT-Drs. 8/2885, S. 4 („Beschlußempfehlung“, 4.c). 443 Vgl. insbesondere BT-Drs. 8/2085, Nr. 13, 15. 444 Vgl. Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 10/1013, S. 13. Anders als bei den beiden Novellierungen aus den 1970er Jahren waren in diesem Fall daher keine Novellierungen des BBauG mehr vorgesehen. 445 Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 1.
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städtebaulichen Erneuerung.446 Noch zuvor hatte im April 1983 die Fachkommission „Städtebauförderung“ der ARGEBAU gar einen kompletten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des StBauFG nebst Begründung beschlossen, der neben wesentlichen inhaltlichen Änderungen auch eine redaktionelle und systematische Überarbeitung des StBauFG enthielt. Mit Blick auf die von der Bundesregierung bereits zu dieser Zeit in Aussicht gestellte Komplettüberarbeitung des gesamten Städtebaurechts empfahl jedoch die Ministerkonferenz der ARGEBAU lediglich eine „Kurznovelle“ des StBauFG. Sie sollte möglichst bald in Kraft treten. Aus diesen Vorarbeiten zur sog. „Kurznovelle“ folgte schließlich die Änderung des StBauFG von 1984.447 Es lag weniger an den neuen Mehrheiten im Bund, d. h. der seit Oktober 1982 von CDU und CSU geführten Koalition mit der FDP, dass ein neuerlicher Anlauf zur inhaltlichen Weiterentwicklung genommen wurde, sondern an einem klarer erkennbaren städtebaulich-kulturellen Wandel.448 Veränderte Zielsetzungen im Bereich der Stadterneuerung drängten seit Mitte der 1970er Jahre immer stärker in den Vordergrund. Der Bundesrat benannte die Aufgaben, die er verstärkt auch im StBauFG einer Lösung zuführen wollte, mit prägnanten Stichworten: „Wohnumfeldverbesserung, Verkehrsberuhigung, Stellplatzbeschaffung, Modernisierung, Instandsetzung, Baulücken schließung, Ersatzwohnungsbau, Erhaltung historischer Stadtkerne sowie Verbesserung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse z. B. in Gemengelagen.“449 Der Sanierungsbegriff des zu der Zeit geltenden StBauFG wurde nach Auffassung der Länder diesen Aufgaben nicht mehr gerecht und „als zu eng empfunden“;450 insbesondere „vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung 446 Vgl. LT-Drs. SH 10/1041, Kap. 9.1 – Am 31.5.1979 hatte der Bundestag eine entsprechende Entschließung gefasst, die die o. g. Punkte aufgegriffen hatte, vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 8. Wahlperiode, 157. Sitzung. Bonn, 31.5.1979, S. 12586. 447 Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 7 (Punkte e), f), g)). 448 Vgl. u. § 4 A.I.4.; vgl. weiterhin Städtebauförderung (1982), S. 13. 449 Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 7 f. 450 Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 8: „Die Entwicklung der Erneuerungstatbestände läßt die Wirkungsgrenzen des bisherigen Gesetzes deutlich werden.“ – „Seit Jahren ist […] die […] Ausweitung der Erneuerungstätigkeit in der Praxis festzustellen. Für die Erfüllung dieser Aufgaben ist die Anwendung des gesetzlichen Instrumentariums nicht in jedem Falle erforderlich. Dieses wird vielmehr von den Gemeinden nur ‚mitgeschleppt‘, um in den Genuß von Städtebauförderungsmitteln zu kommen.“ – „Durch die enge Verkopplung von Erneuerungsmaßnahmen und ‚automatischer‘ Geltung des besonderen Bodenrechts des Städtebauförderungsgesetzes sowie die Verklammerung mit einem besonderen Förderungsverfahren wird für viele Gemeinden eine zu hohe Schwelle für die Einleitung von Stadterneuerungsmaßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz gesetzt.“ (S. 9) – Aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht war auch interessant der Hinweis zu den gemeinsamen Verwaltungsvorschriften von Bund
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von Sanierungstatbeständen“ wurden als Desiderat angeführt. Es sollten in den Wirkungsbereich des StBauFG künftig also Gebiete einbezogen werden, „in denen problematische Entwicklungen absehbar“ waren – eine deutliche Abkehr also vom Wortlaut des Gesetzes, der bestehende städtebauliche Missstände voraussetzte.451 Auch der neue Wirkungsbereich des StBauFG sollte nach den Vorstellungen des Bundesrates von den Finanzhilfen und Mitteln des Bundes gem. Art. 104a GG dem Grunde nach erfasst und gefördert werden.452 Aus gesetzgeberischer Sicht war weiterhin interessant, dass das Motiv der Wirtschaftsförderung und Konjunktursteuerung im Städtebau auch nach dem Regierungswechsel 1982 deutlich benannt wurde, besonders vom initiierenden Bundesrat. „Stadterneuerung“ war demnach nicht nur eine „innenpolitische Aufgabe von herausragender Bedeutung“, die, so die Einschätzung, „im Laufe des nächsten Jahrzehnts“ mit ihren Aufgaben noch an Gewicht gewinnen sollte. Von Stadterneuerungsaufgaben gingen nach Feststellung der Bundesländer erhebliche wirtschafts- und wachstumspolitische Wirkungen aus. Der dabei konstatierte Investitionsbedarf war nach dieser Lesart immens: „Bis zum Jahr 1990 wurde der Stadterneuerungsbedarf von den Gemeinden auf rd. 190 Mrd. DM geschätzt.“453 Die Vertretung der Länder beim Bund konstatierte 1984 sogar einen „Investitionsstau“ (!) im Bereich des Städtebaus (bei „aller positiven Bewertung der bisherigen Bemühungen“) und sprach in diesem Bereich von „Zukunftsaufgaben mit dem höchsten Bedarfs zuwachs.“454 Gegenüber den 1970er Jahren war jedoch ein signifikanter Unterschied in der Motivation zu diesem Bekenntnis deutlich erkennbar: hervorgehoben wurden nunmehr viel stärker die (vermuteten oder gemessenen) direkten und indirekten „volkswirtschaftlichen Multiplikatoreffekte“, die von den Maßnahmen des StBauFG ausgehen sollten. Städtebaupolitik wurde, zumindest unter neuen politischen Mehrheiten und Leitbildern Mitte der 1980er Jahre, als besonders geeignetes Instrument gesehen, um private Investitionen im Wirtschaftskreislauf zu generieren. Sie sollte keine zuvorderst staatlich finanund Ländern, die bis 1981 gegolten hatten: „Mit der StBauVwV [bzw. StBauFVwV] sind die Förderungsvorschriften des Städtebauförderungsgesetzes formell zwar lediglich interpretiert, inhaltlich jedoch bereits weiterentwickelt worden.“ (S. 9). – Eine Änderung des StBauFG war „allein schon deshalb geboten, um die gesetzlichen Vorschriften der bisherigen Förderungspraxis anzupassen.“ (S. 9). 451 Vgl. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 1. 452 Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 10 (Punkt a)), S. 11 (zu Nummer 1). 453 Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 8. 454 Dieser Einschätzung sekundierte auch die BReg und benannte dabei eine Bedarfserhebung „im Auftrag des Deutschen Städtetages“ als Quelle (vgl. BT-Drs. 10/1506, S. 30).
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zierte Aufgabe mehr sein, sondern eine „öffentliche Vorleistung“.455 Dies war im Motivbündel zum Änderungsgesetz 1984 an mehreren Stellen erkennbar und insofern eine anders eingefärbte oder anders austarierte Fortsetzung der durch die „Beschleunigungsnovelle“ 1979 eingeleiteten Arbeiten.456 Im Gesetzgebungsverfahren zur Novelle 1984457 waren die wesentlichen Ergebnisse für das StBauFG: –– Neu eingeführt wurde das sog. „vereinfachte Verfahren“, mit dem die Gemeinde das Sanierungsverfahren auch ohne Anwendung der besonderen bodenrechtlichen Bestimmungen des StBauFG durchführen konnte.458 (§ 5 Abs. 1 Satz 4 StBauFG). Demnach konnten in der Sanierungssatzung die Anwendung der §§ 6, 15 bis 23, 41 Abs. 4–11 und § 42 ausgeschlossen werden, wenn sie für die Durchführung der Sanierung nicht erforderlich waren. –– Die Verpflichtung der Gemeinde in § 10 StBauFG, für die Neugestaltung des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes einen Bebauungsplan i. S. d. § 30 BBauG aufzustellen, wurde ersatzlos aufgehoben. Nach Auffassung des Gesetzgebers war eine Aufrechterhaltung zur Pflicht einer umfassenden „Aufstellung von qualifizierten Bebauungsplänen flächendeckend für alle Sanierungsgebiete nicht sachgerecht“ bzw. erforderlich, vor allem bei bestandsorientierten Sanierungsverfahren.459 Der zuständige Bundestagsausschuss wies in seiner zentralen Stellungnahme darauf hin, dass die „Verpflichtung der Gemeinden, nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 des Bundesbaugesetzes, ‚Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich [war]‘, […] von der Streichung des § 10 StBauFG unberührt“ blieb.460 Insofern wies der Gesetzgebungsprozess auch in dieser Novelle bereits in die angehende Richtung, StBauFG und allgemeines Baurecht zusammenzuführen. Die Erfor455 Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 8: „Diese hohen Anstoßeffekte unterstreichen die Bedeutung der Stadterneuerung als Instrument der Konjunktur-, Struktur- und Wachstumspolitik. Es stehen ausreichend planerisch vorbereitete städtebauliche Maßnahmen mit mittel- und langfristig wirksamen Investitionen zur Durchführung an.“ – „Das Förderungsrecht ist bisher nicht ausreichend auf den Anreiz privater Investitionen und Selbsthilfe ausgerichtet.“ (S. 9) – Zustimmend 16. BT-Ausschuss im Gesetzgebungsverfahren (federführend), BT-Drs. 10/2039, S. 8 f. 456 Vgl. hierzu auch die entsprechenden Ergebnisse unten, Kap. § 3 B.II.2. 457 Vgl. BGBl. I, Nr. 46., 5.11.1984, S. 1321–1322. 458 Vgl. BT-Drs. 10/2039, S. 9 (Nr. 1). 459 Vgl. LT-Drs. SH 10/1041, S. 14. 460 Vgl. BT-Drs. 10/2039, S. 10 (Nr. 2). In diesem Punkt war auch ein abweichendes Votum der Fraktion der SPD zu verzeichnen, die an der Pflicht zur Aufstellung von Bebauungsplänen gem. StBauFG festhielt. Inwieweit dies aus kommunalrecht lichen Gründen stichhaltig war, mag dahingestellt bleiben.
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derlichkeit zur Aufstellung von qualifizierten Bebauungsplänen sollte sich künftig nach den allgemeinen Erfordernissen des BBauG bemessen. Diese Neuerung hatte eine spürbare Stärkung der kommunalen Entscheidungskompetenzen und Selbstverwaltung zur Folge, aber auch eine Erleichterung: denn die Aufstellung von Bebauungsplänen war und ist eine umfangreiche, zeit- und kostenintensive Aufgabe.461 –– In § 15 StBauFG wurde der Absatz 5a eingefügt, demzufolge die Gemeinde für bestimmte Fälle genehmigungspflichtiger Vorhaben und Rechtsvorgänge nach § 15 Abs. 1 und 2 die Genehmigung für das Sanierungsgebiet oder Teilgebiete des Sanierungsgebiets allgemein und also losgelöst von der Einzelfallgenehmigung erteilen konnte. Hierin sah der Gesetzgeber eine Erleichterung des Verfahrens und eine Vermeidung von Verfahrensverzögerungen.462 –– Durch Einführung des § 41 Abs. 8a StBauFG konnte die Gemeinde von der Festsetzung von Ausgleichsbeträgen absehen, wenn nur eine geringfügige Bodenwerterhöhung festzustellen war oder der Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig hoch zu möglichen Einnahmen war. Es handelte sich bei dieser Neuregelung also um eine Bagatellklausel. Nicht erreichen konnte der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren, die Schwelle für den Geltungsbereich des StBauFG auch im Wortlaut des Gesetzes herabzusenken. Das StBauFG sollte nicht erst bei Vorliegen von städtebaulichen Missständen greifen, sondern die Gemeinde bereits bei „städtebaulichen Mängeln“ verpflichten. Diese Neuformulierung wurde sowohl von der Bundesregierung als auch dem 16. Bundestagsausschuss abgelehnt.463 Erstere sprach sich dagegen aus, da die Bundesförderungen hierdurch auf Maßnahmen ausgedehnt worden wären, „die bislang von den Ländern und Gemeinden finanziert wurden“, mithin eine Ausweitung der Mischfinanzierungstatbestände bedeutet hätte. Der Ausschuss sprach sich, auch vor dem Hinter461 Vgl. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 11: „Die bis zur StBauFGNovelle von 1984 verbindlich vorgeschriebene Bebauungsplanung (§ 10 a. F.) in den Sanierungsgebieten hat einen beträchtlichen Umfang erreicht. Im Durchschnitt liegen für ein Gebiet drei Bebauungspläne vor, die jeweils 80 % der Gebietsfläche abdecken. In knapp 70 % der Sanierungsgebiete sind Bebauungspläne die planungsrechtliche Grundlage für Vorhaben. Der Sanierungsbebauungsplan hat in erster Linie die Funktion der langfristigen Nutzungssicherung. Die Gemeinden bewerten die Bebauungsplanung in Sanierungsgebieten insgesamt positiv und werden diese auch künftig im erforderlichen Umfang einsetzen, ohne daß die Verpflichtung des früheren § 10 StBauFG besteht. Neben bzw. anstelle von Bebauungsplänen spielen in mehr als der Hälfte der Gebiete inzwischen städtebauliche Rahmenpläne für die Steuerung der Gebietsentwicklung eine Rolle.“ Vgl. weiterhin Gaentzsch, S. 376 f. 462 Vgl. BT-Drs. 10/2039, S. 11 (Nr. 3). 463 Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 13, vgl. BT-Drs. 10/2039, S. 11 f. (IV.1).
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grund der bereits angekündigten BauGB-Reform, gegen eine solche Änderung des StBauFG aus, da er den „Mißstandsbegriff des geltenden Rechts [als] hinreichend offen gegenüber sich verändernden städtebaulichen Aufgabenstellungen“ und Sanierungsszenarien erachtete. Die „Ziele und die Eingriffsintensität bei der Sanierung“ waren demnach vornehmlich „in der von der Gemeinde nach § 8 Abs. 1 StBauFG erstellten Sanierungskonzeption zu bestimmen“. Interessant war in diesem Zusammenhang die vom Ausschuss dokumentierte übereinstimmende Auffassung, welch breit aufgefächerten Tatbestände bereits von der 1984 gesehenen Sanierungspraxis und dem Wortlaut des StBauFG als gesichert umfasst angesehen wurden.464 Dies zeigte einmal mehr, wie inhaltlich vielseitig das Politikfeld Städtebaupolitik tatsächlich war und dass es weder in seinen Ursprüngen noch in seiner praktizierten Ausführung jemals nur die „Kahlschlagsanierung“ verfallener Altstädte zum Thema hatte.465
V. Eingliederung des StBauFG in das Baugesetzbuch (BauGB) durch Gesetz vom 8.12.1986 Den Schlusspunkt des gesetzlichen Werdeganges des StBauFG stellte 1986 die Einfügung in das neu geschaffene Baugesetzbuch (BauGB) dar.466 Mit diesem gesetzgeberischen Akt wurden konzeptionelle Arbeiten abgeschlossen, die bis in die Entstehungsphase des BBauG, also die 1960er Jahre, hineinreichten.467 Das Städtebauförderungsrecht war zwar weiterhin spezielles Sanierungsrecht, nun aber in das allgemeine Baurecht integriert. Vom 464 Vgl. BT-Drs. 10/2039, S. 12: „ ‚Übereinstimmend bestand die Auffassung, daß innerhalb des geltenden § 3 Abs. 2 StBauFG folgende Sanierungsaufgaben erfaßt sind: a) Umnutzung von Flächen aus Gründen einer städtebaulichen Umstrukturierung (z. B. Aufbereitung brachliegender Gewerbeflächen). b) Bauliche Verdichtung in bisher aufgelockert bebauten Siedlungsgebieten zum Zwecke der Baulandversorgung. c) Umwidmung bisher baulich genutzter Flächen wegen zurückgehenden Siedlungsflächenbedarfs. d) Verträgliche Gestaltung unterschiedlicher Nutzungen in Mischgebieten.‘ Der Ausschuß weist in diesem Zusammenhang besonders auf die bedeutsamen Sanierungsaufgaben bei Maßnahmen des Bodenschutzes, vor allem bei der Wiederaufbereitung alter Industrie- und Gewerbegebiete (‚Altlasten‘), aber auch auf die Aufgaben der Lärmsanierung hin.“ 465 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 10. – Vgl. a. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 1, die im Ergebnis ihrer Erhebung darauf hinwiesen, dass nach Auffassung der Gemeinden a) „bundesweit gleiche Anforderungen an das förderunqs- und bodenrechtliche Instrumentarium“ des StBauFG gestellt wurden und b) sich „das Förderrecht als auch das besondere Boden-, Planungs- und Verfahrensrecht des StBauFG […] sich nach Meinung der kommunalen Praxis bewährt“ habe. 466 Vgl. „Gesetz über das Baugesetzbuch“, BGBl. I, Nr. 63, 8.12.1986, S. 2191– 2236. 467 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 49 (Nr. 3).
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Gesetzgeber wurde der Zweck des StBauFG als eigenständige gesetzliche Materie und zu diesem Zeitpunkt offenkundig als erfüllt bewertet. Als hervorgehobenes, erstes Ziel benannte die Bundesregierung als Initiatorin zum Gesetzbuch: „Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen des Städtebaus in einem einheitlichen Gesetzeswerk; Vermeidung von Teilnovellierungen und stattdessen Gesamtnovellierung des Städtebaurechts.“468 Letzteres existierte schließlich nach der Reform im BauGB zwar weiterhin als spezielles Sanierungsrecht fort, war nun aber an vielen Stellen und mit vielen Inhalten in das allgemeine Baurecht integriert.469 Aussagekräftig war mit Blick auf die hier untersuchte Materie, dass der Bereich der „Entwicklungsmaßnahmen“ gem. StBauFG nur noch als „Bestandsschutz“ in das neue BauGB übernommen wurde.470 In diese Richtung wies eindeutig auch die Stellungnahme des 16. Bundestagsausschusses im Gesetzgebungsverfahren: „Durch die Verschmelzung von Bundesbaugesetz und Städtebauförderungsgesetz werden die Stadterneuerungsaufgaben im Städtebaurecht des Bundes als städtebauliche Daueraufgaben anerkannt.“471 468 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 1. Vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 9 (i. Orig. Aufzählung): „Die Förderung der Stadterneuerung wird gegenwärtig durch eine überflüssige Zersplitterung der maßgebenden Vorschriften erschwert. Neben dem Städtebauförderungsgesetz fanden und finden bei Maßnahmen der Stadterneuerung Anwendung: das Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz, das Zweite Wohnungsbaugesetz, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Richtlinien für Sonderprogramme des Bundes und der Länder, z. B. für das Programm für Zukunftsinvestitionen, Richtlinien für die Dorferneuerung, Richtlinien für Städtebauprogramme der Länder, Steuervorschriften.“ 469 Auf Seiten der Bundesländer wurde durchaus die Option erörtert, die Materie des StBauFG wieder in die Gesetzgebungszuständigkeit und den Aufgabenbereich der Länder zurückzuführen. Gleichwohl wurden erhebliche systematische Bedenken gesehen, da das StBauFG „überwiegend andere Gesetze des Bundes, wie das Bundesbaugesetz, abgabenrechtliche Vorschriften, zum Teil auch Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, der Vergleichsordnung, der Zivilprozeßordnung und des II. Wohnungsbaugesetzes abändert oder ergänzt.“ (Vgl. LT-Drs. SH 10/1041, S. 79). 470 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 30 (§ 165), S. 50 (A.I.4.c), S. 136 (zu § 165). 471 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 125. Hier kann keine Darstellung der Entstehungsgeschichte des BauGB geleistet werden. Zu den einzelnen Schwerpunkten der BauGBReform bieten sich die Begründungen bzw. Darstellungen des 16. Bundestagsausschusses an (BT-Drs. 10/6166), das sind die „Bauleitplanung“ (S. 128), „Zulässigkeit von Vorhaben“ (S. 130), die „Bürgerbeteiligung“ (S. 133), das „Verhältnis Staat/Gemeinde“ (S. 134), die „Bestandskraft der Baupläne“ (S. 134), „Vorkaufsrechte“ (S. 135), die „Sanierung“ (S. 136), die „Stadterhaltung“ (S. 137), die „Wertermittlung“ (S. 137), der „Umweltschutz“ (S. 139), die „Standortsicherung der Betriebe/ Gemengelage-Problematik“ (S. 141), die Belange des „Mittelstands“ (S. 141) und des „Sports“ (S. 142), der „Fremdenverkehr“ (S. 143), „Kinderspielplätze und Wohnwege“ (S. 144), die „Brachflächenproblematik“ (S. 145), die „städtebauliche Rahmenplanung“ (S. 146), Erörterungen zu „Fachplanungen“ (S. 147) und „Städtebau lichen Verträgen“ (S. 148), zur „freiwilligen Umlegung und Grunderwerbsteuer“
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Der oben bereits mehrfach angesprochene Bereich der „Stadterneuerung“ wurde auch von der Reform zum BauGB aufgegriffen und nun verstärkt in die Intentionen des neuen Gesetzbuches eingebaut. Es hatte ein Wandel der städtebaulichen Aufgaben stattgefunden und ein neues Bewusstsein griff sich Raum. Diese Tendenz gab der zeitgleich erschienene Städtebaubericht 1986 wieder, der erste seit fast zehn Jahren überhaupt. Er trug den Titel „Umwelt und Gewerbe in der Städtebaupolitik“ und dokumentierte damit den breit abgestimmten Konsens, der zum Ausdruck eines reflektierenden städtebaulichen Denkens wurde und auf die verstärkte „Stadtökologie“ in der Stadt- und Dorferneuerung abzielte, um ein gebräuchliches Schlagwort dieser Zeit zu zitieren.472 Diese Entwicklungen waren der Grund dafür, dass die Bundesregierung in ihren Reformarbeiten zum BauGB als erste „Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe“ des Städtebaus programmatisch anführte: „Im Vordergrund der Stadtentwicklung der kommenden Jahre werden die Aufgaben der Innenentwicklung von Städten und Gemeinden stehen.“473 Dieser Auffassung schloss sich der Bundestag im Gesetzgebungsverfahren mehrheitlich an.474 (S. 149), zur „Mischfinanzierung“ (S. 149) sowie zur „Baunutzungsverordnung“ (S. 150). 472 Vgl. BT-Drs. 10/5999, insbes. „Erster Teil: Zusammenfassender Bericht“. Der Städtebauliche Bericht belegte, dass mitnichten davon gesprochen werden könnte, die konservativ-liberale Bundesregierung habe sich programmatisch nur einseitig an ökonomisch-politischen Interessen orientiert. So z. B. aus den Schlussfolgerungen des Ersten Teils: „Das wachsende Umweltbewußtsein von Bürgern, Politikern und Verwaltungsbeamten ermöglicht und erfordert aber, ‚Stadtökologie‘ als Maßstab und Voraussetzung zukünftiger Stadtentwicklung im Interesse der örtlichen Bevölkerung und der ortsansässigen Wirtschaft zu begreifen und zu praktizieren.“ (S. 27). (Vgl. weiterhin BT-Drs. 10/4208, „Stadtökologie – Umweltschutz in Städten und Gemeinden“) Auch in den o. g. Äußerungen war freilich zu entdecken, dass der Bericht in einer Hochzeit von Anti-Atomkraft-Bewegung, „Ökoprotest“ und „Bürgerinitiativen“ geschrieben wurde und die Partei „Die Grünen“ seit der Wahl zum zehnten Deutschen Bundestag im Parlament vertreten war, vgl. Wolfrum, S. 504 ff. 473 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 50 (4.a). Dementsprechend hieß es in 4.c): „Das In strument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach dem StBauFG wird in Zukunft nur noch geringe praktische Bedeutung haben, da die Zeit der Trabantenstädte und der großflächigen Ausweisungen neuer Baugebiete im Außenbereich vorbei ist. Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme entspricht einer Konzeption der Außenentwicklung, die heute überholt ist […]. Jedoch wird die Durchführung laufender Maßnahmen noch Jahre in Anspruch nehmen. Das Recht der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme soll daher in das Baugesetzbuch übernommen werden und für laufende Maßnahmen bis zu deren Abschluß fortgelten.“ 474 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 125: „Der Ausschuß tritt mit Mehrheit für die Verabschiedung des Baugesetzbuches ein, weil dieses Gesetz in angemessener Weise den veränderten Aufgaben im Städtebau Rechnung trägt. Im Vordergrund der Stadtentwicklung werden nicht mehr wie zur Zeit des Inkrafttretens des Bundesbaugesetzes die Ausweisung neuer Baugebiete in der Fläche stehen, sondern die Aufgaben der
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Als zentrale Aufgaben in diesem Sinne, d. h. „im Rahmen städtebaulicher Erneuerungsmaßnahmen“, wurden für die Kommunen besonders auch die Bereiche des Umwelt- und Denkmalschutzes benannt, die nun nach Auffassung der Bundesregierung unter die Fördertatbestände der Finanzhilfen des Art. 104a Abs. 4 GG subsumiert werden konnten.475 Durch das Baugesetzbuch sollten keine grundlegend neuen Rechtsinstitute und -instrumente eingeführt,476 vielmehr sollten in erheblichem Umfang Rechts- und Verwaltungsvereinfachungen erreicht werden.477 Bereits der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah vor, dass „eine Reihe von Vorschriften des geltenden Rechts aufgehoben oder gestrafft oder aus Gründen der Vereinfachung neu gefaßt“ werden sollten. Dies galt als Ziel besonders für den „Bereich des Sanierungsrechts“, in dem „zahlreiche Vorschriften aufgehoben werden“ sollten, die in der bisherigen Sanierungspraxis „keine Bedeutung erlangt“ hatten oder „nur von geringer Bedeutung waren oder durch das Baugesetzbuch bedeutungslos“ werden sollten.478 Zwar sollten die vorhergegangenen Novellierungen des StBauFG grundsätzlich im neuen BauGB fortwirken,479 dennoch war nach Bekunden des Entwurfes davon auszugehen, dass durch die Beseitigung parallel wirkender Rechtsvorschriften eine große Vereinfachung zu erreichen wäre. Vielseitige, vor allen Dingen auch das tatsächliche städtebauliche Geschehen beeinflussende Auswirkungen hatten zudem die Änderungspläne im steuerrechtlichen Bereich, die „aus Gründen
Stadterneuerung und der Innenentwicklung.“ – „Die Ausschußmehrheit begrüßt die Verbesserung der städtebaulichen Instrumente zugunsten des Umweltschutzes. Damit leistet das Baugesetzbuch einen wichtigen Beitrag für die Stadtökologie.“ 475 Vgl. BT-Drs. 10/4208, Nr. 7, instruktiv mit der dort erfolgten programmatischen Auflistung. 476 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 125. 477 Gleichwohl zeichneten sich fachliche, wohl auch politische Konflikte ab. So hieß es in BT-Drs. 10/4630, S. 53: „Der Entwurf wurde mit den zuständigen Länderministerien erörtert. Er wird von der Mehrheit der Länder grundsätzlich unterstützt. Die Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Saarland haben sich wegen grundsätzlicher, von den Ländern Bremen und Hamburg geteilter Vorbehalte gegen den Entwurf an den Einzelberatungen nicht beteiligt.“ 478 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 50. Genannt wurden konkret: §§ 13 Abs. 4 (Durchführung von Ordnungs- und Baumaßnahmen durch Eigentümergemeinschaften), 14 (Sanierungsgemeinschaft), 18 (Gemeindliches Grunderwerbsrecht), 42 (Ausgleichsbeträge des Veranlassers), 55 (Entwicklungsträger) und 91 StBauFG (Ermächtigungen zur Verordnungsgebung). – Auch die Mehrheit im Bundestagsausschuss sah „[…] im Baugesetzbuch einen wichtigen Beitrag zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung. Die Zusammenfassung von Bundesbaugesetz und Städtebauförderungsgesetz“ wurde insgesamt begrüßt und sollte „zu einer erheblichen Minderung der Zahl bestehender Vorschriften“ führen (vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 125). 479 Vgl. BT-Drs. 10/6166, z. B. im Bereich der „Sanierung“, S. 136, 137.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
der Rechtsklarheit in die jeweiligen Steuergesetze übernommen werden“ sollten.480 Zur Kunst der Gesetzgebung wurde es, die Zusammenführung zweier komplexer Materien wie BBauG und StBauFG im gemeinsamen neuen Gesetzbuch „so behutsam“ vorzunehmen, dass vor allen Dingen für die anwendende Praxis vermeidbare Hindernisse möglichst nicht entstanden. Grundlegend war daher die Entscheidung des Gesetzgebers, das neue BauGB in zwei hauptsächliche Kapitel zu unterteilen. Im Ersten Kapitel wurde das „Allgemeine Städtebaurecht“ kodifiziert, dabei wurden „die für die städtebauliche Praxis besonders bedeutsamen Vorschriften des Ersten bis Sechsten Teils des BBauG (Bauleitplanung, Sicherung der Bauleitplanung, Regelung der bau lichen und sonstigen Nutzung, Entschädigung, Bodenordnung, Enteignung und Erschließung) im wesentlichen“ Aufbau und der Bezeichnung beibehalten. Dies sollte „Umstellungsschwierigkeiten im Hinblick auf die umfangreiche Rechtsprechung zu zentralen Vorschriften des Städtebaurechts“ vermeiden helfen.481 Im Zweiten Kapitel des neu zu entwerfenden BauGB wurde das „Besondere Städtebaurecht“ reglementiert, was also das überlieferte Sanierungsrecht sowie das Recht der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen des bisherigen StBauFG umfasste.482 Das Aufgehen des StBauFG im neu geschaffenen BauGB war so gesehen auch dessen umfangreichste Novellierung und erfasste eine Vielzahl der dort geregelten, bis dahin als ziel- und zweckführend erachteten Normierungen. Grundsätzlich sollten im „Besonderen Städtebaurecht“ des BauGB nur „[…] diejenigen Bestimmungen zusammengefaßt werden, die wegen der Besonderheiten des Sanierungsrechts nicht mit dem sonstigen Städtebaurecht materiell verschmolzen werden“ konnten, also bei-
480 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 50 f. (Nr. 5.c) sowie (Zitat) S. 58 (Nr. 7.a). Ein wichtiger Punkt war u. a. die Überprüfung der steuerlichen Regelungen für die gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsunternehmen. Auf diese Aspekte kann hier jedoch (leider) nicht näher eingegangen werden. 481 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 49. Auch der Bundestagsausschuss begrüßte, dass „die Paragraphenfolge des Bundesbaugesetzes für die in der Praxis seit Jahrzehnten eingespielten Bestimmungen im Baugesetzbuch weitgehend beibehalten“ wurde (BTDrs. 10/6166, S. 125). 482 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 57 f. Abweichend davon wurde in diesen Teil auch übernommen der Abschnitt 1a des Dritten Teils des BBauG über die Anordnung von Baumaßnahmen, das Pflanz- und Abbruchgebot sowie die Erhaltung baulicher Anlagen; die §§ 13a und 122a, b BBauG sowie komplementär dazu §§ 4, 8 StBauFG und 85 StBauFG über den Sozialplan und den Härteausgleich; weiterhin übernommen in das neue Zweite Kapitel BauGB wurden die §§ 39a–i BBauG. Abrundend wurden auch die Bestimmungen über städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit agrarstrukturellen Maßnahmen in das Zweite Kapitel BauGB aufgenommen.
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spielweise die Vorschriften über die Vorbereitung und Durchführung der Sanierung, das besondere Bodenrecht oder der Sanierungsträger. Alle übrigen Bestimmungen des StBauFG sollten dagegen mit den „allgemeinen Bestimmungen des Städtebaurechts zusammengefaßt werden“. Dies bezog sich insbesondere auf „die bisherigen Sonderregelungen zu den Bereichen Bauleitplanung, Veränderungssperre, Vorkaufsrechte, Enteignung, Veräußerungspflicht der Gemeinde, städtebauliche Gebote, Härteausgleich, Miet- und Pachtverhältnisse, Wertermittlung, Verwaltungsverfahren, Verfahren vor den Baulandgerichten.“483 Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hatte sich mit dem BauGB zum Ziel gesetzt, die Planungshoheit der Gemeinden zu stärken und deren „gewachsene Verwaltungskraft“ (gemeint waren damit die zu weiten Teilen abgeschlossenen Gebiets- und Kommunalreformen in den Bundesländern) mit weiter gefassten Kompetenzen im Städtebaurecht zu bedenken.484 Konzep tionell entsprach dieser Vorstellung spiegelbildlich, dass die Praktikabilität der „im Sanierungsrecht vorgenommenen Änderungen“ weiter erhöht werden sollte, um durch die „Möglichkeit situationsgerechter Anwendung“ das Sanierungsgeschehen insgesamt in den Gemeinden zu erleichtern.485 Insgesamt war dieses Anliegen, eine Stärkung der gemeindlichen Ebene und deren planerische Kompetenzen im Städtebau, wohl dem politischen Profil der Regierungskoalition geschuldet. Im Entstehungsprozess zum BauGB wurde gar eine „Rückverlagerung von Gesetzgebungskompetenzen auf die Länder“ ernsthaft erörtert, die aber auf den kräftigen und effektiven Widerstand der SPD und vor allen Dingen von Praxis, Wissenschaft und Gemeinden gesto-
483 Vgl.
BT-Drs. 10/4630, S. 58. BT-Drs. 10/4630, Deckblatt (Nr. 4). Es sollte eine spürbare „Minderung des Verwaltungsaufwands“ für die Gemeinde erreicht werden, u. a. durch „die vorgesehenen verfahrens- und materiellrechtlichen Erleichterungen für die Aufstellung der Bauleitpläne, die Erhöhung des Spielraums der Gemeinden, anstelle von Bebauungsplänen mit weniger aufwendigen Instrumenten die städtebauliche Ordnung zu sichern, und die Vereinfachungen im Bereich der Vorkaufsrechte und des städtebaulichen Erneuerungsrechts.“ (S. 51 f.). Weiter sollte „die Genehmigungspflicht für Bebauungspläne, die auf der Grundlage von Flächennutzungsplänen aufgestellt werden, und für sonstige städtebauliche Satzungen durch ein Anzeigeverfahren ersetzt werden.“ (S. 52). 485 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 126. Weiter heißt es: „Durch die verfahrens- und materiell-rechtlichen Erleichterungen für die Aufstellung der Bauleitpläne und die neu geschaffenen Möglichkeiten, mit weniger aufwendigen Instrumenten die städtebauliche Ordnung zu sichern, wird der Verwaltungsaufwand bei den Gemeinden gemindert. Durch die Einführung des Anzeigeverfahrens und den teilweisen Verzicht auf Genehmigungs- und Anzeigeverfahren für bestimmte Satzungen wird die gemeindliche Planungshoheit betont und die Rolle der höheren Verwaltungsbehörde als Rechtsaufsichtsinstanz unterstrichen.“ 484 Vgl.
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
ßen war486 und vom Bundestagsausschuss zur Streichung empfohlen wurde.487 Rechtspolitisch wurde dieser Impuls 1986 also hintangestellt, da eine „drohende Rechtszersplitterung“ gesehen wurde, der die BauGB-Reform ihrer Intention nach eigentlich besonders entgegenwirken wollte. Auch die Entstehungsgeschichte des BauGB erfuhr in Teilen eine erkennbare politische „Aufladung“, da insbesondere die CDU und Bundeskanzler Kohl die BauGB-Reform zu einem Kernstück ihrer neuen Regierungspolitik erklärt hatten. In der Summe verlief der politische Konflikt in der Entstehung des BauGB, zumindest was das „besondere städtebauliche“ Kapitel betraf, jedoch nicht mehr entlang der Polarität „Wertabschöpfung vs. Kommunalisierung von Privateigentum“, wie er noch in den 1970er Jahren die stilisierten Auseinandersetzungen um das StBauFG geprägt hatte. Die Perspektive, dass Gemeinden in der Steuerung und Bewirtschaftung der Stadterneuerung mit eigenen Ressourcen – auch was das Substrat des Städtebaus, Grund und Boden betraf – ausgestattet sein mussten, wurde nach eineinhalb Jahrzehnten StBauFG sowohl von CDU/CSU, der FDP und auch der SPD gesehen und grundlegend bejaht. Die neuerliche Diskussionslinie verlief eher entlang der Auseinandersetzung, wie weit der „elementare Grundsatz des Städtebaurechts“, die von der Regierungskoalition hervorgehobene „Baufreiheit“, denn eigentlich reichen sollte und konnte. Diese Debatte betraf jedoch stärker das Allgemeine Kapitel des neuen BauGB, weniger das Zweite als speziell städtebauliches Kapitel. Im Zentrum der politisch mit Schärfe geführten Auseinandersetzungen standen Mitte der 1980er Jahre Fragen der Zulässigkeit von Vorhaben und das Ausmaß der Bürgerbeteiligung an diesen, worüber die parlamentarische Debatte in der zweiten Lesung zum BauGB illustriert Auskunft gab.488 Damit einher ging die Kontroverse, wo bzw. administrativ bei wem die planerischen Kompetenzen und Möglichkeiten des neuen BauGB angesiedelt sein sollten, d. h. also eher auf der gemeindlichen Ebene oder aber stärker und restriktiv mitgesteuert durch staatliche Aufsichtsorgane und -instanzen. Die regierungsbildende Mehrheit aus CDU/CSU und FDP hatte sich, wie oben beschrieben, die Stärkung der Gemeinden (und deren Interpretation von Baufreiheit vor Ort) auf die Fahnen geschrieben. Die Position und der An486 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 126, 127. – Zu den Anforderungen der Gemeinden an das Planungs-, Verfahrens- und Bodenrecht: Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 12, bzw. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen Schriftenreihe), Kap. 8.1. 487 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 241. Sitzung. Bonn, 23.10.1986, S. 18569, (C). 488 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 241. Sitzung. Bonn, 23.10.1986, S. 18566 ff., z. B. dort die Beiträge von Conradi, Müntefering, Magin.
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spruch, den gemeindlichen Vollzug des Allgemeinen wie des Besonderen Städtebaurechts mit Kompetenzen auf staatlicher Ebene mitzusteuern, fand sich bei der SPD nachhaltig vertreten,489 was nicht zuletzt dazu führte, dass das BauGB von dieser Fraktion insgesamt sowohl im Ausschuss als auch in der Schlussabstimmung des Deutschen Bundestages nicht mitgetragen wurde.490 Sie befürwortete zwar einzelne Verbesserungen der Gesamt-Novellierung, vertrat aber die Auffassung, „daß sich das Bundesbaugesetz und das Städtebauförderungsgesetz insgesamt bewährt“ hatten „und daher kein dringender Novellierungsbedarf“ bestünde. Im Gegenteil: die landauf, landab spür- und erfahrbaren Defizite lägen „weniger im Gesetz als im Gesetzesvollzug durch die Gemeinden.“491 In einem Kritikpunkt trafen sich die beiden Oppositionsparteien SPD und „Die Grünen“ grundlegend, wenn auch in sehr unterschiedlicher Intensität: „Die SPD verweigert[e] auch deshalb die Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf, weil nach ihrer Auffassung die Stadtplanung entdemokratisiert und bürokratisiert“ wurde. Die „Grünen“, seit Beginn der 10. Wahlperiode als neue politische Kraft im Deutschen Bundestag vertreten, ließen sich etwa so zitieren: „Die Fraktion DIE GRÜNEN lehnt den Gesetzentwurf mit der Begründung ab, das neue Baugesetzbuch bedeute einen Angriff auf Umwelt und Demokratie.“492 Die Haltung dieser Oppositionsfraktion ging sogar 489 Vgl. z. B. bei der „Zulässigkeit von Vorhaben“: „Die Fraktion der SPD lehnt die Erweiterung der Befreiungsmöglichkeit und den Verzicht auf das Zustimmungserfordernis der höheren Verwaltungsbehörde mit der Begründung ab, sie unterlaufe die planerische Entscheidung der Gemeinde und die Mitwirkung der höheren Verwaltungsbehörde an der Aufstellung des Bebauungsplans und gefährde damit die geordnete städtebauliche Entwicklung.“ (Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 130) – Weiterhin Neufassung § 33 (Zulässigkeit von Vorhaben während der Planaufstellung); „[…] die vorgesehene Beteiligung der betroffenen Bürger und Behörden sei nicht ausreichend […]“, S. 130 f., § 34 (Bauen im Innenbereich, Bebauungsplanvorbehalt) (S. 131) oder „Verhältnis Staat/Gemeinde“ (S. 134), dort Ablehnung des Anzeigeverfahrens. 490 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 241. Sitzung. Bonn, 23.10.1986, S. 18599. Der Gesetzentwurf zum BauGB wurde mehrheitlich mit den Stimmen der CDU/CSU und FDP angenommen. 491 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 126 (Nr. 2). Als positive Verbesserungen bewertete die SPD bspw. die „Erhöhung der Bestandskraft von Bauleitplänen durch Beschränkung der Geltendmachung von Form- und Abwägungsfehlern“ oder die „Verfeinerung des Instrumentariums bei der Sanierung“. Insgesamt erachtete sie die vorgelegten Entwürfe und Arbeiten als „nicht ausgereift“. 492 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 127. Im Bericht für die Fraktion „Die Grünen“ (Nr. 3) heißt es u. a. auch: „Bereits das bisherige Bundesbaugesetz und das Städtebauförderungsgesetz hätten in der Vergangenheit die Zerstörung der Städte als politischen, kulturellen und auch ästhetischen Lebensraum nicht verhindert. Das Baugesetzbuch werde noch stärker verhindern, daß lebens- und menschengerechte Städte entstünden.“ – Bzw. S. 128: „[…] Durch erleichterte Einzelbewilligungen würden darüber hinaus die Bürgerbeteiligungsrechte im Planungsverfahren ausgehöhlt. Demgegen-
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so weit, nicht an der Schlussabstimmung im Bundestagsausschuss teilzunehmen, was als ziemlich rüder Umgang mit parlamentarischen Gepflogenheiten bewertet werden musste. Die Position der SPD war differenzierter und bezog sich in ihren Bedenken darauf, dass städtebauliche Planungen aus den gewählten Gremien in den Bereich der Kommunaladministration überantwortet wurden und ihrer Auffassung nach damit eine politische Kontrollmöglichkeit entfiel.493 Der Abbau der Mischfinanzierungen zwischen Bund und Ländern war eine von acht besonders wichtigen Zielsetzungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung und fügte sich ein in eine generelle „Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern über das Schicksal der Mischfinanzierung“.494 Es muss jedoch dem Eindruck entgegengewirkt werden, dass es sich dabei um ein Politikum der „schwarz-gelben“ Koalition handelte; der Abbau hatte sowohl parteien- als auch den Regierungswechsel übergreifend seit dem Ende der 1970er Jahre verstärkt im Raume gestanden, getragen von einer umfassenden Koalition der Bundesländer.495 Nähere Überlegungen waren noch 1981 im Bundeskabinett Schmidt aufgetaucht, in dem der Kanzler selbst anmerkte, „[…] der Bund habe sich sehr weitgehend auf das Gebiet der Mischfinanzierung und Mischverantwortung begeben“ und dass dies fortan politisch „zurückgeführt werden“ müsse.496 über fordert die Fraktion DIE GRÜNEN die Bürgerbeteiligung auf allen Stufen der Planung und Planverwirklichung als demokratisches Grundrecht.“ 493 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 127. Auch hier (vgl. dazu Fn. 412) offenbarte sich das eher staatsorientierte Denkmodell der SPD in der Verwirklichung der Stadterneuerung: „[… D]ie Tatsache, daß Bedenken und Anregungen der Bürger nicht mehr durch die höhere Verwaltungsbehörde geprüft werden, werde dazu führen, daß betroffene Bürger häufiger die Verwaltungsgerichte anrufen.“ 494 Vgl. BT-Drs. 10/4630, Deckblatt, S. 52 (Nr. 9); vgl. (Zitat) Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 1. 495 Vgl. LT-Drs. RP 9/359 (S. 10), der zufolge die Ministerpräsidenten der Länder das Thema einer Überprüfung der Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen seit 1977 berieten. – Zum Werdegang bis 1982 instruktiv: LT-Drs. HE 9/5854, Fragen 8 u. 11, bzw. S. 7 ff. Beschluss MPK Juni 1980: Die „Gewährung von Finanzhilfen nach Art. 104a GG“ sollte „unter strenger Auslegung des Wortlauts dieser Bestimmung auf das unabdingbar Notwendige“ beschränkt werden. Es sollten von Länderseite Vorschläge zum Abbau der Mischfinanzierung erarbeitet werden „bei Sicherstellung eines sachgerechten Finanzausgleichs […].“ – Beschluss MPK Februar 1981: u. a. Krankenhausfinanzierung und Städtebau „[…] gegen einen vollen finanziellen Ausgleich durch den Bund in die ausschließliche Aufgabenverantwortung der Länder zu überführen.“ 496 S. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 32. Kabinettssitzung am 24.6.1981, TOP 5. Vgl. BT-Drs. 10/6699, S. 5: „Seit Anfang der 80er Jahre fordern die Länder jedoch mit zunehmender Intensität einen Abbau der Mischfinanzierung. In einem ersten Schritt ist bereits zur Zeit der sozialliberalen Koalition die Mischfinanzierung
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Diesbezüglich bot nach Auffassung der Bundesregierung Kohl die Reform zum BauGB die erforderlichen Voraussetzungen und das Vehikel, die bisherigen Fördertatbestände und vor allen Dingen also das gemeinsame Bund/ Länder-Programm im StBauFG nicht fortzuführen.497 Das programmatische Ende der Mischfinanzierung sollte zum 1.1.1988 greifen. Dem Entwurf der Bundesregierung zufolge sollten folgende „Finanzierungs- und Förderungsbestimmungen des StBauFG nicht übernommen werden: § 38 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie Abs. 2 a und 3 (Finanzierung der Sanierung), §§ 39 (Einsatz von Sanierungsförderungsmitteln), 40 (Kosten der Sanierungsvorbereitung), 41 Abs. 1 bis 3 (Kosten der Ordnungsmaßnahmen), § 43 Abs. 3 und 4 (Kosten der Modernisierungsmaßnahmen), §§ 44 bis 49 (weitere Regelungen zu Kostenträgerschaften) und 58 (Kosten der Entwicklungsmaßnahmen) sowie §§ 71 bis 75 (Teil „Förderung durch den Bund“). Soweit sich diese Regelungen nicht auf die Sanierungs- und Entwicklungsförderungsmittel und die Finanzhilfen des Bundes bezogen, sollen sie jedoch übergangsweise fortgelten können.498 Mit Blick auf die politischen Festlegungen fühlte sich die Bundesregierung sowohl im Gesetzentwurf als auch im Plenum noch einmal bemüßigt darauf hinzuweisen, dass der Abbau gemeinsamer Finanzierungen von Bund und Ländern den Forderungen entsprach, „die in der Ministerpräsidentenkonferenz […] 1984 in Bremerhaven von allen Ministerpräsidenten einmütig erhoben worden“ waren.499 Alle drei Regierungsparteien, ausdrücklich also auch die FDP, bekannten sich zu dem Ansinnen, die „Grauzone der Mischfinanzierung“ im Städtebau zu lichten500 und also durch diese Revision in der Tat so etwas wie eine kleine, unter-verfassungsrechtliche Föderalismusreform zu schaffen. Gleichwohl erhob sich hierüber in den Ausschussberatungen zum BauGB erheblicher Widerstand: „[…] bei den betroffenen Verbänden und Instituten, bei der Bau- und Wohnungswirtschaft, bei Wissenschaftlern und vor allem aber auch bei den kommunalen Spitzenverbänden“ war der Abbau auf „fast ausnahmslose Ablehnung gestoßen.“ Auch in dem „zum Baugesetzder Wohnungsmodernisierung und Energieeinsparung eingestellt worden. [Sie endet] im Städtebau […] absprachegemäß mit dem Jahre 1987.“ 497 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 52 (Nr. 9): „[…] Damit verwirklicht das Baugesetzbuch in einem weiteren wichtigen Bereich die von der Bundesregierung angestrebte Entflechtung von Mischfinanzierungen von Bund und Ländern.“ Ähnliche Bestrebungen waren z. B. im Bereich der Krankenhausfinanzierung zu verzeichnen, vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 38. und 51. Kabinettssitzung am 8.5.1984 bzw. 28.8.1984, TOP A bzw. 9.b). 498 Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 58. 499 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 188. Sitzung. Bonn, 17.1.1986, S. 14310, BMin Dr. Schneider (CSU). 500 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 188. Sitzung. Bonn, 17.1.1986, S. 14316, Dr. Segall (FDP).
