Das preußisch-deutsche Problem: Erklärungen des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Heinrich Held. Sitzung des Unterausschusses II der Länderkonferenz vom 18. November 1929 [Reprint 2021 ed.] 9783112452141, 9783112452134


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Das preußisch-deutsche Problem: Erklärungen des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Heinrich Held. Sitzung des Unterausschusses II der Länderkonferenz vom 18. November 1929 [Reprint 2021 ed.]
 9783112452141, 9783112452134

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Das preußifcß-deutfcße sProbtem

Erklärungen des Bayerischen Ministerpräsidenten

Dr. Heinrich Held Sitzung Oes Unterausschusses II Oer ßänderftonferen) vom 18. November 1929

19 2 9 *------------------ - . —----------------------- .

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München, Berlin und Leipzig 3. LcKxveitzer Vertag (Arthur Set(ier)

1. In einer kürzlich veröffentlichten Betrachtung über die letzten Verhandlungen des Unterausschusses hat der Herr preußische Ver­ treter Miu. Dir. Dr. Brecht der Meinung Ausdruck gegeben, daß Konkretisierung sich bei den Erörterungen der Länderkonferenz die Streitfragen der Streitfragen. zu konkretisieren beginnen und damit die Gegensätze natur­ gemäß schärfer hervortreten. In der Tat wird mit dieser Be­ urteilung der Kern der Sache berührt, der allerdings einer klareren Herausschälung bedarf, wenn die Sachlage richtig erkannt und die Tragweite der Vorschläge ermessen werden soll, nach denen eine Mehrheit des Unterausschusses das Deutsche Reich und seine Ver­ fassung reformieren möchte. Als im Jahre 1928 die Lünderkonfereuz zusammentrat, da war der Kern des Problems noch verhüllt. Mau ging an die Frage nur von allgemeinen Gesichtspunkten aus. Die Rationalisierung der Verwaltung und die Reform der Ver­ fassung im Sinne einer Beseitigung bestehender Mängel und einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen Reich und Ländern standen als allgemein umschriebene sachliche Ziele im Vordergrund. Peinlich hielten die Anhänger des Einheitsstaates mit ihren politischen Plänen zurück. So kamen als Ergebnis allge­ meine Richtlinien zustande, die der Grundfrage auswichen und znm großer: Teil noch dazu negativer Natur waren. Die Einzelheiten Ungelöste fragen. blieben einem Gutachten des Ausschusses vorbehalten. Heute zeichnen sich die Umrisse des Reformbildes, das eine Mehr­ heit um den Herrn preußischen Vertreter entworfen hat, auch im einzelnen erkennbar vom Untergründe ab. Zwar sind bei der An­ lage des Bildes noch zahlreiche Stellen, deren praktische Ausarbei­ tung zu den wesentlichen Aufgaben der Länderkonferenz gehören würde, in vorsichtiges Dunkel gehüllt. Die wichtige Frage der Neu­ gliederung harrt der Lösung durch den Unterausschuß I. Weiter soll z. B. die Frage des Maßes der Dezentralisation künfUgen Reichsgesetzen und die Frage des Schicksals der kleinen und mittleren Länder Sonderverhandlungen überlassen bleiben, von denen noch nicht gesagt wurde, wer sie führen soll und wie sie ge­ führt werden sollen. Von den Ländern wird für die Lösung der in Schwebe gelassenen Fragen Vertrauen in die künftige Reichs­ gesetzgebung verlangt. Der Appell an das Vertrauen auf die Zu3

Gesamtbild: Der zentralisierte Einheitsstaat.

kunft vermag nur einen recht fragwürdigen Ersatz für die man­ gelnde Bereitschaft zu einer Lösung im jetzigen Zeitpunkte zu bieten. Sind es unter anderem nicht gerade anch die Mängel in der seitherigen Handhabung der Reichsgesetzgebung gewesen, die uils hier zusammengeführt haben? Hat nicht die Vergangenheit in erschreckender Weise gezeigt, wie die Reichsgesetzgebung, vielfach unter Außerachtlassung des Rechtsgedankens und unter Durchbrech­ ung der Reichsverfassung die Rechte der Lander rücksichtslos beiseitegesetzt und ausgehöhlt hat? Ein von allen Vertretern der Länderkonferenz anerkannter Fehler des gegenwärtigen Systems, gegen den, worauf ich noch zurückkommen werde, Abhilfemittel mög­ lich wären, aber bisher nicht ins Auge gefaßt worden sind. Die hierauf gerichteten Vorschläge verschiedener Lündervertreter, darunter auch Bayerns, sind als „Flickversuch" bezeichnet und übergangen worden. Solange die Rechte der Länder nicht mit stärkeren Garantien für ihre Beachtung versehen sind, ist es müßig, von ihnen Vertrauen zu einer künftigen Entwicklung auf der alteu Grundlage zu fordern. — So ist trotz des Dunkels an verschiedenen wesentlichen Stellen das Bild in seinen Grundzügen für jeden so klar erkennbar, daß er selbst in der Lage ist, die fehlenden Einzelzüge ergänzend nachzutragen. Ein Bild, bei dem die politischen Effekte die fachlichen so stark überwiegen, daß die letzteren nur noch als schamhafte Ver­ zierung der ersteren angesprochen werden können. So sehr hat sich das ursprüngliche Programm gewandelt, daß von seinen sachlichen Zielen, von der angeblichen Vereinfachung und Verbesserung nichts mehr übrig geblieben ist, daß mau im Gegenteil zu reichlich gekünstelten Lösungsversuchen und zu einer Komplizierung der Verfassung greift, nur um der politischen Ziele willen. Mit bemerkenswerter Offenheit, die uns die seither verhüllte Klarheit gebracht hat, wird heute in der Län­ derkonferenz der Einheitsstaat als das Ziel zugegeben. Es wird sich später Anlaß ßieteit, auf die Einzelheiten näher einzugehen.

Die Beschlüsse des Unterausschusses vom 5. und 6. Juli 1929 die im wesentlichen auf dem gemeinschaftlichen Referat über die Zu­ ständigkeitsfrage beruhen, bilden den Inhalt zu einer Form, die das Organisationsreferat umrissen hat. Indem diese Form zugrunKeine Vorentschei­ degelegt wurde, haben die Beschlüsse des Unterausschusses über die dung über das Zuständigkeitsfrage den Verhandlungen des Unterausschusses über Organisationsre- die Organisation der Länder vorgegriffen. Damit liegt aber fcrat durch die keineswegs eine res judicata vor. Es ist etwas anderes, wenn ich Beschlüsse über die die Form für sich, und etwas anderes, wenn ich die Form zusamZustündigkeitsinen mit dem Inhalt ins Auge fasse, der ihr erst den rechten Sinn frage. 4

und Zweck geben kann.

So ist es denkbar, daß jemand die Form

an sich oder im Zusammenhang mit einem bestimmten ihm vor­ schwebenden Inhalt gutheißt, sie aber ablehnt, wenn ihr ein In­ halt zugrundegelegt wird, mit dem er nicht einverstanden ist. Deshalb wird sich der Unterausschuß der Aufgabe nicht entziehen können, die Grundzüge des Organisationsreferats einer sehr einge­ henden Prüfung zu unterstellen. Er wird sich heute leichter tun, die „gezimmerten Kästen" zu prüfen, weil er nunmehr den dafür be­ stimmten Inhalt kennt. Die entscheidenden Züge der vorgeschlagenen Form sind darin zu erblicken, daß die Reichsregierung und die Preußische Regierung zu einer einzigen vom Reiche zu bestellenden Regierung „vereinigt" werden und Preußen staatsrechtlich als selbständiges Gebilde verschwindet. Das würde gegenüber dem jetzi­ ger! Zustand eine grundstürzende Aenderung bedeuten, wie sie in der deutschen Verfassungsgeschichte, soweit die organische Entwicklung in Betracht kommt, ohne Beispiel wäre. Schon deshalb bedarf dieser Vorschlag einer sorgfältigen Prüfung auf seine Notwendigkeit, Zweck­ mäßigkeit und Tragweite, wenn nicht der Sprung ins Dunkle um jeden Preis gewagt werden soll. Die Verhandlungen der Län­ derkonferenz führen mit diesem Problem einem Höhe­ punkt entgegen.

Aus diesem Grunde bedauere ich es lebhaft, daß das größte und hauptbeteiligte Land Preußen in diesem Augenblicke nicht durch seinen Ministerpräsidenten selbst hier vertreten ist. Der Ausschuß Abwesenheit des ist wohl dahin übereingekommen, daß ihm seine Mitglieder nur Preiitz. Minister Präsidenten. als Persönlichkeiten angehören und an Weisungen ihrer Kabinette nicht gebunden sein sollen, so daß ihre Stellungnahme nicht ohne weiteres als offizielle Stellungnahme der Regierung ihres Landes angesprochen werden kann. Allein wenn die übrigen deutschen Län­ der sich durch ihre Staats- oder Ministerpräsidenteu hier vertreten lassen, so wäre dies auch von Preußen zu wünschen, zumal in dein Zeitpunkt, wo die Frage Preußen-Reich im ganzen und in den Einzelheiten in den Brennpunkt der Verhandlungen getreten ist und eine Mehrheit im Unterausschuß der Annahme von Vorschlägen zu­ neigt, von deren Verwirklichung der preuß. Vertreter und mit ihm Herr Reichsminister Koch-Weser behauptet, daß sie das größte OpferPreußens in seiner Geschichte in sich schließen würde, nämlich das Opfer der Selbstaufgabe als Staat und des Aufgehens int Reich. Es ist sicherlich nicht das Naturgemäße, daß bei der Erörterung des Problems Preußen-Reich die Erklärungen der außerpreußischen deutschen Länder, ob und unter welchen Bedingungen einer Lösung der Frage Preußen-Reich auf der Grundlage der beiden Gemein­ schaftsreferate zugestimmt werden kann, aus dem Munde des Mi5

nisterpräsidenten selbst erfolgen, wahrend die Arage offen bleibt, wie sich der Herr preuß. Ministerpräsident zu dem Problem im ganzen und zu seinen Einzelheiten stellt, zumal es der Herr Preußische Ministerpräsident war, von dem die Anregung zur Länderkonserenz ausgegangen ist. Kein Zweifel, daß unter der tätigen Mitarbeit des Herrn prenß. Ministerpräsidenten das Problem Preußen-Reich klarer heransgearbeitet und eine festere Grundlage für seine weitere Behandlung gewonnen werden könnte. Ich unterstreiche dies, weil daraus hervorgeht, daß Preußen allein nach der fo ruralen Seite hin eine Sonderstellung einnimmt.

