Das Reichs-Strafgesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts [Reprint 2021 ed.] 9783112600245, 9783112600238


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German Pages 1106 [1129] Year 1921

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Das Reichs-Strafgesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts [Reprint 2021 ed.]
 9783112600245, 9783112600238

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Das

Reichs-Strafgesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung

des Reichsgerichts

erläutert von

Dr. Ludwig Ebermayer Staatspräsident am Reichsgericht

Julius Eichelbaum

Dr. Adolf Lobe

RrichSgerichtSrat

Retchrgnichttrat

Werner Rosenberg ReichSgertchtSrat.

Berlin und Leipzig 1920.

Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de «ruytrr & Eo. vormol» G. I. Vöschen'sche Verlag-Handlung — I. VuUentag, verlag-buchHandlung — Veorg Reimer — Sari I. Trübner — Beit le Tomp.

Vorwort. Habent sua fata libelli. Als der Verlag im Mai 1916 an uns herantrat mit der Aufforderung, einen Kommentar zum StGB, zu schreiben, standen wir diesem Ansinnen nicht ohne Bedenken gegen­ über. Es mochte zweifelhaft erscheinen, ob mit Rücksicht auf die im Gange befindliche Strafrechtsreform eine neue Be­ arbeitung des geltenden StGB, noch am Platze sei. Da jedoch damals mitten im Kriegsgetümmel damit gerechnet werden mußte, daß die Reformarbeiten, die schon seit September 1914 unterbrochen waren, auch bis auf weiteres ruhen würden und daß, wenn es überhaupt nach Beendigung des Krieges zu einer Gesamtreform des Strafrechts kommen sollte, noch eine Reihe von Jahren bis zum Inkrafttreten des neuen StGB, vergehen würde, stellten wir die Bedenken zurück und glaubten, dies um so eher hun zu können, als wir hoffen konnten, das Manuskript bis Oktober 1917 fertig zu stellen, so daß der Kommentar im ersten Halbjahr 1918 hätte erscheinen können. Wie seitdem bei so manchem kam es auch hier anders. Ungeahnte .technische Schwierigkeiten, Papiermangel u. a. m. stellten sich in den Weg'und es ergab sich, daß die Heraus­ gabe zu dem anfänglich ins Auge gefaßten Zeitpunkt unmögliche war. Erst im Oktober 1918 konnte der Verlag an eine Drucklegung denken. Da traf uns ein neues und das traurigste Mißgeschick; im Frühjahr 1919 wurde uns unser lieber Kollege RGR. Gott­ fried Schmitt, der sich an der Herausgabe des »Kommentars be­ teiligen sollte, durch den Tod entrissen. Da sich in feinem Nachlaß ein Manuskript nicht vorfand, wurde der von ihm übernommene Abschnitt §§ 211—280 in der Weise verteilt, daß Ebermayer' die §§ 211 — 241, 267 — 280, Lobe die §§ 242—262 bearbeitete, während der neu hinzutretende Kollege Eichelbaum sich der Be­ arbeitung der §§ 263—266 unterzog. Nachdem inzwischen auch die technischen Schwierigkeiten sich vermindert hatten, gelang es, den Kommentar — leider viel später als ursprünglich beabsichtigt — fertig zu stellen. Doch ist es kaum zu spät. Denn wenn auch Zur Zeit alle Dinge mehr als je im Flusse sind, so ist doch anzunehmen,

IV

Vorwort.

daß bis zum.Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches noch eine ge­ raume Zeit vergeht. Der Kommentar ist von Praktikern für die Praxis geschrieben und soll allen mit der Strafrechtspflege Befaßten die Möglichkeit geben, sich rasch und zuverlässig über den Stand der Wissenschaft und insbesondere über die Ergebnisse der Recht­ sprechung zu unterrichten, will aber auch Au seinem Teil mithelfen bei der Lösung der zahlreichen, trotz der langjährigen Geltung des StGB., noch bestehenden Streitfragen. Bus dieser Aufgabe und der Art, wie er sie gelöst zu haben glaubt, leitet er seine Daseins­ berechtigung her. Um nicht durch die Aberfülle des Stoffes die Brauchbarkeit zu beeinträchtigen, vermieden wir wissenschaftliche Er­ örterungen über veraltete Streitfragen, die für erledigt gelten können, desgleichen die Heranziehung der Gesetzesmaterialien und ein­ gehender Erörterungen über die geschichtliche Rechtsentwicklung, soweit ihre Kenntnis für die Beurteilung des gewonnenen Ergeb­ nisses und die Erzielung eines klaren Aberblickes entbehrlich ist, hielten bei Streitfragen eine Auseinandersetzung mit den wichtigsten und gangbarsten Lehrbüchern und Kommentaren für ausreichend und erachteten es auch für überflüssig, in den Fallen, in welchen wir der herrschenden Meinung zustimmten, stets eine Reihe anderer Schrift­ steller anzuführen, die der gleichen Meinung sind. In weitgehendem Maße berücksichtigten wir die Rechtsprechung, insbesondere diejenige des Reichsgerichts, und beschränkten uns dabei nicht auf die in der offiziellen Sammlung abgedruckten Urteile, sondern suchten auch den »eichen Stoff, der in anderweit veröffentlichten und in nicht zur Veröffentlichung gelangten Entscheidungen enthalten ist, zu ver­ arbeiten und nutzbar zu machen, wobei die benutzten Quellen bis in die neueste Zeit reichen; selbstverständlich wahrten wir aber auch der Rechtsprechung des höchsten Gerichtshofes gegenüber unsere! wissenschaftliche Selbständigkeit. Gewisse, zum allgemeinen Teil gehörige, häufig mit anderen Wissensgebieten verzweigte Begriffsbildungen, die weniger auf dem Boden des sich von Begriffsbestimmungen fernhaltenden StGB., als im Wege der Rechtsentwicklung entstanden sind, machen ein tieferes Eindringen in das Wesen der Begriffe, die Aufdeckung ihrer Wurzeln» die Verfolgung ihres Wachstums und die Erforschung ihrer Bestandteile nötig. Deshalb erschien es wünschenswert, in Abweichung von der bisherigen Abung diese streng genommen abseits der Erläuterung der einzelnen Gesetzesstellen stehenden, mehr das Gepräge einer wissenschaftlichen Darstellung an sich tragenden Er­ örterungen nicht an die Besprechung der einzelnen Paragraphen

V

Vorwort.

anzuhängen, sondern zur Erleichterung der Äb erficht und zur Wahrung der äußeren Einheitlichkeit des Werkes in Form einer Einleitung dem allgemeinen Teil, in dessen Bereich sie inhaltlich fallen, voranzustellen. Eine, Reihe von Bestimmungen des besonderen Teils, insbesondere an den Abschnitten 1, 2, 3 und int Abschnitt 7 die §§ 140—144 haben seit der Revolution ihre Bedeutung ganz aber teilweise verloren; da sie aber z. Zt. formell noch geltendes Recht sind, hielten wir es für angezeigt, die zu ihnen gehörigen Erläuterungen, die schon vor der Revolution niedergeschrieben waren, zum Abdruck zu bringen. — Soweit auf den Entwurf Bezug genommen ist, ist damit, abgesehen von ganz vereinzelten Fällen, nicht der überarbeitete, sondern der ursprüngliche Kommissionsentwurf gemeint. Zum Schluß sei erwähnt, daß wir uns, wie gegenüber der Rechts­ lehre und Rechtsprechung, so auch im Verhältnis . zueinander die volle Freiheit und Selbständigkeit der Meinung gewahrt haben, selbst auf die Gefahr hin, daß an verschiedenen Stellen des Buches die Ansicht des einen Bearbeiters von der des anderen hinsichtlich derselben Frage abweicht. Bearbeitet haben: Sen. Präs. Dr. Eber­ mayer §§ 80 — 241, 267 — 280, RGR. Eichelbaum §§ 263 — 266, RGR. Dr. Lobe das Einführungsgesetz und §§ 1—79 mit der Ein­ leitung, sowie §§ 242—262, RGR. Rosenberg die Bestimmungen über die Konkursordnung und §§ 284—370. An der Spitze des Textes der einzelnen Paragraphen zeigen sich im Druck vielfach Lücken. Sie rühren daher, daß ursprünglich beabsichtigt — und bei der ersten Drucklegung auch schon durchgeführt — war, Zuständigkeits­ vermerke aufzunehmen. Diese mußten später entfernt werden, da die demnächst zu erwartende Abänderung des GVG. die Zuständig­ keit vielfach ändert.

Leipzig, im Dezember 1919.

vir verfass«».

VI

Verzeichnis der benutzten Schriftwerke, mit Angaben über die Art der Anführung.

A. Sammlungen von Entscheidungen.

Angeführt mit der Ab- I nach kürzung: |

Entscheidungen des Reichsgerichts in Straf­ sachen ................................................................ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivil­ sachen ...................................................................... Rechtsprechung des Reichsgerichts in Straf­ sachen ............................................................... Annalen des Reichsgerichts

Rspr RGAnn

Entscheidungen deS Reichsmilitärgerichts. Prüfungsergebnisse deS ReichSmilitärgerichtS

RMG RMGPrE

IohowS Jahrbücher der Entfch. deS Kammer­ gerichts in S d. nichtstr Gbtt.u. d Strafrechts Entscheidungen deS Obertribunals.... Entscheidungen deS Preußischen Oberver­ waltungsgerichts ............................................

RGSt

Band u. Seite

RGZ

KGI OT

Band u Seite deS Registers Band u. Seite

PrOVG

Entscheidungen deS Bayerischen Obersten Ge­ BayOGLSt richtshofes in Strafsachen.......................... Entscheidungen deS Bayerischen Obersten BayObLGSt LandeSgerichtS in Strafsachen . . . . Entscheidungen deS OberlandeSgerichtS Mün­ chen in Strafsachen............................................ OLSMünchenSt Entscheidungen deS Bayerischen VerwaltungSgerichtshofS........................................................ < BayVTL Annalen des OberlandeSgerichtS Dresden . Jahrbücher des Sächsischen Oberverwaltungs­ gerichts ................................................................

Warneyer Jahrbuch der Entscheidungen, B Strafrecht................................................... Sörgel Jahrbuch des Strafrechts und Straf­ prozesses ......................................................... Spruchsammlung der Deutschen Iuristenzeituna Recht Ooerstrichterliche Rechtsprechung seit 1909 selbständig)...................................... .

SächsOLG

Jahr u. Seite

SächsOVG

WarnSt SörgelSt DJZSpruchs. Recht

Heft u Seite

Jahr u. Seite, von 190M ab Iahru.Rummer

VII

Verzeichnis der benutzten Schriftwerke. Angeführt mit der Ab­ kürzung:

|

»ach

B. Zeitschriften.

GoltdammerS Archiv für Strafrecht - • Juristische Wochenschrift...................................... Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht . . Deutsche Jurtstenzettung Deutsche SrrafrechtSzeitung......................... Das Recht (abgesehen von der Oberstrichter, lichenRechtsprechung seit 1909: stehe unter A Seufferts Blätter für Rechtsanwendung . . Stengletns Zeitschrist für GerichlSpraxi« und Rechtswistenschaft............................................ Archiv für MiMärrecht Zeitschrift für die gesamte StraftechtSwtffenschaft..................................................................... Gerichlssaal......................................................... EgerS Eisenbahnrechtiiche Entscheidungen und Abhandlungen.................................................. Blätter für Rechtspflege im Bezirk deS Kammergrrichts............................................ Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern - Sächst cheS Archiv für Rechtspflege . • . Jahrbücher der Württembergischen Rechts­ pflege .................................................................... Badische Rechtspraxis............................... Leifische Rechtsprechung................................ Iunstsche Zei.schrift für daS ReichSland Elsaß-Lothringen............................................ Rheinisches Archiv............................................ Lanseatische GerichtSzeitung Zur. Monatsschrift für Posen, Westpreußen, Ostpreußen, Pommern............................... Schleswig-Lolsteinischer Anzeiger . . . . Frankfurter Rundschau...................................... Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt............................................................... Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft................................ Zeitschrift für Verwaltung und Rechtspflege in Oldenburg.................................................. Zeitschrift für Rechtspflege tat Lerzogtum Braunschweig.................................................. Zeitschrift der AnwaltSkammer BreSlau . . Zeitschrift der Anwaltekammer Naumburg .

DA IW LZ DIZ StRZ

Band u. Sette Jahr u. Seite

Recht SeuffBl

, (0) Band u Seite

StengleinZ MilArch ZStRW GerS EtsenbahnE

«GBl BayZfR SächsA

» Jahr u. Sette

WürttI BadRpr LeffRspr ElsLothZ RheinA LansDZ

PosMSchr LolstAnz FrankfR

ThürBl MecklZ

OldZ BraunschwZ BreSlauAKZ NaumbgAKZ

C. Kommentare, Lehrbücher und sonstige Bücher größerem Umfangs (nach Duchstabenfolge-. v. Bar, Gesetz und Schuld im Strafrecht 1906/09 v. Bar, Lehrbuch deS internationalen Privatund Strafrecht« 1892 ...................................... Berner, Lehrbuch de« Deutschen Strafrecht«. 18. Aufl. 1898 ...................................... 7 . Dinding, Landbuch des Deutschen Strafrechts Bd. 1 1885 .........................................................

BarGuSch

Band u. Seite

BarLehrb

Seite

Berner BindingLdb

VIII

Verzeichnis der benutzten Schriftwerke.

Aug« führt

Dinding, Lehrbuch deS Deutschen Strafrecht-. Befand Teil 1902/05. . . ... Sinbtng, Die Normen und ihre Übertretung. Dd 1, 3 Aufl 1916; D) 2, 2. Aufl. 19U (1. Lälfte); 1916 (2. Lälfter; Dd. 3, l.Aufl. 1918; Dd. 4 (erste u. zweite Abt.) 1. Aufl. 1919 Dinding. Strafrechtliche Abhandlungen. 1915 Dinding, Grundriß des Deutschen Strafrecht«. Allq. Tet«. 7. Aufl (1907 ) .... Birkmeher, Strafrecht in seiner Enzyklopädie der RechlSwiffenschaft. 2. Aufl. 1904 . .

Finger, Lehrbuch des deutschen Strafrecht«. 9$0 1 19 4......................................................... Frank, Das Strafgesetzbuch für da« Deutsche Reich 14. Aufl. 1914................................ Lälschner, Gemeine« deutsches Strafrecht. 1881/87 ............................................................... Loitzendorfs, Landbuch de« deutschen Straf­ recht«. Bd 1-4 1871/77 ......................... Köhler, Deutsche« Strafrecht, Allgemeiner Teil. 1917......................................................... Liszt, Lehrbuch de- deutschen Strafrecht-. 21 /22. Aufl 1919............................................ Lucas, Anleitung zur strafrechtlichen Praxis. 1912..................................................................... Mayer (Mox Ernst), Allgemeiner Teil dedeutschen Strafrecht-. 1«15 . . ■ . . Merkel, Lehrbuch de« deutschen Strafrecht«. 1889 ............................................................... Meyer-Allfeld, Lehrbuch de« deutschen Straf­ recht«. 7. Aufl. 1912..................................... Ol-Hausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch für da- Deutsche Reich 10 Aufl 1916. . Oppenhoff DeliuS, Da- Strafgesetzbuch für da- Deutsche Reich. 14. Aufl 1901 . . Rudorfs Stenglein, Strafgesetzbuch für daDeutsche Reich 4 Aufl. 1892 ,. . . . Schwartz, Da- Strafgesetzbuch für da- Deutsche Reich mit Kommentar. 1914....................... v. Schwarze, Kommentar zum Strafaesetzbuch für da- Deutsche Reich. 5. Aufl 1S84 . vergleichende Darstellung de- deutschen und au-ländischen Strafrecht- Allgem. Teil . Vergleichende Darstellung de- deutschen und ausländischen Strafrecht- Besond. Teil . Wachenfeld Lehrbuch de- deutschen Straf­ recht-. 1914...................................................

mit der Ab­ kürzung:

nach

BindingLehrb

Band u. Seite

BindingRorm BindingStAbh

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DindingGdr. Birkmeher

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8 u. Zahl

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8 u Nummer

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Baud u. Seite (Namen l Band u. Seite (Namen!) 1 Sette

Einleitung. Das StGB, enthält weder in seinem besonderen noch in seinem allge­ meinen Teile eine vollständige Regelung des ganzen strafrechtlichen Stoffes. Und vielfach verwendet es bei seinen Vorschriften Begriffe, die erst von der Wissenschaft und der Rechtsprechung mit Inhalt versehen werden müssen. So spricht es von vorsätzlichen und fahrlässigen Handlungen, ohn« zu sagen, was es unter Vorsatz und Fahrlässigkeit versteht, und selbst über die wichtigste Frage des ganzen Strafrechts, wann eine Handlung dem Täter zur Schuld zuzurechnen sei und welche Natur die Strafe habe, schweigt es sich aus. Es gibt weiter zwar Vorschriften, wie die Strafe für Verwirklichungen von strafbaren Tatbeständen zu bemessen sei, wenn diese durch eine und dieselbe Handlung und wenn sie durch mehrere selbständige Handlungen geschehen. Wann aber eine oder die andere, wann eine fortgesetzte Handlung, wann mittelbare oder unmittelbare Täterschaft vorliegt, darüber sagt es nichts. Und so versagt es in vielen anderen Fragen. Je nach der Stellung, die man zum Begriff des Rechts und zum Strafrecht im besondern einnimmt, wird für diese vom StGB, nicht geregelten Begriffe die Entscheidung verschieden ausfallen, und notwendig dann auch die Auslegung der einzelnen gesetzlichen Bestimmungen beeinflussen. Im folgenden soll kürz Stellung zu diesen Fragen genommen werden. Eine eingehende Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Meinungen ist nach dem Zweck des Buches ausgeschlossen. Es geschieht mit Absicht abseiten der Erläuterungen der einzelnen Paragraphen, um schon äußerlich darzutun, daß es sich hier nicht mehr um Auslegung gesetzlicher Vorschriften handelt, sondern um Darlegung von allgemeinen Rechtsbegriffen außer­ halb des StGB.

I. Die Rechtsordnung. 1. Das Zusammenleben von Menschen in einer Gemeinschaft zur Er­ reichung gemeinsamer Ziele verlangt einen Zustand der O r d n u n g. Ord­ nung ist Abgrenzung bestimmter, dem Ausleben des Einzelnen dienender Freiheitskreise und Zuteilung bestimmter Anteile am Genuß der Umwelt (Güter), vorgenommen in Hinblick auf die Erreichung des gemeinsamen Zieles. Der Zu st and der Ordnung ist also ein untrenn­ barer Zu st and des Gemeinschaftslebens selb st, eine Erschütterung jenes bringt notwendig eine Erschütterung dieses. Der Wille zur Gerneinschaftist damit seinem Inhalt nach zugleich ein SB i 11 e zur Ordnung. Sobald dieser in jedem als Genossen lebende Wille zur Gemeinschaft als Wille aller Genossen empfunden wird, entsteht dadurch auch die Empfindung eines übergeordneten, vom Einzelwillen verschiedenen Gemeinwillens zur Ordnung. Diese EmpfinKommentar z. Strafgesetzbuch.

1

2

Einleitung.

düng aber, da sie in allen lebt, macht sich nun dem Einzelnen gegenüber als eine außer ihm st ehe n de Willensmacht der Gesamt­ heit geltend, als Suggestion aller auf einen. Und da dieser Gesamtwille auf Verwirklichung einer Ordnung hinstrebt, die den Einzelnen in rechter Weise zum Ganzen einfügt, so wird er zum Rechts willen und die erstrebte Ordnung zur Rechts ordnung. 2. Soviel Beziehungen die Menschen zueinander haben können, soviel Arten rechtlicher Ordnungen lassen sich denken. Die Ordnung für den fried­ lichen Verkehr der Staaten untereinander bringt das Völkerrecht, die Ordnung für die Kriegführung das Kriegsrecht, die Ordnung der Beziehungen der Staatsgewalt zu den Gemeinschaftsgenossen das Staats- und Verwaltungsrecht, die Ordnung der Bezie­ hungen der Staatsgewalt zu ihren ausführenden Organen das Diszi­ plinarrecht, das Verfahren bei der Anspruchsverfolgung regeln die Prozeßordnungen, den Verkehr der Bürger untereinander als sich selbständig und gleichwertig gegenüberstehender Einzelner innerhalb der Gemeinschaft das sogen, bürgerliche Recht (Privatrecht), die Beziehungen der Gemeinschaft als solcher (abgesehen von ihrer Zusammen­ fassung als Staatsgewalt) zu ihren einzelnen Gliedern regelt in besonderer Weise das Strafrecht. 3. Gegenstand des ordnenden Rechtswillens ist zunächst immer nur die Feststellung dessen, was der das Gemeinschaftsleben bedingenden Ordnung gemäß und was ihr zuwider ist, sie stört und damit gemeinschafts­ widrig macht. Jede Äußerung eines Rechtswillens enthält daher die Er­ klärung, daß ein Sein oder Geschehen innerhalb der Gemeinschaft recht­ mäßig oder rechtswidrig sei. Diese Erklärung erfolgt aber in autoritativer Weise, weil der Rechtswille als Wille der Ge­ samtheit ein den Einzelnen übergeordneter Wille und damit Rechtsmacht ist; dadurch unterscheidet sie sich von einer bloß lehrhaften Meinung. Diese autoritative Feststellung des Ordnungsgemäßen ist an sich ein rein objektiver, nicht gefühlsmäßig begleiteter Vorgang. Sofern man sie aber vermensch­ licht und als Tätigkeit eines ordnenden Subjekts auffaßt, wird die Erklärung des Ordnungsmäßigen zum billigen, die des Ordnungswidrigen zum mißbilligen, Nagler in Bindings Festschrift II S. 315, Schoetensack, GS. 1915 S. 11. Ohne diese gefühlsmäßige Färbung kann man das Ordnungsmäßige auch bezeichnen rein objektiv als rechtszweckge­ mäß und rechtszweckwidrig (Binding, Normen II S. 232, Anm. 8). Diese Feststellung aber ist durchaus — und das ist wichtig — von einem Gebot oder V e r b o t zu unterscheiden. Sie bildet das in der Vorstellung enthaltene sog. objektive Recht. Die Einordnung in das Gefüge der Ordnung kann alles treffen, was innerhalb der menschlichen Gemein­ schaft für diese bedeutsam in Betracht kommt: Zustände und Ereignisse der Umwelt, die nicht in menschlichem Verhalten wurzeln, wie z. B. BGB. § 910, ebenso gut wie das Tun von Tieren und handlungsunfähigen Men­ schen oder von handlungsfähigen Menschen, Nagler a. a. O. S. 319; Schoe­ tensack st. st. O. S. 23; Beling, Verbrechen S. 170; Binding a. a. O. S. 232. Dies ist die eine Bedeutung von rechtswidrig. Vgl. auch Lobe in LZ. 1916 S. 641. Was rechtswidrig oder rechtsgemäß in diesem Sinne ist, kann nur aus der Gesamtheit der einzelnen Kundgebungen des ordnenden Rechtswillens entnommen werden und wird

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Rechtswidrigkeit.

nur selten in einer einzigen Erklärung vollständig erschöpft. Beispiele solcher reinen Erklärungen von rechtmäßig und unrechtmäßig bieten die Staats­ verfassungen. Zumeist ist eine solche Erklärung aber aus Erklärungen anderen Inhalts erst zu erkennen, namentlich aus solchen, die die Folgen vorhandener Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit regeln, wie z. B. über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit im Privatrecht. Nicht lassen diese Folgen notwendig auch auf das Vorhandensein schon eines Gebots oder Verbots schließen, wie Nagler, Festschrift S. 370 annimmt. 4. Wie jeder Wille ein Streben nach einem Erfolg durch eigene Tätigkeit ist, Lipps, Fühlen, Wollen und Denken S. 136, so strebt auch der ordnende Wille der Gemeinschaft zur Verwirklichung des geordneten Z u st a n d e s der Gemeinschaft. Die Rechtsordnung soll zur Lebensordnung werden. Es bedarf daher der Mittel zu ihrer Verwirklichung. Wer aber sonst kann das vom Rechtswillen als ordnungsgemäß Festgestellte in die Tat umsetzen als der Mensch? Seiner Handlungen muß sich deshalb der ordnende Wille des Rechts bedienen und er schafft sich Mittel, um sich des Menschen Tätigkeit hierzu dienstbar zu machen, sein persönliches Wollen der Rechtsordnung gemäß zu gestalten. In dreierlei Weise nämlich sucht der Rechtswille der Gemeinschaft sein Ziel zu erreichen, in drei Formen oder durch drei Mittel verwirklicht er das, was er zuvor für rechtsgemäß und ver­ hindert er, was er für rechtswidrig festgestellt hat. Zum ersten übt per zur Rechtsmacht erhobene Gesamtwille in der Aus­ übung gegenüber dem Einzelnen Selbstbeschränkung, indem er Schranken für seine Einflußnahme auf die natürliche Betätigung des Ein­ zelnen setzt (die sog. Freiheitsrechte, Gewährungen). Zum andern erhebt er den Einzelnen zum Mitinhaber, zum Teilhaber seiner ordnenden Rechtsmacht, indem er ihm davon einen Anteil zuweist zur eigenen freien Betätigung und Verwirklichung dessen, was vom Gemeinwillen als der Ordnung gemäß als rechtmäßig anerkannt ist und zur selbständigen Ab­ wehr dessen, was darnach als rechtswidrig erscheint (die sog. subjektiven Rechte, vgl. Lobe, Unlauterer Wettbewerb I S. 145, 148 u. Gewerbl. Rechtsschutz 1917 S. 16). Zum dritten sucht der Rechtswille das von ihm als rechtsordnungsgemäß und rechtsordnungswidrig autoritativ Festgestellte dadurch durchzusetzen, daß er durch Erlaß von Geboten und Verboten die Gemeinschaftsgenossen unmittelbar zu einem das Rechtmäßige fördernden und das Rechtswidrige hindernden Tun verpflichtet. Damit stellt er neben die Freiheit und subjektiven Rechte die Pflichten. Nicht überall, wo der Rechtswille sich billigend oder mißbilligend erklärt, verstärkt er diese Erklärung durch ein ausdrückliches Gebot und Verbot. Denn einmal bezieht sich dieser ordnende Rechtswille nicht nur auf Handlungen der Menschen, so daß eine Begründung von Pflichten überhaupt nicht in Frage kommt, so namentlich im Privatrecht (Erbfolge, Vertretungsmacht usw.). Sodann kann der Gesetzgeber auch ohne Begründung einer subjektiven Verpflichtung dem ordnungsliebenden Tun der Genossen der Gemeinschaft vertrauen, das von der Gesamtheit als der Gemeinordnung gemäß Erklärte zu befolgen, das Widerrecht­ liche zu unterlassen. Oder er kann sich begnügen, mittelbar für ein recht­ mäßiges Tun zu sorgen, indem er gewisse nachteilige Folgen an das rechts­ widrige anknüpft oder es für rechtlich wirkungslos (nichtig) erklärt. So ist die Kuppelei nicht nur von der Sitte und der sittlichen Ordnung, sondern

1*

Einleitung.

4

auch von der Rechtsordnung gemißbilligt und für rechtswidrig erklärt. Eine durch ein Verbot geschaffene Verpflichtung, sie zu unterlassen, wird aber im StGB. § 180 nur für gewohnheitsmäßige und eigennützige Kuppelei begründet. Und eine gegen die guten Sitten verstoßende Handlung, die Schaden zufügt, wird im BGB. § 826 mittelbar auch hier der Rechtsordnung zuwiderlaufend erklärt, denn es wird die Rechtsfolge des Schadenersatzes daran geknüpft, also als rechtswidrig erachtet; ein unmittelbares rechtliches Verbot, sie zu unterlassen, besteht aber nicht, wie BGB. § 817 ergibt, wo der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot besonders von einer Handlung gegen die guten Sitten geschieden wird, Schoetensack, GS. 1915 S. 1 ff., 13, Oertmann, DIZ. 03 S. 327, Oetker, Vergl. Darst. Allg. T. I S. 264. D i e E r k l ä r u n g d e r R e ch ts w id r i g k e it und der rechtlichen Mißbilligung steht also selbständig neben dem Ge­ bot oder Verbot. Lobe, LZ. 1916 Sp. 640 ff. „Der objektive Tat­ bestand bildet das Wesen jeder Rechtsordnung, die äußere Störung führt zum Kampf gegen sie, die Erkenntnis der Unverträglichkeit bestimmter Aus­ gestaltungen menschlichenBerhaltens mit denBedürfnissen derRechtsordnung" — die also damit als schon vorhanden zugegeben wird — „bildet den Grund für die Aufstellung jeder Norm" — erklärt Binding Normen II S. 229, der im übrigen Gegner der vorgetragenen Ansicht ist. Mit Unrecht wird in den Rechtssätzen, die die genannten drei Formen begründen, die zur Verwirklichung des Rechtgemäßen und Verhinderung des Rechtswidrigen dienen sollen, das ausschließliche objektive Recht selbst erblickt und angenommen, daß es sich in ihnen erschöpfe. Es ist daher richtig, wenn gesagt wird, verboten werde nur das Rechtswidrige, Graf Dohna, Rechtswidrigkeit S. 27. Die Feststellung des Rechtswidrigen als Funktion des Rechtsordnungswillens erfolgt vor und neben der Schaffung von Freiheitsrechten (Gewährungen), subjektiven Rechten und Geboten und Verboten. Es ist zu eng, die autoritative Feststellung des Rechtmäßigen nur als Nebenfunktion von Normen aufzufassen, wie Nagler in der ange­ gebenen Festschrift tut, oder die „Rechtsunerträglichkeit" als bloßes Motiv des Normenerlasses, wie Binding, Normen II S. 231 will. Sie ist eine selbständige und zwar die primäre Funktion der Rechts­ ordnung. Sie ist das hinter allen besonderen Schöpfungsgebilden der Rechtsordnung ruhende, meist ungesetzte Recht s e l b st. Noch weniger ist das ganze objektive Recht einer Gemeinschaft ein bloßer „Komplex von Imperativen", wie Thon, Rechtsnorm und subj. Recht, und nach ihm viele andere meinen. Vgl. hierzu die Kritik Bindings in Krit. Vierteljahrschr. 21 N. F. 2 S. 542 ff. Wie sehr Rechtswidrigkeit und Verbotswidrigkeit ver­ schiedene Dinge sind, zeigt sich, wenn diese von jener ausdrücklich abhängig gemacht wird und über die Rechtswidrigkeit sogar das ausländische Recht die Bestimmung trifft. So find fremde Warenzeichen gegen Nachahmung durch inländische Verbote nur dann geschützt, wenn sie nach ausländischem Recht im Ursprungsland Schutz genießen, RGZ. 46,125. Neumayer, ZStRW. 23 441. Vgl. auch RGStr. 24 360, 27 135; 33 256. II. Verbote und Gebote.

Wie Freiheitsrechte und subjektive Rechte, so gibt es auch Verbote und Gebote aufallen Gebieten, deren Regelung durch die Rechtsord­ nung erfolgt, im Privatrecht so gut wie im öffentlichen Recht und Diszipli-

Verbot« und Gebote.

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narrecht. Man kann nicht sagen, daß alle Gebote und Verbote als solche dem öffentlichen Recht angehörten, sofern die Unterscheidung nach dem zu regelnden Gebiet, den in Betracht kommenden Beziehungen der Menschen vorgenommen wird. Richtig ist nur das Selbstverständliche, daß sie, wie alle Rechtssätze, ihren Ursprung im Gemeinwillen haben; RGStr. 4 13; RGZ. 53 400. A. M. Dinding, Normen I S. 59, 89, 242. Siehe aber daselbst S. 65, wo er die Norm des alten HGB. Art. 53 hervorhebt. Indem sie die unmittelbare Herbeiführung eines rechtmäßigen und unmittelbare Verhin­ derung eines rechtswidrigen Zustands, wie er durch menschliche Tätigkeit herbeigeführt wird, ins Auge fassen und sich auf diese be­ schränken, ergibt sich zweierlei: 1. Sie sind als Verbote von vornherein nur auf Verhütung rechtswidriger, d. h. objektiv gegen die Rechtsordnung in dem unter I dargelegten Sinne verstoßende Handlungen gerichtet, ebenso wie die Gebote die Herbeiführung nicht eines rechtlich gleichgültigen, vom Gemeinwillen der Regelung nicht unterzogenen Zustands, sondern eines rechtlich gebilligten, für rechtmäßig festgestellten Zustands bezwecken. Vgl. auch W. Rosenberg, Zur Reform des § 59 StGB, in ZStRW. 23 S. 217 ff. Es werden also Handlungen, die nach den Feststellungen der Rechtsordnung in Berücksichtigung auf die Gesamtheit ihrer Erklärungen überhaupt nicht rechtswidrig sind, gleichviel aus welchem Grunde, garnicht von den Verboten getroffen. Richt rechtswidrig im vorgen. Sinne kann insbesondere eine Handlung sein: a) beiNotwehr nach BGB. § 227, Notstand nach BGB. § 228 und 904 (über Verhältnis zu StGB. § 54 u. 52 vgl. daselbst) ;erlaubter Selbsthilfe nach BGB. §§ 229 ff.; 561 Abs. 1; 859 Abs. 3; 910 Abs. 1 u. 2. EGBGB. Art. 89 ff. ; b) bei bestimmter Berufsausübung. Vgl. Heimberger, Bergl. Darst. 4, 22. — Vgl. RGStr. 19 164. Hierher gehört auch die Tätigkeit des Arztes als Heilbehandlung, R. Schmidt, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arztes (1900) S. 26. Ebermayer, Zivil- u. strafrechtl. Haftung des Arztes für Kunstfehler (1918). Dagegen RGSt. 25 375, 38 34; c) nach Erziehungs- und Disziplinarrechten. Vgl. Kauf­ mann, Das Züchtigungsrecht der Eltern und Erzieher (1910); BGB. §§ 1631, 1634,1707,1800. RGStr. 43 277. Dagegen EGBGB. Art. 95. Ein Erziehungsrecht fremden Kindern gegenüber besteht nicht, darum auch kein Züchtigungsrecht; d) bei einem formellrechtmäßigenBefehl. Hegler, ZStRW. 36 215. Vgl. MStGB. § 47; e) bei bestimmten rechtlichen Ausnahmebefugnissen, wie nach StPO. § 127, StGB. § 193; f) bei Einwilligung in besonderen Fällen. Vgl. hierzu des Näheren A. Köhler, S. 402 ff. Sie ist nur dort bedeutsam, wo das in Frage kom­ mende Rechtsgut der freien Verfügung des Einzelnen anheimgegeben ist und nur in dem Umfange, als es der Fall ist. Unzutreffend ist es, hier die Denkform der Regel mit Ausnahmen an­ zuwenden. Hertz, Unrecht I S. 95. A.M. Binding, Normen I S. 127 ff., vgl. dagegen S. 166, wo im Verhältnis von Reichs- und Landesrecht eine solche

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Einleitung

Beschränkung zugegeben wird. Das Verbot der Tötung, wie es die Rechts­ ordnung aufstellt, erfaßt von vornherein nur die rechtswidrigen Tötungen und denkt nicht daran, Hinrichtungen des Scharf­ richters, Tötungen des Soldaten in der Schlacht als Ausnahmen anzusehen. Ebenso will das Verbot der Kör­ perverletzung nur die widerrechtliche körperliche Mißhandlung fassen und ergreift von vornherein nicht die körperliche Heilbehandlung des Arztes. Häufig hebt das Gesetz selbst noch ausdrücklich hervor, daß das Verbot, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, nur soweit sie widerrechtlich ist, d. h. gegen die objektive Rechtsordnung verstoßend oder gar ein subjektives Recht verletzend, erfassen will. Diese besondere Hervorhebung erfolgt lediglich aus praktischen und gesetzestechnischen Erwägungen in den Fällen, wo es ver­ hindern will, aus dem allgemein gefaßten Verbot den Schluß zu ziehen, daß mit ihm etwa zugleich erst eine Feststellung allgemeiner Rechtswidrigkeit verbunden werde. Die Hervorhebung bedeutet lediglich den besonderen Hinweis auf die jedem Verbot von selbst innewohnende Beschränkung auf eine objektiv rechtswidrige Handlung. So § 267, § 242, § 303, § 239. Daß das Verbot, einen Men­ schen einzusperren, an sich unbeschränkt laute und die Einsperrung etwa durch einen Gefängniswärter zur Vollstreckung rechtskräftiger Freiheits­ strafe nur eine Ausnahme hiervon sei, ist nicht die Meinung. Das Verbot richtet sich von vornherein nur gegen widerrechtliche Einsperrung, andernfalls müßte es selb st sagen, wann die Ausnahme von seiner Regel vorliegt. Die Frage, ob eine Einsperrung widerrechtlich ist oder nicht, wird aber weder von der Norm des § 239 noch überhaupt allein vom Strafrecht entschieden, sondern von der Gesamtheit der Vorschriften derRechts o r d n u n g, darunter einzelnen des Verwaltungsrechts, der Prozeßord­ nungen, des Familien- und Vormnndschaftsrechts usw., MEMayer S. 53. Vgl. RGStr. 37 127. Deren Vorschriften haben aber nicht den Zweck, Aus­ nahmen von einem Verbot des § 239 zu bilden, s i e bestehenviel­ leicht längst vor dem Verbote, sondern sind völlig unab­ hängig von ihm in Verfolgung selbständiger Zwecke, die der Regelung des ihnen unterliegenden Gebiets entsprechen. Daher ist zwar notwendig jeder ver­ botswidrige Tatbestand auch ein rechtswidriger, RGStr. 5 152, 29 403; keineswegs aber ein rechtswidriger immer auch ein verbotswidriger. Vgl. auch Graf Dohna, ZStRW. 07 S. 338. 2 Wollen die Verbote und Gebote menschliches Handeln herbeiführen oder verhindern, so müssen sie fähig sein, menschlichenWillen als Ursache menschlichen Tuns zu lenken und zu motivieren. Daraus folgt, daß sie sich nur an diejenigen Menschen richten können, von denen die Rechtsordnung selbst annimmt, daß ihr Wille durch das Gebot oder Verbot motiviert werden kann. Sie richten sich hiernach nur an Handlungsfähige, an solche, die fähig sind, ihre Handlungen normgemäß zu gestalten, Binding Normen II S. 133, 230; soweit Ver­ bote und Gebote des Strafrechts in Betracht kommen, an strafrechtlich Handlungsfähige, soweit Gebote und Verbote des Privatrechts, an pri­ vatrechtlich Handlungsfähige. Von andern kann Gehorsam nicht erwartet werden. So Hold v. Ferneck, Schoetensack, Binding u. a. Damit tritt neben das objektiv rechtswidrige Tun das pflichtwidrige, un­ botmäßige Handeln.

Straf«.

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III. Da- Strafgesetz mrd feine Bestandteile. 1. Im besondern tritt neben die Feststellung des Ordnungswidrigen dann ein Verbot seiner Verursachung an die Gemeinschastsgenossen, wenn durch ein solches rechtswidriges Tun nicht nur Rechtsgüter des Einzelnen, sondern zugleich das Gemeinwohl, die Interessen der Ge­ samtheit, die Lebensbedingungen der Gesellschaft verletzt werden oder wenn überhaupt nur solche in Frage kommen. Jhering, Zweck im Recht 1,490; Exner, Gesellschaftliche u. staatl. Strafjustiz. ZStRW. 1918 S. 16. Diese Interessen, deren Schutz die Gebote und Verbote dienen wollen, sind als Gemeinschastsinteressen auch gesellschaftlicher, sittlicher, wirtschaftlicher, allgemein kultureller Natur und darum auch und häufig sogar zuerst durch Gebote der Sitte, Sittlichkeit oder Religion geschützt. Zu Normen des R e ch t s aber werden sie dann, wenn auch dieRechtsordn u n g sie als i h r e Normen anerkennt und durch sie das Rechtgemäße fördern und Rechtswidrige hindern will. Etwas anderes wird auch von M. E. Mayer S. 47 nicht behauptet, wenn er alle Rechtsnormen auf Kulturnormen zurückführt, nur ist mit „Kultur" das Material, aus dem das Recht seine Normen formt, zu unbestimmt bezeichnet. Das Recht selbst ist ja eine Erscheinung und ein Bestandteil der „Kultur". Mit der Ausbildung besonderer rechtlicher Gehorsamsp f l i ch t e n gegen Verbote und Gebote des Gemeinwillens tritt aber nun sofort auch die Frage auf, wie sich die gebietende Rechtsmacht dem Un­ botmäßigen gegenüber zu verhalten habe. Nicht immer ist dies Ver­ halten ein gleiches gewesen. Es gab Zeiten, wo die Rechtsordnung darauf verzichtete, den Unbotmäßigen unter ihren Willen zu zwingen, ihn aber aus der Rechtsgemeinschaft ausschloß, wie heute noch der Ausschluß aus einzelnen Gemeinschaftsverhältnissen ohne weiteres die Ausübung einer Zwangsgewalt der Gemeinschaft beseitigt. Dies war der Fall bei der Rechts­ folge der Friedlosigkeit. Damit wurde der Rechtsbrecher aus der Rechtsgemeinschaft ausgeschieden und nunmehr der Rache des Verletzten preisgegeben. Die Rache aber steht außerhalb allen Rechts. Solange Recht, Religion und Sitte ferner noch ein ungeschiedenes Ganzes waren, tritt auch nur eine Gesamtreaktion ein, die in der Regel die Natur des vorherrschenden Bestandteils annimmt, meist religiöser oder durch die Sitte bestimmter Art ist. Aber auch bei allmählichem Selbständigwerden des Rechts und seiner weiteren Entfaltung und der Scheidung von religiösen und Sittenvorstellungen läßt häufig noch das Recht die Reaktionen der Sitte oder Religion für seine Reaktionen Vikariieren, bis erst mit Erreichung eines gewissen Grades der Vollendung auch der Organisation staatlicher Macht die Rechtsordnung als Gemeinwille selbst in eigenartiger Weise auf die Unbotmäßigkeit gegen feine Befehle reagiert: in der Strafe. Nagler, Die Strafe S. 82. Sie tritt als besonderes Rechtsgebilde neben die der Verhütung und dem Ersatz die­ nenden Rechtseinrichtungen bei widerrechtlichen Handlungen, indem sie Vergeltung üben will. Sie ist hiernach keine persönliche Genugtuung des verletzten Inhabers des Rechtsgutes, keine Entgeltung für seinen Rechts­ nachteil, keine Ablösung für die Friedlosigkeit, keine bloße Mißbilligung, kein Tadel. Vergeltung ist Zufügung eines Übels als Mittel psychischer Einwirkung auf den W i l l e n eines andern mit dem doppelten Zweck, diesem gegenüber einmal die Macht des eigenen Willens

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Einleitung.

zu behaupten, und weiter dadurch einen Ausgleich für das durch dessen Mißachtung verletzte Gefühl der Minderung eigner Persönlichkeit zu bringen. Sie dient also der Durchsetzung der eignen Persönlichkeit gegen Schmälerungen durch andre vermittels entsprechender Schmälerung dieser. Der Begriff der Verhältnismäßigkeit ist dem der Ver­ geltung daher immanent. Das primitivste Bemessungsprinzip dieser Ver­ hältnismäßigkeit bildete allezeit und noch heilte für das natürliche Gefühl die T a l i o n. Ein Rest hiervon ist die T o d e s st r a f e. In der Natur der Vergeltung selbst ist nun nicht schon inbegriffen, daß der Vergeltende eine übergeordnete Stellung gegenüber demjenigen ein­ nimmt, an dem er die Vergeltung ausübt. Vielmehr ist diese auch bei gleich­ wertigen und gleichstehenden Persönlichkeiten gegeben. Soll die Vergeltung zur Strafe werden, muß daher noch etwas weiteres hinzutreten; daß die Vergeltung geübt wird von einer dem andern übergeordneten Persönlichkeit. Sie ist Reaktion nicht eines gleichstehenden, sondern eines übergeordneten Willens und erfordert daher ihrem Begriffe nach, daß sie dem Ausgleich des durch Unbotmäßigkeit verletzten Macht­ gefühls eines Übergeordneten dient. Liegt das Moment des Ungehorsams daher im Begriff der Strafe und ist ohne ihn Vergeltung keine Strafe, so wird die Berhältnismäßigkeit der Vergeltung doch nicht in erster Linie nach der Stärke des unbotmäßigen Willens, sondern nach der Größe der Schmäle­ rung, die die reagierende mißachtete Persönlichkeit erleidet, bemessen. Und diese bestimmt sich nach dem Interesse, das sie an der Befolgung ihrer Gebote hat und damit nach dem Werte des Rechtsguts für sie, das die verbotswidrige Handlung verletzt. Hiernach setzt jede Strafe, die als Vergeltung ein Mittel für psychische Einwirkung auf den Willen des andern ist, einen unbotmäßigen, dem Gebot oder Verbot des übergeordneten Willens zuwiderlaufen­ den Willen voraus, die R e ch t s st r a f e also, um die es sich hier handelt, eine Zuwiderhandlung gegen die durch die Rechtsnormen begründeten Rechtspflichten durch Auflehnung gegen ihre Verbote und Gebote. Ob und in welcher Weise der übergeordnete Rechts­ wille mit seiner Rechtsmacht reagieren will, hängt aber durchaus von Zweck­ mäßigkeitsgründen ab. Wenn auch die Rechtsordnung sich im ganzen der Strafe nicht enthalten kann, um ihren Rechtswillen als einen übergeordneten zu behaupten, so sind doch im einzelnen Gründe der Zweckmäßigkeit entscheidend. Nagler, Die Strafe S. 579. Dabei ist insbesondere zu bedenken, daß die Strafzufügung für den Staat selbst ein Übel bedeutet und daher immer zu erwägen ist, ob allgemeine kriminalpolitische Erwägungen notwendig machen, dieses Übel dem Staate aufzuerlegen. Auch die Art der Strafzu­ fügung wird hiervon mit bestimmt. Zugleich bemißt sich diese aber auch nach den herrschenden Anschauungen der Kultur und Sitte, die im allgemeinen zu Milderungen geneigt ist, eine Neigung, die freilich ihre Grenze finden muß an dem Zweck der Strafe, den unbotmäßigen Willen zu brechen. Ist die Strafe Vergeltung und soll sie dem Ausgleich verletzten Macht­ gefühls dienen, so setzt sie zwar das Vorliegen eines unbotmäßigen Willens gegen die Gebote und Verbote voraus, ist begrifflich aber nicht davon abhängig, daß die Verhängung der Strafe dem Rechtsbrecher auch als Vergeltung für seine Unbotmäßigkeit angedroht war. Wie es in der freien Entschlie­ ßung der Rechtsmacht steht, ob sie für die Nichtachtung ihrer Gebote Ver-

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geltung üben will, so kann die Vergeltung auch geübt werden, ohne daß sie vorher angedroht war. Die Androhung der Strafe als Vergeltung ist nicht notwendige Voraussetzung ihrer Verhängung, im Gegensatz zum Gebot oder Verbot, das selbstverständlich vor der Handlung liegen muß, wenn diese eine Zuwider­ handlung gegen das Verbot oder Gebot sein soll. Daher ist zwar Adressat der Gebote und Verbote der Rechtsordnung immer nur der Rechtsunterworfene, nicht das Gericht, wie Binder, Rechtsbegr. u. Rechts­ idee (1915) S. 188 meint, die Rechtssätze aber, die bestimmt sind, Strafen als Vergeltung für die Zuwiderhandlungen gegen die Verbote festzusetzen, begründen an sich nur die subjektiven Rechte des Staats zu strafen und knüpfen dieses Recht allein an die vorausgegangene Normübertretung. Nicht ist es daher auch begrifflich ausgeschlossen, daß dieses subjektive Recht gewährt wird, nachdem bereits die verbetwidrige Handlung verübt wurde. So ist es tatsächlich auch geschehen in RGes. v. 17. VIT. 1881, indem es seine Strafrechte bereits auf die Zeit vcr seinem Erlaß, auf den 1. VII. 1881 zurückverlegt, Binding Hdb. I S. 289; Nagler, Die Strafe S. 586. Wenn gleichwohl die neueren Strafgesetze die Ver­ hängung einer Strafe davon abhängigmachen, daß auch die Straf­ drohung vor der Tat erfolgt sein muß, so sind das Billigkeitsnnd staatsrechtliche Zweckmäßigkeitserwägungen, die dazu geführt haben. Insbesondere wird hierfür auch von Bedeutung, daß die Gebote und Verbote nunmehr durch vorgängige Androhung der Straffolgen verschärft sind, um durch diese allgemeine Drohung die Wirksamkeit der Verbote, vorbeugend zu wirken, zu verstärken, Rechtspr. 117. Vgl. hierzu StGB. § 2 und die Erläuterungen daselbst. 2. Hiernach bilden das Verbot oder Gebot einer Handlung und die an seine Zuwiderhandlung geknüpfte Festsetzung einer Straffolge die u n l ö s lich zusammengehörigen beiden Bestandteile des Strafgesetzes. Weder das Gebot oder Verbot noch die Strafsatzung bilden für sich allein das „Strafgesetz". Erstere nicht, weil das wichtigste hierzu fehlt, die Strafandrohung; letztere nicht, weil sie keinen Inhalt haben würde. Es kann keine Strafe gedroht werden als Vergeltung, ohne daß zugleich bestimmt würde, wofür Vergeltung verübt werden soll. Daher kön­ nen zwar Verbote und Gebote auch selbständig ohne Zusammenhang mit einer Strafandrohung bestehen, eine Strafandrohung ohne jene aber niemals. Nur Norm und Strafsatzung vereint bilden das „Strafgesetz" im Sinne des StGB. Dies schließt freilich nicht aus, daß die g e s e tz e s technische Gestaltung eines Strafgesetzes auch in einer Form ge­ schehen kann, die sowohl den Bestandteil der Norm als die der Strafsatzung einzeln für sich bildet und zum Ausdruck bringt. Das ändert aber nichts daran, daß erst in ihrer Zusammenfügung das ganze Strafgesetz vorliegt. Zuweilen wird das Verbot oder Gebot nicht ausdrücklich als solches bezeichnet, sondern nur mittelbar erkennbar gemacht, indem nur die verbotene Handlung als Voraussetzung der Strafzufügung beschrieben wird. Dieser Form huldigt in der Regel das StGB., da es sich bei ihm meist um einen althergebrachten Normenbestand handelt, so daß es des Umstandes, daß die gekennzeichnete Handlung durch einen Rechtsbefehl geboten ?ber verboten sei, ebensowenig erst bedarf, wie der Darlegung, daß sich dieser Bekehl auf eine objektiv rechts­ widrige Handlung beziehe, über die Selbständigkeit der Norm gegenüber

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Anleitung.

der Strafsatzung und beide als Bestandteile des Strafgesetzes vgl. nament­ lich Binding, Normen I S. 3 ff. Nur wenn eine neue Rechtspflicht austritt, wird auch die ausdrückliche Aufstellung eines sie begründenden Gebots oder Verbots erforderlich, Binding, Normen 1 S. 142. Auch der Umstand, dos; das Verbot nicht nur öffentlich-rechtlicher Natur ist, sondern auch dem Privat­ recht angehört und neben den Strasfolgen auch privatrechtliche Folgen an die Zuwiderhandlung geknüpst werden, läßt eine ausdrückliche Hervor­ hebung zweckmäßig erscheinen, so im UWGes. Deshalb bevorzugen die straf­ rechtlichen Nebengesetze die äußerliche Trennung des Verbots und Gebots von der ,ür ihre Zuwiderhandlung angeordneten Strafdrohung. So Weingcs. § 9: „es ist verboten, Wein nachzumachen" und § 26: „mit Gefängnis wird bestraft, wer vorsätzlich den Vorschriften des § 9 .... zuwiderbandelt". Erst die Verbindung des § 9 und des § 26 bildet nun das „Strafgesetz", nicht etwa § 26 allein. Durch die Bezugnahme der Sträfsotzung werden die Normen zum unlöslichen Bestandteil des Straf­ gesetzes, die Stralsatzung würde ohne deren Einfügung jedes greifbaren Inhalts entbehren, RGStr. 37 391, 3D 325/15 28. VI. 1915 (LZ. 1915 S. 1230 s). Eine noch weitere, nicht bloß räumliche, sondern auch zeitliche Trennung der zueinander strebenden Bestandteile eines Strafgesetzes findet sich in den sog. Blankettstrafgesetzen oder Blankostraf­ gesetzen; Binding, Normen I S. 162; Oetker, GS. 64 S. 155; Beling, Lehre vom Verbrechen S. 162; Neumann, Das Blankostrafgesetz (1908). Hier wird ebenfalls in der Strafsatzung auf ein außer ihr liegendes selb­ ständiges Verbot oder Gebot verwiesen. Der Umstand aber, daß diese bei Erlaß der Strafsahung bereits bestanden oder erst später erlassen werden, daß sie häufig von andern Machtquellen ausgehen, als die ist, die die Straf­ satzung erläßt, ändert daran nichts, daß erst beide zusammen das „Straf­ gesetz" bilden. Alles, was RGStr. 37 391 so zutreffend sagt, gilt mit völlig gleichem Recht auch von den Blankettstrafgesetzen. Mit der Behauptung, das Blankettstrafgesetz „setze eine solche Norm voraus", 4D 702/15 7.1.1916, ist daher nichts dagegen bewiesen, daß erst mit der Norm zusammen ein voll­ ständiges Strafgesetz vorliegt. Denn jede Strafdrohung setzt ein Verbot vor­ aus. Durch seine Bezugnahme erhebt die reichsgesetzliche Strafsatzung auch das nicht reichsgesetzliche, vielleicht nur verwaltungsrechtliche Verbot eine­ bundesstaatlichen Organs, eben zum Bestandteil eines Reichsstrafgesetzes. Dies wird vom RG. in seiner Rechtsprechung ver­ kannt und es werden daber daraus zu StGB. § 2 Abs. 2 und in der Beurteilung der Unkenntnis des Berbotenseins einer Handlung unrichtige Schlüsse gezogen. Vgl. zu S*GB. § 2 Abs. 2. 3. Außer der Angabe der Merkmale der Missetat (Delikt), die die „Tat­ umstände des gesetzlichen Tatbestands" im engeren Sinne bilden und die zugrunde liegende Norm erkennen lassen, enthält der erste Teil jedes Straf­ gesetzes, der Tatbestand im weiteren Sinne auch noch die Angabe von a) Merkmalen, die die Strafbarkeit überhaupt oder ihre Erhöhung oder Minderung betreffen; die sog. Strafbarkeilsmerkmale vgl. Binding, Normen I S. 194 ff. b) Merkmalen, die eine zweite, neben die Normübertretnng gestellte Vor­ aussetzung für die Strafe bilden. Daher spricht in diesen Fällen Binding, Normen I S. 232 von doppelt bedingten Strafdrohun­ gen, vgl. auch Franke Goltd.Arch. 20 S. 33 ff.: hierher gehört z. B.

die verbürgte Gegenseitigkeit, Rechtspr. 3 S. 459. Zu unterscheiden von den Bedingungen für die Entstehung des S t r a f a n s p r u ch s find die Boraussetzungen für die Entstehung eines Strasklagrechts aus dem entstandenen Anspruch, z. B. Auslösung der Ehe, RGStr. 15 122; Strafantrag, Ermächtigung.

IV. Zusammentreffen mehrerer Strafgesetze (Gesetzeskonkurrenz). 1. Mehrere Strafdrohungen nebeneinander für die Zu­ widerhandlung gegen eine und dieselbe Norm. Dann sind nicht mehrere „Strafgesetz?" i. S. von § 73 verletzt, weil diese Vorschrift unter Strafgesetz den gewöhnlichen Begriff versteht, wonach Strafgesetz die Zusammenfügung von Norm und Strafsatzung ist. Hier aber liegen nicht mehrere Normen, sondern nur eine vor. Daher kein Zusammentreffen mehrerer strafbaren Tatbestände: keine Deliktskonkurrenz, sondern ebei» nur ein Zusammentreffen von Strafsatzungen. Ob ein und dasselbe Gebot oder Verbot vorliegt, entscheidet nicht nur, ob die verbotene Handlung äußerlich sich als dieselbe Tätigkeit darstellt, sondern auch, ob sie ein Angriff auf dasselbe Rechtsgut ist. a) Wenn mehrere Blankettstrafgesetze durch dieselbe Norm ausgefüllt werden cder dieselbe Norm im Blankettstrafgesetz und in be­ sonderem Gesetz ihre Strafdrohung findet, z. B. das Einfuhrverbot nach Ges. v. 3. VI. 00 §§ 26 Nr. 1, 27 Nr. 4, 28 und durch Bereinszollgesetz v. 1. VII. 1869; vgl. RGStr. 49 127. Hierzu Reichardt GS. 84 S. 14. — Ferner Hoffmann in Stenglein, Nebenges. Bd. 2 zu BzGes. § 134. Dann finden beide Strafandrohungen nebeneinander An­ wendung, soweit sie Strafen enthalten, die kumuliert werden können, wie nach Bzges. § 134 die Konfiskation. Wenn die mehreren Strafdroh­ ungen für Zuwiderhandlungen gegen ein und dieselbe Norm die g l e i ch e Strafe androhen, dann ist es gleichgültig, nach welcher die Strafe zngemessen wird: die Strafdrohungen stehen dann im Verhältnis der Alternativität. So wurde vollendeter Mord eines Bundes­ fürsten sowohl nach § 211 wie nach § 80 mit dem Tode bestraft. Wer mit Dynamit ein Wohnhaus in die Luft sprengt, wird in § 5 des Spreugstofsges. v. 9. VI. 1884 und nach §306 StGB, in gleicher Weise mit Zucht­ haus bestraft. Ferner § 298 u. SeemO. § 81. Keine Alternati­ vität: § 348 Abs. 2 zu § 133, RGStr. 2 425; § 257 zu § 120 (wegen Verschiedenheit des Rechtsguts, RGStr. 7 244). Binding Hdb. I S. 352. Wenn jedoch die Strafrahmen verschieden sind, so findet stets derjenige Anwendung, der die härteren Strafen androhte, wo­ bei aber nicht §73 entsprechend angewendet werden darf. Binding Hdb. I S. 350. Vgl. auch den eigenartigen Fall unter 2 B. b) Wenn die Normen des ausländischen und des inländischen Rechts ihrem Inhalte nach gleich sind, somit nur eine verbotswidrige Handlung vor­ liegt, aus ihr aber sowohl für den ausländischen Staat wie für das In­ land je ein Strafanspruch entsteht. Vgl. zu StGB. §§ 4 und 5. Binding Hdb. I S. 440. Dann findet jede Strafdrohung grundsätzlich unabhängig von der andern Anwendung, es entsteht aus derselben Straftat für jeden Staat ein selbständiger Strafanspruch. Aus Billigkeitsgründen wird aber die Strafe nur einmal vollstreckt. c) Wenn die Zuwiderhandlung gegen dieselbe Norm durch verschiedene

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Strafrahmen bedroht ist, die nach verschiedenen die Zuwiderhandlung begleitenden Tatumständen erhöhend oder vermindernd abgestust sind, wenn sonach die verschiedenen Tatbestände verschiedene Straf­ barkeitsmerkmale (IJI3a) enthalten. Binding I S. 353; RGStr. 2 279; 31 150. — Rechtspr. 1® 333 nimmt dagegen zu Unrecht zwischen § 242 und § 243* Jdealkonkurrenz an! So auch bei Versuch RGStr. 15 281. Ebenso wenn jemand bewaffnet im Rückfall einen Einbruchsdiebstahl verübt, eine Kuppelei aus Eigennutz unter Anwendung von hinterlistigen Kunstgriffen beg'ht. Bon RGStr. 42203 wird allerdings hier Jdeal­ konkurrenz angenommen. Ferner Verhältnis von KO. § 209 zu § 210. Es liegt nur eine strafbare Handlung, eine Straftat vor, die bestraft wird nach der härtesten Strafdrohung; die übrigen Qualifikationsmerk­ male wirken nur innerhalb dieses Strafrahmens als Strafzumessungsgrund. 2. Mehrere Normen treffen in der Weise zusam­ men, daß die ei ne begrifflich die andere mit um­ faßt, diese letztere sich nur als besonderer Fall von ihr dar­ stellt. Fall der Spezialität. Dann gilt die Regel, lex specialis derogat legi genera'i. Der vom Sondergesetz geregelte Tatbestand deckt sich voll­ ständig mit dem des allgemcinen Gesetzes, jenes verdrängt aber dieses und will allein gelten. RGStr. 4 106, 6 243, 7 116, 9 261, 12 223, 14 386, 17 203. Aus diesem Grunde wird hier von manchen das Borliegen einer Konkurrenz überhaupt verneint, Bünger ZStRW. 8 865; Wachenfeld 105, Allfeld 260, ohne daß in der Sache eine Meinungsverschiedenheit bestünde. RGStr. 14 384 So nimmt RGStr. 41 277 z. B. an, daß der Tatbestand des § 186 der besondere des Gattungsdelikts des § 185 sei und daher keine Jdealkonkurrenz statthabe, ebenso RGStr. 24 269, 41 286. Anders in be­ sonderem Fall RGStr. 41 61. Bekannte Fälle der Spezialität sind § 370 Nr. 5 und § 363. Wegen § 180 und § 181 a RGStr. 35 56, 39 29, 41 340, § 370 Nr. 5 gegenüber § 249, RGStr. 17 203; § 239 zu § 240. Die Frage, ob der Tatbestand des § 176* gegenüber dem von § 185 (tätliche Be­ leidigung) der engere sei, wird von RGStr. 19 250,45 344 bejaht, von RGStr. 24 202, 46 302 verneint.

V. Subsidiarität der Strafgesetze. Verschieden hiervon ist die Subsidiarität der verschiedenen Strafgesetze und der in ihnen enthaltenen Normen und Strafsatzungen. Binding I S. 355. Auch hier können subsidiär sein

A. Die Normen. a) Wenn dieielbeHandlung nur soweit verboten wird, als sie nicht bereits durch ein anderes mit Strafdrohung versehenes Verbot getroffen wird; so ist § 49a subsidiär den §§ 85, 110, 111, 112, 159, RGStr. 9 261, 29 12, das hinsichtlich § 333 die Subsidiarität von § 49a verneint. Häufig wird in den Strafgesetzen selbst die Subsidiarität betont, so BerZollGes. § 134, RGStr. 38 386, 44 1. b) Wenn die eine Handlung nur dann verboten werden soll, wenn eine andere Handlung nicht ebenfalls verboten ist und bereits einen Strafantrag erzeugt hat. Das kann stattfinden bei Verboten der ge­ ringeren Verletzung (Körperverletzung) gegenüber der weitergehenden Verletzung (Tötung); bei Verboten der Gefährdung (Vergiftung nach § 229, Hetzen von Hunden § 366 Nr. 6) eines bestimmten Rechtsguts

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gegenüber dem Verbot seiner Verletzung (Tötung bezw. Körperverletzung); Herausforderung zum Zweikampf gegenüber Verübung des Zwei­ kampfes, Tötung gegenüber Zweikampf, NGStr. 42 420. über Aus­ setzung vergl. Binding I S. 358. Sofern es sich um Erzeugung einer Gemeingefahr handelt, liegt jedoch Jdealkonkurrenz vor, weil hier zwei verschiedene Rechtsgüter in Betracht kommen, ebenso wenn die Handlung zwecks Generalprävention ohne Beziehung auf ein bestimmtes Rechtsgut verboten ist (rasches Fahren) gegenüber der hierdurch verursachten verbotenen Verletzung. c) Wenn es sich um Zuwiderhandlung gegen verschiedene Normen handelt, die alle einen einheitlichen Zweck bei dem Nechtsgüterichutz verfolgen, wie es bei den verschiedenen Verboten der Fall ist, die alle etwa im Bank­ bruch zusammengefaßt sind, RGStr. 6 94. Hierher gehört auch der Fall, daß ein militärisches Verbot aus § 9b des BelZGes. inhaltlich den gleichen Tatbestand anfstellt, wie er bereits in der Verbotsnorm eines bestehenden Strafgesetzes vorgesehen ist. Dann kommt dasjenige allein zur An­ wendung, das die höhere Strafe androht, ID 498/17 7. I. 1918. B. Nur die Strafdrohungen sind subsidiär. Wenn es sich um verschiedene Teilnahmeformen und um verschiedene Entwicklungsformen bei der Zuwider­ handlung gegen dieselbe Norm handelt. So sind alle Strafdro­ hungen für den Versuch denen der Vollendung, der Vorbereitung ge­ genüber dem Versuch und der Vollendung, RGStr. 19 15, so Nr. 5 gegen­ über Nr. 1 u. 2 des § 1 Preistreiberei VO. v. 8. V. 1918, RGStr. 51387, subsidiär. Dasselbe gilt auch, wenn der V e r s n ch oder die Vorberei­ tung zur selbständigen Straftat ausgestaltet worden sind. Eine Aus­ nahme von der Subsidiarität muß aber in folgendem Fall angenommen werden. Sofern die Handlung, soweit sie sich noch im Sta­ dium des Versuchs befindet, Strafbarkeitsmerkmale zu verwirklichen ver­ sucht, die die Strafe erhöhen würden, wenn sie verwirklicht worden wären, sie sich dann aber ohne diese Verwirklichung zu vollenden in die Verwirk­ lichung eines Tatbestandes und seine Vollendung fortseht, die die Straf­ barkeitsmerkmale nicht mehr enthält, z. B. ein Diebstahl wird versucht zu­ nächst mittels Erbrechens von Behältnissen und dann unter Abstandnehmen hiervon (weil der Schlüssel hierzu gefunden wird) vollendet als einfacher Diebstahl, so kann nicht angenommen werden, daß die härtere (Zuchthaus) Strafe für den Versuch gegen die mildere (Gefängnis) Strafe der Vollen­ dung hat zurücktreten wollxn. Es liegt aber auch nicht Jdealk. nknrrenz vor, wie RGStr. 15 281 annimmt, denn es kommt nur eine Straftat, vollen­ deter Diebstabl, kein Zusammentreffen von versuchtem Diebstahl mit voll­ endetem Diebstahl, in Betracht. Für diesen vollendeten Diebstahl aber liegt Gesetzeskonkurrenz zwischen den Strafsatzungen für qua­ lifizierten versuchten und für vollendeten einfachen Diebstahl vor, lediglich die Strafrahmen des § 243 Nr. 2, § 44 und die des § 242 treffen zusammen. Es ist deshalb wegen vollendeten (nicht versuchten) Diebstahls i. S. von § 242 aber aus dem Strafrahmen des § 213 Nr. 2 § 44 als dem härteren die Strafe zu entnehmen, gemäß der Regel nach la. Ebenso ist, wenn vollendeter einfacher Diebstahl in versuchten schweren Diebstahl übergeht, nur wegen des letzteren zu strafen, Binding I S. 547. Die Straf-

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drohungen für Anstiftung und Beihilfe sind denen für die T ä t er­ schuf t gleichfalls subsidiär, RGStr. 8 247, 10 406, 26 199, 27 273, 33 401, 44 208, 47 372, (Rechtspr. 9 631 wird aufgegeben). Bei mehrfacher Be­ teiligung einer Person an derselben Straftat kommt nur diejenige Teilnahnahmeform in Betracht, die mit der schwersten Strafe bedroht ist, RGStr. 38 401. VI. Aufzehrung ^Konsumtion) einer Strafdrohung durch eine andere. Binding I S. 363; Lent, Die Gesetzeskonkurrenz 1, S. 17. Dieser Fall ist von der Gesetzeskonkurrenz zu scheiden, RGStr. 47 388. Aufzehrung findet statt: 1. Wenn verschiedene strafbare Tatbestände zu einem neuen einheit­ lichen Delikt zusammengesetzt worden sind, so geht die besondere Strafdrohung für die Einzeltaten in der Strafdrohung für die aus ihnen zusammengesetzte Straftat unter. Die als Mittel zur Durchführung der ganzen Tat dienende Einzeltat verschmilzt mit dieser zu einet. Einheit, wenn sie zu den gesetzlichen Merkmalen des zusammengesetzten Tatbestandes gehört. Z. B. die Straf­ drohungen wegen Nötigung und wegen Diebstahl werden durch die Straf­ drohung wegen Raub aufgezehrt, die des Hausfriedensbruchs durch die Strafe wegen Einbruchsdiebstahls RGStr. 11 166, 9 81, 40 430. Dagegen RGStr. 3 14, 24 272,15 14. — Verneint bei schwerem Hausfriedensbruch, weil dieser jedenfalls nicht vom Gesetz als notwendige oder auch nur regel­ mäßige Begehungsform von Einbruchsdiebstählen vorausgesetzt werde, RGStr. 47 27. Dieser Fall liegt auch bei dem Tatbestand des Kollek tivdelikts vor, RGStr. 4 390, 8 16, 24 243. Zuweilen hat der Gesetz­ geber aber es unterlassen, einen zusammengesetzten neuen Berbrechenstat­ bestand aus zwei bereits vorhandenen andern Berbrechenstatbeständen zu bilden, setzt aber stillschweigend voraus, daß die Bestrafung wegen Verwirk­ lichung des einen zugleich die Bestrafung wegen Verwirklichung des andern in sich begreift, nämlich dann, wenn diese als das dem gewöhn­ lichen Hergang entsprechende Mittel und als regelmäßig vorhanden vom Gesetz angenommen wird, RGStr. 24 272; z. B. erfolgt die unerlaubte Brieföffnung nach § 299 nicht notwendig, aber nach dem ge­ wöhnlichen Lauf der Dinge regelmäßig durch Sachbeschädigung und es findet daher keine besondere Strafe aus § 303 statt. So liegt der Fall auch in der Regel bei der Aufforderung des späteren Hehlers an den Dieb, ihm die zu stehlende Sache zu bringen. In der Praxis wird hier meist Handlungseinheit angenommen, 4D 326/17 2. VII. 1917, zuweilen auch Realkonkurrenz, RGStr. 32 394, 19 354. Ferner Rechtspr. 9 S.,197. Richtiger dürfte vom Gesichtspunkt der Konsumtion auszugehen sein, insofern die Anstiftung zum Stehlen als das häufige Mittel zur Erlangung der gestohlenen Sache erscheint. 2. Bei den sog. Nachhandlungen, durch die kein neuer Eingriff in ein anderes Rechtsgut verübt, vielmehr nur der bereits vollendete Eingriff in dasselbe Rechtsgut weiter, wenn auch durch neue, an und für sich verbotene Einwirkungen, ausgenutzt wird. So ist z. B. die Abhebung der Beträge aus einem gestohlenen Sparkassenbuch nur die Ver­ wirklichung des Genusses, kein neues selbständiges Delikt, RGStr. 39 239, 43 60, 49 16; 4D 693/17 9. IX. 1917. Ebenso kann die Sachbeschädigung an der gestohlenen Sache nicht neben der Diebstahlsstrafe mit Strafe belegt werden, ferner Verfügung über eine gehehlte Sache, die nur ihrer

Konsumtion. — 5)et Will«.

