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German Pages 207 [208] Year 2002
Rainer Wahl / Joachim Wieland (Hrsg.) Das Recht des Menschen i n der W e l t
Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 28
Das Recht des Menschen in der Welt Kolloquium aus Anlaß des 70. Geburtstags von Ernst-Wolfgang Böckenförde
Herausgegeben von
Rainer Wahl Joachim Wieland
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5200 ISBN 3-428-10841-8
Vorwort Dieser Band dokumentiert die Vorträge, die im Rahmen des Kolloquiums „Das Recht des Menschen in der Welt" aus Anlaß des siebzigsten Geburtstags von Ernst-Wolfgang Bökkenförde am 12. und 13. Oktober 2000 in den Räumen der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung in München gehalten worden sind; abgedruckt ist auch die Laudatio, die die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Frau Prof. Dr. Jutta Limbach, am Abend des 12. Oktober 2000 dem Jubilar gewidmet hat. Der Tagungsband tritt an die Stelle einer Festschrift, die Schüler, Kollegen und Freunde Ernst-Wolfgang Böckenförde gern überreicht hätten, wenn der zu ehrende Empfänger denn sein Einverständnis erklärt hätte. Selbstverständlich haben sich aber alle potentiellen Herausgeber und Autoren seinem Wunsch gefügt, auf eine zweite, große Festschrift nach der ersten, kleineren Festschrift „Offene Staatlichkeit" der akademischen Schüler zu verzichten, die Rolf Grawert und Bernhard Schlink gemeinsam mit den Unterzeichnern 1995 Herrn Böckenförde zum fünfundsechzigsten Geburtstag dargebracht haben. So mußten wir uns darauf beschränken, dem Jubilar das umfangreiche Verzeichnis seiner - bisherigen - Veröffentlichungen zu überreichen, das ebenfalls in diesem Band abgedruckt ist. Das Thema des Kolloquiums „Das Recht des Menschen in der Welt" ist nicht weniger umfassend und grundsätzlich als die „Offene Staatlichkeit" vor fünf Jahren. In den Blick genommen wird die Basis des Staatsrechts und der Staatsphilosophie: der Mensch, die Person, der einzelne. Die neu entflammte Diskussion um den rechtlichen Rahmen für Gentechnik und Biomedizin zeigt die Aktualität und Bedeutung des Gegenstands. Das Thema enthält aber zugleich eine Ausweitung des Aufmerksamkeitshorizonts auf die Welt und knüpft insoweit an
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Vorwort
das frühere Thema der offenen Staatlichkeit an. Der einzelne in der Welt ist offensichtlich nicht mehr allein im Räume des Staates. Offen ist das Thema außerdem für die Perspektive anderer Wissenschaften, zu allererst der Philosophie und Theologie, aber auch der Geschichte. Die gleichgewichtige Berücksichtigung anderer Geisteswissenschaften bei der eigenen Forschung war für Ernst-Wolfgang Böckenförde immer schon selbstverständlich, Gewohnheit und Notwendigkeit, ehe die Formel von Interdisziplinarität gebraucht und inflatorisch gebraucht wurde. In diesem Sinne kommen in diesem Band nicht nur Vertreter der Rechtswissenschaft zu Wort. Vielmehr behandelt Karl Kardinal Lehmann das Thema aus der Sicht des Theologen, Hasso Hofmann aus dem Blickwinkel der Staatsphilosophie, Rainer Wahl als Fachvertreter des Öffentlichen Rechts, Dieter Gosewinkel als Historiker und Dieter Grimm als Vertreter des Verfassungsrechts und des Verfassungsgerichts. Die Referenten spiegeln damit nicht nur die Vielfalt der wissenschaftlichen Kontakte und Interessen, sondern auch der Aspekte des beruflichen Weges von Ernst-Wolfgang Böckenförde wider. Die beeindrukkende Persönlichkeit des Geehrten erschließt sich aus der Laudatio von Jutta Limbach, die auf der Begegnung in langen und intensiven Karlsruher Beratungen gründet. Die Herausgeber schließen mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß auch die nächsten halbrunden und runden Geburtstage von Ernst-Wolfgang Böckenförde Gelegenheit geben werden, vom Fortgang seiner wissenschaftlichen Arbeit und deren Aufnahme nicht nur in den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Fächern, sondern auch in der interessierten Öffentlichkeit Zeugnis abzulegen. Freiburg im Breisgau, im Herbst 2001
Rainer Wahl Joachim Wieland
Inhaltsverzeichnis Laudatio zum 70. Geburtstag für Ernst-Wolfgang Böckenförde Von Jutta Limbach
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Globalisierung und christliches Menschenbild - Anmerkungen aus theologischer Sicht Von Kardinal Karl Lehmann
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Menschenrechte und Demokratie oder: Was man von Chrysipp lernen kann Von Hasso Hofmann
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Der einzelne in der Welt jenseits des Staates Von Rainer Wahl
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Frankreich im Alten Reich. Außenpolitik und Europabewußtsein im Zeitalter Ludwigs XIV. Von Dieter Gosewinkel
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Multikulturalität und Grundrechte Von Dieter Grimm Dankesworte von Ernst-Wolf
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Bibliographie Ernst-Wolfgang Böckenförde 1957-2000
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Laudatio zum 70. Geburtstag für Ernst-Wolfgang Böckenförde Von Jutta Limbach Der 70. Geburtstag des Staatsrechtslehrers Ernst-Wolfgang Böckenförde ist für seine Schüler- und Verehrerschar ein willkommener Anlaß, auf ein glückliches Gelehrtenleben zurückzublicken. Als glücklich darf es deshalb bezeichnet werden, weil es von Arbeit, Liebe sowie Gottvertrauen gesegnet war und - das sei der Geburtstagswunsch - auch künftig sein möge. Die Gefahr, daß der Jubilar sich allzu üppig in dem Lob sonnen könnte, daß ihm dieser Tage zuteil wird, ist äußerst gering. Die Ehrungen dürften ihm vor allem Ansporn sein, die Arbeit zu vollenden, die er sich für das Dritte Alter vorgenommen hat. Befreit von den Pflichten des Richters und des Hochschullehrers hat er sich als Kür ein Buch über die Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie vorgenommen, auf das wir gespannt warten. Ernst-Wolfgang Böckenförde ist zu Recht das Kompliment gemacht worden, einer der profiliertesten Staatsrechtslehrer seit der Gründung der Bundesrepublik zu sein. Die lobenden Adjektive, Adverbien und Substantive, die sein Wirken in Wissenschaft und Praxis begleiten, kennzeichnen den Jubilar als einen untypischen, aber gleichwohl oder gerade deswegen vorbildlichen Juristen. Denn er war alles andere als der Prototyp des Juristen, der in Lobreden gern als der neutrale, apolitische Diener an der Sache des Rechts gefeiert wird. Das Ideal des unpolitischen Expertentums, das die deutschen Juristen in der Vergangenheit für staatlichen Gewaltmißbrauch anfällig gemacht hat, war ihm gänzlich fremd. Bemäntelte doch solche vermeintliche politische Abstinenz nur die fehlende Bereit-
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schaft, sich die Frage nach den vorrangigen Werten und den Zielen staatlichen Handelns zu stellen. Selbstgenügsames juristisches Theoretisieren war seine Sache nicht. Wußte er doch nur zu gut, daß der Richter, der sich von politischen und sozialen Werturteilen frei zu halten sucht, sich sehr schnell als wehrlos gegenüber gesellschaftlichen Konformitätszwängen erweist. Ernst-Wolfgang Böckenförde hat seine Aufgaben als Hochschullehrer, Wissenschaftler und Richter stets in der Geisteshaltung eines kritischen loyalen Demokraten versehen. Meinungs- und Urteilsfreude waren sein Lebenselixier. Rechtschaffenheit - ein aus der Mode gekommenes, von ihm aber gern gebrauchtes Wort - war und ist ihm nicht nur eine private sondern auch eine öffentliche Tugend. Was macht ein solches Leben aus? Was hat Böckenförde zu diesem Vorbild eines erkenntnishungrigen, verantwortungsbewußten und sozial denkenden Menschen gemacht? Die Tatsache, eines von acht Kindern gewesen zu sein? Die Jugend während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft? Die Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Unrechtssystem und des Zusammenbruchs 1945 haben Böckenförde das Jurastudium wählen lassen und eine nie versiegende Leidenschaft für das Staatsrecht begründet. Unnachsichtig - und unbekümmert um das eigene Fortkommen - hat er nach der Verantwortung für das damals Geschehene zu einer Zeit gefragt, als in Deutschland noch Sprachlosigkeit vorherrschte. So hat er im Jahr 1961 in der Schrift „Der deutsche Katholizismus im Jahre 1933" die Rolle der Kirche bei der nationalsozialistischen Machtergreifung kritisiert und eine heftige Diskussion ausgelöst. Ihn beschäftigte in dieser historischen Studie das problematische Verhältnis von christlichem Glauben, kirchlichem Amt und politischen Handeln. Konkret befragte er die Quellen und Dokumente aus jener Zeit, inwieweit katholische Bischöfe, Priester und Laien durch ihre Kundgaben und Aktionen gegenüber dem sich etablierenden NS-Regime Anerkennung und Mitarbeit signalisiert haben.
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Dabei ging es ihm weder um Anklage oder moralischen Vorwurf. Ihn trieb die Frage um, aus welchen Gründen sie dies getan haben, insbesondere ob allgemeine nationale oder spezifisch katholische Gründe eine Rolle gespielt haben. Denn er wollte wissen, welche Lehren daraus für Gegenwart und Zukunft zu ziehen sind. Im Mittelpunkt stand für ihn die Frage, an welchen Kriterien sich eine dem Gemeinwohl dienende Entscheidung zu orientieren habe. Das könne, so Bökkenförde, nicht abstrakt nach zeitlosen Kriterien wie etwa der „Anerkennung des Naturrechts" bestimmt werden, sondern nur geschichtlich und konkret. So sei es im Jahre 1933 darauf angekommen, jene politische Gruppe zu unterstützen, welche auf dem Boden einer freiheitlichen Ordnung den entschiedensten Widerstand gegen den Nationalismus zu leisten versprach, selbst wenn sie die Konfessionsschule nicht anerkannte oder die naturrechtliche Eigentumsauffassung nicht voll respektierte. „Das vom Gemeinwohl Gebotene war, gegenüber der heraufkommenden Diktatur der Nationalsozialisten zunächst eine freiheitliche-demokratische Ordnung überhaupt zu erhalten." Das Verhältnis von Kirche und Staat sollte ein bevorzugter Gegenstand des Nachdenkens von Böckenförde bleiben. Der Ehrendoktor, den ihm die Katholisch-Theologische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum verliehen hat, sowie die Ernennung zum Komtur des päpstlichen Gregoriusordens, belegen, daß dieses Verhältnis von gegenseitiger Achtung getragen war und ist. Seine literarische und wissenschaftliche Produktivität kennt kaum ihresgleichen. Er ist ein Meister des rechtsphilosophischeri Essays. Seine Themenwahl weist ihn als einen politisch denkenden Staatsbürger aus, der die Erkenntnisse der Geschichte, Philosophie und Rechtswissenschaft für die Probleme des politischen Alltags fruchtbar zu machen versteht; gleichgültig, ob er sich dem Begriff der Nation, den Auswüchsen des Parteienstaates oder den ethischen Grundlagen des Rechts widmet. Schon in der Schule haben seine Aufsätze über Dante seinem Lehrer Bewunderung abgenötigt. Aus diesen leuchte - so hat er es formuliert - „eiserner Fleiß, klarer Ver-
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stand und ein sicheres Wertgefühl" hervor. Dieses frühe Urteil kennzeichnet sein Denken und Schreiben bis zum heutigen Tag. Ernst-Wolfgang Böckenförde hatte sein Studium von vornherein fächerübergreifend angelegt. Nach seinem juristischen Staatsexamen hat er bei Hans J. Wolff in Münster den Dr. iur. und bei Franz Schnabel in München mit einer Arbeit über die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert den Dr. phil. gemacht. Der Habilitation im Jahr 1964 folgte noch im selben Jahr der Ruf nach Heidelberg. 1969 hat er sich in Bielefeld dem Experiment und Wagnis der einphasigen Juristenausbildung gestellt, um dann im Jahr 1977 ein Professorenamt in Freiburg zu übernehmen. Trotz dieser einlinigen Universitätskarriere war der Elfenbeinturm nie sein berufliches Domizil. Stets hat er zugleich als Theoretiker und politisch aufgeschlossener Praktiker gewirkt. So war er in den Jahren 1971 bis 1976 Mitglied der Enquetekommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestags. In den Jahren 1983 bis 1995 war er Mitglied des Bundesverfassungsgerichts. Seine Wahl zum Bundesverfassungsrichter war zu Recht als Glücksfall für das Gericht bezeichnet worden. Denn mit Ernst-Wolfgang Böckenförde gewann der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Kollegen, der mit Fragen der Grundrechtstheorie und -interpretation auf das Beste vertraut war. Aus seiner Feder stammen wichtige Arbeiten zum Grundrechtsverständnis, zu den Methoden der Verfassungsinterpretation sowie zu dem Spannungsverhältnis von Freiheit und Gleichheit. Der Grenzverlauf zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik war für ihn vom wissenschaftlichen Thema zur Frage des richterlichen Arbeitsethos avanciert. Er war es, der in seinem letzten großen Dissent den zuweilen als paternalistisch gescholtenen - Zweiten Senat davor gewarnt hat, den Gesetzgeber mit der Vorgabe eines detaillierten Regelungsprogramms vor dem Risiko eines erneuten Scheiterns vor Gericht bewahren zu wollen. Das Gericht, so Bökkenförde, sollte sich nicht als fürsorglicher Erzieher der Politik aufführen. Denn je engmaschiger das Gericht das Netz der
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Verfassungsvorgaben knüpft, desto mehr zurrt es die Handlungsmöglichkeiten der Legislative oder Exekutive fest und lähmt deren politische Entscheidungsfreude. Böckenfördes Mitarbeit im Senat war nie von dem Wunsch geleitet, Reputation durch das Formulieren abweichender Meinungen zu erwerben; obgleich es deren einige aus seiner Feder gab. Wichtiger war es ihm stets, die Köpfe und Stimmen der anderen für eine gemeinsame Entscheidung zu gewinnen. Das war ihm trotz seiner Gedankenschärfe, Bibelfestigkeit und eindringlichen Beredsamkeit nicht immer vergönnt. Die mitunter schmerzliche Erfahrung, die Mitglieder des Senats in einer wichtigen Frage nicht zu überzeugen, hat er mit beispielhafter Würde ertragen. Resignation war seine Sache nie. Auch nach einer Abstimmungsniederlage pflegte Böckenförde konstruktiv am Formulieren auch solcher Entscheidungen mitzuwirken, die er nicht für sachgerecht hielt. „Alles Genie der Persönlichkeit", so hat Leo Baeck einmal gesagt, „ist im Grunde eine große Geduld, die nicht müde wird". In diesem Sinne hoffen wir, daß Ernst-Wolfgang Böckenförde auch künftig unverdrossen mit der Macht seines Wortes, seines Intellekts und seines sicheren Wertgefühls auf die öffentliche Meinung der Bundesrepublik Einfluß nimmt.
Globalisierung und christliches Menschenbild Anmerkungen aus theologischer Sicht Von Kardinal Karl Lehmann, Mainz Wir haben alle das Empfinden, in einer Zeit zu leben, in der sich vieles ändert. Da kommt es nicht selten auf die instinktmäßige Wahrnehmung der Chancen und Gefahren an. Ebenso sind viele der Meinung, dass die Phänomene der Globalisierung, der Individualisierung und auch der Digitalisierung mit allen Folgen für die menschliche Kommunikation eine andere Gesamtkonstellation schaffen, die wir erst noch richtig verstehen müssen. Dabei handelt es sich nicht nur um ein nationales oder kontinentales Phänomen, sondern um etwas, was der amerikanische Ökonom und Arbeitsminister Robert B. Reich mit anderen zusammen bereits vor einigen Jahren als „neue Weltwirtschaft" bezeichnet hat 1 . Es ist trotzdem immer noch notwendig, dem etwas schillernden, oszillierenden Begriff Globalisierung genauer nachzugehen. Wir wollen dies auch dadurch zu erreichen versuchen, dass wir die Globalisierung in Bezug setzen zur Sozialen Marktwirtschaft, wie sie besonders in unserem Land gewachsen ist. Ich bin dabei kein Spezialist für diese Fragen, nicht einmal als Ökonom oder Politikwissenschaftler ausgebildet. Ich versuche nur zu reflektieren, was uns alltäglich begegnet und wie wir es in unsere grundlegende Auffassung unserer Gesellschaft einordnen können.
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Robert B. Reich, Die neue Weltwirtschaft. Das Ende der Nationalen Ökonomie, 1993, Fischer-Taschenbuch 1996.
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Ι. Die Historiker machen uns darauf aufmerksam, dass der Begriff „Globalisierung" nicht zu kurzsichtig verwendet werden dürfe. Es habe in der Geschichte gerade auch der Wirtschaft immer wieder Phasen gegeben, in denen Entwicklungen von weltweiter Bedeutung stattgefunden hätten, so in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des ersten Weltkrieges. Die Völkerrechtler weisen darauf hin, dass der Begriff Globalisierung schon länger zur Kennzeichnung des Prozesses weltweiter Ausdehnung der Geltung völkerrechtlicher Prinzipien verwendet werde, spätestens seit den 60er Jahren. Der Beginn von Globalisierung wird dabei vor allem im Zusammenhang mit dem Prozess der Errichtung einer nicht mehr auf Europa beschränkten Völkerrechtsgemeinschaft gesehen. Bald danach scheint in den Beratungen des Club of Rome zu Beginn der 70er Jahre der Begriff der Globalisierung aufzutauchen. Auch in diesem Kontext erscheinen die „Schrumpfung" der Welt infolge der technischen Fortschritte und die darauf beruhende wirtschaftliche und soziale Globalisierung, die allmählich zur Schaffung einer Weltgesellschaft führe, als wichtige Triebkraft 2 . So scheint sich seit ungefähr 30 Jahren intensiver eine Entwicklung anzubahnen, die vor allem in den letzten zehn Jahren immer mehr eine weltumfassende theoretische und praktische Bedeutung erlangt hat. „Globalisierung" betrifft zwar vor allem und zuerst die Wirtschaft. Aber die Voraussetzungen dafür liegen doch in sehr verschiedenen Sektoren unseres Lebens. Fortschreitend sich verbessernde internationale Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen, aber auch die Bereitschaft der Menschen verschiedener Nationen, engere Kontakte zu pflegen, haben die Regionen der Welt in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zusammenwachsen lassen. Die Medien berichten regelmäßig und rasch über die wichtigsten
2 Vgl. Otto Kimminich, Globalisierung, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band III, 1974, S. 675-677.
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Ereignisse in allen Ländern der Erde. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich, z.B. in der Klimaforschung und der Bekämpfung von Krankheiten, mehr und mehr mit weltweiten Problemen. Die Politik bezieht die Ereignisse in anderen Staaten viel stärker in ihre Überlegung ein. Weltweite Koordination erscheint immer mehr als eine zentrale Aufgabe. Internationale Entwicklungen haben eine überragende Bedeutung bekommen. Dass in letzter Zeit die Ausdehnung unserer Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten durch die neuesten Entwicklungen im elektronischen Bereich und besonders im Internet diese Entwicklung gefördert haben, steht außer Frage. In der Wirtschaft vollzieht sich dieser Prozess intensiv. Zwischen 1965 und 1990 hat sich der Welthandel mit Gütern verdreifacht. Der Handel mit Dienstleistungen stieg sogar um mehr als das Vierzehnfache. An die 500.000 US $ pro Sekunde werden zwischen den Finanzplätzen hin- und hergeschoben. Dies ist weit mehr, als für die Warenströme selbst notwendig ist. „Der Prozess der fortschreitenden Globalisierung basiert auf der weltweiten Integration von Märkten sowie dem Abbau von Flandelsschranken und Mobilitätsbarrieren. Er wäre nicht möglich ohne die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Globalisierung bedeutet: weltweite Öffnung der Märkte für Waren und Dienstleistungen, zunehmende Freizügigkeit für unternehmerisches Handeln und weltweite Verfügbarkeit technischen Wissens und Könnens sowie qualifizierte Arbeitskräfte. Hinzu kommt eine wachsende Mobilität des Kapitals. Zunehmend werden finanzielle Mittel nicht im eigenen Land reinvestiert, sondern auf den internationalen Kapitalmärkten angelegt, sodass sie für Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen im eigenen Land nicht verfügbar und der Aufgabe, im nationalen Rahmen Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten, entzogen sind. Mehr und mehr verselbständigt sich damit der Kapitalverkehr" 3 .
3 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofs-
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Dieser Prozess bedeutet, dass die nationalen Grenzen bei Investitions-, Produktions-, Angebots-, Nachfrage- und Finanzierungsentscheidungen zunehmend an Bedeutung verlieren, wenngleich sie noch durchaus ihre Wirkkraft haben. Die Konsequenzen sind ein enger werdendes Netz von Verknüpfungen der einzelnen Volkswirtschaften, eine stärkere Internationalisierung der Produktion: die verschiedenen Komponenten eines Endprodukts werden in mehreren Ländern hergestellt. Es gibt integrierte Weltmärkte für zahlreiche Waren, Dienstleistungen und Finanzprodukte. Aber auch die Arbeitsmärkte sind davon mehr und mehr bestimmt. Grenzüberschreitende Wanderungen von Arbeitskräften, nicht zuletzt zur Erzielung von Einkommen überhaupt oder von höheren Einkommen, haben zugenommen. Weitere Migrationstendenzen zeichnen sich ab. Unsere Diskussion über die leichteren Zuwanderungsmöglichkeiten für Spezialisten im elektronischen Bereich („Greencard") ist nur ein Beispiel. Die Weiterungen gehen bis zu Überlegungen, ob vor diesem Hintergrund nicht neue Überlegungen für die Regulierung von Einwanderung überhaupt notwendig werden. Alles macht die einzelnen Völker ökonomisch voneinander abhängig und auch wechselseitig verletzbar. Heute kann sich kein Land aus dieser vernetzten Weltwirtschaft zurückziehen, ohne für sich selbst und andere Staaten - mindestens zeitweise - Verluste zu verursachen. Bei kleineren Staaten gibt es hier natürlich oft eine einseitige Abhängigkeit. Die unterschiedlichen Größen der am internationalen Austausch beteiligten Länder schaffen oft eine deutliche Asymmetrie der Abhängigkeiten. Immerhin sind Führungsstellungen nicht mehr relativ leicht zu schaffen und zu bewahren wie in den 50er Jahren. Dadurch werden reine Alleingänge z.B. der amerikanischen Wirtschaftspolitik weitgehend unmöglich. Es gibt jedoch auch neue Entwicklungen zugunsten vor allem der Entwicklungsländer. Entwicklungsländer sind seit einiger Zeit nicht mehr nur Lieferanten unverzichtbarer Rohstoffe, sondern gleichzeitig wichtige Abnehmer von Industriewaren und Dienstleistungen konferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, 1997, Nr. 84.
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aus den Industriestaaten. Zum anderen haben nicht wenige erhebliche Fortschritte beim Aufbau moderner und konkurrenzfähiger Verarbeitungssektoren gemacht. Darum werden erfolgreiche südostasiatische staatliche Einheiten und Gesellschaften wie Hongkong, Taiwan, Südkorea und Singapur häufig schon als junge Industrieländer bezeichnet. Dies hat gewaltige Auswirkungen, die wir täglich spüren. Wissensströme, Technikentwicklungen, Produktionsverfahren und Managementstrategien werden weltweit optimal komponiert und integriert. Produktionsstandorte, Produkte, Dienstleistungen, Kapitalanlagen und Arbeitskräfteangebote aus allen Teilen der Welt treten miteinander in eine direkte Konkurrenz. Die klassische Arbeitsteilung zwischen „Erster" und „Dritter" Welt (Austausch von Rohstoffen gegen Fertigwaren) hat sich so verändert, dass heute dank wachsender Qualifikation der Arbeitskräfte industrielle Zwischenprodukte und Fertigwaren auch in der „Dritten Welt" hergestellt werden, wobei es immer noch charakteristische Strukturen gibt. Japan, Deutschland und die USA behalten z.B. eine Vorreiterrolle in der Automobilindustrie. Die Weltkleidung wird inzwischen zu über 50% in Asien hergestellt. Indien ist aber heute schon der zweitgrößte Software-Exporteur der Welt. Die Globalisierung führt nicht nur dazu, dass die Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkte die Grenzen der Nationalstaaten immer häufiger überschreiten, sondern sie hat auch zur Konsequenz, dass die Entscheidungen über Produktion und Investition die Standorte in mehreren Ländern betreffen. Arbeitsprozesse oder auch Wertschöpfungsanteile werden kostenminimierend auf verschiedene Länder verteilt. Man kann auch etwas provozierend sagen: „Einfache Produktionen sind dort zu finden, wo die Löhne niedrig sind; geforscht wird in den Ländern, in denen es kaum gesetzliche Beschränkungen gibt; Gewinne werden dort ausgewiesen, wo die Steuersätze besonders gering oder die Abschreibungsregeln besonders großzügig sind" 4 . Globalisierung bedeutet hier wechselseitige Konfronta4
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tion mit den möglicherweise besseren Produkten, niedrige Umwelt- und Sozialstandards, geringere Lohnkosten, höhere Zinsen und Renditen. Mit der Einbindung in die internationale Arbeitsteilung ist auch für alle ein starker Zwang zur Begrenzung von Kosten und zu weiteren Rationalisierungsmaßnahmen verbunden. Auch mittlere und kleinere Firmen, nicht zuletzt im Zulieferbereich, müssen sich längst auf Konkurrenzangebote aus dem Ausland einstellen und ihre Produkte wettbewerbsfähig halten, und zwar in qualitativer wie in preislicher Hinsicht. Der vom Weltmarkt her kommende Druck auf einzelne Sektoren und Unternehmen ist nicht zu übersehen.
II. Das Phänomen „Globalisierung" ist trotz dieser plausiblen Erklärungsgründe nicht leicht zu fassen. Ich vermute, dass dies von den nicht von einer Stelle aus beherrschbaren Wirkungen kommt. Es haftet ihm bei aller Klarheit in der Tendenz eine schwebende Plastizität an. Es entsteht eine grundlegende Unsicherheit, die nicht ohne weiteres beseitigt werden kann. Es gibt keine Weltzentralbank oder allseits akzeptierte automatische Regeln zur weltweiten Regulierung der Ausgaben- und Steuerpolitik. Es fehlt - um etwas utopisch zu reden - ein einziges Land mit anerkannten Rechten und Pflichten im Sinne eines wohlwollenden Welt-Wirtschaftsführers. In diesem Sinne ist das Bild vom „Global Player" sehr treffend. Denn dieses Spiel, dass sich hier vollzieht, ist natürlich schwer überschaubar und erst recht schwierig prognostizierbar. Es gibt hier immer wieder die Frage, ob es am Ende doch unsichtbare Hände gibt, die dieses Spiel steuern. Aber diese bestimmte Unbestimmtheit schafft Unsicherheit und Ängste. Dieses Bild wird noch schwieriger, wenn man die Folgen der so auch entstehenden Pluralisierung mitbedenkt. Die Wettbewerbssituation verschärft sich für den Einzelnen, für die Unternehmen, letztlich aber auch für die Ordnungsmodelle, z.B. für die Soziale Marktwirtschaft. Dieser Wettbewerb ist damit auch chancenreich für qualifizierte, flexible, mobile sowie risikofreu-
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dige Personen und problematisch für geringqualifizierte, fehlqualifizierte, ältere oder wenig mobile Personen, wobei hier gerade auch neue Probleme für viele Familien auftauchen. Der damit einhergehende Wandel hin zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft hat nicht nur große Auswirkungen auf die Form und Organisation der Arbeit, sondern vollzieht sich auch in einer relativ großen Schnelligkeit, sodass hier neue Unsicherheiten entstehen können. Länder, die im wirtschaftlichen und sozialen Bereich relativ stabile Strukturen und Lösungen haben, haben es im Schnitt wohl schwieriger, den notwendigen Herausforderungen zu entsprechen. Dies gilt erst recht angesichts des demographischen Wandels mit den gravierenden Veränderungen der Altersstruktur der Bevölkerung und den langfristigen Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Diese und andere Gefährdungen dürfen nicht übersehen werden. Daraus ergeben sich ja auch viele Fragen, nämlich nach der Möglichkeit einer internationalen Koordination. Wenn man diese und andere Herausforderungen nicht auf sich nimmt, entsteht die Gefahr einer Dämonisierung der Globalisierung. Dies ist zu einem gewissen Teil bereits schon 1995 erfolgt, als 500 führende Konzernchefs, Politiker und Wissenschaftler in San Franzisko hinter verschlossenen Türen über das 21. Jahrhundert diskutierten. Die Einschätzung der Weltenlenker war verheerend: Nur mehr ein Fünftel aller Arbeitskräfte werde in Zukunft benötigt. Der überwältigende Rest 80% - müsse mit einer Mischung aus Entertainment und Ernährung durch die wenigen Produktiven bei Laune gehalten werden - eine moderne Vision des römischen „panem et circenses". Aus diesen Prophezeiungen, die sich wie Himmel und Hölle mischten, entstanden viele Unheilsprophezeiungen. Kein Job erschien mehr sicher. Millionen von Menschen bangten um ihren Arbeitsplatz. China, Indien und Europas Oststaaten seien mit ihren Billigstlöhnen - so hieß es - unschlagbare Konkurrenzen am Weltmarkt. Vor diesem Hintergrund wachsen sehr unterschiedliche Einstellungen zur Zukunft. Dabei ist das Wort von der „Globalisierungsfalle", in die man durch die globale Vernetzung von Wirtschaft, Politik und Medien gerät, gewiss
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eine Mahnung zur kritischen Beobachtung der Prozesse, aber solche Schlagworte schläfern auch das Bewusstsein ein und verhindern eine sachgerechte und darum auch wirklich hilfreiche Diskussion. In diesem Sinne muss man diese Prozesse - übrigens auch der Digitalisierung und der Individualisierung - in ihren Chancen, Grenzen und Gefährdungen genauer verfolgen. Es hat keinen Zweck, diese Wandlungen von vornherein mit einem Schreckensszenario zu verbinden. Alles kommt darauf an, dass vor allem die Politik in der Lage ist, die Herausforderungen in den Bereichen des Sozialen und der Bildung schöpferisch anzunehmen und auszuhalten. Globalisierung bedeutet freilich - und dies ist nach mancher Seite hin zu sagen - keine harmonische Integration mit fairem Interessenausgleich, sondern ist oft eine erzwungene und kaum regulierbare wechselseitige Konfrontation. Der Anpassungsdruck wird auch durch die große Unübersichtlichkeit vor allem der Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten und die wachsende Unsicherheit darüber gestärkt, dass möglicherweise nur kleine Fehler große wirtschaftliche Schäden hervorrufen können. „Vor allem im monetären Bereich zeigt sich, dass die globale Mobilität des Geldkapitals die einzelnen Nationalstaaten vor Anpassungszwänge stellt, die sowohl die gesellschaftlichen Ungleichheit als auch die globalen Instabilitäten noch vertiefen können" 5 . Man muss diese Risiken deutlich sehen. Ohne minimale Steuerung und ohne einen Ausgleich elementarer Gefährdungen kann dieser Prozess im Einzelnen tatsächlich zu einer Falle werden, aus der nur sehr wenige mit positiven Ergebnissen hervorgehen werden. Bestehende Disparitäten werden wohl im Ganzen eher verschärft als gemindert werden. Die Globalisierung hat bis jetzt wohl auch nur relativ wenige Länder voll in so etwas wie ein Weltsystem integriert. Es ist schon eine klassische Formulierung geworden zu sagen, die Globalisierung erzeuge „Dritte Welten" mitten in der „Ersten Welt", „Erste 5 W. D. Narr/A. 1994, S. 45.
Schubert, Weltökonomie. Die Misere der Politik,
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Welten" mitten in der „Dritten Welt" und dazu noch eine von der Dynamik anderer Welten weitgehend ausgeschlossene „Vierte Welt". Das globale Wirtschaftsleben wird bestimmt von multinationalen Akteuren, die große Chancen haben, sich dem Zugriff nationaler Instanzen zu entziehen. Der Erfolg kommt nicht mehr selbstverständlich den Herkunftsländern zugute: Unter dem internationalen Konkurrenzdruck und ständig wachsender Produktivität bauen gerade die erfolgreichen Unternehmen in ihren Herkunftsländern Arbeitsplätze ab, um ihre Konkurrenzfähigkeit durch Internationalisierung der Produktion zu erhöhen. Die positiven Effekte werden jedoch weder den Menschen in den bisher armen Ländern noch allen bei uns in gleicher Weise zugute kommen. Die Nachteile werden sich bei bestimmten Bevölkerungsgruppen konzentrieren. Man sieht dies besonders im Gefälle der Löhne zwischen Deutschland und den östlichen Nachbarländern: Von einem Zehntel (Tschechien und Polen) bis zum Teil sogar einem Hundertstel (Ukraine und Russland) unserer Löhne geht die Spannweite des Verdienstes. Es ist nicht leicht, diesen Prozess zu beurteilen. Er entgleitet einem auch immer wieder aus den Händen, weil er sich immer wieder anders gestaltet und sich nicht so leicht festhalten lässt. In jedem Fall bietet die Globalisierung Chancen und Risiken. Sie eröffnet zunächst der deutschen Wirtschaft viele Möglichkeiten, an den rasch wachsenden, weltweiten Märkten teilzunehmen. Außerdem haben viele Länder des Südens und des Ostens stärkeren Zugang zu den Märkten in den Industrieländern erhalten. Positiv ist auch zu bewerten, dass die Macht allzu beharrender einheimischer Interessensgruppen durch internationale Einflüsse beschränkt wird. Die weltoffenen Märkte können eher Innovationen und Strukturwandlungen begünstigen. Verteilungsstrukturen lassen sich unter diesen Voraussetzungen nicht mehr so unbeweglich festhalten. Die bewegliche Weltwirtschaft verhindert in diesem Sinne auch institutionelle Sklerose. Vielleicht können die Einschränkungen, die den Nationalstaaten auferlegt werden, auch hier neben problematischen Aspekten einen positiven Effekt haben. Die Glo-
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balisierung kann vielleicht eher Bewegungen verhindern, die nur unter nationalen Aspekten interessant sind. Sie können helfen, dass politische Experimente, die z.B. eher Wahlgeschenke sind, vermieden werden. So gibt es durchaus auch Tendenzen zu einer globalen Annäherung und vielleicht sogar zu einer lockeren Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken. Gewiss muss man hier festhalten, dass die Globalisierung insgesamt den Ländern der „Dritten Welt" größere Chancen bietet. Ja, die Globalisierung kann in einzelnen Fällen zu einem mächtigen ökonomischen Auftrieb führen. „Unter der Voraussetzung, dass der Welthandel nicht durch protektionistische Bestrebungen der Industrieländer weiterverzerrt wird, ist dieser Marktzugang sogar wichtiger als Entwicklungshilfe. In einer Reihe von Ländern, z.B. in Asien und Lateinamerika, wurde ein wirtschaftlicher Aufschwung erzielt, der auch großen Teilen der Bevölkerung dieser Länder, jedoch nicht allen in gleicher Weise zugute kam. Der neue Wohlstand führt dort auch zu mehr sozialer Sicherung. Andererseits nimmt die Polarisierung zwischen den dynamischen Wachstumszentren und den Regionen, die den Anschluss an diese Entwicklung verlieren, zu" 6 .
III. Freilich gibt es auch Begrenzungen, die man ins Auge nehmen muss. Die Globalisierung engt den Spielraum für als wünschenswert angesehene nationale Maßnahmen ein. Heute kann kaum mehr ein Land Regelungen im Bereich der Sozialoder Umweltpolitik ohne Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit seiner eigenen Industrie treffen. Die ärmeren Staaten sind hier auch weitgehend von den Vorgaben auf den Weltmärkten abhängig. Die wohlhabenderen Länder erhalten dabei eine Vorreiterrolle, die sie nicht ausschlagen dürfen. Sie haben Schutzmaßnahmen für die Umwelt und für sozial notwendige Sicherungen einzuführen und Preise und Anforderun6
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gen international zu beeinflussen. Es wird dabei notwendig sein, grundlegende nationale Maßnahmen auf internationaler Ebene abzusprechen. Diese internationale Koordination der Politik umfasst gewiss viele Stufen. Elementar wichtig ist eine gegenseitige vorherige Information über wirtschaftspolitische Ziele und Maßnahmen. Die nationalen Wirtschaftspolitiken müssen zusätzlich aufeinander abgestimmt werden, sodass sie nicht gegenseitigen Schaden stiften und ungewollte Gegenmaßnahmen erzwingen. Es wird dabei immer noch recht verschiedene Dosierungen der gleichen wirtschaftspolitischen Mittel geben. Einzelne Ereignisse, wie die deutsche Einigung oder der Umbruch in Osteuropa, werden auch spezifische Reaktionen und regionale Sonderprogramme erforderlich machen. Vor allem aber bilden sich in Europa, Nord- und Mittelamerika und Südostasien regionale Zusammenschlüsse zu einer engeren Abstimmung untereinander. Solche regionalen Koordinierungsabkommen sind zwar leichter durchsetzbar, aber sie sind bekanntlich auch instabil und konfliktträchtig. Hier wird man immer wieder neue Anstrengungen unternehmen müssen, um den Grlobalisierungsprozess und die Regionalisierung abzugleichen. Dennoch wird man immer wieder über solche regionalen Absprachen hinaus die Gesamtverantwortung erkennen müssen. Wo eine starke Eigendynamik am Werk ist, wird eine globale Ordnungspolitik immer wichtiger. Es ist natürlich eine Utopie, an einen „Weltwirtschaftsrat" zu denken, trotzdem wird man sich immer wieder an Ideen dieser Art abarbeiten müssen. „Der Prozess der Globalisierung ist von einer so starken E.igendynamik, dass er von einem einzelnen Nationalstaat immer schwerer beeinflusst werden kann. Die Globalisierung der Wirtschaft bedeutet gleichzeitig die Globalisierung der sozialen und der ökologischen Frage. Damit wächst die Bedeutung einer gemeinsamen Verantwortung der Völkergemeinschaft. Globalisierung ereignet sich nicht wie eine Naturgewalt, sie verlangt nach politischer Gestaltung" 7 . 7
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In jüngster Zeit sind immer wieder Überlegungen im Gang, wie weit die Herausforderung der Globalisierung im Gegenzug auch neue lokale Chancen bieten. Man muss diese Überlegungen begrüßen, aber doch auch skeptisch bleiben, wie weit solche Prozesse aus der Gesamtdynamik herauspräpariert werden können. Doch kann ich dieses wichtige Thema in diesem Zusammenhang nur noch kurz benennen. Es gibt in der Auseinandersetzung mit diesen Tendenzen auch viele ungelöste Spannungen. Man muss sich davor hüten, dem verstärkten Wettbewerb einen Verzicht auf Gerechtigkeit und einen Rückfall in den nackten Wettbewerbskampf aller gegen alle zu unterstellen. Deshalb soll man auch vorsichtig sein, den Vertretern eines stärkeren Wettbewerbs rasch nur das Schild „Neoliberaler" umzuhängen. Die dynamische und freiheitliche Kraft dieser gewiss auch wiederum zu disziplinierenden Bewegung darf nicht unterschätzt werden. Ob dies gleich bedeuten muss, dass nun die entstehende und sich vergrößernde Ungleichheit qualifiziert werden soll, steht auf einem anderen Blatt 8 . „Das Plädoyer für mehr Wettbewerb" - so Rainer Hank zusammenfassend - „kommt nicht aus der Kälte. Im Gegenteil: Es geht zusammen mit einem moralischen und sozialen Engagement. Es spricht nämlich vieles dafür, dass die reine Marktwirtschaft, der ,Kapitalismus pur 4 unterdessen die sozialere Wirtschaftsform ist als eine auf umverteilenden Ausgleich bedachte Soziale Marktwirtschaft. Wir müssen freilich bereit sein, mehr Ungleichheit in Kauf zu nehmen und eine größere Spreizung der Einkommen und Lebenslagen in Kauf zu nehmen. Ungleichheit kennt indessen auch die ,Soziale' Marktwirtschaft: Sie akzeptiert seit langem die Teilung der Erwerbsbevölkerung in Beschäftigte und Arbeitslose. Im Vergleich dazu ist ein radikales Wettbewerbsmodell humaner: Dessen Verteilung von Ungleichheit gehorcht den Regeln der Fairness und honoriert Bildung, Fähigkeiten und Wissen. Diese Thesen liegen nicht im Trend. Konjunktur haben noch immer diejenigen, die warnen vor dem überbordenden Kapitalismus, 8 Vgl. dazu R. Hank, Das Ende der Gleichheit, 2000.
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der auf Kosten politischer Steuerungsfähigkeit und moralischer und sozialer Regulierung dem gnadenlosen Marktgeschehen seinen Lauf nimmt" 9 . Man muss sich an solchen Konzepten abarbeiten und sich mit den Stärken der liberalen Positionen auseinandersetzen. Wer so denkt, ist der Uberzeugung, dass diese Dynamik zwar zerstörerische Kräfte im Sinne Schumpeters hat, dass diese Umwandlung jedoch auch schöpferische Erfindungen aus sich entlässt. Dies sei ein anderer Kapitalismus, der echte Neuerung und Qualität habe, nicht bloß mit Dumpingpreisen einher gehe. Ich meine jedoch, dass es auch zu den heutigen Aufgaben der Diskussion um die Globalisierung gehört, die Frage zu diskutieren, wie es um den Fortbestand der Sozialen Marktwirtschaft gerade in der Prägung unseres Landes steht. Dabei soll nicht verkannt werden, dass der bei uns entwickelte Sozialstaat im Zug der Globalisierung auf den Prüfstand gestellt wird. Die Globalisierung ist ein Treibsatz der Ungleichheit. Zugleich ist sie aber auch eine Chance für mehr Beschäftigung und Wohlstand. Der Sozialstaat ist jedoch durch die dargestellten Tendenzen unter enormen Druck geraten. Neue Regelungen im Beschäftigungssystem, der Wandel der Lebensformen und nicht zuletzt die demographischen Komponenten verändern die Ausgangslage der Sozialpolitik grundlegend. Die Verschärfung des ökonomischen Wettbewerbs hat auch Schwächen unserer Wirtschaft offengelegt. Zudem werden die Finanzierungsschwierigkeiten der sozialen Sicherungssysteme weiter zunehmen. Viele glauben, der vielbeschworene „soziale Konsens" sei nicht mehr haltbar. Wir stehen mitten in diesem Wandel und diskutieren bzw. streiten um ihn. Dabei besteht kein Zweifel, dass unsere gesamten Sozialsicherungssysteme, wenn sie künftig funktionieren sollen, mindestens in den Randbezirken eine viel größere Eigenverantwortung verlangen, gerade um die Menschen in den bleibenden Kernrisiken zu schützen. Aber auch wenn man diese Wandlungen für unausweichlich hält, entsteht doch die Frage, ob das vielgerühmte deutsche 9 Ebd., S. 263 f.
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Modell der Sozialen Marktwirtschaft an der „Globalisierung" scheitert. Dabei geht es m. E. im Kern um einen bestimmten Augleich zwischen Arbeit und Kapital. Man kann die Soziale Marktwirtschaft auch so definieren, dass es in ihr darum geht, „das Prinzip der Freiheit auf dem Markte mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden 10 ". Dies kann auf verschiedene Weise geschehen, wie die Vertreter der Freiburger und der Kölner Schule belegen. Jedenfalls entsteht hier die Frage, wie im Zeitalter der Globalisierung grundlegende sozial-staatliche Errungenschaften nicht zuletzt auch der deutschen Tradition gerettet werden können. Angelsachsen und Deutsche haben über die Frage des Sozialstaates schon im 19. Jh. gestritten und verschiedene Antworten gefunden. Das im Titel etwas provozierende Buch von Klaus von Dohnanyi „ I m Joch des Profits?" 11 scheint mir in dieser Richtung viele wichtige Fragen zu stellen, aber auch gute Antworten zu geben. „Auch die erste industrielle Revolution begann mit einem Vorsprung angelsächsischer Individualität, aber sie endete mit der deutlichen Überlegenheit des sozialstaatlichen Modells deutscher Prägung. Heute scheinen in einer neuen Phase des Aufbruchs wieder die angelsächsischen Länder einen Vorsprung zu gewinnen. Vernachlässigen sie aber nicht erneut die angemessene Ordnung sozialer Strukturen? Auch die Informationsgesellschaft wird sie brauchen. - Im Sturzbach wissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher und damit auch sozialer Veränderungen werden wir, so meine ich, nur mit einer klaren und durchsetzbaren Ordnung frei und solidarisch überleben. Diese muss flexibel genug sein, um in den Sturmgewässern der Globalisierung zu segeln: Aber eben doch eine Ordnung sein. Ist das aber so, dann könnte das deutsche Modell am Ende dem angelsächsischen Modell doch wieder erfolgreich Konkurrenz machen ... Bei aller berechtigten Kritik an der Schwerfälligkeit unserer Reformpolitik heute und auch an manchen Fehlentwicklungen des deutschen Modells sehe ich angesichts unserer besonderen 10 Alfred Müller-Armack, Soziale Marktwirtschaft, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Band 9, 1956, S. 390. 11
Vgl. Klaus von Dohnanyi,
I m Joch des Profits?, 1997.
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sozialstaatlichen Traditionen und der fortbestehenden Struktur dezentraler Flexibilität auch hierfür noch immer eine ganz besondere Chance. Und eine große deutsche Verantwortung in Europa ... Weltoffen, erfahren im Schmerz der Geschichte und frei von verengendem Ballast. Hören wir auf zu klagen und zeigen wir, dass wir, dass die Deutschen es wieder zusammenbringen können" 1 2 . Die Uberlebensfähigkeit des deutschen Sozialstaates wird in einem hohen Maß davon abhängen, in welchem Maße es uns gelingt, angesichts dieser Prozesse den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern. Dabei werden die gemeinsamen Uberzeugungen im Sinne der Grundwerte ebenso eine Rolle spielen wie die Frage nach dem künftigen Ort der Familie und nicht zuletzt eine grundlegende Erneuerung von Erziehung und Bildung. Doch dies wäre in einem zweiten Anlauf im Einzelnen nochmals eigens zu begründen. Lassen Sie mich schließen mit einem vielleicht überraschenden Gedanken. In den letzten Wochen und Monaten hatte ich auf Bund- und Länderebene in ganz verschiedener Form Gespräche mit dem Sport, auch mit dem Präsidenten des Deutschen Sportbundes. In diesem Zusammenhang konnten Kirche und Sport überraschenderweise feststellen, dass einige Politiker und leider auch einige Spitzenfunktionäre der Wirtschaftsverbände den Vorschlag machten, in der Berufsschule vor allem den Sport- und den Religionsunterricht abzuschaffen. Diese Forderung kommt immer wieder. Ich halte sie jedoch angesichts der Wandlungen, in denen wir stehen, für falsch. Je mehr unser spezifisches Berufswissen in kurzer Zeit verfällt, um so mehr kommt es auf das Lernen und Einüben grundlegender menschlicher, körperlicher und geistig-spiritueller Verhaltensweisen und Fähigkeiten an. Menschsein heißt immer auch über den Tellerrand der nächsten Zukunft hinauszuschauen. Der wahre Sport mit seinen Tugenden und ein guter Religionsunterricht, der sich vor allem um das Lebenswissen und die Lebenskrisen kümmert, können hier mehr Zukunft und Hoff12 Ebd., 335.
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nung stützen, als viele meinen. Ich danke Ihnen für das Mitdenken, Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind einige Reflexionen zum Thema „Globalisierung", dem unser Jubilar gerade in jüngster Zeit in dem Beitrag „Die Zukunft politischer Autonomie. Demokratie und Staatlichkeit im Zeichen von Globalisierung, Europäisierung und Individualisierung" wichtige Überlegungen gewidmet hat. Ich möchte jedoch aus der Sicht des Theologen und Bischofs Ernst-Wolfgang Böckenförde ein herzliches Danke sagen für sein gesamtes Schaffen in der Rechtswissenschaft, in der Verfassungsgerichtsbarkeit, aber auch als einen besonders wichtigen Gesprächspartner im Staat-Kirche-Verhältnis. Über vierzig Jahre gehört er zu den wichtigsten Diskutanten in diesem Bereich. Schon die Befassung mit dem deutschen Katholizismus im Jahr 1933 ist ein Lehrstück. Was er zu den Fragen der Religionsfreiheit oder überhaupt zum Auftrag der Kirche in der Welt und für die Welt geschrieben hat, bleibt auch künftig von größter Bedeutung. Ähnliches gilt für die Überlegungen zum Naturrecht und zum Weg Europas in die Zukunft. Ich möchte Ihnen, verehrter und lieber Herr Kollege Böckenförde, für diese über vierzig Jahre währende wache Position, die helfend und mahnend, anregend und kritisch zugleich ist, im Namen vieler, besonders aber der deutschen Bischöfe und vor allem auch persönlich, ein herzliches Vergelt's Gott sagen. Wir brauchen immer wieder unabhängige Gesprächspartner, deren Rat um so höher wiegt, wenn sie wirklich in Unabhängigkeit und Freiheit ihr ureigenes Wort sagen. Herzlichen Glückwunsch und Gottes Segen für Leib und Seele in den kommenden Jahren. Auch Ihrer verehrten Frau und Ihrer Familie sage ich einen herzlichen Dank. Wir sind dankbar, wenn Sie uns auch in Zukunft auf allen Wegen begleiten.