II. Im ersten Teil meines Referats über die Zuständigkeit der sog. Länder neuer Art finden Sie auch meine Stellungnahme zu den Vorschlägen des gemeinschaftlichen Organisationsreferats. Das drei­ fache Programm dieses Gemeinschaftsreferats 1. Vereinigung der Preußischen Staatsregierung mit der Reichs­ regierung, 2. unmittelbare Verbindung der Reichsministerien mit der Verwaltung, 3. Schaffung homogener Verwaltungsgebiete von der Größe der preußischen Provinzen ist dort einer eingehenden Betrachtung unter­ stellt. Was die unmittelbare Verbindung der Reichsministerien mit der Verwaltung betrifft, so wird sich bei dem Abschnitt Auftrags­ verwaltung und bei jenen Teilen des Organisationsreferats Gele­ genheit zur Stellungnahme bieten, bei denen versucht wird, dem Reiche weitere Rechte gegenüber der Länderverwaltung einzuräumen. Mit der Frage der Schaffung homogener Verwaltungsgebiete dürfte sich in erster Linie der Unterausschuß I zu befassen haben. Die Frage Preußen-Reich und die dem Unterausschuß vor­ liegenden Vorschläge für eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Preußen und dem Reich sind, wie ich bereits hervorgehoben habe, für die künftige Entwicklung unseres deutschen Vaterlandes von so tief­ greifender und weitreichender schicksalsschwerer Bedeutung, daß ich trotz der mannigfachen Erörterung dieses Problems bei unseren Verhandlungen in diesem wichtigen Augenblick noch einmal um Ihre ganze Aufmerksamkeit für eine eingehende Darlegung meines Stand­ punktes bitten mich. Wenn ich dabei auch auf die geschichtliche Entwicklung eingehc, so geschieht das aus der Ihnen bekannten Ueberzeugung heraus, daß keine Lösung der deutschen Frage tragbar ist, die zwar als zeitgemäß gelten inag und bestimmten politischen Zielen förderlich ist, die aber nicht der Seele des deutschen Volkes entspricht und keinen Zusammenhang mit der Vergangenheit besitzt, mit der die Gegenwart und die Zukunft unzertrennlich verknüpft ist. Es gibt keinen Ausschnitt aus dem Verfassungsproblem unserer Tage, der so innig mit der Verfassungsgeschichtc verwachsen ist, als das Prob­ lem Preußen und Reich. Und wenn dieses Problem von einem 7

Die Frage Prcuhen-Rclch.

geradezu undurchdringlichen Gestrüpp von Unklarheiten uiib Irrtü­ mern, Schlagworten und Voreingenommenheiten überwuchert wurde, so liegt der Grund hiefür vorwiegend darin, daß es zumeist rein mechanisch angefaßt wurde. Bei einer solchen Behandlung ist freilich dem künstereichen Spiel juristischer und geographischer Konstruktionen freier Raum gelassen und können sich alle möglichen Spielarten von Lösungsversuchen hemmungslos entwickeln. Klarheit wird nur ge­ wonnen, wenn man sich die historischen Zusammenhänge verge­ genwärtigt, die Kräfte in der Entwicklung richtig erkennt und das Ziel ins Auge faßt, zu dem die vorgeschlagene Lösung mit Naturnotweudigkeit führen muß, gleichviel ob dieses Ziel iu der Absicht der Vorschläge eingeschlossen liegt oder nicht.

st. Historische Betrachtung. Allgemeiner Ucbcrblick.

PreutzischOesterrcichischer Dualismus.

a) Das preußisch-deutsche Problem ist herausgewachseu aus beit Zeiten nach dem 30 jährigen Krieg, in denen Deutschlands Macht und Einheit darniederlag. Der große Kurfürst war es, der diesen Zustand als erster überwand und der, um mit Koch-Weser zu reden, zuerst die ,,B alkenlage" von Osten nach Westen zu legen begann, indem er die Mark Brandenburg mit dem preußischen Ordensland verband und zugleich seine Macht, allerdings mit geographischen Lücken, durch die Gewinnung neuer Gebietsteile nach Mitteldeutsch­ land und bis zum Rhein erstreckte. Von da ab datiert der moderne preußische Staat. Mit dem Urenkel des großen Kurfürsten, Fried­ rich II., war Preußen neben Oesterreich bereits eine europäische Macht und das preußisch-deutsche Problem in Form des preußisch­ österreichischen Dualismus vollendete Tatsache geworden. Die weiteren Ereignisse, die über den Wiener Kongreß von 1815 und den deutschen Bund mit dem für die Entwicklung der deutschen Verfafsuugsgeschichte bedeutsamen Marksteinen der Nationalver ­ sammlung in der Paulskirche 1848/49, dem Vierkönigsbünduis vom 27. 2. 1850, der Erfurter Unionstagung im Frühjahr 1850, des Deutschen Nationalvereins unter preußischer Füh­ rung, des Großdeutschen Reformvereins Ende der 50iger Jahre und des Frankfurter Fürstentages von 1863 bis zum Jahre 1866 führen, genügt es hier nur iu großen Linien zu verzeichnen. Die Entwicklung war reich an Versuchen, dein Deutschen Volke eilte stärkere Einheit als die eines lockeren Staatenbundes zu geben. Allein alle Versuche scheiterten wie in den vergangenen eineinhalb Jahr­ hunderten an dem preußisch-österreichischen Dualismus oder mit anderen Worten am Problem Preußen-Reich. Das Jahr 1866 brachte wohl eilte Teillösung, aber weder das Jähr 1870/71 noch das Jahr der großen Weltenwende und iituerdeutschen Wende, in 8

dem die Throne stürzten und Deutschland Republik wurde, vermochte eilte Lösung zu bringen, die allenthalben voll befriedigt hätte. Die deutsche Verfassungsgeschichte in dem kurz angedeuteten Abschnitt ist durch 2 Momente entscheidend bedingt, die zum Teil mit ihrer Wirkung noch in diese Tage hereinreichen. Einmal durch die aus dem Emporschwung Preußens resultierenden Großmacht­ Grotzmachtbestrebestrebungen Preußens und Oesterreichs, hinter denen der bnngcn und Haus­ machtpolitik. Reichsgedanke bis zum schließlichen Erlöschen seiner äußeren Form zurücktreten mußte, und damit zusammenhängend durch die Hausmachtpolitik, in deren Verfolg sich namentlich Preußen eine deutsche Landschaft um die andere angliederte. Seine Krönung fand dieser Angliederungsprozeß mit der Ausfüllung der großen geographischen Lücke in der Mitte der „Balkenlage" Ost-West im Jahre 1866. In keinem Zeitpunkte dieses Geschichtsabschnittes ist der Ge­ Niemals der Ein­ heitsstaat als Ziel. danke eines Einheitsstaates in dem Sinne, wie er heute vertreten wird, je hervorgetreten. Niemals hätten sich selbst die radikalsten Unitaristen als Endziel eine solche verfassungsrechtliche Macht­ fülle des Reiches träumen lassen, wie sie die Weimarer Verfassung geschaffen hat. Denn den Unitaristen von damals schwebte im Ge­ gensatz zu den Unitaristen von heute die nationale Einheit und nicht die Vereinheitlichung des Reiches als Ziel vor den Augen. Niemals in der deutschen Geschichte war die Balkenlage des Reiches nach allen Richtungen verfassungsrechtlich so stark ausgebaut und verklammert wie heute oder auch unter der Bismarck'schen Reichs­ verfassung. Wohlbedacht schränke ich diese Feststellung durch den Zusatz „verfassungsrechtlich" ein, denn letzten Endes sind die Macht des Reichs und die Klammern seiner Einheit verlagert im Herzen und im Willen des Deutschen Volkes und keine noch so scharfe ver­ fassungsrechtliche Klammer könnte diese Verankerung ersetzen, sondern höchstens gefährden. Wer darüber näheres lesen will, dem empfehle ich das neue Buch des Generalobersten von Seeckt „Die Zukunft des Reiches". Generaloberst von Seeckt ist der Auffassung, daß die Ein­ heit des Reiches nach außen und seine ganze Wirkung nur zur Gel­ tung gebracht werden kann, wenn die völlige Freiheit nach innen gesichert ist, daß aber in einem zentralisierten Staat, wie er hier vorgesehen ist, diese Freiheit niemals gedeihen kann. Das ist die Auffassung des Herrn Generalobersten von Seeckt. Ich befinde mich also mit meinen Anschauungen in guter Gesellschaft.

b) Der Rückblick auf die letzten Abschnitte der deutschen Ver­ fassungsgeschichte ermöglicht uns im besonderen aber die Erkenntnis der historischen und politischen Zusammenhängc, mit denen die im gemeinschaftlichen Organisationsreferat oorgeschlagene Lösung verknüpft ist. Man hat diese Lösung dahin 9

Historische Entwicklung des Rcichslandproblcms.

umschrieben, daß Preußen seine historische Mission in der deutschen Geschichte, nämlich die Herbeiführung der deutschen nationalen Ein­ heit erfüllen müsse, um dann selbst iin Reiche aufzugehen. Dem Opfer der Selbständigkeit, das Preußen dabei bringe, müßten auch Opfer der anderen deutschen Länder entsprechen. Es wäre belanglos und ich versage es mir deshalb auch, zurückschauend etwa Betrach­ tungen darüber anstellen zu wollen, auf welch anderem als dem uoix Bismarck fortgesetzten und zn Ende geführten Wege die Löfung der deutschen Frage möglich gewesen wäre. Für die Beurteilung unserer Frage ist nur die historia facta maßgebend. Und da ist es allerdings von entscheidender Gegenwartsbedeutung, welche Rolle in der seit­ herigen Verfassungsgeschichte der uns vorliegende Lösungsversnch ge­ spielt hat, und wie sich Preußen von jeher die Erfiillung seiner historischen Mission in der Deutschen Geschichte vorgestellt hat.