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Verwertung dient, RGStr. 3t 239,4 D 322/16 20. VI. 1916.— Vgl. Zimmer, Der Zueignungsbegriff S. 140. 3. Stehen neben der Verletzung, eines bestimmten Rechtsgutes noch bestimmte Gefährdungshandlungen ebendesselben unter Strafe (Aussetzung, Zweikampf — Tötung), se gehen letztere in ersterem auf, wenn sie als Mittel zur Begehung der ersteren verübt werden. Der Vor­ satz aller Gefährdungsdelikte ist gleichzeitig ein bedingter Vorsatz für eine Verletzung. Sind Polizeiübertretungen nicht reine Ungehorsamsdelikte oder kommt ihnen keine Subsidiarität zu, so kann bei ihnen ebenfalls diese Konsumtion eintreten, z. B. bei § 368 Nr. 5. Binding Hdb. I S. 363 und die Gefährdungshandlung im GS. 86 S. 369.

VII. Der Wille. Wenn Gebote und Verbote dem Rechtsgüterschntz und der Verwirk­ lichung der Rechtsordnung dadurch zu dienen suchen, daß sie der Ordnung gemäße menschliche Handlungen herbeiführen, ihr widersprechende verhin­ dern, so können sie dies nur, wenn sie die Willen der Menschen als die Ur­ sachen ihres Handelns beeinflussen. 1. Es ist daher zu fragen, wie wird der menschliche Wille Ursache einer Handlung. Die Beantwortung dieser Frage ist die gleiche für unverbotene wie für verbotene Handlungen, daher insoweit zunächst vom rein psycho­ logischen, nicht juristischen Standpunkt aus zu untersuchen. Graf Dohna, ZtschrStrW. 07 S. 331. Von Binding, Normen II S. 334II wird dies perhorresziert. Diese Feststellung ist jedoch noch nicht gleichbedeutend mit der Feststellung, daß die Handlung selbst und die von ihr etwa weiter ver­ ursachten Erfolge auch gewollt sind. Dagegen nimmt Binding, Normen II S. 317 an, weil der Wille das kausale Moment im Menschen sei, sei das vom Menschen Verursachte stets gewollt, möge er es sich vorgestellt haben oder nicht. Vgl. hierzu M. E. Mayer S. 112. Die Bewegung der Körper­ teile wird durch die sog. motorischen Nerven hervorgerufen, die ihre Er­ regung vom Rückenmark und Hinterhirn aus finden und insoweit auf einem Wollen als seelischem Vorgang nicht beruhen. Nur solche Bewegungen sind vom seelischen Vorgang des Wollens verursacht, die auf den sogen. Pyra­ miden- oder Willensbahnen, die die Großhirnrinde mit dem Rückenmark verbinden, vonderGrrßhirnrinde aus als deren äußere körper­ liche Seite des inneren seelischen Seins angeregt werden. In welcher Weise diese Übertragung erfolgt, entzieht sich unserer Kenntnis. Immerhin kann sie als Entladung eines seelischen Spannungsverhältnisses angesehen werden, das bei demWillensvorgang entsteht, Lipps, Fühlen, Wollen, Denken, S. 153; Wundt, Völkerpsychologie Bd 9 S. 219 ff. Diese Erregung dec motorischen Nerven durch einen inneren Willensvorgang (Innervation) ist die in der materiellen äußeren Erscheinungswelt erkennbare Ursache von Kör­ perbewegungen, die ihrerseits wieder in der inneren Willenstätigkeit der Seele ihre Ursache findet. Sowohl die Willensvcrgänge wie ihre Auswirkung durch Innervation auf die motorischen Nerven können nun auch ftattfinden, ohne daß man sich des Wollens und der Verursachung durch es bewußt ist. Auch ein unbewußtes Wollen kann ursächlich für eine Körpertätigkeit und die hierdurch weiter ver­ ursachte Folge sein. Es sei an die hochgradigen Affektzustände erinnert, an „gedankenloses", d. h. solches Tun, bei dem sich dessen verur-

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Einleitung.

fachendes Wollen nicht int Blickpunkt des Bewußtseins befindet, an die zahlreiche Willensimpulse erfordernden komplizierten Tätigkeiten nach er­ folgter Einübung, bei der man sich der anregenden einzelnen Willensimpulse nicht mehr bewußt wird, Wundt, Völkerpsychologie Bd.9, S. 292. Noch weni­ ger ist erforderlich, daß die weiterenAuswirkungen des durch Willensregungen verursachten Handelns, die nach den naturgesetzlichen Kausalzusammenhängen hervorgebracht werden, bei der Innervation bewußt geworden sind. 2. Wird das Wollen als seelisches Geschehen und dessen Erregung auf die motorischen Nerven (Innervation) als innerer Vorgang und die ihm folgende Tätigkeit als äußerer Vorgang w a h r g e n o m m e n, d. h. tritt alles dies in den Blickpunkt des Bewttßtseins,soist damit auch die Möglichkeit gegeben, diese Wahrnehmungen alsErinnerungsbilder zu reproduzieren, d. h. Vorstellungen von ihnen sich zu schaffen, Lipps, Fühlen, Wollen, Denken S. 126. Es gibt keine unbewußten Vor­ stellungen, wie Metzger, Jurist als Psychologe in GS. 85 (1917) S. 363 ff. annimmt, wohl aber unbewußte gefühlsmäßige Nach­ wirkungen von Vorstellungen, und diese Gefühle allerdings sind ebenfalls von Einfluß auf die Willensbildung. So entsteht zunächst weiter auch die Vorstellung des ursächlichen Zusammenhangs zwi­ schen dem Wollen und dem äußeren Tun und dessen weiteren Folgen als einem Erfolge jenes. Wird bewußt wahrgenommen, daß auf ein bestimmtes Geschehen ein bestimmtes anderes Geschehen folgt und diese Wahrnehmung wiederholt, so greift die durch das erste Geschehen und seine Wahrnehmung im Gehirn erzeugte Erregung nach dem Gesetz der Assoziation von selbst auf die Partien des Gehirns über, die nach jener Erregung regelmäßig durch das zweite Geschehen und seine Wahrnehmitng ebenfalls erregt zu werden pflegten. Kommt dann zit dieser durch das erste Geschehen bereits vorberei­ teten Erregung noch diejenige durch das zweite folgende Geschehen und seine Wahrnehmung hinzu, so verschmelzen beide Erregungen zu einer Ge­ samterregung derart, daß diese Gesamterregung schon als durch das erste Geschehen hervorgerufen empfunden wird. Diese Empfindung von der Einheit der Erregung aber bringt die V o r st e l l u n g von der Notwendigkeit der Zusammengehörigkeit auch des sie auslösenden Geschehnisses mit sich, so daß die Folge des zweiten nach dem ersten nunmehr als Erfolg aus dem ersten Beurteilt wird, mit andern Worten, dieses als U r s a ch e des zweiten vorgestellt wird. Ein derart als Ursache vorgestellter Wille für eigene Tätigkeit und die ihr folgenden Geschehnisse läßt dann diese Tätigkeit selbst und ihre Folgen als gewollt, erscheinen. Hiernach können Geschehnisse zwar durch Willensregungen verursacht sein, gewollt aber sind sie nur, soweit diese Verursachung durch den Willen vor­ gestellt worden ist. Und umgekehrt können Geschehnisse selbstverständ­ lich vorgestellt sein, gewollt aber sind sie nur, wenn sie als E r f o l g e von Willensregungen vorgestellt worden sind. Ein Tun und ein Ge­ schehnis ist also gewollt nur dann und nur insoweit, als es als d u r ch eine Willensregung verursacht vorgestellt ist. Die Verursachung kann tatsächlich weitergreifen, als die Vor­ stellung den Kausalverlauf umfaßt. Dann beschränkt sich nicht das verur­ sachte, aber das gewollte Tun auf den Umfang des als durch den Willen verursacht vorgestellten. Das über die Vorstellung hinausgehende Tun

und Geschehen ist dann verursacht, aber nicht gewollt. Die Verursachung kann aber auch gegenüber der Vorstellung von ihrer Aus­ wirkung zurückbleiben. Dann ist der vorgestellte weitergehende Er­ folg gewollt, aber nicht verursacht. Die Vorstellung kann endlich auch einen andern Erfolg als den eingetretenen als durch den Willen verursacht erfassen. Dann ist der gewollte Erfolg nicht verursacht und der verursachte Erfolg nicht gewollt. 3. Wird die Vorstellung vom Eintritt eines Geschehens als eines vom Willen verursachten zum Element der Willensbildung ge­ macht, wird sie ein derartiger Bestandteil des Willensvorgangs, daß sie eine bestimmende Wirkung auf das Wollen ausübt, so daß der Abschluß der Willensbildung als neue psychische Schöpfung, als E n t s ch l u ß des Inhalts hervortritt, durch sich das Borgestellte in der Welt der Erscheinung zu verwirklichen, so wird die Vorstellung und das Wollen zum Borsatz. Wundt, a. a. O. S. 275. Binding, Normen II S. 395. Vorsatz ist somit ein bestimmt geartetes Wollen, nämlich das aus der Vorstellung gebildete, ursächlich für die Verwirklichung dieser Vorstellung in der Welt der Erscheinung zu werden; Binding, Normen II S. 320. Nach der sog. Willenstheorie ist Vorsatz bloß das Wollen eines Erfolgs trotz der Vorstellung von der kausalen Bedeutung des eignen Ver­ haltens; Allfeld 145; Beling, Grdz. 51; Berolzheimer, Rechtsphil. 5,68; Bick­ meyer, Rechtsenzykl. S. 1125; v. Hippel, Grenze v. Borsatz u. Fahrlässigk. S. 74; v. Rohland, Willenstheorie u. Borstellungstheorie S. 16. Nach der Borstellungstheorie ist Vorsatz bloß die Vorstellung des Erfolgs, die die Willensbetätigung lediglich begleitet; Bekker, Theorie des Strafr. 253; Frank, ZStRW. 1» 217; Kohler, Studien 1,68; v. Liszt, §39 Nr. 2; Liepmann, Einleitung 141; Lucas, Subjekt. Verschuldung S. 8; Wachenfeld S. 148; Hälschner 1, 192. Näheres bei Binding, Normen II S. 388 ff. u. Literaturübersicht S. 400. An die Stelle beider Theorien setzt M. E. Meyer S. 102 ff. u. 240 die von ihm sogenannte Motiventheorie. „Motive sind Vorstellungen, die kraft der von ihnen ausgelösten Lust- und Unlustgefühle auf den Willen einwirken." Im Wesentlichen übereinstimmend Binding, Normen II S. 18 und Wundt a. a. 0.278 ff. unter der nötigen Beschränkung der Bedeutung der Motive für die Willensbildung. 4. Der Gegensatz zum Handeln mit B o r s a tz im rein psychologischen Sinne und ohne ethische oder rechtliche Färbung, wie er sich auch im rechtlich nicht geregelten Alltagsleben namentlich bei der Bezeichnung des bewußten Willens durch „mit Absicht", „absichtlich", „um zu" findet, („ich bin absichtlich zu Hause geblieben", „ich gehe in die Stadt, um meinen Freund zu besuchen") steht das Handeln ohne Borsatz, das zwar durch den Willen verursacht ist, aber dessen Ursächlichkeit für den Er­ folg nicht erkannt wurde („ich habe es nicht mit Willen getan"). Es ist das Handeln „ohne Absicht", „unabsichtlich", „aus Versehen", „ungewollt". Auch dieses unabsichtliche, unvorsätzliche Tun erfolgt ebenso wie das vorsätz­ liche im rein psychologischen Sinne zunächst ohne ethische oder rechtliche Färbung. (Ich bin aus Versehen in den falschen Zug gestiegen, ich habe unabsichtlich meine Sachen, meinen Körper verletzt, vergessen, meinem Freund zu schreiben). Die Unterscheidung zwischen dem Gewollten und dem ungewollt Ver­ ursachten drängte sich dem Menschen freUich zuerst bei der Frage der Haftung tommentar Gttaf-efetz-irch. 2

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Einleitung.

auf, findet ihre älteste Anwendung sonach begreiflicherweise bei Übel­ taten. Binding, Normen IV S. 11. Von Begehung von Übeltaten, schä­ digenden Handlungen stammt auch die alte deutsche Bezeichnung „vaie" oder „fare" für den bewußt auf Schädigung gerichteten Wil­ len, die böse Absicht, und die Bezeichnung „farelose" als einer bloßen Berneinung eines solchen Willens. Aus letz­ terer ist nachmals die Bezeichnung „fahrlässig" entstanden, und deren Folgen sind „Ungefährwerke" genannt worden.

VIII. Der schuldhafte Wille als Vorsatz im StG«. 1. Für das Strafrecht kommt der Wille als Ursache nur für solche Hand­ lungen in Betracht, die sowohl wider die Rechtsordnung verstoßen, „rechts­ widrig" in dem oben unter I. dargelegten Sinne sind, als zugleich die durch Verbote oder Gebote begründeten Handlungs- oder Unterlassungspflichten verletzen, Mnding Strafrechtl. Abhdl. I S. 131. Damit ist eine doppelte Beziehung des Willens gegeben. Er ist Ursache geworden nicht nur für die Handlung als solche ohne Rücksicht auf ihr Verhältnis zur Rechtsordnung lediglich als tatsächlichen Vorgang, sondern weiter auch für die durch sie vollzogene gleichzeitige Übertretung eines Gebots oder Verbots. Denn die Handlung ist Zuwiderhandlung geworden und der Wille muß notwendig nun auch dieses Verhältnis zum Gebot und Verbot der Handlung berücksichtigen. Verursacht ist demnach immer eine Handlung, die objektiv gegen ein Verbot verstößt, gewollt aber ist sie nur, wenn auch die Vorstellung sich auf das einem Gebot oder Verbot Zuwiderhandeln miterstreckt, was voraussetzt einmal, daß die Nor­ men überhaupt gekannt sind, sodann, daß die Handlung als unter sie fallend beurteilt wird. Besteht ein Verbot, Pferde über die Grenze aus- oder einzuführen, so kann das Aus- und Einführen als Handlung ohne Rück­ sicht auf ein Verbot vorsätzlich oder nichtvorsätzlich vorgenommen werden und die Vorstellung fehlen, daß diese Tätigkeit eine verbotene ist, sei es, well das Verbot vom Täter nicht gekannt oder sein Tun als nicht unter das Verbot fallend aufgefaßt wird. Dann hat der Täter zwar eine Zuwider­ handlung gegen das Verbot verursacht, gewollt aber hat er eine solche nicht, sein Wille umfaßte lediglich das unverbotene Ein- und Aus­ führen von Pferden als rechtlich indifferente Handlung. Ebenso kann die in § 9 des Weingesetzes verbotene Nachmachung von Wein vorsätzlich ge­ schehen, gewollt als Zuwiderhandlung gegen ein Verbot aber ist sie nur, wenn die Vorstellung vorhanden war, damit einem Verbot zuwiderzuhandeln. So setzt die gewollte Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder Gebot begrifflich die Vorstellung, daß die Handlung einem Verbot oder Ge­ bot zuwider sei, voraus. 2 Gleichwohl wird dies in Rechtsprechung und Schrifttum vielfach ver­ neint und die Möglichkeit einer Bestrafung schon in folgenden Fällen anerkannt: A. bei den sog. Formaldelikten, besonders den Zoll- und Steuer­ delikten j Bereinszollgesetz § 137; Wechselstempelsteuergesetz v. 14. III. 09 § 19) aber auch StGB. § 186, § 190 begnügt sich das RG. schlechthin mit der Verwirklichung des verbotenen objektiven Tatbestandes durch den Willen als Ursache und sieht sogar vom Erfordernis des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit für die Handlung als solche ab, RGStr. 7 280, 8 182, 390, 414, 21 259, 29 73, 30 363, 35 309. Ihm leider folgend VorE. § 58.

Schul-Hafter Wille.

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Bgl. hierzu Binding, Normen II S. 1182 ff. und GS. 77 S. 22. (In anderer Bedeutung wird „Formaldelikt" im Gegensatz zum Erfolgsdelikt gebraucht.) B. Es wird nurBorfatz und Fahrlässigkeit für die Begehung der Handlung, nicht der Zuwiderhandlung verlangt, die Vorstellung, daß sie gegen ein Gebot oder Ver­ bot verstoße, nicht erfordert. So das RG. RGStr. 2 268,4126,349,12103,15 158 („Die Schuldbarkeit des Vorsatzes wird ledig­ lich durch die objektive Rechtswidrigkeil bedingt!"); 16 87,19 87, 20 393, 22 417, 28 139, 37 139, 39 344, 40 321, 41 331, 43 400, 44 327, 48128, 50 32, 5113. Es huldigt insoweit dem — mißverstandenen — Satze: „ignorantia iuris nocet". Dabei wird verkannt, daß das Gesetz das vor­ sätzliche Zuwiderhandeln gegen feine Verbote bestrafen will, worin allein die Schuld begriffen ist, das vorsätzliche Handeln als solches für das Recht ohne Belang ist und Schuld überhaupt nicht ent­ hält. Auch aus dem unter III 1 hervorgehobenen Wesen und Zweck der Strafe ergibt sich, daß sie dort keinen Sinn hat, wo ein unbot­ mäßiger Wille fehlt. Und wozu wird in § 56 für die Zurechnungsfähig­ keit die zur Erkenntnis der Schuld erforderliche Einsicht verlangt, wenn diese doch nicht zur Einsicht in das Unrecht zu führen braucht, um strafbar zu machen. Wie das RG. auch RMG. 19 49, 17 43, 12 241 u. a. Auch Liszt, Lucas u. A. Dagegen namentlich Binding, Normen III S. 15 ff.; Engelmann, Rechtsirrtum u. dolus im röm. u. gern. ital. Recht, GS. 86 (1918) S. 161 ff. Gretener in GS. 87 S. 41. Andrerseits Liepmann, Gedanken über Rechtsirrt. L Strafr. ZStRW. 1916 S. 21 ff. und 1918 S. 115 ff. Sehr übel und zu fortwährenden Mißverständnissen führend ist der Sprachgebrauch des RG., eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlung schon um deswillen als „s ch u l d h a f t e" zu bezeichnen, weil sie ob­ jektiv widerrechtlich ist, ohne den Vorsatz auch hierauf zu beziehen, vgl. das oben angeführte Urteil RGStr. 15 158. Diesen falschen Sprach­ gebrauch hat sich auch der VorE. angeeignet. Nach dessen § 16 Abs. 1 ist „strafbar, wer schuldhaft eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht", „schuldhaft" aber handelt nach Abs. 3 „der Zurechnungsfähige, der vor­ sätzlich oder fahrlässig handelt", wobei sich aus § 17 in Verbindung mit § 114 ergibt, daß eine Tat auch dann strafbar, also schuldhast ist, „wenn der Täter nachweislich in dem Glauben gehandelt hat, die Tat sei erlaubt, weil er sich über das Gesetz oder dessen Anwendung irrte", und zwar ohne Unterschied, ob dieser Irrtum entschuldbar oder unent­ schuldbar ist. Auch in ersterem Fall kann Strafe wegen „schuldhafter" Tat eintreten! Es zeigt sich also, daß nicht die Zuwiderhandlung, sondern die Handlung als bloßer Lebensvorgang gemeint ist. Ebenso der Schweizer VorE. Art. 18. Der Grund, aus dem das RG. und die seine Auffassung Teilenden, wie Lucas DIZ. 1914 Sp. 252 dazu kommen, die Strafe entweder auch theoretisch als reine Erfolgshaftung für ein objektives Unrecht anzufehen, oder doch praktisch zum gleichen Ergebnis gelangen, indem sie eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung der Kenntnis der Gebote und Verbote aufstellen oder endlich „einen das Strafgesetz selbst be­ treffenden Irrtum „grundsätzlich als auf einem V erschul-

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Einleitung.

den beruhend ansehen", RMG. 12 233, liegt in der Furcht, die Autorität des Gesetzes könne bei Zulassung der Unkenntnis der Verbote als Entschuldigungsgrund leiden. „Die Staatsnotwendigkeit erfordere, die Nichtkenntnis der Verbote nicht zu berücksichtigen, da deren Wirk­ samkeit von ihrer Kenntnis nicht abhängig gemacht werden könne", RMG. 13 274. Die Kriegsrechtsprechung hat das Gegenteil gelehrt. Auch andere Strafgesetzbücher getrauen sich, die Rechts­ widrigkeit des Vorsatzes zu verlangen, so StGB, für Kanton Bern v. I. 1866 Art. 27. Der Einwand aber, lügenhafte Berufung auf Unkenntnis des Verbots würde die Justiz lahmlegen, ist nicht ernst zu nehmen. Als ob der Richter dieser Lüge glauben müßte! C. Andere geben zu, daß außer der vorsätzlichen und fahrlässigen Verwirk­ lichung des — objektiven von der Rechtsnorm verbotenen — Tatbestands noch ein subjektives Verschulden des Täters vorhanden sein muß, eine subjektive Beziehung zur Tat, die gestattet, sie ihm vorzuwerfen, zur Schuld anzurechnen. Aber sie erfordern nicht, daß der Täter sich bewußt ist, einer Rechts pflicht zuwiderzuhandeln, sondern lassen es genügen, wenn er — bei Identität der Rechtspflicht mit andern Pflichten, sei es des Sittengesetzes, der Kultur, der Gesellschaft — nur überhaupt weiß, irgend einer Pflicht zuwider zu handeln, gleichviel, ob er auch darüber unterrichtet ist, daß diese vom Recht zur seinigen erhoben worden ist. Makarewicz, Einführung S. 72; M. E. Mayer, Rechtsnormen und Kulturnormen. Noch andere endlich erklären es für hinreichend, daß der Täter sich bewußt sei, einem andern Übel zuzufügen. Diese Auffassungen verkennen, daß dis Normenkreise der Sittlichkeit, Sitte und Gesellschaft sich zwar vielfach decken, immerhin aber doch verschieden vom Normenkreis des Rechts als einer das äußere Zusammenleben der Menschen in einer Gemeinschaft regelnden Ordnung sind. Sie übersehen auch weiter, daß jeder Normenkreis gegen die Miß­ achtung seiner Gebote und Verbote auf seine eigne Weise reagiert. So reagiert gegen die Normen von Sitte und Gesellschaft diese durch gesellschaftliche Boykottierung und Jnfamierung, etwa bei Ablehnung einer Herausforderung zum Zweikampf, während Umgekehrt die Rechtsordnung gerade dessen Annahme mit ihrer Rechtsstrafe bedroht. Vgl. Exner, Gesellschaftl. u. staatl. Strafjustiz, ZStRW. 1918 S. 2 ff. Daher trifft nur dort die Rechtspflicht mit der Sittenpflicht zusammen, wo es sich um althergebrachten eisernen Bestand von Normen der Rechts­ ordnung handelt. Wo diese neue und von Normen der Sitte oder Gesell­ schaft verschiedene Normen aufstellt, muß schon aus diesem Grunde das Aushilfsmittel, auf jene zurückzugreifen, versagen. Endlich ist auch der Inhalt und das Wesen der Pflichtverletzung und die in ihr liegende Schuld durchaus verschieden, je nachdem es sich um Unbotmäßigkeit gegen Vor­ schriften der Rechtsordnung oder um Verletzung von Geboten der Sitte oder Sittlichkeit handelt. Vor allem aber will die Strafe als Rechtsstrafe eben nur Vergeltung wegen Mißachtung der Rechts ordnung durch Verletzung von Rechts pflichten sein, nicht Vergeltung wegen Verletzung andrer Pflichten. Vgl. v. Rohland, Die sozial. Strafrechts­ lehre S. 48 ff. 3. Ist die Rechtswidrigkeit in dem oben unter II dargelegten Sinne und die Verletzung subjektiver Rechte Dritter von der durch Verbote und Gebote

Bewußtsein der Verbot-widrigkeit.

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begründeten Pflichtwidrigkeit zu unterscheiden und sind von letzteren Normen diejenigen wieder herausgehoben, die Normen des öffentlichen Rechts sind und das Verhältnis des Einzelnen zur Gesamtheit um des Wohles der Gesamtheit willen regeln wollen (oben unter IV) und wird nur wegen Zuwiderhandlungen gegen sie, wegen Gefährdung und Verletzung der Lebensbedingungen der Gesamtheit nach Befinden mit Strafe von der Rechtsordnung reagiert, so kann es aber auch nicht genügen, dass sich Täter bewußt ist, im allgemeinen gegen die Rechtsordnung zu verstoßen, oder eine lediglich durch die Privatrechtsordnung begründete Pflicht zu verletzen, etwa Lieferungsverträge nicht zu erfüllen; vgl. auch Binding, Normen II S. 942: vielmehr ist das Bewußtsein davon zu erfordern, darüber hinaus auch eine Pflicht gegenüber der Gesamtheit, eine von der Rechtsordnung im Interesse der Allgemeinheit aufgestellte Norm zu verletzen. Im Falle des § 329 also muß der Täter wissen, daß er n i ch t nur privatrechtlich dem Besteller gegenüber gebunden ist, sondern daß für ihn außerdem noch eine zum Wohle der Gesamtheit begründete Verpflichtung besteht, diese privatrechtliche Verpflichtung zu erfüllen^ Er muß wissen, einer im öffentlichen Recht ruhen­ den, sein Verhalten der Gesamtheit gegenüber regelnden Verpflichtung zuwiderzuhandeln. A. M. RGStr. 3 184. Daß sich der Täter der b e st i m m 1 e n Norm, die die Handlungs- oder Unterlassungspflicht begründet, bewußt ge­ wesen sei, ist dabei allerdings nicht zu verlangen, vielmehr genügt es, wenn er sich bewußt war, die Pflicht gegenüber der Gesamtheit der Rechtsge­ nossen zu verletzen, die durch irgend eineRechtsnorm begründet ist. Die richtige Subsumtion unter die einschlagende Rechtsnorm erfordert Rechts­ kenntnis, die ihm nicht zuzumuten ist. Nur Pflichtenkenntnis ist die Voraus­ setzung seiner Schuld. Wenn Binding, Normen II S. 803 verlangt, „der Täter müsse seine Handlung gerade als d e r Norm zuwiderlaufend erkannt haben, unter die sie wirklich falle", so gibt er dieses Erfordernis S. 805 selbst wieder preis, wenn er genügen läßt, daß der Täter „seine Handlung als ver­ boten erkannt habe", und erklärt, daß er sie damit „unwillkürlich unter die Norm stelle" — mit andern Worten eben unwissentlich hinsichtlich der Subsumierung handle. Dagegen muß gefordert werden, daß sich der Täter dessen bewußt sei, eine durch die deutsche Rechtsordnung begründete Pflicht zu verletzen. Ein Irrtum hierüber kann keine Schuld der deutschen Rechtsordnung gegen­ über begründen, v. Rohland, Intern. Strafr. S. 125 ff. Binding, Normen II S. 939. — A. M. Beling, Verbrechen S. 180; Allfeld S. 141. 4. Neuerdings hat für die künftige Regelung in einem neuen Strafgesetzbuch v. Hippel, Vgl. Darstellung 3 S. 373 ff. im Anschluß an eine Auffassung des Holländers van Hamel Inleidning tot de Studie van bet Nederlnadsche Strafrecht I einen Vermittelungsvorschlag gemacht zwischen der Recht­ sprechung des RG>, wonach sich der Vorsatz nur auf die Handlung als solche, nicht ihre Eigenschaft als Zuwiderhandlung bezieht, und dem Erfordern, daß der Vorsatz die Handlung als Zuwiderhandlung ergreift und folglich das Bewußtsein von ihrem Verbotenfein vorliegen müsse. Darnach beziehe sich zwar der Vorsatz nur auf die Handlung als solche; um ihn zum schuldhaften zu machen müsse ober freilich noch eine Beziehung zur Eigenschaft als Zu­ widerhandlung hinzukommen. Dazu genüge aber auch Fahrlässigkeit hin­ sichtlich der Unkenntnis der Rechtswidrigkeit und nur schuldlose Unkenntnis

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Einleitung.

über das Verbotensein der Handlung schließe jegliche Schuld aus. Dies ist, sobald man den Vorsatz eben nur auf die natürliche Handlung als solche bezieht, zweifellos richtig. Sobald man aber, wie es jedenfalls das gegen­ wärtige Strafgesetzbuch tut und wie es allein richtig ist, Vorsatz und Fahr­ lässigkeit eben auf das Zuwiderhandeln gegen Verbote und Gebote bezieht, kann ein vorsätzliches Zu widerhandeln eben nur vorliegen, wenn das Verbot gekannt und die Handlung als darunter fallend erkannt wird. Ist dies schuldhafter (fahrlässiger) Weise nicht der Fall, so enthält das vorsätzliche Handeln immer nur ein fahrlässiges Zuwiderhandeln und es ist ungereimt, es in zwei verschiedene Schuldformen zu trennen. Diese Trennung nimmt freilich auch die BO. v. 13. I. 1917 vor, indem sie nur zum Teil den Standpunkt des RG. korri­ giert. Gegen das ganze Vorgehen erhebt mit Recht Binding GS. 87 Heft 2/3 seine warnende Stimme. 5. Das RG. hat in früheren Entscheidungen gleichfalls für die Schuld beim Vorsatz das Bewußtsein, verbotswidrig zu han­ deln, verlangt. So RGStr. 2 377: „auch wenn das Wort widerrechtlich in § 267 fehlen würde, müßte es, weil aus dem Begriff des dolus folgend, als stillschweigend vorausgesetzt angenommen werden"; RGStr. 8 106: „Das Bewußtsein der Widerrechtlichkeit seiner Handlungsweise hat derjenige, der vermöge Rechtsirrtums nicht weiß, daß dieselbe gegen ein Gesetz ver­ stößt, ebensowenig, wie derjenige, der vermöge eines faktischen Irrtums nicht weiß, daß es an dem Vorhandensein einer Tatsache fehlt, von welcher das ihm bekannte Gesetz das Erlaubtsein der Handlung abhängig gemacht hat"; RGStr. 16 153: „da aber jedes vorsätzliche Delikt auch das Bewußt­ sein der Rechtswidrigkeit erfordert . . ."; weiter RGStr. 52 99 (in bezug auf Unterlassungsdelikte): „Vorsätzlich kann nur derjenige Unge­ horsam begehen, der Kenntnis von dem Befehl hat oder doch mit dem Bestehen eines solchen rechnet. Dieses Bewußtsein gehört unerläßlich zum Vorsatz..". Ferner zu vgl. RGStr. 3172, 413, 17 319, 47 284, 39 200, 28 100, 25 228 und RMG. 3 106. Sodann vermag das RG. selb st sei­ nen Grundsatz, daß Rechtsirrtum unbeachtlich sei, nicht durchz u f ü h r e n: a) Wo das Wort „rechtswidrig", „widerrechtlich" usw. im Tatbestand vor­ kommt, wird es als Tatumstand nach § 59 aufgefaßt; RGStr. 12 194, 19 87, 20 393, 37 139, 49 140 u. a... Vgl. dagegen die oben ange­ führte Entscheidung RGStr. 2 377. b) Wo es sich um Verbote und Gebote zur Ausfüllung von Blankettstraf­ gesetzen handelt, wird unter der unrichtigen Begründung, hier seien diese Normen nicht Bestandteile des Strafgesetzes, es komme daher einaußerstrafrechtlicher Irrtum in Frage, die Kenntnis der Normen er­ fordert; ID 153/18 10. VI. 1918; RMG. 2 212, 12 231, 7 65, vgl. zu § 59. Im übrigen herrscht in der Rechtsprechung des RG. über die Frage, was im einzelnen Falle nun strafrechtlicher, was außerstrafrechtlicher Irrtum sei, die größte Unsicherheit, so daß hierüber eine grund­ sätzliche Darstellung zu geben unmöglich ist. Vgl. die Beispiele bei Bin­ ding, Normen III S. 367, 358, 371 ff. und Kohlrausch, Irrtum S. 168 ff. Gegen die ganze Unterscheidung u. a. Kohlrausch, Irrt. S. 118 ff.; Galli GS. 67, 372; 68S.62; v. Bülow GS.59 S.4; W. Rosenberg, ZStRW. 23, 230, Ebermayer, LZ. 1918 S. 796; Lobe, LZ. 1916 S. 640 ff.

Bewußtsein der Derbotrwidrigkeit.

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c) Wo es sich um Irrtum über die Rechtswidrigkeit (oben im Sinne von I) handelt und diese kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift zu verneinen ist, entschuldigt auch er unentschuld­ baren Irrtum über dasVorliegen einer besonderen Befugnis zum Handeln. So: die irrige Annahme von Notwehr, RGStr. 36 334, 19 301, 21189; RMG. 1 69, 2 21, 212, 18 240; von Notstand RGStr. 36 334. die irrige Annahme von erlaubter Selbsthilfe, RGStr. 16 150, 19 298, 25 150; RMG. 2 112; die irrige Annahme eines Züchtigungsrechts, RGStr. 4 98, 33 32; 72. Vgl. Eckstein, GoltdArch. 56 S. 281; die irrige Annahme zur Befugnis, eine Körperverletzung begehen zu dürfen, RGStr. 23 374, 34 446; die irrige Annahme des Arztes in Einwilligung zu einer Operation; die irrige Annahme der Voraussetzungen des § 193, RGStr. 6 405. Weitere Beispiele bei Binding, Normen II S. 973. 6. Die Annahme einer unwiderlegbaren Präsumtion von einer Kennt­ nis aller gesetzlichen Gebote und Verbote mußte Schiffbruch leiden, als die Hochflut an Kriegsnotverordnungen über das deutsche Volk hereinbrach. Es zeigte sich deutlich die Möglichkeit der Entschuldbarkeit ihrer Unkenntnis und unbewußten Übertretungen. Um insoweit die Rechtsprechung des RG. in ihren praktischen Folgen zu korrigieren, wurde desbalb auf Drängen von verschiedenen Seiten die „BBO. v. 18. 8. 1917 über die Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über wirtschaftliche Maß­ nahmen" (RGBl. S. 58) erlassen. Sie tut aber nur halbe Arbeit, insofern sie nur den unverschuldeten Irrtum über das Bestehen oder die Anwendbarkeit einer Vorschrift, die auf Grund des § 3 des Ermächtigungsgesetzes vom 4. August 1914 er­ lassen worden i st, als Entschuldigungsgrund anerkennt und im übrigen von der Auffasiung des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit ausgeht, die das RG. hat, wonach dieser sich lediglich auf den objektiven Tatbestand, nicht auf dessen Berbotensein, richtet. Dies führt zu dem unerfreulichen Ergebnisse, daß verschuldeter Irrtum über das Verbotensein nach wie vor zu einer Annahme vorsätzlicher Begehung des Delikts führt und die einer Fahrlässigkeit ausschließt, obwohl in Wahrheit nur eine fahrlässige Zuwiderhandlung übrig bleibt. Binding, Normen III S. 391 will auch die BVO. in diesem Sinne ausgelegt wissen. Ebenso will er sie durch Analogie auf alle Kriegsnotverordnungen aus­ dehnen, auch soweit sie nicht aufdem Ermächtigungsgesetz beruhen, auf das die BVO. ausdrücklich ihre Anwendbarkeit beschränkt. Vgl. Lobe, LZ. 1916 S.641, 718; Binding LZ. 1917 S. 1: Lobe LZ. 1917 S. 225; Binding LZ. 1917 S. 297; Schäfer LZ. 1917 S. 425; K. Mayer DIZ. 1917 S. 179: v. Hippel DStriZ. 1917 S. 14; Goldschmidt IW. 1917 S. 183; Binding, Normen III S. 387 ff. Lobe, Preistreiberei S. 23. 7. In einigen Fällen sind vom Gesetze widerlegliche Präsum­ tionen einer Schuld aufgestellt: StGB. § 361 Nr. 8; Sprengstoff­ gesetz v. 9. VI. 1889 § 8; Spielkartenstempelgesetz v. 3. VII. 1878 § 10 Abs. 2; Vereinszollges. § 153; HGB. §315 Abs. 3; Gesetz über private Versicherungs­ unternehmungen v. 12. V. 01, § 109 Abs. 3; Süßstoffgesetz v. 7. VII. 02, § 8.

24

CbiUitun0*

8. Übereinstimmung herrscht in Schrifttum und Rechtsprechung, daß die Kenntnis von der Strafbarkeit der Zuwiderhandlung nicht erforderlich ist. Vgl. hierzu StGB. § 56. IX. Arten deö Vorsatzes.

A. Absicht; 1. Nach der einen Ansicht sollen Absicht und Vorsatz stets in ver­ schiedenem Sinne im StGB, gebraucht werden, Berolsheimer, Entgeltung S. 412; Ortloff, GS. 34 S. 416 u. a. Und zwar soll nach der Meinung der Meisten Absicht nur den bestimmten Vorsatz, dolus directus bedeuten und den dolus indirectus ausschließen. Es wird ein be­ stimmter Endzweck erfordert, wobei wiederum streitig ist, ob er der alleinige und der allerletzte Endzweck sein muß oder ob er andre neben sich duldet, und häufig wird dieser Endzweck geradezu dem Beweggrund gleichge­ stellt. VorE. §18 Abs. 2 bestimmt: „Absicht liegt vor, wenn es dem Täter darauf ankommt, einen Erfolg, der im Gesetze bezeichnet ist, herbeizuführen." G e g e n E. § 21: „Absicht liegt vor, wenn die Vorstellung eines im Gesetz bestimmten Erfolgs Beweggrund der Begehung der Handlung ist." Nach der andern Ansicht hat diese Bedeutung der Ausdruck Absicht häufig, aber nicht notwendig. „Bei der Feststellung des Sinnes, in welchem der Ausdruck gebraucht wird, kommt die Natur der strafbaren Handlung und der Zweck der Strafbestimmung in Betracht", RGStr. 1 174; 27 219. — Die Fest­ stellung, welcher Sinn im Einzelfalle verstanden werde, ist darnach sehr unsicher. Nach der dritten Ansicht bedeutet Absicht ein inneres Streben über­ haupt, gleichviel ob auf etwas Mögliches oder Unmögliches gerichtet, so daß dann auch die irrtümlich auf einen Erfolg gerichtete Absicht, der Putativdolus, in Betracht kommt. Vgl. dagegen Binding, Normen III S. 1165, 1175. —Zu der Frage weiter: M. E. Mayer S. 43; Thomsen, Untersuchun­ gen über Begriff des Motivs: Wach, Vergl. Darst. 6 S. 57; Liszt § 39. 2. Nachdem die ursprüngliche Bezeichnung väre und geverlich für das bewußte schuldhafte Wollen außer Gebrauch gekommen war, wurde das Wort „fürsetzlich", „Fürsatz", das ursprünglich „Vorbedacht" bezeichnete, all­ gemein auch für nicht vorbedachtes, aber bewußt schuldhaftes Wollen im 18. Jahrhundert üblich, so schon CCC. u. Cod. iur. Bavar. Hieraus ist das Wort „Vorsatz" entstanden, das völlig gleichwertig mit dem aus dem älteren „Ab­ sehen" ebenfalls im 18. Jahrh, gebildeten Worte „Absicht" verwendet wurde. „Böser Fürsatz" und „böse Absicht" werden wechselweise gebraucht, Nach­ weise bei Binding, Normen II S. 335, 1153. Begrifflich be­ deuten auch beide Ausdrücke dasselbe: die Bezug­ nahme auf das zu erreichende Ziel, das man sich als Erfolg seiner Handlung „vor-setzt", auf das man „absieht". Zutreffend sagt Bar, Gesetz u. Schuld II S. 295: „Niemand ist bisher gelungen, einen prinzipiellen Unterschied zwischen Vorsatz und Absicht festzustellen." Ebenso M. E. Mayer, Schuldh. Handlung S. 137, Binding, Normen II S. 1153. Uber die verschiedenen Versuche, solche Unterschiede herauszudeuteln, vgl. die Übersicht bei Binding, Normen, IIS. 1154. Ferner v. Rohland, Willens­ theorie S. 22. Hagen ZStRW. 19 S. 166. Ebenso wird in der Umgangs­ sprache „vorsätzlich" und „absichtlich" durchaus gleichbedeutend verwendet. Das StGB, macht ebenfalls keinen Unterschied. In § 40 werden unter „vorsätzlichen" Verbrechen auch die „absichtlichen"

Verschiedene Arten -e» Dorsatze».

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begriffen; in § 43 wird der Versuch des vorsätzlichen Verbrechens Versuch des beabsichtigten genannt, ebenso in §46 Nr. 1; in §48 wird als Mittel für vorsätz­ liche Bestimmung die absichtliche Herbeiführung eines Irrtums bezeichnet. Auch wo rechtswidrige Absicht, absichtlich allein hervorgehoben ist, bedeutet dies nichts anderes als Vorsatz, vorsätzlich, so § 267, RGStr. 2 376; § 289, (RGStr. 21312, 25154 schließen hier allerdings dol. event, aus), § 348 u. a. Besonders gilt dies für die Nebengesetze; so ist „absichtlich" in § 146 Genossensch.Ges. = „vorsätzlich", 3 D 484/17 17. XII. 1917. 3. Zu der Meinung, unter Absicht sei der Beweggrund zu ver­ stehen, haben namentlich die Tatbestände geführt, bei denen der Vorsatz auf einen weiteren Erfolg gerichtet ist, die B o l l e n d u n g des Delikts aber bereits in einem früheren Versuchsstadium, schon bei Erreichung eines Z w i s ch e n e r f o l g s, der in der Regel zugleich als Mittel für die Erreichung des gewollten Enderfolgs gedacht ist, vom Gesetzgeber angeordnet wird. Zuweilen wird dieser weitergehende Vorsatz auch durch „um — zu" bezeichnet, in UWGes. § 1 „zu Zwecken des Wettbewerbs", RGStr. 47 129. Vgl. auch Eichelbaum, Absicht und ver­ wandte Begriffe im Strafrecht, LZ. 1916 S. 988, der aber mit Unrecht darin einen begrifflichen Unterschied sieht. Immer handelt es sich aber auch hierum Bestimmung des Ziels, auf das das ganze Handeln gerichtet ist, also um Bezeichnung des Willensinhalts, niemals soll damit der Beweg­ grund, aus dem der Entschluß hervorgegangen ist, bezeichnet werden. Nur das ist richtig, daß die Vorstellung des Ziels eine bestimmende Wirkung auf die Bildung des Willens gehabt haben, ein Element des Wollens geworden sein muß, das diesem seinen Inhalt gibt. Das ist aber auch beim Vorsatz notwendig der Fall und bedeutet somit keinen Unter­ schied von der A b s i ch t. Vgl. oben unter VII, 3. So in §§ 133 Abs. 2,140 Nr. 1, RGStr. 33 400; §§ 243 Nr. 7, 265, 313 Abs. 2. Ziel und Beweggrund ist etwas völlig verschiedenes, beide fallen nicht begrifflich zusammen. Das RG. nimmt in manchen Fällen aller­ dings an, daß Absicht nur die Vorstellung eines Erfolges sei, die den Be­ weggrund zum Handeln abgab, RGK. 11 380, 33 399, 16 150; dagegen richtig RGK. 50 261, 272, 51 24. Hiergegen wieder Alsberg IW. 1918, 713 u. Weber LZ. 1919 S. 413. Selbstverständlich ist aber nicht aus­ geschlossen, daß der Wunsch, das Ziel zu erreichen und das bei der Erreichung vorgestellte Lustgefühl auch zum Beweggrund des ganzen Handelns werden kann. Da in diesen Fällen die Handlung, in der bereits die Beendigung des Delikts erblickt wird, zugleich als Mittel für einen als b e st i m m t durch sie zu verwirklichenden Erfolg vorgestellt wird, so kann auch nur ein b e st i m m t e r Vorsatz in Frage kommen. Für einen bedingten oder unbestimmten Vor­ satz ist bei der besondern Ausgestaltung des Verbrechenstatbestandes kein Raum. Wer eine Handlung mit der Vorstellung begeht, sie solle als Mittel zur Erreichung eines weiteren vorgestellten Erfolgs dienen, will diesen Er­ folg von vornherein bestimmt. RGStr. 1 172, 2 376, 7 282, 21 312, 25 154, 27 217, 241. Aus diesem Grunde, nicht weil unter Absicht an und für sich nur der dolus directus zu verstehen sei, ist daher bei solchen zusammen­ gesetzten Delikten nur dieser in Frage. Für diese Form von Delikten ist der Name „A b s i ch t s d e l i k t e" aufgekommen. Thomson, Strafr. I S. 127. Binding, Normen II S. 1159. Über mittelbare Täterschaft bei diesen siehe unten XII.

Einleitung.

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Vorsatz kann auf Verletzung eines Rechtsguts und auf Da jede Verletzung notwendig ein Gefährdungs­ stadium durchlaufen haben muß, so hat der Vorsatz aller Gefährdungsverbrechen auch den bedingten Berletzungsvorsatz zum Begleiter, Binding, GS. 86, S. 333, Normen II S. 877. RGStr. 43 383.

B. Der

Gefährdung gehen.

C. überlegter und unüberlegter Vorsatz. Bei der Über­ legung muß sich der Täter der zur Tat drängenden und der von ihr abhaltenden Motive bewußt sein und sie gegeneinander a b w ä g e n. Es kommt also die bei B i l d u n g des Entschlusses zur Tat vorhan­ dene ruhige und besonnene Berstandestätigkeit zur Anwendung. RGStr. 42 260. Diese Überlegung im Stadium der Entschlußfassung ist auch beim Mord erforderlich, wenn schon §211 darüber hinaus auch noch die überlegte Ausführung verlangt. RGStr. 3 296, 8 276, 32 253. A. M.RGStr. 36 26, 42 262.

D. Der B o rs atz, für den die Vorstellung nur eines b e st i m m t e n Erfolgs als vom Willen verursacht bei seiner Bildung mitbestimmend war (dolus directus), wird in der Regel als „der auf Verwirklichung sämt­ licher Tatbestandsmerkmale des Verbrechens gerichtete Wille" definiert. Dagegen wendet mit Recht Liszt S. 176 ein, daß man wollen nur ein Zu­ künftiges könne, was gegenwärtig sei, könne man nur wissen, nicht wollen. Deshalb ist die „Verwirklichung" des Tatbestands der strafbaren Handlung nur soweit möglich, als es sich um künftige Änderungen im Zustand der Außenwelt handelt, die bereits vorliegenden Tat­ bestandsmerkmale können nur gewußt werden, z. B. daß die Sache eine fremde, eine gepfändete sei, daß jemand Beamteneigenschaft habe, die Frauensperson Ehefrau, unter 14 Jahre, schwanger sei usw. v. Hippel, Bergt. D. 3, 521; Binding, Normen II S. 808. Daher VorE. § 17: „vor­ sätzlich handelt, wer den Tatbestand der strafbaren Handlung mit Wisse:: und Wollen verwirklicht." Das Wissen solcher Tatumstände gehört eben­ falls insofern zum Vorsatz, als es ein E l e m e n t bei d e r Willens­ bildung darstellt und auch aus diesem Wissen die neue Willensschöpfung des Vorsatzes sich ergibt. Es muß aber genügen, daß dieses Wissen zur Borsatz­ bildung beigetragen hat und dieser selbe V o r s a tz die Ursache für die Handlung wurde. Daß die Vorstellung noch zur Zeit der Handlung, d. h. der Innervation des Willens auf die motorischen Nerven im Blick­ punkt des Bewußtseins war, ist nicht erforderlich, das kann infolge der Erre­ gung bei der Tat vielleicht nicht der Fall sein. a. M. Binding, Normen II S. 810. Ist aber nicht nur das Wissen, sondern der ganze Willensimpuls verschwunden und ist ein neuer Versuch bei der Tat vorhanden, so genügt selbstverständlich ein früheres Wissen nicht. Vgl. Frank, Aufbau S. 89. Nicht erforderlich ist, daß das Wissen sich auf sich selbst bezieht, die Besonder­ heit von psychischen Zuständen, Zurechnungsfähigkeit, die Gewohnheits­ mäßigkeit, ehrlose Gesinnung usw. erfaßt. Allfeld S. 141: a. M. Finger 246. Ebensowenig braucht sich das Wissen auf die Strafbarkeitsbedingungen, wie Antrag, Schadenverursachunz in § 329 Abs. 2, Konkurseröffnung nach KO. § 239, Rückfall nach § 244 usw. zu erstrecken.

E. Vorsätze, für die die V o r st e l l u n g von mehreren Er­ vom Willen verursacht bei ihrer Bildung mitbcstimmend waren, werden folgende unterschieden:

folgen als

Verschiedene Arten des Vorsatzes.

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a) dolus alternativus. Der Täter stellt sich vor, daß der Wille entweder nur für den einen oder nur für den andern Erfolg die Ursache werden kann, und es ist ihm gleichgültig, welcher eintritt. Dann ist gewollt immer nur der eintretende, nicht auch der vorgestellte nichteingetretene, insbesondere liegt keine Konkurrenz mit Versuch vor. Geyer 1112; Allfeld S. 150; Binding, Normen II S. 836. Bon Dinding a. a. O. S. 841 auch als dolus generalis bezeichnet, wenn die Alternative nicht klar erfaßt ist. b) dolus indeterminatus im engern Sinne, gelegent­ lich auch dolus generalis genannt, Wachenfeld S. 154. Der Täter stellt sich mehrere Erfolge als mögliche Wirkung seines Willensimpulses vor und er verwendet alle, gleichgültig wieviele Erfolge ein­ treten, zur Bestimmung seines Willens. So bei der sog. Kollektivbeleidi­ gung ohne nähere Kenntnis der Anzahl von Personen, Schütze S. 119. Der dolus indeterminatus im weitern Sinne, oft auch dolus generalis genannt, wird dagegen zu Unrecht unter den Borsatzbegriff gestellt. Man versteht darunter ein Handeln unbe­ kümmert darum, welche Folgen aus ihm erwachsen. Da diese dann aber nicht vorgestellt sind, sind sie auch nicht gewollt. Nach andern wird unter dolus generalis ein Wille nur mit der Vorstellung von einem bestimmten Erfolg verstanden, seine Verwirklichung aber in einer andern als der vorgestellten Handlung gefunden, z. B. A. will B. töten, schlägt ihn mit dem Beil auf den Kopf und hält ihn für tot. Er zündet das Haus an, um B. zu verbrennen, und die Tatspuren zu verwischen und tötet nun erst den bis dahin noch lebenden B. Dann liegt tatsächlich nur Versuch in Zusammentreffen mit fahrlässiger Tötung vor. A. M. Liszt § 40. c) dolus indirectus wird entweder als gleichbedeutend mit dolus eventmlis gebraucht, oder — unrichtig — zur Bezeichnung einer fahrlässigen Verursachung eines Erfolgs, der über den gewollten hinausgeht, vgl. v. Bar 2 278; Hälschner, System des preuß. Strafr. 1 132; oder zur Bezeichnung eines Gefährdungsdolus, so Klee, Der dolus indirectus S. 34. d) dolus eventualis charakterisiert: der BorE. § 17 dahin „Vor­ sätzlich handelt, wer die Verwirklichung des Tatbestands zwar nur für möglich hält, jedoch für den Fall der Verwirklichung mit ihr einver­ standen ist." Dies entspricht der Rechtsprechung des RG., das zum vor­ sätzlichen Handeln erfordert, daß der Täter sich bewußt sei, ein bestimmter Erfolg werde eintreten, und daß er trotzdem die Handlung vornimmt; handle der Täter aber bloß auf die Gefahr 'hin, ein solcher Erfolg könne möglicherweise eintreten, so bedürfe es, um ihn wegen vorsätz­ lichen Handelns verantwortlich zu machen, noch des Nachweises, daß er die Tat auch für den Fall, daß sie den nur als möglich vor­ gestellten Erfolg herbeiführen werde, gewollt habe, 4 D 527/12 v. 11. VI. 1912; 4D 70/17 v. 9. III. 1917; RGStr. 6 278, 7 283, 9 417, 12 297, 19 90, 20 236, 21420, 28 190, 33 4, 39 6, 46 227, 49 142. — Recht 1913 Nr. 2365; 1914, 2794. Es genügt also keinesfalls die Fest­ stellung, der Täter habe sich die M ö g l i ch k e i t des Eintritts des Erfolgs vorgestellt. Dies reicht nicht einmal für die Fahrlässigkeit aus, RGStr. 16363, 17 207; RMG. 3 296, 6115; RMG. Nr. 1006 v.29. XL 1917; es muß vielmehr hinzukommen, daß auch die Vorstellung vom mög-

Einleitung.

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lichen Erfolge bestimmend für die Willensbildung dahin geworden ist, ursächlich durch den Willen für die Handlung und damit auch mög­ licherweise für den vorgestellten Erfolg zu werden; der Täter will dann auch den nur als möglich vorgestellten Erfolg. Rechnet er im Gegen­ teil damit, daß der als möglich vorgestellte Erfolg dennoch nach den Um­ ständen des Falles nicht einreten werde, so hat er diesen auch nicht in seinen Willen einbezogen. Nichts andres als dies wollen die häufig hierfür gebrauchten Ausdrücke besagen: der Täter billige diesen Erfolg, sei mit seinem Eintritt e i n v e r st a n d e n. Sie sind allerdings nicht ganz treffend, denn auf das Billigen und Einverstandensein an sich kommt es nicht an. Auch eine Gleichgültigkeit des Täters gegen den Erfolg vermag die Vorstellung von ihm als bestimmend auf den Willen einwirken zu lassen, M. E. Mayer S. 243. Es wird aber daraus entnommen, daß die Vorstellung eines gebilligten Erfolgs bestimmend für die Willensbildung geworden ist, Binding, Normen II S. 863 ff-, 395. Gegen den Ausdruck Bierling, Prinzipienlehre III S. 177. Die Billigung und das Einverständnis dienen also alsBeweisumstände für den daraus zu folgernden Willensinhalt. Nicht anders verhält es sich mit der sog. „Fränkischen Formel": „Kommt man zum Er­ gebnis, daß der Täter auch dann gehandelt hätte, wenn er den Erfolg als gewissen und notwendigen, nicht nur als möglichen sich vorgestellt hätte, jene Vorstellung ihn also nicht vom Handeln abgehalten hätte, so liegt Vorsatz vor." Frank, ZStRW. 10 S.217, Aufbau des Schuld­ begriffes S. 22 ff. u. Komm, zu § 59 V. Ebenso v. Hippel, Vergl. Darst. 3 S. 500; Liszt § 39; Wachenfeld S. 149 und RGStr. 46 227. Gegen sie namentlich Binding, Normen II S. 397; M. E. Mayer, Schuldhafte Handl. S. 173; Thyrcn, dolus u. culpa S. 81: Löffler, Vergl. Darst. 5 S. 368. Der dolus eventualis bezieht sich auch auf die K e n n t n i s vom Berbotensein der Handlung, betrifft das sog. Handeln im Rechtszweifel. Binding, Normen II S. 860. F. Dolus subsequons als nachträgliche Billigung des unvor­ sätzlich verursachten Erfolgs ist überhaupt kein Vorsatz mehr, v. Bar 2, 352; Hälschner 1 S. 239; Binding, Normen II S. 599 ff. Dagegen ist die vor­ sätzliche Richtabwendung eines Erfolgs, für den unvorsätzlich die Ursache gesetzt wurde, gegebenenfalls vorsätzliche Begehung durch Unterlassung.

X.

Der Irrtum.

1. Der Irrtum im eigentlichen Sinne (error), die f a l s ch e Vor­ st e l l u n g über Tatsachen und Rechtsverhältnisse kommt noch der posi­ tiven Seite für das Strafrecht überhaupt nicht in Betracht. Er kann als Rechtsirrtum keine Rechtswidrigkeit und kein Berbotensein einer Tat schaffen, wenn sie es objektiv nicht ist, und er kann kein Tatbestandsmerkmal verwirk­ lichen, wenn der Täter ein solches nur irrig annimmt, dies zu tun. Es liegt dann stets ein -Wo hu verbrech en vor. RGStr. 47 Vgl. StGB. § 43. 2. Von Bedeutung ist nur das Nichtwissen von rechtlich er­ heblichen Tatsachen und Rechtsverhältnissen (ignoranüa). Vgl. StGB.§59. Der Einfluß des Nichtwissens von Verboten und Geboten oder des Unterfallens der Handlung unter diese (Subsumtionsirrtum) wird be-

Irrtum.

Fahrlässigkeit.

29

deutsam für die Feststellung des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit und ist im Zusammenhang mit diesen zu prüfen. Als besondere Einzelfälle sind noch hervorzuheben: a) error in objecto liegt vor bei Verwechselung des Angriffsgegenstandes. Liegen bei dem tatsächlich Angegriffenen dieselben Eigenschaften vor, die die Handlung zu der verbotenen stempeln, wie bei dem vorgestellten Gegenstand, so ist die Verwechselung für die volle Verwirklichung des deliktischen Tatbestands einflußlos. Fall Rose Rosahl: Rosahl stiftet Rose an, Schliebe zu töten, Rose lauert diesem auf, verwechselt ihn aber mit dem daherkommenden Harnisch und erschießt letzteren. Goltd.Arch. 8156; RGStr. 18 337, 19 179. Das Verbot geht auf Tötung eines Menschen, gleich­ viel wer dieser ist. Einen Menschen aber wollte Rose töten und hat er getötet. Damit ist der Tatbestand des Delikts vorsätzlich verwirklicht. Schlägt der Vater einen fremden Jungen, weil er ihn in der Dunkelheit für seinen eigenen hält, bedeutet Verwechselung des Objekts zugleich Nicht­ wissen der — objektiven — Widerrechtlichkeit und wird um deswillen zu einer schuldlosen Handlung. Abweichend Liszt § 40 III. b) aberrallo letus ist in Wahrheit kein Fall des Irr­ tums. Der Täter hat keine falsche Vorstellung zur Willensbildung ver­ wendet. Ein Fehlgehen der Tat liegt vor, wenn ohne Verwechselung des Angriffsgegenstandes wie bei a der vorgestellte Erfolg durch Dazwischen­ treten von Umständen, die den vorgestellten Kausalverlauf ändern, nicht an dem vorgestellten Gegenstand, wohl aber an einem andern nicht vorgestellten Gegenstand eintritt, der dieselben Eigenschaften besitzt und an sich geeignet wäre, den deliktischen Tatbestand zu verwirklichen. A. schießt mit Tötungsvorsatz auf B., trifft und tötet aber C., der in die Schußlinie kommt. Dann liegt nur Versuch der Tötung des A. vor. Ob außerdem fahrlässige Tötung des C. anzunehmen ist, hängt von den Umständen ab. RGStr. 2 335, $ 384,19 179, 18 337; Recht 1915, Nr. 1436. A. M. Frank zu § 59 III c, Finger 1 254; M. E. Mayer S. 331, die vorsätzliche Tötung des C. annehmen. Ist das Objekt dem vorgestellten in seinen Eigenschaften nicht gleichwertig, würde also, wenn der Täter es sich vcrgestellt hätte, eine andere Tat vorliegen, etwa statt Tötung Sachbeschädigung, so nehmen auch diese nur Versuch in Zusammentreffen event, mit Fahrlässigkeit an. Die Fälle des abeirati ictus sind aber beidemal rechtlich gleich zu würdigen. XI. Fahrlässigkeit.

1. Neben der Form der Willensbildung, daß sich der Täter den Erfolg vorgestellt und die Vorstellung hiervon als Element für seine Willensbil­ dung verwendet, sie bestimmend auf ihn hat einwirken lassen (Vorsatz), finden sich zwei andere: a) der Täter hat sich den Erfolg ebenfalls vorge stellt, aber nicht für die Willensbildung verwendet, nicht g e ■= w o llt. b) Der Täter hat sich den Erfolg nicht einmal vorgestellt, folgeweise auch nicht für seine Willensbildung verwenden können, somit ebenfalls nicht gewollt. Beide Male kann dieses nicht Ver­ wenden einer Vorstellung von dem möglichem Erfolg seiner Handlung, das den verursachenden Willen mit Hinblick auf den Erfolg zum unvorsätzlichen „vare-losen" macht, ihm als Verschuldung zugerechnet werden.

30

Einleitung.

Zu a). Bewußte Fahrlässigkeit (luxuria). Sieht der Täter voraus, daß der schädigende oder verbotene Erfolg eintreten kann, läßt er diese Vorstellung aber nicht auf seine Willensblldung bestimmend einwirken, so ist denkbar, daß die Ablehnung, sie zur Willensbildung zu verwenden, und zwar in dem Sinne, den Vorsatz zu fassen, die Handlung nicht vorzunehmen, darauf beruhen kann, daß der verursachte Erfolg nach seiner Annahme nicht rechtswidrig, die durch den un­ beeinflußten WUlen erzeugte Handlung also nicht verboten ist. Diese bleibt daher zwar eine gefährliche Handlung, nicht ist aber schlechthin die Vornahme gefährlicher Handlungen verboten. Sie kann sogar geboten sein um der Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit willen, andere Gefahren abzuhalten, so z. B. alle die Gefährdungshandlungen zu Hellzwecken. Ebenso ist denkbar, daß der Täter glauben darf, jederzeit es in der Hand zu haben, dem Umschlagen der Gefährdung in eine Verletzung entgegen treten zu kön­ nen. Fehlen aber derartige berechtigende Gründe, so wird die Nichtver­ wendung der Vorstellung, die zur Abhaltung von der Handlung dienen kann, schuldhaft. Zu b) Unbewußte Fahrlässigkeit (negligentia). Sieht der Täter nicht einmal voraus, daß seine Handlung einen Erfolg haben kann, dessen Vorstellung ihn, wenn er sie gehabt hätte, zur Abhaltung von der Handlung hätte bringen können und sollen, so kommt es darauf an, welches die Gründe des Nichtvoraussehens sind. Liegen sie darin, daß die Vorstel­ lungen von dem eingetretenen Erfolg nicht so naheliegend assoziiert mit der Vorstellung von der Handlung waren, daß sie von selbst eintreten mußten, weil erfahrungsgemäß der Erfolg nicht mit der Handlung verknüpft zu sein pflegt, so war der Erfolg auch nicht „voraussehbar". War jedoch die Vor­ stellung vom Erfolg mit der Vorstellung von der Handlung infolge der Erfahrung so nahe assoziiert, daß sie einzutreten pflegt, besonders bei typischem Verlaufe, und wurde sie nur deshalb nicht in den Blickpunkt des Bewußtseins gerückt, weil andre in ihm befindliche Vorstellungen sie verdrängten, so kommt in Frage, ob es dem Täter zur Schuld zugerechnet werden kann, daß er diese andern verdrängenden Vorstellungen zur Herrschaft ließ, als er zugleich die Willensbildung Ursache für eine bestimmte Handlung und event, deren fortdauernde Verübung werden ließ. Dies kann verneint werden, wenn diese andern Vorstellungen von außen so plötzlich und so stark auf ihn ein­ drängen, daß sie allein im Blickpunkt des Bewußtseins bleiben (Schreck, Furcht usw.) oder infolge ihrer Frische gegenüber in ihrer Intensität bereits geschwächten lange Zeit aufrecht erhaltenen und dadurch ermüdeten Vor­ stellungen letztere überwinden, oder wenn sie vor allen andern um deswlllen die stärker gefühlsbetonten und daher den Willen bestimmenden sind, well sie der Vorstellung pflichtmäßigen Tuns entsprechen. Trifft dies aber nicht zu und besteht womöglich noch eine besondere Verpflichtung für den Täter kraft übernommenen Amts oder Geschäfts oder Berufs, bei Vornahme der diesen entsprechenden Handlungen seine Aufmerksamkeit auf diese zu richten und handlungsfremde Vorstellungen nicht in den Blickpunft des Bewußtseins derart gelangen zu lassen, daß sie jene Aufmerksam­ keit verdrängen, verdrängen aber trotzdem Vorstellungen, die an sich mit der Handlung, um deren Verursachen durch den Willen es sich handelt, nichts zu tun haben, die nahe assoziierte Vorstellung vom Erfolg der Handlung,

so beruht dies dann auf einer sei es dauernden (Charakteranlage), sei es vorübergehenden seelischen Zuständlichkeit, die das Verdrängen der Vor­ stellung über den möglichen Erfolg als Schuld erscheinen läßt. Eine Wil­ lensbildung, die sich unter solchen der Handlung fremden Vorstellung vollzogen hat, ist um dieser Verdrängung der der Handlung assoziierten Er­ folgsvorstellung willen schuldhaft, wenn sie Ursache für eine verbotene Handlung wird, und in diesem Sinne kann man dann auch von einem ungewollten (nicht vorgestellten) Erfolg als einem durch einen schuldhaften unbewußten Willen verursachten sprechen. Ähnlich M. E. Mayer S. 246. Eine eingehende Darstellung über die geschichtliche Entwicklung des Fahrlässigkeitsbegrifss bringt Binding, Normen IV. 2. Die Frage, ob der Täter bei der unbewußten Fahrlässigkeit zu b die Vorstellung vom Erfolg seiner Handlung haben konnte, ist stets nach seiner subjektiven Fähigkeit zu bemessen, wobei auch die beglei­ tenden Umstände, auch unverschuldete Erregungs- und Ermüdungszustände in Betracht zu ziehen sind. RGStr. 3 208, 6 249, 12 317, 8 66, 15 345, 30 25, 36 78, 334; RMG. 5 15, 6 262. Nicht nötig ist, daß gerade der Erfolg, der speziell eingetreten ist, voraussehbar war, es genügt, wenn der Täter sich vorstellen konnte, es werde ein Erfolg dieser Art eintreten, RMG. 6 262; RGStr. 6 345. 15 345, Die Frage, ob der Täter die Vorstellung vom Erfolg in den Fällen zu a und b zur Bildung eines Vorsatzes, die Handlung zu unter­ lassen, hätte benutzen sollen, ist stets objektiv nach der einem Normalmenschen in gleicher Lage zuzumutenden Verpflichtung zu beutteilen, RGStr. 30 25; Rechtspr. 4 165, 6 619. Hier kommen auch die besonderen Berufspslichten in Betracht. 3. Die Vernachlässigung gebotener Vorsicht genügt für sich allein nicht, den hierdurch verursachten Erfolg zur Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dies ist nur insoweit möglich, als der Täter zugleich auch den Erfolg voraussehen konnte, RGStr. 28 272, 41 119. Daher reicht auch die bloße Feststellung der Zuwiderhandlung gegen eine Polizeivorschrift nicht aus, den aus ihr sich ergebenden Erfolg ohne weiteres als fahrlässigen zu kennzeichnen. Der BorE. § 19 bestimmt: „Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Ver­ hältnissen verpflichtet und imstande ist, und infolgedessen entweder nicht Vor­ aussicht, daß sich der Tatbestand der strafbaren Handlung verwirklichen könne, oder, obwohl er dies für möglich hält, darauf vettraut, daß es nicht geschehen werde." 4. Das StGB, kennt keine fahrlässigen Verbrechen. Das fahr­ lässige Vergehen wird nur dort bestraft, wo dies ausdrücklich angeordnet ist. Bei zusammengesetzten Tatbeständen ist bestritten, ob auch der Erfolg nur bei fahrlässiger Verursachung als strafschärfend zu berücksichtigen ist, so namentlich Binding, Normen I S. 366, IV S. 271 ff., Wach, Sergi. Darst. 6 S. 11, oder ob der Erfolg als solcher, sofern er nur mit verursacht ist, strafschärfend wirkt, wie die herrschende Lehre annimmt, Radbruch, Vergl. Darst. 2 S. 233. RGStr. 5 29. Eine Ausnahme machen nur solche Vergehen, die rechtstörender oder rechtgefährdender Natur sind und aus Handlungen bestehen, die e r fahrungsgemäß regelmäßig aus Unachtsamkeit be-

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Einleitung.

gangen werden. Dann sollen die Straforvyungen sowohl für die fahrlässige als für d»e vorsätzliche Verübung gelten, so § 330 und § 145, RGStr. 45 394. Binding, Normen IV S. 285. Diese Grundsätze gelten auch fürllbertret u n g e n und es ist nicht richtig, allgemein den Grundsatz aufzustellen, bei Zuwiderhandlungen wesentlich polizeilicher Natur reiche Fahrlässigkeit aus, wie die gern. Mein. will. Vgl. Binding, Normen IV S. 286. RGStr. 38 104. Bei Kriegsverordnungen, bei denen häufig leider nicht gesagt ist, ob die Strafe nur die vorsätzliche oder auch die fahrlässige Zuwiderhandlung treffen will, ist in jedem einzelnen Falle zu prüfen, ob auch die Fahrlässigkeit unter Strafe gestellt ist. Ihrem Zwecke nach wird dies meist anzunehmen sein. 5. Verschiedene Schuldgrade bei der Fahrlässigkeit, ins­ besondere eine dreigliedrige Teilung der culpa wie im Zivilrecht, sind dem StGB, unbekannt, Annalen 9 226; RGStr. 16 363; 38 410.