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
buch durchgeführten Planspiel“ – also unter der Teilnahme kommunaler Praktiker – wurde „der ersatzlose Verzicht auf Finanzierungsregelungen für die Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen als unvertretbar bezeichnet und Zweifel dargelegt, ob die Länder für die wegfallenden Bundesmittel angemessenen Ersatz bereitstellen“ würden.501 Auch in diesem Politikfeld konnte bestätigt werden: einmal eingeführte Leistungen, einmal aufgestellte Programme schaffen auf politischen Nießbrauch eingestellte Strukturen und sind nur schwer grundlegend zu revidieren – was mit etwas Euphemismus sicher auch als Folge stabiler Implementationsstrukturen bezeichnet oder als „Verfahrenssicherheit“ gesehen werden konnte. Daher ging der Abbau der Mischfinanzierung im Bereich der deutschen Städtebaupolitik mit politischen „Entflechtungsverhandlungen“ einher. Im November 1985 dann war es offensichtlich zur Entscheidung zwischen den Regierungschefs von Bund und Ländern gekommen, ein Ausgleichsvolumen von (noch einmal aufgestockten) 330. Mio. DM bis in das Förderjahr 1987 zu schaffen, unbeachtet zusätzlich vom Bund zu übernehmender Sonderleistungen, also evtl. Konjunkturmittel.502 Eine nochmalige und erhebliche Aufstockung erfolgte in den Jahren 1986 und 1987, also nach dem „Entflechtungskompromiss“ von 1985, mit der Erweiterung des finanziellen Rahmens der Städtebauförderung auf jeweils 1 Mrd. DM pro Jahr.503 Zumindest im Bundestag wurde darüber berichtet, 501 Vgl.
BT-Drs. 10/6166, S. 149. BT-Drs. 10/6166, S. 149. Vgl. BT-Drs. 10/1506, S. 30: Die Bundesregierung hatte die Verpflichtungsrahmen des StBauFG-Bundesprogramms für 1983 und 1984 um je 60 Mio. DM auf 280 Mio. DM erhöht und damit den „bisher höchsten Stand im Rahmen der Mittelfristigen Finanzplanung verstetigt.“ Ihrem Bekunden zufolge wurde „der hohe Bedarf, die beschäftigungspolitische Bedeutung der Städtebauförderung, ihre hohen gebietsbezogenen Anstoß- und Ausstrahlungseffekte sowie ihre breite regionale Streuung berücksichtigt.“ Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU) folgend (S. 1.) klaffte jedoch seit 1971 „[…] eine erhebliche Lücke zwischen dem Mittelbedarf der Gemeinden und dem Fördervolumen von Bund und Ländern.“ Die Zahl der Anmeldungen für eine Förderung gem. StBauFG spiegelte keinesfalls den tatsächlichen Förderbedarf wider; auch 1985 waren die bereitgestellten Fördermittel nach bereits kurzer Zeit überzeichnet. 503 Vgl. BT-Drs. 10/6699, S. 5: Die Bundesregierung sah damit „den Neubeginn und die gesicherte Weiterführung vieler Stadterneuerungsvorhaben ermöglicht, die zugleich eine Verbesserung der örtlichen Bedingungen für Industrie, Handel und Gewerbe zum Ziel haben“ sollte. Sie verknüpfte damit die Erwartung, „daß die Länder nach der vereinbarten Entflechtung die Städtebauförderung im gebotenen Umfang“ fortführten. – Vgl. weiterhin Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 12. Kabinettssitzung am 1.7.1987, TOP 2. – Darüber hinausgehend erklärte der Bund sich 1987 bereit, „auf Rückflüsse aus Wohnungsbaudarlehen zugunsten der Länder für einen befristeten Zeitraum zu verzichten.“ (Vgl. BT-Drs. 11/701, S. 12). – Im Finanzbericht 1988, dies soll ergänzend hinzugenommen werden und die nähere Betrachtung der 502 Vgl.
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dass diese Entscheidung zur „Entflechtung“ und „Ausgleichsleistung“ der StBauFG-Förderung von den Ministerpräsidenten, besonders auch Johannes Rau (SPD) aus Nordrhein-Westfalen, als politische Verhandlungsmasse gefordert wurde. So sollten die Bundesländer dem von der schwarz-gelben Koalition als wichtigen Reformschritt herausgestellten BauGB kurz vor der Bundestagswahl 1987 im Bundesrat zustimmen können.504 Angemerkt werden musste in diesem Zusammenhang auch, dass sich Bund und Länder seit dem Herbst 1986 in Verhandlungen über eine grundlegende Neuaufstellung des (vertikalen) Finanzausgleichs befanden. Es standen in der Frage der Finanzverfassung also zur selben Zeit wie zur Verabschiedung des BauGB strategische Neuausrichtungen und Verhandlungen an, von denen die Strukturen der Finanzhilfen nach Art. 104a GG nicht unberührt bleiben konnten. Dies mochte einerseits die konkrete Motivation zur „Entflechtung“ der Mischfinanzierung erklären, andererseits aber auch die „politische Dimension“ der Finanzausgleichsfragen, in welche die Städtebauförderung damit geraten war.505
Zeitleiste dann auch abschließen, wurde dann von dieser Kompromisslösung berichtet: „Bei der Städtebauförderung sind Bund und Länder übereingekommen, die Mischfinanzierung in diesem Bereich zum 1. Januar 1988 zu beenden. Auf Wunsch der Länder hat sich der Bund jedoch bereit erklärt, in den Jahren 1988 bis 1990 noch übergangsweise Finanzhilfen von jährlich 660 Mio. DM zu gewähren. Damit wird bis zum Abschluß der Verhandlungen über einen angemessenen finanziellen Ausgleich für den Abbau dieser Mischfinanzierung ab 1991 insbesondere die Förderung der rd. 1.300 laufenden städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen sichergestellt. Über die endgültige Entflechtung der Städtebauförderung ab 1991 einschließlich der im Jahr 1985 vereinbarten Ausgleichsleistungen des Bundes in Höhe von jährlich 330 Mio. DM (für die Dauer von 8 Jahren) stehen Bund und Länder in Verhandlungen.“ 504 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 241. Sitzung. Bonn, 23.10.1986, S. 18587 (B). Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 11. Wahlperiode, 20. Sitzung. Bonn, 25.6.1987, S. 1355 (B). 505 Vgl. BT-Drs. 11/701 und 11/2701, jeweils Abschn. 1.8 zu den Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern. Weiterhin (sehr instruktiv und lesenswert): Renzsch, Teil VIII., besonders Kap. 3. bis 5. Dort ist auch der interessante Hinweis zu entnehmen, dass es grundlegend zum strategischen Repertoire der Regierung Kohl gehörte, „Entscheidungen im Vermittlungsausschuß zu vermeiden“, und stattdessen (zustimmmungspflichtige) „Meinungsverschiedenheiten im ‚vertraulichen Gespräch‘ mit den CDU/CSU-Ministerpräsidenten auszuräumen.“ – Den Kabinettsprotokollen der Bundesregierung (78. Kabinettssitzung am 26.3.1985, TOP 5) ist zu entnehmen, dass insbesondere die Ministerpräsidenten Albrecht (Niedersachsen) und Späth (Baden-Württemberg), innenpolitisch gewichtige Gegenspieler zu Kanzler Kohl, als auch die bayerische Staatsregierung „großen Wert“ auf den Abbau der Mischfinanzierung im Bereich des StBauFG legten, trotz Überlagerung mit den zeitgleich stattfindenden Verhandlungen im Bereich des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Aus dem Protokoll: „Wenn die Länder die Entflechtungsentscheidung bereits jetzt haben wollten,
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§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
Anders als die Ministerpräsidenten der SPD erhob insbesondere die Bundestagsfraktion der Partei das in Aussicht gestellte Ende der Bund/LänderFinanzierung der Städtebauförderung jedoch zum Politikum. Dies konnte nicht verwundern, denn schließlich hatte sie nicht nur zur Zeit der Entstehung des StBauFG in der Regierungsverantwortung und also Pate für dessen Förderprogrammatik gestanden. Die SPD war auch in der Zeit der Großen Koalition von 1966–69 der „Baumeister“ und treibende Kraft hinter der Einführung von Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen gewesen. In der sozial-liberalen Ära hatte sie die gemeinsame Bund/Länder-Finanzierung extensiv zu einem ihrer Mittel der Konjunkturpolitik der 1970er Jahre gemacht.506 Für die Sozialdemokraten war nach dem Verlust der Regierungsmacht „der Abbau der Städtebauförderung des Bundes […] ein schwerwiegender Grund, dem Baugesetzbuch die Zustimmung zu verweigern. Durch die Streichung der förderungsrechtlichen Bestimmungen des Städtebauförderungsgesetzes“ schaltete sich ihrer Auffassung nach „der Bund aus dieser wichtigen Zukunftsaufgabe aus.“507 Dass dieser Standpunkt zu kurz gegriffen, der Rückbau der Mischfinanzierungen vielmehr gemeinschaftlich von Bund und Ländern (und also auch sozialdemokratisch geführten Landesregierungen) beschlossen worden war, hinderte die SPD im Bundestag nicht daran, dies 1986 als politische Beerdigung einer ihrer bis vor kurzem vertretenen Kernpolitiken zu betrachten.508 Zum Abschluss dieses Teils und Kapitels soll der Blick auf die in der Entstehungsphase des StBauFG am meisten umstrittene, zumindest in der politischen Darstellung besonders zugespitzte Materie geworfen werden: die Einbindung von Eigentum, Grund und Boden in die städtebauliche Sanierung (und Entwicklung gleichermaßen). In dieser Kernauseinandersetzung eineinhalb Jahrzehnte vor der Verabschiedung des BauGB wurde die Frage aufgeworfen, wie Bodenwertsteigerungen „abgeschöpft“ und zur Mitfinanzierung der öffentlichen Leistungen im Städtebau herangezogen werden konnten, die durch eine in Aussicht gestellte Sanierung (oder Entwicklung) generiert worden waren. Im Ergebnis konnte man es kurz und knapp feststellen. Die im drohe das Baugesetzbuch zu scheitern.“ (Vgl. weiterhin 80. Kabinettssitzung am 16.4.1985, TOP A). 506 Mit diesem Aspekt wird sich diese Arbeit besonders im nachfolgenden Teil § 3 B. befassen. 507 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 127. 508 Die Beratungen um die BT-Drs. 11/433 (vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 11. Wahlperiode, 20. Sitzung. Bonn, 25.6.1987, S. 1348) demonstrieren, dass die SPD noch lange daran arbeitete, die Bundesfinanzhilfen gem. Art. 104a GG wiederherzustellen. – Vgl. a. Renzsch, S. 224: „Die Konfliktlinien verliefen jedoch nicht zwischen den Parteien, sondern – wie bei Finanzverfassungsfragen schon fast üblich – quer durch sie zwischen Bundes- und Landespolitikern.“
F. Nachgeschichte161
Gesetzgebungsverfahren zum StBauFG und auch in den Novellen der 1970er Jahre getroffenen Regelungen wurden summa summarum in das BauGB übernommen und waren 1986 parteipolitisch längst nicht mehr so offensiv umkämpft wie einige Jahre zuvor, beinahe als unumstritten zu bezeichnen. Die Wogen hatten sich geglättet, wohl auch in Anbetracht der Tatsache, dass sowohl (bei den Befürwortern) die erwarteten Effekte und Möglichkeiten als auch (bei den Gegnern) die befürchteten Fehlentwicklungen durch Ausgleichsleistungen ausgeblieben waren.509 Sicher mochte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Zeit Mitte der 1980er eine andere war als zu der Beginn der 1970er Jahre. Anders als in der Entstehungszeit des StBauFG standen nicht mehr nur unsanierte Altstädte im Fokus der Aufmerksamkeit – mit den sog. Großsiedlungen am Rande der Stadt tauchten sogar erstmalig die Ergebnisse der ersten Ära der StBauFG-Programmatik selbst als Pro blemzonen am Horizont auf. Die Zeit der Reformgesetzgebung um das BauGB war intensiv geprägt von Umweltbewusstsein und „Bürgerinitiativen“ sowie der Thematisierung sozialer Probleme und Randlagen in den deutschen Städten. Und auch wenn es zeitgenössischen Beobachtern noch sehr weit weg erscheinen mochte – die „neuen Themen“510 hatten mit den „Grünen“ eine Vertretung im zehnten Deutschen Bundestag, die zusammen mit der SPD fast 44 % der Sitze vertrat. Auf diese strategische Herausforderung konnten die „konservativen“ Regierungsfraktionen nur schwerlich mit den Inhalten und Methoden der 1970er Jahre reagieren, antworten, ja polarisieren – was sie schlussendlich auch nicht taten. Die „neuen“ Regelungen zu den Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen fanden sich in den §§ 153–156 BauGB (und haben im Kern auch heute noch ihren gesetzlichen Standort dort); ausweislich der Dokumentation der parlamentarischen Beratungen wurde der Neufassung der Regelungen im Bundestagsausschuss einstimmig zugesprochen, also von CDU/CSU, FDP und SPD.511 Sie beruhten – im Grundsatz unverändert – auf den abgestimmten Vorarbeiten seitens der Ministerialverwaltung des Bundes; die Regelungen des StBauFG wurden praktisch also grundsätzlich übernommen, gestrafft, redaktionell überarbeitet und an den Regelungsgehalt des neu zu schaffenden 509 Vgl. Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 241. Sitzung. Bonn, 23.10.1986, S. 18582 (C), Wortbeitrag Reschke (SPD): „Die Bodenrechtsfrage und die Bodensteuerfrage als Instrumente der Stadtplanung sind von Ihnen [der Mehrheitskoalition aus CDU/CSU und FDP] in diesem Gesetz überhaupt nicht angesprochen worden. (Dr. Möller [CDU/CSU]: Dazu haben Sie auch keine Anträge gestellt!)“ 510 Vgl. Gabriel (u. a.). 511 Vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 160.
162
§ 2 Das Städtebauförderungsgesetz
BauGB angepasst.512 Im parlamentarischen Verfahren spielten sie weder durch Anträge seitens des Bundesrates, in der Einbringung im Bundestag noch in zweiter (oder formell) dritter Lesung eine politische Rolle. Einzig die gesetzlichen „Vorkaufsrechte der Gemeinde“ ließen in den Ausschussberatungen noch einmal Streit aufflackern, in dem sich die SPDFraktion „in den Beratungen unter Berufung auf das Votum der Planspielgemeinden und der kommunalen Spitzenverbände für die Einführung eines gemeindeweiten Vorkaufsrechts ausgesprochen“ hatte. An dieser Stelle tauchte noch einmal der Dissens aus vergangenen Jahren auf. Ein weiter gefasstes Vorkaufsrecht „sei der Sozialpflichtigkeit des Bodens angemessen, wirke preisdämpfend und sei einfacher zu handhaben. Mit den gleichen Gründen sprach sich die Fraktion […] für die Beibehaltung des preislimitierenden Vorkaufsrechts aus. Vor allem werde die Gemeinde dadurch in die Lage versetzt, bereits im Vorfeld der Bebauungsplanaufstellung den Grundstücksverkehr besser zu kontrollieren.“ Der Bundestagsausschuss lehnte diese Positionierung der SPD mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP ab. Die Antwort fiel symptomatisch für die Sichtweise auf das StBauFG um die Mitte der 1980er Jahre aus: „Das preislimitierende Vorkaufsrecht ist nach Auffassung der Mehrheit ein Fremdkörper im System der Vorkaufsrechte und wird deshalb nicht in das Baugesetzbuch übernommen.“513
512 Im Entwurf der Bundesregierung: BT-Drs. 10/4630, S. 128–131; in der Fassung des BT-Ausschusses vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 57–61. 513 Beide Zitate: BT-Drs. 10/6166, S. 136.
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit I. Das StBauFG als Investitionshilfe durch den Bund (Art. 104a Abs. 4 GG – alt) und Beispiel für eine bundesstaatliche Mischfinanzierung Mit der „Großen Finanzverfassungsreform“ von 1969 wurde ein „neuer Entwicklungsabschnitt des deutschen Föderalismus“ eingeleitet.1 Dabei ver banden sich unterschiedliche Bausteine zu einer grundlegenden institutionellen Umgestaltung des deutschen Bundesstaates: die Neugestaltung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern, die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben, Mischfinanzierungen und Investitionshilfen sowie die Einbindung der Gemeinden in den bundesstaatlichen Finanzverbund (Gemeinde finanzreformgesetzgebung).2 Eines der bedeutenden Politikfelder, das von dieser Finanzverfassungsreform erfasst und geprägt wurde, war ab 1971 die Städtebaupolitik von Bund, Ländern und Gemeinden. Zur Schlüsselnorm für die vorliegende Arbeit und ihre Fragestellungen zur Bewertung des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG)3 wurde dabei Art. 104a Abs. 4 GG, denn 1 So Lehmbruch (2000), S. 112. Ähnlich Renzsch, passim, z. B. in der Schlussbetrachtung S. 281. – Interessant auch aus Ländersicht: LT-Drs. HE 9/5854. 2 Vgl. BT-Drs. V/2861 vom 30. April 1968, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes. Die Gemeindefinanzreform wurde hier konzeptionell als Bestandteil benannt (vgl. Begründung Allgemeiner Teil 1. Abschnitt „Aufgaben und Ziele der Finanzreform“ und 3. Abschnitt Teil C. „Gemeindefinanzreform“, S. 47, Tz. 251). Eingefügt bzw. verabschiedet wurde sie indes erst nach der Grundgesetzänderung durch das „Gesetz zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz)“ vom 8. September 1969, BGBl. I, Nr. 93, 10.9.1969, S. 1587 f. Vgl. weiter Gutachten Finanzreform, Rdnrn. 7–10. – Die Verteilungswirkungen der Reform waren erheblich. 1981 bezifferte die BReg allein die steuerlichen Mehreinnahmen der Kommunen durch die Gemeindefinanzreform im Zeitraum von 1970 bis 1980 auf addierte 71 Mrd. DM (vgl. BT-Drs. 9/943, S. 7). – Vgl. Stern, S. 1135 f.: „Wie kaum bei einer anderen Materie ist die Finanzverfassung in der Frage der Verteilung der Finanzmassen den Weg detaillierter Aussagen gegangen. Dennoch ist die Verteilungsproblematik weiterhin Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen.“ 3 Gesetz über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz) vom 27.7.1971 (BGBl. I S. 1125), in Kraft getreten am 1.8.1971.
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
er bedeutete die Abkehr von der im Grundsatz bis dahin ausgeübten „alleinige[n] Ausgabenkompetenz“ der Länder im Städtebau, die in der Verfassung von 1949 mit deren „Planungs- und Aufgabenkompetenz“ einhergegangen war.4 Der Artikel 104a wurde mit dem 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) vom 12. Mai 1969 in die bundesdeutsche Verfassung eingefügt.5 Er regelte als einleitender Artikel zum Abschnitt X. (Das Finanzwesen) die Ausgabenlast von Bund und Ländern und lautete bei seiner Bekanntgabe: „Art. 104a (1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. (2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben. (3) Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, daß die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Bestimmt das Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es im Auftrage des Bundes durchgeführt. Bestimmt das Gesetz, daß die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen, so bedarf es der Zustimmung des Bundesrates. (4) Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder auf Grund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. (5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.“
4 Vgl. Walter (2001), S. 519. – Vgl. grundsätzlich: BVerfGE 3, 407 (Rechtsgutachten über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes). 5 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz), BGBl. I, Nr. 37, 14.5.1969, S. 359 ff. – Die hier im Vordergrund stehende Investitionshilfekompetenz des Bundes in Abs. 4 findet sich seit der Föderalismusreform 2006 in Art. 104b GG; 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, BGBl. I, Nr. 41, 28.8.2006, S. 2034 ff. Hierzu konzise, „restriktiv“ argumentierende Darstellung mit Blick auf die Kommunen: Henneke (2008), Kap. 4.4, S. 87–97.
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit165
Mit den in Abs. 4 geschaffenen Investitionshilfen entstand in diesen Jahren nicht weniger als die Konstituierung einer weiteren, einflussreichen und finanzstarken politischen Ebene im Bereich des Städtebaus. Dabei korrespondierten die gesetzgeberischen Arbeiten jener Zeit in ihrer Motivation sehr stark mit dem erkennbar beschleunigten Wandel des Verständnisses vom „Staat der Industriegesellschaft“.6 Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU/CSU und SPD beriefen sich auf unitarische Bedürfnisse der gesellschaftlichen Moderne, die zu erfüllen sie beauftragt waren: „Es ist […] im Wesen des Bundesstaates begründet, daß sich bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben von Land zu Land Unterschiede ergeben können. Hier macht sich aber der grundsätzliche Wandel in den Auffassungen durch die Entwicklung des Verkehrs, der Wirtschaft und des sozialen Gefüges bemerkbar. Die öffentliche Meinung nimmt wesentliche Leistungs- und Belastungsunterschiede als Preis für eine weitgehende eigenstaatliche Lösung der öffentlichen Aufgaben durch die Länder nicht mehr hin. Annähernd gleichmäßige öffentliche Leistungen (z. B. auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung, der Versorgungseinrichtungen, des Verkehrs) und eine gleichmäßige Steuerbelastung sind auch im Bundesstaat zur selbstverständlichen Forderung geworden. Das Grundgesetz selbst verpflichtet zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit und zur Förderung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Kein moderner Bundesstaat, der ein sozialer Rechtsstaat ist, kann sich auf die Dauer einer weitgehenden Angleichung der Lebensverhältnisse entziehen.“7 6 Der Beitrag von Forsthoff reflektierte das hohe Maß an gesellschaftlicher Veränderung aus juristischer Sicht. „Daseinsvorsorge und soziale Umverteilung“ waren ihm zufolge die Aufgaben, die den „Staat der Industriegesellschaft“ am nachhaltigsten verändert haben (Kap. „Staatlichkeit und Verfassungsform“, hier S. 75). In seinen Schlussfolgerungen mochte er analytisch Stichwortgeber für die oben zitierten Bedürfnisse der gesellschaftlichen Moderne sein: „Vollbeschäftigung und Steigerung des Sozialprodukts sind unter Bedingungen gestellt, über welche die Industriegesellschaft aus eigenem Vermögen nicht allein verfügt. Sie ist insoweit auf den Staat angewiesen, der sich unter anderem durch das Stabilitätsgesetz ein Instrumentarium geschaffen hat, um dieser Aufgabe zu genügen. Außerdem steht und fällt die Industriegesellschaft mit der sozialen Umverteilung, die nur mit staatlichen Mitteln durchzuführen ist. Der Verbund von Staat und Industriegesellschaft ist unlöslich, an ihm hängt das Funktionieren des sozialen Ganzen.“ (S. 164) – Ganz im selben Geiste auch das Gutachten Finanzreform, Rdnr. 11, hier unter dezidiertem Hinweis auf die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“, seinerzeit Art. 106 Abs. 4 Nr. 3 GG („[…] erfordern eine planmäßige Wirtschafts- und Finanzpolitik […]“). 7 S. BT-Drs. V/2861, S. 11. – Zum unitarischen Bundesstaat immer noch titelgebend: Hesse (1962). Vgl. die Definition von Unitarismus durch Konrad Hesse (1970) für den „modernen Planungs-, Lenkungs- und Vorsorgestaat“ (S. 141): „ ‚Unitarisierung‘ bezeichnet das Zurücktreten regionaler Besonderheiten zugunsten fortschreitender Angleichung des Rechtszustandes und der Lebensverhältnisse innerhalb des ganzen Bundesgebietes […].“ (S. 143) Und: „Kooperation wirkt unitarisierend. Sie kommt den Notwendigkeiten des modernen Sozialstaates entgegen, schwächt aber auf
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
Die konkreten Vorarbeiten zur Finanzverfassungsreform waren noch zu Zeiten der Koalition aus CDU und FDP in die Wege geleitet worden.8 Wichtig für den Zusammenhang war, dass die Bundesregierung von Anfang an in der politischen Umsetzung der Finanzreform die konstitutive Abstimmung mit den Bundesländern suchte, noch vor den parlamentarischen Verfahren. Im deutschen Bundestag wiederum war es schon zu dieser Zeit die SPD, die als treibende parlamentarische Kraft die Große Finanzreform vo rantrieb.9 Bundeskanzler Erhard und die Ministerpräsidenten hatten sich im März 1964 auf die Einrichtung einer unabhängigen Sachverständigen-Kommission geeinigt, deren Arbeitsauftrag es war, eine „umfassende Finanzreform“ vorzubereiten.10 Die Kommission arbeitete unter dem Vorsitz des SPD-Politikers Heinrich Troeger, der zur damaligen Zeit Vizepräsident der der anderen Seite Wirkungen ab, die oft und mit Recht als Vorzug föderativer Ordnung hervorgehoben worden sind.“ (S. 145). 8 Die Entwicklung der „Großen Finanzverfassungsreform“ kann hier nicht nachgezeichnet werden. Als Zusammenfassung vgl. BT-Drs. V/2861, S. 12 ff., der „Geschichtliche Überblick über die Entwicklung der Finanzverfassung“. Demnach ging die Finanzverfassung der frühen Bundesrepublik auf den „entscheidenden Einfluss“ der Besatzungsmächte 1949 zurück (S. 20), wurde aber von Anbeginn als unzureichend erachtet. Trotz einer Intensivierung des Länderfinanzausgleiches 1955 (das Steueraufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer wurde nunmehr zwischen Bund und Ländern aufgeteilt) und der stärkeren finanziellen Ausstattung der Gemeinden 1956 blieb eine Strukturreform unausweichlich; die Mitte der 1950er Jahre gefundenen Regelungen waren zeitlich begrenzt bis einschl. Ende 1966. „Die Jahre 1955 bis 1960 brachten einen starken Anstieg aller Steuereinnahmen“, jedoch verschoben sich die Anteile am Steueraufkommen ins Ungleichgewicht zur Wahrnehmung der Aufgaben: „Die gegenläufige Entwicklung bei den ordentlichen Einnahmen und Ausgaben führte dazu, daß sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben beim Bund weiterhin wesentlich ungünstiger entwickelte als bei den Ländern und Gemeinden.“ (S. 22) Das enorme Wirtschaftswachstum der Bundesrepublik in dieser Zeit bestärkte dies auf Grund der Steuerprogression; insofern waren zwei Möglichkeiten gegeben: entweder eine Reform der Steuerverteilung oder des Finanzausgleiches. – Vgl. weiterhin Gutachten Finanzreform, Rdnrn. 52 ff. – Zu den politischen Umständen vgl. knapp, kritisch, aber aufschlussreich den Beitrag von Boldt. Hier finden sich u. a. Hinweise zu den Interessenlagen zwischen „reichen“ und „armen“ Bundesländern und dem Bund, zur Problematik der kommunalen Finanzen und den „veränderten Konfliktlinien nach der Reform“ (S. 153 ff.). – Grundlegend aus politikwiss. Sicht: Renzsch. 9 Zum politischen Prozess und den Konflikten zwischen Bund und Ländern: Laufer, S. 283 ff. sowie umfassend Renzsch, der heraushob, wie groß das Reformbestreben der SPD einerseits war, die Vorbehalte bei der CSU andererseits (Kap. VII). Der „Streitpunkt Gemeinschaftsaufgaben“ war eines der größten Hindernisse zwischen dem Bund und den Ländern: „Die Konfliktlinien verliefen jedoch nicht zwischen den Parteien, sondern – wie bei Finanzverfassungsfragen schon fast üblich – quer durch sie zwischen Bundes- und Landespolitikern.“ (S. 224). 10 Vgl. Gutachten Finanzreform, Rdnr. 1. Einen überaus konzisen Umriss des Arbeitsauftrages der Kommission liefern bereits Rdnr. 6–12.
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit167
Deutschen Bundesbank war. Diese sog. „Troeger-Kommission“ überreichte ihr „Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland“ im Februar 1966. Einen nochmaligen deutlichen Entwicklungsschub erfuhren die Bemühungen zur Neuordnung des Finanzwesens als einer Kernfrage des bundesstaatlichen Aufbaus dann seit dem Bestehen der Großen Koalition ab Dezember 1966.11 Eineinhalb Jahre inhaltlicher Befassung, u. a. in einer Bund/Länder-Arbeitsgruppe, vergingen bis zur Übersendung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung im April 1968 an den Bundestag;12 das erklärte Arbeitsziel der Großen Koalition war es, die als „dringend“ erachtete Reform des Finanzwesens noch vor der regulären Bundestagswahl im September 1969 zu verwirklichen.13 Die handelnden Akteure waren sich der Tragweite ihrer Politik für das Gefüge des Bundesstaates bewusst. Die Finanzverfassung sei so zu gestalten, formulierte es die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf, dass „sie unter voller Wahrung des föderativen Staatsaufbaus und der gemeindlichen Selbstverwaltung den Anforderungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik in einem hochindustrialisierten Sozialstaat, wie es die Bundesrepublik ist, gerecht werden kann.“ Neben der fiskalpolitischen Zielsetzung zur angemessenen und austarierten Ausstattung der öffentlichen Haushalte wurde es zum Motiv, einen Beitrag zur Reform des politischen Systems der Bundesrepublik zu leisten. Erklärtes Leitbild und Ziel der reformtreibenden Kräfte war es, in 11 Von Kieseritzky stammt der Hinweis, dass besonders die SPD schon seit Mitte der 1960er Jahre die „modernen und verheißungsvollen Mittel der antizyklischen Konjunkturpolitik“ beworben hatte und die „Gemeinschaftsaufgaben“ zum reformpolitischen Schlagwort wurden (S. 19–22). 12 Vgl. grundlegend: Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 117. Kabinettssitzung am 13.3.1968, TOP 5 (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz), BMF). – Die BT-Drs. V/4105 war mit einer Zusammenstellung der Ergebnisse im Vermittlungsausschuss die Grundlage für die endgültige Abstimmung im Deutschen Bundestag. Das Finanzreformgesetz wurde von der Großen Koalition beschlossen; die FDP stimmte mit Nein. (Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, 227. Sitzung. Bonn, 23.4.1969, S. 12545 A) – Das Haushaltsreformgesetz (BT-Drs. V/3040) war weniger umstritten und wurde vom Parlament einstimmig, d. h. von allen drei Fraktionen verabschiedet. (Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, 222. Sitzung. Bonn, 20.3.1969, S. 12068 ff.) Von Feuchte (S. 139) stammte dazu der Hinweis, dass „nicht nur das Haushaltsrecht modernisiert und in den Grundzügen vereinheitlicht“ werden sollte, „es hat damit auch die finanz- und konjunkturpolitische Koordination und die Vergleichbarkeit der Ansätze erleichtert, sowie den Informationswert und die Transparenz der Pläne verbessert.“ – Vgl. weiterhin die Zsfg. von Laufer, S. 299 ff. 13 Vgl., auch mit Blick auf das „Gesamtreformprogramm“ dieser Zeit, die „Unterrichtung des Kabinetts über das Koalitionsgespräch ‚Gesetzgebungsprogramm‘ “, mit den entsprechenden Prioritätenlisten (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 130. Kabinettssitzung am 3.7.1968, TOP A). – Vgl. darüber hinaus BT-Drs. V/2861, S. 11.
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
besonderen Politikfeldern zu gemeinsam wahrgenommenen Kompetenzen im Bundesstaat zu kommen: „Viele wichtige Staatsaufgaben verlangen heute die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Verfassung und Verfassungsleben müssen deshalb aus dem Geist eines kooperativen Föderalismus verstanden und weiter entwickelt werden. Er muß tragender Gedanke der Finanzreform sein.“14
Im gesamten Entstehungsprozess der Finanzreform war klar erkennbar und stand praktisch fest, dass sich der Bund und die Länder neuer oder bestehender Aufgaben und Politikfelder gemeinschaftlich annehmen und sie nunmehr kodifizieren wollten.15 Die entsprechenden „Institute des kooperativen Föderalismus“ (Laufer) sollten schließlich als Gemeinschaftsaufgaben, Misch finanzierungen oder Investitionshilfen des Bundes bezeichnet werden.16 Wichtig für das Verständnis dieser Arbeit ist, dass der Bundesgesetzgeber aus den künftigen Schnittstellen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern nicht nur erkannt hatte, dass „die finanzielle Verflechtung der Haushalte untereinander nicht zu vermeiden“ war.17 Ganz im Gegenteil: Die Verflechtung 14 S. BT-Drs. V/2861, S. 11. Vgl. Gutachten Finanzreform, Rdnr. 77: „Der kooperative Föderalismus ist ein aktives Staatsprinzip; er verwirklicht den Ausgleich zwischen einer klaren Aufgabenabgrenzung, ohne die eine Ordnung des Bundesstaates nicht denkbar ist, und der bundesstaatlichen Kräftekonzentration, die den höchsten Wirkungsgrad des öffentlichen Mitteleinsatzes gewährleistet.“ – Interessant sind auch die Vorstellungen der BReg, die aus einer Antwort auf eine Große Anfrage zur „Weiterentwicklung des föderativen Systems“ (BT-Drs. V/4002) vom März 1969 hervorgingen: „Föderalismus kooperativ verstehen bedeutet, die verfassungsmäßige Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern nicht als Zwang – oder gar als Vorwand – für ein separiertes oder isoliertes Handeln der verschiedenen Gewaltenträger zu verstehen, sondern unbeschadet der jeweiligen Zuständigkeiten die gemeinschaftliche Verantwortung für eine im Geiste der Bundestreue aufeinander abgestimmte Gesamtpolitik zu erkennen.“ (S. 3, re. Spalte). Anders als weite Teile der Lit. schaffte es die Stellungnahme der BReg auch, instruktiv und konkret zu benennen, welche Politikfelder vom „kooperativen“ Bundesstaat konzeptionell erfasst sein könnten. – Differenzierend zum koop. Föderalismus, insbesondere zum Spannungsverhältnis „unitarisierend/zentralisierend“: Hesse (1970), II., S. 150 ff. 15 Vgl. Stern, S. 1142 f. – Vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 88. Kabinettssitzung am 19.7.1967, TOP 2: „Staatssekretär Prof. Dr. Ehmke [BMJ] weist auf die verfassungspolitische Bedeutung dieser Frage hin. Die Regierung müsse die angestrebte Reform in Richtung auf einen kooperativen Föderalismus mit aller Energie betreiben. Die gegenwärtige Lage in dem in Frage stehenden Zwischenbereich der Kompetenzen von Bund und Ländern sei unhaltbar.“ 16 Vgl. Enquetekommission, S. 101: „Sowohl die Rahmenplanung nach den Artikeln 91a und 91b GG wie auch die Investitionshilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG wollten dem Bund die Möglichkeit eröffnen, auf Sachbereichen tätig zu werden, die für die weitere Entwicklung der Bundesrepublik von besonderer Bedeutung sind, auch wenn es sich dabei um Aufgaben der Länder handelt.“ 17 S. BT-Drs. V/2861, S. 19, Tz. 50. Ebenso Deutsch, S. 117 f. Zur dogmatischen Debatte über die Legitimität von Mischfinanzierungen kann die vorliegende Arbeit
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit169
dreier Ebenen wurde politisch bewusst getroffen.18 Die Finanzreform 1969 intendierte ausdrücklich eine Mischfinanzierung von Bundeshaushalt, Landeshaushalten und der öffentlichen Finanzwirtschaft auf Gemeindeebene. Anders als es frühe Planungen der Bundesregierung noch skizzierten, wurde das Politikfeld Städtebau jedoch nicht in den Aufgabenkatalog der neu eingeführten Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91a GG aufgenommen.19 In dessen Fassung aus dem Jahr 1969 wurden (bis zur Föderalismusreform 2006) schlussendlich benannt: der Ausbau und Neubau (wissenschaftlicher) Hochschulen, die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. Abseits der politischen Festlegungen muss eine Begründung wohl darin gesehen werden, dass die Städtebauförderung, die ja per Definition auf eine jeweilige Gemeinde im nicht beitragen. Vgl. für die staatsrechtliche Perspektive grundlegend: Kisker (1971) S. 282–284, prägnant in der Zusammenfassung ab S. 303. Für die volkswirtschaftliche Perspektive: aus zeitgenössischer Perspektive das Gutachten von Borell oder z. B. BT-Drs. 11/1317 (Jahresgutachten 1987/88 des Sachverständigenrates), Rdnr. 297 ff. („Finanzausgleich – Eigenverantwortung stärken“); aus heutiger Sicht das Gutachten des Bundesrechnungshofes. 18 Diesbezüglich besonders aufschlussreich ist das „abweichende Votum“ von Fischer-Menshausen im Gutachten Finanzreform, Rdnrn. 510, 512, 512a. – 1973, zu einem Zeitpunkt weitaus größerer Parteiendifferenz und -konkurrenz, sah sich die sozial-liberale Bundesregierung aufgerufen, an diese Entscheidung zu erinnern. Inte ressant in diesem Zusammenhang und Sinne: Finanzplan des Bundes 1973 bis 1977, BT-Drs. 7/1101, Nr. 11. 19 Vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 88. Kabinettssitzung am 19.7. 1967, TOP 2 (2. Entwurf des Finanzreformprogramms der Bundesregierung – Offene Punkte zur Verwaltungsvereinbarung und zu den Gemeinschaftsaufgaben, BMF), B Anlage 3: Den ersten Planungen der Bundesregierung von 1967 zufolge war es noch „unerläßlich“, „die Förderung des Wohnungsbaus“ als Gemeinschaftsaufgabe im Sinne des Entwurfs von Art. 91a GG fortzuführen; auch die Städtebaupolitik sollte zu diesem Zeitpunkt noch zu diesem zu verhandelnden Kanon gehören. Die Städtebauförderung wurde in der Priorität der Gemeinschaftsaufgaben niedriger angesetzt als der Wohnungsbau und wohl eher aus taktischen Gründen für politische Verhandlungen aufgeführt: „[…] Die Bundesregierung hält es darüber hinaus für notwendig, auch die nachfolgend aufgeführten Angelegenheiten: 7) Förderung der Entwicklung und Erneuerung von Städten und Dörfern, soweit dies zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich ist, […] als Gemeinschaftsaufgaben im Sinne von Art. 91a GG (Entwurf) anzusehen.“ Diese Prioritätensetzung stammte übrigens von BMinF Strauß (CSU). – Die „Troeger-Kommission“ hatte mit Blick auf die „Förderung des sozialen Wohnungsbaus“ hingegen erwartet, dass diese gar wieder Aufgabe der Länder wurde (vgl. Gutachten Finanzreform, Rdnr. 152). – Im dann weiteren Verlauf hatte sich die BReg recht früh dazu entschlossen die Förderungen des StBauFG unter den neuen Art. 104a GG fallen zu lassen; vgl. BMin Lauritzen im Bundesrat, 329. Sitzung am 25.10.1968, S. 255 (A). – Überblick, der ausgewogen über Art. 91a GG urteilt: Laufer, S. 286–291. Renzsch zufolge war es eine Verständigung zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten, die zu den drei im GG genannten Gemeinschaftsaufgaben führte (S. 228).