Bis an den Begüur des 19. Jahrhunderts war Preußens histor­ ische Mission iit der Deutschen Geschichte dem Zuge der Entwicklung entsprechend in erster Linie eine preußische Mission. Nicht daß der deutsche Gedanke gefehlt hätte. Aber das primäre war der preußische Gedanke. Zweimal brach der Gedanke einer deutschen Mission stark hervor, zum erstenmal in den Jahren der Befreiungskriege, getragen von Männern des Geistes und von Staatsmännern wie dem Reichssreiherrn vom Stein, Hardenberg, Scharnhorst u. a., die übrigens keine Preußen von Geburt waren. Allen schwebte die Herbeiführung der deutschen Einheit, keinem die Herbeiführung des deutschen Ein­ heitsstaates vor. Ihr Ziel, ein deutscher Bundesstaat mit einer starken Reichsgewalt, womöglich mit der alten deutschen Kaiserkrone und mit freien und selbständigen deutschen Staaten, schei­ terte an dein nach dem Siege von 1813 wieder emporkommenden Partikularismus. Nicht zuletzt war es Preußen, das sich sehr zum Kummer des Freiherrn vom Stein wieder auf eine preußische statt auf eilte deutsche Mission besann. Das ganze Deutschland sollte es sein und der bekannte Spruch des Freiherrn vom Stein: „Ich kenne nur ein Vaterland und das heißt Deutschland" trifft auch den preußischen Partikularismus. Als dann zum zweiten Mal die deutsche Frage durch die Ereignisse des Jahres 1848 ins Rollen kam, da trat die These von der historischen Mission Preußens in der deut­ schen Geschichte von neuem stark in den Vordergrund. Wer die 197 Paragraphen der von der Nationalversammlung in der Paulskirche beschlossenen Reichsverfassung vom 28. März 1849 liest, der kann feststellen, wie überraschend viele Vestimmungen dieses Werkes den Zeitenstnrm überdauert haben, indem sie in die Bismarck'sche und zum Teil fast wörtlich in die Weimarer Verfassung übernommen worden sind. Viele der Probleme, die uns heute beschäftigen, sind 10

in den monatelangen Beratungen in der Paulskirche Gegenstand

der Diskussion gewesen uni> viel eingehender und sorgfältiger erör­ tert worden, als es im Rahmen der Länderkonferenz überhaupt mög­ lich ist. So geht auch die gleiche Lösung des Problems PreußenReich, die uns heute vorgeschlagen wird, nämlich die Zusammen­ fassung der Reichsgewalt und der preußischen Staatsgewalt und damit die Reichsunmittelbarmachung Preußens auf die Paulskirche zurück. Es war die liberale Geistesrichtrmg, die diesen Gedanken vertrat. Dropsen, von Rümelin und von Stockmar waren es vor allem, die sich für eine Umwandlung Preußens in ein Reichsland einsetzten, wobei sie davon ausgiugen, daß Preußen mit der Kaiserkrone anstelle seiner bisherigen Selbständigkeit die Reichsmacht gewinne. Es ist von größtem Interesse für unsere Arbeit, daß Dropsen dabei die Ansicht vertrat, Preußen solle durch Entwicklung seiner provinziellen Verfassung seine Vergliedernng mit Deutschland und den übrigen Staaten mit sich ermöglichen, um seine große und gesunde Machtorganisation, fein Heer und sein Finanzwesen voran, für das Ganze als Rahmen anzubieten. Selbst so einsichtige und vorsichtige Männer wie Dahl­ mann meinten, leicht könnte es dem preußischen Volk selbst wün­ schenswert erscheinen, neben der überragenden deutschen Reichsver­ sammlung keine eigene preußische Kammer mehr zu bilden, sondern sich zu begnügen mit provinziellen, den Hauptstämmen Preußens entsprechenden Landesvertretungen. Schon damals machte aber Dahlmann das auch auf der Länderkonferenz geäußerte Bedenken geltend, daß alsdann über die besonderer Angelegenheiten Preußens nur zu einem dritten Teil Preußen und zu zwei Dritteln Nichtpreußen zu beschließen hätten, wenn anstelle der preußischen Kammer der Reichstag treten würde. (Heute ist das Zahlenverhältrris umgekehrt). Dahlmann, Droyserr und von Stockmar waren sich klar darüber, daß um den Preis der in die Hand der preußischen Herr­ schaft zu legenden Reichsgewalt das zentralistische preußische System in ein dezentralistisches umgewandelt werden müßte, damit nicht bei den übrigen Staaten die Besorgnis ausgelöst werde, daß die Mediati sierung schließlich auch auf sie übergreife. Der Vertreter von Dort­ mund (Bochum) Dr. Höfken schlug vor, Preußen in 6, Oesterreich in 3 Länder unter Fortbestand der Gesamtstaaten aufzuteilen, aber sowohl den Gesamtstaaten wie den Ländern das Recht einzurämnen, Vertreter in das Staatenhaus schicken zu dürfen. Für den Fall, daß sich die Reichslandlösung nicht durchsetzen lasse, schlug Dropsen als Lösung die Vergrößerung Preußens durch allmählichen Anschluß der übrigen Reichsteile vor. Wer muß da nicht an die Vorschläge denken, die uns heute vor­ liegen, nur mit dem einen Unterschied, daß Herr Dr. Brecht die 11

Die Reichsland lvsnng in der Panlskirche.

Anglied erungslöfnng Nicht subsidär, sondern kumulativ mit dem Mediatisieruugsvorschlag verbunden l)iit? Aus Süddeutschland kam schon damals das gleiche Echo wie heute. Der Abgeordnete Römer gab der Befürchtung Ausdruck, daß Preußen als Reichs­ land eine solche Uebermacht gewänne, daß es mit der Zeit alle übrigen Territorien verschlingen würde. Schließlich wurden alle auf Mediatisierung Preußens oder sonstiger Reichsteile hinzielenden Anträge abgelehnt. Würde von Rümelin noch unter den Lebenden weilen, so würde er angesichts der verblüffenden Aehnlichkeit der uns heute vorliegen­ den Lösungsversuche mit den Mediatisierungsvorschlägen in der Paulskirche daran erinnern, daß er bereits am 1. Oktober 1848 dem „Schwäbischen Merkur" geschrieben habe, der Reichslandgedanke habe vielleicht noch eine Zukunft. Das Charakteristische an den damaligen Lösungsversuchen ist, daß ihre Anhänger ganz offen zugaben, daß Preußen mit einer Mediatisierung, bei welcher die Reichsgewalt und die preußi­ sche Staatsgewalt zu einer einheitlichen Spitze vereinigt würden, die Reichsmacht gewinne. Das gleiche Geständnis wird uns heute nicht gemacht. Die Dinge liegen aber heute nicht anders als damals. Deshalb habe ich schon bei den letzten Verhandlungen des Unterausschusses betont, Preußen könne unmöglich behaupten, daß es bei einer solchen Lösung das größte Opfer bringe, denn es gewinne nicht mehr und nicht weniger als die Reichsmacht.

Auch was sich an die Beschlüsse der Frankfurter Nationalver­ sammlung anschloß, hat tiefe Bedeutung und tiefen Sinn noch für unsere Tage. Bekanntlich schlug König Friedrich Wilhelm I V. v. Preußen die ihm von der Nationalversammlung angebotene Kaiserkrone aus. Viele rechnen ihm dies als Schwäche an. Allein die Gründe, die er dafür geltend machte, daß er dem Sinne des deutschen Vol­ kes nicht entsprechen würde, daß er Deutschlands Einheit nicht aufrichten würde ohne das freie Einverständnis der übrigen deutschen Staaten und daß er selbst den Schein eines indirekten Zwanges vermeiden wolle, lassen den König als einen deutschen Fürsten erscheinen, dem die Sorge um Deutsch­ land höher stand als die eigenen Interessen. Sie, meine Herren, wiirden auch heute die deutsche Einheit nicht festigen, sondern gefährden, wenn Sie Ihre Arbeit nicht gründen auf das freiwillige Einverständnis der deutschen Staaten, wenn Sie vielmehr zu der direkten Ge­ walt der Ueberstimmung oder zum indirekten Zwang der Finanz­ ausgleichs greifen würden. Ich wiederhole hier in diesem Zusammenhang nocheinmal, daß die bundesstaatliche Grundlage des Reichs zu 12

jenen Elementen der Reichsverfassung gehört, die weder auf dem vorgesehene» Wege der Berfassungsänderung, noch ohne die Zustimmung der beteiligten Staaten beseitigt werden können, ohne daß damit die Verfassung selbst aus den An­ geln gehoben würde. Zu diesem Standpunkt hat sich neuerdings auch Universitätsprofessor Karl Bilfinger in seiner Verfassungsrede vom 24. 7. 29. bekannt, wobei er sich auf namhafte Autoritäten berufen konnte. — Die historische Mission Preußens in der deutschen Geschichte fand ihre Erfüllung in den Bündnisverträgen und in der Reichsgründung von 1870/71. Hatte Bismarck das preußisch-österreichische Problem mit Gewalt gelöst, so lehnte er es ab, dieses Mittel für die Grün­ dung des Reiches selbst in Anspruch zu nehmen. Die deutsche Ein­ heit, wenn auch nicht die Einheit aller Deutschen ist seitdem erreicht. Nur wer darüber hinaus die Erfüllung der historischen Mission Preußens in der Herbeiführung der Vereinheitlichung des Reiches sieht, welches Ziel mit dem Namen Einheitsstaat umschrieben wird, kann behaupten, die Mission Preußens sei nocht nicht erfüllt. Die Dynastien sind gestürzt, an ihre Stelle ist eine neue Gewalt ge­ treten. Das aber, was mit Vorschlägen erstrebt wird, durch die Preußen die Reichsmacht gewinnt, gleicht bei näherem Zusehen der Hausmachtpolitik vergangener Jahrhunderte, wenn auch die Grund­ lage und die Mittel andere geworden sind. Würde der Dualismus zwischen Preußen und Reich auf solche Weise beseitigt, dann wäre das Problem Preußen-Reich gleichwohl nicht gelöst. Es würde dann das Schlagwort von den Dualismus zwischen den reichsunmittel­ baren uud den nicht reichsunmittelbaren Ländern den Rundgang durch die unitarische politische Welt und Staatsrechtswissenschaft an­ treten. Nach den uns vorliegenden Vorschlägen gäbe es erst dann keinen „Dualismus" mehr, wenn es nur die eine umfassende Staats­ gewalt der vereinigten preußischen und Reichsregiernng im ganzen Reiche gäbe. Solange würde im Sinne der unitarischen Geisteswelt das Problem Preußen-Reich ungelöst sein. Bayerns seitherige Stellung zum Problem In meinem Referat über die Frage der Zuständigkeit der so­ Prerrßen-Reich. B.