Menschenrechte und Demokratie oder: Was man von Chrysipp lernen kann* Von H asso Hofmann , Berlin Als die revolutionäre Nationalversammlung am 26. August 1789 in Versailles ihre epochale Déclaration des droits de Vhomme et du citoyen beschloß, da berief sie sich in der Präambel. auf den Schutz des „höchsten Wesens"1. Ursprünglich hatte an dieser Stelle die Anwesenheit des „höchsten Gesetzgebers des Universums" beschworen werden sollen 2 . Aber nach der vorangegangenen „Entchristianisierung" der französischen Gesellschaft 3 war die Erinnerung an Gott und die göttliche Rechtsordnung dem „optimistischen Glauben an die Allmacht der Vernunft" 4 anstößig. Daher die verbale Verwischung zum Être suprême. Die Erwähnung des Universums als Horizont der Verkündung von „Wahrheiten für alle Zeiten und alle Länder", wie einer der Deputierten sagte5, wäre indes ganz * Druckfassung eines Vortrags, den der Verf. bei dem Kolloquium zum 70. Geburtstag von Bundesverfassungsrichter i. R. Prof Dr. Dr. Dr. b.c. Ernst-Wolf gang Böckenförde am 12. Oktober 2000 in München gehalten hat. 1 ... l'Assemblée national reconnaît et déclare, en présence et sous les auspices de l'Être suprême ... 2
Ernst Schulin, Die Französische Revolution, München 1988, S. 75. Dazu Wolfgang Schmale y Entchristianisierung, Revolution und Verfassung - Zur Mentalitätsgeschichte der Verfassung in Frankreich, 17151794, Berlin 1988; zur weiteren Entchristianisierung im Verlauf der Revolution Albert Soboul: Précis d'histoire de la revolution française, Paris 1962, dt. u. d. T.: Die Große Französische Revolution, hg. u. übers, v. Joachim Heilmann u. Dietfrid Krause-Vilmar, 5. Aufl., Frankfurt a. M. 1988, S. 310 ff. 3
4 Soboul (FN 3), S. 149.
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passend gewesen. In der Tat hatte der „herrliche Sonnenaufgang", über den Hegel bewegt und bewegend gesprochen hat 6 , da der Mensch seine politische Welt mittels einer Verfassung auf das Prinzip des freien Einzelwillens baute, „welthistorische" Bedeutung - um gleich noch einmal Hegel zu zitieren 7 . Freiheit und Rechtsgleichheit aller Menschen von Geburt an, politische Vereinigung einzig zu dem Zweck, die natürlichen und unverlierbaren Rechte des Menschen, nämlich Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung, zu wahren - das sind die Fanfarenstöße des großen Aufbruchs. Fraglich ist, wie dazu der folgende Satz sich fügt, der den französischen Königen die von ihnen behauptete Souveränität entzieht, indem er sie der Nation zuspricht: Le principe de tout souveraineté réside essentiellement dans la nation. Wie aber ordnet sich das prinzipiell, offenbar also in einer gleichfalls natürlich-ursprünglichen Weise der Nation zukommende höchste Herrschaftsrecht in eine rechtliche Grundordnung des Universums ein, die durch Freiheit und Gleichheit der Individuen definiert ist? In welchem Verhältnis stehen die beiden Souveränitäten - die des einzelnen und die der Nation? Diese Frage wird nicht oft gestellt; denn die Historiker der Menschenrechte interessieren sich wenig für die Geschichte der Souveränitätsdoktrin - und umgekehrt. Historisch scheint die Freiheit des Individuums und die Herrschaft des Demos durch das zusammengehalten, was für die Große Revolution charakteristisch war: eine Art „diffuser Rousseauismus"8. Danach glaubte der Mensch seine natürliche Freiheit und Gleichheit, seine Fähigkeit ganzheitlicher Selbstbestimmung, all' das, was er im zivili-
5
Alfred Voigt y Geschichtc der Grundrechte, Stuttgart 1948, S. 29, 35. Zum Sendungsbewußtsein der französischen Revolutionäre s. auch Sigmar Jürgen Samwer, Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789/91, Hamburg 1970, S. 161. 6
Georg Wilhelm Friedrich Hegel y Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, in: Werke stw Bd. 12, S. 529. 7 Ebd. S. 535. 8 S. Jean Starobinski, Das Pathos der Erneuerung. Rousseauismus der Menschenrechte, in: FAZ Nr. 158 v. 12.7.1989.
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satorischen Differenzierungs- und Degenerationsprozeß verloren hat, in der empathischen Teilhabe am vernünftigen Wollen seiner Nation auf höherer Ebene wiederzufinden. I. Autonomie des philosophischen Lebens Es ist dieser historische Hintergrund, vor dem auch ohne nähere Begründung mit einer gewissen Plausibilität davon gesprochen werden kann, daß die Autonomie des Menschen zwar 2:wei Dimensionen habe: eine private und eine öffentliche, daß aber die „Idee der Autonomie" unteilbar sei9. Oder, wie es Jürgen Habermas ausgedrückt hat, daß „die private Autonomie gleichberechtigter Bürger ... nur im Gleichschritt mit der Aktivierung ihrer staatsbürgerlichen Autonomie gesichert werden (kann)" 1 0 . Damit werden Menschenrechte und Demokratie in einen notwendigen Zusammenhang wechselseitiger Bedingung gebracht. Ernst-Wolf gang Böckenförde hat dieser Lehre widersprochen 11 . Nicht daß er ihr die bekannte These von der wesensmäßigen Unvereinbarkeit von Liberalismus und Demo-
9 Robert Alexy, Die Institutionalisierung der Menschenrechte im demokratischen Verfassungsstaat, in: Philosophie der Menschenrechte, hg. v. Stefan Gosepath u. Georg Lohmann, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1999, S. 244-264 (261); s. auch Peter Koller: Der Geltungsbereich der Menschcnrechte, ebd., S. 96-123 (108), und M. Kaufmann, Menschenrechte und Demokratie, in: Jb. f. Recht u. Ethik 1995, S. 37-48. 10
Jürgen Habermas, Uber den internen Zusammenhang von Rechtsstaat und Demokratie, in: Zum Begriff der Verfassung - Die Ordnung des Politischen, hg. v. Ulrich K. Preuß, Frankfurt a.M. 1994, S. 83-94 (94). S. auch ders.: Faktizität und Geltung, zuerst 1992, S. 135, 161 f.; ders. auch schon in: Strukturwandel der Öffentlichkeit, zuerst Neuwied 1962, 6. Aufl. der Neuausg. v. 1990, Frankfurt a.M. 1999, S. 208 im Anschluß an Karl Marx. 11 Emst-Wolf gang Böckenförde, Ist Demokratie eine notwendige Forderung der Menschenrechte?, in: Gosepath (FN 9), S. 233-243 (235 F N 1). S. auch ders., Freiheitssicherung gegenüber gesellschaftlicher Macht, in: Staat, Verfassung, Demokratie, Frankfurt a.M. 1991, S. 264276 (269 f.); ders., Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, ebd. S. 115-145 (135). 3 Wahl/Wicland
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kratie 12 entgegengesetzt hätte. Natürlich nicht; denn eine solche Antithese ist nur geeignet, den Gedanken der Freiheit wie den der Demokratie ad absurdum zu führen. Wohl aber mahnt Böckenförde eine kritische Uberprüfung an und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den Kern des Problems, der schon im Verlauf der Französischen Revolution selbst zutage trat 1 3 . Er liegt in den geschichtlich-kulturellen, sozialen, ökonomischen und politischen Realisationsbedingungen solch' ungeteilter Autonomie des Menschen. Einem Jubilar, dem wir nicht nur auf dem Felde des öffentlichen Rechts und der Verfassungsgeschichte Außerordentliches verdanken, der vielmehr auch die Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie in einer exzellenten Weise pflegt, ihm werden einige philosophiehistorische Anmerkungen zum Thema, wie ich hoffe, nicht unwillkommen sein. Der philosophische Ausgangspunkt sei hier in - buchstäblich - radikaler Abstandnahme durch den Namen Chrysipps bestimmt. Er, das dritte Schulhaupt der Stoa, war ein hochberühmter Mann, wenigstens bis der Stoizismus im dritten nachchristlichen Jahrhundert, teilweise in der Lehre der Apostel aufgehend, abstarb. Von ihm, dem außerordentlich produktiven Systematiker, sagten die Alten: Ε ι μή γάρ ήν Χρύσιππος, ουκ αν ήν Στοά: ohne Chrysipp hätte es keine Stoa gegeben14. Und
12 S. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 8. Aufl., Berlin 1993 (Nachdr. d. 1. Aufl. München/Leipzig 1928), S. 201; dersDie geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 8. Aufl., Berlin 1996 (Nachdr. d. 2. Aufl. München/Leipzig 1926), S. 21. Dazu Hasso Hofmann, Legitimität gegen Legalität - Der Weg der politischen Philosophie Carl Schmitts, 3. Aufl., Berlin 1995, S. 127. S. neuestens auch Heinrich A. Wolff Das Verhältnis von Rechtstaatsprinzip und Demokratieprinzip, in: FS f. Helmut Quaritsch, Berlin 2000, S. 73-93. 13 14
Böckenförde,
Demokratie und Menschenrechte (FN 11), S. 234 f.
Diogenes Laertius, Leben und Meinungen berühmter Philosophen, Buch I - X , übers, v. Otto Apelt, hg. v. Klaus Reich, 2. Aufl., Hamburg 1967, S. 94 (VII 183); s. auch Waser, Chrysippos, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaften, Bd. III/2, Stuttgart 1899, Sp. 2502-2509 (2503); Helmut Flasher (Hrsg.): Grundriß der Ge-
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wie die abendländische Geistesgeschichte ohne den Stoizismus aussähe, ist schwer vorstellbar 15 . Stammt doch, um neben der Sozial- und Staatslehre der frühen Neuzeit noch ein Beispiel zu nennen, auch manches von den nachwirkenden christlichen Traditionen aus dieser Wurzel. Ein Muster der Adaption, oder sollte man sagen: Adoption, hat bekanntlich der Apostel Paulus geliefert, indem er den Athenern das Evangelium als Botschaft dessen predigte, den sie neben vielen anderen vorsichtshalber am Altar des „unbekannten Gottes" verehrten. Von ihm sagte Paulus (Apostelgeschichte 17, 16 ff.): „Er ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir" (V. 27 f.). Seine Zuhörer, Stoiker und Epikuräer, wie es heißt (V. 18), wußten natürlich: das war eine Anspielung auf das ungemein populäre Lehrgedicht des Aratos über Sternbilder und ihre zeichenhafte Bedeutung für allerlei Naturerscheinungen, das mit einem Lobpreis auf den allgegenwärtigen Gott (Zeus) anhebt und seinerseits einen bekannten Hymnus des Kleanthes aufnimmt 16 . Gleich darauf legt Paulus diesen Bezug offen: „Wie auch etliche Poeten bei euch gesagt haben: ,Wir
schicke der Philosophie, Bd. 4/2, Basel 1994, S. 584-625 (584 f., 612 ff.). 15 Grundlegend zum Neustoizismus Wilhelm Dilthey , Die Autonomie des Denkens, der konstruktive Rationalismus und der pantheistische Monismus nach ihrem Zusammenhang im 17. Jahrhundert, in: Gesammelte Schriften, Bd. 2, Leipzig/Berlin 1929, S. 246-311. 16
S. Aratos, Phainomena - Sternbilder und Wetterzcichen, griech. u. dt. hg. v. M. Erren, München 1971. Dazu Schwartz, Art. Aratos, in: Paulys Realencylopädie, Bd. I I / l , München 1895, Sp. 383-399 (391 ff.). Aratos; hatte bei Zenon, dem Gründer der stoischen Schule, gehört und vertritt auch sonst stoische Auffassungen; s. etwa V 421 über die Ataraxie. Das entsprechende Gotteslob von Kleanthes bei Johannes v. Arnim (Hrsg.): Stoicorum Veterum Fragmenta [künftig: SVF], Bd. I, Nachdr. d. 1. Aufl. 1903 Stuttgart 1964, S. 121 f. (Nr. 537). S. allgemein zu dieser „Erbschaftsgeschichte" auch Ludwig Stein, Die Psychologie der Stoa, in: Berliner Studien für classische Philologie und Archaeologie, Bd. 3, Berlin 1836, S. 4 f., 53 ff., 99; Maximilian Forschner, Die stoische Ethik Über den Zusammenhang von Natur-, Sprach- und Moralphilosophie im altstoischen System, 2. Aufl., Darmstadt 1995, S. 7. 3*
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sind seines Geschlechts'." (V. 28) Kleanthes aber, zweiter Scholarch nach Xenon, war der Lehrer des Chrysipp. Diesen wiederum ehrten auch die römischen Juristen. Marcian nennt ihn in seinen Institutionen einen Philosophen „von höchster stoischer Gelehrsamkeit" und zitiert dessen Definition des Gesetzes, die schon Cicero paraphrasiert hatte 17 und die noch bei Montesquieu nachklingt 18 . Justinians byzantinische Juristen nahmen das griechische Originalzitat - vermutlich mit Vergnügen - mitsamt dem Lobpreis von Marcian in die Pandekten auf 19 . Stoischen Geist atmen zudem jene Passagen der Digesten wie der Institutionen, die von der natürlichen Freiheit und Gleichheit der Menschen reden und die Sklaverei als eine Einrichtung des Völkergemeinrechts (ius gentium) gegen die Natur {contra naturam) bezeichnen 20 . Vor allem aber steht der Name Chrysipps hier für die stoische Lehre vom Weltbürgertum des Menschen. Eine Megalopolis nennt Chrysipp den Kosmos mit einer Vernunft und einem Gesetz, zu dem die vielen räumlich begrenzten Einzelstaaten in ihren Ordnungen nur Zusätze machten 21 . Der Gedanke, daß wir alle Anteil haben an dieser göttlichen Weltvernunft, daß
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S. Marcus Tullius Cicero, De legibus (dt.: Über die Gesetze, lt.-dt. Ausg. hg. v. Rainer Nickel, Darmstadt 1994) I 18; I I 8, 11; I I I 3, 8. 18
S. Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, übers, u. hg. v. Ernst Forsthoff, Tübingen 1992 (Nachdr. d. 1. Aufl. Tübingen 1951), I 3 (S. 16): „Das Gesetz, ganz allgemein, ist die menschliche Vernunft, sofern sie alle Völker der Erde beherrscht; und die Staats- und Zivilgesetze jedes Volkes sollen nur die einzelnen Anwendungsfälle dieser menschlichen Vernunft sein." 19
Dig. 1, 3, 2: „Chrysipp, ein Philosoph von höchster stoischer Gelehrsamkeit, beginnt sein Buch ,Über das Gesetz' folgendermaßen: ,Das Gesetz ist König über alle göttlichen und menschlichen Dinge. Es soll über Gutem und Bösem stehen, es soll Herrscher und Führer der Lebewesen sein, die ihrer Natur nach in Staaten leben, und daher soll es der Maßstab für Recht und Unrecht sein, indem es gebietet, was zu tun, und verbietet, was zu unterlassen ist'". 20 Inst. 1, 2, 2; Dig. 1, 1, 4; 1, 5, 4; 50, 17, 32. 21 Chrysipp SVF I I I 323.
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wir sämtlich Glieder eines großen, göttlich beseelten Körpers sind - in der christlichen Version ist das dann das corpus Christi mysticum 22 - , daß wir nicht dem Blute, sondern dem göttlichen Geiste nach engste Verwandte und folglich in urbe mundoque communi samt und sonders Kosmopoliten sind - all das kehrt namentlich in der römischen Stoa mit großem Nachdruck immer wieder, bei Cicero und Seneca wie bei Epiktet und Marc Aurel 23. Übrigens zitiert Cicero ausdrücklich Chrysipps Schlußfolgerung, daß den Menschen mit dem ganzen menschlichen Geschlecht gleichsam ein bürgerliches Recht (quasi civile ius), also so etwas wie eine vor- oder überstaatliche Rechtsgemeinschaft verbinde 24 . Der Universalismus der stoischen Philosophie überschreitet im Hellenismus und dann mit dem Römischen Weltreich die äußeren Grenzen der griechischen Welt und mit ihnen die inneren Schranken ihres politisch-rechtlichen Denkens. Im Kosmopolitismus der Stoa geht unter, was für die politische Philosophie des Aristoteles konsti22 In der christlichen Theologie enthält dieser Begriff freilich zusätzliche Bedeutungselemente, die sich aus der Kombination mit verschiedenen Interpretationen der corpus-caput-N[cizp\icr ergeben; s. vom Verf.: Repräsentation - Studien zu Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, 3. Aufl., Berlin 1998, S. 121 ff., 281 ff. 23
S. Marcus Tullius Cicero: De republica (dt.: Vom Gemeinwesen, lat.-dt. Ausg. v. Karl Büchner, Stuttgart 1979) I I I 22/33; ders.: De finibus bonorum et malorum (dt.: Über das höchste Gut und das größte Übel, lat.-dt. Ausg. v. Harald Merklin, Stuttgart 1996) I I I 67; Lucius Annaevs Seneca, Ad Lucilium Epistulae Morales (dt.: An Lucilius. Briefe zur Ethik, in: Philosophische Schriften, lat.-dt. Ausg. v. Manfred Rosenbach, Sonderausg., Darmstadt 1995, Bd. 4) Ep. 95 § 52; ders.: De bcneficiis (dt.: Über die Wohltaten, ebd. Bd. 5) V I I 12; ders.: De ira (dt.: Über den Zorn, ebd. Bd. 1) I I 31; Des Kaisers Marcus Aurelius Antoninus Selbstbetrachtungen, hg. v. Albert Wittstock, Stuttgart 1993, I I I 11, IV 4, I I 16; Epicteti Dissertationes, hg. v. Heinrich Schenkel, Stuttgart 1965, I I 10, 3 u. 18 (S. 145, 147). - Im einzelnen dazu eingehend und sehr dilferenziert Arnold A. T. Ehrhardt, Politische Metaphysik von SoIon bis Augustin, Bd. 1, Tübingen 1959, S. 161 ff., 176, 180 ff.; s. auch W. W. Tarn, Alexander the Great and the Unity of Mankind, London 1933, S. 14 ff. 24
Cicero, D e finibus b o n o r u m et m a l o r u m ( F N 23) I I I 20, 67.
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tutiv war: der Unterschied zwischen den Griechen in ihren Städten und den Barbaren mit ihren Reichen, zwischen den sozialen Schichten der Polis, zwischen Freien und den Sklaven von Natur 2 5 . Kein Mensch sei von Natur Sklave, hat schon Chrysipp dagegen gesetzt 26 . Die stoische Pflicht, tugendhaft und d.h.: gemäß der Natur-Vernunft zu leben und gewissenhaft zu handeln 27 , trifft jeden Menschen als Vernunftwesen in gleicher Weise, ohne Rücksicht auf die soziale Stellung. Und diese Tugend könne, anders als die Akademiker meinten, jedermann unabhängig auch von seinem Bildungsstand vermittelt werden 28 . Wegen unserer Verwandtschaft mit ihnen durch die Vernunft hat namentlich Seneca eindringlich zu mitmenschlicher Behandlung der Sklaven ermahnt 29 . Mit den Gedanken der natürlichen Gleichheit und Freiheit aller Menschen, ihrer gottgeistigen Brüderlichkeit und Achtungswürdigkeit war hier der ideelle Grund für die modernen Menschenrechte gelegt 30 . Gleichwohl regt sich nirgendwo in der stoischen Philosophie auch nur der Hauch eines politischen Protestes gegen die antiken Zustände elender Ungleichheit weit über die Sklaverei hinaus. Gewiß: derlei wäre für den Autor
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Aristoteles, Politik (übers, u. hg. v. Franz F. Schwarz, Stuttgart 1998) 1254 a 20-1255 a 40. 26 Chrysipp SVF I I I 352. S. dazu Cicero,, De officiis (dt.: Vom pflichtgemäßen Handeln, lat.-dt. Ausg. v. Heinz Gunermann, Stuttgart 1999) I 13, 41: „Nicht schlecht ist die Vorschrift derjenigen, die befehlen, sich ihrer (sc. der Sklaven) so zu bedienen wie der Tagelöhner: ihre Leistung sei zu fordern, der gerechte Lohn zu gewähren." 27 Seneca., Briefe ( N 23) Ep. 66 § 39. 28 Dazu Otto Rieth y Grundbegriffe der stoischen Ethik, Berlin 1933, S. 165. 29 Der ganze Brief 47 an Lucilius ( N 23) ist diesem Thema gewidmet. Ihren mäßigenden Einfluß auf die Sklavengesetzgebung der ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderte nennt Ehrhardt (FN 23), Bd. 2, Tübingen 1959, S. 18 „ein Ruhmesblatt der stoischen Schule". 30
Dazu Hubert Cancik, Gleichheit und Freiheit - Die antiken Grundlagen der Menschenrcchte, in: „Vor Gott sind alle gleich", hg. v. Günther Kehrer, Düsseldorf 1983, S. 190-211.
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viel zu gefährlich gewesen. Aber es gibt auch einen inneren Grund: Die praktische Philosophie der Stoa ist weniger Rechtslehre und politische Philosophie als Individualethik, eine Pflichtenlehre 31 . Ihr geht es zuvörderst darum, was man tun muß, um als Philosoph zu leben, wovon mithin das Gelingen weiser Lebensführung abhängt. Maß ist der Grad ihrer Ubereinstimmung mit der Vernunftnatur des Menschen und den allgemeinen Gesetzen des Weltlaufs. Jener Ubereinstimmung nachzustreben, die man Tugend nennt, ist der Mensch von der Natur geschaffen. Letzte Erfüllung findet dieses Streben freilich im Innern, nicht in irgendwelchen Äußerlichkeiten, nämlich in der vernünftigen Selbstbestimmung, der Selbstgenügsamkeit tugendhafter Haltung und Gesinnung und der freien Einstimmung in das Unabänderliche. Zu Autarkie der Tugend, zu Ataraxie und Apathie, zu solcher Selbstgenügsamkeit, Unerschütterlichkeit und Freiheit von unvernünftigen Leidenschaften ist indes auch der Sklave fähig. Denn nur dessen Leib gehört dem Herrn, sagt Seneca, der Gutsbesitzer 32 . Kurzum: menschliche Autonomie ist im Ursprung eine gegenüber den Umständen gleichgültige metaphysisch-ethische Idee weisen Lebensvollzugs des Individuums. Daß diese Lehre in zentralen Punkten unklar, ja widersprüchlich ist, liegt auf der Hand. Die faktisch-normative Doppeldeutigkeit des stoischen Naturbegriffs etwa, das fragwürdige
31 Hierzu u. zum folg. Eduard Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Dritter Teil, Erste Abteilung, Hildesheim 1963 (Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1919-1923), S. 212 ff., 224 ff., 283 ff., 292; Rieth (FN 28), S. 101 ff., 104, 162 ff.; Max Pohlenz, Zenon und Chrysipp, Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, 2. Bd., 1938, S. 173-210 (199 ff.); besonders treffend Tarn (FN 23), S. 17. - Auf einem anderen Blatt steht die These, daß die häufigen Sklavenaufstände - „in der Regel spontan und ohne große Vorbereitung ausgebrochen" - „ihre gemeinsame Wurzel in dem hellenistischen, stoischen Ideal der humanitas hatten": Arnold A. T. Ehrhardt, Imperium und Humanitas, in: Studium Generale 14 (1961), S. 646-664 (659).
"
Seneca, Briefe ( F N 23) Ep. 47 § 17.
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Verhältnis von Naturtrieb und Selbstbestimmung, ist schon in der Antike kritisiert worden. Das Rätsel von Fatum und Freiheit bleibt ungelöst. Die Stoa hat es der christlichen Theologie vererbt 33 . Angesichts der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse jener Zeit liegt es nahe, die Unstimmigkeiten als Reflex der Unmöglichkeit zu verstehen, die Selbstbestimmung des freien Menschen über die private Autarkie der Tugend, über die Selbstgenügsamkeit sittlicher Lebensführung hinaus auch politisch als öffentliche Selbstbestimmung auszudenken. Allerdings gibt es in der stoischen Philosophie einen Punkt möglicher Transformation ins elementar Rechtlich-Politische. Damit sind hier selbstredend nicht einzelne politische Ratschläge von Stoikern gemeint (die es auch gab und zu denen beispielsweise die Empfehlung der gemischten Verfassung gehört 34 ), sondern die Ambivalenz eines zentralen Dogmas. Die Rede ist von der oikeiosis-Lehre 35 . Sie besagt, daß der elementare Naturtrieb der Selbsterhaltung beim Menschen nicht nur das Streben nach dem Glück des tugendhaften, naturgemäß-vernünftigen Lebens trägt, sondern auch das damit verbundene Streben nach allen Dingen, die sein seelisches und leibliches Dasein in irgendeiner Weise erhalten und fördern: als ihm zukommend (οικ εία). Sie wählt er je nach den Umständen aus und eignet sie sich an. Chrysipp folgend, könnte das bei Gelegenheit sogar ein - ansonsten ganz und gar nicht wünschenswerter - Fürstenthron sein 36 . Diese die Pflicht zu Selbsterhaltung und Selbstförderung erfüllende Aneignung (οίκείωσις) nun läßt sich auch als natürliches Freiheitsrecht eines jeden auf alles im Dienste der Selbsterhaltung interpretieren.
33
Dazu Josiah B. Gould, The Philosophy of Chrysippus, Albany/ Leiden 1970, S. 137 ff.; Forschner (FN 16), S. 98 ff., 104 ff, 113. Als Beispiel s. Aurelius Augustin: De libero arbitrio, dt.: Der freie Wille, übers, v. Carl Johann Perl, Paderborn 1986 (Nachdr. d. 4. Aufl. 1972), I I I 1-4. 34 Diogenes Laertius (FN 14), S. 68 (VII 131). 3
5 Dazu Rieth (FN 28), S. 31; Forschner (FN 16), S. 142-159.
3
6 Zeller ( F N 31), S. 302.
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„Das natürliche Recht ... ius naturale ... ist die Freiheit eines jeden, seine eigene Macht nach seinem Willen zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens, einzusetzen und folglich alles zu tun, was er nach eigenem Urteil und eigener Vernunft als das zu diesem Zweck geeignete Mittel ansieht".
So steht es im Leviathan (c. 14) des Thomas Hobbes 37. Allein die Bezeichnung dieser Fundstelle macht freilich zugleich klar, daß auch die frühneuzeitliche Umformung der stoischen oikeiosis-Lehre (durch einen hier ansonsten schon eher der epikureischen Tradition zugeneigten Autor) nicht gerade umstandslos in eine Theorie der Demokratie mündet. Aber vielleicht nimmt sich das bei dem bedeutendsten der neuzeitlichen Stoiker, der nach Hegel gar den „Hauptpunkt der modernen Philosophie" markiert 38 , ja etwas anders aus.
II. Utopie einer Demokratie der Weisen Nennt man den Namen des ebenso hochgelehrten wie bescheidenen, von der calvinistischen Orthodoxie nicht weniger als von der Synagoge gehaßten Linsenschleifers aus Amsterdam, der das Angebot eines philosophischen Lehrstuhls in Heidelberg ausschlug, weil er dem Versprechen der Lehrfreiheit nicht recht traute, kurz: erwähnt man Baruch de Spinoza, wird unweigerlich zugleich, geradezu reflexhaft, die Erinnerung an die Formel Deus sive natura, an die Gleichsetzung von Gott und Natur wachgerufen 39 . Geistesgeschichtlich reichten die 37 Thomas Hobbes, Leviathan, hg. v. Iring Fetscher, 4. Aufl., Frankfurt am Main 1991, S. 99 (c. 14). Hierzu u. zum folg. jetzt maßgebend Bernd Ludwig, Die Wiederentdeckung des Epikureischen Naturrcchts Zu Thomas Hobbes' philosophischer Entwicklung von De Cive zum Leviathan im Pariser Exil 1640-1651, Frankfurt a.M. 1998, S. 271 ff., 401 ff., 348 f., 425 ff. 38
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III, in: Werke stw Bd. 20, S. 163 f. 39 Baruch de Spinoza, Tractatus theologico-politicus [im folg. TTP] zit. nach Spinoza, Werke, lat. u. dt., Bd. 1, hg. v. Günter Gawlick u. Friedrich Niewöhner, 2. Aufl., Darmstadt 1989, S. 195 (c. 6). Die maß-
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Reaktionen auf diesen pantheistischen Substanzmonismus, wonach alle Dinge und Ideen nur modi , also Daseinsweisen Gottes als der einzigen, unteilbaren und unendlichen Substanz sind, allezeit von der größten Begeisterung bis zu schroffster, ja wütender Ablehnung 40 . Weniger bewußt ist vielleicht, daß Spinoza mit jener Identifikation nur Chrysipps Lehrer paraphrasierte. Berichtet Cicero doch, daß nach Kleanthes die Welt selbst Gott sei: Cleanthes ... ipsum mundum deum dicit esse41. Wie bei den Stoikern der Antike strebt der Mensch auch nach Spinoza, gleich jedem Ding, mit aller Macht nach Selbsterhaltung, danach, in suo esse perseverare 42, und im Hinblick auf unsere Bedürfnisse darüber hinaus nach „vielerlei, was nützlich für uns ... ist", wie insbesondere die Gemeinschaft mit anderen Menschen 43 . Mit dieser Pointe der menschlichen Gattung als Gegenstand der oikeiosis folgt er Cicero und anderen Anhängern der Stoa; denn von Chrysipp selbst kennen wir sie nicht 4 4 . Wie bei den alten Stoikern ist die erstrebte Glückseligkeit nicht Lohn der Tugend, sondern diese selbst, die einzig im Streben nach Selbsterhaltung und d.h. im Suchen nach dem eigenen Nutzen ihren Grund hat 4 5 . „Unbedingt aus Tugend handeln" gebliche Formulierung dann in: Spinozas Ethik von 1675, Teil I §§14 ff., ferner Teil IV Vorrede u. Lehrsatz 4; zit. nach: Die Ethik mit geometrischer Methode begründet [im folg. Ethik], in: Werke, lat. u. dt., Bd. 2, hg. v. Konrad Blumenstock, 4. Aufl., Darmstadt 1989, S. 84 ff.; s. dazu die Bibliogr. v. Wolfgang Bartuschat in der Meiner'schen Ausg. der Übers, v. Otto Baensch, Hamburg 1994, S. X X X I ff. 40
S. z.B. Carl Schmitt: Glossarium - Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951, hg. v. Eberhard Frhr. von Medem, Berlin 1991, S. 28 (Notiz v. 7.10.47), S. 86 (Notiz v. 19.1.48). 41 Markus Tullius Cicero: De natura deorum (dt.: Über das Wesen der Götter, lt.-dt. Ausg. v. Ursula Blank-Sangmeister y Stuttgart 1995) I 37. S. auch Diogenes Laertius (FN 14), V I I 137 f., 148 (S. 71, 76). Über den Stoizismus Spinozas schon Dilthey (FN 15), S. 285 ff. 42 Ethik (FN 39), Teil I I I Lehrsätze 6 u. 7 (S. 272/73), Teil IV Lehrsatz 22 mit Folgesatz (S. 416/17). 43 Ebd. Anm. zu Lehrs. 18 in Teil IV (S. 410 ff.). S. auch Anhang Hauptsatz 8 (S. 490 f.). 44
S. Forschner ( F N 16), S. 158 m i t N a c h w .
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ist also nichts anderes als „nach den Gesetzen der eigenen Natur handeln" 46 . Dies wiederum bedeutet aber so viel wie: der Leitung der Vernunft folgen. Für einen Stoiker existiert eben kein der Natur und ihrer Gesetzmäßigkeit als etwas selbständig anderes gegenüberstehendes Sittengesetz47. Ebensowenig kennt Spinoza ein Recht, das von der Macht verschieden ist 4 8 . Kurz: Es gibt hier kein Sollen als eigenständige Kategorie. Allerdings gehört zu jenem vernünftigen Naturgesetz auch das menschliche Streben nach Erkenntnis im allgemeinen und Gotteserkenntnis im besonderen, die den Menschen inmitten seiner restlos determinierten Welt dennoch frei macht 49 und mit dieser inneren Freiheit zugleich mächtiger als die anderen 50 . Denn wer das Notwendige aus Einsicht tut, glaubt sich nicht mehr fremdbestimmt. Was dieser Selbstbestimmung abträglich ist, was unsere „Wirkungskraft" vermindert oder hemmt, was uns in einen passiven, leidenden Zustand versetzt, das sind mithin die Leidenschaften, Naturkräfte, die in der geistigen Welt als „verworrene Ideen" erscheinen 51. Im ausdrücklichen Gegensatz zu den Stoikern erklärt Spinoza, daß wir die Affekte 45 Ethik (FN 39), Teil V Lehrs. 42, Teil IV Folgesatz zu Lehrsatz 22, Lehrs. 24 (S. 554/55, 416 ff.). 46 Ebd. Teil IV Beweis zu Lehrs. 24 (S. 416/17). „Fügungen des Schicksals" und „das, was nicht in unserer Gewalt steht", sind „Dinge, die nicht aus unserer Natur folgen"; ihnen hat der Stoiker als Notwendigkeiten „mit Gleichmut" zu begegnen: Ethik Teil I I Lehrs. 49 (S. 252 ff.). 47 S. Ethik Teil IV Beweis zu Lehrs. 24 (S. 416 ff.); Folgesatz 2 zu Lehrs 35 (S. 428 ff.). 48
Dazu Georg Geismann, Spinoza jenseits von Hobbes und Rousseau, in: Zeitschr. f. philosoph. Forschung 43 (1989), S. 405-431 (413, 415 ff.), und vom Verf.: Das Politische in Spinozas „Politischem Traktat", in: FS f. Alexander Hollerbach, Berlin 2001, S. 1 ff. 49 Ethik (FN 39), Teil IV Lehrsätze 26 u. 36 (S. 418/19, 430 ff.); Teil V Grundsatz 2 Lehrsätze 3 ff. (S. 512 ff.). 50 Baruch de Spinoza, Politischer Traktat - Tractatus politicus [im folg. TP], lat.-dt., v. Wolfgang Bartuschat neu übers., hg., mit Einl. u. Anm. vers. Ausg., Hamburg 1994, c. I I § 11 (S. 25).
51 E t h i k Teil I I I D e f i n i t i o n 2, Beweis zu Lehrs. 1 (S. 258 ff.).
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als natürliche Vorgänge durch unseren Willen nicht absolut beherrschen können 52 . Wir befreien uns von ihnen vielmehr, indem wir sie durchschauen, klare Vorstellungen gewinnen und d.h.: sie uns in unserem Lebensvollzug aktiv zunutze machen 53 . In der Tat: Wer gegen den Wind zu segeln versucht, scheitert selbst bei größter Kraftanstrengung; wer das Spiel der Kräfte durchschaut, kreuzt mit Hilfe derselben unwiderstehlichen Gewalt gegen den Wind. Seine naturrechtlich-politische Lehre hat Spinoza unter dem Einfluß von Hobbes - neben Descartes sein wichtigster Autor - zuerst in seinem Theologisch-politischen Traktat von 1670 entwickelt 54 . Etwas ist davon dann auch in seine früh begonnene und endlich 1675 abgeschlossene (aber erst postum erschienene) more geometrico dargestellte „ E t h i k " 5 5 eingegangen, aus der die eben angeführten Grundsätze entnommen sind. Sein letztes, unvollendetes Werk, der „Politische Traktat" 5 6 , bietet nach einschneidenden innenpolitischen Verände52 Ethik Vorr. zu Teil V (S. 504/05). 53 Zum zweistufigen Reflexivwerden des affektiven Selbsterhaltungsstrebens Verf. (FN 48), S. 16; Gerd Irrlitz, Spinoza. Die Ethik in der „Ethik", in: Deutsche Zeitschr. f. Philosophie 30 (1982), S. 222-233 (227 ff.); Wilfried Röhrich, Staat der Freiheit - Zur politischen Philosophie Spinozas, Darmstadt 1969, S. 56 ff.; Manfred Walther, Die gesellschaftliche Begründung der Vernunft bei Spinoza, in: studia leibnitiana, Sonderh., Wiesbaden 1981, S. 44 (46 ff.). 54 S. F N 39. Der Einfluß von Hobbes auf Spinoza ist oft und breit behandelt worden. Zu den interessanten Abweichungen, die teils aus Spinozas Affektenlehre, teils aus der Präferenz für die patrizische Aristokratie der Niederlande und deren literarische Behandlung durch die Brüder van den Hove resultieren: Wolfgang Rod, Van den Hoves „Politische Waage" und die Modifikation der Hobbesschen Staatsphilosophie bei Spinoza, in: Journal of the History of Philosophy 8 (1970), S. 29-48. Das erste Buch dieser „Politischen Waage" ist in französischer Übersetzung zugänglich, dort findet sich auch eine Inhaltsübersicht über die anderen Teile des Werks: La Balance Politique de J. et P. de La Court, übers, u. hg. v. Madeleine Frances, Paris 1937. 55 S. F N 39.
56 S. F N 50.
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rungen in den Niederlanden gewissermaßen eine revidierte Fassung unter einem veränderten Gesichtswinkel 57 . Durch ihren Befreiungskrieg gegen das katholische Spanien hatten die Niederländer Gedanken- und Glaubensfreiheit errungen. Unter der liberalen Regentschaft des Ratspensionärs („Kanzlers") Jan de Witt ließ die neue Freiheit des Geistes das Land wissenschaftlich und ökonomisch, künstlerisch und technisch, kommerziell und kulturell aufblühen. Das „seltene Glück" preisend, „in einem Staate zu leben, worin jedem die unbeschränkte Meinungsfreiheit und das Recht, Gott nach eigener Uberzeugung zu verehren, zugestanden ist", wollte Spinoza sich durch den Nachweis nützlich machen, daß nicht die Gewährung dieser Freiheiten, sondern deren Unterdrückung Bürgerfrieden und Religion gefährden 58. Seine Begründung folgt dem Muster, das Hobbes für den Ubergang der Menschen aus dem Naturzustand in den bürgerlichen entworfen hatte 59 . Da nach Spinozas Affektenlehre aber nur die Weisen aus Einsicht das Notwendige tun, akzentuiert er stärker als Hobbes die Wahl aus Furcht vor dem größeren Übel: lieber Unterwerfung unter die höchste Gewalt als die N o t der Freiheit des Naturzustandes und dann: lieber Gesetzesgehorsam als harte 57 Hierzu und zum folgenden Konrad Hecker, Gesellschaftliche Wirklichkeit und Vernunft in der Philosophie Spinozas, Regensburg 1975, S. 59 ff., 99, 109, 648 ff.; ferner Hans Saner , Baruch de Spinoza, in: Pipers Handbuch der politischen Ideen, hg. v. Iring Fetscher u. Herfried Münkler, Bd. 3, München/Zürich 1985, S. 369-381 (370 f.); Hans W. Blom, Virtue and Republicanism. Spinoza's political Philosophy in the context of the Dutch Republic, in: Republiken und Republikanismus im Europa der Frühen Neuzeit, hg. v. Helmut G. Koenigsberger, München 1988, S. 195-212; Horst Lademacher, Die Niederlande - Politische Kultur zwischen Individualität und Anpassung, Berlin 1993, S. 213 ff.; Marianne Awerbuch, Spinoza in seiner Zeit, in: Spinoza in der europäischen Geistesgeschichte, hg. v. H. Delf, 1994, S. 39-74, bes. 52, 71 mit weit. Nachw. zur „bestialischen Ermordung" des Ratspensionärs Jan de Witt und über Spinozas Reaktion. 58 TTP (FN 39) Vorrede (S. 10/11).
59 Hobbes, Leviathan c. 14; Spinoza, TTP Kap. 5 (S. 170 ff.), Kap. 16 (S. 466 ff.).
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Bestrafung 60 . Diese Linie der Argumentation kraft einer „ewigen Wahrheit", wie er glaubt, führt bei Spinoza zwangsläufig zum Verschwinden des Vertragsmotivs 61 . Wenn er nun in scheinbarem Widerspruch dazu sagt, daß „in Wahrheit die Freiheit" „Zweck des Staates ist" 6 2 , so deshalb, weil dieser durch Frieden und Sicherheit ermöglicht, daß die Menschen nun in großer Zahl sozusagen zu sich selbst kommen, Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten der eigenen Natur gewinnen und damit frei werden, ihre Vernunft zu gebrauchen und ihre Kräfte zu entfalten, was in einer geläuterten Weise der natürlichen Macht und damit dem „höchsten Recht der N a t u r " 6 3 entspricht. Vorausgesetzt ist dabei allerdings - und das ist der springende Punkt - , daß der Staat, wie bei Hobbes, unabhängig von der Religion und ihrer Priesterschaft über allen Religionsangelegenheiten steht 64 . Denn nur dann können die öffentlichen Angelegenheiten durch die Vernunft gelenkt werden. Spinoza hat den Gedanken naturrechtlicher Selbstbestimmung des Menschen im Staat indes noch weiter geführt. Er zitiert die zwar nicht von Chrysipp, aber immerhin von dem römischen Stoiker Seneca formulierte Einsicht, daß nur Mäßigung einer Herrschaft Dauer verleiht, nicht aber die Gewalt 6 5 . Ein Regime wird jedoch, sagt Spinoza, um so gewalttätiger, je mehr es sich vom „natürlichen Zustand" der Freiheit und Gleichheit entfernt 66 . Die wenigsten Mißstände bringe folglich 60 TTP Kap. 16 (S. 472 ff.); Ethik Teil IV Anm. 2 zu Lehrs. 37 (S. 436 ff.). S. dazu noch einmal Ν 52. 61
Dazu Wolfgang Bartuschat, Spinozas Theorie des Menschen, Hamburg 1992, S. 241-245. Hinzu kommt später die Lehre vom Menschen als animal sociale: s. Verf. (FN 48) bei F N 10, bei und in F N 37 mit weiteren Belegen und Nachweisen. 62 Spinoza, TTP Kap. 20 (S. 604): Finis ergo reipublicae revera libertas est. 63 TTP Kap. 16 (S. 470/71); vgl. Ethik Teil IV Anm. 2 zu Lehrs. 37 (S. 436/37). 64 TTP Kap 16 (S. 492 ff.); Kap. 20 (S. 620/21). Vgl. Hobbes, Leviathan cc. 39, 42, 43. 65 TTP Kap. 16 (S. 478/79), Kap. 5 (S. 170 ff.).
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wegen ihrer Naturnähe die demokratische Regierungsweise mit sich. Denn danach habe nur „diejenige Meinung die Kraft eines Beschlusses", „die die meisten Stimmen auf sich vereinigt", und auch das nur, soweit es um äußeres Verhalten geht, Meinung und Urteil des einzelnen also unberührt bleiben, und wenn das Recht gewahrt ist, die Beschlüsse „wieder aufzuheben, sobald sich ... etwas Besseres zeigt" 6 7 . Das klingt nicht zufällig nach Kelsen 68. Zum Beweis führt Spinoza beispielhaft das „prächtige Gedeihen" der von aller Welt bewunderten Stadt Amsterdam ins Feld, verkürzt sein Argument mit dem Exempel jener Handelsaristokratie jedoch explizit auf den Segen religiöser Toleranz und einer religiös neutralen Obrigkeit 6 9 . Daß es sich bei Spinozas Konzept einer direkten Demokratie um einen philosophischen, genauer: ontologischen Begriff handelt, der lediglich einen utopischen Fluchtpunkt oder Grenzfall der Überlegungen bezeichnet, zeigt sich an zwei anderen Stellen des Theologisch-politischen Traktats noch deutlicher. So wird der „demokratische Staat" einmal dadurch charakterisiert, daß „alle unter allgemeiner Zustimmung sich dafür entscheiden, bloß nach dem Gebot der Vernunft zu leben" 70 . Oder es heißt sozusagen schon jenseits von Rousseau - , daß ein Volk frei bleibe wie im Naturzustand, sofern „die Regierung in den Händen aller liegt und ... die Gesetze auf Grund allgemeiner Zustimmung erlassen werden" 71 . Was aber eben voraussetzt, daß alle Menschen sich von der Vernunft leiten lassen72. Davon kann indes tatsächlich nicht die Rede sein, weswegen die
66 Ebd. Kap. 20 (S. 616/17), Kap. 16 (S. 482/83). 67 Ebd. Kap. 20 (S. 616/17). 68
In seiner relativistischen Rechtfertigung der Demokratie beruft sich Hans Kelsen (Vom Wesen und Wert der Demokratie, Neudr. d. 2. Aufl. v. 1929, Aalen 1963, S. 98 ff., 118 F N 45) ausdrücklich auf den „Demokraten" Spinoza. 69 Wie F N 67; dazu Lademacher (FN 57), S. 191; Thenn de Vries: Baruch de Spinoza in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1970, S. 108. - S. zum folg. auch Geismann (FN 48), S. 406, 420. 70 I T P Kap. 19 (S. 576/77). 71 Ebd. Kap. 5 (S. 172/73).
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Menge allemal durch Angst vor Gefahr und Furcht vor Bestrafung zu einem geordneten Gemeinschaftsleben gezwungen werden muß, wie wir schon hörten 73 . Der Ausgriff des Autonomiegedankens auf das Feld der Politik bleibt utopisch 74 . Wer da glaubt, heißt es in der Einleitung des Politischen Traktats, daß politischer Streit in einer Menge allein durch eine Vorschrift der Vernunft beigelegt werden könnte, „der träumt vom goldenen Zeitalter der Dichter oder von einem Märchen". In diesem letzten (und - wie gesagt - unvollendeten) Werk Spinozas geht es nach dem Sturz des liberalen Regiments und der grausamen Ermordung Jan de Witts nicht mehr darum, als Mitglied einer auf Freiheit angelegten Gesellschaft Reste von Aberglauben zu bekämpfen, durch Trennung von Politik und Religion, von Religion und Wissenschaft den Fortschritt zu fördern, die Freiheit als Garanten staatlicher Stabilität zu erweisen und den Richtpunkt gelingender Selbstbestimmung des Vernünftigen in kollektiver demokratischer Selbstbestimmung der Vernünftigen zu markieren. Jetzt richtet sich der Blick gewissermaßen von außen auf diejenigen Institutionen und Prozeduren, die nach der historischen Erfahrung geeignet sind, „eine Menschenmenge zu lenken, d.h. innerhalb bestimmter Grenzen in Schranken zu halten" und ein einträchtiges Zusammenleben zu bewirken 75 . Es geht um die Stabilität des wie auch immer herrschaftlich organisierten Gemeinwesens, eine Stabilität, die
72 S. Ethik Teil IV Lehrs. 73 mit Beweis (S. 484/85). In Spinozas Äußerungen über die Demokratie klingen altstoische Utopien eines anarchischen »Staates der Weisen' nach, die Diogenes Laertius (FN 14) V I I 33 u. 131 (S. 24, 68) andeutet; dazu Zeller (FN 31), S. 302 ff. 73 Spinoza: TTP Kap. 16 (S. 472 ff.). 74
Die Vollendung des unfertigen Schlußteiles des TP über die Demokratie hätte daran schwerlich etwas geändert. Es ist zu vermuten, daß Spinoza nach dem Vorbild der „Politischen Waage" (s. F N 54) über die Athenische Demokratie geschrieben hätte. Moderne Beispiele gab es ja nicht. Und was Spinoza über die vertretungsweise Beteiligung der Bevölkerung an der Regierung zu sagen hatte, war in dem Kapitel über die Aristokratie bereits gesagt. S. dazu vom Verf. (FN 48), Teil IX. 75 T P c. I § 3 (S. 9).
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Frieden, Sicherheit und ein gewisses, sozusagen hobbessianisches Maß rechtlich gesicherter Freiheit gewährt, eine Stabilität schließlich, die unabhängig ist von der Tugend der Bürger und der Redlichkeit der Regenten 76 . „Denn", so beschreibt später Kant die Aufgabe der Staatserrichtung für ein Volk von Teufeln mit Verstand 77 , „Es ist nicht die moralische Besserung der Menschen, sondern nur der Mechanismus der Natur, von dem die Aufgabe zu wissen verlangt, wie man ihn an Menschen benutzen könne, um den Widerstreit ihrer unfriedlichen Gesinnungen in einem Volk so zu richten, daß sie sich unter Zwangsgesetze zu begeben einander selbst nötigen, und so den Friedenszustand, in welchem Gesetze Kraft haben, herbeiführen müssen."
Spinoza nimmt ausdrücklich Machiavelli in den Dienst der Freihek 78 . Konkret sind also - und so ist das Werk auch aufgebaut - Monarchie, Aristokratie und Demokratie auf ihre jeweils optimale Gestaltung im Blick auf Stabilität, Frieden und rechtlich gesicherte Freiheit zu prüfen. Bei den gelegentlichen Vergleichen der Staatsformen untereinander schneidet die Demokratie schlecht ab. Sie habe sich nämlich menschlicher Mißgunst wegen historisch als die vergänglichste Staatsform erwiesen 79 . Von einem freien Volk (libera multitudo) errichtet, könne die eingeschränkte Monarchie dagegen eine weitgefaßte Freiheit (ampia libertas) offenbar dauerhafter bewahren 80 . A n das Idealbild der unmittelbaren Demokratie, in der die höchste Staatsgewalt von der gesamten Volksmenge ausgeübt wird, erinnert nur eine Stelle des Werks. Dort entscheidet Spinoza die Frage, ob die Monarchie oder die Aristokratie tauglicher sei, Frieden und Freiheit zu bewahren, zugunsten einer gut TP c. I § 6 (S. 13). Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, in: Akademie-Ausgabe der Werke Bd. V I I I , S. 366. 78 Spinoza, TP (FN 50) c. V § 7 (S. 67); dazu Adolf Menzel, Beiträge zur Geschichte der Staatslehre, Wien u. Leipzig 1929 (Nachdr. Glashütten im Taunus 1967), S. 329 ff.; Röhrich (FN 53), S. 21 f., 77 ff. 76
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79 Spinoza, TP c. V I § 4 (S. 71); c. V I I I § 12 (S. 149 ff.), so Ebd. c. V I I § 26 (S. 123), § 31 (S. 133). 4 Wahl/Wieland
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organisierten Aristokratie, und zwar eben mit dem Argument größerer Annäherung an jene Identität von Herrschenden und Beherrschten, die Spinoza imperium absolutum nennt und von der er sagt: si datur - wenn es denn so etwas gibt 8 1 . A m Ende des Abschnitts über die zwei Arten von aristokratischen Staaten, die nach Spinoza nämlich entweder aus einer Stadt bestehen oder - wie Holland - von mehreren Städten gebildet werden, kommt der Niederländer gar zu dem Schluß, daß wenn überhaupt - ausschließlich jene patrizischen Aristokratien mit ihren ausgeprägten, quasi demokratischen Repräsentationsformen ohne strukturelle Mängel und in diesem Sinne „ewig" seien. Denn deren fundamentale Rechtsgesetze sieht er sowohl in der Vernunft wie zugleich in der den Menschen gemeinsamen Affektivität verankert 82 . Was folgt aus alledem? Natürliche Gleichheit und Freiheit sind eine Sache, deren kollektive Realisierung eine ganz andere, komplizierte und von den historischen Bedingungen abhängige, allenfalls annäherungsweise (und niemals ohne Illusionen 83 ) erreichbare. Quod erat demonstrandum, hätte Spinoza - more geometrico - hinzugesetzt. III. Selbstbestimmung im Rechtsstaat Des Amsterdamers politische Philosophie bürgerlicher Libertät in den patrizischen Stadtrepubliken führt den Freiheitsgedanken einer besonderen Tradition (mit Anleihen aus der Verfassungsgeschichte Genuas, Ragusas [Dubrovniks] und Venedigs 84 ) zu einem seiner letzten Höhepunkte. Gestiftet hatten
si Ebd. c. V I I I § 3, § 5 (S. 138 ff.). 82 Ebd. c. X § 9 (S. 217). Das Folgende nach c. I X § 49 (S. 189). Hier gediehen denn auch die Wissenschaften und Künste am besten, „wenn jedem, der darum nachsucht, die Erlaubnis erteilt wird, öffentlich zu lehren, und zwar auf eigene Kosten und mit Gefahr seiner Reputation". Denn staatliche Universitäten dienten eher der Zügelung der Talente als ihrer Ausbildung. 83 D a z u Verf. ( F N 48), S. 15.