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
öffentlich-rechtlichen Sinn einwirken musste, aus verfassungssystematischen Gründen nicht in diesen Katalog aufgenommen wurde.20 Art. 91a GG benannte nur Gegenstände, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder fielen.21 Die Gemeinden sind staatsorganisationsrechtlich Teile der Bundesländer, was eine Förderbeziehung (auch apostrophiert als Gemeinschaftsaufgabe) zwischen dem Bund und einzelnen Gemeinden ausschloss (und ausschließt);22 das Grundgesetz konnte (und kann) kein Verhältnis zwischen Bund und Gemeinden näher bestimmen. Ebenfalls gegen die Aufnahme des Städtebaues in den Katalog des Art. 91a GG sprach wohl auch die inhaltliche Zielsetzung, die der Verfassungsgesetzgeber mit den Gemeinschaftsaufgaben vorgesehen hatte. Dies ging auch aus dem Wortlaut des Art. 91a GG hervor, der keine kommunalen Aufgaben benannte. Zudem mussten kumulativ die Voraussetzungen aus Abs. 1 vorliegen,23 die sich nur schwer auf einen kommunalen Wirkungskreis herunterbrechen ließen. In allen Politikfeldern des Art. 91a GG überwog der föderative Gedankengang, dass sich der Bund unterstützend jeweils an einer Landesaufgabe beteiligte, die das Staatsgebiet eines einzelnen Bundeslandes verließ bzw. dessen staatliches Wirken überforderte und dadurch zur räumlich-überregionalen Aufgabe wurde.24 So wurde im Falle des Hochschul 20 Vgl. in Abgrenzung den Hinweis von Klein, dass die Gemeinden im Bereich des Art. 104a Abs. 4 GG „selbst Träger der Vorhaben sind und es gerade um die gemeinsame Förderung dieser Vorhaben der Gemeinden durch Bund und Länder geht.“ (S. 880). 21 Eindeutig die Feststellung des Rechtsausschusses des Bundestages (BT-Drs. zu V/3605, S. 5): „[…] Gemeinschaftsaufgaben, die nach der ausdrücklichen Vorschrift des Artikels 91a Aufgaben der Länder bleiben, […]“ und zum Absatz 4 Satz 2: „[…], daß nicht nur der Umfang der Leistungen, sondern auch das Ob der Leistungen der Haushaltshoheit der jeweiligen Parlamente vorbehalten bleibt.“ So fügten sich auch die Modi der Finanzierung des Art. 91a GG ein, nach denen sich der Bund mit den Ländern die Kosten des Baues von Hochschulen bzw. Hochschulkliniken hälftig teilte, und bei der Agrarstruktur und dem Küstenschutz mindestens die Hälfte der Kosten trug. – Im Handbuch des Verfassungsrechts schrieb Klein: „Der Begriff Gemeinschaftsaufgaben beschreibt ihr Wesen nur unvollkommen. Es sind nicht Aufgaben des Bundes und der Länder, sondern Aufgaben der Länder, an denen der Bund mitwirkt.“ (S. 874, m. w. N.). 22 BVerfGE 41, 291 (Entscheidungsformel u. 313 f.). Vgl. a. BT-Drs. V/2861, S. 52., Tz. 299. Vgl. weiterhin Isensee, S. 739. Klein beschreibt die Art. 91a und 104a GG als „Ausnahmebestimmungen“ der Finanzverfassung des Grundgesetzes, die sich „ausdrücklich auch auf die Investitionen der Gemeinden“ erstreckten und ohne die „dem Bund daher in den dort geregelten Ausnahmefällen die Mitfinanzierung von Investitionen der Gemeinden nicht erlaubt“ gewesen wäre (S. 879). 23 „Für die Gesamtheit bedeutsam“ und „Verbesserung der Lebensverhältnisse“, vgl. Laufer, S. 287. 24 Vgl. Gutachten Finanzreform, Rdnr. 155: „Gemeinschaftsaufgaben können nur solche Aufgaben, insbesondere Investitionsvorhaben, sein, bei denen eine gemein-
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(klinik)baues argumentiert,25 bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur26 und bei der Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.27 Voraussetzungen, Aufgaben und Mittel der Städtebaupolitik hätten in diesem Katalog einen Fremdkörper dargestellt, da sie die Kompetenz oder den Zugriff eines Bundeslandes oder weniger Bundesländer kaum überregional überstiegen hätten. Allenfalls eine wirklich breit aufgestellte Nutzung der Entwicklungsmaßnahmen nach StBauFG hätte eine solche Argumentation griffig erscheinen lassen. Der Standort, unter dem das Städtebauförderung ab 1971 im Grundgesetz als Staatstätigkeit firmierte, waren demnach die Investitionshilfen des (späteren) Art. 104a Abs. 4 GG.28 Bekanntlich überschnitten sich die Einbringung des Gesetzentwurfes zur Finanzverfassungsreform 1969 mit den Gesetzgesame Planung durch den Bund und die Länder geboten ist.“ [Hervorh. nicht im Orig., U.K.], weiterhin Rdnr. 133. – Interessant auch Schmidt-Bleibtreu (Vorbem. zu Abschn. VIIIa, Rdnr. 2): „[…] namentlich in Sachgebieten, die für die wirtschaftliche und räumliche Zukunftsentwicklung bedeutsam sind.“ 25 S. BT-Drs. V/2861, S. 26, Tz. 85: „Es ist verfassungsrechtlich bedenklich, daß sich an der Finanzierung von Aufgaben, die ausschließliche Aufgaben eines bestimmten Landes sind, andere Länder oder die Gesamtheit der Länder beteiligen.“ 26 S. BT-Drs. V/2861, S. 26, Tz. 88 u. 89: „[…] sind neue regionalwirtschaftliche Strukturprobleme dadurch entstanden oder zu erwarten, daß Wirtschaftszweige, deren Wirtschaftskraft ganze Gebiete wesentlich beeinflußt, sich den heutigen wirtschaft lichen Gegebenheiten anpassen müssen. Als Beispiel seien hierzu die durch die Absatzschwierigkeiten des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet entstandenen Strukturprobleme angeführt.“ Und weiter: „Zur Wahrung und Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ist es erforderlich, solchen Auswirkungen durch Maßnahmen zur Umstrukturierung entgegenzuwirken und die strukturellen Unausgeglichenheiten im Bundesgebiet zu beseitigen. […]“ 27 S. BT-Drs. V/2861, S. 27, Tz. 92 zur Agrarstruktur: „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ vor dem Hintergrund, „die wirtschaftliche Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen zu verbessern und an die in vergleichbaren Berufsgruppen heranzuführen“. Und weiter Tz. 95: „[…] muß die Agrarstrukturförderung notwendigerweise im Rahmen der gesamten Wirtschaftsstrukturmaßnahmen im Bundesgebiet gesehen werden. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur müssen die Ziele und Grundsätze der Raumordnung beachten […]“ Zum Küstenschutz ebenfalls S. 27, Tz. 96: „Die Flutkatastrophe im Februar 1962 hat die Notwendigkeit dieser Maßnahmen zum Schutze der Menschenleben und Sach güter auf das eindringlichste gezeigt. Aus der dabei gewonnenen Erkenntnis hat sich auch eine überregionale Zusammenarbeit und Planung als notwendig erwiesen. Nach der Orkanflut des Jahres 1962 sind von den vier betroffenen Ländern SchleswigHolstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen [Maßnahmen] im Werte von ca. 2,5 Mrd. DM geplant worden. Diese Mittel können nicht aus eigener Kraft der Länder aufgebracht werden.“ 28 Vgl. Oestreicher, § 71, der zu § 71 Abs. 3 StBauFG anmerkte: „Diese Bestimmung ist nach der Begründung der Regierungsvorlage Ausdruck der Konzeption des Art. 104a GG.“ (S. 171).
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bungsarbeiten zum Städtebauförderungsrecht, wie der vorherige Abschnitt § 2 an verschiedenen Stellen herausgearbeitet hat. Daher erstaunt angesichts der damals angedachten Volumina des Städtebaus, dass dieser im Gesetzgebungsverfahren nur durch den Rechtsausschuss des Bundestages im Katalog der „besonders bedeutsamen Investitionen“ des Entwurfes zu Art. 104a GG wörtlich genannt wurde (und nicht etwa durch den Regierungsentwurf):29 „Der Rechtsausschuß und der Finanzausschuß gehen übereinstimmend davon aus, daß Absatz 3 die Finanzierung von Investitionen insbesondere in folgenden Bereichen zulassen soll: im gemeindlichen Verkehrswesen, bei der Schaffung angemessener Wohnverhältnisse, bei der städtebaulichen Erneuerung und Entwicklung in den Gemeinden und beim Krankenhausbau.“30
Eine enumerative Aufzählung wie bei den Gemeinschaftsaufgaben erfolgte in Art. 104a GG nicht und war insofern auch verfassungspolitisch flexibler gehalten worden; dem Wortlaut nach waren es „besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden“, an denen sich der Bund beteiligen konnte. Auch diese ausdrückliche Benennung der kommunalen Ebene war folgerichtig im Sinne der oben gemachten Abgrenzung zum Art. 91a GG. Die Verortung der Städtebauförderung im Art. 104a Abs. 4 GG war also bewusst getroffen worden,31 obwohl konzediert werden muss, dass die tatsächlichen Schnittstellen und Grenzbereiche zwischen Art. 91a und 104a GG 29 Der Gesetzentwurf der BReg zum Finanzreformgesetz hatte hinsichtlich einer inhaltlich abschließenden Festlegung, vielleicht aus taktischen und politischen Gründen, jedenfalls offen argumentiert: „Die Aufgaben- und Ausgabenabgrenzung bedarf noch einer Klärung in der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Bund für Investitionen der Länder und Gemeinden Finanzierungshilfen gewähren kann.“ (S. BT-Drs. V/2861, S. 30, Tz. 117.) – Im Entstehungsprozess des StBauFG hatte sich die BReg hingegen früh entschlossen, eine Subsumtion unter den neuen Art. 104a GG zu verfolgen; vgl. BMin Lauritzen im Bundesrat, 329. Sitzung am 25.10.1968, S. 255 (A). – Erst der Vermittlungsausschuss hat eindeutig bekundet, daß die „städtebauliche Erneuerung und Entwicklung in den Gemeinden“ von Art. 104a Abs. 4 GG erfaßt waren (s. Mündliche Berichte der Berichterstatter des Vermittlungsausschusses in der 222. Sitzung des Deutschen Bundestags (20.3.1969, S. 12058) und in der 338. Sitzung des Bundesrats (9.5.1969, S. 109)). 30 S. BT-Drs. zu V/3605, S. 6. Wichtig: Absatz 3 des Entwurfes der BReg war in etwa der spätere Art. 104a Abs. 4 GG. – Laut Finanzbericht der Bundesregierung 1970 schloss sich jedenfalls der Bundesrat der Auffassung des Bundestages an, dort S. 162, zit. n. Laufer (S. 293). 31 Es gab zahlreiche Stimmen, die Art. 104a Abs. 4 GG zu den „Gemeinschaftsaufgaben im weiteren Sinne“ zählten, so z. B. Klein (S. 877) oder Frowein (Leitsatz Nr. 12, S. 49), auch mit der Formulierung einer „unmittelbaren Nähe“ (S. 18). Überzeugen konnte dies angesichts grundsätzlich unterschiedlicher Orte in der Verfassung („VIII a. Gemeinschaftsaufgaben“/„X. Das Finanzwesen“) nicht, und diese Sichtweise sollte sich auch im unten besprochenen Urteil des BVerfG hinsichtlich der Rollenfindung der Bundesländer wiederfinden: in der Aufgabenwahrnehmung nach Art. 91a und 91b wurden dem Bund deutlich mehr Mitspracherechte eingeräumt als nach
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weder aus damaliger, noch aus heutiger Sicht immer trennscharf waren.32 Investitionshilfen waren in der Tat eher als eine Aufgabe der Wirtschafts förderung zu verstehen, denn als Daueraufgabe, der sich der Bund und die Länder verfassungsrechtlich festgeschrieben zu widmen hatten. Diese Charakterisierung war schlussendlich jedoch kein Manko, sondern sollte mit der Verfassungswirklichkeit in der späteren Umsetzung des StBauFG übereinstimmen. Anders als die im GG festgeschriebenen Gemeinschaftsaufgaben konnten die Investitionshilfen in der Umsetzung des StBauFG im 1986 erklärten Konsens zwischen Bund und Ländern beendet werden. Dies wird diese Arbeit insbesondere im nachfolgenden Teil B. mit seinem Schwerpunkt der empirischen Darstellung der Städtebaupolitik als Staatstätigkeit zeigen.33 Ganz in diesem materiellen Sinne der Investitionshilfen wurde im Gesetzentwurf zur Großen Finanzreform explizit und wiederholt ein Leitbild aufgerufen, das auch in den Vorarbeiten und politischen Formulierungen zum Städtebauförderungsgesetz regelmäßig auftauchte: die Bedeutung von Mitteln und Möglichkeiten zur konjunkturpolitischen Steuerung. Die 1968 vorgelegte Gesetzesbegründung berief sich auf das im Jahr zuvor verabschiedete „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“,34 die „Steuerung des gesamtwirtschaftlichen Kreislaufs“ anhand weiterer Materien „aus der Natur der Sache“ heraus zu verwirklichen.35 Art. 104a Abs. 4 GG war nach Aussage einer seiner Schöpfer eine „von der Verfassung als Ausnahme zugelassene Form der Mischverwaltung und Mischfinanzierung“, deren wichtigster „Anwendungsfall […] Programme und Maßnahmen zur Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ waren.36 Auch hier schien dem Bund jedoch eine Grenze gezogen; die Staatsrechtslehre erkannte Art. 104a GG (vgl. Stern, S. 1145. ) – ob die Länder dies im Konflikt auch durchsetzen konnten, war freilich ein anderes Kapitel. 32 Das von Walter (2001), S. 520, dargelegte Fazit, dass die Städtebauförderung politisch auf die Lösung struktureller, räumlicher Aufgaben hinarbeite, „sie aber verfassungsrechtlich als Instrument der Wirtschaftsförderung begründet“ worden ist, zeigte sich in dieser Entscheidung deutlich. 33 Vgl. u. Kap. B.II.2. 34 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (sog. Stabilitäts- und Wachstumsgesetz – StabG). BGBl. I, Nr. 32, 13.6.1967, S. 582 ff. 35 S. BT-Drs. V/2861, S. 30, Tz. 118. Vgl. a. Boldt, S. 152. 36 S. Hettlage, S. 618 f. Hettlage war zur Zeit der Entstehung der Großen Finanzreform Staatssekretär im BMF (vgl. VVdStRL 31, S. 99). In einem Abriss zur Historie der Art. 91a und 104a GG schrieb er (S. 616): „Ein Hauptziel der Reform von 1969 war es, diese ungeordnete Formenvielfalt [der „Fondswirtschaft des Bundes“, U.K.] verfassungsrechtlich einzufangen und in wenigen Sonderformen des Zusammenwirkens zu legalisieren. Dieses Ziel wurde weitgehend – mit Ausnahme der Flurbereinigung der Bundeszuständigkeiten aus der Natur der Sache – erreicht.“
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es zwar an, „Investitionen auf bestimmten Gebieten bezuschussen“ zu können, nicht jedoch konkrete „Einzelmaßnahmen“.37 „Konjunktur- und Strukturprobleme“, so argumentierte die Sicht des Bundes, konnten „eine gleichmäßige Wirkung im gesamten Bundesgebiet nur entfalten, wenn sie von Bund, Ländern und Gemeinden, vor allem bei ihren Investitionen, in einem abgestimmten und gleichgerichteten Verfahren verwirklicht“ wurden.38 Und in der konsequenten Wechselwirkung hatten auch die Gesetzgebungsarbeiten zu dem eben genannten Stabilitäts- und Wachstumsgesetz darauf abgehoben, dass u. a. der Anteil der öffentlichen Haushalte an den Bauinvestitionen zur Mitte der 1960er Jahre fast ein Drittel betrug. Die Bundesregierung fasste es 1966 so zusammen: „Von den ‚eigenfinanzierten Ausgaben‘ für Investitionen (Sach- und finanzielle Investitionen, bereinigt von Doppelzählungen), die 1963 etwa 28 Mrd. DM betragen haben, entfielen rd. 26,5 % auf den Bund, 36,5 % auf die Länder und 37 % auf die Gemeinden. Aus dieser Verteilung ergibt sich, daß eine Investitionssteuerung durch den Bund allein keine ausreichende Wirkung auf den gesamtwirtschaftlichen Ablauf zeitigen könnte.“39 Die Reformpolitik der Großen Koalition der Jahre 1966–69 war nicht zu verstehen ohne diesen Anspruch, zu neuen, „globalen“ volkswirtschaftlichen Steuerungsmöglichkeiten zu gelangen, die alle Ebenen des staatlichen Handelns – die Gemeinden und Gemeindeverbände als dritte administrative Ebene ausdrücklich einbezogen – miteinander verband:40 37 Vgl.
Frowein, S. 37. Hettlage, S. 619 (Hervorh. nicht i. Orig., U.K.) – Vgl. a. Scheuner (1974), S. 370 ff.: „Die staatliche Planung als Methode rationaler Zielansprache und Mittelkoordinierung ist eine Erscheinung der neuesten Zeitepoche.“ Scheuner unterschied in seinem Beitrag zur „Entwicklung der politischen Planung in der Bundesrepublik Deutschland“ vier Perspektiven: „die Finanz- und Haushaltsplanung auf Grund der Finanzreform von 1967, Strukturfragen der politischen Planung auf der Regierungsebene des Bundes, die Beteiligung der Parlamente an der Planung und endlich Planung im Verhältnis Bund und Länder und bei den Ländern.“ (S. 374). 39 S. BT-Drs. V/890, S. 9. Von Hesse/Ellwein stammte punktgenau der Hinweis, dass dies nicht damit zu verwechseln sei, dass die Gemeinden über einen höheren realen Steueranteil als der Bund verfügen konnten: „So sank der Steueranteil an den gemeindlichen Gesamteinnahmen allein zwischen 1958 und 1966 von 35 Prozent auf 28 Prozent. Die Zweckzuweisungen der Länder sowie das Aufkommen aus der Fondswirtschaft des Bundes wuchsen hingegen an. Die Steuereinnahmen der Gemeinden übertrafen 1958 die Zuweisungen von Bund und Ländern noch um 78,1 Prozent; diese Spanne sank bis 1967 auf 2,6 Prozent. Hieran wird deutlich, wie gering (trotz der 1956 eingeräumten Realsteuergarantie) der originäre Finanzanteil der Gemeinden an der Aufgabenerfüllung war und wie stark das Dotationssystem übergeordneter Gebietskörperschaften in die Gemeindefinanzen einbrechen konnte, was zu einer erheblichen Beeinflussung der kommunalen Willensbildung vor allem im Investitionsbereich führte.“ (S. 77). 38 S.
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit175 „Wie gerade die Erfahrungen des vergangenen Jahres [d. i. 1967] gezeigt haben, kann es bei einer die Stabilität und das Wachstum der Wirtschaft gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit entscheidend darauf ankommen, durch Steigerung der Ausgaben der öffentlichen Haushalte, insbesondere durch Verstärkung der Investitionsausgaben, einer weiteren Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit entgegenzuwirken. Gerade die öffentlichen Investitionen stellen ein wichtiges konjunkturpolitisches Steuerungsmittel dar. Im Hinblick darauf, daß der größte Teil der öffentlichen Investitionen auf Länder und Gemeinden entfällt, muß dem Bund das Recht eingeräumt werden, zur Abwehr von Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Ländern und Gemeinden die Durchführung zusätzlicher Investitionen durch Gewährung von Finanzhilfen zu ermöglichen. Da die Zulässigkeit dieser Maßnahmen wegen der Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern – anders als bei den der Wirtschaft unmittelbar zugute kommenden Konjunkturförderungsmaßnahmen – in Zweifel gezogen werden könnte, ist bei der Bedeutung der Frage eine Klärung im Grundgesetz unumgänglich.“41
In der Rückschau fügte sich also dieses Bild: Ende der 1960er Jahre fehlte nicht der politische Wille des Bundes, sondern die verfassungsrechtliche Grundlage, um künftig auf das große Investitions- und damit konjunkturelle Steuerungspotenzial der Gemeinden gezielt einzuwirken. Dies war eines der zentralen Motive zur Verankerung der bundesstaatlichen Investitionshilfen; und Art. 104a Abs. 4 GG war 1969 schließlich dieser in das Grundgesetz eingefügte Zugang.42 Das zeitgleich dazu entworfene Städtebauförderungsge40 Für die historische Verortung der Großen Koalition hatte Lehmbruch herausgearbeitet, wie sehr „keynesianisch inspirierte Konjunkturpolitik“ und „Globalsteuerung“ zum wirtschaftspolitischen Anspruch dieser Epoche gehörten: „Koordinierung sollte einerseits im Verhältnis der großen autonomen Interessengruppen untereinander und mit dem Staat in Form einer ‚konzertierten Aktion‘, andererseits auch zwischen den verschiedenen staatlichen Entscheidungsträgern und Gebietskörperschaften erfolgen. Dahinter stand der Gedanke, daß die Gesellschaft ein hochgradig interdependentes Gefüge aus Elementen darstellt, zwischen denen komplexe Abhängigkeitsbeziehungen und Wechselwirkungen bestehen – eben ein ‚System‘, das nur solange im Gleichgewicht bleibt, wie die ‚Kohärenz‘ der politischen Interventionen sichergestellt ist.“ (Lehmbruch 1999, Große Koalition, S. 47). 41 S. BT-Drs. V/2861, S. 30 f., Tz. 119. Die Investitionskraft der Gemeinden im volkswirtschaftlichen Gesamtzusammenhang wurde von der BReg dezidiert betont, so z. B. auf S. 42, Tzn. 206 i. V. m. 209: „[…] Wesentlich für die Stellung der Gemeinden im Finanzsystem der Bundesrepublik ist die Feststellung, daß 1965 44,4 v. H. aller Ausgaben der Gemeinden Investitionsausgaben waren. Von den gesamten Sachinvestitionen der öffentlichen Hand fallen in den Gemeinden und Gemeindeverbänden 65,2 v. H. an, wenn die aus Zuweisungen des Bundes und der Länder finanzierten Investitionen mit berücksichtigt werden.“ – „Die Finanzlage der Gemeinden in der Bundesrepublik ist danach auf der Ausgabenseite durch den hohen Anteil der Investitionen an den gemeindlichen Gesamtausgaben und die wachsende Bedeutung dieser Investitionen bestimmt.“ – Für die kommunalen Perspektiven in „Konjunkturpolitik und Finanzplanung“: Tettinger. 42 Eine Erörterung derjenigen Materien und Gesetze, die in der Staatspraxis unter Art. 104a Abs. 4 GG geführt wurden, liefert Schmidt-Bleibtreu, Art. 104a, Rdnr. 22.
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setz war eines der dementsprechenden Instrumente und ein hervorgehobenes Beispiel für eine volumenstarke, langfristig angelegte Staatstätigkeit in der ab 1969 entworfenen bundesstaatlichen Mischfinanzierung. Und ebenso darf eine wichtige Wechselwirkung nicht übersehen werden: Die Große Finanz reform und ihr Voranschreiten in den Jahren seit 1966 hatten entscheidend dazu beigetragen, die schwergängigen Gesetzgebungsarbeiten zum StBauFG zu katalysieren, denn der Fortgang der Gesetzgebungsarbeiten war von den Kommunen drängend erwartet worden.43 Es muss unterstrichen werden, dass die Städtebaupolitik weder der alleinige, noch der bedeutsamste Anwendungsfall investitionsintensiver Materien gem. Art. 104a Abs. 4 GG war.44 Als besonders wichtig bezeichnete die Bundesregierung in etwa derselben Zeit z. B. „Maßnahmen zur Behebung von Verkehrsnotständen in den Gemeinden“.45 Sie konnten unter denselben Anwendungsfall subsumiert werden wie der Städtebau. Vorrangigen Handlungsbedarf sah der Gesetzgeber hier in „Verdichtungsräumen“ und in den „ländlichen zurückgebliebenen Gebieten“, die derartig dringend seien, dass unter Zuhilfenahme gemeinsamer Förderungen von Bund und Ländern „umfassende und wirksame Maßnahmen“ ergriffen werden sollten, u. a. durch den „Bau verkehrswichtiger inner- und zwischenörtlicher Straßen wie auch für die Schaffung eines ausreichenden Netzes des öffentlichen Personen nahverkehrs.“46 Vgl. a. Stern, S. 1144. – Nur in dieser kaskadischen Abfolge war das Ineinandergreifen von Grundgesetzänderung und Ausführungsgesetzen (StBaufG, GVFG, KHG) auch aus heutiger Sicht als so „unproblematisch“ und vor allen „unbeklagt“ zu verstehen, es gab sozusagen übergreifend im Bundestag und Bundesrat eine „Große Große Koalition“ hierüber, was im Schrifttum vielfach nicht gewürdigt wurde (vgl. den Beitrag von Holch, der noch 1973 zu völlig falschen Schlüssen kommt). 43 Vgl. hierzu vorstehend § 2 D.II. 44 Zu den Staatstätigkeiten in diesem Bereich gehörten nach den Verfassungsreformen von 1969: „In Ausführung [der] Investitionsfinanzierungskompetenz gewährt der Bund Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, zur Förderung der städtebaulichen Sanierung und Entwicklung, im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus und zur Durchführung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Dazu gehören auch die Investitionshilfen, die auf Grund besonderer Programme, z. B. zur Förderung des Studentenwohnungsbaus und als ‚Konjunkturspritzen‘ gewährt werden.“ (vgl. Enquetekommission, S. 101 f.) – Einen sehr umfangreichen tabellarischen Überblick über die Gesamtheit der Aufgaben und Tätigkeiten im Bereich der Mischfinanzierungen (Art. 91a, 91b und 104a GG) lieferte, nach Ländern differenziert: LT-Drs. HE 9/5854, S. 16 ff. 45 In früheren Planungsstadien hatte die BReg vorgesehen, den „Ausbau der Verkehrseinrichtungen im gemeindlichen Bereich zur Behebung von Verkehrsnotständen“ als Gemeinschaftsaufgabe nach Art. 91a GG zu führen, s. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 88. Kabinettssitzung am 19.7.1967, TOP 2, B Anlage 3. 46 Vgl. BT-Drs. V/2861, S. 31., Tz. 121. Einmal mehr ist in der heutigen Rückschau nicht schlüssig nachvollziehbar, warum von der BReg die zu diesem Zeitpunkt
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Nicht nur aus heutiger Sicht liegen die wechselseitigen Voraussetzungen und Bedingungen dieser beiden zentralen Politikbereiche aus den 1970er Jahren auf der Hand. Bereits im Planungs- und Gesetzgebungsstadium zum StBauFG war allen Beteiligten klar gewesen, dass Städtebau ohne eine abgestimmte (und „gemischtfinanzierte“) Modernisierung der Verkehrsführung nicht möglich, wie umgekehrt die Modernisierung durch Massenmobilität zu einem Schlüsselmotiv und allgegenwärtigen „Einfallstor“ des Städtebaus in die überalterten und sanierungsfälligen Innenstadtbereiche geworden war.47 Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und das spätere StBauFG entstammten nicht nur ähnlichen Motivlagen, sie standen auch in intensivsten Arbeitsbeziehungen zueinander.48 In seiner Gesamtinterpretation hatte Roman Herzog Art. 104a Abs. 4 des Grundgesetzes noch 1980 als „sedes materiae der Mischfinanzierung“ und damit auch als „trojanische[s] Pferd des modernen Bundesstaates“ interpretiert.49 In dieser Auslegung war enthalten, dass Mischverwaltung und -finanzierung die deutsche Staatsrechtslehre immer auch kontrovers befasst hatten.50 Wenn auch Art. 104a Abs. 4 GG ab 1969 außerhalb der systematischen „fünf Stufen der bundesstaatlichen Finanzverteilung“ stand, prägte er zusammen mit den Bestimmungen zu den Gemeinschaftsaufgaben „die Staatspraxis der Finanzverteilung nachhaltig“. Investitionshilfen und Gemeinschaftsaufgaben entfalteten „nicht unerhebliche Finanzausgleichswirkungen“ und waren „geeignet, Lasten von Ländern und Gemeinden abzufangen oder Bedarfe zu kompensieren, die der Länderfinanzausgleich nicht“ berücksichtigen konnte.51 Dies galt besonders für politische, nicht ausschließlich gesetzlich bereits intensiv debattierte Reformgesetzgebung zum Städtebau nicht angeführt wurde. Allenfalls das „2. Wohnungsbaugesetz“ wurde in einem Querverweis als eine Materie angeführt, die als wichtige Investition im Sinne des neu zu schaffenden Art. 104a GG gesehen wurde (genau so die Begründung zu den Einzelvorschriften, BT-Drs. V/2861, S. 52, Tz. 298). 47 Vgl. o. § 2 A.I. sowie § 4 Kap. A.I.2. und 3. – Weiterhin LT-Drs. Nds. 7/982 sowie Schnipkoweit, S. 8, der die Mittel und Förderwege des Zweiten Wohnungsbaugesetzes besonders erwähnte. 48 Sehr eindringlich, praxisnah und lesenswert: Heyken (2003, 2016). Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 19. 49 Vgl. Rdnrn. 95, 96. 50 Den besten Überblick bieten die „Referate und Aussprache“ (S. 87–146) der VVdStRL 31. Lesenswert insbesondere der Beitrag von Hettlage (S. 99 ff.) als seinerzeit verantwortlichem StS BMF. Aufschlussreich auch die Kontroverse Stern, S. 106 ff., vs. Kisker (1971), S. 122–124. Weiterhin Patzig, 5. Kap., S. 60–75. 51 Wieland (Finanzverfassung), S. 792 f. Als fünf Bestandteile des „mehrstufigen Systems zur Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat“ benennt Wieland die „vertikale Steuerertragsaufteilung“, die „horizontale Steuerertragsaufteilung“, die „Umsatzsteuerergänzungsanteile“, den „Finanzausgleich“ und „Bundesergänzungszuweisungen“, S. 787 ff. – Vgl. a. Stern, S. 1140 f.
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
durchdrungene Materien wie die Landesentwicklungs-, Struktur- und Infrastrukturpolitik, zu denen die Städtebau- und Verkehrsführungspolitik schließlich auch gehörten. In diesen Bereichen konnten (und können) die Bundesländer als politische Einheiten und in ihrer Landespolitik weitreichende und umfängliche, prägende Entscheidungen treffen.52
II. Städtebauförderung als Investitionshilfe und Bundesprogramm Ein politisch-administratives Programm ist aus verwaltungswissenschaft licher Sicht und als heuristische, modellhafte Annahme der gezielte, geplante und gesteuerte Ablauf einer Staatstätigkeit. Für die hier betrachtete Thematik ergibt sich daraus, dass das Programm „Städtebauförderung“ gem. StBauFG geplant und gesteuert darauf abzielte, auf gesamtstaatlicher Ebene Städtebaupolitik als administrative Stadt- und Gemeindeentwicklung zu implementieren.53 Hier ist nicht beabsichtigt, Gesetzgebungs- und politische Prozesse zum StBauFG wie in einer mechanischen Staatsfunktionenlehre als 1971 abgeschlossen und danach als „reinen“ Prozess der Implementation zu betrachten. Dies wäre schon der Tatsache geschuldet, dass das StBauFG bald nach seiner Verabschiedung novelliert und also „politisch evaluiert“ wurde. Auch den „klassische“ Impuls der Verwaltungssoziologie, wonach „die Verwaltung als soziales Gebilde z. T. auch eine politische Funktion erfüllt“,54 könnte man in den Zeugenstand rufen. Doch die vorliegende Arbeit folgt eher der Sicht52 Vgl.
Herzog, Rdnr. 76, „Insoweit: fortbestehendes Gewicht der Länder“. diesem Grund wird die Förderung des „Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus“ (exWStB), die volumenmäßig und vor allem inhaltlich nicht unbeachtlich für die Entwicklung des StBauFG war, in dieser Arbeit nicht behandelt. Die Rolle und der Stellenwert des exWStB verdient eine eigenständige Bearbeitung, insbesondere weil er vom Bund bereits sehr früh, seit den 1950er Jahren durchgeführt wurde. Es handelte sich um eine der wenigen Formen der Städtebauförderung, die der Bund residual für sich beanspruchen konnte, bezeichnet als „angewandte Ressortforschung, die der Gewinnung neuer, durch praktische Anwendung abgesicherter Erkenntnisse dient.“ Entscheidend für den Ausschluss in dieser Arbeit war indes, dass bei der Entwicklung der Vorhaben kein Programm in dem Sinne aufgestellt wurde, wie es hier zuvorderst untersucht wird: nämlich als politische und vertikale Verbindung der drei administrativen Ebenen im Bundesstaat, dem Bund, den Ländern und den Gemeinden. Zwar beriet sich der zuständige Bundesminister mit den Ländern, die „Anerkennung und Förderung“ erfolgte aber ausschließlich durch den Bundesminister. Einige der Projekte aus dem exWStB wurden später zu „Modellvorhaben“ in der Entwicklung des StBauFG und nach dessen Einführung tlw. auch in dessen Landesprogramme überführt. (Vgl. BT-Drs. 8/3740). 54 Vgl. Mayntz (1997), S. 43. 53 Aus
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weise, Administration in Prozessen, weniger in Abschnitten oder Domänen zu denken. Denn in Politikfeldern stehen politische und administrative Inte ressen und Akteure miteinander in Beziehung und treffen fortwährend und im Konkreten aufeinander. Auch im Politikfeld Städtebau war für den Bund und die Länder „die enge Verschränkung von Programmentwicklungs- und Implemationsprozessen“ zu sehen: „Wegen der intensiven und vielfältigen empirischen Verflechtungen erscheint es nicht sinnvoll, die Prozesse isoliert voneinander zu analysieren. Politikformulierung und Implementierung sind als fortlaufende Verhandlungs- und Kommunikationsprozesse zwischen Bund und Ländern zu verstehen, die in ihrer gegenseitigen Bedingtheit gesehen werden müssen. Dies gilt insbesondere bei Politikfeldern […], in denen die Strategie des Bundes in hohem Maße darauf gerichtet ist, Implementationsprobleme zu antizipieren und von vornherein zu verhindern. Das Ergebnis dieser Strategie ist nicht notwendigerweise eine effektivere, aber eine gegen ‚sichtbares‘ Scheitern geschützte Politik. Offene Implementationsprobleme, die sich auch formal als Vollzugsdefizite festmachen ließen, sind in diesen Politikbereichen relativ selten anzutreffen.“55
Nun ist es eine Frage der wissenschaftlichen Definition, ob das StBauFG für die Administration in seiner Gesamtheit als Programm bezeichnet werden soll und kann, oder nur derjenige Teil, der vom StBauFG selbst als Programm bezeichnet wurde, nämlich die Aufstellung und der Einsatz der Finanzhilfen des Bundes (§§ 71, 72 StBauFG). Die Antwort ist: Beide Sichtweisen sind vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit möglich. Einerseits wurde das StBauFG als in sich abgeschlossene Materie und institutioneller Handlungsrahmen für die Kommune programmatisch angewandt; innerhalb der von ihm gezogenen Grenzen hat Städtebau auf kommunaler Ebene im Verfahren und Ergebnis stattgefunden. Andererseits hatten die finanziellen Hilfen des Bundes ebenfalls Auswirkungen als gezieltes, geplantes und gesteuertes Programm, denn sie haben die städtebaulichen Projekte in den Gemeinden als Teil eines administrativen Prozesses innerhalb kooperierender Ebenen im Bundesstaat mit direkter Intention finanziert, verbunden und in dieser Folge angesteuert. Beide Perspektiven fließen in die vorliegende Arbeit ein. Die Beschreibung des Programms im hier vorliegenden Teil A. widmet sich der Aufstellung der Finanzhilfen des Bundes, also des engeren Teils oder Ausschnittes und damit der Rolle des StBauFG im Rahmen des „kooperativen Bundesstaates“ als dem institutionellen Rahmen des Politikfeldes. Dem folgenden 55 Vgl. Garlichs (1980, Politikformulierung), S. 32 f. Und weiter: „Eine Implementationsforschung, die sich an der analytischen Unterscheidung in Politikformulierung und Implementierung orientiert und welche die gegenseitige Durchdringung und wechselseitige Beeinflussung beider Prozesse vernachlässigt, würde daher ihre Fragestellung unter den beschriebenen Rahmenbedingungen verfehlen.“
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
Teil B. kommt danach die breiter gehaltene Analyse zu, also die empirische Beschreibung und Bewertung verschiedener Aspekte der allgemeinen Implementation innerhalb des Politikfeldes Städtebau. 1. Das Bundesprogramm nach § 72 StBauFG Derjenige Teil, der vom StBauFG selbst als Programm bezeichnet wurde, war gem. § 71 Abs. 1 StBauFG in Form von Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 des Grundgesetzes vorgesehen, und zwar verpflichtend mit 450 Millio nen DM in den Haushaltsjahren 1971 bis 1973 und ab 1974 aus allgemeinen Deckungsmitteln. Das nähere Verfahren zur Aufstellung der Finanzhilfen benannte § 72 StBauFG: „(1) Für den Einsatz der Finanzhilfen des Bundes sind für den Zeitraum der mehrjährigen Finanzplanung Programme nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 aufzustellen. Sie sind vor Beginn eines jeden weiteren Jahres nach denselben Gesichtspunkten der Entwicklung anzupassen und fortzuführen. (2) Die für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister oder Senatoren der Länder stellen Programme für die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen auf, für die Finanzhilfen des Bundes nach § 71 in Betracht kommen. Die Maßnahmen sind mit anderen vom Bund oder von den Ländern geförderten oder durchgeführten Maßnahmen, insbesondere der Raumordnung, der Wirtschaft, der Landwirtschaft, des Verkehrs oder der Wissenschaft, abzustimmen. (3) Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen berät über die Programme der Länder mit den zuständigen Ministern und Senatoren der Länder, insbesondere über die vorgesehenen Maßnahmen, die Zeit für ihre Durchführung, die Höhe der Finanzhilfen des Bundes und die Beteiligung der Länder an der Förderung der Maßnahmen. Zu der Beratung können Vertreter der kommunalen Spitzenverbände zugezogen werden. Auf der Grundlage dieser Beratung stellt der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen unter Abstimmung mit anderen im Zusammenhang stehenden Maßnahmen ein Bundesprogramm für den Einsatz der Finanzhilfen des Bundes auf. Er teilt entsprechend dem Bundesprogramm die als Finanzhilfen bestimmten Bundesmittel den Ländern zu.[56] (4) Die Bewilligung der Mittel für die einzelnen Maßnahmen erfolgt durch die Länder.“ 56 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 15: „Das Bundesprogramm wird in enger Abstimmung mit den Ländern auf der Grundlage der Landesprogramme für den Zeitraum der mehrjährigen Finanzplanung aufgestellt. Haushaltsrechtliche Vollzugsverbindlichkeit erlangt das Bundesprogramm jeweils nur für das Programmjahr. Für die Fortschreibungsjahre werden für die einzelnen Maßnahmen im Rahmen der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten jeweils entsprechende Finanzhilfebeträge vorgehalten, […]“ (Fn. n. i. Orig., U.K.) – Vgl. BT-Drs. 8/906, S. 19: „Die Bundesmittel werden den Gemeinden dabei entsprechend der Finanzverfassung über die Länderhaushalte zur Verfügung gestellt.“
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit181
Auf den ersten Blick war das staatsrechtliche Gefüge in Ausführung dieses Gesetzes demnach eindeutig: § 72 Abs. 4 StBauFG bestimmte, dass die „Bewilligung der Mittel für die einzelnen Maßnahmen […] durch die Länder“ erfolgte; insofern es also um diese Mittel (nämlich den Einsatz der Finanzhilfen des Bundes) ging, war klar herausgearbeitet, dass der Bundesminister mit seinen Kollegen aus den Landesregierungen zwar über die Programme der Länder beriet und anschließend daraus ein Bundesprogramm für den Einsatz der Finanzhilfen des Bundes aufstellte; die nähere Bewilligung und also weitere Ausführung sich aber nach dem Grundsatz der Verwaltungs hoheit des Art. 83 GG bemaß und insofern zwischen den Ländern und den Kommunen als Teil deren Staatsaufbaues lag. Über die Aufstellung des Bundesprogramms, genauer: in welchem Maß der Bund über die Finanzhilfen des Art. 104a Abs. 4 GG die programmatischinhaltliche Umsetzung der Städtebauförderung beeinflussen konnte, hatte es jedoch bereits im Gesetzgebungsprozess unterschiedliche Auffassungen und Konflikte zwischen dem Bund und den Ländern gegeben, insbesondere mit dem Freistaat Bayern.57 Der Kern des Streits ruhte darin, dass der Bund den Städtebau von Anbeginn als Wirtschaftsförderungsmaßnahme qualifizierte und er das Gesamtpolitikfeld der Konjunktur- und Strukturpolitiken materiell für sich beanspruchte.58 Der Bund und die Länder tasteten sich in der Anfangsphase der Umsetzung des StBauFG intensiv an die Modi der Beratung und Abstimmung heran und loteten die Spielräume der gegenseitigen Einflussnahme in der Festlegung des Bundesprogramms aus, wozu schließlich auch die sich abzeich-
57 Vgl. o. § 2 C.III. und D.III. Auch wenn sich die Auseinandersetzungen um das Ausmaß der Zuständigkeitswahrnehmung von Bund und Ländern am in Kraft getretenen StBauFG entzündeten, so wurzelte der eigentliche Konflikt viel tiefer und reichte zeitlich bis in die 1960er-Jahre zurück (vgl. Kap. § 2 A., B.). Ebenso hatten sich die Vorbehalte gegen eine „Programmkompetenz“ des Bundes schon 1969 artikuliert, so verlangte der BR in seiner Stellungnahme zum Finanzreformgesetz: „[…]; es soll klargestellt werden, daß die Auswahl der zu fördernden Vorhaben der zuständigen Landesregierung obliegt.“ (S. BT-Drs. V/2861 vom 30.04.1968, S. 86). 58 Dies wurde im Anspruch des Bundes deutlich, als sachliches und räumliches „Auswahlkriterium […] bei der Aufstellung von Programmen nach dem Städtebauförderungsgesetz“ den „sog. Bündelungseffekt, d. h. eine sachliche, zeitliche und räumliche Koordinierung raumwirksamer öffentlicher Investitionen“ nutzen zu wollen: „Die meisten Verbindungen städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen mit Investitionen aus anderen Fachbereichen bestehen mit der regionalen Wirtschaftsförderung, dem kommunalen Straßenbau nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, dem Fernstraßenbau nach dem Bundesfernstraßengesetz und mit Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung.“ Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 16, 19.