genannten Länder neuer Art habe ich darauf hingewiesen, daß der Herr preußische Vertreter in einer Abhandlung über das Problem meinen Standpunkt zu der Frage völlig verkannt hat, wenn er be­ hauptet, alle Vertreter der Länder und selbst derbayerische Mi­ nisterpräsident seien mit einer Lösung der vorgeschlagenen Art einverstanden. Davon konnte und kann keine Rede sein. Bei der ersten Versammlung der Länderkonferenz, nämlich am 16. Januar 1928,

habe ich mich eingehend dazu geäußert. Ich habe die verschiedenen Möglichkeiten einer Neuregelung besprochen, uuii denen ich an­ nehmen konnte, daß sie Preußen genehrn sein könnten, nämlich die hegemoniale Lösung in der einen oder anderen Form und die Reichs la nd lösung. Wie aus diesen Ausführungen etwa eine Zu­ stimmung zu der einen oder anderen Lösung herausgelesen werden konnte, ist mir nicht verständlich. Im Gegenteil habe ich erhebliche Bedenken dahin geäußert, daß die eine wie die andere Lösung im Grunde genommen unitarisch sei, und daß selbst die Uebertragung einer Hegemonieftellung in Preußen, so wie die Rechtslage heute ist, un­ bedingt zu einer Unitarisierung im Sinne der Verpreußung und Auf­ hebung der Selbständigkeit der deutschen Länder führen müsse. Des­ halb habe ich vor Neuordnungen solcher Art gewarnt, weil sie eine Gefahr für die Reichseinhcit bedeuten. Nur unter der Voraussetzung, daß den außerpreußischen Ländern in der Verfassung wieder ein fester Boden unter die Füße gegeben würde, habe ich die Einräumung einer gewissen Hegemoniestellung an Preußen allenfalls ftir diskutier­ bar erklärt. Ich habe betont, daß es Sache der zunächst beteiligten Faktoren sei, von sich aus solche Lösungsvorschläge zu machen. Als unerläßliche Voraussetzung habe ich eine Reihe von Forderungen ge­ stellt, die auf eine wirksame Sicherung der Rechte der Länder in der Reichsverfasfung abzielen, Sicherungen der Art, wie ich sie in meinem Referat über die Abgrenzung der Zuständigkeiten in Reich unb Ländern vorgeschlagen habe. Der Erörterung dieses Gedankens auf dieser Grundlage würde ich mich auch heute noch nicht entziehen. Auf tneinc Darlegungen über eine etwaige Neuregelung des Ver­ hältnisses Preußen-Reich ist bis jetzt ein zustimmendes Echo nicht erfolgt. Auch meine Vorschläge für die Abgrenzung der Zuständig­ keiten sind nicht berücksichtigt worden. Damit ist die unerläßliche Voraussetzung unerfüllt geblieben, unter der ich mich an einer Lö­ sung der von mir angedeuteten Art hätte beteiligen sönnen. Niemand ist bei dieser Sachlage berechtigt, mein Einverständnis zu dem vor­ liegenden Lösmtgsversuch zu unterstellen. Was an Stelle der von mir angedeuteten Möglichkeiten im gemeinschaftlichen Organisations­ referat zur Frage Preußen-Reich vorgeschlagen wird, ist für mich unannehmbar. a) Die Frage Preußen-Reich schließt ein sachliches und ein politi-

Die Grundlagen des Problems,

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e

Problem in sich. Ich stehe auf dem Standpunkte — und die

d 'i seitherigen Verhandlungen haben mich in dieser Ueberzeugung nur r n c — daß nach der sachlichen Richtung hin die Schwierigkeiten

im Verhältnis Preußen und Reich für die gedeihliche Weiterentwick­ lung Deutschlands keineswegs so groß sind, daß eine grundstürzende Aenderung des bestehenden Zustandes notwendig ist. Nicht so sehr

14

die Schwierigkeiten, die auf verfassungsrechtlichem Gebiete liegen, also vielmehr politische Gründe und Ziele haben die Frage PreußenReich zu einem Problem gemacht. Wenn jemals, was um Deutsch­ lands willen verhütet bleiben möge, die vorgeschlagene Lösung ver­ wirklicht werden würde, so würde sich die Richtigkeit meiner Auf­ fassung klar erweisen. Die neue vereinigte preußische und Reichsre­ gierung würde auf der neuen verfassungsrechtlichen Grundlage mit aller Bestimmtheit nicht das größere Maß an Geschlossenheit, Frei­ heit und Kraft für die Arbeit an einer glücklicheren Entwicklung des deutschen Vaterlandes gewinnen, wie es von der Verwirklichung der vorgeschlagenen Lösung verheißen wird. Im Gegenteil würde die neue verfassungsrechtliche Grundlage nur eine neue Etappe zur vecschärfteu Fortsetzung der sich aus den bestehenden geistigen, politischen und sonstigen Gegensätzen ohne Rücksicht auf die Verfassuugsgrundlage ergebenden Kämpfe bedeuten. Nur ein neues Kampffeld, auf dem die Gegensätze um so schärfer hervortreten würben, als durch Zentralisierung weiterer wichtiger öffentlicher An­ gelegenheiten die Objekte der Meinungsverschiedenheiten erheblich ver­ mehrt werden würden. Nicht die sachlichen Gründe sind es, aus denen auf eine grundstürzende Veränderung des gegenwärtigen Zustandes hingearbeitet wird, sondern die polischen Gründe. Jene politischen Kräfte, die sich nach einer Vereinigung der Reichsregierung und Preußischen Regierung in dem nun näher an die Entscheidung heranführenden machtpolitischen Kampf besser durchsetzen zu können glauben, sind es nämlich, die für die allmähliche Zusammenfassung der gesamten Staatsgewalt an einer Zentrale eintreten, wofür die Beseitigung des Dualismus zwischen Preußen und dem Reich die erste und wichtigste und die Beseitigung des im bundesstaatlichen System überhaupt bestehenden Dualismus der Staatsgewalt die letzte Vor­ aussetzung ist. Die politischen Gründe können von den Kämpfern um dieses Ziel freilich nicht in den Vordergrund gestellt werden, weil ihnen die Gefolgschaft der öffentlichen Meinung besonders in jenen Gebieten versagt bleiben müßte, auf deren Kosten die Vergrößer­ ung der Macht an der einen politischen Zentrale erfolgen würde. Deshalb wird das Schwergewicht mit so großem Aufwand an Mit­ teln aller Art auf die sachlichen Gründe gelegt und deshalb findet der Gedanke der Reichslandlösung auch dort Anhänger, wo zwar nicht das gleiche politische Ziel erstrebt wird, wo aber die sachlichen Gründe irrtümlich als erheblich genug für eine so grundstürzende Aenderung erachtet werden. So erklären sich auch die maßlosen, für die Beseitigung des Dualismus zwischen Preußen und

Reich geltend gemachten Uebertreibungen, auf die ich im Ersten Teil des Materials zur Verfassungsreform vom 8. Oktober 1928 15

„Die Mängel des deutschen Verfassungslebens" sowie in der Anlage zu meinem Referat über die Zuständigkeiten der sogenannten Länder neuer Art hingewiesen habe. Die „klassische" Begründung der Leitsätze des Erneuerungsbundes wie z. B. die Erzielung einer aktiven Handelsbilanz als Grund für die Beseitigung des Dualis­ mus zwischen Preußen und Reich hat ihren Weg sogar kritiklos in wissenschaftliche Abhandlungen gefunden. Ich hätte es begrüßt, wenn meiner wiederholten Anregung auf Prüfung der Mängel des deut­ schen Verfassungslebens im einzelnen und somit auch der im Verhält­ nis zwischen Preußen und Reich liegenden Mängel stattgegeben worden wäre. Es hätte sich dann Anlaß gegeben, den Einzelheiten auf den Grund zu gehen. Statt dessen glaube man sich auf deir Einwand beschränken zu müssen, was dem einen als Mangel erscheine, halte der andere für einen Vorzug und umgekehrt. Im Verfassungsleben der Völker gibt es überall sachliche Schwierig­ keiten von nicht minder großem Ausmaße, die sich durch einen Uebergang zu einem anderen System beseitigen ließen. Man stelle sich nur vor, welchen Umfang der Kampf in Rede und Schrift in Deutsch­ land annehmen würde, wenn zum Beispiel von den deutschen Län­ dern jedes ein anderes Zivil- und Strafrecht, eine andere Zivil- und Strafgerichtsbarkeit hätte, wie es in den Vereinigten Staaten von Amerika der Fall ist. Es läßt sich gar nicht ausdenken, wie bedroh­ lich die Gefahren für die nationale Einheit und die katastrophalen Wirkungen einer solchen „Zerrissenheit" auf die Wirtschaft ausgemalt würden. Nichts von alledem jenseits des Ozeans. Dort wägt man kühl die Vorteile und Nachteile der einen und der anderen Regelung gegeneinander ab, dort weiß man genau, daß sich die Vereinheit­ lichung wohl für manche Gebiete der Produktion, nicht aber für die Formung des öffentlichen Lebens eignet. Und so vermag man sich dort, sichtlich nicht zum Schaden für die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Volkes, um bestehender Schwierigkeiten und Unzu­ träglichkeiten willen für grundstürzende Aenderungen nicht zu ent­ schließen. So kam: ich mich zu diesem Punkt der Frage nochmals dahin zusammenfassen: Nicht sachliche aus verfassungsrechtlichen Mängeln, fließende zwingende Gründe, sondern politische Gründe sind es vor allem, uoii denen die Forderung zur Beseitigung des Dualismus zwischen Preußen und dem Reich getragen wird.

b) Der konkrete Vorschlag, der hiefür gemacht wird, ist die so­ kic differenzierte genannte differenzierte Gesamtlösung. Der Begriff geht auf Gesamtlösung. die Ziffer 2 des Beschlusses des Ausschusses vom 24. Oktober 1928 zurück. Der Dualismus zwischen Preußen und Reich, so heißt es 16

dort, soll nicht „isoliert" (wie der Erneuerungsbund es vorschlug), sondern im Rahmen einer „Gesamtlösung" beseitigt werden. Was darunter zu verstehen ist, hat Herr Dr. Brecht uns erklärt. Er hat darauf hingewiesen, daß es nicht nur einen Dualismus zwischen Preußen und dem Reich, sondern auch einen Dualismus zwischen dem Reich und den anderen Ländern gebe. Und in seiner jüngsten Abhandlung in der Zeitschrift „Reich und Länder" hat er mit Bedauern festge­ stellt, daß nach den letzten Beschlüssen des Unterausschusses nur ein Rest von „Gesamtlösung" übrig geblieben ist. Bei dem Begriff „Gesamtlösung" legt er den Schwerpunkt auf die den außerpreußischcn Säubern wegzunehmenden und auf das Reich zu übertragenden Selbst­ ständigkeitsrechte. So hat er als übrig gebliebenen „Gesamtlösungsrest" die Justizverreichlichung und die Ausdehnung der Reichsgesetzgcbung auf das Gcmeindewesen, die Verwaltungsorganisation der Länder, das Verwaltungsrecht und das Prüfungswesen bezeichnet und cs als die große politische Frage erklärt, ob dies genügend sei. Die Vorschläge des gemeinschaftlichen Zuständig keitsreferats sind bekanntlich viel weiter gegangen.