XII. WillenSverwirklichunge«. 1. Die unmittelbare Verwirklichung des Willens geschieht durch Innervation auf die motorischen Nerven und die durch diese hervorgebrachte Körperbewegung oder Körperrnhe. Erstere wird in diesem Falle als „T ä t i g k e i t", „T it n", letztere als „U n t e r l a s s u n g", beide zusammengefaßt auch als „Handlung" bezeichnet. Im ursprünglichen Sinne ist die Bezeichnung als„Handlung"hergenommenvondemwesentlichsten Werkzeug zur Willensverwirklichung, der Hand. Darum ist H a n d lung im engeren und eigentlichen Sinne zunächst nur die Körpertätigkeit, die m i t dem Körper ausgeführte B e w e g u n g (der Hand usw.). Alle durch diese an den Außendingen hervorgerufenen Veränderungen fallen unter den E r f o l g der Handlung, sei es, daß diese selber in weiterwirkende Bewegung versetzt werden, sei es, daß sie in einem veränderten Zustand der Außenwelt als dauernden Erfolg enden. Dieser Erfolg steht daher der ihn verursachenden Bewegung als etwas Gesondertes gegenüber. Immerhin ist er als Erfolg dieser Tätigkeit so eng mit dieser verknüpft und namentlich psychisch als vorgestellter Zweck der Tätigkeit ein Bestandteil des ganzen Vorsatzes geworden, daß unter Handlung im weiteren Sinne auch der E i n t r i t t des von ihr verursachten Erfolgs mit einbezogen wird. Im StGB, wird unter Handlung bald nur das eigentliche Tätigwerden bald das Verursachen des Erfolgs einschließ­ lich dessen Eintritts verstanden. Vgl. auch Höpfner, Einheit u. Mehrheit der Verbrechen I S. 120. Von der „Unterlassung" als g e w o l l t e r Kör­ perruhe ist die bloße „Untätigkeit" zu unterscheiden. Wie gewollt nur etwas ist, was vorgestellt war, so muß auch das Nichttun vorgestellt und die Vorstellung vom Nichttun bestimmend auf den Willen einge­ wirkt haben, in ihn einbezogen worden sein. Dabei wird notwendig zu­ gleich auch die Vorstellung von einem Tun, und da nur etwas Bestimmtes getan werden kann, die Vorstellung von dicsein bestimmten Tun als Gegen­ vorstellung auftauchen und somit die Vorstellung vom Nichttun in die Vor­ stellung, etwas anderes ebenfalls Vorgestelltes nicht zu tun, sich verwandeln. Wie man nur „etwas" tun kann, ein Ab­ straktes, gegenstandloses tun unmöglich ist, so kann man auch nur „etwas" unterlassen, d. h. ein bestimmtes gegenständlich?s Tun nicht tun. Immer aber ist auch dieses Willensverwirklichung. Es erfordert dieses Unterlassen

Die Handlung.

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sogar häufig einen stärkeren Willen als ein Tun. Durchaus abzuweisen ist die Auffassung, als setze eine Unterlassung immer erst ein Gebot zum Tätigwerden voraus und äls gebe es eine Unterlassung nur als ein pflichtwidriges N i ch t t u n. Ob das gewollte Verhalten der Körperruhe, die Unterlassung, wider die Rechtsordnung tierftößt und verboten oder geboten ist, ist ebenso eine Frage für sich, wie bei den Willensverwirklichungen durch Körperbewegung, durch Tätigkeit. M. E. Mayer S. 108, 131. Dagegen namentlich Radbruch, Der Handlungsbegriff S. 131. Die Verkennung des Wesens der Unterlassung als etwas von Verboten und Gebeten Unabhängigen zeigt namentlich RGStr. 52 99 und hat das Gericht zu den Ausführungen über das Bewußt­ sein der Rechtswidrigkeit verführt, die mit der ständigen Rechtsprechung des RG. hinsichtlich des Bewußtseins bei Tätigkeit in Widerspruch stehen. Ebensowenig ist der Begriff auf den Gegensatz von einem erwarteten Tun abzustell^n, wie vielfach geschieht, z. B. auch Stockmann, Über Kau­ salität usw. S. 38; Träger, Problem der Unterlassungsdelikte S. 21. 2. Die „Handlung" (Tun — Unterlassen) als erster Erfolg der durch den Willen gesetzten Ursache kann zugleich der Enderfolg dieser Ursache bleiben, der Wille kann sich im Hervorbringen der Handlung erschöpfen, diese hat dann keinen weitere« Erfolg. Soweit das Gebot oder Verbot nur sie selbst ins Auge faßt, spricht man hier auch von „Formaldelikten", von „Delikten ohne Erfolg" (d. i. ohne weiteren Erfolg) im Gegensatz zu „Erfolgsdelikten", bei denen noch ein weiterer durch die Handlung hervorgebrachter Erfolg als Ver­ änderung in der Außenwelt hinzukommt. Die zum deliktischen Tatbestand gehörenden Tatumstände beschränken sich bei jenen auf die Körperbewegung des Tätigen oder dessen Körperruhe, es liegt entweder ein reinesTätigkeitsdelikt ^Kommissivdelikt) Kitzinger, Ort und Zeit der Handlung S. 71, 145 ff., oder ein reines Unterlassungsdelikt (Ommissivdelikt) vor. M. E. Mayer S. 133; Binding, Hdb. I S. 551. Sie werden auch „Delikte ohne Tatobjekt", „mit intransitivem Erfolg" genannt, M. E. Mayer S. 98. Hierher gehören z. B. §§ 88, 140, 310 Nr. 10, 366 Nr. 2, 368 Nr. 2. Sie sind meist Tätigkeiten, die geeignet lind, allgemeine Rechtsgüter zu gefährden. Die Frage ist von Bedeutung für die Möglichkeit des Rücktritts beim Versuch, vgl. zu StGB. § 46. 3. Nicht zu verwechseln mit diesen Handlungen ohne Erfolg find solche Handlungen, bei denen ihr Erfolg zeitlich mit ihrer Begehung zu­ sammenfällt und nicht in der Herbeiführung einer Veränderung in der äußern Welt der Erscheinungen besteht. Das Ergebnis der H a n d l u n g ist solchenfalls der Erfolg und er ist es, der vom Verbot oder Gebot getroffen werden soll. Dies trifft bei allen den Handlungen zu, die ihre Tätigkeitsbezeichnung von dem durch sie verursachten Erfolg her­ nehmen, nicht nur bei denen, wo eine äußere Veränderung in der Er­ scheinungswelt sich zeitlich und anschaulich von der Tätigkeit als solcher abhebt, wie z. B. beim Töten die den Tod herbeiführende Tätigkeit und der Eintritt des Todes, und daher ohne weiteres sich als Erfolgsdelikte darstellen, sondern auch bei denen, wo der Erfolg nicht in dieser äußerlichen Weise in die Erscheinung tritt. So ist das Machen einer falschen Anzeige in § 164 eine Tätigkeit, die in der Anzeige ihren Erfolg hat, ebenso haben in § 153 das Schwören eines falschen Eides in der Auffassung und dem Anhören des Eides durch den Richter ihren Erfolg, in der Beleidigung nach ••«meetÄt

Gtr«frefttz-»ch.

3

34

Einleitung.

§ 185 in dem Wahrmehmen der Äußerung durch den zu Beleidigenden, in § 360 Nr. 2 liegt b 7.

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das Reich. Ob die Handlung eine Übertretung ist, ist jedenfalls nicht nach ausländischem Recht, sondern nach dem Recht des Deutschen Reichs oder seiner Bundesstaaten, Länder^ -u deurtellen, RGStr. 18 299. 3. Das Reich hat z. B. Vertrag mit Belgien v. 29. IV. 1885 über Bestrafung von Forst», Feld» und Jagdfreveln usw. 4. Die Anordnung der Bestrafung der Übertretung durch besondere Gesetze oder Verträge des Reichs oder der Bundesstaaten mutz vor der Begehung der Übertretung erfolgt sein; denn durch diese Anordnung wird erst eine Bedingung für das inländische Strafrecht geschaffen, vorher erstreckte sich dieses nicht auf die im Ausland begangenen Handlungen, demnach waren diese auch nach § 2 Abs. 1 des StGB, nicht mit Strafe bedroht. Oppenhoff-Del. Rote 5. 5. Die Ausschließungsgründe des § 5 müssen auch für die Übertre­ tungen entsprechende Anwendung finden. § 2 Abs. 1 steht nicht entgegen. Dinding Hdd. I 443. Doch kann abweichendes gesetzt oder vereinbart werden. Schwartz Rote 3. Ebenso ist in den Gesetzen oder Verträgen zu bestimmen, ob das Legalitätsprinzip eingeschränkt werden soll oder nicht. Die Vorschrift des 8 4 Abs. 2 ist nicht ohne weiteres anzuwenden.

7. Eine im Auslande vollzogene Strafe ist, wenn wegen der« selben Handlung im Gebiete des Deutschen Reichs abermals eine Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen. 1. Die Regel des ne bis in idem gilt nur für die Erkenntnisse inländischer Gerichte, ausländische braucht der Staat nicht als ihn bindend anzuerkennen, soweit er dies nicht fteiwlllig tun will, wie in $ 5 bestimmt. § 7 enthält daher nicht eine Anerkennung der ausländischen Arteile als für das Reich verbindlich und enthebt nicht den Richter, die Tat nach deutschem Recht zu deurtellen und für sie eine Strafe auszuwerfen, wie dieses es fordert» unabhängig von einer bereits durch ausländisches Artell erkannten Strafe, sondern es verordnet nur, aus D ill igk e it auf die erkannte Strafe eine wegen derselben Straftat im Ausland bereits vollzogene Strafe in An­ rechnung zu bringen. Ebensowenig, wie § 60 also die Auswerfung der vollen Strafhöhe erübrigt und nur die Anrechnung gestattet, ist nach $ 7 diese Auswer­ fung -er vollen Strafe und die Verurteilung selbst durch das ausländische Urteil aus­ geschlossen. § 7 geht aber insofern weiter als § 60, als er die Anrechnung der im Aus­ land vollzogenen Strafe zwingend vorschreibt, während die Anrechnung der Unter­ suchungshaft nach § 60 nur dem Richter gestattet ist. Ebenso zwingend die An» rechnung der Di sziplinar strafe nach SeemO. 8 HO. Dagegen leider nicht die vollzogene rechtswidrig verhängte militärische Disziplinarstrafe. Dgl. M. E. Mayer, Disziplinar- u. Beschwerderecht (1910) S. 18. 2. Voraussetzung ist zunächst, -atz Wege« derselben Handlung eine Verurteilung im Auslan d vorliegt, wegen der auch im gnland die Verurteilung erfolgt. Auch hier ist lediglich derselbe historische Vorgang gemeint, nicht ist erforderlich, daß dieser dieselbe rechlliche Beurteilung im ausländischen wie im deutschen Rechte erfährt; a. M. Dinding Hdd. I 440. Es finden also dieselben Grundsätze Anwendung, die bei der Entscheidung der Frage des ne bis in idem maßgebend sind. Mindestens muß ein Teil -er einheitlichen Handlung zur Herstellung des Tatbestands des ausländischen und des inländischen Delikts verwendet werden. RGStr. 32 139; gW. 1913 150. 3. Daß die Handlung im Auslande ganz oder teilweise begangen sei, ist nicht erforderlich, gleichgültig auch, ob sie ganz oder teilweise gerade in dem Ausland begangen ist, dessen Gericht die Strafe ausgesprochen hat. Auch eine in Deutschland de gangene Handlung kann vorliegen, sofern nur wegen ihr einausländischesStrafu r t e i l ergangen und die von diesem erkannte Strafe auch im Andlaad vollstreckt worden ist. gst die Strafe nur zum Teil vollzogen, so ist nur dieser Teil nach j 7 auf die in­ ländisch erkannte Strafe anzurechnen; ist die Strafe im Ausland nicht auf Grund eines ausländischen Arteils, sondern in Gewährung von Rechtshilfe auf Grund eines inländi­ schen Arteils gleichviel, ob wegen einer Zuwiderhandlung gegen Gesetze des Reichs oder

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Strafgesetzbuch.

eines Landes, ob wegen Verbrechen, Vergehen oder Übertretung — vollzogen worden, findet $ 7 keine Anwendung. 4. Das «aß der Arrrechmmg ist dem Richter überlassen. Wie aber fürs deutsche Recht bei $ 60 § 21 anwendbar ist, RGStr. 15 143, so auch bei den ausländischen Strafen, wenn sie wesensgleich mit den deutschen sind, andernfalls sind die Strafübel gegenein­ ander ab-uschätzen, RGStr. 35 41. Ist die ausländische Strafe als Ge­ samtstrafe auch wegen anderer Sraftaten erkannt und vollzogen, als zur inlän­ dischen Beurteilung stehen, so liegt nicht nur dieselbe Handlung vor und es darf daher die v o l l e ausländische Strafe nicht zur Anrechnung herangezogen werden, der inlän­ dische Richter mutz die beiden Strafsysteme vergleichen und die Gesamtstrafe entsprechend verteilen. RGGtr. 35 41. 5. Die Anrechnung der im Ausland vollzogenen Strafe steht der Strafverbühunc im Inland gleich, ist jedenfalls Bestrafung im Inland und begründet die Voraussetzung des Rückfalls. Zur Anwendung des $ 7 gehört aber, dah die Strafe wirklich vollz v g e n ist, bei Erlatz oder Verjährung der Strafe findet sie nicht statt. — Eine Nach­ holung der Anrechnung bei Vollstreckung des ausländischen Strafurteils hm Ausland nach dem inländischen Erkenntnis ist unzulässig.

8. Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reich gehörige Gebiet. 1. Die Begriffsbestimmung gllt nur für das StGB., vornehmlich also für die Vor­ schriften in §§ 4 ff., nicht unbedingt für die Nebengesehe, gar nicht für die Landesgesetze. In diesen wird häufig Ausland nicht als Reichsausland, sondern als anderer Bundesstaat, Land, zu verstehen sein, RGStr. 1 219.— Wegen derKolonien vql. § 3. Rach 5 D 237/10 22. IV. 1910 war Reutral-Mvresnet nicht Ausland im Sinne von § 8. 2. War das Gebiet, auf dem die strafbare Handlung begangen wurde, zu dieser Zeit noch Ausland und ist es erst später durch Inkorporation Gebietsteil des Deutschen Reichs geworden, so finden die Vorschriften der §$ 3 ff. Anwendung. Ist das Gebiet dagegen zur Zeit der Tat deutsches gewesen und später ausländisches geworden durch Abtren­ nung vom Deutschen Reich, so gilt es für die Frage der Strafverfolgung als Ausland.

9- Ein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Ver­ folgung oder Bestrafung nicht überliefert werden. 1. NrchtauSlieferrmgseiner Staatsangehörigen an fremde Regierungen ist Grundsatz aller Staaten. Er hat jetzt auch Aufnahme in die neue Verfassung gesunden, Art. 112 Abs. 3. Auch die ehemaligen Fürsten Deutschlands schützt dieser Grundsatz gegen Auslieferung. Das Gesetz schließt die Auslieferung auch mit Zustimmung des Täters aus. Es gilt auch für den, der nach der Tat Deutscher geworden ist, nicht mehr für den, der deutsche Staatsangehörigkeit nach der Tat verloren. Die Vorschrift hat zwar nur die Auslieferung zur strafrechtlichen Verfolgung wegen Übertretung gegen Strafgesetze im Auge, der Grundsatz gilt aber in gleicher Weise auch für Verfolgung wegen Ordnungsstrafen, Zwangsstrafen und Disziplinarstrafen. Wenn die Deutsche Regierung in den Friedensverträgen eine gegenteilige Verpflichtung übernommen ha^ so ändert das an der Unzulässigkeit der Auslieferung solange nichts, als nicht das Gesetz geändert ist. 2. AuöliefenmgSverträge über Auslieferung Deutscher an deutsche Regierun­ gen bestehen a) für das Reich mit Verein. Staaten von Nordamerika 22. II. 1868 (RGBl. S. 228,231), (Rordd. Bund), Italien 31. X. 1871 (RGBl. 446), Grvtzbritannien 19. V. 1872 (RGBl. 229), S. V. 1894 (RGBl. 535), 30. I. 1911 (RGBl. 175), 17. VIII. 1911 (RGBl. 1912 S. 153); Schweiz 24. I. 1874 (RGBl. 113); Belgien 24. XII. 1874 Der Angriff bedeutet Deeinttächtigung eines rechtlich geschützten Zustands. Er kann in jedem Verhalten liegen, auch in der Beibehaltung eines Verhaltens, sofern dieses -war anfangs rechtmähig war, aber in seiner Fortsetzung einen rechts­ widrigen Eingriff enthält, wie beim widerrechttichen Derweilen in einer Wohnung, Nechtspr. 1 33. A. M. E. M. Mayer S. 277. Ebenso kann ein Derhalten, das einer Handlungspslicht -uwi-erläust, also ein Unterlassen, einen solchen Angriff enthatten, wie z. D. das Unterlassen der Ernährung des Säuglings durch die Mutter, v. Dar 3 147; Kitzinger, Verhinderung ftrafb. Handl. (1913) 6.89; KSHler 6.343. — A. M. Olshausen $ 53 Nr. 5 u. 6.

e) Der Angriff muh gegenwärtig sein. Dgl. Schleisenbaum, Begriff und Be­ deutung des gegenwärt. Angriffs (04). Das ist er auch bei einem Derhalten, das un­ mittelbar in eine Verletzung umschlagen kann, also solchen unmittelbar Ein­ tritt droht, wobei durch Hinausschiebung der Abwehrhandlung deren Erfolg gefährdet ist, s 0 s 0 r t i g e Verwirklichung der Drohung braucht nicht gerade bevorzustehen,NGStr. 36 334, 53133. CCC Art. 140: „ist auch mit seiner Gegenwehr, bis er geschlagen wirbt, zu warten, nit schuldig" — „als etliche unverständige Leut meinen", wie Dambergensis hinzusetzt. Ob schon ein Versuch anzunehmen ist, i. 6. von § 43 ist nicht entscheidend, Hälschner 1 479. Wenn Hinausschieben der Abwehrhandlung ohne Gefährdung ihres Erfolgs möglich ist, ist jedoch immer schon die Vorbereitung der Abwehrhandlung zulässig. Der Angriff kann die juri­ stische Vollendung des Delikts überdauern, er dauert solange, als der Eingriff in die Rechtsverletzung noch nicht zum Abschluß gekommen ist. So z. D. wenn der Dieb in unmittelbarer Fortsetzung an die Tätigkeit des Wegnehmens die Sachen fortschafft. Nur wenn dazwischen eine Pause liegt, die Wegnahmetätigkeit endgültig abge­ schlossen war, liegt keine Fortsetzung des gegenwärtigen Angriffs mehr vor; Allfeld 6. 184; Bar 3 151; Frank § 53 11, Hälschner I 6.479; Olshausen Not. 9a; M. E. Mayer S. 278; Köhler 6. 350. — A. M. Finger 1 400. Gegenwärtig ist ein Angriff, solange er noch nicht aufgegeben, fehlgeschlagen oder vollständig durchgeführt ist, NGZ. VI 469/10 v. 27. III. 1911; NGStr. 2S240; NMG. 6 223, 15 101. Die Gegen­ wehr muß also in die Angriffszeit fallen, die bei Dauerverbrechen, fortgesetzten Ver­ brechen ausgedehnt sein kann, Dinding, Hdb. IS. 748. — Wie lange ein Angrift gegen­ wärtig ist und somit die Voraussetzungen der Notwehr vorliegen, richtet sich lediglich nach der objektiven Sachlage, nicht nach der subjektiven Auffassung des Handelnden, Nechtspr. 123; NGStt. 21 189; NGZ. 84 306. Diese subjektive Auffassung kommt dann erst bei -er Frage, ob Putativnotwehr vorliegt, in Betracht, Nechtspr. 6 576. — Liegt ein gegenwärtiger Angriff überhaupt nicht mehr vor, kann auch von einem Exzesse nicht mehr die Rede sein, 4 D 1195/11 v. 9. IL 1912. Auch ein Zurüctweichen vor dem Angriff kann diesen beenden, RGg. VI, 435/05 v. 12. IIL 06. Jkemmentar -. Strafgesetzbuch.

13

194

Strafgesetzbuch.

1. Teil.

4. Abschnitt.

f) Der Angriff mutz rechtswidrig sein. Rechtswidrig im objektiven Sinn ist genügend. Wie aber schon jeder Zustand, der in Widerspruch zu den Vor­ schriften der Rechtsordnung besteht, rechtswidrig sein kann, v. Tuhr a. a. 0. S. 454, so auch jede Angriffshandlung, die objektiv wider das Recht ist, eine Gefahr für ein rechttich geschütztes Gut dringt, die der Angegriffene zu dulden nicht verpflichtet ist. Deshalb sind sowohl Angriffe von Unzurechnungsfähi­ gen wie von T i e r e n als objektiv rechtswidrig zu erachten. Rach Dinding, Hdb. I S. 740, Sommerlad in Eoltd.Arch. 34 6.358, gabinski a. a. 0. S. 37 u.a. soll es sogar genügen, daß die Angriffshandlung rechtmäßig ist, man sie zu dulden aber nicht verpflichtet ist. Dies setzt eine Rechtskollision voraus, wie sie nur bei verschiedenen Rechtsordnungen vorkcmmt. Es kommt aber nicht daraus an, ob nach dem Recht des Angreisenden die Handlung erlaubt oder gar geboten ist, sondern ob nach dem Recht des Angegriffenen, ein objektiv widerrechtticher Eingriff in dessen Rechtssphäre vorliegt, den er nach diesem Recht zu dulden nicht verpflichtet ist, v. Dar 3 S. 153; Frank I 2b; 0lshausen Art. 6, Schwartz 2d, 0etter, Dergl. Darst. 2 264, RGStr. 27 44. Hiernach genügen Angriffe von un­ zurechnungsfähigen Personen (Wahnsinnigen, Kindern), ebenso von schuldlosen und persönlich straflosen Personen (Irrenden, Betrunkenen), ferner im Fall der § 247 Abs. 2, § 248a; Abgeordnete, denen die Exemtton -usteht und Exter­ ritoriale. Die objektive Rechtswidrigkeit des Angriffs wird auch nicht dadurch besettigt, datz er vom Angegriffenen schuldhaft verursacht war. Dmding Hdb. I S. 749; Rchtspr. 6 576. Rur wenn der Angegriffene -en Angriff absichttich provoziert und damit sich selbst schuldhast in den Rotwehr-uftan- versetzt hat, kann von einem Angriff ebenso wenig die Rede sein, wie wenn jemand sich selbst verletzt, v. Tuhr a. a. 0. S. 584. Der Angreifer ist dann lediglich Werkzeug (mittelbarer Täter) des Provokanten; Köhler S. 348.

Auch die widerrechtliche Amtsausübung (vorsätzliche und fahr­ lässige Zuwiderhandlungen, Angriffe sachlich und örttich unzuständiger Beamten) läßt die objekttv widerrechtliche Natur des Angriffs bestehen. Dasselbe gilt von Angriffen im Notstand, da diese objektiv widerrechtlich bleiben. Gegen sie ist Notwehr zulässig. Anders nur, wenn besondere Notstandsrechte gegeben sind. Dgl. zu § 54.

Subjektive Rechtswidrigkeit des Angriffs ist nicht erfvrderlich. Der Angriff braucht nicht auf Verschulden oder unentschuldbarem Irrtum zu beruhen.

Nicht rechtswidrig, und daher bei ihm Rotwehrha«dl«ng ausgeschlossen, ist dagegen ein Angriff, der erfolgt kraft eines besonderen subjektiven Rechts. Daher gegenNotwehrkeineNotwehr (aber gegen Notwehrexzesse), gegen be­ sonders anerkannte Notstandsrechte keine Notwehr, Dinding Hdb. IS. 766, z.D. DGD. § 229, § 904, § 855; gegen rechtmäßige Amtsausübun g keine Notwehr. Dgl. hierzu im einzelnen die Amtsdelikte und Widerstand gegen Staatsgewalt. Auch Dinding Hdb. IS. 742. SoDuldungeinesAngriffs auf Freiheit oder Vermögen durch Rechtspflicht der Dollstteckung eines Ar­ teils, gleichviel, ob dies materiell richtig oder falsch. Recht 19 Nr. 1222, Züchti­ gungsrecht. $• Die Verteidigung richtet sich lediglich gegen den Angreifer. Hierdurch unter­ scheidet sie sich vom Notstand, in dem auch andere Personen und Güter, als -Wenigen,

die den Angriff vollziehen, verletzt werden können. § 228 und § 904 DGD.

Derselbe Gegensatz auch zwischen

a) Die Verteidigung kann sich auch gegen die Rechtögüter M Angreifende« und die von ihm gebrauchte« AngrissSmittel wcntin, gleichviel, ob sie ihm ge­ hören oder n icht. Soweit sie aber nicht gebrauchte Angriffsmittel sind, ist ihre Verletzung nur nach den Regeln des Notstands zulässig. Daher darf bei einem Stteit in der Gastwirtschaft der An gegrif fene zu seiner Verteidigung nicht

Gründe, welche die Strafe ausschlietzen oder mildern.

§ 53.

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ohne weiteres die Stühle und Diergläser des Wirtes ergreifen und mit ihnen zu­ schlagen, sondern nur in Grenzen des Notstandes und nach DGD. $ 904. Man darf nicht Rechtsgüter unbeteiligterDritter verletzen, um rechtswidrige Angriffe von sich adzuwehren, wenn nicht Notstand vorliegt. Olshausen Nr. 12; Oetker Dergl. Darst. 2 291. — A.M. Dinding Grdr. 189 u. a. Aber wenn sie der A n g r e i f e r zum Angriff benutzt, darf man auch diese Werkzeuge schädigen. RGStr. 21 168 steht nicht entgegen, da Gottesdienftausübung unter Beleidigung des Anwesenden rechtswidrig. — Dgl. auch NMG. 17 41. Köhler 0.352. — Der Verletzung unbeteiligter Dritter steht nicht gleich eine Zuwiderhandlung gegen sicherheits-, Verkehrsund ordnungspolizeiliche Vorschriften zur Fernhaltung von Gefahren. Wenn diese wirkungslos waren, um den Angriff abzuhalten, dürfen sie auch nicht hindern, die notwendige Verteidigung gegen den Angriff auszuüben. v. Dar 3 209. Frank $ 53 II. Oetker DO. 2 293. Recht 18 729. b) Es ist der Wille, sich zu verteidigen, erforderlich sowohl für die rechte wie für die vermeintliche Notwehr. NGM. 9 278, 12 234. Ob dieser aus einer den nutzeren Anschein einer Verteidigung an sich tragenden Hand­ lung feftzustetten ist, ist Tatfrage. Wer gegenüber einem Angreifer ein vermeintlich ungeladenes Gewehr abdrückt, um zu schrecken, kann sich nicht auf Notwehr berufen, wenn er den Angreifer verletzt, weil er gar nicht hat schießen wollen, 1 D 3/15 v. 11. XII. 1915; 3 D 357/18 v. 23. XII. 1918. Datz die Handlung in Wirklich­ keit objektiv den Erfolg hatte, einen rechtswidrigen Angrift von sich oder einem Andern abzuhalten, gen ügt nicht, wenn diese Abwehr nicht gewollt war. Auf -en Beweggrund im übrigen kommt es nicht an, es können daher neben dem Abwehrwillen noch andere Beweggründe konk urrieren, wie Deftiedigung des Hasses usw., 4 D 1193/13 v. 27. II. 1914; Nechtspr. 4 804. Es genügt daher auch nicht die Feststellung, -atz der Handelnde sich in Notwehrftand befunden hat, erforderlich ist stets, datz er sich auch gegen die drohende Gefahr verteidigt hat. Don einer solchen kann aber nur die Rede sein, wenn er den Willen sich zu verteidigen hatte, 4D 111/15 v. 15. IV. 1915. < - Das Matz der Verteidigung richtet sich darnach, wie weit solche erfor­ derlich war. Die Erforderlichkeit ist nur objektiv, nicht nach der Auffassung des Angegriffenen zu beurteilen. Es ist zu entscheiden, welche Gewalt und Gefähr­ lichkeit dem Angriff tatsächlich innewohnt, nicht, was der Verteidiger hiervon wahrgenommen oder angenommen hat. War der Angegriffene des Glaubens, er sei dem Angreifer an Körperkraft überlegen oder hatte er keine Kenntnis davon, datz der Angreifer auch Waffen bei sich trug, und hat er eine Verteidigung aufgewendet, die erforderlich war der wahren Sachlage gegenüber, nicht aber der vom Verteidiger vorgestellten, so hat er dennoch das erforderliche Matz -er Verteidigung nicht über­ schritten. Es liegt nur eine Putattvüberschreitung vor. RG g. 84 306. Die Verteidigung kann auch bereits vorbereitet werden, bevor der Angriff gegenwärtig wir-, so z.D. durch Legen von Futzangeln, Selbstgeschossen, mit polizeilicher Erlaubnis, $ 367 Nr. 8 usw. Maßgebend ist lediglich, ob die Ver­ teidigung zur Zeit des Angriffs, wenn sie wirksam wird, erfor­ derlich ist. Es darf auch mit der Möglichkeit des hartnäckigsten Angriffs solchenfalls gerechnet werden, wie sie nach Art und Zeit möglich sind. Wenn der Garten nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen widerrechttich stehlenshalber aufgesucht werden kann, sind die gegen die Erwachsenen erforderlichen Mahnahmen zulässig. Gegen einbrechendes Vieh darf vergiftetes Futter gestreut werden, da nicht immer Gelegenheit ist, es zu vertreiben usw. Oetter, Dergl. Darst. 2 277. Maßgebend ist die Hartnäckigkeit und Stärke des Angriffs, nicht der Wert des in Gefahr befindlichen Rechtsgutes. Hierbei kommt es auf die Ätfiftc des Angreifers zu dem Angegriffenen an. Ein kräf­ tiger Mann kann sich durch einfachere Mittel des Angriffes erwehren, als ein schwäch­ liches Mädchen, ein bewaffneter anders als ein Waffenloser. Das Recht braucht dem Anrecht nicht zu weichen, daher braucht der Angegriffene nicht obrigkeitliche Hilfe zu rufen, braucht auch nicht die Flucht zu ergreifen und auf sein Notwehrrecht zu verzichten, der Gefahr nicht auszuweichen, RGZ. VI 142/06 v.

13*

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Strafgesetzbuch.

1. Lett.

4. Abschnitt.

10. XU. 06; a.M. RGStr. 16 69; RGZ. IV 130/16 v. 6. VII. 1916 und RGStr. in Goltd.Arch. 48 304. Wenn bei einem Streit und versuchter Sabotage der Fabrik­ herr den Arbeiter erschießt, um die Zerstörung einer Maschine zu verhindern, und anders nicht den energischen versuchen der Zerstörung begegnet werden kann, so ist das zuläM. M. E. Mayer S. 281. Dinding Hdb. I S. 752. A. M. z.T. Daumgarten G. 125. Wenn die Handlung als Abwehr an sich erforderlich war, dabei aber ungewollt andere mid verletzt, wird ihre Rechtmäßigkeit durch den Charakter der Rotwehrhandlung gedeckt, RGStr. 21168; M. E. Mayer S. 282; bestritten, Frank zu j 53II. 4. Rottvehriiberfchrettrmg (Exzeß) setzt immer voraus, daß überhaupt ein rechtswidriger Angriff und eine hiergegen unternommene Verteidigung, also eine Not­ wehr vorliegt. Lediglich das zur Abwehr erforderlicheWaßwird überschrit­ ten , wenn auch in Abs. 3 nur von Überschreitung der Grenze der Notwehr gesprochen wirb. Daher handelt es sich nicht mehr um bloße Überschreitung, wenn im Anschluß an bereits erfolgte Abwehrnoch eine Nechtsgüterverletzung des ursprüng­ lichen Angreifers vorgenommen wird, z.D. der Dieb nachträglich verprügelt wird, Olshausen Note 15; a.M. v.Dar 3 202, NWG. 7 248. Liegt Notwehrüberschreitung vor, so verliert insowett, als das erforderliche Maß überschritten wird, die zur Abwehr vorgenommene Nechtsgüterverletzung ihre Nechtmäßigkeit und wird selbst zu einem widerrechtlichen Angriff. Daher ist der Überschreitung gegenüber stets wieder Notwehr zulässig, gleichviel, ob die Überschreitung strafbar ist oder nicht. Die Verletzung, die in Überschreitung der Notwehr vorgenommen wurde, macht straf­ bar, wenn sie als solche strafbar ist. Sie kann fahrlässige und vorsätzliche Nechtsverletzungen enthalten, sie kann aber auch trotz der Überschreitung straflos bleiben, wenn sie als Rechtsverletzung ohne Rücksicht auf Notwehrhandlung straflos sein würde. Die in Abs. 3 aufgezählten Desreiungsgründe sollten allerdings nach der Meinung der Motive eine abschließende Aufzählung der Desreiungsgründe geben und ihnen hat sich die gemeine Meinung angeschlossen, Nechtspr. 9 120; Olshausen 233; auch E. M. Mayer, wenn auch nicht ohne Tadel der Vorschrift 0.282. Der Wortlaut des Gesetzes zwingt aber keineswegs dazu, auch andere als die dort aufgeführten als Defreiungsgründe gelten zu lassen. And die Motive sagen: Eine „weitere Ausdehnung der Gründe ist im Hinblick auf d ie u m fa ssend e Be­ deutung der aufgenommenen Arten nicht geboten." Daraus geht aber nur hervor/daß man annahm, es würden alle Gründe bereits gedeckt, nicht aber, daß man wollte, es sollten nur die aufgeführten in ihrer Beschränktheit gelten. Der Wille ging also offenbar dahin, alle Schuwbefte'mngsgründe gelten zu lassen.

5. gn Abs. 3 wird als persönlicher Gchuldauöschließung-grund für -en überschrei­ tenden hingestellt der Umstand, daß er in Bestürzung, Furcht oder Schrecke« gehandelt hat. Die Nechtswidrigkeit der im Exzeß begangenen Nechtsverletzung wird dadurch nicht ausgehoben, aber es handelt sich auch nicht um einen bloßen persön­ lichen Strafausschließungsgrund, sondern um einen Schuldaussch ließungsgrund, der die delittische Natur der objektiv widerrecht­ lichen Handlung aushebt, so auch Mot. -. Entw. $ 51, „Die im Affekt erfolgte Über­ schreitung der Notwehr ist ebenfalls nicht strafbar, da sie nur die unverschuldete Überschreitung des Rechts ist. Es ist der Notwehr gleichzuachten, wenn der Täter aus Bestürzung usw. die Grenze überschreitet." A.M. Olshausen u. gern. Mein., NGZ. 21 295. Der Gedanke ist, daß jemand im Zustand dieser Affekte das erforderliche Maß nicht zu beurteilen vermag, deshalb soll ihm dieser Mangel im Maßhalten nicht -ugerechnet werden, er wird be­ handelt wie jemand, der das Maß ein gehalten hat. Daraus folgt, daß es nur darauf an­ kommt, ob jemand tatsäch lich in diesem Affektzustand war, nicht aber, ob er schuldhast in solchen geraten ist, etwa aus großer Feigheit, Anüberlegtheit und bei gehöriger Auf­ merksamkeit diese Erregung hätte vermeiden können. Andererseits decken diese Affekte nicht, wenn trotz ihrer die Erkenntnis der Überschreitung vorhanden war und diese vorsätzlich vorgenommen wurde, so auch DindingHdb. I 0.753. A. M. RG0tr. 2l 189 und gern. Mein. Es ist aber nicht zulässig, innerhalb der als Bestürzung, Furcht oder Schrecken zu bewertenden Geistesverfassung zu unterscheiden, ob der in Notwehr

Srün-e, welche die Strafe ausschließen oder mildern.

A 54.

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Handelnde noch zu der Erwägung fähig war, welche Maßnahmen zur Abwehr er­ forderlich sind und welche darüber hinauegehen, 3D 797/11 v. 27. XL 1911.

6. von der Notwehrüberschreitung ist die vermeintliche Notwehr (Putativnotwehr) streng zu unterscheiden. Sie ist leine Notwehr, sondern der tatsächliche Irrtum über das Dorliegen einer Notwehrlage. Inwieweit der irrige Glaube, wenn er schuldlos ist, Vorsatz und Fahrlässigkeit ausschließt, wenn er verschuldet ist, fahrlässige Rechtsverletzung übrig läßt, richtet sich nach dem Einfluß des Irrtums, insbesondere nach § 59. RGZ 88 118; RGStr. 21 189; 4 D 204/17 v. 4. V. 1917. — Vermeintliche Notwehr liegt aber nicht vor, wenn trotz des Irrtums tatsächlich ein Notwehrzustand übrig bleibt, so wenn jemand irrtümlich glaubt, er selbst sei angegriffen, der Angriff sich aber gegen einen Dritten richtet, da auch diesem Dritten Nothilfe gewährt werden kann, Köhler S. 360. Liegt vermeintliche Notwehr vor, so müssen auch die für den Exzeß in wirtlicher Notwehr gesetzten Schuldbefreiungsgründe des Abs. 3 entsprechend angewendet werden Es entspricht nicht dem Rechtsempfinden, den Exzeß dann hier voll strafbar werden zu lassen, wie gem. Mein., v. Dar 3 202; RGStr. 21 189; RWG. 11166; dagegen richtig Köhler S. 360.

54. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn dic Handlung außer dem Falle der Notwehr in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Notstände zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Täters oder eines Angehörigen begangen worden ist. 1. Notstand ist der Zustand einer Gefahr, der eine Kollision der Pflichten erzeugt, weil er nur durch Verletzung fremden Rechtsguts abgewendet werden kann. Wie § 51 und § 52 seht auch § 54 voraus, daß die im Notstand begangenen Handlung an und für sich objektiv wide r rech tlich ist, ein fremdes, sei es privates, sei es öffentliche:. Recht verletzt, RGStr. 41 214; a.M. Wachenfeld 122, Allfeld 188; Köhler S. 363. Wie der Zustand der Not aber anderwärts als strafmindernder Zustand erscheint, StGB. §§ 248a, 267a, so wird er in § 54 nicht nur als Strafausschließungs­ grund (so Olshausen, Deling), sondern geradezu als SchuldauSschließuugSgruno hingestellt, der die TeliktSfähigkeit aufhebt. So u. a. Frank; Dinding tzdb. I S. 764, nimmt an, die Notstandsverlehung sei zwar nicht rechtmäßig, aber auch nicht unverboten. „Not kennt kein Gebot", d.h. beachtet es nicht. So schon allgemein im kanon. Recht, bei Diebstahl CCC Art. 166. Notstand ist hiernach „die Lage eines Menschen, worin er nur durch eine an sich verbotene Handlung — insbesondere Verletzung eines andern Gutes, ein gefährdetes Rechtsgut retten oder die Erfüllung einer Rechtspflicht ermöglichen kann", bedeutet also einen Konflikt der Pflichten. Dinding, Hdb. I S. 759; M. E. Mayer S. 302: „Wer in Not eine Rechtspflicht verletzt, ist straflos, wenn die Pflichtverletzung durch die Gefahr ent­ schuldigt wird. — gm Gegensatz hierzu steht die Ausfassung, daß die Notstandshandlung die objektive Rechtswidrigkeit selbst beseitigt, Fischer, Die Rechts­ widrigkeit S. 224, 242; Hold v. Ferneck 2 144, v. Liszt 153; Allfeld S. 188; Oetker 334; Wachenfeld 146; Fischer S. 254 gibt für die verschuldete Notstandshandlung ihre Widerrechtlichkeit zu. Es gibt aber nur einzelne subjektive Notrechte, kein allgemeines Notstandsrecht, Dinding Hdb. IS. 763, 772. Dgl. auch Stammler, Die strafrechtl. Bedeut, des Notstandes S. 48. gm G e g e n s a tz zum Notstand ist die Notwehr Unrechtsbekämpfung, setzt also einen rechtswidrigen Angriff voraus und ist daher ihrerseits eine Handlung, die auch objektiv erlaubt, nicht rechts­ widrig ist. Dgl. zu § 53. Sie ist Ausübung eines Rechts, des Notwehrrechts. Die Worte des Gesetzes „außer dem Falle der Notwehr" sind irreführend und über­ flüssig. 2. Geht man davon aus, daß die in Notstand begangene Handlung, von besonderen Ausnahmen abgesehen, nicht Ausübung eines subjektiven Rechts, sondern lediglich schuldlose Zuwiderhandlung ge g en e m D er b ot ist, und zwar die

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Strafgesetzbuch.

1. Teil.

4. Abschnitt.

Schuld um deswillen verneint wird, weil die Selbstaufopferung eigener wichtiger Lebensgüter in Berücksichtigung des menschlichen Selbsterhaltungstriebs den Un­ gehorsam gegen Verbote, die die Verletzung von Lebensgütern anderer bezwecken, entschuldigt, so ergibt sich daraus ») Zulässigkeit der Notwehr gegen eine im Notstand begangene Handlung, sofern im übrigen deren Voraussetzungen vorliegen, RGStr.23 116, Dinding Hdb. I S. 763, 766, denn auch die im Notstand begangene Zuwiderhandlung gegen ein Verbot bleibt objektiv ein rechtswidriger Angriff. b) Unzulässigkeit der Nothilfe. Der Schuldausschliehungsgrund für die objektiv widerrechttiche Handlung wirkt nur für den im Not stand befind­ lichen selbst, nicht für einen Dritten. § 53 Abs. 2 kann nicht entsprechend an­ gewendet werden. Eine Ausnahme hiervon machen nur die Fälle wirklichen Notrechts und die Notlage der Angehörigen, die §54 selbst wie ein eigener Not st and als Entschuldigungsgrund wirken lätzt. Dinding Hdb. I G. 766, 786, 784. 3. Notstand und Notwehr haben gemeinsam den Zustand der N o t, d. i. den Zu­ stand einer gegenwärtige« Gefahr. Das StGB, behandett lediglich den Notstand, der eine Gefahr für Leib und Lebe« des Täters, d. h. des die objektiv widerrechtticheHand­ lung Begehenden, oder eines Angehörigen von ihm bringt. Dgl. hierzu die Aus­ führung zu § 52. Insbesondere muh auch bei der L e i b e s g e f a h r die Gefährdung der Leibesintegrität so stark sein, datz sie wie die Todesgefahr, zufolge des Selbsterhaltungs­ triebs die Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsvorschrift entschuldigt. Dinding Hdb. I S.783. Aus diesem Grunde wird auch hier wie in § 52 eine gewisse Proportion zwischen der Leibesverlehung und dem zu verletzenden Rechtsgut vorliegen müssen. Vgl. Bülow, DgZ. 1910 0. 681; Eckstein, Oetker, Dergl. Darst. 2 S. 340 ff., — Dagegen Baumgarten, Notstand u. Notwehr S. 40. Aach durch das blotze Bestehen einer Schwangerschaft kann das Leben der Schwangeren gegenwärtig gefährdet sein, nicht erst im Zeitpunkt der Geburt, wenn jetzt mit mehr Allssicht auf Erfolg die Gefahr abgewendet werden kann, RGStr. 36 334; gW. 1899 S.788; 1912 S.413; 4 D 780/15 v. 21. XII. 1915; 5D 1217/11 v. 20. II. 1912. An sich können auch andere Rechtsgüter gefährdet sein, in § 54 wird, wie in §52, aber nur der Konflikt -wischen Leib und Leben und einer strafbaren Hand­ lung behandelt. Eine entsprechende Ausdehnung dieser Vorschrift ist nicht zulässig, A. M. Dinding Hdb. I S. 772. Abhilfe wird jedoch in anderen Rechtsgebieten, namenllich dem BGB., geschaffen, so in §§ 228 u. 904 für jedes Rechtsgut, auch durch Gewöhn heitsrecht, durch Nebengesetze usw. Der Vorentwurf bringt eine teilweise Erweiterung, indem er die Gefahr für die Person schlechthin genügen läßt.

4. Die beim Notstand vorliegende Gefahr beruht im Gegensatz zu § 52, wo sie unmittelbar durch die aggressive Handlung eines zurechnungsfähigen oder unzurechnungsfähigen Menschen hervorgebracht sein mutz — auf einem Naturer­ eignis, einer Gefährdung durch die b l o h e N a t u r k r a f t, zu der auch die Kör­ perbewegungen Handlungsunfähiger im natürlichen Sinne (sinnlos Betrunkener, Epilepttscher), nicht aber Deliktsunsähiger nach §51 und §52 gehören; A. M. Olshausen 4. Wegen der Tiere vgl. § 53. Gleichgültig dagegen ist es, wodurch die den Gefahrzuftand darstellende Lage verursacht worden ist. Insbesondere kann dies auch durch den in Notstand Geratenen selbst geschehen sein. Dgl. aber zu 5. 5. Der Notstand, d. h. die gegenwärtige Gefährdung muh ein unverschuldeter sein. Dgl. Goeb in Goltd.Arch. 28 S. 183; Gotz, Verschuldung des Notstandes 1899; Eger, Einfluh der Dersch. bei strafrechtl. Notstand 1899. Aber verschuldet ist nicht schon der vom Täter selbst v e r u r s a ch t e, a. M. Dinding Hdb. 1 S. 777, sondern nur die schuld­ hafte Verursachung, d. h. die Herbeiführung der gegenwärtigen Notstandsl a g e unter Autzerachtlassen der im Verkehr und nach den Rechtspslichten zu beobachten­ den Sorgfalt im Handeln, das will sagen, der gegenwärtige Notstand selbst mutz verschuldet sein. Dazu gehört, datz er in seiner konkreten Gestaltung als wahrscheinlich voraussehbar war und vorausgesehen werden sollte, Dinding

Gründe, welche die Strafe ausschliehen oder mUdern.

A 54.

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Hdb. I S.778. RGStr. 5- 334, 4L 343. Die blotze Möglichkeit, daß es zu einem solchen Notstand kommen werde, reicht nicht aus, selbst wenn diese Möglichkeit voraussehbar war. Daher ist die schuldhafte Verursachung einer Situation, die zu einer Notstandslage sich auswachsen kann, also Ursache auch dieser und damit der in Notstand begangenen Handlung geworden ist (causa causae est causa causati), nur dann auch schuldhafte Verursachung der Notstands­ lage, wenn diese Folge vorausgesehen werden konnte und mutzte, gft vollends die Herbeiführung einer gefährdeten Lage an sich erlaubt und nicht schuldhast, so wird durch die vorsätzliche Herbeiführung eine aus ihr erwachsende Notstandslage noch nicht zur schuldhasten. Nicht jedes Ausfahren im Kahn bei bewegter See mutz aber das Umschlagen des Kahns und damit den Eintritt einer Notftandslage voraussehen lassen, gm einzelnen kommt es hier natürlich aus den konkreten Fall an. Die Beischlafs­ vollziehung unter Ehegatten bewirkt noch nicht, -atz -er mit der Schwangerschaft ein­ getretene Notstand schuldhast herbeigefühtt wird, RGStr. 36 S. 334; 1 D 171/14 v. 14. V. 1914. 6. Die Gefahr und der Notstand darf nicht infolge von Nechtöpflichten übernommen und auserlegt sein. Wer durch Anstellungsvertrag oder Amts- und Dienststellung -um Aushalten besonderer Gefahren ver­ pflichtet ist, darf sich diesen nicht durch eine widerrechtliche Handlung entziehen. Der Selbsterhaltungstrieb dient hier nicht zur Entschuldigung, weil gerade die Person sich mit Leib und Leben zur Abwendung von Verletzung der Güter Dritter einsetzen soll. So Schutzleute, Wachter, Soldaten, Seeleute. Diese Verpflichtung kann auch durch Privatverttag übernommen worden sein, wie bei Bergführern. Dagegen liegt eine derartige Einsetzung seiner eigenen Person zur Rettung der andern nicht schon in jedem gemeinschaftlichen Unternehmen, das mit Gefahr verknüpft ist, z.B. einer gemein­ schaftlichen Bergtour, einer gemeinschaftlichen Kahnfahrt usw. Aber es kann auch hier eine derartige Garantieübernahme liegen, und -war auch stillschweigend, wenn -. B. der körperlich Schwächere nur im Vertrauen auf Hilfe des körperlich Starken sich beteiligt, überall wo ein Einsetzen seiner Person mit Leib und Leben gegen Verletzung des andern angenommen werden muh und soweit ein solches Einsetzen vorliegt — das nicht immer bis zum Einsehen des Lebens zu gehen braucht — entfallt die Berufung auf Notstand als unverschuldet. Dinding Hdb. IS. 782. — Das Gleiche gilt, wenn die Erduldung der Leibes- und Lebensgefahr durch Rechtspflicht auferlegt ist, so z. B. der zum Tode oder zu Freiheitsstrafe Verurteilte selbst dann, wenn das Urteil objektiv unrichtig ist, solange es als rechtskräftiges besteht. RGStr. 22 300, 25 150, 41 215. So die Duldung körperlicher Züchtigung durch Schuldisziplinftrafe, Recht 19 Nr. 1222. Wenn sich jedoch infolge behördlicher Anordnung bei deren Durchführung nichtgewollte M i tz st ä n d e herausbilden, so können diese einen Notstand bilden, gegen den durch Selbschilfe vorgegangen werden darf, RGStr. 41 216. Für Militärpersonen und Beamte vgl. MStGD. § 49, §§ 84—88. Für Seeleute Seem.-O. §§ 30, 32. 7. Die Gefahr darf auf andere Weise nicht beseitigt werden können, sei es über­ haupt nicht, sei es durch eine weniger strafbare oder schädigende Handlung, Olshausen 11. Die Verletzung von Gütern Dritter und Zuwiderhandlung von Normen der Rechts­ ordnung ist das ultimum refugium. Einem rechtswidrigen Angriff braucht niemand zu weichen, gegen ihn ist immer Notwehr gestattet, der Angreifer seht auch sein eigenes Leben ein, eine Verletzung fremder Güter zur Rettung eigener ist nur in dem Fall, wo es andere Mittel zur Vermeidung nicht gibt, zulässig. Daher ist Flucht und selbst Notwehrhandlung, wenn dadurch die Verletzung Güter Dritter vermieden werden kann, geboten, ehe Notstandshandlung berechtigt ist. Dgl. Oetker, Dergl. Darst. 2 368. Nur darf die Notwehrhandlung selbst nicht eine Notstandslage für Leib und Leben begründen für den in Notwehr Befindlichen. 8. Außerhalb des StGB, anerkannter Notstand. a) Wahre Notrechte gewähren Seem.-O. § 87; HDD. §§ 700 ff.; Postgeseh v.28. X. 1871 § 17; Strandungsordn. v. 17. V. 1874 §9 Abs. 2; Prrsonenstandsgesetz 1875 § 67 Abs. 2; Intern. Dertr. v. 6. V. 1882 bett, poliz. Regelung der Fischerei in der Nordsee Art. 20.

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Strafgesetzbuch.

1. Teil.

4. Abschnitt.

1) Vie vom DGB. $ 904 behandelten Notstandsfälle beruhen auf demselben Rechtsgedanken wie StGB. § 54, aber betreffen nur die Verletzung einer fremden Sache, lassen die Verletzung von Rechtsgütern nicht nur unverschuldet, sondern überhaupt nicht widerrechtlich i. G. des Privatrechts erscheinen, v. Tuhr, Allg. L. des bürgert. Rechts (Dindings Hdb.) 11 S. 599. A. M. nur M. E. Mayer S. 305. Sie haben zur Voraussetzung eine gegenwärtige Gefahr, die durch menschliche Handtungen'oder durch Naturereignisse herbeigeführt sein kann, und daß zur Beseitigung eine fremde Sache benutzt wird, von der die Gefahr nicht ausgeht. Zu einer Entschuldbarkeit gegen strafrechtliche Gebote und Verbote Stellung zu nehmen, liegt für BGB. über­ haupt kein Anlaß vor, da es sich nur mit den Beziehungen von Privaten zu Privaten befaßt. Die Zulässigkeit einer Handlung nach Privatrecht braucht nicht notwendig auch eine unverbotene Handlung nach StGB, zu sein. Go kann z. B. die Einwilligung in die Rechtsverletzung die Entstehung von Ansprüchen nach DGB. verhindern, braucht aber nicht zugleich diese Rechtsverletzung zur unverbotenen nach StGB, zu machen. So wäre es an sich denkbar, daß ttotz der Rechtmäßigkeit der Notstands­ verletzung gemäß dem Privatrecht diese doch vom Sttafrecht als verboten weiter bettachtet und nur in den von ihm feftgeftellten Entschuldigungsfällen als schuldlose Verletzung angesehen werden. So wenn die Handlung nicht sowohl wegen der Derletzungsgefahr des Rechtsgutes des Privaten, sondern wegen der Allgemeingefahr verboten ist, -. D. StGB. § 367 Nr. 8, Titze, DIZ. 1904 S. 258, a. M. Haffe, DFZ. 03 S. 523. Umgekehrt braucht die Schuldlosigkeit in strafrechtlicher Hinsicht in den Fällen des § 54 nicht die Widerrechtlichkeit nach DGB. zu beseitigen und z. D. die Verpflichtung -um Schadenersatz aufzuheben. Dgl. Planck zu § 228 Note 8. Nur wo die Rechtmäßigkeit der Verletzung eines fremden Rechtsgutes gemäß der Privat­ rechtsordnung bewirkt, daß eine widerrechtliche Verletzung im Sinne des StGB, überhaupt nicht vorliegt, bewirkt dann dieser Mangel der Widerrechtlichkeit als solche, daß eine Sttastat überhaupt nicht, auch keine objektive Zuwiderhandlung gegen ein Gebot oder Verbot des Strafrechts vorliegt, da dieses eine solche objektive Widerrechtlichkeit immer zur Voraussetzung hat oder selbst be­ gründet. Insofern daher die von DGB. § 904 behandelten Notftandshandümgen die Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache für nicht rechts­ widrig erklären, wird -er Tatbestand des StGB. §§ 305—305 beseitigt und aus diesem Grunde entfällt dann nicht nur die Schuldlosigkeit bei Verwirklichung eines objektiv rechtswidrigen Tatbestandes, sondern dessen Verwirklichung überhaupt. Sofern aber die Zerstörung etwa die Formen des StGB. § 306 annehmen wollte, würde ein Ausschluß der Widerrechtlichkeit nach BGB. die Derbotswidrigkeit der Handlung nicht aufheben und, wenn die Gründe der Entschuldung, die § 54 hierfür allein aufstellt, fehlen, auch Sttaflosigkeit wegen Notstands nicht eintteten. Ebenso hebt die in BSD. §§ 229, 230 gestattete Selbsthilfe die Widerrechttichkeit der Freiheitsberaubung auf. Da aber nur die widerrechlliche verboten ist, so entfällt auch in diesem Fall das Delikt, ebenso wie im Fall der StPO. § 127, RGStr. 2 292, 8 210, 17 127, Rechtspr. 3 416. Über DGB. § 228 vgl. bei § 53.

9. Der Irrtum über das Dorliegen eines Notstands ist nach § 59 zu beurteilen. RGStr. 1« 150, 19 300, 41 216, 43 344. So bei §218 3D 1073/08 v. 11. III. 09. Er betrifft keinen sttafaufhebenden Umstand nach StPO. § 295, aber einen strafausschliehenden nach StPO. §§ 262, 266. 10. Voraussetzung der Straffreiheit wegen Notstandes ist nicht, daß die Handlung aus dem alleinigen Motive der Rettung begangen wurde, 5 D 796/06 v. 8. I. 07.

55. Wer bei Begehung der Handlung das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hat, kann wegen derselben nicht strafrechtlich verfolgt werden. Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der landes­ gesetzlichen Vorschriften die zur Besserung und Beaufsichtigung ge­ eigneten Maßregeln getroffen werden. Die Unterbringung in eine

Gründe, welche die Strafe ausschliehen oder mildern,

g 56.

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Familie, Erziehungsanstalt oder Besserungsanstalt kann nur ei> folgen, nachdem durch Beschluß des Donnundschaftsgerichtes die Begehung der Handlung festgestellt und die Unterbringung für zuzulässig erklärt ist. 1. Ls besteht Streit darüber, ob die Vorschrift bedeutet, der Täter, der das 12. Le­ bensjahr noch nicht vollendet hat, fei im Sinne des StGB, überhaupt deliktsunfShig, schuldunfähig, ermangele der strafrechtlichen Zu­ rechnungsfähigkeit, oder er sei lediglich strafrechtlich nicht verfolgbar, es entstehe also nur kein Strafanspruch gegen ihn, das jugendliche Alter bilde lediglich einen persönlichen Strafausschließungsgrund; ob er tatsächlich zurechnungsfähig sei oder nicht, müsse in jedem einzelnen Falle noch fest­ gestellt werden. Die praktischen Folgerungen der einen oder der anderen Meinung machen sich bei der Lehre von der Tellnahme geltend. Auch für die Dortat bei der Hehlerei von Bedeutung, RGStr. 50 199. Das RG. hat sich auf den letzteren S tand punkt gestell t, RGStr. 6 186, 336, 19 192, 25 366. 50 199, 53 86. Rechtspr. 4 308; 4 D 235/13 v. 30. V. 1913. Ebenso Olshausen Nr. 5 unter Berufung auf den Wortlaut. — Daß in Wirklichkeit auch ein Kind unter 12 Fahren bereits die genügende geistige Neife haben und voll deliktsfähig sein kann, ist nicht zu bestreiten. Gleichwohl ist anzunehmen, dah der Gesetzgeber die schwierige Frage der Zurechnungsfähigkeit in diesem jugend­ lichen Alter hat durch eine rechtliche Präsumtion der Unzurechnungs­ fähigkeit wegen mangelnder geistiger Reife ein für allemal entscheiden wollen, o. Dar 2 62. Mot. zu § 53 Entw.: „Bis zum 12. Lebensjahr ermangelt der Mensch einer strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit. Der Jugendliche steht also dem Bewußtlosen usw. des 8 51 gleich." Auch Dinding, Liszt, Merkel, Frank, Finger, Wachenfeld u. a. nehmen an, dah der Tater unter 12 Fahren für das Strafrecht de­ liktsunfähig ist und dieses Alter für die Zurechnungsfähigkeit dieselbe Bedeutung hat wie die in § 51 hervorgehobenen Zustände des Geistes, trotz der prozessualen Einkleidung der Vorschrift. Wie im Zivilrecht an eine bestimmte Alters­ grenze die Geschäftsfähigkeit geknüpft wird, so im Strafrecht die Deliktsfähigkeit. Der Gesetzgeber verkennt dabei nicht, dah alle solche Grenzen willkürlich sind, er zieht sie aber um der praktischen Vorzüge willen. Würden blohe persönliche Strafausschliehungsgründe geschaffen, so mühten wegen der Teilnahme gleichwohl alle die Feststellungen wieder getroffen werden, die der Gesetzgeber eben vermeiden wollte in bewußter Ab­ weichung vom preuh. StGB. § 42. Die Annahme der Unzurechnungsfähigkeit wegen mangelnder Geistesreife, die die volle freie Willensbildung ausschlieht, ist auch in der natürlichen Entwicklung des Menschen begründet. Die die Verbindung zwischen Groß­ hirnrinde und Rückenmark herpellenden Pyramidenbahnen (Willkürbahnen) sind beim neugeborenen Menschen noch nicht mit Markscheiden versehen, also noch nicht isoliert und leitungsfähig. Das geschieht erst nach und nach mit Ausbildung der Gehirnrinde, im Allgemeinen und Wesentlichen nach Schluß des 7. gahres, vollständig aber erst mit der Geschlechtsreife. Es ist daher durchaus berechtigt, aus praktischen Gründen zu gene­ ralisieren und es kann sich nur fragen, welches Alter als Grenze anzunehmen ist. Endlich fordert auch das Verhältnis zu § 56, der die Prä sumtion der Zurechnungs­ fähigkeit fallen läßt, aber die besondereFeststellung ihresDorliegens fordert und Freisprechung bei ihrem Fehlen anordnet, dah auch in § 55 die Unzurechnungsfähigkeit als Deliktausschließungsgrund entscheidend sein sollte. 2. Nach dem StGB, ist die Vollendung des 12. Lebensjahres die Grenze, mit der die gesetzliche Präsumtion der Unzurech­ nungsfähigkeit wegfäll t. Maßgebend ist der Geburts tag, nicht die Geburts stunde. Nach CG.DGD. Art. 4 und DGB. § 187 Abs. 2 aber ist der B eg i n n des Tages, an dem jemand 12 Jahre alt wird, als Grenze anzunehmen, tatsäch­ lich ist diese somit um einen Bruchteil des Tages vorgerückt gegen die natürliche Ab­ messung, RGStr. 35 37. Wenn der Angeklagte die Tat am 6. Juli 1901 morgens 8 Uhr begangen hat, aber erst abends um 9 Uhr des 6. Juli 1889 geboren ist, so wird trotzdem

202

Strafgesetzbuch.

1. Teil.

4. Abschnitt.

angenommen, -atz er schon mit Beginn -es 6. guii 1901 -as 12. Lebensjahr oollenbet gehabt habe. Fehlt -er Tag der Geburt (29. Februar) bei Ablauf des 12. Lebensjahres, so ist -er Ablauf mit -em Ende -es letzten Monatstages (28. Februar) des in betracht kommenden Jahres vollendet. Eine fortgesetzte Handlung ist erst begangen, wenn ihr letzter Att vollendet ist, es genügt daher, datz dieser letzte Akt nach Vollendung -es 12. Lebensjahres liegt. Jedoch ist die vorher liegende Tätigkeit bei der Beurteilung auszuscheiden. Auf den Zeitpunkt des Crfo lg es kommt es nicht an, nur auf den Zeitpunkt der körperlichen Tätigkeit. 3. Geht man davon aus, datz der Jugendliche delittsunfahig ist und daher keine straf­ bare Handlung vorliegt, so ist die Folge Freisprechung durch Arteil, nicht Ein­ stellung. Dies entspricht auch -er Vorschrift in § 56, worin die Freisprechung ausdrück­ lich angeordnet ist. Dagegen AG. von seiner Auffassung aus für Einstellung, RGStt. 20 46. 4. Das Reichsrecht ermächtigt die Landesgesetzgebung, Vor­ schriften über die zur Besserung und Beaufsichtigung geeigneten Mahregeln zu treffen und beschrankt die Durchführung dieser Matzregeln nur insoweit, als es anordnet, -atz, sowett die Matzregeln in Anterbringung in einer Familie, Erziehung-- oder Besserungs­ anstalt bestehen, vorher das Dormundschaftsgericht die Begehung der Hand­ lung, d. h. -atz ein strafbarer Tatbestand objektiv verwirklicht worden ist, festgestellt und die Anterbringung für zulässig erklärt haben mutz. Dem Strafrichter steht eine solche Anordnung oder Zulassigkeitserklärung nicht zu. V„l. dagegen § 56. Als Landesgesetze kommen hier in Betracht preutz. Gesetz v. 2. VII. 00 und Ausführungsbestimmungcn v. 18. XII. 00; Bayr. Gesetz v. 10. V. 02 und Ausf.-Best. v. 28 VI 02; sachs. Gesetz v. 26. IV. 1873 § 50 und DO. $§ 48, 52; württ. Gesetz v. 29. XII. 1899; bad. Gesetz v. 4. V. 1880; Hess. Gesetz v. 11. VI. 1887 und v. 30. IX. 1899. Autzerdem kommt DGB. § 1666 zur Anwendung.

56. Ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte», aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare Handlung begangen hat, ist freizusprechen, wenn er bei Begehung derselben die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Ein­ sicht nicht besah. In dem Urteile ist zu bestimmen, ob der Angeschuldigte seiner Familie überwiesen oder in eine Erziehungs- oder Besserungs­ anstalt gebracht werden soll. In der Anstalt ist er so lange zu be­ halten, als die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungsbehörde solches für erforderlich erachtet, jedoch nicht über das vollendete zwanzigste Lebensjahr. 1. Während § 55 den Mangel der geistigen Reife, die für die verantwortliche Willens­ bildung erforderlich ist bis zum Alter von 12 Jahren von Gesetzeswegen un­ widerlegbar präfumiert, läßt es diese Präsumtion nach Erreichung dieses Atter» durch den Täter fallen. Während das Gesetz aber von Erfüllung de» 18. Lebens­ jahre» ab nunmehr diese geistige Reife annimmt, ohne sie geradezu gesetzlich zu präsumieren, erfordert §56 6ie ausdrückliche Feststellung der geistigen Reife für da» Alter vom 12.—18. Lebensjahr« im Urteil nach Formen der StPO. § 262 Abs. 2, § 266 Abs. 2; RGStr. 3 198, 21134,23 351,29 98,33 166,41392; Rechtspr. 2 714, 3 44; 4 v 1104/11 ». 30. I. 1912. Ergibt die geforderte Feststellung, datz die geistige Reise auch bei einem über 12 Jahr« alten gugendlichen noch nicht vorliegt, so wird dieser damit einem gugendlichen unter 12 Jahren nach § 55 gleich­ gestellt und ist — wie dieser — freizusprechen. So auch RG. trotz gegen­ teiliger Ansicht, Rechtspr. 9 368. Lediglich die Rechtsfolgen, die sich an seine Tat knüpfen, sind etwa» anders geregelt, als nach § 55 für den Unzurechnungsfähigen unter 12 Jahren. Die Frist berechnet sich wie bei $ 55.