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
nende Herbeiführung der verfassungsgerichtlichen Klärung gehörte.59 Für das StBauFG und seine Umsetzung verzeichnete Walter:60 „Sichtbar wurden diese Bestrebungen des Bundes in parallel geschalteten Interaktionen, die – einander initiierend, ergänzend, umsetzend und verstärkend – den Widerstand der Länder und damit eine Reihe von Konflikten provozierten, die sich nicht einem bestimmten Interaktionsfeld zuordnen lassen: Erst die aus einer Reihe von Einzelinteraktionen von durchaus unterschiedlicher Tiefenwirkung in Hauptund Nebenfeldern zum Ganzen gebündelten vertikalen Spannungen kulminierten schließlich darin, dass die Bayerische Staatsregierung die Verfassungskonformität der Programmsteuerungskompetenz und -praxis des Bundes in der Städtebauförderung zur Diskussion stellte.“
Nicht zuletzt die später ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes61 haben die Implementation des StBauFG dadurch entscheidend geprägt, dass sie diesen Verfahren und Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern Grenzen aufgezeigt und Verfahrensfestlegungen mitgegeben haben. Anders als in den Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91a hatte demnach der Bund in den Investitionshilfeprogrammen nach Art. 104a GG keine nähere „Mitsprache in der Sache“, sondern in erster Linie eine Finanzierungskompetenz.62 Sowohl der Bund als auch die Länder waren nach der Phase der Konflikte politisch und administrativ darum bemüht, zu einem praktikablen Verfahren zu kommen und die Städtebauförderung in Verwaltungsvereinbarungen umzusetzen.63 59 Einzelheiten des Verfahrens vor dem BVerfG und eine Würdigung seiner Bedeutung für die Ausführung des StBauFG ist das Kapitel § 2 F.I. gewidmet. 60 (2001), S. 520. Sehr bald entstand „der zentrale Konflikt um die politische Standortbestimmung im vertikalen Handlungs- und Entscheidungsverbund der Städtebauförderung.“ Weiter heißt es: „Die Spannungen entwickelten sich, will man sie schematisieren, in folgenden Schritten: [i. Orig. Aufzählung] die mit § 72 StBauFG legalisierte Programmsteuerungskompetenz des Bundes, der Konflikt um die administrative Praxis der vertikalen Programmsteuerung, die Leugnung des Steuerungsanspruchs des Bundes und schließlich das verfassungsgerichtliche Streitverfahren.“ 61 BVerfGE 39, 96, vgl. hierzu oben § 2 Kap. F.I. Weiterhin BVerfGE 41, 291 (Strukturförderung). 62 Vgl. Stern, S. 1145. – So zu verstehen auch in BT-Drs. 7/4101, S. 25, kurz nach dem Urteil des BVerfG: „Auf dem Gebiet der städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen beteiligt sich der Bund mit einem Drittel an den förderungsfähigen Kosten. Die Finanzierungshilfen werden den Ländern teils als Darlehen, teils als Zuweisungen zur Verfügung gestellt.“ 63 Vgl. Walter (2001), S. 522. – Erstmalig wurden Verwaltungsvereinbarungen „zum Bundesprogramm nach dem Städtebauförderungsgesetz“ im Juni bzw. Oktober 1977 aufgesetzt. Sie regelten die Modalitäten zur Umsetzung der §§ 71, 72 StBauFG, also des Bundesprogramms. Die Höhe des Bundesanteils an den förderungsfähigen Kosten der Landesprogramme betrug demnach ein Drittel. Der Bund war lediglich berechtigt zu prüfen, ob die förderungsrechtliche Zweckbindung der Finanzhilfen und die Ziele des Art. 104a Abs. 4 GG eingehalten wurden. Überstiegen die Anmeldungen
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Durch den Karlsruher Richterspruch wurde in der Summe für die Implementation des StBauFG die Position der Bundesländer und der Kommunen als Domänen der Administration nachhaltig gestärkt. Es war eine wesent liche Leistung der verwaltungswissenschaftlichen Forschung schon in den 1970er Jahren, unter dem Paradigma der „Politikverflechtung“ in theoretischer und empirischer Hinsicht untermauert zu haben, dass der Bund in der Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben64 gar keine so überstarke, den Föderalismus prädominierende Position einnahm, wie dies (auch heute noch) oftmals vermutet wird: „Im politischen Prozeß sind nicht nur Sachinformationen zu sachgerechten Lösungen, sondern auch problemrelevante Interessen zu konsensfähigen Lösungen zu verarbeiten. Politische Problemverarbeitung kann deshalb nicht nur an mangelhafter Informationsgewinnung und ungenügender Informationsverarbeitung scheitern, sondern auch durch ungenügende Interessenberücksichtigung und mangelnde Konfliktregelung/Konsensbildung fehlgehen. Verflochtene Entscheidungssysteme stehen hier deshalb vor spezifischen Problemen, weil über die komplexe Konstellation der Interessen der unmittelbar Betroffenen und ihrer Interessenorganisationen hinaus (die in allen politischen Entscheidungsstrukturen einflußreich sein können) hier noch das institutionelle Eigeninteresse der im Politikverflechtungssystem beteiligten politisch-administrativen Organisationseinheiten wesentlichen Einfluß auf das Ergebnis gewinnt.“65 der Landesprogramme den Verfügungsrahmen der Länder und konnten sich diese nicht über die Verteilung der Bundeshilfen einigen, konnte der Bund einen „sachgerechten“ Verteilungsmaßstab festlegen (vgl. LT-Drs. SH 10/1041, Kap. 9.2.2). – In den 1970er Jahren ergingen zwei weitere Vereinbarungen, nämlich die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift über den Einsatz von Förderungsmitteln nach dem Städtebauförderungsgesetz (StBauVwV)“ vom 14.2.1975 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 39 vom 26.2.1975) sowie vom 14.3.1979 (nun als StBauFVwV, Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 57a vom 22.3.1979, abgedr. in Oestreicher, S. 231 ff.). Diese Verwaltungsvereinbarungen regelten Details über die Förderverfahren und sollten „einer einheitlichen Handhabung des StBauFG“ dienen; über die Programmaufstellung im Sinne der Procedere zu §§ 71 und 72 StBauFG gaben sie keinerlei Auskunft. Die StBauFVwV wurde am 31.12.1981 außer Kraft gesetzt und durch weitgehend inhaltsgleiche Vorschriften der Länder ersetzt (vgl. BT-Drs. 10/1013, S. 9). 64 D. h. nicht nur im verfassungsrechlichen Sinne des Art. 91a GG. 65 Vgl. Scharpf/Reissert/Schnabel (1976), S. 39 f. – Das Paradigma der „Politikverflechtung im föderativen Staat“ ist seit seinem Erscheinen 1976 in vielerlei Hinsicht diskutiert, rezipiert und auch wissenschaftlich weiterentwickelt worden. Gleichwohl sah sich der Urheber dieser Forschungslinie, Fritz W. Scharpf, schon 1978 dazu genötigt, „vielfältige Mißverständnisse und Fehlinterpretationen“ der Ausgangsarbeit von 1976 ihrem Ursprung nach klarzustellen: „Die Theorie der Politikverflechtung ist (bisher) nicht eine universelle, sondern eine partielle Theorie von begrenzter Reichweite. Sie erklärt nicht den Gesamtzusammenhang gesellschaftlicher Problemerzeugung und politisch-administrativer Problemverarbeitung in beliebigen gesellschaftlich-politischen Systemen und […] Problembereichen, sondern sie beschränkt sich darauf, den Einfluß einer spezifischen Struktur der politisch-administrativen Politik-Formulierung
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
Die Länder waren und sind für „ihre“ Kommunen nicht nur staatsrechtlich verantwortlich, sondern auch politische Interessenorganisationen. Und auch mit Blick auf die Kommunen in der Umsetzung des StBauFG galt, dass sie Beteiligte und Interessenorganisation gleichermaßen waren. Diese Besonderheit der Stellung der Kommunen wird in der Analyse oft übersehen, was freilich auch an den bis heute gängigen politischen Strategien der Kommunalverwaltungen und ihrer Interessenverbände liegen mag, sich selbst nur allzu gerne als „Benachteiligte im Staatsaufbau“ darzustellen. Um es auf den Punkt zu bringen: das Gegenteil ist der Fall. Es dürfte, einmal abgesehen von den Sozialversicherungsträgern, kaum andere Organisationen der Selbstverwaltung geben, die ihre Interessen im politischen System der Bundesrepublik so stark durchsetzen können wie die Kommunen.66 Es galt damals wie heute: kein Flächenland wie Bayern oder Niedersachsen wird auf politischem Wege eine Schwächung der Landkreise im Staatsaufbau zulassen; kein städtisch geprägtes Land wie Nordrhein-Westfalen oder Hessen wird zulassen, dass „seine Kommunen“ und Großstädte bei der städtebaulichen oder anderweitiger Förderung des Bundes „zu kurz kommen“.67 Diese für den vertikalen Politikverbund im deutschen Bundesstaat typische Konstellation – enge Interaktion zwischen Bund und Ländern auf Bundesebene, enge Interaktion und Koalition zwischen Gemeinden und Länderadministrationen auf Landesebene – sollte bei der näheren Aufstellung des Bundesprogramms zum StBauFG voll zum Tragen kommen. 2. Aufgabenverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden Die Aufstellung des Bundesprogrammes gem. § 72 StBauFG verlief „bottom-up“. Grundsätzliche Voraussetzung zur Teilnahme am Förderprogramm des Bundes war für die Gemeinden ein zweistufiges Verfahren: zunächst mussten sie in ein Landesprogramm68 entsprechend § 72 Abs. 2 Satz 1 auf den Prozeß der Politik-Formulierung und seine Ergebnisse unter den Rahmenbedingungen der Bundesrepublik in den 60er und 70er Jahren und im Bereich der ‚Gemeinschaftsaufgaben‘ des Bundes und der Länder und der ‚Investitionshilfen‘ des Bundes an die Länder zu erklären.“ (Scharpf (1978), S. 21, Hervorh. im Orig.). 66 Dem entspricht die Stellung der Gemeinden nach Art. 28 GG und die Möglichkeit der „Kommunalverfassungsklage“ gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG. 67 Vgl. Dieckmann. Auf die Stellung der kommunalen Spitzenverbände, die – nicht zu vergessen – mit Städtetag, StGB als auch LKT sowohl auf Landes- als auch Bundesebene vertreten sind und insbesondere auf Landesebene in deren „Verwaltungspolitik“ einen erheblichen Einfluss entfalten können, kann hier nicht gesondert eingegangen werden. Vgl. den Beitrag von Jaedicke/Wollmann (1998). 68 Tabellarische Überblicke über die Landesprogramme nach § 72 StBauFG bieten Städtebauförderung: Auswertung der Erfahrungen nach 10 Jahren […], S. 57, 58; weiterhin (bis zum Stand ca. 1984) Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 36–38.
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StBauFG aufgenommen und dann hierüber im Bundesprogramm „gebündelt“ werden.69 Vom StBauFG war keine direkte Verbindung des Bundes zu einzelnen Gemeinden vorgesehen, was aus der expliziten Formulierung des § 72 Abs. 4 abgeleitet werden konnte sowie dem Grundsatz der Verwaltungshoheit gem. Art. 83 GG. Zeitnah nach dem klarstellenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 197570 formulierte es das zuständige Bundesministerium lakonisch so: „Der Bund hat kein Initiativrecht; er nimmt auf die Aufstellung der zur Vorbereitung des Bundesprogramms von den Ländern aufzustellenden Landesprogramme nach Objekt und Höhe der dafür beantragten Finanzhilfen keinen Einfluß.“71 Seiner Selbstauskunft zufolge bemühte sich der Bund darum, in einem „auf Kooperation und wechselseitige Erörterung angelegten Aufstellungsverfahren“ das Bundesprogramm zu entwerfen. Hierzu hatte er „zur Erleichterung der Schwerpunktbildung unter sachlichen und räumlichen Gesichtspunkten“ gemeinsam mit den Ländern einen Kriterienkatalog zur Aufnahme von Sanierungsmaßnahmen erarbeitet;72 doch waren die Inhalte und Verfahren so „weich“ und „offen“ gehalten, dass hieraus kein echter Steuerungsanspruch abgeleitet werden konnte. Alles in allem war dadurch in diesem Bereich eine weitgehend offene Arena zur Aushandlung von Katalogen und Leistungen entlang politischer – und eben nicht technisch-administrativ-sach licher – Kriterien entstanden, die als solche auch genutzt wurde.73 69 Dieser Schritt, die Konversion vom Landes- in das Bundesprogramm, war für die Kommunen nur mittelbar von Interesse. Der Verfahrensablauf war praktisch durch folgende Schritte gekennzeichnet: „1. Antrag auf Aufnahme in das Förderprogramm des kommenden Jahres mit Angabe eines Maßnahmenrahmenprogramms. 2. Mitteilung über die Aufnahme in das Förderprogramm. 3. Bewilligungsantrag für ein konkretes Maßnahmeprogramm. 4. Bewilligungsbescheide – häufig in Teilabschnitten – und Hinweis auf Mittelbereitstellungstermine. 5. Mittelanforderung und Mitteleingänge bei der Stadt.“ (vgl. Modellvorhaben Osnabrück, S. 165) Fördermittel des StBauFG, dies war für die Kommunen zur flexiblen Programmumsetzung von Vorteil, wurden nicht bezogen auf konkrete bauliche Projekte/Objekte, sondern für Gesamtmaßnahmen ausgekehrt. Merkmal der Programmpraxis war auch, dass es zwischen den Mittelbereitstellungen weit auseinander liegende Abruftermine gab. Diese wurden „weniger nach dem Mittelbedarf der Kommune als nach der voraussichtlichen Finanz- und Liquiditätslage des Bundes und Landes bestimmt.“ (ebd., S. 166). 70 BVerfGE 39, 96, vgl. hierzu oben § 2 Kap. F.I. 71 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 15. 72 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 16. 73 Für den Bereich der gemeinsamen Aufgaben fand sich der Hinweis, dass die Förderungsgrundsätze von Bund und Ländern in gemeinsamen Planungsausschüssen erarbeitet wurden (vgl. LT-Drsen. RP 9/359, S. 10, und HE 9/5854, S. 11 f.). Für die zum StBauFG-Programm aufzustellenden Verwaltungsvereinbarungen dürften ähnliche Verfahren gegolten haben. Interessant der Hinweis aus Rheinland-Pfalz: „Die Anmeldung der Landesregierung [hier: zu den Rahmenplänen nach Art. 91a GG,
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
Um es für die hier vorgelegte Auffassung auf den Punkt zu bringen: Die Schlüsselstellung in der Entscheidung darüber, welche Städtebaumaßnahme in die finanzielle Förderung des StBauFG aufgenommen wurde (und welche nicht), lag praktisch bereits vor dem Urteil des BVerfG bei den Ländern, genauer bei denjenigen Behörden, die über die Aufnahme einer örtlichen Sanierungsmaßnahme in das Landesprogramm entschieden. Dies waren im Regelfall nicht die Oberbehörden (sprich Ministerien), sondern die Mittelbehörden im dreistufigen Verwaltungsaufbau, also die Bezirksregierungen, Regierungspräsidien usw.74 Nur die abschließende Beschlussfassung über die jeweiligen Landesprogramme lag entweder beim jeweiligen Fachminister (bzw. der Fachbeamtenschaft im zuständigen Ministerium) oder aber, dem Kollegialprinzip der Landesregierungen geschuldet, in einem Kabinettsbeschluss.75 Ganz im Sinne einer unitarischen Implementation des StBauFG war die „äußere Form der Landesprogramme und der Antragsunterlagen […] im Interesse der Vergleichbarkeit mit den Ländern vereinbart“ worden.76 Dieses Verfahren war auch aus heutiger Sicht sinnvoll, denn ansonsten wären aus systematisierender und vergleichender Perspektive erhebliche Reibungsverluste entstanden, nicht nur im engeren Prozedere der Bundesprogrammaufstellung, sondern auch aus Gründen statistischer Erfassbarkeit und Wirkungsforschung. Damit einher ging, dass sich die administrativen Verfahren in den einzelnen Ländern ähnelten. Alle Bundesländer gaben eine Art einführenden Erlass o. ä. in etwa zum Jahreswechsel 1971/72 heraus; die Stadtstaaten Berlin und Hamburg erließen Ausführungsgesetze.77 U.K.] wird maßgeblich durch die Vorarbeiten von Unterausschüssen der Planungsausschüsse beeinflußt. Diese schließen ihre Arbeiten oftmals zu einem so späten Zeitpunkt ab, daß Beschlüsse der Landesregierung über die Anmeldungen des Landes immer wieder unter erheblicher Zeitnot gefaßt werden müssen, um den Anmeldungstermin einhalten zu können.“ 74 Vgl. Burgi, S. 845. Vgl. Schnipkoweit, S. 9 (Bsp. Niedersachsen: „[…] wurde die Durchführung der Förderung vom Sozialministerium weitgehend auf die Bezirksregierungen verlagert.“) – In etlichen Bundesländern bestanden Landessanierungsund -entwicklungsgesellschaften (o. ä. Bezeichnung), wobei diese weniger in der Programmaufstellung tätig waren, sondern regelmäßig stärker im „Tagesgeschäft“ bzw. der Umsetzung konkreter, meist größerer Sanierungs- und Entwicklungsprojekte (vgl. LT-Drs. SH 10/1041, Kap. 2.1 bzw. S. 6 f.). 75 Vgl. z. B. in Schleswig-Holstein (LT-Drs. 10/1041, S. 19 f.): „Das jedes Jahr vom Innenminister aufzustellende Städtebauförderungsprogramm des Landes wird in der Arbeitsgruppe IV der Interministeriellen Raumordnungskonferenz (IROK) mit den dort vertretenen Fachressorts eingehend beraten und anschließend von der Landesregierung beschlossen.“ 76 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 15. 77 Kompletter Überblick mit Fundstellen in: Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 130 ff.
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Das Land Nordrhein-Westfalen konnte dabei als besonders eindringliches, wenn auch überdurchschnittlich tätiges Beispiel gelten, denn es war das Bundesland mit der bei weitem umfangreichsten und bereits lange praktizierten landeseigenen Städtebauförderung.78 Seine „Allgemeine Einführung in das Städtebauförderungsgesetz“ erging am 25. April 1972.79 Ausgehend von § 5 Abs. 2 StBauFG wies das Land an mehreren Stellen auf seinen Genehmigungsvorbehalt über die von den Kommunen zu beschließenden Sanierungssatzungen hin. Ein wichtiger Punkt in der Einführung waren die Hinweise auf die Zügigkeit und Finanzierbarkeit der von der Kommune geplanten Maßnahme. Das Land erörterte, dass „nach realistischer Abwägung bei zügiger Durchführung die Sanierung in einem absehbaren Zeitraum (möglichst nicht mehr als 10 Jahre […]) abgeschlossen“ werden sollte (Ziff. 2.21).80 „Eine mangelnde Aussicht auf Durchführung in absehbarer Zeit“ war dem Land NRW zufolge „anzunehmen, wenn eine Finanzierung nicht möglich“ erschien (Ziff. 1.3).81 Anträge auf Genehmigungen zur förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes waren der „höheren Verwaltungsbehörde auf dem Dienstweg vorzulegen“, zu den „Anträgen der kreisangehörigen Gemeinden“ sollten „die Oberkreisdirektoren Stellung nehmen.“ Dabei „[musste] beson78 Vgl. Städtebauförderung in Nordrhein-Westfalen (1969) und (1981). Zur „Städtebauförderung durch landeseigene Programme“ vgl. Scharpf/Reissert/Schnabel, Kap. 5.3.4. 79 Runderlass des Innenministers vom 25. April 1972, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nummer 52/1971, S. 908 ff. 80 Zum Quervergleich wird hier das Land Niedersachsen herangezogen, das seinen Einführungserlass im Februar 1972 erlassen hat: RdErl. des Sozialministeriums vom 4. Februar 1972, Nds. MBl Nr. 12/1972, S. 487 ff. – Auf S. 487 bestimmte es in Ziff. 2, dass einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im öffentlichen Interesse liegen. Ein konkreter Hinweis wie in NRW („10 Jahre“) findet sich nicht, die Gemeinde sollte die Maßnahme „mit Nachdruck in einem überschaubaren Zeitraum“ betreiben. Ziff. 3 bestimmte, dass städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen „[…] nur dann sinnvoll vorbereitet und durchgeführt werden“ konnten, „wenn die städtebauliche Gesamtkonzeption erarbeitet“ war. Es musste „Klarheit sowohl über die Funktionen der Gemeinde und ihr Verhältnis zum Umland als auch über die Grundzüge ihrer städtebaulichen Gliederung und innerörtlichen Bezüge sowie über zeitliche Reihenfolge und Realisierbarkeit der notwendigen Maßnahmen bestehen.“ 81 In Niedersachsen war die Genehmigung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes zu versagen, „wenn keine Aussicht“ bestand, „die Sanierungsmaßnahmen innerhalb eines absehbaren Zeitraumes durchzuführen.“ Dies galt insbesondere, wenn „für mehrere Jahre“ keine Fördermittel von Bund und Land zu erwarten waren und „die Gemeinde selbst nicht über ausreichende Finanzmittel“ verfügte, „um die Sanierung zügig betreiben zu können“ oder nach ihrer Verwaltungskraft dazu nicht in der Lage war (Einführungserlass, Ziff. 7). Hieraus konnte man im Vergleich gut erkennen, dass Niedersachsen weder eine so starke eigene Städtebaupolitik betrieb wie NRW, noch beabsichtigte, verstärkt Landesprogramme „aufzulegen“.
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ders darauf eingegangen werden, ob die Gemeinde die Maßnahme auch ohne eine Förderung des Landes durchführen“ konnte (Ziff. 2.23). Mit Blick auf die Finanzierbarkeit der Sanierungsmaßnahme hatte die Gemeinde nach der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes eine „Kosten- und Finanzierungsübersicht für die Durchführung der Sanierung“ aufzustellen (Ziff. 2.5), die dem Regierungspräsidenten vorzulegen war.82 Der Genehmigungsvorbehalt für die Sanierungssatzung kannte auch Versagungsgründe. Wichtig für den Zusammenhang hier war Ziff. 2.246. Wenn kommunale Maßnahmen den Zielen der Raumordnung und Landesplanung entgegenstanden, konnte die Genehmigung nach § 5 Abs. 2 StBauFG versagt werden. Die endgültige „Auswahl der Maßnahmen, die dem Bund zur Förderung vorgeschlagen“ wurden, traf der Landesminister (Ziff. 4). Weitere Hinweise für das Verfahren kamen aus dem Runderlass des Innenministers für die „Aufstellung des Landesprogramms für städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen gem. § 72 Abs. 2 StBauFG für das Rechnungsjahr 1972“ vom 23. November 1971, dem ersten einer Reihe von Erlassen jeweils zu den fortgesetzten Programmjahren.83 Für die Aufstellung des ersten Programmjahres wurde festgelegt, dass die Landesprogramme dem Bundesminister zum 31. März 1972 vorgeschlagen werden mussten. Weiter legte das Land NRW für das Antragsverfahren fest: „1. Förderungsanträge auf Aufnahme in das Landesprogramm 1972 gemäß § 72 StBauFG sind bei den Regierungspräsidenten/bei der Landesbaubehörde Ruhr bis zum 1.2.1972 zu stellen. 2. Die Regierungspräsidenten/Landesbaubehörde Ruhr prüfen die Anträge auf Vollständigkeit, Förderungswürdigkeit und -fähigkeit. Die Anträge, die nach dieser Prüfung die Voraussetzungen für eine Förderung erfüllen, sind mir [d. i. der Innenminister NRW, U.K.] bis zum 1.3.1972 mit einer fachlichen Stellungnahme vorzulegen.“
Dieses Schreiben bezog sich in seinen Förderungsvoraussetzungen wiederum auf einen früheren Erlass aus dem März 1971, der also noch vor Verabschiedung des StBauFG ergangen und mit Blick auf die landeseigene Städtebauförderung einer der „maßgebenden Erlasse“ war.84 Er legte u. a. fest, dass nur solche Sanierungen gefördert wurden, „an deren Verwirklichung ein erhebliches Landesinteresse“ bestand bzw. „deren Vernachlässigung der an82 Dies war in Niedersachsen ähnlich (Einführungserlass, Ziff. 11) die Gemeinde sollte eine Kosten- und Finanzierungsübersicht für die Durchführung der Sanierung aufstellen, die mit anderen Trägern öffentlicher Belange abgestimmt sein musste, um anschließend der höheren Verwaltungsbehörde vorgelegt zu werden. 83 Vgl. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nummer 136/1971, S. 2123 f. 84 S. Städtebauförderung in Nordrhein-Westfalen (1981), S. 7.
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gestrebten Landesentwicklung entgegenstehen“ würde.85 Dies ist für den Kontext der vorliegenden Arbeit wichtig, denn dadurch wurde ersichtlich, dass es zwischen den administrativen Verfahren auf Bundes- und Landesebene eine gefestigte institutionelle Schnittstelle, ja wechselseitige Beeinflussung gab. Der skizzierte zeitliche Ablauf im Land Nordrhein-Westfalen gab wertvolle Hinweise auf die tatsächlichen administrativen Verfahren in der Programmaufstellung. Es ist auf den ersten Blick etwas „verwinkelt“, dennoch: Der o. g. allgemeine Einführungserlaß wurde erst im April 1972 bekanntgegeben, also zu einem Zeitpunkt, als das Land das erste Programmjahr gegenüber dem Bund (s. o.: mit Wirkung zum 31. März 1972) längst aufgestellt haben musste. Zwar erging der Runderlass zur Aufstellung des Landesprogramms vorher, offiziell aber erst Ende November 1971. Bis zum 1. Februar 1972 (dies war der Stichtag der Antragstellung) hatten die Kommunen über den Jahreswechsel also zwei Monate Zeit, ihre Vorhaben zu beantragen. Weiterhin sahen die Bearbeitungsfristen aus dem „Aufstellungserlass“ eine formelle Prüffrist der Regierungspräsidien von einem Monat vor (s. o.: 1. Fe bruar bis 1. März 1972). Darauf folgte nur ein Monat formeller Prüfbearbeitung seitens des Landesministeriums, das zudem in dieser Zeitspanne die Vorschläge sämtlicher Regierungspräsidien zu einem Landesprogramm zusammenführen musste (1. bis 31. März 1972). Ende November 1971 jedoch war das StBauFG seit bereits vier Monaten ausgefertigt und in Kraft getreten, den Gemeinden also bekannt. Angesichts dieser Fristen und der sehr kurzen formellen Prüfbearbeitung und Landesprogrammaufstellung des Landesministeriums (von nur einem Monat) sowie dem mehrmonatigen tatsächlichen Verfahrensvorlauf zwischen Regierungspräsidien und Kommunen, spätestens seit der Bekanntgabe des StBauFG, kann abgeleitet werden, dass die informelle Vorbereitung, Prüfung und „poli tische Verhandlung“ über die Aufnahme von Städtebauförderungsprojekten insgesamt auf der Ebene der Regierungspräsidien, also zwischen den staat lichen Mittelbehörden und den antragstellenden Gemeinden bzw. den für sie tätigen Trägern, stattgefunden hat.86 85 Vgl. „Städtebauförderung: Förderung der Durchführung städtebaulicher Maßnahmen“ Runderlass des Innenministers vom 23. März 1971. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nummer 48/1971, S. 629 ff. (Zitat: Ziff. 1.2, 2.1). 86 Für das Land NRW, genauer RP Detmold, empirisch bestätigt durch Sanierungsträger und Sanierungsmaßnahmen […], S. 126, (Fn. 52) m. w. Nachw. – In Niedersachsen war festgelegt, dass das Landesprogramm „auf den Anmeldungen der Gemeinden“ beruhte (Bek. des MS vom 21. Mai 1973, Nds. MBl. 29/1973, S. 926). Die Regierungspräsidenten prüften die Anmeldungen und gaben sie mit einer Stellungnahme an das zuständige Sozialministerium weiter, insbesondere darüber, ob die gemeindliche Maßnahme mit „der Raumordnung, der Wirtschaft, der Landwirtschaft,
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Diese Feststellung ergänzt das Gewicht der originären Landes-Staatsverwaltung um eine Sicht auf ein regionalisiertes Verhandlungssystem, das zwischen der kommunalen Ebene und der staatlichen Mittelinstanz gepflegt wurde.87 Zumindest in NRW musste die Antragsführung in der wichtigen Initiativphase zur Aufstellung des Bundesprogramms, das „Anlegen“ und „Festigen neuer Pfade“ sozusagen, in formeller wie auch informeller Hinsicht in einem Zeitraum entstehen, in dem sich das Land „offiziell“ und „per Erlass“ noch gar nicht geäußert hatte. Hier waren administrative Verfahren zur Städtebauförderung gängige Praxis und die Einführung des StBauFG stieß auf etablierte Verwaltungsabläufe zwischen Land und Kommunen.88 In den landeseigenen Programmen waren die Regierungspräsidien bzw. die „Landesbaubehörde Ruhr“ die antragführenden Behörden, die zudem dafür verantwortlich waren, regionalisierte Landesprogramme aufzustellen.89 NRW hatte mit seinen eigenen Landesprogrammen qualitativ bereits „städtebauräumliche“ Schwerpunkte in umfangreichem Maße geschaffen; insgesamt war es so, dass die Mittel aus dem StBauFG eher als Ergänzung zu den
des Verkehrs oder der Wissenschaft“ abgestimmt war. Die „Querschnittsfunktion“ der damaligen nds. Bezirksregierungen wurde dadurch gut sichtbar. Weiterhin fand sich in Ziff. 14 ein Hinweis in indirekter Form: eine Förderung von Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen war nur möglich, wenn bei Bund und Land perspektivisch genügend Mittel zur Durchführung der Maßnahme eingeplant waren. Das Land empfahl den Gemeinden „daher, mit den zuständigen Landesbehörden rechtzeitig die beabsichtigte Einleitung vorbereitender Maßnahmen abzustimmen […].“ Da auch in Nds. die Mittelbehörden (hier bezeichnet als Regierungspräsident bzw. Präsidenten der Verwaltungsbezirke) für die Genehmigung der Satzung nach § 5 Abs. 2 StBauFG zuständig waren (Erlass des MS vom 11. Februar 1972, Ziff. 3.1), konnte schlüssig angenommen werden, dass an diese auch die o. g. Aufforderung zur informellen Abstimmung von Maßnahmen adressiert war. 87 Sekundär bestätigt durch Sanierungsträger und Sanierungsmaßnahmen […], S. 126: „Ein Schwerpunkt der Trägertätigkeit bei der Finanzierung lag auf den Vorverhandlungen mit den Städtebauförderungsreferenten der Mittelinstanzen und des Landes, bei denen es um die Vorklärung der Aussichten von Förderungsanträgen oder um Verwendungsmöglichkeiten der zugesagten Förderungsmittel ging. Derartige Vorklärungen hatten z. B. das Ziel, die Argumentation einer Antragsbegründung vorzubesprechen oder Fristen und erforderliche Unterlagen abzustimmen.“ Der Zugang zu solch informellen Abstimmungen dürfte für Kommunen ebenso direkt gegolten haben. – Vgl. Naßmacher/Naßmacher, Kap. 3.4.2 und 4.2.3. 88 Diese Vermutung wurde dadurch bestärkt, dass das Land Nordrhein-Westfalen im Kreise der Bundesländer als einziges Flächenland galt, das vor der Einführung des StBauFG eine volumenstarke eigene Städtebauförderung betrieben hatte (zusammen mit dem Stadtstaat Berlin, der aber auf Grund der deutschen Teilung oftmals Sonderrollen einnahm). Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 10. Vgl. Städtebauförderung in Nordrhein-Westfalen (1969) und (1981). 89 Vgl. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nummer 48/1971, S. 630 (Ziff. 11.1 und 11.3).
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit191
Landespolitiken gesehen werden konnten.90 Auch aus heutiger Sicht ergeben sich keine weiteren Hinweise oder Anhaltspunkte darauf, dass das Land Anlass hatte, die bereits gängigen Verfahren neu zu strukturieren oder durch Parallelverfahren für das StBauFG zu überlagern.
III. Bewertung aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht: (Bundes-)Staat und Stadt im „kooperativen Föderalismus“ Eine Bewertung des Städtebauförderungsgesetzes steht vor der Herausforderung, dass die Wirkungsweisen des Gesetzes im Verhältnis zwischen „Staat und Stadt“ eingebettet waren in ein Bündel verschiedener Funktionsweisen des „kooperativen Föderalismus“. Im Folgenden sollen zwei Perspektiven herangezogen werden, die geeignet scheinen, dies näher zu beleuchten: die historisch-institutionelle Analyse und der politikwissenschaftliche Zugang der Verwaltungswissenschaften. 1. Der historisch-institutionelle Standort des StBauFG im Bundesstaat Das politische System der Bundesrepublik Deutschland veränderte sich in den späten 1960er Jahren materiell besonders stark. An das Staatsgelingen, an die Staatspraxis wurden andere, erweiterte Ansprüche gestellt, denen nicht allein mit den Stichworten der „Planungseuphorie“91 und dem „Ausbau der Sozialstaatlichkeit“92 genügt werden konnte. Gesellschaft und Staatswesen gingen aus einer ersten Phase der Nachkriegszeit, Demokratisierung und Konsolidierung über in einen Entwicklungsabschnitt, aus dem die Republik als moderne Industrie- und Konsumgesellschaft hervorging, gekennzeichnet 90 Gut sichtbar im Gesamtkontext des „Nordrhein-Westfalen-Programms“ von 1970, und zwar nicht nur in quantitativer, sondern auch qualitativer Hinsicht, d. h. der Einbettung in die Landes- und Raumordnungsplanung, die Verkehrs- und Bildungsplanung usw. Vgl. S. 86: „Für den Städtebau entstehen im Programmzeitraum [d. i. 1971–75] Gesamtausgaben in Höhe von 2.038 Mio DM. Darin ist ein Bundesanteil von 600 Mio DM enthalten, den das Land nach Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes von 1972 bis 1975 erwartet. Von dem Landesanteil von 1.438 Mio DM sind 154 Mio DM für Erholungsanlagen und 30 Mio DM für den Bau eines Rheinhafens vorgesehen. Für Städtebaumaßnahmen in den Verdichtungsgebieten und den ländlichen Gebieten sollen daher im Programmzeitraum Landesmittel in Höhe von 1.254 Mio DM ausgegeben werden.“ Dazu kamen noch erhebliche Mittel im landeseigenen Wohnungsbauprogramm (4,7 Mrd. DM (!)) und der „Althauserneuerung“ (50.000 WE pro Jahr) (S. 87–88). 91 Vgl. Scheuner, Planung. 92 Vgl. Münch, Kap. 1.2.2 („Die These von der Unausweichlichkeit der unitarischen Entwicklung moderner Sozialstaaten“), bes. S. 32 f., sowie die Beiträge von Boldt und Hockerts, Kap. 7, sowie Zacher (vgl. S. 201 ff.).
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
durch politische Stabilität, soziale Differenzierung und Mobilität, Wirtschaftswachstum und deutlich gewachsene Staatstätigkeit.93 Das politische Geschehen in Bund und Ländern wurde nicht nur von einer stark zentralisierten Parteienlandschaft geprägt,94 sondern auch von einer neuen Generation politischer Entscheidungsträger, die sich diesen Entwicklungen mit einem modernen parteipolitischen Anspruch stellten. Wo genau ein solcher „Wendepunkt“ gelegen haben mag (und ob es einen solchen gesellschaftlich und politisch dezidiert überhaupt geben konnte) muss dahinstehen.95 Sichtbar wurde er vielleicht im Besuch Kennedys in Berlin im Juni 1963, begleitet von Bundeskanzler Adenauer und dem populären Berliner Bürgermeister Brandt – ein sinnfälliges Bild von hoher Symbolkraft schon für die Zeitgenossen. „Historisch“ und „institutionell“ aber wurde er in der Gründung der Großen Koalition im Dezember 1966. Die Entwicklungen dieser Zeit zeigten, dass das (damals noch relativ junge) politische System der Bundesrepublik Deutschland und seine Repräsentanten in hohem Maße anpassungsfähig und -bereit waren. Die gesellschaftliche und politische Zielfindungs- und Konsensbereitschaft war stark ausgeprägt, zumindest unter den politischen Eliten. Ebenfalls besaßen die Institutionen eine verfasste Flexibilität, die weitreichende politische Verhandlungen – ausgehend von einer in wenigen Jahren besonders intensiven gesellschaftlichen und politischen Dynamik96 –, konstruktiv und in Verhandlungen zu einem insgesamt belastbaren, zukunftsweisenden Ergebnis führen konnte. In diese Dynamik fügte sich die Gesetzgebung zum StBauFG ein, sie war ein politisches und gesellschaftliches Reformprojekt und sollte auch symbolisch für „Reformfähigkeit“ stehen.97 Als Bestandteil eines erweiterten staatlichen Denkens, welches die geschriebene Verfassung des Grundgesetzes und dessen bundesstaatliches Modell wesentlich modifizierte, veränderte sie später die gebaute Wirklichkeit in den deutschen Städten durch ihre Programm 93 Vgl.
Geißler, z. B. Kap. 4, 12, 16. von Alemann, Kap. 2.3. Weiterhin Schmidt (1990, Politik des mittleren Wegs), S. 29–30, der die damals inhaltlich breiten Schnittstellen der drei im Bundestag vertretenen Parteien betont, welche den „Wohlfahrtsstaats-Typus“ der Bundesrepublik prägten. 95 Vgl. Greiffenhagen, S. 206 ff., S. 208 ff. – Zum Konzept der politischen Generation: Wehler, Kap. IV.A.11. 96 Vgl. Wolfrum, §§ 6, 7; Wehler, Abschnitt V.A. 97 Vgl. den Beitrag von Thieme, S. 354. Interessant auf S. 355: „Ein politisches System ist […] dann als effizient zu bezeichnen, wenn es entscheidungsfähig ist. Bezogen auf das Problem des kooperativen Föderalismus heißt das, daß zu fragen ist, ob […] der kooperative Föderalismus durch das Institut der Gemeinschaftsaufgaben bestimmte Planungs- und Finanzierungsprobleme löst, die sonst nicht gelöst würden, weiter ob er in der Lage ist, im Rahmen des Art. 104a GG den Ländern die Investi tionsmittel zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen […].“ 94 Vgl.
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit193
ausführung nachhaltig. Dies reichte (im kleinen Maßstab) vom praktischen „Grundrechtseingriff“ durch Ausübung eines Vorkaufsrechtes über die Kahlschlagsanierung historischer Altstädte bis hin zum Neuaufbau unter Berücksichtigung der Erfordernisse des modernen Massenverkehrs (im großen Maßstab). Wer heute die Innenstädte deutscher Mittel- und Großstädte aufsucht, kann die konkreten Ergebnisse der Städtebaupolitik der 1970er Jahre immer noch gut erkennen, sowohl mit langfristig positiven Effekten (z. B. Verkehrsberuhigung im Innenstadtbereich) als auch heute negativ behafteten Folgeaufgaben im städtebaulichen Bereich (z. B. Großwohnsiedlungen). Mit Blick auf die Bundesebene und in historisch-institutioneller Analyse98 haben die Einfügung des Art. 104a GG, das Städtebauförderungsgesetz und seine Wirkungen einen festen Platz in der Entwicklung des deutschen Bundesstaates seit 1949. Sein Werdegang spiegelt sowohl unitarische Tendenzen erkennbar wieder wie auch die Einbettung in ein konkurrenzdemokratisch geprägtes Parteiensystem, das sich föderativer Ebenen gezielt bedient. Wichtig ist dabei zu sehen, und insofern folgt die vorliegende Arbeit der immer noch überzeugenden Argumentation Lehmbruchs, dass Leitlinien wie die „Unitarisierung“ und des „kooperativen Exekutivföderalismus“ keinesfalls Erscheinungen einer sich schubhaft entwickelnden Verfassungsrealität der „zweiten formativen Phase“ der Bundesrepublik waren, sondern mit ihren Wurzeln bis in das 19. Jahrhundert zurückreichten. Sie brachten als institu tionelles Arrangement und Selbstverständnis ein hohes Maß an „Pfadabhängigkeit“ mit sich – über Zeitenbrüche und „critical junctures“ wie den Zusammenbruch zweier Reichsverfassungen hinweg.99 Der innovative und moderne Standort im politischen System der Bundesrepublik war für das StBauFG darin zu sehen, dass es (als eines von mehreren umsetzungs- und volumenstarken Gesetzen dieser Epoche) konsequent die Gemeinden in die „gesamtstaatliche Problemverarbeitung“ und einen volkswirtschaftlich-politischen Diskurs eingebunden hatte.100 Artikel 104a Abs. 4 GG etablierte von Bund, Ländern und Gemeinden faktisch gemeinsam finanzierte Staatstätigkeiten. Für die kommunale Ebene bedeutete die 98 Vgl.
Lehmbruch (2002, unitarischer Bundesstaat), S. 53 f. und überzeugend Lehmbruch (2002, unitarischer Bundesstaat), S. 67 ff. (Kap. 3 „Entwicklungssequenzen des deutschen Bundesstaates im Überblick“); S. 71 ff. (Kap. 4. „Kulturelle Orientierungen und erste Weichenstellungen: Das Programm der Rechtseinheit und das institutionelle Dilemma der deutschen Einigungsbewegung“), bes. S. 74 f. (Kap. 4.1. „Die Paulskirchenverfassung: Exekutivföderalismus als Lösung des unitarischen Dilemmas“). Sehr instruktiv auch S. 80 ff. (Kap. 5.2 „Der Bundesstaat als ‚dilatorischer Herrschaftskompromiss‘ und seine Unitarisierungsdynamik“) sowie 83 ff. (Kap. 5.3 „Der Bundesrat und das föderative Verhandlungssystem“). 100 Vgl. Hesse/Ellwein, S. 78. 99 Grundlegend
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Einführung der Gemeinschaftsaufgaben somit eine neue unitarische Entwicklungsstufe; denn die Einbindung der lokalen Ebene war nun vom Bund in seiner Regierungstätigkeit zu berücksichtigen. Eine besondere Dynamik gewannen die Politiken des kooperativen Föderalismus dadurch, dass sie eine bundesstaatliche Konstruktion von zwei staatlichen, aber drei administrativen Ebenen miteinander verbinden und dieses „natürliche“ Spannungsverhältnis überbrücken mussten.101 Die Beobachtung eines neuen Entwicklungsabschnittes des deutschen Föderalismus war für die Zeit ab 1966–1969 auch unter diesem Gesichtspunkt wichtig und damit inhaltliche Herausforderung und Orientierungsmarke für die Verwaltungswissenschaften. Und die Länderebene? Mit Besorgnis wurde schon von Zeitgenossen gefragt, ob Bund und Länder denn auch tatsächlich gleichberechtigte Partner und die Länder ausreichend vor zentralistischer „Bevormundung durch den Bund“ (Soell) geschützt waren. Die institutionellen Veränderungen in den Jahren um die Große Finanzreform wurden durchaus kritisch gesehen,102 mehrfach erfolgte der Hinweis, die neu eingeführten Mischfinanzierungen und Finanzhilfen seien eigentlich nur aus dem Unvermögen eines echten Finanzausgleichs zu erklären.103 Konkreter war die Kritik, dass die Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG durch ihre Volumenstärke die landesinterne Lastenverteilung im kommunalen Finanzausgleich realiter massiv beeinflussten, aber keine gesetzliche Grundlage dafür aufwiesen.104 Oder man orientierte sich direkt an der Fundamentalposition, wie sie später noch vom Bundesrechnungshof zum Ausdruck gebracht wurde: „Mischfinanzierungen sind grundsätzlich problematisch und führen bei allen Beteiligten zu unnötigen Komplikationen bürokratischer, prozeduraler und legitimatorischer Art.“105 Deutlich zu vernehmen war auch die demokratietheoretische und staatsrechtliche Kritik am Unterlaufen des parlamentarischen Systems in den Bundes101 Vgl.
Enquetekommission, S. 218 f. BT-Drs. V/4002. – Eine konzise Zusammenfassung der „verfassungspolitischen Diskussion“ liefert Schmidt-Bleibtreu, S. 955 ff. (Vorbem. vor Art. 91a) – Zur Bewertung von Staat, Städtebau und Mischfinanzierung s. u. Teil B. II. 2. 103 Vgl. u. a. Soell, S. 402 ff. sowie Holch. – Anderslautend jedoch Enquetekommission, Kap. 11/2.3.2, S. 105 ff.: „Die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder im Rahmen der Art. 91a, 91b und 104a Abs. 4 GG sollte auch einen Finanzausgleichseffekt haben.“ Im Anschluss werden interessante Modellrechnungen über dessen Wirkungen wiedergegeben. – In diesem Sinne auch Schmidt-Bleibtreu (S. 956), dass „[…] die Mitfinanzierung des Bundes bei Länderaufgaben eine bedarfsgerechtere Mittelverteilung unter den Ländern bewirkt […]“ als über Steueraufkommen oder Finanzausgleich. 104 Vgl. Klein, S. 880. Kritisch auch Gern/Brüning, S. 523: „Schattenfinanzausgleich“. Weiterhin der Beitrag von Fürst. 105 S. Bundesrechnungshof (2002), S. 16. Ähnlich „fundamental“: Karl-BräuerInstitut (2001). 102 Vgl.