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i h n die K o m m u n e n Oberitaliens, jene revolutionär-antifeudalistischen Schwurgemeinschaften, die M a x Weber deswegen „nichtlegitime Herrschaften" genannt h a t 8 5 . Sie repräsentieren den T y p u s genossenschaftlicher politischer Selbstorganisation überschaubarer Lebensbereiche. U n t e r dem Begriff des „ K o m munalismus" hat diese Erscheinung i n den letzten Jahren verstärkt historische Beachtung gefunden 8 6 . A b e r bei aller A n e r kennung der Bedeutung für die europäische Staatswerdung u n d Verfassungsentwicklung: i m Verhältnis zur Karriere des Flächensnaats handelt es sich eher u m ein rezessives E l e m e n t 8 7 . Johannes Althusius unterliegt Jean Bodin ss, Spinoza verschwindet i m Schatten v o n Thomas Hobbes. U n d die Gedanken Rousseaus, des citoyen de Genève, als der sich der A u t o r des Contrat social auf dem Titelblatt bekennt, werden v o n Abbé
84 Vermittelt sind diese Kenntnisse durch die „Politische Waage" der Gebrüder van den Hove: s. Frances (FN 54), S. 9 ff. (13 f.); Antonio Droetto (Hrsg.), Trattato Politico di Baruch Spinoza, Torino 1958, Einl. S. 59 f. u. N N 1, 2, 18, 37 (S. 289, 292, 305, 325). (Diese Ausg. ist jetzt neu ediert v. Ludovico Chianese, Turin 1991.); Carl Gebhardt (Hrsg.), Spinoza, Opera, Bd. V, Heidelberg 1987, S. 133-196 (176 f.). 85 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., Tübingen 1972, S. 727-814. Zu den Anfängen mit Nachw. Hofmann, Repräsentation (FN 22), S. 202 ff. 86
Dazu grundlegend Peter Blickle, Kommunalismus, Parlamentarismus, Republikanismus, in: H Z 242 (1986), S. 529-536; ders., Kommunalismus, 2 Bde., 2000; s. jetzt auch Manfred Walther, Kommunalismus und Vertragstheorie. Althusius-Hobbes-Spinoza-Rousseau oder Tradition und Gestaltwandel einer politischen Erfahrung, in: Theorien kommunaler Ordnung in Europa, hg. v. Peter Blickle, München 1996, S. 127162 (143 ff.). 87
Sehr instruktiv dazu Heinz Schilling, Gab es im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit in Deutschland einen städtischen Republikanismus? - Zur politischen Kultur des alteuropäischen Stadtbürgertums, in: Republiken und Republikanismus (FN 57), S. 101-143. S. auch schon Heinrich Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1950, S. 11 ff. 88 S. dazu jetzt: Guiseppe Duso u.a. (Hrsg.): Konsens und Konsoziation in der politischen Theorie des frühen Föderalismus, Rechtstheorie Beih. 16, Berlin 1997. *
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Sieyes , dem „Descartes der Politik", durch den Begriff der Repräsentation in Elemente des großräumigen Verfassungsstaats transformiert 89 . Denn naturgemäß fehlt in jener Überlieferung zweierlei: Einmal ist das die sozusagen großflächigstrukturelle Freiheitssicherung durch eine am Dualismus von König und Parlament herausgearbeitete Gewaltenteilung aufgrund einer klaren Funktionenunterscheidung. Wenige Jahre nach Spinoza hat sie in dieser Weise John Locke entwickelt 90 , wie sie aus der Verfassungsgeschichte Venedigs oder Genuas über den Gedanken der Ausbalancierung von Zuständigkeiten hinaus so unmöglich zu gewinnen war - wenn Spinoza denn gegen das Verdikt von Hobbes auf Gewaltenteilung überhaupt gesehen hätte. Das andere ist die Tradition der feudalen Freiheitsbriefe Alteuropas. Allein vor diesem Hintergrund konkreter Unrechtserfahrungen mit der fürstlichen Exekutive und der Vorstellung einer spezifischen Rechtsform des verbrieften Schutzes vermochte Locke in einer revolutionären Situation das allgemeine Motto life , liberty , property zu gewinnen. Für die menschheitliche Universalisierung war zudem allerdings die Auflösung der ständischen wie der nationalen Bindungen der alten Freiheitsbriefe erforderlich. Zumal die im Vergleich zu den amerikanischen Bills of Rights eher philosophische Menschenrechtserklärung der französischen Revolutionäre ist abhängig von der basalen Vorstellung einer atomistischen Menschengesellschaft. Ihr hat wie kein anderer der Stoiker Hobbes vorgearbeitet. Der in seinem Leviathan elaborierte „methodologische Individualismus" bildete das Ferment, welches die alten feudalen Freiheitsbriefe zusammen mit der aus stoischen und römisch-rechtlichen, zudem aus christlichen, humanistischen und aufklärerischen Quellen gespeisten Hochschätzung der menschlichen Person zu revolutionären Katalogen universeller menschenrechtlicher Freiheiten verschmelzen ließ. Eine gewissermaßen komplementäre katalytische Funktion für die 89 Dazu Hofmann, Repräsentation (FN 22), S. 406 ff. 90 Dazu vom Verf., Einführung in die Rechts- und Staatsphilosophie, Darmstadt 2000, S. 158. Das Folgende nach demsDie Entdeckung der Menschenrechte, Berlin 1999.
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Philosophie hat Hegel dem Monismus Spinozas, „diesem Äther der einen Substanz" zugeschrieben 91, in dem die überkommenen dogmatischen Verfestigungen des Denkens sich auflösen. Damit war der Boden bereitet für das autonome Subjekt der Moderne, waren die revolutionären Instrumente ausgeformt, mit denen es sich seiner Welt nun auch politisch bemächtigt und sie gestaltet: Menschenrechte und Bürgerfreiheiten gesichert durch Gewaltenteilung, (repräsentative) Teilhabe an der Gesetzgebung und nationale Souveränität. So ist der gemeinsame Lebensplan nach universellen menschenrechtlichen Grundsätzen 1789 in Versailles für die Menschen „vom Ufer des Ozeans bis zum Jura, von Lille bis zu den Pyrenäen" skizziert worden, insofern sie von dem einen Wunsch beseelt schienen, unter einem einheitlichen, für alle gleichen Rechtsgesetz, kurz: auf der Basis einer Verfassung zu leben 92 . Eben das hat man damals unter Nation verstanden: die quasi von einem Geist geleitete Menge, wie Spinoza formuliert 93 und der er, so sie sich denn selbst beherrscht, das Imperium absolutum zugesprochen hatte. Der neue Name für diese politische Version des Anselm'schen quo maius nihil cogitari potest heißt jetzt: Souveränität der Nation 9 4 . Die alte, den Politischen Traktat Spinozas durchgehend bewegende Frage bleibt indes nach wie vor die, wie das als von Natur aus autonom gedachte und als solches im Staat grundrechtlich gesicherte Individuum daran wirklichen Anteil hat, ja überhaupt haben kann. Die radikale, unmittelbare, sozial egalitäre Demokratie war so wenig die Antwort der Konstituante, wie es die politische Antwort Spi9t Hegel, Geschichte der Philosophie (FN 38), S. 165. 92
Dazu näher Verf., Von der Staatssoziologie zu einer Soziologie der Verfassung?, in: JZ 54 (1999), S. 1065-1074, jetzt in: Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts - Gedächtnissymposion für Edgar Michael Wenz, hg. v. Horst Dreier, Tübingen 2000, S. 180-205 (191 f.). 93 Dazu im einzelnen Verf. (FN 48), S. 15. 94
Zum Nationalstaatsprinzip jetzt die profunde Berliner Diss, von Angelika Siehr, Die Deutschenrechte des Grundgesetzes - Bürgerrechte im Spannungsfeld von Menschenrechtsidee und Staatsmitgliedschaft, 2001, S. 126 ff.
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nozas gewesen war 9 5 . Zwar hatte die große Menschen- und Bürgerrechtserklärung die egalitäre Gesellschaft von Staatsbürgern einer freien Nation verheißen. Aber der in der Verfassung von 1793 dokumentierte jakobinische Versuch des Konvents, dementsprechend eine Ordnung politischer und sozialer Gleichberechtigung samt einem hohen Maß direkter Demokratie zu etablieren, scheiterte. Genauer: er war angesichts der unangetasteten bürgerlichen Eigentumsordnung schlechterdings nicht lebensfähig 96. Die soziale Gleichheit ging so nicht über die formale Gleichheit vor dem Gesetz hinaus, und die Staatsbürgerfreiheit der homogenen Nation schrumpfte in der bürgerlichen Eigentümergesellschaft auf die Zensusbourgeoisie 97. Allenfalls eine reine Klassenkampfoptik vermöchte indes auszublenden, was diese Geschichte trotz der eklatanten Defizite an sozialer Gleichheit und demokratischer Herrschaftsteilhabe allein durch die Allgemeinheit bürgerlicher Gesetze und die Gewaltenteilung für einen ungeheueren Gewinn an rechtlicher Freiheit und Selbstbestimmung zeitigte 98 . Historisch hat es mit 95 Über die politische Unmöglichkeit einer solchen Antwort in größerem theoretischen Zusammenhang Ernst-Wolf gang Böckenförde, Mittelbare/repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: FS f. Kurt Eichenberger, Basel 1982, S. 301-328; ders., Demokratie und Repräsentation, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1992, S. 379-405; ders.. Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: Handbuch des Staatsrechts, hg. v. Josef Isensee u. Paul Kirchhof, Bd. II, Heidelberg, 1987, § 30 (S. 29-48). 96 Dazu Soboul (FN 3), S. 558 ff.
97 Dazu schon Böckenförde 98
(FN 11), S. 234 f.
Diesen Aspekt der Geschichte hat Dieter Grimm zur These von der ursprünglichen „Gesetzesakzessorietät" der verfassungsrechtlichen Garantien zugespitzt: s. z.B. ders. in: Bürgertum im 19. Jahrhundert I, hg. v. Jürgen Kocka, München 1988, S. 340-371; ders., Die Zukunft der Verfassung, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1994, S. 408 f. Kein Geringerer als Rudolf Sohm hat noch in den ersten Reichstagsberatungen unseres BGB erklärt: „In dem Privatrecht liegt die Charta unserer öffentlichen Freiheit. Weit mehr als auf der Staatsverfassung beruht auf dem Bürgerlichen Rechte das, was wir Freiheit nennen" (B. Mugdan: Die gesamten Materialien zum BGB, I., 1899, S. 909).
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anderen Worten den angeblich notwendigen „Gleichschritt" der „private(n) Autonomie gleichberechtigter Bürger ... mit der Aktivierung ihrer staatsbürgerlichen Autonomie" (Habermas) nicht gegeben. Und theoriegeschichtlich offenbar auch nicht. Böckenförde hat in diesem Zusammenhang ganz mit Recht auf die politische Philosophie Kants hingewiesen". Deren Bedeutung für die Entfaltung des menschheitlichen Freiheitsbegriffs ist ja kaum zu überschätzen. Aber demokratisch ist Kants Einschränkung der Aktivbürgerschaft auf die wirtschaftlich selbständigen Männer 1 0 0 wahrlich nicht, so wenig wie Spinozas größtmögliche Ausdehnung seines „demokratischen" Staatsbürgerrechts auf alle, die „unter eigenem Recht" stehen: sui juris sunt 10i. Nun liegt im Falle Kants der Versuch nahe - und er ist gemacht worden 1 0 2 - , jene undemokratischen Momente als bloß den Zeitumständen geschuldeten, die eigentliche Lehre verdeckenden Vordergrund beiseite zu schieben. Stattdessen scheint mir - im Anschluß an Hegel - ein anderer Gesichtspunkt erwägenswert. Kants Konzept menschlicher Autonomie läßt sich gewiß nicht auf den Begriff ungesicherter privater Selbstbestimmung reduzieren, nur weil von voller öffentlicher Autonomie bei ihm keine Rede sein kann. Denn seine Vorstellung von Freiheit ist offenkundig längst nicht mehr nur die stoische des selbstgenügsamen Gelingens einer weisen Lebensführung des Vernünftigen. Ihr Ausgriff auf die soziale Sphäre dokumentiert sich in der Ausarbeitung öffentlicher institutioneller Sicherungen der Freiheit 1 0 3 . Könnte es folglich nicht sein, daß wir es weniger mit einer partikulären und defizitären, als vielmehr mit einer anders zentrierten Idee
99 Böckenförde 100
(FN 11), S. 235.
Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten, Akademie-Ausgabe Bd. IV, S. 314 (I § 46). ιοί Spinoza,, TP (FN 50) c. X I § 3 (S. 223). 102 Ingeborg Maus, Zur Aufklärung der Demokratietheorie - Rechtsund demokratietheoretische Überlegungen im Anschluß an Kant, Frankfurt a.M. 1992. 103 Dazu Wolf gang Kersting, Wohlgeordnete Freiheit - Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie, Frankfurt a.M. 1993, S. 58 ff.
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von Freiheit zu tun haben? Anders, nämlich gleichwohl noch eher stoisch-philosophisch zentriert im Verhältnis zum großen Anreger Rousseau, der unter dem Namen des citoyen von der erträumten kommunalistischen Einheit öffentlicher wie privater Selbstbestimmung des antiken Polis-Bürgers aus dachte 104 ? Stehen mit dem Verhältnis von privater und öffentlicher Autonomie wirklich ein und dieselbe Freiheit und zwei komplementäre, jeweils mehr oder weniger weit gefaßte Bereiche ihrer Entfaltung zur Diskussion? Hegel unterschied in seiner Theorie der Französischen Revolution statt dessen zwei ganz verschiedene Momente, nämlich den Inhalt der Freiheit, ihre Objektivität in der Freiheit der Person und des Eigentums, in der Gewerbefreiheit und im freien Zugang zu allen Staatsämtern, und demgegenüber die „Form der Freiheit, worin das Subjekt sich tätig w e i ß " 1 0 5 . Diese Form aber neige zu der Einseitigkeit, daß der allgemeine, d.h. freiheitlich vernünftige gesetzliche Wille objektiver Einrichtungen der Freiheit „auch der empirisch allgemeine sein soll, d.h. daß die Einzelnen als solche regieren oder am Regimente teilnehmen sollen" 1 0 6 . Für die Autonomiedebatte wäre es daher wohl förderlich, zwischen zwei unterschiedlichen Akzentuierungen des Freiheitsgedankens zu unterscheiden. Da gibt es eben eine eher liberal-rechtsstaatliche Version individueller Entfaltung im Rahmen eines politischen Systems institutioneller Freiheitssicherungen und zum anderen das stärker demokratische Verständnis von Freiheit im Sinne einer sozusagen mehr aktions- als ergebnisorientierten Teilhabe an der Bildung des Gemeinwillens 107 . Damit verbinden sich dann zusätz104 hing Fetscher, Rousseaus politische Philosophie, 7. Aufl., Frankfurt a.M. 1993, S. 16, 147, 156 f., 181, 188, 194, 205, 210, 255. 105 Hegel, Philosophie der Geschichte ( N 6), S. 529. 106 Ebd. S. 534.
107 S. dazu vom Verf., Das Verfassungsprinzip der Freiheit, in Gedächtnisschrift f. Günther Küchenhoff, Berlin 1987, S. 231-242. Im Ansatz deckt sich die Überlegung mit der von Isaiah Berlin (Freiheit Vier Versuche, übers, v. Reinhard Kaiser, Frankfurt a.M. 1995, S. 197 ff.) aus dem englischen Liberalismus und dessen Gegensätzen entwickelten
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lieh unterschiedliche Konzeptionen des gesellschaftlichen Fortschritts 108 . So ist es auch systematisch nicht zwingend - und damit möchte ich eine praktische Schlußfolgerung unterstreichen, die schon Böckenförde gezogen h a t 1 0 9 - , die vielfach doch dringliche Einforderung von Menschenrechten im Namen des Homogenitätsdogmas von Fortschritten der Demokratisierung abhängig zu machen. Das eigentliche Problem der Entwicklungsländer liegt nicht in einem Mangel an Demokratie und politischer Freiheit, sondern im Fehlen institutionalisierter rechtlicher Sicherungen, in den Defiziten der objektiven, nicht der subjektiven Freiheit, wie Hegel sagen würde. Lassen Sie mich dem noch einen Schlußgedanken anfügen. Gewiß waren die revolutionären Menschenrechtserklärungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts in der Hauptsache menschheitliche Autonomieerklärungen 110 . Aber sie sind nicht nur von dem Gedanken bestimmt, den Menschen frei zu sprechen von allen angeblich natürlichen rechtlichen Bindungen, Pflichten
Disjunktion von „negativer" und „positiver Freiheit", wenn es aaO S. 210 heißt: „... zwischen individueller Freiheit und demokratischer Herrschaft besteht kein notwendiger Zusammenhang. Die Antwort auf die Frage ,Wer regiert mich?' ist logisch wohlunterschieden von der Frage ,Wie weit engen Staat oder Regierung mich ein?' Aus diesem Unterschied ergibt sich der entscheidende Gegensatz zwischen den Begriffen der negativen und der positiven Freiheit." Indessen verschwimmt diese einfache Unterscheidung, wenn alsdann „alle Formen von Liberalismus, die auf einer rationalen Metaphysik beruhen" (S. 210), konkret: wenn alle Liberalen, die den Gedanken rationaler Selbstbestimmung verfechten (wie namentlich Kant), als Vertreter der Freiheit im positiven Sinne bezeichnet werden, deren Lehre freilich nicht auf Demokratie, sondern im Grunde auf Anarchie hinauslaufe. 108 Dazu Ulrich K. Preuß, Revolution, Fortschritt und Verfassung, Berlin 1990, S. 22 ff. 109 Böckenförde (FN 11), S. 141 ff.
no Dies und das Folgende nach Hasso Hofmann, Menschenrechtliche Autonomieansprüche - Zum politischen Gehalt der Menschenrechtserklärungen, in: ders.: Verfassungsrechtliche Perspektiven, Tübingen 1995, S. 51-72 (58 ff.); ders., Geschichtlichkeit und Universalitätsanspruch des Rechtsstaats, in: Der Staat 34 (1995), S. 1-32 (28).
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und Botmäßigkeiten der Tradition. Vielmehr führen sie in einer älteren Schicht auch die Erinnerung an ganz konkrete Unrechtserfahrungen aus Ubergriffen der Obrigkeit mit sich. Rechtsgarantien zu ihrer Abwehr haben mit dem spezifisch modernen Autonomiegedanken vom maître et possesseur der Welt (Descartes), der physischen wie der politischen, nichts zu tun. Menschenrechtliche Postulate der Freiheit von gewissen immer wiederkehrenden Bedrückungen und Mißhandlungen fordern rechtlich nur ein, was zuerst Chrysipps Ethik metaphysisch begründet hatte: die brüderliche Achtung eines jeden als Mitmenschen und Mitbürger in urbe mundoque communi. Es ist eine Sache, alle sozialen und politischen Beziehungen vom souveränen Individuum her zu rekonstruieren und Teilhabe an der politischen Herrschaft für jedermann zu verlangen, Demokratie als Menschenrecht zu begreifen - eine andere, kraft mitmenschlicher Empathie Rechte des verletzlichen, hilfs-, schütz- und kommunikationsbedürftigen Individuums anzuerkennen. Diese älteren Rechte des von elementaren Verletzungserlebnissen geprägten Habeas corpus-Typs wie der Schutz des Lebens, der Glaubens- und Meinungsfreiheit, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, Folter und Konfiskationen bedürfen zu ihrer universellen Behauptung und offensiven Vertretung keiner universell gültigen Theorie individueller Autonomie, erst recht keines universellen Konzeptes der Demokratie. Wir haben gute Gründe, unsere Stimme schon vor und unabhängig von Fort- und Gleichschritten auf diesem Felde für jene elementaren Menschenrechte zu erheben.
Der einzelne in der Welt jenseits des Staates"* Von Rainer Wahl, Freiburg i. Br. I. Die rechtliche Struktur der Welt als ein Mehr-Ebenen-System Das Thema des einzelnen in der Welt faßt zwei große, die zwei großen Problemkreise des Staatsrechts und der Staatstheorie zusammen, nämlich einmal die (Menschen)Rechte des einzelnen und die rechtliche Struktur der Welt, in der er lebt. Die Grundrechte und die Verfassung der politischen Welt, beide im weitesten Sinne verstanden, sie gehören zusammen, so wie im Werk Ernst-Wolf gang Böckenfördes „Recht, Staat, Freiheit" und „Staat, Gesellschaft, Freiheit" zusammengehören 1. Es wird sich zeigen, daß die Stellung des einzelnen in der Welt jenseits des Staates nicht adäquat umschrieben werden kann, ohne daß die Stellung des einzelnen im Staat bedacht wird. Insofern kommt dann doch das Ganze der Welt und ihre Abbildung im Rechi: ins Blickfeld. 1. Nimmt man als erstes die Perspektive des Grundgesetzes, so ergibt sich: Das Grundgesetz hat auf deutschem Boden den Typus des Verfassungsstaats in bislang nicht erreichter Konsequenz und Geschlossenheit verwirklicht. Jahrzehntelang sind diese Verfassung und dieser Staat in einer binnenorientierten Sicht wahrgenommen worden. Dabei hat dasselbe Grundgesetz schon von Beginn an in Artikel 24 das Merkmal einer neuen * Vortrag auf dem Kolloquium zum 70. Geburtstag von Ernst-Wolfgang Böckenförde am 12.10.2000 in München. 1 So die Titel der Aufsatzsammlungen: E.-W. Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976; ders., Recht, Staat, Freiheit; ders., Staat, Nation, Europa, 1999.
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Epoche formuliert. Hat diese binnenorientierte Sicht nach 1949 als neue Schlüsselbegriffe die des Verfassungsstaates, des Sozialstaates und auch die des Umweltstaates entwickelt, so war daneben schon die Tür für den anderen wichtigen Leitbegriff geöffnet, für den des (kooperations-)q/jfewe« Staats2. Heute, da diese binnenorientierte Interpretation des Grundgesetzes in einem kritischen Sinne mehr und mehr als introvertierte Interpretation erscheint 3, ist die von Anfang an gewollte und überraschend schnell praktizierte Öffnung des Staates nach außen ein ebenso wichtiges Kennzeichnen des Grundgesetzes, ja die Chiffre für eine zweite Epoche seiner Geschichte4. 2. Die Differenzierung zwischen dem Europaartikel (Art. 23 GG) und der Kooperationsoption des Art. 24 GG in der heutigen Fassung des Grundgesetzes weist sogleich auf die zwei Ebenen hin, die jenseits des nationalen Staates bestehen. Zu unterscheiden ist zunächst die europäische Ebene als Integrationsgemeinschaft und supranationale Union, die ein föderales, aber kein staatliches Gebilde darstellt. Daneben und „darüber" gibt es (neben der traditionellen Koordination der Staaten im Völkerrecht) die rasch angewachsenen Formen der Kooperation der Staaten in Form von internationalen Organisationen. Als eigene Institutionen bilden jene eine qualitativ andere und 2 Die Sache des offenen Staates, nicht das Wort ist 1964 erfunden oder hervorgehoben worden in der Abhandlung von K. Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964. Neuere Arbeiten sind St. Hobe, Der offene Verfassungsstaat zwischen Souveränität und Interdependenz, 1998; ders., Der kooperationsoffene Verfassungsstaat, Der Staat Bd. 37 (1998), S. 521 ff.; zur Theorie, U. Di Fabio , Das Recht offener Staaten, Grundlinien einer Staats- und Rechtstheorie, 1998; ders., Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001. Weitere Nachweise zu verwandten Begriffen bei R. Wahl, Die Internationalisierung des Staates, FS Hollerbach, 2001, S. 193 ff., 194 Fn. 6-9. 3
]. A. Frowein, Kritische Bemerkungen zur Lage des deutschen Staatsrechts aus rechtsvergleichender Sicht, D Ö V 1998, S. 806 ff., 811. 4
Dazu R. Wahl, Die Zweite Phase des öffentlichen Rechts in Deutschland, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff., dort auch zur Introvertiertheit der ersten Phase.
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verdichtete Stufe des gemeinsamen Handelns; sie führen in mancher Hinsicht ein Eigenleben - bis hin zur eigenen Rechtssetzung5. Die Realität der heutigen Welt ist die eines Mehr-EbenenSystems. Ich benutzte diesen offenen, noch auszufüllenden Begriff 6 , weil er in der Zeit bis zu einem wirklich theoretischen Verständnis der Architektur der Welt eine wichtige Platzhalterfunktion hat. Er ist sowohl heuristisch wie auch systematisch fruchtbar, weil er den Blick auf das Ganze und die Verbundenheit der drei Ebenen lenkt. Damit entgeht das Denken von Anfang an der Gefahr, sich nur mit einer Internationalen Organisation oder der Europäischen Union allein und isoliert zu beschäftigen; statt dessen kommt die Verbindung zwischen den Ebenen und das aus den verschiedenen Ebenen bestehende Ganze ins Blickfeld. Dabei ist das in Europa geläufige DreiEbenen-System aus nationaler, (welt)regionaler und globaler Ebene weltweit gesehen die Ausnahme 7. Die E U in ihrer Besonderheit der wachsenden Verdichtung und des expliziten
5
Zu den Internationalen Organisationen mit eigener Rechtssetzung Hobe (FN 2), S. 294 ff.; zu den I O insgesamt vgl. Text und Nachweise bei Wahl, (FN 2), S. 201 Fn. 32 ff. 6 Der Begriff des Mehr-Ebenen-Systems wurde zunächst in der politikwissenschaftlichen Diskussion um Europa entwickelt, vgl. B. KohlerKoch (Hrsg.), Regieren im Mehr-Ebenen-System der EU, in: T. König/ E. Rieger/H. Schmitt (Hrsg.), Das europäische Mehr-Ebenen-System 1996, S. 203 ff. und M. Jachtenfuchs/B. Kohler-Koch, in: dies. (Hrsg.), Europäische Integration, 1996, S. 15 ff.; zur rechtswissenschaftlichen Verwendung M. Morlok, Grundfragen einer Verfassung auf europäischer Ebene, in: P. Häberle/M. Morlok/V. Skouris (Hrsg.), Staat und Verfassung in Europa, 2000, S. 73 (88), und jetzt ausführlich F. C. Mayer, Kompetenzüberschreitung und Letztentscheidung, 2000, S. 31-57. Der Grundgedanke dieses Ansatzes liegt auch dem von I. Pernice im öffentlichen Recht entwickelten Begriff des Verfassungsverbundes (angewendet auf das Verhältnis nationale Verfassung und Primärrecht der EU) zugrurde ist, dazu zuletzt mit zahlreichen Nachweisen Pernice , Europäisches und nationales Verfassungsrecht, W D S t R L 60 (2001), Einleitung und Abschnitt III, S. 149, 163 sowie P. M. Huber, ebd., S. 196, 199 m.w.N.
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Ausbaus des supranationalen Charakters ist singulär in der Welt; andere Gemeinschaften sind typologisch eher Freihandelszonen oder klassische Verteidigungsbündnisse. Demzufolge ist die Realität in der sonstigen Welt das Zwei-Ebenen-System. Aber auch im Weltmaßstab gesehen gilt: Die Welt der Staaten und die Welt jenseits der Staaten haben sich grundlegend geändert; die ehedem voll souveränen Staaten haben Bindungen in großer Zahl und in großer inhaltlicher Tragweite angenommen (wenn auch nicht zugunsten von Integrationsgemeinschaften). Alle sind offene Staaten geworden, wohl in unterschiedlicher Intensität, aber alle in einem Mindestmaß 8 . 3. Die dritte, die völkerrechtliche Ebene hat bekanntlich seit 1945 eine grundlegende Ausweitung der auf ihr handelnden Akteure und behandelten Sachprobleme erlebt 9 . Allein die 16 Sonderorganisationen der Vereinten Nationen mit Weltbank, Weltwährungsfonds und dazu die Welthandelsorganisation als eigene Organisation werfen ein Schlaglicht auf die Fülle der Spieler und der Themen sowie ihres Einflusses. Angesichts des großen Feldes ist eine Strukturierung notwendig. Derzeit ist diese dritte Ebene gekennzeichnet durch ein Nebeneinander (1) der traditionellen Koordination zwischen den Staaten, (2) der institutionellen Kooperation in Form der internationalen Orga7 Bei N A F T A oder Mercosur fehlen die dichteren Formen der Vergemeinschaftung sowie eine eigenständige Rechtssetzung; gegen beides sträuben sich die Mitgliedstaaten. Die USA sind trotz ihrer Mitgliedschaft in N A F T A ein ausgeprägter nationaler Staat, alle anderen wichtigen Regionen der Welt werden von Staaten, nicht von Mitgliedstaaten in supranationalen Gemeinschaften geprägt. Im Ergebnis ist die E U ohne Vergleich und ohne Nachfolger; dazu aus politikwissenschaftlicher Sicht R. Kaiser, Regionale Integration in Europa und Nordamerika, Vergleich von EG und N A F T A , 1998; U. Wehner, Der Mercosur. Rechtsfragen und Funktionsfähigkeit eines neuartigen Integrationsprojekts, 1999; ders., RIW 2000, S. 370 ff., (m.N.); vgl. auch die Aufsätze von ]. Samtleben zuletzt: Erster Schiedsspruch im Mercosur - wirtschaftliche Krise als rechtliche Herausforderung?: EuZW 2000, S. 77 ff. m.N.
8 Dazu Hobe (FN 2). S. 164 ff. und Wahl (FN 2), S. 194 f. 9 Dazu und zum folgenden näher Wahl (FN 2), S. 201 ff., 208 ff. mit einer näheren Ausarbeitung des Gedankengangs.
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nisationen 1 0 u n d (3) der neuesten E n t w i c k l u n g zur K o n s t i t u t i o nalisierung v o n Prinzipien, die als solche Bindungen für die Staaten b e w i r k e n 1 1 . Mit: der Tätigkeit einiger wichtiger Internationaler Organisationen ist zugleich eine bemerkenswerte Verrechtlichung der internationalen Beziehungen einher gegangen. Spektakulär ist insoweit die Veränderung des Welthandels gegenüber dem ursprünglichen G A T T - A b k o m m e n v o n 1947. Er hat durch die G r ü n d u n g der eigenen Organisation der W T O u n d durch Änderungen des G A T T - A b k o m m e n s i m Jahr 1995 einen „ Q u a n t e n s p r u n g 1 2 " an Verrechtlichung der internationalen Handelsbeziehungen gemacht. Außenhandelsbeziehungen, die früher reine Machtbeziehungen waren, sind w e i t h i n verrechtlicht w o r d e n u n d einem effektiven Streitbeilegungsmechanismus unterworfen w o r d e n 1 3 , der transatlantische Megastreit u m
10 2'um Unterschied von Law of Coordination and Law of Cooperation, W. Friedman, The Changing Nature of International Law, 1964 zitiert und kommentiert von St. Hobe, Die Zukunft des Völkerrechts im Zeitalter der Globalisierung: AVR, Bd. 37 (1999), S. 152 (258 f.). 11 Alle drei Elemente, Koordination, Kooperation und Konstitutionalisierung haben häufig und gegenwärtig immer mehr zu ihrem Inhalt es sei hier nur als Merkposten angeführt - den objektiv(rechtlich)en Schutz von Interessen der einzelnen - aggregiert auf der Ebene der gesamten Welt. 12 H. Hauser/ K.-U. Schanz, Das neue GATT: Die Welthandelsordnung nach Abschluß der Uruguay-Runde, 1995, S. 281. Die im Rahmen der Uruguay-Runde gefundenen Ausgestaltung des Streitbeilegungsmechanismus charakterisiert M. Hilf, Freiheit des Welthandels contra Umweltschutz?: N V w Z 2000, S. 481 (489), als „für das Völkerrecht einzigartige umfassende obligatorische Streitbeilegung"; nirgends sonst hätten sich Staaten zu einer so weitgehenden Rechtskontrolle bereitgefunden. A. Weber/F. Moos, Rechts Wirkungen von WTO-Streitbeilegungsmechanismen im Gemeinschaftsrecht, EuZW 1990, S. 229 ff., sprechen von einer weitgehenden Verrechtlichung des ursprünglich machtoricntierten Wclthandelssystems, jeweils m.w.N.; zur W T O P.-T. Stoll, Die WTO: Neue Welthandelsorganisation, neue Welthandelsordnung: ZaöRV 54 (1994), S. 242-339 und weitere Nachweise R. Wahl (FN 2) S. 204 Fn. 41 ff.
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die Bananen ist ein Beispiel d a f ü r 1 4 . I m Bereich der K o m m u n i kation, u m ein anderes Beispiel zu nennen, sind die stärksten Wandlungen des traditionellen Staatsbildes u n d des staatengestützten Völkerrechts zu erwarten, w e i l die Staaten die K o n trolle über Kommunikationsvorgänge i n ihrem L a n d zunehmend verlieren 1 5 . U n d für den U m w e l t s c h u t z hat sich ein recht enges N e t z v o n Vertragsvölkerrecht gebildet, das schon zur These v o n der umweltrechtlichen B i n d u n g der Souveränität geführt h a t 1 6 . 4. D i e jüngste E n t w i c k l u n g i m Völkerrecht ist die Konstitutionalisierung v o n Rechtsgrundsätzen u n d Prinzipien auf der Ebene des Völkerrechts. Dieser Prozeß der Konstitutionalisierung der Völkerrechtsordnung bedeutet die A n e r k e n n u n g v o n Interessen der Staatengemeinschaft u n d die E i n f ü h r u n g v o n Mechanismen zu ihrer D u r c h s e t z u n g 1 7 . Dies umfaßt vor allem
13 Treffend bemerkt Hobe (FN 2), S. 265, daß die GATT-Regeln im Ergebnis die Nichtgeltendmachung nationaler Hoheitsgewalt in den Bereichen vereinbarter Liberalisierungen fordern, vgl. auch S. 285, im Welthandel ist am stärksten das Bild des abgeschlossenen Territorialstaates verlassen worden. 14
Literatur bei Wahl (FN 2), S. 205: Die lange Geschichte des Streits ergibt sich aus einer Aufstellung der WTO, bei der jeder Fall 5-10 Zeilen Text erfordert, der Bananenstreit (WT/DS27) aber 2 Seiten, vgl. www.wto.org mit Link zu :overview of the State-of-play of W T O Disputes. 15 In der global vernetzten universellen Telekommunikationsgesellschaft verliert der Staat zunehmend an Bedeutung, dazu Ch. Engel, Das Internet und der Nationalstaat, in: Dicke/Hummer/Girsberger/BoeleWoelki/Engel/Frowein, Völkerrecht und Internationales Privatrecht in einem sich globalisierenden internationalen System - Auswirkungen der Entstaatlichung transnational Rechtsbeziehungen, 2000, S. 353 ff.; und Diskussion S. 449 ff.; Hobe (FN 10), S. 293. 16 So die treffende Systematisierung von K. Odendahl, Die Umweltpflichtigkeit der Souveränität, 1998., dort auch Uberblick über das Umweltvölkerrecht m.w.N.; U. Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: FS Bernhardt, 1995, 937 ff. sowie M. Haedrich, Internationaler Umweltschutz und Souveränitätsverzicht: Der Staat 39 (2000), S 547 ff.
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die Bindung der Staaten an übergeordnete Werte, aus der ihre Einbindung folgt 1 8 . Es geht um ius cogens, um internationales Ordnungsrecht und Ausbildung einer Staatenverantwortlichkeit erga omnes19. Beispiele sind die Abhängigmachung der diplomatischen Anerkennung von der Prüfung der Verfassungsgrundlagen, die Kontrolle der Einhaltung des Menschenrechtsschutzes oder „konstitutionalisierende Regelsysteme" für weltweite Aktivitäten im WTO-System oder im UN-Seerechtsübereinkommen 20 ; ein bedeutsamer Anwendungsfall sind auch die großen Umweltschutzabkommen, in denen materielle (Welt- bzw. Staatengemeinschafts-)Güter wie common heritage of mankind oder der Gedanke der shared environment formuliert und anerkannt werden 21 . Hinter diesen Begriffen verbirgt sich ein Zugang zum Völkerrecht, der zu Recht als public law approach 22 gekennzeichnet wurde, weil danach das Völkerrecht als eine objektive Rechtsordnung verstanden wird, die ein „internationales öffentliches Interesse" zur Geltung bringt, und zwar als materiell vorrangiges Gut gegenüber den Interessen der einzelnen Staa17 J. A. Frowein, Konstitutionalisierung des Völkerrechts, in: Dicke u.a. (FN 15), S. 446, These 1; ausführlich W. Hertel, Supranationalität als Verfassungsbegriff, 1990, S. 61 ff. 18 J. A. Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, in: FS Karl Doehring, 1989, S. 219 ff. Nachweise bei Frowein (FN 17), S. 427, F N 1; Ch. Tomuschat, Die internationale Gemeinschaft, AVR 33 (1995), S. 1 ff. 19
Zum ius cogens St. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1993 m. w. N.; J. A. Frowein, Die Verpflichtungen erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzung, in: FS Mosler, 1983, S. 241 ff.; ders. Art. „jus cogens", Encyclopedia of Public Law, vol. 3, 1997, S. 65 ff.; D. Schindler-, Die erga-omnes-Wirkung des humanitären Völkerrechts, in: FS Bernhardt, 1995, S. 199 ff. 20 Beispiele nach Frowein (FN 17), S. 446 und 429 ff. 21 Odendahl (FN 16), m.N. zu den einzelnen Abkommen; F. Biermann, „Common Concern of Humankind": The Emergence of a New Concept on International Environmental Law, AVR 34 (1996), S. 426 ff. 22 Ausdruck von Sir Robert Jennings zit. von Frowein (FN 17), S. 427 f. vgl. dazu auch P. Kunig, Völkerrecht als Öffentliches Recht Ein Glasperlenspiel, in: GS Grabitz, 1995, S. 325. 5 Wahl/Wicland
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ten 2 3 . Konsequenterweise erfährt dann auch das Staatengemeinschaftsinteresse verstärkte Aufmerksamkeit. Diese Entwicklung ist von höchstem theoretischem wie praktischem Interesse. Nicht übersehen werden darf dabei aber, daß bei der Formulierung von materiellen Normen und Werten (Stichwort: kommendes Weltinnenrecht 24 ) ein gewisser Höhenflug zu verzeichnen ist; im Völkerrecht kommt es aber von Anfang an auch auf die zur Verfügung stehenden Durchsetzungsinstrumentarien an 25 . Da sie auf internationaler Ebene rar und zuweilen auch prekär sind, richtet sich der Blick notwendigerweise wiederum auf die Staaten in ihrer unerläßlichen Funktion als Institutionen der Durchsetzung. Jedenfalls ist die Möglichkeit einer Abkoppelung des Völkerrechts im Horizont eines verselbständigten Staatengemeinschaftsinteresses von den staatlichen Strukturen nicht zu sehen 26 , sie sollte nicht vorschnell postuliert werden 27 . 23 Dazu auch Hobe (FN 10), S. 278. 24
Κ. Dicke, Erscheinungsformen und Wirkungen von Globalisierung in Struktur und Recht des internationalen Systems auf universaler und regionaler Ebene sowie gegenläufige Renationalisierungstendenzen, in: ders. u.a. (FN 15), S. 41, These 4 c: Idee des totus orbis, des Weltbürgerrechts, der Staatengemeinschaft, des Weltinnenrechts als geeignete Basis für eine Fortentwicklung des Völkerrechts. 25 Selbstverständlich gehen alle Völkerrechtler auf das Problem der Durchsetzung ein, manche erst recht spät und zu schwach gewichtet; zu Recht hervorgehoben von St. Oeter in Diskussion in Dicke u.a. (FN 15), S. 450 f. 26 Vorsichtig Frowein (FN 15), S. 446 LS 9: Die Vorstellung einer Abkoppelung der Völkerrechtsordnung von der staatlichen Struktur erscheint weder angemessen noch wünschenswert, zurückhaltend auch St. Oeter, (FN 15), S. 450 f., dagegen optimistischer Dicke, (FN 24), S. 41 LS 4 b. 27
Im völkerrechtlichen Bereich scheinen sich Entwicklungen zu wiederholen, die schon im Gemeinschaftsrecht zu beobachten waren: Man konzediert den völkervertragsrechtlichen Anfang der EG, danach wird aber die Vorstellung gepflegt, daß die europäische Ordnung mit Vorrang und allen Strukturelementen aus sich selber begründet ist, in sich ruht, also eine creatio ex nihilo gewesen. Ahnlich ist der Gedankengang bei Versuchen zur Abkoppelung des Völkerrechts vom staatlichen Recht.
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5. E>ie Strukturmerkmale der Ebene der Internationalen Organisationen sind: funktionale Dezentralisation, Fragmentierung, sachliche Spezialisierung, polyzentrischer Aufbau, Bildung spezieller Entscheidungsträger bei weitgehendem Fehlen von Querkoordination der spezialisierten Fachbereiche untereinander. An anderer Stelle 28 ist näher dargelegt, daß der Zentrale der Vereinten Nationen wirkungsvolle Mechanismen der Koordination nicht zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund gibt es in der Welt der Internationalen Organisationen, die zudem eine Welt der funktionalen Dezentralisation 29 ist, keine oder zumindest keine nennenswerte horizontale Koordination und damit auch keinen inhaltlichen Ausgleich zwischen verschiedenen Sachbereichen. Genau darin aber unterscheidet sich die dritte Ebene in folgenreicher Weise vom Staat, für den es seit seinem Entstehen typisch war und ist, daß die verschiedenen Teilpolitiken einem einheitlichen Steuerungsanspruch und -willen unterliegen, daß bei einer Interessenkollision der einen Teilpolitik etwas zugunsten einer anderen abverlangt wird und ihr Begrenzungen auferlegt werden. Auf der internationalen Ebene ist dagegen das Sektorale für sich ausdifferenziert und sozusagen entfesselt. Weit und breit ist auf der dritten Ebene kein Akteur und kein Koordinationsmedium sichtbar, die ein spezialisiertes und im puren fachlichen Horizont befangenes Handeln verhindern und statt dessen politische Prozesse der Abwägung zwischen den einzelnen funktionalen Sachbereichen 28
Zur Sektoralisierung einzelner Sachgebiete und zur Bildung spezieller Entscheidungsträger ausführlich Wahl (FN 2), S. 209 ff.; in der Beschreibung ähnlich Ch. Walter, Die Europäische Menschenrechtskonvention als Konstitutionalisierungsprozeß: ZaöRV 1999, S. 961 (970). Es entsteht ein sich verdichtendes Netz aus faktischen Zwängen und von Bindungen, das die Grenzen zwischen Verfassungsrecht und Völkerrecht reduziert. 29
Zur Entstehung und zu den Gründen für diese Entwicklung ausführlich K. Dicke, Effizienz und Effektivität internationaler Organisationen, 1994, S. 97 ff.; eindringlich zum Gegensatz zur davor liegenden Phase des Völkerbundes, dort auch S. 69 ff.; vgl. auch Hobe (FN 2), S. 391 ff. und den ausführlichen Uberblick über die Aufgabenfelder institutionalisierter internationaler Kooperation auf S. 183-293. 5*
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bewirken könnten 30 . Das Ausbleiben eines solchen echten politischen Handelns ist gleichbedeutend mit der starken Tendenz zur Technokratie. Ehe man sich, etwa vor dem Hintergrund der Großtheorie der Systemtheorie, mit der Erklärung zufrieden geben will, daß dies auch gar nicht anders möglich und deshalb hinzunehmen sei, sollte man sich der großen Folgeprobleme bewußt sein, die sich aus der - mangelnden - Abstimmung zwischen zwei Teilpolitiken, etwa dem Welthandel und dem Umweltschutz ergeben. Bei diesem Großthema der internationalen Diskussion und Praxis lassen sich zwar kleinere Fortschritte, aber keine grundlegende Änderung in bezug auf die defizitäre Berücksichtigung von Umweltbelangen im Welthandel feststellen 31. 6. Die Redeweise vom Mehr-Ebenen-System (ver)führt leicht zu dem Irrtum, daß es bei den drei Ebenen des nationalen, (welt)regionalen und weltweiten Raumes nur darum gehe, nach sachlich-funktionalen Kriterien die richtige Ebene der Aufgabenerfüllung zu finden. In diese Richtung geht es, wenn man von einem System der Aufgabenerfüllungsebenen, geordnet nach einem Subsidiaritätsprinzip, spricht 32 . Ein solcher Ansatz unterstellt bereits, was erst zu erforschen und zu begründen wäre, nämlich die Strukturgleichheit oder Strukturdivergenz der drei Ebenen. Auf dem Boden dieses oft unbewußt bleibenden Vorverständnisses erscheint es dann nur als eine Frage der Effizienz, auf welcher Ebene eine konkrete Aufgabe wahrge30 Vergleichbarer systematischer Ansatz für die europäische Ebene bei Ch. Walter, Die Folgen der Globalisierung für die europäische Verfassungsdiskussion, DVB1. 2000, S. 1 ff., der mangelnde Bündelung von sog. Verfassungsfunktionen auf der europäischen Ebene beschreibt und konstatiert, daß die Erwartungen nach politischer Einheit und Einheit von Verfassungsfunktionen auf der europäischen Ebene nicht zutreffen, so daß komplexere Lösungen erforderlich sind. 31 Dazu im einzelnen Wahl (FN 2), S. 212 ff. 32 Deutlich insoweit Hobe (FN 2), S. 390 ff. und die Überschrift: Die Stellung des offenen Verfassungsstaates im System der Aufgabenerfüllungsebenen, dort wird S. 391 das internationale System als Modell von Aufgabenerfüllungsebenen bezeichnet.
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nommen wird und welche Wanderungsbewegungen von unten nach oben als zweckmäßig erscheinen. Auf dem Boden dieser Prämisse ergibt sich dann auch die folgenreiche Wiederbolungsthese, daß sich auf der europäischen und der internationalen Ebene die Strukturen der ersten Ebene vollständig oder annähernd wiederholen würden. In diesem Denken werden die verfassungsrechtlichen Merkmale des Staates einfach nach oben verlängert; das Demokratieverständnis oder die prinzipielle Zuerkennung von subjektiven Rechten und die Klagbarkeit durch die einzelnen müssen dann auf den anderen Ebenen genau so vorhanden sein wie im staatlichen Bereich. Dabei ist die Vorfrage, ob es sich wirklich um Strukturgleichheit oder Strukturverschiedenheit handelt, das entscheidende Problem. In diesem Zusammenhang bewährt sich das Denken im Mehr-Ebenen-System, indem für diese Probleme jenseits des Staates nicht nur die Problemlage in der EU, sondern auch die auf der dritten, vom Staat viel weiter entfernten internationalen Ebene gleichberechtigt in die Überlegungen einbezogen werden 33 . Wenn sich nämlich für die E U die explizite Wiederholungs- oder Abbildthese für die demokratische Struktur immerhin mit beachtlichen Gründen und einer Anfangsplausibilität diskutieren läßt 3 4 , so ist eine solche für die dritte Ebene nicht gegeben. Es liegt völlig fern, daß die U N O und die Internationalen Organisationen in der gleichen Weise wie
33 Zum anderen bedarf das Konzept des Mehr-Ebcnen-Systems der Ergänzung und Verdeutlichung, daß sowohl die einzelnen Ebenen wie auch die Verhältnisse zwischen ihnen ihre bedeutsamen Eigenarten und Unterschiede haben und nicht allein mit der Abstraktion des Begriffs Ebenen erfaßt werden können. Unerläßlich sind deshalb theoretische Bemühungen, die z.B. die Besonderheiten der zwei Ebenen in Europa systematisch erfassen, wie A. v. Bogdandy y Supranationaler Föderalismus als Wirklichkeit und Idee einer neuen Herrschaftsform, 1999. 34 Dafür explizit G. Lübbe-Wolff, Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht, W D S t R L 60 (2001), Leitsätze 2-4, 6, die sich ausdrücklich gegen ein Absenken des Anspruchsniveaus an die Demokratie auf der EU-Ebene wendet. Ob sich diese These bei näherer Analyse bewährt, muß hier offenbleiben.
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die Staaten demokratisch verfaßt sein könnten. Statt dessen muß die Frage ernst genommen werden, ob Internationalität (und vielleicht auch Supranationalität) nicht zu wesentlich anderen Strukturen führen als Staatlichkeit. Plausibel ist auf der dritten Ebene die Ausgangshypothese von der unterschiedlichen und eigengearteten Struktur. Die Strukturelemente des Staates lassen sich auf der internationalen Ebene allenfalls in schwierigen Annäherungen vergleichbar konstruieren, grundsätzlich gilt die Nicht-Wiederholungsthese 35 . 7. Das Fehlen der strukturellen Homogenität und der Gleichgewichtigkeit der drei Ebenen zeigt sich, wie an anderer Stelle ausgeführt ist, in vielerlei Hinsicht 3 6 . Hier interessiert die Frage nach der Qualifikation der jeweiligen Ebene als politische Einheit im Sinne einer Angehörigengemeinschaft bzw. das Fehlen einer solchen Qualität. Nicht jede Ebene ist dazu geeignet, der Ort für politische Gemeinschaftsbildung zu sein oder in absehbarer Zeit werden zu können. Wenn auch viele Aufgaben nur noch im Weltmaßstab vorsorgend und gestaltend angegangen werden können, so heißt dies noch lange nicht, daß in demselben Weltmaßstab auch politische Prozesse, Zugehörigkeitsverhältnisse und Gemeinschaftsbildung einen Ort und die notwendigen Voraussetzungen hätten 37 . Über die Rolle des Staates in 35 Diese Frage nach Wiederholung auf der nächsten Ebene ist auch im Hinblick auf die Funktionen einer Verfassung zu stellen. Zu Recht diskutiert Walter (FN 30), S. 2, die Frage, ob die auf der staatlichen Ebene zu tage getretenen verfassungsrechtlichen Steuerungsdefizite durch Konstitutionalisierung der höheren Ebene wieder eingefangen werden können. Walter versteht die Bündelung der Verfassungsfunktionen als Kennzeichen des nationalen Verfassungsstaats, ebd. S. 6. 36 Wahl (FN 2), S. 218 ff. Unterschiede ergeben sich im Hinblick auf die Legitimationsgrundlagen, für den Kreis der Rechtssubjekte, die Art der Rechtserzeugung, die Mechanismen der Rechtsdurchsetzung und das Bestehen einer Gerichtsbarkeit. 37
Möglicherweise und vermutlich können diese weltumspannenden Aufgaben politisch-legitimatorisch nicht in einem direkten Zugriff und nicht in einem einzigen Ableitungszusammenhang zu den vielen einzelnen auf der ganzen Welt, sondern nur durch politisch komplex gestufte Ableitungszusammenhänge bearbeitet werden. Der Schluß von der weit-
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den epochalen Prozessen der Europäisierung und Internationalisierung erfährt man Wichtiges, wenn man den überkommenen Staat nicht nur mit der Zwischenebene der Europäischen Union, sondern mit der in sich differenzierten internationalen Ebene konfrontiert und vergleicht. Noch beträchtlich stärker als im Verhältnis zur E U und dem Verbund mit der E U zeigt sich im Verhältnis zwischen dem Staat und den internationalen Organisationen, daß der Staat das Standbein der Gesamtkonstellation ist, die internationalen Organisationen (und derzeit auch noch die EU) das Spielbein sind 38 . Der Staat ist die primäre Ebene der politischen Prozesse, der Gemeinschaftsbildung und der Gemeinschaftsbindung 39. Angehörige und zwar politisch berechtigte Mitglieder, nämlich „Bürger" i. S. der Zugehörigkeit zur Basisgemeinschaft und zum Subjekt aller ausgeübten Herrschaft gibt es derzeit nur im Staat 43 ; der Weltbürger ist bislang eine kulturelle oder zunehmend wirtschaftliche, aber noch keine politische Größe. Beim Strukturvergleich der drei Ebenen darf nicht nur auf ihre an der geographischen Ausdehnung ausgerichteten abstrakten Fähigkeit zur Aufgabenwahrnehmung abgestellt werden, sondern es muß ihrer konkreten Befähigung zur Aufgabenerledigung auf den Grund gegangen werden. Dies aber verlangt, daß nach den politischen und legitimatorischen Kraftquellen gefragt werden muß, die erst eine organisatorische Einheit zu einer politischen Einheit machen. Die Antwort darauf muß lauten, daß der Staat
weiten Reichweite einer Sachaufgabe zur weltweiten Organisierbarkeit und Demokratisierbarkeit der Weltbevölkerung in einer politischen Einheit greift zu kurz, unterschätzt die Komplexität der Organisationsaufgabe und des Legimationsproblems beträchtlich. 38 2'ur Charakterisierung des Verhältnisses zwischen Staat und E U durch dieses Bild Wahl (FN 4), S. 502 f. mit F N 28; auch ders. (FN 2), S. 218 ff., F N 38, so schon J. J. Hesse/R. Wahl/E. Wille, Staatswissenschaften : Von der Notwendigkeit disziplinübergreifenden Denkens, in: T. Ellwein/J.J. Hesse (Hrsg.); Staatswissenschaften: Vergessene Disziplin oder neue Herausforderung?, 1990, S. 309 (314). 39
Dazu näher Wahl (FN 2), S. 218 ff.