Gründe, welche die Strafe ausschliehen oder mildern.

§ 56.

203

2. Hieraus folgt, daß ebensowenig wie in § 55 und § 56 die vorliegende Richtverantwortlichkeit wegen mangelnder geistiger Reife nur ein persönlicher Strafausschlietzungsgrund ist, sondern einen Leliktöaudschliehtmgdgrrmd abgibt. Als Schuldausschliehungsgrund faßt es auch RGStr. 33 298 auf, ebenso 2998. Für das schwurgerichtliche Verfahren ist eine Rebensrage zu stellen, StPO. $ 298, deren Unterlassung Revision begründet, auch wenn Gericht irrtümlich Ange­ klagten für über 18 Jahre hält. RGStr. 31232. Dagegen nimmt sonst das MG. an, entsprechend seiner Auffassung von § 55, dah nur ein persönlicher Strafausschliehungsgrund in $ 56 ausgestellt werde, RGStr. 31 161, 25 397, 50 200, 53 86, 144; 4D 1024/18 v. 12. XI. 1918. — Die Verschiedenheit für die Frage bei der Teilnahme ist dieselbe wie bei § 55. RGStr. 27 293, 36 112. 3. Ebenfalls bestritten ist, ob die nach § 56 festzustellende „Einsicht, die zur Erkennt­ nis der Strafbarkeit bei Begehung der strafbaren Handlung erforderlich" sein muh, lediglich die Zurechnungsfähigkeit bedeutet, deren Abwesenheit nach $ 51 und $ 55 das Dorliegen eines Deliktes ausschlieht, oder ob noch eine über diese Zurech­ nungsfähigkeit hinausgehende Einsicht verlangt wird. Wit Rücksicht aus den Wortlaut der Vorschrift erfordern viele und auch daö MG. für den Jugendlichen über 12 Fahre ein solches Mehr von EmsichtöfLhigkett, nämlich eine solche Reise des Verstandes, die ihn befähigt, nicht nur das Rechts- und Verbotswidrige seines Luns einzusehen, sondern auch weiter, dah er sich durch diese verbotene Handlung einerBestrafung aussetze, wenn schon die wirkliche Erkenntnis der Straf­ barkeit selbst nicht erfordert wird und es genügt, dah der Täter vermöge seiner erlangten Derstandesreise die Möglichkeit hatte, die Strafbarkeit einzusehen, RGStr. 4 394, 5 394, 15 97, 33 108, 47 385; Rechtspr. 9 367; 4D 618/17 v. 19. X. 1917; 4 D 4949/99 v. 26. 1. 1900; Olshausen Rote 4. Diese Auslegung hastet jedoch zu sehr am Wortlaut. Schon die Entstehungsgeschichte der Vorschrift läßt erkennen, dah bezweckt wurde, nur die Zurechnungsfähigkeit bei diesen Personen für jeden einzelnen Fall festzustellen, nicht aber eine besondere Art Zurechnungsfähigkeit für sie zu schaffen, Ortmann, GS. 29 243. Sie hatte also wesentlich prozessuale Bedeutung. Während § 55 die Zurechnungsunsähigkeit gesetzlich bis zu gewissem Alter präsumiert, soll die Zurechnungs­ fähigkeit nach $ 56 bis zu einem weiteren Alter ausdrücklich festgestellt werden und von diesem Alter ab dann einer ausdrücklichrn Feststellung nicht mehr bedürfen. Sie ist aus Code penal Art. 66 entnommen, der „discernement“ erfordert, was preuh. StGB, j 42 mit Unterscheidung so ermS gen verdeutscht. Dah die Umschreibung dieses Unterscheidungsvermögens, wie sie § 56 vornimmt, inhaltlich etwas anderes als die Zurechenbarkeit ausdrücken wollte, ist nirgends erkenntlich, gn Wahrheit erfordert auch die Einsichtsfähigkeit, die ermöglicht, zu erkennen, dah eine Handlung durch die Rechtsordnung verboten oder geboten und dah diese Handlung strafbar ist, ein und denselben Grad der Derstandesreise. Es ist in der Lat nicht einzusehen, wie hier ein Unterschied in dem Grad der Verstandes­ reife, auf den es doch allein ankommt, vorliegen kann. Der ganze Unterschied ist gekünstelt und praktisch bedeutungslos. Das Gesetz will die Derstandesreise, die es erfordert, nur klar verständlich machen, wenn es die Strafbarkeit der Handlung als regelmähiges charakteristisches Merkmal für ihr Derbotensein im Interesse der All­ gemeinheit (vgl. Einleitung) nimmt und die Einschtsfähigkeit für jene der für diese gleichsetzt. Die Fähigkeit zu dieser wie zu jener ist graduell nicht verschieden, da jede verbotene Handlung bestraft werden kann, ob sie es aber ist, von Umständen abhängt, die mit der Derstandesreise des Täters nicht das geringste zu tun haben. Die Fähigkeit, die rechtspolitischen Gründe zu erkennen, die zur Strafdrohung da, zum Absehen von einer solchen dort führen, sott aber wahrhaftig nicht erfordert werden! Die Einsicht des § 56 deckt sich daher mit dem allgemei Merkmale der Zurechnungs­ fähigkeit und ihr Mangel ist der, den § 55 im Auge hat. Dinding, Normen II221; A. M. M. E. Mayer S. 223. Da Fähigkeit zur Kenntnis der Strafbarkeit nicht erfordert wird, ist auch nicht die Fähigkeit erfordert, einzusehen, dah gewisse Tatumstände ein Straferhöhungsmertmal bilden, was die notwendige Konsequenz der Meinung wäre, dah sich Erkenntnissähigkeit auf Strafbarkeit beziehen sott. Das wird

zu sechshundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. 1. Das im § 130 ausgesprochene Verbot der öffentlichen Anreizung zum Klassentamhf stammt aus dem französischen Recht, ging von da in die preußische Verordnung v. 30. 6. 1849 (§ 17), aus dieser in das preußische Strafgesetzbuch über und wurde dann in veränderter Form in das Deutsche Strafgesetzbuch übernommen. 2. Der Begriff: verschiedene Klassen der Bevölkerung bietet der Auslegung Schwie­ rigkeiten. gm Anschluß an die Motive haben Rechtsprechung und Schrifttum sich im wesenttichen auf folgende Grundsätze geeinigt: Nach den Motiven wir- gefordert: „eine Mehrheit von Personen, welche wegen gleicher Lebensstellung oder wegen einer Übereinstimmung der Ansichten, Zwecke oder Interessen als verbunden betrachtet und

deshalb unter einer gemeinschaftlichen Bezeichnung zusammengefaßt" werden.

Diese

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 180.

347

Mehrheit muh „als Ganzes genommen und in ihrem Gegensatz zu -en übrigen Staats­ bürgern oder anderen Kategorien von Personen zum Gegenstände öffentlicher Anfein­ dung" gemacht werden. Dabei wird gefordert, daß die unter der Mehrheit begriffenen Einzelpersonen „bestimmt erkennbar und äußerlich unterscheidbar sind". Diese Grund­ sätze hat auch die Rechtsprechung anerkannt und hervorgehoben: das Wort „Klasse" weise „auf Unterschiede hin, die sich geschichtlich entwickelt haben im Gegensatz zu sol­ chen, die sich in unbegrenzter Zahl aufstellen lassen". Nicht eine „bloß gelegentliche Übereinstimmung von Ansichten und Interessen" genüge, RGSt. 35 96, RG. IV 781/16 v. 12.1.1917, eine Klasse zu bilden, vielmehr sei eine aus dauernder Gleichheit be­ ruhende Übereinstimmung der Lebens- und sozialen Verhältnisse zu fordern; Klassen seien „die auf dem Boden der Gesellschaft emporgewachsenen, fiach Besitz und Beruf, Beschäftigung und Gewerbe, Bildung und Herkommen geschiedenen, natürlichen Glie­ derungen des Dolksorganismus", wobei die Zusammengehörigkeit nicht notwendig auf gesellschaftlicher Grundlage zu beruhen brauche, sondern auch auf verschiedener Nationalität oder religiösem Bekenntnis beruhen könne. So im wesentlichen RGSt. 22 293, 26 63,32 353, 35 96. Hiervon ausgehend werden als Klassen der Bevölkerung erachtet: Deutsche und Polen, Rspr. 3 632, 8 109, 9 458, RGSt. 17 309, 31 185; Christen und Juden, RGSt. 32 352; Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Besitzende und Besitzlose, GA. 58 175, RGSt. 50 325; Arbeiterbevölkerung als Arbeiterstand gegen­ über anderen Ständen, RGSt. 22 293; Proletariat und Bürgertum, RGSt. 26 349; dagegen wird die Anwendbarkeit des § 130 verneint bei Ausdrücken wie: „Regierung" oder „Regierende", wenn nicht darunter die Beamten verstanden sind, im Gegensatze zu den Nichtbeamten, RGSt. 22 393; Drotverteuerer, RGSt. 26 63 (zu vag.); Streikende und Streikbrecher, RGSt. 35 96, Kriegshetzer und Durchhaltepolitiker, RGSt. 50 325. Nach RGSt. 26 63 müssen die unter sich verbundenen Mehrheiten und die Unterschiede zur Zeit der Tat schon vorhanden sein und dürfen nicht erst vom Täter ausgestellt werden. Frank I bestreitet, daß die Anhänger verschiedener wissenschaftlicher, politischer, philo­ sophischer, religiöser Systeme Devölkerungsklassen bilden und verlangt, daß die Gegen­ sätze zurückgehen auf die historische Entwicklung oder die sozialen Interessen. Zu solcher Einschränkung bietet weder die Entstehungsgeschichte, noch der gesetzgeberische Zweck oder der Wortlaut -es § 130 Veranlassung. Dgl. auch Hippel DDB. 2 51. 2. Die Handlung besteht im öffentlichen Anreize« verschiedener BevölkerungSklassen zu Gewalttätigkeiten gegeneinander. Dgl. wegen „Anreizen" § 112 A.3; „öffentlich" § 110 A. 5a; „Gewalttätigkeit" § 124 21.2. Zu Gewalttätigkeiten gegen­ einander müssen die verschiedenen Devötterungsklassen angereizt werden. Hierzu genügt die Anreizung einer Devölkerungsklasse gegen die andere, wechselsei­ tige Anreizung ist nicht erforderlich, RG. IV 1173/13 v. 17. 2. 1914; gl. M. Hippel, DDB. 2 52, Olsh. lb, Frank II; wohl aber mutz Klasse gegen Klasse angereizt werden, es reicht nicht aus, daß eine Klasse gegen einzelne Personen einer anderen Klasse oder daß einzelne Angehörige der verschiedenen Klassen gegeneinander angereizt werden, Rspr. 9 458, teilweise a. M. Dinding Lehrb. 2 893. Anreizen zubestimmten Ge­ walttätigkeiten wird nicht erfordert, Rspr. 8 109, RGSt. 26 349, auch nicht direkte Auf­ forderung, indirekte Einwirkung genügt, doch kann ein nicht zum äußerlichen Aus­ drucke gekommener Gedanke nicht eine Grundlage für den Tatbestand des § 130 bilden, RGSt. 24 189. Desgleichen ist nicht notwendig, daß die Gewalttätigkeiten sofort ous-uführende seien, RGSt. 17 309, 26 349; zum „Anreizen" an sich gehört kein Erfolg; vgl. hierzu näher A. 3; RGSt. 28 389 und neuerlich RG. IV 781/16 v. 12. 1. 1917 erachten es deshalb auch für gleichgültig, ob die Anreizung zur Kenntnis einer Person gekommen ist, bei der sie möglicherweise die beabsichtigte Wirkung hätte Her­ vorrufen können, es sei nicht mehr erforderlich, als daß die die Anreizung enthaltende Kundgebung der Allgemeinheit zugänglich gemacht worden sei, z. B. durch Übersen­ dung einzelner Exemplare einer Druckschrift an eine Svrtimentsbuchhandlung zwecks buchhändlerischen Vertriebes, ohne daß es der Feststellung bedürfe, ob und an wen die Exemplare tatsächlich vertrieben worden seien; vgl. auch RGSt. 36 146 und § 110 21. 4, § 111 21. 3, § 112 2L 3. Dem gegenüber wird von anderer Seite (Dinding Lehrb. 2 894) Kenntnis, wenn auch nicht Verständnis von der Anreizung verlangt. Hier­ nach bestimmt sich auch der Zeitpunkt der Vollendung (Versuch ist nicht strafbar),

348

Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

die das RG. mit der Kundgebung der Anreizung und der Möglichkeit von ihrer Kennt­ nisnahme für gegeben erachtet. In der Erregung von Wünschen, die auf friedlichem Wege nicht erfüllbar sind (es handelte sich damals um die Wiederherstellung des Polen­ reichs!) und in dem Wachrufen von Erwägungen über eine solche Möglichkeit kann eine Anreizung erblickt werden, GA. 60 912, desgleichen kann eine Aufforderung zum Klassenkampf darin liegen, -ah der eine solche enthaltende Aufruf als Teil des Berichts über eine Strafkammerverhandlung veröffentlicht wird, in welcher der Verfasser wegen -es Aufrufs verurteilt wurde, RGSt. 39 87. 3. In einer den öffentlichen Friede« gefährdende« Weife muh die Anreizung geschehen sein. Wie schon § 126 A. 1 hervorgehoben wurde, wird unter öffentli­ chem Frieden objektiv der Friedenszustand, subjektiv das Gefühl der Rechtssicher­ heit verstanden. Während Rspr. und Schrifttum darüber einig sind, -atz in § 126 der öffentliche Frieden im subjektiven Sinne gemeint sei, findet sich bezüglich § 130 vielfach die Anschauung vertreten, hier handle es sich um den öffentlichen Frieden im objektiven Sinne, -er Gefahr der Begehung von Gewalttätigkeiten solle vorgebeugt werden, nicht der Gefahr der Erschütterung -es Sicherheitsbewuhtseins. So Hippel DDB. 2 53, Frank II, Dinding Lehrb. 2 895, Liszt 562. Dem gegenüber erachtet das AG. beide Arten -er Friedensgefährdung für ausreichend, insbesondere wird RGSt. 34 268 ausgeführt, -atz auch für § 130 Gefährdung des öffentlichen Friedens im sub­ jektiven Sinne genüge. (Ein Agitator hatte zu Gewalttätigkeiten gegenüber den Juden aufgefordert; das Landgericht sprach frei, weil solche Aufforderungen nicht geeignet seien, jemanden zu Gewalttätigkeiten zu veranlassen, das RG. erklätte es demgegen­ über für ausreichend, -atz in den Juden die entgegensetzende Befürchtung wachgerufen

werde.) Dgl. auch RGSt. 2 431; 17 309 (objektiv); Rspr. 3 632, RGSt. 15 116, 34 269 (subjektiv), Rspr. 8 109, RGSt. 26 349 (objektiv oder subjektiv), RG IV 781/16 v. 12. 1. 1917, IIIIV 449/19 v. 7.10.19 (wirkliche Störung naheliegende Gefahr nicht nötig). Streitig ist ferner, ob nur ein bestimmt geartetes Anreizen gemeint ist, oder ob durch das Anreizen eine Gefährdung des Friedens verursacht sein muh, ob die Gefähr­ dung nur als Modalität der Begehung, als „Geeignetsein" -es Mittels gedacht ist, oder ob ein durch die Anreizung im einzelnen Falle erzeugter Erfolg festzu­ stellen ist. Letztere Ansicht wird im Schrifttum vorzugsweise vertreten. Dgl. Hippel DDB. 2 54 und die dort A. 3 genannten Schriftsteller. Folgt man ihr, so muh die Gefährdung — je nachdem man sie objektiv als Gefährdung des Friedonszustandes, oder subjektiv als Gefährdung des Gefühles der Rechtssicherheit ausfaht — nicht nur als vorauszusehende, sondern als wirklich eingetretene festgestellt worden, es be­ dürfte also bei objektiver Fassung der Feststellung der wirklich eingetretenen nahen Möglichkeit, -atz es zu Gewalttätigkeiten kommen werde (gegebenenfalls einer zum Ausbruche von Gewalttätigkeiten geneigten Gesinnung), während bei subjektiver Fassung -es Friedensbegriffs als Ergebnis der Anreizung die Gefahr ernsthafter Erschütterung -es Sicherheitsbewuhtseins festgestellt werden mühte. Betrachtet man dagegen die Gefährdung des öffentlichen Friedens nur als besondere Art der Anreizung, als Ge­ eignetheit des Mittels, so ist es nicht nötig und bedarf nicht der Feststellung, dah durch die Anreizung eine besonders erregte zu Gewalttätigkeiten geneigte Stimmung tat­ sächlich hervorgerufen und damit die naheliegende Möglichkeit einer Friedensstörung herbeigeführt wurde, sondern es genügt, dah es in Würdigung aller Umstände nach vernünftigem Ermessen zur Friedensstörung hätte kommen, die naheliegende Mög­ lichkeit einer Friedensstörung hätte eintreten können. Letzteren Standpunkt vertritt Frank II und im wesentlichen auch das RG., das eine ihrem Inhalte nach zur Erre­ gung von gewalttätiger Stimmung an sich geeignete Anreizung als in der Regel frie-ensgefährdend erachtet, wenn nicht besondere Umstände im einzelnen Falle die Be­ sorgnis der Friedensstörung beseitigen, RGSt. 26 350, 2 433 (Gefährdung -es öffentlichen Friedens bezeichnet nicht das Ergebnis, sondern nur die Beschaffen­ heit des Mittels, das Mittel muh geeignet gewesen sein, Gefahr hervorzurufen, braucht sie nicht im einzelnen Falle hervorgerufen zu haben), RGSt. 15 117/18, wo jede auch noch so entfernte Gefahr der Störung als genügend bezeichnet wird (höchst bedenklich!), RGSt. 17 310 (wo einschränkend gesagt wird, § 130 verlange zwar nicht, dah eine wirk­ liche Störung des Friedens, wohl aber eine wirkliche Gefahr dieser Störung hervor­ gerufen, die nahe liegende Möglichkeit, die begründete Besorgnis geschaffen worden

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 130 a»

349

fei, daß infolge des Anreizes Gewalttätigkeiten verübt und dadurch der öffentliche Friede gestört werden konnte (dieses Urteil nähert sich sehr der von Hippel usw. vertretenen Erfolgstheorie); vgl. auch RGSt. 50 326, RGSt. 26 350 (es genügt, dah die Anreizung eine zu Gewalttätigkeiten geneigte Stimmung unmittelbar hervorrufen oder eine schon vorhandene verstärken muhte), RGSt. 34 271 (Aufreizung zu Gewalttätigkeiten gegen Juden; es genügt, dah die anreizenden Reden geeignet waren, bei den Juden eine Beunruhigung in ihren Empfindungen des geschützten, befriedeten Zusammenlebens Hervorzurufen, mochten sie auch bei der Klasse, an die sie gerichtet waren, aus unfrucht­ baren Boden gefallen sein); RGSt. 36 146: es genügt, -ah die Kundgebung geeignet ist, in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Devölkerungsklassen zu Gewalttätigkeiten gegeneinander anzureizen. Für das praktische Ergebnis liegt -er Unterschied wohl darin, -ah im einen Falle Bestrafung auch dann eintreten lann, wenn die Anreizung auf diejenigen, an die sie gerichtet war, ohne allen Eindruck blieb (so RGSt. H4M71), während im anderen Falle der Nachweis und die Feststellung verlangt wird, dah durch die Anreizung die nahe liegende Möglichkeit einer Störung des öffentlichen Friedens tatsächlich geschaffen wurde, ein Nachweis, der in den selten­ sten Fällen zu führen sein wird. Darüber, dah eine wirkliche Störung nicht erfordert wird, besteht kein Streit; vgl. auch RGSt. 50 326.

4. Der Vorsatz gestaltet sich verschieden, je nachdem man Gefährdung -es öffent­ lichen Friedens im objektiven vder im subjektiven Sinne verlangt und die Friedens­ gefährdung als Erfolg oder nur als Art -er Anreizung auffaht. Eventualdolus genügt, RGSt. 50 326. Eine auf Ausbruch von Gewalttätigkeiten gerichtete Absicht ist nicht erforderlich, RGSt. 9 417, 31 185, RG. IV 781/16 o. 12.1.1917. 5. Jdealkonkurrenz mit § 111 ist möglich. Wegen Unbrauchbarmachung einer Schrift nach §§ 130, 41, 42 vgl. RGSt. 36 145.

130 a. Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen be­ stimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstände einerVerkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Reli­ gionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Aus­ übung seines Berufes Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in welchen Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden ge­ fährdenden Weise zum Gegenstände einer Verkündigung oder Er­ örterung gemacht sind. 1. Der Kanzelparagrahh wurde durch das Gesetz v. 10.12.1871 eingesügt und erhielt in der Nr. v. 26. 2. 1876 Art. I seinen -weiten Absatz. Die auherhalb seines Tatbestandes liegende landesgesetzliche Strafgesetzgebung wird durch ihn nicht beeinfluht, RGSt. 39 148. 2. Täter kann nur ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener sein. Geistliche sind die Religionsdiener -er oollprivilegierten christlichen Kirchen, soweit sie nach pro­ testantischem Kirchenrechte ordiniert sind oder nach katholischem wenigstens die nie­ drigen Weihen empfangen haben, auch Emeriten und Regulare gehören dazu. Andere Religionsdiener sind Personen, welche in einer -er nicht privilegierten Religions­ gemeinschaften dauernd gottesdienstliche Verrichtungen wahrzunehmen haben; nicht unter § 130 a fallen die mit untergeordneten Kirchendiensten betrauten Beamten, Küster, Kirchendiener, Organisten usw.

350

Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

3. Die Handlung de- Abs. 1 besteht darin, daß ein solcher Geistlicher oder anderer Religionsdiener unter gewissen, im Gesetz naher bezeichneten Voraussetzungen An­ gelegenheiten des Staates -um Gegenstände -er Verkündigung oder Erörterung macht. Angelegenheiten de- Staate- sind im Gegensatze zu Privat- und rein kirchlichen An­ gelegenheiten diejenigen, die den Staat als solchen angehen, bei denen es sich um seine Rechte und Pflichten, seine Interessen und seine Ausgaben, um sein Verhältnis zu -en einzelnen und zu anderen Staaten handelt, Angelegenheiten, die durch die Ge­ setze und Verträge des öffentlichen Rechts geordnet und gestaltet werden. Der Begriff beschränkt sich also nicht nur auf Gesetze, Staatseinrichtungen und Maßnahmen der Regierung, auch Maßnahmen einzelner Behörden und Beamten fallen darunter. Dem­ entsprechend wurden als Angelegenheiten des Staates angesehen: die Reichstags­ wahlen, RGSt. 13 169, eine sei es auch schon vollendete Landtagswahl, RGSt. 27 429, Anordnung eines Kreisschulinspektors über Schulversäumnis, RGSt. 18 406, ein -em Parlament vorgelegter Gesetzentwurf, GA. 21 281. Solche Angelegenheiten sollen nicht zum Gegenstände, zum Inhalt einer Verkündigung oder Erörterung gemacht werden, sei es in nur referierender, nicht ent­ stellender, sei es in kritisierender Weise. Verkündigung kann auch in der Form -es Dorlesens des Erlasses eines geisllichen Oberen geschehen, GA. 23 121. Geschieht die Verkündigung oder Erörterung, so macht sich der Religionsdiener strafbar: a) wenn sie geschieht in Ausübung oder in Veranlassung der Aus­ übung des geistlichen Berufes und -war öffentlich vor einer Mensche n.m enge. Zu Ausübung de- Beruf- handelt der Geislliche, wenn er die Tat verübt, während er gleichzeitig in der Ausübung seines Amtes be­ griffen und dabei in seiner Eigenschaft als Geistlicher ausgetreten ist, RGSt. 17 166; in Veranlassung der A«-nb««g handelt er, wenn die Verkündigung usw. mit einer schon vorgenommenen oder noch vorzunehmenden Amtshandlung in innerem Zusammenhänge steht, durch die — vielleicht mißbräuchlich benutzte Amts­ handlung — verursacht oder wenigstens veranlaßt ist, RGSt. 6 21, 17 166 (beide § 340 betr.). Recht 1911929. Manche verlangen ursächlichen Zusammenhang, anderen genügt rein zeitliches Zusammentreffen („gelegentlich" der Derufsausübung), Liszt 563; Frank III1 fordert Erkennbarkeit des Zusammenhangs für die Hörer. Vgl» auch Hippel DDB. 2 92. vffeutlich vor einer Menschenmenge muß -ie Verkün­ digung usw. geschehen, vgl. § 110 A.5ad; b) wenn sie geschieht in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Meh­ reren. Nach dem Wortlaute des Gesetzes ist hier nicht erforderlich, d«ß die Ver­ kündigung in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung des Berufs erfolgt; so Berlin 28.1.1875, O. 16 89, Olsh. 5, Frank III1, dagegen Dinding Lehrb. 2 89 h, Liszt 563, Hippel DDB. 2 93. Mehrere müssen mindestens zwei sein. Ob der Ort (z. B. ein Kirchhof) z. Zt. der Tat gerade zu einer religiösen Versammlung diente, ist gleichgültig. c) Im einen wie im anderen der vorerwähnten Fälle muß -ie Verkündigung usw. geschehen in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise. Dgl. hierüber § 130 A. 3. Das RG. steht auch hier auf dem Standpunkt, daß Gefährdung des Friedens sowohl im objektiven als im subjektiven Sinne genüge und daß ein Erfolg nicht nötig sei, es vielmehr ausreiche, wenn die Erörterung geeig­ net war, den Frieden zu gefährden, Anzufriedenheit hervorzurufen und das An­ sehen der Beamten und Behörden zu untergraben, RGSt. 18 314, 406. Hier­ von ausgehend genügt auch zum Borsatz neben dem Wissen und Wollen aller übrigen Tatbestandsmerkmale das Bewußtsein, die Äußerung sei geeignet, den öffent­ lichen Frieden zu gefährden, RGSt. 27 430, Rspr. 7 108. Demgegenüber faßt das Schrifttum auch hier wie bei § 130 vielfach den Friedensbegrisf objektiv und verlangt weiter, -aß eine Gefährdung als Erfolg eingetreten sein müsse. Dgl. Hippel DDB. 2 94. Eine besondere Absicht der Friedensgefährdung ist hier so wenig wie bei $ 130 erforderlich. Geschah die Verkündigung usw. nicht in einer den öffent­ lichen Frieden gefährdenden Weise, so kann unter Umständen noch der Tatbestand des § 110 vorliegen. Recht 07 1478.

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 181.

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3. Der Abs. 2 stellt der eigenen Verkündigung oder Erörterung die Ausgabe oder Verbreitung von Schriftstücken gleich. Sie mutz in Ausübung oder in Veranlassung -er Ausübung des Berufs geschahen; braucht aber weder öf­ fentlich vor einer Versammlung noch in einer Kirche usw. zu erfolgen. Schriftstücke umfassen selbstverständlich auch mechanisch vervielfältigte Mitteilungen, insbesondereDruckschriften. Zur AuS-abe genügt die Übergabe an e i n e Person, Hippel DDB. 2 93; ohne Grund beschränkt Dinding Lehrb. 2 897 das Ausgeben auf das „Heraus­ geben mit oder ohne Urheberschaft". Verbreiten vgl. § HO A. Ha. 4. Die Tat kann nur vorsätzlich begangen werden, vgl. oben A. 2c, Olsh. 7. 5. Die Strafdrohung hat richtig zu lauten: mit Gefängnis bis zu 2 Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer.

131. Wer erdichtete oder entstellte Tatsachen, wissend^ daß sie erdichtet oder entstellt find, öffentlich behauptet oder verbrei­ tet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrig-' keit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. 1. Die Bestimmung gegen die Staatsverleumduug ist an die Stelle des vielangefochtenen „Hatz- und Derachtungsparagraphen" des preuß. StGB. v. 1851 § 101 ge­ treten. Der Staat soll gegen die in der Absicht, ihn verächtlich zu machen, erfolgende öffentliche Behauptung oder Verbreitung erdichteter oder entstellter Tatsachen ge­ schützt, darüber hinaus aber die Kritik staatlicher Einrichtungen nicht beschränkt werden2. Bur die Behauptung oder Verbreitung von Tatsachen ist unter Strafe gestellt. Tatsache im Sinne des § 131 kann nur eine Begebenheit, ein konkreter Vorgang sein^ der in der Vergangenheit oder Gegenwart in die Erscheinung getreten und dadurch Gegenstand der Wahrnehmung geworden ist; kann Dasein und Art innerer Vor­ gänge dargetan und damit wahrnehmbar gemacht werden, so sind auch sie aus dem Kreise der Tatsachen nicht ausgeschlossen, wohl aber alle Ergebnisse absüakter Schluhfolgerungen. Es mutz sich also immer um ein bereits in die Erscheinung getretenes Geschehnis handeln, dessen Vorhandensein, Wesen und Art oder dessen Nichtvorhanden­ sein sich durch eine auf bestimmte Wahrnehmungen gestützte Beweisaufnahme und Deweiswürdigung dartun laßt. Den Gegensatz zu „Tatsachen" bilden allgemein gehal­ tene Kritiken, Urteile, Meinungen und Ansichten über politische, soziale, legislative Verhältnisse und Zustände, die sich nicht auf bestimmte Vorkommnisse, sondern auf Beobachtungen und Schätzungen gründen, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit hinsicht­ lich der zu Grunde liegenden, nicht angegebenen Einzelheiten nicht feststellbar ist. Innere Vorgänge, wie Absichten, Ziele, Beweggründe können, wie bemerkt, dem Begriff unter­ fallen, aber nur dann, wenn sie in erkennbare Beziehung gesetzt werden zu bestimmten äutzeren Vorgängen, durch die sie in das Gebiet der wahrnehmbaren Außenwelt getreten sind. Deshalb versagt der Begriff der Tatsache auch dann, wenn eine Behauptung das Gepräge der freien Erfindung so unverkennbar an sich trägt, daß sie ihrer Beschaffen­ heit nach den Eindruck der Wirklichkeit nach außen nicht hervorzurufen vermag, Rspr. 9 179, RGSt. 16 368, 22 158, 24 300, 387, 41 194. Mit Recht weist Hippel DDB. 2 74 darauf hin, daß bei feststehendem Sinn einer Äußerung die Frage, ob sie die Be­ hauptung einer Tatsache oder nur ein Urteil enthält, Rechtsfrage sei. Da die Tatsache hier nicht objektiv, sondern subjektiv, wie sie vom Täter behauptet oder verbreitet wurde, in Betracht kommt, widerspricht es dem Begriff der Tatsache nicht, von „erdichteten" oder „entstellten" Tatsachen zu reden, Olsh. 3. Erdichtet sind Tatsachen, welche überhaupt nicht vorhanden sind oder waren, entstellt solche, die in wesentlichen Punkten unrichtig dargestellt werden; gl. M. Hippel DDB. 2 73, Frank IJ, dagegen Olsh. 3: „wenn etwas objektiv Tatsächliches anders dargestellt wird, als es ist". Ob die Tatsache geeignet sein muß, Staatseinrichtungen verächtlich zu machen oder ob die Absicht der Verächtlichmachung genügt, vgl. A. 4. 3. Die Handlung besteht in der öffentlichen Behauptung oder Verbreitung erdich­ teter oder entstellter Tatsachen, vffeutlich § 110 A. 5a. Ob das Merkmal der Öffent­ lichkeit nur beim Behaupten oder auch beim Verbreiten vorhanden sein muß, ist be-

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7. Abschnitt.

stritten; ersteres nehmen an Olsh. 4, früher auch Frank, -er jetzt III („das Erforder­ nis -er Öffentlichkeit bezieht sich auch auf -as Behaupten" — wohl nur ein Druckfehler, mir- heißen müssen: »auch auf -as Verbreiten") -er Meinung Hippels DDB. 2 74/75 beizutreten scheint, wonach sowohl -as Behaupten als -as Verbreiten öffentlich ge­ schehen muß. Der Wortlaut, vgl. mit §§ 35, 110, 200, spricht gegen -ie letztere Anschau­ ung, wozu noch kommt, -aß im Begriff -es Verbreitens — auch wenn man ihn so wett faßt, als -as R6. es tut, vgl. § 110 A. Sa — -och immer an sich schon ein gewisses ZugSnglichmachen an -ie Öffentlichkeit liegt. Behaupte« heißt etwas als Ausdruck -es eigenen Wissens, -as aber nicht auf eigener Anschauung zu beruhen braucht, hin­ stellen, 9166t. 30 224, 31 63,

3. Der Tater muß wisse«, -aß -ie behaupteten oder verbreiteten Tatsachen erdichtet oder entstellt sind, er muß bestimmte Kenntnis davon haben, Eventualdolus genügt nicht, 9166t. 23 151, vgl. aber 16 363; auch muß -as Wissen, da es ausdrücklich als Latbestandsmerkmal hervorgehoben ist, festgestellt werden, ohne Rücksicht, ob es vom Täter bestritten wurde. 4. Die Absicht -es Täters muß dahin gehen, durch -ie Behauptung oder Verbrei­ tung Staatseinrichtungen oder Anordnungen -er Obrigkeit verächtlich zu machen. Es muß -em Täter gerade -arauf ankommen, verächtlich zu machen, es muß dies wenn auch nicht -er Endzweck, so -och das Mittel zur Erreichung dieses Endzweckes sein, Rspr. 3 147, Hippel DDB. 2 77, wo mit Recht bemerkt wir-, -aß Eventualdolus nicht aus­ reicht. Destritten ist, ob neben dieser Absicht noch erfordert wird, daß -ie behaupteten oder verbreiteten Tatsachen objektiv geeignet seien, 6taatseinrichtungen verächtlich zu machen, bejaht Rspr. 3 147, 9166t. 1 161, Hippel DDB. 2 74, Frank IV 2, verneint Rspr. 4 233, Olsh. 7, Dinding Lehrb. 2 877 91. 2, Liszt 568. Für -ie erstere Ansicht spricht -ie Entstehungsgeschichte, -a jedoch § 131 nur von -er Absicht -er Verächtlichmachung spricht und damit nicht, wie R66t. 1 161 behauptet ist, ohne wei­ teres auch erfordert wir-, -aß die Tatsachen objektiv geeignet sind, -ie Verächtlich­ machung herbeizuführen, wir- anzunehmen sein, -aß -ie Absicht -er Verächtlichmachung genügt. 6A. 35 59 ist -ie Frage offen gelassen. 5. StaatSeinrichtun-en sind nach 9166t. 22 255 -ie bleibenden dauernden Be­ standteile -er Verfassung und Verwaltung, mit welchen -er 6taat sich einrichtet, alle auf Erfüllung -es 6taatszweckes hinzielen-en, für -ie Dauer bestimmten organischen Schöpfungen auf irgend einem 6ebiete der staatlichen Tätigkeit. Rechtsinstitute wie Ehe, Familie, Eigentum, -ie -er Staat anerkennt und stützt, ohne sie zur 6rundlage besonderer organischer Schöpfungen zu machen, und ohne sie unter Anpassung an -ie bestehenden Verhältnisse seinen Bedürfnissen entsprechend besonders zu gestalten (wie dies -. D. hinsichtlich -es 6rundbuchwesens, -er Zivilehe, der väterlichen 6ewalt -er Fall ist), sind nicht Staatseinrichtungen. Es muß sich also stets um -er Erfüllung -es Staatszweckes dienende, für -ie Dauer bestimmte organische Schöpfungen auf -en ver­ schiedenen 6ebieten -er staatlichen Tätigkeit handeln, R6St. 29 319. 6emeint sind in § 131 nur inländische Staatseinrichtungen, diese aber ohne Rücksicht, ob sie solche -es Reichs oder eines einzelnen Landes sind, Bestrafung tritt deshalb auch dann ein, wenn -er Täter Einrichtungen eines anderen Landes verächtlich zu machen sucht als -essen, in dem er -ie Tat begeht oder in -em er wohnt oder -essen Angehöriger er ist, R6St. 21 395. Die Staatseinrichtungen als solche müssen durch die ver­ leumderischen Behauptungen angegriffen werden; eine Beschuldigung der Staats­ verwaltungsorgane trifft nicht die mit diesen keineswegs identischen Staatseinrich­ tungen als solche, R6St. 36 265; bilden daher -en 6egenstand des Angriffs nur ein­ zelne Maßnahmen oder Beschlüsse einer Behörde oder Staatseinrichtung (z. B. des Reichstags), so kann unter Umständen Beleidigung vorliegen, der Tatbestand des § 131 ist aber nicht gegeben, R6St. 29 319/20, woselbst auch bemerkt wird, daß die Regie­ rung, sofern damit ein abstrakter Begriff bezeichnet wird, nicht als Staatseinrichtung im Sinne -es § 131 gelten kann; wohl aber hat R6SL.30 267 den Staat selbst, die Staatsemrichtungen in ihrer 6esamtheit, als Staatseinrichtung bezeichnet. Dagegen Frank IV 2, Dinding Lehrb. 2 875. 6. Anordmmge« der Obrigkeit. Sie umfassen auch Akte der 6esetzgebungsgewalt, RGSt. 21 394, bestritten von Dinding Lehrb. 2 873, der aber im 6egensahe zu Rüdorfs-

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 132.

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Stenglein 7 und Schwarz 9 richterliche Akte hierher rechnet, soweit sie wie Zeugen­ ladungen, Sitzungspolizei usw. eine Gehorsamspflicht auslösen. Ob eine Anordnung sich auf einen bestimmten Einzelfall bezieht und diesen für die Gegenwart ordnet, oder ob sie sich als generelle, ein bestimmtes Gebiet beherrschende Regel darstellt, ist gleich­ gültig, RGSt. 4 299; es mutz sich aber immer um Anordnungen handeln, die irgend einen in das öffentliche Leben hinausgreifenden autoritativen Charakter haben, nicht nur behördliche Anweisungen für den inneren diensllichen Geschäftsverkehr sind, RGSt. 23 151. In RGSt. 16 369 wird zwar abgelehnt, daß unter § 131 nur solche Anordnun­ gen fallen, die in einer für die Regierten verbindlichen Weise erlassen und noch zur Zeit wirksam und verbindlich seien, nicht aber schon chre volle Wirkung getan haben und -um Abschluß gekommen seien, andererseits aber anerkannt, datz solche Anordnungen aus­ scheiden, welche weder vom Kundgebenden in Beziehung zu der zur Zeit der Tat be­ stehenden Regierungsgewalt gesetzt sind noch zu ihr in solcher Beziehung stehen, datz in -er Kundgebung ein Angriff gegen dieselbe gefunden werden kann, denen also lediglich eine geschichtliche Bedeutung zukommt. Bloße Unterlassungen fallen nicht unter den Begriff der Anordnungen, wenn nicht bestimmte positive Maß­ nahmen mit -en behaupteten Unterlassungen derart in Zusammenhang stehen, daß sie durch die Kritik der Unterlassungen zugleich mit getroffen werden, RGSt. 30 266. Bestrafung aus § 131 greift auch dann nicht Platz, wenn der Erlaß oder das Bestehen einer erdichteten Anordnung mit dem Bewußtsein der Unwahrheit behauptet wird, um die Stelle, von der sie angeblich ausgegangen ist, verächtlich zu machen, RGSt. 30 266. Rur Anordnungen der inländischen Obrigkeit des Reichs oder der Länder kommen in Frage. Dgl. A. 5. Destritten ist, ob die obrigkeitlichen Anord­ nungen rechtsgültig sein müssen; wohl mit Recht verneint von Olsh. 9b, Frank IVb, dagegen bejaht von Binding Lehrb. 2 872, Oppenhoff-Delius 18, Schwartz lc, Hippel DDB. 2 77 A. 1. 7. Die Absicht muß dahin gehen, die Staatseinrichtungen usw. verächtlich zu machen, sie in ihrem sittlichen Werte anzugreifen, sie als aus sittlich verwerflichen Motiven her­ vorgegangen oder zu sittlich verwerflichen Zwecken dienend oder bestimmt hinzustellen, RGSt. 1 161, GA. 35 126; dagegen Dinding Lehrb. 2 872/73, der jede Bezugnahme auf die Sittlichkeit verwirft und es für ausreichend hält, wenn die Staatseinrichtungen usw. als unvernünftig oder zweckwidrig hingestellt werden sollen. Geht die Absicht lediglich dahin, die Anordnung usw. zu beschimpfen oder dem Haß auszusetzen, so trifft — im Gegensatze zu der früheren Bestimmung des preuß. StGB. — § 131 nicht zu. 8. Jdealkonkurreuz mit Beleidigung (inst>. §§ 187, 196, 197) ist möglich, wenn die Tat sich gegen die Maßnahmen einzelner Beamter oder Deamtenkategorien und gleich­ artig gegen die Staatseinrichtungen oder Anordnungen selbst richtet, GA. 48 303, 22 584, Olsh. 1.

132. Wer unbefugt sich mit Ausübung eines öffent­ lichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Giefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. 1. Amtsanmaßung ist nur strafbar, wenn es sich um Anmaßung eines öffentlichen Amtes handelt. In den §§ 31, 132 werden die Motte „öffentliches Amt" und „öffent­ liche Ämter" nicht in dem weiteren Sinne gebraucht, in dem das öffentliche Amt dem Privatamt gegenübergestellt wird, vielmehr gllt als öffentliches Amt nur diejenige Stel­ lung, vermöge deren jemand dazu berufen ist, im Dienste des Reiches oder im unmittel­ baren oder mittelbaren Dienste eines Landes als Organ der Staatsgewalt für die Durchführung der Zwecke des Staates tätig zu sein, wobei § 31 Abs. 2 den Begriff auf die Advokaten, die Anwaltschaft, das Notariat, den Geschworenen und Schöffen­ dienst ausdehnt. Die Ämter, welche von Anstalten und Korporationen öffentlich-recht­ licher Natur verliehen werden, insbesondere die k i r ch l i ch e n Ämter sind als öffent­ liche Ämter i. S. des StGB, nicht anzusehen. Trauung nach jüdischem Ritus, Recht 05 1224. Hieran kann auch das Landesrecht nichts ändern, das nur darüber entscheiKommentar z. Strafgesetzbuch.

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bet, ob ein bestimmtes Amt als (unmittelbares oder mittelbares) Staatsamt anzusehen ist, aber den Begriff des öffentlichen Amtes i. S. des StGB, nicht in anderer Weise als es da geschehen, bestimmen kann, RGSt. 10 200, 36 435, 47 50. Bei den Kirchen­ ämtern ist die Einschränkung zu machen, daß sie unter § 132 fallen, wenn die geistliche Amtshandlung zugleich eine staatliche Verrichtung darstellt, wie die Erteilung von Zeugnissen über Kirchenbucheinträge, RGSt. 29 241. Nach GA. 60 85 sind die Mit­ glieder eines nach dem GewGG. errichteten Gewerbegerichts Träger eines öffentlichen Amtes, während die nach GO. § 1312 gebildeten Prüfungsausschüsse als öffentliches Amt nicht betrachtet werden; ebensowenig findet § 132 Anwendung bei unbefugter Ausübung eines Gewerbes oder bei der Vornahme von Handlungen, die Konzession oder Approbation verlangen. RGSt. 17 291 betrifft den Auktionator, -er unbefugt Immobilien versteigert, während (für Preußen) nach RGSt. 4 422 die von einem öffentlich bestellten Fleischbeschauer ausgeführte Trichinenschau als kraft öffentlichen Amtes vorgenommen gilt, da es sich hier nicht nur um eine Bestellung nach § 36 GewO, im Interesse des Publikums handelt, sondern der Fleischbeschauer als Organ des Staates in gesundheitspolizeilichem Interesse tätig wird.

2. Die Handlung kann eine doppelte sein: strafbar ist sowohl der, der unbefugt sich mit Ausübung eines öffentlichen Amtes besaht, wie auch -er, der unbefugt eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf. Hierbei handelt es sich nicht um e i n e strafbare Handlung mit alternativ verschie­ denen Modalitäten des Tatbestandes, sondern um zwei verschiedene Tatbestände. Im Falle der ersten Alternative tritt der Täter als Beamter auf und handelt — unter Ver­ leugnung seiner Eigenschaft als Privatperson — als solcher; er vollführt die Handlung vermöge der angemahten Beamteneigenschaft. Im zweiten Falle legt er seiner Person den Charakter des Beamten nicht bei, sondern verstößt nur dadurch gegen das Gesetz, daß er etwas tut, was nur ein Beamter tun darf. Beide Mischtatbestände können recht­ lich oder sachlich zusammentreffen und dürfen nicht meine Frage an die Geschworenen zusammengefaßt werden, RGSt. 32 86, 2 293. Dgl. auch Merkel DDB. 2 315. Der bloße Mißbrauch des Beamtentitels fällt nur unter § 360 Nr. 8. 3. Täter kann in beiden Fällen des § 132 sowohl ein Nichtbeamter als ein Beamter sein, es handelt sich keineswegs um ein Amtsdelikt, weshalb auch Teilnahme, insbeson­ dere auch in der Form der Mittäterschaft, unbeschränkt möglich ist. Der Beamte kann sich aus § 132 insbesondere dann strafbar machen, wenn er das Amt, das er ausübt, nicht oder nicht mehr hat, oder wenn er die Grenzen seiner Amtsbefugnisse bewußt und ohne Befugnis derart überschreitet, daß diese Überschreitung den Charakter einer in den Kreis eines anderen Amtes einschlagenden Amtshandlung annimmt, RGSt. 18 435, 37 57, übergreifen des Gerichtsschreibers in die Befugnisse des Richters, Recht 1914 2785. Überschreitet er dagegen nur die Grenzen seiner örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit, ohne in ein anderes Amt einzugreifen, so kommt nicht § 132, sondern unter Umständen § 339 zur Anwendung. Ein beurlaubter Beamter macht sich durch Ausübung seiner Amtstätigkeit nicht nach § 132 schuldig. 4. Im ersten Falle genügt es nicht, daß der Täter sich als Inhaber eines bestimmten Amtes ausgibt (hier kann § 360 Nr. 8 in Frage kommen), sondern er muß sich auch mit der Ausübung des angemahten Amtes befaßt haben, er muß unter Vorspiegelung des Amtscharakters eine Handlung vorgenommen haben, zu deren Vornahme ein öffentliches Amt die B efugnis gibt. Dabei ist es gleichgültig, ob der Sachverhalt von dem Betroffenen durchschaut werden konnte oder nicht, LZ. 1915 142, ob die Formvorschriften der Amtshandlung erfüllt sind, RGSt. 23 207 (Zu­ sendung eines nicht unterschriebenen Zahlungsbefehls unter Erweckung des Anscheins, als komme er vom Amtsgericht, vgl. dazu BayZfR. 9 334), ob der Täter oder ein an­ derer zu der Handlung auch als Privatperson befugt sein würde (z. B. Festnahme nach § 127 StPO.), ob er seinem Amte einen Namen gibt, der zu der Handlung nicht paßt und der vielleicht nicht der Name irgend eines wirklichen Amtes seines Landes ist, V 528/08 v. 13. 10. 08, wenn nur die Handlung zu denjenigen gehört, wozu in dem Lande ein wirkliches öffentliches Amt die Befugnis gibt; aber auch in diesem Falle ist nicht erforderlich, daß die Handlung nur aus der Befugnis irgend eines öffentlichen Amtes entspringt, also einer Privatperson als solcher niemals zustehen könne; der

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Täter braucht den Namen und die Art des öffentlichen Amtes, das er sich beUegte, nicht genannt zu haben, V 462/09 v. 29. 6« 09, es genügt, wenn seine Handlung zu denen zu rechnen ist, die der Zuständigkeit eines öffentlichen Amtes entsprechen, und wenn sein Verhalten ein solches war, datz daraus hcrvorging, er handle als Beamter, RGSt. 2 293 ff., GA. 56 68, 82, 60 436, Stenglgtschr. 4 119; auch darauf kommt es nicht an, ob die Handlung innerhalb der Zuständigkeit des angematzten Amtes liegt, LZ. 1916 810. Handeln zum S ch e rz genügt, wenn -er Scherz nicht erkennbar ist, Recht 1915 223. 5. Im zweite» Kalle ist es nicht nötig, -atz der Täter als Inhaber eines öffentlichen Amtes auftritt, wohl aber wird eine Handlung vorausgesetzt, die an sich den Gegenstän­ der Ausübung eines öffentlichen Amtes bildet, sei es, -atz ihre Vornahme ausschlietzlich kraft eines öffentlichen Amtes erfolgen darf, Privatpersonen mithin schlechthin untersagt ist, oder, falls die Handlung zwar auch von solchen bewirkt werden kann, dies jedoch unter derartigen Sutzeren Umständen geschieht, datz ihre Vornahme sich als Amts­ handlung kennzeichnet und nach nutzen als unbefugte Wahrnehmung einer öffentlichen Amtstätigkeit sich darstellt. Der Täter verleugnet hier, im Gegensatze zu der ersten Degehungsfvrm, seine Eigenschaft als Privatperson in keiner Weise, vvllführt aber die Tat mit dem erkennbaren Willen, seine Handlung an die Stelle einer Amtshandlung zu setzen; dementsprechend wurde die zweite Degehungsform als gegeben erachtet beim Schütteln einer Wahlurne, NGSt. 47 184, vgl. auch IV 339/13 v. 24. 6. 1913, Soergel 8 18; dagegen verneint bei einer im Einverständnis mit dem Schwörenden erfolgten autzergerichllichen Abnahme eines Eides, RGSt. 34 288, ebenso bei Vornahme einer ScheinpfSndung mit Einverständnis des Schuldners, SächsA. 1915 41. Das Dorliegen der -weiten Degehungsform wurde bejaht, das der ersten verneint in einem Falle, in welchem ein nicht öffentlich befteltter Fleischbeschauer sich ausdrücklich in einen Gegensatz zum öffentlich bestellten gebracht und ein Zeugnis ausgestellt hatte über die von ihm vorgenommene mikroskopische Untersuchung geschlachteter Schweine zu -em Zwecke, um dadurch die gesetzliche Voraussetzung für -en Verkauf herzuftellen, also eine Handlung vorgenommen hatte, welche nur dem bestellten Fleischbeschauer zu­ stand, NGSt. 4 424. 6. Der Täter mutz im ersten wie im zweiten Falle »«befugt handeln. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der einschlägigen Reichs- und Landesgesetzgebung, Rspr. 1 406, 3 121. 7. Zum innere« Tatbestände gehört in beiden Fällen Vorsatz. Der Täter mutz in beiden Fällen wissen, -atz er keine Befugnis hat, autzerdem im ersten, datz er sich mit der Ausübung eines öffenllichen Amtes befasse, im zweiten, datz seine Handlung eine solche sei, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf. Irrt er in dieser Richtung über staatsrechtliche Normen oder Befugnisse, so ist der Vorsatz ausgeschlossen, so z. B., wenn er gaubt, der zuständige Beamte könne ihn ermäch­ tigen und habe ihn ermächtigt zur Vornahme der Amtshandlung, RGSt. 27 419, vgl. auch Rspr. 5 737. Ein über die unbefugte Amtsanmatzung oder Vornahme einer Amtshandlung hinausgehender Endzweck (z.D. ein Diebstahl, dessen Ausführung durch die Amtsanmatzung ermöglicht werden soll) schlietzt selbstredend den Vorsatz und die Bestrafung nach § 132 nicht aus. Dgl. aber Dresden 3.8.1874, StengleinZ. 5 157. Mit Recht weift Olsh. 6 darauf hin, datz bei Einmischung eines Beamten in ein anderes öffentliches Amt unter Überschreitung der öttlichen und sachlichen Zuständig­ keit das Bewuhtsein, unbefugt zu handeln, häufig fehlen wird.

133. Wer eine Urkunde, «in Register, Akten oder einen sonstigen Gegenstand, welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich ver­ nichtet, beiseite schafft oder beschädigt, wird mit Gefängnis bestraft. Ist die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein; auch kann auf Ver­ lust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

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2. Teil.

7. Abschnitt.

1. In § 133 wird der Bruch der amtlichen Bcrfü-irngdgewalt unter Strafe ge­ stellt, ähnlich wie in § 137 der Bruch der staatlichen Herrschastsgewalt. Über die innere Beziehung der Bestimmungen mit Rücksicht auf die Ähnlichkeit des geschützten Rechts­ gutes vgl. Merkel DDB. 2 349 ff. Die strafbare Handlung kann begangen werdest an beweglichen (RGSt. 2 118) Gegenstände« jeglicher Art, RG. V 940/17 v. 2. 3. 1918, LZ. 1918 928 und RGSt. 51 416, deren dauernde oder vorübergehende Auf­ bewahrung den Zwecken einer amtlichen Verfügungsgewalt dienen soll. Damit scheiden aus solche Gegenstände, die lediglich als Materialien verbraucht zu werden bestimmt sind (z. D. Schreibpapier), RGSt. 24 385, 33 414, Kohlen zur Heizung einer Loko­ motive, RGSt. 51226, desgleichen das zum Gebrauch bestimmteAmtsinventar, RG.52 240. Richt erforderlich ist, -atz es sich um Gegenstände handelt, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, wenn dieser Gesichtspunkt auch in der Regel zutreffen wird, da die amtliche Fürsorge belanglosen Gegenständen nicht zuteil werden wird; ob es sich aber um einen solchen Gegenstand handelt, braucht im einzelnen Falle nicht untersucht zu werden; der Umstand, -ah eine Behörde einem Gegenstände ihre Fürsorge in erkenn­ barer Weise zugewendet hat, reicht aus, ihm den Schutz des Gesetzes, das die Aufleh­ nung gegen die öffentliche Ordnung besttafen will, angedeihen zu lassen, RGSt. 10 389. Aus der Hervorhebung der Urkunden, Register und Akten darf nicht geschlossen werden, dah auch die sonstigen Gegenstände den einzeln hervorgehobenen ähnlich sein, eine Beweiskraft in amtlicher Beziehung haben mühten, Rspr. 6 593. Urkunde ist hier im weiteren Sinne gebraucht, vgl. § 92 A. 4, RGSt. 2 425, RMG. 6 14, a. M. Olshausen 1 a; einzelne Fälle siehe Rspr. 6 613 (Dersteigerungsbekanntmachung eines Gerichtsvollziehers), GA. 60 424 (Postpaketadresse). Re­ gister fallen auch dann unter § 133, wenn sie nicht einmal im vorerwähnten weitere,, Sinne Urkunden sind, RGSt. 7 258. Auch an einem -em Täter selbst gehörigen Ge­ genstände, ebenso wie an einem herrenlosen, kann das Vergehen nach § 133 begangen werden, da es gleichgültig ist, ob und in wessen Eigentum sich -er Gegenstand befindet, RGSt. 47 393; auch auf -en Wert der Gegenstände kommt nichts an. Recht 1916 2028 (Brotmarken). 2. Der Gegenstand muh sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu be­ stimmten Orte befinden, er muh zur Zeit der Tat in amtlichem Gewahrsam sein. Der Begriff „Amt" ist hier im Gegensatze zu § 132, wo nur ein „öffentliches" Amt in Frage kommt, in dem weiteren Sinne gemeint, den der Sprachgebrauch und das öffentliche Recht mit dem Worte „Amt" im allgemeinen verbindet. Hiernach unter­ fällt ihm die Verwaltung eines Kreises gewisser, das öffentliche Interesse angehender Geschäfte unter der Autorität des Staates oder unter -er Autorität gewisser, ihm unter­ geordneter Korporationen, RGSt. 29 321, also auch kirchlicher. Ob es sich um dauernde oder vorübergehende Aufbewahrung handelt, ob die Aufbewahrung in öffentlichem oder privatem Interesse erfolgt, ob sie geschieht im Interesse der Rechts­ ordnung oder -es wirtschaftlichen Verkehrs, ist unerheblich, RGSt. 22 205, 43 175. Daher fallen unter § 133 ebensowohl auf Grund der Hinterlegungsordnung bei Gericht hinterlegte Gegenstände als Asservate bei der Staatsanwaltschaft, und in gleicher Weise Gegenstände des Post- und Eisenbahnverkehrs, Recht 08 S. 385. LZ. 1917 857 (Sor­ tierraum für Feldpostsendungen), dagegen nicht, wie schon oben bemerkt, Sachen, die zum Verbrauch oder Gebrauch der Behörde bestimmt sind, wie Schreibmaterialien, Inventar, Kohlen auf einem Kohlentender, Recht 1917 1913, desgleichen nicht Geldstücke, so lange sie als vertretbare Sachen in Betracht kommen (anders bei Geld, das -er Gemeindeeinnehmer vereinnahmt und zur Aufbewahrung eingeschlossen hat, 1.313/09 v. 7. 6. 09); hier handelt es sich überall nur um amtlichen Besitz, nicht um den nach § 133 geschützten, amtlichen Aufbewahrungsbesitz, RGSt. 24 385, 33 413, 24 385, GA. 54 299, RMG. 8 247. Das Gleiche ist anzunehmen hinsichtlich der Gegen­ stände öffentlicher Sammlungen (Bibliotheken usw.), Frank I 1. Der Aufbewah­ rungsort kann auch ein beweglicher sein, RGSt. 22 204 (die Sammeltasche eines Postboten), er braucht nicht durch Gesetz oder Dienstvorschrift bestimmt zu sein, die Bestimmung kann sich vielmehr auch aus Zweck und Wesen der aufzubewahrenden Gegenstände ergeben, Berlin, StengleinZ. 4 295, Recht 1916 775 (Güterwagen auf dem Seitengleise eines Rangierbahnhofs), RGSt. 50 358. Rach RGSt. 28 107 kann

Verbrechen un- Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 133.

3j7

auch die Privatwohnung eines Beamten Aufbewahrungsort fein. Dagegen ist mit Olshausen 3 Abs. 2, Frank I 1, Schwartz 2, Meyer-Allf. 649, Dinding Lehrb. 2 602, Merkel DDB. 2 358 anzunehmen, dah der Gegenstand zur Zeit -er Tat sich noch im amtlichen Gewahrsam un- damit an dem zur Aufbewahrung bestimmten Orte be­ finden mutz. Letzteres wird vom RG. bestritten: dadurch, -atz ein Gegenstand in amt­ liche Aufbewahrung gelangt sei, habe er eine ihm den besonderen Schuh des Gesetzes sichernde Eigenschaft erhtlten, die sortdauere, bis sie durch Erfüllung des Zweckes, für den der Gegenstand bestimmt ist, oder durch eine anderweitige amtliche Verfügung wieder aufgehoben wird, RGSt. 28 108, 19 319, 33 413. Dgl. aber RGSt. 50 358. Zuzustimmen ist dagegen RGSt. 28 108 insofern, als dort angenommen wird, daß mit dem Wegfällen der amtlichen Eigenschaft des Beamten, in dessen Verwahrung sich der Gegenstand befindet, der amtliche Gewahrsam nicht ohne weiteres aufhört, Im we­ sentlichen ist es Tatftage, ob der amtliche Gewahrsam noch besteht, RGSt. 22 304, 23 283. Ob die amtliche Verwahrung materiell gerechtfertigt, der Be­ amte zuständig, die Aufbewahrung vorschriftsmätzig war, ist gleichgültig, es genügt, dah ein Organ der Staatsgewalt im geordneten Geschäftsgänge und in formell zu­ lässiger Weise verfügt hat, dah der Gegenstand -er Verfügung der Staatsgewalt vor­ behalten sei, RGSt. 28 382, Recht 08 208.

3. Unter § 135 fallen ferner solche Gegenstände, welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich übergeben worden sind. Es handelt sich hier um gleichwertige Delikts­ merkmale, die wahlweise Feststellung zulassen, GA. 61 353, RMG. 10 289. Die Übergabe, sei es an den Beamten, sei es an -en Dritten, mutz amtlich geschehen sein, wobei „amtlich" in dem oben A. 2 erörterten weiteren Sinne zu ver­ stehen ist, RGSt. 29 323. Der Begriff der amtlichen Übergabe umfaht sowohl den Fall einer Übergabe kraft Amtes des Übergebenden wie im Hinblick auf das Amt des Empfängers, jede auf eine dieser beiden Arten übergebene Sache befindet sich in dem nach § 133 geschützten amtlichen Gewahrsam. Handelt es sich um Übergabe an einen Dritten (Nichtbeamten), so kann die amtliche Übergabe nur so zustande kommen, dah sie auf Grund amtlicher Anordnung erfolgt, da bei dem Dritten (Nichtbeamten) die Beziehung auf ein Amt von vornherein ausgeschlossen ist, dagegen ist eine Übergabe auf Grund amtlicher Anordnung nicht erforderlich, wenn -er Gegenstand einem Be­ amten mit Rücksicht auf sein Amt von einem Dritten übergeben worden ist, z. D. der Wechsel dem Notar zur Protestierung, RGSt. 43 247, und die -ort angeführten frü­ heren Urteile. Hiernach kann die amtliche Übergabe an einen Beamten auch durch einen Nichtbeamten erfolgen, während die Übergabe an einen Nichtbeamten mindestens mittelbar von einem Beamten ausgehen mutz, wobei weiter erfordert wird, dah trotz der Übergabe an den Dritten „der amtliche Gewahrsam, die amtliche Verfügungsge­ walt" noch fortdauert. Deshalb wurde § 133 für anwendbar erklärt u. a. in folgenden Fällen: Aushändigung eines Beschlusses wegen Bestrafung von Schulversäumnissen zum Durchlesen und Unterschreiben, RGSt. 10 387; Empfangnahme einer in orts­ üblicher Weise in Umlauf gesetzten Dersteigerungsbekanntmachung, RGSt. 12 67; Übergang der in einem Briefkasten befindlichen Briefe an den ihn amtlich entleeren­ den Beamten, RGSt. 22 204; Übersendung einer bei einer Behörde gegen den An­ geklagten eingegangenen Beschwerde an diesen zur Erklärung und Rückgabe, RGSt. 19 319; Vorlage eines Wechsels zum Lesen, den der Beamte noch in den Händen hält, RGSt. 43 246; Niederlegen einer Urkunde an einem bestimmten, mit -em Täter ver­ einbarten Platze in der Wohnung des Beamten, damit der Täter dort von ihrem In­ halt Kenntnis nehme, I 130/15 v. 19.4. 1915, SoergelSt. 10 14. In allen diesen Fällen wurde die Fortdauer des amtlichen Gewahrsams angenommen und zwar völlig zutreffend, woraus aber keineswegs für den ersten Mischtatbestand jene weitgehenden Folgerungen gezogen zu werden brauchen, die sich unter Umständen aus der RGSt. 28 108 gegebenen Begründung ergeben könnten (vgl. A. 2). Siehe auch: RGSt. 29 321, RMG. 6 9, 8 247, GA. 54 299. Dagegen wurde die Fortdauer des Gewahrsams verneint, wenn die Übergabe im Wege der Zustellung oder Ersahzustellung geschah, RGSt. 35 28, wie sie überhaupt in allen Fällen zu verneinen ist, in denen die Urkunde dem Beteiligten zu seiner freien Verfügung ohne Vorbehalt des Gewahrsams der Be­ hörde überlassen wird. Auch hier wie beim ersten Mischtatbestande ist es unerheblich,

358

Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

ob die Übergabe materiell gerechtfertigt, und -er Beamte zuständig ist, RGSt. 28 379 und oben A. 2. 4. Die Handlung besteht darin, -atz der Gegenstand vernichtet, beiseite geschasst oder beschädigt wird. Auch hier handett es sich um gleichwertige Degehungsatten. Ein Gegenstand wird vernichtet, wenn bewirkt wird, -atz er zu bestehen aufhört, RGSt. S 370. Der Begriff desDeiseiteschaffens setzt voraus, -atz die Sache durch Entfernung von ihrem bisherigen Aufbewahrungsorts-er Verfügung des Be­ rechtigten wirtlich, sei es auch nur vorübergehend, entzogen worden ist; wobei es gleich­ gültig ist, ob durch das Deisetteschaffen jemandem ein Nachteil zugefügt wurde, RGSt. 2 427. Das Erfordernis göttlicher Entfernung" wird von Liszt 451 bestritten, vom RG. jedoch verlangt, wobei aber nicht gerade eine Entfernung aus den amtlichen Ge­ schäftsräumen notwendig ist, RGSt. 22242; dieUrkunde wird auch dann beisette geschafft, wenn sie -em, der sie in Verwahrung hat, durch Täuschung entzogen wird, RGSt. 12 67, wie überhaupt, wenn sie dem Derechttgten unzugänglich gemacht wird, was auch durch unterlassene Herausgabe an den Amtsnachfolger geschehen kann, RGSt. 12 248/49, ebenso wie durch Verstecken innerhalb der Amtslokalitäten, RGSt. 26 413, durch Ein­ heften in einen falschen Akt, während bloßes Verheimlichen bei Aufbewahrung an einem zulässigen Otte nicht ausreicht, RGSt. 10 189; vgl. auch RMG. 10 211, 14 138 und RG. 357/16 v. 3. 10. 1916 betr. DeiseitHchafsen von Brotmatten, Dgg. 1911 540 (Vertauschen eines in amtlicher Verwahrung befindlichen Gegenstandes). Beschädige« bedeuttt eine Beeinträchtigung der Substanz, eine Minderung der Brauchbarkeit, was bei Urkunden auch ohne Deeinttächtigung der stofflichen Unterlagen durch Durch­ streichen, Radieren/ Überkleben oder sonstiges Fälschen geschehen kann, RGSt. 13 27, 19 319, 33 177, Recht 1915 260.

5. Täter kann jeder sein, der Beamte, der den Gegenstand aufzubewahren hat, der Beamte oder Richtbeamte, dem er übergeben ist, der Eigentümer, für den er mifbewahtt wird, RGSt. 12 247. 6. Innerer Tatbestand. Das Vergehen kann nur vorsätzlich begangen werden und zwar ist -er Vorsatz, weil im Tatbestände ausdrücklich hervorgehoben, stete festzuftellen, auch wenn er nicht bestritten wird. Dem gegenüber hält das Urteil des 5. Strafsenats v. 12. 10. 1915, V 213 15 Feststellung nur im Bestreitungsfalle für nötig. Der Täter muh das Bewußtsein haben, -aß der Gegenstand amtlich aufbewahrt wird, daß er amtlich übergeben worden ist, dagegen ist die Absicht oder das Bewußtsein, sich mit der amtlichen Autorität oder der öffentlichen Ordnung in Widerspruch zu sehen, nicht erforderlich, RGSt. 23 283. Glaubt der Täter auf Grund eines öffentlich recht­ liche oder zivilrechtliche Bestimmungen betreffenden grttums (z. B. falsche Auslegung einer Minifterialverordnung über die Vernichtung von Akten) zu seiner Handlung be­ fugt zu sein, so entfällt der Vorsatz, RGSt. 27 402; vgl. aber 23 283, wo der Irrtum, zum Einstampfen bestimmte Akten befänden sich nicht mehr in amtlicher Aufbewahrung, der Praxis des RG. folgend, als unbeachtlicher strafrechtlicher grttum über den Begriff der „amtlichen Aufbewahrung" bezeichnet wird; desgleichen ist die Meinung des Täters, als Eigentümer zu der Handlung befugt zu sein, nach RGSt. 47 394 Strafrechtsirrtum, und das Gleiche ist angenommen hinsichtlich der irttümlichen Meinung des Täters, er dürfe über eine für ihn bestimmte Abschrift einer Zustellungsurkunde verfügen, auch so lange sie sich noch in den Händen des zustellenden Postboten befindet. Eine Demettung des Vorgesetzten, die den Täter zu dem Glauben veranlaßt, der Vorgesetzte sei mit der Beseitigung usw. einverstanden, kann geeignet sein, den Vorsatz auszuschliehen. SeuffDl. 03 356. Eventualdolus genügt, RG. V 750/12 14. 1. 1913 (Anzünden von Briefen in einem Briefkasten).

7. Begehung der Tat in gewinnsüchtiger Absicht bildet nach Abs. 2 einen straf­ erhöhenden Amstand. Erstteben eines lediglich ideellen Vorteils (z. D. Ablösen von Marken von Postpaketadressen lediglich zu Sammelzwecken, GA. 60 424) genügt nicht, bestritten aber ist, ob der Vorteil Dermögensvorteil sein müsse, oder auch an­ derer materieller Dotteil genügt (z. D. Vermeidung einer Derutteilung). Dermögens­ vorteil verlangen Frank IV, Liszt 570, Dinding Lehrb. 2 605 (diese beiden sogar „rechts­ widrigen"), dagegen halten materiellen Vorteil für ausreichend Olshausen 8 und RGSt. 43 176, woselbst jedoch ausgeführt wird, daß der in § 370 6 hervorgehobene Zweck

Verbrechens {unh Vergehen^wider die öftenüiche Ordnung.