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit195
ländern.106 Aus den Reihen der Landesparlamente baute sich massive, wenn auch meist folgenlose Kritik auf.107 Die Einwände wogen schwer und sind (auch heute) berechtigt. Doch war die gegenseitige und zunehmende Durchdringung und Beeinflussung von Bund und Ländern, von Bundesstaat und Gliedstaaten als wesentliches Element eines föderalen Staatswesens zu verstehen, das mit seinen Staatstätigkeiten tatsächlichen Anforderungen und Entwicklungen gerecht werden muss. Die unitarische Entwicklung des „modernen Planungs-, Lenkungs- und Vorsorgestaats“, wie ihn Konrad Hesse gesehen und beschrieben hatte, war (und ist) schließlich durch keinen abstrakten, zu erreichenden Endzustand gekennzeichnet, über den hinaus es zu keinen weiteren Vermengungen von Kompetenzen und Aufgaben kommen durfte. Zudem sind die wechselseitigen Prozesse und Einflüsse in einem Bundesstaat alles andere als statischer Natur. Sie entspringen politischem Wettbewerb und seiner Dynamik, aber auch wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen – und sie halten fortwährend an.108
106 Vgl. Schneider (1979), S. 17 ff. u. 136 ff. Die Kritik an dieser Entwicklung war umfassend. Statt vieler: Schenke, Friedrich, Frowein (Textziff. 7, S. 24 ff.), weiterhin auch Kisker (1971), S. 290 f. Eine vielseitige Zusammenfassung bot auch der entsprechende Abschnitt der „Referate und Aussprache“ der VVdStRL 31 (S. 131–140). Vom „späteren“ Kisker (1977, S. 694) stammte letztlich aber auch eine sinnige Differenzierung zum rein normativen Verständnis: „Diese Machtverschiebung [im Verhältnis zwischen Parlament und Exekutive, U.K.] wiederum wird u. a. dadurch bewirkt, daß Techniken des politischen Managements an Bedeutung gewonnen haben, die, wie etwa Konjunktursteuerung und politische Planung, parlamentarisch schwer zu kontrollieren sind.“ Dies dürfte für die Bundes- wie die Landesebene gleichermaßen gemeint gewesen sein. – Die Gegenargumentation aus Sicht der Landesregierungen berief sich auf den Grundsatz der Gewaltenteilung, z. B. LT-Drs. HE 9/5854, S. 13: „Einer umfassenderen Unterrichtung des Landtags über die Verhandlungen und Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz und der Fachministerkonferenzen steht der Grundsatz der Gewaltenteilung entgegen.“ – Vgl. LT-Drs. RP 9/359, S. 6: „Die parlamentarische Kontrolle hat sich […] auf ihre eigentliche Funktion zu beschränken: Kontrolle der Regierung – jedoch keine Beteiligung oder Mitwirkung des Landtags an der Regierungstätigkeit.“ Weiter: „Der interne Beratungsbereich der Regierung ist […] der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle nicht zugänglich. Diesem Gesichtspunkt kommt für den Bereich des kooperativen Föderalismus besondere Bedeutung zu.“ – Neueren Datums: Reutter, Decker. 107 Grundlegend: LT-Drs. NDS 10/3810 mit ihrer Unterrichtung zu den Kompetenzen der Landtage. 108 Joachim Jens Hesse hat bereits 1983 darauf hingewiesen, dass die „traditionellen Ansätze der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Föderalismusdiskussion“ u. a. der „Dynamik der Föderalismusentwicklung als Adaptionsform des Gesamt staates an eine sich ändernde sozio-ökonomische Umwelt nicht gerecht“ wurden (m. w. Nachw. S. 10).
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Soweit ein föderales Gemeinwesen für sich neue Instrumente findet, seien es eben Gemeinschaftsaufgaben oder Investitionshilfen, vermochte (und vermag) dies als Ergebnis eines politischen Prozesses erst einmal Legitimität für sich beanspruchen. Isensee109 schrieb es aus aus Sicht des Verfassungsrechtlers passgenau: „Die Entwicklung des Föderalismus vollzieht sich nicht nur innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens. Vielmehr erfaßt sie die Verfassung selbst.“ Im Übrigen kann im Spannungsfeld zwischen Unitarismus und Regionalismus auch ein Vorteil einer bundesstaatlichen Verfassung liegen. So enthält der Bundesstaat ein „Anpassungspotential“, das „ohne Wechsel der Staatsform“ zum Tragen käme. Gegenüber Zentralstaaten oder Staatenbünden bietet der Bundesstaat demnach flexiblere Möglichkeiten, auf veränderte Rahmenbedingungen (und wenn sie nur als solche interpretiert und zu politischen Aufgaben gemacht werden) zu reagieren und diese zu reformieren.110 Diese Überlegung gilt nicht nur für den Gesamtstaat, sondern übertragbar auch für die Gliedstaaten mit deren Staatstätigkeiten und Refugien der Aufgabenwahrnehmung. Die Länderadministrationen übten, im Politikfeld Städtebau betrachtet, eine echte Doppelfunktion aus: einmal waren sie gewichtige Akteure in der „legislatorischen Modalität der Politikverflechtung“ (Schnabel), namhaft in ihrer Mitwirkung auf Bundesebene durch den Bundesrat. Gleichermaßen fungierten sie als zentrale und hochdifferenzierte planende Verwaltungen in einer vertikalen „bürokratischen Politikverflechtung, die sich durch ihre direkte und ständige Interaktion der Fachbürokratien von Bund, Ländern und Gemeinden auszeichnet[e].“111 Der „permanente institutionelle Kontakt zwischen den entsprechenden Facheinheiten des Bundes und der Länder“ mochte an anderer Stelle als „Fachbruderschaft“ konnotiert werden, aber er trug wesentlich dazu bei, dass der deutsche Bundesstaat als eine stabile und effiziente Implementationsstruktur charakterisiert werden konnte.112 Ebenfalls als Pfund, mit dem die Bundesländer wuchern konnten, galt die Erkenntnis aus der hier vorgelegten Rückschau auf die Programmaufstellung: Informel109 S. Isensee, S. 725. Weiter heißt es: „Das lassen die zahlreichen Änderungen erkennen, denen der Text des Grundgesetzes unterzogen wurde. Tiefer noch greift der stille Verfassungswandel in der tätigen Verfassungsinterpretation des Bundes und der Länder, die ihre Vorstellungen über ihre Rechte und Pflichten verwirklichen, im Wechsel der Lagen aktuell definieren und die Gewichte des Föderalismus und des Unitarismus immer wieder ausbalancieren. Die forensische wie die wissenschaftliche Interpretation kann die Praxis, zumal eine in Jahrzehnten unangefochten geübte und verfestigte, nicht als quantité négligeable behandeln, auch wenn sie auf dem Vorrang der Verfassung vor der Praxis beharren müssen. Die Praxis ist zwar nicht Rechtsquelle, aber doch Rechtserkenntnisquelle.“ 110 Vgl. Zimmermann (1987), S. 35–37. 111 Sehr prägnant und aufschlussreich: Schnabel (1979), S. 50–52. 112 Vgl. Garlichs (1980, Politikformulierung), S. 31.
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les Verwaltungshandeln113 war für die Förderpraxis (nicht nur im Städtebau) ausschlaggebend, Informationsgebung funktionierte als „Machtmittel der Ministerialverwaltung“ und die mittlere Ebene der Landesverwaltungen verfügte über eine „Beratungs- und Selektionsfunktion“,114 oder, nach Bohne, über „Tauschbeziehungen“. Die Programmatik der Städtebauförderung fügte sich, so wie sie hier skizziert werden konnte, in diese Standortbestimmungen ein. Die zentrale administrative Kraft in der Umsetzung des StBauFG als mischfinanziertem Bundesprogramm lag bei den Ländern, und zwar a) in den Fachministerien für die „legislatorische Politikverflechtung“ zwischen Bund und Ländern115 sowie b) in den fachlich starken Mittelinstanzen. Letztere arbeiteten mit den Kommunalverwaltungen in einer vertikal-bürokratischen Politikverflechtung. Nicht unterschätzt werden sollte daher der hier vertretene Befund der regionalisierten Verhandlungssysteme auf Länderebene.116 Diese sind bis heute in etlichen Förderpolitiken zu beobachten und prägen auf Länderebene die Staatspraxis spürbar. Damit soll als erstes Zwischenergebnis auch begründet sein, warum der heutige Blick auf die Ergebnisse des Städtebauförderungsgesetzes so lohnenswert ist. Vertikale Gewaltenteilung und staatliche Effektivität – verstanden als Verschränkung und Wechselseitigkeit im unitarisch orientierten „Exe kutivföderalismus“ auf Bundesebene, der Domäne der Administrative auf Landesebene und der Implementation auf kommunaler Ebene – schließen sich nach der hier vertretenen Auffassung nicht grundlegend aus.117 113 Vgl. klassisch: Bohne, bes. Kap. I. Instruktiv: Fehling, S. 1459 ff. („Die Entdeckung des ‚Informalen‘ durch die Verwaltungswissenschaft in den 1980er Jahren“). 114 Vgl. Naßmacher/Naßmacher, S. 303 f. 115 Vom „späteren“ Kisker (1977, S. 693) stammt folgender interessanter Hinweis: „Kooperation verstärkt die politische Position der daran beteiligten Verwaltungen innerhalb ihrer eigenen Körperschaft. Das gilt u. a. für das Verhältnis zu interessierten gesellschaftlichen Gruppen, für das Verhältnis zum eigenen Parlament und für das Verhältnis zu den anderen Ressorts der eigenen Regierung.“ 116 Vgl. Frowein, S. 42 („Das politische Gewicht dieser Zuständigkeiten kann kaum überschätzt werden.“), vgl. auch Leitsätze Nr. 15. – Weiterhin Laufer, unter Bezug auf die ältere Verfassungslehre Loewensteins, S. 304: „Die neue Finanzverfassung der Bundesrepublik hat die föderative Struktur nicht negativ beeinflußt. Es wird abschließend sogar die These gewagt, daß die Länder gestärkt aus der Finanzreform hervorgegangen sind.“ – Oder auch Garlichs (1980, Politikformulierung), S. 21: „Der Bund kann seine Programme in der Regel nicht selber durchführen, sondern ist hierfür grundsätzlich auf die Länder und deren Verwaltungen angewiesen. Unabhängig von der rechtlichen Regelung des Bund/Länder-Verhältnisses im Einzelfall ergibt sich daraus eine tatsächliche Abhängigkeit des Bundes von den Ländern als den notwendigen Implementationsträgern.“ 117 Vgl. a. Hesse (1970), S. 144.
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Der historisch-institutionelle Standort des StBauFG kann zum Beleg herangezogen werden, dass föderale politische Systeme im praktischen Bestehen und Wirken immer durch innewohnende Aufeinanderbezogenheit und damit Verbundenheit charakterisiert sind.118 Mit anderen Worten ausgedrückt: einen nicht-kooperativen Föderalismus konnte (und kann) es nicht geben. In der Analyse bundesstaatlicher Politiken, die im Zusammenspiel letztlich die „Einheitlichkeit des Gemeinwesens“ verwirklichen,119 ist es wesentlich, dass es zu einem Zusammentreffen der Ressourcen der jeweiligen Ebenen und Funktionen kommt. Dies sind die öffentlichen Finanzen, die Fähigkeit zur Rechts(durch)setzung und die Ausstattung zur Implementation; und auf „dem Gebiet der Verwaltung ist die Verzahnung von Bund und Ländern besonders stark.“120 Der Bereich der Kooperation – also ggf. gemeinsamer Ziele, abgeglichener Pläne und koordinierter Mittel – war seit 1949 als integraler Bestandteil des politischen Systems der Bundesrepublik angelegt und ebenfalls ein „aktives Staatsprinzip“.121 Sowohl die Entstehungs- als auch die Implementationsgeschichte des StBauFG sprechen für den schon in den 1980er Jahren gewonnenen Befund (der in dieser Form also noch einmal bestätigt werden soll), dass die Bundesländer ein Politikfeld bearbeiten konnten, dass „nur […] mit detaillierten Informationen und intimer Problemkenntnis zu gestalten“ war und dass „die Länderbehörden als Implementationsebene eine strategische Position innerhalb der Gesamtorganisation“ innehatten.122 Aus historisch-institutioneller Analyse, und dies schließt den vorhergegangenen Abschnitt § 2 ausdrücklich 118 Vielseitig zu Theorie und Praxis der „Kooperation im Bundesstaat“: Rudolf. Theoretisch grundlegend: Deuerlein, S. 306 ff., „Die philosophischen Grundlagen des föderativen Prinzips“. Vgl. a. Drath, S. 74 ff., „Gewaltenverschränkung und Demokratie“. Weiterhin Heinze, S. 125. 119 Besonders instruktiv und klar, auch unter Berücksichtigung der hier betrachteten Thematik: Herzog, Rdnr. 23, „Die Einheitlichkeit des Gemeinwesens“. 120 Vgl. Rudolf, Rdnr. 8. Vgl. für das StBauFG auch die Einschätzung der BReg im Mai 1973 (BT-Drs. 7/557, S. 4 f.): „Die für die Durchführung des Städtebauförderungsgesetzes zuständigen Länder haben nach Inkrafttreten des Gesetzes zunächst die notwendigen Zuständigkeitsregelungen in der nach dem Landesverfassungs- und Landesgesetzesrecht vorgeschriebenen Rechtsform getroffen und im Jahre 1972 die Schwierigkeiten der ersten Anwendungspraxis der vielschichtigen neuen Gesetzesregelungen durch eine Anzahl erläuternder Erlasse für die Anwendung des Gesetzes durch die Staats- und Kommunalbehörden, Sanierungs- und Entwicklungsträger und die von Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen Betroffenen erleichtert.“ 121 Vgl. Gutachten Finanzreform, Rdnr. 77. 122 Vgl. Garlichs (1980, Grenzen), S. 93 f. Besonders wertvoll in diesem Beitrag sind die empirischen Beobachtungen zur „Trennung von Programmplanung und Implementation“ (S. 90 f.), der daraus resultierenden „Problemstruktur“ (92 ff.) und die „Entwicklungstendenzen“, „daß die Steuerungswirksamkeit“ des Bundes im Fernstraßenbau „mit der Intensivierung seiner Steuerungsversuche eher sinkt.“ (94 ff.).
A. StBauFG und Bundesstaatlichkeit199
ein, kann nicht abgeleitet werden, dass die Bundesländer die schwächere, die unterlegene Ebene im kooperativen Bundesstaat wären.123 Denn im Staatsgelingen als Prozess, d. h. im Bereich der politischen Verhandlungen und im Ablauf der Reformgesetzgebung zur Entstehung des StBauFG, hatten die Bundesländer eine ausgesprochene Persistenz gegenüber dem Begehren des Bundes erwiesen, über die Mischfinanzierung zur programmatischen Kompetenz zu gelangen und damit einen Großteil des Politikkreislaufes zu kon trollieren. Dies galt gleichermaßen für die ersten Jahre der Umsetzung und die Konfrontationen in der Programmaufstellung. Schließlich hatte auch das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 1975 zu einer nochmals gefestigten Stellung der Länder in diesem Sinne beigetragen. Die vorliegende Arbeit schließt sich mit Blick auf das StBauFG demnach der zentralen These von Renzsch an, der detailliert herausgearbeitet hat, dass der kooperative Föderalismus und seine Weiterentwicklung in den 1970er Jahren „[…] nicht zu einer Schwächung, sondern eher zu einer Stärkung der Länder gegenüber dem Bund“ geführt hatte – immer allerdings mit der Einschränkung versehen, dass dies für die „Ländergesamtheit“ galt. „Das einzelne Land“, dies sah Renzsch genau, hatte „an autonomen Spielräumen eher verloren.“124 Grundlegend konnte damit erklärt werden, warum sich die Bundesländer zur Wahrnehmung bundespolitischer Interessen insgesamt so stark aufeinander abstimmen und formieren mussten.125 Zum historisch-institutionellen Standort des StBauFG im Bundesstaat sei abschließend festzuhalten, dass die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen in den späten 1960er Jahren ein intendierter, vielseitig betrachteter und politisch debattierter Sachverhalt war. Die neuen Staatstätigkeiten waren das Ergebnis von Reformpolitik und Reformfähigkeit, und die spätere wissenschaftliche Kritik126 durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit ihnen wesentliche, tatsächliche und umfangreiche Politikergebnisse – im Falle des StBauFG und seiner Innenstadtsanierungen sprichwörtlich „gebaute policy-outcomes“ – geschaffen wurden, zu denen wohl weder die Gemeinden, noch die Bundesländer oder der Bund allein imstande gewesen wären.127 123 Vgl.
Soell, III. Abschnitt, S. 408–414. Renzsch, S. 259 u. 285. 125 Mit unverkennbar bayerischem Akzent die Antwort des Ministerpräsidenten Strauß auf eine entsprechende Anfrage im Landtag: „Die für die Landesparlamente nicht unproblematische, für das Funktionieren und die Anerkennung des föderativen Systems aber oft unvermeidbare Abstimmung auf Länderebene zwischen den Fachministern oder den Regierungen halte ich für besser als die Übertragung weiterer Zuständigkeiten auf den Bund.“ (LT-Drs. BY 9/5462, S. 1). 126 In besonderem Maße: Gutachten des Bundesrechnungshofes (2005). 127 Vgl. BT-Drs. 8/2085, S. 5: „Eine erfolgreiche Städtebaupolitik setzt eine Verzahnung der Aktivitäten von Bund, Ländern und Gemeinden voraus; eine isoliert nur 124 Vgl.
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Daher soll aus heutiger Sicht und Bewertung wenigstens als These notiert werden: Angesichts der in unserer Gegenwart erkennbaren Herausforderungen für Gesellschaft und Politik128 ist es vielleicht gut, wenn das politische und technische Wissen um die Administration von Gemeinschaftsaufgaben nicht zu eng und zu negativ bewertet wird. Wissenschaftlich ausgedrückt mögen sich Staatsaufgaben als „Antwort auf gewandelte sozio-ökonomische Herausforderungen“ ändern; vielleicht hat auch jede Generation und jede Epoche die „Themen ihrer Zeit“ und entwickelt daraus ein Staatsverständnis.129 Dies mochte erklären, warum bereits seinerzeit die (zu) hohen Erwartungen an „Planung“, „Steuerung“ und „Kooperation“ von Reformpolitiken nicht erfüllt wurden und eine desillusionierte Abkehr von ihnen teilweise schon ab Mitte der 1970er Jahre nach sich zogen.130 Überzeugen dürfte aber als Perspektive, dass die technische Komplexität von Aufgaben, die an das politische System zur Lösung herangetragen werden, bis heute stark gestiegen ist und weiter ansteigen wird. An so einem Punkt auszuschließen, über einen vielleicht neuen politisch-staatlichen Katalog von Gemeinschaftsaufgaben oder Investitionshilfen und deren Umsetzung nachzudenken, wäre angesichts der umfangreichen Leistungen der hier vorgestellten Epoche einer hochentwickelten Industriestaatlichkeit ein vorschneller Schluss. 2. Zum Verhältnis vom „(Bundes-)Staat zur Stadt“ Die Politikwissenschaften haben (output- und outcome-orientiert) verschiedene Ansätze zur Untersuchung politischer Inhalte in einzelnen Politikfeldern entwickelt. Aufschlussreich ist zur Untersuchung der lokalen bzw. kommunalen Ebene der Ansatz der policy-Forschung.131 Eine weitere Bewertung des StBauFG kann aus dem politikwissenschaftlichen Zugang zum Verhältnis von „Staat und Stadt“ gewonnen werden, wenn die „Analyse des im eigenen Kompetenzrahmen und ohne Rücksicht auf die anderen politischen Ebenen betriebene Städtebaupolitik müßte im fruchtlosen Gegeneinander scheitern.“ 128 Es sollen und können nur Schlagworte fallen, die aber nach Auffassung des Verfassers ausreichen dürften, um die gemeinte Dimension zu verdeutlichen: „Energiewende“ und Stromtrassenbau bzw. lokale/regionale Energieverbünde; „E-Mobilität“ und damit einhergehend eine komplett neue Infrastruktur für eine deutsche Schlüsselindustrie; „Breitband“/5G als infrastrukturelle Voraussetzung einer digitalisierten Volkswirtschaft. Vgl. jüngst der Beitrag von Dispan mit einem regionalwirtschaftlichen Ansatz. 129 Vgl. Schuppert, S. 282 ff., S. 297 ff. 130 In wissenschaftlich-inhaltlicher Hinsicht: vgl. Scheuner S. 369–374. Zu dem Motiv, dass die Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen im zunehmenden Parteienwettbewerb nach dem Ende der Großen Koalition auch politisch in die Kritik gerieten (u. a. Frowein, S. 18 f.), vgl. unten Kapitel B.I.1. 131 Vgl. Windhoff-Héritier; Blanke/Benzler/Heinelt.
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lokalen Regierens“, wie sie Bernhard Blanke umrissen hatte, im Vordergrund steht, nämlich als „Einbindung der lokalen Politik in die (vertikale) Politikverflechtung“, als „(horizontale) Vernetzung verschiedener sektoraler Politikbereiche“ und ebenso gut als Berücksichtigung „räumlicher Entwicklungs prozesse“.132 Die vorliegende Arbeit folgt tendenziell und analytisch eher diesem zweiten, prozessual orientierten Ansatz (nicht ohne Anleihen beim ersten, inhaltlich orientierten zu unternehmen), und zwar aus zwei Gründen: einerseits ist durch diese konservativere Methode eine höhere Anbindung an die Ergebnisse der o. g. historisch-institutionellen Verortung gegeben; andererseits untersucht diese Arbeit nicht so sehr die inhaltlichen Ergebnisse im Politikfeld „Städtebau“, sondern eher die Wirkungen eines Gesetzes.133 Im politikwissenschaftlichen Zugang zum ambivalenten Verhältnis vom „Staat zur Stadt“ oder „von der Stadt zum Staat“ überwog je nach Forschungsfrage, -richtung und auch dem zeitlichen Zusammenhang die eine über die andere Blickrichtung. Als integrativer Teil von Stadtpolitik, also im Schwerpunkt mit einer kommunalpolitischen Zielrichtung, wurde Städtebauförderung in den 1970er und 1980er Jahren intensiv bearbeitet;134 ab den 1990er Jahren135 überwog eher wieder die staatliche Perspektive, auch bedingt durch die deutsche Wiedervereinigung.136 Was insgesamt an den Forschungsrichtungen auffällt, ist der demokratietheoretische Impuls in der Zeit, als das StBauFG in der „alten Bundesrepublik“ intensiv umgesetzt wurde. Wollmanns Frage: „Das Städtebauförderungsgesetz als Instrument staatlicher Intervention – wo und für wen?“ illustrierte dies beispielhaft. Wenn auch sein Aufsatz keine abschließende Antwort darauf zu geben vermochte (was er auch nicht beanspruchte), so schwang bereits im Unterton seines Titels eine den Politikwissenschaften ureigene Fragestellung mit: Wie ist politische Macht legitimiert, wer verfügt über sie, und wie wird sie ausgeübt?
132 Vgl. Blanke/Benzler, Einleitung, S. 12. Im Überblick: der von Blanke 1991 herausgegebene Sammelband. 133 Bzw. im Sprachgebrauch der Politikwissenschaften einer definierten Institution. Als Ansatz zur wissenschaftlichen Herangehensweise vgl. Grunow (Kap. 2.2.2, 2.3.2). – Mit zahlreichen Aspekten: Göhler, als Definition z. B. S. 29: „Politische Institutionen sind Regelsysteme der Herstellung und Durchführung verbindlicher, gesamtgesellschaftlich relevanter Entscheidungen und Instanzen der symbolischen Darstellung von Orientierungsleistungen einer Gesellschaft.“ 134 Die Themen- und Problemfelder der „Stadtpolitik in den 80er Jahren“ illus triert der Sammelband von Hesse/Wollmann. 135 Die Sammelbände von Blanke und Heinelt/Wollmann interpretiert diese Arbeit als Übergang in die 1990er bzw. als „wissenschaftlichen Abschluss“ der 1980er Jahre. 136 Vgl. den Sammelband von Huhn/Witt. Für die kommunale Perspektive darin: Oebbecke, S. 185 ff., insbes. S. 195 ff. („Linien der Kommunalverfassungspolitik“ usw.).
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Seit der Einführung moderner Gemeindeverfassungen existiert ein lebhaftes Spannungsverhältnis in der deutschen Kommunalverwaltung zwischen den eigenen „Selbstverwaltungsaufgaben“ und der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben, ausgebildet und seiner Form nach in einer „föderativen Vielfältigkeit der dezentral-lokalen Institutionenbildung“.137 Dieses Spannungsverhältnis, dass sich insbesondere in die demokratisch legitimierten Kommunalorgane hineinträgt,138 wird konsequent dort verstärkt, wo die Wirkmächtigkeit einheitlicher Fördermodelle kulturell und wirtschaftlich so überbordend ist, dass sich eine Gemeinde praktisch keine „Enthaltung“ erlauben kann, ohne im regional erfahrbaren Wettbewerb mit anderen Standorten das Nachsehen zu haben.139 Im erweiterten Sinne galt für die gemeindliche Ebene ein ähnlicher Mechanismus, wie ihn Isensee als „normative Schwäche des grundgesetzlichen Föderalismus“ beschrieben hat – nur mit der Ergänzung, dass die Kommunen auf Grund ihrer fehlenden Staatsqualität rechtlich schwächer ausgestattet sind als Bund und Länder: „Innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung führt das kompetenzblinde Finanzgebaren dazu, daß der rechtliche Schutz, den die Verfassung den Ländern gegenüber der ‚Anziehungskraft des stärkeren Etats‘ (Johannes Popitz) bietet, ausgeschaltet wird und diese in finanzielle Abhängigkeit zum Bund geraten, so daß in immer engerer Finanzverflechtung ihre Eigenständigkeit erstickt. Der Bund kann sie bereits durch das Angebot von Leistungen unter politischen Druck setzen und dadurch, daß er die Bedingungen der Leistungen vorgibt und durch Auflagen festschreibt, präterkonstitutionellen Einfluß gewinnen.“140
Damit ist für die Bewertung von 50 Jahren Städtebauförderungsgesetz ein Spannungsbogen skizziert, der durch die Einbindung der lokalen Politik in die (vertikale) Politikverflechtung als politischer Reform realiter erkennbar wurde und entlang der oben skizzierten Mischfinanzierung diskutiert werden kann. Wo sich sogar Großstädte mit ihren Stadtsanierungsplanungen in finanzielle Größenordnungen begaben, die durch einen Kommunalhaushalt schlicht und ergreifend nicht leistbar waren, musste der Grundkonflikt der kommunalen Ebene im Bundesstaat, „Finanzverflechtung vs. Eigenständig137 S. Wollmann (1998, Entwicklungslinien), S. 198. Grundlegend und unübertroffen, wenn auch in einem anderen inhaltlichen Politikfeld: Kaufmann, Kap. 2 „Implementationsbedingungen und Restriktionen örtlicher Sozialpolitik“. Vgl. a. Hesse (1983), „Zur Dynamik im Staat-Gemeinden-Verhältnis“, S. 7 ff. Weiterhin von Saldern, Kap. 4. 138 „Nach wie vor und immer wieder“ verbunden mit dem Phänomen, dass sich die gewählten Kommunalvertretungen mit eigenen strategischen Ansätzen zur Gemeindeentwicklung schwer tun und sich an externen, also staatlichen Impulsen orientieren. Vgl. Wollmann (1998, Kommunalvertretungen), S. 64 ff. 139 Vgl. u. Kap. B.II.3. 140 S. Isensee, S. 728.
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keit“, unüberbrückbar und unauflöslich sein. In dieser Wirkungsweise wurden die Kommunen tatsächlich in die Förder- und Konjunkturpolitiken des Staates „eingebunden“ und waren wenig mehr als Empfänger. Dies war nicht von vornherein zu verwerfen, wenn und solange die Grenzlinie eingehalten wurde, welche die Garantien des Art. 28 Abs. 2 GG zogen141 (und auch heute ziehen).142 Diese verfassungsrechtliche Begrenzung ist selbstverständlich auch für die Politikwissenschaften interessant, da sie der „Analyse des lokalen Regierens“ Grundlage und methodisches set ist – verfassungsrechtlich als Garantie, materiell als Handlungsrahmen, innerhalb dessen sich Kommunalpolitik räumlich, politisch, organisatorisch und finanziell „garantiert“ planen, ja sich bewegen kann.143 Es ist daher eine politikwissenschaftlich zentrale Frage, welche Rolle die Kommunen im kooperativen Föderalismus wahrnahmen. Dabei hatte die Forschung der Politik- und Verwaltungswissenschaften bereits in der Mitte der 1970er Jahre herausgearbeitet und argumentiert, dass hier nach Politikfeldern differenziert werden musste, allen Vergleichbarkeiten der neuen, nunmehr gemeinschaftlich wahrgenommen Staatsaufgaben zum Trotz.144 Für den Bereich der Städtebauförderung konnte die Rolle der Gemeinden im kooperativen Föderalismus am ehesten als Verbundsystem bezeichnet werden, das nach Auskunft von Scharpf, Reissert und Schnabel dadurch definiert wurde, dass „hierarchisch übergeordnete Einheiten zwar existieren, daß die Untereinheiten aber gleichwohl an der Entwicklung des Steuerungsprogramms nicht nur als Informa tionslieferanten, sondern auch als Konsenspartner beteiligt bleiben. Dabei können die Verbundbeziehungen zwischen der Zentralinstanz und den Untereinheiten sowohl multilateral wie auch als eine Mehrzahl bilateraler Beziehungen strukturiert sein.“145 141 BVerfGE 79, 127 (Leitsätze). Dezidiert im Bereich der Planung („Flugplatz Memmingen“) BVerfGE 56, 298 (322): „Vielmehr haben im Bundesstaat Bund und Länder die gemeinsame Pflicht zur Wahrung und Herstellung der grundgesetzmäßigen Ordnung in allen Teilen und Ebenen des Gesamtstaates. Soweit der Bund dafür nicht unmittelbar Sorge tragen kann, sondern auf die Mitwirkung der Länder angewiesen ist, sind die Länder aus dem Gesichtspunkt der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten zu dieser Mitwirkung verpflichtet […]. Die den Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zukommenden Rechte richten sich gegen Bund und Länder gleichermaßen, so daß sich auch der Gesetzgeber in Bund und Ländern bei Eingriffen in diese Rechte als Einheit behandeln lassen muß […].“ 142 Vgl. Mehde, Rdnr. 10–19; Schmidt-Aßmann. 143 Vgl. Benzler/Heinelt, Kap. I.B. („Zur Bestimmung lokaler Handlungsspielräume“). 144 Grundlegend die umfassende Studie von Scharpf/Reissert/Schnabel, hier für die Differenzierung nach Politikfeldern der gesamte Teil II., S 71 ff. 145 S. Scharpf/Reissert/Schnabel, S. 35.
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Diese theoretische Sicht auf politisch-administrative Prozesse im Bundesstaat musste für die Implementation des StBauFG sinngemäß erweitert werden. Hier soll noch einmal in Erinnerung gerufen werden, dass die Programmaufstellung zum Bundesprogramm StBauFG „bottom-up“ verlief (vgl. oben Kap. II.1.) und zwar bundesweit. In der Ausführung des Steuerungsprogrammes waren die Kommunen also keineswegs eine „Implementationsebene“, sondern administrative Partner in der Aufstellung und Ausführung einer komplexen Staatstätigkeit, welche die drei politisch-administrativen Ebenen in Deutschland miteinander verband. In der Umsetzung des StBauFG auf Landesebene hing es von den regionalen Verwaltungstraditionen ab, wie Landesverwaltung und „kommunale Familie“ zusammenarbeiteten und Beziehungen aufbauten und pflegten. Und es galt unter Einbeziehung der Kommunen für die Umsetzung des StBauFG, was Scharpf, Reissert und Schnabel „Entscheidungs-Segmentierung“ genannt hatten: „Gesetzgebung und Verwaltung, Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen sind zwischen Bund, Ländern und Gemeinden so verteilt, daß tendenziell auf keiner einzelnen Entscheidungsebene eine öffentliche Aufgabe im ganzen bearbeitet werden kann.“146 Aus politikwissenschaftlicher Interpretation des Verhältnisses vom Staat zur kommunalen Ebene war der Befund seit den 1970er Jahren evident: Das kommunalpolitische Entscheidungssystem war und ist horizontal und vertikal in zahlreiche und verschiedene Aspekte der „Politikverflechtung“ integriert.147 Dabei waren je nach Politik- und Handlungsfeld zwei Sichtweisen möglich: Entweder interpretierte man kommunale Handlungsmöglichkeiten als weitgehend eingeschränkt, da der Bund oder das Land mit seiner Gesetzgebung und administrativen Normierung (zu stark) auf die kommunalen Handlungsfreiheiten zugriff. Oder man sah darin residuale und komplementäre Kompetenzen der Kommunen, die durch staatliches Handeln weder überlagert noch ersetzt werden konnten. In dieser Sicht wurden die Gemeindeverwaltungen sogar in dem Maße stärker, in dem die staatliche Seite durch Programme tätig wurde – und also auf gezielte, (richtig) geplante und (in ihrem Sinn) gesteuerte Ergebnisse seitens der Kommunalverwaltungen angewiesen war. 146 S. Scharpf/Reissert/Schnabel, S. 60. Punktgenau auch Schnabel (1980, S. 52, m. w. Nachw.): „Mit der Finanzreformgesetzgebung von 1969 sind die lose geordneten, flexibel gehandhabten und rechtlich undefinierten vertikalen Beziehungen fester und enger geknüpft, stabiler und komplizierter geordnet sowie rechtlich kodifiziert worden.“ Vgl. a. Thieme, S. 356 f.: Die Kommunen waren auch im Bereich des Städtebauförderungsgesetzes so sehr „in das Finanzierungs- und […] Leistungserbringungssystem“ von Bund und Ländern eingebunden, „daß ohne ihre Mitwirkung auf der örtlichen Ebene nichts durchzusetzen“ und „ihre Mitfinanzierung […] unumgänglich“ war. 147 Vgl. Scharpf (1978), S. 21; Naßmacher/Naßmacher, Kap. 4.2.3, S. 299 ff.
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Für den staatlichen Bereich der Mischfinanzierung in der Bewertung der Städtebaupolitik der 1970er Jahre jedenfalls muss festgehalten werden, dass die Kommunen im finanzpolitischen Verbund- und Fördersystem, wie es hier skizziert wird, eine wesentliche Funktion wahrgenommen haben. Sie waren die Ebene, auf der Städtebau schlicht und ergreifend „passieren“ musste. „Letztlich“, so ein Resumée, konnten „die Städte darauf vertrauen, daß der Mittelabfluß auch eine wichtige Dimension überörtlicher Politik“ war.148 Dieser Befund mochte „in Sachen Städtebau und Bundesstaat“ vereinfachend klingen, ist für das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit aber wichtig: Politik und Verwaltung sind im politischen System der Bundesrepublik praktisch und tatsächlich auf drei Ebenen verteilt. Sie beeinflussen sich, ergänzen sich in ihren Funktionen und produzieren auch gemeinsam Politikergebnisse. Insgesamt galt dies für die hier nachgezeichneten „Mischfinanzierungen“, so wie sie Ende der 1960er Jahre verfassungspolitisch intendiert in das deutsche Bundesstaatsmodell „hineinkonstruiert“ wurden,149 in besonders hohem und beabsichtigtem Maß.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit I. Das StBauFG als Ausdruck sozial-liberaler Reformpolitik Nachdem im Teil A. im Vordergrund stand, wie sich das StBauFG in den bundesstaatlichen Aufbau und in eine seiner Interpretationen, den koopera tiven Föderalismus, einfügte, wird sich der Fortgang der Untersuchung nunmehr der Frage zuwenden, welche Auswirkungen das StBauFG empirisch als Staatstätigkeit mit sich brachte. Durch die historische und wirtschaftspolitische Beschreibung der Städtebaupolitik sollen die näheren Rahmenbedingungen für die Umsetzung des StBauFG aufgeklärt und eingeordnet, soll das Politikfeld und seine leitenden Motivationen näher erkundet werden. Neben der Darstellung des StBauFG als Ausdruck einer „sozial-liberalen Reform politik“ werden in der Bewertung der „Blütezeit“ der Städtebaupolitik vor allen Dingen drei verwaltungswissenschaftliche Thesen aus 50 Jahren Abstand extrahiert (Kap. B.II.1.–3.). Dadurch soll aufgeklärt und eingeordnet werden, welche Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Städtebauförderung auf kommunaler Ebene (§ 4) wichtig waren. 148 Vgl.
Naßmacher/Naßmacher, S. 305. Lehmbruch (2002, Föderalismus), S. 315 f.: „In der neuen Föderalismusdiskussion spielen sozialtechnologische Vorstellungen eine beherrschende Rolle. Föderalismus wird verstanden als ein Mechanismus, den man umkonstruieren kann. Das ist eine spezifisch deutsche Perspektive in der Föderalismusdiskussion. Reform wird hier sozusagen als ein ingenieurwissenschaftliches Problem gesehen, und das wird man in anderen Bundesstaaten in dieser ausgeprägten Weise nicht finden.“ 149 Vgl.
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Das Städtebauförderungsgesetz wird hier als Ausdruck einer „sozial-liberalen Reformpolitik“ interpretiert. Dafür sprechen mehrere Gründe. Zunächst einmal wurde es in der Zeit der sozial-liberalen Koalition verabschiedet und auch die intensive Phase der ersten Umsetzung, sozusagen die Initiierungsphase bis 1974 (nachfolgend Kapitel 1.), wurde vom „Aufbruchcharakter“ dieser Zeit der Kanzlerschaft Willy Brandts mitgeprägt. Darüber hinausgehend war der darauf folgende Zeitraum, die Bundeskanzlerschaft Helmut Schmidts auf Grundlage der Koalition von SPD und FDP bis 1982, ein langer und prägender Zeitabschnitt der Umsetzung des StBauFG. Es wäre indes verkürzend, eine Bewertung des Städtebauförderungsgesetzes ausschließlich entlang der Kanzlerschaften Brandts und Schmidts „als Ausdruck sozial-liberaler Reformpolitik“ zu bezeichnen. Aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht würde der Rückgriff auf historische Zäsuren einer ausreichenden Würdigung der Umsetzungsebenen in Ländern und Kommunen nicht gerecht werden. Regierungspolitik kann die Implementation eines Programmes wohl unter Vorzeichen stellen. Aber gerade aus Sicht der Verwaltungswissenschaften, die sich im Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen Leistungserbringung durch Administrationen widmen, kann dies kein inhaltlich hinreichendes Abgrenzungskriterium sein. Die Darstellung dieser Arbeit findet sich in einem Motiv wieder, das in praktisch derselben Zeitspanne politisch vorherrschend ist. Die Jahre von 1969 bis 1982 wurden nicht allein von anspruchsvollen innenpolitischen Reformvorhaben geprägt, sondern auch dadurch, dass die sozial-liberalen Bundesregierungen im Zentrum ihres wirtschaftspolitischen Handelns eine keynesianisch begründete Konjunktursteuerung etablierten und verfolgten.150 Sie war ausdrücklich auf eine mittelfristige „Finanzplanung von Bund, Ländern und Gemeinden auf gemeinsame Zielwerte“ ausgerichtet.151 Dies ist eine weitere Begründung für die Überschrift zum eingegrenzten Untersuchungszeitraum; denn diese wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidung hatte spürbare Rückwirkungen auf die Implementation des StBauFG. Seiner Konstruktion nach war das Gesetz nämlich nicht nur ein Reformvorhaben zur Sanierung städtebaulicher Substanz in Innenstädten, sondern auch ein volumenstarkes Gesetz in der Verwirklichung konjunktursteuernder Impulse durch die Verbindung von privater und öffentlicher Sanierung in den Innenstädten.152 Dabei war das StBauFG in größtem Umfang auf wirtschaftliches 150 Die
Arbeit folgt hierin dem Beitrag und Ansatz von Gaul, vgl. S. 10–16. und sehr lesenswert in diesem Sinne: Finanzplan des Bundes 1973 bis 1977, BT-Drs. 7/1101, S. 1–7 (Zitat: S. 3). 152 Vgl. die allg. Begründung im E-1970 der BReg (BT-Drs. VI/510, S. 26): „Von besonderer Bedeutung sind die Einwirkungen städtebaulicher Investitionen auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die öffentlichen und privaten Bauinvestitionen kön151 Programmatisch
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Wachstum durch private Investitions- und Baubereitschaft ausgelegt. Diesen erwünschten outcome musste es nach 1974 in der Folge von Rezession und (später Stagflation) mit antizyklischen öffentlichen Investitionen unter Beweis stellen. Um die gewünschten volkswirtschaftlichen Impulse zu erbringen, wurde die Steuerung des StBauFG auf gesamtstaatlicher Ebene programmatisch hieran angepasst, wie noch zu zeigen sein wird.153 Besonders in diesem Sinne kann die Staatstätigkeit des StBauFG als „Ausdruck sozial-liberaler Reformpolitik“ gesehen und bezeichnet werden: es war in dieser Ära Sanierungsgesetz und Konjunkturmaschine gleichermaßen. Das Zusammentreffen von städtebaulichen Sanierungsvorhaben, die Möglichkeiten zur staatlichen Mischfinanzierung und eine Wirtschaftspolitik der „Globalsteuerung durch Konjunkturprogramme“ leisteten einen Beitrag, der für diese Zeit der Bundesrepublik im Städtebau zur „Handschrift“ wurde (Kap. 2. und 3.). Durch den keynesianischen institutionellen Handlungsrahmen erklärten sich etliche Rückwirkungen auf die Umsetzungsebenen in Ländern und Kommunen. Die Gemeinden sollten als zentrale dritte Ebene im „Staat der Mischfinanzierung“ ihre Stadtsanierungen nicht nur administrativ durchführen, sondern auch eine wesentliche Rolle in der Globalsteuerung der öffentlichen Haushalte wahrnehmen. 1982 dann wurde diese Phase der Wirtschaftspolitik von der neuen Bundesregierung unter Dr. Helmut Kohl in bewusster Abkehr für beendet erklärt.154 Wirtschaftspolitisch war der Wechsel zur CDU/CSU- und FDP- geführten Bundesregierung so gesehen dezidiert: ein erster Endpunkt des „Überganges zu den 1980er Jahren“ (Kap. 4) war also, dass es nach 1982 keine weiteren bzw. neuerlichen Konjunkturprogramme gab, die kreditfinanziert waren und dabei ausdrücklich die Förderprogramme des StBauFG als Instrumentarium ansprechen und einbinden sollten. Darüber hinaus bemühten sich die neue Mehrheit im Bund und die Bundesländer in den Folgejahren gemeinsam darum, die Tatbestände der Mischfinanzierungen deutlich zunen aufgrund ihres beachtlichen Anteils an den Gesamtinvestitionen im zeitlichen Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellen. Dabei können sich die Bauinvestitionen allerdings in ihrer Zusammensetzung ändern; sie sind steuerbar. […] Die Bundesregierung ist deswegen bemüht, die zu erwartende Abschwächung im Wohnungsbau durch städtebauliche Sanierungsmaßnahmen und Infrastrukturmaßnahmen aufzufangen.“ 153 Insbesondere die u. erörterte Aufstellung des ZIP (Kap. B.I.3.) ist geeignet, dies näher zu erläutern. 154 Vgl. Regierungserklärung Dr. Kohl, Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 4. Sitzung. Bonn, 4.5.1983, S. 58, 60 („finanzpolitische Wende“). Vgl. Gaul, S. 9–10. Manfred G. Schmidt (1990, Staatsfinanzen) bezeichnet ganz klar mit dem Regierungswechsel „die Politik der Haushaltskonsolidierung“ als Wegmarke, die neue Koalition setzte ihm zufolge auf „Austerität und Sanierung der Staatsfinanzen“, vgl. S. 57–61.