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Zur EU gleich unten im Text.
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die primäre und basale Integrationsebene ist 4 1 . Jedenfalls für den hier in erster Linie interessierenden Vergleich zwischen Staat und internationaler Ebene ist unabweisbar, daß es der Staat ist, der die Energien der Bürger(innen) und ihre Bedürfnisse nach Identifikation, Partizipation und Artikulation ihrer Interessen auf sich ziehen, sowie ihnen Raum zum gemeinsamen Handeln geben kann. Politische Einheiten sind (Angehörigen)Gemeinschaften. Deshalb können vorhandene Organisationen nur dann zu politischen Einheiten werden, wenn sie die grundlegenden Prozesse der Integration, der Ausbildung eines Angehörigenund Identitätsbewußtseins sowie eines Solidaritätsgefühls auslösen und organisieren können. Stellt man die Frage so, so ist der Staat und auch der nationale Staat derzeit und auf absehbare Zeit die primäre und elementare Einheit im Mehr-Ebenen-Aufbau und deshalb in mehrfacher Hinsicht die Basis des Gefüges. Wenn auch derzeit allein der Staat über die volle Energiequelle der Integration und Gemeinschaftsbildung verfügt, so ist nicht ausgeschlossen, sondern erscheint es möglich, daß sich auf der Zwischenebene der EU Vergleichbares oder Ersetzendes bildet 4 2 . Die EG ist in rebus politiciis eine Entwicklungsgemeinschaft, eine Größe, die zur Angehörigengemeinschaft werden kann, es aber derzeit noch nicht in einem vollständigen Sinne ist 4 3 . In der E U ist der Weg vom Markt-Bürger zum
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Dazu E.-W. Böckenförde y Die Zukunft politischer Autonomie. Demokratie und Staatlichkeit im Zeichen von Globalisierung, Europäisierung und Individualisierung, in: ders., Staat - Nation - Europa, 1999, S. 103 ff.: Böckenförde schließt aus der derzeit unersetzbaren Funktion der Staaten für Prozesse der Integration und Demokratie auf die Notwendigkeit des Erhalts der Nationalstaaten und auf Grenzen der europäischen Integration. Im Text wird die Bedeutung des Staates als Basis eines neuen Mehr-Ebenen-Systems betont, womit zugleich eine grundlegende Veränderung des traditionellen Nationalstaats verbunden wird. 42
E. Denninger, Vom Ende nationalstaatlicher Souveränität, JZ 2000, S. 1121 (1122) mit Zitat von J. Habermas, Die postnationale Konstellation, 1998, S. 91 ff., 155. 43 Uber das Tempo und die Länge des noch zurückzulegenden Weges ist hier nicht zu spekulieren. Die Potenz ist gegeben, aber die noch zu
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eigentlichen Bürger beschritten, er ist aber noch weit, setzt er doch neben normativen Regelungen die Ausbildung von Zusammengehörigkeitswillen und dessen kräftiges Wachstum voraus 44 . Für die hier interessierende internationale Ebene ist nicht sichtbar, daß dort jene politischen Basisprozesse und eine Gemeinschaftsbildung auch nur in Ansätzen vorhanden sind. Sie ist deshalb auf die komplizierteren Verhältnisse einer gestuften Legitimation und einer Kombination einzelner Legitimationsstränge angewiesen. Es ergibt sich: Die Internationalen Organisationen haben zwar eine hohe Bedeutung für die Wahrnehmung sektoralisierter Fachaufgaben. Direkte politische Prozesse von den einzelnen zu ihnen gibt es aber nicht. Die Internationalen Organisationen haben Staaten zu ihren Mitgliedern, nicht die Milliarden einzelnen in der Welt. „Zuständig" für die legitimatorischen Prozesse der Politik sind die Staaten, in Europa zusätzlich die Integrationsgemeinschaft der EG. Deshalb sind die Staaten nach wie vor die politische Basis und das politische Zentrum des gesamten Mehr-Ebenen-Systems. Die dargelegte These von der Basisfunktion des nationalen Staates dürfte außerhalb Europas und vor allem außerhalb Deutschlands auf breitere Zustimmung stoßen als innerhalb Deutschlands. Daß nationale Gefühle zu Übersteigerungen und zu katastrophalen Übersteigerungen neigen, ist eine Erfahrung, die das 20. Jh. sehr leidvoll gemacht und ins kollektive Bewußtsein gerückt hat. Allein deshalb ist aber die Kraft des Nationalen nicht verschwunden, nicht einmal ersetzbar geworden. Die Hoffnung der - nicht nur auf das nationale Prinzip setzenden Gegenwart ist, daß die Einbindung des Nationalen in suprabewältigenden Probleme sind nicht gering, die Entwicklung ist noch nicht selbstläufig oder selbsttragend, es ist noch - erfolgreiche - Politik notwendig. 44 Am Ende entscheiden nicht Konstruktionen und Theorien über Europa, sondern die Intensität des Willens der Menschen zu Europa und ihre Fähigkeit eine geteilte, besser gesagt: verdoppelte politische Identität auszubilden. Zum Paradox der geteilten Souveränität träfe dann das Paradox der verdoppelten Identität hinzu - beides gleichermaßen logisch unmöglich, wie kräftig lebensfähig.
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u n d internationale Strukturen zu einer praktisch gewandelten Konstellation führt, die das Nationale als Basis positiv benutzt u n d bejaht, w e i l es verbunden u n d insofern auch eingebunden ist i n die übergreifenden Zusammenhänge. W e n n aber innerhalb des Z w e i - oder Drei-Ebenen-Systems die Staaten als Basis unersetzbar sind, dann sind die großen vereinfachenden Prophezeiungen eines Abschieds v o m Staat 4 5 , auch des Abschieds v o m N a t i o n a l s t a a t 4 6 , recht vorschnell, w i e überhaupt i n diesem komplizierten Gesamtfeld u n d i n Zeiten starken W a n dels die N e i g u n g zu unterkomplexen Prophetien groß ist. A b e r ein paar Längen- oder Breitengrade außerhalb Deutschlands w i r d die Situation anders, weniger historisch belastet u n d deshalb vielleicht offener für die Realität gesehen. Änderungen des traditionellen Staates - dies ist zu betonen - sind i n k a u m zu
45 Ausführliche Zitate bei K.-P. Sommermann, Der entgrenzte Verfassungsstaat, in: D. Merten (Hrsg.), Der Staat am Ende des 20 Jh., 1998, S. 19 (22 ff.). Zur Diskussion der Problematik M. Albrow, Abschied vom Nationalstaat, 1998; Dicke (FN 24), S. 22-29; P. Saladin, Wozu noch Staaten, 1995; H. Dittgen, Grenzen im Zeitalter de Globalisierung. Überlegungen zur These vom Ende des Nationalstaats, ZPol 9 (1999), S. 3 ff.; H. Hofmann, Von der Staatssoziologie zu einer Soziologie der Verfassung, JZ 1999, S. 1065 ff. (mit den Stichworten, Zentralitätsverlust des Staatsbegriffs, europäischer Entstaatlichungsprozeß). Zur neueren politikwissenschaftlichen Diskussion vgl. den lesenswerten Literaturbericht von W. Luthardt, Perspektiven von Demokratie und Nationalstaat, ZfParl. 2000, S. 699 ff. m.w.N., M. Zürn, Jenseits der Staatlichkeit, Leviathan, 1992, S. 490 ff. - Neuestens dazu die gedankenreiche Abschiedsvorlesung von H. Steiger, Geht das Zeitalter des souveränen Staates zu Ende?, Der Staat 2002. 46
Denninger (FN 42) spricht ironisch von der Abschiedsliteratur, um dann einige Seiten weiter nicht nur die Souveränität, sondern auch den Nationalstaat zu verabschieden. Entschieden im Titel der Aufsatz von G. Nicolaysen, Der Nationalstaat klassischer Prägung hat sich überlebt, in: FS Everling, Bd. 2, 1995, S. 945 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., 1995, Rn. 113 spricht von Dämmerung des Nationalstaats. Insgesamt fällt in der Abschiedsliteratur eine Diskrepanz zwischen den aufsehenerregenden zugespitzten Thesen und den dann stark relativierenden weiteren Darlegungen auf.
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überschätzendem Umfang gegeben. Aber ein großer Wandel bedeutet noch lange nicht Ablösung des Staates oder Abschied von ihm. Die Kompliziertheit der Mehr-Ebenen-Konstellation verbietet es auch, die so sehr beliebten Kennzeichnungen im Stil des „Von"-„Zu" zu verwenden, wie etwa: vom Nationalstaat zum postnationalen Staat, vom souveränen Staat zum Mitgliedstaat usw. Statt der immanent darin enthaltenen Annahme, daß etwas Altes (endgültig) aufgehört habe, ist es häufig zutreffender von der Überformung des traditionellen Staates durch das Hinzutreten weiterer Ebenen zu sprechen. Zu kurz geschlossen und fragwürdig ist deshalb die häufig verwendete Formel von einem heute gegebenen „Post"-Zustand 47 . Auch Habermas' Diktum von der postnationalen Konstellation 48 oder Pernices Versuch eines postnationalen Verfassungsbegriffs 49 sind an dieser Stelle zu erwähnen. Dieses Konzept erhofft sich von dem „Post" sehr viel und zu viel an Ablösung und vielleicht auch an Erlösung vom Nationalen 50 . Auch insoweit ist es notwendig, das Denken in unseren europäischen Partnerstaaten zur Kenntnis zu nehmen und eine Staats- und Rechtsvergleichung vorzunehmen. 8. In der angestellten Betrachtung sind zwei Grundelemente herausgestellt worden: Der Staat der Gegenwart ist ein offener Staat und der geschlossene Nationalstaat der Vergangenheit ist 47
Vergleichbares gab es bei dem in den 60/70er Jahren gebräuchlichen Begriff des Spätkapitalismus, bei dem sich die in ihm implizierten Erwartungen nicht erfüllten. 48 J. Habermas, Die postnationale Konstellation und die Zukunft der Demokratie, in: ders. y Die postnationale Konstellation. Politische Essays, 1998, S. 91 ff. 4 9 Pernice (FN 6), Teil II, S. 149 (155 ff.). Problematisch ist dieser Versuch jedenfalls dann, wenn der „postnationale" Verfassungsbegriff Staat und Nation im klassischen Sinne „hinter sich" lassen soll, so ebd. Darin liegt zu viel Hoffnung im Sinne eines Von-Zu, statt daß in der Kategorie der (beträchtlichen) Uberformung gedacht wird, die das bisherige nicht hinter sich läßt, sondern auf ihm aufbaut. 50
Anzuraten ist eine Lektüre von Tocqueville : Das Alte Regime und die Revolution. Dort kann man, und sollte man lernen, wie viel altes noch vorhanden und überbaut wird, wenn eine große Änderung, hier sogar eine Revolution ins Land gegangen ist.
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grundlegend transformiert worden. In der Rückschau wird deutlich, wie geschlossen der Nationalstaat des 19. Jh. und der 1. Hälfte des 20. Jh. war. Zugleich ist der nationale Staat weder abgeschafft noch marginalisiert worden. Das Gesamtbild aber setzt sich aus den beiden erwähnten Grundelementen zusammen; jede Vereinzelung wäre zugleich eine schwerwiegende Vereinseitigung 51 . Gefordert ist deshalb ein - gewiß schwieriges - Verständnis, das zwei Elemente zusammen und zugleich sieht und beide anerkennt, nämlich die Realität eines beträchtlichen Wandels des Staates - eben zum offenen und verflochtenen Staat - und gleichzeitig eine bleibende Bedeutung dieses gewandelten, aber fortbestehenden - Staates. Das Zusammendenken von zwei zunächst gegenläufig erscheinenden Gedanken ist ebenso schwer wie andererseits das Prophezeien einliniger Entwicklungen dem Denken leicht fällt, es dadurch aber nicht richtiger oder realer wird. Gefordert ist beim Zusammendenken zweier Elemente, daß nicht das eine gegen das andere ausgespielt wird. In diesem Sinne: Der Gegenwart und der Zukunft gehört der offene, grundlegend gewandelte Staat, ohne daß dieser aufgehört hat, Staat zu sein. Und der Staat der Gegenwart ist ein Staat, der sich ständig immer weiter und intensiver international verflicht und - im Falle der europäischen Staaten - supranational einbindet. Der offene Staat ist die Basis, aber die Basis eines Mehr-Ebenen-Systems, in dessen Gesamtkonstellation der Staat nur ein Teil ist, aber natürlich weiter existent ist. Und ebenso: Der Nationalstaat hat sich grundsätzlich gewandelt, aber die Nation und das Nationalbewußtsein haben nicht aufgehört, in der Gesamtkonstellation des Mehr-Ebenen-Systems eine bedeutende, aber eben nicht mehr eine ausschließliche Rolle zu spielen. Da erfahrungsgemäß solche Doppelkennzeichnungen sehr kritikanfällig sind und gewöhnlich von zwei Seiten her kritisiert werden, sind unten (im abschließenden Teil III) einige Thesen zum Typ des offenen Staates angefügt.
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Die folgenden zwei Absätze schon in Wahl (FN 2), S. 221 f.
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II. Die Stellung des einzelnen im Mehr-Ebenen-System 1. Die Stellung des einzelnen im Völkerrecht und die Frage seiner Völkerrechtssubjektivität ist ein traditionelles Thema 52 . An ihm spiegelt sich in besonderer Weise die Entwicklung des Völkerrechts. Im klassischen Völkerrecht, das notwendigerweise in eins fällt mit dem klassischen Staatsrecht, waren auf der Ebene des Völkerrechts nur die Staaten als Rechtssubjekte anerkannt; deshalb war der einzelne durch seinen Staat durchgehend und vollständig mediatisiert, möglicherweise Gegenstand völkerrechtlichen Schutzes, insofern aber doch nur Nutznießer 53 . Die Zeiten des Völkerrechts als reines Koordinationsund vielleicht auch Kooperationsrecht sind spätestens seit der Mitte des 20. Jh. vorbei. Wie so oft hat sich aber nicht das genaue Gegenteil eingestellt, sondern die Aufwertung des einzelnen im Völkerrecht ist ein partieller und fragmentarischer Vorgang 54, manche sprechen davon, daß die Entwicklung auf dem halben Weg stehen geblieben sei 55 . Anerkannt sind die Menschenrechte des einzelnen, also eine Rechtsstellung in existentiellen Situationen. Einen bedeutsamen Schritt nach vorne hat im größeren Europa des Europarats das System der EMRK gebracht; die EMRK hat eine echte völkerrechtliche Berechtigung der Individuen und damit eine partielle Völkerrechtssubjektivität der Individuen begründet 56 . Weltweit
52 Vgl. K. Doehring, Völkerrecht, 1999, § 2 Rn. 245 ff.; Epping, in: K. Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 7; Κ Hailbronner, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 1997, S. 239 ff. 53 Die Figur des Reflexrechts, des Reflexes von Rechten, hat im Völkerrecht seinen größten Anwendungsbereich. 54 O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 6. Aufl. 1997, S. 198 mit deutlicher Charakterisierung und Zurückweisung der sog. Objekttheorie; Kimminich/ H ob e y Einführung in das Völkerrecht, 7. Aufl. 2000, S. 155 ff.; vgl. auch die generelle Bewertung von Hailbronner (FN 52), S. 239 F N 194. 55 Ο. Kimminich , Der internationale Schutz des einzelnen, AVR 15 (1972), S. 402 ff. 56 Epping, Die Außenwirtschaftsfreiheit, 1998, § 7 Rn. 9.
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gesehen beziehen sich die generellen Fortschritte durch den gewohnheitsrechtlichen Menschenrechtsstandard auf existentielle Minima, sie berühren die Stellung des einzelnen in Menschenrechtsfragen 57. Der einzelne ist insoweit unmittelbarer Inhaber völkerrechtlicher Rechte, als seine (eng verstandenen) Menschenrechte betroffen sind 58 . Für Flüchtlinge hat das Völkerrecht eine Rechtsstellung geschaffen, aber nicht die Völkerrechtssubjektivität anerkannt 59 . Ähnlich verhält es sich im Fremdenrecht, im Asylrecht und bei der Auslieferung. Die beiden Menschenrechtspakte 60 umfassen eine Reihe von Rechten der sog. ersten und zweiten Generation. In der alles entscheidenden Frage der Subjektstellung und Individualbeschwerde für den einzelnen verhalten sich die Pakte aber sehr zurückhaltend, es gibt Berichtssysteme und eine von den einschlägigen Staaten nicht anerkannte Individualbeschwerde. Insgesamt ergibt sich: Verbesserungen ja, Völkerrechtssubjektivität nein 61 . Entsprechendes gilt für die direkte Pflichtenstellung des einzelnen, die im Rahmen der internationalen Strafgerichtsbarkeit jüngst ausgeweitet worden ist 6 2 . Insgesamt gibt es beacht-
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Es ist heute anerkannt, daß das Völkerrecht den Staaten gebietet, auch ihre eignen Staatsangehörigen nach Maßgabe eines völkerrechtlichen humanitären Mindeststandards zu behandeln, dazu und zu den Folgerungen für die Rechtsstellung des einzelnen Doehring (FN 52), § 2 Rn. 248. 58 Doehring (FN 52), § 2 Rn. 250; Hobe (FN 2), S. 382 zusammenfassend und mit Rückverweisen. 59 Hailbronner (FN 52), S. 191, Rn. 16. 60
Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte BGBl. 1973 II, S. 1534 und Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, BGBl. 1973 II, S. 1570. Zum weiteren Text Hailbronner (FN 52) S. 243 f., Rn. 209 ff. Positive Bewertung dieser Pakte für das internationale Wirtschaftssystem R. Wolfrum, Das internationale Recht für den Austausch von Waren und Dienstleistungen, in: R. Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, Bes. Teil 2, 1996, S. 546 ff. (561). 61 Zu den Verbesserungen Hailbronner und S. 256, F N 263 ff.
(FN 52), S. 252, Rn. 249 ff.,
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liehe Weiterentwicklungen in speziellen Bereichen, nicht aber in der Breite der völkerrechtlichen Materien 63 . 2. Bleibt die aktuelle und erweiterte Fragestellung nach der Struktur der dritten Ebene in den Normal- und Alltagsfällen der Wirtschaftstätigkeit und des Reisens, also in den Handlungsfeldern, in denen sich die Internationalisierung und die Globalisierung tatsächlich abspielen. Ein Testfall ist die Stellung des einzelnen (Unternehmens) im System der W T O und in den Vertragssystemen der großen Umweltkonventionen. Die Welt der I O und die Welt des globalisierten Wirtschaftens und Reisens werfen andere Probleme auf als die, die beim Thema Völkerrechtssubjektivität anstehen. Die Repräsentanten von Microsoft und Daimler-Chrysler usw. werden nicht ausgewiesen, ihnen wird der Zutritt zum Lande nicht verweigert, sie werden nicht verfolgt. Dafür gibt es für die in der ganzen Welt handelnden Wirtschaftssubjekte zahlreiche, mit dem Welthandel selbst zusammenhängende Probleme. Dabei garantiert das internationale Wirtschaftsrecht als Recht der horizontalen Beziehungen unter Wirtschaftssubjekten diesen natürlich wichtige Rechtspositionen. Hier interessiert die sozusagen öffentlich-rechtliche, vertikale Dimension. Und dabei zeigt sich für das WTO-System, daß Individualrechte zur Durchsetzung des G A T T und seiner den einzelnen begünstigenden Prinzipien nicht existieren 64 .
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Zur internationalen Strafgerichtsbarkeit A. Zimmermann, Die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofes, ZaöRV 58 (1998), S. 47 ff. 63
Zur Asymmetrie zwischen vielfachem Handeln in der Welt, objektivrechtlicher Begründung von Recht zugunsten der einzelnen und fehlender Rechtssubjcktivität s. unten III. 1.1. 64 P.-T. Stoll, Freihandel und Verfassung. Einzclstaatliche Gewährleistung und die konstitutionelle Funktion der Welthandelsordnung (GATT/WTO), ZaöRV (1997), S. 83 ff., 136 f.: Eine solche Geltendmachung der WTO-Bestimmungen durch einzelne könnte bewirken, daß sich die einzelnen gegen den eigenen Staat richten und damit der einzelne zur Überwindung der innerstaatlichen Defizite beitragen könnte.
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Dabei muß festgehalten werden: in all diesen Bereichen geht es um materielle Interessen und Rechte der einzelnen, das Völkerrecht intendiert die Erfüllung der Interessen der einzelnen, es regelt für die einzelnen (Unternehmen); es regelt aber nicht durch Subjektivierung des einzelnen und der einzelnen Unternehmen auf seiner Ebene, auf der Ebene des Völkerrechts. Die Wege, auf denen die intendierte Ausrichtung des Völkerrechts auf die Menschen bei diesen ankommen, sind beträchtlich länger als im Staatsrecht, sie sind notwendigerweise vermittelt. Das Völkerrecht ist ein Recht der langen Wege. Aus guten Gründen ist das Völkerrecht weit davon entfernt ein Welt(innen)Recht sein zu wollen, das über 6 Milliarden Berechtigter und Inhaber subjektiver Rechte konstruiert ist. Indem sich das Völkerrecht (im weit dominierenden) Normalfall auf Staaten und Internationalen Organisationen als Rechtssubjekte stützt, kann es ein Recht der Abbreviatur sein, ein Recht der drastischen Reduzierung der Rechtssubjekte und der Aggregierung der realen Interessen von Millionen einzelner zu Gemeinschaftsgütern und Gemeinschaftswerten. Nur im Modus der Abbreviatur kann das Völkerrecht letztlich die Interessen und Probleme sehr vieler bzw. aller Menschen beachten und ein Recht sein, das für diese und im Interesse dieser unüberschaubaren Menge von Letzt-Betroffenen Regelungen trifft. Im Gesamtzusammenhang der drei Ebenen kommt den Staaten zugleich die Rolle von Treuhändern ihrer Angehörigen zu 6 5 . Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, befremdet es aber auch nicht, daß die einzelnen und die einzelnen Normalunternehmen nicht im WTO-System integriert und berechtigt sind. Parteien der maßgeblichen Streitbeilegungsverfahren sind die Staaten, nicht die einzelnen 66 . Im Rahmen der W T O mag 65
Völkerrecht ist ein Recht der Abbreviatur, weil man eine Völkerrechtsordnung über 6 Mrd. Inhabern von subjektiven Rechten und Klagbarkeiten sinnvoll nicht konstruieren kann. Das Völkerrecht muß die Zahl der berechtigten und verpflichteten Akteure drastisch reduzieren. 66
Statt aller S toll (FN 64), S 136 f.; zur Thematik neuerdings auch W. Meng, Verfahrensrechtliche Rechtsstellung der Individuen im Bezug auf
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es in nächster Zeit einige Auflockerungen der derzeitigen vollständigen Mediatisierung der einzelnen (Unternehmen) geben. Die starken Proteste der letzten Zeit in den Tagungsstädten der großen Konferenzen haben, weil sie die Abhängigkeit auch dieses sektoralen Spezialistensystems von intensiven Prozessen, die von unten ausgehen, erwiesen haben, eine gewisse Wirkung gezeigt. Bei den Repräsentanten der W T O und möglicherweise auch bei den nationalen Spezialisten der Welthandelspolitik ist die Einsicht gewachsen, daß das GATT/WTO-System nicht wirksam bleiben kann, wenn es an der generellen Akzeptanz der Bevölkerungen mangelt. Deshalb sind einige Modifikationen des bisher ausschließlich staatenzentrierten Systems vorstellbar. In vollem Gange ist dabei der Prozeß, die NichtRegierungsorganisationen ( N G O ) 6 7 und die großen Multioder Transnationalen Unternehmen (Multi-national oder Transnational Corporations) 68 als Beteiligte, Mitwirkende und Anhörungsberechtigte in die Verhandlungen der internationalen Organisationen einzubeziehen. Die völkerrechtliche Ebene und die großen Verhandlungsrunden der Internationalen Organisationen sind zu einem wirkungsvollen Betätigungsfeld der N G O geworden; dort werden sie weit mehr anerkannt und ernst genommen als im nationalen Rahmen 69 . Dies bewirkt
das WTO-Recht, in: FS Rudolf, 2001, S. 65 ff. sowie M. Hilf, Die Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung, Vortrag auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Völkerrecht (im Erscheinen). 67 Dazu zuletzt die umfangreiche Darstellung und erschließendes Zahlenmaterial bei W. Hummer, Internationale nichtstaatliche Organisationen im Zeitalter der Globalisierung, in: Dicke u.a. (FN 15), S. 45230; s. auch Hobe, Der Rechtsstatus der Nichtregierungsorganisationen nach gegenwärtigem Völkerrecht, AVR Bd. 37 (1999), S. 152 ff. mit Hinweis auf eine aktuelle Debatte in den V N . 68 Ausführlich R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, 1990, S. 218 ff.; Kimminich/Hobe (FN 54) 152 ff., Hobe (FN 10) S. 261 ff. Zu den Versuchen und Entwürfen für sog. Verhaltensmaßregeln der OECD und U N Hobe (FN 2), S. 261 mit F N 357 und 358; Schmidt, ebd., S. 219. 69
Daß sich W T O und W H O inzwischen sehr um die Kommunikation mit den NGOs bemühen, wird aus ihren Internet-Präsentationen 6 Wahl/Wicland
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keine Völkerrechtsfähigkeit, aber die Position als „bloße" Anhörungsberechtigung und Teilnahmebefugnis sollte als Element der indirekten Politisierung 70 nicht unterschätzt werden, schon deshalb nicht, weil die Internationalen Organisationen ein eigenes vitales Interesse daran haben, über die N G O eine Form vermittelter Interessenvertretung, vermittelter Repräsentanz von Gruppen und verbesserter Informationsbeschaffung sowohl für die Normsetzung als auch die Durchsetzung zu erhalten 7 1 . Schließlich ist auch ein Zugang zu den Streitbeilegungsverfahren (wenn auch wohl nicht als Partei) vorstellbar. Möglicherweise könnte die künftige Schaffung von Verhaltenskodizes (und Begründung besonderer Pflichten) Basis und Anknüpfung für eine partielle Völkerrechtsfähigkeit werden 72 . Dies alles kann und könnte zu einer Erweiterung der klassischen Ausgangssituation des Völkerrechts, nicht aber zu deren Aufhebung und auch noch nicht zu einem veritablen Paradigmenwechsel führen. Bedeutsam ist insofern auch, daß der von einigen Autoren befürwortete „Durchbruch" zugunsten der unmittelbaren Anwendung der WTO-Regeln im nationalen Recht nirgends auf der Welt bisher anerkannt worden ist 7 3 . Bilanzierend dürfte die überkommene Charakterisierung von der grundsätzlichen Mediatisierung des Individuums im internationalen Wirtschaftsrecht durch die Staaten weiterhin berechtigt sein 74 . Die Wege zu einem (im weitesten Sinne verstandenen) Individualbezug des Völkerrechts verlaufen in den einzelnen Sachbereichen des besonderen Völkerrechts unterschiedlich. Im deutlich. Die W T O gab mit Datum vom 22. Nov. 2000 eine Übersicht über ihre unter dem Titel: „External Transparency" angestellten Bemühungen um verstärkte Zusammenarbeit mit den NGOs heraus. 70 Wahl (FN 2), S. 215. 71
Zur Einbeziehung in die Normsetzung Hobe ( F N 10), S. 264. 72 Hobe (FN 2), S. 263. 73 Zur Figur der unmittelbaren Anwendung, die eine bedeutsame Technik der Verschränkung der Ebenen zugunsten des einzelnen darstellt, s. unten F N 89. 74 Hobe (FN 2), S. 259, mit nüchterner Zusammenfassung.
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Bereich des Umweltrechts kommt es zu einer Aufwertung der einzelnen und ihrer Belange primär nicht durch Zuerkennung von Rechtssubjektivität für den einzelnen, sondern ebenfalls durch Einräumung prozeduraler Befugnisse wie Beteiligungsund Informationsrechte 75 . Nicht zu unterschätzen sind auch Verbesserungen im allgemeinen Instrumentarium zur Durchsetzung von völkerrechtlichen Vertragsregelungen wie durch Inspektionssysteme und Compliance Control 7 6 . Zu einer Aufwertung der einzelnen kommt es auch auf indirekte Weise, nämlich durch einen zweistufigen Vorgang, der die Architektur und die Funktionsweise des Mehr-Ebenen-Systems produktiv verwendet. Auf der völkervertraglichen dritten Ebene werden materielle Regelungen im Interesse der einzelnen, zum Schutz der Umwelt der heute Lebenden und der künftigen Generationen gesetzt. Zugleich werden die Staaten in die Pflicht genommen, und ihre Leistungsfähigkeit wird dazu genutzt, diese Regelungen ins nationale Recht umzusetzen und durchzusetzen. Noch einen Schritt weiter entwickelt ist diese Verschränkung der Ebenen, wenn völkervertragliche Regelungen die Staaten verpflichten, ihren Bürgern subjektive Rechte und Klagebefugnisse einzuräumen. Diese „indirekte Individualisierung" vereint die spezifischen Leistungsfähigkeiten der
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Ch. Calliess, Ansätze zur Subjektivierung von Gemeinwohlbelangen im Völkerrecht - Das Beispiel des Umweltschutzes, ZUR, 2000, S. 246 ff. Subjektivrechtliche Verbürgungen im engeren Sinne finden sich nicht oder nur sehr ansatzweise (aus der EMRK läßt sich ein ökologisches Existenzminimum nur indirekt ableiten), die Erwartungen auf Entwicklung de lege ferenda richten sich auf ausgeweitete prozedurale Rechte auf Information, Beteiligung am Verwaltungsverfahren und Zugang zum Gericht. 76
Dazu ausführlich D. König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, 1990, insb. S. 29 ff., 37 ff., S. 204 ff. (Nutzung der Exekutivgewalt eines Staates bei der Durchsetzung von Völkerrecht im Gemeinschaftsinteresse); W. Lang, Compliance Control in Int. Environmental Law: Institutional Necessities, und T. Marauhn, Towards a Procedural Law of Compliance Control in Int. Environmental Law, beides in ZaöRV 56 (1996), S. 685 ff. und 696 ff. *
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völkerrechtlichen und der staatlichen Ebene; die Aarhus-Konvention über den Zugang der einzelnen zu Umweltinformationen und ähnliche Regelungen in der EU-Informationsrichtlinie 77 sind bemerkenswerte Beispiele für diesen ebenenübergreifenden, Völkerrecht und Staatsrecht verknüpfenden Gesamtansatz. 3. Wie schon erwähnt, wäre es eine Verkürzung, wenn man das Verhältnis zwischen den Staaten und den internationalen Organisationen nur als einen Anwendungsfall von funktionaler Arbeitsteilung betrachten würde. Gerade aus der Perspektive des einzelnen ist die chronisch unterschätzte und zu wenig thematisierte Frage nach dem Ort politischer Prozesse von besonderer Bedeutung, wobei als politisch hier die Urprozesse verstanden werden, die in einer Demokratie von den einzelnen zu den sie repräsentierenden Institutionen verlaufen. Insofern ist die mittlere Ebene der E U als einer Integrationsgemeinschaft der staatlichen Ebene und der staatlichen Demokratie offensichtlich sehr nahe und vergleichbar 78. Dagegen ist die hier interessierende dritte, internationale Ebene weit entfernt und anders strukturiert. Im Verhältnis von erster zu dritter Ebene treten die gravierenden Unterschiede deutlich zu Tage 79 , wie 77
Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, sog. Aarhus-Konvention (von Deutschland inzwischen ratifiziert), International Law Magazine 38 (1999), S. 517, im Internet unter www.unece.org/leginstr/cover/htm ; EG Richtlinie über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt vom 7. Juni 1990, ABl. Nr. L 158/56. 78
Mit dem Wahlrecht zum europäischen Parlament und der Unionsbürgerschaft liegt ein ausbaufähiger allgemeiner Status des einzelnen vor. Gleichwohl hat in der entscheidenden Frage, wo die Bürger im europäischen Raum das Gravitationszentrum politischer Identifikation finden, bislang der nationale Staat noch einen großen Vorsprung. Die E U ist in rebus politicis eine Entwicklungsgemeinschaft, vielleicht auch eine Schwellengemeinschaft. Der Weg vom Marktbürger zum eigentlichen Bürger ist schon beschritten. Aber er ist weit, setzt er doch neben normativen Regelungen die weiteren Wachstums bedürftige Ausbildung von Zusammengehörigkeitswillen voraus.
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gerade an dem hier interessierenden Thema der Stellung des einzelnen deutlich wird. Auf der dritten Ebene hat der einzelne - anders als in der E U - offensichtlich keinen politischen Status. Es sind auch keine Bestrebungen in die Richtung erkennbar, daß die einzelnen auf dieser dritten Ebene in irgendeiner Weise einen Angehörigkeits- oder Mitgliedsstatus in den internationalen Organisationen erhalten sollten. Forderungen nach demokratischer Mitbestimmung auf Weltebene werden nicht gestellt, sie haben derzeit auch keinen Anknüpfungspunkt. Es gibt nicht die politische Einheit, an die sich solche Forderungen oder Wünsche wenden könnten. Bei den einzelnen internationalen Organisationen kommt hinzu, daß sie von ihrem Selbstverständnis der funktionalen Dezentralisation keine politischen Organisationen sind 8 0 , dementsprechend können sich auch keine politischen Teilhaberwünsche an sie richten. Die Formen der funktionalen Selbstverwaltung oder die sog. Computerdemokratie (also die computer- oder internetgestützte Demokratie) sind aus unterschiedlichen Gründen ebenfalls nicht die Lösung: Willensbildung verlangt nicht nur die Abfrage von Meinungen, sondern die Verarbeitung unterschiedlicher Auffassungen zu einer Entscheidung. Statt dessen erscheinen Instrumente der Vermittlung und damit der Mediatisierung der einzelnen als notwendig, auch im politischen Bereich. Ist die dritte Ebene keine von einzelnen oder Angehörigen unmittelbar konstituierte politische Ebene, dann müssen die politisch-legitimatorischen Kräfte über die (sich in den internationalen Raum öffnenden) Staaten kommen. Dies entspricht der oben ausgeführten Funktion des Staates im Mehr-EbenenSystem: Er ist die politische Basis, die einzelnen als politische 79
Die deutsche Diskussion über die Rolle des Staates ist in einer auffälligen Weise einseitig, weil sie überwiegend die natürlich stark schwindende Rolle des nationalen Staates im Verhältnis zur E U hervorhebt, daraus dann aber in einer unzutreffenden Verallgemeinerung die Gesamtrolle des Staates als eine stark abnehmende bestimmt. 80 Zum Selbstverständnis der Weltbank Ch. Theobald, Die Weltbank: Good Governance und die Neue Institutionenökonomik, Verwaltungsarchiv 89 (1998), S. 467 ff. (477, 482 f. und 486 f.).
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Bürger können sich letztlich nur auf ihn beziehen. Basis zu sein, ist für den Staat kein Ruhekissen, sondern recht anspruchsvoll. Als offenem Staat ist ihm die schwierige Aufgabe gestellt, die Aktivitäten und Aufgaben im internationalen Bereich in die politischen Prozesse im Staat, insbesondere bei Wahlen mit einzubeziehen. Es wird für die politischen Parteien nicht leicht sein, die daraus entstehende Doppelaufgabe wahrzunehmen, die Doppelaufgabe nämlich, zum einen die im Innenraum des Staates relevanten politischen Prozesse zu organisieren und zum anderen Themen des internationalen Raumes angemessen und nicht nur marginal zu behandeln. Gleichzeitig kann ein solcher Staat einen beträchtlichen Teil seiner Legitimation aber auch daraus beziehen, daß er für seine Bürger im Feld der internationalen Organisationen tätig ist. Zustimmung und Legitimation erwirbt der Staat zu einem wachsenden Teil dadurch, daß er in Außenbeziehungen im Interesse der Bürger handelt auch dies ist eine Konsequenz des offenen Staates81. 4. Der einzelne ist auf der dritten Ebene nicht selbst Rechtsinhaber und nicht potentieller Klageberechtigter, aber seine Interessen und seine Rechte sind im internationalen Bereich vertreten und repräsentiert durch den Staat als Treuhänder seiner Rechte und zugleich als der ihm im staatsrechtlichen Grundverhältnis Verpflichtete. In diesem Sinne sind die einzelnen von den Aufgaben und Entscheidungen auf der dritten Ebene nicht ausgeschlossen. In ihrem Interesse werden Verträge geschlossen und internationale Rechtsvorschriften erlassen. Durch die Umsetzung der internationalen Verträge und seiner völkerrechtliche Pflichten ins nationale Recht wird der Staat zugleich seinen Pflichten gegenüber seinen Bürgern gerecht. Der Staat hat die wichtige Transformations- und 81
In der Staatstheorie noch zu verarbeiten ist das anschauliche Faktum, daß der Staat in der Welt natürlich regelmäßig nicht als neutrales und objektives Gesamtsubjekt, idealiter als Repräsentant der Weltgemeinschaft schlechthin auftritt, sondern (aus Sicht der Ebene der Welt) als partikularer Vertreter des Gemeinwohls seiner Bürger. Deshalb tritt er ganz offen parteiisch für die eigene Wirtschaft und für die Arbeitsplätze der eigenen Arbeitnehmer ein.
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Transferrolle 82 (meist mit Ausgestaltungsspielräumen), deren Bedeutung auch für das innerstaatliche Verhältnis zum einzelnen hervorgehoben zu werden verdient: Internationales Recht, auf dessen Entstehung der einzelne keinen Einfluß hat, das ihm keine subjektiven Rechte einräumt und das er auch nicht direkt angreifen konnte, wird in nationales Recht verwandelt, wo der einzelne die gesamte ausgebaute Stellung als Inhaber von Rechten und als Klagebefugter hat, wenn auch auf dieser Ebene die bindenden Regelungen der internationalen Ebene meist nicht mehr in Frage gestellt werden können 83 . Die einzelnen profitieren vom Recht in ihren Staaten und von den Rechten, die sie nach der nationalen Verfassung und den nationalen Gesetzen im (verfassungsrechtlichen) Grundverhältnis haben. Was die einzelnen im allgemeinen nicht können, ist, eine völkerrechtskonforme Gestaltung des nationalen Rechts auf unmittelbarem Wege zu erstreiten. Ehe man die mangelnde Klageberechtigung des einzelnen auf der völkerrechtlichen Ebene grundsätzlich beklagen möchte, gilt es zu bedenken und für die deutsche Rechtsordnung wieder zu entdecken: objektives Recht ist, auch wenn es für den einzelnen nicht direkt einklagbar ist, Recht und es ist in der Gesamtkonstellation von Völkerrecht und Staatsrecht als umgesetztes Recht wirkungsvolles Recht. Der Blick, der ursprünglich
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Grundsätzlich Saladin, (FN 45), S. 237: Staat als Mitte, Mittler, Vermittler und als pouvoir intermédiaire, bei Saladin bezogen auf die kulturellen Aufgaben. 83 Die „klassische" Figur, daß der Staat nationales Recht abweichend von völkerrechtlichen Verpflichtungen setzt und sich dadurch „nur" völkerrechtlich vertragsbrüchig macht, hat in Zeiten des praktizierten Mehr-Ebenen-Systems und der Angewiesenheit aller auf Fortsetzung der Kooperation ausgedient; die großen Internationalen Organisationen kann praktisch kein Staat mehr verlassen. Ein Konfliktfall ist es auch, wenn ein nationales Verfassungsgericht umgesetztes Recht für verfassungswidrig erklärt, was im Verhältnis zum Völkerrecht noch anders als beim EU-Recht grundsätzlich möglich ist. Es ist fraglich, ob nicht die Logik des zunehmenden Handelns im Mehr-Ebencn-System auch insoweit Modifikationen erzwingen wird.
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unmittelbar auf die Stellung des einzelnen jenseits des Staates gerichtet war, muß so in den innerstaatlichen Bereich zurückkehren, wo sich häufig das vom Völkerrecht Angestoßene konkretisiert und auswirkt. 5. Gefragt ist insoweit auch nach dem Beitrag der nationalen Verfassung und Gesetzgebung zur Absicherung der Stellung des einzelnen in der Welt. Gefragt ist ferner, ob der einzelne seinen Staat auf der nationalen Ebene dahin mobilisieren kann, daß dieser seine Interessen „draußen" vertritt. Die hier einschlägigen Positionen des einzelnen sind seine Grundrechte, angewandt auf sein Handeln außerhalb. Solche „nach außen" gewendete Grundrechte sind das Grundrecht der Freizügigkeit 8 4 , dann vor allem die Außenwirtschafts-, Außenhandelsfreiheit und generell die Außen-Handlungsfreiheit (Grundrechte, die ins allgemeine Staatsrecht stärker integriert werden müssen), sowie in einigen Aspekten das Eigentumsgrundrecht. Eine Reihe von Fragen drängen sich auf: Ist der Staat rechtlich verpflichtet, die Rechte seiner Bürger im internationalen Handel zu vertreten und deren Rechte als Handlungs- und als Handels- und Wirtschaftssubjekt in der gesamten Welt zu schützen? Ist der Staat zuvörderst verpflichtet, die Außenhandelsfreiheit seiner Bürger nicht (übermäßig) zu begrenzen? Dies ist eine Frage der Reichweite der Grundrechte in den verschiedenen Dimensionen. Neben den abwehrrechtlich zu beurteilenden Eingriffen in die Außenhandelsfreiheit durch staatliche Zollpolitik und nicht -tarifäre Beschränkungen ist hier besonders die Schutzdimension der Grundrechte in folgenreicher Weise nach außen gekehrt: Das alte Thema des diplomatischen Schutzes erweitert sich in eine ganz andere Dimension, nämlich auf das gesamte Handeln der Staatsbürger im Ausland. Hat deshalb der einzelne gegenüber dem Staat Schutzansprüche, wenn seine irgendwo in der Welt getätigten Investitionen
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Die Freizügigkeit muß aus der Verengung durch das Elfes-Urteil (BVerfGE 6, 32), befreit werden und in Art. 11 GG seine Grundlage finden, so zu Recht I. Pernice , in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 11, Rn. 15.
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vom dortigen Staat bedroht sind? Hat der einzelne, der im wesentlichen im Außenhandel und im Ausland tätig ist, Rechte gegen seinen Staat, daß dieser den Außenhandel nur in Ubereinstimmung mit den WTO-Regeln reguliert? Diese und weitere Fragen führen vor allem zu den hier nur 85 kurz zu behandelnden Fragen der Außenwirtscbaftsfreiheit . Sie ist grundsätzlich anerkannt und hat nach zutreffender Auffassung ihren Sitz in der Berufsfreiheit in Art. 12 G G 8 6 . Kraft dieses Grundrechts der Außenwirtschaftsfreiheit ist der Staat in allen seinen nach außen wirksamen wirtschaftsrelevanten Handlungen nicht mehr völlig frei, er kann Embargos, Zölle und sonstige wirtschaftliche Abschließungs- oder Kanalisierungsmaßnahmen nicht beliebig, sondern nur mit Rücksicht auf die Grundrechte der Bürger vornehmen (Grundrechte als Abwägungsposten). Er hat auch im Außenwirtschaftshandel gemäß der grundlegenden Funktion der Grundrechte die Darlegungslast. Natürlich kann der Staat gegenüber diesen Rechten der einzelnen öffentliche Belange ins Feld führen - das Außenwirtschaftsgesetz oder das vorrangige EG-Recht sind voll davon - aber dem Grundverhältnis und dem Grundsatz nach entspricht das Außenwirtschaftsrecht dem Modell der Grundrechtsausübung der einzelnen und der partiell bestehenden Einschränkungsbefugnis des Staates. Am Beispiel der Außenwirtschaftsfreiheit zeigt sich, daß der einzelne auf dem Boden der nationalen Verfassung eine Rechtsstellung hat, die grundsätzlich auch sein Handeln in der Welt jenseits des Staates erfaßt, wobei der Verpflichtete, der Staat, auf dieser Welt-Ebene natürlich nur ein Mitspieler unter vielen ist. Die Charakterisierung, daß der Staat die Basis des Mehr-Ebenen-Systems ist, bestätigt sich und hat für den einzelnen konkrete rechtliche, auch grundrechtliche Folgen. 85 Grundsätzlich Epping (FN 56), insb. S. 10-164, 189-236, S. 97: vom Verbot mit Ausnahmevorbehalt zur Kontrollerlaubnis; Stoll (FN 64), S. 83 ff., B.-O. Bryde, Außenwirtschaftsrecht, in: Schmidt (FN 60), S. 487 ff., 502 ff.; grundlegend BVerfGE 12, 281. 86 Insoweit ist das Außenwirtschaftsgesetz grundrechtlich abgestützt, wenn es auch darüber hinaus geht, vgl. Epping (FN 56) S. 385.
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6. Vergleicht man, wie es das Thema nahelegt, die nationale Außenwirtschaftsfreiheit oder die gesamte „Außenwirtschaftsverfassung" 87 aus der Perspektive der Welthandelsordnung oder - wie ebenfalls gesagt wird - der „Welthandelsverfassung", so zeigt sich, daß die objektiven Regeln des freien Welthandels auf der internationalen Ebene umfassender und liberaler gewährleistet sind als auf der nationalen Ebene 88 . Das kann nicht überraschen: Nationale Rechtsordnungen haben in ihrer binnenorientierten Tradition keinen Anlaß zur Gewährleistung gleicher und fairer Regeln für andere Staaten und ausländische Unternehmer gesehen. Deshalb fehlen solche ihrer Natur nach zwischenstaatlichen Regelungen und ihre positiven Wirkungen für die Außenhandel treibenden einzelnen (Unternehmen) in den nationalen Verfassungen und deshalb sind sie, und zwar ganz prominent, im EGV vorhanden. Kein Wunder, daß nach Wegen gesucht wird, die WTO-Regeln in der Gerichtsbarkeit vor den nationalen Gerichten unmittelbar zur Geltung bringen zu können. Wenn dies gelänge, würde die oben beschriebene Basis des einzelnen auf der ersten Ebene verbreitert und verstärkt. Die Problematik der unmittelbaren Anwendung ist zu Recht eines der umstrittensten Themen des internationalen Wirtschaftsrechts und der Wirkungsweisen von Völkerrecht 89 ; es hat seinen derzeitigen Hauptanwendungsfall im Verhältnis der WTO-Regeln zur EU. Der Hintergrund ist, wie könnte es anders sein, der Bananen-Fall, der hier nicht zu behandeln ist 9 0 . Die Figur der unmittelbaren Anwendung ist von strategischer Bedeutung für die Absicht, die Stellung des einzelnen 87
So die Bezeichnung in der Literatur, S toll (FN 64), S. 123 m.w.N.
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Zu den „nationalen Außenwirtschaftsverfassungen" Stoll ( F N 64), S. 123 ff., auch S. 90 (Defizit der konstitutionellen Gewährleistung der Freiheit des Handels in einzelstaatlicher Perspektive), S. 113 (der „protectionist bias" der Außenhandelspolitik). 89 Epping (FN 56), S. 615, 621 ff.; W. Meng, Gedanken zur unmittelbaren Anwendung von WTO-Recht in der EG, FS Bernhardt, 1995, S. 1063 ff.; Stoll (FN 64), S. 138 ff., Hobe (FN 2), S. 259 f. 90 D a z u oben F N 14.
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aufzuwerten und ihm Abwehrmöglichkeiten gegen den nationalen Staat und seine aus innenpolitischen Gründen vorgenommenen protektionistischen Maßnahmen zu verschaffen. Das Rechtsinstitut der unmittelbaren Anwendung von Völkerrecht im nationalen Recht ist, wenn es anerkannt wäre (und in Zukunft vielleicht schrittweise anerkannt wird), eine höchst wirkungsvolle und folgenreiche Technik der Verschränkung der Ebenen zugunsten des einzelnen. Im Ergebnis lehnt der EuGH auch in der neuesten Entscheidung 92 die unmittelbare Wirkung ab - im Kern wohl mit der typischen völkerrechtlichen Begründung, daß die Gegenseitigkeit nicht verbürgt sei, mit einem Argument also, das im generell durchsetzungsgefährdeten Völkerrecht große Relevanz hat. 7. Im Konflikt zwischen den in der W T O formulierten Regeln des freien Welthandels und dem protektionistischen Verhalten der E U bzw. einzelner Staaten verbirgt sich ein zentrales Problem des Verhältnisses zwischen dem wirtschaftlichen und politischen System im Drei-Ehenen-Gefüge. Die E U (oder einzelne Staaten) haben auf der internationalen Ebene Pflichten zugunsten eines freien Welthandels übernommen, konterkarieren diese aber immer wieder mit Rücksicht auf den innenpolitischen Druck von Interessen- bzw. Wählergruppen durch europäische bzw. nationale Maßnahmen 93 . Es kann nicht überraschen, daß aus der Sicht des Welthandels(rechts) und der Wirtschaftstheorie die Rücksichtnahme auf solchen innenpoliti91
Stoll (FN 64), S. 143, spricht von konstitutioneller Verschränkung zwischen Welthandelsverfassung und nationaler Außenhandelsverfassung gerade durch eine unmittelbare Anwendbarkeit; s. auch ebd. S. 124 f., 142. 92 EuGH, Urt. v. 23.11. 1999, EuZW 2000, S. 276 ff. = EuR 2000, S. 62 ff.; dazu M. Hilf/F. Schorkopf W T O und EG: Rechtskonflikte vor den EuGH, EuR 2000, S. 72 ff.; Βerrisch/Kamann, WTO-Recht im Gemeinschaftsrecht: EWS 2000, S. 89 ff.; /. Neugärtner/S. Puth, Die Wirkung der WTO-Übereinkommen im Gemeinschaftsrecht - EuGH, EuZW 2000, S. 276 ff. 93
Dazu statt vieler Stoll (FN 64), S. 113: der „protectionist bias" der Außenhandelspolitik.