§ 184.

359

-es alsbaldigen Verbrauchs das Merkmals-er gewinnsüchtigen Ablicht nicht erfüllt. Dgl. auch SA. 60 424, 9MG. 6 0, Recht 1916 775, AGSt. 50 396, LZ. 1917 678; anders, wenn z. D. wegen Fortfttzungs - Zusammenhang § 370 6 entfällt, R. 1917 2103. Absicht bezeichnet den auf einen bestimmten Erfolg gerichteten Willen des Täters, ohne -aß die Erlangung des Gewinnes der Endzweck des Handelns gewesen zu sein braucht; Eventualdolus scheidet sonach aus, LZ. 1914 1052. Ob die Absicht erreicht werden soll durch Verkauf der entzogenen Sache oder unmittelbar durch die Entziehung, ist gleichgüllig. R. Jusarnrnerrtreffer» mit ariderer» strafbare« Handlungen, gdealkonkurrenz mit 8 137 ist denkbar, Rspr. 6 426; wird § 137 unanwendbar, weil die gesetzliche Statthaftig­ keit der Beschlagnahme wegen fehlender Zuständigkeit nicht vorlag, so kann nicht sub­ sidiär § 133 zur Anwendung kommen, BGSt. 28 379. gdealkonkurrenz mit gg 242, 243 liegt vor, wenn es sich um eine fremde Sache handelt und die Wegnahme in der Absicht rechtswidriger Zuneigung geschieht, BGSt. 17 103, 43 175, III 782/15, 16. 12. 1915 (Entwendung aus plombiertem Eisenbahnwagen), ähnlich bei § 246 BMG. 6 9, 8 79; auch mit g 274 1 kann gdealkonkurrenz ftattfinden, wenn der Gegenstand eine Urkunde ist, die dem Täter nicht oder nicht ausschließlich gehött und die von § 274 1 geforderte Absicht vorliegt, LZ. 1914 1052 (dabei kommt § 274 als strengere Bestim­ mung zur Anwendung und kann aus die Mindeftftrase von einem Tage Gefängnis erkannt werden). Bei ftemdem Gegenstand, der vernichtet oder beschädigt wird, ist gdeattonkurrenz mit 8 303 denkbar, vgl. auch RGSt. 19 319. Bach RGSt. 2 425 ist 8 348 Abi. 2 gegenüber § 133 das speziellere Gesetz. Mit g 3705 kann § 133 in gleicher Weise konkurrieren wie mit Diebstahl, wobei aber der Zweck alsbaldigen Verbrauchs der gewinnsüchtigen Absicht des § 133 Abs. 2 nicht gleichstes, RGSt. 43 175, RG. V 465/16 v. 7. 11. 1916; §354 steht mit g 133 Abs. 1 in Gesetzes-, mit § 133 Abs. 2 in gdealkonkurrenz, BG. H 493/19 11. 11. 19.

134. Wer. öffentlich angeschlagene Bekanntmachungen, Verord­ nungen, Befehle oder Anzeigen von Behörden oder Beamten bös­ willig abreißt, beschädigt oder verunstaltet, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. 1. Die im § 134 unter Strafe gestellte Verletzung amtlicher Kundgebungen be­ zeichnet als Gegenstände der Tat: öffentlich angeschlagene Bekanntmachungen, Ver­ ordnungen, Befehle oder Anzeigen von Behörden oder Beamten. Lffentlich bezeich­ net hier einen Ort, an welchem der Anschlag von unbestimmt welchen und wie vielen Personen wahrgenommen werden kann und sott, der allgemeinen Kenntnisnahme zugänglich ist. So zutteffend Kleinfetter DDB. 2 293, der beispielsweise aufführt: Anschlagsäule, schwarzes Brett, Straße, Vorhalle, Treppenhaus des Amtsgebäudes oder ein zum Verkehr für das Publikum bestimmter Amtsraum. Dgl. auch § 110 A. 5, 6 a. E. 2. Die Bekanntmachungen usw. müssen amtlichen Inhalt haben und von einem Beamten oder einer Behörde, wozu auch Gemeinde- und Kirchenbe­ hörden, desgleichen ausländische diplomatische — Konsular-, Zollbehörden usw. — gehören, ausgehen. Alternative Feststellung hinsichtlich der Bekannt machung, Verordnung usw. ist zulässig. Privater Anschlag genügt nicht; a. M. Din­ ding Lehrb. 2 740. Handelt es sich um eine Bekanntmachung usw. mit amtlichem In­ halt, die erkennbarer Weise als von einer Behörde ausgehend sich darstellt, so kommt auf ihre innere Rechtmäßigkeit und die Zuständigkeit der Behörde nichts an. 3. Angeschlagen ist eine Bekanntmachung dann, wenn sie in einer Weise befestigt ist, daß sie nicht ohne besondere Tätigkeit beseitigt, ihre Wegnahme nicht ohne vorherige Lösung der Verbindung erfolgen kann. Daher genügt „Aushängen", aber nicht bloßes Auslegen zur Einsicht, RGSt. 36 184. 4. Die Handlung besteht im Abreiße«, Beschädigen, Verunstalten. Zum Abreiße« ist keine Gewaltanwendung erforderlich, jede die Vereitelung des Aushanges bezweckende Beseitigung der Befestigung genügt, RSSt. 36 184. Beschädige« unp Verunstalten

360

Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

weisen auf teilweise Beseitigung, auf Unkenntlichmachen, Verunstalten weiter darauf hin, -atz dem Schriftstück eine unwürdige Form gegeben wird. 5. Ium inneren Tatbestände wird böswilliges Handeln verlangt. Vgl. § 95 A. 2. Hierzu gehört neben dem Vorsatz, daß der Täter das von ihm als Unrecht Erkannte gerade zu dem Zwecke will, den Erfolg des Anschlagens der Bekanntmachung zu ver­ eiteln und dadurch zu schaden oder sie durch Verunstaltung in den Augen des Publi­ kums verächtlich zu machen, verbunden mit einer gewissen Genugtuung und Freude an dem schädigenden Erfolge seiner Handlung. Hieraus ergibt sich, daß mutwillig keineswegs gleichbedeutend mit böswillig ist. Mit Recht weist Binding Lehrb. 2 840 darauf hin, dah böswillig nicht handelt, wer eine Bekanntmachung nach seiner Mei­ nung im Interesse der Behörde selbst beseitigt, weil er fürchtet, sie könnte in erregten Zeiten Anheil stiften; das Gleiche gilt, wenn er sie abreiht, weil er sie für veraltet usw. hält. 6. § 134 ist gegenüber § 303 der engere Tatbestand, § 135 kann unter Amständen den Tatbestand des § 134 in sich aufnehmen; Korrekturen am Text der Bekanntmachung können in Idealkonkurrenz als Arkundenfälschung oder nach § 131 strafbar sein, ebenso ist Idealkonkurrenz mit § 274, § 348 Abs. 2 denkbar. Vgl. auch Kleinfeller VDB. 2 295/96.

135. Wer ein öffentliches Zeichen der Antorität des Reichs oder eines Bundesfürsten oder ein Hoheitszeichen eines Bundesstaats (böswillig wegnimmt, z erstört oder beschädigt oder be­ schimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechs­ hundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. 1. Während § 103 a die öffentlichen Zeichen der Autorität ausländischer Staaten und die Hoheitszeichen eines solchen Staates schützt, nennt § 135 als Schutzgegen­ stände die öffentlichen Autoritätszeichen des Reichs oder eines Bundesfürsten, nicht aber diejenigen der Bundesstaaten und der freien Städte und daneben Hoheitszeichen eines Bundesstaats, nicht aber diejenigen -es Reiches oder eines Bundesfürsten. Diese Abweichungen sind kaum verständlich, wenn man versucht, zwi­ schen Autoritäts- und Hoheitszeichen einen begrifflichen Anterfchied zu machen. Diese Versuche (vgl. Olshausen 1, Kleinfeller VDB. 2 306) gehen fehl und es erscheint richtig anzunehmen, daß Autoritäts- und Hoheitszeichen im wesentlichen das Gleiche besagen: Zeichen, die bestimmt sind, die Negierungsgewalt zum Ausdruck zu bringen, kundzutun, dah dieser Ort oder diese Sache einer bestimmten Staatsgewalt unterworfen sei, RGSt. 31 147. Frank II 212. Dazu gehören Fahnen (auch die Handelsflaggen), Wappen, Schilder der Behörden, Grenzpfähle usw., dagegen nicht Wasserstandsmerkmale, RGSt. 31 147, ebensowenig Wappen von Hof­ lieferanten. Gibt man mit Frank § 103 a II, Binding Lehrb. 2 503, Liszt 570, Hälschner II 843, Oppenhoff-Delius 1, Schwartz 1, Kleinfeller VDB. 2 306 und mit dem Entwurf, der sowohl bei ausländischen wie inländischen Zeichen nur noch von Hoheits­ zeichen spricht, die Anterscheidung zwischen Autoritäts- und Hoheitszeichen auf, so be­ darf auch die Frage keiner weiteren Antersuchung, ob das Merkmal der Öffentlichkeit nur bei den Autoritätszeichen, wie nach der Fassung angenommen werden mutz, oder auch bei den Hoheitszeichen verlangt wird und gegebenenfalls, warum bei diesen nicht. Aber die Bedeutung des Zusatzes öffentlich besteht übrigens auch nach anderer Richtung Streit, ob nämlich damit gesagt sein soll, daß sie öffentlich allgemein sichtbar angebrach t sein müssen (so in beiden Fällen der Entwurf), (auch Frank § 103a I verlangt, daß sie „angebracht" sind), oder ob nur zum Ausdruck kommen soll, dah sie kraft der staatlichen oder öffentlichen Gewalt verwendet sind. Letzteres ist mit Klein­ feller VDB. 2 300, Olshausen 1 Abs. 2, Schwartz 1 Abs. 2 anzunehmen. Dieser be­ merkt mit Recht, daß nicht nur die auf dem Maste flatternde, sondern auch die herunter­ geholte Fahne Gegenstand des Schutzes nach § 135 fei. 2. Die Handlung enthält einen Mischtatbestand: a) Böswilliges Wegnehmen, Zerstören oder Beschädigen. Wegnehmen ist Entfer-

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§§ 135, 136.

361

nen von der bisherigen Stelle ohne Aneignungsabficht und ohne daß ein Weg­ schaffen erforderlich ist. Zerstören vgl. § 125 A. 4, Beschädigen § 133 A. 4. b) Berübrrng beschimpfende« Unfugs. Beschimpfender Unfug ist eine unberechtigte, eine gewisse Roheit und Frevelhaftigkeit zeigende Handlung, die in der Form, sei es durch Äußerungen oder sonstwie grobe Mißachtung zum Ausdruck bringt. Näheres vgl. § 166 A. 12. A n dem Zeichen muß der Unfug verübt werden, nicht nur in seiner Gegenwart, weshalb Kleinfellcr DDB. 2 307 mit Recht Anspucken des Wap­ pens selbst für ausreichend hält, dagegen nicht auf den Boden Spucken vor dein Wappen. 3. Nur der erste Mischtatbestand erfordert böswilliges (vgl. § 134 A. 5) Handeln.

4. Der Deutsche kann die Handlung auch im Auslande begehen, z. B. gegen­ über dem Wappen einer deutschen Gesandtschaft, ist aber nur unter der Voraussetzung des § 4 Abf. 3 verfolgbar, eine Unstimmigkeit, die der Entwurf mit Recht beseitigt hat. 5. Gegenüber § 303 enthält § 135, soweit Beschädigen oder Zerstören in Frage kommt, den engeren Tatbestand, dagegen steht er zu § 304 im Verhältnis der Ideal­ konkurrenz, da hier die Tatbestände sich nicht decken; wegen des Verhältnisses zu § 134 siehe daselbst A. 6.

136. Wer unbefugt ein amtliches Siegel, welches von einer Be­ hörde oder einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen, vorsätzlich erbricht, ablöst oder beschädigt oder den durch ein solches Siegel bewirkten amt­ lichen Verschluß aufhebt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft. 1. Die im § 136 aufgestellte Strafdrohung, gegen den Siegelbruch soll nicht so­ wohl eine in amtlicher Verfügungsgewalt befindliche Sache, als vielmehr das äußere Zeichen der amtlichen Herrschaft über die Sache, wie es in dem amtlichen Siegel und dem durch ein solches bewirkten Verschluß zu Tage tritt, gegen die in den beiden Misch­ tatbeständen aufgeführten Handlungen schützen.

2. Gegenstand des Schutzes ist in dem ersten Mischtatbestande das amtliche Siegel unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen. Unter Siegel ist hier selbstverständ­ lich nicht das Siegelwerkzeug wie in §§ 151, 360 4, 6, sondern der Siegelabdruck zu verstehen, gleichviel, aus welchem Stoff er besteht (Lack, Wachs, Plombe usw.) und im weiteren Sinne auch die den Abdruck ersetzende Siegelmarke, RGSt. 3 287; ebenso genießt -en Schutz des § 136 aber auch eine Pfändungsanzeige, in welcher die gepfän­ deten Gegenstände verzeichnet sind und welche, mit dem Dienstsiegel -es Gerichtsvoll­ ziehers versehen, am Derwahrungsorte -er Pfandobjekte angebracht ist, RGSt. 18 388, 34 398, GA. 51 181; a. M. bezüglich der letztgenannten Binding Lehrb. 2 627, Schwartz 1; auch Frank I läßt ein Siegel, das nur der Beglaubigung dient, nicht ge­ nügen. Das Siegel muß von einer Behörde oder einem Beamten angelegt sein, um Lachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen. Die Sachen können bewegliche oder unbewegliche sein. Die Beschlagnahme umfaßt auch die Pfän­ dung. Da die Betätigung der Mißachtung der in der Siegelanlegung ausgedrückten obrigkeitlichen Anordnung bestraft werden soll, nimmt die neuere Rechtsprechung zutreffend an, daß es genügt, wenn der Beamte das Siegel in Ausübung seines Amtes, in Ausübung der durch dieses begründeten Befugnisse angelegt hat, und wenn er zu der Maßnahme durch sein Amt im allgemeinen ermächtigt und örtlich zuständig ist sowie daß nichts darauf ankommt, ob der Beschlagnahme selbst wegen Nichtbeachtung einer Vorschrift, von deren Befolgung ihre Wirksamkeit abhängt, ein Mangel anhaftet, RGSt. 34 398, 36 155, GA. 51 181; dagegen 8 35, 22 5, auch Binding Lehrb. 2 625, Liszt 570, Meyer-Allf. 650, Schwartz 5. Dgl. auch Merkel DDB. 2 363, -er unterscheidet: Siegel, deren Anlegung derart gegen das Gesetz verstieß, daß die Amtshandlung als nichtig anzusehen ist, brauchen nicht beachtet zu werden, eine lediglich anfechtbare Sie-

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

gelung dagegen bildet eine taugliche Grundlage für einen strafbaren Siegelbruch. Frank II, Abs. 2 will beim Mangel der rechtlichen Voraussetzungen der Siegelanlegung Not­ wehr Anlassen. Wie die Anlegung eine amtliche sein mutz, so auch das Siegel, nur Amtssiegel sind geschützt, nicht auch Privatsiegel des betr. Beamten. Der Zweck der Bezeichnung ist D. vorhanden bei Siegelanlegung an untersuchtem Fleisch durch den Fleischbeschau«, RGSt. 39 367. Eine nach § 2 RahrgsmG. entnommene, bei dem Besitzer amtlich versiegelt zurückgelassene Probe ist als in Beschlag ge­ nommen anzusehen, RGSt. 48 361. 3. Die Harrdlrm- des ersten Mischtatbestandes besteht im Erbreche», Ablöse« oder Beschädige« des Siegels, gleichwertige Handlungen, die alternative Feststellung zulasten. Erbrechen bedeutet gewaltsame Entfernung, Ablösen Entfernung ohne Beschädigung. Wegen Beschädigen vgl. § 133 A.4. Der zweite Mischtatbestand verlangt A«fheb««g de- durch da- Siegel bewirkte» amtliche« Verschlusses. Hier kann das Siegel unverletzt und an seiner Stelle bleiben. Einfteigen durch ein Fenster in einen Raum, -essen Tür versiegelt ist, wurde als aus­ reichend erachtet, Berlin 26.11.1874, 29. 3.1876, StengleinZ. 4 285, 6 220. Dagegen glaubt Frank II 2, daß derjenige nicht unter das Gesetz fällt, der einen offen gelassenen geheimen Eingang benutzt. Dgl. auch Dinding Lehrb. 2 627. Rach GA. 52 115 (Celle 29. 6. 03) fällt die Entfernung eines Gegenstandes aus einer versiegelten Umschnürung ohne Verletzung des Siegels nicht unter § 136.

4. In beiden Fällen mutz der Täter unbefugt handeln, was dann der Fall ist, wenn ihm ein Recht zum Handeln nicht zusteht. Datz Mängel der Pfändungshandlung im ein­ zelnen Falle dem Täter nicht die Befugnis zum Siegelbruch geben, wurde schon A. 2 angeführt. Da unbefugtes Handeln ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal hervorgehoben ist, mutz der Mangel der Befugnis, nicht aber auch, wie Schwartz 6 meint, das Bewutztsein dieses Mangels, stets feftgestellt werden, auch wenn es vom Täter nicht be­ stritten wurde. 5. Der Täter mutz ferner in beiden Fällen vorsätzlich gehandelt haben. Das Wort vorsätzlich steht zwar nur bei -em ersten Mischtatbeftand, bezieht sich aber auch auf den -weiten. Der Täter mutz also wissen, -atz es sich um amtlich beschlagnahmte Gegen­ stände, um amtliche Siegel, um amtlichen Derschlutz handelt und datz er zerstört usw., er mutz sich ferner bewutzt sein, datz er keine Befugnis -um Handeln hat, dagegen ver­ langt der Vorsatz nicht das Dewutztsein von der Rechtmätzigkeit der Siegelung, da diese (vgl. A. 2) ja auch nicht objektives Tatbestandsmerkmal ist, ebensowenig den Willen, die Sache -er Verstrickung zu entziehen, RGSt. 25 308, GA. 51 182, HZ. 1916 1127. Hält der Täter sich infolge zivilrechtlichen Irrtums zum Handeln befugt (z. D. weil er meint, nach Befriedigung des Gläubigers bedürfe es keiner besonderen Anordnung zur Aushebung der Pfändung), so entfällt der Vorsatz, RGSt. 26 308; dagegen ist dies nicht der Fall, wenn er glaubt, die Siegelanlegung nicht beachten zu müssen, we l er sie für ungerecht, anfechtbar, mit Mängeln behaftet hielt. Dgl. auch Merkel DDB. 2 369, -er jedoch, wie schon A. 2 bemerkt, zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit un­ terscheidet. 6. Zusammentreffen mit andere« strafbaren Handlungen, gdealkonkurrenz mit § 137 ist angenommen RGSt. 48 365, ebenso Frank § 137 V und Merkel DDB. 2 371; dagegen Olshausen § 117 A. 17b, der Gesetzeskonkurrenz annimmt. Frank IV nimmt auch die Möglichkeit einer gdealkonkurrenz mit § 133 an. Aber das Verhältnis zum Fleischbeschaugesetz vgl. RGSt. 39 367 (§ 137 betr.). Soweit in Nebengesetzen die Verletzung amtlicher Verschlüsse unter Strafe gestellt ist (vgl. Merkel DDB. 2 371 A. 3), liegt wohl in der Regel Gesetzeskonkurrenz vor.

137. Wer -Sachen, welche durch die zuständigen Behörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag genommen worden sind, vor­ sätzlich beiseite schafft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder teilweise entzieht, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft.

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 137.

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1. Im Gegensatze zu § 136, der, wie dort A. 1 hervorgehoben wurde, das äußere Zeichen der amtlichen Herrschaft über die Sache schützen soll, bezweckt § 137 den Schutz der Sache selbst und der über sie begründeten staatlichen Herrschaftsgewalt gegen den Verstrickungsbruch. Anter die Sachen fallen körperliche Gegenstände jeder Art, be­ wegliche und unbewegliche, im Eigentum stehende und herrenlose, dagegen nicht auch untörperliche Sachen, Forderungen, wie in dem Plenarurteil RGSt. 24 40 eingehend dargelegt ist; wohl aber wird bei Pfändung einer Hypothekenforderung die Hypothekenurkunde als Zubehör der Forderung von der Pfändung umfaßt und sie ist als körperliche Sache anzusehen, die der Verstrickung entzogen werden kann, RGSt. 24 161. Bei Wechselnist die Forderung an das Vorhandensein der Urkunde als an ihren Träger und ihre Verkörperung geknüpft, die Urkunde aber ist eine körper­ liche Sache, die Gegenstand des Vergehens nach § 137 sein kann. Dgl. Schwartz 1. 2. Die Sachen müssen durch die zuständigen Behörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag. geuomme« worden sein. Uber Zulässigkeit und Art des Vollzugs der Pfändung und Beschlagnahme entscheidet Reichs- und Landesrecht. Ersteres be­ schäftigt sich mit Pfändung und Beschlagnahme vorzugsweise in §§ 704 ff. ZPO. §§ 20 ff., 148. ZwDDG.,- § 93 StGB., §§ 94 ff., 325 ff., StPO., §§ 229 ff., 360 ff. MStGO. und in einer Reihe von Rebengesetzen z. D. Prehg. §§ 23 ff., Fleischbeschau­ gesetz § 9 (RGSt. 39 367). vefchlaguahme ist gegenüber der Pfändung der weitere Begriff; Je setzt nach RGSt. 14 288 voraus, daß eine Sache durch einen Amtsakt der Verfügung der sonst berechtigten Person entzogen und der Verfügung der Beamten oder Behörden unterworfen wird, von denen die Maßregel ausgegangen ist, sei es zum Zwecke der Sicherung von Privatinteressen Dritter oder im öffentlichen Interesse, da­ gegen genügt es weder zur Beschlagnahme noch zur Pfändung i. S. des § 137, wenn die der Verfügungsgewalt einer Person entzogene Sache einer anderen Verfügungs­ gewalt als derjenigen der mit dem Akte befahlen Beamten oder Behörden unterworfen wird. Wenn mit Rücksicht aus letzteren Umstand Dinding Lehrb. 2 614, Frank I Abs. 4,

Schwartz 2a annehmen, daß die Konkurseröffnung keine Beschlagnahme des zur Konkursmasse gehörigen Vermögens enthalte, so kann dem aus den RGSt. 14 289, 19 85, 41 256 angeführten Gründen nicht beigetreten werden; dagegen ist allerdings mit RGSt. 20 244 anzunehmen, daß ein vor der Konkurseröffnung erlassenes allge­ meines Deräußerungsverbot eine Beschlagnahme nach § 137 nicht darstellt. Die Sache muß, damit sie als verstrickt, beschlagnahmt, gellen kann, durch eine gesetz­ mäßige amtliche Maßregel der freien Verfügung der dazu bisher berechtigten Person entzogen und der ausschließlichen behördlichen oder amtlichen Verfügungsgewalt unter­ worfen worden sein. Ob und unter welchen Voraussetzungen oder von welchem Zeit­ punkt an und bis zu welchem eine solche wirksame Verstrickung im einzelnen Falle ent­ steht, fortdauert oder endet, richtet sich nach den besonderen, für die Vornahme der betr^fenden Beschlagnahme bestehenden gesetzlichen Vorschriften, RGSt. 48 362, wo

im Anschluß hieran ausgeführt wird, daß der dem Besitzer amtlich versiegelt zurück­ gelassene Tell einer nach § 2 Rahrgsmg. entnommenen Probe als beschlagnahmt an­ zusehen ist. Bei Beschlagnahmen n a ch K 94 ff. StPO, wird die Beschlag­ nahme nicht schon durch die bloße Anordnung derselben, durch den sie verhängenden Beschluß der Behörde und die zur Ausführung desselben erlassene Verfügung von selbst bewirkt, sondern es bedarf dazu noch eines weiteren amtlichen Ausführungsaktes, durch welchen jene Anordnung auch nach außen hin betätigt und als in Vollzug gesetzte amt­ liche Maßregel zur Erfassung und Verstrickung der Sache äußerlich gekennzeichnet wird, wobei der Ausführungsakt selbst allerdings an besondere Förmlichkeiten nicht geknüpft ist und insbesondere nicht die Besitzergreifung der Sache oder die Entziehung derselben aus dem Gewahrsame des Inhabers erfordert. Sonach kann das amtliche Verbot der Verfügung über die Sache oder ihrer Veränderung, an den Inhaber gerichtet, genügen, wenn darin der Auftrag an den Inhaber liegt, die Sache zur Verfügung der Behörde zu bewahren und bereit zu halten, RGSt. 18 72, 9 121, RGSt. 52 117, Recht 07 523. Auch die im Wege des Zivilprozesieb erfolgende Pfändung muß, abgesehen von ihrer Vornahme durch den zuständigen Beamten (vgl. A. 3), rechtmäßig erfolgt sein, damit § 137 angewendet werden kann. Fehlen die notwendigen gesetzlichen Dor-

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2. Teil.

7. Abschnitt.

aussetzungen, z. B. ein vollstreckbarer Titel, ober wurden Förmlichkeiten nicht beachtet, deren Nichtbeachtung der Handlung den Charakter -er Pfändung entzieht, z. D. die Besitzergreifung der gepfändeten Gegenstände durch -en Gerichtsvollzieher, so entfällt § 137; dagegen trifft dies nicht zu bei der Nichtbeachtung von Förmlichkeiten, deren Unterlassung für den rechttichen Bestand -er Pfändung ohne Bedeutung ist, sondern nur deren Anfechtung rechtfertigen würde. RGSt. 9 403, 14 151, 16 273, 19 287, 36 165 (für die Rechtswirksamkeit der Pfändung sind lediglich die gesetzlichen Vorschriften, nicht die im Verwaltungswege erlassenen Geschäftsanweisungen maßgebend), GA. 32 112, 114. Für die Rechtmäßigkeit der Pfändung beweglicher Sachen kommt beson­ ders § 808 ZPO. in Betracht. Hiernach ist Besitznahme der gepfändeten Sachen durch den Gerichtsvollzieher nötig, die Pfändung muß, sofern die Sachen zulässigerweise im Gewahrsam -es Schuldners belassen werden, durch Anlegung von Siegeln oder in sonst geeigneter Weise ersichtlich gemacht werden, Rspr. 5 587 (Früchte auf dem Halm) RGSt. 16 273, 18 163, 32 316 (lebendes Vieh), GA. 52 114 (Anbringung des Pfand­ zeichens nur am obersten mehrerer aufeinander liegender Säcke); bloßes Aussprechen -er Pfändung genügt nicht, RGSt. 5 35, 6 227; vgl. dazu DIZ. 1911 284. In der bei der Pfändung eines Anspruches auf Herausgabe einer beweglichen körperlichen Sache gemäß § 746 ZPO. getroffenen Anordnung, die Sache an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben, liegt nicht eine Verstrickung der Sache nach § 137, RGSt. 24 204. Ob durch eine Pfändung die Individualität der ergriffenen Sache genügen- festgestellt und die Pfändung selbst für Dritte (§ 57 der Geschäftsanweisung für die preußischen Gerichtsvollzieher v. 12. 12. 1899) hinrei­ chend erkennbar gemacht worden ist, ist wesentlich tatsächlich, III 1135/02 v. 17. 4. 02, GA. 60 146. Nachträglicher Derfallder angebrachten Pfandzeichen berührt die Wirksamkeit der Pfändung nicht, Rspr. 10 592, RGSt. 18 163, RG. III 664/09 v. 1. 11. 09; vgl. auch § 1253 BGB. Die Zustellung einer Abschrift des Pfändungs­ protokolls an den Schuldner ist keine wesentliche Formvorichrist, Rspr. 10 648. Zu den gesetzlichen Vorschriften, von deren Beachtung die Rechtswirksamkeit der Pfän­ dung abhängt, gehört auch die Vorschrift des § 713 ZPO. (Pfändung von Sachen im Gewahrsam -es zur Herausgabe bereiten Dritten), RGSt. 19 69. gn allen Fällen muß -er Gerichtsvollzieher die für seine Amtshandlung erlassenen Gesetze beobachten, aber er hat zu entscheiden, ob die in diesen Gesetzen bestimmten Voraussetzungen vor­ liegen. Kommt er nach pflichtgemäßem Ermessen zu der Überzeugung, daß im einzel­ nen Fall die Voraussetzungen vorliegen und konnte er nach -er Sachlage zu diesem Ergebnisse gelangen, ohne fahrlässig zu handeln, so befindet er sich in rechtmäßiger Amtsausübung, mag er auch tatsächlich geirrt haben. Die Pfändung, wenn sie auch angefochten werden kann, ist zunächst rechtswirksam und zu beachten, RG. V 1164/10 v. 12. V. 1911, III 473/10 v. 26. 9. 1910 (Pfändung von Zubehör), RGSt. 25 109 für § 713 ZPO.; das Gleiche gilt aber auch für die Fälle der §§ 803, 811 ZPO. un­ ähnliche. Dgl. Olshausen 7 Abs. 3, RG. III 1342/05 v. 14. 5. 06, RGSt. 9 404. Bei ein st welliger Verfügung muß die Sache auch in den Gewahrsam der Be­ hörde gekommen sein, Recht 1911 647, 1916 1418, RG. III 238/10 v. 28. 4. 1910, III 277/10 v. 12. 5. 1910. Die rechtmäßig geschehene Pfändung muß, damit § 137 anwendbar wird, auch zur Zeit der Tat noch b e st e h e n und das gleiche gilt natürlich bei öffentlich rechtlicher Beschlagnahme, RGSt. 14 112, 15 388. Die Wirkungen zivil­ prozessualer Pfändung dauern im allgemeinen fort, bis die durch den Gerichtsvoll­ zieher fortgenommene Sache -em Schuldner zurückgegeben oder bis von der in seinem Gewahrsam belassenen Sache durch den Gerichtsvollzieher die Pfandzeichen entfernt werden, RGSt. 26 309. In dem Auftrag des Gläubigers an den Schuldner, gepfän­ dete Früchte für ihn einzuernten, liegt keine Rückgabe, Recht 1914 549. Wie weit die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Ver­ mögen andere Gegenstände ergreift, entscheidet sich nach § 865 ZPO., §§ 1120 ff. DGB., der Begriff des Zubehörs nach §§ 97 ff. DGB., vgl. GA. 60 90 (Feldbahn als Zubehör). Zubehörstücke können, soweit sie bewegliche Sachen sind, gepfändet werden, RGSt. 29 123. Die Wirksamkeit -er Beschlagnahme endet nicht mit dem Zuschlag, RGSt. 31 83. Das an einem Grundstücke bestehende Pachtverhältnis berechtigt nicht zur Wegschafsung der mit dem Grundstücke beschlagnahmten Zubehörstücke, GA. 48 113.

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 137.

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Die Konkurseröffnung und damit die Beschlagnahme (vgl. A. 1) um­ faßt das zur Zeit der Konkurseröffnung vorhandene, der Zwangsvollstreckung unter­ liegende Vermögen des Gemeinschuldners, dagegen nicht Gegenstände, die zu jener Zeit dem Gemeinschuldner nicht gehören und ebensowenig solche, die erst nach der Kon­ kurseröffnung durch die Tätigkeit des Geryeinschuldners oder seines Vertreters erworben wurden (tonkursfreien Neuerwerb). Daher macht sich der Gemeinschuldner oder sein Vertreter nach § 137 schuldig, wenn er in Kenntnis der Konkurseröffnung (oder mit der gebilligten Möglichkeit erfolgter Konkurseröffnung rechnend, RGSt. 10 431) in der Zeit zwischen -er Konkurseröffnung und der Übernahme der Konkursmasse durch den Konkursverwalter aus -em Geschäfte Waren verkauft oder Gelder aus der Ge­ schäftstasse entnimmt, die zu jener Zeit durch Bezahlung schon vor der Konkurseröff­ nung vorhanden gewesener Außenstände in die Kasse gelangt waren, RGSt. 41 256. 3. Beschlagnahme und Pfändung müssen durch die zuständigen Behörden oder Beamten (§ 359 StPO.) erfolgt sein. Nur deutsche Behörden oder Beamte kommen in Betracht, RGSt. 24 10. Das Erfordernis der Zuständigkeit ist nicht gleichzustellen dem der Rechtmäßigkeit in concreto. Es genügt, daß der Beamte an sich zu einer Beschlagnahme der fraglichen Art sachlich und örtlich zuständig war und es ist nicht nötig, -aß er die erforderliche Zuständigkeit gerade zu diese? konkreten Beschlagnahme gehabt habe, RGSt. 10 425 (bejahend die Zulässigkeit der Durchsuchung im ehren­ gerichtlichen Verfahren gegen Rechtsanwälle), 26 287 (zuständig sind die Behörden oder Beamten, wenn sie im allgemeinen (abstrakt) zur Vornahme der Pfändung er­ mächtigt und örtlich zuständig lind; daneben ist nur erforderlich, daß bei der Pfändung die wesentlichen Förmlichkeiten beobachtet werden und daß es an -er vom Gesetze für notwendig erklärten Voraussetzung, z. B. einem vollstreckbaren Titel, nicht fehlt). Vgl. auch KG. 14. 12. 1917, 938/17, LZ. 1918 295. gm übrigen ist die Rechtmäßigkeit der Pfändung nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 137, RGSt. 28 383. Gl. M. Olshausen 5, Frank I Abs. 5, Schwartz 3b; a. M. Dinding Lehrb. 2 618, Op­ penhoff-Delius 15. Die Erklärung einer Privatperson, z. D. des Konkursver­ walters, daß er eine im Besitze des Gemeinschuldners befindliche Sache mit Beschlag belege, führt eine Beschlagnahme nach § 137 nicht herbei, RGSt. 19 85. Die Zuständigkeit der Behörde oder des Beamten bemißt sich nach den einschlä­ gigen Reichs- und Landesgesetzen, wobei als erstere insbesondere in Betracht kommen die A. 2 angeführten. Aus der Rechtsprechung vgl. im einzelnen: RGSt. 9 121, 21 46, 22 364, 26 287, 39 95, Rspr. 3 786, 5 244, 7 25 (alle betreffen die Zuständigkeit von Polizei- und Verwaltungsbehörden zu Beschlagnahmen, GA. 56 317 (Fleischbeschau­ gesetz), Recht 08 218 (Hilfsbeamter des Staatsanw. kann nicht Vertreter zur Vor­ nahme einer Beschlagnahme bestellen). Beschlagnahme von Lebensmllteln auf Grund von Kriegsverordnungen kann nach § 10 ALR. II17 durch den Polizeibeamten erfolgen, auch wenn er nicht Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft ist, RGSt. 52 117. 4. Die Handlung besteht darin, daß die gepfändeten Sachen vorsätzlich beiseite geschafft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder teilweise ent­ zogen werden. Beiseiteschaffen § 133 A. 4 und Zerstören § 125 A. 4 sind als besonders häufige Arten der Derstrickungsentziehung eigens hervorgehoben; eine Verstrickungsentziehung liegt immer dann vor, wenn die durch die Beschlagnahme oder Pfändung begründete Verfügungsgewalt der Behörde über die Sache ganz oder teilweise dauernd oder vorübergehend aufgehoben wird, RGSt. 3 255,8 256,15 205,17 90. Ob dies der Fall ist, unterliegt der rechtlichen und tatsächlichen Deurtellung des Einzelfalles. In der Verbringung der gepfändeten, im Gewahrsam des Schuldners belassenen Gegenstände an einen anderen nicht im Amtsbezirke des pfändenden Gerichtsvollziehers gelegenen Ort ohne Wissen des Pfändungsbeamten wird regelmäßig ein Deiseiteschaffen, eine Derstrickungsentziehung zu finden sein, RGSt. 18 412, auch schon in dem Verbringen in eine andere Wohnung an dem gleichen Orte kann solches liegen, doch wird hier häufig die Entziehungsabsicht fehlen. Dgl. auch Rspr. 10 264, Recht 1915 978. Täuschungdes Gerichtsvollziehers kann als Mittel der Entziehung genügen, umsomehr, als das Entziehen keineswegs unmittelbares kör­ perliches Handanlegen bei Fortschaffen der Sachen verlangt, RGSt. 31 81,15 205. Ab­ leugnen des Aufbewahrungsortes der gepfändeten Gegenstände gegenüber dem Ge-

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2. Teil.

7. Abschnitt.

richtsvollzieher kann genügen, Oppen-. Rspr. 17 834, ebenso Verarbeitung verstrickter S^hen in einer Weise, daß sie nicht wieder zu erkennen sind, Oppenh. Rspr. 18 319, Verbauen gepfändeter Höher, Recht 97 523. Bloßer Derkaufsabschluß ohne Über­ gabe und Wegschaffung genügt nicht, RH. III 2406/03 o. 1. 10. 03; OLG. München St. 3 192, wohl aber Verzehren im Haushalt, III 898/02 v. 7. 4. 02. Bei bloßer D e schLd igung eines Psandstücks verneint Rspr. 7 572 die Anwendbarteit des § 137. Mit Recht weift Schwartz 4 darauf hin, daß dann das Minus des Beschädigens nach $ 303 härter geahndet werden könnte, als das Majus des ganzen oder teilweisen Zer­ störens. Daß der Täter sich die Sache aneignet oder daß durch die Entziehung jemandem ein Vorteil oder Rachtell erwächst, ist nicht erforderlich, RGSt. 8 11,7 14 286. 5. Läter kann jeder beliebige sein, der Schuldner, der Gläubiger, Rspr. 1 705, ein Dritter, auch der Gerichtsvollzieher, wenn er die von ihm gepfändete Sache ohne An­ weisung des Gläubigers und ohne Ermächtigung des Gerichts freigibt, RGSt. 44 43; desgleichen ein Gerichtsvollzieher, der eine von einem anderen Gerichtevolhieher gepfän­ dete Sache aus dessen Besitz entfernt, um sie in einer anderen Sache zu pfänden, RGSt. 8 256. Mittelbare Täterschaft ist möglich, sei es unter Benutzung eines gutgläubig oder eines bewußt rechtswidrig handelnden Werkzeugs, sofern nur dieses nicht -en Täterwillen hat, RGSt. 31 81 (»gL dagegen Merkel DDB. 2 365 A. 4, der hier Anstiftung und Täterschaft annimmt). Der Käufer einer gepfändeten Sache macht sich nicht nach $ 137 schuldig, wenn er sich die Sachen, ohne zu wissen, daß sie schon zur Zeit des Kaussabschlusses gepfändet waren oder nachher, aber vor der Übergabe gepfändet wurden, übergeben läßt, RGSt. 19 292, woselbst weiter ausgeführt wird, daß der Käufer auch nicht verpflichtet ist, den zur Abholung der Sachen Abgeschickten zurückzurufen, auch wenn er nach der Absendung von -er Pfändung erfuhr; zu solchem Widerruf sei er nicht verpflichtet, die bloße Unterlassung des Widerrufs tonne chn nicht -um Mitschuldigen einer Tat machen, die ein positives Handeln, nicht eine bloße Unterlassung voraussetze. Auch dadurch konnte sich der Käufer im vorerwähnten Falle nicht nach § 137 strafbar machen, daß er die Sachen nachher für sich verbrauchte da dieselben, als sie in seinen Besitz kamen, schon der Verstrickung entzogen waren, RGSt. 19 293. Daß die Tat unter Umständen aber auch wie andere Kommissivdelikte durch Unterlassung begangen werden kann, vgl. GA,49 334, DayObLGEt. 9 268: der Schuldner verlaust die gepfändeten Gegenstände an einen Dritten und läßt sie ihn später abholen, ohne ihn von der Pfändung zu verständigen. 6. Innerer Tatbestand. Das Vergehen kann nur vorsätzlich begangen werden und zwar muß der Vorsatz, da er im Gesetz eigens hervorgehoben ist, stets festgestellt werden, auch wenn ihn der Täter nicht bestritten hat. Um vorsätzlich zu handeln, muß -er Täter wissen, -aß die Sache von der an sich zuständigen Behörde (oder Beamten) entsprechend gesetzlicher Vorschrift und unter Beachtung der vorgeschriebenen wesent­ lichen Förmlichkeiten (also rechtswirksam) noch zur Zeit der Tat beschlagnahmt oder gepfändet ist und daß er sie durch seine Handlung der amtlichen Verfügungsgewalt entzieht. Eventualdolus reicht nach jeder Richtung. Eine Absicht der Zueignung der Sache wird ebensowenig erfordert wie die Absicht aus Erlangung eines Dermögensvotteils oder Zufügung eines Dermögensnachteils. Fehlt dem Täter auf Grund tat­ sächlichen oder zivil- oder ösfentlichrechtlichen Irrtums das Bewußtsein nach einer der vorbezeichneten Richtungen, so entfällt der Vorsatz. Weiß -er Täter jedoch, daß die Sache von dem zuständigen Beamten ordnungsmäßig rechtswirksam gepfändet ist, so kann er sich nicht daraus berufen, er habe geglaubt, die Pfändung nicht beachten zu müssen, well ihr die materiell rechtliche Grundlage fehlte, V 1164/10 v. 12. 5.1911. Zahlreiche Entscheidungen behandeln die Frage des Irrtums für § 137; folgende seien hervorgehoben: RGSt. 1 369/70 (beachtlicher Irrtum, wenn der Täter glaubte, die Beschlagnahme des Grundstückes umfasse die Pertinenzstücke nicht), RGSt. 10 431 (der Täter muß sich der Zuständigkeit und da diese nur bei einer an sich gesetzlich zulässi­ gen Maßnahme in Frage kommt, auch -er gesetzlichen Statthaftigkeit der Pfändung bewußt sein), vgl. jedoch einschränkend RGSt. 19 289, RGSt. 8 121/22 (der Irrtum des Vermieters, auf Grund seines Zurückbehaltungsrechts befugt zu sein, eine, wie er weiß, für einen Gläubiger des Mieters ordnungsmäßig gepfändete Sache wegschaften zu dürfen, weil daraus niemandem ein Nachteil erwachse, unbeachtlich), RGSt. 14

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188,

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153 (die Kenntnis von der in ungesetzlicher und ungültiger Weise erfolgten Einsetzung eines Observators genügt nicht zur Kenntnis von -er vollzogenen Beschlagnahme), RGSt. 19 289 (der Täter mutz sich der Zuständigkeit bewußt sein, der gesetzlichen Zu­ lässigkeit aber nur insoweit (und hier wird RGSt. 10 431 unter Hinweis auf RGStI 403 und 14 153 einschränkend ausgelegt), als es sich um Fälle handelt, in welchen die Pfändung an sich als ein ungesetzlicher Akt erscheint oder vom Gesetz als wesentlich vorgeschriebene Förmlichkeiten nicht beachtet sind, nicht aber auch soweit Falle in Frage kommen, in welchen eine Pfändung wegen etwaiger Außerachtlassung instruktioneller Vorschriften oder wegen etwaiger Ansprüche Dritter möglicherweise einer Anfechtung unterliegt. Ist die Amtshandlung bezüglich bestimmter Voraussetzungen in das Er­ messen des Beamten gestellt, so schließt eine der getroffenen Entscheidung entgegen­ stehende Auffassung des Täters, das Bewußtsein, daß es sich um die Amtshandlung eines zuständigen Beamten handle, nicht aus); RGSt. 26 309 (der Irrtum, nach Deftiedigung des Gläubigers bedürfe es keiner amtlichen Aufhebung der Pfändung mehr, ist beachtlich); RGSt. 41 257 (Eventualdolus hinsichtlich stattgehabter Konkurseröff­ nung genügst, Aneignungsabsicht oder Absicht, Schaden zuzufügen, ist nicht erforderlich); AG. III 205/04 v. 16. 6. 04 (beachtlicher Irrtum, wenn der Gememschuldner glaubt, der Konkursverwalter könne chm gestatten, zur Konkursmasse gehörige Gegenstände sich anzueignen). 7. Zusammentreffen mit andere« strafbare« Haudlrurge«. Wie § 133 21.8 be­ merkt wurde, ist gdealkonkurrenz mit § 133 denkbar, wobei jedoch, wenn $ 137 wegen Mangels der gesetzlichen Statthaftigkeit der Beschlagnahme nicht -ur Anwendung kom­ men kann, subsidiäre Anwendung des § 133 ausgeschlossen erscheint, RGSt. 28 379; im Verhältnis zu § 136 nimmt RGSt. 48 365 ebenfalls Idealkonkurrenz an, vgl. § 136 A. 6; desgleichen wird solche angenommen im Verhältnis zu § 242, RGSt. 2 318, zu §263, RGSt. 15205, zu § 288, RGSt. 17 42, zu § 9* Fleischbeschaugesetz, RGSt. 3» 367.

138. Wer als Zeuge, Geschworener oder Schöffe berufen, eine unwahre Tatsache als Entschuldigung vorschützt, wird mit «Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Dasselbe gilt von einem Sachverständigen, welcher zum Erschei­ nen gesetzlich verpflichtet ist. Die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungsstrafen werden durch vorstehende Strafbestimmung nicht ausgeschlossen. 1. Die Pflicht des Zeugen, -es Geschworenen und Schöffen ist eine doppelte: die Pflicht des Erscheinens und für den Zeugen die Pflicht zur Aussage, für Geschworene und Schöffen die Pflicht, als Richter tätig sein. Es ist bestritten, ob § 138 sich nur auf die Pflicht zum Erscheinen bezieht. Bejaht von Olshausen 1, Meyer-Allf. 670, Schwartz 1, während Frank 1, Dinding Lehrb. 2 550 (dieser wenigstens hinsichtlich der Schöffen und Geschworenen) die Stelle auch auf die Weigerung der Aussage oder Dienslleistung beziehen. Erstere Ansicht ist richtig, wenn auch nicht aus dem von Ols­ hausen angeführten Grunde, daß Entschuldigung und Weigerung Gegensätze seien, denn die aus unwahre Tatsachen gestützte Entschuldigung kann sehr wohl eine verkappte Weigerung enthalten, aber mit Rücksicht auf Abs. 2 und 3, die nur vom Erscheinen sprechen und weiter, wie Schwartz 1 mit Recht bemerkt, um deswillen, weil in Abs. 3 nur die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungsstrafen erwähnt und aufrecht erhalten sind. Der Entwurf löst den Zweifel wenigstens hinsichtlich des Zeugen und Sachverständigen, indem er ausdrücklich von „Entschuldigung des Ausbleibens" und „Begründung der Verweigerung der Aussage oder des Gutachtens" spricht. 2. Die Bestimmung bezieht sich auf Zeugen und Sachverständige allgemein, mögen sie im reichsrechtlichen Zivil- oder Strafverfahren oder in einem landesrechtlich geregelten Verfahren (Ehrengericht, Disziplinargericht, Sondergericht, Verwaltungs­ gericht) berufen werden, doch muß es sich immer um Fälle handeln, in denen der beru­ fenden Behörde ein Recht zur Berufung und zum Zeugniszwang zusteht, Olshausen 3 Abs. 2. Geschworene und Schöffen kommen nur für das reichsrechtlich geregelte

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Strafgesetzbuch. 2. Teil.

7. Abschnitt.

Strafverfahren in Frage. Andere Laienrichter (Handelskammern, Kaufmanns-, Gemeinde-, Gewerbegerichte) fallen nicht unter § 138. 3. Nur nach erfolgter Berufung kann das Vergehen nach § 138 begangen werden. Die Berufung geschieht bei den Zeugen und Sachverständigen durch Ladung, bei den Schöffen nach § 46 GVG., bei den Geschworenen nach § 93 GVG. Der Versuch, sich der Aufnahme in die Geschworenen- oder Schöffenliste zu entziehen, fällt nicht unter § 138. Eine gesetzlich zum Geschworenen- oder Schöffendienst unfähige Person, die berufen wurde, kann sich nach § 138 strafbar machen, Schwartz 3, Oetker GA. 49 233; a. M. Olshausen 5b, Binding Lehrb. 2 551. 4. Die strafbare Handlung besteht in dem Borschützeu unwahrer Tatsachen als Entschuldigung. Unwahre (gleich erdichtete oder entstellte) Tatsachen vgl. § 131 A. 2. Auf den Erfolg kommt es für die Schuldfrage nicht an. Das Vorschützen mutz gegenüber derjenigen Behörde erfolgen, die in der Lage ist, von der Erscheinungs­ pflicht zu entbinden. Es kann (vor oder nach dem Termine) geschehen, in letzterem Falle entweder, um die Verhängung einer Ordnungsstrafe zu verhindern oder die Aufhebung einer schon verhängten zu erzielen, RGSt. 29 315, 18 442 (dieses Urteil behandelt auch die Frage der gdealkonkurrenz mit Betrug und verneint sie für den vorliegen­ den Fall, weil in dem Verhindern, aus eine Geldstrafe zu erkennen, keine Vermögens­ beschädigung liege). Auch teilweises Verschweigen fällt unter die Strafdrohung, un­ abhängig davon, ob die Angabe der vollen Wahrheit das Ausbleiben entschuldigt oder aber der Entschuldigung des Zeugen im Wege gestanden haben würde. Der Zeuge ist verpflichtet, in vollem Umfang und durchaus wahrheitsgemäß über den Grund seines Ausbleibens Auskunft zu geben, Dresden, 2. 4. 1913, SächsA. 1914 443. 5. Neben der Strafe aus § 138 kann nach Abs. 3 auf die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungs st rasen (StPO. §§ 50, 77, ZPO. §§ 380, 409, MStGO. §§ 186, 213, GVG. §§ 56, 96) erkannt werden und zwar ohne daß die §§ 7.3, 74 in Betracht kommen, Olshausen 7.

139. Wer von dem Vorhaben eines Hochverrats, Lan­ desverrats, Münzverbrechens, Mordes, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefährlichen Verbrechens zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der durch das Verbrechen bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben be­ gangen worden ist, mit Gefängnis zu bestrafen. 1. Die unterlasseneVerbr -chensanzeige ist nur strafbar, wenn es sich um die in § 139 genannten Verbrechen handelt. Hinsichtlich der einzeln aufgeführ­ ten ist mit Olshausen 1 anzunehmen, daß alternative Feststellung^ zu­ lässig ist. Hochverrat begreift nur die in §§ 80—82 genannten Straftaten, nicht auch die §§ 83—86 (hochverräterische Handlungen); so die gemeine Meinung, anders nur Hälschner 2 858; Landesverrats 87—92; Münzverbrechen §§ 146, 147, 149 (nicht auch Vergehen), Mord aus § 211 (Plagge, „Unterlassene Verhinderung von Verbrechen", Göttingen 1896, S. 9—11, will alle Fälle vorsätzlicher Tötung ein­ beziehen; de lege ferenda wohl zu erwägen; der Entwurf hat die Aufzählung einzelner Verbrechen aufgegeben; R aub §§ 249—251, nicht auch die räuberische Erpressung §255, Menschenraub 8 234, nicht auch, wie Plagge a.a.O. annimmt, Kinderraub §235 die gemeingefährlichen Verbrechen des 27. Abschnittes (nicht auch Vergehen), §§ 306 bis 308, nicht der Versicherungsbetrug nach § 265, RGSt. 43 344, 311—313 Abs. 1, 321 Abs. 2—324. Weitere Strafdrohungen enthalten: Sprengstoffgesetz § 13, MStGB. §§ 60, 70, 104, SpionGes. § 9. Landesgesetze, die die private Anzeigepflicht bevorstehender Verbrechen weiter ausdehnen, sind ungültig. Eine Verpflichtung, be­ gangene Verbrechen anzuzeigen, besteht für Private nicht; vgl. aber A. 2.

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 139,

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2. Don dem Borhabe« eines der bezeichneten Verbrechen mutz der Täter Kennt­ nis erhalten haben. Zweck der Anzeigepflicht ist, wie fich aus der weiteren Fassung der Bestimmung ergibt, die Verhinderung des Verbrechens und daraus folgt, -atz von einem Vorhaben -es Verbrechens so lange die Rede ist, als seine Verhinderung denkbar ist. Dies aber ist der Fall von dem Zeitpunkt ab, wo jemand sich mit dem Ge­ danken tragt, ein Verbrechen zu begehen bis zur Vollendung einschlietzlich des Erfolgs, bei fortdauernden Delikten bis -um Adschlutz der Fortdauer, bei gemeingefährlichen, obwohl sie den Eintritt der Gefahr nicht verlangen, so lange, als der bei ihnen durch die Handlung herbeigeführte Zustand der Gefahr bestehen bleibt, RGSt. 14 214. Das gleiche gilt, wenn ein Verbrechen juristisch vollendet, tatsächlich noch nicht beendet ist, vgl. § 146, Inverkehrbringen des gefälschten Geldes, Olshausen 2. Hieraus ergibt sich, datz die Anzeigepflicht auch dann noch besteht, wenn schon eine strafbare Dorberei­ tungshandlung oder ein strafbarer Versuch vvrliegt. A. M. Dinding Lehrb. 2 673, 678. Dor hat ein Verbrechen der genannten Art nur -er, -er es selbst begehen wlll, nicht auch der Anstifter oder Gehilfe; daher verpflichtet Kenntnis nach dieser Rich­ tung nicht zur Anzeige, Dinding Lehrb. 2 678; dies gilt z. D. auch für § 85 und § 111. Die herrschende Meinung nimmt auch an, datz Kenntnis von dem Vorhaben eines Anzurechnungsfä higen nicht unter § 139 falle, ein nach -em geltenden Rechte wohl zutreffendes, aber sehr unbefriedigendes, dem Zwecke -es Gesetzes wider­ sprechendes Ergebnis, das der Entwurf beseitigt hat; dagegen entspricht es -em Zwecke des Gesetzes, anzunehmen, -atz Kenntnis von dem Vorhaben eines Verbrechens, das mit untauglichen Mitteln oder am untauglichen Objett (strafbarer Versuch) begangen werden soll, eine Anzeigepflicht nicht begründe, Heimberger DDD. 2 413. 3. Glaubhafte Kenntnis mutz der Täter von dem Vorhaben erhallen haben. Die herrschende Meinung (vgl. auch GA. 42 394) nimmt an, datz glaubhaft hier rein subjektiv zu verstehen sei; -er Täter mutz in einer Weise Kenntnis erhallen haben, datz er seiner Persönlichkeit nach bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt an die Wirk­ lichkeit und Ernstlichkeit des Vorhabens zu glauben in der Lage war, mag sie auch an­ deren nicht glaubhaft erschienen sein: erschien sie umgekehrt ihm nicht glaubhaft, so ge­ nügt es nicht, datz vielleicht andere daran glauben konnten. „Glauben" ist mehr als blotzes Fürmöglichhalten, Vermuten, weniger als volles Überzeugtsein. Frank VII Abs. 2 Nr. 1 und M-eyer-Allf. 565 fassen glaubhaft im objektiven Sinne auf. Der dem § 139 teilweise nachgebildete § 13 Sprengstofsgesetzes sagt: „in glaubhafter Weise" Kenntnis erhält und stellt damit auf objektive Glaubhaftigkeit ab, Stenglein Nebeng. 1 341 A. 3. 4. Diese glaubhafte Kenntnis mutz -er Täter zu einer Zeit erhalten haben, in welcher die Verhütung des Verbrechens noch möglich war. Hier entscheidet nicht die subjektive Auffassung des Täters, vielmehr steht ein objektives Erfordernis in Frage. Glaubt der Angeklagte, die Verhütung sei nicht mehr möglich, so kann dieser Glaube und die dadurch veranlatzte Unterlassung der Anzeige auf Fahrlässigkeit (A. 10) beruhen. 5. Sind die vorbezeichneten Voraussetzungen gegeben, so besteht die Anzeigepflicht und zwar im allgemeinen und vorbehaltlich einiger unten zu erörternder Ausnahmen für jedermann („Wer"). Ob das Verbrechen im In- oder Auslande begangen werden soll, ist gleichgültig; selbsttedend ist auch der im Inland weilende Ausländer zur Anzeige verpflichtet, der Deutsche im Ausland nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 Nr. 3. Dgl. Ols­ hausen 5b, 6. Richt verpflichtet zur Anzeige sind a) die an dem verbrecherischen Vorhaben als Täter, Mittäter, Anstifter, Gehilfen, selbst Beteiligten. Das Gesetz kennt keine Pflicht zur Selbstanzeige. Die Tat mutz also für den, von dem die Anzeige verlangt wird, eine volttommen fremde sein; das ist sie schon dann nicht, wenn jemand sich an der Verabredung eines Verbrechens betei­ ligt hat, dann aber zurückgetreten ist, RGSt. 3 3. Begünstiger und Hehler sind von der Anzeigepflicht nicht frei; zu der Zeit, wo die Anzeigepflicht besteht, ist die Tat für sie noch eine fremde, es mühte sich denn um eine als Beihilfe zu bestra­ fende, vorher zugesagte Begünstigung handeln; hier wird wegen Beihilfe, dagegen nicht aus § 139 gestraft. Personen, die z u r Zeugnisverweigerung be­ rechtigt sind, sind von der Anzeigepflicht nicht befreit, sie besteht also auch Kommentar z. Strafgesetzbuch-

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

für den Geistlichen trotz -es Beichtgeheimnisses, ebenso für die Angehörigen (der Entwurf läßt diese straflos), RGSt. 2 57, 43 342. Notstand (§ 54) kann die Anzeigepflicht beseitigen, NGSt. 43 342 (die Frau fürchtet Mißhandlung durch -en Mann, wenn sie dessen Dorhaben einer Brandstiftung anzeigt); b) nicht verpflichtet ist auch die durch das Verbrechen selbst bedrohte Person, die ja an sich selbst Anzeige erstatten müßte; dabei ist jedoch zu beachten, -aß bei gemein­ gefährlichen Verbrechen jemand nicht schon deshalb Bedrohter ist, weil er durch die Ausführung des Verbrechens möglicherweise geschädigt werden kann, RGSt. 9 385; 43 944. Dgl. A.7.

6. Anzeige muh erstattet werden und zwar hiervon. Dies legt Olsh. 8 mit Recht dahin aus: von -er erlangten Kenntnis, so auch Frank V, während Dinding Lehrb. 2679 und Schwartz 7 es dahin verstehen, dah das Dorhaben selbst angezeigt wer­ den muh. Ein besonderer praktischer Unterschied besteht nicht; jedenfalls muß soviel angezeigt werden, als nötig ist, um die Ausführung des Verbrechens zu verhindern; hiernach bestimmt sich auch, ob im einzelnen Falle die Pflicht besteht, die Namen der Beteiligten bekannt zu geben. Dgl. auch Heimberger DDB. 2 414. 7. Die Anzeige ist der Behörde oder der durch das Verbreche» bedrohten Per­ son zu erstatten. Die im Gesetze gelassene Wahl steht nur dann offen, wenn ein Be­ drohter, eine Person, gegen die das Verbrechen sich von vornherein unmittelbar richten soll, vorhanden ist, was zwar bei Mord, Raub, Menschenraub in der Regel zutresfen wird, auch bei §§ 80, 81 \ nicht aber in den Fällen der §§ 812—*, 87—92 und bei den Münzverbrechen; das gleiche gilt aber auch für die gemeingefährlichen Verbrechen, insbesondere für Brandstiftung, RGSt. 9 384, 43 346 ff. In allen diesen Fällen entfällt das Wahlrecht und muh die Anzeige an die Behörde erstattet werden. Welcher Behörde die Anzeige zu erstatten ist, sagt das Gesetz nicht. Seinem Zweck entspricht es am besten, darunter diejenige Behörde zu verstehen, von welcher nach Lage dec Sache am ersten ein Einschreiten erwartet werden kann. Dies wird in der Regel die Polizei sein. Olsh. 9s will unter der Behörde nur die Polizeibehörde verstanden wissen; dagegen mit Recht Dinding Lehrb. 2 680, Frank III 1 u. a. Ist die Anzeige an eine Behörde erstattet, die ihrerseits zum Einschreiten nicht in der Lage ist (z. B. Telegra­ phenamt), so ist sie bei Strafe verpflichtet, die Anzeige alsbald an die geeignete Be­ hörde weiter zu geben. Sind mehrere Personen bedroht, so muß die Anzeige, utcnTt es der Pflich­ tige nicht vorzieht, sie an die Behörde zu richten, an jeden Bedrohten erstattet werden. Ist der Bedrohte handlungsunfähig, so genügt die Anzeige an ihn nur, wenn er in der Lage ist, die ihm drohende Gefahr zu erkennen und das Erforderliche zu ihrer Abwendung zu tun; andernfalls ist die Anzeige an den gesetzlichen Vertreter oder an die Behörde zu richten. Hat der Pflichtige die Wahl zwischen beiden Wegen, so muß er den wählen, der noch Aussicht auf Erfolg verspricht. Heimberger DDB. 2 415. gm gleichen Falle ist die Frage an die Geschworenen so zu fassen, dah beide Tatbestandemerkmale nebeneinander zu stellen sind, weil eine Bestrafung nicht erfolgen kann, wenn der Verpflichtete, von seinem Wahlrechte Gebrauch machend, der Behörde oder der be­ drohten Person Anzeige erstattet hat. Wo das Wahlrecht wegfällt (s. o.), braucht nur gefragt zu werden, ob die Anzeige an die Behörde erstattet worden ist, DIZ. 1913 236. Der Beschluß, das Hauptverfah.cn wegen Vergehens nach § 139 nicht zu eröff­ nen bei gleichzeitiger Eröffnung wegen Anstiftung zu dem nicht angezeigten Ver­ brechen, steht der Stellung einer Hilfssrage aus § 139 für den Fall der Verneinung der Frage nach Anstiftung nicht im Wege, RGSt. 28 12. Nach RGSt. 21 78 soll dem wegen Teilnahme an einem Morde Angeklagten der Grundsatz „ne bis in ickm“ zur Seite stehen, wenn er früher von der Anklage der Nichtanzeige dieses Mordes rechts­ kräftig freigesprochen worden ist. 8. Rechtzeitig muß die Anzeige erstattet werden, d. h. zu einer Zeit, in welcher die Verhütung -es Verbrechens noch möglich ist. Vgl. A. 4. 9. Strafbar ist, wer die Anzeige unterlaßt. Es handelt sich hier um ein echtes Untcrlassungsdelikt, dessen Strafbarkeit davon abhängig ist, daß „das Berbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist." Ein ursachlicher Zusammen-

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Otbnung. § 14 0.

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hang zwischen der Unterlassung der Anzeige und der Verbrechensbegehung braucht nicht nachgewiesen zu werden, ebensowenig kann sichrer Täter daraus berufen, daß die Anzeige das Verbrechen nicht verhindert haben würde. Ob man annimmt, es handle sich hier nur um eine Bedingung der Strafbarkeit (so anscheinend Olsh. 11) oder um eine hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs unwiderlegbare gesetzliche Vermutung (Binding Lehrb. 2 682), ist für das praktische Ergebnis ohne wesentliche Bedeutung. (Dgl. auch Frank VIII: bei beiden Auffassungen Schwierigkeiten wegen der negativen Beihilfe). Ob das Verbrechen im einzelnen Falle st r a f b a r ist oder wegen eines Strafaus­ schließungsgrundes straflos bleibt, ist gleichgültig (vgl. jedoch A. 2 wegen des Unzurech­ nungsfähigen), dagegen kann wegen Rücktritts strafloser Versuch dem vom Gesetze ausdrücklich geforderten „strafbaren" Versuch nicht gleichgestellt werden. 10. Zum inneren Tatbestand genügt Borsatz und Fahrlässigkeit, da es sich um ein Polizeidelikt handelt, RGSt. 45 395, Olsh. 12, Frank VII, Meyer-Alls. 6 70; a. M. Binding Lehrb. 2 681, Normen 2 499, Liszt 604, Schwartz 11, Heimberger DDB. 2 416. Die Fahrlässigkeit kann u. a. darin bestehen, daß der Täter sorgloser Weise nicht an das Vorhaben glaubt oder die rechtzeitige Benachrichtigung nicht mehr für möglich hält oder die Anzeigeerstattung vergißt. Der Entwurf straft nur vorsätzliches Unterlassen. Frank VIII a. E. meint, wenn der Anzeigepflichtige die Vollendung des versuchten Verbrechens selbst verhindert habe, folge die Straflosigkeit im Wege der Analogie. Vgl. auch Dinding Lehrb. 2 674. Der Entwurf läßt denjenigen straflos, der das Verbrechen oder dessen Erfolg abgewendet hat und ermächtigt den Richter, von Strafe abzusehen, wenn der zur Anzeige Verpflichtete sich ernstlich bemüht, auf andere Weise als durch Anzeige das Verbrechen oder, wenn dieses bereits ausgeführt ist, den Erfolg abzu­ wenden. Die $§ 140—144 haben seit November 1918 teilweise ihre Bedeutung verloren.

140. Wegen Verletzung der Wehrpflicht wird bestraft: 1. ein Wehrpflichtiger, welcher in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubnis entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach erreichtem militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufhält: mit Geldstrafe von einhundertfünf­ zig bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahre; 2. ein Offizier oder im Offizierrange stehender Arzt des Beur­ laubtenstandes, welcher ohne Erlaubnis auswandert: mit Geld­ strafe bis zu dreitausend Miark oder mit HKft oder mit Ge­ fängnis bis zu sechs Monaten; 3. ein jeder Wehrpflichtige, welcher nach öffentlicher Bekannt­ machung einer vom Kaiser für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr erlassenen besonderen Anordnung in Widerspruch mit derselben auswandert: mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark er­ kannt werden kann. Der Versuch ist strafbar. Das Vermögen des Angeschuldigten kann, insoweit als es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden.