„Gcsamtlösung"

Die unveränderte Annahme des Zuständigkeitsreferats wäre un­ fraglich eine noch weitergehende „Gesamtlösung" gewesen. Aus den besorgten Aeußerungen des Herrn Dr. Brecht geht hervor, daß das Maß der den 4 größeren Ländern in den seitherigen Beschlüssen vor­ läufig zugestandenen Selbständigkeitsrechte trotz der gewaltigen Kür­ zungen gegenüber dem heutigen Besitzstand für zu groß erachtet wird, und daß es für diese 4 Länder gefährlich wäre, wenn sie dieses Maß als endgültig für eine „Gesamtlösung" ansehen würden.

Der Begriff der „Differenzierung" führt uns auf ein weiteres und wichtiges Merkmal zur Beurteilung des vorliegenden Lösungsoersuchs, nämlich auf die Frage Endlösung oder Zwischenlösung, die von der Frage der Gesamtlösung wohl zu unterscheiden ist. Der Beschluß des Ausschusses hat dem Unterausschuß II nicht nur die Abgrenzung der Zuständigkeiten, sondern auch die dauernde Sicherung der Abgrenzung zur Aufgabe gestellt und damit sich für eine Endlösung und nicht für eine Zwischenlösung ausge­ sprochen. Auch die Erklärung der Reichsregierung vom 23. Oktober 1928 sieht unter Ziff. 4 eine Endlösung vor. Ich nehme vorweg, daß das, was in der letzten Sitzung des Unterausschusses beschlossen wurde, keine Endlösung, sondern eine Zwischenlösung ist und damit gegen die Beschlüsse des Ausschusses verstößt. Sie firiden Näheres hierüber unter Ziff. X des Ersten Teils meines Referates über die Zuständigkeit der Länder neuer Art. Wenn noch ein Zwei­ fel darüber möglich gewesen rväce, daß das auf die Zukunft abge­ steckte Ziel des vorliegenden Lösungsversuchs in einer allmählichen 17

Differenzierung; Endlösung, Zwischenlösung.

Angleichung der süddeutschen Länder und Sachsens an den stramm zentralisierten norddeutschen reichsunmittelbaren Block zu erblicken ist, daß also die vorgeschlagene Lösung nur eine Zwischenlösung ist, dann wäre dieser Zweifel durch die letzten Beschlüsse des Unter­ ausschusses ausgeräumt worden. Wäre es den unitaristisch und zentralistisch eingestellten Vertretern der gemeinschaftlichen Referate ernstlich darum zu tun gewesen, dem Reformbild einen Bestand auf längere Dauer zu geben, oder mit anderen Worten eine Endlösung zu schaffen, so hätte für sie kein Anlaß bestanden, dem von mehre­ ren Ländern gestellten Antrag entgegenzutreten, daß Verfassungs­ änderungen zu ungunsten der neu abgegrenzten Selbständigkeits­ rechte der 4 Länder alter Art nur dann rechtswirksam sein sollten, wenn die Zustimmung einer qualifizierten Majorität des Reichs­ rats vorliegen würde. Mit der Ablehnung dieser Forderung, an der die zum Ersatz dafür beschlossene platonische Geste nichts ändert, haben sie bewiesen, daß ihnen das nunmehr entworfene Reform­ bild nur als eine Etappe zur undifferenzierten Gesamtlö­ sung erscheint. Denn was nützt es, wenn für die Beschlußfassung des Reichsrats als solche eine qualifizierte Mehrheit gefordert wird. Die entscheidende Befugnis bliebe nach wie vor allein beim Reichs­ tag. Die Vergangenheit hat den klaren Beweis dafür erbracht, nach welcher Richtung sich die Dinge auch in der Zukunft entwickeln müßten. Wenn sich nicht ein grundlegender Wandel in der Ein­ stellung des Reichstages vollzöge — und was könnte diese Annahme rechtfertigen, — dann könnten die Unitaristen zu der zukünftigen Reichsgesetzgebung in der Tat das Vertrauen haben, daß ihre Lö­ sung keine Zwischenlösung bliebe.

®ie Teze^traNsatio«.

c) Auch darüber, welcher Art die Endlösung sein würde, die sich aus der uns vorliegenden Zwischenlösung ergeben würde, kann kein Zweifel bestehen. Das sorgsame Bemühen, die bestehende straffe Zentralisation im Norden auch nicht um ein Quintchen zu lockern, zeigt uns heute schon, daß die Hoffnungen, die die ehrlichen unitarischen Dezentralisten unter uns auf eine Dezentralisation in der Zukunft setzen, nur platonische Bedeutung haben. Es zeigt uns, wie sehr für sie Veranlassung bestanden hätte, ein so wichtiges Prinzip wie das der Dezentralisation bei der gegenwärtigen praktischen Reform­ arbeit nicht gegen eine zweifelhafte Vertröstung auf die Zukunft leichten Herzens preiszugeben. Freilich ist das eine gewiß, daß das deutsche Volk einen zentralisierten Einheitsstaat auf die Dauer nicht ertragen würde, so gewiß, wie die Tatsache, daß es keine gefähr­ lichere verfassungsrechtliche Konstruktion für das deutsche Volk geben könnte, als dem allzu rein ausgebildeten parlamentarischen System noch eine zentralistische Stantsomnipotenz hinzuzufügen. Allein ich 18

fürchte, die Unmöglichkeit eines solchen Systems würde nicht zu einer Bekehrung der zentralen Machtfaktoren führen, die sich dann etwa freiwillig zur Dezentralisation entschlössen, sondern zu einem Un­ glück für das deutsche Volk. Die Dezentralisation im Einheitsstaat bildete einen der aller­ wichtigsten Gründe für die vorgeschlagene Neuordnung unserer Ver­ fassungsverhältnisse. DieForderung wurde in gleicher Weise von den An­ hängern des homogenen Einheitsstaates wie des homogenen Bundes­ staates erhoben. Ich erinnere an das Programm einer „hochpotenzierten Selbstverwaltung" oder „hohen Verwaltung" im dezentralisierten Ein­ heitsstaat, das die Herren Min.-Dir. Dr. Poetzsch-Heffter, Reichsminister a. D. Koch-Weser, Staatsminister Dr. Remmele und Geheimrat Anschütz zu wiederholten Malen hier und in der Oeffentlichkeit aufgestellt haben. HerrGeheimratAnschütz hat uns bei der Ausschußsitzung vom23.10.1928 an das prophetische Wort von Treitschke erinnert: „Wir werden einst werden der nationale Einheitsstaat mit einer starken Selbstver­ waltung autonomer Provinzen". Die nämlichen Gedanken­ gänge hat Herr Geh.-Rat Anschütz auch im Herbst 1928 in Reichen­ hall entwickelt. Gedankengänge, die auch jenseits der Grenze ver­ nommen und richtig verstanden wurden. Er hat darauf hingewiesen, daß der Wirkungskreis der jetzigen preußischen Pro­ vinzen zu unbedeutend ist und nicht als Vorbild dienen kann. Er umschrieb einen Wirkungskreis, der die Mitte halten solle zwi­ schen der jetzigen Provinzialkompetenz und der heutigen Länder­ kompetenz. Z. B. wollte er das ganze Unterrichtswesen einschließ­ lich der Hochschulen der Zuständigkeit der Länder neuer Art über­ lassen. Und bei den Verhandlungen des Ausschusses im Oktober 1928 stellte er die Frage, warum die Rheinprovinz nicht die Uni­ versitäten Bonn und Köln unterhalten solle. Von Herrn Min.-Dir. Dr. Poetzsch stammt die Prägung des Begriffs der „hochpotenzierten Selbstverwaltung" oder der „hohen Verwaltung" in der „Mitte". Sein ursprünglicher Gedanke ging dahin, daß diese wichtige Frage, nämlich „die Gestaltung der mitt­ leren Instanz in Norddeutschland zum Ausgangspunkt der weiteren Verfassungsberatungen" gemacht werden müsse.

Die Herren Minister Koch-Weser und Remmele, letzterer be­ sonders auch in seinen Vorschlägen über die Abgrenzung der Zu­ ständigkeiten, haben sich immer als die Anhänger weitestgehender Dezentralisation und Selbstverwaltung bezeichnet und gerade auf diese Seite der Angelegenheit ihre umfassende Werbetätigkeit für den Einheitsstaat eingestellt. Die wiederholten Versicher­ ungen von verschiedener Seite, die Zuständigkeiten der Länder im dezerltralisierten Einheitsstaat würden eher eine Vermehrung statt 19

Die frühere Stellungnahme.

Die heutige Stellungnahme.

eine Verminderung erfahren, sind uns allen sicherlich in frischer Er­ innerung, ebenso wie das Argument, daß nur bei Annahme der vorgeschlagenen Lösung der Aushöhlungsprozeß beendigt werden könne. — Welches Gesicht zeigt uns aber der für die Organisationsfrage entscheidende Dezentralisationsgedanke heute und welche Stellung nehmen heute seine Anhänger unter den Unitaristen ein? Herr Geheimrat An schütz bekennt heute: Letzten Endes kommt es nicht auf die Dezentralisation an. Die Dezentralisation ist nicht das höchste, sondern die Vereinheitlichung (ich unter­ streiche „Vereinheitlichung" und nicht etwa „Einheit"). Das Ziel der Vereinheitlichung steht allen anderen voran.