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rückzuführen. Dies ist der Hintergrund dafür, dass die Eingrenzung der vorliegenden Arbeit in der Darstellung noch einige Zeit über den „Machtwechsel“ von 1982 als Zäsur hinausreicht. Insbesondere in historisch-institutioneller Hinsicht ist die Eingliederung des StBauFG in das Bundesbaugesetz (BBauG) 1986 geeignet, sowohl als Einschnitt auf einem Zeitstrahl gesehen zu werden, als auch die Auswahl des Untersuchungszeitraums bis in die erste Hälfte der 1980er Jahre zu erweitern (also über den engeren Bezugsrahmen der sozial-liberalen Koalition hinaus). Systematisch gehört dieser Punkt in die Rechts- und Gesetzeshistorie des oben vorliegenden Abschnittes § 2, insofern ist auf die Ausführungen dort zu verweisen (Kapitel F. V.). Die Beweggründe zur Gesetzesintegration lagen fachlich zuerst in der gesamtheitlichen Eingliederung des „Sonderrechts“ Städtebau in das deutsche Baurecht, und griffen insofern auf Vorarbeiten u. a. der sozial-liberalen Reformpolitik zurück. In der hier dargelegten Lesart wirkte allerdings auch der Charakter der „Sonderprogramm-Konjunkturmaschine“ der Städtebauförderung in dieses Reformvorhaben hinein. Diese zwar nicht direkt in das StBauFG hineingeschriebene, aber vom Bund erkennbar so genutzte Funktion des Gesetzes, hatte unter den neuen politischen Mehrheiten und Leitbildern ab 1982 ausgedient. Der Regierungswechsel hatte erkennbare Rückkopplungen auf den Reformgesetzgebungsprozess derart, dass die Arbeiten zur Eingliederung des StBauFG in das BBauG hiernach schneller voranschritten.155 Diese einleitenden Gedanken sollen verdeutlichen, dass die Umsetzung des StBauFG in erweitertem Maße nicht nur von seiner institutionellen Ausgestaltung, sondern auch seiner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung und Einbettung abhängig war. Für die Verwaltungswissenschaften ist diese Erkenntnis nicht überraschend, denn ihr wissenschaftlicher Ansatzpunkt ist ja gerade dadurch geprägt, verschiedene Sichtweisen zusammenzuführen, um Prozesse und Wirkungen in Politikfeldern greifbar zu machen. Für die Untersuchung bietet sich somit eine zeitliche Gliederung von 1971 bis 1986 an, die, nach Abschluss der Gesetzgebungsarbeiten, aus den Jahren des eigenständigen Bestehens des StBauFG vorgegeben wird. Den Anfangspunkt setzt also das Jahr des Inkrafttretens des Gesetzes. Die Abschlusspunkte markieren das Ende der sozial-liberalen Koalition und ihrer Wirtschaftspolitik einerseits, sowie der Zeitpunkt der Eingliederung des StBauFG in das BauGB andererseits. Die Zeitspanne dazwischen unterteilt die vorlie155 Anders von Beyme (1990, S. 30), der eben diesen Zeitpunkt ab 1986 als kulturelle Wende im Politikfeld bezeichnete: „In einigen Bereichen wie Wohnungsbau und Städtebaupolitik scheint der Konsens, der viele der Schlüsselentscheidungen getragen hatte, mit der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes (1986) endgültig zerfallen zu sein.“
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gende Arbeit in drei Phasen, die nachfolgend mit detaillierterer Beschreibung erörtert werden sollen und also die weitere Gliederung vorgeben. Unterscheiden kann man die Initiierungsphase des StBauFG (von 1971 bis 1973), die mittlere Phase der Umsetzung des StBauFG (von 1974 bis ca. 1978) sowie den Übergang zu den 1980er Jahren (von ca. 1979 bis ca. 1986). 1. 1971–1973: Initiierungsphase des StBauFG Der erste hier beschriebene Zeitraum wird als Initiierungsphase des StBauFG beschrieben. Er beginnt 1971 mit der Verabschiedung des StBauFG und deckt sich danach in etwa mit der Zeit bis zum Ende der Kanzlerschaft von Willy Brandt. Das erkennbare Ende dieser Phase war der Beginn der Rezessionspolitik in Folge der „ersten Erdölkrise“ ab 1974, die in ihrer Wucht auch als eines der Motive für den Rücktritt Brandts gewertet wird. Für das StBauFG waren es bis dahin die Jahre (noch) positiver ökonomischer Gesamtannahmen einerseits, motivierten bundesweiten Einstiegs in die Umsetzung des lange erwarteten Reformgesetzes andererseits sowie der Programmaufstellungen bis zum Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 1974/75. Zu den Zielen der sozial-liberalen Bundesregierung hatte Bundeskanzler Willy Brandt im Oktober 1969 eine hoch ambitionierte Regierungserklärung abgegeben, die im Bereich der Innenpolitik und inneren Reformen auch das Städtebauförderungsgesetz zu den gesetzgeberischen Vorhaben gezählt hatte.156 Konkretere Vorstellungen hierzu breitete die Bundesregierung dann in ihrem „Arbeitsprogramm zu innenpolitischen Vorhaben“ für die sechste Wahlperiode des Deutschen Bundestages aus. In zwei umfangreichen Drucksachen beantwortete sie damit eine Große Anfrage der Fraktion von CDU/ CSU.157 Dieses Reformarbeitsprogramm griff zu weiten Teilen auf bereits angestoßene Vorarbeiten der Großen Koalition zurück. Die „Förderung des Städte- und Wohnungsbaus“ firmierte dabei im Bereich der „Strukturpolitik 156 Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 5. Sitzung. Bonn, 28.10.1969, S. 28 (B). Vgl. a.o. § 2 C.1., S. 30 ff. 157 Vgl. BT-Drs. VI/1953 (besonders Anlage, S. 8 ff.) und VI/2709. Den Kabinettsprotokollen der BReg (45. Kabinettssitzung am 22.10.1970, TOP 3) zufolge handelte es sich bei dem „Reformprogramm“ eigentlich um ein internes Arbeitspapier, „das nicht zur Veröffentlichung bestimmt“ war. Das Bundeskanzleramt hatte eine „im Einvernehmen mit den Planungsbeauftragten der Bundesministerien aufgestellte Liste von 26 Reformschwerpunkten vorgelegt, denen die Kriterien sachlicher, nicht ressortgebundener Zusammengehörigkeit, gesellschaftspolitischer Bedeutung, zeitlicher Realisierbarkeit und gesicherter Finanzierbarkeit zugrunde lagen.“ Auf Druck der Opposition wurde dieses Programm für die Öffentlichkeit zusammengefasst und im Bundestag behandelt.
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und Raumordnung“158 und wurde im Oktober 1971, zusammen u. a. mit dem „Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz“ und dem „Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen“, als bereits vom Parlament verabschiedete Reformgesetzgebung aufgeführt.159 Es war allerdings nicht zu übersehen, dass sich der Impetus von 1969 zügig abschliff: „Der Begriff der Reformpolitik wurde zum Allerweltswort und umfaßte bald die gesamte Tätigkeit der sozial-liberalen Regierung.“160 Dies betraf nicht nur politisch brisante Materien wie die Bildungs- und Forschungspolitik, die Mitbestimmung in der Betriebsverfassung oder die ersten Schritte hin zur institutionalisierten Umweltpolitik, sondern fast „alle wesentlichen Aktivitäten des modernen Sozial- und ‚Daseinsvorsorge‘-Staats […].“161 So hörte sich bereits im Januar 1973 die zweite Regierungserklärung Brandts deutlich nüchterner an. Pathos, Sendungsbewusstsein sowie die Zukunftsvorstellungen der ersten Antrittsrede fehlten und bekundeten durch ihre Abwesenheit die „Wirklichkeit des Alltags“, von welcher der Kanzler sogar selbst sprach.162 Als Schwerpunkte im Bereich des Städtebaus führte Brandt weiterhin die Reform des Boden- und des gemeindlichen Planungsrechtes auf. Als großes Problem erkannte er den Preisanstieg auf dem Bodenmarkt sowie das knappe Angebot an städtischem Bauland. Er kündigte als Antwort eine „Bodenwertzuwachssteuer“ an, Preissteigerungen „durch Planungen und Investitionen der öffentlichen Hand“ sollten abgeschöpft und „zur Finanzierung herangezogen werden“.163 158 S.
BT-Drs. VI/1953, Anlage, S. 8–9. BT-Drs. VI/2709, S. 4, Nrn. 6, 8, 9. 160 Vgl. Jäger (1986), S. 27 ff. 161 Vgl. Jäger (1986), S. 26. 162 Vgl. Regierungserklärung Brandt, Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 7. Sitzung. Bonn, 18.1.1973, S. 122: „Alltag ist kein schlechtes Wort: Es schmeckt nach täglichem Brot; es hat mit der Qualität des Lebens zu tun, in der sich unsere Reformen erfüllen müssen. Sie ist das Ziel unserer Arbeit. So unterstelle ich die Aufgaben meiner Regierung bewußt der Forderung nach der Bewährung im Alltag.“ Vgl. Jäger (1986), S. 94. – Noch im Dezember 1988 zählte Brandt das StBauFG in einem Fernsehinterview mit Horst Schättle in einer „Reihe ganz guter innenpolitischer Vorhaben“ aus der Anfangszeit seiner Regierung auf. Seine Erinnerung an diese Phase fasste Brandt so zusammen: „Aber wir hatten uns wohl ein bisschen viel vorgenommen.“ 163 Vgl. Regierungserklärung Brandt, Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 7. Sitzung. Bonn, 18.1.1973, S. 128. Die „Bodenwertzuwachssteuer“ wurde als Projekt von der SPD (und dem SPD-geführten BMin) zwar in Angriff genommen (BT-Drs. 7/962, S. 2), aber von der FDP nicht mitgetragen; von Bundeskanzler Schmidt wurde bereits 1974 verkündet, dass die Arbeit an diesem Steuermodell in der 7. Legislaturperiode nicht mehr zum Abschluss gebracht werden sollte, vgl. Der Spiegel, Nr. 29/1975, S. 29. – Getrennt von der Frage der steuerlichen Abschöpfung ließ der Bund untersuchen, wie eine „Rechtsfortbildung im Bereich des 159 S.
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Etwa zur selben Zeit ebbte auch die administrative „Planungsbegeisterung“ der 1960er Jahre ab.164 Noch 1969 hatte die neue Bundesregierung hohe Erwartungen in Politik und Verwaltung geschürt wie an sich selbst gerichtet, was durch die Einrichtung von „Planungsbeauftragten“ in sämtlichen Bundesministerien sichtbar wurde.165 Nach gut eineinhalb Jahren ihres Arbeitens verwies die sozial-liberale Koalition in diesem Geiste darauf, dass sie „zur Konkretisierung ihrer Regierungserklärung 16 Berichte vorgelegt“ hatte, die sie „nicht nur als analytische Bestandsaufnahme, sondern auch als Grundlage für die Planung ihrer Arbeit“ verstanden wissen wollte.166 Mit Blick auf dieses Arbeitsprogramm bezeichnete die Bundesregierung „politische Planung [als] ein Instrument, mit dem Probleme frühzeitig erkannt und rechtzeitig alternative Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden“ konnten. Politik sollte „Probleme und Lösungsmöglichkeiten vorausschauend im Zusammenhang“ sehen und bewerten, dabei sollte „der rechtzeitigen Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung sowie mit den Ländern und Gemeinden eine zen trale Bedeutung“ zukommen.167 Ihrem eigenen Bekunden nach hatte die sozial-liberale Bundesregierung bereits in dieser frühen Phase „damit begonnen, die Voraussetzungen für eine Erschließungsbeitragswesens“, auch unter Beachtung des föderal ausdifferenzierten Landesabgabenrechts gestaltet werden könnte, vgl. Beitragsrecht Aufschließungsmaßnahmen (Kap. 1.1., 2.4.). 164 Historisch ausgezeichnet eingefangen von Wolfrum, „Die Große Koalition 1966–1969: Planung als Reformprinzip“, S. 285–294 (u. a. „Planung als Prädikat moderner Regierungstechnik“). – Zeitgenössisch sehr instruktiv: Enquetekommission, Kap. 11.3. und 11.4. 165 S. BT-Drs. VI/1953, S. 2. In der sozialwissenschaftlichen Literatur wird immer wieder die „Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform“ genannt, die zwar von 1968 bis 1975 aktiv war, deren Ergebnisse aber nur indirekt in die Veröffent lichung und spärlich in die Praxis gefunden hatten (vgl. zur Einsetzung der Pro jektgruppe: Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 139. Kabinettssitzung am 25.9.1968, TOP 3). Sie war ein weiteres Beispiel dafür, wie Impulse aus der Großen Koalition über den Regierungswechsel hinaus fortgeführt wurden. Im intellektuellen Zentrum dieses umfassenden „Planungsreformprojektes“ stand Kanzleramtsminister Ehmke (übrigens den Wechsel der Koalition übergreifend); nachdem dieser ab 1972 als Fachminister für Forschung und Technologie sowie das Postwesen amtierte, verloren die Arbeiten deutlich an Elan. – Mit dem Versuch kritischer Würdigung im verwaltungssoziologischen Kontext: Häußermann (1977), Kap. 3. Mit Blick auf die Auswirkungen der Politikwissenschaften: Schneider/Janning, Kap. 1.2.2. 166 S. BT-Drs. VI/1953, S. 2. Hier wurden neben dem „Städtebaubericht“ (Dezember 1970) u. a. genannt der „Finanzbericht 1971“ (September 1970) oder der „Raumordnungs-“ sowie der „Verkehrsbericht“ (November 1970). 167 S. BT-Drs. VI/1953, S. 3. Das wahrlich ambitionierte Ziel der BReg war es, die in ihrem Programm zusammengefassten Aufgaben „in dieser Legislaturperiode“ zu lösen „oder deren längerfristige Lösung […] in dieser Legislaturperiode“ voranzubringen bzw. vorzubereiten.
212
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
systematische längerfristige Aufgabenplanung zu schaffen“. Als mittelfristiges Programm bezeichnete sie z. B. den Ausbau der Infrastruktur. In anderen Politikfeldern, „der Bildungspolitik, in der Gesundheitsvorsorge, in der Verkehrspolitik, in der Umweltgestaltung und beim Städtebau“ musste jedoch, so die Auskunft, in längeren, zwischen zehn und fünfzehn Jahren angedachten Zeiträumen geplant werden.168 Die hier im Vordergrund stehende Städtebauförderung sollte – so zumindest verlautete noch im August 1973 eine Stellungnahme der Bundesregierung – im Bündel mit anderen „Lenkungsund Förderungsinstrumenten“ in der Raumordnungspolitik aufgehen.169 An dieser Stelle kann nicht der Ort sein, die umfangreiche Literatur und ihre Ergebnisse über die „Politische Planung“ zu würdigen.170 Diese wurde bereits zeitgenössisch entweder gefeiert oder in ihren Wirkungen bezweifelt. Motiv und Impuls der „Politischen Planung“ können für die vorgestellte Zeitspanne aber verdeutlichen, woher der Anspruch der politikfeld- und ebenenübergreifenden „politischen Steuerung“ kam. Denn eines war klar, bei aller Theorie: ohne Möglichkeiten konkreter staatlicher Umsetzung war sämtliche Planung nichts als wissenschaftliche Bestandsaufnahme ohne politisch-praktischen Zweck.171 Ausdrücklich wurden von den Planungsvorstellungen der Bundesregierung auch die Städtebaupolitik und das StBauFG umfasst, nur dass die zentralstaatliche Ebene allein in diesem Bereich keine politischen Ziele steuern konnte (allenfalls in Auseinandersetzung mit den Bundesländern); es bedurfte „aus der Natur der Sache heraus“ also der Einbeziehung der Kommunen als neben den Ländern weiterer Umsetzungsebene.
168 S.
BT-Drs. VI/1953, S. 3. BT-Drs. 7/962, S. 5. 170 Zu verweisen wäre auf den Beitrag von Dose/Bruder mit seiner Differenzierung in sechs Phasen der Planungspolitik und weiterführenden Literaturhinweisen; weiterhin Waterkamp mit seinen Beispielen aus der „Praxis politischer Planung“ und weiterführenden Literaturhinweisen. Aus zeitgenössischer Sicht empfiehlt sich der Sammelband von Fehl/Fester/Kunert. Besonders detail- und aufschlussreich schildert Walter (1997) den Werdegang (und das Scheitern) z. B. der Bundesraumordnungsplanung, einem Feld, in dem der Bund besonders anspruchsvoll in horizontaler als auch vertikaler Hinsicht versuchte, einen Steuerungseinfluss zu entwickeln (Teil C., Drittes Kap.). Planungsverständnis und Planungspolitik spielten in den Kommunen deutlich länger eine Rolle, nicht zuletzt, weil bei ihnen lokal-konkrete Administrierung lag. Doch auch hier scheiterten Ansätze der „ressortübergreifenden Gesamtplanung“ (!) unweigerlich an den Erfordernissen und Problemen bereits der „sektoralen Entwicklungs- oder Fachplanung“, vgl. W. H. Müller, bes. Kap. III. 171 Eine konzise zeitgenössische Formulierung lieferte auch Badura (S. 923): „Der Plan ist auf einen in der Zukunft liegenden und zu verwirklichenden Zustand gerichtet und wird durch die Herstellung dieses Zustandes erfüllt. Er ist deshalb nicht eine für denkbare Tatbestände bereitgestellte Ordnung, sondern ein nach Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Zeiträumen ausgearbeitetes Programm.“ 169 Vgl.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit213
Staatliche und politische Planung konnte sich aber, allen Ansprüchen, Modellen und Bemühungen zum Trotz, nicht davon lösen, dass immer auch „gegenwärtige Machtgegebenheiten die durch Planung zu erschließende Zukunft“ dominierten und gestalteten.172 Heute, mit 50 Jahren Abstand, muten Vorstellungen, politische Prozesse oder einzelne Politikfelder könnten sich über „Zeiträume zwischen zehn und fünfzehn Jahren“ planen lassen, ausgesprochen abwegig an. In einer Republik mit 16 anstatt elf Bundesländern und fast durchgängigen Sechs-Parteisystemen gilt dies umso mehr. Bereits damals negierte ein solcher Anspruch „das Gegenwärtig-Politische“ an Politik: die Ausübung von Macht, sichtbar im Treffen von Entscheidungen, lässt sich nicht zeitlich domestizieren. Jedes neu zusammengetretene Parlament, jede neue Koalition und Regierung – auch in den Bundesländern – verlangt für sich politische Entscheidungsfreiräume und will Politik gestalten, nicht Planungen administrieren.173 Weiterhin am wenigsten planbar sind das historische Geschehen und der impact von Kräften außerhalb der „Planbarkeit“; und so war es denn kein Zufall, dass dieser Strang moderner technokratischer oder (im Zeitjargon) „kybernetischer“ Steuerung nach der ersten Erdölkrise 1974 kaum mehr eine Rolle spielte, allenfalls in der Wissenschaft. Für die Regierungspraxis mochte der Mehrwert von „Planung“ am ehesten noch in der von Ellwein beschriebenen intellektuellen und politischen Auseinandersetzung zu überzeugen. In demokratietheoretischer Perspektive wies er darauf hin, dass die parlamentarische Befassung über „Planungen“ die politischen Akteure dazu zwang, inhaltlich abzuwägen und sich mit diesen deliberativ auseinanderzusetzen. Offen ist jedoch, ob ein solcher Zugewinn die hierzu benötigten Mittel und immensen administrativen Ressourcen rechtfertigte. Zunächst einmal, d. h. vor der Rezession von 1974, herrschte jedoch ein enthusiastisches Bild vor. Nach dem kurzfristigen Wirtschaftseinbruch in den Jahren 1965/66174 wurden mögliche Folgekrisen zwar keineswegs ausgeschlossen, aber durch wohl dosiertes und koordiniertes staatliches Handeln als handhabbar erachtet. Konkret sah sich die Bundesregierung Brandt in ihren Anfangsjahren mit einer erholten, teilweise gar „überhitzten“ Konjunktur konfrontiert, die vor allen Dingen in einer stark steigenden Inflation zum Ausdruck kam.175 Für die sozial-liberale Koalition entstand ein schwieriger 172 Vgl.
Ellwein (1976), Kap. 10.3. (Zitat: S. 189); vgl. Banner (1986), S. 164. Einschränkungen, die in Übergewicht und Dominanz der Verwaltung gegenüber den Vertretungskörperschaften Rat oder Kreistag lagen, galt dies auch für Kommunen, vgl. Adrian, S. 360. 174 Vgl. oben Kap. § 2 A.I. 175 Vgl. u. a. Finanzplan des Bundes 1971 bis 1975, BT-Drs. VI/2651, S. 3; Finanzplan des Bundes 1973 bis 1977, BT-Drs. 7/1101, S. 1. Auf die Finanzpläne des Bundes wird hier verstärkt zurückgegriffen, da durch sie der „Programmcharakter 173 Mit
214
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
„Zielkonflikt“: Einerseits war es fiskalpolitisch geboten, Kapital und öffentliche Investitionen aus dem Wirtschaftskreislauf zu entnehmen,176 um die Inflation nicht weiter steigen zu lassen; andererseits wollte sie ihre Reformpolitik vorantreiben und in diesem programmatischen Sinne staatliche Ausgaben tätigen.177 Um diesen Widerspruch aufzulösen, führte die Bundesregierung zwei Argumente ins Feld: Erstens reklamierte sie, dass das „Wachstum der Bundesausgaben“ in den Jahren nach der Krise 1965/66 relativ deutlich hinter dem Wachstum des (kurzfristig erholten) Bruttosozialproduktes zurückgeblieben und dies zu restriktiv war. Die Bundesregierung vertrat die Auffassung, dass das Wachstum der Bundesausgaben „[…] etwa der derzeit projektierten Entwicklung des Bruttosozialprodukts“ entsprechen, stimulativ eher noch etwas darüber liegen sollte.178 Im Finanzplan des Bundes von 1970 bis 1974 jedenfalls ging die Bundesregierung von einer „Grundlage solider Finanzen“ aus, um ihr innenpolitisches Reformprogramm entscheidend weiterzuführen. Nach konjunkturdämpfenden Maßnahmen, die auf das Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes zurückgegriffen hatten, sollten die öffentlichen Gesamtausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden 1970 um 12,1 % steigen, 1972 (geplant) um 8,5 %, 1973 um 8,25 % und 1974 um 8,0 %. Dies alles zielte darauf ab, den „Abbau des Nachholbedarfs im öffentlichen Bereich“ finanzpolitisch in Angriff zu nehmen,179 der in Form von kommunal erforderlichen Investitionen „ständig und überproportional“ zunahm.180 Zweitens hob die Bundesregierung hervor, dass sich der relative Anteil von Ländern und Gemeinden an den Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushaltes nach der „Finanzverfassungs-“ und „Gemeindefinanzreform“ 1969 spürbar zu deren einer in die Zukunft gerichteten Politik“ herausgestellt werden sollte und „die politischen Zielsetzungen der Bundesregierung“ klar herausgearbeitet werden sollten (Vgl. BT-Drs. VI/2651, S. 4). Vgl. weiterhin Jäger (1986), S. 107. – Die jährlichen Infla tionsraten bezifferte das Bundesamt für Statistik in den Jahren von 1970 bis 1975 mit 3,4 – 5,3 – 5,5 – 6,9 – 7,0 und 6,0 %. (zit. n. Andersen/Woyke, S. 733). 176 Vgl. Gaul, S. 13: „Für die Globalsteuerung stand in dieser Zeit die Bekämpfung der Inflation durch nachfragedämpfende Maßnahmen im Vordergrund.“ Gaul führt insgesamt 11 Programme auf, die dem Wirtschaftskreislauf zwischen März 1969 und Mai 1973 ca. 37,6 Mrd. DM entnommen hatten. 177 Vgl. BT-Drs. 7/1101, Nr. 12, weiterhin 1–3. 178 Vgl. BT-Drs. 7/1101, Nr. 12. Weiterhin Nr. 2: „Damit würde der stabilitätspolitischen Zielsetzung Rechnung getragen und zugleich gewährleistet, daß die zum Ausbau der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur erforderlichen öffentlichen Leistungen erbracht werden können.“ – Zudem Nr. 3: „[…] als ob Konjunkturpolitik allein darin bestünde, öffentliche Ausgaben konjunkturgerecht zu dosieren und als sei es allein Sache des Bundes, die Erfüllung seiner Aufgaben im Interesse der Konjunktursteuerung zurückzustellen.“ 179 Vgl. BT-Drs. VI/1101, S. 3 f. 180 Vgl. BT-Drs. 7/962, S. 4.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit215
Gunsten verschoben hatte.181 Die daraus gezogene Schlussfolgerung sollte schon bald deutliche Rückwirkungen u. a. auf die Städtebauförderung haben: „Ein Rückgang des Anteils des Bundeshaushalts müßte zur Folge haben, daß Länder und Gemeinden künftig stärker als bisher in die konjunkturpolitische Gesamtverantwortung einbezogen werden.“182 Im Bereich des Städtebaus und Wohnungswesens sollten die Ausgaben des Bundes seinen Planungen zufolge von 1970 bis 1974 insgesamt um über 70 % ansteigen. Dies hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass das bundesweite Inte resse am neu geschaffenen bzw. eingeführten StBauFG und seinem Förderprogramm sehr groß war. Über 350 städtebauliche Maßnahmen hatten sich für Die Ausgaben des Bundes für Städtebau und Wohnungswesen in den Jahren 1970 bis 1974 Ϭ
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
das erste Bundesprogramm beworben und nur ca. 200 konnten hierin aufgenommen werden; „[…] bei der Mehrzahl handelte es sich um frühere Studien und Modellvorhaben zur Erneuerung von Städten und Dörfern, denen im Hinblick auf ihren Planungs- und Vorbereitungsstand ein Vorrang eingeräumt wurde.“183 Wie der obenstehenden Grafik aus dem Finanzplan des Bundes 1970 bis 1974 zu entnehmen war,184 waren die Anteile der Städtebauförderung im Verhältnis zur Mittelbereitstellung im sozialen Wohnungsbau, der Förderung des Wohnungsbaus (Wohnungsbauprämien) und zum Wohngeld allerdings relativ klein. Nicht vergessen werden darf bei Betrachtung der Grafik jedoch, dass die Bundesmittel nur einen Teil der gesamten öffentlichen Förderung darstellten. Zumindest idealtypisch wurden zwei weitere Drittel von den Ländern und Programmkommunen erbracht – dies hätte die Relation noch einmal anders aussehen lassen.185 Seit 1972, also dem ersten vollen Programmjahr des StBauFG, gewannen die Ausgaben für das StBauFG langsam an Gewicht. Die Beträge dienten den „jeweils zur Erfüllung der in den Vorjahren eingegangenen Verpflichtungen“,186 die Finanzplanung rechnete also mit einem stufenweisen Anstieg der Programmausgaben in der Umsetzung des StBauFG. Dies hing wesentlich damit zusammen, dass die „Initiierungsphase“ der Implementation des StBauFG vom Fortgang der planerischen Entwicklungen im Rahmen der Ordnungsmaßnahmen abhing. Innerstädtische Sanierungen mussten relativ lange projektiert werden; verlässlich möglich war dies – zumindest was Sanierung unter Einsatz des StBauFG betraf – naturgemäß erst nach seiner Verabschiedung 1971. Die tatsächlichen Förderergebnisse bzw. -mittel im StBauFG wichen in der Initiierungsphase von den Planungen ab, die obenstehende Grafik ist am ehesten dazu geeignet, die Größenverhältnisse einzelner Programme und Politikansätze miteinander vergleichend zu illustrieren. Die tatsächlich geleisteten Gesamtsummen im StBauFG-Programm werden in der u.g. Übersicht von 1971 bis 1987 sichtbar. Bis Ende 1973 wurden 450 Mio. DM für das Regelprogramm nach § 72 StBauFG eingestellt bzw. ausgegeben. Dies entsprach nicht nur den Gesetzesformulierungen in § 71, sondern auch den Ankündigungen im Gesetzgebungsverfahren seitens der Bundesregierung.187 Für die Regelprogrammatik rechnete der Bund als Programmgeber mit der bereits genannten Drittelfinanzierung. Für die Jahre 1971 bis 1975 verzeich183 Vgl.
Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 20. BT-Drs. VI/1101, S. 9. 185 Weite Teile des „kommunalen Drittels“ wurde den Gemeinden auch durch öffentlichen Kredit bereitgestellt, vgl. u. § 4 Kap. A.II.3. 186 Vgl. BT-Drs. VI/1101, Anlage 1, S. 90. 187 Vgl. o. § 2 D.II. (Beratung des Entwurfes im Deutschen Bundestag). 184 Quelle:
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit217
nete er insgesamt 905 Mio. DM an Bundesfördermitteln, die „infolge der Ergänzung […] durch Landes- und Kommunalhaushaltsmittel die Voraus setzungen für städtebauliche Investitionen in Höhe von 2,715 Mrd. DM geschaffen“ hätten. Zu diesem Zeitpunkt, im September 1975, zählte er „im Bundesprogramm 448 Sanierungs- und 32 Entwicklungsmaßnahmen in 380 Städten und Gemeinden“, die Bundesfinanzhilfen erhielten.188 Das Interesse an einer Programmteilnahme seitens der Kommunen war groß. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, dass der städtebauliche Bedarf, zumindest in dem Maße, wie er von den Kommunen bezeichnet wurde, die zur Verfügung stehenden Fördermittel im StBauFG-Programm bei weitem überschritt: „[…] In der gegenwärtigen Finanzsituation bei Bund, Ländern und Gemeinden wird es allerdings nicht immer zu vermeiden sein, daß die Durchführung einzelner Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen aus finanziellen Gründen zeitlich gestreckt werden muß.“189 Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus sollte nach Auffassung der Bundesregierung auch mittelfristig einer der Schwerpunkte der öffentlichen Investitionen liegen. Die Gelder für das Zweite Wohnungsbaugesetz sollten derart aufgestockt werden, dass jährlich um insgesamt 150.000 gebaute und sanierte Wohnungen geschaffen werden konnten. Ziel der neuen Bundesregierung war es, „ein ausreichendes Angebot von Wohnungen zu tragbaren Mieten für alle Schichten der Bevölkerung“ sicherzustellen.190 Bereits im darauf folgenden Finanzplan wurde ein „langfristige[s] Wohnungsbauprogramm“ als „Kernstück der Wohnungsbauförderung durch den Bund“ benannt; die Zielprojektion wurde auf eine „jährliche Wohnungsbauleistung von 200.000 bis 250.000 Wohnungen“ erhöht, was durch „gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden“ erreicht werden sollte.191 Hierfür wurden stark steigende Mittel eingeplant, die ab 1974 mit deutlich über 500 Mio. veranschlagt wurden und damit mehr als das Doppelte der geplanten Städtebauförderung erreichten. Die deutlich stärker und schneller ansteigenden Mittel im sozialen Wohnungsbau erklärten sich aber nicht nur durch eine neue Regierung und einen neuen politischen Kurs. Vielerorts waren Projekte im sozialen Wohnungsbau bereits „ausgeplant“ und „baureif“ und konnten ggf. schneller in Angriff genommen werden als Sanierungsprojekte nach StBauFG, die, wie erwähnt, frühestens ab 1971 verbindlich geplant und projektiert werden konnten. Beim Blick auf die Planungen zu Anfang der 1970er Jahre lohnt sich auch ein vergleichender Blick in das benachbarte und der Städtebauförderung „so 188 Städtebauförderung
des Bundes (1975), S. 10. des Bundes (1975), S. 13. 190 Vgl. BT-Drs. VI/1101, S. 10. 191 Vgl. BT-Drs. VI/2651, S. 9. 189 Städtebauförderung
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
zuträgliche“ Politikfeld der Förderung des Verkehrswesens. Für die Unterhaltung, den Aus- und Neubau von Bundesautobahnen und -straßen waren im Zeitraum von 1970 bis 1974 mehr als 25 Mrd. DM vorgesehen. Ausweislich der getroffenen Prognosen und Planungen konnte dieser Bereich mit einer relativ konstanten, moderat steigenden Förderung kalkulieren.192 Das Volumen kontrastierte mit den vorgesehenen ca. 16 Mrd. DM im Bereich Städtebau und Wohnungswesen – der Ausbau der Infrastruktur wog deutlich schwerer. Und es kam nochmal eine Förderung für den kommunalen Straßenbau zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden hinzu. Die Verteilung der Bundesmittel dort erfolgte ab 1971 zu 55 % für den Straßenbau und zu 45 % für die Verkehrswege des öffentlichen Personennahverkehrs (U-Bahnen, S-Bahnen zur Entlastung des gemeindlichen Straßenverkehres). Diese Finanzmittel des Bundes waren später wichtige Komplementärfinanzierungen in der Umsetzung des StBauFG. Sie betrugen in 1970 ca. 571 Mio. DM und waren für die Folgejahre beplant mit 654, 688, 726 und (in 1974) 764 Mio. DM,193 also allein hier einem Vielfachen dessen, was (von Bundesseite) für den Städtebau vorgesehen war. 2. 1974–1978: Mittlere Phase Der Initiierungsphase folgte die mittlere Phase der Umsetzung des StBauFG, die zwar durch eine geübte Praxis der Programmumsetzung geprägt war, aber auch durch ein Umfeld grundlegend geänderter, verschlechterter gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Die „Erdölkrise“ ab November 1973 beendete den oben genannten politischen Zielkonflikt zwischen dämpfender Konjunkturpolitik und investierender Reformpolitik sozusagen ex machina.194 Nunmehr sah sich die Bundesregierung bereits Anfang 1974 genötigt, nicht mehr volkswirtschaftlich zu drosseln, sondern durch eine „Reihe flankierender und stützender Maßnahmen“ und Programme dem globalen rezessiven Einbruch entgegenzutreten, von dem „die Bundesrepublik wegen der starken internationalen Verflechtung der deutschen Wirtschaft besonders betroffen wurde“.195 Die steten ökonomischen Wachstumsannahmen, 192 Vgl. BT-Drs. VI/1101, S. 11. Bereits im Jahr darauf sah die Finanzplanung des Bundes eine nochmalige Anhebung auf 30 Mrd. DM für die Jahre von 1971 bis 1975 vor (BT-Drs. VI/2651, S. 11). 193 Vgl. BT-Drs. VI/1101, Anlage 1, S. 56. 194 Klaus von Beyme (1990, S. 31) notierte dazu: „Nach der Wirtschaftskrise von 1973/74 trat die Bundesrepublik in eine Phase der ‚Reformökonomisierung‘.“ Er untergliedert diese in „drei Unterphasen“: 1976/77 restriktive Konsolidierungspolitik, 1978–80 expansive Investitionspolitik, 1981–82 Zerfall der Koalition und Resignation. 195 Vgl. Finanzplan des Bundes 1975 bis 1979, BT-Drs. 7/4101, S. 1.
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die politisch noch dem Werden des StBauFG zugrunde gelegt wurden, waren Mitte der 1970er Jahre letztlich zerstoben. Auch auf die politische Kultur des Landes hatte dies nachhaltige Rückwirkungen. Nicht nur institutionelle und parteipolitische Grenzen bedeuteten das „Ende des Reformklimas“ in der Bundesrepublik, sondern auch eine „tiefe Verunsicherung“ in der Bevölkerung und ein „Gefühl des Ausgeliefertseins an fremde Mächte im Nahen Osten“.196 In diese Beobachtungen fügte sich die Umsetzung des StBauFG mit dem hier beschriebenen Zeitabschnitt ein. Die Wirtschaftspolitik der hier beschriebenen Jahre stand vor der Herausforderung, die gesamtwirtschaftlichen Folgen einer zunehmenden wirtschafts strukturellen Schwäche Deutschlands zu bewältigen. Es sollte sich zeigen, dass eben nicht nur ein zwischenzeitlicher (wenn auch massiver) Rezessionszyklus die Hochkonjunktur seit 1969 beendet hatte. Aus dem durch den Nahost-Konflikt herbeigeführten Ölpreisschock und Konjunktureinbruch197 wurde „völlig überraschend“ eine „kleine Weltwirtschaftskrise“, die Abelshauser zufolge für die an Prosperität gewöhnte Bundesrepublik einen „langen und quälenden Schrumpfungsprozess“ bedeutete, „der mehr Arbeitskräfte freisetzte, als der Arbeitsmarkt aufnehmen konnte.“198 Mit konjunkturellen Schwankungen zog sich dieser Abschnitt letztlich durch die gesamte Kanzlerschaft Helmut Schmidts und darüber hinaus. Er mündete ab ca. 1978 in einer nochmals deutlich verschärften Stagflationsphase, die mitursächlich für das Ende der sozial-liberalen Bundesregierungen werden sollte. Bis zum Ende der 1970er Jahre hörten die Bundesbürger gänzlich andere Nachrichten, als nur ein Jahrzehnt zuvor: Erhöhte und verfestigte Arbeitslosigkeit, wieder steigende Inflation, Strukturkrisen in „alten“ Branchen wie der Textil-, Stahl- und Werftindustrie, aber auch die „Staatsschul denkrise“,199 die den Bundeshaushalt derart strangulierte, dass die Schlussphase der Regierung Schmidt mit dem Urteil der beschäftigungspolitischen „Handlungsunfähigkeit“ belegt wurde.200 Doch noch Anfang 1974 und zu Beginn der „Erdölkrise“ überwog die Zuversicht, diese mit den bereits Ende der 1960er Jahre erfolgreich ange196 Vgl. Thränhardt, Kap. II.6.6., III.1.1. u. 1.2. Der „grundsätzlich reformfeindlichen Stimmung“ (S. 210) sprach er eine derart starke Rückwirkung zu, dass es nicht mehr gelang, „[…] strukturelle Veränderungen vorzunehmen, welche die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft weiter gestärkt hätten.“ (S. 215). 197 Vgl. Sondergutachten des Sachverständigenrates „Zu den gesamtwirtschaft lichen Auswirkungen der Ölkrise“, BT-Drs. 7/1456 vom 19.12.1973. 198 Vgl. Abelshauser, Kap. VIII.3, „Die Kleine Weltwirtschaftskrise“. 199 Zeitgenössisch: Lang/Koch. 200 Eindringlich: Jäger (1987), „Krise und Depression: das Ende einer Ära“, S. 193 ff. (Zitat: S. 194).
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
wandten Methoden zu bewältigen; die viel tiefer gehende „Strukturkrise“ wurde zu d eren Beginn nicht vollumfänglich erkannt. Ihre konjunkturpolitischen Hoffnungen stützte die sozial-liberale Koalition auf die von ihr beschlossene Steuerreform, mit der die Bürger um 14 bis 15 Mrd. DM entlastet und also die Kaufkraft und Binnennachfrage erhöht werden sollten.201 Weiterhin hatte die Bundesregierung im Dezember 1973 ein erstes nachfragestärkendes Konjunkturprogramm in den Bundestag eingebracht, das durch die Aufhebung vormals konjunkturdämpfender Maßnahmen ca. 8 Mrd. DM in den Wirtschaftskreislauf zurückführte und worin sie vom Sachverständigenrat unterstützt worden war.202 In „Anbetracht der bereits weit fortgeschrittenen Abschwächung der inländischen Nachfrage im Investitionsgüter- und im Baubereich“ war es nach Auskunft der Regierung zudem „beschäftigungs politisch erforderlich“ gewesen, die noch im Mai 1973 beschlossenen Steuer erhöhungen und verringerten Abschreibungs möglichkeiten,203 darunter für Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen (§ 7b EStG), rückgängig zu machen. Dies sollte „dazu beitragen, die Abschwächung im Wohnungsbau zu mildern“ und die rückläufige Beschäftigungszahl im Hoch- und Wohnungsbau zu korrigieren.204 Das Jahr 1974 – „mit 0,5 Prozent Wachstum, steigender Arbeitslosigkeit und 6,9 Prozent Inflation ein Stagflationsjahr“205 – stand wirtschaftspolitisch ganz im Zeichen der Bewältigung der „Erdölkrise“, und es wurden seitens der Bundesregierung „drei Sonderprogramme mit einem Gesamtvolumen an zusätzlichen Ausgaben von [3,5] Mrd. DM beschlossen“.206 Durch verschiedene Maßnahmenbündel sollten unterschiedliche Wirkungen erzielt werden, so z. B. die „Verbesserung der Infrastruktur in strukturschwachen Gebieten“207 201 Vgl.
BT-Drs. 7/2503, S. 1; BT-Drs. 7/4101, S. 1. BT-Drs. 7/1456, S. 12 f.: „Was die Finanzpolitik angeht, so wird erwogen, ab sofort die konjunkturpolitische Sonderbesteuerung der Investitionen aufzuheben.“ Die Wirkung in Höhe von 8 Mrd. DM entstammt Gaul (S. 12). 203 Vgl. Dritte Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen, BT-Drs. 7/546 vom 10.5.1973. 204 Vgl. Verordnung […] über steuerliche Konjunkturmaßnahmen, BT-Drs. 7/1459 vom 19.12.1973, S. 2. Vgl. BT-Drs. 7/1503 (Kleine Anfrage „Krise im Wohnungsbau“), S. 2 f.; weiter Jäger (1986), S. 110. 205 Vgl. Jäger (1986), S. 108. 206 Vgl. Finanzplan des Bundes 1975 bis 1979, BT-Drs. 7/4101, S. 1. Zum Vergleich: das Gesamtvolumen des Bundeshaushaltes betrug 1974 ca. 134 Mrd. DM. Die drei Sonderprogramme waren „für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen“ (vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 49. Kabinettssitzung am 6.2.1974, TOP 4; BT-Drs. 7/1646, S. 8), „zur regionalen und lokalen Abstützung der Beschäftigung nach § 6 Abs. 2 StWG“ (vgl. BT-Drs. 7/2589) sowie das „Programm zur Förderung von Beschäftigung und Wachstum bei Stabilität“ (vgl. BT-Drs. 7/2978). 207 Vgl. BT-Drs. 7/1646, S. 8. 202 Vgl.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit221
oder „arbeitsmarktpolitische Maßnahmen mit einem Gesamtbetrag von 600 Millionen DM“.208 Die Bundesregierung sah für die Wirtschaft die Gefahr einer „insgesamt zögernden Investitionsentwicklung“ sowie gefährdende Anpassungsprozesse in einigen Wirtschaftsbereichen. Dies galt „vor allem für die Wirkungen aus der Abschwächung in der Bauwirtschaft.“ Um speziell dem entgegenzuwirken, wurde im Oktober 1974 ein insgesamt 950 Mio. DM starkes „Sonderprogramm zur regionalen und lokalen Abstützung der Beschäftigung nach § 6 Abs. 2 StWG“ aufgelegt.209 Die beiden größten Ausgabepositionen in diesem Programm entfielen auf das Bundeswirtschaftsministerium (180 Mio. DM) und das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (150 Mio. DM). Zusammen entstand damit eine Bundesfördersumme von 330 Mio. DM (ohne Länderanteile), die zu weiten Teilen typischerweise kommunalen Einrichtungen zugutekommen sollte.210 In diesem Sonderprogramm gab es auch erstmalig eine direkte Ergänzung und Förderung zu bereits laufenden städtebaulichen Sanierungen gem. StBauFG und dessen regulären Programmen. Die Mittel wurden in Gebieten „mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und innerhalb dieser Gebiete vorrangig in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten und Entwicklungsbereichen nach dem Städtebauförderungsgesetz eingesetzt […].“211 208 Vgl.
BT-Drs. 7/2978, S. 3. BT-Drs. 7/2589. Aus der allg. Begründung zum Programm (S. 2): „Entsprechend der Zielsetzung des Programms hat die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen insbesondere für den Hochbaubereich beschlossen. Die zusätzlichen Aufträge sollen in erster Linie in Gebieten mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung der Beschäftigungslage im Baubereich wirksam werden.“ – Das Programm wurde finanziert aus Investitionssteuerrücklagen sowie, im Länderbereich, auch teilweise durch Inanspruchnahme der obligatorischen Konjunkturausgleichsrücklagen 1969/70; also zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich nicht durch eine staatliche Kreditaufnahme. 210 Vgl. BT-Drs. 7/2589: Sonderprogramm zur regionalen und lokalen Abstützung der Beschäftigung nach § 6 Abs. 2 StWG. Der Bund plante insgesamt 600 Mio. DM bereitzustellen, die Länder übernahmen 350 Mio. DM. – Aus dem Geschäftsbereich des BMWi (180 Mio. DM) wurden „Maßnahmen zum Ausbau der kommunalen Infrastruktur“ gefördert, und zwar u. a. Schul- und Fortbildungsstätten, Kindertages-, Alten- und Jugendtagesstätten, Heiz- und Wasserwerke, Müllverbrennungs- und Verwertungsanlagen, Kurzentren, Hallenbäder und Sporthallen, Mehrzweckhallen und Omnibusbahnhöfe (S. 5). Im Geschäftsbereich des BMBau (150 Mio. DM) wurden 50 Mio. DM an Förderdarlehen für Altenwohnungen und -wohnheime vergeben, 50 Mio. DM Darlehen an die Länder zur Förderung der Sanierung des „Althausbestandes“ sowie 50 Mio. DM Zuweisungen zur Ergänzung städtebaulicher Förderprogramme in „alten Stadtteilen und neuen Wohngebieten“ (S. 7). 211 Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 22. Nach Auskunft des Bundes wurden Maßnahmen zum Ausbau der wohnnahen Infrastruktur wie Kindergärten, Altentagesstätten, Bürgerhäuser und andere Gemeinschaftsgebäude sowie der Ausbau oder 209 Vgl.