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

1. In den §§ 140—143 werden die Vergehe« gegen die Wehrpflicht behandelt und zwar die Auswanderung Wehrpflichtiger § 140, die Falschwerbung § 141, die Ver­ leitung zur und die Beförderung der Fahnenflucht § 141, die Selbstverstümmelung § 142, die Täuschung zum Zwecke -er Wehrpflichthinterziehung § 143. Die Strafdro­ hungen gelten aber nur für Personen, die nicht als Militärpersonen den Bestimmungen des MilGtrGD. v. 20. 6. 1872 (§§ 64—80 unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht und §§ 81—83, Selbftbeschädigung und Vorschützung von Verbrechen) unterworfen sind. Zu letzteren gehören nach §§ 4, 6 MilStrGB, die Personen des Soldatenstandes und die Mllitärbeamten bei Heer und Marine, die Personen des Beurlaubtenstandes, soweit sie sich im Dienste befinden, ferner nach § 60 Nr. 3 RMilG. v. 2. 5. 1874 die vorläufig in die Heimat beurlaubten Rekruten und Feiwilligen, die bis zur Entschei­ dung über ihr ferneres Milttärverhältnis zur Disposition -er Ersahbehörden entlasse­ nen Mannschaften, endlich die vor erfültter aktiver Dienstpflicht zur Disposition der Truppentelle beurlaubten Mannschaften. 2. Die Wehrpflicht deckt sich nicht mit der Militärpflicht. Sie begreift die Pflicht zum Dienst im Heere oder -er Flotte oder im Landsturm, beginnt mit dem vollendeten 17. Lebensjahre und dauert bis zum vollendeten 45. Lebensjahre, so lange ist jeder Deutsche verpflichtet, dem Befehle zum Dienste in der bewaffneten Macht zu gehorchen. Die Militärpflicht, d. h. die Pflicht, sich der Aushebung für das Heer oder die Marine zu unterwerfen, fängt mit dem 1. Januar desjenigen Kalenderjahres an, in welchem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet und erreicht ihr Ende mit -er endgültigen Entscheidung über die Dienstpflicht. Nicht jeder Werpflichtige ist sonach militärpflichtig, Dgg. 1913 1324. 3. Wehrpflichtig ist jeder Deutsche mit Ausnahme der Mitglieder der regierenden sowie der mediatisierten, früher reichsständischen und derjenigen Familien, denen die Befreiung durch Vertrag zugesichert ist oder auf Grund besonderer Rechtstitel zusteht (Gesetz v.9. 11.1867 § 1), ferner sind ausgenommen die von der Insel Helgoland stam­ menden Personen und ihre vor dem 1. 1. 1890 geborenen Kinder (Gesetz betr. die Ver­ einigung von Helgoland mit -em Deutschen Reiche v. 15. 12. 1890). Wehrpflichtig ist aber auch nur der Deutsche. Über die Wehrpflicht Staatenloser vgl. RMilG. v. 2. 5. 1874 § 11 und neue Fassung v. 1. 1. 1914. Dazu RMG. v. 31. 8. 1917 776/17 und v. 21. 8. 1917, I 737/17. Wer Deutscher ist, bestimmt sich nach dem Gesetz über den Erwerb und Verlust der Reichsangehörigkeit vom 22. 7. 1913, wonach jemand Reichsangehöriger sein kann, ohne Angehöriger eines Bundesstaates zu sein. Nach § 25 dieses Gesetzes geht, anders als nach dem Gesetz v. 1. 6. 1870, die deutsche Staats­ angehörigkeit durch den Erwerb einer ausländischen von selbst verloren, wenn der Deutsche im Inland weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt hat und der Erwerb auf Antrag erfolgt. Nach dem Gesetz v. 1. 6. 1870 bewirkte dagegen der Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit nicht ohne weiteres den Verlust der deutschen, der fremde Staatsangehörige tonnte daneben Deutscher und damit wehrpflichttg geblieben sein. Er tonnte sich also trotz des Erwerbs der fremden Staatsangehörigkeit einer Verletzung der Wehrpflicht schuldig machen, vorausgesetzt, -atz er zur Zeit der Tat neben der fremden Staatsangehörigkeit noch die deutsche besaß, RGSt. 42 27; darauf, ob er letztere auch noch zur Zeit der Strafverfolgung hatte, kommt nichts an. Hierin tritt jedoch eine Ausnahme ein infolge -er von den Vereinigten Staaten von Nordamerika mit dem Norddeutschen Bunde am 22. 2. 1868 und einige Monate später mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen geschlossenen sogen. Dankroftverträge. Nach diesen Verträgen sotten Deutsche, die naturalisierte Angehörige der Vereinigten Staaten geworden sind und fünf Jahre ununterbrochen dort zugebracht haben, in Deutschland als amerllanische Staatsangehörige erachtet und behandelt werden. Sie sind also, auch wenn sie neben der amerikanischen noch die deutsche Saatsangehörig­ keit haben, nicht wehr- oder militärpflichtig und können sich einer Verletzung der Wehr­ pflicht nicht mehr schuldig machen. Diese Bedeutung der Bankroftverträge tritt nach dem neuen Gesetz über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit allerdings in den Hintergrund, da nach § 25 dieses Gesetzes durch den Erwerb der fremden Staats­ angehörigkeit die deutsche von selbst verloren geht. Die Dankroftverträge haben auherdem aber auch die Bedeutung eines Strafaufhebungsgrundes, indem sie bestimmen,

Verbrechen uni Vergehen wider die öffentliche Ordnung, tz 140.

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daß die bezeichneten Personen zwar wegen der vor der Auswanderung begangenen, nicht aber wegen der durch die Auswanderung begangenen Delikte bestraft werden können und zwar gilt die Straflosigkeit auch dann, wenn die Entziehung von der Wehr­ pflicht schon vor der Naturalisation vollendet und diese zur Zeit der Aburtellung wieder verloren war, auch ist es nicht erforderlich, daß der fünfjährige Aufenthalt nach der Naturalisation stattgefunden hat, RGSt. 28 129. Die Straflosigkeit erstreckt sich nicht nur auf das Auswandern, sondern auch auf den Aufenthatt im Auslande (zweiter Misch­ tatbestand des § 140 Nr. 1), RGSt. 29 395. Die amerikanische Staatsangehörigkeit geht aber dann verloren, wenn der in Amerika naturalisierte Deutsche sich wieder in Deutschland niederläht, ohne die Absicht, nach Amerika zurückzukehren, und zwar wird der Verzicht aus die Rückkehr als vorhanden angesehen, wenn der Naturalisierte sich langer als zwei Fahre im Gebiete seines Heimatlandes aushält. Hierbei geht RGSt. 29 393 davon aus, daß, wenn bestimmte tatsächliche Beweise für die Niederlassung (Begrün­ dung eines festen Wohnsitzes) vorhanden sind, -er Ablauf der zweijährigen Aufenthalts­ frist nicht erforderlich ist. Dgl. RMG. 17 218, woselbst angenommen wird, dah die Bankroftverträge nicht von Strafe befreien, wenn die Fahnenflucht nach der Aushebung des Täters als Rekrut oder nach seiner Einstellung in das aktive Heer oder nach Ein­

berufung zum Dienste oder nach Ausbruch eines Krieges erfolgte. Nicht zu übersehen ist, daß nach § 21 des durch das Gesetz vom 22. 7. 1913 auher Kraft gesetzten, aber noch fortwirkenden Gesetzes vom 1. 6. 1870 durch zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Ausland die Reichsangehörigkeit verloren ging, so­ fern sie nicht durch eine der im Gesetze besonders angeführten Tatsachen erhalten blieb. Dieser Verlust tritt ein, ohne Rücksicht, ob -er im Auslande sich Aufhaltende minder­ jährig ist oder nicht, RGSt. 26 427, 28 25. Dabei ist jedoch nur an solche Minder­ jährige gedacht, die sich nicht bei ihrem die elterliche Gewalt ausübenden Vater auf­ halten (RGSt. 30 329); für diejenigen dagegen, die sich bei ihrem Vater aufhalten, bestimmt § 21 Abs. 2 des Gesetzes, -atz sich auf sie der Verlust der Staatsangehörigkeit des Vaters erstreckt; und zwar wird nicht nur denjenigen Handlungen oder Unterlassun­ gen des Familienhauptes, die den Ablauf der Derlustfrist herbeiführen, regelmähig eine nach § 21 Abs. 2 auf die Angehörigen sich erstreckende Wirksamkeit beigelegt, son­ dern auch solchen Maßnahmen, durch die deren Beginn hinauegeschoben wird. Diese Minderjährigen behalten also die Staatsangehörigkeit so lange, als ihr Vater sie behält, RGSt. 42 28. Vorübergehender, wenn auch nur gelegentlicher, nicht in der Absicht, sich die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten, stattgehabter Aufenthalt in Deutsch­ land unterbricht die zehnjährige Frist, RGSt. 37 309. Solange die Möglichkeit besteht, -atz eine solche Unterbrechung oder die Eintragung in die Konsularmatrikel stattge­ funden hat, kann der Verlust der Staatsangehörigkeit für das Familienhaupt und die seiner Gewalt unterworfenen minderjährigen Kinder nicht als vorhanden angenommen werden, RGSt. 38 322. Nach § 11 RMilG. ist auch ein früherer Deutscher wehrpflichtig, wenn er die Reichsangehörigkeit verloren, eine andere Staatsangehörigkeit aber nicht er­ worben oder wieder verloren hat und wenn er seinen dauernden Aufenthalt in Deutsch­ land nimmt. Dasselbe gilt für die Söhne solcher Personen, sofern sie keine fremde Staatsangehörigkeit erworben haben, wobei jedoch zu beachten ist, dah nach RGSt. 34 411 das durch Naturalisation in den Vereinigten Staaten von Nordamerika erwor­ bene Bürgerrecht traft Rechtens auf die ehelichen Kinder übergeht. 4. Fn Absatz 1 Nr. 1 wird zunächst die Verletzung der einen Bestandteil der Wehr­ pflicht bildenden Dienstpflicht im stehenden Heer und in der Flotte (aktiv und Reserve, nicht Land- und Seewehr) unter Strafe gestellt, soweit sie dadurch erfolgt, dah der Wehrpflichtige in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubnis das Bundesgebiet verläßt. Wer Täter sein kann, ergibt sich aus A. 1, 2, 3. Absicht ist hier nicht gleich Vorsatz, sondern bezeichnet weiter gehend den gerade auf die Entziehung gerichteten bestimmten Willen, es muh dem Täter gerade darauf ankommen, sich zu entziehen, ohne dah jedoch die Ent­ ziehung der Endzweck (so RGSt. 11 380, 33 400) oder der alleinige Zweck zu sein braucht. Gl. M. Olsh. 2, ähnlich Frank III 1. Dgl. RMG. I 357 v. 17. 7. 1917. Nach §§ 472, 475 StPO, spricht für diese Absicht unter Umständen eine Rechtevermutung.

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

Die Handlung besteht darin, daß der Täter in der bezeichneten Absicht ohne Erlaubnis das Bundesgebiet verlaßt. Das Verlassen wird in der Regel ohne Erlaubnis geschehen, denn die Erteilung einer solchen Erlaubnis ist im Reichsrechte nicht vor­ gesehen. Nach § 15 des Gesetzes vom 1. 6. 1870 und § 22 des Gesetzes vom 22. 7.1913 wird Wehrpflichtigen die Entlassung aus -em Staatsverbande nicht bewilligt, wenn nicht nachgewiesen wird, -atz die Entlassung nicht in der Absicht nachgesucht wird, die Erfüllung der aktiven Dienstpflicht zu umgehen. Ist dieser Nachweis erbracht und die Entlassung bewilligt, so fallt die Staatsangehörigkeit und damit die Wehrpflicht ohne­ hin weg. Durch Erteilung eines Auslandpasses an -en Wehrpflichtigen wird ihm nicht die Erlaubnis zum Verlassen des Bundesgebiets gegeben, sondern nur ein Legitimations­ papier erteilt. Würde es einem Wehrpflichtigen trotzdem gelungen sein, die Erlaubnis zu erhalten, so würde er allerdings, wie mit Olsh. 5 Abs. 3 und Frank III 1 entgegen Schwartz 2d anzunehmen ist, straflos sein. Bundesgebiet ist hier nur als das Gebiet des Reichs im engeren Sinne zu verstehen ohne die Kolonien und Schutzgebiete, so -atz strafbar ist, wer in der bezeichnetenAbsicht sich in die Kolonien usw. begibt. Gl. M. Olsh. 6a, Frank Izu § 8, Dinding Lehrb. 2 688, DDB. 2 440. A. M. Schwartz 2b. RGSt. 44 404 steht der hier vertrete­ nen Ansicht nicht entgegen; dort wird anerkannt, -atz die Schutzgebiete nicht zum Bun­ desgebiet gehören, so dah, wer sich dorthin begibt, das Bundesgebiet verläßt, daß sie aber andererseits nicht Ausland sind, weshalb ein „Auswandern" dorthin im Sinne von § 140 Nr. 2 nicht in Frage kommt. Verlasse« ist das Bundesgebiet mit Überschrei­ tung der Grenzen des Deutschen Reichs und damit ist die Straftat rechtlich vollendet; da aber die Verletzung der Wehrpflicht fortdauert, so lange der Wehrpflichtige als solcher sich außerhalb des Bundesgebiets aufhÄt, so seht sich die Tat als Dauervergehen so lange fort, bis der Täter in das Bundesgebiet zurückkehrt, oder die Erlaubnis -um Fernbleiben erhält oder aufhört, militärpflichtig zu sein. Erst von diesen Zeitpunkten ab beginnt die Verjährung, RGSt. 3 437, 22 161, 29 391. Aus der Natur des Dauervergehens folgt, daß die Straftat nur einmal begangen werden kann und nach erfolgter Verurteilung oder Freisprechung der Grundsatz: „ne bis in idem" Platz greift, NGSt. 3 437.

5. Dem Verlassen des Bundesgebietes wird in Nr. 1 gleichgestellt der ohne Er­ laubnis geschehende Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets nach err eichtem militär­ pflichtigen Alter. Auch hier muß natürlich die Absicht (vgl. A. 4) vorhanden sein, sich dem Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen. Ohne Erlaubnis vgl. A. 4, desgleichen wegen Dauervergehen und Verjährung. Es handelt sich um ein durch Unterlassung begangenes Degehungsdelikt. Militärpflichtig ist jeder nicht schon früher freiwillig in den Heeresdienst eingetretene Wehrpflichtige vom 1. Januar des Kalenderjahres an, in dem er das 20. Lebensjahr vollendet, und zwar so lange, bis über seine Dienstverpflichtung nach den Bestimmungen des Ge­ setzes endgültig entschieden ist. RMilG.Nov. v. 5. 5. 1880 § 10, Gesetz v. 11. 2. 1888 Art. II § 24, WehrO. § 22. Mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. A. 3) oder mit Vollendung des 45. Lebensjahres hört die Wehrpflicht auf. 6. Ium inneren Tatbestand gehört neben der obenerwähnten Absicht (A. 4) das Bewußtsein des Angeklagten, daß er Wehrpflichtiger und Deutscher sei, da ein in dieser Richtung bestehender Irrtum nicht auf strafrechtlichem Gebiete liegt, wie RGSt. 42 27 im Gegensatze zu früheren Entscheidungen sehr zutreffend ausgeführt wird; dieser die Schuld ausschliehende gute Glaube muß aber bei Beginn des wehr- oder militär­ pflichtigen Alters vorhanden sein. Wußte der Täter zu dieser Zeit, daß er wehrpflich­ tiger Deutscher ist, so ist es bedeutungslos, wenn er später zu der Annahme gelangte, er habe die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. 7. In Nr. 2 wird der Offizier oder im Offiziersrange stehende «rzt mit Strafe bedroht, der ohne Erlaubnis auswandert. Die Bestimmung erseht § 602 RMUG. und regelt gemeinschaftlich mit § 3603 die Materie -er unerlaubten Auswanderung. Zu den Offizieren gehören auch die der Reserve, Land- und Seewehr, nicht auch die oberen Militärbeamten. Frank III 3 rechnet auch die Offiziere usw. der Landund Seewehr 2. Aufgebots nicht dazu, erachtet sie vielmehr als unter §360’’ fallend, mit Rücksicht auf das Gesetz betr. Änderung der Wehrpflicht v. 11.2.1288 wohl mit

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

§ 140,

375

Recht. Nicht schon das bloße Verlassen wird bestraft, sondern das Auswandern (ohne Erlaubnis), d. h. das Verlassen des Reichsgebietes zwecks Aufenthalts im Aus­ lande verbunden mit der Absicht, den Wohnsitz im Inland und die Staatsangehörigkeit dauernd aufzugeben, wobei, wenn diese Absicht vorhanden ist, ein Verweilen im Aus­ lande -em Verlassen des Inlandes gleichsteht, RGSt. 30 245, 3 439; 29 395; die bezeichnete Absicht schließt jedoch nicht aus, daß der Auswanderer daran denkt, später einmal wieder nach Deutschland vorübergehend oder dauern- zurückzukehren, RGSt. 36 243, 37 348. Entscbeidend ist nicht der bloße Wille, die Staatsangehörigkeit aufzu­ geben; nicht erforderlich ist, daß schon beim Verlassen des Inlands die Absicht dauern­ den Wegbleibens bestand. Andererseits kann nur auswandern, wer vorher sich im Inland aufgehalten hat, I 478 17 v. 21. 2. 1918, RGSt. 51 351. Nach RGSt. 44 403 macht sich der Offizier usw. nicht nach § 1402 strafbar, wenn er nach Südwestafrika verzogen ist, da die Staatsgebiete nicht „Ausland" seien. Straflos ist die Auswan­ derung, wenn sie mit Erlaubnis geschieht; solche Erlaubnis kann von der Mili­ tärbehörde erteilt werden, setzt aber die Dienstentlassung durch den Kontingentsherrn voraus. Eine Absicht, sich der Wehrpflicht zu entziehen, wird für § 1402 nicht verlangt.

8. In Nr. 3 wird die Verletzung der Wehrpflicht durch Auswanderung im Falle b:r Kriegsgefahr unter Strafe gestellt. Nach § 17 des StAG. v. 1.6.1870, § 22 des neuen Gesetzes v. 22. 7.1913, kann für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr durch eine besondere kaiserliche Verordnung die Freiheit der Auswanderung beschränkt werden. Jeder Wehrpflichtige, nicht nur der Offizier usw., der unter Verletzung der Bestimmungen einer solchen Verordnung auswandert (vgl. A. 7, nicht nur das Bundes­ gebiet verläßt), macht sich nach § 1402 strafbar; doch muß er die zur Ausfüllung der Blankettbestimmung des § 1403 erlassene Anordnung kennen, RGSt. 36 362, fahr­ lässige Unkenntnis genügt nicht zur Strafbarkeit. Olsh. 9. Vgl. weiter RG. I 478 /17 v. 4. 2.1918 E. 51 351.

9. Nach Abs. 2 ist in allen drei Fällen der Versuch strafbar. Ein solcher wurde RGSt. 3 136 darin gefunden, daß ein Wehrpflichtiger in der im § 1401 bezeichneten Absicht seinen Wohnort verließ, nach einem Hafenort reiste und sich dort mit einer Überfahrts­ karte versah.

10. Teilnahme in Form der Anstiftung oder Beihilfe ist möglich, auch Begünsti­ gung, da das Verlassen des Bundesgebietes und das Auswandern trotz ihrer Eigenschaft als Dauerdelikte rechtlich mit dem Verlassen des Bundesgebiets vollendet sind; von da ab ist bereits, mag sich auch das strafbare Handeln durch den Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes noch fortsehen, ein Strafanspruch des Staates entstanden, der durch Begünstigung vereitelt werden kann. Die Fortsetzung als Dauerdelikt ist jedoch insofern von Bedeutung, als mit der Begünstigung noch Beihilfe Zusammentreffen kann, RGSt. 17 227, RMG. 9 294, RG. III 1/17 v. 15. 1. 1917. 11. Das Zusammentreffen eines Vergehens nach § 1401 RStGD. mit einem solchen nach §68 MilStGB, behandelt OLG. Kolmar, Beschl. v. 11. 12. 1915, StRZ. 1916 266: Das Vergehen nach § 1401 ist ein Dauervergehen. Tritt -er Täter während seines Aufenthalts im Auslande mit dem Aufrufe des Landsturms nach §§ 26, 31 des Gesetzes 9. 11.2. 1888 zu den Mannschaften des Deurlaubtenstandes über und ver­ geht er sich durch sein weiteres Verbleiben im Auslande gegen § 68 MilStGB., so liegt Tateinheit zwischen beiden Vergehen vor. Von diesen gehört das eine zur Zuständig­ keit der bürgerlichen Gerichte, das andere zu der der Militärgerichte. Das Militär­ gericht kann nicht über das Vergehen nach § 140, das bürgerliche Gericht nicht über das Vergehen nach §68 MilStGB, urteilen; es hat also das militärische Vergehen unbe­ achtet zu lassen und sich nur mit dem Vergehen nach § 140 zu befassen.

12. Das Verfahren gegen Abwesende, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, regelt StPO. Buch VI, Abschn. 4. Vgl. dazu RGSt. 2 351, 10 152, 20 200, 36 242 und LZ. 1915 377. Auch im Verfahren gegen Abwesende trifft § 263 StPO, zu, -och ist zu beachten, daß die Zuwiderhandlung gegen §§ 33, 31 RMilGes. eine andere Tat (§ 265 StPO.) darstellt als das Vergehen nach § 140 \ RG. III 564/10 v. 19.12.1910, Recht 1911 648.

376

Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

141. Wer einen Deutschen zum Militärdienste einer ausländischen Macht anwirbt oder den Werbern der letzteren zu­ führt, ingleichen wer einen deutschen Soldaten vorsätzlich zum Deser­ tieren verleitet ober die Desertion desselben vorsätzlich befördert, wird mit Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. 1. In § 141 werden zwei verschiedene Tatbestände unter Strafe gestellt, von denen jeder sich in zwei Unterarten teilt. Zunächst handelt es sich um die Kalschwerbung, begangen dadurch, daß jemand einen Deutschen zum Militärdienste einer ausländischen Macht anwirbt oder den Werbern der letzteren zuführt. Täter kann jeder sein, ein Deutscher oder ein Ausländer, Gegenstand nur ein Deutscher und zwar ohne Rück­ sicht, ob und in welchen Militärverhältnissen er steht; auch der militäruntaugliche kann angeworben werden. Anwerben erfordert ein vertragsmäßiges Übereinkommen zwischen dem Werber und dem Angeworbenen, bloßes Anstisten genügt nicht; anderer­ seits ist dem Gesetze nicht zu entnehmen, wie Olsh. 2 a annimmt, dah das Anwerben „geschäftsmäßig" geschehen müsse oder daß der Täter eine offiziell, wenn auch mittel­ bar bestellte Mittelsperson der auswärtigen Regierung sei (so Frank II); gl. M. wie hier Binding Lehrb. 2 702, Liszt 604, Schwartz 1, DDB. 2 442. Was Mili­ tärdienst einer ausländischen Macht ist, bestimmt sich nach der in­ ländischen Militärgesetzgebung. Im Falle des Anwerbens ist die Tat erst vollen­ det, wenn ein Übereinkommen zustande kam, im Falle des Zuführens genügt es, daß den Werbern Gelegenheit gegeben wurde, an den Deutschen behufs Gewinnung für -en fremden Militärdienst heranzukommen; eine Anwerbung braucht hier nicht stattgefunden zu haben. Bedient sich der Täter -er Mittel der List, Drohung oder Ge­ walt, so kann gdealkvnkurrenz mit §234 in Frage kommen; ist die fremde Macht eine feindliche, so liegt Gesetzeskonkurrenz mit §§ 89, 90* oor (Frank I 1 hält gdealkonkurrenz mit §§ 89, 90* für möglich). 2. Der zweite Teil des § 141 behandelt die Verleitung zur Desertion und die Be­ förderung der Desertion. Täter kann auch hier ein Deutscher oder ein Ausländer sein, Objektder Handlung ein deutscher Soldat, der nicht Deutscher zu sein braucht, also jede -um deutschen Heere oder zur Kaiserlichen Marine gehörige Person des Sol-atenstandes, RGSt. 23 81. Anausgebildete Landsturmpflichtige können sich vor er­ folgter Musterung und Aushebung der Fahnenflucht nicht schuldig machen, RGSt. 50 135 ff. Ob die Handlung im Krieg oder im Frieden gegenüber einem im Felde oder in der Garnison stehenden Soldaten begangen wird, ist an sich gleichgültig, doch kann bei Begehung während eines Krieges § 89 mit § 90* Platz greifen. Ist der Täter eine Militärperson, so wird er aus § 78 MilStGD. bestraft. Die Desertion ist ein militärisches Vergehen, sie ist nach § 69 mit §§ 64, 65 Mil.StGD. die unerlaubte Entfernung oder das vorsätzliche Fernbleiben von der Truppe oder der Dienststellung in der Absicht, sich der gesetzlichen oder übernommenen Ver­ pflichtung zum Dienste dauernd zu entziehen. Die unerlaubte Entfernung oder das vorsätzliche Fernbleiben, kann durch die später hinzutretende Absicht dauernder Ent­ ziehung zur Fahnenflucht (Desertion) werden, RGSt. 3 375, RMG. 2 3, 5 82. Ob nur unerlaubte Entfernung oder Fahnenflucht oorliegt, wird häufig Sache tatsächlicher Beurteilung sein, desgleichen ob Vollendung oder Versuch vorliegt, RGSt. 3 375, 6 7. Dgl. auch Rspr. 4 553 (Dispositionsurlauber), 26 314 (vorläufig in die Heimat be­ urlaubte Rekruten). Die Fahnenflucht ist, wie das RG. nunmehr in ständiger Recht­ sprechung angenommen hat, Dauerdelikt, das zwar durch die in der Absicht dauernder Dienstentziehung erfolgte Entfernung rechtlich vollendet ist, aber durch die absichtliche schuldhafte Unterlassung der Rückkehr noch fortdauernd begangen wird und sein Ende erst dann findet, wenn der Fahnenflüchtige zur Truppe zurückkehrt oder von seinem Willen unabhängige Umstände eingetreten sind, die seine Rückkehr unmöglich machen, RGSt. 38 417; 49 275, LZ. 1916 1494; vgl. dagegen RGSt. 6 7. Aus der Eigen­ schaft der Fahnenflucht als Dauervergehen ergibt sich, dah die dem fahnenflüchtig ge­ wordenen Soldaten während des Fernbleibens geleistete Unterstützung unter § 141

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung. Ktz 141, 142.

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fällt, wobei jedoch nicht zu übersehen ist, daß hier mit -em Vergehen aus § 141 auch Begünstigung (§ 257) zusammentreffen kann, da die Tat rechtlich mit der Entfernung vollendet und von diesem Zeitpunkt ab ein staatlicher Strafanspruch entstanden ist, der durch persönliche Begünstigung vereitelt werden kann, RGSt. 17 227, RMG. 9 294, RG. III 1/17 v. 15. 1. 1917 (frort war die Frage praktisch um deswillen von Bedeu­ tung, weU der Täter glaubte, zur Entziehung von der Wehrpflicht Hilfe zu leisten, während er tatsächlich die Fahnenflucht unterstützte, sonach eine Bestrafung aus § 141 nicht eintreten konnte, wohl aber aus § 257, Rspr. 8 621). 3. Die strafbare Handlung besteht in dem Verleiten oder Befördern. Die vor­ sätzliche Verleitung ist die zu einem selbständigen Delikt erhobene Anstiftung, die vorsätzliche Beförderung tu zu einem selbständigen Delikt erhobene Hilfe­ leistung, RGSt. 5 126. Bloßes Auffordern genügt zur Verleitung, GA. 37 137; ob auf Seite des zu Verleitenden schon eine gewisse Geneigtheit bestand, ist gleichgültig, GA. 46 48. Befördern (Hilfeleisten) ist nur vor oder während der Tat möglich, nicht nachher, wobei jedoch das A. 2 über die Natur der Fahnenflucht als Dauerdelikt Gesagte zu beachten ist. Eine Beförderung kann in jeder Handlung liegen, die, sofern sie nicht eine Anstiftung bildet, geeignet ist, die Haupttat zur Entstehung zu bringen, zu ihrer Entstehung beizutragen, also kann auch eine vor der Haupttat erfolgende Be­ lehrung darüber, welche Schritte unmittelbar nach Ausführung der Haupttat zur Siche­ rung vor Verfolgung oorzunehmen seien, Beförderung sein, RGSt. 3 281. Die bloße Nichtanzeige als reine Unterlassung bildet kein Befördern; wer aber fahnenflüchtig gewordenen Soldaten bei sich Unterkunft gibt, obwohl er rechtlich verpflichtet und tatsächlich in der Lage ist, ihnen solche zu verweigern, ist nach § 141 strafbar. Recht 1916 1652 (betr. Beihilfe zum Vergehen der unerlaubten Entfernung § 64 MilStGD.). Unterstützt ein Vater seinen ins Ausland fahnenflüchtig gewordenen Sohn, nicht so­ wohl, um ihm das Fernbleiben und damit die Fortsetzung der Straftat zu ermöglichen, sondern lediglich, um seine Existenz zu sichern, ihn nicht zu Grunde gehen zu lassen, so liegt hierin keine Beförderung im Sinne des § 141, LZ. 1916 1296. 4. Alle Straftaten des § 141 können nur vorsätzlich — mit Wissen und Wollen des gesamten Tatbestandes - begangen werden; bei Verleitung und Beförderung ist dies eigens hervorgehoben mit der Folge, daß der Vorsatz auch dann festgestellt wer­ den muh, wenn der Täter ihn nicht bestritten hat. Die Anschauung, -aß der I r r t u m über die Soldateneigenschaft des Verleiteten unbeachtlicher Strafrechtsirrtum sei, RGSt. 26 314, 27 406, wird mit Rücksicht auf RGSt. 42 26 wohl kaum mehr aufrecht­ erhalten werden wollen. Eventualdolus genügt, RG. I 24/17 v. 1. 2. 1917. 5. Jur Vollendung der Verleitung oder Beförderung gehört, daß es tatsächlich zur Fahnenflucht gekommen ist; wurde diese nur versucht, so liegt auch nur (strafbarer) Versuch nach § 141 vor, RGSt. 5 125; A. M. Dinding Lehrb. 2 700, der auch in der nur versuchten Desertion eine erfolgte Desertion erblickt und deshalb die Verleitung zu der tatsächlich nur versuchten Desertion als vollendete Verleitung bezeichnet. 95ers u ch der Verleitung kann andererseits schon dann vorliegen, wenn es gar nicht zum Versuch der Fahnenf ucht gekommen ist, RGSt. 6 167. Wegen straflosen Rücktritts nach § 462 vgl. RG. I 24/17 v. 1.2. 1917. Da die allgemeinen, für Anstiftung und Bei­ hilfe maßgebenden Regeln über Teilnahme (Straflosigkeit der Haupttat) auf § 141 keine Anwendung finden, GA. 56 213, stellt die Beförderung der Fahnenflucht eines Gei steskranken einen strafbaren Versuch des Vergehens nach § 141 dar, RGSt. 46 203. 6. Nur Verleitung zur oder Beförderung der Fahnenflucht fällt unter die Sonder­ bestimmung des § 141 und zwar derart, daß daneben eine Anwendung der §§ 69 ff. MilStGD. in Verbindung mit §§ 48, 49 StGB, nicht in Frage kommen kann; da­ gegen bleibt Anstiftung oder Beihilfe zur unerlaubten Entfernung (§ 64 MilStGB.) oder zu irgend einem anderen militärischen Vergehen nach den gewöhnlichen Bestim­ mungen über Teilnahme strafbar, RG. I 322/16 v. 13. 7. 1916 (Unterstützung eines wegen Fahnenflucht nicht zu verfolgenden unausgebildeten Landsturmmannes).

142. Wer sich vorsätzlich durch Selbstverstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

7. Abschnitt.

oder durch einen anderen untauglich machen läßt, wird mit Ge­ fängnis nicht unter einem Jahre bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher einen anderen auf dessen Verlangen zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht. 1. Abs.1 hat den Fall im Auge, in dem jemand sich vorsätzlich durch Selbstver­ stümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder durch einen anderen untauglich machen laßt. Unter Untauglichmachen versteht das Gesetz nicht die Herbeiführung einer absoluten Dienstuntauglichkeit bei einer vorher absolut diensttauglichen P erson, sondern die Herbeiführung des Erfolges, daß eine Person nicht mehr in derjenigen Art und in demjenigen Umfange zum Dienste tauglich ist, in welchem sie es vorher wax, RGSt. 8 215. Das Vergehen kann be­ gangen werden, so lange die Wehrpflicht noch nicht völlig erfüllt ist und die Untaug­ lichkeit braucht begrifflich keine derart für das Leben dauernde zu sein, wie sie regelmäßig die Selbstverstümmelung nach sich zieht, andererseits genügt nicht jede ganz vorübergehende und geringfügige Gesundheitsstörung, die den Täter nur für einige Seit, z. D. zur Ableistung einer vierzehntägigen Reserveübung unfähig macht, RGSt. 33 281; wohl aber ist als genügend zu erachten, daß der Täter sich für den Dienst bei der Waffe untauglich macht, zu der er ausgehoben ist, wobei die von den Ersahbehörden hinsichtlich der Tauglichkeit eines Militärpflichtigen getroffenen Entscheidungen für die Gerichte bindend und von letzteren der Beurteilung über das Dorliegen eines Ver­ gehens gegen § 142 als ausschließlich maßgebend zu Grunde zu legen sind, RGSt. 44 264 ff. Dgl. auch RMG. 10 110, dagegen Dinding Lehrb. 2 696. 2. Tater ist eine dem Militärstande nicht angehörige (vgl. §§ 81, 82 MilStGD.) P erson, die aber noch nicht wehrpflichtig zu sein braucht. Hätte das Gesetz die Täter­ schaft auf Wehrpflichtige beschränken wollen, so würde es gesagt haben: „ein Wehr­ pflichtiger, bet“; es ist auch nicht abzusehen, weshalb der sich verstümmelnde 16 jährige und derjenige, der mit seiner Einwilligung die Verstümmelung an ihm vvrnimmt und sich der Einwilligung wegen einer strafbaren Körperverletzung nicht schuldig macht, straflos bleiben sollen. Gl. M. Heimberger DDD. 2 446, Frank II, Schwartz lb; a. M. Olsh. 1. Wer schon untauglich ist, kann sich nicht untauglich machen oder machen lassen. Es läge höchstens strafloser Versuch vor. Für die Destrafunrg aus Abs. 1 ist es gleichgültig, ob der Dritte schuldhaft handelt und ob er auf Deranllassung des Ver­ letzten tätig wurde. Frank II 1.

3. Dem Antauglichmachen steht nicht gleich das Unfähigmachen, etwa durch Begehung einer Straftat, die nach §§ 31 ff. zum Heeresdienst unfähig macht; es muß sich immer um ein Untauglichmachen durch Zufügung eines körperlichen oder geistigen Gebrechens handeln, sei es durch Selb st Verstümmelung oder auf irgend eine andere Weise. 4. Wie übereinstimmend anerkannt wird, muß die Untauglichkeit in dem Zeit­ punkte vorliegen, in welchem die Oberersahkommission endgültig über die Erfül­ lung der Wehrpflicht entscheidet. 5. Die Tat kann nur vorsätzlich begangen werden. Dazu genügt das Bewußtsein, verbunden mit dem Willen, daß die Handlung zur Untauglichkeit führe, selbst das Rech­ nen mit der erkannten und gebilligten Möglichkeit solchen Erfolgs; ob dabei ein anderer Endzweck verfolgt wurde, z. D. Herbeiführung der Invalidität, um eine Rente zu er­ halten, ist gleichgültig. Dgl. Stengl. Rebeng. 3 494, Frank III, der beim Selbstmord­ versuch Fehlen des Vorsatzes annimmt. 6. Abs. 2 enthält die Strafbestimmung gegen den die Untauglichmachung vor­ nehmenden Dritten. Auf Verlangen handelt der Dritte schon dann, wenn er mit Einwilligung oder Zustimmung des Verletzten handelt; andernfalls bliebe der nicht auf Verlangen, aber mit Einwilligung Handelnde straflos, da er mit Rücksicht auf die Einwilligung unter Umständen wegen Körperverletzung nicht bestraft werden kann. Gl. M. Olsh. 5; a. M. Binding Lehrb. 2 697 ff. Handelt der Dritte ohne Ein­ willigung, so ist er wegen Körperverletzung zu bestrafen. Gegenstand der Tat

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung. §§ 142, 143.

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kann für den Dritten sowohl eine Zivilperson, als ein Soldat sein. Untersteht der Dritte selbst den Militärgesehen, so wird er nach § 82 MilStGD. bestraft. Über die Frage, ob die in § 56 Nr. 2—4 RMilG. genannten P ersonen (beurlaubte Rekruten usw.) bei Vornahme der Handlung nach § 142 Abs. 2 aus dieser Bestimmung oder nach § 82 MStGD. zu bestrafen sind, vgl. Olsh. 6, der sie wohl mit Recht aus § 142 Abs. 2 straf­ bar erachtet; ebenso Rotermund, Komm, zu MStGD. A. 1 zu § 82. Eine Bestrafung wegen Beihilfe wird durch die Sonderbestimmung des Ab­ satz 2 ausgeschlossen; im übrigen ist Teilnahme als Anstiftung oder Beihilfe denkbar.

143. Wer in der Absicht, sich der Erfüllung der Wehr­ pflicht ganz oder teilweise zu entziehen, auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird mit Gefängnis bestraft; auch kann auf Ver­ lust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieselbe Strafvorschrift findet auf den Teilnehmer Anwendung.

1. Verletzung der Wehrpflicht durch Täuschung. Wegen Wehrpflicht, Entziehungs­ absicht vgl. § 140 A. 2, 4. In § 143 ist auch die teilweise Entziehung hervorgehoben. Dies ist sowohl ratione temporis als auch ratione modi gemeint: die Absicht des Täters kann darauf gehen, zu anderer, späterer Zeit zu dienen oder auf eine andere, ihm an­ genehmere Weise, RGSt. 9 96, Recht 1917 126. Dagegen mit Anrecht Dinding Lehrb. 2 696, -em Frank II zustimmt: wer Zurückstellung oder Hinausschiebung einer Übung erstrebe, wolle seine Wehrpflicht voll erfüllen. Mit Recht weist Heimberger DDB. 2 448 darauf hin, -atz, wer Zurückstellung bis zum 23. Jahr erreicht, damit seinen Dienst in der Landwehr II um drei Jahre verkürzt. 2. Die Handlung besteht in der Anwendung auf Täuschung berechneter Mittel. Nach der Rechtsprechung genügt bloßes Lügen nicht; vielmehr muh bei der Behaup­ tung von Defreiungsgründen der Täter ein Mittel zur Bewahrheitung oder Beglau­ bigung der Behauptung angewendet haben, welches zur Herbeiführung irgendwelcher Täuschung, Rspr. 6 682, geeignet ist, RGSt. 9 88, 29 218, LZ. 1917 1142, Recht 1917 126. Jedes solche Mittel genügt; es braucht sich keineswegs nur um Täuschung über die körperliche Tauglichkeit zu handeln deratt, -atz Krankheitserscheinungen durch äußere oder innere Mittel hervorgerufen werden, es reicht hin, wenn durch irgend ein Mittel bei der Behörde -er Irrtum erweckt wird, es seien z. B. infolge häuslicher Verhält­ nisse Defreiungsgründe vorhanden, sofern der Täter zum Nachweis oder zur Beglau­ bigung des behaupteten Defreiungsgrundes ein Mittel benützt, das den Irrtum über das Vorhandensein dieses Grundes zu erwecken geeignet ist, RGSt. 9 96, 29 218, 46 91, RMG. 2 74, 7 251. Ob das Mittel schon genügte, um für sich allein die Befreiung herbeizuführen, ist ohne Bedeutung, da das Gesetz die Anwendung auf Täuschung berechneter Mittel unter Strafe stellt, ohne Rücksicht, ob der bezweckte Erfolg dadurch herbeigeführt wird, RGSt. 46 91. Frank I Abs. 2 tritt dem RG. bei, dagegen erachten Olsh. 2, Dinding Lehrb. 2 693, MeyerAllf. 672, Schwarz 2 Lügen als ein auf Täuschung berechnetes Mittel. Warum die bloße Lüge nicht ein auf Täuschung berechnetes Mittel sein soll, ist schwer einzusehen. 3. Das auf Täuschung berechnete Mittel muß in der bezeichneten Absicht angewendet werden, d. h. es muß gegenüber der mit der Entscheidung über die Erfüllung der Wehr­ pflicht betrauten Behörde mittelbar oder unmittelbar vorgebracht werden, RGSt. 9 96. 4. Destritten ist, ob Bestrafung auch dann eintritt, wenn tatsächlich De­ freiungsgründe vorliegen, der Täter also dienstuntauglich ist. Frank II, Öls­ hausen 2, OpphDel. 2 bejahen es, von Dinding Lehrb. II 692, Schwartz 4 wird es verneint. Erstere Auffassung entspricht dem Wortlaute des Gesetzes, doch scheinen die von Binding für seine Anschauung angeführten Sünde sehr beachtlich.

5. Abs. 2 stellt abweichend von § 49 den Teilnehmer in der Strafe dem Täter gleich. Wer die Behörde selbständig ohne Wissen des Wehrpflichtigen zu täuschen sucht, fällt nicht unter § 143.

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Strafgesetzbuch. 2. Teil.

7. Abschnitt.

144. Wer es sich zum Geschäfte macht, Deutsche unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder wissentlich mit unbegrün­ deten Angaben oder durch andere auf Täuschung berechnete Mittel zur Auswanderung zu verleiten, wird mit Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. 1. Durch die Bestimmung des § 144 (AnswandernngSbetrng) soll der Deutsche dagegen geschützt werden, daß er betrügerischer Weise zur Auswanderung verleitet wird. Gegenstand der Straftat kann also nur der D e u t s ch e sein, der noch seinen Wohnsitz im gnlande hat. 2. Strafbar ist nur, wer es sich zum Geschäft macht. Im Gegensatze zu gewerbsund gewohnheitsmäßigem Handeln wird hier geschäftsmäßiges Handeln ver­ langt, es wird eine Tätigkeit vorausgesetzt, der die Absicht zugrunde liegt, sie in gleicher Art für die Dauer auszuüben und sie zu einem dauernden regelmäßigen Bestandteil -er Beschäftigung zu machen, eine auf Erwerb gerichtete Absicht ist nicht erforderlich, auch braucht die Tätigkeit nicht so häufig vorgenommen worden zu sein, daß sie schon zur Gewohnheit wurde, GA. 53 446. Aus der Forderung der Geschäftsmäßigkeit er­ gibt sich, daß die Verleitung eines einzelnen Deutschen nicht ausreicht, wenn sich z. B. der Geschäftsbetrieb im übrigen nur auf in Deutschland lebende Ausländer erstreckt, ferner, daß auch die auf Täuschung berechneten Mittel nicht nur einmal, in einem ein­ zelnen Falle, sondern geschäftsmäßig angewendet werden müssen. Vgl. Gerland DDB. 2 481, Olsh. 2, 3, Frank I, Dinding Lehrb. 2 912. 3. Wegen Verleiten vgl. § 141 A. 3. Der bereits zur Auswanderung Entschlossene kann nicht mehr verleitet werden, Olsh. 2 Abs. 2, MeyerAlls. 531, Hälschner II 850, Schwartz 1; a. M. Dinding Lehrb. 2 911, Gerland DDB. 2 481 (der Verleitung hier für -en Fall annimmt, -atz der Täter von dem Entschlüsse nichts weih), ebensowenig liegt Verleitung vor, wenn nur -er Entschlossene in seinem Entschlüsse bestärkt wird, so auch Gerland a. a. O. Auf den Erfolgdes Verleitens kommt es nicht an. 4. Nur das betrügerische Verleiten ist strafbar, das geschieht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder wissentlich mit unbegründeten Angaben oder durch andere auf Täuschung berechnete Mittel,' es genügt also jedes auf Täuschung berechnete Mittel; was vorher einzeln aufgezählt wird, sind nur Beispiele. Der Behauptung falscher steht die Unterdrückung wahrer Tatsachen gleich. 5. Zur Auswanderung mutz verleitet werden, vgl. § 140 A. 7. Nimmt man mit RGSt. 44 403 an, -atz die Schutzgebiete nicht Ausland sind, so liegt § 144 nicht vor bei Verlei­ tung zur Auswanderung dorthin. Gl. M. Dinding Lehrb. II 910; a. M. Gerland DDB. 2 480. 6. Der Auswanderungsbetrug, der mit § 263 oder § 141 rechtlich zusammentreffen kann, stellt sich als ein qualifizierter Fall der im Auswanderungsgesetze vom 9. 6. 07 § 45 unter Strafe gestellten gewerbsmäßigen Anwerbung zur Auswanderung dar.

145. Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See, über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstöße von Schiffen auf See, oder in betreff der Not- und Lotsensignale für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern erlassenen Verordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu ein­ tausendfünfhundert Mark bestraft. 1. Auf Grund des in § 145 enthaltenen Blankettstrafgesetzes sind folgende Verord­ nungen ergangen: 1. Seestraßen-O. v. 5. 2. 06 (RGBl. 120); 2. D. betr. das Ruderkommando v. 18. 10.03 (RGBl. 283); über deren Rechtsgültig­ keit vgl. Stengl. Nebeng. 1 487;

Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.

KK 144- 145j.

Zßl

3. D. betr. die Abdlendung von Seitenlichtern vom 16. 10. 1900 (RGBl. 1003); 4. D. über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See v. 15. ö. 1876 (RGBl. 189) nebst Ergänzung v. 29. 7. 1889 (RGBl. 271); 5. Lotsensignalordnung v. 7. 2. 1907 (RGBl. 27). Die auf Grund des § 145 ergangen gewesene Verordnung betr. die Lichter- und Signalsührung der Fischersahrzeuge und der Lotsendampferfahrzeuge v. 10. 5. 1897 (RGBl. 215) ist aufgehoben (Stengl. Rebeng. 1 487 IV). Das Gesetz über den Zusammenstoß von Schiffen vom 7. Januar 1913 (RGBl. 90) enthält keine durch die Strafvorschrift des § 145 geschützte Norm. Die Rechtsprechung nimmt an, daß bei Änderung der auf Grund solcher Blankett­ strafgesetze erlassenen Vorschriften eine Änderung des Strafgesetzes im Sinne des 8 2 Abs. 2 StGB, nicht eingetreten sei, RGSt. 31 227. Zu beachten ist auch RGSt. 36 362, woselbst ausgeführt wird, daß die aus Grund solcher Blankettstrafgesetze erlassenen Verordnungen nicht die Bedeutung eines Strafgesetzes haben, ein Irrtum über ihr Bestehen oder ihre Auslegung sonach nicht als strafrechtlicher Irrtum zu er­ achten ist, ein Grundsatz, der insbesondere in der Kriegsrechtsprechung im Hinblick auf § 9b, Preuß. BelZG. von Bedeutung und dort stündig festgehalten wurde. 2. Zum Verschulden genügt Fahrlässigkeit, soweit sich nicht aus den Verordnungen das Gegenteil ergibt, RGSt. 45 395, RMG. 2 200. 3. Die allgemeinen Bestimmungen über die räumliche Geltung der Strafgesetze (§§ 3, 4 ff.) gelten auch für die Zuwiderhandlungen gegen § 145. Sonach sind strafbar Deutsche als Führer deutscher oder fremder Schiffe in deutschen oder fremden Gewässern (letzterenfalls nach § 4 Abs. 2 Nr. 3), ferner nicht deutsche Führer deutscher oder nicht deutscher Schiffe in deutschen Gewässern oder deutscher Schiffe aus hoher See, da diese dort als Teile des Inlands gelten, RGSt. 23 266, nicht aber nicht deutsche Führer deutscher Schiffe im Ausland. Vgl. Stengl. Nebeng. 1 417 A. 1; dagegen Dinding Handb. 1 434, Lehrb. 2 59 A. 1, der die Nationalität des Schiffers für gleichgültig erachtet. 4. Wie sich aus der Strafdrohung ergibt, ist das Wort „Übertreten" nicht in technischem Sinne gemeint, die Straftaten sind Vergehen; die Geldstrafe kann nach § 28 Abs. 2 in Haft umgewandelt werden.

145 a. Wer im Inlands Schuldverschreibungen auf den Inhaber, in denen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme ver­ sprochen wird, ohne die erforderliche staatliche Genehmigung aus­ stellt und in den Verkehr bringt» wird mit einer Geldstrafe bestraft, die dem fünften Teile des Nennwerts der ausgegebenen Schuldver­ schreibungen gleichkommen kann, mindestens aber dreihundert Mark beträgt. 1. Nach § 795 DGB. dürfen im Inland ausgestellte Schuldverschreibungen auf den Inhaber, in denen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird, nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden. Zu den dort erwähnten Schuldverschreibungen gehören auch Grundschuldbriefe auf den Inhaber (RGZ. 59 381), dagegen nicht im Ausland ausgestellte Inhaberpapiere und nicht solche, die auf andere Leistungen wie Geld oder auf unbestimmte Geldbeträge gehen. Im Inland ist die Schuldverschreibung ausgestellt, wenn der in ihr angegebene Ausstellungsort innerhalb des Deutschen Reiches liegt. Das im § 795 DGB. enthaltene Verbot ist in dem durch Art. 34 IV EBGD. eingefügten § 145 a unter reichsrechtlichen Strafschuß gestellt, womit frühere landesrechtliche Vorschriften (z. B. das Preußische Gesetz v. 17. 6. 1833 § 5) außer Kraft getreten sind. 2. Nicht das in § 795 BGB. verbotene Inverkehrbringen solcher Papiere ohne Ge­ nehmigung ist unter Strafe gestellt, sondern das Ausstellen und Inverkehrbringen kumulativ, so daß ein Dritter, der solche Schuldverschreibungen ohne Wissen und Witten des Ausstellers in Verkehr bringt, nicht unter die Strafbestimmung fällt, RGSt. 33 329. Inverkehrbringen ist gleich Veräußern; so auch RGSt. 33 329. Mit Recht nimmt

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

8. Abschnitt.

Olsh. 3b an, -ah damit nicht nur die eigentliche Emissionstätigkeit gemeint ist, -ah so­ nach -er Aussteller, -er später Schuldverschreibungen etwa durch Ankauf zurückerlangt und neuerlich veräußert, strafbar ist. NGSt. 33 330 scheint dies allerdings verneinen zu wollen und Zusammenhang zwischen der Ausstellung und -em Inverkehrbringen zu verlangen» 3. Bei der polizellichen Natur der Bestimmung ist anzunehmen, -ah Fahrlässig­ keit genügt, die jedoch, da „Ausstellen- und „Inverkehrbringen" nur vorsätzlich geschehen kann, nur hinsichtlich -es Vorhandenseins der Genehmigung in Frage kommen kann. Gl. M. Olsh. 5, Frank IV; a. M. Schwartz 2. 4. Nach § 55 BankG. ist die unbefugte Ausgabe von „Banknoten und sonstigen auf -en Inhaber lautenden unverzinslichen Schuldverschreibungen" bei Strafe verboten, woraus sich ergibt, -ah § 145a nur verzinsliche Schuldverschreibungen im Auge hat. §§ 55 BankG. ist gegenüber § 145a die speziellere Bestimmung. So auch Olsh. 6, Frank I. 5. Die Strafe ist Dergehensstrafe, mindestens 300 JC, die bei Uneinbringlichkeit in Haft umgewandelt werden kann (§ 28 Abs. 2). Sie kann dem fünften Tell des Nenn­ wertes der ausgegebenen Schuldverschreibungen gleichkommen; vgl. dagegen § 6 Abs. 1 Gesetz betr. gnhaberpapiere mit Prämien v. 8. 6. 1871, wo -er fünfte Tell -es Grund­ wertes obligatorisch angedroht ist.

Achter Abschnitt. Münzverbrechen «nd Münzvergehen.

146. Wer inländisches oder ausländisches Metall­ geld oder Papiergeld nachmacht, um das nachgemachte Geld als echtes zu gebrauchen oder sonst in Verkehr zu bringen, oder wer in gleicher Absicht echtem Gelde durch Veränderung an demselben den Schein eines höheren Werts oder verrufenem Gelde durch Ver­ änderung an demselben das Ansehen eines noch geltenden gibt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft; auch ist Poli­ zeiaufsicht zulässig. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe ein. 1. Allgemeines zum achten Abschnitt. Dem Pr. StGB, folgend, reiht das StGB, die Münzdelikte den Staatsverbrechen an aus dem Gesichtspunkte der Verletzung eines staatlichen Hoheitsrechtes und -er Verletzung -er öffentlichen Ordnung. Liszt 507 be­ zeichnet sie als „rechtswidrige Handlungen in bezug auf bestimmte Wertzeichen", Merkel 363 rechnet sie zur Gruppe der Fälschungsdelikte, auch der Entwurf hat sie hinter die Urkundenfälschung eingestellt. Nach der Stellung des StGB, erscheint gdealkonkurrenz zwischen den Münzdelikten und der Urkunden­ fälschung ausgeschlossen. Ebenso Olsh. § 267, 51, Frank Dorb. zu Abschn. 8 III, Schwartz, Dorb. zu Abschn. 8, 1. Dagegen erachtet die herrschende Lehre Idealkonkurrenz mit Betrug für möglich, Olsh. § 263,56, dagegen Frank § 263 XL Nach Art. 48 RD. jetzt Art. 6 Nr. 5 ist die Ordnung des Münzwesens dem Reiche übertragen; schon hieraus ergibt sich, daß die Landesgesetzgebung weitere strafbare Handlungen bezüglich des Münzwesens nicht aufstellen kann. Außerhalb des achten Abschnitts kommen in Betracht §360 Nr. 4 und die DRV. v. 9. 5. 1876 (RIBl. 260) über die Behandlung nachgemachter, verfälschter oder nicht mehr umlaufsfähiger Reichsmünzen. Die Münzverbrechen — nicht auch die Münzvergehen — sind nach § 41 Weltverbrechen. 2. In § 146 werden zwei verschiedene Tatbestände aufgestellt, die F a l s ch mün­ ze r e i und die Münzfälschung, entsprechend der fälschlichen Anfertigung und

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

8. Abschnitt.

Olsh. 3b an, -ah damit nicht nur die eigentliche Emissionstätigkeit gemeint ist, -ah so­ nach -er Aussteller, -er später Schuldverschreibungen etwa durch Ankauf zurückerlangt und neuerlich veräußert, strafbar ist. NGSt. 33 330 scheint dies allerdings verneinen zu wollen und Zusammenhang zwischen der Ausstellung und -em Inverkehrbringen zu verlangen» 3. Bei der polizellichen Natur der Bestimmung ist anzunehmen, -ah Fahrlässig­ keit genügt, die jedoch, da „Ausstellen- und „Inverkehrbringen" nur vorsätzlich geschehen kann, nur hinsichtlich -es Vorhandenseins der Genehmigung in Frage kommen kann. Gl. M. Olsh. 5, Frank IV; a. M. Schwartz 2. 4. Nach § 55 BankG. ist die unbefugte Ausgabe von „Banknoten und sonstigen auf -en Inhaber lautenden unverzinslichen Schuldverschreibungen" bei Strafe verboten, woraus sich ergibt, -ah § 145a nur verzinsliche Schuldverschreibungen im Auge hat. §§ 55 BankG. ist gegenüber § 145a die speziellere Bestimmung. So auch Olsh. 6, Frank I. 5. Die Strafe ist Dergehensstrafe, mindestens 300 JC, die bei Uneinbringlichkeit in Haft umgewandelt werden kann (§ 28 Abs. 2). Sie kann dem fünften Tell des Nenn­ wertes der ausgegebenen Schuldverschreibungen gleichkommen; vgl. dagegen § 6 Abs. 1 Gesetz betr. gnhaberpapiere mit Prämien v. 8. 6. 1871, wo -er fünfte Tell -es Grund­ wertes obligatorisch angedroht ist.

Achter Abschnitt. Münzverbrechen «nd Münzvergehen.

146. Wer inländisches oder ausländisches Metall­ geld oder Papiergeld nachmacht, um das nachgemachte Geld als echtes zu gebrauchen oder sonst in Verkehr zu bringen, oder wer in gleicher Absicht echtem Gelde durch Veränderung an demselben den Schein eines höheren Werts oder verrufenem Gelde durch Ver­ änderung an demselben das Ansehen eines noch geltenden gibt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft; auch ist Poli­ zeiaufsicht zulässig. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe ein. 1. Allgemeines zum achten Abschnitt. Dem Pr. StGB, folgend, reiht das StGB, die Münzdelikte den Staatsverbrechen an aus dem Gesichtspunkte der Verletzung eines staatlichen Hoheitsrechtes und -er Verletzung -er öffentlichen Ordnung. Liszt 507 be­ zeichnet sie als „rechtswidrige Handlungen in bezug auf bestimmte Wertzeichen", Merkel 363 rechnet sie zur Gruppe der Fälschungsdelikte, auch der Entwurf hat sie hinter die Urkundenfälschung eingestellt. Nach der Stellung des StGB, erscheint gdealkonkurrenz zwischen den Münzdelikten und der Urkunden­ fälschung ausgeschlossen. Ebenso Olsh. § 267, 51, Frank Dorb. zu Abschn. 8 III, Schwartz, Dorb. zu Abschn. 8, 1. Dagegen erachtet die herrschende Lehre Idealkonkurrenz mit Betrug für möglich, Olsh. § 263,56, dagegen Frank § 263 XL Nach Art. 48 RD. jetzt Art. 6 Nr. 5 ist die Ordnung des Münzwesens dem Reiche übertragen; schon hieraus ergibt sich, daß die Landesgesetzgebung weitere strafbare Handlungen bezüglich des Münzwesens nicht aufstellen kann. Außerhalb des achten Abschnitts kommen in Betracht §360 Nr. 4 und die DRV. v. 9. 5. 1876 (RIBl. 260) über die Behandlung nachgemachter, verfälschter oder nicht mehr umlaufsfähiger Reichsmünzen. Die Münzverbrechen — nicht auch die Münzvergehen — sind nach § 41 Weltverbrechen. 2. In § 146 werden zwei verschiedene Tatbestände aufgestellt, die F a l s ch mün­ ze r e i und die Münzfälschung, entsprechend der fälschlichen Anfertigung und

Münzverbrechen und Münzvergehen.

K 146.

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der Verfälschung von Urkunden, jedoch mit dem Unterschiede, daß ein Gebrauch der Falsifikate nicht zur Vollendung gekört, vielmehr die Herstellung in der Absicht des Gebrauchens genügt. Dgl. Dinding Lehrb. 2 312, der annimmt, es handle sich nur um ein Delikt mit mehreren hervorgehobenen Arten. S. Gegenstand des Delikts ist sowohl bei Falschmünzerei als bei Münzfälschung Geld, d.h. jeder Gegenstand, der von einer zuständigen Stelle — gewöhnlich -em Staate, gegebenenfalls auch einer Gesellschaft — ersichtlich dazu bestimmt ist, als all­ gemeiner Wertmesser und als gahlungs- und Tauschmittel zu dienen. Es muh auf dem Gegenstand erkennbar gemacht sein, -atz er als Wertmesser beglaubigt ist, weshalb z. D. Kaurimuscheln nicht als Geld im Sinne -es 8. Abschnittes zu erachten sind, ebenso nicht historische oder verrufene Münzen oder die sogen. Blüten. Dgl. Kohler, DDD. 3 211/212, und näher über den Begriff Gerland, die Geldfälschungsdelikte (1901), S. 50 ff. und GS. 59 81 ff., 241 ff. Ob das Gel- tatsächlich in Deutschland einen Kurs hat, ist gleich­ gültig, vorausgesetzt nur, daß es noch irgendwo als Wertmesser anerkannte Geltung hat, z. D. ausländisches Geld, dessen Umlauf im gnlande verboten ist. Dagegen ist das Nachmachen von verrufenem Gelde oder von historischen Münzen, da beides nicht mehr Geld ist, nicht als Falschmünzerei strafbar (vgl. aber A. 5), kann aber Betrug sein. Ist dagegen einer dem allgemeinen Verkehr gegenüber verrufenen Münze die Eigenschaft als Zahlungsmittel den Einlösungskassen gegenüber noch belassen, so ist sie noch Geld, Dinding Lehrb. 2 314. Der Stoff, aus dem das Geld hergestellt ist, ob Metall oder Papier, ist ohne Bedeutung (siehe auch § 149, der gewisse andere Papiere dem Papiergelde gleichstellt), auch darauf kommt es nicht an, ob es sich um in- oder ausländisches Geld handelt, so -atz Olsh. 2 mit Rrcht annimmt, auch der Aus­ länder, -er im Ausland ausländisches Geld nachmacht, könne wegen Münzverbrcchens bestraft werden. Wegen des Kriegsnotgeldes vgl. RGSt. 51 410, 52 97. 4. Die Falschmünzerei wird begangen durch Rachmacheu von Geld. Nachgem a ch t ist ein Geldstück nur dann, wenn ihm ein Schein geltender echter Geldmünze innewohnt, wenn die Beschaffenheit der falschen Münze im gewöhnlichen Verkehre den Arglosen zu täuschen imstande ist. Durch welche Mittel ein solcher Schein hervor­ gerufen wird, ist gleichgültig, deshalb für Lösung der Frage, ob solcher Schein vorhanden ist, ein maßgebendes Gewicht so wenig auf das Gepräge wie auf den Stoff zu legen,. RGSt. 6 144. Fehlt dieser Schein, so liegt nur Versuch vor. Nach Dinding Lehrb. 2 315 und Hälschner 2 574 kommt es auf den Grad der Ähnlichkeit überhaupt nicht an, dagegen verlangt Dinding, dah die nachgemachten Münzen mit einer Nachahmung des Prägezeichens versehen sind. Der Metallgehalt des nachgemachten Geldes ist ohne Bedeutung, er kann sogar höher kein, als -er des echten; Hoheitsrecht des Staates und Verkehrssicherheit werden auch in diesem Falle gefährdet; ferner ist es gleich­ gültig, ob ein echtes Vorbild vorhanden ist (z. D. eine Dierzigmarkmünze, Olsh. 3). Das sogen. Ausschälen: Auseinandersägen der beiden geprägten Flächen, Herausnehmen des innen liegenden Goldes und Ersetzen desselben durch ein anderes Metall fällt nicht unter § 150, sondern ist Falschmünzerei, Olsh. 3, Dinding Lehrb. 2 327, MeyerAllf. 606, Schwarz 2, dagegen Hälschner 2 582, Liszt 510, Oppenh.Del. 8. Falschmünzerei liegt auch dann vor, wenn schon im Umlauf befindlichen falschen Münzen durch Ver­ änderung erst der Schein echter oder doch der Schein höheren Wertes gegeben wird. Dies die überwiegende Meinung. Dgl. Olsh. 3 Abs. 2, Frank I 1, Schwartz 2 u. a. Über das Nachmachen von Inhaberaktien vgl. RGSt. 48 125 und § 149 A. 3. 5. Die Münzfälschung ist in zweierlei Richtung strafbar. Sie kann einmal dadurch erfolgen, daß echtem Gelde durch Veränderung an demselben -er Schein höheren Wertes gegeben wird. Die Ansicht Kohlers DDD. 3 228, es müsse die Wertbeglaubigung geändert werden, findet im Gesetz keine Stütze; dieses sagt nicht, welcher Art die Veränderung sein muh, es genügt also jede Veränderung (z. D. Polieren, Versilbern usw.), ohne daß auf Prägung oder Gehalt eingewirkt zu werden braucht, vorausgesetzt nur, daß durch die Veränderung der Schein (vgl. A. 4) höheren Wertes hervorgerufen wird; geschieht das nicht, so liegt nur Ver­ such vor. Die Münzfälschung kann nach § 146 ferner dadurch erfolgen, daß verru­ fenem Gelde durch Veränderung an demselben das Ansehen eines noch geltenden gegeben wird. Hier handelt es sich nicht sowohl

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Strafgesetzbuch

2. Teil.

8. Abschnitt.

um Münzfälschung als um Falschmünzerei, da verrufenes Gel- nicht mehr Gel- im Sinne -er Münzdelikte ist; es wirb hier mit HUfe eines Stoffes, -er früher Gel- war, echtes Gel- nachgemacht. Das Nachmachen verrufenen Geldes ist webet Falschmünzerei noch Münzfälschung, kann aber Bettug sein (A. 3). Auslänbische Prämienpapiere mit falschem Stempel stehen nicht verrufenem, mit -em Scheine -er Gültigeit versehenen GÄde gleich; -as Versehen mit -em falschen Stempel fällt nicht unter § 146, sondern unter 275, 276, RGSt. 23 50; vgl. Gesetz v. 8. 6. 1875.

6. Falschmünzerei un- Münzfälschung müssen in -er A b s i ch t erfolgen (um — zu), -as Gelb als echtes zu gebrauchen ober sonst in Verkehr zu bringen; -er bestimmte Wille des Täters mutz auf bas Gebrauchen ober sonstige Inverkehrbringen gerichtet sein, es mutz ihm gerade auf bas eine ober andere ankommen, ohne bah es Endzweck oder Beweggrund seines Handelns zu sein braucht; keinesfalls reicht Eventualdolus. 7. Aus dem Worte sonst ergibt sich, datz das Gebrauche« nur als eine Unterart des JuverkehrbrmgenS gedacht ist, so datz die Absicht, von dem Gelde einen Gebrauch zu machen, durch den es nicht in den Verkehr gebracht wird, z. D. es vorzuzeigen, um seine Kreditwürdigkeit zu beweisen oder um sich ein Schmuckstück daraus machen zu lassen oder es in das Auslegesenster eines Geldwechslers zu legen, nicht genügt. Gl. M. Olsh. 5, Frank II, Schwartz 4, Liszt 509, MeyerAllf. 615, Kohler DDB. 3 224; a. M. NGSt. 14 161, Mertel 364, Oppenh.Del. 9, die unter Gebrauchen die nicht im Inverkehrbringen bestehende Benutzung verstehen. Der Entwurf spricht nur von Inverkehrbringen. In Verkehr gebracht wird das falsche Geld dadurch, datz der Fäl­ scher oder eine Zwischenperson es anderen Personen derart zugänglich macht, datz es von diesen als Geld im Verkehr weitergegeben werden kann. Daher genügt auch Weiter­ gabe an einen Münzsammler, da dieser nicht gehindert ist, das Geld als solches jeder­ zeit weiterzugeben; a. M. Frank II; es genügt Einwerfen in einen Opferstock oder Auto­ maten, Hingabe als Sicherheit jedenfalls dann, wenn diese nur in gsnere zurückzug den Parteiei- bezieht sich die Bestimmung nicht, doch kommen für letz­ teren die 55 457, 470, 477 ZPO. in Betracht. Für 5 2237 Nr. 3 DGB. (Testaments­ zeuge) trifft 5 161 zu. Die Eidesunfähigkeit ist lebenslänglich. Auf dauernde Unfähig­ keit ist auch gegen den A n st i f t e r und den Jugendlichen zu erkennen, RGSt. 4 378, 6 416, ob auch bei Versuch und Beihilfe, ist bestritten. RGSt. 13 78, Nspr. 10 100 wird die Frage im Hinblick auf 5 45 verneint. Gl. M. Olsh. 3, Frank I, Schwartz 4, dagegen verlangt Dinding Lehrb. 2 158 für den Versuch beide Neben­ strafen. 4. Wird übersehen, auf die Unfähigkeit zu erkennen, so tritt diese nicht von Rechts­ wegen ein; der wegen Meineides Derurtellte kann also als Zeuge usw. eidlich ver­ nommen werden, Rspr. 1 269. 5. Für Absatz 2 gilt die allgemeine Regel des 5 32 Abs. 1. Die Gefängnisstrafe muh mindestens 3 Monate betragen.

162. Wer vorsätzlich einer durch eidliches Angelöbnis vor Gericht bestellten Sicherheit oder dem in einem Offenbarung^* eide gegebenen Versprechen zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. 1. Die in 5 162 bezeichneten beiden Fälle des Eidesbruches sind gegenüber den Fällen des 5 154 mit geringerer Strafe bedroht, da es sich gewissermaßen nur um die Verletzung vertraglicher oder Vertragsähnlicher Verpflichtungen handelt, die unter eidlicher Bekräftigung übernommen sind. Der Täter kann sich bei Übernahme der Ver­ pflichtung und eidlichem Angelöbnis ihrer Erfüllung zunächst durchaus in gutem Glau­ ben befinden. Olsh. 1. Eidesbruch in anderen als den hier angegebenen Fällen — abgesehen natürlich von 5 154 — ist straflos, so der Bruch des Amtseides usw. Nur der vorsätzliche Eidesbruch ist in 5 162 unter Strafe gestellt. 2. Der erste Fall betrifft eine durch eidliches — nicht auch eidesstattliches — Angelöbuis vor Gericht bestellte Sicherheit. Die StPO, kennt eine solche Sicherheit nicht; wohl aber kann nach 5 108 ZPO. die Bestellung einer prozessualischen Sicherheit von den Parteien als unter Eid erfolgend vereinbart werden, doch geschieht dies heut­ zutage kaum mehr. Frank I und Meyer Alls. 622 rechnen auch die Fälle der 5§ 921, 925, 927 ZPO. hierher, dagegen wohl mit Recht Schwartz 1. 3. Der zweite Fall bezieht sich auf ein i« einem vffenbaruugSeide gegebenes Versprechen. Daß esvor Gericht abgegeben, -er Eid vor Gericht geleistet wurde, ist hier nicht wie im ersten Falle erforderlich. Der Offenbarungsei- wird in der Regel assertorisch geleistet, dann füllt seine vorsätzliche Verletzung unter 5 153; er kann unter Umständen aber auch promissorisch geleistet werden (DGB. 5 261 Abs. 2, ZPO. § 883

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

9. Abschnitt.

Abs. 2), bann greift § 162 Platz; wird er teils assertorisch, teils promissorisch geleistet und verletzt, so liegt Realkonkurrenz vor, RGSt. 4 76; die Verurteilung wegen Ver­ letzung des einen Telles des Eides schafft nicht res judicata gegenüber einer Verurtei­ lung wegen Verletzung des andern Teils.

4. Zur Verletzung -es promissorischen Telles des Oftenbarungseides gehört, dah -em Inhalte des Versprechens objektiv zuwidergehandelt wird, was z. B. nicht -er Fall ist, wenn der, welcher eidlich gelobt hat, „seinen Aufenthaltsort nicht zu verlassen", dies mit Erlaubnis des an der Erfüllung des Versprechens Interessierten getan hat, Rspr. 4 503, woselbst auch zutreffend darauf hingewiesen wird, -atz das Versprechen innerlich und sachlich mit dem Zwecke des Offenbarungseides in Verbindung stehen muh, so dah ein diesem Zwecke fremdes nur gelegentlich angefügtes Gelöbnis nicht in Betracht kommt.