Kein Wunder, daß Herr Geheimrat Anschütz die entscheidenden Widersprüche zwischen seiner früheren Stellungnahme und seiner heutigen Stellungnahme empfindet. Die Gründe, die er für den Umschwung geltend macht, sind von maßgebender Bedeutung für die fernere Beurteilung der Frage. Herr Geheimrat Anschütz sagt uns, daß wir hier nicht Knechte von Prinzipien seien. Weitere Gründe führe ich wörtlich an: „Die Politik ist doch nicht nur dazu da, um ,konsequent' zu sein. Der Politiker muß auch den Mut zur Inkonsequenz haben. Es kommt auch nicht allein auf die Logik an. In der Politik wird nicht im­ mer das gemacht, was konsequent und logisch ist, sondern das, was notwendig und vor allen Dingen, was möglich ist. Politik ist die Kunst des Möglichen. Ob sie jeweils konsequent ist und bestimmten Prinzipien entspricht, ist gleichgültig." — Das ist gewiß ein ehrliches und ein wichtiges Bekenntnis, aber doch nur ein halbes Bekenntnis. Denn wer so zu der Behandlung der uns anvertrauten Fragen steht, der muß sich von vorneherein dazu bekennen. Er muß seinen Darlegungen jeweils von vorne­ herein hinzufügen, daß er nicht für Konsequenz und Logik in der Politik sei und deshalb vielleicht später anders denken und handelll werde als jetzt. Das ist ein unhaltbarer Standpunkt. Gerade das uns anvertraute Problem erfordert nach meiner Auffassung wie kein anderes Konsequenz und Logik, wenn wir gegenseitig von bcnt Vertrauen getragen sein sollen, das zu einer förderlichen Behand­ lung der Angelegenheit nun einmal notwendig ist. Mag es das Kennzeichen der leidigen Tagespolitik sein, daß sie oftmals der Konsequenz und der Logik entbehrt, einer deutschen Staatspolitik wird nur dann ein dauernder Erfolg beschieden sein, wenn sie konsequent und logisch ist. — Herr Min. Dir. Dr. Poetzsch bekennt offen, daß das seitherige Reformbild die Dezentralisation, wie man sie sich ursprünglich vor-

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gestellt habe, zunächst nicht bringe. Er empfindet richtig, daß das, was für die Länder neuer Art vorgeschlagen und beschlossen wurde, keine „Mitte" mehr in seinem Sinne ist, sondern weit darunter liegen bleibt. Er stellt aber seine Hoffnungen auf die Zukunft ein, weil man in unserer Generation gegen das Schlagwort von der Zerlegung Preußens nicht aufkommen könne. Demgegenüber ist ein Doppeltes zu sagen. Einmal, daß die Arbeit der Länder­ konferenz eine Gegenwartsarbeit sein muß, deren Sinn es wider­ spricht, wenn die Ordnung eines so wesentlichen Punktes mit vielen anderen Punkten koinmenden Generationen überlassen bleiben soll, und zum zweiten, daß mir die Hoffnung, in einer kommenden Generation werde dem Schlagwort von der Auflösung Preußens besser beizukommen sein, nach der sich aus der Vergangenheit und Gegenwart ergebenden Entwicklungslinie eine trügerische erscheint.

Wenn weiter Herr Reichsminister Koch-Weser der Meinung ist, man habe sich hinsichtlich der Ausstattung der Selbstverwaltung in den Ländern neuer Art auf eine „mittlere Linie" geeinigt, so muß das als unrichtig bezeichnet werden. Die Länder neuer Art erhalten nicht mehr Zuständigkeiten als seither. Im Gegenteil würde bei den staatsrechtlichen Wegfall Preußens als Staat im Sinne der Weimarer Verfassung auch das preußische verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsprogramm für die Zukunft in Wegfall kommen. Es würden vor allen Dingen in Wegfall kommen auch die Rechte der heutigen preußischen Provinzen, bei der Be­ setzung der wichtigsten Staatsämter in ihren Bezirken ent­ scheidend mitzuwirken. Ich weiß wohl, daß mir entgegengehal­ ten wurde und entgegengehalten wird, daß die Länder neuer Art nach den Vorschlägen des gemeinschaftlichen Organisationsreferats und den dazu gefaßten Beschlüssen mehr Rechte erhalten sollen als seither. Nichts von alledem. Ein Mehr in der Wortfassung, aber nicht ein Mehr an Rechten. Der Herr preußische Vertreter hat dieBedeutung des gemeinschaftlichen Zuständigkeitsreferats selbst wieder­ holt dahin umschrieben, daß in Preußen alles beim alten bleibe. Von einer „Einigung auf mittlerer Linie" kann deshalb leine Rede sein. So vertröstet uns denn auch der Herr Reichsministcr Koch-Weser auf die Zukunft, indem er es für ausgeschlossen bezeich­ net, daß sich die preußischen Provinzen, die Länder werden sollen, auf die Dauer eine zentralistische Regierung von Berlin gefallen lassen, und daß seine Front bei diesen Kämpfen später nicht auf Seiten der Zentralisten, sondern der Dezentralisten sein werde. Für mich aber ist maßgebend, wo seine Front heute ist. Was die angebliche Beendigung der Aushöhlungspvlitik durch Annahme der vorgeschlagenen Lösung betrifft, so ist festzustellen, daß 21

die Verwirklichung der Beschlüsse des Unterausschusses zu dem gemeinschaftlichen Zuständigkeitsreferat den umfassend­ sten Aushöhlungsakt gegen die Länder darstellen würden, der überhaupt jemals stattgefunden hat. Ich brauche von allem anderen abgesehen nur an die Verreichlichung der Justiz und an die Erweiterung des Gesetzgebungsrechtes des Reiches zu erin­ nern, durch welche das Reich die Befugnis erhalten würde, künftig­ hin an Stelle der Länder für alle nur einigermaßen wichtigen organisatorischen Maßnahmen selbst die normsetzende Gewalt auszuüben. Wir stehen also vor der unbestreitbaren Tatsache, über die sich

Die Folgerungen.

das deutsche Volk keiner Täuschung hingeben darf, daß sich in dem von der Länderkonferenz entworfenen Reformbild, allen Versprechungen zum Trotz, der große Zentralisierungs­ prozeß abzeichnet, in dem das Deutschland außerhalb Ber­ lins aufgesaugt werden soll. Nicht die Vertreter des dezen­ tralisierten Einheitsstaates, sondern alle jene haben Recht behalten, welche diesem Versprechen von Anfang an das größte Mißtrauen entgegengebracht haben. Diese Feststellung ist auch deshalb von beson­ derer Wichtigkeit, weil für das Maß der Differenzierung, das nach der Auffassung des Herrn preußischen Vertreters, so klein wie mög­ lich sein soll, nicht nur der Inhalt der den Ländern alter Art ver­ bleibenden Rechte entscheidend ist, sondern vor allem der Rechtsinhalt der Länder neuer Art. Denn nach diesem wird sich die Angleichung vollziehen, deren Endziel die vorgeschlagene Zwischenlösung ist. Herr Geheimrat Anschütz hat uns die weitere Entwicklung wie folgt umschrieben.

Der Plan, wie er ihn auffasse, solle nur eine Zwischenlö­ sung fein, die das Gestaltungsprinzip der Endlösung schon fest­ lege: Transformation der Einzelstaaten und Begrenzung in selbstverwaltende Reichsprovinzen. Die süddeutschen Länder sollen nur vorerst unberührt bleiben. Die Werbekraft des zunächst im Norden Deutschlands durchgeführten Einheitsstaatsgedankens werde stärker sein als der Partikularismus der süddeutschen Länder und zwar umso stärker, je mehr man sich bei der Einrichtung des norddeutschen Gebietes von jeden unnötigen Zentralismus fernhalte, je mehr man die Gegner der unitarischen Gedankenwelt davon überzeuge, daß Unitarismus und Zentralismus nicht dasselbe sind. Der zunächst nur für Norddeutschland eingerichtete Einheitsstaat werde durch Erstreckung auf Süddeutschland zum vollen Einheits­ staat werden.

Ich unterstreiche dieses ehrliche Bekenntnis, das nur einer ein­ zigen aber um so wichtigeren Richtigstellung bedarf: 22

Das bisherige Ergebnis hat uns bewiesen, daß Unitarismus und Zentralismus praktisch dasselbe geworden sind und daß Dezentralisation und Selbstverwaltung sich hinterher nur als inhaltlose Atrappe erwiesen haben. Ich kann Herrn Staats­ minister Dr. Remmele nur beipflichten, wenn er bei unseren letzten Verhandlungen darauf hingewiesen hat, daß man den Ländern neuer Art doch irgend etwas zuweisen müsse, wenn sie ein auch nur beschränktes Eigenleben führen sollen, und daß 'man die ganze Konstruktion aufgeben müsse, wenn man das nicht wolle.

d) Eine weitere wichtige Seite der Angelegenheit ist die Frage, wie sich die vorgeschlagene Lösung im Sinne der Vereinfachung unserer Verfassungsverhältnisse auswirken würde, ein Grund, der nicht zuletzt maßgebend für die Inangriffnahme des Problems war. Für die Wirtschaft spielte er die ausschlaggebende Rolle. Ich schicke voraus, daß der uns vorliegende Lösungsversuch im Grunde genommen sich von dem Vorschlag des Erneuerungbundes nur durch das Merkmal der „Gesamtlösung", wie ich es bereits dar­ gestellt habe, unterscheidet. Herr Staatssekretär Dr. Busch hat das bereits in der Sitzung vom 6. 7. 29. betont. Das Entscheidende ist nicht der Name „Reichsland", sondern der Bestand eines solchen Gebietes. Beim Staatshaushalt und beim Finanzausgleich, bei der sogenannten zusätzlichen Gesetzgebung für das reichsunmittelbare Gebiet und ißet den Sondervorschlägen des Herrn preußischen Ver­ treters für den Zentrallandtag und den Reichsrat kommt zum Aus­ druck, daß die Summe der Länder neuer Art in Wirklichkeit doch ein organisatorisches Ganze ist. Der Gebrauch des Wortes „Reichs­ land" wurde deshalb vermieden, damit das norddeutsche Land nicht in einen staatsrechtlichen Gegensatz zu den übrigen Ländern gerate. Der staatsrechtliche Gegensatz zwischen dem reichsunmittelbaren Gebiet und den „draußenbleibenden" Ländern ist aber in einen wie im anderen Falle vorhanden. Daß die „differenzierte Gesamtlösung" organisatorisch keineswegs einfach, sondern reichlich gekünstelt ist und daß er deshalb als Sachverständiger und als Vertreter des Reichsfinanz­ ministers wesentliche Bedenken gegen diese Lösung trägt, hat uns Herr Staatssekretär Dr. Popitz schon in der letzten Sitzung gesagt. Er hatte dabei allerdings den undifferenzierten Einheitsstaat im Auge. Allein auch vom Standpunkte des bundesstaatlichen Sy­ stems trifft es zu, daß die vorgeschlagene Lösung gegenüber dem bisherigen System eine wesentliche Komplizierung bedeutet, die ganz von selbst auch zu einer Verteuerung des öffentlichen Apparats und seiner Funktionen führen müßte. Wir bekämen in der Gliederung des Reiches statt des heute bestehenden einen Typs grundsätzlich 23

Vereinfachung unseres Berfassungslebcns.