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sehen Druck nicht nur als rechtswidrig, sondern vor allem als inhaltlich verfehlt angesehen wird, weil Wachstumsmöglichkeiten verschenkt werden. Anschaulich schildert Werner Meng 94 diesen Konflikt aus dieser Sicht: „Denn der Vorrang von kurzfristigen Interessen vor langfristiger Rationalität ist ein Preis, den parlamentarische Demokratien scheinbar unausweichlich immer wieder zahlen müssen. Verfassungsrechtliche wie völkerrechtliche Bindungen können hier stabilisierend wirken. Dennoch ist das gegenwärtige Völkerrecht noch weit davon entfernt, hier einen verläßlichen Mast zu bieten, an dem sich Odysseus bei der Vorbeifahrt an der Insel der Sirenen anbinden kann. Die Zeit sollte jedoch für eine Konsolidierung eines solchen Mastes arbeiten". Hier ist die Absicht und geradezu Sehnsucht deutlich, daß gegenüber der für unzuverlässig gehaltenen, von politischen Auffassungen hin und her wogenden parlamentarischen Demokratie ein fester Halt geboten werden soll. Die innenpolitischen Prozesse gelten als Sirenengesänge, die die schwankenden Wirtschaftspolitiker verführen. Nur der feste Odysseus, dem das Völkerrecht durch bindende Seile Hilfe gibt, kann sich behaupten und an den verführerischen politischen Prozessen vorbei das ökonomisch Richtige tun 9 5 . 94
W. Meng, Wirtschaftssanktionen und staatliche Jurisdiktion - Grauzonen im Völkerrecht, ZaöRV 57 (1997), S. 269 ff. (324); oben F N 89. 95 Meng (FN 89) S. 319: Das Völkerrecht kann und sollte geradezu eine Barriere gegen innenpolitisch motiviertes Vorteilsstreben zu Lasten von Außenpositionen eines Staates sein. Grundsätzlich zur Theorie des Welthandelsrechts und zu den prinzipiellen Annahmen J. Tumlir, Economic Policy as a Constitutional Problem, London 1984 (und spätere Arbeiten); programmatisch auch E.-U. Petersmann in mehreren Arbeiten z.B. ders., National Constitutions and International Economic Law, in: M. Hilf/ders., (Hrsg.), National Constitutions and International Economic Law, Deventer/Boston 1993, S. 3 ff.; ders., Rights and Duties of States and Rights and Duties of Their Citizens - Towards the „Constitionalization" of the Bretton-Woods-System Fifty Years after its Foundation, in: FS Bernhardt, 1995, S. 1087 ff.; M. Nettesheim, Von der Verhandlungsdiplomatie zur internationalen Verfassungsordnung: Jahrbuch Für Neue Politische Ökonomie, 2001, S. 48 ff. (darin Teil S. 56 ff.: A n
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Ohne daß das hier im einzelnen dargelegt werden könnte: So einfach ist das Verhältnis zwischen Ökonomie und politischen Prozessen nicht, schon gar nicht läßt sich ein ausnahmsloser und grundsätzlicherer Vorrang ökonomischer Rationalität gegenüber den grundsätzlich irrationalen Wünschen von Politikern oder Bürgern akzeptieren. Die Welt ist schwieriger und der einzelne verhält sich nicht, wie es das Konstrukt des homo oeconomicus erwarten lassen würde. In der Demokratie ist die Berücksichtigung der Interessen von Bauern oder Werftarbeitern nicht per se irrational und verwerflich. Eine solche Politik kann falsch sein und sie ist es wahrscheinlich öfters auch. Aber das Leben in einer demokratischen Gemeinschaft ist mehr und anderes als ein Handeln allein nach den Imperativen der reduziert angesetzten ökonomischen Rationalität. Das Bild von Meng wird den Eigenarten und der Notwendigkeit politischen Handelns nicht gerecht. Im Handlungssystem der W T O gibt es keine von unten her legitimierte und gegenüber den Menschen zu verantwortende Politik. Deshalb kann im ökonomischen Fachbereich wirtschaftlich „rein" und ohne Rücksicht auf manifeste Wünsche einzelner Gruppen oder der Wähler entschieden werden. Im Modell und im gesamten Denken bleibt aber ausgeklammert und ungelöst, wie aus dem Gesamtsystem die „störenden" Wünsche der Bürger der einzelnen Staaten verschwinden könnten, wie überhaupt die Politik (als Ausgleich und Kompromiß zwischen verschiedenen Sachbereichen) aufhören könnte. Insoweit erweist sich der Ansatz als technokratisches Modell. Die primär oder allein in den Blick genommenen Belange des Welthandels werden mit den Erfordernissen der Politik und mit den entgegenstehenden Belangen anderer Sachbereiche nicht balanciert, und das System ist schon im Ansatz nicht auf einen Ausgleich angelegt. Solange die Internationalen Organisationen wie die W T O die demokratisch verantwortete Politik und die vielfältigen Erwartungen der einzelnen im WTO-System nicht erfassen und auffangen können, dürfen die Staaten, die mit diesen Erwartungen zu Recht konfrontiert der Schwelle zum Konstitutionalismus); P. Behrens, Weltwirtschaftsverfassung ebenda, S. 5 ff.
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sind, nicht beiseite geschoben oder vorschnell in ihrer Bedeutung minimiert werden. Schließlich wird von ihnen auch erwartet, daß sie einen beträchtlichen Anteil an der Legitimation des WTO-Systems und anderer Internationalen Organisationen leisten 96 . Die „Sirenengesänge" oder - nennen wir sie doch, was sie sind - die sich in der Politik äußernden Wünsche und Forderungen der einzelnen von unten sind eine Realität, sie gehören zur Grundausstattung der Menschen in der Welt, und deshalb ist auch die Politik eine Realität mitsamt ihren Prozessen des Ausgleichs und damit der suboptimalen 97 Verwirklichung der einzelnen fachlichen Belange. Die Antworten auf die Prozesse der Globalisierung und Internationalisierung sind nicht einfache Lösungen, wir werden mit komplizierten Mehr-EbenenSystemen und Kompromissen zwischen den Sachbereichen leben müssen. In ihnen hat die Politik auf der staatliche Ebene (bzw. auf der EG-Ebene) einen entscheidenden Platz und die Staaten als die Repräsentanten dieser die einzelnen berechtigenden und verpflichtenden Politik nehmen eine gewichtige, aber natürlich nicht ausschließliche oder absorbierende Rolle ein. Die Vision der Befreiung eines Belangs, des freien Welthandels, von der Gesamtheit der im politischen Prozeß zu verwirklichenden Belange ist eine technokratische Utopie 9 8 .
96 Wiederum wird die Fruchtbarkeit und Notwendigkeit des Denkens im Mehr-Ebenen-System deutlich: Die internationalen Organisationen können Legitimation., Akzeptanz nicht allein aus sich (ausreichend) leisten: Sie sind auf Leistungen der Staaten (der EU) angewiesen. Die Internationalen Organisationen sind nicht einfach auf der höchsten Ebene angesiedelt und dort selbstgenügsam, aus sich allein legitimiert, sondern sie sind im Drei-Ebenen-System von Leistungen der anderen Ebenen abhängig, so wie umgekehrt diese auch. 97
„Suboptimal" aus der Sicht allein der wirtschaftlichen Belange gesehen. 98 Das Thema Welthandelsordnung oder Welthandelsverfassung, das hier nicht ausreichend behandelt werden konnte, ist für das Verfassungsrecht erst noch zu entdecken und bedarf dort dringend der Bearbeitung.
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III. Der einzelne in der Gesamtkonstellation aus Staat, Europäischer Union und internationaler Ebene Für die weiterführenden Fragen nach der Gesamtkonstellation aus Staat, Europäischer Union und internationaler Ebene bzw. nach der Gesamtkonstellation der insoweit einschlägigen Rechtsgebiete soll es aus Raumgründen abschließend bei einigen - kommentierten - Thesen bleiben. 1. Zunächst zur Gesamtkonstellation und zum Komplementärverhältnis von Völkerrecht und Staatsrecht. (1) Das Staatsrecht, (das Europarecht) und das Völkerrecht sind komplementäre, einander ergänzende Rechtsgebiete; in ihrer Gesamtkonstellation bilden sie das Recht in der W e l t " . Den beträchtlichen Wandlungen des Staates und des Staatsrechts entsprechen ähnlich bedeutsame Wandlungen auf der internationalen Ebene und damit des Völkerrechts. So wie zum geschlossenen (National-)Staat die regelungsschwache internationale Ordnung der primär bindungsfrei gedachten souveränen Staaten gehörte, so gehört zum offenen, in vieler Hinsicht permeablen Staat eine dichtere Verflechtung und höhere Institutionalisierung der internationalen Ebene und eine neue Epoche des Völkerrechts, nämlich die des sich pluralisierenden Völkerrechts 100 , das in einer dauerhaften Wechselbeziehung zum Staatsrecht steht.
99 Die politische Welt und einzelne Sachbereiche wie Wirtschaft oder Umwelt sind deshalb rechtlich zunehmend durch die sich ergänzenden Regelungen zweier Rechtsgebiete geordnet (in Europa sind es drei Ebenen und drei sich durchdringende Rechtsordnungen). So lassen sich z.B. Umwelt-, Informations- oder Lebensmittelrecht nicht mehr als abgeschlossene autonome nationale Rechtsgcbiete verstehen, sondern das nationale Recht ist Teil einer Gesamtkonstellation, die man als zwei oder dreischichtigen Rechtsverbund oder als eine dreistufige Pyramide verstehen kann. Die Bilder sollen andeuten, daß die sektoralen Rechtsgebiete eine vertikale Verflechtung haben, so daß wichtige Einflüsse zunehmend in der Vertikalen verlaufen (mit allen Folgen für die Möglichkeit horizontaler Abstimmung). 100
s. dazu unter 3.
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Das dargelegte Ergänzungsverhältnis ist keineswegs neu; es hat auch in der vorhergegangenen Epoche der souveränen Staaten und des staatenzentrierten Völkerrechts bestanden. Das klassische staatenzentrierte Völkerrecht war ein exakter Spiegel der Welt der Staaten seiner Zeit, es war das sehr begrenzte Recht einer weithin hobbesianisch strukturierten Staatengemeinschaft". Wenn das heutige Völkerrecht große und geradezu spektakuläre Fortschritte gegenüber dieser Epoche gemacht, dann sind diese gewiß nicht nur autonome Verbesserungen im Völkerrecht, sondern die Kehrseite der Öffnung der Staaten und ihrer Rechtsordnungen, die ihrerseits Reaktionen auf die Entgrenzung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensverhältnisse sind. Der Raum jenseits der Staaten hat dadurch eine ganz andere Bedeutsamkeit erlangt. Er ist durch ein Geflecht von Verträgen und die Bildung internationaler Organisationen belebt worden. Gestärkt wurde dadurch der Koordinationscharakter des Völkerrechts, hinzugekommen sind kräftige Elemente einer Kooperationsordnung und Schritte in Richtung einer Konstitutionalisierung ermöglicht 101 . (2) Infolge der wechselseitigen Verschränkung der Ebenen, die die gegenwärtige Epoche charakterisiert, hat die klassische Differenz von Innen und Außen (von souveränem Staat und völkerrechtsvertraglichen Bindungen) ihre systemleitende und -prägende Bedeutung verloren. Real und normativ hat die Grenze ihre systembestimmende Funktion in vielerlei Hinsicht verloren. Das gleiche gilt für die mit dieser Innen-Außen-Differenz untrennbar verbundenen Begriffe wie Impermeabilität und Souveränität 102 . Der früher charakteristische schützende Mantel der Souveränität 103 bzw. der Souveränitätspanzer des Staates ist durchlöchert und beträchtlich relativiert, ohne vollständig abgeschafft zu sein. Deshalb ist die neue Situation komplexer, so daß eine der Gegenwart angemessene, Staats- und
Dazu unten (11). 102
Dazu schon oben Denninger (FN 42) und Steiger (FN 45). Ch. Tomuschaty in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (BK), Art. 24, Rn. 10 ff. (Zweitbearbeitung 1981). 103
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Völkerrecht umfassende Theorie Antworten jenseits der alten klaren Abgrenzungen und Begriffe geben muß. Das Denken in mehreren Schichten der politischen Ordnung und der Rechtsordnung und das damit verbundene Konzept der Verschränkung und Verflechtung zwischen zwei bzw. drei Ebenen sind Ansätze für das Begreifen dieser komplexeren Gesamtkonstellation. Der Rechtsverbund ist ein Kennzeichen der Rechtsordnungen insgesamt und von vielen sektoralen Teilrechtsordnungen. Bei dem am weitesten internationalisiertesten Rechtsgebieten ist es evident, daß „das Recht" der Informationsordnung, der Lebensmittelsicherheit oder des Umweltschutzes ein Rechtsverbund aus zwei oder drei Ebenen ist 1 0 4 . Dabei erschöpfen sich die Beziehungen zwischen den einzelnen Ebenen nicht in einmaligen oder anfänglichen Ableitungsbeziehungen, sondern die Ebenen bleiben über die Prozesse der Interpretation sowie der Abänderung der Regelungen dauerhaft miteinander in Verbindung. (3) Für die neue Epoche ist ein Grundverständnis der wechselseitigen Abhängigkeit und Komplementarität charakteristisch 105 . Völkerrecht und Staatsrecht wirken immer häufiger arbeitsteilig zusammen, wenn es um die Problembewältigung und -Steuerung durch Recht geht; keines der beiden Gebiete kann das Regelungsbedürftige für sich allein setzen. Auch in einer anderen Perspektive läßt sich von einer Wechselbezüglichkeit reden 106 . Zum einen findet ein „verfassungsrechtlicher" 104
Dazu jetzt ausführlich Ch. Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, 2001, S. 288 ff., 349 ff. und 424 ff., der als ausgewählte Sachgebiete der Internationalisierung gerade das Gesundheits-, das Umwelt- und das Kommunikations- und Transportverwaltungsrecht behandelt. 105 Bei diesem Komplementaritätsdcnken gehören auch die beiden Formeln von der staatlichen Bedingtheit der internationalen Ordnung und von der übernationalen Bedingtheit des Staates (W. v. Simson) zusammen. 106 Ausdrücklich spricht Hobe (FN 2), S. 422 von der „Wechselbezüglichkeit der internationalen Uberformung des verfassungsstaatlichen Binnenprofils und der verfassungsstaatlichen Vorgaben für die Ausfor7 Wahl/Wieland
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Export aus der Ebene der staatlichen Verfassungen in die Welt der supra- und internationalen Ebene hinein statt. Für internationale Organisationen wird die Analogie zu Art. 23 G G 1 0 7 besonders im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit und die Ausbildung von Streitbeilegungsmechanismen diskutiert. Darin wird die wichtige Rolle des Staates als Transformator von innen nach außen und als Gewährleistender eines verfassungsstaatlichen Mindeststandes, der innen verwirklicht ist, auch auf der internationalen Ebene „draußen", deutlich. Andererseits steht der offene und vertikal verflochtene Staat auch und gerade im Kern seiner Fundamentalnormen unter völkerrechtlichen Vorgaben. Die Prinzipien des Verfassungsstaates sind auf die völkerrechtliche Ebene gewandert - dies ist ein Fortschritt und eine begrüßenswerte Entwicklung. Dies hat aber auch zur Folge, daß vom Völkerrecht (und vom Europarecht) her Bindungen und rechtliche Vorgaben bestehen, die für denjenigen Staat Wirksamkeit entfalten, der sich von diesen Prinzipien entfernen will (Art. 6 und Art. 7 E U V ) 1 0 8 . Aber auch auf der rein völkerrechtlichen Ebene des Europarats gilt gemäß Art. 3 der Satzung, daß Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte zu gewährleisten sind 1 0 9 . Das Thema der normativen Anforderungen an die nationalen Staaten, aber auch an
mung des internationalen Organisationsprofils". Natürlich können solche verfassungsrechtliche Vorgaben für IO, die von vielen Staaten konstituiert werden, vom einzelnen Staat nicht in freier Beliebigkeit, sondern nur im Einklang mit gemein-verfassungsstaatlichen Auffassungen der anderen Staaten gesetzt werden. 107 Hilf (FN 66) prüft, ob Art. 23 GG analog auf die W T O angewendet werden kann. Auf der Tagung der Gesellschaft für Völkerrecht blieb diese Frage kontrovers. 108 Dazu Schorkopf in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I. Art. 7 EUV und C. Stumpf in: J. Schwarze (Hrsg.), EU- Kommentar 2000, Art. 7. 109
Art. 3 S. 1 Satzung des Europarats: „Jedes Mitglied des Europarats erkennt den Grundsatz der Vorherrschaft des Rechts und den Grundsatz an, daß jeder, der seiner Hoheitsgewalt unterliegt, der Menschenrechte und Grundfreiheiten teilhaftig werden soll".
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die internationalen Organisationen selbst ist auf der Tagesordnung. (4) Im Mehr-Ebenen-Aufbau haben die zwei (in Europa drei) Ebenen spezifische Aufgaben und Strukturen. Es gilt nicht die Wiederholungsthese, nach der sich die wesentlichen Merkmale und Prinzipien auf allen zwei bzw. drei Ebenen in annähernd gleicher Weise und Gestalt wiederholen. Vor allem wiederholen sich die demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen der staatlichen Ebene nicht einfach auf der internationalen Ebene 110 . Die Rolle des (National-)Staates bestimmt sich nicht nur aus dem Verhältnis zur Europäischen Union als einer Integrationsgemeinschaft 111 , sondern auch aus dem Verhältnis zu den Organisationen der internationalen Ebene. Jedenfalls in dieser Perspektive wird die fundamentierende und basale Rolle des Staates in bezug auf Legitimation, Partizipation und politische Aktivbürgerschaft deutlich (Staat als Standbein, als Basis sowie als Verankerung und Ausgangspunkt von Kooperationen und Netzwerken). (5) Zu den Unterschieden zwischen der staatlichen und der internationalen Ordnung gehört auch und in besonderer Weise, daß der Grad der Verrechtlichung dimensional unterschiedlich ist. Insbesondere gibt es auf der staatlichen Ebene nicht nur höchst umfangreiche Rechtssetzung, sondern auch den unerläßlichen, umfangreichen und voraussetzungsvollen Durchsetzungsapparat sowie eine annähernd flächendeckende Gerichtsbarkeit 1 1 2 .
no Oben schon F N 34 und 35. m In dieser Perspektive erscheinen die europäischen Staaten als integrierte Staaten, als Teil und Glied „einer immer engeren Union der Völker Europas" (Art. 1 Abs. 2 EUV). Dies legt auch die Vorstellung nahe, daß der Mitgliedstaat immer mehr in die Rolle als eingeordneter Teil gerät und letztlich ab einem bestimmten Integrationsgrad als selbständiger Staat nicht mehr recht gedacht werden kann. Ahnliches gilt im Verhältnis der Staaten zur internationalen Ebene keineswegs. *
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2. I m weiteren geht es u m den ersten Bestandteil der Gesamtkonstellation, u m den Begriff des offenen Staats als einer C h i f fre für den umfänglichen Wandel i m staatlichen Bereich. (6) I m Mehr-Ebenen-System wandern zwar manche Aufgaben v o n der Ebene des Staates auf eine höhere E b e n e 1 1 3 . Es k o m m e n aber notwendigerweise auch neue, auf die A r c h i t e k t u r u n d die Funktionsweise des Gesamtgefüges bezogene Aufgaben h i n z u 1 1 4 : Als Basis eines mehrstöckigen Gebäudes hat der offene Staat spezifische G r u n d - u n d (be)gründende F u n k t i o n e n 1 1 5 . Gedanklich am Anfang steht die Übertragungsfunktion - es sind allein die Staaten, die inter- oder supranationale O r g a -
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Staatliches Recht ist grundsätzlich durchsetzbares, reales wirksames Recht. Völkerrechtliche Normen sind eine undurchschaubare Mischung von normativem Anspruch und prekärer Realisierung (es sei denn, die völkerrechtlichen Normen werden in staatliche Normen umgesetzt und konkretisiert). Weil aber diese Umsetzung völkerrechtlicher Normen in staatliches Recht bzw. EG-Recht immer häufiger geschieht, verliert die oben gebrauchte Dualität an Schärfe. Völkerrecht und Staatsrecht zusammen bilden die Gesamtkonstellation und diese wird - das ist das Neue - auf viel mehr Gebieten wirksam gegenüber früher. Die heutige Realität sind versäulte Teilrechtsordnungen bestehend aus den Schichten internationales Recht, (europäisches Recht) und nationales Recht, so z.B. im Informationsrecht, Lebensmittelrecht, Wirtschaftsrecht Umweltrecht. 113 Andere Aufgaben werden überformt. 114
So auch Luthardt (FN 45), S. 717: Die von Gerhard Schulze angesprochene „globale Verantwortungsgemeinschaft" ist aus strukturellen und funktionellen Gründen auf die nationalstaatlichen Formen angewiesen. Die vielfach diagnostizierte Schwächung bzw. ein signifikanter Rückgang der Aufgaben und der Bedeutung des Nationalstaates ist in bestimmten Aspekten nur das Produkt einer verkürzten Analyse. Der Rückgang sog. klassischer Aufgaben wird verwechselt mit dem potentiellen bzw. sachlich notwendigen Zuwachs veränderter Aufgaben, die als Resultat der „neuen Architektur des Staates" in Erscheinung treten". 115 Grundlegend dazu Hobe (FN 2), S. 402 ff. zu den Funktionen des Staates im Ebenenmodell. Hobe hebt ebd. S. 435 ff. auch hervor, daß die abwandernden Aufgaben z.T. durch den internationalen Hoheitsund Integrationsgehalt des Staates kompensiert werden können, wobei nicht zu übersehen sei, daß sich die neuen Einheiten aber auch verselb-
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nisationen bilden und mit Befugnissen ausstatten. Hinzu kommen die Gewährleistungs- Kontroll- und Wächterfunktionen, die sich exemplarisch in den Formulierungen von Art. 23 Abs. 1 GG finden und in denen sich die schon erwähnte Funktion des Staates zur Weiterleitung der verfassungsstaatlichen Prinzipien zur Ebene der internationalen Organisationen zeigt. Die daran anknüpfende Wächterfunktion erschöpft sich nicht auf den ursprünglichen Ubertragungsvorgang, sondern sie besteht fort. Nirgends hat sich eine supranationale oder internationale Organisation von der staatlichen Wurzel und Bedingtheit zugunsten eines Selbstands gelöst, auch nicht in der E U und EG. Bedeutsame Rollen der Staaten im Gesamtgefüge sind dann die Ausführungs- und Durchsetzungsfunktionen, die das internationale Recht für sich regelmäßig nicht gewährleisten kann. Dazu tritt die oben betonte Funktion der Staaten als Basis für die fundamentierenden politischen Prozesse 116 . (7) Die Formel vom offenen Staat ist, soll sie mehr als nur eine Redeweise sein, auf die Analyse der Veränderungen angewiesen, die mit dem offenen Staat verbunden sind und die ihn zu einer anderen Erscheinungsform des Staates gegenüber dem früheren geschlossenen Nationalstaat, wenn man so will, zu einem anderen Staatstyp machen. In der Tat verändert der auf die Staatsfundamentalnorm des Art 24 GG gestützte Staatstyp des offenen und kooperierenden Staats beträchtlich jedes der drei klassischen Staatselemente117. Das Prinzip des offenen Staats muß für die Staatsgewalt, das Staatsgebiet und das Staatsvolk im einzelnen entfaltet, für jedes von ihnen sozusagen durchdekliniert werden.
ständigen können, so auch ders., Der kooperationsoffene Verfassungsstaat, Der Staat Bd. 37,1998, S. 521 /545. 116 Von Hobe (FN 2) etwas blaß als Identifikationsfunktion bezeichnet. »7 Dazu Hobe (FN 2), S. 380 ff., auch S. 424 ff. und S. 248 ff. zu den drei Elementen in der internationalen institutionalisierten Wirtschaftskooperation.
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(8) Der offene Staat verändert die Staatsgewalt u. a. durch: - die Beschränkung der Souveränität im Falle des Friedensbruchs und der Menschenrechtsverletzungen; - die gemeinschaftliche Ausübung von Staatsgewalt und von bestimmten Befugnissen 118 , - die Beachtung der dichter gewordenen völker- und europarechtlichen Vorgaben für die einzelnen Staaten 119 . (9) Die Folgen im Hinblick auf das Staatsgebiet und seine rechtliche Bedeutung sind u.a.: - insgesamt Durchlässigkeit (und Entterritorialisierung) der Grenzen bei Friedenssicherung (nach Kap. V I I UN-Charta) und internationalem Menschenrechtsschutz, in Ansätzen auch beim Schutz mancher Umweltgüter; - die Öffnung des staatlichen Territoriums für den diskriminierungsfreien Handel, wie sie im WTO-Regime impliziert ist120; - die extraterritoriale Jurisdiktion 1 2 1 ; - deutliche Abschwächung des Zäsur-Charakters der Grenze. (10) Der offene Staat bewirkt beim Staatsvolk
118
Vgl. den Begriff der französischen Verfassung „gemeinsame Ausübung von Souveränität" in Art. 88-1 Verfassung, der zwar weniger „hart" klingt als der von der Übertragung der Souveränität, der aber auch eine deutliche Abkehr vom Leitbild des allein souveränen Staates indiziert. H9 Dazu oben (3). 120 Ausführlich Hobe (FN 2), S. 382, auch S. 285, 252 f f , 254 f. 121 Etwa zum Schutze des Wettbewerbs, s. Hobe (FN 2), S 268. mit Verweis auf W. Meng y Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994. - Grundsätzlich dazu ders. Wirtschaftssanktionen und staatliche Jurisdiktion - Grauzonen im Völkerrecht, ZaöRV 1997, 269 dort auch S. 275 und S. 318 die wichtige Beobachtung, daß Staaten einen graduellen Verlust von staatlicher Steuerungsfähigkeit dadurch auszugleichen versuchen, daß sie rechtliche Regeln auch auf Auslandssachverhalte, also extraterritorial erstrecken.
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- eine Abmilderung der Mediatisierung des einzelnen durch den Staat; insbesondere durch verstärktes Akzeptieren der doppelten Staatsangehörigkeit; - die völkerrechtliche Pflicht zur diskrimierungsfreien Behandlung von NichtStaatsangehörigen und Minderheitenschutz 122 , - die Öffnung Bürger 1 2 3 .
der
deutschen Grundrechte
für
die
EU-
Deutschland wird nur dann auf der Höhe der tatsächlichen Entwicklung in Europa und der Welt sein, wenn in Migrationsfragen ein Wandel eintritt. Der offene Staat hat in der Folge davon auch notwendigerweise Konsequenzen für das Staatsbürgerschaftsrecht, insb. in Richtung eines verstärkten Akzeptierens der doppelten Staatsbürgerschaft. Diese lockert dann ihrerseits die Exklusivität des Loyalitätsbandes zwischen Staatsverband und Angehörigen. Eine schrittweise Loslösung vom Abstammungsstaatsbürgerrecht entspricht der schon lange bestehenden Wirklichkeit der Migration. Mit der kontrafaktischen Formel: „Deutschland ist kein Einwanderungsland" war die Politik nicht auf der Höhe der Probleme, aber auch eine Staatstheorie und Verfassungsrecht, die diese Formel im Staatsbürgerrecht praktisch abgebildet hat. Dieses wirkungskräftige Schlagwort hat notwendige Anpassungen des Staatsbürgerschaftsrechts und des staatstheoretischen Denkens an die Realität der Migration verhindert. Demgegenüber wird in Teilen des Schrifttums mit dem Leitbild der „offenen Republik" experimentiert, das in recht unterschiedlichen Binnenvarianten vertreten w i r d 1 2 4 . Es
122 Hobe (FN 2), S. 410. 123 E. Klein, Die Europäisierung des Verfassungsrechts, in: FS Stern, 1997, S. 1309; Dreier, in: ders., Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1. 1996, Vorb. Vor Art. 1, Rn. 74 f. 124 Zuweilen begegnet dabei recht Hoffnungsvolles und bewußt Ausgreifend-Utopisches, so wenn vom (aufkeimenden) europäischen Republikanismus gesagt wird, er komme „in dem Maß zu sich selbst, wie er das ambivalente Potential des Nationalismus, das ihm einst als Vehikel gedient hat, abschüttelt", so J. Habermas, Die Normalität einer Berliner Republik, 1995, S. 182; dazu E. Denninger, Menschenrechte
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muß genügen, diese Problematik als offene Herausforderung an Staats- und Völkerrecht hier zu benennen. (11) Die Normalität und Häufigkeit von Außen- und Auslandsbeziehungen sowohl der offenen Gesellschaft wie des offenen Staats verändern das Gewicht der Verfassungsorgane untereinander zugunsten eines weiteren starken Bedeutungszuwachses der Regierung und der Exekutive, die die Kooperationen aktiv betreiben; Bedeutungsverluste drohen vor allem den nationalen Parlamenten und den Parteien (im Verhältnis zu den sich international leichter organisierenden Interessenverbänden). 3. Veränderungen im Völkerrecht in den letzten 50 Jahren und die dadurch heraufgeführte neue Epoche sind zu einem großen Teil Widerspiegelungen der Wandlungen im Staatstyp. Ist Permeabilität der Hauptnenner des offenes Staates, dann sind Pluralisierung der Akteure, der Rechtssetzungsverfahren und der Rechtsquellen die kennzeichnenden Merkmale im Völkerrecht. Wenn nicht alles täuscht, dann ist derzeit im Völkerrecht eine ausgesprochene Aufbruchstimmung zu beobachten. So hat ζ. B. Dicke zum Jahrhundertwechsel die Prognose gegeben, daß dem Völkerrecht im 21. Jahrhundert mindestens im gleichen, wenn nicht gar in höherem Maße jene Leitfunktion zukomme, die im 19. und 20 Jahrhundert das Staatsrecht einnahm 1 2 5 . Die Prognose für ein ganzes Jahrhundert, gesprochen an dessen Anfang, ist zwar kühn. Mit der Bedeutungssteigerung des Völkerrechts hat Dicke vermutlich Recht, aber dies ist nicht die ganze Wahrheit: Denn die Zukunft gehört weder dem und Staatsaufgaben - ein „europäisches" Thema, in: M. Nettesheim/ P. Schiera, (Hrsg), Der integrierte Staat, 1999, S. 13. 125
Dicke (FN 24), S. 37. Große Änderungen und Aufbrüche des Völkerrechts werden offensichtlich anvisiert mit Titeln wie / . Delbrück, Von der Staatenordnung über die internationale institutionelle Kooperation zur „supraterritorial or global governance": Wandel des zwischenstaatlichen Völkerrechts zur Rechtsordnung der Menschen und Völker?, in: Weltinnenpolitik, FS C. F. v. Weizsäcker, 1998, S. 55 ff. und im Symposium des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht, International Law - From the Traditional Interstate Order Towards the Law of the Global Community, 1998.
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Völkerrecht, noch dem Staatsrecht allein, sondern ihrer Kombination, und beiden zusammen in ihrer Komplementarität. Aber einen beträchtlichen Bedeutungszuwachs des Völkerrechts und völkerrechtlicher Normen hat es schon in den letzten Jahrzehnten gegeben und dieser Trend wird anhalten. (12) Zum neuen Völkerrecht gehören die schon erwähnten Prozesse der Konstitutionalisierung 126 . Sie konstituieren und „verfassen" auf der völkerrechtlichen Ebene Güter der Staatengemeinschaft mit dem Anspruch auf Beachtung durch die Staaten. In diesen Vorgängen verwirklicht und etabliert sich das Konzept des Staatengemeinschaftsinteresses. Das Völkerrecht nimmt einzelne Züge einer objektiven Rechtsordnung an, die ihr Zentrum im „internationalen öffentlichen Interesse" hat 1 2 7 . Je mehr das Völkerrecht den Raum jenseits des Staates mit Institutionen, Verträgen, Rechtsetzung und Verfahren ausfüllt, desto mehr wird dieser Raum vom Grundgesetz des Öffentlichen Rechts ergriffen und ergriffen werden müssen, nämlich von dem Ziel, Macht sowohl zu konstituieren wie zu bändigen und in rechtliche Formen zu bringen. Die sogenannte Konstitutionalisierung ist eine konsequente Reaktion auf die ausgeweitete Kooperation der Staaten und die Aktionen der Organe der Staatengemeinschaft. Wo so viel an Befugnissen und Regelungsmöglichkeiten, damit aber auch an Macht angewachsen ist, kann nicht mehr der freie Wille der miteinander kooperierenden Staaten allein beherrschend bleiben, sondern es müssen begrenzende Elemente der Konstitutionalisierung eingreifen. Dabei sind Fortschritte auf der materiellen Ebene die notwendige Bedingung, das Durchsetzungsinstrumentarium die hinreichende. (13) Kennzeichnend für das neue Völkerrecht sind unter anderem die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte bzw. der Akteure. Dies gilt zunächst für das längst bekannte Phänomen der Vermehrung der Internationalen Organisationen und ihrer wachsenden Bedeutung. Dies gilt aber auch im Hin-
126 Dazu Wahl, in: FS Brohm, 2002 (i.E.). 127 Hobe (FN 2), AVR, 278.
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blick auf die im Gang befindliche oder erwogene Einbeziehung der Nichtregierungsorganisationen ( N G O ) 1 2 8 oder der Transnationalen Unternehmen (TNC oder T N E ) 1 2 9 oder durch die teilweise Anerkennung der Individuen als partielles Völkerrechtssubjekt in menschenrechtlicher Hinsicht. Durch die Beteiligung dieser Akteure pluralisieren sich auch die Rechtssetzungsverfahren 130. (14) Traditionell ist die Durchsetzung des Völkerrechts seine prekäre Stelle (obwohl beträchtliche Verbesserungen vorliegen). Es wäre aber falsch und würde gerade dem hervorgehobenen Komplementaritätsverhältnis widersprechen, wenn man nur Defizite in der Durchsetzung und Sanktionierung des Völkerrechts isoliert auf seiner Ebene ins Blickfeld nehmen würde. Das Völkerrecht ist angewiesen auf die staatlichen Rechtsordnungen und es hat eine akzeptable und früher nicht bekannte Effektivität gerade durch seine Verschränkung mit den staatlichen Rechtsordnungen erreicht. Zusammen sind beide stark, getrennt sind sie je imperfekt. Wegen dieser Verschränkungen und Verflechtungen mit dem nationalen Recht ist das Völkerrecht ein Recht der langen Wege y ein Recht, das auf der internationalen Ebene gebildet wird und zu seiner Umsetzung und Durchsetzung sehr oft den Weg über die staatlichen Rechtsordnungen und die Durchsetzungs- und Gerichtsinstitutionen der Staaten nehmen muß, aber auch nehmen kann. 4. Bleibt noch das Gebäude der zwei bzw. drei Ebenen von seiner eigentlichen Basis und damit von denjenigen her zu betrachten, für die es errichtet ist, nämlich von den einzelnen her. Es gehört zu den wichtigen Wandlungen des Völkerrechts, daß die Frage nach der Stellung des einzelnen in ihm nicht marginal erscheint.
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Dazu oben F N 67 - Die große Bedeutung der N G O im internationalen Bereich ist auch eine Folge des Fehlens von politischen Parteien auf dieser Ebene, es fällt also die Bündelungsfunktion der Parteien aus. 129 T N C = Transnational Corporations; T N E = Transnational Enterprises; Nachweise oben Fn. 57 und 58. 130 Näheres dazu bei Hobe (FN 2), S. 402 ff.
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(15) Der einzelne kann sich bei seinem alltäglichen Handeln in der Welt jenseits des Staates stützen auf: - erstens seine (verfassungsrechtlich gesicherten) Rechte gegenüber seinem Staat, - zweitens die Treuhänder-, Vermittlungs- und Tranformationsfunktionen seines Staates, durch die objektives Recht auf der völkerrechtlichen Ebene in (ihn berechtigendes und verpflichtendes) nationales Recht umgesetzt werden, - drittens die grundrechtsverpflichtete und durch Strukturklauseln gebundene Mitwirkung seines Staates bei der Entstehung von Völkerrecht und internationalen Regelungen und - viertens seine eigene partielle Rechtsstellung in der Völkerrechtsordnung. (16) Unübersehbar ist die Asymmetrie zwischen dem Handlungsraum der Einzelnen, der weit über den Staat hinaus und potentiell in die gesamte Welt hinaus reicht, und der begrenzten Reichweite der eigenen Subjektstellung (soweit es um öffentlich-rechtliche Problemlagen geht 1 3 1 ). In dieser Diskrepanz spiegelt sich ein bleibender Unterschied zwischen der staatlichen und der internationalen Ebene: Die generelle Ausdehnung der Rechtsfähigkeit und der Klagbarkeit zugunsten der einzelnen im Staat wiederholt sich nicht auf der völkerrechtlichen Ebene und kann sich dort auf absehbare Zeit auch nicht wiederholen. Die internationale Ebene ist weit davon entfernt, mit Institutionen jeglicher Art nach Zahl und Potenz so ausgestattet zu sein, daß alle Bewohner der Erde einen Subjektstatus mit Rechten und Klagbarkeit erhalten könnten (von anderen Vorbedingungen ganz abgesehen). Statt dessen liegt eine Rationalität und Funktionsbedingung des Völkerrechts darin, daß es ein Recht der Abbreviatur ist: Statt der Weltbe131 Anders im Zivilrecht. Natürlich gibt es grenzüberschreitende Beziehungen des einzelnen (Unternehmens) zu andern einzelnen Unternehmen in andere Staaten, die über das Zivilrecht in einer Horizontalordnung verlaufen und die durch die Zivilgerichte dieser Staaten geordnet und verbindlich entschieden werden. Insoweit gibt es natürlich Klagbarkeit und Subjektstellung des einzelnen.
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völkerung sind auf seiner Ebene die Staaten und internationalen Organisationen volle Rechtssubjekte und begrenzt Vereinigungen und NGOs beteiligungsberechtigt. Die Stellung der letzteren und die von besonderen und „großen" Einzelnen (einzelnen juristischen Personen) kann aufgewertet werden, nicht aber können alle einzelnen mit einem vollumfänglichen eigenen Rechtsstatus einbezogen werden. (17) Die Folgen der Asymmetrie zwischen weltweiten Handlungsmöglichkeiten und fehlendem subjektivrechtlichen Status des einzelnen sind aber in bedeutsamer Weise abgemildert. Die Stellung des einzelnen gewinnt nämlich Sicherung und Gewährleistung durch die Gesamtkonstellation von Völkerrecht und nationalem Öffentlichen Recht. Insgesamt ist die Stellung des einzelnen jenseits des Staates nicht grundsätzlich defizitär, sie ist nicht grundsätzlich mangelhaft konstruiert. Statt dessen ist sie eine dem Komplementärverhältnis von Völkerrecht und Staatsrecht entsprechende zusammengesetzte Rechtsposition. Auf dem für das Völkerrecht und vor allem auch für die Gesamtkonstellation typischen langen Wegen verwandelt sich das objektive Recht, das das Völkerrecht häufig zugunsten der einzelnen schafft, in innerstaatliches Recht mit subjektiven Rechten und innerstaatlichem Gerichtsschutz. Diese „Umsetzung" geschieht nicht vollständig, sie ist gewiß lückenhaft. Nicht auf alles, was das Völkerrecht objektiv für die einzelnen (als letztlich Begünstigte) setzt, können sich diese später in ihrem Staat berufen oder es sogar einklagen. Aber diese Umsetzung geschieht doch in einer systemprägenden häufigen Anzahl von Fällen. 5. Zusammenfassend bleibt die große Distanz festzuhalten, die die Epoche der geschlossenen Nationalstaaten in Völkerrecht und Staatsrecht von der heutigen Epoche der offenen (Verfassungs)Staaten und der international kooperierenden Staaten trennt. Der Unterschied könnte größer kaum sein. Kennzeichen dieser neuen Epoche sind die Permeabilität des Staates und die korrespondierend dazu wachsende Durchlässigkeit des internationalen Raums für mehr Akteure; damit einher geht die beschriebene Pluralisierung des Völkerrechts. Auf die Bedeutungssteigerung der internationalen Ebene und ihres
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Rechts antworten Schritte zu deren Konstitutionalisierung. Völkerrecht und Staatsrecht sind näher aneinander gerückt 1 3 2 , ohne aber ihre Unterschiede und Eigenarten verloren zu haben. Leitbild der neuen Epoche ist eine Wechselbezüglichkeit und Komplementarität zwischen offenem Staat und der (dichter und pluralistischer) gewordenen internationalen Ordnung. Beide können als notwendige Teile eines Ganzen verstanden werden, für das der Begriff und vielleicht auch das Verständnis noch fehlt. In dieser Gesamtkonstellation ist die Asymmetrie, das das Recht im Interesse der einzelnen erlassen ist, daß aber der einzelne in vieler Hinsicht dieses Recht nicht selbst geltend machen kann, kein Defizit, sondern ein spezifisches Konstruktionsprinzip des Rechts in der Welt, weil und solange der gesellschaftliche Zusammenhalt zwischen den vielen einzelnen in der Welt so wenig dicht ist wie bisher immer und auch derzeit noch. Daran hat auch die Globalisierung nichts geändert, denn sie hat bisher keine Angehörigengemeinschaften oder überhaupt Gemeinschaften gebildet. Als Fazit ergibt sich: Die Stellung des einzelnen in der Welt ist keine einfache oder einheitliche, sondern eine zusammengesetzte. Als solche ist die Rechtsstellung sicher ausbaufähig, aber auch schon in der jetzigen Gestalt in ihrer Wirksamkeit beachtlich.
132 Dagegen ist es nicht zu einer Abkoppelung des Völkerrechts und damit zu einem Selbststand eines vorrangigen Völkerrechts gegenüber den Staaten und ihrem Recht gekommen. Nicht einmal im Falle der EG verdient die These, daß die EG zwar von den Staaten errichtet worden sei, dann aber auf eine eigenständige Grundlage getreten sei, Zustimmung.
Frankreich im Alten Reich Außenpolitik und Europabewußtsein im Zeitalter Ludwigs X I V . Von Dieter Gosewinkel, Berlin Es war im Jahre 1667. Ein Veroneser Adliger veröffentlichte eine Abhandlung über das Deutsche Reich. Die Nachbarstaaten, so schrieb er, seien dem Reich nicht gewachsen oder nicht gefährlich. Allein im Hinblick auf Frankreich wurde der Autor unsicher: Das Reich sei zwar größer und reicher an Bodenschätzen. Während man aber die Einkünfte der zahlreichen deutschen Fürsten nicht kenne, verfüge der französische König über bewundernswerte Goldvorräte und eine „regulär Monarchi". Das Deutsche Reich hingegen zeige ein „gantz unrichtig und wunderseltzsames corpus", eine „zerrüttete Regimentsform" (lat.: „irreguläre aliquod corpus et monstro simile"). Der Veroneser Severinus de Monzambano war Samuel Pufendorf. 1 Seine unter Pseudonym erscheinende Abhandlung „De statu Imperii Germanici" wurde berühmt als Kritik an der staatsrechtlichen Form des Alten Reiches. In demselben Jahr erschien in Paris eine Flugschrift, die Pufendorfs Kritik vielfach steigerte und offensiv zurückspiegelte. Der Pariser Parlamentsrat Antoine Aubery erhob bereits in seinem Titel „Les Justes Prétensions du Roy sur l'Empire" Ansprüche 1 Severini de Monzambano Veronensis (= Samuel Pufendorf), De Statu Imperii Germanici, 1667 (Zitate nach der deutschen Fassung von 1669: Eines Veronesers ungescheuter offenherziger Diseurs, oder gründlicher Bericht von der wahren Beschaffenheit und Zustand des teutschen Reichs), zitiert nach Notker Hammerstein (Hrsg.), Staatslehre der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1995, S. 830 f , 853.
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seines Königs Ludwig auf das Reich, deren Legitimität er zu beweisen suchte. Worauf zielten diese Ansprüche? Aubery ließ an seiner Einschätzung des Reiches keinen Zweifel: Der gewählte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sei schwach, nicht souverän und daher nicht berechtigt, sich Kaiser zu nennen. Die französischen Könige seien die einzigen legitimen Nachfolger des Römischen Reiches, der Kaiser nur ein Usurpator. Volk und Fürsten des deutschen Reiches seien in Wahrheit Untertanen und Vasallen des französischen Königs. Diese alten Ansprüche durchzusetzen bedeute, eine Usurpation rückgängig zu machen. Auberys Traktat fand schnelle Verbreitung im Reich und wirkte als ungeheure Provokation, gipfelte es doch in der Aufforderung an den französischen Dauphin, die Universalmonarchie („La monarchie universelle") 2 anzustreben. Aus diplomatischer Rücksicht distanzierte sich Ludwig X I V . öffentlich von Auberys Traktat. In der Tat enthielt die Schrift Überspitzungen und Geschichtsklitterungen. In ihrer politischen Stoßrichtung, der Hegemonie über das Deutsche Reich, entsprach sie jedoch den Vorstellungen des französischen Königs. Die Regierungszeit Ludwigs XIV. wurde zur Hochphase französischer Hegemonialpolitik in Europa während der Frühen Neuzeit. Sie zielte vor allem auf das Deutsche Reich. Warum gerade das Deutsche Reich? Auberys Traktat zeigt, wie sehr überkommene lehensrechtliche und dynastische Verknüpfungen und Konflikte dafür ein Einfalltor boten. Aber es mußte etwas hinzukommen: eine strukturelle Disposition im politischen Gefüge des Alten Reiches einerseits, in Frankreich andererseits, die das Reich besonders beeinflußbar und angreifbar machte für die französische Diplomatie und Militärmacht. Es geht im folgenden um die verändernde Wirkung, die Frankreich zur Zeit Ludwigs X I V . auf das Reich ausübte - und zwar unter drei Aspekten: Ein erster - kürzerer Abschnitt geht auf die politischen Voraussetzungen dieser Veränderung ein. In einem zweiten Teil werden die Etappen der ludoviziani-
2 Des Iustes Prétensions Du Roy sur PEmpire, par le Sieur Aubery, Avocat au Parlement et aux Conseils du Roy, Paris 1668, S. 51.
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sehen Hegemonialpolitik und ihre Auswirkungen auf die institutionelle Machtverteilung des Reiches untersucht. Im Mittelpunkt des dritten Teils stehen die Widerstände, welche die französische Intervention auslöste, sowie die Ausprägung neuer Feindbilder und eines neuen Europabewußtseins. I. Voraussetzungen der Außenpolitik in Frankreich und im Reich Pufendorf sparte nicht mit Kritik an der „Despotie", dem französischen Absolutismus unter der Alleinherrschaft Ludwigs XIV. Doch war andererseits sein Blick nicht frei von Neid, wenn er sich auf die „regulär monarchi" 3 des Nachbarlandes richtete. Die Verdichtung und Intensivierung politischer Kraft, die den Absolutismus kennzeichnet, ließ sich in der Außen- und Militärpolitik wie in keinem anderen Bereich der Politik fassen. Ludwig betrieb mit dem Antritt seines persönlichen Regiments 1661 eine Heeresrefom, welche die bestehende europäische Militärorganisation und -technik revolutionierte. Es entstand ein stehendes Heer, dessen Angehörige zentral ausgehoben und in ihrer Loyalitätsbindung weitgehend auf den König konzentriert waren, eine Armee, die zu den größten Europas gehörte. Hinzu trat ein hochentwickeltes diplomatisches Informations- und Lenkungssystem. Ludwig X I V . war sein eigener Außenminister. Die stetige Präsenz französischer Diplomaten in den politischen Zentren und ein ausgefeiltes System der Verschriftlichung der gesammelten Informationen trugen zur Rationalisierung und Intellektualisierung der Diplomatie bei. 4 Die französische Diplomatie wurde bis in die Spra3
Severini Monzambano, Eines Veronesers offenherziger ungescheuter Diseurs, S. 853. 4 Winfried Dotzauer, Macht - Politik - Diplomatie. Gedanken über die Neudimensionierung der Verständniskategorien der französischdeutschen Diplomatie nach 1648 unter besonderer Berücksichtigung des Rheingebietes, in: Heinz Duchhardt/Eberhard Schmitt (Hrsg.), Deutschland und Frankreich in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Hermann Weber zum 65. Geburtstag, München 1987, S. 331-359 (343). 8 Wahl/Wieland
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che hinein zum Modell einer modernen Außenpolitik für ganz Europa. 5 Insgesamt erwuchs daraus eine reale Ressourcen- und Kraftsteigerung der im französischen Königtum verkörperten politischen Einheit Staat, die nach außen, über die Grenzen des eigenen Reiches wirken wollte und dies auch tat. Im Heiligen Römischen Reich hingegen waren Träger und Struktur der Außenpolitik grundverschieden von Frankreich. Zweifelhaft ist bereits, ob man von »der4 Außenpolitik des Deutschen Reiches (oder besser von mehreren Außenpolitiken) sprechen sollte. In internationalen Beziehungen stand nicht nur das Reich im Verhältnis zu anderen souveränen Staaten, sondern standen auch die im Reich zusammengeschlossenen Territorien untereinander. Außenpolitik wurde nicht nur von den Reichsständen und dem Kaiser als Organen des Reiches betrieben. Daneben verfolgte der Kaiser als Chef des habsburgischen Länderkonglomerats und mächtigster Souverän des Reiches zugleich eine an partikularen Interessen orientierte Außenpolitik. Als außenpolitische Prätendenten traten auch die regionalen Gliederungen der zehn Reichskreise auf. Sie drängten, je gewichtiger sie in der Wehrpolitik des Reiches wurden, in den Rang selbständiger außenpolitischer Verhandlungspartner. 6 5
Heinz Duchhardty Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700-1785, Paderborn u.a. 1997 (= Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen, Bd.4), S. 22. 6 Heinz Duchhardty Altes Reich und europäische Staatenwelt 16481806, München 1990, S. 8; Karl Otmar Freiherr von Aretin y Die Kreisassoziationen in der Politik der Mainzer Kurfürsten Johann Philipp und Lothar Franz von Schönborn 1648-1711, in: ders. (Hrsg.), Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziationen 1648-1747. Zur verfassungsmäßigen Stellung der Reichskreise nach dem Westfälischen Frieden, Wiesbaden 1975, S. 31-68 (34, 55 f., 58); Wilfried Dotzauer, Die Deutschen Reichskreise in der Verfassung des Alten Reiches und ihr Eigenleben (1500-1806), Darmstadt 1989, insbes. S. 37-40; ders. y Die deutschen Reichskreise (1383-1806), Stuttgart 1998; Peter Claus HartmanZur Bedeutung der Reichskreise für Kaiser und Reich im 18. Jahrhundert, in: Winfried Dotzauer u.a. (Hrsg.), Landesgeschichte und Reichsgeschichte. Festschrift für Alois Gerlich zum 70. Geburtstag, Stuttgart 1995, S. 305320.
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Hinzu kamen vor allem die Reichsstände, die im Westfälischen Friedenswerk zum Abschluß von Bündnissen untereinander und mit auswärtigen Mächten ermächtigt worden waren, wenngleich sich diese nicht gegen Kaiser und Reich richten durften. Das Bündnisrecht der Reichsstände spielte eine Schlüsselrolle für die politische Kohäsionskraft des Alten Reiches. Ein Vortrag ErnstWolfgang Böckenfördes vor dem deutschen Rechtshistorikertag im Jahr 1968 erhellte die vorausweisende Bedeutung des Bündnisrechts für die Transformation des Reiches zum Bund, jener „die Alternative staatsrechtlich-völkerrechtlich hinter sich lassende[n] Form des politischen Zusammenhalts", die zum Spezifikum des deutschen Staatsrechts bis hinein in das 20. Jahrhundert werden sollte. Böckenfördes Deutung des Bündnisrechts als „Zuerkennung außenpolitischer und völkerrechtlicher Handlungsfähigkeit an die Reichsstände"7 ist in der historischen Forschung zum Westfälischen Frieden vielfach aufgenommen worden. 8 Sie legt den Finger auf die Bruchstellen des Friedenswerks - und schützt dieses vor der neuerdings versuchten Sakralisierung zum „größten Friedenswerk der Neuzeit". 9 Insgesamt tritt ein gravierender Unterschied in den strukturellen Voraussetzungen der Außenpolitik zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich zutage: Einer monistischen, hierarchischen und zentralisierten Organisation der Außenpolitik stand ein mehrschichtiges, föderatives Geflecht außenpolitischer Träger gegenüber, die nach außen wie nach innen konkurrierten.