222
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
Mit seiner Systematik wurde dieses Programm von 1974 sozusagen zum Prototyp einer Reihe weiterer, konjunkturpolitisch motivierter Sonderprogramme. Der Bund sprach konzeptionell bewusst davon, dass es technisch bei seiner Aufstellung um eine „Verzahnung von Bundesausgaben mit entsprechenden Ausgaben bei den übrigen Gebietskörperschaften“ ging. Die „erforderlichen Vorarbeiten mit den Bundesressorts sowie den Ländern und Gemeinden“ sollten durch die Bundesministerien der Finanzen und Wirtschaft koordiniert werden.212 Drei wesentliche Punkte zog der Bund aus diesen ersten Erfahrungen: die Umsetzung zur konjunkturrelevanten Ansteuerung im Baubereich konnte in Städtebausanierungsprojekten kurzfristig und effektiv erfolgen, zweitens konnten spürbar „Mobilisierungseffekte“ weiteren Kapitals verzeichnet werden und drittens wurde durch die Sondermittel „in einer Reihe von städtebaulichen Sanierungsgebieten und Entwicklungsbereichen ein Anstoß zur Belebung der Neubauphase“ verzeichnet, was wiederum Folgeinvestitionen nach sich zog.213 Mit dieser Politik sollten die Kommunen ausdrücklich in eine „antizyklische“ Konjunktursteuerung einbezogen werden.214 Von Bedeutung war dem Bund bei „der Aufstellung von Programmen nach dem Städtebauförderungsgesetz der sog. Bündelungseffekt, d. h. eine sachliche, zeitliche und räumliche Koordinierung raumwirksamer öffentlicher Investitionen“. Dies war am 1974/75 jedoch schon einer der strittigen Aspekte zwischen dem Bund und den Ländern, der durch das oben besprochene Urteil des BVerfG215 mit aufgegriffen und zu Gunsten der Länder entschieden wurde. Der Anspruch, einen Bündelungseffekt herstellen zu wollen, war unweigerlich auch ein qualitativer, strukturpolitischer und „programmsteuernder“ Anspruch.216 Umbau erhaltenswerter Gebäude von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung gefördert. 212 Vgl. BT-Drs. 7/1503, S. 3. – Ebenfalls: BT-Drs. 7/4373, Frage 3: „[…] sieht es die Bundesregierung als eines der Hauptziele der Finanzpolitik der Gebietskörperschaften an, mit Hilfe der öffentlichen Haushalte die güterwirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß über vermehrte gewerbliche Investitionen ein befriedigender Beschäftigungsstand erreicht wird.“ 213 Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 22. „Von den 104 geförderten Vorhaben standen 76 in unmittelbarem und 12 weitere in mittelbarem Zusammenhang mit städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen oder Entwicklungsmaßnahmen des Bundesprogramms nach § 72 StBauFG, des Programms der Studien und Modellvorhaben oder landeseigener Förderungsprogramme.“ – „Dabei sind vom Bund Förderungsmittel in Höhe von 43,4 Mio. DM den Ländern zur Verfügung gestellt worden. […] Insgesamt wurden so städtebauliche Investitionen […] von 130 Mio. DM initiiert.“ 214 Vgl. BT-Drs. 8/906, S. 15 (Frage 23). 215 BVerfGE 39, 96, vgl. hierzu oben § 2 Kap. F. I. 216 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 16, 19: „Die meisten Verbindungen städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen mit Investitionen aus anderen Fachbereichen bestehen mit der regionalen Wirtschaftsförderung, dem
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit223
Bei diesem Sonderprogramm blieb es 1974 nicht. Die übliche „Herbstbelebung“ der Volkswirtschaft war in diesem Jahr „spürbar schwächer als sonst ausgefallen“; auch „die Industrieproduktion und die realen Auftragseingänge lagen […] deutlich unter dem entsprechenden Vorjahresniveau.“217 Hinzu kam, dass durch die Wirtschaftskrise der politische Druck auf die sozial-liberale Koalition anstieg: Arbeitslosigkeit und Kurzarbeiterzahl waren sprunghaft auf ein in der Bundesrepublik unbekanntes Ausmaß angestiegen, die Arbeitslosenquote betrug im November 1974 3,5 %, die Zahl der Kurzarbeiter beinahe eine halbe Million. So sah sich die Bundesregierung noch im Dezember 1974 veranlasst, weitere, deutlich umfangreichere „Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur“ aufzulegen. Mehr als 1,7 Mrd. DM stellte sie zur Verfügung, davon waren 600 Mio. DM für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen vorgesehen, 1,1 Mrd. DM entfielen auf Investitionsausgaben des Bundes. Auch in diesem Paket spielte die Altbausanierung wieder eine Rolle, wenn auch mit bescheidenen 50 Mio. DM, die auf die vorhergegangenen Programme aufgesattelt wurden. Interessant für spätere Zusammenhänge war dabei folgendes Detail: „Bei der Althausmodernisierung werden die Aufträge spätestens 4 Wochen nach der bis zum 30. Juni 1975 befristeten Bewilligung vergeben. Schnelle konjunkturelle Anstoßeffekte sind damit gewährleistet.“218 Auf den ersten Blick wirkte es in sich widersprüchlich, doch: Der Städtebau wurde durch die Wirtschaftskrise ab 1974 seinem Volumen nach immens vorangetrieben, zumindest von öffentlicher Seite. Die hier vorgestellten frühen Konjunkturprogramme waren insofern der Einstieg in die „mittlere Phase“ der Umsetzung des StBauFG, als dass die Städtebauförderung nun zum integralen Bestandteil und festen Instrumentarium der „Globalsteuerung“ der Konjunkturpolitiken der Regierungen Schmidt wurde. Von besonderem Wert sollte dabei für Bund und Länder die Funktionsweise des StBauFG sein, indirekt auf die kommunale Ebene der Umsetzung zugreifen zu können. Gegenüber direkten Investitionsvorhaben des Bundes, zum Beispiel Ausgaben im Wehretat, bestanden drei Vorteile: erstens war der Planungsstand in den Kommunen oftmals ausgereifter und daher zügiger, in ggf. auch kleineren, schneller und besser planbaren Sanierungsprojekten umzusetzen.219 Besonkommunalen Straßenbau nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, dem Fernstraßenbau nach dem Bundesfernstraßengesetz und mit Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung.“ 217 Vgl. (auch für die nachfolgenden Angaben): BT-Drs. 7/2978, S. 3 f. 218 Vgl. BT-Drs. 7/2978, S. 3. Zusammen mit den o. g. „arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen“ erhielt in diesem Programm und mit ebenfalls 600 Mio. DM das BM Verkehr das größte Fördervolumen; gefördert wurden die Bundesbahn mit 380 Mio. u. der Bundesfernstraßenbau mit 210 Mio. DM. 219 Vgl. BT-Drs. 7/4101, Nr. 5.5.
224
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
ders die später positiv bewertete „Altbestandsanierung“ konnte flexibel – kurzfristig, vielseitig und ohne lange planerische Vorlaufzeiten wie in Großprojekten – die Baukonjunktur beleben. Zweitens erkannte die Bundes regierung eine „beträchtliche Multiplikatorwirkung“ durch die Generierung zusätzlicher privater Investitionen.220 Dies war ein gerade für die Konjunkturpolitik sehr wertvolles Motiv, das im Übrigen bis heute zur gängigen Beurteilung (und Begründung) von Sanierungsmaßnahmen gehört.221 Und drittens war es geübte Praxis, dass wenigstens die Länder in Konjunkturprogrammen kofinanzierten.222 Dies führte zwar zu politischem Widerstand, da diese damit den wirtschaftspolitischen Kurs der Bonner Koalition unterstützen mussten.223 Letztlich kam es aber doch zur gewünschten nochmaligen Ausweitung der globalen Konjunkturausgaben; denn ein politisch nicht zu unterschätzender Pluspunkt der Programmauflegung war, dass in nahezu jeder Klein- und Mittelstadt, ja sogar in dörflichen Strukturen konjunkturpolitisch aktiv Arbeitslosigkeit bekämpft werden konnte – nicht nur in städtebaupolitischen Förderschwerpunkten. Dies war in Zeiten beginnender Massenarbeitslosigkeit ein Thema mit hoher politischer Aufladung; weite Teile der Konjunkturpolitik wurden also von einer faktischen Großen Koalition getragen.
220 Vgl.
BT-Drs. 7/4101, Nr. 2.4. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 7.: „Die Untersuchungsergebnisse bestätigen für 80 % der Maßnahmen den hohen investiven Gesamteffekt der Sanierungsförderungsmittel und für 60 % beschäftigungspolitische Wirkungen. Nach den Einschätzungen und Erfahrungen der Sanierungsbeteiligten spielen Anstoß- und Multiplikatorwirkungen von öffentlichen Investitionen und direkten sowie indirekten Subventionen für die private Investitionstätigkeit eine wesentliche Rolle. […] Die Verbesserung der Lage- und Standortbedingungen stand unter den Investitionsmotiven an erster Stelle (für zwei Drittel der Maßnahmen). Der Anreiz durch die Fördermittel des Landes und der Gemeinden zeitigte besonders in den Großstädten Wirkung. […] Die Sanierungswirkungen bleiben für 86 % der Maßnahmen nicht auf das eigentliche Gebiet beschränkt. Vor allem die Verbesserung des örtlichen Erscheinungsbildes sowie der Verkehrsverhältnisse und eine Erhöhung der überörtlichen Attraktivität kommen auch den an die Sanierungsgebiete angrenzenden Ortsteilen und in kleinen Orten der Gesamtgemeinde zugute.“ 222 Vgl. BT-Drs. 8/101, Nr. 1.4. Bei Konjunkturprogrammen galt dies in geringerem Maß für die Kommunen, die bei investiven Vorhaben meist kleinere Anteile leisteten. Im langfristigen Verlauf der Strukturkrise änderte sich dies: die strukturelle Finanzierung von Langzeitarbeitslosigkeit durch Leistungen der Sozialhilfe ist ein gut aufgearbeitetes Beispiel (z. B. durch Beschäftigungsprojekte) über den „Zugriff des Bundes auf die Haushalte der Gemeinden“, vgl. Nullmeier, Benzler/Heinelt. 223 Vgl. BT-Drs. 7/2689, Beschluss und Stellungnahme des Bundesrates. Diese Konfliktlinie zog sich durch. Im Finanzbericht 1977–1981 hieß es: „Die Bundesregierung erwartet, daß auch die Länder und Gemeinden der gesamtwirtschaftlichen Verantwortung aller Gebietskörperschaften Rechnung tragen und ihre Haushalte 1978 ebenfalls expansiv ausrichten […].“ (BT-Drs. 8/951, S. 2). 221 Vgl.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit225
Neben der direkten Ansteuerung des Wirtschaftskreislaufes griffen Bundesregierung, Bundestag und (nicht zu vergessen auf Grund seiner Zustimmungspflichtigkeit) der Bundesrat auch auf Instrumente der Förderung privater Investitionen zurück. Dies betraf ebenfalls im Dezember 1974 ein Paket dreier Gesetze mit Investitionszulagen und steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten, diese erweiterten ein Jahr zuvor beschlossenen Maßnahmen vom Dezember 1973. Zwei dieser Gesetze hatten wiederum ausdrücklich das Ziel, Investitionen im Bereich des Wohnungsbaus hervorzurufen bzw. dort gebundenes Kapital in den Wirtschaftskreislauf rückzuführen.224 Diese konjunkturpolitische Ansteuerung der Bauwirtschaft entbehrte seinerzeit nicht einer gewissen Erklärungsbedürftigkeit. In der Bundesrepublik war nur zwei Jahre zuvor eine „Wohnungshalde“ von geschätzten 200.000 Neubauwohnungen thematisiert worden („überwiegend Eigentumswohnun gen“225), in der heutigen Terminologie würde man vom mittleren bis höherpreisigen Segment sprechen. Seinen Ausgangspunkt hatte dieser Überhang in der vorangegangenen Phase von Hochkonjunktur und Bauspekulation; auch entsprechende Steuersubventionen hatten ihren Teil dazu beigetragen.226 So waren im Jahr 1972 mehr als 750.000 Wohnungen zum Bau genehmigt worden. Im Januar 1974 dann sprach die Bundesregierung davon, dass sich die Bauwirtschaft und der Immobilienmarkt in einem „Prozeß der strukturellen Anpassung an den tatsächlichen Wohnungsbedarf“ befanden. Vor allem im „Markt für freifinanzierte Eigentumswohnungen“ erkannte sie „eine gewisse Sättigung“.227 Insolvenzen von Bau- und Immobilienunternehmen an einem spekulativ „zu heiß gelaufenen“ Markt wurden von der Politik einkalkuliert und erfolgten, medial stark beachtet, in diesen Jahren mehrfach.
224 Dies waren die Gesetze zur „Förderung von Investitionen und Beschäftigung“ (BT-Drs. 7/2979), zur „Änderung des Investitionszulagengesetzes“ (BT-Drs. 7/2980) und über „Investitionszuschüsse für gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen“ (BT-Drs. 7/2981). – Im ersten: ausgeweitete Steuerbegünstigung beim Weiterverkauf von Wohnungen (§ 7 b EStG); Zulage für private Investitionen im Wohnungsbau unter Berücksichtigung energiesparender Bauweisen. Und im dritten, nicht zustimmungspflichtigen Gesetz: Ausweitung der Investitionszulagen auf die bis dahin aus Gründen der Gemeinnützigkeit nicht förderfähigen Wohnungsunternehmen. Der Investitionszuschuss von 7,5 % galt für „begünstigten Wohnraum in Gebäuden, für die der Antrag auf Baugenehmigung nach dem 30. November 1974 sowie vor dem 1. Juli 1975 gestellt wird und die vor dem 1. Juli 1977 bezugsfertig werden […].“ (§ 1 Abs. 1). Er richtete sich also kurzfristig an bereits baureife Investitionsvorhaben. 225 Vgl. BT-Drs. 7/3523 vom 17.4.1975, S. 5. 226 Vgl. Jaedicke/Wollmann (1990), Kap. 2.3. 227 Vgl. BT-Drs. 7/1503, S. 1. Statistisch wurden in den Jahren 1971–1975 555., 660., 714., 604. und 436.000 Wohnungen fertiggestellt (nach Jaedicke/Wollmann (1990), S. 209).
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§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
Die sich abzeichnende marktwirtschaftliche Bereinigung im freifinanzierten Wohnungsbau wollte die SPD-geführte Bundesregierung eigentlich nicht staatlich abfangen, zumal einige Beteiligte exorbitante Gewinne durch Spekulation erzielt hatten – nur mit dem Stichwort sei an dieser Stelle an die erbitterten Diskussionen zur „Bodenreform“ bei Einführung des StBauFG erinnert. Ziel war es zuvorderst, den sozialen Wohnungsbau fortzuführen und „einen übermäßigen“, d. h. konjunkturrelevanten Rückgang „der gesamten Baunachfrage“ zu vermeiden. Ende des Jahres 1974 war der politische Druck der Rezession jedoch so stark, dass die Bundesregierung umsteuerte und auch den Sektor des stark kriselnden freifinanzierten Wohnungsbaus indirekt stützte mit der Absicht, das in der „Wohnungshalde“ gebundene, immense Kapital zügig in den Gesamtwirtschaftskreislauf zurückzuführen.228 Über eine Steuerbegünstigung durch § 7b Einkommensteuergesetz sollte diese Kapitalmobilisierung erreicht werden, wenn vorher „weder der Bauherr noch der Ersterwerber erhöhte Absetzungen geltend gemacht“ hatten.229 Dies sollte dem Abverkauf der Wohnungshalden dienen. Die Krise im freifinanzierten übertrug sich auch auf die Fertigstellungszahlen im sozialen Wohnungsbau, die oben projektierten Ziele von über 200.000 Wohnungen wurden nicht erreicht.230 Heute, 50 Jahre nach dem Inkrafttreten des StBauFG, lesen sich die Ursachen wiederkehrend vertraut: Jahrelang steigende Baukosten und Grundstückspreise waren in diesen Jahren hauptursächlich dafür, dass Bauen im geförderten Bereich mit Kosten konkurrieren musste, die ein überzeichneter „Bauboom“ vor sich her getrieben hatte. Im Unterschied zu heute lag das Zinsniveau jedoch sehr hoch, auf Grund der restriktiven Geldpolitik der Bundesbank zur Dämpfung von Inflation und dem Treiben spekulativer Marktteilnehmer im Bau-, Immobilienund Bankenbereich.231
228 Vgl. Der Spiegel Nr. 29/1973, S. 26–33 sowie Nr. 41/1974, S. 70–83. Nach Auskunft des letztgenannten Artikels hatte die Kreditwirtschaft zwischen 1971 und 1973 rund 65 Mrd. DM in die Wohnungsbauwirtschaft vergeben. Schätzungen der Deutschen Pfandbriefanstalt wurden zitiert, nach denen es ein geschätztes „Überangebot von 300.000 Wohnungen zum Jahresende“ 1974 geben sollte, das gut 36 Mrd. DM Kapital band. 229 Vgl. BT-Drs. 7/2979, S. 8 (Nr. III.). – Vgl. BT-Drs. 8/2085, S. 12, 15, 18. 230 Statistisch wurden in den Jahren 1971–1975 195., 182., 127., 153. und 153.000 geförderte Wohnungen fertiggestellt (nach Jaedicke/Wollmann (1990), S. 211, vgl. dort auch Kap. 2.3). 231 Vgl. Der Spiegel Nr. 41/1974, S. 73: „Die reinen Baukosten pro Quadratmeter Wohnfläche stiegen von 423 Mark im Jahre 1961 auf 973 Mark im Jahre 1973.“ – „Die veranschlagten reinen Baukosten für eine Sozialwohnung stiegen in den letzten zehn Jahren von 37500 Mark auf 81000 Mark – stärker also als im freifinanzierten Wohnungsbau.“ Das Immobilienzinsniveau lag bei ca. 14 %.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit227
Die sozial-liberale Bundesregierung betonte mehrfach ihren Standpunkt, der „allgemeine Wohnungsmangel“ sei beseitigt und auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme sei es vielmehr Aufgabe, für „die Wohnungspolitik […] ein Gesamtkonzept zur Neuorientierung zu erarbeiten“.232 Nach der Zeit des Wiederaufbaus und den Anstrengungen im Nachkriegswohnungsbau bedeutete dies eine nicht zu unterschätzende grundlegende Änderung der Voraussetzungen für die Städtebaupolitik. Der soziale Wohnungsbau sollte sich nicht mehr dem Postulat der sozialstaatlich motivierten Massen- und Grundversorgung unterordnen, sondern einer zeitgemäßen, marktkonformen wie städtebaulichen Konzeption öffnen. Nur auf den ersten Blick stand dazu im Widerspruch, dass Jaedicke und Wollmann die Jahre von 1969 bis 1974 in der Wohnungsbaupolitik unter der Überschrift „Mehr Staatsintervention“ zusammenfassten.233 Mit den neuen Herausforderungen war nicht mehr nur quantitative, sondern mehr qualitative Staatsintervention gemeint, die sich an einen spezifischeren Kreis „hilfebedürftiger“ Empfänger richtete, weg vom breit gestreuten Volumenbau des II. Wohnungsbauförderungsgesetzes. Die Diskussionen über Fehlbelegungsabgaben und die Zielgenauigkeit des Wohngeldes belegten dies. Nicht allein das richtige Verhältnis „vom Markt zum (Sozial)Staat“ machte dabei die Grundsätzlichkeit dieser Debatte aus. Entscheidend für die Städtebaupolitik der kommenden Jahre wurde, das Verhältnis von sozialem zu freiem Wohnungsbau und auch der Modernisierung von Altbauwohnungen zueinander zu bestimmen. Dies war der Bundesregierung bewusst.234 Indes, sie verwies folgerichtig darauf, dass die planerische und administrative Durchführung der sozialen Wohnungsbauförderung bei den Bundesländern lag und es „Aufgabe des jeweiligen Landes“ war, „Mittel des sozialen Wohnungsbaus im erforderlichen Umfang in Sanierungsgebiete und städtebauliche Entwicklungsbereiche zu lenken.“235 Von Harlander stammte hierbei der folgerichtige Hinweis auf die Wechselwirkungen zwischen „marktkonformem“ und „sozialem“ Handeln der staat
232 Vgl.
BT-Drs. 8/101, S. 12. Ebenfalls wiederholt in BT-Drs. 8/2151, 8/3101. Jaedicke/Wollmann (1990), S. 212 f. 234 So notierte der Finanzplan des Bundes 1981–1985 (BT-Drs. 9/771, S. 26): „Durch die hohen Wohnungsbauleistungen der vergangenen Jahre wurde eine günstige durchschnittliche Versorgungslage erreicht. Die verbliebenen [!, U.K.] Wohnungs- und Städtebauprobleme sind gruppenspezifischer und regionaler Art. Deshalb konzentriert sich die Wohnungspolitik auf Verbesserungen für Haushalte mit kinderreichen Familien, älteren Menschen, Schwerbehinderten sowie auf Ballungsgebiete und Kernbereiche der Städte. […]“. 235 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 22. 233 Vgl.
228
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
lichen Wohnungspolitik.236 Die noch einmal verbesserten Abschreibungsvergünstigungen des § 7b EStG sowie die Grunderwerbsteuerbefreiung auf den Erwerb von eigengenutzten Bestandsobjekten im Juli 1977237 sorgten – neben dem erwünschten und erzielten Effekt der Mobilisierung privaten Kapitals in der Bau- und Immobilienwirtschaft – eben auch für den „Einbezug der preisgünstigeren Altbaubestände in die Eigentumsförderung“. Zudem hatten die Kommunen seit der Gemeindefinanzreform von 1970 wieder verstärktes Interesse daran, einkommensstarke Wohnbevölkerung von der Abwanderung ins Umland ab- und in der Kerngemeinde zu halten. Die Bedeutung für den Städtebau bestand dahingehend, dass eine dadurch entstehende Aufwertung bestimmter Stadtteile (durch die zwangsläufige „Verknappung preisgünstiger Mietwohnungsbestände“) im Ergebnis als kapitalgesteuerter sozialräumlicher Umbruch zu Buche schlug. Wie weiter unten ausgeführt,238 beruhte dies eben nicht auf einem unvermeidbaren Zielkonflikt, sondern auf einer bewussten Entscheidung des Steuergesetzgebers. In deren Folge wurde die Städtebau politik zumindest in Teilen zum Reparaturbetrieb einer konjunkturexpansiven Politik, die soziale Verdrängungsprozesse in Vierteln mit Altbaubestand als Nebenfolgen in Kauf nahm. Der Zeitraum der Jahre 1974/75 war nicht nur in wirtschafts- und städtebaupolitischer Hinsicht, sondern auch finanzpolitisch eine „kleine Zeiten wende“.239 Das erkannte Potenzial der Konjunkturpolitik durch Globalsteuerung wurde nämlich nach den grundlegenden „finanzpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung“ vom August und September 1975240 verstärkt kredit- und nicht mehr rücklagenfinanziert. Neben den ohnehin seit 1969 exorbitant ausgeweiteten Ausgaben im Bereich der Sozialpolitik war die Kreditfinanzierung der Konjunktursteuerung der konkrete Einstiegspunkt in eine massive Staatsverschuldung, die für das politische System der Bundesrepublik seither zum Strukturmerkmal geworden ist. 1975 jedenfalls sah sich der Bund zusätzlich zu dem bereits konstatierten Bedarf an Konjunkturunterstützung noch einmal enormen Einnahmeausfällen einerseits und massiv angewachsenen regulären Ausgaben andererseits ausgesetzt. Dies führte zur Aufstellung eines Nachtragshaushaltes:
236 Vgl. Harlander (1974–1982), S. 833 f., für den die „[…] Ausweitung der Modernisierungsförderung […] von grundlegender wohnungs-, vermögens- und städtebaupolitischer Bedeutung“ war. 237 Vgl. BT-Drs. 8/101, S. 11 bzw. Nr. 2.8 sowie BT-Drs. 8/951, S. 14 bzw. Nr. 2.8. – Umfangreich auch zu Steuervergünstigungen und Finanzhilfen: BT-Drs. 8/2085, S. 6–9 u. tab. Anhang. 238 Vgl. „Anmerkungen zur Praxis des Sozialplans“, Kap. § 4 A.II.1.c). 239 Vgl. u. § 4 Kap. A.I.4. 240 Vgl. BT-Drs. 7/4101, S. 3–11.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit229 „Insgesamt führt das zu einer zusätzlichen Finanzierungslücke von 15,15 Mrd. DM, zu deren Ausgleich die Nettokreditaufnahme des Bundes 1975 auf 37,91 Mrd. DM erhöht werden soll. Eine solche Kreditaufnahme ist bei der gegenwärtigen konjunkturellen Situation angemessen. Dagegen wäre eine Kürzung von Ausgaben ökonomisch nicht zu vertreten, da dadurch die gesamtwirtschaftliche Nachfragelücke in einem Zeitpunkt erweitert würde, in dem mit einem Sonderprogramm kurzfristigen Beschäftigungsrisiken entgegengewirkt und die binnenwirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Wiederbelebung verbessert werden sollen.“241
Im September 1975 wurden in einem weiteren „Programm zur Stärkung von Bau und anderen Investitionen“ von der öffentlichen Hand 5,75 Mrd. DM bereitgestellt. Die Bundesregierung rechnete mit Ko-Investitionen durch „erhebliche Eigenmittel privater Haushalte“, die „ein Auftragsvolumen von mehr als 10 Mrd. DM“ auslösen sollten.242 Durch das vom Bund so be zeichnete „Sonderprogramm Stadtsanierung“ sollte die „Durchführung durchgeplanter Vorhaben im Rahmen städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ nach § 72 StBauFG gesichert werden;243 insgesamt 500 Mio. DM an Investitionszuschüssen von Bund und Ländern sowie zusätzlich 125 Mio. DM an Darlehen aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wurden hierzu bereitgestellt. Die Aufstellung aus dem Finanzplan des Bundes verdeutlichte sehr anschaulich zweierlei: die intendierte und tatsächliche konjunkturpolitische Verflechtung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden sowie die noch einmal verstärkte Schwerpunktsetzung in den Zusammenhängen von Infrastruktur, Städtebau und Wohnungsbaupolitik, hier bezeichnet als deren Modernisierung.244 An diesem Punkt angelangt muss der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen werden, dass die Bundesregierung angab, dieses o. g. „Konjunkturpaket“ noch aus verfügbaren „Konjunkturausgleichsrücklagen“ und nach den Bestimmungen des sog. „Stabilitätsgesetzes“ finanzieren zu wollen.245 Diese Quellen versiegten jedoch in den darauf folgenden Jahren. Der Regierung und ihrer Koalition war vollumfänglich klar, dass ein solch extensives Wirtschaften mit den regulären Einnahmen des Bundeshaushaltes mittel- und langfristig strukturell nicht zu finanzieren war,246 im Übrigen auch nicht für 241 Vgl. BT-Drs. 7/4101, S. 4. Der Bundeshaushalt insgesamt betrug 1975 einschl. Nachtragshaushalt ca. 160 Mrd. DM, die geplante Nettoneuverschuldung betrug also ca. 24 % des Haushaltes. 242 Vgl. BT-Drs. 7/4101, S. 5. 243 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 23. 244 Quelle: BT-Drs. 7/4101, S. 5. 245 Vgl. BT-Drs. 7/4101, S. 5. 246 So hieß es im Finanzplan 1976–1980: „Im Tiefpunkt der Rezession hat die Bundesregierung die konjunkturbedingten Defizite bewußt hingenommen, um die gesamt-
230
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit Programm zur Stärkung von Bau- und anderen Investitionen 1975 Bund
Länder
Gemeinden
Insgesamt
Programmteil – in Millionen DM – Kommunale Infrastruktur ......................
600
600
Stadtsanierung …..................................
250
250
Wohnungsmodernisierung …................
350
Zwischenfinanzierung von Bausparverträgen …................................................
ca. 750
2450
350
–
700
150
150
–
300
Bundeseigene Investitionen …..............
1200
–
–
1200
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ….....
600
–
–
600
3150
1350
750
5250
Darlehen zur Erleichterung der Finanzierung kommunaler Investitionen und Verstärkung der ERP-Umweltschutzprogramme – zusammen 1000 Millionen DM – 1) …................................................................................................................. Gesamtprogramm …...................................................................................... 1)
500 5750
Von den Darlehen werden 500 Millionen DM zur Finanzierung des kommunalen Eigenanteils verwendet. Sie sind bei den Gemeinden ausgewiesen.
Quelle: BT-Drs. 7/4101, S. 5
die Kommunen und ihre Haushalte.247 Kürzungen im jährlichen, regulären Budget waren unumgänglich. Die Bundesregierung beabsichtigte, die mittelfristige Haushaltsplanung in ihrem Gesamtvolumen anzupassen und als Antwort auf die Wirtschaftskrise einen Konsolidierungskurs einzuschlagen. Als „Kernstück dieses Gesamtpakets“, ohne dass hier auch nur im Ansatz auf Details eingegangen werden kann, bezeichnete der Bund das „Haushaltsstrukturgesetz“, das für die kommenden Jahre erhebliche Streichungen in den Einzeletats vorsah.248 Die wirtschaftliche Nachfrage von der Seite der öffentlichen Hand her zu stärken.“ (BTDrs. 8/101, S. 1) – Die Folgen waren absehbar: „Allein beim Bund steigt die Zinsbelastung schon jetzt von gut 5 Mrd. DM in 1975 auf fast 15 Mrd. DM in 1980 an.“ (S. 2). 247 Vgl. BT-Drs. 7/4373, Frage 3. 248 Vgl. BT-Drs. 7/4101 (Finanzplan des Bundes 1975–1979), S. 6–11; BT-Drs. 8/101, S. 2. Schmidt (1990, Staatsfinanzen) zufolge war das Haushaltsstrukturgesetz zumindest auf Bundesebene der Einstieg in eine lang anhaltende „Politik der Haushaltskonsolidierung“, die nach 1982 zum „Markenzeichen“ der christlich-liberalen Koalition wurde, wenn auch im europäischen Vergleich als nur im mittleren Ausmaß zurückgeführte Staatstätigkeit (S. 60 f.). Die Lesart Schmidts kann hier natürlich nicht umfänglich wiedergegegeben werden, da sich seine Arbeit einem anderen Thema widmete. Interessant und wichtig war jedoch die Überlegung, dass sich die bundes republikanische Volkswirtschaft entlang etablierter Pfade und langanhaltender Trends entwickelt und weniger durch Zäsuren wie Regierungswechsel geprägt wird (S. 66 f.).
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit231
Strategie der Bundeshaushaltspolitik dieser Jahre bestand also darin, reguläre Ausgaben einzusparen und mit kreditfinanzierten Sonderausgaben die Konjunktur „anzukurbeln“. Hiervon waren nahezu alle in den Jahren zuvor besonders aktiv bearbeiteten Politikfelder betroffen und damit auch die hier näher betrachteten Materien, so im Bereich Städtebau, der Verkehrspolitik und im Wohnungswesen wie auch in den originär geschaffenen Gemeinschaftsaufgaben (Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, Agrastruktur und Küstenschutz, Aus- und Neubau von Hochschulen, Krankenhausfinanzierung u. w.).249 Für das hier betrachtete Feld der Städtebaupolitik hieß es: „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen […] werden auch in den kommenden Jahren mit erheblichen Beträgen gefördert. Wegen der Streckung der Finanzhilfen des Bundes im Zuge der Sparmaßnahmen vermindern sich die jährlichen Bewilligungsrahmen, die für den Umfang der Bundesprogramme maßgebend sind. Die Ausgabeansätze betragen im Planungszeitraum zwischen 195 Millionen DM für 1976 und 180 Millionen DM für 1979. Daneben hat der Bund im Rahmen des Programms zur Stärkung von Bau- und anderen Investitionen 250 Millionen DM für eine zusätzliche Förderung bereitgestellt.“250
Im Endeffekt entstand in den Folgejahren die Situation, dass die jährlichen, „mittelfristig geplanten“ Ausgaben des Regelhaushaltes erst gekürzt und danach durch Sonderprogramme (über)kompensiert bzw. vorgezogen wurden. Ob sich die Bundesregierung durch diesen Politikansatz auch indirekte „Steuerungsmöglichkeiten“ versprach – es soll daran erinnert werden, dass das Bundesverfassungsgericht diesen in der regulären Programmausführung nach StBauFG deutliche und hohe Hürden entgegengestellt hatte – muss dahingestellt bleiben.251 Nach der „kleinen Zeitenwende“ ab 1975 jedenfalls nahmen die Ausgaben für die Sanierung nach dem StBauFG immer spürbarer den Charakter einer „Sonderprogramm-Konjunkturmaschine“ an. Auf diesem Höhepunkt angekommen, formierte sich allmählich wesentliche Kritik an der keynesianisch inspirierten Wirtschaftspolitik. So markierte Eine wesentliche Ursache dafür waren, folgt man anderen Arbeiten Schmidts, die zahlreichen „Mitregenten“ im bundesrepublikanischen Mehrebenen-Regierungssystem. Sie machen abrupte, „spektakuläre“ Politikwechsel praktisch unmöglich (vgl. Schmidt (1992), insbes. Kap. 3). 249 Vgl. BT-Drs. 7/4101, S. 9, 14 f. Als Kürzung musste auch die Umwandlung von Zuschüssen in Darlehen gewertet werden, so z. B. im Bereich des langfristigen Wohnungsbauprogramms (S. 24). 250 Vgl. BT-Drs. 7/4101, 16. 251 Nach Lesart der LReg von Schleswig-Holstein hatten die schwankenden und befristeten Konjunkturmittel des Bundes zur Folge, dass zur Verstetigung alle Bundesländer (mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz und Bremen) zusätzliche Städtebauförderungsmittel und landeseigene Programme aufstellten, also angekoppelt ebenfalls anti-zyklisch reagierten, vgl. LT-Drs. 10/1041, S. 78.
232
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 1976/77 einen „Wendepunkt in der Geschichte der wissenschaftlichen Beratung“ der Bundesregierung, indem es sich „von der nachfrageorientierten […] Globalsteuerung“ entfernte und „in mehreren Schritten der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik“ zuwandte.252 Zunächst waren jedoch reelle Effekte zumindest für die Bauwirtschaft spürbar. Noch der Finanzplan 1978 verzeichnete, dass u. a. „die Baunachfrage unter dem Einfluß der von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen und des niedrigen Kapitalmarktzinses deutlich“ angestiegen war. Allerdings bewegten sich die bundesdeutsche Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte in diesen und den darauf folgenden Jahren in einem stagnativen internationalen Umfeld und auch wieder steigender Inflation. Zudem hatte „sich die Investitionsnachfrage der Unternehmen […] wieder verlangsamt.“ Von den volkswirtschaftlichen Exporten, ansonsten zuverlässige Stütze der deutschen Volkswirtschaft, gingen ebenfalls keine konjunkturbelebenden Effekte aus. Perspektivisch sah sich die Bundesregierung, auch europäischen Absprachen des „Weltökonomen“ Schmidt folgend, in der Verpflichtung, ihre wirtschaftspolitische Strategie der „Maßnahmen zur Stärkung der Nachfrage und zur Verbesserung des Wirtschaftswachstums“ auszubauen.253 Dies bedeutete erweiterte kreditfinanzierte „globale“ Konjunktursteuerung. Für die Jahre 1978 bis 1981 prognostizierte die Bundesregierung eine jährliche Nettoneuverschuldung von stets über 30 Mrd. DM, dies war ein Anteil zwischen 15 und 17 % im Anteil zu den staatlichen Gesamtausgaben, mithin eine immense volkswirtschaftliche Größenordnung. 3. Im Besonderen: Das „Zukunftsinvestitionsprogramm“ – ZIP Dieser Trend in den Jahren der konsolidierten Phase, die Umsetzung des StBauFG durch wirtschaftspolitische Sonderprogramme zur Konjunktursteuerung anzusteuern, kulminierte im „Mehrjährigen öffentlichen Investitionsprogramm zur wachstums- und umweltpolitischen Vorsorge“ – das sog. 252 Vgl. Karabelas, (Zitat o. S. 1, 3), die darauf hinwies, dass sich 1974 zudem die Deutsche Bundesbank vor „dem Hintergrund einer beunruhigend hohen Inflationsquote […] als erste Einrichtung vom Kurs der Globalsteuerung“ absetzte. „Indem sie ihre Geldmengenentwicklung streng nach einem bestimmten ‚Zielkorridor‘ auszurichten begann, erteilte sie den Koordinationsabsichten von Fiskal-, Steuer- und Geld politik eine klare Absage. Ihr Ziel war nun […] eine von politischen Vorgaben unabhängige Preisentwicklung, die primär Inflationserscheinungen vermeiden und erst in einem zweiten Schritt Wirtschaftswachstum begünstigen wollte.“ (S. 2 f.). 253 Vgl. Finanzplan des Bundes 1978–1982, BT-Drs. 8/2151, S. 1–4 – Vgl. a. BTDrs. 8/2085, S. 14: „[…] Die Bundesregierung wird eine Verstetigung insbesondere der öffentlichen Baunachfrage anstreben. […]“.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit233
„Zukunftsinvestitionsprogramm“, das bis 1980 laufen sollte (und gegen Ende der Programmlaufzeit bis 1981 verlängert wurde). Es soll daher im Folgenden eingehender vorgestellt werden, sozusagen als sinnfälligstes, wie auch volumengrößtes Beispiel dieser Zeit. Das „Zukunftsinvestitionsprogramm“ (ZIP) wurde durch den frisch wiedergewählten Bundeskanzler Schmidt im Dezember 1976 angekündigt; im März 1977 verständigte sich das Kabinett auf die Grundzüge und stellte diese der Öffentlichkeit vor.254 Es sollte in Kooperation mit den Ländern und Gemeinden entwickelt werden und sowohl arbeitsmarktpolitische Maßnahmen als auch Investitionen der öffentlichen Hand beinhalten.255 Sein Gesamtvolumen umfasste 16 Mrd. DM (später erhöht auf 18 Mrd.), wovon 8,2 Mrd. DM vom Bund, den Ländern 3,45 Mrd. DM, den Gemeinden 2,15 Mrd. DM und „sonstigen Trägern“ 2,2 Mrd. DM gestemmt werden sollten. Hintergrund für die Aufstellung eines derart großen Konjunkturpaketes war, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik immer tiefer in die Rezession glitt. Zwar hatte das Jahr 1976 kurzfristig erkennen lassen, dass eine konjunkturelle Erholung bevorstünde, mit der Wirtschaft und Politik offensichtlich auch gerechnet hatten.256 Doch bereits 1977 blieb „der Fortgang der konjunkturellen Erholung […] hinter den Erwartungen zurück.“257 Die Bundesregierung sah sich gezwungen, mit einem 10-PunkteProgramm zu reagieren, das von nochmaligen Steuererleichterungen zur Stärkung der Binnennachfrage über weitere Investitionszulagen, Subventionen im sozialen Wohnungsbau zur „Verstetigung der Bautätigkeit“ bis hin zu direkten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen reichte. Das „Finanzierungsdefizit des öffentlichen Gesamthaushalts“ erreichte damit neue Rekordwerte, nach Bekunden der Bundesregierung in 1977 35 Mrd. DM, für 1978 war zu dieser Zeit ein Gesamtdefizit von sogar ca. 50 Mrd. DM prognostiziert. Angesichts eines Haushaltsausgabenvolumens von 1977 insgesamt 171 und 1978 ca. 189 Mrd. DM sahen sich die Koalitionäre sogar bemüßigt darauf hinzuweisen, dass die Deutsche Bundesbank ihrem Kurs Zustimmung erteilte und er „von der Lage der Kreditmärkte her problemfrei zu finanzieren“ sei.258 254 Vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 14. Kabinettssitzung am 23.3.1977, TOP 5. Hier u. a.: „Der Bundeskanzler teilt mit, daß das Wirtschaftskabinett einen Arbeitskreis der zuständigen Ressorts (auf Abteilungsleiter-Ebene) beauftragt hat, bis Ende April [1977] Lage und Perspektiven der Bauwirtschaft einschließlich der Wohnungswirtschaft zu analysieren und zu prüfen, ob und in welchen Bereichen Konsequenzen gezogen werden müssen. […]“ Vgl. Bundespressekonferenz am 23.3.1977, Bulletin der der Bundesregierung Nr. 33/1977, S. 305–307. 255 Vgl. BT-Drs. 8/101, S. 3. Tabellarische Gesamtübersicht: BT-Drs. 8/951, S. 4. 256 Vgl. BT-Drs. 8/101, S. 1. 257 Vgl. BT-Drs. 8/951, Finanzplan des Bundes 1977–1981, S. 1. 258 Vgl. BT-Drs. 8/951, Nr. 1.3.