gleicher Länder fünf Typen: nämlich die Länder alter Art, die Länder neuer Art, die Länder der Zwischenordnnng wie Thüringen und Hessen, die Hansastädte imb das Reichsland. Und an Formen der Verwaltungsorganisation hätten wir gegenüber den beiden Grundtypen der Reichsverwaltung und Landesoerwaltung von heute künftig fünf Typen dec Verwaltung, nämlich allgemeine Reichsver­ waltung, Reichssonderverwaltung, allgemeine Landesoerwaltung in den 4 draußenbleibenden Ländern, selbständige Landesverwaltung in allen Ländern und die Auftragsverwaltung. Dazu wären diese Typen der Verwaltungsformen in den verschiedenen Ländern teilweise wiederum differenziert. Daß die Austragsverwaltung wie in Oesterreich nur eine Verwirrung statt Vereinfachung bringen würde, daß sie eine starke Vergrößerung des Zentralapparates und eine vermehrte Fülle von Schreibwerk und Arbeit im Verkehr zwischen der auftraggebenden und der auftragvollziehenden Stelle hervorrufen würde, darüber wird sich die sachverständige Welt in immer steigen­ dem Maße klar und ich werde Gelegenheit haben, hierauf noch bei den Einzelverhandlungen zurückzukommen. Neu hinzu tritt endlich noch die Einrichtung der sogen. Reichsspitzenbehörde in allen und auch den alten Ländern. E§ liegt auf der Hand, daß die oberste Zusammenfassung der in einem Land vorkommenden Reichsbehörden bei der obersten Reichsbehörde dieses Landes auch eine reichere Aus­ gestaltung dieser Behörde in personeller und finanzieller Beziehung in sich schließt. Eine besondere Rolle spielte bei der Begründung der Notwen­ digkeit einer grundlegenden Reform das Nebeneinander zahlreicher Landes- und Reichsbehörden. Es wurde geltend gemacht, daß die im Verlaufe der letzten Jahre im Wege der Aushöhlung erfolgte Zersplitterung der Verwaltung bei der Reform rückgängig gemacht und die Einheit der Verwaltung wieder hergestellt werden könnte. Das Nebeneinander der Reichs- und Landesbehörden und damit die schlimmste Quelle der Mängel des gegenwärtigen Zustandes lasse sich auf dem Bismarck'schen Wege nicht mehr verhindern. Es müßten andere Wege gesucht werden. (Dr. Brecht, Vorschläge für eine ge­ schäftstechnische Beratungsunterlage, Ziff. I11 am Ende). Der vor­ liegende Lösungsversuch hat auch diese Verheißung nicht erfüllt. Was in den zum Beschluß erhobenen Vorschlägen unter D des ge­ meinschaftlichen Zuständigkeitsreferats enthalten ist, vermag einen Ersatz hiefür nicht zu bieten. Das Wesentliche ist, daß durch den vorgeschlagenen Lösungsversuch im ganzen an dem Bestand der in Deutschland bestehenden Behördenorganisation nichts geändert wird. Denn auch die Vorschläge sehen nur eine engere Verbindung der Reichsarbeitsverwaltung, Reichsversicherungsverwaltung und Reichs-

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Versorgungsverwaltung mit der Landesverwaltung in der Aus­ führung der behördlichen Maßnahmen, nicht aber auch in der Entscheidung der Behörden selbst vor und lassen damit den Bestand der Sonderbehörden unberührt. Der Gedanke der Auftragsoerrvaltung oder der Personalunion vermag nach dieser Richtung keine Abhilfe zu schaffen. Ich habe zu der Frage der Gliederung und der Verwaltungs­ organisation in Reich und Ländern eine Skizze entworfen, aus der sich der dermalige Zustand, und der sich aus den neuen Vorschlägen ergebende Zustand entnehmen läßt. (Vergl. Anlage).

C.

Bayerns „negative EinMan hat Bayern in der Frage Preußen-Reich den Vorwurf stellnng"z«rFrage gemacht, daß es sich zu diesem Problem rein negativ verhalte, Preußen-Reich. daß es sich sperre gegenüber den brennenden Nöten des preußisch­ deutschen Problems und hinter seine weiß-blauen Grenzpfähle zu­ rückziehe. Ein Vorwurf, der die Unterstellung in sich schließt, als ob Bayern sich nur um seine eigenen Interessen kümmere und gegen­ über den Nöten des übrigen Deutschland gleichgültig verhalte. Diese Behauptungen entbehren jeder sachlichen Grundlage. Bayern hat sich mindestens ebenso gründlich und eingehend mit der Frage PreußenReich befaßt wie irgend ein anderes deutsches Land. Gerade auf­ grund dieser gründlichen und sorgfältigen Prüfung ist es zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Frage Preußen-Reich nach der sachlichen Richtung hin betrachtet, durchaus kein Problem von dein Ausmaße oder auch gar nur von der Dringlichkeit ist, daß sich eine grundstürzende Aenderung im Bau der deutschen Verfassung nach Art der vorgeschlagenen Lösung rechtfertigen ließe. Eine Lösung, die zudem nur den einen Teil des früher aufgestellten Programms, näm­ lich die Zusammenlegung der Reichsregierung mit der Preußischen Regierung, bringen würde, den anderen nicht minder wichtigen Teil aber, nämlich die Dezentralisation und Selbstverwaltung, unbe­ stimmten künftigen Terminen überlassen würde. Die Frage Preußen-Reich ist vielmehr, wie in der Vergangen­ heit so auch heute ein politisches Problem, und der positive Inhalt des vorliegenden Lösungsversuchs zielt, wenn auch sicherlich nicht in der Absicht aller seiner Befürworter, so doch im Endergebnis auf die etappenweise Herbeiführung der End­ lösung des Einheitsstaates unter Aufrechterhaltung des preußischen Staats- und Verwaltungssystems und Er­ streckung dieses Systems auf das übrige Deutschland ab. Wenn es noch eines Beweises dafür bedürft hätte, dann wäre er dem Silbe zu entnehmen, zu dessen Enthüllung unsere Verhand-

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lunger: nunmehr geführt haben.

Niemand wird es deshalb einem

Lande verargen können, wenn es gegenüber Lösungsversuchen eine negative Stellung entnimmt, von denen es überzeugt ist, daß sie zur Vernichtung seiner Freiheit rurd Selbständigkeit und zrrm Zentralismus führen, der sich von allen Systemen am wenigsten für das deutsche Volk eignet. In den: Augenblicke, wo sich Preußen dabei bescheiden würde, mit grundsätzlich gleichen Rechten neben sich noch andere deutsche Länder im Reiche anzuerkennen und leben zu lassen, und sich wie diese in den Reichsverband einzufügen, würde die Frage Preußen-Reich den entscheidenden Inhalt ihres problematischen Charakter verloren haben. Das würde allerdings erfordern, daß der sog. Dualismus im Ganzen und im Verhältnis zwischen dem Reich und den anderen Ländern hingenommen werden müßte. So aber wird unter Führung maßgebender preußischer Kreise die Beseiti­ gung des Dualismus, d. h. mit anderen Worten der Unitarismus, nicht nur im Verhältnis Preußen und Reich, also „isoliert Das Problem für sich", sondern auch im Verhältnis zwischen dem Reich und den Preußen-Reich ist anderen deutschen Ländern gefordert.

in Wahrheit ein Das aus dem Nebeneinanderbestehen zweier Großregierungen in Problem Födera­ Berlin hergeleitete Problem erweist sich sonach in Wahrheit nicht lismus oder UnitarismnS. als ein Problem Preußen-Reich, sondern als ein Problem Födera­

lismus (d. i. Dualismus) oder Unitarismus. In diesem Rahmen hat sich die Problemstellung sogar noch weiter verengt. Da der Lösungsversuch für den Grundstock des neuen Reichsbaues sofort Zugleich Problem und unzweideutig das zentralistische System zugrundegelegt hat, Tclbstverwaltung ist das Problem Föderalismus oder Unitarismus zugleich ein Problem oder Selbstverwaltung oder Zentralisation geworden. Es war vergeblich, Zentralisation. wenn im Laufe der Verhandlungen der Länderkonferenz immer wieder versucht wurde dem Grundproblem auszuweichen. Die klaren und anerkannten Begriffe Föderalismus und Unitarismus lassen sich nicht als Schlagworte abtun. Man hat gefordert, die „Etikettier­ ung" dessen was hier geschaffen wurde der Staatsrechtslehre oder Theorie zu überlassen, wiewohl über die Etikette kaum ein Zweifel mög­ lich war. Vergeblich dies alles. Heute tritt das Problem Föderalismus oder Unitarismus mit der ganzen Gewalt seines Inhalts und klare Entscheidung fordernd vor Sie hin. Die Mehrheit hat bei den letzten Beschlüssen, wenn auch noch nicht endgültig, so doch vorläufig, sich zur Entscheidung bekennen müssen, weil es ein Ausweichen nicht mehr gab. Daß die Entscheidung die Etikette Unitarismus und Zentralismus trägt, habe ich Ihnen nachgewiesen. In diesem Augenblicke halte ich es für eine deutsche Gewissens­ pflicht, vor solchen Lösungsversuchen nochmals und eindringlich zu warnen. Ohne Rücksicht auf die sonstigen Gegensätze lehnt die über26

wältigende Mehrheit des deutschen Volkes zentralistische Lösungs­ versuche ab. Der Verlauf der Verhandlungen hat die Auffassung ge­ rechtfertigt, daß in einem so großen Staatswesen wie Deutschland wahre Selbstverwaltung und Dezentralisation ihre Verankerung nur im föderalistischen System finden können. Heute bin ich mehr als je überzeugt, daß nur auf dieser Grundlage eine Lösung möglich ist und deshalb stehe ich heute mehr als je zu den bayerischen Vor­ schlägen für die Lösung der deutschen Frage, von denen ich mir allein eine brauchbare Regelung versprechen kann. Die Kritik der Von einer Seite, nämlich von Herrn Min.-Dir. Dr. Poetzsch als verschiedenen Sachverständigen sind in der letzten Sitzung des Unterausschusses in LSsnngsversuchc zusammenfassender und interessanter Weise die verschiedenen Lösungs­ versuche umschrieben und beurteilt worden. Vier Schwierigkeits­ komplexe und fünf Lösungsversuche hat Herr Dr. Poetzsch unterschieden.

a) b) c)

d)

a) b)

c) d) e)

1. Die Schwierigkeitskomplexe: der Dualismus Preußen-Reich, die kleinen und kleinsten Länder, der Mangel einer für den Ausbau der Selbstverwaltung not­ wendigen Mitte, die Zerstörung des hohen Guts der Selbstverwaltung durch den Aushöhlungsprozeß. 2. Die Lösungsversuche: der Weg des Art. 18, die Aushöhlungsmethode bis zur endgültigen Zerstörung der Landesverwaltung, die bayerischen Vorschläge, der dezentralisierte Einheitsstaat, die differenzierte Gesamtlösung.