7
Ernst-Wolf gang Böckenförde, Der Westfälische Frieden und das Bündnisrecht der Reichsstände, in: Der Staat 8 (1969), S. 449-478 (471). 8 Duchhardt, Altes Reich und europäische Staatenwelt, S. 10 f.; dagegen die Begrenzung des Bündnisrechts durch die Bindung an „Kaiser und Reich" stärker betonend Georg Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, München 1999, S. 182; ähnlich Anton Schindling, Kaiser, Reich und Reichsverfassung 1648-1806. Das neue Bild vom Alten Reich, in: Olaf Asbach/Klaus Malettke/Sven Externbrink (Hrsg.), Altes Reich, Frankreich und Europa, Berlin 2001, S. 25-54 (49). 9
Johannes Burkhardt, Das größte Friedenswerk der Neuzeit. Der Westfälische Frieden in neuer Perspektive, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49 (1998), S. 592-612.
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II. Die Politik Ludwigs X I V . im Deutschen Reich Frankreichs Versuch, die Hegemonie im Reich zu erringen, führte über den Krieg: den Devolutionskrieg von 1667/68, den Niederländischen Krieg von 1672 bis 1679, den Pfälzischen Erbfolgekrieg von 1688 bis 1697 sowie den Spanischen Erbfolgekrieg von 1701 bis 1714. Vom Antritt des persönlichen Regiments Ludwigs XIV. 1661 bis zur Jahrhundertwende, steigerten sich Druck und Gewaltsamkeit der französischen Politik. Es begann eine Zeit kriegerischer Konflikte, die man mit Johannes Burkhardt fast „zu einem zweiten dreißigjährigen Krieg" zusammenziehen könnte. 10 Regional konzentrierte sich der französische Vorstoß auf die Reichsgebiete westlich und östlich des Rheins, auf das Elsaß, Lothringen und die Gebiete der Kurpfalz. Dabei entsprang die französische Rheinpolitik historisch zunächst einem Sicherheitsbedürfnis, dem Kampf gegen die befürchtete habsburgische „Universalmonarchie", von deren spanischen, italienischen und deutsch-niederländischen Teilen sich Frankreich umklammert sah. Der Rhein wurde indessen nur einseitig als „strategische Sperre" 11 begriffen. Die sicherheitspolitische »Arrondierung 4 französischen Gebiets auch jenseits der Rheingrenze wirkte territorial expansiv in das Deutsche Reich hinein und entwickelte zunehmend eine annexionistische Ratio. 1 2 Vor dem Krieg stand die Bündnispolitik. Ein Jahrzehnt nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges setzte Frankreich zu10
Burkhardt,
Das größte Friedenswerk, S. 596.
11
Hermann Weher, Die französische Rheinpolitik zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Renversement des Alliances, in: HansWalter Herrmann/Franz Irsigler (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt Saarbrücken 1983, S. 7485 (76). 12
Klaus Malettke, Ludwigs XIV. Außenpolitik zwischen Staatsräson und ökonomischen Zwängen, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV, Berlin 1991, S. 43-72 (47 f.).
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nächst zu einer friedlichen, diplomatischen Durchdringung der Reichspolitik an. Der französische König, der mit dem habsburgischen Kaiser um die Vorherrschaft in Europa stritt, nutzte die dualistische Konstruktion des Reiches, um die eigene Machtstellung auszubauen. Als Garantiemacht, die in den Westfälischen Friedensverhandlungen die Landeshoheit und reichsständische Libertät gegenüber der kaiserlichen Macht verteidigt hatte, war Frankreich den Reichsständen als Bündnispartner und Schiedsmacht willkommen. Ansatzpunkt der antihabsburgischen Bündnispolitik war der „Rheinbund" des Jahres 1658. Diese Allianz Frankreichs mit führenden Reichsständen richtete ihre Spitze gegen den Kaiser, den die mächtigsten Reichsstände zur Anerkennung ihrer Stellung und einer föderalistischen Entwicklung des Reichsverbandes zwingen wollten. 1 3 Erstmals zeigte die Bündnisklausel des Westfälischen Friedenswerks ihre potentielle Sprengkraft für den Reichszusammenhalt.14 Die französische Diplomatie ihrerseits suchte über den Rheinbund die Handlungsfähigkeit des Reiches in seiner Gesamtheit zu destabilisieren. Frankreichs diplomatische Penetration des Reiches war zunächst erfolgreich. Der Kaiser mußte unter dem Vorwurf einer Verletzung der Reichsverfassung 1660 Eroberungen aus dem ersten Nordischen Krieg zurückgeben und konnte keine militärische „General-Allianz" 1 5 der Reichsstände unter Ausschluß ausländischer Mächte durchsetzen. Frankreich nahm im Reich die friedenssichernde Funktion wahr, die von der Reichsverfassung her dem Kaiser oblag. Ludwig XIV. war - mit einem Wort Aretins - zum „Gegenkaiser" 16 aufgestiegen. 13
Roman Schnur, Der Rheinbund von 1658 in der deutschen Verfassungsgeschichte, Berlin 1955, S. 37, sieht darin sogar ein Trachten der Stände nach Anerkennung als gleichberechtigte Träger der Souveränität neben dem Kaiser. 14
Schnur, Rheinbund, S. 38; Böckenförde, Bündnisrecht, S. 477. Schnur, Rheinbund, S. 61. Karl Otmar Freiherr von Aretin, Das Alte Reich 1648-1806, Bd. 1, Stuttgart 1993, S. 231. 15
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Die Wahrnehmung Frankreichs als sicherheitsstabilisierender Garantiemacht veränderte sich jedoch, als Ludwig X I V . aufgrund von Rechtstiteln aus dem Westfälischen Frieden die uneingeschränkte Herrschaft über zehn elsässische Reichsstädte beanspruchte. Die deutschen Rheinbundpartner sahen ihre territoriale Integrität bedroht. Frankreichs Interesse an einer schwachen Reichsspitze erschien deutlich durch eigene Expansionsinteressen bedingt. Die Berufung auf die Reichsverfassung, die „teutsche Libertät" sowie auf die vorgeblichen lehensrechtlichen Ansprüche war erkennbar taktisch motiviert. Hinzu kam, daß Ludwig XIV. 1667 den Devolutionskrieg entfachte und weite Teile der spanischen Niederlande annektierte. Der militärische Erfolg Frankreichs untergrub seine diplomatischen Eroberungen. Die 1668 anstehende Verlängerung des Rheinbundes kam nicht mehr zustande, das Bündnis zerfiel. Bezeichnend für das mehrschichtige, nach außen durchbrochene Institutionen- und Interessengefüge des Reiches war es, daß die Reichsstände nun nicht unmittelbar Sicherheit im Schutz des habsburgischen Kaisers suchten. Zum einen erhielten nämlich einige Reichsstände weiterhin hohe Subsidien von Frankreich, zum anderen fiel das von Frankreich propagierte Drohbild einer habsburgischen „Universalmonarchie" auf fruchtbaren Boden. 17 In diesem Zwischenbereich begannen sich einflußreiche Reichsstände als „Dritte Partei" zwischen Habsburg und Bourbon zu profilieren und zugleich von der französischen Garantiemacht zu distanzieren. 18 Parallel dazu gewann der Kaiser in der dualistischen Reichskonstruktion wieder an Gewicht, indem er z.B. bei den Nimwegener Friedensverhandlungen die völkerrechtliche Vertretung des Reiches in der eige17
Zur „monarchia universalis" als zentralem Interpretamentum der außenpolitischen Beziehungen im frühneuzeitlichen Europa und als Propagandaschablone, die den wechselnden politischen ΒedrohungsWahrnehmungen inhaltlich angepaßt wurde, vgl. Franz Bosbach, Monarchia Universalis. Ein politischer Leitbegriff der frühen Neuzeit, Göttingen 1988. 18
Dazu insgesamt Κ. P. Decker, Frankreich und die Reichsstände 1672-1675. Die Ansätze zur Bildung einer „Dritten Partei" in den Anfangsjahren des Holländischen Krieges, Bonn 1981.
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nen Hand behielt, ohne sie mit den Reichsständen teilen zu 19 müssen. Die Rechtsbrüche einschließende Hegemonialpolitik Frankreichs setzte zwei Entwicklungen in Gang, die auf lange Sicht dem französischen Expansionsdrang entgegenarbeiteten: Zum einen wurde - nach außen hin - Frankreich als offizieller Bündnispartner der Reichsstände immer weniger tragbar. Indem die Bewahrung der Westfälischen Friedensordnung und der Reichsverfassung von den Reichsorganen als höchstes Ziel propagiert wurde, geriet ein Bündnis mit dem potentiellen Friedensfeind Nr. 1 zumindest in die Nähe des Reichsverrats. Die Schleuse des Bündnisrechts, das das Alte Reich für Frankreich zu einem offenen System gemacht hatte, begann sich zu schließen. Gleichwohl abgeschlossene Subsidienverträge - insbesondere Brandenburgs mit Frankreich - mußten in besonderer Weise geheimgehalten werden, ein Umstand, der die Verdichtung des Reichsverbandes als Solidarverband nach außen anzeigte. 20 Damit hing, zweitens, eine Veränderung in der inneren Struktur des Reiches zusammen. Die zentralen Institutionen des Reiches wurden in ihrer Bedeutung gestärkt. Der 1663 auf Dauer gestellte Reichstag stieg im Holländischen Krieg zum zentralen Ort der Konfliktaustragung auf, zur Institution, in der sich die „Einheit des Reiches" 21 manifestierte.
19 Heinz Duchhardt, München 1998, S. 30.
Das Zeitalter des Absolutismus, 3. Auflage
20
Vgl. Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Bd. 19, Berlin 1906, S. 333, 357; zur Einigung des Reichsverbands gegenüber der aggressiven französischen Politik s. Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 223 f. 21
Aretin, Das Alte Reich, Bd. I, S. 261; Johannes Burkhardt, Verfassungsprofil und Leistungsbilanz des Immerwährenden Reichstags. Zur Evaluierung einer frühmodernen Institution, in: Heinz Duchhardt/Matthias Schnettger (Hrsg.), Reichsständische Libertät und Habsburgisches Kaisertum, Mainz 1999, S. 151-184, insbes. S. 171-176; Anton Schödling, Die Anfänge des Immerwährenden Reichstags zu Regensburg. Ständevertretung und Staatskunst nach dem Westfälischen Frieden, Mainz 1991, S. 176-182.
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Die französische Réunionspolitik nach 1680, die das Elsaß mit dem symbolisch hochbedeutenden Straßburg uneingeschränkt französischer Souveränität unterwarf, machte die gegen Frankreich gerichteten Strukturverschiebungen in der Reichsverfassung evident. Insbesondere die kleineren Reichsstände sahen sich in ihrer territorialen Integrität bedroht und unterstützten den Kaiser bei der Schaffung einer Reichskriegsverfassung. Die damit verbundene Aufstellung einer Reichsarmee bedeutete eine Neuerung, einen tiefen Eingriff in das Machtgefüge der Reichsverfassung, und war entsprechend politisch umkämpft. Unter dem Druck französischer - und türkischer - Expansion gelang, was in der Vergangenheit mehrfach gescheitert war. Die neue Reichskriegsverfassung von 1682 stärkte im Rahmen ihrer dualistischen Konstruktion erneut den Kaiser. Zwar setzte er den Ständen gegenüber keine zentral finanzierte, unter kaiserlichem Oberbefehl stehende Reichsarmee durch. Doch stellte er selbst das größte Truppenkontingent. Vor allem vermochte er auf Dauer die Reichsarmee von der Privatarmee der armierten Reichsstände zu lösen. 22 Zunächst jedoch richteten sich die Abwehrbestrebungen des Reiches gegen eine große türkische Invasionsarmee. Während im Jahre 1683 alle Verteidigungsanstrengungen auf den Entsatz des gefährdeten Wien konzentriert werden mußten, nutzte Frankreich die Bedrohung der kaiserlichen Erbstaaten zu einem Angriff auf die spanischen Niederlande. Im „Regensburger Stillstand" des Jahres 1684 mußte der Kaiser sogar die
22 Aretin, Das Alte Reich, Bd.I, S. 291 f. Allerdings enthielt diese Regelung die Ausnahmebestimmung, daß die kurbrandenburgischen Truppen nicht zu den Kreiskontingenten jener Kreise, in denen die verschiedenen Territorien des Kurfürsten lagen, sondern als Ganzes zur Reichsarmee stoßen sollten. Darin lag eine Inkonsequenz, der die regionale Kreisgliederung des Reiches durchbrach und auf spätere föderalistische Entwicklungen verwies. Zu den „Geburtsfehlern" der Reichskriegsverfassung im Hinblick auf die fehlende zentrale Befehlsstruktur und die Interessenreservate der armierten Reichsstände s. Max Plassmann, Krieg und Defension am Oberrhein. Die Vorderen Reichskreise und Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden (1693-1706), Berlin 2000, S. 36.
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französischen Réunionen für zunächst zehn Jahre anerkennen. Doch eben das Zusammentreffen zweier Bedrohungssituationen in den Jahren 1683/84 kennzeichnete eine Zäsur 23 sowohl in der inneren Politik des Reiches wie auch in der französischen Politik gegenüber dem Reich. Ludwig XIV. hatte die Notlage des Reiches politisch ausgenutzt. Er hatte sich offen gegen den Kaiser gestellt, der als Verteidiger des Reiches gegen die Türken erfolgreich war. Frankreich geriet politisch und propagandistisch in die Defensive. Dies zeigte sich, als Ludwig XIV. die Härte seiner Politik bis zum kalkulierten Terror 2 4 steigerte. Die Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 erregte im protestantischen Europa einen Sturm der Empörung. In einer Phase ohnehin gespannter Beziehungen trug der konfessionelle Gegensatz zur Lockerung der Klientelverhältnisse bei. Die protestantischen Reichsstände - allen voran Brandenburg, das bis dahin engster Verbündeter Frankreichs im Reich gewesen war - rückten von Frankreich ab und nahmen die verfolgten Hugenotten auf. Im Pfälzischen Erbfolgekonflikt trugen dann 1688 französische Invasionstruppen eine Art der Kriegsführung in das Reich, deren systematische und radikale Zerstörungswirkung sich traumatisch tief in das kollektive Gedächtnis einprägte. Die zivilisatorische und rechtliche Maßstäbe mißachtende, konfessionell intolerante Politik Frankreichs Schloß über konfessionelle Gegensätze hinweg eine militärisch erfolgreiche Gegenkoalition zusammen. 25 Der Rijswijker Friede von 1697 brachte Frankreich erstmals nach dem Westfälischen Frieden den Verlust von Territorien und Ansprüchen auf dem Gebiet des Reiches. Frankreichs hegemoniale „Grenz- und Sicherheitspolitik" im Deutschen Reich war unter dem Gegendruck einer reorganisierten Reichsverteidigung 23 Aretin, Das Alte Reich, Bd. I, S. 314. 24
Kurt von Raumer, Die Zerstörung der Pfalz von 1689 im Zusammenhang der französischen Rheinpolitik, München/Berlin 1930 ( N D Darmstadt 1982), S. 196, 273; Charles Boutant, L'Europe au grand tournant des années 1680: La succession palatine, Paris 1985, S. 897, 899: „acte odieux et inutile". 25
Duchhardt, Absolutismus, S. 68.
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an seine Grenze gestoßen. Die Reichsstände sahen ihre territoriale Integrität und Souveränität von Frankreich stärker bedroht als vom habsburgischen Kaiser, dessen Großmachtinteressen 26 sich nach dem Sieg über die Türken zudem stärker auf Südosteuropa richteten. Zeichen dieser neuen Interessenbalance innerhalb des Reiches war die militärisch erfolgreiche Kooperation des Kaisers und der Reichsstände in den Verteidigungsassoziationen der Reichskreise. Sie gaben den interkonfessionellen Koalitionen Rückhalt, die im Frieden von Utrecht das Ende der Ära Ludwigs XIV. mit dessen diplomatischer Niederlage besiegelten.27 III. Feindbilder und neues Europabewußtsein Zwei Jahrzehnte nach dem Westfälischen Frieden brachte die Garantiemacht Frankreich dem Deutschen Reich Krieg. Die Rechtsbrüche und Gewaltmaßnahmen erschütterten den mühsam stabilisierten Frieden und das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung, die durch das Erlebnis des Dreißigjährigen Krieges traumatisiert war. 2 8 U m so mehr brach sich das allgemeine Bedürfnis nach Sicherheit und Information an dem herrscherlichen Selbstverständnis der Zeit, nach dem Kriege im Arkanum der Kabinette gelenkt wurden. Deshalb nahmen Flugschriften und gelehrte Traktate als Propaganda- und Informationsschriften großen Aufschwung. Sie trugen in hohem Maße den „intergouvernementalen Diskurs" 2 9 über Grundfragen der 26 Georg Schmidt, Angst vor dem Kaiser?, in: Heinz Duchhardt/ Matthias Schnettger (Hrsg.), Reichsständische Libertät und Habsburgisches Kaisertum, Mainz 1999, S. 329-348, 343 ff. 27 Zu den Ergebnissen des Friedensvertrages s. Duchhardty Absolutismus, S. 74. 28 Johannes Burkhardt y Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt a. Main 1992, S. 233. 29
Dazu eingehend Wolfgang Burgdorf, Reichskonstitution und Nation. Verfassungsreformprojekte für das Heilige Römische Reich deutscher Nation im politischen Schrifttum von 1648 bis 1806, Mainz 1998, S. 30-37.
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Reichsverfassung und -reform sowie der aktuellen Politik. In ihnen traten die Feindvorstellungen der Epoche zutage. Ein Erfolg der zunehmend auch in deutscher Sprache erscheinenden antifranzösischen Publizistik war die Umwertung des Kampfbegriffs „Universalmonarchie". Dieser althergebrachte, von der französischen Propaganda geschürte Vorwurf gegen das Haus Habsburg 30 wurde erfolgreich auf das Haus Bourbon umgelenkt und durchschlagskräftig gemacht. 31 Vertieft werden soll dies anhand des polemischen Begriffs „Erbfeind" und damit zusammenhängend - anhand der Herausbildung einer neuen Sicherheitsvorstellung um den Begriff „Europa". Die Stigmatisierung Frankreichs als „Erbfeind" der Christenheit und des Heiligen Römischen Reiches ist ein schlagendes Beispiel für die erfolgreiche Übertragung eines tradierten Feindbildes auf eine neue, moderne Feindkonstellation. Die Polemik gegen den Erbfeind war seit dem ausgehenden Mittelalter auf den Türken, den so genannten „Erbfeind des christlichen Glaubens", bezogen. Der türkische „Erbfeind" erschien in der politischen Sprache der beginnenden Neuzeit als doppelter Feind: Noch im Sinne der mittelalterlichen Theologie war er der „Teufel", zugleich aber im politisch-militärischen Sinn der Feind der Staatenordnung des christlichen Europa. Damit war der ursprünglich religiöse Begriff übertragbar auf den politischen Feind, dem man zugleich den wahren christlichen Glauben absprechen wollte. Frankreich zur Zeit Ludwigs X I V . bot dafür eine besonders geeignete Angriffsfläche. Aus der Koinzidenz der Angriffe auf Wien und die spanischen Niederlande im sog. ,Türkenjahr 4 1683 schlossen die Zeitgenossen auf eine 30 Zur Ambivalenz des Begriffs „Universalmonarchie" und zu seinem schrittweisen Funktionswandel von einer positiven Selbstbezeichnung zu einem Kampfbegriff s. Bosbach, Monarchia Universalis, S. 56 ff., 117 f.,
126. 31 Winfried Dotzauer, Der publizistische Kampf zwischen Deutschland und Frankreich in der Zeit Ludwigs XIV. Der Publizist Antoine Aubery und seine Gegner (1667-1669). „Des iustes prétentions du Roy sur l'Empire", in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 122 (N.F. 83) 1974, S. 99-123 (113).
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Koordination der osmanischen und französischen Angriffspolitik. Die besondere Pointe aber lag darin, daß sich der französische Monarch von seinem propagierten Selbstverständnis her zugleich als „Roi très chrétien", als ältester Sohn der Kirche, verstand. Damit war der satirischen Gegenpropaganda das Argument geliefert. Sie trat an, Ludwig als Glaubensfeind aus der Gemeinschaft der christlichen Herrscher Europas auszuschließen: Dem Sonnenkönig wurde empfohlen: „[Changez] ce nom ridicule de très chrestien en celui de très turc, et le symbole du soleil en celui de la lune" 3 2 - der Sonnenkönig als ,König des Halbmonds 4 . Auf dem Höhepunkt seiner außenpolitischen Expansionskraft, der mit der türkischen Niederlage 1683 zusammenfiel, wurde Frankreich nicht nur mit dem türkischen Erbfeind verglichen, sondern es war der neue Erbfeind des Heiligen Römischen Reiches.33 Als der Reichstag 1689 nach den französischen Verheerungen in der Pfalz Türken und Franzosen „beede gleiche unchristliche feinde" nannte, war die kaiserliche Propaganda mit ihrer Erbfeindstigmatisierung am Ziel: In der Rivalität mit dem katholischen Habsburg wurde dem „allerchristlichsten König" jede religiöse Legitimität seiner Politik abgesprochen. Zugleich wurde er auch politisch als Erbfeind geächtet.34 A m Beispiel der Hegemonialpolitik Ludwigs XIV. wird damit ein allgemeiner Umbruch in der politischen Sprache deutlich. Der Kampfbegriff des „Erbfeinds" behielt zwar seine religiöse rhetorische Kraft, löste sich aber von seinem christlichen Ursprung und wurde zur universell einsetzbaren Waffe gegen den politischen Feind. 35
32 Franz Bosbach, Der französische Erbfeind. Zu einem deutschen Feindbild im Zeitalter Ludwigs X I V , in: ders. (Hrsg.), Feindbilder, Köln u.a. 1992, S. 117-139 (129, Anm. 25). 33 34
Bosbach, Der französische Erbfeind, S. 132 f.
Der Begriff „Erbfeind" wurde nicht das erste Mal gegen einen französischen König gewandt. Bereits Franz I. war gelegentlich als Erbfeind bezeichnet wurden. Ludwig XIV. jedoch erschien als die Verkörperung des Erbfeinds. 35 Bosbach, Der französische Erbfeind, S. 139.
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Die gleiche Strukturveränderung, die Ablösung von der tradierten religiösen Begriffswelt, liegt der Neufassung des Begriffs „Europa" und seinem Aufschwung im ausgehenden 17. Jahrhundert zugrunde. 36 Spätestens nach dem ,Türkenjahr' 1683, in dem sich nochmals die Solidargemeinschaft der „christianitas" gegen die muslimische Bedrohung bewährt hatte, entsprach es allgemeiner Anschauung, daß fortan die größte Bedrohung des europäischen Friedens von Ludwig X I V . ausgehe. Ursprünglich war der Begriff „Europa", verstanden als staatliche Solidargemeinschaft gegen einen Angreifer, nicht gegen Frankreich, sondern gegen die Drohung einer habsburgisch-spanischen „Universalmonarchie" gerichtet worden. Noch Richelieu hatte 1624 den französischen König als Verteidiger Europas gegen Habsburg gepriesen und Europa in dem tradierten Sinn mit „chrétienté" gleichgesetzt.37 N u n war aber gegen Ludwig XIV. als Hegemon und Aggressor nicht mehr der Begriff der „christianitas" zu mobilisieren, zumal der französische König als „roi très chrétien" weiterhin die Verteidigung der „chrétienté" beanspruchte. 38 Dieser begrifflichen und politischen Usurpation des Christlichen stellte sich ein neues Gegenkonzept der Sicherheit entgegen. Es wurde insbesondere aus den von Frankreich bedrohten protestantischen Staaten immer nachdrücklicher vorgetragen: das Konzept des Gleichgewichts, 39 der „balance of power". 36
Zu den Merkmalen und Wirkungen des seit dem 18. Jahrhundert einsetzenden Europadiskurses vgl. Wolfgang Burgdorf „Chimäre Europa". Antieuropäische Diskurse in Deutschland (1648-1999), Bochum 1999, S. 33 f. 37 Klaus Malettke, Europabewußtsein und europäische Friedenspläne im 17. und 18. Jahrhundert, in: Francia 21 (1994), S. 63-94 (72 f.); ders. (Hrsg.), L'„Equilibre" Européen face à La Monarchia Universalis: Les Réactions Européennes aux Ambitions Hégémoniques, in: ders. (Hrsg.), Imaginer l'Europe, Paris 1998, S. 117-128. 38 H. D. Schmidt , The Establishment of »Europe4 as a political expression, in: The Historical Journal, IX, 2 (1966), S. 172-178 (176) unter Hinweis auf die Friedensvcrhandlungen von Rijswijk, bei denen die englische Delegation den Begriff „Europe" stärkte.
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Politisch wirkungsmächtig wurde es erstmals in der englischen Whig-Propaganda und in den Niederlanden, die sich durch die katholischen Monarchien fundamental bedroht sahen. Die Freiheit und Sicherheit Europas (the „Liberty of Europe") wurde zum Widerlager jedes Machtanspruchs einer „Universalmonarchie". Als auch der führende Pamphletist des katholischen Habsburg, Franz von Lisola, seinerseits Frankreich als Bedrohung des Gleichgewichts und der Freiheit in Europa anprangerte, 40 war der Weg geebnet für einen modernen, interkonfessionellen Europabegriff. Aus der „religiös verkleideten Machtfrage zwischen dem katholischen Frankreich einerseits ... den protestantischen Mächten andererseits", wie es Winfried Schulze formuliert hat, entstand der neue, säkularisierte Begriff „Europa", der die „christianitas" als politischen Handlungsrahmen ablöste. 41 Nicht die politische Bedeutung des Wortes Europa war neu, wohl aber seine Ablösung von christlichen Gehalten. Der somit entstehende neue Begriff „Europa" war ein antihegemoniales, säkulares Sicherheitskonzept. Die alte inhaltlich definierte Vorstellung von Europa als Gemeinschaft
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Beginnend in der Staatentheorie des 16. Jahrhunderts, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch in Frankreich gegen den habsburgischen Anspruch der „Universalmonarchie", s. Malettke, Imaginer l'Europe, S. 118 f.; Wolf D. Gruner, Deutschland und das Europäische Gleichgewicht seit dem 18. Jahrhundert, in: ders. (Hrsg.), Gleichgewicht in Geschichte und Gegenwart, Hamburg 1989, S. 60-133 (S. 73 ff.). 40 Schmidt, The Establishment of »Europe4, S. 173; Ernst Kaeber: Die Idee des europäischen Gleichgewichts in der publizistischen Literatur vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Berlin 1907, S. 49 f. 41 Winfried Schulze, Europa in der Frühen Neuzeit - Begriffsgeschichtliche Befunde, in: Heinz Duchhardt/Andreas Kunz (Hrsg.), „Europäische Geschichte" als historiographisches Problem, Mainz 1997, S. 35-65 (57); Heinz Gollwitzer, Europabild und Europagedanke. Beiträge zur deutschen Geistesgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, 2. Auflage München 1964, S. 48; dagegen Heinz Mohnhaupt, „Europa" und „ius publicum" im 17. und 18. Jahrhundert, in: Aspekte europäischer Rechtsgeschichte (Festgabe für Hans Coing), Frankfurt 1982, S. 207-232 (214), der die fortwirkende Verbindung von Christentum und Europa auch im 18. Jahrhundert betont.
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der „Christenheit" wurde abgelöst durch eine formelle, neutrale, mechanistische Gleichgewichtsvorstellung. 42
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wert-
Ihrem Entstehungsanlaß und ihrer Stoßrichtung nach war diese neue Europakonzeption eine antifranzösische. 43 Politisch gelangte sie im Friedensvertrag von Utrecht 1714 zum Durchbruch. Darin wurde nunmehr auch Frankreich in das System der „balance of power" eingebunden, das sich zum Ziel setzte: „le repos et la s[e]ureté de l'Europe". 4 4 Mit seiner Anerkennung in einem zentralen völkerrechtlichen Dokument löste sich die Verwendung des Begriffs „Europa" von seinem antifranzösischen Entstehungsanlaß und nahm die allgemeine Bedeutung eines antihegemonialen Sicherheitskonzepts an. Begleitet und vorangetrieben wurde die Durchsetzung des neuen Europakonzepts während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch eine Fülle periodischer Publikationen zum Thema Europa. 45 Im folgenden Jahrhundert wurde die Formel „Europa" bzw. „europäisch" so häufig verwendet wie in keiner anderen Phase des frühneuzeitlichen Europa. 46 Inmitten der fruchtbaren „Krise des europäischen Bewußtseins", wie Paul Hazard 4 7 es genannt hat, entstand ein neues Europabewußsein. Im Alten Reich schlug sich der Aufschwung des Begriffs „Europa" in zwiespältiger Weise nieder. Einerseits kam dem 42
Malettke, Europabewußtsein und europäische Friedenspläne, S. 79. Zumal die profranzösische Propaganda (z.B. Aubery) die Begründung des Hegemonialanspruchs gerade nicht - mehr - auf das Konzept „Europa", sondern ältere fränkisch-karolingische Reichsvorstellungen stützte (s. Burgdorf „Chimäre Europa", S. 46). Von daher wurde der Begriff „Europa" frei und ließ sich gegen Frankreich wenden. 44 Winfried Schulze, Europa in der frühen Neuzeit, S. 57. 45 Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. I, München 1988, S. 196; Heinz Duchhardt, Europabewußtsein und politisches Europa - Entwicklungen und Ansätze im frühen 18. Jahrhundert am Beispiel des Deutschen Reiches, in: August Buck (Hrsg.), Der EuropaGedanke, Tübingen 1992, S. 120-133 (120). 46 Malettke, Europabewußtsein, S. 64. 47 Paul Hazard, La crise de la conscience europénne, 1680-1715, Neuauflage Paris 1993. 43
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Reich die antihegemoniale, antifranzösische Europakonzeption zugute. Das neue Jus Publicum Europaeum, das die zunehmenden zwischenstaatlichen Rechtsbindungen in Europa systematisierte und fortentwickelte, erlebte eine Blütezeit an den Universitäten des Reiches, die im Völkerrecht eine führende Stellung in Europa einnahmen. 48 Insbesondere unter den juristisch gebildeten Führungsschichten des Reiches und der europäischen Staaten wuchs das Bewußtsein eines gemeinsamen Bestandes an staatlichem Recht und zwischenstaatlicher Rechtsbindungen untereinander. 49 Aber inwieweit kann man deshalb mit Heinz Duchhardt auch im Reich von einem ,,deutliche[n] Mentalitätswandel zugunsten der Idee und der Wirklichkeit Europas" 50 sprechen? Dabei geht es nicht um die mangelnde gesellschaftliche Tiefenwirkung des Europabewußtseins, das sich zweifellos auf eine kleine Elite des gelehrten Publikums beschränkte. Es geht um die Frage, ob im Alten Reich eine Europakonzeption mit politischer Stoßrichtung entstand, wie sie der balance of powerDoktrin im angelsächsisch-protestantischen Raum entsprach. Dies hätte nach den Erfahrungen mit dem französischen Hegemonialdruck nahegelegen. Eben daraus hatte ja die frühe Entstehung und Durchsetzung des Gleichgewichtsgedankens in England und den Niederlanden seine Stoßkraft bezogen. Tatsächlich aber blieb das deutsche Denken in europäisch-politischen Kategorien vergleichsweise unterentwickelt und wenig originell. 51 Zwar entwarf Leibniz eine europäische Vision des Alten Reiches und entwickelt sich ein europäisches Geschichts48
Mohnhaupt, „Europa"; Dieter Wyduckel, Recht, Staat und Frieden im Jus Publicum Europaeum, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit, Köln/ Wien 1991, S. 185-204. 49 Malettke, Europabewußtscin, S. 79; Wyduckel, Recht, Staat und Frieden, S. 185, 199 ff.; Mohnhaupt, „Europa" und „ius publicum", S. 210 ff., 231 f. 50 Duchhardt, Europabewußtsein, S. 120. 51 Schulze, Europa in der Frühen Neuzeit, S. 60 f.; Duchhardt, Europabewußtsein, S. 123, 126.
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denken in der akademischen Historiographie (z.B. Gundling, Ludewig, Gebauer). Doch fehlt es diesen Entwürfen an systematischer Kohärenz, vor allem an einem politischen Gegenbild. Das Alte Reich wurde nicht in seinem äußeren Bestand bedroht gesehen. Es erschien nicht als tragender Bestandteil einer Sicherheitskonzeption Europas, die eine gemeinsame Wert- und Schicksalsgemeinschaft zu verteidigen hätte. Das Reich wurde vielmehr selbst als Modell für die europäischen Verhältnisse gedacht. 52 Die deutschen Staatenhistoriker und Staatenkundler sahen den europäischen Gleichgewichtsgedanken in dem austarierten Konfliktbewältigungssystem des Heiligen Römischen Reiches selbst vorbildhaft verwirklicht. 5 3 In dieser introvertierten Perspektive war Europa jenseits der Reichsgrenzen eine Addition fremder Staaten - ein Deskriptivum, 5 4 kein Politikum. Das galt um so mehr für die Kritiker 52 Schulze, Europa in der Frühen Neuzeit, S. 61 f.; Vgl. das Kernargument, die Durchsetzung und Aufrechterhaltung der staatlichen Souveränität gegenüber einem europäischen Staatenbund, insbes. bei Eobald Toze, s. Duchhardt, Europabewußtsein, S. 126, 128; zur durchgehenden Distanz gegenüber Gleichgewichtsgedanken im Alten Reich bei Eberhard v. Vietsch, Das europäische Gleichgewicht, Leipzig 1942, S. 212 ff.; Johann Jacob Schmauß, Historie der Balance von Europa, 1741, S. 400: „allgemeiner Ruhestand von Europa und eines Gleichgewichts der Potenzen"; Louis Martin Kahle, La Balance de l'Europe considérée comme la Règle de la Paix et de la Guerre, Berlin-Göttingen 1754, S. 113; zur Schlüsselstellung und Modellfunktion des Reiches als „Mitte von Europa" s. Hansjakob Stehle, Leibniz* Version eines geeinten Europa, in: Albert Heinekamp/Isolde Hein/Stiftung Nicdersachsen (Hrsg.), Leibniz und Europa, Hannover 1993, S. 11-39 (19) sowie Hans-Peter Schneider, Fürstenstaat, Reich und Europa. Leibniz zwischen dynastischen Interessen, föderativer Reichsidee und europäischer Union, a.a.O., S. 139-166 (154); übernommen auf französischer Seite von Abbé de Saint-Pierre und Rousseau, s. Olaf Asbach, Die Reichsverfassung als föderativer Staatenbund. Das Alte Reich in der politischen Philosophie des Abbé de Saint-Pierre und Jean-Jacques Rousseaus, in: Olaf Asbach/Klaus Malottke/Sven Externbrink (Hrsg.), Altes Reich, Frankreich und Europa, Berlin 2001, S. 171-218 (176 ff.). 53 Schulze, Europa in der Frühen Neuzeit, S. 61; Burgdorf, „Chimäre Europa", S. 51 f, 222. 9 Wahl/Wieland
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des Reichsrechts: Je dysfunktionaler sich dieses im Reichsverband erweise, desto weniger vermöge es einem europäischen Rechtsverband als Vorbild zu dienen. 55 Das Reich als Mitglied und zugleich Gefährdungsobjekt einer europäischen Staatengemeinschaft geriet dabei um so mehr aus dem Blick, als es nach dem Ende der osmanischen und französischen Bedrohung vor Hegemonialbestrebungen gesichert zu sein schien. Diese Binnenfixierung der deutschen Staatslehre auf ein rechtlich geordnetes Gefüge der Friedenssicherung klammerte das Machtproblem des neuen europäischen Gleichgewichtssystems aus. Die Literatur bildete damit ab, was sich nach 1715 in der staatlichen Praxis vollzog. Die europäischen Großmächte und das Reich gingen getrennte Wege. 56 Resümee Kehrt man zurück zur Themenstellung „Frankreich im Deutschen Reich", so stellt sich die Frage: Worin bestanden die fortdauernden, auch langfristigen Wirkungen der ludovizianischen Reichspolitik? Zielt diese Frage auf den politischen und militärischen Erfolg der französischen Hegemonialanstrengungen, so fällt sie vorderhand negativ aus. Das Reich hatte sich nicht in einen föderativen Staatenverbund aufgelöst, dessen führende Souveräne eng mit Frankreich gegen Habsburg assoziiert waren. Frankreich war als Hegemonialmacht im Reich gescheitert. Es wurde propagandistisch wirksam mit dem 54
Zum Charakter der „Statistik" und enzyklopädischen Funktion dieser Literatur s. Mohnhaupt, „Europa", S. 223 f. 55 Burgdorf, „Chimäre Europa", S. 222, der die „Ambivalenz" in der Bewertung des Reichsrechts für Europa - im Widerstreit zwischen Befürwortern und Gegnern seines Modellcharakters betont. Ders., Imperial Reform and Visions of a European Constitution in Germany around 1800, in: History of European Ideas, Vol. 19, Nos. 1-3, 1994, S. 401408, bezieht seine Beispiele für die These, daß Reichsreformüberlegungen und europäische Einigungsbestrebungen vielfach miteinander verknüpft waren, überwiegend aus den letzten zwei Jahrzehnten vor dem Untergang des Reiches. 56
Karl Otmar Frhr. von Aretin, Das Reich, Stuttgart 1986, S. 75, 206.
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Feindbild der „Universalmonarchie" belegt und am Ende der Regierungszeit Ludwigs XIV. in einem System des europäischen Gleichgewichts eingehegt. Die französische Hegemonialpolitik rief das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung hervor: Der Reichszusammenhalt veränderte und verfestigte sich strukturell. Verglichen mit dem Regierungsantritt Ludwigs X I V . war das Reich am Ende seiner Regierungszeit nach außen fester gefügt. Der Regensburger Reichstag war zu einem zentralen Ort der Beratung aufgestiegen, mit der Reichskriegsverfassung definierte sich das Reich als Verteidigungsverband. Die Reichskreise wurden in ihrer neuen Wehrfunktion aktiviert, 57 der Kaiser als zentrale Macht gestärkt, die das Reich nach außen repräsentierte. Es ergibt sich nach allem, daß Frankreichs Expansion die beabsichtigte Umgestaltung des Reiches in einen föderativen Staatenbund, wie er als Möglichkeit in der Konstruktion des Westfälischen Friedens durchaus angelegt war, nicht förderte sondern hemmte. Blockierte Frankreich damit die Entwicklung im Deutschen Reich? Hierbei stehenzubleiben, hieße die historische Perspektive zu verkürzen. Abschließend sollen die langfristigen Wirkungen des ludovizianischen Frankreich im Deutschen Reich in den Blick genommen werden. Zunächst fällt auf, daß die Kraft hierarchischer Restrukturierung des Reiches nur so weit reichte wie die äußere Bedrohung. Nachdem der französische Hegemonialdruck mit Ludwig XIV. seinen Höhepunkt überschritten hatte, bevor er erst unter Napoleon I., an der Wende zum 19. Jahrhundert, zur Auflösung des Alten Reiches führte, fiel das Reich zurück in einen Zustand der ,Entpolitisierung' 58 und Desintegration. Der Kaiser konzentrierte sich auf das habsburgische Großmachtinteresse in Südosteuropa, während im Westen und Norden des Reiches die Kronprojekte der Kurfürsten den Reichszusammenhalt aufweichten. 59 N u n zeigte sich, 57
Einschränkend Dotzauer y Die deutschen Reichskreise (1383-1806), S. 40 ff. 58 Aretin, Das Reich, S. 50; Dotzauer, Die deutschen Reichskreise, S. 75. 9*
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daß Frankreich zwar nicht mehr als Hegemonial-, wohl aber als Gegenmacht zu Habsburg weiterhin über seine Klientel Einfluß im Reich ausübte. Entscheidend aber war die langfristige Wirkung der Gegen macht als kulturelles und politisches Gegenmodell zum ständisch-hierarchischen Reichsgefüge. Es lag in der Logik des transferierten Modells, daß an den Höfen einerseits die militärische Expansion Frankreichs als Bedrohung der territorialen Integrität abgewehrt, andererseits der Absolutismus Ludwigs X I V . als Modell der Herrschaftsrepräsentation zum Leitbild erhöht, kopiert 6 0 und in der politischen Theorie breit rezipiert wurde. Der Absolutismus wurde kulturell hegemonial. Pufendorfs Imagination der „regulär Monarchi" Frankreichs zeugt davon. Das ludovizianische Frankreich wurde zum Modell reaktiver Staatenbildung. 61 Seine wohl stärkste politische Wirkung im Reich übte es auf das Kurfürstentum, seit 1701 das Königreich Brandenburg-Preußen aus. Kein Reichsstand setzte den absolutistischen Staatsgedanken ähnlich konsequent durch, ließ seinen umfassenden Militärapparat in derart hohem Maße von Frankreich mitfinanzieren und vermochte als Militärmonarchie das französische V o r b i l d 6 2 militärischer Kraftkonzentration noch
59 Heinz Duchhardt, Altes Reich, S. 28. Für die Denkmalspolitik und Selbstdarstellung des ersten preußischen Königs Friedrichs I.: Thomas H. von den Dunk, Vom Fürstenkultbild zum Untertanendenkmal. Öffentliche Monumente in Brandenburg-Preußen im 17. und 18. Jahrhundert, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte N.F. 7 (1997), S. 177-210 (178, 195). 61 Zur Vorbildwirkung Frankreichs als „Keimzelle moderner Staatlichkeit", die in Konkurrenz zur Reichsidee trat, s. Jürgen Schatz, Imperium, Pax et Justitia, Berlin 2000, S. 234 ff., in: Johannes Kunisch/Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung in der europäischen frühen Neuzeit, Berlin 1986, S. 213-248, (aber S. 271 f.: Überlegenheit des Reiches). 62 Hans Schmidt, Staat und Armee im Zeitalter des miles perpetuus, S. 214 f., 221 f.: in Frankreich Verstaatlichung des Militärs, in Preußen Militarisierung des Staates. 60
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zu übertreffen. 63 Der dem Frankreich Ludwigs XIV. in Organisation und expansiver Dynamik am nächsten stehende deutsche Territorialstaat bildete denn auch den Sprengsatz im Herrschaftsgefüge 64 des Alten Reiches. Preußens Aufstieg zur europäischen Großmacht zeigt den Einbruch des modernen Machtstaatsgedanken, der das Gleichgewicht des Alten Reiches als Modell Europas zerstörte. Die territorialen Hegemonialanstrengungen Ludwigs XIV. im Reich waren gescheitert. Doch verwiesen sie auf das Paradigma der Macht in den Staatenbeziehungen Europas, an dem das europäische Gleichgewicht und mit ihm das Alte Reich zerbrachen.
63
Ulnch Mublack, Absoluter Fürstenstaat und Heeresorganisation in Frankreich im Zeitalter Ludwigs XIV., in: Johannes Kunisch/Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Staatsverfassung und Hecresverfassung in der europäischen Geschichte der frühen Neuzeit, S. 249-278 (264): zum Vergleich zwischen der „militärischen Prägung" des französischen Staates und der „Militärmonarchie" Brandenburg-Preußen. 64 Malettke, Europabewußsein, S. 88.
Multikulturalität und Grundrechte Von Dieter Grimm, Berlin I. Das Problem Die Frage nach dem „Recht des Menschen in der Welt", der sich dieses Kolloquium widmet, ist nicht nur die Frage nach universal geltenden Menschenrechten und also nach einem Weltrecht. In Zeiten weltweiter Migration ist es auch die Frage nach dem Recht des Menschen in einer anderen lokalen Welt als derjenigen, aus der er stammt. Es ist die Frage nach seinem Recht, dort als Fremder weiter in denjenigen Formen zu leben, die ihm aus seinem Heimatland vertraut, vielleicht sogar heilig sind. Es ist damit zugleich aber auch die Frage nach dem Recht der Einheimischen, ihre Lebensweisen und Werthaltungen samt den normativen Verfestigungen, die diese erfahren haben, von den zugewanderten Fremden beachtet zu sehen. Aus diesem Zusammentreffen ergibt sich ein beträchtlicher Konfliktstoff, der von weltrechtlichen Lösungen noch weit entfernt ist. Man kann aber auch nicht feststellen, dass innerhalb Deutschlands - oder anderer europäischer Länder, die vor demselben Problem stehen - schon eine Lösung gefunden sei. Die Gesellschaft schwankt vielmehr zwischen zwei Polen. A m einen Ende der Skala steht der Assimilationszwang: Wer hier auf längere Dauer leben will, muss sich anpassen. A m anderen Ende steht die Kulturfreiheit: Niemand darf in der Fremde seiner eingewurzelten Lebensformen und Eigenheiten beraubt werden. Dahinter verbirgt sich einerseits die Furcht vor Uberfremdung: man kann sich im eigenen Land nicht mehr zu Hause fühlen; andererseits die Furcht vor einem Kulturimperialismus: man zwingt anderen Wertvorstellungen und Verhal-
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tensformen auf, die nicht die ihren sind und die sie freiwillig nicht akzeptieren würden. Die Konflikte, die sich aus dem Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen ergeben, münden nicht selten in Rechtsstreitigkeiten. Dort stellt sich die Frage dann gewöhnlich nicht im Großformat, sondern punktuell als Kollision zwischen Geoder Verboten des einheimischen Rechts und bestimmten religiös begründeten Verhaltensanforderungen oder kulturell eingeübten Gewohnheiten des Herkunftslandes. Kollisionen dieser Art sind nicht von vorn herein zugunsten der allgemein geltenden Rechtsordnung auflösbar, weil sich die Zuwanderer für ihre Werthaltungen und Lebensformen auf Grundrechte berufen können, bei deren Formulierung an den Konflikt zwischen unterschiedlichen oder sogar gegensätzlichen Kulturen zwar noch nicht gedacht war, die aber in ihrer allgemeinen Fassung gleichwohl auch für ihn Maßstäbe setzen. Vor einer Antwort auf die Frage, wie sich die Grundrechte in kulturellen Konflikten auswirken, scheint es nützlich, sich über die Anlässe ein Bild zu verschaffen. Reichhaltiges Anschauungsmaterial liefert die Rechtsprechung. 1 - Kann ein Motorrad fahrender Sikh unter Berufung auf seine religiöse Pflicht, einen Turban zu tragen, Befreiung von der allgemein geltenden Helmpflicht verlangen? - Ist es einem jüdischen Häftling zuzumuten, dass er die allgemeine Gefängniskost isst, oder muss ihm koscheres Essen vorgesetzt werden? - Hat ein islamischer Arbeitnehmer das Recht, seine Arbeit kurzzeitig für die von der Religion vorgeschriebenen Gebete zu unterbrechen? - Kann ein Arbeitnehmer wegen Nichterscheinens zur Arbeit an den hohen Feiertagen seiner Religionsgemeinschaft gekündigt werden?
1
Zusammengetragen etwa in Walter konflikt, 2000.
Kälin, Grundrechte im Kultur-
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- Verliert ein aus diesen Gründen entlassener Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung? - Muss jüdischen Kaufleuten die Geschäftsöffnung am Sonntag erlaubt werden, weil sie am Samstag aus religiösen Gründen keine Verkäufe tätigen dürfen? - Hat eine islamische Schülerin ein Anrecht darauf, vom koedukativen Sportunterricht befreit zu werden, weil sie sich dem anderen Geschlecht nicht in Sportkleidung zeigen darf? - Dürfen islamische Schülerinnen in der Schule das Kopftuch tragen? - Wie verhält es sich, wenn es nicht um Schülerinnen, sondern um Lehrerinnen einer öffentlichen Schule geht? - Gilt für Ordensschwestern etwas anderes als für islamische Lehrerinnen? - Können Zuwanderer verlangen, Verstorbene ohne Rücksicht auf die einheimische Friedhofsordnung nach den Vorschriften ihrer Religion zu bestatten? - Dürfen die deutschen Behörden von einer Ausländerin, die in ihr Heimatland abgeschoben werden soll, verlangen, dass sie für ein Foto den Schleier anlegt, weil das Aufnahmeland nur Passfotos mit Schleier anerkennt? - Muss in deutschen Städten der mit Lautsprecher übertragene Ruf des Muezzin genauso zugelassen werden wie das Glockengeläut der christlichen Kirchen? - Dürfen Eltern ihrem todkranken Kind aus religiösen Gründen Bluttransfusionen verweigern? - Muss Fremden das religiös gebotene Schächten erlaubt werden, obwohl es den einheimischen Tierschutzregeln widerspricht? - Können ausländische Eltern ihren kulturellen Gewohnheiten gemäß ihre Töchter von höherer Bildung ausschließen oder ohne ihr Einverständnis verheiraten?
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- Ist eine Befreiung von der Schulpflicht nötig, wenn die öffentliche Schule Erziehungsziele verfolgt, die den Wertvorstellungen einer fremdkulturellen Gruppe widersprechen? - Muss Zuwanderern die Polygamie hier gestattet werden, wenn sie ihnen im Herkunftsland erlaubt ist? Die Liste ist nicht auf Vollständigkeit angelegt. Hinter ihr sollte auch kein verborgenes Prinzip gesucht werden. Zweierlei wird aber auch ohne systematische Aufbereitung deutlich. Zum einen handelt es sich bei dem Grundrecht, auf das sich die Zuwanderer berufen können, besonders häufig um die Religionsfreiheit, die dadurch eine ganz neue Aktualität gewinnt. Das hängt zum Teil mit der Abstinenz des Grundgesetzes gegenüber kulturellen Konflikten zusammen. Es geht aber auch darauf zurück, dass die Quelle dieser Konflikte vielfach in Religionsunterschieden liegt. Daneben spielt das Elternrecht eine erhebliche Rolle. Zum anderen spitzen sich die Konflikte besonders häufig im besonderen Gewaltverhältnis, allem voran in der Schule, daneben in Arbeitsverhältnissen und in der Familie zu. Auch die Begehren lassen sich einteilen. Zum einen geht es um Dispense von allgemein geltenden Rechtsnormen. Dieser Fall tritt wiederum in zwei Untergruppen auf. Entweder gebieten die einheimischen Gesetze etwas, das die Religion oder Kultur der Zuwanderer untersagt, oder sie verbieten etwas, das Religion oder Kultur fordert. Zum anderen geht es um Ansprüche auf staatliche Leistungen, damit religiöse Gebote erfüllt oder kulturelle Gewohnheiten beibehalten werden können. Auch hier lassen sich wieder zwei Unterfälle unterscheiden. Entweder wird vom Staat Gleichbehandlung mit einheimischen Religionen oder Kulturen verlangt oder es werden unter Berufung auf Erfordernisse der eigenen Religion oder Kultur Vergünstigungen beansprucht, die Einheimischen nicht zugutekommen. Die Grenze zwischen diesen beiden Fallgruppen ist allerdings nicht starr. Das hängt vor allem damit zusammen, dass Freiheitsprobleme in Gleichheitsprobleme umgedeutet werden
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können und umgekehrt. So kann eine allgemein geltende Freiheitsbeschränkung dann die Gleichheitsfrage aufwerfen, wenn sie aufgrund der tatsächlichen Situation nur oder spezifisch eine durch gemeinsame Merkmale definierte Gruppe betrifft. Aus dem Arbeitsrecht ist das als Problem der mittelbaren Diskriminierung weiblicher Beschäftigter oder Arbeitsuchender bekannt. Umgekehrt kann eine gesellschaftliche Differenzierung zwischen Personengruppen grundrechtliche Freiheiten berühren, wenn sie die Voraussetzungen des Freiheitsgebrauchs ungleich verteilt.