163. Wenn eine der in den §§ 153 bis 156 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen worden ist, so tritt Ge­ fängnisstrafe bis zu einem Jahre ein. Straflosigkeit tritt ein, wenn der Täter, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachteil für einen anderen aus der falschen Aussage ent­ standen ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft. 1. Der Tatbestand des fahrlässigen KalscheideS — die Bezeichnung fahrlässiger Meineid (Dinding Lehrb. 2 150) wird besser vermieden, zumal sie zu dem Irrtum führen kann, ein früher wegen Falscheides bestrafter Zeuge mache sich eines Eidesdelikts schuldig, wenn er die Frage verneine, ob er wegen Meineides bestraft sei, RGSt. 32 IIS — setzt zunächst ebenso wie der Meineid die objektive Unrichtigkeit der Aussage voraus. Dgl. hierzu § 153 A. 4, § 154 A. 3. Inwiefern eine solche vorliegen kann, wenn ein Zeuge erklärt, etwas „nicht zu wissen" (insbesondere mit Rücksicht daraus, daß er verpflichtet ist, „nach bestem Wissen" auszusagen), vgl. § 154 A. 3 und RGSt. 37 397, 98. Die objektive Unrichtigkeit -er Aussage entfällt nicht damit, -ah der Schwö­ rende nur in unwesentlichen oder von ihm für unwesentlich gehaltenen Punkten von der Wahrheit abweicht, doch kann nach Umständen aus der Unerheblichkeit -es beschworenen Umstandes wie beim Meineid auf das Fehlen des Vorsatzes, so beim Falscheid auf das Fehlen -er Fahrlässigkeit geschlossen wer-en, RGSt. 10 338, 46 142. Bei Prüfung der Frage, ob eine Aussage objektiv falsch ist, muh ihr gesamter I n h a l t in Betracht gezogen, es darf nicht ein einzelner Punkt aus dem Zusammen­ hänge herauegerissen werden; dies schlieht jedoch nicht aus, -ah die ganze Aussage falsch sein kann, wenn auch nur ein Teil derselben falsch ist. Dgl. § 153 A. 4. 2. Die zweite Voraussetzung des fahrlässigen Falscheides ist, dah der Schwörende an die Wahrheit seiner Aussage glaubt, deren Unwahrheit nicht kennt oder dah er sie zwar kennt, aber nicht weih, dah sie unter Eid steht, oder endlich, dah er die Unwahrheit kennt, sie noch vor Abschluh der Vernehmung berichtigen wlll, dies aber aus Fahrlässig­ keit vergiht, RGSt. 45 151. Als weitere Fälle, in denen der Schwörende trotzKenntnis der Unwahrheit seiner Aussage sich doch nur des sahrl. Falscheides schuldig macht, können in Frage kommen: -er Schwörende denkt beim Racheide nicht mehr daran, dah er im Laufe seiner Vernehmung über irgend einen Punkt, z. B. über sein Derwandtschaftsverhältnis zum Angeklagten eine wissentlich falsche Angabe ge­ macht hat, RGSt. 30 53; ein Zeuge glaubt, nur in der Richtung gegen einen Ange­ klagten vernommen zu werden und verschweigt absichtlich, was er in der Richtung gegen den anderen Angeklagten weih, GA. 52 254; er glaubt, der Eid beziehe sich nicht auf einen bestimmten Teil seiner Aussage, weil dieser mit dem Gegenstände der Anklage nichts zu tun habe. Recht 1911 3781; er glaubt, eine Aussage als Nebenkläger zu machen, während er sie als Zeuge macht. Recht 1914 437. Dgl. auch Recht 1911 3781, 1912 336, GA. 59 351, RGSt. 45 151. Dabei kann auch eine rechtsirrige Auf-

Meineid.

§ 163.

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f a 11 u n g -es Schwurpflichtigen zu einem fahrlässigen Falscheide führen, wenn sie oder das Festhalten an ihr selbst auf Fahrlässigkeit beruht, RGSt. 46 143. Hat der Schwörende Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage, will er diese aber auch für den Fall, daß seine Zweifel begründet sind, machen, so liegt Eventual­ dolus (§ 153 A. 10) und damit wissentlicher Meineid por; verläßt er sich dagegen leichtsinnigerweise daraus, seine Zweifel würden unbegründet, seine Aussage werde schon richtig sein, lehnt er die erkannte Möglichkeit der Unrichtigkeit innerlich ab, so bleibt nur fahrlässiger Falscheid übrig. 3. Der fahrlässige Falscheid setzt weiter voraus, daß die Unkenntnis des Schwö­ renden von der objektiven Unwahrheit der beschworenen Aussage oder in den unter A. 2 erwähnten Fallen, in denen er diese Unwahrheit kennt, sein anderweitiges Ver­ halten auf Fahrlässigkeit beruht. Dabei ist bestritten, ob die Fahrlässigkeit in der Handlung -es Schwörens, -er Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung selbst, liegt (so Frank I 3, SLooh DDD. L 300 ff., wohl auch RGSt. 37 399) oder in dem Ver­ halten, das die Unkenntnis hervorgerufen hat, beim Zeugenei- also im Mangel der Erinnerung oder der Vorbereitung auf die Vernehmung. So Olsh. 2, Schwartz 3 und im allgemeinen die Rechtsprechung des Reichsgerichts RGSt. 8 108, 22 297, 25 122, 26 133, 30 55 u. a. Besteht zwischen beiden Anschauungen wirklich ein tiefgehender Unterschied? Wenn Stooß S. 300 ausführt, ungenaue Wahrnehmung des Vorgangs, auf -en sich das Zeugnis bezieht, begründe keine Fahrlässigkeit, auch sei -er Zeuge nicht verpflichtet, Wahrnehmungen, die Gegenstand eines Zeugnisses werden können, im Ge­ dächtnis zu bewahren, ferner, er habe nicht die Pflicht, sich das beste Wissen zu ver­ schaffen, sondern nach bestem Wissen die reine Wahrheit zu sagen, so ist dies ohne Zweifel richtig, wir- aber auch von der Rechtsprechung keineswegs verlangt, die (RGSt. 8 110) ausdrücklich anerkennt, -ah eine besondere Pflicht der Vorbereitung auf das abzugebendc Zeugnis nicht bestehe, der Zeuge vielmehr indifferent seine Vernehmung abwarten könne (insbesondere im StP. sich nicht zum Zwecke der Vorbereitung zu erkundigen habe, über was er voraussichtlich vernommen werden würde, RG. V 170/13 v. 7. 7. 1913), und wenn es dort und an anderer Stelle z. B. RGSt. 30 55 heißt, die Fahrlässig­ keit liege nur anscheinend im Akte des Schwörens, in Wirklichkeit aber in dem Ver­ halten des Angeklagten vor der Eidesleistung, in der Unterlassung der pflichtgemäß gebotenen Prüfung des Inhalts der gesamten, eben vorher abgegebenen Aussage, was sich wohl nur auf den Nacheid beziehen kann, so ist damit nichts anderes gesagt, als daß der Zeuge zwar nicht die Pflicht habe, schon vor seiner Vernehmung besondere Vor­ bereitungen zur Ermöglichung einer richtigen Aussage zu treffen, daß ihm aber allerdings die Pflicht obliege, bei seiner Aussage, sei es nach geleistetem Eid, sei es im Hinblick auf den demnächst zu leistenden Gd Gewissenhaftigkeit und Vorsicht zu beobachten, bei Abgabe seines Zeugnisses keinerlei Überlegung, Handhaben oder Hilfsmittel außer acht zu lassen, welche sein Gedächtnis zu unterstützen und sein Erinnerungsvermögen vor Irrtümern zu schützen geeignet sind (RGSt. 22 247, 26 135), was wiederum über­ eintrifft mit der von Frank zur Stützung seiner Ansicht angeführten Entscheidung RGSt. 37 399, wonach die strafbare Fahrlässigkeit nicht in dem liegt, was der Schwörende vor der Eidesleistung getan oder unterlassen hat, sondern darin, daß er schwört, obgleich er sich zur Zeit der Eeidesleistung sagen konnte und mußte, daß er wegen mangelnder Vorbereitung und Überlegung so nicht schwören dürfe, oder wie Stooh S. 301 es aus­ drückt, darin, daß er die im Zeitpunkte der Einvernahme vorhandene Erinnerung un­ sorgfältig wiedergibt oder sich in verschuldeter Ankenntnis befindet über Umstände, die außerhalb der Wahrnehmung liegen. Dabei hält die neuere Rechtsprechung wenig­ stens immer daran fest und hebt ausdrücklich hervor, daß durch bloße Willens­ anstrengung das Gedächtnis nicht dazu gebracht werden kann, richtig zu funktio­ nieren, vgl. jedoch RGSt. 42 237 und dagegen GA. 58 440, -ah deshalb, wenn die Er­ innerung an eine Tatsache völlig entschwunden ist, sich an Stelle der richtigen eine falsche Vorstellung festgewurzelt hat, und der Zeuge dieser Vorstellung gemäß aussagt, sich ein fahrlässiges Verschulden nur durch den Nachweis begründen läßt, daß -em Zeugen irgendwelche tatsächlichen Anhaltspunkte oder äußere Hilfsmittel erkennbar zu Gebote standen, die ihn, wenn er fu benutzt hätte, in den Stand gesetzt haben würden, sein Ge­ dächtnis aufzufrischen und die Erinnerung an den richtigen Sachverhalt wieder wach-

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2. Teil.

9. Abschnitt.

-urusen oder die Erheblichkeit eines bestimmten Teiles seiner Aussage zu erkennen (RG. III 1786/03 v. 2. 5.03). Nur dann, wenn der Zeuge solche ihm erkennbar zu Ge­ bote stehenden Mittel und Wege zu benutzen unterlaßt und sich bei Anwendung der nach den vorliegenden Umstanden gebotenen Aufmerksamkeit zum Bewußtsein bringen konnte, daß bei Nichtbenutzung jener Wittel und Wege möglicherweise das Zeugnis falsch sein könne, liegt strafbare Fahrlässigkeit oor, RGSt. 22 298/99, 25 122, 26 133, 42 263, LZ. 1914 180,1915 228, Recht 1917 1353. Sonach kann wohl im allgemeinen -usammensassend gesagt werden: Schuldhaste Fahrlässigkeit liegt, abgesehen von be­ sonderen Fällen, nicht schon dann vor, wenn der Schwörende es unterlassen hat, vor der Vernehmung die erforderlichen Vorkehrungen zur Erzielung einer objektiv wahren Aussage zu treffen oder bei der Vernehmung sein Gedächtnis zur Auffrischung der Er­ innerung anzustrengen, sondern erst dann, wenn er den Eid leistet, obwohl er sich bei Anwendung der gebotenen, ihm nach seiner Persönlichkeit und nach den Umständen zuzumutenden Vorsicht sagen mußte oder konnte, seine Aussage werde wegen der mangelnden Vorbereitung und Erkundigung möglicherweise falsch sein oder wenn er besonderen Grund hatte, der Nichttgkeit der von ihm seinerzeit gemachten Wahrnehmun­ gen zu mißtrauen, trotzdem aber dieselben als bestimmt und zuverlässig hinstellt oder trotz der erwähnten Voraussetzung es unterläßt, ihm erkennbar zur Verfügung stehende Mittel und Wege zur Auffrischung seines Gedächtnisses überhaupt oder aufmerksam zu benutzen, Recht 1910 2755. Hiervon ausgehend, kann ein fahrlässiges Verschulden bei der Eidesleistung z. B. in folgenden Fällen gesunden werden: der Schwörende weiß, daß er bei Deobachung des zu bekundenden Vorfalles betrunken oder sehr erregt war, oder daß er überhaupt an Gedächtnisschwäche leidet, und deshalb an genauer Beobachtung gehindert war, stellt aber ttohdem seine Wahrnehmungen als bestimmt und zuverlässig dar, RGSt. 25 124; der Schwörende soll über weit zurückliegende Tatsachen vernommen werden, unterläßt es, von der ihm gebotenen Möglichkeit, sein Gedächtnis durch Durchsicht von Aufzeichnungen usw. auszufrischen, Gebrauch zu machen, obwohl er sich vorsichtiger­ weise sagen muß, seine Erinnerung könne durch die Länge der Zeit leicht getrübt sein und macht bestimmte, sichere Aussagen, RGSt. 8 110; der Schwörende stößt auf Zweifel in die Richtigkeit seiner Aussage; statt sich verläßlich erscheinenden Rat ein^uholen, un­ ternimmt er es, sie selbst — unrichtig — zu lösen, RGSt. 27 267, RG. III 1777/02 v. 12. 6. 02; widersprechende Zeugenaussagen oder Vorhalte des Richters muhten in ihm nach der besonderen Sachlage Zweifel aufkommen lassen, trotzdem lhält er seine Aussage bestimmt aufrecht; wobei übrigens zu berücksichtigen ist, daß der Umstand allein, daß andere Zeugen sich mit ihm in Widerspruch befinden, den Schwörenden keines­ wegs ohne weiteres und in allen Fällen zu der Meinung zu führen braucht, sein eigenes Bewußtsein sei getrübt oder unzuverlässig, RGSt. 22 299, 25 122, 26 133. Spielen bei Leistung eines Eides durch einen Rechtsunkundigen zivilrechtliche oder zivilprozessuale Fragen eine Rolle, so besteht keine allgemeine Verpflichtung für den Schwörenden, sich bei Rechtskundigen Rat zu erholen, doch können die besonderen Umstände des Falles allerdings so liegen, daß in der Eidesleistung lediglich auf Grund eigenen, unsachge­ mäßen Urteils eine Fahrlässigkeit gefunden werden kann. Rspr. 2 89, RG. III1912/04 v. 7. 11. 04. Ein Zeuge kann sich dadurch der Fahrlässigkeit schuldig machen, daß er es bei Verlesung - es Protokolls über seine Aussage an der erforderlichen Aufmerksamkeit fehlen läßt und so bewirkt, daß unrichtige Aussagen unberücksichtigt blei­ ben, GA. 52 391, Recht 1911 2777, RS. V 258/09 v. 26. 5. 09. Dagegen erachtet RG. IV 2949/03 v. 25. 9. 03, GA. 50 4399 einen Zeugen nicht für verpflichtet, der Ver­ handlung, abgesehen von seiner eigenen Vernehmung, aufmerksam zu folgen. Nach RG. IV 1167/12 v. 24. 1. 1913 kann eine Fahrlässigkeit nicht ohne weiteres darin er­ blickt werden, daß der Schwörende es unterläßt, sich über einen seinem Wottlaute nach zweifelhaften Eid vom Richter Aufklärung zu verschaffen, WarnSt. 1913 22. Bei einem Eide über die Echtheit einer Urkunde darf der Schwurpslichtige sich nicht lediglich auf eine Erinnerung verlassen, sondern er muß auch eine sorgfältige Prüfung der Schrift­ züge vornehmen und wenn ihm eine solche ohne Drille nicht möglich ist, Vertagung verlangen LZ. 1916 681, RG. V 377/15 v. 30. 11. 1915. Prüft der Zeuge sorgfältig die seiner Wahrnehmung entgegenstehenden Umstände, so schadet es ihm nicht, wenn

Meineid,

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er falsche Schlüsse zieht, GA. 57 230. Fahrlässig handelt der Zeuge, der den Inhalt einer an ihn gerichteten Frage, z. D. nach den Vorstrafen, nicht sorgfältig prüft, RG. II 547/01 v. 22. 3. 01, RG. V 918/12 v. 31. 1. 1913. 4. Bei Abgabe einer schriftlichen eidesstattliche« Versicherung kann die Fahrlässig­ keit darin liegen, daß der Unterzeichner sich von der Richtigkeit des von einem anderen geschriebenen Inhalts gar nicht überzeugt oder ihm infolge Nachlässigkeit nicht -um Dewußtsein kommt, daß das Schriftstück eine eidesstattliche Versicherung enthält, RGSt. 21 198, 34 298 (vgl. dazu 15 148); desgl. aber auch, wenn der Unterzeichner aus Fahr­ lässigkeit nicht weih, dah seine eidesstattliche Versicherung bei einer Behörde abgegeben werden soll, LZ. 1915 913 und NG. III IV 81/06 v. 26. 6. 06 und II 250/07 v. 14. 6. 07. Dgl. aber RGSt. 32 435 und Recht 1913 1297 und § 160 2L 3. Ein Vergehen nach §§ 156, 163 kann auch dadurch begangen werden, dah der Täter ein leeres Blatt Papier unterschreibt, es einem Dritten mit der Anweisung aushändigt, eine eidesstatt­ liche Versicherung mit bestimmtem Inhalt darüber zu schreiben, die darüber geschriebene Erklärung aber, ohne dah der Unterzeichner sich darum kümmert, sich nicht mit dem vereinbarten Inhalt deckt, GA. 57 396. Dgl. auch IW. 43 883; ferner wurde der Tat­ bestand darin gesunden, dah in einem zur Ermittelung der Erbschaftssteuer errichteten Inventar vermeintlich werttvse Ausstände verschwiegen und trotzdem die Nichtigkeit und Vollständigkeit des Inventars an Eidesstatt versichert wurde, NGSt. 1 99; siehe auch NGSt. 17 185, 21 220 (Preuh. Erblegitimationsverfahren). 3. Besondere Bettachtung verlangen einzelne bestimmte Eidesatten: a) Der überzerr-rm-Seid nach § 459 ZPO. kann nach Stooh DDB. 3 301 überhaupt nicht, nach Olsh. 3 b in der Regel nicht fahrlässig falsch geschworen werden. Nur letz­ teres ist richtig; fahrlässiges Verschulden ist bei diesem Eide nicht ausgeschlossen. Die Motte: „nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung" erheben den Eid insoweit -um Wahrheitseide. Hat -er Schwörende keine oder keine sorgfältigen Erkundi­ gungen angestellt und weih er dies, so schwört er vorsätzlich falsch, hält er die tatsäch­ lich ungenügenden Erkundigungen leichtsinnigerweise für genügend, so macht er sich des fahrlässigen Falscheides schuldig. Insofern bietet der Eid nach § 459 nichts be­ sonderes. Der Schwörende bekundet aber ferner, dah er die Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache erlangt habe. Prozessual hat in diesem Falle die Beeidigung der Überzeugung oder Nichtüberzeugung die Wirkung, -ah die Tatsache für erwiesen oder nicht erwiesen zu gelten hat. Trotz dieser Wirkung bleibt der Inhalt des Eides nur die Überzeugung von jener Tatsache. Beschwört der Schwurptlichtige, die Überzeugung erlangt zu haben, obwohl er sie nicht er­ langt hat, so liegt in der Regel (wissentlicher) Meineid vor; ist er von der Richtigkeit seiner Behauptung überzeugt, so liegt schon objektiv ein falscher Eid nicht vor. Fahr­ lässiger Faljcheid ist aber insoweit denkbar, als -er Schwörende den Überzeugungs­ eid in der irrigen Annahme leistet, unter Überzeugung sei ein mit Zweifel gemischtes Mutmahen zu verstehen und dabei versäumt hat, ''eine Annahme der Prüfung anderer zu unterstellen, obwohl hierzu Anlah und Möglichkeit bestand. So RGSt. 12 60, wo übrigens anerkannt wird, dah dies seltene Ausnahmefälle sind. Dgl. RGSt. 7 185 (fahrlässiger Glaubenseid).

Ähnlich liegt es beim Eide nach § 888 ZPO. Auch er kann fahrlä fig geschworen werden. Objektiv unwahr ist er, wenn -er Schwurpflichtige nicht alles angibt, was er über den Verbleib der Sache weih. Die Fahrlässigkeit kann darin liegen, dah der Schwörende bei pflichtmähiger Sorgsatt seine Verpflichtung erkennen konnte, alles, was er über den Verbleib wußte, anzugebcn und dah der Irrtum, eme solche Verpflichtung bestehe nicht, auf Fahrlässigkeit beruhen konnte, RGSt. 39 42, 46 140. Dgl. hierzu RGSt. 21 220 (bett, einen Eid im preuhischen Erblegitimations­ verfahren, der ausschliehlich aus das Wissen oder NichLw»s,en, Glauben oder Nichtg.auben gesteht -st).

b) Beim Sachverständigeneid ist Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen: der Eid entspricht nicht dem besten Wissen, z. D. weil der Schwörende das Gutachten ungenügend vor­ bereitet hat; er ist sich dessen nicht bewußt, konnte sich aber bei Anwendung der er­ forderlichen Aufmerksamkeit dieses Bewußtsein verschaffen.

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9. Abschnitt.

c) Der promissorische Lfsenbarrrngseid fällt ausschliehlich unter § 162; -er asser­ torische kann fahrlässig geschworen werden. Pflicht -essen, -er einen Offenbarungs­ ei- zu leisten und dabei über -en Bestand seines Vermögens Angaben zu machen hat, ist es, mit aller ihm möglichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit darauf hinzu­ wirken, -ah seine Angaben ebensowohl mit -en tatsächlichen als mit-en rechllichen Ver­ hältnissen im Einklang stehen, LZ. 1915 983. Ist dies infolge eines auf Fahrlässigkeit beruhenden tatsächlichen oder rechtlichen Irrtums nicht -er Fall, so ist der Eid fahr­ lässig geschworen, RGSt. 27 268 (woselbst übrigens anerkannt wir-, -ah der Schwö­ rende keinesfalls unter allen Umständen die Verpflichtung hat, -en Rat eines Rechts­ verständigen einzuholen, sondern die Notwendigkeit solcher Erkundigung sich immer aus -en besonderen Umständen ergeben muh, ebenso RG. V 599/12 v. 12. 11. 1912. Nach § 711 ZPO. ä. F. hatte -er Schuldner zu schwören, „dah er seim Vermögen vollständig angegeben und wissenllich nichts verschwiegen habe". Der zweite Tell dieses Eides konnte nicht fahrlässig geleistet werden, denn wenn der Schuldner in der Tat nicht wissenllich, sondern nur fahrlässig etwas verschwiegen hatte, so beschwor er nichts objektiv Falsches, wenn er aus Eid bekundete, er habe wissenllich nichts ver­ schwiegen. Dagegen konnte der erste Tell: „das Vermögen vollständig angegeben zu haben", fahrlässig geschworen werden, wenn der Schuldner bei Angabe seines Vermögens nicht mit der nötigen Sorgfalt verfahren ist, RGSt. K 205. Jetzt leistet der Schuldner nach § 807 ZPO. -en Offenbarungseid dahin: „dah er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei". Dah ein Eid in dieser Fassung fahrlässig geschworen werden kann, bedarf keiner wei­ teren Erörterung. Durch die Forderung einer nach „bestem" Wissen erfolgenden Angabe wird -er Schwörende zur Diligenz verpflichtet und ausgesprochen, dah die Eidespflicht nicht nur dasjenige umfaßt, von dem der Offenbarende weih, dah es zu -em Bestände gehört, sondern auch dasjenige, von dem er bei Anwendung -er ihm obliegenden Sorgfalt hätte wissen müssen, daß es in das Verzeichnis aufzunehmen sei; dabei sind die Worte „soweit er dazu imstande sei" nicht lediglich unter dem Ge­ sichtspunkte des allgemeinen menschlichen Erkennungsvermögens, sondern in Berück­ sichtigung der Individualität -es Verpflichteten und der besonderen Umstände des Falles zu verstehen. Das gleiche gilt für den Eid nach § 260 ZPO., RGSt. 34 400. Unter Vermögen versteht das Gesetz hier den Inbegriff der Vermögensrechte; zum Vermögen in diesem Sinne, dem Aktivvermögen, gehören im allgemeinen auch die Forderungen -es Schuldners an Dritte, RGSt. 6 208, 24 74. Deshalb sind in das Dermögensverzeichnis aufzunehmen als zum Vermögen des Schuldners gehörig: Forderungen, welche von einer vorgängig vom Schuldner zu beschaffenden Gegenleistung abhängig sind, desgleichen unsichere, ebenso der Pfändung nicht unter­ worfene Forderungen und Sachen, RGSt. 6 205, LZ. 1915 227, Recht 1912 1976, GA. 57 200, Recht 1915 1683, RG. III 5014/04 v. 16. 2. 05, ferner überschuldete Grundstücke, GA. 60 88 und solche, die einen Erttag nicht liefern, RG. V 599/12 v. 12. 11. 1912, ebenso Eigentümergrundschulden, RGSt. 45 429, Beteiligungen an G. m. b. H. und Ansprüche auf Abtretung zukünftiger Geschäftsanteile einer sol­ chen Gesellschaft, RGSt. 49 317, 24 74. Dagegen brauchen völlig wertlose, wirtschaftlich bedeutungslose körperliche und unkörperliche Gegenstände nicht aufgefühtt zu werden, GA. 57 200, RGSt. 45 433, ferner nicht solche Gegenstände, die der Zwangsvollstteckung - rein abstrakt genommen und abgesehen von der Pfänd­ barkeit im einzelnen Falle — nicht unterliegen, so z. D. die Kundschaft eines Schankgeschäfts und die Geschäftskonzession, RGSt. 42 424. Die Aufnahme von dem Schuldner nicht gehörigen Dermögensstücken in das Dermögensverzeichnis schadet nicht, RGSt. 27 417. Wie schon bemerkt, besteht eine allgemeine Verpflichtung des Schwörenden, in allen Fällen den Rat eines Rechtskundige n zu erholen, nicht; hat er jedoch Zweifel, insbesondere in rechtlicher Beziehung, so darf er sich nicht ohne weiteres bei diesen beruhigen, sondern muh sie dem den Eid ab­ nehmenden Richter mitteilen oder sich sonst wie an geeigneter Stelle vergewissern, RGSt. 27 268, Recht 1915 1683, RG. III 2810/02 v. 18. 7. 02. Der Aomhromiheid gehört nicht unter die in § 153 ausgeführten Eide, fällt deshalb auch nicht unter § 163, RGSt. 5 94.

10» Abschnitt.

Falsche Anschuldigung. § 164.

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6. Irrtümlich wäre es, anzuuehmen, -atz jede, auch die entfernteste Möglichkeit wissentlicher Verletzung der Eidespflicht die Verurteilung aus § 163 ausschließt. Ist die Kenntnis von der Unwahrheit der beschworenen Tatsache nicht erbracht, so ist zu prü­ fen, ob die etwaige Unkenntnis des Schwörenden, die dann zu seinen Gunsten anzu­ nehmen ist, auf Fahrlässigkeit beruht, RGSt. 41 390. Andererseits rechtfertigt die bloße Unerweislichkeit -es Meineids noch nicht die Verurteilung aus § 163, vielmehr Hat die Strafkammer in solchem Fall an das Schwurgericht zu verweisen, LZ. 1914 1219. 7. § 157 findet in den Fallen des § 163 keine Anwendung, DIZ. 1910 148. 8. Eine an die Geschworenen gerichtete Frage: „Ist -er Angeklagte schuldig, am ... -u ... einen ihm zugeschobenen Eid aus Fahrlässigkeit falsch geschworen zu haben­ enthält die gesetzlichen Merkmale des fahrlässigen Falscheides und bringt genügend zum Ausdruck, daß -er Eid in einem Verfahren, in welchem gesetzlich ein Eid zugeschoben werden kann, und vor einer zuständigen Behörde geleistet ist, jedenfalls dann, wenn die Frage als Hilfsfrage gestellt und in der Hauptfrage die Tat weiter spezialisiert ist, RGSt. 2 409. 9. Nach Rspr. 9 7, Recht 1912 1394 ist ein einheitlicher, die verschiedenen in Be­ tracht kommenden eidlichen Erklärungen umfassender Vorsatz bei der fahrlässigen Ver­ letzung der Eidespflicht nach der Natur -er Sache ausgeschlossen, womit die Möglichkeit der Annahme einer fortgesetzten Straftat entfällt. 10. A-s. 2. Widerruf. Die Bestimmung -es Abs. 2 gilt auch für den Parteiei-, RGSt. 16 29. gm übrigen vgl. die Ausführungen zu § 158.

Zehnter Abschnitt.

Falsche Anschuldigung. 164. Wer bei einer Behörde eine Anzeige macht, durch welche er jemand wider besseres Wissen der Begehung einer straf­ baren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht beschuldigt, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft; auch kann gegen denselben auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Solange ein infolge der gemachten Anzeige eingeleitetes Ver­ fahren anhängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entschei­ dung über die falsche Anschuldigung innegehalten werden. 1. Allgemeines zu Abschnitt 10. Die in § 164 mit Strafe bedrohte Handlung bildet in erster Linie ein Delikt gegen die Rechtspflege, Recht 1910 2757. Die Bestimmung ist nicht so sehr als im Interesse des fälschlich Angeschuldigten er­ lassen, gewissermaßen als qualifizierter Fall -er verleumderischen Beleidigung, aufzu­ fassen, nicht das private Interesse des Angeschuldigten ist vorwiegend wie bei der Be­ leidigung, vielmehr besteht -er wesentliche Charakter -es Vergehens darin, daß durch bie falsche Anschuldigung die Behörden zu einer sachlich nicht gerechtfertigten strafrecht­ lichen oder disziplinären Verfolgung veranlaßt werden können und daß dadurch die Rechtspflege gefährdet wird, RSSt. 23 373, Rspr. 9 31, Recht 1910 2757. Gl. M. Olsh. Abschn. 10A. 1, Dinding Lehrb. 2 527, Liszt 595, Schwarz 1, während Frank I — und tzeilborn DDB. 3 110 annehmen, -aß die falsche Anschuldigung sowohl gegen die Rechtspflege als gegen den Angeschuldigten sich richtet. Der Entwurf hat der herr­ schenden Auffassung folgend die falsche Anschuldigung in den Abschnitt: „Gefährdung der Rechtspflege" eingestellt. Aus dieser grundsätzlichen Auffassung ergeben sich bestimmte Folgerungen für die Auslegung, insbesondere für die Frage, ob die falsche Anschuldi­ gung gegen einen Einwilligenden strafbar ist (21. 8), welche Bedeutung das Verschweigen -von Schuld- und Strafausschließungsgründen oder Strafaufhebungsgründen hat (A. 7), Kommentar

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10» Abschnitt.

Falsche Anschuldigung. § 164.

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6. Irrtümlich wäre es, anzuuehmen, -atz jede, auch die entfernteste Möglichkeit wissentlicher Verletzung der Eidespflicht die Verurteilung aus § 163 ausschließt. Ist die Kenntnis von der Unwahrheit der beschworenen Tatsache nicht erbracht, so ist zu prü­ fen, ob die etwaige Unkenntnis des Schwörenden, die dann zu seinen Gunsten anzu­ nehmen ist, auf Fahrlässigkeit beruht, RGSt. 41 390. Andererseits rechtfertigt die bloße Unerweislichkeit -es Meineids noch nicht die Verurteilung aus § 163, vielmehr Hat die Strafkammer in solchem Fall an das Schwurgericht zu verweisen, LZ. 1914 1219. 7. § 157 findet in den Fallen des § 163 keine Anwendung, DIZ. 1910 148. 8. Eine an die Geschworenen gerichtete Frage: „Ist -er Angeklagte schuldig, am ... -u ... einen ihm zugeschobenen Eid aus Fahrlässigkeit falsch geschworen zu haben­ enthält die gesetzlichen Merkmale des fahrlässigen Falscheides und bringt genügend zum Ausdruck, daß -er Eid in einem Verfahren, in welchem gesetzlich ein Eid zugeschoben werden kann, und vor einer zuständigen Behörde geleistet ist, jedenfalls dann, wenn die Frage als Hilfsfrage gestellt und in der Hauptfrage die Tat weiter spezialisiert ist, RGSt. 2 409. 9. Nach Rspr. 9 7, Recht 1912 1394 ist ein einheitlicher, die verschiedenen in Be­ tracht kommenden eidlichen Erklärungen umfassender Vorsatz bei der fahrlässigen Ver­ letzung der Eidespflicht nach der Natur -er Sache ausgeschlossen, womit die Möglichkeit der Annahme einer fortgesetzten Straftat entfällt. 10. A-s. 2. Widerruf. Die Bestimmung -es Abs. 2 gilt auch für den Parteiei-, RGSt. 16 29. gm übrigen vgl. die Ausführungen zu § 158.

Zehnter Abschnitt.

Falsche Anschuldigung. 164. Wer bei einer Behörde eine Anzeige macht, durch welche er jemand wider besseres Wissen der Begehung einer straf­ baren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht beschuldigt, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft; auch kann gegen denselben auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Solange ein infolge der gemachten Anzeige eingeleitetes Ver­ fahren anhängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entschei­ dung über die falsche Anschuldigung innegehalten werden. 1. Allgemeines zu Abschnitt 10. Die in § 164 mit Strafe bedrohte Handlung bildet in erster Linie ein Delikt gegen die Rechtspflege, Recht 1910 2757. Die Bestimmung ist nicht so sehr als im Interesse des fälschlich Angeschuldigten er­ lassen, gewissermaßen als qualifizierter Fall -er verleumderischen Beleidigung, aufzu­ fassen, nicht das private Interesse des Angeschuldigten ist vorwiegend wie bei der Be­ leidigung, vielmehr besteht -er wesentliche Charakter -es Vergehens darin, daß durch bie falsche Anschuldigung die Behörden zu einer sachlich nicht gerechtfertigten strafrecht­ lichen oder disziplinären Verfolgung veranlaßt werden können und daß dadurch die Rechtspflege gefährdet wird, RSSt. 23 373, Rspr. 9 31, Recht 1910 2757. Gl. M. Olsh. Abschn. 10A. 1, Dinding Lehrb. 2 527, Liszt 595, Schwarz 1, während Frank I — und tzeilborn DDB. 3 110 annehmen, -aß die falsche Anschuldigung sowohl gegen die Rechtspflege als gegen den Angeschuldigten sich richtet. Der Entwurf hat der herr­ schenden Auffassung folgend die falsche Anschuldigung in den Abschnitt: „Gefährdung der Rechtspflege" eingestellt. Aus dieser grundsätzlichen Auffassung ergeben sich bestimmte Folgerungen für die Auslegung, insbesondere für die Frage, ob die falsche Anschuldi­ gung gegen einen Einwilligenden strafbar ist (21. 8), welche Bedeutung das Verschweigen -von Schuld- und Strafausschließungsgründen oder Strafaufhebungsgründen hat (A. 7), Kommentar

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2. Teil.

10. Abschnitt.

ob -ie Beschuldigung gegen eine lebende, individuell kenntlich gemachte Person gerichtet sein muh (2L 2). Wie RGSt. 46 87 nachgewiesen wird, regelt $ 164 die Mckterie der falschen An­ schuldigung abschließend im Sinne des § 2 EGS1GD., so daß die Landesgesetzgebung nicht befugt ist, z.D. auch fahrlässig falsch erstattete Anzeigen mit Strafe -u bedrohenx dagegen erstreckt sich die Materie der falschen Anschuldigung nicht auf Anzeigen, -ie» wenn sie auch strafbare Handlungen betreffen, -och keine „Anschuldigungen" sind, weil sie nicht einer bestimmt vorhandenen und erkennbaren, also verfolgbaren Person straf­ bare Handlungen zur Last legen; deshalb wird RGSt. 46 87 -ie Bestimmung des Z 10 Ar. 7 Draunschw. PS1GD., die aus -em Gesichtspunkte der öffentlichen Ordnung -ie Behörden im allgemeinen gegen Irreführung schützen sott, als zu Recht bestehen­ anerkannt. 2. Die Anschuldigung mutz sich -ege« eine bestimmte, vom Anzeigenden verschie­ dene, lebende und individuell erkennbar gemachte Person richten, wobei es allerdings nicht nötig ist, dah sie mit Namen genannt oder der Behörde aus der Anzeige ohne wei­ teres erkennbar ist, vielmehr genügt es, wenn sie ermittelt werden kann; -lohe Anzeige eines objektiven Tatbestandes ohne Hinweis auf eine bestimmte oder unter Hinweis auf eine erdichtete, nicht existierende Person als Täter genügt nicht; auch Selbstbezichtigung füllt nicht unter § 164; endlich muh -er Angeschuldigte der in­ ländischen Strafgewalt unterliegen, RGSt. 46 87, Rspr. 3 192, GA. 47 287. 3. Der äußere Tatbestand erfordert weiter, dah eine Anzeige erstattet wird. An­ zeige ist hier nicht im technischen Sinne des § 156 StPO, zu verstehen, vielmehr ist als solche jede Kundgebung zu erachten, die geeignet ist, eine Behörde zur Anbahnung eines gerichtlichen oder disziplinären Strafverfahrens zu veranlassen, RG. I 5825/02 v. 29. 12. 02. Die Anzeige muh aber e ne freiwillige, einseitige, aus der Initiative des Anzeigenden hervorgegangene Mitteilung sein, RGSt. 8 163, 10 274, 42 18, Rspr. 6 641, 9 31, RMG. 15 268, GA. 47 287, 49 273, 52 388; a. M. Dinding Lehrb. 2 528, Heilborn DDB. 3 107. Eine solche einseitige, ohne Anlah der Behörde geschehene Mitteilung wird in der Regel dann nicht vorliegen, wenn die Mitteilung ome Anlah oder bei einer Vernehmung des Mitteilenden als Beschuldigter, Zeuge ode^ sonstwie geschieht, doch ist sie auch hier denkbar, wenn die angezeigten Tatsachen in Har keiner Verbindung zu der Angelegenheit stehen, um welche es sich bei -er betr. Vernehmung oder Aufforderung handelt, die Anschuldigung vielmehr nur in der Absicht erhoben ist, eine Verfolgung des Beschuldigten herbeizuführen, wohingegen die bloße Freiwillige Angabe ohne Befragen allein nicht ausreicht, um die Angabe bei einer Vernehmung oder aus Anlaß einer gerichtsseitigen Aufforderung zur Erklärung zu eine>r Anzeige im Sinne des § 164 zu machen. So kann es dem Beschuldigten nicht verwehet wer-en, beim Verhör einen anderen zum Zwecke seiner eigenen Verteidigung unwahrerweise einer strafbaren Handlung zu beschuldigen, sei es, daß er ihn z. D. bei einer Körper­ verletzung als den Angreifer bezeichnet, sei es, dah er ihm, um seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern, eine andere Straftat zur Last legt, GA. 52 388, Rspr. 9 31; nur wenn der Angeklagte bei solcher Gelegenheit nicht mehr als sich verteidigender Beschuldigter, sondern losgelöst und unabhängig von einer für ihn bezweckten Verteidigung in der selbständigen Absicht gehandelt hat, den anderen einer strafbaren Handlung zu bezich­ tigen, liegt eine Anzeige nach § 164 vor, LZ. 1915 914. Eine freiwillige Anzeige kann auch dann vorliegen, wenn dem Anzeiger nach der ZPO. eine ff t i ft zur Erstattung der Anzeige gestellt ist. Recht 1911 260. Wer bei einer Polizeibehörde einen erdichteten Diebstahl anzeigt und bei seiner daraufhin erfolgenden Vernehmung eine bestimmte Person als des Diebstahls verdächtig bezeichnet, erstattet gegen diese eine Anzeige, RGSt. 42 18; vgl. RÄSt. 58 208; ebenso kann die Anzeigeerstattung da­ durch geschehen, daß jemand bei der Staatsanwaltschaft ein fälschlich angefcrtigtes Geständnis des fälschlich Beschuldigten einreicht, RGSt. 7 47, oder indem er in einem gegen ihn anhängigen Strafverfahren ohne Veranlassung der Behörde eine Ein­ gabe, sei es auch zum Zwecke seiner Verteidigung, macht, GA. 47 160. Ähnlich GA. 49 273 (Endzweck ohne Bedeutung). Dgl. auch RG. IV 4606 v. 25.9.06 (Wiederaufnahmegesuch). Eine bestimmte Form der Anzeige ist nicht vorgeschrieben, sie kann ununterschrieben oder von einem Dritten oder mit einem erdichteten Namen unter chrieben sein, RG.

Falsche Anschuldigung.

§ 164.

419

III1750/02 v. 10. 5. 02, III 2893/04 v. 1.12.04; kann in Form -er Privatklage, Rspr. 1 44, 5 620, Recht 1916 344, oder der Ladung -um Sühnetermin erstattet werden', Schwartz 2; letzteres bestritten von Dinding Lehrd. 2 532, Olsh. 1 Abs. 47 (wenn die Ladung nicht nur als Dorwand benutzt wird, um die strafbare Handlung zur Kenntnis der Behörde zu bringen). Die Bezugnahme auf MitteUung anderer oder auf umlaufende G e r ü ch t e kann genügen, GA. 56 85.

4. Die Anzeige mutz bei einer Behörde erstattet sein. Wegen des Begriffs vgl. $ 114 2L 1. Datz sie zur Empfangnahme dieser Anzeige oder von Anzeigen überhaupt zuständig oder auch nur zur Weitergabe an die zuständige Behörde verpflichtet ist, ver­ langt das Gesetz nicht, GA. 34 425. Die Behördeneigenschast wurde verneint bei den katholischen Bischöfen, RGSt. 47 49, bei -en preutzischen Förstern, dagegen bejaht beim Amtsvorfteher, RG. IV 3 40/12 v. 7. 6. 1912, beim Oberförster, DIZ. 1907 240, RGSt. 41 443, ebenso beim Bataillons-Kommandeur, Recht 1907 1478, beim Re­ gimentskommandeur, RG. IV 315/08 v. 19. 5. 08, bei de: Verwaltung einer Armee­ konservenfabrik, RG. I 1053/05 v. 25.6.05, bei einem preutzischen Oberfischer­ meister, RG. II 4811/01 v. 4« 2. 02; verneint beim preutzischen Bahnmeister, DIZ. 1904 817. Richt als Behörde im Sinne des § 164 sind zu erachten die blotzen Organe einer Behörde, wie Schutzleute, Gendarmen usw., mögen dieselben auch nicht lediglich zur Ausführung höherer Aufträge, sondern zugleich zum selbständigen Einschreiten in dem ihren dienstlichen Berechtigungen und Obliegenheiten entsprechenden Umfange berufen sein, RGSt. 8 9, 33 385. Dementsprechend ist als Behörde nicht anzusehen ein Schutzmann, RGSt. 27 51, auch dann nicht, wenn er die Anzeige in -en Diensträumen seiner Behörde entgegengenommen hat, es sei denn, -atz er hinsichtlich der Entgegen­ nahme von Anzeigen zur Vertretung seiner Behörde ermächtigt war, wie dies z. D. bei den -en Berliner Polizeirevieren beigegebenen Kriminalwachtmeiftern und ersten Kriminalschutzleuten der Fall ist, RGSt. 38 20, 39 359; vgl. auch RG. II 2518/02 v. 23. 9. 02 (preutzischer städtischer Polizeiinspektor, an sich nicht Behörde, kann aber Vertreter sein). Wird an einen Schutzmann, der nicht Behörde ist, eine Anzeige erstattet, so gilt sic als bei der Behörde erstattet erst dann, wenn der Schutzmann sie dem Willen des Anzeigenden entsprechend an die Behörde weitergegeben hat. Unterabtei­ lungen einer Behörde, Polizeiwachen, sind in der Regel Behörden im Sinne des § 164, RGS. 32 95. Wir- die Anzeige widerrufen, bevor das dieselbe entgegen­ nehmende Organ -er Behörde sie an diese weiter gegeben hat, so beruht die Kenntnis­ nahme durch die Behörde nicht mehr auf dem Willen des Anzeigenden, GA. 52 246, Recht 1911 3947. Erstattet jemand eine Anzeige wegen Beleidigung eines Polizei­ beamten bei diesem selbst behufs Weitergabe an die Behörde und gibt der angeblich Beleidigte sie mit Strafantrag weiter, so ist mit Eintreffen bei der Behörde die Anzeige im Sinne des § 164 erstattet, RG. III 854/13 v. 1.12. 1913. Kommt -er Schutzmann, bei -em die Anzeige erstattet wurde, auf Grund der von ihm gepflogenen Erhebungen zu der Überzeugung, datz eine wissentlich unwahre Anzeige vortiege und gibt er dieser Meinung bei der Abgabe an die Behörde Ausdruck, so trifft trotzdem § 164 zu, da die Abgabe immer noch -em Willen -es Anzeigenden entspricht, RGSt. 34 204 (dazu aber RGSt. 33 383). 5. Inhaltlich mutz die Anzeige dahin gehen, datz der Angezeigte sich einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht schuldig gemacht habe. Die Anschul­ digung muh aus eine bestimmte strafbare Handlung gerichtet (ein, es genügt nicht, datz nur ein allgemeiner Vorwurf erhoben wird, RMG. 4 126, Recht 1907 263, 842. Richt notwendig ist, -atz alle Tatbestandsmerkmale der in Frage kommenden Straftat ein­ zeln ausgeführt sind, es reicht hin, wenn die äutzere Handlung derart erkennbar gemacht ist, -atz die Strasversolgungsbehörde sich zur Einleitung eines Strafverfahrens veranlatzt sehen konnte und der Anzeigende dies wutzte, RGSt. 41 60, 3 228. Unter straf­ barer Handlung ist eine zur angeblichen Zeit der Tat nach inländischem Rechte mit Kriminalstrafe (nicht nur mit Ordnungsstrafe) (Sächs.A. 1912 533) bedrohte Hand­ lung zu verstehen, RGSt. 32 77, wobei, wenn die Beschuldigung auf eine im^uelande begangene Straftat geht, festzustellen ist, ob die Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 StGB, vorliegen, bei der Voraussetzung verbürgter Gegenseitigkeit, ob diese verbürgt

420

Strafgesetzbuch.

2. Seil.

10. Abschnitt.

ist, Rspr. 3 457. Ergibt sich aus der Darstellung des Sachverhalts in der Anzeige ohne weiteres, -atz eine strafbare Handlung nicht vorliegt, so beim Vorhandensein eines Schuldausschließungsgrundes, Recht 1938 901, selten wohl hinsichtlich bloßer Straf­ ausschließungsgründe, Recht 1998 150 (betr. § 56 StGB.) (z. D. der Anzeigende gibt seinen Ehegatten als Täter eines Diebstahls an), so fehlt -er objektive Tatbestand des § 164, RGSt. 21 101. Beschuldigungen wegen kontraktlich strafbarer Handlungen fallen nicht unter $ 164, Olsh. 4 Abs. 3. Die rechtliche Qualifikation der Handlung braucht nicht aus -er Anzeige hervorzugehen, falsche technische Bezeich­ nung ist gleichgültig, ebenso unrichtige Subsumtion der Handlung unter das Gesetz, es genügt, daß die mitgeteilten Tatsachen, wenn sir richtig wären, den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllen würden, RGSt. 3 228, GA. 56 85,44 139, RG. III552/08 v. 15.10.08, und zwar nicht mnr «ach brr subjektiven Auffaffnng bei Täters, RG. n 2518/02 v. 23.9.02; auch indirekte Beschuldigung genügt, D. Hinweis auf umlaufende Gerüchte, Aussprechen einer Vermutung, Ann. 4 14, RG. HI 446/07 v. 7. 10. 07, GA. 56 85. Wo nicht die Strafbarkeit, sonderi» nur die Strafverfolgung von -em Dorliegen eines außerhalb des Tatbestandes liegenden Umstandes abhängt, ist objektiv der Dor­ wurf einer strafbaren Handlung in -er Anzeige auch dann enthalten, wenn diese Vor­ aussetzung nicht oder noch nicht erfüllt, z. D. beim Ehebruch noch nicht geschieden, bei Antragsdeliktcn der Antrag noch nicht gestellt ist; denn die Behörde ist nach Erstattung einer solchen Anzeige nicht behindert, schon vor Anbringung eines förmlichen Strafantrages die Verfolgung einzuleiten, die Anzeige ist also geeignet, eine Untevsuchung zu veranlassen und mehr ist objektiv nicht erforderlich. Der Täter braucht sich auch nicht bewußt zu sein, -aß Strafantrag gestellt ist oder demnächst gestellt werden wir-, wie Olsh. 12 annimmt (vgl. dazu A. 8), GA. 57 207 (dazu aber RG. III 5381/04 v. 21. 11. 04: § 164 srtzt das Bewußtsein der Verfolgbarkeit voraus). Recht 1907 586, 1253, 1512 1857, LZ. 1914 378, Recht 1915 1684 (wo ausgeführt wir-, RG. I 164/15 v. 26. 4. 15, daß, wenn nicht bei Antragsdelikten die Unzulässigkeit -er Verfolgung der Tat sich aus der Anzeige selbst ergibt, -er Umstand allein, daß nach -er Darstellung -er Anzeige -ie Unzulässigkeit der Verfolgung möglich ist, insbesondere die Antrags­ frist abgelaufen sein kann, nicht geeignet ist, Straflosigkeit zu begründen. 6. Der Beschuldigung einer strafbaren Handlung steht gleich die Beschuldigung der Verletzung einer Amtspflicht. Alternative Feststellung wird zulässig erachtet StRg. 1914 617, a. M. Olsh. 4. Die Beschuldigung muß sich gegen -en In­ haber eines (öffentlichen) Amtes, nicht gegen einen bloßen Amtsträger richten, Din­ ding Lehrb. 2 532; vgl. aber Frank II 3. Der aktive Offizier ist Beamter im Sinne des § 164, RGSt. 20 268, dagegen nicht der verabschiedete Offizier, er kann durch un­ würdiges Verhalten die Standesehre, nicht aber eine Amts(Dienst)pflicht verletzen, RGSt. 35 99. Soweit disziplinäre Bestimmungen den Beamten die Pflicht aufer­ legen, sich durch ihr Verhalten in und außer -em Amte der Achtung würdig zu zeigen, die der Beruf erfordert, genügt auch der Vorwurf unwürdigen außerdienstlichen Ver­ haltens, Rspr. 10 554, RGSt. 33 29, GA. 46 319, Recht 1911 1445. 7. Die angezeigte Handlung muß objektiv unwahr, die Anzeige objektiv falsch sein; dies ergibt sich mi6 den Worten: wider besseres Wissen. Die bloße Angabe falscher Be­ weismittel (z. D. es liege ein außergerichtliches Geständnis vor) macht die Anzeige noch nicht zu einer objektiv falschen, RGSt. 16 37, wohl aber kann die Anzeige schon dann objektiv falsch (ein, wenn sie auch nur teilweise der Wahrheit nicht entspricht. Dagegen reichen bloße Übertreibungen zur Anwendung des § 164 nicht aus; hat der An­

gezeigte sich wirklich einer Tat, wie sie angezeigt ist, schuldig gemacht, so wird der An­ zeigende nicht aus § 164 strafbar, wenn er wider besseres Wissen den Sachverhalt über­ trieben dargestellt und damit dem Angeschuldigten ein größeres Maß von Schuld an­ gedichtet, -. B. bei einer Anschuldigung wegen Diebstahls die Zahl oder -en Wert der angeblich gestohlenen Sachen zu hoch angegeben hat, vorausgesetzt, allerdings, daß die behaupteten unwahren Tatsachen nur für -ie Strafzumessung von Erheblichkeit sein würden, ohne den strafrechtlichen Charakter der Tat zu ändern, RGSt. 13 12, 27 229, LZ. 1916 151, Recht 1915 2613, 1908 2887 (genügt, daß -ie Tat sich als aus § 187 statt aus § 186 strafbar darstellt), Recht 1917 731 (vgl. aber dazu Olsh. 8 Abs. 3). Es kommt dabei aber immer darauf an, daß dem Beschuldigten nur eine strafbare Handlung

Falsche Anschuldigung.

§ 164.

421

vorgeworfen und diese übertrieben oder entstellt wirb; dies trifft auch dann noch zu, wenn die Anschuldigung erhoben wird, der Angezeiqte habe bei einer eidlichen Verneh­ mung über verschiedene Tatsachen wissentlich falsch ausgesagt und die Anschuldigung hinsichtlich einzelner oder auch nur einer Tatsache richtig ist oder vom Anzeiger für richtig gehalten wird; denn die bei ein und derselben Vernehmung, sei es mi# über verschie­ dene Tatsache.., wissentlich falsch gemachte Aussage bildet immer nur e i n Verbrechen des Meineids, RGSt. 28 392, 39 59, LZ. 1915 708,1914 687. Anders liegt die Sache dann, wenn der Angezeigte neben einer von ihm begangenen oder doch vom Anzeiger für begangen erachteten Tat gleichzeitig anderer, damit sachlich zusammentreffender Straftaten wider besseres Wissen beschuldigt wird. Eine solche teils wahre, teils un­ wahre Anzeige fällt unter § 164, GA. 44 136. Dabei macht es keinen Unterschied, daß Dienstvergehen den Gegenstand der Anschuldigung bitten und für diese nach der ein­ schlägigen Disziplinargesetzgebung die Strafe nur einheitlich feftzusetzen ist, GA. 52 253. Ob in der Behauptung, die Angezeigte habe sich dem Anzeiger gegen Bezahlung geschlechtlich hingegeben, eine Beschuldigung gewerbsmäßiger Unzucht und insoweit einer strafbaren Handlung liegt, ist Tatfrage; wir- sie bejaht, so ist nach RGSt. 41 59 z 164 nicht anwendbar, wenn die Angezeigte wirklich gewerbsmäßig Unzucht treibt, mag auch die Behauptung stattgehabten Geschlechtsverkehrs mit dem Anzeigenden wissentlich unwahr sein, „ba der Angeklagte dann nur eine in der gewerbsmäßigen Straftat ausgehende Einzeltat erfunden habe"; (vgl. dagegen Lindenberg DgZ. 1913 1002). Das erwähnte Urteil bezeichnet es auch als bloße Übertreibung, wenn Geschlechts­ verkehr behauptet wird, solcher zwar nicht ftattgefunden hat, die Angezeigte sich aber unzüchtige Betastungen hat gefallen lassen. Dgl. auch GA. 54 422 (Beleidigung un­ grober Unfug), ferner AG. III 2806/02 v. 22. 9 02 (Anzeige mehrerer selbständiger Diebstähle, von denen einzelne nicht begangen sind), Recht 1908 507. Eine Anzeige ist auch dann falsch, wenn -er Anzeigende in -er sonst wahrheitsgemStzeu Anzeige von einer an sich strafbaren Handlung -es Angezeigten geflissentlich solche Tatumftände verschweigt, welche für den Angezeigten, dem Anzeiger bewußt, Straffreiheit bewirken würden, deren Kenntnis den Staatsanwalt von der Verfolgung des in diesem Falle straflos erscheinenden Angezeigten abhalten würde — Schuld-, Straf ausschließungs- und Strafaufhebungsgründe; dies trifft zu, wenn bei einer An­ zeige wegen Beleidigung nach § 186 verschwiegen wird, -ah die behaupteten Tatsachen wahr sind, RGSt. 7 209; oder wenn der Anzeigende damit rechnet, die ihm bekannte Wahrheit -er angeblich behaupteten ehrenrührigen Tatsachen würde nicht erwiesen werden, RGSt. 19 386, RG. III 4594/02 v. 4. 12. 02, FW. 1913 935; desgl., wenn er verschweigt, daß auf Seite -es Angezeigten Notwehr vorlag, Recht 1913 782. Dgl. auch RG. 15 391, 23 371, 28 254 (strafbar nach § 164 ist, wer die Handlung eines Anderen als strafbar darstellt; dabei aber wissentlich verschweigt, -atz ein Straf- oder Schuldausschließungsgrund vorliegt; wer aber in -em Glauben, der Andere habe eine strafbare Handlung begangen, diese anzeigt, wenn auch mit Unterdrückung von Tat­ sachen, welche -en Angezeigten weniger strafbar erscheinen lassen würden, begeht den Tatbestand des § 164 nicht). Unter § 164 fallend wurde RG. III 5916/02 v. 16. 2. 03 eine Anzeige wegen Diebstahls erachtet, bei der der Anzeigende verschwiegen hatte, daß der Wegnehmende sich für -en Eigentümer -er Sache hielt. Dgl. auch GA. 39 69 (Befugnis zum Waffengebrauch). § 164 trifft auch dann zu, wenn der Anzeigende bewußt die Tatsache eingetretener Verjährung verschweigt. Zu weit geht hier RGSt. 1 229, wonach $ 164 selbst dann Anwendung finden soll, wenn sich aus der Darstellung -er Tat in der Anzeige die Verjährung klar ergibt, gn solchem Falle liegt eine Anzeige, die geeignet ist, eine Strafverfolgung herbeizuführen, überhaupt nicht vor (vgl. A. 5), dagegen hebt die bloße Möglichkeit des Vorhandenseins nicht angedeuteter Strafaus­ schließungsgründe den Inhalt -er Behauptung nicht auf, vielmehr mußte der Anzeigende selbst sie hinzufügen, wenn er seine Behauptung nicht im Sinne des Vorwurfes einer strafbaren Handlung verstanden wissen wollte, RGSt. 3 228, 21 104, IW. 1915 345. Dementsprechend wird anzunehmen sein, daß § 164 auch dann anwendbar ist, wenn der Anzeigende mit der Möglichkeit eingetretener Verjährung rechnet, hiervon nichts erwähnt und im Lause des eingeleiteten Verfahrens sich ergibt, daß tatsächlich Ver­ jährung eingetreten ist.

422

Strafgesetzbuch.

2. Tell.

10. Abschnitt.

8. Zum irmerem Tatbestände gehört zunächst die Überzeugung, daß die Anzeige unVahr ist; Eventualdolus reicht in dieser Beziehung nicht aus; rechnet der Anzeigende mit der Möglichkeit, die Anzeige könne wahr sein, erstattet sie aber auch auf die Gefahr der Unwahrheit hin, so handelt er nicht wider besseres Wissen; er mag sich dann der Beleidigung schuldig machen, § 164 liegt aber nicht vor, RGSt. 18 SS, SS 303, auch dann nicht, wenn er dabei unwahr behauptet, er sei selbst Zeuge der Tat gewesen, Recht 1907 3411. Das Bewußtsein -er Unrichtigkeit muß z. Z. der Anzeige­ erstattung vorhanden sein, dolus superveniens schadet nicht, Olsh. 7; ausdrückliche Feststellung des Bewußtseins ist erforderlich. Weiter ist erforderlich Bewußtsein und Wille (Vorsatz), daß der Dvrwurf einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht und -war bei einer Behörde erhoben werde und daß die Anzeige die Ein­ leitung eines Straf- oder Disziplinawerfahrens zur Folge haben könne, GA. 57, RGSt. 7 47, 207. Dgl. dagegen Frank III 3 betr. Disziplinaw erfahren. Nach allen diesen Rich­ tungen genügt auch bedingter Vorsatz, RGSt. 18 SS; LZ. 1917 1017. Da bei Antrags­ delikten eine Verfolgung eingeleitet werden kann, wenn auch zunächst ein Antrag noch nicht gestellt ist, ist das Bewußtsein des Anzeigenden, ein solcher sei gestellt oder werde demnächst gestellt werden, nicht erforderlich, GA. 57 207; dagegen Oleh. 12. Dgl. A. 5. Die irrige Meinungdes Anzeigenden, die von ihm angezeigten Tatsachen bildeten einen strafbaren Tatbestand, reicht nicht aus, auch ist es gleichgültig, wenn der Staatsanwalt wegen falscher Rechtsauslegung der Anzeige Folge gibt, obwohl sie einen strafbaren Tatbestand nicht enthält Recht 1904 553, 1911 1844. Auch der Glaube des Anzeigenden, der Angezeigte habe die Tat nicht begangen, während er sie in Wirtlichkeit begangen hat, vermag die Strafbarkeit aus § 164 nicht zu begründen, Frank II 4. Andererseits kann der Angeklagte sich nicht darauf berufen, er habe infolge strafrechtlichen Irrtums seine Mitteilung an die Behörde nicht für eine „Anzeige" gehalten, RG. IV 1259/05 v. 12. 6. 06. Erstattet jemand eine Anzeige wegen Beleidigung (§ 186), zu­ gefügt durch -en Vorwurf ehrenrühriger Handlung, unter Verschweigen der Wahrheit des Vorwurfs, aber in -em Glauben, die Kundgebung sei im Hinblick auf § 192 nach § 185 trotz der Erweislichkeit -er vorgeworfenen Tatsachen strafbar, so soll nach RG. III 4585/00 v. 26. 4. 01 der erforderliche Dolus auch dann fehlen, wenn der Glaube aus Rechtsirrtum beruht, also auch eine Straftat nach § 1Y5 nicht vorliegt. (Hier geht doch -er Wllle des Anzeigenden nicht auf bloße Übertreibung, vielmehr beschuldigt er wider besseres Wissen -en Angezeigten einer anderen Tat, als derjenigen, die er wirt­ lich oder nach der Meinung des Anzeigenden begangen hat).

Eine über den vorbezeichneten Vorsatz hinausgehende Absicht ist nicht erfor­ derlich, weder die Absicht, eine Verfolgung, noch die, eine Verurteilung oder Bestra­ fung herbeizusühren; es genügt das Bewußtsein, daß die Anzeige eine Verfolgung zur Folge haben könne. Auf -en Endzweck kommt es ebensowenig an, RGSt. 1 229, Rspr. 4 522, RGSt. 10 274 (der Anzeigende will durch die Anzeige ein gegen ihn ergan­ genes Urteil beseitigen), LZ. 1914 378. Durch dieAbsicht, berech tigte In­ teressen wahrzunehmen, wird -er Tatbestand des § 164 nicht ausge­ schlossen, § 193 findet hier keine Anwendung, RGSt. 10 274, Rspr. 9 81, RG. in 2150/03 v. 17. 9. 03 und III 484/05 v. 9. 11. 05; doch ist hierbei nicht zu übersehen, -ah die Anzeige eine freiwillige sein muß, und daß sie dies nicht ist, wenn die Anschul­ digung bei gerichtlicher Vernehmung zum Zwecke der Verteidigung erhoben wird. Dgl. A. 3. Die Einwilligung des Angezeigten macht ebensowenig straflos als die Absicht der Zurücknahme (vgl. A. 1), Recht 1910 2757, oder wie die Zurück­ nahme selbst, A. 9. 9. Vollendet ist die Straftat, sobald die Anzeige mit dem Willen des Anzeigenden zur Kenntnis -er Behörde, bei der sie erstattet wurde (vgl. A. 4 bei Erstattung der Anzeige an das „Organ" einer Behörde) gekommen ist; nur bis dahin kann sie zurück­ genommen werden, RGSt. 34 203 (dazu 33 383), Rspr. 1 245. Die Einleitung eines Verfahrens gehört nicht zur Vollendung. 10. Mittelbare Täterschaft ist möglich, wenn der Anzeigende einen Anderen, der die Unwahrheit der Anzeige nicht kennt, zu deren Erstattung veranlaßt, RGSt. III 5099/03 v. 11. 2. 04, Recht 1912 829.

Falsche Anschuldigung.

§ 165.

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11. Jdealtorrlrrrrenz zwischen § 164 und § 187 ist möglich, denn es gibt strafbare Handlungen, die nicht geeignet sind, -en Täter verächtlich zu machen oder in der öffent­ lichen Meinung herabzuwürdigen. Der Tatbestand des § 187 ist daher nicht notwendig ein Teil des Tatbestands des § 164, RG. III 2254/02 v. 19. 6..02 und III 2893/04 V. 1. 12. 04, ferner SA. 43 391; auch RGSt. 58 208; ebenso gdealtonturrenz mit § 186, Rspr. 8 785, RGSt. 1233, 29 54, desgleichen mit$ 267, RGSt. 747 (Einreichung eines angeblich von dem Angezeigten unterschriebenen Geständnisses bei der Staatsanwalt­ schaft). Während bei Übertreibung im Falle der Anzeige einer einheitlichen straf­ baren Handlung § 164 nicht anwendbar ist (vgl. A. 7), kann in solchem Fall unter Ampänden noch Verurteilung aus § 187 eintreten, GA. 51 44. 12. In Absatz 2. Wird infolge der falschen Anschuldigung ein strafrechtliches oder Disziplinarisches Verfahren eingeleitet, so soll, solange dieses anhängig ist, mit dem' Verfahren und mit der Entscheidung über die falsche Anschuldigung innegehalten wer­ den. Trotz -es Ausdruckes „soll" ist die Vorschrift zwingend und ihre Nichtbeachtung enthält die Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren, RGSt. 31 231, GA. 39 235. Unter dem eingeleiteten Verfahren ist nicht nur das gerichtliche, son­ dern auch Las staatsanwaltschastliche Ermittelungsverfahren zu verstehen, das jedoch nicht schon mit dem Eingänge der Anzeige als eingeleitet anzusehen ist, vielmehr mutz auf die Anzeige eine einleitende Verfügung ergangen sein, RGSt. 8 184, RG. III 2987/02 v. 29. 9. 02, RG. V 795/05 v. 9. 4. 06. Die von den Polizeibeamten selbständig gepflogenen Erhebungen gelten nicht als eingeleitetes Verfahren, RG. IV 2184/01 v. 9. 7. 01. Die Einstellung kann auch stillschweigend geschehen und dies liegt vor, wenn aus den sonstigen Handlungen -er Staatsanwaltschaft mit Be­ stimmtheit erhellt, -ah sie das eingeleitete Verfahren nicht fortsetzen will, RGSt. 8 187, ohne Rücksicht, ob sie den Antragsteller beschie-en hat. Recht 1996 2312. Auf bas Verfahren in -er Revisionsinstanz findet § 164 Abi. 2 keine Anwendung, RGSt. 26 365, Recht 1916 1222. Solange die einmonatige Frist - es § 170 StPO, noch läuft, ist das Verfahren anhängig, RG. III 735/09 v. 15.11. 09, Recht 1919 245, 1912 143, desgleichen wenn der Angeklagte nach Abweisung -er Anzeige an die Staats­ anwaltschaft Privatklage erhoben hat, RG. IV 2143/10 v. 3. 7. 10 und Recht 1915 261, 1916 344.

165. Wird wegen falscher Anschuldigung auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugnis zuzusprechen, die Ver­ urteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekanntzumachen. Die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben, ist in dem Urteile zu bestimmen. Dem Verletzten ist auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urteils zu erteilen. 1. Die Beröffentlichungöbefugniö. welche nach § 165 dem Verletzten zugesprochen werden muh, wenn wegen falscher Anschuldigung auf Strafe erkannt ist, wird von den einen als bloße Privatgenugtuung, von den anderen als N e b e n st r a f e bezeichnet. Erstere Ansicht vertreten Olsh. 1, Binding Lehrb. 2 535, Liszt 597, Frank T. I Abschn. 1 Nr. III 1, Meyer Alls. 343, Schwartz 2, letztere und zwar nach den in -er PlE. RGSt. 6 180 zu § 200 gemachten Ausführungen mit Recht das RG. RGSt. 16 73, RG. I 894/12 v. 9. 9. 1912 und neuerlich RGSt. 58 208 und RMG. 16 6. gst die Deröffentlichungsbefugnis Strafe, so kann auf sie bei gdealkon1 u r r e n z nicht erkannt werden, wenn bas zur Anwendung kommende fchwerere Gesetz (z. D. § 268) diese Nebenstrafe nicht kennt, RG. I 894/12 v. 9. 9. 1912, RG. IV 5398/03 v. 8. 3. 04, RGSt. 58 208. Obwohl die Deröffent­ lichungsbefugnis nicht erst durch die Verurteilung, sondern schon durch die Tat begründet wird und nur ihre Ausübung durch die Verurteilung und durch das gusprechen im lltleile suspensiv bedingt ist, geht sie doch als rein persönliches Recht nicht auf die E r b e n -es vor der Verurteilung gestorbenen Verletzten über, kann deshalb ihnen nicht zugeFprochen und von ihnen nicht geltend gemacht werden, RGSt. 16 73 (woselbst auch noch

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

1L Abschnitt.