234
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
Das ZIP bestand aus verschiedenen programmatischen Schwerpunkten: Der Verbesserung im Verkehrssystem, rationeller und umweltfreundlicher Energieverwendung, der Wasserwirtschaft, dem „Sonderpunkt Berufsbildung“ und der Verbesserung der Wohnumwelt. Dieser letztgenannte Programmbereich war die Schnittstelle zu den Förderbereichen des StBauFG. Dessen „reguläre“ Förderkulisse wurde in der mittelfristigen Finanzplanung auf einem stabilen, leicht zurückgefahrenen Niveau im Sinne der Haushaltskonsolidierung gehalten: 240, 260, 250 Millionen DM wurden von 1978 bis 1980 beplant, nur für das Jahr 1981 wurden zunächst „vorsichtige“ 150 Millionen DM veranschlagt.259 Dem beigefügten Ausschnitt aus der Programmübersicht des ZIP260 kann deutlich entnommen werden, was weiter oben mit dem „Charakter einer Sonderprogramm-Konjunkturmaschine“ beschrieben wurde. Im ZIP wurden von der programmstiftenden Bundesseite 1,6 Mrd. DM Fördermittel im Bereich zur „Verbesserung der Wohnumwelt“ investiert, die Bundesregierung rechnete mit 4,1 Mrd. DM durch die öffentliche Hand insgesamt. Als Ergänzung zu den laufenden städtebaulichen Sanierungsprojekten nach StBauFG waren hiervon vier Bereiche mit insgesamt 950 Mio. DM Bundesmitteln angedacht:261 „Infrastrukturmaßnahmen in städtischen Innenbereichen“, der „Bau von Ersatzwohnungen“, die „Auslagerung von Gewerbebetrieben“ sowie der „Erhalt ausgewählter (historischer) Stadtkerne“. Ergänzt werden sollten diese Beträge um 950 Mio. aus den Bundesländern und knapp 650 Mio. DM aus den Gemeinden, sodass für den städtebaulichen Programmlauf des ZIP bis 1980 insgesamt 2,55 Mrd. DM konjunktursteuernd geplant waren. Dies entsprach einem Anteil von etwa 1,3 % eines Bundeshaushaltes, gemessen an dessen 1979 projizierter Größe von 200 Mrd. DM. Und aus der Auflistung wird ersichtlich: Auch die „benachbarten“ Bereiche wie der „Erhalt und Aufbau von Baudenkmälern und Kulturbauten“, die „Dorferneuerung“ und der Bereich der „Forschungsvorhaben“ gehörten letztlich zur Städtebaupolitik, auch wenn sie im ZIP kompetenziell in anderen Ressorts als dem „BMBau“ verankert waren.262 Nach Auskunft der Begleitforschung hatte das ZIP die regulären Mittel der von 1977 bis 1980 zur Verfügung stehenden Bundesmittel für das StBauFG 259 Vgl. BT-Drs. 8/951, Nr. 2.8. Abweichend von diesen Planungen wurden tatsächlich in diesen Jahren ca. 190, 184, 250 und 260 Mio. DM für das Bundesprogramm bereitgestellt. 260 Quelle: BT-Drs. 8/951, S. 4. 261 Vgl. Ewringmann/Freund/Zabel, S. 15. 262 In der „Dokumentation ausgewählter Vorhaben (Teil III)“ von Ewringmann/ Freund/Zabel (S. 42 ff.) wird der kombinatorische Charakter dieser ineinandergreifenden Förderkulissen gut ersichtlich.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit235
„mehr als verdoppelt“263 und damit erheblich – so zumindest die Gesamtbewertung nach Abschluss des Programms – dazu beigetragen, die beiden „Kernziele“ des ZIP zu erreichen: den „Abbau der Arbeitslosigkeit“ und die „Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur zur wachstums- und umweltpolitischen Vorsorge“ voranzubringen.264 Der Beschäftigungs- als auch Kapazitätseffekt wurden ausgesprochen freundlich bewertet. Sogar „nachhaltige Beschäftigungseffekte“ wollte die Begleitforschung gemessen haben, freilich nicht ohne die Einschränkung zu machen, dass absolute Gesamteffekte durch das Programm systematisch schwer zu aggregieren und nachzuweisen waren. Es wurde die Faustformel gebracht: Der Programmbereich der Stadterneuerung im ZIP hätte „die günstigste Relation von Bundesmitteln zu gefördertem Investitionsvolumen“ aufgewiesen: „aus einer Bundesmark wurden fünf investierte Mark.“265 Ende 1981 errechnete die Forschung 4,7 Mrd. DM öffentliches Gesamtinvestitionsvolumen und eine volkswirtschaftlich (großzügig) ermittelte „indirekte Produktionsleistung“ von 11 Mrd. DM durch das ZIP im Bereich des Städtebaus.266 Eine wesentliche Brücke zum hier vorgetragenen Standort des StBauFG im Bundesstaat (vgl. o. § 3 A.) war darin zu entdecken, dass das ZIP in seiner Begründung explizit auf den Regelungen des Art. 104a Abs. 4 GG fußte.267 Die Bundesregierung betonte bei der Programmaufstellung ihr Ansin263 Ewringmann/Freund/Zabel, S. 20, die für die „regulären“ StBauFG-Programmjahre 1977–1980 883,5 Mio.DM verzeichnen. 264 Aus der Verbindung des „Bau- und Investitionsprogramms“ vom August 1975 und „Altbausanierung in Innenstädten“ waren in der konjunkturpolitischen Bewertung von der Bundesregierung ausgesprochen positive Ergebnisse gezogen worden, vgl. BTDr. 7/5071, S. 4 f. – Die Programmschwerpunkte im ZIP wurden auch mit Investitionsbedarfen auf Grund demographischer Entwicklungen begründet, so z. B. Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser, vgl. BT-Drs. 8/906, S. 18. – Zu einem späteren Zeitpunkt betonte die BReg, dass „[…] durch das Programm für Zukunftsinvestitionen (ZIP) gegen Ende der siebziger Jahre ein kräftiger Investitionsschub veranlaßt wurde. Während das kommunale Investitionsniveau in den Jahren von 1970 bis 1977 um ein Drittel anstieg, erhöhte es sich in den folgenden Jahren bis 1980 um fast 50 v. H. Damit wurde in vielen klassischen Investitionsbereichen der sozialen Infrastruktur ein Versorgungsniveau geschaffen, von dem aus weitere Steigerungen nicht mehr durch einen entsprechenden Bedarf getragen worden wären.“ (Vgl. BT-Drs. 10/1506, S. 12). 265 Ewringmann/Freund/Zabel, S. 11. Ähnliches konstatierten die Autoren für „[…] die ausschließlich als Konjunkturprogramme konzipierten Programme der Jahre 1974/75“, in denen sich gezeigt habe, „daß die geförderten Vorhaben im wesentlichen zeitplangerecht abgewickelt und zu einem sehr hohen Grad ‚zusätzlich‘ zu den sonstigen von den Gemeinden geplanten Investitionen realisiert wurden.“ 266 Vgl. Ewringmann/Freund/Zabel, S. 23, 25. Ausgegangen wurde von einem wissenschaftlich ermittelten „Multiplikator öffentlicher Bauinvestitionen“ von 2,33. 267 Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und/oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet, vgl. Art. 1, Allg. Bestimmungen der „Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und Ländern über
236
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit S. 236
Programm fürfürZukunftsinvestitionen Programm Zukunftsinvestitionen Programmbereiche
Ressort
Bund
Länder
Gemeinden
Öffentl. Hand insgesamt 1)
– in Millionen DM –
D. Verbesserung der Wohnumwelt —
Infrastrukturmaßnahmen in städtischen Innenbereichen.........................................................
BMBau
200
200
200
600
—
Förderung des Baus von Ersatzwohnungen ...
BMBau
300
300
–
600
Auslagerung von Gewerbebetrieben aus Stadtinnenbereichen ….................................. Infrastrukturmaßnahmen in Schwerpunktorten der Gemeinschaftsaufgaben.......................... — Erhaltung und Erneuerung ausgewählter (historischer) Stadtkerne…............................ Erhaltung und Wiederaufbau von Baudenkmälern und Kulturbauten …............................ — —
1
BMBau
200
200
200
600
BMWt
250
250
330
830
BMBau
250
250
250
750
BMI
106
106
26
237
—
Dorferneuerung…...........................................
BML
161
107
–
268
—
Forschungsvorhaben ….................................
BMFT
174
2
80
256
Programmbereich insgesamt
1641
1415
1086
4141
insgesamt
8185
3453
2151
13789
) Im Gesamtvolumen von 16 Mrd. DM sind 2,2 Mrd. DM Mitleistungen von Dritten enthalten
Quelle: Ausschnitt aus8/951, BT-Drs. 8/951, S. 4 Quelle: Ausschnitt aus BT-Drs. S. 4 Seite 1 nen, dass sie keine neuen „Mischfinanzierungs-Tatbestände zwischen Bund und Ländern“ schaffen, sondern sich „im wesentlichen der vorhandenen In strumente“ bedienen wollte.268 An allererster Stelle wurde hier wörtlich das StBauFG aufgezählt, noch vor den vom Grundgesetz vorgesehenen Gemeinschaftsaufgaben, dem Küstenschutz und der Agrarstruktur sowie der regionalen Strukturpolitik. Für die vorliegende Arbeit ist zudem der Hinweis interessant, dass „an bewährte Verwaltungsvereinbarungen angeschlossen“ werden sollte, womit auch die Verfahren nach StBauFG gemeint waren. Sowohl von der Politik als auch der Bürokratie wurde darauf abgezielt, dass die Mittel aus beschäftigungspolitischen Gründen möglichst beschleunigt vergeben werden sollten. Die Sofortwirkung des Programms ließ „insbesondere Beschäftigungswirkungen für die Bauwirtschaft […] erwarten“.269 Obwohl der Bund damit ein sehr großvolumiges Sonderprogramm aufgelegt hatte, wurde die politische Dringlichkeit des Programmes u. a. dadurch erkennbar, dass er sich allenfalls eine 14-tägige Widerspruchsfrist zur Maßnahmenauswahl durch die Länder ausbedungen hatte.270
die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder […]“, vom 3.5.1977, abgedr. in Ewringmann/Freund/Zabel, S. 152 ff. 268 Vgl. Bulletin der der Bundesregierung Nr. 33/1977, S. 305. 269 Vgl. Bulletin der der Bundesregierung Nr. 33/1977, S. 306. 270 Vgl. Art. 1 § 4 der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und Ländern über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder […], vom 3.5.1977,
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit237
Der Bezug zum Bundesprogramm nach § 72 StBauFG wurde ausdrücklich gezogen. Als inhaltliches Kriterium sollten Vorhaben berücksichtigt werden, die geeignet waren, bereits laufende Sanierungsprojekte „wirksam zu beschleunigen und zum Abschluß zu bringen.“271 Die Mittel des Programms standen unter dem Vorbehalt einer zeitlich befristeten Auftragsvergabe.272 Es wurden ausschließlich ZIP-Vorhaben gefördert, die in Erneuerungsgebieten gemäß StBauFG lagen. Mit Blick auf die Finanzierung des ZIP verdeutlichten der Bund und die Länder gemeinsam, dass sie von den Kommunen einen „angemessenen Finanzierungsbeitrag“ erwarteten.273 Im Falle der zusätz lichen ZIP-Förderung bedeutete dies die bereits praktizierte, regelmäßige Drittelförderung durch Bund, Land und Kommune, wie sie das StBauFG und die Vorschriften über den Einsatz diesbezüglicher Förderungsmittel vorsahen.274 Dies bedeutete aber auch, dass ZIP-Mittel die Anteile der Länder und Gemeinden aus dem Bundesprogramm nach StBauFG nicht ersetzen sollten; Bund und Länder hatten „die feste Absicht, die Zusätzlichkeit der im Investitionsprogramm vorgesehenen Ausgaben zu sichern und Umfinanzierungen zu vermeiden.“275 Auch bei der Auswahl der Vorhaben war eine hohe Analogie zu den Verfahren des StBauFG festzustellen. Die Bundesländer standen mit ihrer Kompetenz zur Auswahl der Projekte im Mittelpunkt des Verfahrens und waren für die selbständige Bewirtschaftung der Fördermittel zuständig.276 Der Begleitforschung zufolge gingen sie mit ihren Verfahren durchaus unterschiedlich vor, ihr Entscheidungsspielraum wurde „bei der Auswahl der zu fördernabgedr. in Ewringmann/Freund/Zabel, S. 152 ff. Letztere halten fest: „Angesichts der von den Ländern getroffenen Auswahl hat sich dieser Vorbehalt des Bundes als praktisch bedeutungslos erwiesen, die Programmabwicklung also weder inhaltlich noch zeitlich erschwert.“ (S. 17). 271 Vgl. Art. 2 § 2 Verwaltungsvereinbarung. Weiterhin „Gemeinsame Erklärung der Regierungen des Bundes und der Länder vom 6.5.1977“, abgedr. in Ewringmann/ Freund/Zabel, S. 151. 272 Vgl. LT-Drs. HE 9/5854, S. 12. 273 Vgl. „Gemeinsame Erklärung der Regierungen des Bundes und der Länder vom 6.5.1977“, abgedr. in Ewringmann/Freund/Zabel, S. 151. 274 Vgl. Art. 2 § 2 Abs. 3 Verwaltungsvereinbarung; vgl. Ewringmann/Freund/Zabel, S. 17. 275 Vgl. „Gemeinsame Erklärung der Regierungen des Bundes und der Länder vom 6.5.1977“, abgedr. in Ewringmann/Freund/Zabel, S. 151. – Vgl. a. BT-Drs. 8/906, Frage 20: „Alle bisherigen struktur- und wachstumspolitischen Konjunkturprogramme des Bundes – wie auch das Programm für Zukunftsinvestitionen – waren bzw. sind weder dazu bestimmt als Einnahmenersatz zu dienen noch die Einnahmenstruktur der Gemeinden zu sanieren.“ 276 Vgl. LT-Drs. BW 8/4330, zu II.6.c) bzw. S. 13: „[…] haben die Länder weitgehenden Gestaltungsraum beim Einsatz der Mittel. Vor allem sind die auch allein zuständig für die Aufstellung und Durchführung der Programme.“
238
§ 3 Das Städtebauförderungsgesetz als Staatstätigkeit
den Vorhaben“ als umfangreich eingeschätzt.277 Inhaltlich waren in der Umsetzung des ZIP deutlich erkennbare Schwerpunkte von Land zu Land ersichtlich,278 was verdeutlichte, wie differenziert die Anknüpfungspunkte des ZIP an Projekte des StBauFG waren. Insgesamt betrachtete der Bund, zumindest die von ihm in Auftrag gegebene Auftragsforschung, das Volumen und das Wirken des ZIP-Konjunkturprogrammes als wesentlich und wirkungsvoll. Es sollte für die seit 1971 oftmals im Übergang von der Vorbereitungs- in die Sanierungsphase fest steckenden StBauFG-Projekte einen „entscheidenden Impuls“ erbracht und in eine flächendeckende, sich selbst tragende Bauphase übergeleitet haben. Insgesamt kam die nach Programmabschluss geführte Evaluierung zu dem Schluss, dass sich die „Stadterneuerung zur Beschäftigungsbelebung besonders“ geeignet hatte und das „Programmvolumen […] nahezu ungeschmälert in Beschäftigungsimpulse umgesetzt“ wurde. Unter dieser „Effizienzbedingung“ hatte sich das ZIP bewiesen, die dem normalen Ablauf der StBauFGImplementation vorgezogenen Projekte zeigten ihre intendierte Wirkung. Bei den genannten 950 Mio. DM direkter Bundesförderung wurde Ende 1981, also zum Abschluss des Programms, mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 4,699 Mrd. DM in 2.556 festgelegten Vorhaben gerechnet. Nicht nur war dieser Lesart zufolge ein wichtiger Beitrag zur Konjunkturpolitik geleistet worden, auch bedeutende, „zukunftsweisende“ stadtentwicklungspolitische Ziele wurden als erreicht betrachtet: Eine Verbesserung der kommunalen Infrastrukturen, die Modernisierung von Wohnraum oder mehr Lebensqualität in lokalen Wohnumfeldern. Positiv bewertet wurde, dass „kommunale Stadterneuerungsinvestitionen“ – als im Umfang kleinere, räumlich breit gestreute und bereits durch die Ordnungsphase des StBauFG vorbereitete Sanierungsmaßnahmen – erheblich geeignet waren, ganz im Sinne des ZIP relativ schnell und flexibel zu Ergebnissen zu führen.279 277 „[E]inige machten gezielt nur solche Gemeinden auf die Möglichkeit der Antragstellung aufmerksam, die bereits nach dem Städtebauförderungsgesetz im Bundes- oder Landesprogramm gefördert wurden, andere Länder forderten allgemein zur Vorlage von Anträgen auf. Das Volumen der Anträge überstieg dasjenige der bereitgestellten Mittel um ein Vielfaches.“ Einschränkend: „Die Auswahl der Vorhaben wurde allerdings zu einem Teil durch die – vorgegebene – regionale Verteilung der Förderungsmittel aus anderen Teilen des Gesamtprogramms beeinflußt, da die Länder fachlich, wirtschaftlich und politisch auf eine gewisse regionale Ausgewogenheit der Wirkung des Gesamtprogramms zu achten hatten.“ (Ewringmann/Freund/Zabel, S. 17, Hervorh. i. Orig.). 278 Vgl. Ewringmann/Freund/Zabel, S. 29. In den hier näher betrachteten Bundesländern ergab sich z. B. das Bild, dass in Niedersachsen schwerpunktmäßig Ersatzwohnungsbauten, Verkehrsberuhigungen, Gemeinbedarfseinrichtungen und soziale Einrichtungen gefördert wurden. In NRW wurden besonders stark Ersatzwohnungsbauten und Betriebsverlagerungen gefördert.
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Dies korrespondierte zudem mit der Auffassung des Bundesprogrammgebers, dass sich die Umsetzung des ZIP als differenzierende Antwort in die „Verwirklichung raumordnerischer Ziele“ einfügte und bewusst das System der „Zentralen Orte“ der Bundesraumordnungsprogrammatik stärken sollte;280 parallel dazu waren auch in der Städtebauförderung „räumliche Schwerpunktüberlegungen zunehmend in den Vordergrund gerückt.“281 Unabhängig davon, dass in diesem Politikfeld die Bundesländer über weitaus mehr planerische Kompetenzen verfügten als der Bund (vgl. die o. g. Ausführungen des BVerfG, § 2 Kap. F.I.), griff dieser damit auf ein bewährtes Argumentationsmuster zurück.282 „Raumordnungspolitik“ wurde zur Legitimierung gesamtstaatlicher Städtebaupolitik genutzt, was nun durch die Verbindung mit der als „erfolgreich“ bewerteten Konjunkturpolitik – die ja ebenfalls gesamtstaatlichen Zwecken und der „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ (Art. 104a Abs. 4 GG) diente – „bewiesen“ worden war.
279 Mit einer zeitlichen Einschränkung: trotz des kurzfristigen Anschubs des ZIP (von den oben skizzierten 950 Mio. DM waren bereits nach dem Programmjahr 1978 820 Mio. DM tatsächlich bereitgestellt) wurde ersichtlich, dass in der Praxis auch gut abrufbare Bau- und Sanierungsprojekte einen zeitlichen Vorlauf von mehreren Monaten haben. Erst im ersten Halbjahr 1979 kamen die Auftragsvergaben im großen Umfang im Sanierungsgeschehen an. Vgl. Ewringmann/Freund/Zabel, Tab. 9, für das Vorstehende: S. 11, 23–25. – In seinem Fazit vermerkte Gaul zu diesem Gesichtspunkt: „Die Zeitverzögerung zwischen Abschwungphase und Wirksamwerden von konjunkturpolitischen Gegenmaßnahmen durch Wahrnehmung, Verarbeitung, Verabschiedung und Inkrafttreten von Konjunkturprogrammen (‚time-lag‘) führte dazu, dass die Wirkungen der Globalsteuerung oft nicht zum notwendigen Zeitpunkt einsetzten.“ (S. 18). 280 Ewringmann/Freund/Zabel, S. 11 f. Vgl. hierzu den Raumordnungsbericht 1972 (BT-Drs. VI/3793), S. 90 ff. („Anwendung des Städtebauförderungsgesetzes“). 281 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 16. Weiter heißt es: „Entwicklungszentren und -achsen sind die wesentlichen siedlungsstrukturellen Instrumente, um vor allem innerhalb der schwachstrukturierten Gebiete die einzusetzenden Mittel zielgerecht zu bündeln und Impulse auf das ganze Gebiet in möglichst effizienter Weise aufzulösen.“ Weiter wurde bekundet: „Bund und Länder haben bei der Aufstellung und Fortschreibung des Bundesprogramms darauf geachtet, daß bei der Schwerpunktbildung der ländliche Raum angemessen berücksichtigt wurde“ (ebd.). 282 Unter Verweis auf den „Vierten Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ für den Zeitraum 1975–1978“ (BT-Drs. 7/3601) hatte die Bundesregierung 1975 festgehalten: „Die sachliche Verbindung von regionaler Wirtschaftsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ und der Städtebauförderung im Rahmen des Bundesprogramms nach dem [StBauFG] ergibt sich daraus, daß Bundesfinanzhilfen nach dem [StBauFG] mit dem Ziel gewährt werden, zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums beizutragen (Art. 104a Abs. 4 GG).“ – Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 19 f.
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Das ZIP war ein insgesamt komprimiert durchgeführtes staatliches Programm zur (Wieder-)Belebung der Konjunktur entlang dezidiert benannter Politikfelder, die der Bundesregierung und dem Gesetzgeber hierzu als geeignet erschienen. Auch für die Ausführung des StBauFG war das ZIP von großer Bedeutung. Mit seinen 950 Mio DM Fördervolumen machte das „Sonderprogramm“ Ende 1981 42 % des Umfanges der gesamten regulären StBauFG-Programme aus den Jahren 1971–81 aus, die mit ca. 2,23 Mrd. DM in den Bundeshaushalten verzeichnet waren. Ob angesichts eines solchen Umfanges überhaupt noch von einem „Sonderprogramm“ gesprochen werden kann und nicht eher der Begriff des Parallelprogramms angemessener wäre, kann dahinstehen. Gesichert sein dürfte jedenfalls die Erkenntnis, dass das ZIP den deutschen Städtebau der 1970er Jahre – mit all seinen Annahmen, Voraussetzungen, Zielen und Ergebnissen – im Volumen entscheidend und wie im Zeitraffer mitentwickelt hatte. Die in die Implementation des StBauFG eingebundenen Ebenen der Länder und der Kommunen äußerten sich in der Summe offensichtlich positiv. Die zentrale Untersuchung „nach 10 Jahren Städtebauförderung“, vorgelegt vom GEWOS-Forschungsinstitut der „Neuen Heimat“, kam sogar zu einem enthusiastischen Schluss: „Übereinstimmend bezeichnen auch die Gemeinden und Länder […] die bisherigen Sonderprogramme, insbesondere den städtebaulichen Teil des ‚Zukunftsinvestitionsprogramms‘ (ZIP), als uneingeschränkten [!] Erfolg, durch den die Städtebauförderung eine starke Schubwirkung erhalten hat, so daß gleichzeitig fachpolitische sowie wachstums-, struktur- und konjunkturpolitische Ziele erreicht werden konnten. (Kritik ist lediglich am Verfahren der Projektauswahl und an der Programmabwicklung geübt worden.) Der Erfolg der Sonderprogramme basiert letztlich auch auf den vielen Vorleistungen aus dem Bundesprogramm nach §§ 71, 72 StBauFG. Die städtebaulichen Maßnahmen waren durch Untersuchungen, Planungen Grunderwerb und Ordnungsmaßnahmen häufig schon weitgehend vorbereitet; die Sonderprogramme förderten schwerpunktmäßig die Vorhaben der Bauphase […]. Die Programme haben sich damit gegenseitig ergänzt. Das ZIP hat in dieser Weise besonders eindrucksvoll gezeigt, daß Aufgaben der Stadterneuerung und -erhaltung sinnvoll mit wirtschaftspolitischen Zielen verbunden werden können.“283 283 Vgl. Städtebauförderung: Auswertung der Erfahrungen nach 10 Jahren […], S. 59. – Bsp. üblicher Sanierungswirkungen (Modellvorhaben Osnabrück, S. 164): „Als wichtigste Maßnahmen des Konjunkturprogramms 1975 sind zu nennen: Fußgängerbereich Kleine- und Große Gildewart, Tiefgarage Ledenhof, Modernisierung Lagerhalle Richter (Kommunikationszentrum), Hofgestaltung des Hauses der Jugend. Für das Programm der Zukunftsinvestitionen von 1977 sind u. a. vorgesehen: Parkhaus Nikolaiort, Wohnbebauung Dielingerstraße Süd (Teilfinanzierung), Umsetzung eines historischen Steinwerks innerhalb des Sanierungsgebietes […]. Alle genannten Maßnahmen sind Bestandteile des Neuordnungskonzeptes; lediglich die finanzielle
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Dabei wurde schon von der zeitgenössischen Forschung und Praxis durchaus Kritik an den Wirkungsweisen des Füllhorns und Strohfeuers in Form von Konjunkturprogrammen formuliert,284 die sich wohl auch an der teilweisen Monotonie der baulichen und funktionalen Lösungen entzündete.285 Eine weitere wichtige Einschränkung mit Blick auf die gemessene Effizienz der Städtebaupolitik ergab sich aus dem „zeitlich langen Horizont“, der für städtebauliche Sanierungsmaßnahmen galt, in noch einmal gesteigerter Form für Entwicklungsmaßnahmen. Je „nach örtlicher Gegebenheit und Zuschnitt“ des einzelnen Projektes musste man „zwischen 6 und 20 Jahre“ für den Abschluss angefangener Städtebauprojekte einkalkulieren286 – und nicht selten kam es dabei vor, dass allzu optimistisch geschätzte Verfahrensabläufe zu erheb lichen Verzögerungen im Projektfortschritt führten. Dies führte nicht nur zu Verdruss, sondern auch zur Verunsicherung aller Beteiligten: den Gemeindeverwaltungen, den Einwohnern und Investoren. Für die in dieser Arbeit besonders beachtete öffentlich-rechtliche Seite galt, dass sie sich mit so lange laufenden Vorhaben nicht zuletzt auch dem Wohl und Wehe der beteiligten Märkte aussetzte, und zwar den Kapital- und Kreditmärkten, den Wohnungsmärkten und ihren spezifischen Strukturen sowie den Konjunkturen im Grundstücks-, Immobilien- und Baubereich.
Abwicklung – Ersatz der Sanierungsförderungsmittel durch Konjunkturförderungsmittel – bedurfte einer Änderung.“ 284 Vgl. Modellvorhaben Eckernförde, S. 123: „Damit wird […] deutlich, daß Investitionsprogramme in Sanierungsgebieten zwar eine kurzfristige konjunkturelle Wirkung haben können, nicht jedoch mittelfristig das öffentliche Bauvorhaben erhöhen.“ Etliche der im ZIP „zum Zuge“ gekommenen Baumaßnahmen waren bereits für eine Regelförderung des StBauFG vorgesehen und wurden als Konjunkturmaßnahme also kurzfristig „vorgezogen“. 285 Vgl. Autzen/Becker (1986, Erfahrungen DifU), S. 10: „Im Rahmen der Förderung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen entfiel der Hauptanteil der Sanierungsförderungsmittel bisher auf den Bau von Parkhäusern, die offenbar nicht nur als Erschließungsmaßnahmen gefördert wurden. Eine deutliche Priorität hatte und behält daneben der Bau vor Rathäusern bzw. Verwaltungsgebäuden im Rahmen der Sanierung. Ferner spielt hier die Förderung des Baus von Jugend-, Kultur-, Alten- und Bürgerzentren eine bedeutsame Rolle. Die Wichtigkeit von Erschließungsmaßnahmen im Zuge einer Sanierung fällt deutlich ins Auge, wenn man die Kosten für die Ordnungsmaßnahmen betrachtet. Besonders der Bau von öffentlichen Stellplätzen, von Parkhäusern und vor allem von Tiefgaragen macht einen wesentlichen Anteil der Aufwendungen für die Erschließung aus.“ 286 Vgl. Städtebauförderung des Bundes (1975), S. 21.
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4. 1979–1986: Übergang zu den 1980er Jahren, Einfügung des StBauFG in das BauGB Von etwa 1979 bis 1982 bzw. 1986 kann eine dritte erkennbare Phase in der Umsetzung des StBauFG unterschieden werden, die hier als Übergang zu den 1980er Jahren bezeichnet wird. Dabei liegt auf der Hand, dass Daten wie ein Regierungswechsel (oder die konkrete Schaffung des BauGB 1986) zwar sinnfällige Zäsuren sind, aber nur gedanklich trennscharfe Phasengrenzen sein können. Die oben so bezeichnete „mittlere Phase“ ging nicht etwa schlagartig über in einen eindeutigen Politikwechsel. Der „Übergang zu den 1980er Jahren“ begann im Städtebau in Folge der zweiten Erdölkrise und zog sich auch über den Regierungswechsel 1982 hinfort. Nach den Höhepunkten der konjunkturpolitischen Steuerung und der Auflage von Sonderprogrammen wurde eine zunehmende „Krise der Staatsfinanzen“ zum Thema, die dafür sorgte, dass die Möglichkeiten und Spielräume einer kreditfinanzierten Politik immer enger wurden. Die kurzfristige Belebung der deutschen Wirtschaft in den Jahren 1977/78 endete bereits 1979 jäh. Ausgehend von politischen Instabilitäten in der Golfregion und befördert durch den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan verdoppelte sich der Ölpreis am internationalen Markt binnen kürzester Zeit. Dieser „Ölpreisschub von 1979 und seine weltweiten Auswirkungen“ sollten die deutsche Wirtschaft massiv berühren. Seit dem Frühjahr 1980 dominierte ein wirtschaftlicher Abschwung, der durch eine stark aufgewertete DM und also die Beeinträchtigung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands verstärkt angetrieben wurde. Es „entstanden erhebliche Leistungsbilanzdefizite, die die Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik vor neue Herausforderungen“ stellten. Die Bundesregierung dämpfte ihre Erwartungen bezüglich des angenommenen Wirtschaftswachstums erheblich, sah aber zunächst einmal keine Notwendigkeit, sofort mit weiteren konjunkturbelebenden Maßnahmen einzugreifen. Ihr Ziel war es nunmehr, „das Wachstum der Ausgaben und die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte zu begrenzen“. Hierzu gehörte u. a. auch, die in zunehmende Kritik geratene Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben zu drosseln, um ca. eine Mil liarde DM pro Jahr.287 287 Vgl. Finanzplan des Bundes 1979–1983, BT-Drs. 8/3101, S. 1; Finanzplan des Bundes 1980 bis 1984, BT-Drs. 9/51, S. 1–3 und S. 6. – Die Kürzung der Gemeinschaftsaufgaben betraf im Schwerpunkt die „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsförderung“, „Agrarstruktur und Küstenschutz“ sowie den „Ausbau und Neubau von Hochschulen“. Vgl. „Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahre 1985“, BT-Drs. 9/771, S. 53. – Überlegungen zur Rückführung der Mischfinanzierungen (bezogen auf Art. 104a GG) wurden 1981 im Bundeskabinett Schmidt erörtert, wobei der Kanzler selbst anmerkte, „[…] der
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In diesem ausgesprochen schwierigen wirtschaftlichen Gesamtumfeld – für das Jahr 1981 musste die Regierung Schmidt einen „Rückgang des realen Bruttosozialprodukts“ feststellen, sie rechnete nur noch mit mittelfristig ca. 2 % Wirtschaftswachstum – war die Vorstellung gereift, dass die „[…] Beschäftigungs- und Wachstumsprobleme der deutschen Wirtschaft nicht durch eine höhere Ausweitung öffentlicher Defizite nachhaltig gelöst werden“ konnten.288 Kurz- und mittelfristig sollten die Nettokreditaufnahme des Bundes deutlich gesenkt und Einsparungen im Bundeshaushalt vorgenommen werden,289 gleiches sollten die Länder und Gemeinden anstreben. Dies nahm nicht zuletzt vor dem Hintergrund immer weiter steigender Kreditkosten der öffentlichen Haushalte an Dringlichkeit zu.290 Wirtschaftspolitisch sollte stärker im Vordergrund stehen, „die Wirtschaft zu Investitionen und damit zur Sicherung der Beschäftigung zu ermuntern“, u. a. durch ausgeweitete degressive Abschreibungsmöglichkeiten für die Bauwirtschaft. Faktisch war das Konzept der konjunkturpolitischen Globalsteuerung der Wirtschaft bereits zu dieser Zeit gescheitert und damit zu weiten Teilen die materielle Basis der sozial-liberalen Reformpolitik allgemein, wie auch mit Blick auf die Städtebaupolitik, entwertet.291 Folgt man Gaul, hatte die Bundesregierung der Bund habe sich sehr weitgehend auf das Gebiet der Mischfinanzierung und Mischverantwortung begeben“ und dies müsse fortan politisch „zurückgeführt werden“, vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 32. Kabinettssitzung am 24.6.1981, TOP 5. – Vgl. BT-Drs. 10/6699, S. 5: „Seit Anfang der 80er Jahre fordern die Länder jedoch mit zunehmender Intensität einen Abbau der Mischfinanzierung. In einem ersten Schritt ist bereits zur Zeit der sozialliberalen Koalition die Mischfinanzierung der Wohnungsmodernisierung und Energieeinsparung eingestellt worden. [Sie endet] im Städtebau […] absprachegemäß mit dem Jahre 1987.“ 288 Vgl. Finanzplan des Bundes 1981–1985, BT-Drs. 9/771, S. 1. 289 Insbesondere die „Dynamik konsumtiver Staatsausgaben“ („zwangsläufig“ im „Bereich der Sozialpolitik“) sollte eingedämmt werden, was angesichts des Ausmaßes der Wirtschaftskrise und der steigenden Arbeitslosigkeit aber nicht gelang und beinahe jährlich durch eine doch höhere als geplante Nettokreditaufnahme kompensiert wurde, vgl. z. B. Finanzplan des Bundes 1982–1986, BT-Drs. 9/1921, S. 1 u. Nr. 1.4., 2.1. 290 Für Zinsausgaben sah z. B. der Bundeshaushalt ansteigende Anteile von 9,5 % in 1982 bis 12,5 % in 1986 an den Gesamtausgaben des Bundes vor (vgl. BT-Drs. 9/1921, S. 21). 291 Vgl. Schmidt (1978), S. 212 bzw. 214 f.: „Die Reformpolitik stand und fiel angesichts ihrer Prämissen mit einer stetigen Akkumulationsentwicklung im privaten Wirtschaftssektor und mit der Ausweitung des ‚Staatskorridors‘. Stagnierte die Ökonomie oder waren ausgabenpolitische Sperren geboten, dann geriet sofort die mate rielle Basis der Reformen ins Wanken. Die Regierung rechnete bei sämtlichen Programmen mit guten Finanzierungschancen und optimistischen Prognosen über die Wirtschaftsentwicklung. Diese Annahmen wurden bald durch Finanzierungsschwierigkeiten in Frage gestellt. Die Reformpolitik geriet zunehmend in die ‚Finanzkrise des Staates‘.“ – „Von der wirtschaftspolitischen Seite her war […] der Spielraum für die Reformpolitik zunehmend kleiner geworden. Alleine durch die Arbeitslosigkeit
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zweiten Ölpreiskrise „nur noch wenig entgegenzusetzen. Die Jahre 1981 und 1982 waren geprägt von einer erneuten und verschärften Stagflationsphase mit einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit.“292 Diese Entwicklung schlug sich auch in der Förderung des Städtebaus durch den Bund nieder. In den Jahren 1979 und 1980 wurden die letzten Mittel aus dem ZIP in den Haushalt eingestellt. Neben den regulären Programmmitteln gemäß § 72 StBauFG kam es in der Regierungszeit von Bundeskanzler Schmidt zu keiner neuerlichen Auflage kreditfinanzierter Sonderprogramme unter Einbeziehung des Städtebaus. Dies fußte darauf, dass sich die keynesianisch begründete Politik der Kreditfinanzierung offensichtlich nicht nur in den Mitteln, sondern auch den Methoden erschöpft hatte, zumindest im Städtebau. Angesichts der überaus großvolumigen Schnellförderungen aus den vorangegangenen Sonderprogrammen zeichnete sich ein Umsetzungs- und Projektstau in der Beschleunigung weiterer Vorhaben ab. Die Start-up-Phase komplexer Städtebauprojekte konnte durch kräftige zusätz liche Finanzschübe zwar entscheidend vorangebracht werden. Die weitere Umsetzungs- und Bauphase ließ sich indes kaum beschleunigen.293 Nach dem Regierungswechsel vom Oktober 1982, der eine CDU/CSUFDP-gestützte Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hervorgebracht hatte, begann eine neue Phase der Wirtschaftspolitik, die sich auch in der Programmaufstellung zum StBauFG und damit im Verhältnis vom Staat zum Städtebau niederschlug. Die tiefe wirtschaftliche Krise der Bundesrepublik konnte durch die Bundestagswahl vom März 1983 natürlich nicht kurzfristig beseitigt werden. Mit der nun CDU-geführten Bundesregierung wurde jedoch gemeinhin die „Wende“ zu einer angebotsorientierten Politik verbunden.294 Der Aufschlag zu diesem Politikwechsel stammte noch aus dem Bundeswirtschaftsministerium unter der Führung von Otto Graf fielen z. B. 1974–76 57 Mrd. DM an Einnahmen aus, zusätzlich kostete die Krise 25 Mrd. DM für Arbeitslosenunterstützung und Kurzarbeitergeld. Damit war aber schon eine eng gesetzte Grenze für all diejenigen Reformen erreicht, die entweder Zuwächse verteilen sollten und/oder die mit den gegenwärtigen Dispositionen der Wirtschaft konfligierten.“ – „[…] Die Reformpolitik gerät unter die Finanzkrise des Staates – und verstärkt gleichzeitig wieder diese Finanzkrise, ein Widerspruch, der in der Konzeption der Reformpolitik nicht vorgesehen war und zu dessen Lösung keine Programme bereitgestellt worden waren. […]“. 292 Vgl. Gaul, S. 15–16. 293 In diesem Zshg. sind sicher auch späte Pläne der sozial-liberalen Koalition zu sehen, eine weitere „Kürzung von Steuervorteilen“ voranzutreiben, u. a. „[…] wie der Verlustausgleich über die Regelung des § 15 a EStG hinaus weiter eingeschränkt werden kann mit dem Ziel, ungerechtfertigte Steuervorteile aus Verlustzuweisungsgesellschaften, Bauherrengemeinschaften und ähnlichen Konstruktionen auszuschließen bzw. sie zu begrenzen.“ (Vgl. BT-Drs. 9/1921, S. 6). 294 Vgl. von Bandemer/Haberle, S. 130 f.
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit245
Lambsdorff und hatte als Konzept maßgeblich (und auch gezielt) zum Ende der sozial-liberalen Koalition beigetragen.295 Deutlich erkennbar waren Mitte der 1980er Bestrebungen einer Reföderalisierung zu erkennen. Im hier so bezeichneten Übergang zu den 1980er Jahren hatten sich in grundlegender Weise andere polit-ökonomische Ansichten manifestiert: die konservativ- liberale Bundesregierung verfolgte, ausgehend von angelsächsischen Denkmodellen, eine stärker angebotsorientierte Gesamt- und eine restriktivere Haushaltspolitik. Übergeordnetes Ziel der neuen Bundesregierung war eine Konsolidierung und „Gesundung der Staatsfinanzen“, eine Rückführung der öffentlichen Ausgaben insbesondere im Bereich der konsumtiven Sozialausgaben und ein „neues inflationsfreies Wachstum“ der Wirtschaft.296 Gleichzeitig sollten „durch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen neue Wachstumskräfte“ freigesetzt werden.297 Anders als die Vorgängerregierungen suchte die neue Politik verstärkt danach, freie Entwicklungen der Volkswirtschaft nachgelagert, d. h. durch Steuern und Abgaben, abzuschöpfen und dadurch zu steuern.298 Der neuen Regierung war wichtig, dass die „Steigerungsrate der Bundesausgaben“ nun wieder „deutlich unter den Anstieg des nominalen Bruttosozialprodukts“ rückgeführt werden sollte – gänzlich entgegengesetzt also zu der Zielvorgabe, die SPD und FDP noch zu Beginn der 1970er Jahre formuliert hatten.299 Die Zeit der Ausweitung der Staatsfinanzen, um proaktiv zum Wirtschaftswachstum beizutragen, war beendet, zumindest dem Anspruch nach. Der erste hier so benannte Endpunkt des „Überganges zu den 1980er Jahren“ muss also darin gesehen werden, dass es 295 Berühmt wurde dieses Konzept unter dem Namen „Scheidungsbrief“ vom 9.9.1982. Lesenswert ist hierzu die Zusammenfassung von Dworog, die den Stellenwert dieser „wirtschaftspolitischen Programmschrift“ als „stellvertretend für die wirtschaftspolitische Umorientierung von der keynesianischen Nachfragesteuerung zur liberalen Angebotspolitik“ herausarbeitete, aber auch hervorhob, dass das Konzept ab Mitte der 1980er wieder durch bekannte sozial- und wirtschaftspolitische Kompromisse aufgeweicht wurde: „Im Gegensatz zur ideengeschichtlichen Bedeutung sowie zur fulminanten Wirkung auf die Bonner Regierungskoalition fiel die sachpolitische Wirkung der Lambsdorffschen Thesen bescheiden aus.“ 296 Vgl. BT-Drs. 10/3701, S. 1. 297 Vgl. Finanzplan des Bundes 1983–1987, BT-Drs. 10/281, S. 1. – Die Hinwendung zur „Angebotsorientierung“ war sehr gut auch anhand der steuerlichen Entlastungspläne für den unternehmerischen Mittelstand erkennbar, vgl. BT-Drs. 10/281, Nr. 4.2. 298 Dies umfasste teilweise sehr feinkörnige Maßnahmen wie z. B. die Abschreibungsvergünstigungen für den Einbau neuer Heizungsanlagen, die ab 1985 auf einen zehnjährigen Zeitraum angelegt waren. Die BReg führte dies dennoch als eine „wichtige Einzelmaßnahme“ auf, um den „Anpassungsprozess im Baubereich“ zu unterstützen, vgl. BT-Drs. 10/3701, Kap. 1.2.2.1. 299 Vgl. BT-Drs. 10/1801, Nr. 1.2.1; BT-Drs. 10/281, S. 3.
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nach 1982 keine weiteren Konjunkturprogramme gab, die ausdrücklich die Förderprogramme des StBauFG als Instrumentarium ansprechen und einbinden sollten. Dies bedeutete jedoch mitnichten, dass sich die neue Bundesregierung aus der Förderung von Bauwirtschaft und Städtebaupolitik zurückzog. Beide waren auch für die schwarz-gelbe Koalition Bestandteile zur Stimulierung gesamtwirtschaftlicher Impulse, aber eben nicht als konjunkturpolitische Sondermaßnahmen proklamiert, sondern als weiterhin geführte, sozusagen „reguläre“ Staatsaufgabe.300 Im Bereich des Städtebaus hielt die Bundesregierung nicht nur in etwa das bisher erreichte Niveau des Regelprogramms, sie hob es zunächst auch maßvoll an. So verzeichneten die Ansätze für das StBauFG-Programm 1982 220 Mio. DM, 1983/84 jeweils 280 Mio. DM und in 1985 sogar 330 Mio. DM.301 Damit würden 1984 Auskunft der Bundes regierung 599 Sanierungs- und 24 Entwicklungsmaßnahmen gefördert.302 Für die Programmjahre 1986 und 1987 zum StBauFG hatte der Bund die Ansätze nochmalig und ganz erheblich auf jeweils 1 Mrd. DM angehoben, die Komplementärmittel der Länder und Gemeinden sollten dabei insgesamt jährlich 1,3 Mrd. DM erreichen.303 Mittelfristig rechnete die Politik mit einem volkswirtschaftlichen Volumen von 4,6 Mrd. DM Fördermitteln, das Einzelvorhaben zugutekommen sollte, „deren Durchführung bisher […] nicht vorgesehen war.“304 Diese exorbitanten Steigerungen waren jedoch keine Aufwertung des Regelprogramms (und eigentlich auch keine konjunkturpolitische Sonderprogrammatik), sondern durch das einstweilige Ende der Förderung nach StBauFG begründet, was zum 1.1.1988 geplant wurde.305 300 Vgl. BT-Drs. 11/2606, S. 28 f.: „Der Bausektor ist nicht nur von vielfältigen Marktentwicklungen abhängig, sondern unmittelbar oder mittelbar auch von Entscheidungen in einer Reihe von Politikbereichen. Zu nennen sind hier neben der Wohnungs- und Städtebaupolitik beispielsweise die Geldpolitik, Finanzpolitik, Verkehrspolitik oder Umweltpolitik. Der unmittelbare Einfluß der öffentlichen Hand ist jedoch begrenzt. Nur rd. ein Fünftel aller Bauinvestitionen wird vom Staat und den Gemeinden getätigt. Davon fallen wiederum 85 v. H. in den Entscheidungsbereich von Ländern und Kommunen.“ 301 Nebenstehende Grafik: Autzen/Becker (1986, Erfahrungen Schriftenreihe), S. 35. – Vgl. a. BT-Drs. 9/1921, Ziff. 3.9.2, 6.2. 302 Vgl. BT-Drs. 10/1506, S. 29. Auch diese Quantität entsprach einem stabilen Niveau und keineswegs einem „Abbau“ – was auf Grund langfristiger Planungen im Städtebau wohl auch kaum möglich gewesen wäre. 303 Vgl. BT-Drs. 10/4208, S. 7. 304 Vgl. BT-Drs. 10/3701, Tz. 7.1. 305 Trotz der proklamierten Abkehr von konjunkturpolitischen Programmen las sich die Stellungnahme der Bundesregierung noch 1986 seltsam vertraut: „Bei der Städtebauförderung hat der Bund seinen Verfügungsrahmen […] verdreifacht, um durch zeitlich befristete, zusätzliche Nachfrage nach Bau- und Ausbauleistungen den
B. Städtebaupolitik als Staatstätigkeit247 Ausgaben für Programme der Städtebaupolitik 1971–1987 ϭϬϬϬ
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