II. Der grundrechtliche Ansatz Fragt man, was sich aus den Grundrechten zur Lösung derartiger Konflikte ergibt, so muss zunächst geklärt werden, welche Grundrechte thematisch einschlägig sind und wofür sie Schutz versprechen. Ein Grundrecht auf Gruppenidentität von Migranten gibt es im Grundgesetz ebenso wenig wie einen ausdrücklichen Schutz kultureller Minderheiten. Das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit kann diese Funktion nicht übernehmen. Unabhängig davon, dass es auf Deutsche beschränkt ist, gibt es gerade für die Identitätswahrung in einer von anderen Traditionen und Werten bestimmten Rechtsordnung nichts her. Es gewährleistet in erster Linie Individuen das Recht, sich zu selbstgewählten Zwecken mit anderen zusammenzuschließen. Der Schutz erstreckt sich zwar auch auf die Vereinigung, erweitert aber nicht ihren Rechtsrahmen. Was allgemein geoder verboten ist, muss auch von Vereinigungen beachtet werden. Die übrigen Grundrechte sind ebenfalls Individualrechte. Ihr Sinn besteht darin, die Selbstbestimmung des Einzelnen und durch sie vermittelt die Autonomie gesellschaftlicher Funktionssysteme in besonderen Bereichen zu gewährleisten. Gerade das Migrationsproblem hat allerdings wieder ins Bewusstsein gerufen, wie sehr personelle Identität von dem kulturellen Kontext zehrt, in dem sie sich entfaltet. Es ist der Raum, in dem die Persönlichkeit sich bildet und zu dem sie Position
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bezieht. Der Verlust des kulturellen Kontextes kann, selbst wenn sich der Einzelne in Opposition zu ihm gestellt hat, schwere Störungen verursachen, die destruktiv oder konstruktiv umgesetzt werden können. Migration ist in aller Regel mit solchen Verlusten verbunden. Gleichwohl ist ein Anspruch auf Beibehaltung angestammter kultureller Umfelder nicht ins Grundgesetz eingegangen. Unter diesen Umständen sammeln sich die Ansprüche von Zuwanderern aus fremden Kulturen vor allem unter dem Dach der Religionsfreiheit des Art. 4 GG, wo viele auch in der Tat ihre Wurzel haben. Die Religionsfreiheit ist zwar ebenfalls ein Individualrecht. Sie garantiert dem Einzelnen die Freiheit, über seine Religionszugehörigkeit zu entscheiden und seine Lebensführung an der Religion zu orientieren. Das Recht, sich zu keiner Religion zu bekennen, ist darin eingeschlossen. Art. 6 Abs. 2 GG fügt dem das Recht der Eltern hinzu, auf Zeit auch die Religion ihrer Kinder zu bestimmen. Mit dem Begriff der Religion verweist Art. 4 GG allerdings auf einen überindividuellen Zusammenhang, ein Sinngefüge, das eine Religion ausmacht, und eine Gemeinschaft, die sich im Bekenntnis dazu zusammengehörig fühlt. Dieser Gemeinschaftsaspekt hat im Grundgesetz in Art. 140 i.V.m. Art. 137 WRV Ausdruck gefunden. U m die Religionsfreiheit wird es daher im folgenden vor allem gehen. Die Religionsfreiheit ist nicht auf bestimmte Religionen beschränkt. Sie ist eine Freiheit ohne inhaltliche Festlegung. Es gibt daher keinen Grund, angesichts des Problems der Multikulturalität von der weiten Fassung des Schutzbereichs abzurücken und ihn für interkulturelle Konflikte anders zu bestimmen als für intrakulturelle Konflikte, denen das Grundrecht seine Existenz verdankt. Damit ist es nicht vereinbar, dass fremden Religionen nur ein Schutz des Kerns ihrer religiösen Überzeugungen zugestanden wird, während Äußerungsformen der Religion, die hier nicht religiös bestimmt sind, keinen Grundrechtsschutz genießen. Das Bundesverfassungsgericht hat Anklänge daran in der frühen Rechtsprechung nicht völlig vermieden, wenn es nur diejenige Glaubensbetätigung als
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geschützt ansah, „die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet hat". 2 Auch wenn die Religionsfreiheit primär ein Individualgrundrecht ist, lässt sich die Frage, welche Verhaltensanforderungen eine Religion an ihre Gläubigen stellt, doch nicht vom Einzelnen her beantworten. Religion ist eine von einer größeren Zahl von Menschen geteilte Uberzeugung mit Transzendenz-Bezug. Wer Respekt für singuläre Verhaltensweisen fordert, kann sich unter Umständen auf die ebenfalls in Art. 4 GG gewährleistete Gewissensfreiheit und sicherlich auf die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, aber nicht auf die Religionsfreiheit berufen. Verhalten, für das der Schutz der Religionsfreiheit in Anspruch genommen wird, hat seine Basis in einem überindividuellen Sinngefüge. Andererseits dürfen Religionen aber nicht als monolithisch betrachtet werden. Üblicherweise finden sich in ihnen verschiedene, oft sogar gegensätzliche Strömungen. Das gilt umso mehr, je weniger eine Religion eine verfestigte, womöglich sogar hierarchische Organisationsstruktur entwickelt hat, die autoritäre Entscheidungen über den wahren Glaubensinhalt erlaubt. Für die Gerichte bedeutet das, dass sie sich nicht zum Schiedsrichter darüber aufwerfen dürfen, was die wahre Religion fordert oder was eine Religion in Wahrheit fordert. Die Versuchung, einen Konflikt auf diese Weise zu lösen (wie ihr das Bundesverwaltungsgericht zum Beispiel beim Schächten erlegen ist 3 ), führt in die Irre. Da der Schutz der Religionsfreiheit sich auf religiöse Überzeugungen und auf religiös motivierte Praxis bezieht, ist es aber legitim zu fragen, ob eine Gruppe überhaupt eine Religionsgemeinschaft darstellt oder ob sie sich nur religiös tarnt und ob das umstrittene Verhalten überhaupt religiös gefordert ist. 2 Vgl. BVerfGE 12, 1 (4); 24, 236 (246). 3 Vgl. BVBerwGE 99, 1 (7); anders der österreichische Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 17. Dezember 1998 - Β 3028/97 -.
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Mit der Anerkennung eines weiten Schutzbereichs steht fest, dass kulturelle Pluralität ebenso legitim ist wie andere längst anerkannte Pluralitäten im Bereich der Uberzeugungen und Sinngebungen. Die unterschiedlichen religiösen Uberzeugungen sind unter der Garantie von Art. 4 GG gleichberechtigt. Das heißt nichts anderes als die Anerkennung ihrer Besonderheit. Andersartigkeit muss folglich im Grundsatz ertragen werden. Damit sind verschiedene Optionen der Konfliktlösung nicht mehr offen: Das ist zum einen die Assimilation. Assimilation kann nicht staatlich angeordnet werden, sondern nur das Ergebnis eines freiwilligen individuellen Entschlusses sein. Andererseits gilt das für die unbedingte Hinnahme aller kulturell oder religiös motivierten Verhaltensweisen. Dazu zählt insbesondere jede Form des Fundamentalismus, verstanden nicht als individuelle Prinzipientreue, sondern als absoluter Geltungsanspruch, der ohne Rücksicht auf Andersdenkende durchgesetzt werden muss. Offen ist hingegen die Option der Integration. Integration unterscheidet sich von Assimilation dadurch, dass von den Migranten keine völlige Angleichung an Werthaltungen und Lebensformen der Aufnahmegesellschaft erwartet wird. Von völliger Kulturfreiheit unterscheidet sie sich dadurch, dass nicht auf eine Öffnung für die Kultur des Aufnahmelandes verzichtet wird. Die Aufnahmegesellschaft wird dadurch pluralistischer, muss aber nicht um eine grundlegende Infragestellung ihrer zentralen Wertvorstellungen fürchten. Integration ist folglich kein einseitiger Vorgang, bei dem die Anpassungsleistung allein von den Migranten zu erbringen wäre. Sie ist freilich auch kein gleichmäßiger Vorgang. Selbst wenn sich die Aufnahmegesellschaft mit der Integration selbst ändert, bleibt es doch dabei, dass es um Aufnahme in sie geht. Während von den Einheimischen lediglich die Anerkennung von Andersartigkeit verlangt wird, geht es bei den Migranten um eine dosierte Einübung, zu der zumindest die Erlernung der deutschen Sprache und vermittels ihrer auch die Bekanntschaft mit der kulturellen Überlieferung und grundlegenden Einstellungsmustern des Aufnahmelandes gehört.
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Der Schutzbereich der Grundrechte ist regelmäßig berührt, wenn die Erfüllung von Anforderungen, die die Religion stellt, untersagt oder mit erheblichen Nachteilen verbunden wird oder wenn umgekehrt ein Verhalten gefordert wird, das die Religion verbietet. Ferner liegt eine Schutzbereichsberührung vor, wenn Voraussetzungen nicht hergestellt werden, von denen die Ausübung der Religion oder die Wahrung der kulturellen Identität abhängt. Für derartige Beeinträchtigungen ist, darin liegt die Wirkung des Grundrechtsschutzes, ein legitimierender Grund nötig. In aller Regel findet er sich in einer gesetzlichen Vorschrift, die nicht gegen fremde Religionen oder Kulturen gerichtet ist, sondern im Interesse eines anderen, meist selbst verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts erlassen wurde und in sich wohl begründet ist, aber für Angehörige einer fremden Kultur belastend wirkt. Normen dieser Art werden in den seltensten Fällen verfassungswidrig sein. Der Grundrechtsschutz verlangt aber im Konfliktfall die Berücksichtigung des berührten Grundrechts bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Gesetze. Das ist die allseits akzeptierte Ausstrahlungswirkung der Grundrechte, die hier nicht weniger als in traditionellen Fallkonstellationen Beachtung fordert. Sie verlangt regelmäßig eine Abwägung zwischen den kollidierenden Rechtsgütern, die im Rahmen der Tatbestandsmerkmale des einschlägigen Gesetzes vorzunehmen sind. Dabei kommt es einerseits auf die Bedeutung des grundrechtlich geschützten Verhaltens für die Betroffenen im konkreten Fall sowie auf die Intensität der Beeinträchtigung an, falls das Gesetz auf sie angewandt wird. Andererseits fällt die Bedeutung des Rechtsguts ins Gewicht, dessen Schutz die Norm bezweckt, sowie die Einbuße, die es erlitte, wenn die Religionsfreiheit überwöge. Das ist gängige Praxis, seit die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf grundrechtsberührendes Gesetzesrecht anerkannt worden ist. Sie führt schon jetzt zu einer hoch differenzierten Rechtsordnung, die zahlreiche Ausnahmen von an sich wohl begründeten Rechtsnormen erlaubt, ohne dass darunter das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung oder der gesellschaft-
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liehe Zusammenhalt erkennbar gelitten hätten. Die Lage unterscheidet sich insoweit nicht von der Einführung gesetzlicher Ausnahmetatbestände. Allerdings können bei der Auslegung die Besonderheiten des Einzelfalles feinfühliger berücksichtigt werden. Es besteht daher kein Grund, bei Problemen der Multikulturalität von der Möglichkeit einschränkender Gesetzesauslegung abzurücken und auf einer ausnahmslosen Durchsetzung der allgemein geltenden Gesetze zu bestehen. Die Abwägung ist indessen rechtlich nur schwach determiniert. Deswegen liegt hier der Ort, an dem sich Grundauffassungen der Interpreten über kulturelle Konflikte Geltung verschaffen können. Das wurde beispielsweise an den Parabolantennen-Fällen sichtbar, die das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahren entscheiden musste.4 Ausländer hatten zur Aufrechterhaltung der Verbindung mit ihrer Heimat Empfangsanlagen installiert, die ihnen den Empfang von Programmen des Herkunftslandes ermöglichten; die Hauseigentümer verweigerten ihre Zustimmung zu den baulichen Veränderungen. Viele Mietgerichte lösten diesen Konflikt mit der Begründung, wer sich in Deutschland niederlasse, könne nicht mehr beanspruchen als die Deutschen, denen kein Anspruch auf eine Parabolantenne zugestanden wurde, wenn sie ans Kabelnetz angeschlossen waren. Ein anderes Beispiel ist die Teilnahme islamischer Schülerinnen am Schwimmunterricht, der etwa gleichzeitig vom Oberverwaltungsgericht Münster im Sinne der Assimilation, vom Oberverwaltungsgericht Bremen im Sinn der Identitätswahrung entschieden wurde. 5 III. Abwägungskriterien Die Abwägung führt stets zu fallbezogenen Antworten. Deswegen lässt sich hier nichts Abschließendes darüber sagen. Es 4 Vgl. BVerfGE 90,27. 5 Vgl. OVG Bremen, RdJ 1992, 413; OVG Münster, RdJ 1992, 413; BVerwGE 94,82. Uberblicke über die ausländische Rechtsprechung bei Kälin (Fn. 1), S. 153 ff.
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erscheint aber möglich, einige Anhaltspunkte zu formulieren. Dabei soll nach den vorher abgegrenzten typischen Fallgruppen unterschieden werden. Angehörige einer Minderheit möchten aus kulturellen oder religiösen Gründen etwas tun dürfen, was im Allgemeinen verboten ist. Zur Debatte steht also die Erweiterung des Freiheitsrahmens zugunsten dieser Gruppe (Fallgruppe 1 a). Angehörige einer Minderheit möchten den Mitgliedern ihrer Gruppe aus kulturellen oder religiösen Gründen etwas verbieten dürfen, was im Allgemeinen erlaubt ist. Dabei handelt es sich um eine Verengung des Freiheitsrahmens (Fallgruppe 1 b). Angehörige einer kulturellen Minderheit beanspruchen im Interesse ihrer Identitätswahrung oder Religionsausübung etwas, das Angehörigen der Mehrheitskultur gewährt wird. Das ist das traditionelle Gleichbehandlungspostulat (Fallgruppe 2 a). Angehörige einer kulturellen Minderheit beanspruchen aus kulturellen oder religiösen Gründen etwas, das die Allgemeinheit nicht bekommt. Dabei geht es um die Varianten des Gleichheitssatzes, die verlangt, dass Ungleiches ungleich behandelt wird (Fallgruppe 2 b). Zu 1 a: Beim Dispens von allgemein geltendem Recht besteht meist mehr Spielraum als angenommen. Kriterien, die dabei eine Rolle spielen können, sind etwa, ob das gesetzliche Verbot dem Eigenschutz oder dem Drittschutz dient. Ist Eigenschutz der Gesetzeszweck, wird ein Dispens regelmäßig möglich sein. Besteht die umstrittene Norm im Interesse des Drittschutzes, kommt es auf die Wahrscheinlichkeit und Größe der Gefährdung Dritter aufgrund einer Ausnahmebewilligung im Verhältnis zum Gewicht der Religionsbeeinträchtigung an. Zwar wird die Abgrenzung zwischen Eigen- und Drittschutz selten eindeutig ausfallen. Wahrscheinlicher ist, dass man ein Motivgemisch antrifft. Doch lässt sich meist sagen, was überwiegt. Unter diesem Gesichtpunkt hätte wohl die Entscheidung im Motorradhelm-Fall zugunsten der religiös begründeten Turbanpflicht des Sikh ausgehen können. 6
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Anders aber das Schweizer Bundesgericht, BGE 119 IV 260.
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Weiter wir es eine Rolle spielen, ob zwischen den kollidierenden Interessen ein Ausgleich möglich ist oder nicht. Besteht diese Möglichkeit, kann zum Beispiel die Arbeitszeit, die durch die Verrichtung von Gebeten verloren geht, ohne erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsabläufe oder der Betriebsorganisation nachgeholt werden, spricht viel für einen Dispens. Von Bedeutung kann es ferner sein, ob die Ausnahmebewilligung lediglich Nachteile, die aus der Erfüllung religiöser Pflichten entstehen, ausgleicht oder ob sie die Minderheit privilegiert und ihr Vorteile gegenüber der Mehrheit verschafft. Dieser Gesichtspunkt hätte etwa bei dem Fall der Ladenöffnung am Sonntag für jüdische Geschäftsleute, der von dem kanadischen Supreme Court entschieden wurde, eine Rolle spielen können. 7 Zu 1 b): Bei der Durchsetzung von gruppeninternen Normen, die zu den allgemein geltenden Normen im Widerspruch stehen, ist die Grundkonstellation eine andere. Im Außenverhältnis zum Staat nimmt die Gruppe hier eine grundrechtliche Freiheit in Anspruch, um im Innenverhältnis allgemein geltende Freiheits- oder Gleichheitsansprüche auszuschalten. In der Praxis handelt es sich meist um familieninterne Beschränkungen. Die grundrechtliche Basis dafür ist gewöhnlich das Elternrecht aus Art. 6 GG, das freilich nur gegenüber den Kindern, nicht gegenüber der Ehefrau ins Feld geführt werden kann. Jede derartige Begrenzung der generell gewährleisteten Freiheit im Interesse der Identitätswahrung einer kulturellen Minderheit hat für das einzelne Gruppenmitglied allerdings einen erheblichen Freiheitspreis. Die Grundrechte kommen daher insoweit in ihrer Eigenschaft als Schutzpflichten ins Spiel. Als solche verlangen sie vom Staat, die individuelle Freiheit auch gegenüber Gefahren von dritter Seite zu schützen. Dabei spielt es eine Rolle, ob die Freiheitsbeschränkung mit Willen oder gegen den Willen des Betroffenen erfolgt. Freiheitsbeschränkungen gegen den Willen des Grundrechtsträgers können keine rechtliche Anerkennung finden. Beschränkungen im Einverständnis mit dem Betroffenen verlangen dagegen 7 R. v. Big M Drug Mart, 1 S.C.R. 295 (336).
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gewöhnlich kein staatliches Einschreiten. Sie werfen aber die Frage auf, wie es mit der freien Willensbestimmung in familiären Beziehungen bestellt ist. Darüber hinaus muss beachtet werden, dass auch durch vergleichsweise unbedeutende Beschränkungen wie etwa die Pflicht zum Schleiertragen Rollenverständnisse und Geschlechterbeziehungen verfestigt werden können, die den Zielen von Art. 3 Abs. 2 GG widersprechen und den Integrationsauftrag der Schule stören. Die zentrale Frage wird daher wohl sein, wie stark Persönlichkeitsentfaltung und Integration in die Aufnahmegesellschaft durch die Anerkennung von Gruppennormen behindert werden. Eine absolute Grenze verläuft dort, wo die Minderheit zur Wahrung ihrer kulturellen Identität gruppenintern ein Verhalten untersagen will, das durch grundlegende Verbürgungen der einheimischen Verfassungsordnung garantiert ist. Der Umfang dieser Verbürgung ist freilich nicht leicht zu bestimmen. Dass die Menschenwürde als Grund sämtlicher Grundrechte dazugehört, steht außer Frage. Auch die physische und psychische Integrität kann nicht Gruppenbedürfnissen geopfert werden. Das hat etwa für rituelle Verstümmelungen Bedeutung. Ferner wird man zu den in der grundgesetzlichen Ordnung unverzichtbaren Positionen auch die Geschlechtergleichheit zu zählen haben, obwohl gerade auf diesem Feld besonders häufig Konflikte drohen. Unaufgebbar ist außerdem die autonome Entscheidung jedes Gruppenmitglieds über den Verbleib in der Gruppe oder das Ausscheiden aus ihr. Diese Entscheidungsfreiheit ist freilich voraussetzungsvoll. Ihre Voraussetzungen müssen daher vom Grundrecht mit garantiert werden. Dazu zählen insbesondere Kontaktmöglichkeiten mit der Außenwelt sowie die freie Informationsaufnahme. Zu 2 a) Wo es um staatliche Leistungen oder Teilhabe an öffentlichen Einrichtungen für Angehörige von Minderheiten geht, entstehen keine besonderen Probleme, soweit sich einzelne derartige Ansprüche auf Art. 3 Abs. 1 GG stützen können. Anders verhält es sich, wenn in Wahrheit die Gleichbehandlung von Mehrheits- und Minderheitskultur verlangt wird, etwa die gleichmäßige Berücksichtigung der Minderheits10*
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kultur im Schulunterricht. Ein solcher Anspruch wird meist schon an den vorhandenen Ressourcen des einheimischen Schulwesens scheitern. Aber davon abgesehen findet er auch am Integrationsziel Grenzen. Die Vermittlung der einheimischen Kultur beansprucht auch gegenüber der Minderheit unter dem Gesichtspunkt der Integration in die Aufnahmegesellschaft Priorität, ohne dass damit ein Wertvorsprung der einheimischen Kultur vor fremden Kulturen behauptet werden dürfte. Dagegen ist die Tradierung und Vermittlung der Herkunftskultur primär Sache der Trägergruppen selbst, die darin nicht behindert werden dürfen, solange sie sich nicht gegen die fundamentalen Prinzipien der einheimischen Verfassungsordnung wenden. Zu 2 b) Es bleiben freilich stets Fälle, in denen die Kollision zwischen allgemeinen Gesetzen und religiös oder kulturell begründeten Anforderungen von Zuwanderern nicht schon durch Dispense, sondern erst durch Sonderleistungen an die Gruppe lösbar sind. Das gilt beispielsweise im Rahmen der besonderen Gewaltverhältnisse, etwa bei der Anstaltskost in Gefängnissen, oder hinsichtlich staatlicher Monopole wie etwa im Friedhofswesen. Auch hier kommt aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Tragen. Ins Verhältnis zu setzen sind diesmal die Bedeutung der religiösen Handlung für den Betroffenen und der Aufwand für die Leistungserbringung durch den Staat. Daher kann die Zahl der Betroffenen eine Rolle spielen. Sonderleistungen können eine unzumutbare Belastung für den Staat mit sich bringen, wenn sie nur für wenige Personen anfallen oder wenn zahlreiche unterschiedliche Anforderungen erfüllt werden müssten. Hierher gehört auch die Frage, ob und inwieweit Migrantengruppen zur Bewahrung der eigenen kulturellen Identität staatliche Förderung beanspruchen können. In Ermangelung spezifischer verfassungsrechtlicher Aufträge könnten sich derartige Ansprüche nur aus Grundrechten ergeben. Freiheitsrechte sind jedoch nicht primär Anspruchsnormen für staatliche Leistungen. Sie geben Raum für individuelle und kollektive Betätigung. Dadurch wird Differenz ermöglicht, aber nicht verlangt.
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Die einschlägigen Grundrechte wirken als Eingriffsabwehr und als Schutzpflicht. Unter Umständen weisen sie dem Staat überdies eine Garantenstellung zu, wenn ein Grundrecht nicht nur die Möglichkeit individueller Betätigung eröffnen will, sondern im öffentlichen Interesse oder gar in bestimmter Weise wahrgenommen werden muss, wie das etwa für die Rundfunkfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit anerkannt ist. Schließlich können die Freiheitsrechte als Voraussetzungsschutz fungieren, wenn die Freiheit ohne die Erstreckung auf bestimmte, meist materielle Voraussetzungen wertlos wäre. Eine eigenständige Förderungspflicht in Interesse der Identitätswahrung oder Religionsausübung der kulturellen Minderheit gibt es dagegen nicht. Der Staat darf fördern, muss es aber nicht. Wenn er sich zur Förderung entschließt, ist Klarheit über den Zweck nötig. Abgeleitet aus den Grundrechten, kann es nicht um den Schutz bestimmter kultureller oder religiöser Inhalte nach Art eines kulturellen „Artenschutzes" gehen, sondern nur um die freie kulturelle oder religiöse Betätigung von Personen. Darin liegt die Möglichkeit von Wandel im kulturellen Kontext der Aufnahmegesellschaft begründet. Staatliche Förderung, wenn sie gewährt wird, darf deswegen nicht dem Orthodoxieschutz dienen. Wenn die Probleme auf diese Weise kleingearbeitet sind, besteht die Chance, den Konfliktstoff zu mindern. Die Aussicht auf konsensfähige Lösungen erhöht sich. Indessen darf man nicht erwarten, dass sich sämtliche Kultur- oder Religionskonflikte unter Rekurs auf die Grundrechte harmonisch lösen ließen. Gesellschaften, in denen schwer überbrückbare Gegensätze nicht zwischen Einheimischen und Migranten auftreten, sondern die Stammbevölkerung selbst durchziehen, wie in Israel, kann das zerreißen. In anderen Gesellschaften, in denen die Konfliktlinie zwischen der Stammbevölkerung und den Zuwanderern verläuft, bleibt im Kernbereich der einheimischen Verfassungsordnung für Angehörige der Minderheitenkultur nur die Alternative von Anpassung und Wegzug.
Dankesworte Von Ernst-Wolf
gang Böckenförde
Liebe Schüler, Kollegen und Freunde, verehrte Anwesende, was ist nun der Anlaß, am Ende dieses Kolloquiums das Wort zu ergreifen? Der Anlaß ist, aufrichtig und herzlich Dank zu sagen, Dank für ein besonderes wissenschaftliches Kolloquium und ein festliches Zusammensein.
I. Mein Dank gilt den Schülern, die die Initiative zu diesem Kolloquium ergriffen und die Last der Vorbereitung getragen haben. Mein Dank gilt der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung, die dazu eingeladen hat, das Kolloquium in ihren Räumen durchzuführen und uns in großzügiger Weise Gastfreundschaft gewährt hat. Mein Dank gilt den Referenten, die durch ihre Referate dem Kolloquium seinen hohen wissenschaftlichen Gehalt und sein unverwechselbares Profil gegeben haben. Dabei gilt ein besonderer Dank Herrn Bischof Dr. Karl Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, der sich aller Terminprobleme zum Trotz die Zeit genommen hat, zu diesem Kolloquium zu kommen und ein Referat zu halten. Mein Dank gilt den Diskutanten, die durch ihre zahlreichen Beiträge dem Kolloquium die Lebendigkeit eines wissenschaftlichen Diskurses gegeben haben; er gilt schließlich allen Teilnehmern, die - oft von weit her gekommen - mir die Ehre und
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Ernst-Wolfgang Böckenförde
Freude ihrer Anwesenheit gegeben und so ihre Verbundenheit zum Ausdruck gebracht haben. Nicht zuletzt gilt mein ganz besonderer Dank Frau Präsidentin Limbach; nicht nur dafür, daß sie hierher gekommen ist, sondern auch für die so eindrucksvolle, von Sympathie und Anerkennung getragene Laudatio am gestrigen Abend. Alles an diesem Kolloquium hat sich gut und harmonisch, aufs Beste zusammengefügt. Für mich war und ist es ein großes und schönes Geschenk, ich danke jedem ganz herzlich für den Teil, den er dazu beigetragen hat. II. Ich möchte nicht noch einmal die Referate und Diskussionen an unserem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Sie sind uns allen noch gegenwärtig und dank der freundlichen Bereitschaft des Verlages Duncker & Humblot, der durch Herrn Prof. Simon hier vertreten ist, wird demnächst auch Gelegenheit sein, sie nachzulesen. Besonders vermerken möchte ich allerdings den weiten thematischen Ausgriff dieses Kolloquiums über das dogmatische Verfassungsrecht hinaus und dafür meinen besonderen Dank sagen. Darin ist das Kolloquium eine Spiegelung meines eigenen wissenschaftlichen Bemühens. Dies ging zum einen stets über das engere juristische Fachgebiet hinaus, zum anderen hat es dieses Fach immer in einen weiteren, grundlagen- und interdisziplinär orientierten Zusammenhang hineinzustellen und von dorther zu betreiben versucht. Frau Präsidentin Limbach hat in ihrer so überaus freundlichen Geburtstagsadresse in der Neuen Zürcher Zeitung mit Recht, wie mir scheint, von dem „untypischen Juristen" gesprochen, der ich sei. Dieses Untypische ist es wohl auch, was mir die Breite und über das engere Fach hinausgehende Resonanz verschafft hat, die sich gerade in den letzten Tagen und Wochen wieder gezeigt hat. Warum habe ich eigentlich Rechtswissenschaft studiert? Nicht wegen der Hinneigung zum Zivil- und Römischen Recht
Dankesworte
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und den Fächern der ordentlichen Gerichtsbarkeit - Herr Stürner möge es mir nachsehen. Es war das Interesse an Staat und Politik, hervorgerufen durch das bewußte Erleben der Endphase des Dritten Reiches und den Zusammenbruch staatlicher Ordnung im Jahre 1945. U m des öffentlichen Rechts, insbesondere des Staats- und Verfassungsrechts und der Grundlagenfächer willen habe ich Jura studiert, die anderen Fächer habe ich mit in Kauf genommen und das Studium auch auf die Geschichte und Philosophie erstreckt. Und der Anstoß zur akademischen Laufbahn führte nicht über detaillierte Rechtsdogmatik und Rechtsprechungswissen, sondern über Thomas von Aquin. Es war ein Seminarreferat über den Begriff der Gerechtigkeit bei Thomas von Aquin, examenspragmatisch ganz unnütz, das zur Anregung meines Lehrers Hans J. Wolff führte, ob ich nicht die akademische Laufbahn einschlagen wolle. So war mein Berufsweg von Anfang an durch das Untypische bestimmt und ist von daher geprägt worden. Auch dieses schöne Kolloquium war in diesem Sinne ein für einen Juristen untypisches. Und noch etwas Untypisches darf ich vermelden: In der nächsten Woche erscheint in Frankreich ein Aufsatzband von mir in französischer Sprache, besorgt von Herrn Kollegen Jouanjan aus Straßburg, der auch unter uns weilt. Er hat nicht nur die einzelnen Beiträge übersetzt, sondern auch eine fulminante Einführung geschrieben, in der ich mich voll wiederfinde. Wann passiert es einem deutschen Juristen schon, daß er nicht nur ins Spanische, Japanische oder auch Englische übersetzt wird, sondern ins Französische? Ich bin Herrn Kollegen Jouanjan von Herzen dankbar, daß er sich diesem - gewiß sehr arbeitsreichen - Unternehmen gewidmet hat.
III. Wenn mir heute ein Rückblick auf meinen Berufsweg gestattet ist, so läßt sich sagen, daß er ein erfüllter und auch nicht ganz erfolgloser Berufsweg war.
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Ernst-Wolfgang Böckenförde
Was ich für die Wissenschaft und die Ausbildung junger Juristen leisten konnte: Die Schüler, die ich um mich versammeln konnte; die Tätigkeit als Verfassungsrichter, die ich ausüben durfte; die einmischende Wirkung in Gesellschaft und Politik und nicht zuletzt in meine Kirche hinein, die mir gelungen ist, erfüllen mich mit großer Dankbarkeit: Dankbarkeit gegenüber meinen Eltern, die durch ihre Erziehung und die eigene Anspruchslosigkeit - acht, dann sieben Geschwister harrten der Ausbildung - wesentliche Voraussetzungen dafür geschaffen haben; Dankbarkeit gegenüber meinen Lehrern, meinen Schülern und Kritikern; nicht zuletzt und ganz besonders Dankbarkeit gegenüber meiner lieben Frau, die seit 35 Jahren mit viel Anstrengung und manchem Verzicht den häuslichen Rahmen und die Bedingungen bereitgestellt hat, damit ich das tun konnte, was ich getan habe. Gibt es eine durchgehende Linie, einen roten Faden, durch den mein Tun und Wirken in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern zusammengehalten wird und vordergründige Spannungen sich vielleicht auflösen? Ich meine, ja. Sehe ich recht, ist es der als Maxime genommene Satz: Nur die Wahrheit macht frei. In der Wissenschaft heißt das: Die Suche nach der Wahrheit macht frei - die Suche also nach der Wahrheit von Recht, Verfassung, Freiheit und Demokratie ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Opportunität und den herrschenden Zeitgeist. Das habe ich zunächst bei meinem Lehrer Hans J. Wolff erfahren. Sein Prinzip war: In der Wissenschaft gilt nur das Argument, nicht Rang, Alter oder Hierarchie. Als ich sein Assistent war, hat er konsequent danach gehandelt. Während wir sein Lehrbuch des Verwaltungsrechts I vorbereiteten, konnte ich ihm offen widersprechen, seine Auffassung für meines Erachtens nicht zutreffend erklären u. a. m. Das hat sich mir tief eingeprägt und ist mir Vorbild geworden. So war es mir eher selbstverständlich, mit meinen Mitarbeitern und auch Seminarteilnehmern auf gleicher Ebene zu diskutieren, ihnen zu zeigen und sie dazu zu erziehen, daß in der Wissenschaft nur das Argument gelten darf. Hier hat und muß der herrschaftsfreie Diskurs seinen Ort haben. Vielleicht ist
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dies auch der Grund, daß unter meinen Schülern, von deren Studienzeiten an, ein lebendiger, nie abgebrochener Diskussionszusammenhang besteht und sie doch jeder ihren eigenen Weg gehen. Ich habe eine relativ große Zahl von Schülern, aber, wie Herr Wahl es in seinem Geburtstagsartikel gesagt hat, keine Böckenförde-Schule gebildet oder zu bilden gesucht. Jeder soll und muß seinen Weg gehen, nach seiner Erkenntnis und Einsicht und der Kraft seiner Argumente. Es ist ja bekannt - und bereitet manchem Verdruß - , daß ich von Carl Schmitts Werk viel gelernt habe. Ich habe das nie verhehlt. Aber meine Schüler oder Mitarbeiter zu drängen, ebenfalls von Carl Schmitt zu lernen, ist mir nicht in den Sinn gekommen. Das müssen sie selbst wissen, ob es etwas und was es vielleicht bei ihm zu lernen gibt. Übrigens wird meine Prägung durch Carl Schmitt oft überschätzt. Herr Manterfeld hat es in seiner schönen Arbeit richtig gesehen und auch geschrieben: Neben Carl Schmitt steht die Prägung durch Hermann Heller, und sie steht keineswegs nur am Rande. Auch bei der Tätigkeit im Richteramt habe ich versucht, sie von dieser leitenden Maxime bestimmen zu lassen. Hier ging es um die Suche nach der Wahrheit des Verfassungsrechts, im Kleinen wie im Großen, jenseits politischer Opportunität und unter Überwindung von Vor-Urteilen, die man in sich trägt. Es gehört zu den guten Erfahrungen im Senat, dem ich angehörte, daß ich dort ein offenes Diskussionsklima vorfand, das den Raum gab für gemeinsames Suchen und Streiten - zuweilen heftiges Streiten - um die richtige Entscheidung, und daß die Auseinandersetzung stets offen und in pleno, nicht vorab in Gruppen geführt wurde, die ihrerseits Strategien entwickeln. Schließlich findet so auch, glaube ich, das Wirken in meine Kirche hinein seine Stimmigkeit und Erklärung. Nicht daß die Wahrheit des Wissens gegen die Wahrheit des Glaubens antrat, nein umgekehrt: die Wahrheit des Glaubens, die freilich eine geglaubte ist, macht frei zur Suche nach der Wahrheit des Wissens auch im Bezug auf kirchliche Lehren und kirchliches Verhalten. Denn wenn die geglaubte Wahrheit die Wahrheit ist,
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kann sie nicht durch eine Wahrheit des Wissens und die Suche danach erschüttert werden. Frageverbote sind dann unstatthaft. So kam es zur Infragestellung des kirchenamtlichen Verhältnisses zur Demokratie, das mir vom neuscholastischen Naturrecht her okkupiert schien, zur Opposition gegen die ethischmoralische Anwendbarkeit atomarer Kampfmittel, zur Erforschung des Verhaltens des deutschen Katholizismus im Jahre 1933, dessen Ergebnis innerhalb der Kirche - um Konrad Repgen zu zitieren - wie ein Blitz aus heiterem Himmel einschlug, und manch anderem mehr. Das war vielleicht nicht ohne Berufsrisiko, im schwarzen Münster zumal, aber es kümmerte mich wenig. Und es zeigte sich, daß die Suche nach der Wahrheit frei macht. Aus Hamburg ließ mir Hans Peter Ipsen mitteilen, ich solle wissen, wo ich hinkommen könne, falls es in Münster Schwierigkeiten gäbe. Und mein Lehrer Hans J. Wolff, den Problemen als reformierter Protestant eher fernstehend, fragte, um möglichen Einwänden zu begegnen, den Kollegen Mikat, damals noch in Würzburg, ob die Hochland-Aufsätze wissenschaftlich vertretbar seien, was von diesem durchaus bejaht wurde. Also: Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch. IV. Warum erwähne ich das alles in einem Dankeswort für dieses wohlgelungene Kolloqium? Ich erwähne es, um Ihnen einen kurzen Einblick zu geben in das, was mein Tun und Lassen als Wissenschaftler, als akademischer Lehrer, als Richter und als Zeitgenosse, der am öffentlichen Diskurs teilnimmt, im wesentlichen bestimmt hat und was auch weiter gelten soll. Es ist mir, bei aller Unzulänglichkeit, die bleibt, zum Guten ausgeschlagen. Wie wäre sonst dieses Kolloquium zustandegekommen? Danke noch einmal allen, die hierher gekommen sind und zum Gelingen dieses schönen Kolloquiums, das mir in lebendiger Erinnerung bleiben wird, beigetragen haben.
Bibliographie Ernst-Wolfgang Böckenförde 1957-2000 Zusammengestellt von Martina Griesbaum und Marc Friedner
A.
Selbständig erschienene Schriften
157
B.
Aufsätze (einschl. Besprechungsaufsätze) und Beiträge in Sammelwerken
160
C.
Fallösungen
182
D.
Buchbesprechungen
183
E.
Buchanzeigen
190
F.
Diskussionsbeiträge
198
G.
Veröffentlichungen als Allein- oder Mitherausgeber
201
H.
Interviews
202
I.
Übersetzungen
203
A. Selbständig erschienene Schriften 1. Gesetz und gesetzgebende Gewalt. Von den Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus. Berlin: Duncker & Humblot, 1958, 360 S. (Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 1). 2., um Nachträge und ein Nachwort ergänzte Auflage, 1981, 402 S. 2. Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder. Berlin: Duncker & Humblot, 1961, 226 S. (Schriften zur Verfassungs-
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Bibliographie Ernst-Wolfgang Böckenförde
geschichte, Bd. 1). 2., um eine Vorbemerkung und Nachträge ergänzte Auflage, 1995, Vorbemerkung: S. I - X (italienisch I / i 1) 3. Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung. Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Duncker & Humblot, 1964, 348 S. (Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 18) 2. unveränderte Auflage 1998 4. Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat. München: Kösel, 1967, 110 S. 3. Aufl. 1968 5. Kirchlicher Auftrag und politische Entscheidung. Freiburg: Rombach, 1973, 237 S. 6. Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1973, 65 S. (Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Geisteswissenschaften, Vorträge G 183) (koreanisch I/k 2) 7. Verfassungsfragen der Richterwahl. Dargestellt anhand der Gesetzentwürfe zur Einführung der Richterwahl in NordrheinWestfalen. Berlin: Duncker & Humblot, 1974, 143 S. (Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 250) 2. unveränderte Aufl. 1998 8. Staat, Gesellschaft, Freiheit. Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht. Frankfurt: Suhrkamp, 1976, 352 S. (stw 163) 9. Der Staat als sittlicher Staat. Berlin: Duncker & Humblot, 1978, 40 S. (Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Bd. 14) (polnisch I/pl 3) 10. Demokratie und Repräsentation. Zur Kritik der heutigen Demokratiediskussion. Hannover 1983, 33 S. (Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Grundfragen der Demokratie. Folge 4, Vortrag am 10.2.1983 in Hannover) (auch in A 17) (französisch I/f 2; japanisch I / j 2; koreanisch I/k 3; spanisch I/sp 2)
Bibliographie Ernst-Wolfgang Böckenförde
11. Die verfassunggebende Gewalt des Volkes. Ein Grenzbegriff des Verfassungsrechts. Frankfurt: Metzner, 1986, 32 S. (Würzburger Vorträge zur Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtssoziologie, Heft 4) (auch in A 17) (französisch I/f 2; japanisch I / j 2; koreanisch I/k 3; spanisch I/sp 2) 12. Schriften zu Staat, Gesellschaft, Kirche, Bd. I: Der deutsche Katholizismus im Jahre 1933. Kirche und demokratisches Ethos. Freiburg: Herder, 1988, 159 S. 13. Schriften zu Staat, Gesellschaft, Kirche, Bd. II: Kirchlicher Auftrag und politisches Handeln. Analyse und Orientierungen. Freiburg: Herder, 1989, 230 S. 14. Schriften zu Staat, Gesellschaft, Kirche, Bd. III: Religionsfreiheit. Die Kirche in der modernen Welt. Freiburg: Herder, 1990, 220 S. 15. Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz. München: Carl Friedrich von Siemens-Stiftung 1990 Themen X L V I I (Hrsg. v. Heinrich Meier) (japanisch I / j 2; koreanisch I/k 5; spanisch I/sp 1) 16. Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte. Frankfurt: Suhrkamp, 1991, 382 S. (stw 914) 2. Aufl. 1992, 3. Aufl. 2000 17. Staat, Verfassung, Demokratie. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte. Frankfurt: Suhrkamp, 1991, 443 S. (stw 953) 2. Aufl. 1992 18. Welchen Weg geht Europa? Vortrag vor der Carl Friedrich von Siemens-Stiftung am 19. Juni 1997 München: Carl Friedrich von Siemens-Stiftung. Themen Bd. 65 (hrsg. von Heinrich Meier), (auch in A 19, siehe ferner Β 138) (polnisch I/pl 9) 19. Staat, Nation, Europa. Studien zur Staatslehre, Verfassungstheorie und Rechtsphilosophie. Frankfurt: Suhrkamp, 1999, 290 S. (stw 1419) 2. Aufl. 2000
160
Bibliographie Ernst-Wolfgang Böckenförde
Β. Aufsätze (einschl. Besprechungsaufsätze) und Beiträge in Sammelwerken 1.
Das Ethos der modernen Demokratie und die Kirche. In: Hochland, 50. Jg. Heft 1 (Oktober 1957), S. 4-19, abgedruckt in: Politik und Ethik. In Gemeinschaft mit Th. Strohm, hrsg. v. Heinz Dieter Wendland. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1969, S. 218-240 (Wege der Forschung, Bd. CXXXIX) (auch in A 5, A 12) (polnisch I/pl 3, 7)
2.
Noch einmal: Das Ethos der modernen Demokratie und die Kirche. Erwiderung. In: Hochland, 50. Jg. Heft 5 (Juni 1958), S. 409-421 (polnisch I/pl 8)
3.
Naturrecht auf dem Hintergrund des Heute. In: ARSP 44 (1958), S. 94-102
4.
Zusammen mit Robert Spaemann: Die Zerstörung der naturrechtlichen Kriegslehre. Erwiderung an P. Gustav Gundlach SJ. In: Atomare Kampfmittel und christliche Ethik. Diskussionsbeiträge deutscher Katholiken. München: Kösel, 1960, S. 161-196 (auch in A 5, A 13)
5.
Der deutsche Katholizismus im Jahre 1933. Eine kritische Betrachtung. In: Hochland, 53. Jg. Heft 3 (Februar 1961), S. 215-239 (auch in A 5, A 12)
6.
Der deutsche Katholizismus im Jahre 1933. Stellungnahme zu einer Diskussion. In: Hochland, 54. Jg. Heft 3 (Februar 1962), S. 217-245 (auch in A 5, A 12)
7.
Lorenz von Stein als Theoretiker der Bewegung von Staat und Gesellschaft zum Sozialstaat. In: Alteuropa und die moderne Gesellschaft. Festschrift für Otto Brunner. Hrsg. vom Historischen Seminar der Universität Hamburg. Göttingen: 1963, S. 248-277 (auch in A 8), abgedruckt in: Lorenz von Stein. Gesellschaft - Staat - Recht. Herausgegeben und
Bibliographie Ernst-Wolf gang Böckenförd
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eingeleitet von Ernst Forsthoff. Frankfurt/M. etc.: Ullstein, 1972, S. 513-547 (englisch I/e 1; französisch I / f 2) 8.
Die Historische Rechtsschule und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechts. In: Collegium Philosophicum, Studien Joachim Ritter zum 60. Geburtstag. Basel/Stuttgart: Schwabe, 1965, S. 9-36 (auch in A 8, A 16) (englisch I/e 1; französisch I / f 2)
9.
Religionsfreiheit als Aufgabe der Christen. Gedanken eines Juristen zu den Diskussionen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. In: Stimmen der Zeit, 90. Jg. Heft 9 (1964/65), S. 199212 (auch in A 5, A 14) (japanisch I / j 3)
10. Religionsfreiheit und öffentliches Schulgebet. Eine Auseinandersetzung mit dem Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofes vom 27.10.1965. In: Die Öffentliche Verwaltung 1966, S. 30-38 11. Kirche und Politik. Zu einigen Neuerscheinungen über das Verhalten der katholischen Kirche zum Dritten Reich. In: Der Staat 5 (1966), S. 225-238 12. Die Eingliederung der Streitkräfte in die demokratisch-parlamentarische Verfassungsordnung und die Vertretung des Bundesverteidigungsministers in der militärischen Befehlsgewalt (Befehls- und Kommandogewalt). In: Stellvertretung im Oberbefehl. Referate und Diskussionsbeiträge auf einer Arbeitstagung der Hochschule für politische Wissenschaften. München: Universis-Verlag, 1966, S. 43-59 (Veröffentlichungen der Hochschule für Politische Wissenschaften München) 13. Stabsorganisation und Haushaltsplanung. In: Die Staatskanzlei. Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise auf vergleichender Grundlage. Berlin: Duncker & Humblot, 1967, S. 149-154 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 34) 14. Bonn ist nicht Weimar. In: Archiv des öffentlichen Rechts, 92 (1967), S. 253/254 15. Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation. In: Säkularisation und Utopie. Ebracher Studien. Ernst Forsthoff 11 Wahl/Wieland
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Bibliographie Ernst-Wolf gang Böckenförde
zum 65. Geburtstag. Stuttgart etc.: Kohlhammer, 1967, S. 7594 (auch in A 8, A 16) (englisch I/e 1; italienisch I / i 3; französisch I / f 2; polnisch I/pl 3) 16. Vorwort (zur Neuausgabe). Lorenz von Stein. Die Lehre vom Heerwesen. Osnabrück: Biblio-Verlag, 1967, S. I X - X V I 17. Der deutsche Typ der konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert. In: Beiträge zur deutschen und belgischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert. Hrsg. v. Werner Conze. Stuttgart: Klett, 1967, S. 70-92 (auch in A 8, A 16), abgedruckt unter dem Titel: Der Verfassungstyp der deutschen konstitutionellen Monarchie. In: Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815-1918). Hrsg. v. E.-W. Böckenförde unter Mitarbeit von Rainer Wahl (siehe G 3) (englisch I/e 1; koreanisch I / k 1, 3) 18. Einleitung zu: Erklärung über die Religionsfreiheit (lateinisch und deutsch) Münster/Westf.: Aschendorff, 1968, S. 5-21. Abgedruckt in: H. Lutz (Hg.), Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977, S. 401-421 (Wege der Forschung, Bd. CCXLVI) 19. Die Teilung Deutschlands und die deutsche Staatsangehörigkeit. In: Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt zum 80. Geburtstag, hrsg. v. Hans Barion, E.-W. Böckenförde, Ernst Forsthoff, Werner Weber, Bd. 2, Berlin: Duncker & Humblot, 1968, S. 423-463, 2. Aufl. 2002 20. Der Rechtsbegriff in seiner geschichtlichen Entwicklung. Aufriß eines Problems. In: Archiv für Begriffsgeschichte, Bd. XII, 1968, S. 145-165 21. Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs. In: Festschrift für Adolf Arndt zum 65. Geburtstag, hrsg. von Horst Ehmke, Carlo Schmid, Hans Scharoun. Frankfurt: Europäische Verlagsanstalt, 1969, S. 53-76 (auch in A 8, A 16) (englisch I/e 1; französisch I / f 2; japanisch I / j 2; koreanisch I/k 3, 4; spanisch I/sp 2)
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22. Rechtsfragen der Neuordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen. In: Rechtsgutachten zur Neuordnung von Grundschule und Hauptschule (Strukturförderung im Bildungswesen des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 9), Wuppertal etc.: A. Henn, 1969, S. 4-109 23. Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der Reichstände. In: Der Staat 8 (1969), S. 449-478 24. Politisches Mandat der Kirche?. In: Stimmen der Zeit, Bd. 184 (1969), S. 361-373 (auch in A 8, A 13) 25. Zusammen mit Rolf Grawert: Sonderverordnungen zur Regelung besonderer Gewaltverhältnisse. In: Archiv des öffentlichen Rechts 95 (1970), S. 1-37 26. Das Grundrecht der Gewissensfreiheit. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 28 (1970), S. 33-88 (auch in A 8, A 17) (englisch I/e 1) 27. Wendung zu einer rechtlosen Politik? a) in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.10.1970, S. 12 b) abgedruckt in: Bulletin der Bundesregierung Nr. 171 v. 8.12.1970, S. 1826-1829 c) geringfügig verändert und unter dem Titel: Ostpolitik steht auf neuer Rechtsgrundlage. In: Die Neue Gesellschaft 18. Jg. (1971), S. 36—41 28. Zusammen mit Rolf Grawert: Kollisionsfälle und Geltungsprobleme im Verhältnis von Bundesrecht und Landesverfassung. In: Die Öffentliche Verwaltung 1971, S. 119-127 29. Abschaffung des § 218 StGB? Überlegungen zur gegenwärtigen Diskussion um das strafrechtliche Abtreibungsverbot. In: Stimmen der Zeit, Bd. 188 (1971), S. 147-167 (auch in A 13) 30. Verfassungsprobleme und Verfassungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Ein Uberblick. In: Juristische Schulung 1971, S. 560566 (auch in A 8) (englisch I/e 1; japanisch I / j 2) n*
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31. Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart. In: Rechtsfragen der Gegenwart. Festgabe für Wolfgang Hefermehl zum 65. Geburtstag. Stuttgart etc.: Kohlhammer, 1972, S. 11-36 (auch in A 8, A 16) (englisch I/e 1; französisch I / f 2; koreanisch I / k 3) gekürzter Vorabdruck in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament", Β 49 ν. 4.12.1971, S. 3-17 32. Wider die Bauland-Spekulation. Vorschläge zu einer Reform des Bodennutzungsrechts. In: Die Zeit, Nr. 19 v. 12.5.1972, S. 54 33. Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung. In: Gerechtigkeit in der Industriegesellschaft. Rechtspolitischer Kongreß der SPD, Mai 1972 in Braunschweig. Dokumentation. Hrsg. v. Konrad Duden, Helmut R. Külz (u.a.). Karlsruhe: C. F. Müller, 1972, S. 215-231 (auch in A 8) (koreanisch I / k 3) 34. Zum Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Rechtswissenschaft. In: Theorie der Geschichtswissenschaft und Praxis des Geschichtsunterrichts. Hrsg. v. Werner Conze. Stuttgart: Klett, 1972, S. 38-43 35. Planung zwischen Regierung und Parlament. Ernst Forsthoff zum 70. Geburtstag. In: Der Staat 11 (1972), S. 429-458 36. Die Einheit von nationaler und konstitutioneller Bewegung. In: Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815-1918), hrsg. v. E.-W. Böckenförde unter Mitarbeit v. Rainer Wahl. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1972, S. 27-39, 2. Aufl. 1981 (Auszüge aus A 2) 37. Bemerkungen aus verfassungsrechtlicher und verfassungspraktischer Sicht. In: Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation. Referate und Diskussionsbeiträge der internationalen verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer 1971. Berlin: Duncker & Humblot, 1972, S. 65-74 (Schriften der Hochschule Speyer, Bd. 48)
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38. Ernst Rudolf Huber zum 70. Geburtstag. In: Archiv des öffentlichen Rechts 98 (1973), S. 255-259 39. Qualität des Lebens - Aufgabe und Verantwortung des Staates? In: Die Neue Gesellschaft, 1973, S. 261-265; überarbeitete und wesentlich erweiterte Fassung in: „Lebensqualität"? Von der Hoffnung Mensch zu sein. Köln: Wissenschaft und Politik, 1974, S. 165-184 40. Kirchliches Naturrecht und politisches Handeln. In: Franz Böckle/E.-W. Böckenförde (Hg.), Naturrecht in der Kritik. Mainz: Matthias Grünewald, 1973, S. 96-125 (auch in A 13) (polnisch I/pl 3) 41. Wie verhält sich der Staat neutral? Religionsfreiheit als Prinzip des Verhältnisses von Kirche und Staat. In: Publik-Forum v. 2.11.1973, S. 12-14 42. Organ, Organisation, Juristische Person. Kritische Überlegungen zu Grundbegriffen und Konstruktionsbasis des staatlichen Organisationsrechts. In: Fortschritte des Verwaltungsrechts. Festschrift für Hans J. Wolff. Im Namen seiner Schüler hrsg. v. Christian-Friedrich Menger. München: C. H. Beck, 1973, S. 269-305 43. Vorläufige Bilanz im Streit um das Schulgebet. Zum Urteil des BVerwG v. 30.11.1973 - V I I C 59.73. In: Die Öffentliche Verwaltung 1974, S. 253-257 44. „Integrierte Wahl" - verfassungsgemäß? In: Zeitschrift für Rechtspolitik 1974, S. 134-137 45. Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation. In: Neue Juristische Wochenschrift 1974, S. 1529-1538 (auch in A 8, A 17) (englisch I/e 1; französisch I/f 2; japanisch I / j 2; koreanisch I/k 3; spanisch I/sp 1) 46. Kreuze (Kruzifixe) in Gerichtssälen? Zum Verhältnis von staatlicher Selbstdarstellung und religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates. In: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 20 (1975), S. 119-147
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Bibliographie Ernst-Wolf gang Böckenförde
47. Freiheitssicherung gegenüber gesellschaftlicher Macht. In: Freiheit in der sozialen Demokratie. 4. Rechtspolitischer Kongreß der SPD vom 6. bis 8.6.1975 in Düsseldorf. Dokumentation. Hrsg. v. Diether Posser und Rudolf Wassermann. Karlsruhe: C. F. Müller, 1975, S. 69-76 (Recht - Justiz - Zeitgeschehen, Bd. 24) (auch in A 8, A 17) (englisch I/e 1; japanisch I / j 2; koreanisch I / k 3; spanisch I/sp 1) gekürzter Vorabdruck unter dem Titel: Sicherung der Freiheit vor neuen Gefahren. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 3.6.1975, S. 9 48. Grundrechtsgeltung gegenüber Trägern gesellschaftlicher Macht? In: Freiheit in der sozialen Demokratie. 4. Rechtspolitischer Kongreß der SPD vom 6. bis 8.6.1975 in Düsseldorf. Dokumentation. Hrsg. v. Diether Posser und Rudolf Wassermann. Karlsruhe: C. F. Müller, 1975, S. 77-89 (Recht - Justiz - Zeitgeschehen, Bd. 24) 49. Keine Chance für eine gemeinsame Regelung? Gedanken zur abschließenden Beratung der Reform des Abtreibungsstrafrechts. In: Stuttgarter Zeitung vom 12.2.1976 50. Die Methoden der Verfassungsinterpretation - Bestandsaufnahme und Kritik. In: Neue Juristische Wochenschrift 1976, S. 2089-2099 (auch in A 17) (französisch I/f 2; spanisch I/sp 1) 51. Die politische Funktion wirtschaftlich-sozialer Verbände und Interessenträger in der sozialstaatlichen Demokratie. Ein Beitrag zum Problem der „Regierbarkeit". In: Der Staat 15 (1976), S. 457-483 (auch in A 17) a) gekürzter Vorabdruck in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.12.1976, S. 11 b) abgedruckt in: - Regierbarkeit, Studien zu ihrer Problematisierung, Bd. 1. Hrsg. von Wilhelm Hennis u.a. Stuttgart: Klett-Cotta, 1977, S. 223-254 - Staat und Verbände. Zur Theorie der Interessenverbände in der Industriegesellschaft. Hrsg. von Rudolf Steinberg.