-er für § 165 kaum interessierende Fall erörtett wird, wie es zu halten ist, wenn der nachher verstorbene Verletzte schon vor -em Arteile -en Antrag gestellt hat, ihm die Derössentlichungsbesugnis zuzusprechen). 2. Die Bestimmung über die Veröffentlichung hat im entscheidenden Teile des Urteils zu erfolgen. Die Vorschrift ist zwingender Natur. We­ gen etwaiger Ausnahmen (besonders bei Gesamtstrafe) vgl. GA. 46 346. Nach Olsh. 3 und jetzt auch Dinding Lehrb. 2 535 (dagegen Handb. 1 718) ist dem Verletzten die DerSffentlichungsbesugnis auch dann zuzusprechen, wenn er in die Erhebung der falschen Anschuldigung eingewilligt hat, da die Tat auch dann strafbar bleibt. Dgl. § 164 A. 8. Erhellt aus der Anzeige nicht mit Bestimmtheit, gegen welche von zwei Personen J$4> die Anschuldigung richtet, so steht nichts im Wege, beiden die Veröffentlichungs­ befugnis zuzusprechen, NE. III 3455/03 v. 16. 11. 03. 3. Art und Frist -er Bekanntmachung ist vom Richter im Urteile zu bestimmen. Geschieht -ies nicht, so ist -er Angeklagte beschwert, in -er Nevisionsinstanz kann die Nachholung nicht geschehen, RG. II 1220/09 v. 21. 1. 1910 und Nspr. 10 564. Hat das Landgericht zunächst wegen Beleidigung, nach Aushebung und Zurückweisung aber wegen falscher Anschuldigung verurteilt, so kann gemäß § 398 Abs. 2 StPO, auf die Nebenstrafe der Veröffentlichung nicht mehr erkannt werden, SeuffDl. 77 479. Zur Art der Bekanntmachung gehört auch derAmfang. Das Gericht ist befugt, nicht nur die Veröffentlichung des Utteilstenors, sondern auch der Gründe anzuord­ nen, RGSt. 20 1. Dem Ermessen des Verletzten ist im allgemeinen kein Spielraum zu lassen, insbesondere auch nicht nach der Richtung, ob die Veröffentlichung in einer oder mehreren Zeitungen oder durch Aushang geschehen soll (wohl aber ist es zulässig, zu sagen: „in einer der beiden am Wohnorte -es Schuldigen erscheinenden Zeitungen" und insoweit die Auswahl -em Verletzten anheimzugeben, Rspr. 3 26, RMG. 13 189). Zur Art der Bekanntmachung gehört, wenn diese durch Anschlag erfolgen soll, auch die Bestimmung -er Zeit, während dieser an der betreffenden Stelle belassen wer­ den darf, RG. TV 1409/06 v. 19. 3. 07. Wird wegen mehrerer Straftaten verurteilt und ist nur hinsichtlich einer die Veröffentlichung zulässig, so unterliegt der Umfang der Veröffentlichung gleichfalls -em Ermessen des Richters, doch soll er ihn so bestimmen, daß -er Inhalt der Bekanntmachung -em Verurteilten am wenigsten nachteilig ist; es steht ihm frei, ob er die Strafe überhaupt und ob er die Einzel- oder die Gesamtstrafe in die Bekanntmachung ausnehmen will, RGSt. 23 325, 27 180, Rspr. 3 26, 10 548. Für die Ausführung der Bekanntmachung hat -er Verletzte zu sorgen, -er, wenn er auf Schwierigkeiten stößt, die Hilfe -es Dollstreckungsgerichts in Anspruch nehmen kann; letzteres kann z. D. dem die Aufnahme verweigernden Schriftleiter einer Zeitung die Aufnahme auftragen, dann trifft Preßg. § 10 zu, Olsh. 9 zu § 200. 3. Abf. 2. Die Arteilsausfertigung muß dem Verletzten in allen Fällen erteilt werden ohne Rücksicht aus einen von ihm gestellten Antrag und gleichgültig, ob die Etteilung im Arteil ausgesprochen ist, Olsh. 5. Die Kosten sind Kosten des Verfahrens, nach § 496 und vom Verurteilten, nicht vom Verletzten, zu erheben.

Elfter Abschnitt.

Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen.

166. Wer dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden Äußerungen Gott lästert, ein Ärgernis gibt, oder wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechten innerhalb des Bundesgebietes bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft.

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

1L Abschnitt.

-er für § 165 kaum interessierende Fall erörtett wird, wie es zu halten ist, wenn der nachher verstorbene Verletzte schon vor -em Arteile -en Antrag gestellt hat, ihm die Derössentlichungsbesugnis zuzusprechen). 2. Die Bestimmung über die Veröffentlichung hat im entscheidenden Teile des Urteils zu erfolgen. Die Vorschrift ist zwingender Natur. We­ gen etwaiger Ausnahmen (besonders bei Gesamtstrafe) vgl. GA. 46 346. Nach Olsh. 3 und jetzt auch Dinding Lehrb. 2 535 (dagegen Handb. 1 718) ist dem Verletzten die DerSffentlichungsbesugnis auch dann zuzusprechen, wenn er in die Erhebung der falschen Anschuldigung eingewilligt hat, da die Tat auch dann strafbar bleibt. Dgl. § 164 A. 8. Erhellt aus der Anzeige nicht mit Bestimmtheit, gegen welche von zwei Personen J$4> die Anschuldigung richtet, so steht nichts im Wege, beiden die Veröffentlichungs­ befugnis zuzusprechen, NE. III 3455/03 v. 16. 11. 03. 3. Art und Frist -er Bekanntmachung ist vom Richter im Urteile zu bestimmen. Geschieht -ies nicht, so ist -er Angeklagte beschwert, in -er Nevisionsinstanz kann die Nachholung nicht geschehen, RG. II 1220/09 v. 21. 1. 1910 und Nspr. 10 564. Hat das Landgericht zunächst wegen Beleidigung, nach Aushebung und Zurückweisung aber wegen falscher Anschuldigung verurteilt, so kann gemäß § 398 Abs. 2 StPO, auf die Nebenstrafe der Veröffentlichung nicht mehr erkannt werden, SeuffDl. 77 479. Zur Art der Bekanntmachung gehört auch derAmfang. Das Gericht ist befugt, nicht nur die Veröffentlichung des Utteilstenors, sondern auch der Gründe anzuord­ nen, RGSt. 20 1. Dem Ermessen des Verletzten ist im allgemeinen kein Spielraum zu lassen, insbesondere auch nicht nach der Richtung, ob die Veröffentlichung in einer oder mehreren Zeitungen oder durch Aushang geschehen soll (wohl aber ist es zulässig, zu sagen: „in einer der beiden am Wohnorte -es Schuldigen erscheinenden Zeitungen" und insoweit die Auswahl -em Verletzten anheimzugeben, Rspr. 3 26, RMG. 13 189). Zur Art der Bekanntmachung gehört, wenn diese durch Anschlag erfolgen soll, auch die Bestimmung -er Zeit, während dieser an der betreffenden Stelle belassen wer­ den darf, RG. TV 1409/06 v. 19. 3. 07. Wird wegen mehrerer Straftaten verurteilt und ist nur hinsichtlich einer die Veröffentlichung zulässig, so unterliegt der Umfang der Veröffentlichung gleichfalls -em Ermessen des Richters, doch soll er ihn so bestimmen, daß -er Inhalt der Bekanntmachung -em Verurteilten am wenigsten nachteilig ist; es steht ihm frei, ob er die Strafe überhaupt und ob er die Einzel- oder die Gesamtstrafe in die Bekanntmachung ausnehmen will, RGSt. 23 325, 27 180, Rspr. 3 26, 10 548. Für die Ausführung der Bekanntmachung hat -er Verletzte zu sorgen, -er, wenn er auf Schwierigkeiten stößt, die Hilfe -es Dollstreckungsgerichts in Anspruch nehmen kann; letzteres kann z. D. dem die Aufnahme verweigernden Schriftleiter einer Zeitung die Aufnahme auftragen, dann trifft Preßg. § 10 zu, Olsh. 9 zu § 200. 3. Abf. 2. Die Arteilsausfertigung muß dem Verletzten in allen Fällen erteilt werden ohne Rücksicht aus einen von ihm gestellten Antrag und gleichgültig, ob die Etteilung im Arteil ausgesprochen ist, Olsh. 5. Die Kosten sind Kosten des Verfahrens, nach § 496 und vom Verurteilten, nicht vom Verletzten, zu erheben.

Elfter Abschnitt.

Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen.

166. Wer dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden Äußerungen Gott lästert, ein Ärgernis gibt, oder wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechten innerhalb des Bundesgebietes bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft.

Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen. § 166.

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1. Ob Abschnitt 11 eine Materie im Sinne § 2 EG. regelt, ist bestritten,' bejaht von Liszt 381, Kohler Studien 1 224, Schwartz, Dorbem. zu Abschn. 11, verneint — woht mit Recht — von Dinding Handb. 1 322, Olsh. Dorb. Auch der Entwurf steht auf dem Standpunkte, -atz das Landesrecht zwar für das Gebiet der in -en Abschnitt über „Störung des religiösen Friedens und der Totenruhe" aufgenommenen Tatbestän-a gebunden, im übrigen aber befugt fein soll, darüber hinaus Strafvorschriften gegen hier nicht bedrohte Tatbestände (z. D. unbefugtes Halten von Leichenreden, Mißbrauch der kirchlichen Straf- und Zuchtgewalt) zu erlassen. Hinsichtlich des Mißbrauch- kirch­ licher Zuchtgewalt steht RGSt. 39 150 (betr. das Badische Gesetz vom 19. 2. 1874 betr. Änderung einiger Bestimmungen -es Gesetzes o. 9. 10. 1860 die rechtliche Stel­ lung der Kircher usw. betr.) auf -em gleichen Standpunkte. 2. In § 166 sind drei Mischtatbestände -usammengefatzt: a) Gottesläste­ rung, b) Beschimpfung einer der christlichen Kirchen oder einer anderen mit Korpora­ tionsrechten innerhalb des Reiches bestehenden Religionsgesellschaft oder ihrer Ein­ richtungen oder Gebräuche, c) Verübung beschimpfenden Anfugs in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte. 3. Gotteslästerung. Der schutzbedürftige Gegenstand ist nicht „Gott", sondern das religiöse Gefühl -es Menschen, das dagegen geschützt werden soll, -atz es nicht durch Ärgerniserregung verletzt wird, RGSt. 16 248. Aber den vom Gesetze voraus­ gesetzten Gottesbegrisf gehen die Meinungen auseinander. Die einen sagen, er sei ein abstrakter im Sinne irgend eines religionsphilosophischen Systems, daher auch der Verallgemeinerung auf polytheistische Religionen fähig, andere, er sei zwar ab­ strakt im Sinne der Loslösung von einer bestimmten Religion oder Konfession, aber geschichtlich in der Weise begrenzt, -ah er stillschweigend -en Monotheismus als Vor­ aussetzung nehme, also ein höchstes transzendentales persönliches Wesen -um notwen­ digen Gegenstände habe, woraus die Folgerung gezogen wir-, dah, wo nicht das Gegen­ teil ausdrücklich erkennbar sei, die Lästerung Christi oder des heiligen Geistes, die nur vom christlichen Standpunkt aus als Gotteslästerungen erscheinen könnten, nicht Gottes­ lästerungen im SimzL des Gesetzes seien. Wieder andere leiten den Gottesbegriff her aus -em Inhalte der Bekenntnisformulierung der verschiedenen Religionsgesellschasten, sei es der Gottesgläubigen irgend einer Religionsgesellfchaft oder nur der im Staate anerkannten Religionsgesellschaften. Für sie ist Jehova ebenso Gott wie die dreieinige christliche Gottheit. Letzteren Stand­ punkt vertritt auch die Rechtsprechung, RG. 6 77, Rspr. 1146: „der Strafschuh bestimmt sich nach -em positiven Bekenntnis derjenigen staatlich anerkannten Religionsgesellschaft, zu welcher derjenige gehört, welcher an -er Gotteslästerung Ärgernis genommen hat". „Das Delikt findet seine Grundlage in dem Gottesbegrisfe, wie er in den konkreten Bekenntnissen der christlichen Kirchen und der anderen mit Korporationsrechten inner­ halb des Deutschen Reiches bestehenden Religionsgesellschasten niedergelegt ist." So­ nach ist die Lästerung Christi und des heiligen Geistes als Gotteslästerung anzusehen, ebenso die Lästerung -es Gottes -er Juden, Rspr. 1 143, RGSt. 6 77, StengleinZ. 4 311, 7 60. 2. Lästern bedeutet nach Kahl DDB. 3 35: „objektiv der Heiligkeit und Ehre Gottes Abbruch tun", nach Grimm Wörterbuch: „mit Betonung des Schmähsüchtigen Ehren­ rühriges über einen sagen, Böses reden." Hiernach ist die Ableugnung Gottes, die Ver­ tretung religiöser oder irreligiöser Ansichten, die den vom Gesetz vorausgesetzten Gottes­ begriff bekämpfen, nicht Lästerung. 3. Als Mittel der Lästerung bezeichnet das Gesetz: beschimpfende Äußerungen, d. h. Äußerungen, die in roher Weise, wenn auch nicht gerade durch Schimpfwörter, sei es in der Form, sei es im Inhalte, schon an sich die Nichtachtung oder Verachtung kundtun, also nicht auch leichtfertige, unehrerbietige Redensarten, bei denen sich der Äußernde vielleicht gar nichts Schlimmes denkt. Zutreffend faßt Kahl DDB. 3 36 als Ergebnis der umfangreichen, im einzelnen teilweise voneinander abweichenden Rechtsprechung zusammen, daß einerseits Kundgebungen der Geringschätzung, Frivo­ litäten, Sarkasmen, Flüche, gedankenlose Wendungen -es täglichen Sprachgebrauches nicht genügen, daß andererseits eigentliche Schimpfworts und -reden nicht erfor­ derlich sind, daß sich vielmehr aus der Gesamtheit der Äußerung, sei es von Inhalt und

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

11. Abschnitt.

Form, sei es von Inhalt ober Form die Stimmung der Verachtung ober Verächtlichkeit gegen Gott ergeben mutz, RGSt. 5 354, 6 88, 9 158, 10 146, 22 238, 24 12, 27 284» 28 403, 30 194, 31 135, 305, Rspr. 7 83, RMG. 10 3, 132, RG. II 200/10 p. 15. 4. 1910 (Angriffe gegen Gott in Loupletform; die Frage der Beschimpfung ist nicht vom Standpunkte der Kirchengläubigkeit, aber doch unter der Voraussetzung des Glaubens an Gott -u prüfen). Wie erwähnt, ist der Gebrauch eigentlicher Schimpfworte nicht erforderlich, RGSt. 28 403, 30 194, 31 305; die eine verletzende Roh­ heit enthaltende Kundgebung der Mißachtung kann auch ohne den Gebrauch von Schimpf­ motten dadurch geschehen, datz in bezug auf Gott Tatsachen schimpflicher Art behauptet oder verbreitet werden, RGSt. 28 403, Recht 1910 3862, woselbst S. 408 n^H aus­

geführt wird, datz der Glaube an die Wahrheit der behaupttten ehrenrührigen Tatsache — es war behauptet worden, dem Iudengotte sei zur Feier des Osterfestes die Schlach­ tung chttstlicher Kinder wohlgefällig — -er Behauptung den Charakter -er Beschimp­ fung nicht ohne weiteres nimmt. Ein Unterschied zwischen Beschimpfungen höheren und niederen Grades ist dabei nicht zu machen, RG. III 4250/00 v. 10. 1. 01. Die Äußerungen können mündliche oder schriftliche sein, dagegen rechnet die gem. Meinung bildliche oder symbolische Darstellungen nicht hierher, was dem einen Anträge Laster entstammenden Worttaute des Gesetzes wohl entsprechen dürfte. A. M. Berner 442, Schwartz 2b, Kohler Studien 1 169. 4. Die Lästerung mutz öffentlich erfolgt sein. Wegen -es Begriffs der Öffentlich­ keit vgl. § 110 A. 5a. Entscheidend ist auch hier nicht die Öffentlichkeit -eo Ortes, son­ dern, ob die Äußerung von unbestimmt welchen und wie vielen Personen wahrge­ nommen werden konnte, RGSt. 9 158, 21 54, 22 241, 35 159, 40 262, Rspr. 1 143, 9 151, RMG. 9 105. Eine nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Lästerung kann zu einer öff entlichen werden, wenn sie so laut geschah, daß sie von Dritten, für die sie nicht be­ stimmt war, gehört werden tonnte oder tatsächlich gehött wurde, Rspr. 1146. Dadurch, -ah eine im verttauten Kreise gemachte Äußerung nachher ohne Willen des Äußernden in die Öffentlichkeit dringt, wird sie nicht zur öffentlichen, wohl aber kann -er, welcher sie öffentlich weitererzählt, sich nach § 166 schuldig machen. Bei Peschimpfungen durch die Presse kann das Merkmal der Öffentlichkeit schon in der oom Verleger an einen Abnehmer erfolgten Überlassung von Exemplaren der Druckschrift gefunden werden, RGSt. 5 357. Rach RG. III 468/02 v. 17. 3. 02 ist für das Merkmal dec Öffentlich­ keit weder die Zahl der Zuhörer noch das äußerliche Bekanntsein mit diesen entscheidend, sondern vielmehr die negative Voraussetzung, dah zwischen ihnen und dem Täter nicht derartige innere verttaute Beziehungen bestehen, daß sie durch diese als durch ein zu­ sammenfassendes Band Anderen gegenüber als eine gesonderte Einheit erscheinen. Deshalb wurde in einem Falle die Öffentlichkeit bejaht, wo der Angeklagte die Äußerungen auf der Plattform eines in Verkehr befindlichen Strahenbahnwagens in Gegenwart mehrerer anderer zufällig anwesender Fahrgäste gemacht hatte. 5. Die Gotteslästerung ist nur sttafbar, wenn durch sie ein Ärgernis gegeben, das religiöse Gefühl wenigstens einer anderen Person verletzt wurde; es genügt nicht, dah die Äußerung geeignet war, Ärgernis zu geben, RGSt. 16 245, 30 194, 40 262. Mindestens einer, der die Äußerung gehört hat, muß daran Anstoß genommen haben, sei es religiösen oder sittlichen oder Anstoß im Interesse des öffentlichen Anstandes, Dinding Lehrb. 1 178. Da das Ärgernis d u r ch die Lästerung gegeben sein muß, reicht es nicht aus, wenn die ursprünglich kein Ärgernis erregende Lästerung dadurch Ärger­ nis erregt, daß sie später weiter verbreitet wurde. Doch kann sich der Verbreiter durch die Verbreitung selbständig der Gotteslästerung schuldig machen. 6. Die Gotteslästerung kann nur vorsätzlich begangen werden. Der Täter muß den auf die Kundgebung gerichteten Willen und daneben das Bewußtsein haben, -aß seine Äußerung beschimpfend ist, dah er sie öffentlich macht und daß er dadurch ein Ärgernis gibt. Eventualdolus reicht überall aus. Dinding Lehrb. 1 178 und Kohler GA. 49 8 erblicken in der Ärgerniserregung nur ein objektives Strafbarkeits­ merkmal, das vom Vorsatz -es Täters nicht umfaßt zu sein braucht. Der gute Glaube des Taters an die Wahrheit der von ihm in beschimpfender Äußerung behaupteten Tatsache schützt ihn nicht ohne weiteres vor Strafe; vgl. A. 3, RGSt. 28 403, Recht 1910 3862; ebensowenig kann er sich, wenn die beschimpfende Äußerung in einem Urteile

Vergehen, welche sich aus die Religion beziehen.

§ 166.

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bestand, aus seine Überzeugung oder seine Konfession berufen. Der Zweck wissenschqftlich er Forschung als solcher schlicht den Dorsatz nicht aus. Kahl DDB. 3 SS. Um solche Fälle freizulassen, verlangt der Entwurf neben dem Dorsatz „Böswilligkeit". Eine über -en vorbezeichneten Dorsatz hinausgehende Absicht ist nicht erforderlich, -er Deweggrun- ebenso gleichgültig wie -er En-zweck, RGSt. 23 105, 30 194, RMG. 40 3, 132, Ann. 7 219 (Bewußtsein der Öffentlichkeit), Recht 1908 244, RG. IH 40/05 v. 29. 5. 05, IV 1053/13 v. 13. 1. 1914, IV 1425/13 v. 24. 4. 1914, FW. 40 345. 7. Der zweite Mischtatbeftan- umfaßt -ie Beschimpfung der Religion-gesellschaften oder ihrer Gebräuche oder Einrichtungen. Gegenstand der Beschimpfung sind hier die Religionsgesellschaften oder ihre Einrichtungen oder ihre Gebrauche, a) Die Religion-gesellschaften als solche, als Ganzes, sollen geschützt werden, nicht das religiöse Gefühl des einzelnen, deshalb ist es hier gleichgültig, ob Ärgernis erregt wird und ob die Personen, denen die beschimpfende Äußerung wahrnehmbar war, -ie -a-urch tun-gegebene Gesinnung nach ihrer eigenen Lebensanschauung geteilt haben oder nicht, RGSt. 40 264. Geschützt sind -ie christlichen Kirchen und andere mit Korporationsrechten innerhalb des Bundesgebietes (Reiches) bestehende Religionsgesellschaften. Streitig ist, ob -ie christliche« Kirche« schlechthin ohne Rücksicht auf Korporationseigenschaft geschützt sind oder gleich -en anderen Religionsgesellschasten nur, soweit sie diese Eigenschaft haben. Erstere Ansicht vertritt Kahl DDB. 3 41, Wachenfeld 473, Kohler Studien 1 174, letztere, -ie wohl als -ie herrschende bezeichnet wer-en darf, Olsh. 9, Liszt 382, Dinding Lchrb. 1 180, Frank II. Die Frage hat insofern praktische Be­ deutung, als, nach der zweiten Ansicht die anglikanische Kirche, da sie in Deutsch­ land keine Korporationerechte besitzt, den Schutz -es § 166 nicht genießen würde. Für die übrigen christlichen Kirchen ist -ie Frage gleichgültig, da sie ohnehin Korporationsrcchte haben. Zu ihnen gehören -ie evangelische (lutherische, reformierte und unierte Kirche), die römische und altkatholische (vgl. Olsh. 10) und die griechischkatholische, und zwar ohne Rücksicht, ob es sich nur um einzelne Landeskirchen han­ delt, RGSt. 5 188. Die Religion-gesellschaften, zu denen auch die Juden zählen, RE St. 6 77, 26 435, 28 403, 31 305 (eine Reihe christlicher Sekten mit Korpora­ tionsrechten ist bei Schwartz 3b aufgeführt), RGSt. 46 356 (Juden), genießen den Schuh, wenn sie auch nur irgendwo im Deutschen Reiche Korporationsrechte be­ sitzen, sei es auch nur in einem Einzelstaate oder in einer Stadt (z.D. die griechischkatholische in München). Wegen -es Schuhes der nach Art. 137 Abs. 7 -er neuen Derfassuna den Religionsgesellschaften gleichgestellten Vereinigungen vgl. Kiesow DgZ. 1919 875. Die Beschimpfung der Religionsgesellschasten kann eine ««mittelbare oder n«r mittelbare sein, letzteres, wenn die Beschimpfung einer einzelnen Lehre oder eines in -er Kirche hervorragenden Mannes zugleich eine Beschimpfung -er Kirche selbst (oder ihrer Einrichtungen oder Gebrauche) enthalt. Kirchliche Lehren stehen an sich nicht unter dem Schuhe des § 166 und Glaubenssätze unterliegen hin­ sichtlich ihrer Wahrheit oder Falschheit nicht -er Erörterung durch die Strafgerichte, denen die Entscheidung theologischer Streitfragen nicht zusteht, RGSt. 9 160. Wohl aber kann im einzelnen Falle der Angriff gegen eine solche Lehre sich als An­ griff gegen die Kirche selbst -arstellen, ebenso wie z. B. ein Angriff gegen Luther als Angriff gegen die lutherische Kirche erscheinen kann, „wenn im einzelnen Fall und nach -er Absicht -es Äußernden Luther kurzweg als Vertreter der lutherischen Kirche gebraucht wird", RGSt. 9 160. Die Grenze wird jedoch im Einzelfalle sehr schwer zu ziehen sein. Dgl. Rspr.5677,RGSt.26 294 (Dogma -er Unfehlbarkeit, woselbst ausgeführt wir-, daß es für die Frage, ob ei t Angriff auf das Dogma als Beschimpfung -er Kirche selbst zu bestrafen sei, nicht darauf ankommt, daß dieses Dogma im Widerspruche mit der Landesgesetzgebung ohne Genehmigung -er Lan­ desregierung publiziert wurde), 26 436 (Zehn Gebote, nicht Einrichtung, sondern Lehre), 2 428 (Beschimpfung des Dogmas von -er unbefleckten Empfängnis als Beschimpfung der Einrichtung des Marienkultus und der Christusverehrung), 24 21 (Beschimpfung des Wunderglaubens an Hei­ lungen), Rspr. 3 755 (Apostolikum), 8 658 (Heilige S ch r i s t), in bei­ den Fällen wurde in -er Beschimpfung eine solche der Kirche selbst angenommen.

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

11. Abschnitt.

Dgl. dazu RGSt. 4V 264 (Bibel), GA. 49 280 (g ö t t l i ch e Natur Christi), RG. IV 589/10 v. 21. 10. 1910 (Bezeichnung der Kirche alsDerdummu? j£anstatt). b) Emrichtrmge*. Als solche bezeichnet Frank II2 zutreffend „die Ordnungen und Formen, die von einer kirchlichen Autorität nach der Seite der inneren und äußeren Verfassung und nach der Seite der Religionsübung ms Leben gerufen und sank­ tioniert sind"; es muh sich um die allgemeine Ordnung einer die Existenz, die Erhal­ tung und die gedeihliche Entwicklung -er Kirche betreffenden Angelegenheit handeln, der Zweck muh dahin gehen, die Ausgaben, Interessen, Rechte und Pflichten der Kirche und ihr Verhältnis zu ihren Mitgliedern und nach auhen zu regeln und festzusetzen, Rspr. 8 692, RGSt. 26 436, 5 188, RG. IV 228/13 v. 8. 4.13. Dgl. auch Kahl DVD. 3 42: „die auf Satzung beruhenden organischen Bestandteile einer religi­ onsgesellschaftlichen Verfassung oder Verwaltung", weshalb nicht als Einrichtungen zu erachten sind die „individuell wechselnden Einzeldarstellungen dieser Derfassungsund Derwaltungsordnungen". Hiernach werden als Einrichtungen erachtet: Ehristusverehrung und Marienkultus RGSt. 2 428, Konzil Rspr. 1 521, RGSt. 26 294, Konfirmation, RGSt. 5 189 (nicht auch die Konfirmationsscheine, wenn sie nicht mit -em Konfirmationsakte so innig zusammenhängen, -atz sie als Bestandteil -er Konfirmation selbst bezeichnet werden dürfen), das lutherische Predigtamt, RGSt. 9 159, - i e Funktionen des christlichen Predigtamts: Abendmahls RG. III 609/04 v. 20. 6. 04, Evangeliumsverkündigung, RGSt. 5 354 (nicht die einzelne Feier, die einzelne Predigt), der Gesang -es Geistlichen, Sächs.A. 1913 129, dasDaterunser, Recht 1915 2614, dieKanzel, RGSt. 26 39 (nicht als Bestandteil des Kirchengebäudcs, sondern als allgemeine Bezeichnung für Predigt­ amt oder Predigt), das katholische Priestertum, RGSt. 27 284 (als organische Einrichtung, nicht der Priestersland als Inbegriff gewisser oder aller Priester), die Einrichtung -er kirchlichen Orden, RGSt. 33 221 (nicht auch der einzelne Orden), das apostolische Glaubensbekenntn i s, Rspr. 3 755, dieSvnntagsheiligung, Rspr. 8 692 die Konzile, Rspr. 1 521, RGSt. 26 39, M e h o p f e r und Beichte, RGSt. 33 221. Der­ seh g a n g des Pfarrers zu einem Kranken, RGSt. 45 11 (zugleich Gebrauch), d i e E h e der evangelischen Geistlichen, Berlin 27.4.1876, OT. 17 286, das Zö­ libat, Berlin 23.10. 1872, OT. 13 548, derAblah, SA. 56 68, -er e n g l i s ch e G r u h, GA. 6V 80, das L a u b h ü t t e n f e st, RGSt. 47 142. Soweit die Einzel­ erscheinungen oder Vorgänge nicht unmittelbar als beschimpfungsfähtzge Einrichtungen in Betracht kommen, kann, wie A. 7a schon hervorgehoben wurde, ihre Beschimp­ fung als mittelbare Beschimpfung der Religionsgesellschaft selbst oder ihrer Einrichtungen strafbar werden. Dgl. Kahl DDB. 3 43. c) Gebrauche sind die in -er allgemeinen Auffassung einer Religionsgesellschaft begrün-eten tatsächlichen Abungen oder Darstellungen religiöser Ordnungen, sei es, -ah sie auf geschriebenem oder ungeschriebenem Rechte beruhen, wobei persönliche Gewohnheiten und lokale Gepflogenheiten entscheiden. So zutreffend Kahl DDB. 3 43 und Frank II 2. Als Gebräuche in diesem Sinne hat die Rechtsprechung u. a. erachtet: das Kollektenwesen, Rspr. 2 581, die Amtstracht der Geist­ lichen, RGSt. 6 788, die kirchliche Begräbnisordnung, RGSt. 31 133, die Abung, sich zu bekreuzigen, RGSt. 33 221, den Gebrauch des Weihwassers, G. 48 130, die Reliquienverehrung, RGSt. 22 238, 24 15, die S egenserteilung, Recht 1914 2786; dagegen verneint hinsichtlich des Rosenkranzes, IW. 1915 42 (Einrichtungen und Gebräuche seinen nur die Bestandteile -er Organisation und -es Kultus der Religionsgemeinschaft, als ideelle Satzungen und Ordnungen, nicht aber bloß körperliche Sachen). Auch hier ist aber zu berücksichtigen, daß nicht die einzelne, auf Grund des Gebrauchs vorgenommene Handlung, nicht der einzelne Gegenstand der Verehrung vom Gesetze geschützt wird, § 166 vielmehr nur dann anwendbar ist, wenn die unmittelbar gegen die Einzel­ handlung, den einzelnen Gegenstand gerichtete Beschimpfung mittelbar ihre Spitze gegen die Einrichtung, den Gebrauch als solchen richtet, RGSt. 22 238, 24 15 (bei-

Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen.

K 166.

429

liger Rockzu Trier), 45 11, Rspr. 1 521, G. 48 118. Diese mittelbare De-iehung auf die Kirche selbst, auf ihre Einrichtungen und Gebrauche bedarf im Einzel­ falle stets der besonderen Begründung, GA. 49 280. 8. Die Handlung besteht im Beschimpfe«. Da hier nicht wie beim ersten Mischtatbestande beschimpfende Äußerungen verlangt werden, kann die Beschimpfung in jeder Form erfolgen, mündlich, schriftlich, durch Druck, Bild, Hand­ lung, Symbol, RGSt. 5 355, 6 89, 31 133. Wegen Beschimpfe« vgl. A. 3. Die Beschimpfung kann auch hier geschehen durch Behauptung an sich verächtlicher Tatsachen; in diesem Falle spielen die gebrauchten Ausdrücke od er die Roheit der äußeren Form keine Rotte, denn wenn in verschiedenen Artellen hervorgehoben wir-, daß bei -er Beschimpfung die Mißachtung in besonders verletzender, roher Form ausgedrückt werden muß, -aß das charakteristische Merkmal des Beschimpfenden die Roheit -er äußeren Form und Einkleidung sei, so bedeutet das nicht, daß die für die Mißachtung gebrauchten Ausdrücke, also der „sprachliche" Aus­ druck allein darüber entscheidet, ob eine verletzende Roheit vorliegt, sondern es kommt darauf an, in welcher Weise -em Gedanken der Mißachtung Ausdruck gegeben ist. Die Mißachtung kann einen rohen und verletzenden Ausdruck aber auch dadurch finden -aß sie in -er Form -er Behauptung schimpflicher Tatsachen auftritt, RGSt. 31 308, 28 405. In der Mitteilung einer Verurteilung wegen Beschimpfung unter Anführung -er nach -en Urteilsgründen die Beschimpfung enthaltenden Äußerung liegt nur dann eine selbständige Beschimpfung, wenn -er Mittellende nicht nur die fremde Äußerung zur Kenntnis bringt, sondern sie selbst macht, RGSt. 46 358. Soweit es sich nicht um Behauptung von Tatsachen hmwelt wird allerdings zur Beschimpfung verlangt, -aß der Angriff sich durch eine Roheit oder besonders verletzende Form des Ausdruckes kenn­ zeichne, RGSt. 16 147, 21 21, 6 90, 9 159, 22 240, 27 285, 28 405, Rfpr. 7 83, GA. 43 50. Strenge wissenschaftliche Kritik in wissenschaftlicher oder auch nur sachlicher Form ist daher keine Beschimpfung, Rspr. 1 522, ebensowenig Ironie und Spott. RGSt. 10 146 (Bergpredigt), auch nicht bloße Herabwürdigung oder Geringschätzung, oder leichtfertige Frivolität, RGSt. 6 27, 89, 27 384. Die Bekundung eines bloßen Mangels an Achtung genügt nicht, der Ausdruck der Verachtung wird ver­ langt, RGSt. 10 146, 22 240, 31 133, 33 222. Ob im einzelnen Falle bloße Beleidi­ gung oder Beschimpfung vorliegt, wird in der Regel Tatfrage sein, Rspr. 1 522. Rach der Seite des innere« Tatbestandes wir- Vorsatz gefordert, -er Täter muß außer -em Bewußtsein, daß die Beschimpfung sich gegen ein geschütztes Objekt richtet und öffentlich begangen wird, das Bewußtsein von dem Charakter seiner Äuße­ rung als einer beschimpfenden haben, RGSt. 5 354, 9 185, Rspr. 7 653 (nach GA. 37 362 sott schon das Bewußtsein genügen, -atz die Äußerung geeignet sei, Einrichtungen der Kirche zu beschimpfen). Eine Absicht der Beschimpfung ist nicht erforderlich, RGSt. 9 158. Dgl. auch RGSt. 28 403, 22 238 (Glaube an die Wahrheit oder Beweisvarkelt in der Regel gleichgültig), 24 21 (Bildungsgrad des Angeklagten), 26 39. Deshalb kann eine Beschimpfung auch dadurch begangen werden, daß ein Geistlicher mit den eigenen Worten seiner Kirchenlehre sich über andere Religionsgesellschaften, deren Einrichtungen und Gebräuche äußert. Dgl. Kahl DDB. 3 46 und das dort angeführte reichsgerichtliche Arteil v. 2. Rov. 1891, ebenso Dinding Lehrb. 1 182, dagegen Wach (Ztschr. f. Kirchenr. 2 174), Deling, Beschimpfung von Religionsgesellschaften 12, Frank II Abs. 3. De lege ferenda vgl. die eingehenden Ausführungen Kahls DDB. 3 89 ff. Der Entwurf verlangt auch hier wie beim ersten Mischtatbestande „Böswilligkeit". § 193 findet nach geltendem Rechte keine Anwendung. 9. Die Beschimpfung muß öffentlich geschehen. Siehe hierüber A. 4. Im einzel­ nen wäre aus -er Rspr. noch hervorzuheben, -aß die Ausführung zur Nachtzeit -en Charakter der Öffentlichkeit nicht ausschlietzt, RGSt. 31 134, daß die Verbreitung einer Druckschrift im Sinne öffentlicher Degangenschaft nicht schon in -er Abgabe des Pflicht­ exemplars an die Polizei, wohl aber in -er freiwilligen oder vertragsmäßigen Aus­ händigung von Exemplaren durch -en Drucker an den Verfasser liegen kann, RGSt. 2 270, -aß käufliche Überlassung einer Mehrzahl beschimpfender Bilder auch nur an einen Abnehmer öffentliche Verbreitung sein kann, mag dieser auch das Druckerzeugnis noch nicht unter das Publikum gebracht haben, RGSt. 5 355.

430

Strafgesetzbuch.

2. Teil.

LI. Abschnitt«

IS. ArgenriSerregrnrg wir- hier im Gegensatze zum ersten Mischtatbeftanbe nicht verlangt. 11. Der -ritte Mischtatbestan- betrifft -en beschimpfende« Unfug in einer Kirche oder i* einem ander» zu religiöse« Versammlungen bestimmten Orte. Gegenstand -es Schutzes ist hier eine religiösem Dersammlungszwecke dienende Örtlichkeit, der Ort als solcher wird geschützt ohne Rücksicht, ob z. gt. -er Begehung eine religiöse Versammlung ftattsindet. Die Verübung kann auch in leerer Kirche geschehen, RGSt. 32 212. Jeder zu religiösen Versammlungen bestimmte Ort ist geschützt, mag er öffentliches oder Privateigentum, mag die Religionsgesellschaft eine in- oder ausländische, mag sie mit Korporationsrechten versehen sein oder nicht, RGSt. 32 212 (Heilsarmee). Unter Kirche ist das KirchengebSude -u verstehen, sofern seine Räume -er Gottesverehrung gewidmet sind, GA. LS 335 (dazu gehört auch die Sakristei, RGSt. 45 243, wohl kaum die Türme), gm übrigen mutz es sich um Orte handeln, die zu religiösen Versammlun­ gen bestimmt sind, nicht ursprünglich oder ausschließen- und ohne Rücksicht auf rituale Weihe, aber die Verwendung zu religiösen Versammlungen mutz die wesentliche Bestimmung des Ortes sein, RGSt. 28 303, GA. 39 212. Bei konkurrierender Profan­ verwendung mutz die religiöse Zweckbestimmung überwiegen. Die vereinzelte tatsäch­ liche Benutzung reicht deshalb nicht aus, den Ort zu einem bestimmungsgemätz re­ ligiösen zu machen, RGSt. 29 334. Deshalb fallen öffentliche Stratzen, durch welche sich herkömmlich Prozessionen bewegen, auch währen- -es Durchzuges der Prozession nicht unter § 166, RGSt. 28 303. Ebenso wurde ein unbebauter Platz zwischen städtischen Straßen, auf dem eine religiöse Versammlung mit polizeilicher Genehmigung stattfan-, nicht als unter § 166 fallend erachtet, RGSt. 29 334. Das gleiche gilt für Privaträume, in denen gelegentlich Taufen, Begräbnisfeiern usw. ab­ gehalten werden und für umfriedete Grundstücke, die erst für künfttge religiöse Ver­ sammlungen angekmift sind, GA. 42 250. Friedhöfe fallen fast ausnahmslos unter $ 166, nämlich immer dann, wenn auf ihnen die Beerdigung von Leichen nach feststehender, staatlich zugelassener Kirchen­ ordnung mit religiösen Zeremonien unter Teilnahme einer Mehrheit vvn Menschen verbunden ist. So zutreffend Kahl DDB. 3 50 und im wesentlichen zustimmend RGSt. 5 258, 9 169, 27 296, Rspr. 7 195, GA. 58 465 (betr. -en eine Kirche umgebenden Friedhof). Konfessionelle und paritätische Friedhöfe fallen also ohne weiteres unter § 166, mögen dort auch in einzelnen Fällen Leichen ohne religiöse Feierlichkeiten beer­ digt werden. Rur solche Friedhöfe lallen aus, aus denen die Verbindung von Beerdi­ gung und religiösen Feierlichkeiten grundsätzlich ausgeschlossen ist. Was für Friedhöfe gilt, gllt in gleicher Weise für FeuerbestattungsstStten. Zu religiöser Versammlung mutz -er Ort bestimmt sein, nicht gerade zur Abhaltung von Gottes­ dienst. Jede zu irgend einer Andachtsübung versammelte Menschenmehrheit ist eine religiöse Versammlung, RGSt. 32 212. 12. Die Handlung besteht in der Verübung beschimpfenden UnfngS. Unfug be­ zeichnet hier jedes der Bestimmung des Ortes widersprechende unanständige Gebahren, das in einem Tun o sogar blohes Dulden oder Unterlassen als ausreichend erklärt wird), Recht 06 1151, LZ. 15 821, 17 751, 18 1279. Der Dritte ist dann in der Regel Anstifter oder Gehilfe. Versuch der Schwangeren liegt vor, wenn das Kind am Leben bleibt, RGSt. 4 380. Autzerdern spielt gerade hier die Theorie des Reichsgerichts von der Strafbarkeit des nach Objekt oder Mittel untauglichen Versuchs eine grohe Rolle. Es genügt, -atz die Nichtschwangere sich für schwanger, das untaugliche Mittel für tauglich hält, RGSt. 1 439, 34 217, 43 139, 47 65, LZ. 1914 1134 (die Schwangere hielt die schon abgestor­ bene Frucht für noch lebend); auch in -em Darbietcn des Körpers der Schwangeren zwecks Vornahme der Abtteibung kann Versuch liegen, RG. V 542/12 v. 18. 10. 1912. Der Rücktritt vom Versuch bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln. Aus der reichhaltigen Rechtsprechung seien einzelne Urteile angeführt: RGSt. 35 102 und RG. III 4403/03 v. 14. 1. 04 (Ausspeien des Mittele wegen widrigen Geschmacks kann unter Umständen ein vom Willen -er Täterin unabhängiger Umstand sein), RGSt. 39 220, 43 138, LZ. 1918 1279, 1919 385,1915 302 (Rücktritt bei beendetem oder nicht beendetem Versuch, je nachdem die Schwangere die wiederholten einzelnen Abtreibungs­ handlungen für ausreichend hält oder nicht). Wegen der Möglichkeit strafbaren Abtreibungsversuchs bei Selbstnrordversuch der Schwangeren vgl. A. 3.

556

Strafgesetzbuch.

2. Teil.

16. Abschnitt.

Anstiftung und Beihilfe sowohl zum vollendeten als zu dem im Stadium des Versuches gebliebenen Verbrechen nach Abs. 1 sind in allen üblichen Formen möglich. 6. Tater «ach Abs. L kann nur ein D r i t t e r sein, der in diesem Falle nicht nur Teilnehmer an der von der Schwangeren nach Abs. 1 begangenen Tat ist, sondern sich der selbständigen Täterschaft aus Abs. 3 schuldig macht, RGSt, 1 350, Rechtspr. - 387; die Schwangere kann Mittäterin oder Gehilfin sein, RGSt. 28 164; ihre Täterschaft oder Mittäterschaft ist nicht Vorbedingung der Strafbarkett des Dritten, dieser ist auch dann zu strafen, wenn die Schwangere sich nur duldend vechiett oder aus besonderen, in ihrer Person liegenden Gründen straflos ist, RGSt. 1 350, 16 184, 23 147, 28 164, GA. 60 436. Der Täter aus Abs. 3 kann aber nicht gleichzeitig noch als Anstifter oder Gehilfe -er nach Abs. 1 strafbaren Schwangeren bestraft werden, DaygsR. 9 255. Die Handlung nach Abs. 3 besteht darin, -atz die Mittel zur Abtreibung oder Tö­ tung bei -er Schwangeren mit ihrer Einwilligung angewendet oder ihr beigebracht werden. Beim A«we»den handett es sich im wesent­ lichen um äußerlich wirkende Mittel, beim Beibringen um innerlich wirkende, RGSt. 41 421. Dom Beibringen ist das Verschaffen (§ 219) zu unterscheiden. Wer der Schwangeren die Mittel unentgelüich nur verschafft hat, ohne sie selbst ihr beizubringen, ist nicht aus $ 218 Abs. 3, sondern nur als Gehilfe oder Anstifter aus §§ 218 Abs. 1, 49 strafbar, RGSt. 1 270 (der Täter hatte der Schwangeren die Tasse mit dem Abtreibungsttank gereicht und sie ausgesordett, zu ttinken). Umgekehrt kann die Schwangere Ge­ hilfin des nach § 218 Abs. 3 als Tater strafbaren Dritten sein, wenn ihr Vorsatz nicht auf Begehung, sondern nur auf Ermöglichung der von dem Dritten beschlossenen un­ ausgeführten Tat gerichtet ist, RGSt. 28 167; endlich kann die Schwangere Täterin aus $ 218 Abs. 1, -er Dritte Täter aus § 218 Abs. 3 (aber nicht Mittäter aus § 218 Abs. 1 vgl. A. 5) sein, RGSt. 1 263. Der Dritte muh mit Einwilligung der Schwangeren handeln, entsprechend ihrem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis; ob er es keimt, ist gleichKültig; nimmt er es irrtümlich als vorhanden an, so fällt er unter $ 218 Abs. 3, nicht unter § 220, RGSt. 16 184, 44 166. Eine geisteskranke Schwangere kann nicht „ein­ willigen". Wer in Kenntnis der Sachlage mit ihrer Einwilligung handelt, handelt zwar nicht gegen ihren Willen, aber in Wirklichkeit ohne ihre Einwilligung, fällt also unter § 220, RGSt. 21 14, 44 166. 7. Rach -er ständigen Rechtsprechung des RG. gibt es keinen Versuch aus § 218 Abs. 3; dies wird aus -em Gebrauch des Perfektums (angewendet oder beigebracht hat) geschlossen, RGSt. 1 350, 3 162, 4 302, 21 14, LF. 1914 756, 1917 359 un­ neuerlich RGSt. 52 209, woselbst auch nachgewiesen wird, -atz die von Olsh. 9 zur Stützung -er gegenteiligen Ansicht angeführte Entscheidung GA. 58 453 aus -em glei­ chen Standpunkte steht, der allerdings fast vom gesamten Schrifttum — und wohl nicht mit Anrecht — bekämpft wird; Olsh. 9, Frank V, Schwartz 7, Liszt 319, MeyerAllf. 390, Wachenfeld 329. Das Reichsgericht nimmt an, -atz, wenn es nicht zur Tötung der Frucht kam, -er Dritte nur wegen Beihilfe zu -em nach Abs. 1 strafbaren Versuch der Schwangeren bestraft werden könne, RG. 4 302. 8. Abs. 2 (mildernde Umstände) bezieht sich auch auf Abs. 3, was sich aus dessen Eingangswotten: „dieselben Strafvorschriften" ergibt.

219. Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird be­ straft, wer einer Schwangeren, welche ihre Frucht abgetrieben ober getötet hat, gegen Entgelt die Mittel hierzu verschafft, bei ihr angewendet oder ihr beigebracht hat. 1. ®ae in § 219 mit Straf« bedrohte Verbrechen bet Lohnabtreibnug unterscheidet iich vom Tatbestand« des Verbrechens nach § 218 Abs. 3 nur dadurch, dah im Falle des § 219 der Dritte gegen Entgelt gehandelt haben muh und dah in diesem Falle der Tatbestand auch auf die Verschaffung von Mitteln ausgedehnt ist, RGSt. 1 350,4 306. Soweit di« Handlung des Dritten sich nur als Deihllfehandlung barstellen würde, ist

Verbrechen und Vergehen wider das Leben.

AK 219, 229.

557

sie auch hier, wie in § 218 Abs. 3, -um selbständigen Delikt erhoben und der Dritte bleibt aus § 219 als Täter strafbar, auch wenn die Schwangere sich bloß duldend ver­ hielt oder aus besonderen, in ihrer Person liegenden Gründen straflos ist, RGSt. 1 352, 4 302, 16 184. Der Anwendung -es § 219 steht sonach nicht entgegen, -atz die Täter­ schaft der Schwangeren aus § 218 Abs. 1 verneint wird, RGSt. 44 168. Die Einwilli­ gung der Schwangeren wird auch hier wie bei § 218 Abs. 3 vorausgesetzt, RGSt. 16 184, 23 147. 2. In § 219 werden zwei verschiedene Tatbestände ausgestellt: a) Strafbar ist, wer der Schwangere« -ege« Entgelt dadurch Beihilfe geleistet hat, datz er ihr die Mittel zur Abtreibung verschafft hat. verschaffe« setzt nach -er gemeinen Meinung voraus, datz die Schwangere in Kenntnis der Sachlage selbst -en Wunsch, das Mittel -u schalten, zu erkennen gegeben hat, es soll nicht genügen, -atz -er Dritte ihr das Mittel aus eigener Entschließung und ohne ihr Zutun -ugewendet hat, Olsh. 1 a, Frank I 1, Schwartz 2. Noch weiter geht Holtzendorff HH. 3 461 Nr. 16 und RGSt. 38 136, wonach -um „Verschaffen" nur das gegenüber der Schwangeren selbst, sei es unmittelbar, sei es durch fremde Vermittelung ge­ schehene Zugänglichmachen, nicht schon die Übergabe an einen mit der Sachlage vertrauten Dritten genügt, von -essen eigener, selbständiger Willeneentschliehung es abhängig gemacht wird, ob er die Abtreibungsmittel in die Hände der Schwan­ geren gelangen lassen will. — Entgelt ist jeder Vermögensvorteil, nach Olsh. 1 b jeder materielle Vorteil. Es braucht nicht vorher versprochen worden -u sein, dagegen entfällt ein Handeln gege« Entgelt, wenn nachher ein auch nicht einmal erwartetes Entgelt freiwillig -ugewendet wurde, ebenso RG. HI 281/19 o. 30. 6. 19. b) Strafbar ist ferner, wer der Schwangeren mit ihrer Einwilligung gegen Entgelt die Abtreibungsmittel beigebracht oder bei ihr angewendet und so die Tötung der Kracht durch Abtreibung oder im Mntterleibe bewirkt hat. Der Wortlaut der Bestimmung: „einer Schwangeren, welche ihre Frucht abgetrieben oder gelötet hat", könnte dahin verstanden werden, als mühte die Schwangere selbst Täterin sein. Dies ist nicht -er Fall. Denn Verschaffen muh allerdings die Tötung durch die Schwangere geschehen, nicht auch beim Anwenden oder Beibringen; es mufo auch hier tatsächlich zu einem Abgang der Frucht gekommen sein, aber die Schwangere braucht nicht Täterin zu sein; sie kann Gehilfin, kann auch z. D. wegen § 51 straf­ frei sein, RGSt. 16 184, 44 167, LZ. 1916 539. Weiter gehend nimmt Frank II an, -ah die Schwangere stets nur aus § 218 bestraft werden könne. 3. Nach der Rechtsprechung gibt es, ebensowenig wie bei § 218 Abs. 3, bei § 219 einen Versuch. Man schließt dies auch hier, und wohl mit mehr Recht als bei § 218 Abs. 3, aus der Perfektform, „welche ihre Frucht abgetrieben oder getötet hat", RGSt. 1 350, 4 302, 21 14, 44 167, LZ. 1916 479, 1917 539; gl. M. Liszt 319, Frank I 1, 2; dagegen Olsh. 3, Dinding Lehrb. 1 40, Hälschner 2 73, MeyerAllf. 209, 390, Schwartz 4 Folgt man -er Rechtsprechung, so wird die entgeltliche Verschaffung eines unwirksam gebliebenen Mittels nur als Beihilfe -um Versuche des Verbrechens aus $ 218 Abs. 1 bestraft, RGSt. 1 194, 4 302; auch Anstiftung zur Verübung -es Verbrechens aus § 219 ist ebenso wie -ie Anstiftung zur Anwen-ung von Abtteibungsmitteln nach § 218 Abs. 3 nur strafbar, wenn -ie Abtreibung Erfolg gehabt hat, RGSt. 3 162. — Der Entwurf beseitigt alle bei §§ 218, 219 auftauchen-en Zweifelsfragen durch -ie einfache un- klare Bestimmung, wonach -ie Schwangere, -ie ihre Frucht im Mutterleibe o-er durch Abtreibung tötet o-er -ie Tötung -urch einen an-eren zulätzt, mit Gefängnis, in beson-ers schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft wir-, und indem er -ie gleiche Sttafe -em androht, -er -ie Frucht mit Einwilligung -er Schwangeren tötet, wobei -er Versuch in beiden Fällen ausdrücklich für sttafbar erklärt wird. Handelt der Täter gegen Entgelt oder leistet jemand einer weiblichen Person gegen Entgelt Beihilfe -urch Verschaffen -er Abtteibungsmittel, so ist -ie Strafe Zuchchaus, bei Tötung -er Frucht ohne Einwilligung -er Schwangeren Zuchthaus nicht unter zwei Jahren.

Wer die Leibesfrucht einer Schwangeren ohne deren Wissen oder Willen vorsätzlich abtreibt oder tötet, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft.

220.

558

Strafgesetzbuch.

2 Teil.

16. Abschnitt

Ist durch die Handlung der Tod der Schwangeren verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren ober lebens­ längliche Zuchthausstrafe ein. 1. Ebenso wie in Den Fällen der §§ 218 Abs. 3, 219 erscheint auch bei § 219 nicht die Schwangere, sondern ein Dritter als Täter, der aber hier ohne Wissen und Wlllen der Schwangeren gehandett haben muß. Mit Olsh. 1 ist an-une hmen, daß die Mittel hier auch psychischer Natur sein können, B. Erregung heftiger Gemütsbewegung; vgl. $ 218 A. 2. Ohne Wissen und Willen handelt der Täter, wenn die Schwangere nicht weiß und nicht wlll, oder -war weih, aber nicht w Ul, oder zwar wlll, aber nicht weiß. Die Bestimmung -es § 220 kommt daher zur Anwendung, wenn die Schwangere weder die Abtreibung will, noch die abtreibende Handlung als solche er­ kennt, desgl., wenn sie zwar mit der Abtreibung einverstanden ist, aber z. D. nicht weiß, daß das chr gereichte Mittel ein Abtreibungsmittel ist, ferner, wenn sie die auf Abtrei­ bung zielende Handlung als solche erkennt, aber die Abtreibung nicht will, z. D. ge­ zwungen wird, das Mittel zu nehmen, desgleichen, wenn sie die Sachlage nicht zu er­ kennen vermag. Ium Tatbestände genügt es, daß die Einwilligung fehlte; nicht nötig ist, daß die Nichteinwilligung ernstlich zu erkennen gegeben wurde; Dinding Lehrb. I 40, Olsh. 2 Abs. 3, dagegen entfällt § 220, wenn die Schwangere ihre Einwilligung sowohl mit der Abtreibung selbst als mit der sie bezielenden Handlung, sei es ausdrück­ lich, sei es auch nur durch schlüssige Handlungen, kundgegeben hat; Dinding Handb. i 722, Lehrb. 1 40. Ein Handeln „ohne Wissen und Wlllen" ist nicht gleichzustellen dem Handeln „gegen den Willen" oder „wider Willen". Eine geisteskranke Schwan­ gere hat keinen beachtlichen Wlllen; der Täter handelt also, auch wenn sie nicht einver­ standen ist, nicht gegen ihren Willen, wohl aber, auch wenn sie einverstanden ist, ohne ihren Willen, RGSt. 16 184, 21 14, 44 167. Wird jemand wegen Beihilfe zu einem von der Schwangeren begangenen Abtreibung angeklagt und die Schwangere, weil ihr nicht nachgewiesen werden kann, -aß sie sich für schwanger gehalten hat, sreigesprochen, so kann -er andere nicht ohne weiteres aus § 220 verurteilt werden; denn der auf den Erfolg und die Unterstützung des Täters gerichtete Wille deckt sich nicht mit dem Willen der Tat als einer eigenen, wie § 220 ihn verlangt, NGSt. 18 230.

2. Zum Dorsatz gehört, daß der Täter weiß oder -och mit der von ihm gebilligten Möglichkeit rechnet, er handle ohne Wissen und Willen der Schwangeren; nimmt er irrtümlich deren Einwllligung an, so ist er nur aus § 218 Abs. 3 strafbar, z. D. wenn er die einwilligende geisteskranke Schwangere für gesund hält, NGSt. 16 184; a. M. Dinding Lehrb. 1 40. Mit Recht bemerkt Frank I Abs. 2, -aß die Annahme, die Schwan­ gere werde nachträglich einverstanden sein, den Dorsatz nicht ausschließt. K. Die Verursachung des Todes der Schwangeren durch die Abtrei­ bung bildet nach Abs. 2 einen straferhöhenden Umstand i. S. -er §§ 262, 264, 266, 295 StPO. Es handelt sich hier um ein reines Erfolgsdelikt, -er Tod muß in ursächlichem Zusammenhänge mit der Abtreibung stehen, ein Verschulden des Täters an -er Todes­ folge wir- jedoch nicht vorausgesetzt; trifft ihn ein solches — Dorsatz oder Fahrlässigkeit —, so kann Idealkonkurrenz mit §§ 211, 212, 222 in Frage kommen. 4. Versuch des Verbrechens aus Abs. 1 ist hier, anders als bei §§ 218 Abs. 3, 219, unbestritten; er kann aber auch bei Abs. 2 in Frage kommen, wenn die Abtreibung nur bis zum Versuch gediehen, infolge des Versuchs (z. D. durch die Frühgeburt eines leben­ den Kindes) aber der Tod der Schwangeren eingetreten ist; gl. M. Oleh. 5, Frank § 43 V 5, Schwartz 4, Liszt 320; a. M. MeyerAllf. 389, OppDel. 5, tzälschner II 75.

221. Wer eine wegen jugendlichen Alters, Gebrech» lichkeit oder Krankheit hilflose Person ausseht, oder wer eine solche Person, wenn dieselbe unter seiner Obhut steht oder wenn er für die Unterbringung, Fortschaffung oder Aufnahme derselben zu sorgen hat, in hilfloser Lage vorsätzlich verläßt, wird mit Gefängnis nicht

unter drei Monaten bestraft.

Verbrechen und Vergehen wider das Leben

§ 221.

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Wird die Handlung von leiblichen Eltern gegen ihr Kind be­ gangen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung der aus gesetzten oder verlassenen Person verursacht worden, so tritt Sucht* hausstrafe bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein. 1. Zn § 221 Ads. 1 werden zwei Tatbestände unter Strafe gestellt: das Aussetzen einer hilflosen Person und das Verlasse« derselben in hilfloser Lage. Hilflos ist eine Person, die nicht imstande ist, sich ohne Hilfe anderer gegen eine ihrem Leben drohende Gefahr zu helfen. Mit Recht folgerte Frank I aus der Stellung der Bestimmung in Ab­ schnitt IS, daß es sich um eine -em „Leben" drohende Gefahr handeln müsse; dagegen lassen RGSt. 7 111, 31 165 auch eine die Gesundheit bedrohende Gefahr genügen; ebenso Dinding Lehrb. 1 63, Schwartz 1; Olsh. 2 spricht von Gefährdung an Lei­ oder Leben. Ob bet Zustand der Hilflosigkeit dauernd oder vorübergehend, verschuldet oder unverschuldet ist, ist gleichgültig. Nicht Hilflosigkeit aus jedem Grunde genügt sondern nur eine solche, die durch jugendliches Alter, Gebrechlichkeit oder Krankheit verursacht ist. Die einzelnen Gründe -er Hilflosigkeit können altemativ festgestellt werden. Jugendliches Alter ist hier nicht im Sinne einer bestimmten Altersgrenze zu verstehen, wie in §§ 56, 57; entscheidend ist -er Zu­ stand der jugendlichen Person im einzelnen Fall; zutreffend nimmt Olsh. 3 a die volle körperliche Entwicklung als Grenze an, über die hinaus von einer Hilflosigkeit wegen jugendlichen Alters nicht mehr gesprochen werden kann. Gebrechlichkeit kann durch Altersschwäche, aber auch durch körperliche Gebrechen, die nicht als Krankheit anzusehen sind, z. D. Fehlen eines Gliedes, hervorgerufen sein. Krankheit ist hier jede Störung der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen, ohne Rück­ sicht auf die zu Grunde liegende Ursache und auf die Dauer; daher kann auch starke An­ getrunkenheit als Krankheit erachtet werden, RGSt. 5 394. Taubstummheit rechnen Olsh. 3 c, Dinding Lehrb. 1 62 zur Krankheit, Wachenfeld 330 mit Recht zur Ge­ brechlichkeit. 2. Der erste Mischtatbestand bezeichnet als Handlung das Autzsetzen. Dieses erfor­ dert, dah vorsätzlich eine nach § 221 Abs. 2 hilflose Person durch eine positive Tätigkeit aus einem Verhältnisse, in dem ihr Hilfe, Schutz zuteil ward, in eine hilflose Lage ver­ setzt wird, in einen Zustand, in dem sie, falls nicht ein rettender Zufall eintritt, an Leben und Gesundheit (vgl. A. 1) gefährdet wir-, RGSt. 7 111, 31 167. Wird ein Kind an einer Straße ausgesetzt, aus -er regelmäßig Menschen verkehren, so kann -och eine hilflose Lage gegeben sein; denn es hängt vom Zufall ab, ob einer der Vorübergehenden -em Kinde Hilfe leisten will oder rechtzeitig leisten kann, RGSt. 7 112, 113. Dagegen ist der Tatbestand nicht gegeben, wenn die Mutter, die ihr Kind ausgesetzt hat, sich so­ lange in -er Nähe aufhält, bis sie sieht, daß Menschen kommen und sich -es Kindes an­ nehmen, RGSt. 2 16. Ein Zwang, in hilfloser Lage zu verharren, genügt nicht, GA. 54 297. D u rch das Aussehen muß die Gefährdung entstanden sein; entstand sie erst durch eine spatere Handlung (z. B. der Ehemann, der seine Familie verlassen hat, sendet ihr später keine Unterhaltemittel mehr), so ist der Tatbestand nicht gegeben, RGSt. 10 183. Mit dem Versetzen in die hllflose Lage und der dadurch hervorgerufenen Ge­ fährdung ist die Tat vollendet, Rspr. 7 250; der Eintritt eines wirklichen Nachteils — außer der Gefährdung — ist nicht erforderlich; ebensowenig, daß für -en Täter eine rechlliche Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut besteht; Täter kann also hier, anders als beim zweiten Mischtatbestande, jeder sein, RGSt. 7 111, 31 165; LZ. 1918 572. Dje letztgenannte Entscheidung behandelt den eigenartig gelagerten Fall, daß der Täter sich verpflichtet hatte, eine kranke, hilflose Person bis in die Nähe des Lazaretts zu fahren; er tat dies, setzte die Kranke trotz ihres Widerstrebens eine Sttecke vom Lazarett entfernt aus und brachte sie so in hilflose Lage. Der Tatbestand wurde als gegeben erachtet, selbst wenn die Kranke anfänglich mit der Verbringung bis zum betreffenden Punkt einver-

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Strafgesetzbuch.

2. Teil.

16. Abschnitt.

standen war; denn das Gesetz straft die Aussetzung unabhängig davon, ob sie einer Ver­ trags- oder sonstigen Rechtspflicht zmviderläust und zu einer Verbringung in eine HUflose Lage hatte die Kranke -ihre Zustimmung nicht gegeben»

3. Der zweite Mischtatbestand enthStt das Berlasse» in hilfloser Lage. Hier kann Täter nur derjenige sein, unter dessen Obhut die hllflose Person steht oder der für chre Unterbringung, Fortschaffung oder Aufnahme zu sorgen hat. Obhut bezeichnet hier ein mtt einer gewissen Abhängigkeit verbundenes Schutzverhältnis, das aber nicht, auf einem besonderen Dertrauensakt zu beruhen braucht (Olsh. 6 a weift auf die ver­ schiedene Fassung hin: $ 174 Nr. 2 „der Obhut anvertraut", hier „unter Obhut steht"). Streitig ist, ob das Obhutverhältnis ein durch Amt, Beruf, Vertrag usw. rechtlich be­ gründetes sein mutz, oder ob ein rein moralisches oder rein tatsächliches Verhältnis, eine faktische Übernahme der Odhut, eine Verpflichtung ex re genügt; erstere Ansicht wird vertreten von Olsh. 6 a, Schwartz 4, im wesentlichen auch von Frank II 2, der jedoch darauf hinweist, daß schon die tatsächliche Übernahme einer Obhut deren Fort­ führung zur rechtlichen Pflicht machen kann, bis in geeigneter Weise für den Schützling gesorgt ist; letztere Meinung haben Dinding Lehrb. 1 62, Liszt 307, MeyerAllf. 401, Wachenfeld 331 und wohl auch RGSt. 17 260, woselbst anerkannt wird, -atz eine Ob­ hutpflicht, die ursprünglich auf Vertrag sich gründete, auf Grund des durch -en Vertrag und „duvch die einmal übernommene Obhut tatsächlich geschaffenen Nechtszupandes" auch über die Derttagsdauer hinaus fortbestehe. Letzterer Meinung ist durchaus beizu­ treten; wohl aber auch der weiter gehenden, von y. Liszt, Dinding usw. vertretenen, die -er sozialen und humanen Tendenz des § 221 jedenfalls besser gerecht wird als die entgegengesetzte. — Soweit es sich darum handelt, daß jemand für die Unterbringung usw. eines Hilflosen zu sorgen hat, unterliegt es keinem Zweifel, -atz hier eine rechttiche, fei es auf Gesetz, Amt, Beruf oder Vertrag beruhende Verpflichtung vorliegen mutz, NGSt. 8 205. 4. Auch der Begriff des „Verlassens" ist bestritten. Nach NGSt. 8 345, 10 184, 38 377 setzt das Verlassen eine räumliche Trennung, eine Änderung -er örtlichen Be­ ziehungen zwischen -em Hllfsbedürstigen und -em zur Obhut Verpflichteten voraus» eine bloße Vernachlässigung -er Obhutpslicht ohne solche räumliche Trennung genügt nicht. Daneben läßt sich aber, wie RGSt. 8 345 ausgeführt wir-, ein Verlassen auch ohne Srttiche Entfernung denken, beispielsweise wenn -er Hüter, ohne sich vom Platze zu rühren, -urch Absperrung -er Derbindungstür unter Beseitigung -es Schlüssels, durch Abbrechen einer Leiter ober Brücke sich -ie Möglichkeit -es Zugangs abschneidet. Immer aber mutz eine Änderung der örtlichen Beziehungen -wischen -em Hüter und -em Hllfsbedürstigen, eine räumliche Trennung nach außen zur Erscheinung gelangen; -er bloße WMe der Vernachlässigung ohne Änderung -er -ie Hllfe bedingenden örtlichen Verhältnisse kann ein „Lassen" (diesen Ausdruck verwendet -er Entwurf) sein, ist aber kein „Verlassen". Der reichsgerichtlichen Rechtsprechung wird beizutteten sein, ohne daß jedoch -ie in RGSt. 38 377 gezogenen Folgerungen gebilligt werben können (Verlassen eines in Sturzgeburt geborenen Kindes). Frank II 2 verlangt räumliche Trennung -urch Än-erung -es Aufenchaltsortes nicht des Objekts, sonbern -es Sub­ jekts; dagegen nimmt Bin-ing Lehrb. 1 63 wohl mit Recht an, -aß ein Verlassen auch dann vorliegt, wenn -er Hüter, Wärter -uldet, daß -ie hilflose Person sich wegbegibt. Ebenso Olsh. 7. 5. Aussetzen un- Verlassen können nur vorsätzlich begangen werden; beim Ver­ lassen hebt das Gesetz dies ausdrücklich hervor, da auch fahrlässiges Verlassen denkbar ist. Der Täter muß sämtliche Tatbestandsmerkmale kennen, insbesondere wissen, -aß das Objekt der Handlung durch das Aussetzen oder Verlassen in eine hilflose Lage ver­ setzt, am Leben gefährdet wird; mehr als Gefahrdmr-Svorsatz ist jedoch nicht nötig, -es Derletzungsvorsatzes bedarf es nicht, RGSt. 7 111. Dies führt zu der Frage -es Verhältnisses -es § 221 zu den Derletzungsdelitten -er §§ 211, 212, 217. Vielfach wird angenommen, daß der Gefährdung-- un- -er Derletzungsvorsatz in bezug aus dieselbe Person mtteinander unvereinbar seien, daher Jbealkonkurrenz nicht in Frage kommen ckönne, so Dinding Handb. 1 538, Lehrb. 1 64; RGSt. 25 322 tritt dieser Anschauung Insoweit bei, als es sich um -iretten Dolus handelt (der Vorsatz könne nicht -irekt auf

Verbrechen und Vergehen wider das Leben.

§ 222.

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Tötung und gleichzeitig auf Gefährdung durch Aussetzen gehen), dagegen erachtet dieses Urteil den direkten Tötungsvorsah wohl vereinbar mit -em eventuellen Gefahrdungs­ vorsatz und umgekehrt und insoweit gdealtonkurrenz für möglich; so auch Liszt 307, Öls­ hausen 13 a. Frank III nimmt an, daß der Gefährdungsvorsatz immer im Verletzungs­ vorsatz enthalten sei und gelangt von dieser Annahme aus zur Möglichkeit der gdealkonkurrenz, während Dar, Ges. u. Schuld 3 543 von der gleichen Annahme ausgehend, zur Verneinung der gdealtonkurrenz kommt. Mit Olsh. 13 a a.