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Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1985 (Wege der Forschung, Bd. CCXCVIII), S. 305-340 52. Einleitung zu: Staat und Gesellschaft. Hrsg. von E.-W. Bökkenförde. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1976 (Wege der Forschung, Bd. CDLXXI), S. X I - X V I 53. Zum Verhältnis von Kirche und moderner Welt. In: Studien zum Beginn der modernen Welt. Hrsg. v. Reinhart Koselleck. Stuttgart: Klett-Cotta, 1977, S. 154-177 (Industrielle Welt, Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, Bd. 20) (auch in A 14) (italienisch I / i 4; polnisch I/pl 3) 54. Die stufenweise Auflösung der Einheit von geistlich-religiöser und weltlich-politischer Ordnung in der Verfassungsentwicklung der Neuzeit. In: Sozialwissenschaften im Studium des Rechts, Bd. IV. Rechtsgeschichte, hrsg. v. Gerhard Dilcher und Norbert Horn. München: C. H. Beck, 1977, S. 43-53 55. Laudatio auf Prof. Dr. Niklas Luhmann (217. Sitzung der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften am 15.12.1976). In: Jahrbuch 1976 der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1977, S. 70-73 56. Überlegungen und Empfehlungen der Enquete-Kommission Verfassungsreform zur demokratisch-parlamentarischen Verfassungsorganisation. In: Überlegungen zur Verfassungsreform, Empfehlungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1977, S. 7-40 (Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, 15), abgedruckt unter dem Titel: Überlegungen und Empfehlungen der Enquete-Kommission. Verfassungsreform im Hinblick auf die demokratisch-parlamentarische Verfassungsorganisation, in: Die Ergebnisse der Enquete-Kommission Verfassungsreform und die verfassungsrechtliche Fortentwicklung der Bundesrepublik. Köln: Grote, 1977, S. 23-50 (Cappenberger Gespräche der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft, Bd. 13)
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57. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und kommunale Selbstverwaltung. In: Archiv des öffentlichen Rechts 103 (1978), S. 1—42 58. Der Staat als sittlicher Staat. In: Neue Zürcher Zeitung vom 29.04.1978, S. 29 (Auszug aus A 9) 59. Der vernünftige Staat - Aufgaben und Grenzen. In: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Nr. 20 vom 14.5.1978 (überarbeiteter Auszug aus A 9) 60. Verhaltens gewähr oder Gesinnungstreue? Sicherung der freiheitlichen Demokratie in den Formen des Rechtsstaats. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.12.1978, S. 9-10 (auch in A 17). Abgedruckt in: Der Abschied vom ExtremistenBeschluß. Hrsg. v. Hans Koschnick. Bonn: Verlag Neue Gesellschaft 1979, S. 76-80 61. Der Staat als Organismus. Zur staatstheoretischen Diskussion in der Vormärzzeit. In: Neue Zürcher Zeitung vom 16./ 17.12.1978, S. 61 (auch in A 16) (französisch I/f 2) 62. Organ, Organismus, Organisation, politischer Körper (Abschnitt VI-IX). In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 4 (Mi-Pre). Hrsg. v. Otto Brunner u.a. Stuttgart: KlettCotta, 1978, S. 561-622 63. Der verdrängte Ausnahmezustand. Zum Handeln der Staatsgewalt in außergewöhnlichen Lagen. In: Neue Juristische Wochenschrift 1978, S. 1881-1890 (koreanisch I / k 3) 64. Elternrecht - Recht des Kindes - Recht des Staates. In: Essener Gespräche zum Verhältnis von Staat und Kirche, Bd. 14. Hrsg. v. Joseph Krautscheidt und Heiner Marré. Münster: Aschendorff, 1980, S. 54-98, Diskussionsbeiträge auf S. 104127. Teilabdruck in: Internationale Katholische Zeitschrift, Heft 4 (1979), S. 320-336 65. Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Unverjährbarkeit des Mordes. In: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissen-
Bibliographie Ernst-Wolfgang Böckenförde
schaft, Bd. 91 (1979), S. 889-901, gekürzte Fassung unter dem Titel: Wo das Grundgesetz den Verjährungsstreit begrenzt. Zur Verfassungsmäßigkeit der von der SPD und von Prof. Maihofer gewünschten Regelung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.6.1979, S. 6 66. Das neue politische Engagement der Kirche. Zur „politischen Theologie" Johannes Pauls II. In: Stimmen der Zeit, Heft 4 (1980), S. 219-234 (auch in A 13) (polnisch I/pl 1) gekürzte Fassung in: Neue Zürcher Zeitung vom 26./ 27.1.1980, S. 67 67. Rechtsstaat und Ausnahmerecht. Eine Erwiderung. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Heft 4 (1980), S. 591-595 68. Zusammen mit: Hans F. Zacher, Franz Böckle, Bernhard Stöckle. Der „Wahlhirtenbrief" 1980. Eine Anfrage an die deutschen Bischöfe. In: Herder-Korrespondenz November 1980, S. 570 69. Zum Ende des Schulgebetsstreits. Stellungnahme zum Beschluß des BVerfG vom 16.10.1978 (DÖV 1980, S. 333). In: Die Öffentliche Verwaltung 1980, S. 323-327 70. Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie. Zum Verhältnis von Parlamentarismus und Föderalismus unter den Bedingungen des Sozialstaates. In: Politik als gelebte Verfassung. Aktuelle Probleme des modernen Verfassungsstaates. Festschrift für Friedrich Schäfer. Hrsg. v. Jürgen Jekewitz, Michael Melzer und Wolfgang Zeh. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1980, S. 182-199 (auch in A 19) 71. Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge. In: Soziale Grundrechte. Von der bürgerlichen zur sozialen Rechtsordnung. 5. Rechtspolitischer Kongreß der SPD, 1980. Dokumentation Teil 2. Hrsg. v. E.-W. Böckenförde, Jürgen Jekewitz, Thilo Ramm. Heidelberg: C. F. Müller, 1981, S. 7-16 (auch in A 16) (japanisch I / j 2; koreanisch I/k 3; spanisch I/sp 1) gekürzter Vorabdruck unter dem Titel: Was nützen soziale Grundrechte? Etwas anderes als Freiheitsrechte - und nicht
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nur ein „Programm guter Politik". In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.2.1980, S. 11 72. Politische Theorie und politische Theologie. Bemerkungen zu ihrem gegenseitigen Verhältnis. In: Revue européenne des sciences sociales et Cahiers Vilfredo Pareto, Tome XIX, 1981, No. 54-55 (Etudes en l'honneur de Julien Freund), S. 233243. Genève: Editions Droz a) gekürzte Fassung unter dem Titel: Politische Theologie Begriff und Bedeutung. In: Neue Zürcher Zeitung vom 30./31. Mai 1981, S. 69 b) abgedruckt in: Der Fürst dieser Welt. Carl Schmitt und die Folgen. Hrsg. v. Jacob Taubes. Paderborn etc.: Schöningh/ Fink, 1983, S. 16-25 (auch in A 13) 73. Ausnahmerecht und demokratischer Rechtsstaat. In: Die Freiheit des Anderen. Festschrift für Martin Hirsch. Hrsg. v. Hans-Jochen Vogel, Helmut Simon und Adalbert Podlech. Baden-Baden: Nomos, 1981, S. 259-272 74. Ethische und politische Grundsatzfragen zur Zeit. In: Herder Korrespondenz, Heft 7, Juli 1981, S. 342-348 (auch in A 13) 75. Rechtsstaatliche politische Selbstverteidigung als Problem. In: Extremisten und öffentlicher Dienst. Studie der FriedrichEbert-Stiftung, Baden-Baden: Nomos Verlag, 1981, S. 9-33 76. Weimar - Vom Ende einer zu früh gekommenen Demokratie, in: Die Öffentliche Verwaltung 34 (1981), S. 946-949 77. Zur Diskussion um die Totalrevision der Schweizerischen Bundesverfassung, in: Archiv des öffentlichen Rechts 106 (1981), S. 580-603 78. Nekrolog. Ulrich Scheuner (1903-1981). In: Historische Zeitschrift, Bd. 234 (1982), S. 251-254 79. Mittelbare/repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie. Bemerkungen zu Begriff und Verwirklichungsproblemen der Demokratie als Staats- und Regierungsform. In: Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel.
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Festschrift für Kurt Eichenberger. Basel: Helbing & Lichtenhahn, 1982, S. 301-328 (italienisch I / i 2) 80. Zusammen mit Joachim Wieland: Die „Rundfunkfreiheit" ein Grundrecht? Überlegungen zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 5 Abs. 1 GG für die Organisation des Rundfunks. In: Archiv für Presserecht, 13. Jg. (1982), S. 77-85 81. Staat - Gesellschaft - Kirche. In: Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft, Teilbd. 15. Freiburg: Herder, 1982, S. 5-120 (auch in A 14) 82. Über die Schwierigkeit, ein Versprechen einzulösen. In: Badische Zeitung vom 16.11.1982, S. 6 83. Bemerkungen zum Verhältnis von Staat und Religion bei Hegel. In: Der Staat 21 (1982), S. 481-503 (auch in A 16) 84. Die Eigenart des Staatsrechts und der Staatsrechtswissenschaft. In: Recht und Staat im sozialen Wandel. Festschrift für Hans Ulrich Scupin zum 80. Geburtstag. Hrsg. von Norbert Achterberg, Werner Krawietz u. Dieter Wyduckel. Berlin: Duncker & Humblot, 1983, S. 317-331 (auch in A 17) (japanisch I / j 2) 85. Das „C" ist kein Papiertiger! Wenn ein Christ Politik macht. In: Publik-Forum, Nr. 5 vom 4.3.1983, S. 3-5 (Statement auf dem Düsseldorfer Katholikentag 1982: „Was ist das Christliche an der Politik eines Christen?") 86. Garantie für Recht und Freiheit. In: Badische Zeitung vom 11.4.1983 87. Geschichtliche Entwicklung und Bedeutungswandel der Verfassung. In: Festschrift für Rudolf Gmür zum 70. Geburtstag am 28.7.1983. Hrsg. von Arno Buschmann, Franz-Ludwig Kneymeyer, Gerhard Otte, Werner Schubert. Bielefeld: Gieseking, 1983, S. 7-19, erweitert und an einigen Stellen verändert in: Juristische Arbeitsblätter 1984, S. 325-332 (auch in A 17) (japanisch I / j 2; koreanisch I/k 3 polnisch I/pl 6) 88. Steuergerechtigkeit und Familienlastenausgleich. In: Frankfurter Rundschau vom 24.10.1983, S. 14, abgedruckt in:
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- Stimme der Familie. Hrsg. vom Familienbund der Deutschen Katholiken Nr. 11 (1983), S. 129-132 - Steuer und Wirtschaft (1986), S. 335-340 89. Die Ausgestaltung der Souveränität. Demokratie und Repräsentation in der Gegenwart. In: Neue Zürcher Zeitung vom 26./27.11.1983, S. 69/70 (auszugsweiser Vorabdruck aus A 10) 90. Religionsfreiheit zwischen Kirche und Staat. In: Gewissen und Freiheit, Nr. 22 (1984), S. 13-31 (auch in A 14) (japanisch I / j 4; polnisch I/pl 3) 91. Johannes Popitz. Der Staatsbegriff als allgemeingültiger Begriff. Eine Dokumentation. Einleitung. In: Der Staat 23 (1984), S. 227-232 92. Normativismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. v. Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Bd. 6 Basel/ Stuttgart: Schwabe, 1984, Sp. 931 f. 93. Ordnungsdenken, konkretes. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. v. Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Bd. 6. Basel/Stuttgart: Schwabe, 1984, Sp. 1311-1313 94. Das Bild vom Menschen in der Perspektive der heutigen Rechtsordnung. In: Der Mensch in den modernen Wissenschaften. Castelgandolfo-Gespräche 1983, S. 91-99. Hrsg. v. Krzysztof Michalski, Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Stuttgart: Klett-Cotta, 1985 (auch in A 16) (polnisch I/pl 2) 95. Der Zusammenbruch der Monarchie und die Entstehung der Weimarer Republik. In: Deutsche Verwaltungsgeschichte. Hrsg. v. Kurt G. A. Jeserich, Hans Pohl, Georg-Christoph von Unruh, Bd. 4. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1985, S. 1-23 (auch in A 16) a) gekürzter Auszug unter dem Titel: Brückenbauer zwischen Revolution und Legitimität. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.11.1983, S. 11 b) leicht verändert in: Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik - Wirtschaft - Gesellschaft. Hrsg. v. Karl Dietrich Bracher, Manfred Funke, Hans-Adolf Jacobsen. Bonn:
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Bundeszentrale für politische Bildung, 1987, S. 17-44 (Schriftenreihe Bd. 251. Studien zur Geschichte und Politik) 96. Widerstand. In: Lexikon des Sozialismus. Hrsg. v. Thomas Meyer, Karl-Heinz Klär, Susanne Miller, Klaus Novy, Heinz Timmermann. Köln: Bund, 1985, S. 712 f. 97. Die Bedeutung der Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Überlegungen 20 Jahre danach. In: Stimmen der Zeit, Heft 5 (1986), S. 303-312 (auch in A 14), gekürzte Fassung in: - Neue Zürcher Zeitung vom 12./13. Juli 1986, S. 58 Deutsche Tagespost vom 18.4.1987, S. 21 98. Gerhard Anschütz - 1867-1948. In: Semper Apertus. Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 13861986 - Festschrift in sechs Bänden, Bd. 3. Berlin - Heidelberg etc.: Springer, 1986, S. 167-175 (auch in A 16) 99. Kirche und modernes Bewußtsein. In: Moderne und Postmoderne. Civitas Resultate. Bd. 10. Weinheim: V C H Verlagsgesellschaft, 1986, S. 103-129, abgedruckt in: Internationale katholische Zeitschrift „Communio" 15. Jg. (1986), Heft 2, S. 153-168 (polnisch I/pl 3) 100. Unter Mitarbeit von Christoph Enders: Freiheit und Recht. Freiheit und Staat. In: Staatslexikon, 2. Bd. Hrsg. v. der Görres-Gesellschaft. Freiburg: Herder, 1986, Sp. 704-713 (auch in A 13) (japanisch I / j 2; polnisch I/pl 3) 101. Recht und Liebe. In: Handwörterbuch religiöser Gegenwartsfragen. Hrsg. v. Ulrich Ruh, David Seeber, Rudolf Walter. Freiburg: Herder, 1986, S. 386-390 102. Die Krise in der Rechtsordnung: Der Ausnahmezustand. In: Über die Krise. Castelgandolfo-Gespräche 1985. Hrsg. v. Krzysztof Michalski, Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Stuttgart: Klett-Cotta, 1986, S. 183-191 103. Kritik der Wertbegründung des Rechts. Überlegungen zu einem Kapitel „Rechtsphilosophie". In: OIKEIOSIS.
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Bibliographie E r n s t - W o l f gang Böckenförde
Festschrift für Robert Spaemann. Hrsg. v. Reinhard Low. Weinheim: V C H Verlagsgemeinschaft, 1987, S. 1-21 (Acta humaniora) a) überarbeitet und ergänzt unter dem Titel: Die Begründung des Rechts auf Werte oder auf das von Natur Rechte. In: Natur in den Geisteswissenschaften. Erstes Blaubeurer Symposion, Bd. 1. Hrsg. v. Richard Brinkmann, Alfred Gierer, Walter Jens. Tübingen: Attempto, 1988, S. 181-202 b) Auszug aus a) unter dem Titel: Die Begründung des Rechts auf Werte. Eine Kritik aus juristischer Sicht. In: Neue Zürcher Zeitung vom 17./18. Dezember 1988, S. 65 c) überarbeitet und ergänzt unter dem Titel: Zur Kritik der Wertbegründung des Rechts. In: Rechtspositivismus und Wertbezug des Rechts. Vorträge der Tagung der Deutschen Sektion der IVR in der BRD. Hrsg. v. Ralf Dreier. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1990, S. 33-46 (ARSP Beiheft 37) (auch in A 16) (französisch I/f 2; polnisch I/pl 3) 104. Demokratie als Verfassungsprinzip. In: Isensee/Kirchhof (Hg.) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Bd. I - Grundlagen von Staat und Verfassung. Heidelberg: C. F. Müller, 1987, § 22, S. 887-952 (auch in A 17 - durchgesehene Fassung) (spanisch I/sp 2) 105. Demokratische Willensbildung und Repräsentation. In: Isensee/Kirchhof (Hg.) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Bd. II - Demokratische Willensbildung. Die Staatsorgane des Bundes. Heidelberg: C. F. Müller, 1987, § 30, S. 29-48 106. Der Begriff des Politischen als Schlüssel zum staatsrechtlichen Werk Carl Schmitts. In: Complexio Oppositorum. Uber Carl Schmitt. Vorträge und Diskussionsbeiträge des 28. Sonderseminars 1986 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Hrsg. v. Helmut Quaritsch. Berlin: Duncker & Humblot, 1988, S. 283-299, Diskussionsbeiträge auf S. 302 f., 314318 (ergänzte Fassung in A 16) (englisch I/e 3; japanisch I / j 1)
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107. Erinnerungen an Franz Schnabel. In: Franz Schnabel - zu Leben und Werk: (1887-1966). Vorträge zur Feier seines 100. Geburtstages. Hrsg. v. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. München: Oldenbourg, 1988, S. 15-25 108. Staat und Gesellschaft. In: Staatslexikon. Hrsg. v. der GörresGesellschaft, Bd. 5. Freiburg: Herder, 1989, Sp. 228-235 109. Stellung und Bedeutung der Religion in einer „Civil Society". In: Internationale katholische Zeitschrift „Communio", 18. Jg. (1989), Heft 6, S. 584-597 (auch in A 19) (polnisch I/pl 3) 110. Die sozialen und politischen Ordnungsideen der Französischen Revolution. In: Neue Zürcher Zeitung vom 16./17. September 1989, S. 66, leicht ergänzte Fassung in: Europa und die Civil Society. Castelgandolfo-Gespräche 1989, Bd. 4. Stuttgart: Klett-Cotta, 1991, S. 103-117 (auch in A 18) (polnisch I/pl 4) 111. Grundrechte als Grundsatznormen. Zur gegenwärtigen Lage der Grundrechtsdogmatik. In: Der Staat 1 (1990), S. 1-31 (auch in A 17) 112. Zusammen mit Dieter Grimm: Nachdenken über Deutschland. In: Der Spiegel 10/1990, S. 72-77 113. Religionsfreiheit. In: Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen (Hrsg. v. Hans Gasper, Joachim Müller, Friederike Valentin). Freiburg: Herder, 1990, Sp. 880-885 114. Freiheit und Recht. Einige Überlegungen zu ihrem Verhältnis. In: Neue Zürcher Zeitung vom 22./23. September 1990, S. 69, auch unter dem Titel: Freiheit und Recht sind nicht selbstverständlich. In: Wie im Himmel so auf Erden. 90. Dt. Katholikentag. Berlin, Dokumentation I. Paderborn 1991, S. 401-404 115. Die Schweiz - Vorbild für Europa? In: Neue Zürcher Zeitung vom 13. Dezember 1991, S. 37 (auch in A 17)
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116. Zusammen mit Edward Shils: Introduction zu: Jews and Christian in a Pluralistic World. Hrsg. v. E.-W. Böckenförde & Edward Shils. London: Weidenfeld & Nicolson, 1991 117. Nationen und Nationalstaaten. Die Ordnung Europas am Scheideweg. In: Hoffmann, Hilmar/Kramer, Dieter (Hg.). Das verunsicherte Europa. Römerberggespräche Frankfurt/N. 1992. Frankfurt a.M.: Anton Hain, Meisenheim GmbH, 1992, S. 77-88 118. Erinnerung an die Kurator-Verfassung. In: Die humane Universität Bielefeld 1969-1992. Festschrift für Karl Peter Grotemeyer. Hrsg. v. Andreas Dress, Eberhard Firnhaber, Hartmut v. Hentig, Dietrich Storbeck. Bielefeld: Westfalen Verlag, 1992, S. 151-159 119. Der Beitrag politischen Handelns zur Verwirklichung von Gerechtigkeit. In: Ernst, Wilhelm (Hg.), Gerechtigkeit in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik (Studien zur theologischen Ethik, Bd. 46). Freiburg i. Ue.: Universitäts-Verlag, 1992 und Freiburg i.Br.: Herder, 1992, S. 149-173 a) teilweiser Abdruck in: Transit (1992), Heft 4, S. 28-45 (Verlag Neue Kritik, Frankfurt/M.) (polnisch I/pl 3; portugisisch I/po 1) b) überarbeitete und gekürzte Fassung unter dem Titel: „Nicht Machterhalt ist das Ziel der Politik, sondern Gerechtigkeit". In: Frankfurter Allgemeine Magazin vom 12. Februar 1993, Heft 676, S. 22-28, abgedruckt in: U. Wickert, Das Buch der Tugenden. Hamburg: Hoffmann u. Campe, 1995, S. 347-360 120. Autorität - Gewissen - Normfindung. Thesen zur weiteren Diskussion. a) In: In Christus zum Leben befreit. Für Bernhard Häring. Hrsg. v. Josef Römelt und Bruno Hidber Freiburg i.Br.: Herder, 1992, S. 131-138 b) In: Neue Zürcher Zeitung vom 23./24. Oktober 1993, Nr. 247, S. 59 121. Anmerkungen zum Begriff Verfassungswandel. In: Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche
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zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. Peter Badura und Rupert Scholz. München: C. H. Beck, 1993, S. 3-14 (auch in A 19) (spanisch I/sp 2) abgedruckt in: Hüter der Verfassung oder Lenker der Politik? Das Bundesverfassungsgericht im Widerstreit. Interdisziplinäres Forum: Bürger und Recht 2000. Hrsg. v. Bernd Guggenberger/Thomas Würtenberger. Baden-Baden: Nomos Verlag 1998, Bd. 1, S. 44-56 122. Rechtsstaat. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. v. Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Bd. 8 (R-Sc). Basel: Schwabe & Co. AG, 1993, Sp. 332-342 123. Zur Funktion des Rechts für die Reform staatlicher Institutionen. In: Zur Funktion des Rechts für die Reform staatlicher Institutionen. Symposium zum 70. Geburtstag von Kurt Eichenberger. Referate und Diskussionen vom 11./12. Juni 1992 in Lenzburg. Basel/Frankfurt: Helbing & Lichtenhahn, 1993, S. 34-57 124. Die Nation - Identität in Differenz. In: Identität im Wandel. Gastelgandolfo-Gespräche, Bd. VI. Hrsg. v. Krzysztof Michalski. Stuttgart: Klett-Cotta, 1995, S. 129-154 (auch in A 19) a) abgedruckt in: Universitas, 50. Jg., 10/1995, Nr. 592, S. 974-991 b) gekürzte und bearbeitete Fassung unter dem Titel: Die Nation. Jenseits von Herkunft, Muttersprache und Religion: Über ein Phänomen, das selbst die Merkmale bestimmt, die es bestimmen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 228 vom 30. September 1995 (Bilder und Zeiten), abgedruckt in: - Brose, Thomas (Hg.): Deutsches Neuland, Beiträge aus Religion und Gesellschaft. Leipzig 1996, S. 17-29 - In: Les repercussions l'unification en Allemagne. Hrsg. v. Prof. Dr. Dieter Gutzen (Fern-Universität Hagen), Lehrbuch für Germanistik-Studenten. Paris: Presses Universitaires de France, 1996, S. 17-29 1
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125. Staatliches Recht und sittliche Ordnung. In: Aufklärung durch Tradition. Symposion der Josef Pieper Stiftung zum 90. Geburtstag von Josef Pieper (Mai 1994 in Münster). Hrsg. v. Hermann Fechtrup, Friedbert Schulze, Thomas Sternberg. Münster: LiT-Verlag, 1995, S. 87-107 (durchgesehene und überarbeitete Fassung in A 19) 126. Von welchen Ressourcen leben wir? Erfolg und Herausforderungen der Aufklärung. In: Neue Zürcher Zeitung Nr. 116 vom 20./21. Mai 1995, S. 66 a) unter dem Titel: Erfolge und Grenzen der Aufklärung. Acht Thesen. In: Universitas, 50. Jg. (1995), S. 720-726 b) überarbeitete Fassung unter dem Titel: Fundamente der Freiheit. In: Erwin Teufel (Hg.), Was hält die moderne Gesellschaft zusammen? Frankfurt/M.: Suhrkamp 1996, S. 91-99 127. Demokratie. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Hrsg. v. Walter Kasper u.a. Freiburg i.Br. u.a.: Herder Verlag, 3., völlig neu bearb. Aufl. 1995, Bd. 3, Sp. 83-87 128. Was heißt eigentlich „politisch"? In: Demokratiefähigkeit. Jahrbuch Politische Theologie, Bd. 1, 1996, S. 2-5 129. Religion im säkularen Staat. In: Universitas, 51. Jg. (1996), S. 990-998 130. Die Überlastung des Bundesverfassungsgerichts. In: Zeitschrift für Rechtspolitik, 29. Jg. (1996), S. 281-284 gekürzter Vorabdruck unter dem Titel: Dem Bundesverfassungsgericht droht der Kollaps, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. Mai 1996, S. 8-9 131. Zur Idee der Verfassungsgerichtsbarkeit im demokratischen Staat. In: Justizblatt. Hrsg. vom Justizministerium RheinlandPfalz, 50. Jg., Nr. 10, vom 3. Juli 1996 132. Ist die Demokratie eine notwendige Forderung der Menschenrechte? In: Philosophie der Menschenrechte, Hrsg. v. Georg Lohmann, Stefan Goesepath. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 1998 (stw 1338), S. 233-243 (auch in A 19)
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a) gekürzte Fassung unter dem Titel: Das Unwahrscheinliche wollen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Mai 1996, S. 6 b) vorab veröffentlicht in: MUT - Forum für Kultur, Politik und Geschichte Nr. 353, Januar 1997, S. 50-55 133. Christliche Werte in der Politik. In: IWM-Newsletter No. 55, Wien, Sept.-Nov. 1996, S. 4-5. (polnisch I/pl 5) 134. Juristenausbildung - auf dem Weg ins Abseits? (Vortrag auf der Festveranstaltung zum 90. Geburtstag von Prof. Wolfgang Hefermehl am 20.9.1996). In: Juristen-Zeitung 52 (1997), S. 317-326 a) auszugsweiser Vorabdruck unter dem Titel: Weniger büffeln, mehr begreifen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. Oktober 1996, S. 12 b) abgedruckt in: Juristenbildung zwischen Internationalität und Individualität. Interdisziplinäres Forum: Bürger und Recht 2000 (Bd. 2). Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1998, S. 63-88 135. Die Verfolgung der deutschen Juden als Bürgerverrat. In: Merkur 2/1997, Heft 575, S. 165-170, abgedruckt (geringfügig ergänzte Fassung) in: MUT November 1997, Nr. 363, S. 3645 (auch in A 19) (französisch I / f 1) 136. Recht setzt Grenzen, Recht als Bedingung der Freiheit. a) Recht setzt Grenzen. In: Grenzen-los? Jedes System braucht Grenzen - aber wie durchlässig müssen diese sein? Hrsg. v. Ernst Ulrich von Weizsäcker. Berlin/Basel/ Boston: Birkhäuser 1997, S. 272-284 - Vorabdruck unter dem Titel: Recht setzt Grenzen. Warum Entgrenzungen freiheitswidrig sein können. In: Neue Zürcher Zeitung vom 8./9. Februar 1997, Nr. 32, S. 70 b) geringfügig erweiterte Fassung unter dem Titel: Kein Spiel ohne Grenzen. In: Die politische Meinung, Nr. 340, Jg. 43, März 1998, S. 5-13 12*
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c) Recht als Bedingung der Freiheit. Grenzen im Prozeß der Globalisierung. In: MUT März 1999, Nr. 379, S. 6-17 (auch in A 19, leicht gekürzte Fassung) (polnisch I/pl 9) 137. Auf dem Weg zum Klassiker. Carl Schmitt in der Diskussion: Politische Theologie als Fluchtpunkt seines Werks. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.7.1997, Nr. 158, S. 35 (englisch I/e 2) 138. Wenn der europäische Stier vom goldenen Kalb überholt wird. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.7.1997, Nr. 169, S. 30 (gekürzter Vorabdruck von A 18) 139. Begriff und Probleme des Verfassungsstaates. In: Staat, Politik, Verwaltung in Europa. Gedächtnisschrift für Roman Schnur. Hrsg. v. R. Morsey, H. Quaritsch, H. Siedentopf. Berlin: Duncker & Humblot 1997, S. 137-149 (auch in A 19) (japanisch I / j 2; polnisch I/pl 9) 140. Ebert, die Räte und die alten Gewalten. In: Das Parlament Nr. 3-4 vom 16. Januar 1998, (150 Jahre Parlamentarismus in Deutschland), S. 15 (teilweiser Nachdruck von Β 95 b) 141. Die Zukunft der Autonomie. Demokratie und Staatlichkeit im Zeichen von Globalisierung, Europäisierung und Individualisierung. In: Die Schweiz - für Europa? Uber Kultur und Politik. Hrsg. von Martin Meyer und Georg Kohler. München/ Wien: Carl Hanser Verlag 1998, S. 63-90 (auch in A 19) 142. Regierungsfähigkeit zwischen Verfassung und politischer Verantwortung. In: Demokratie neu denken. Verfassungspolitik und Regierungsfähigkeit in Deutschland. Hrsg. von der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 1998, S. 83-94 143. Verfassungsgerichtsbarkeit. Strukturfragen, Organisation, Legitimation. In: Neue Juristische Wochenschrift 1999, S. 917 (auch in A 19) (japanisch I / j 2; polnisch I/pl 9)
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144. Organisationsgewalt und Gesetzesvorbehalt. (Besprechung von NWVerfGH, Urteil vom 9.2.1999, VerfGH 11/98). In: Neue Juristische Wochenschrift 1999, Heft 17, S. 1235-1236 145. Prinzipien der Demokratie als Staats- und Regierungsform, (nur französisch, japanisch). In: Der moderne Staat und Verfassung, Freiheit und Demokratie (japan.). Tokyo 1999, S. 213-239 (französisch I/f 2; japanisch I / j 2) 146. Probleme des normativen Gehalts der Grundrechte, (nur japanisch). In: Der moderne Staat und Verfassung, Freiheit und Demokratie (japan.). Tokyo 1999, S. 398-403 (japanisch I / j 2) 147. Als Christ im Amt eines Verfassungsrichters. In: E.-W. Bökkenförde/A. Schavan (Hg.): Salz der Erde. Stuttgart: Schwabenverlag 1999, S. 14-28 148. Rechtsstaat. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 8. Freiburg: Herder Verlag 1999, Sp. 914-916 149. Überlegungen zu einer Theologie des modernen säkularen Rechts. Vortrag anläßlich der Ehrenpromotion am 12. Mai 1999. In: Universitätsreden - Neue Serie - Nr. 9 der RuhrUniversität Bochum, S. 27-50 a) geringfügig gekürzte Fassung unter dem Titel: Zur Theologie des modernen säkularen Rechts. In: Stimmen der Zeit, Heft 9/1999, Bd. 217, S. 579-596 b) Auszug: Die Macht der Entzweiung. Überlegungen zu einer Theologie des säkularen Rechts. In: Neue Zürcher Zeitung vom 19./20. Juni 1999, Nr. 139, S. 53/54 150. Toleranz - Leidensgeschichte der christlichen Kirchen. In: MUT Oktober 1999, Nr. 386, S. 54-63 151. Stellungnahme zu: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann." (Beitrag von Frau Ursula Neumann). In: Ethik und Unterricht 1/99, S. 43 152. Vier Thesen zur Kommunitarismusdebatte. In: Rechtsphilosophische Kontroversen der Gegenwart. Hrsg. von Peter Silier/
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C. Fallösungen 1. Lösung eines Klausurfalls aus dem öffentlichen Recht. In: Die Fortbildung, Studien- und Mitteilungsblatt der deutschen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie, Jg. 5 (1960), S. 39-41 2. Der Stellvertreter-Fall. In: Juristische Schulung, 6. Jg. Heft 9, September 1966, S. 359-367 3. Der Honnef-Fall (,Der praktische Fall', Öffentliches Recht). In: JuS 1968, Heft 8, S. 375-380 4. Sandwich-Träger: Öffentlich-rechtliche Aufsichtsarbeit, Frühjahr 1980. In: VBlBw 7 und 8/1981, S. 230/31 und 265-271
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F. Diskussionsbeiträge 1. Der Bürger und das Recht. Rechtspolitischer Kongreß der SPD am 26./27.03.65 in Heidelberg. In: Dokumentation: „Der Bürger und das Recht", hrsg. v. Vorstand der SPD, Bonn, Erich-Ollenhauer-Haus AZ-Druck, Mannheim 1967, S. 109 ff. 2. Der Schießbefehl an der Mauer. Jahrestagung des Königsteiner Kreises am 4. November 1967 in Königstein im Taunus. In: Mitteilungsblatt der Vereinigung der Juristen, Volkswirte und Beamten aus der Sowjetischen Besatzungszone e.V., NS. 12, Jahrgang 1967 3. Das Staatsoberhaupt in der parlamentarischen Demokratie. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 25 (1967), S. 220, 232 4. Die Kirchen unter dem Grundgesetz. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 26 (1968), S. 123 f., 144 5. Das Grundrecht der Gewissensfreiheit. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 28 (1970), S. 102-106, 109-112, 125, 141-146 6. Grundrechte im Leistungsstaat. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 30 (1972), S. 162— 165 7. Staatsrechtliche Stellung der Ausländer in der BRD. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 32 (1974), S. 134 f., 142-144 8. Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 32 (1974), S. 244 f. 9. Parlamentarisches Regierungssystem des Grundgesetzes. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 33 (1975), S. 132-134
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10. Organisierte Einwirkungen auf die Verwaltung. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 33 (1975), S. 297-300 11. Die Funktion von Glaube und Kirche angesichts der Sinnproblematik in Gesellschaft und Kirche heute. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 11, Münster 1977, S. 37-39 12. Uber die Moralität staatlicher Normsetzung. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 11, Münster 1977, S. 82-84 13. Kirchliche Präsenz in Hörfunk und Fernsehen. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 12, Münster 1978, S. 35 f., 52 f. 14. Positionen, Erfahrungen und Erwartungen im Verhältnis der Kirchen zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Nachkriegsentwicklung. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 12, Münster 1978, S. 81-83 15. Verfassungstreue und Schutz der Verfassung. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 37 (1978), S. 138-141 16. Deutschland nach 30 Jahren GG. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 38 (1980), S. 118120 17. Sozialstaat, Besitzindividualismus und die Uneinholbarkeit der Hegeischen Korporation. Symposium der CIVITAS am 15.10.1982 in München. In: Chancen und Grenzen des Sozialstaats. Staatstheorie - Politische Ökonomie - Politik. Hrsg. v. P. Koslowski, Ph. Kreuzer, R. Low. Tübingen: J. C. B. Mohr, 1983, S. 248-250 18. Die Jugendreligionen und die Grenzen der Religionsfreiheit. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 19, Münster 1985, S. 156-158 19. Vierzig Jahre Dritte Gewalt unter dem Grundgesetz Festveranstaltung am 5.10.1989 in der Paulskirche, Frankfurt/M. Hrsg. v. Bundesministerim der Justiz, Bonn 1989, S. 20-22, 26 f., 3336, 41-44, 48
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20. Der Gleichheitssatz. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 47 (1989), S. 95 f. 21. Die Verantwortung der Kirche für den Staat. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 25, Münster 1991, S. 96-98 22. Die Einigung Deutschlands und das deutsche Staat-KircheSystem. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Bd. 26, 1992, S. 32, 35, 101, 129 f. 23. Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 54 (1995), S. 125-127 24. Kommunale Selbstverwaltung in Deutschland. Symposium zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Willi Blümel. Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 683. Berlin: Duncker & Humblot 1995, S. 52 f., 61 f., 96 f., 117 f., 119 f. 25. Das christliche Freiheitsverständnis und seine Bedeutung für die staatliche Rechtsordnung. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 30, Münster 1996, S. 71-73 26. Die Staat-Kirche-Ordnung im Blick auf die Europäische Union. In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 31, Münster 1997, S. 43-45 27. Empfiehlt es sich, die Juristenausbildung nach Abschluß des Studiums neu zu regeln? Verhandlungen des 62. Deutschen Juristentages, Bremen 1998. 2 Sitzungsberichte (Diskussionen und Beschlußfassung) Abteilung Juristenausbildung, Bd. II, 2, S. Ν 120-N 123 28. Arbeitsmarkt und staatliche Lenkung. Staat und Religion. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 59 (2000), S. 148 f., 315-319 29. Volk und Parteien - Wer ist der Souverän? Podiumsdiskussion im Landtag Rheinland-Pfalz am 20. Juni 2000. In: Schriftenreihe des Landtags Rheinland-Pfalz, Heft 12 (2000), S. 17-22, 50 f.
Bibliographie Ernst-Wolfgang Böckenförde
G· Veröffentlichungen als Allein- oder Mitherausgeber 1. Der Staat. Zeitschrift für Staatslehre, öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte. Hrsg. von E.-W. Böckenförde u.a. seit 1967. Berlin: Duncker & Humblot 2. Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt zum 80. Geburtstag. Hrsg. von Hans Barion, E.-W. Böckenförde, Ernst Forsthoff, Werner Weber, 2 Bände. Berlin: Duncker & Humblot, 1968. 2. Aufl. 2002 3. Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815-1918). Hrsg. von E.-W. Böckenförde unter Mitarbeit von Rainer Wahl. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1972. 2. veränderte Auflage 1981, Königstein/Ts.: Athenäum, Hain, Scriptor, Hanstein 4. Naturrecht in der Kritik. Hrsg. von Franz Böckle und E.-W. Böckenförde. Mainz: Matthias-Grünewald, 1973 5. Staat und Gesellschaft. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1976, 520 S. (Wege der Forschung Bd. CDLXXI) 6. Adolf Arndt. Gesammelte juristische Schriften. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge 1946-1972. Hrsg. von E.-W. Böckenförde und Walter Lewald. München: C. H. Beck, 1976, 457 S. 7. Soziale Grundrechte. Von der bürgerlichen zur sozialen Rechtsordnung. 5. Rechtspolitischer Kongreß der SPD 1980, Dokumentation Teil 2. Hrsg. von E.-W. Böckenförde, Jürgen Jekewitz, Thilo Ramm. Heidelberg: C. F. Müller, 1981 8. Extremisten und öffentlicher Dienst. Rechtslage und Praxis des Zugangs zum und der Entlassung aus dem öffentlichen Dienst in Westeuropa, USA, Jugoslawien und der EG. Hrsg. von E.-W. Böckenförde, Christian Tomuschat, Dieter C. Umbach. Baden-Baden: Nomos, 1981 9. Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich. Hrsg. von E.-W. Böckenförde. Heidelberg: C. F. Müller, 1985 (Recht Justiz - Zeitgeschehen [RJZ], Bd. 41)
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10. Menschenrechte und Menschenwürde. Historische Voraussetzungen - säkulare Gestalt - christliches Verständnis. Hrsg. von E.-W. Böckenförde und Robert Spaemann. Stuttgart: Ernst Klett, 1987 11. Jews an Christians in a Pluralistic World. Hrsg. von E.-W. Böckenförde und Edward Shils. London: Weidenfeld & Nicolson, 1991 12. Salz der Erde. Christliche Spiritualität in der Welt von heute. Hrsg. von E.-W. Böckenförde und Annette Schavan. Stuttgart: Schwabenverlag, 1999
H . Interviews 1. Ist der deutsche Katholizismus systemkonform? Ein Gespräch aus Anlaß des 40jährigen Bestehens der Bundesrepublik. In: Herder-Korrespondenz Juni 1989, S. 260-266 2. L'Allemagne, le Concile et la politique. In: catholica No. 17, Décembre 1989, p. 28-35 3. Sécularisation, ou démission du politique?. In: catholica, Juni 1994, p. 16-26 4. Sobre el Derecho y el Estado. In: Anuario de Derecho Constitucional y Parlamentario, 7/1995, p. 7-29 5. Religion im freiheitlichen Staat, anläßlich der Konferenz „Demokratische Politik: Die Agenda der Zukunft" des Instituts der Wissenschaften vom Menschen, Wien. In: Inter Médias Nr. 6 v. 20.06.1997 6. Warum wird dem Volk die Politik egal, Herr Professor Bökkenförde?. In: Frankfurter Allgemeine Magazin, 40. Woche vom 02.10.97, Heft 918, S. 58-59 7. Prawo stwarza wolnosc (nur polnisch). In: Tycodnik Powszechny Nr. 22 v. 31. Mai 1998, S. 4 8. Verfassungsänderung unnötig. In: Der Tagesspiegel Nr. 16 568 vom 7. Januar 1999, S. 2
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9. Der Staat ist für die Menschen da. Interview anläßlich des 50. Jahrestages des Grundgesetzes. In: Badische Zeitung vom 30. April 1999, Magazin, S. I I I 10. Die Ungleichheit darf ein gewisses Maß nicht überschreiten. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 172 vom 29. Juli 1999, S. 11 I. Übersetzungen I/e - englisch
1. Β 4, 8, 15, 17, 21, 26, 30, 31, 45, 47. State, Society and Liberty Berg: New York/Oxford 1991 2. Β 137. Carl Schmitt revisited (erweiterte Fassung). In: Telos 109 (1996), S. 81-86 3. Β 106. The Concept of the Political Key to Understanding Constitutional Theory. In: The Canadian Journal of Law and Jurisprudence X (1997), S. 5-19
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1. Β 135 (gekürzt). Les juifs et la trahison allemande. In: Le Monde vom 8. November 1997, S. 15 2. A 10, 11, B 7, 8, 15, 21, 31, 45, 50, 61, 103c, 145. Le Droit, L'État et La Constitution démocratique Essais de théorie juridique, politique et constitutionelle, réunis et présentes par Olivier Jouaujan. Librairie Générale de Droit et de Jurisprudence/ Edition Bruylant: Paris/Bruxelles 2000
I / i - italienisch
1. A 2. La storiografia costituzionale tedesca nel secolo decimonono. Milano 1970 2. Β 79. Democrazia e Rappresentanza. In: Quaderni Costituzionali/ a.V. n. 2, agosto 1985
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3. Β 15. La formazione dello Stato come processo di secolarizzazione. In: Cristianesimo e potere. Centro Editoriale Dehoniano: Bologna 1986 4. Β 53. Il rapporto tra Chiesa e Mondo Moderno. I contorni di un problema. In: Gliinizi del Mondo Moderno. Vita e Pensiero: Milano 1997, S. 199-230
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1. Β 106. Der Begriff des Politischen als Schlüssel zum staatsrechtlichen Werk Carl Schmitts. In: Japanische Ausgabe von Complexio Oppositorium. Uber Carl Schmitt. Tokyo 1993, S. 281-308 2. A 10, 11, 15, Β 12, 31, 45, 47, 71, 84, 87, 100, 139, 143, 145, 146. Der moderne Staat und Verfassung, Freiheit und Demokratie Fukosha: Tokyo 1999 3. Β 9. Religionsfreiheit als Aufgabe der Christen. In: Shakai to Rinri (Bd. 7). Nagoya 1999, S. 159-173 4. Β 90. Die Religionsfreiheit im Spannungsfeld zwischen Kirche und Staat. In: Shakai to Rinri (Bd. 7). Nagoya 1999, S. 174-194
I / k - koreanisch
1. Β 17. Der deutsche Typ der konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert. In: Wolgan Koshi (Monatliche Staatsexamen), Bd. 14, Heft 4, 1987, S. 129-155 2. A 6. Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart. In: Dong-a Law Review, 4/1987 3. A 10, 11, Β 17, 21, 31, 33, 45, 47, 63, 71, 87. Verfassung, Staat, Freiheit. Bobmun SA: Seoul 1992 4. Β 21. Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs. In: Das Rechtsstaatsprinzip, Bubwon Sa: Seoul 1996, S. 205-232
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5. A 15. Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz. Dong-A Law Review, Vol. 21, Dezember 1996, p. 217-271 Institut for the Study of Law, Dong-Α University, Pusan
I/pl - polnisch 1. Β 66. Das neue politische Engagement der Kirche. Zur „politischen Theologie" Johannes Pauls II. Nowy Sposób Politycznego. Zaangazowania Kosciola - ο „Teologii Politycznej" Jana Pawla II. In: Znak Miesiçcznik; Krakow, Rok XXXVII, Marzec (3) 1985, S. 3-24 2. Β 94. Das Bild vom Menschen in der Perspektive der heutigen Rechtsordnung. In: Cztowiek w nauce wspótczesnej 3. A 9, Β 1, 15, 40, 53, 90, 103, 109, 119a. Freiheit, Staat, Kirche. Wolnosc-panstwo-KoscióI. Wydawnictwo Znak: Krakow 1994 4. Β 110. Die sozialen und politischen Ordnungsideen der Französischen Revolution. Idee ladu spoledznego i politycznego w Rewolucji Francuskiej. In: EUROPA i spoleczeùstwo obywatelskie Wydawnictwo Znak: Krakow 1994 5. Β 133. Christliche Werte in der Politik. Wartosci chrzescijaùskie w polityce. In: Transit 3, 1997, S. 21-24 6. Β 87. Geschichtliche Entwicklung und Bedeutungswandel der Verfassung. Historyczny rozwój i rózne znaczenia pojecia konstytucji. In: Civitas Nr. 1 (1997), S. 11-35 7. Β 1. Das Ethos der Modernen Demokratie und die Kirche. Etos nowoczesnej demokracji a Koscióh In: Civitas Nr. 3 (1999), S. 23-45 8. Β 2. Noch einmal: Das Ethos der modernen Demokratie und die Kirche. Raz jeszcze: etos nowoczesnej demokracji a Koscióh Polemika miçdzy Hermannem-Josefem Spitalem i Ernstem-Wolf gangiem Böckenförde. In: Civitas Nr. 3 (1999), S. 47-77
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9. A 18, Β 136, 139, 143. PaÄstwo Prawa w jednocz^cej siç Europie. Instytut Studiow Politycznych PAN: Warszawa 2000 I/po - portugiesisch
1. Β 119. Der Beitrag politischen Handelns zur Verwirklichung von Gerechtigkeit. Ο Contributo do agir Politico para a realizaçao da Justiça. In: Brotéria, Voi 134 - No. 3, Março 1992, S. 239-258 I/sp - spanisch
1. A 15, Β 45, 47, 50, 71. Escritos sobre Derechos Fundamentales. Nomos Verlagsgesellschaft: Baden-Baden 1993 2. A 10, 11, B 21, 104, 121. Estudios sobre el Estado de Derecho y la democracia. Editorial Trotta: Madrid 2000
Berichtigung zu Rainer Wahl / Joachim Wieland (Hrsg.), Das Recht des Menschen in der Welt. Kolloquium aus Anlaß des 70. Geburtstags von Ernst-Wolfgang Böckenförde (Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Bd. 28): Die Bibliographie wurde zusammengestellt von Martina Griesbaum und Marc Lindner.