Dr. Poetzsch hat anerkannt, daß die bayerischen Vorschläge vom Standpunkte der Selbstverwaltung unerwünschte Symptome beseitigen würden. Er hat aber gegen diese Vorschläge geltend gemacht, daß das „politische Leben stärker sei als die rechtliche Norm" und deshalb die Vorschläge nur als einen „Flickversuch" bezeichnet. Von den übrigen Lösungsversuchen hat er den Weg des Art. 18 der RV. als ungangbar, die Aushöhlungsmethode als unzulässig, den dezentrali­ sierten Einheitsstaat als dermalen nicht erreichbar und deshalb nur die differenzierte Gesamtlösung als möglich bezeichnet. Allein durch die differenzierte Gesamtlösung würden die Schwie­ Der Fehler in der Betrachtungs­ rigkeitskomplexe nicht aus der Welt geschafft. weise. Von dem Schwierigkeitskomplex der kleinen und kleinsten Länder kann hier abgesehen werden. Schon in der Paulskirche (Beseler, Gottlieb Becker und Dahlmann) wurde richtig erkannt, daß nicht die kleinen, sondern die großen Länder als die Quelle der Schwierig-

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fetten anzusehen sind. Die Frage der kleinen und kleinsten Länder ließe sich ohne eine grundstürzende Aenderung der Reichsoerfassung int Sinne der Reichslandlösung einer Regelung zuführen. Der Dualismus Preußen-Reich als weiterer Schwierigkeits­ komplex würde durch die differenzierte Gesamtlösung nur formal und äußerlich beseitigt, indem an seine Stelle der neue Dualismus zwischen dem mediatisierten Norden und dem nichtmediatisierten Sü­ den treten würde. Ein Dualismus, der unvergleichlich größere Schwierigkeiten und Gefahren mit sich bringen würde, wie sie Herr Reichsminister Koch-Weser in seiner Schrift „Einheitsstaat und Selbstverwaltung" S. 49 ff. eingehend dargelegt hat. Ich hebe nur einzelne der dort genannten Schwierigkeiten hervor: Mißtrauen ge­ gen die enge Verbindung Preußens mit dem Reich, Reichsverdros­ senheit statt Reichsfreudigkeit, Mißtrauen gegen die bevorzugte Be­ handlung des Reichslands in finanzieller Beziehung, Verschärfung des Gegensatzes von Nord und Süd, Unmöglichkeit eines klaren Finanzausgleichs usw.

Endlich würden die beiden anderen in der Gefährdung der Selbstverwaltung und der selbstverwalteten „Mitte" liegenden Schwierigkeitskomplexe mit der differenzierten Gesamtlösung nicht aus der Welt geschafft, sondern vergrößert werden. Im norddeutschen reichsunmittelbaren Gebiet würde weder die Selbstverwaltung noch eine wirklich selbstverwaltende „Mitte" ge­ schaffen, im süddeutschen Gebiet und in Sachsen dagegen nur eine Zwischenlösung herbeigeführt, die den Keim der Zerstörung der dort bestehenden Selbstverwaltung und selbstverwaltenden „Mitte" in sich tragen würde, weil sie naturnotwendig zur alsbaldigen Angleichung an den norddeutschen Typ führen müßte. Wenn schon, wie Herr Dr. Poetzsch meint, selbst bei Schaffung verfassungsmäßiger Sicher­ ungen das politische Leben sich stärker erweisen würde als die recht­ liche Norm, dann gilt dies erst recht für den Fall, daß solche ver­ fassungsmäßigen Sicherungen nicht vorhanden sind. Im Gegenteil läßt die Ablehnung der von den süddeutschen Ländern in der letzten Unterausschußsitzung verlangten Sicherungen deutlich erkennen, daß auch künftighin eine Aenderung in dem berntaltgen Kräftespiel zwi­ schen dem politischen Leben und der rechtlichen Norm nicht stattfin­ den soll. Damit fällt aber der Gedankenbau des Min.-Dir. Dr. Poetzsch in den wichtigsten Tragpfeilern in sich zusammen, und bleibt in der Tat auch für ihn nur die Hoffnung, daß es kommenden Generatiouen gelingen werde, eine Lösung für die uiweränbert bestehen­ den Schwierigkeitskomplexe zu finden. — 28

Gerade darin habe ich von allem Anfang an den Hauptmangel Der Mangel ein, unseres Verfassungslebens erblickt, daß sich das politische Leben so gesicherten Rechte leichthin über die Rechtsnormen hinwegsetzt, dank dem Umstand, 6

daß die Weimarer Verfassung mit den ihr zugrundeliegenden glei- Schwierigkeiten tenden Systemen die Beiseitesetzung des Rechtes nicht nur nicht verhin­ dert oder erschwert, sondern sogar erleichtert hat.DiesemHauptmangel in der lex lata entspricht ein Hauptmangel in der bisherigen Behandlung der lex ferenda. Den Krankheiten des Rechtes läßt sich nur mit Mitteln aus der Welt des Rechtes beikommen, nicht aber mit poli­ tischen Mitteln, wie sie die differenzierte Gesamtlösung vorsieht. Im letzten Band des Jahrbuches des Oeffentl. Rechts hat Herr Dr. Poetzsch in einer weiteren Abhandlung über das Staatsleben in der Weimarer Verfassung für die fortgesetzte Aneignung fremder Sachgebiete durch das Reich den Ausdruck „Erobern" geprägt. Der „Eroberungs­ gedanke ist es in der Tat, der statt des Rechtsgedankens Eingang in unser Verfassungsleben gefunden hat. So hat die allgemeine Krisis des Rechtsgedankens auch auf das Verfaffungsrecht übergeKrisis -cs griffen. Das ist die Krankheit und nicht etwa nur ein Symptom. Rechtsgedankens Die differenzierte Gesamtlösung würde den Krankheitsherd nur er­ weitern, statt ihn zu entfernen. Die Annahme, es könnte die Ent­ wicklung etwa dann zum Stillstand gebracht werden, wenn nach Ablauf des von der Zwischenlösung ausgefüllten Zeitabschnittes ein­ mal die Endlösung des gesamten Einheitsstaates herbeigeführt sein werde, würde sich als Irrtum erweisen. Wenn die Entwicklung auf so breiter Grundlage in Fluß gebracht würde, wie dies bei der Verwirklichung der differenzierten Gesamtlösung der Fall wäre, dann bestünde keine Gewähr dafür, daß die Entwicklung an dem Punkte zum Stillstand gebracht werden könnte, wo sie nach der Meinung der unitaristischen Vertreter des vorliegenden Lösungsversuchs ihren endgültigen Abschluß finden und auf normale Bahnen geleitet wer­ den soll. Das System, das alsdann seine Verwirklichung gefunden hätte, würde dem deutschen Wesen und der deutschen Geschichte der­ art widersprechen und überdies die Möglichkeit der Erfüllung künf­ tiger wichtiger Aufgaben derart verbauen, daß die Entwicklung, der zwangsweisen mechanischen Führung entgleitend, über kurz oder lang gebieterisch den Anschluß an die natürlichen Bedingungen for­ dern würde. Es darf auch nicht übersetzen werden, daß parallel zu der EntParallele Wicklung der verfassungsrechtlichen Form unseres Gemeinschaftslebens Entwicklungsvoreine Reihe sonstiger Entwicklungsvorgänge zu verzeichnen ist, deren sänge.

Verlallf wesentlich davon abhängt, ob die nicht etwa nur auf Launeu der Geschichte zurückzuführeude politische Gleichgewichtsver­ lagerung in der Verteilung der Gewalten in Deutschland erhalten 29

bleibt oder durch ein mehr oder minder zentralistisches System er­ setzt wird. Die Diktatur jeder Form und jeder Richtung könnte jedenfalls keinen günstigeren Nährboden finden, als den der Zen­ tralisation. Die bisherigen Versuche zur gewaltsamen Aufrichtung einer Diktatur in Deutschland sind gleichviel von welcher Seite vor­ wiegend daran gescheitert, daß sie am föderalistischen Reichssystem ein wesentliches Hindernis gefunden haben.

Dcr Kreuzweg.

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Deutschland steht heute in der Verfassungsfrage an einem KreuzMan sollte meinen, daß die Wahl nicht schwer fallen könnte.

Denn es kann sich nur darum handeln, den alten ein Jahrtausend bis über die jüngste schwerste Zeit bewährten Weg beizubehalten oder ihn zu verlassen und die Straße einzuschlagen, deren Wegweiser die Aufschrift trägt: Zum zentralisierten Einheitsstaat. Auf dem Wege dahin liegt als Zwischenstation nur die differenzierte Gesamt­ lösung, wo es kein langes Verweilen geben würde. Für eine solche Er­ füllung der preußischen Mission in der deutschen Geschichte wird Bayern nicht zu haben sein. Schon in der Paulskirche haben die führenden Köpfe erkannt, daß einerseits Preußen nach seiner ganzen geschichtlichen Entwicklung viel zu selbständig geworden ist und eine viel zu geschlossene Einheit darstellt, um in Deutschland aufgehen zu können, und daß es andererseits dem Sinne der deutschen Ge­ schichte und dem Wesen der deutschen Nation widersprechen würde, wenn Deutschland in Preußen aufginge. Heute nach dem Wegfall der Dynastien gilt das erst recht. Einer Mediatisierung Preußens müßte deshalb die Dezentralisation, wenn nicht überhaupt zeitlich vorausgehen, so doch Zug um Zug Schritt halten. Will Preußen das Opfer bringen, ernsthaft und nicht nur dem äußeren Scheine nach im Reich aufzugehen, dann darf ihm auch das Opfer nicht zu groß erscheinen, ein großzügiges Programm der Selbstverwaltung für seine Provinzen zu verwirklichen, zu dessen Durchführung es nach seiner Verfassung ohnedies verpflichtet ist und das nach der Entstehungsgeschichte dieser verfassungsrechtlichen Vorschriften gerade dem Zwecke dienen soll, Preußen mit Deutschland besser zu vergliedern. Wohl gemerkt zeige ich damit nur eine notwendige Voraus­ setzung vom Standpunkte der Vertreter der Reichslandlösung aus, ohne von meinen Ihnen bekannten Vorschlägen im geringsten ab­ zugehen. Ich kenne den Einwand, der hier gemacht wird, nämlich die Besorgnis, es könnte sich bei einer solchen Regelung die Balken­ lage Ost-West im Gefüge des Reiches lockern. Ich habe schon betont, daß das Gefüge der Reichseinheit stärker als durch solche äußerlichen Klammern im Willen und im Herzen des deutschen Volkes verankert sein muß. Aber auch die äußere Klammer, die verfassungsrechtliche

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Balkenlage des Reiches ist durch die Unitarisierung der gesamten

Wehrmacht, des Verkehrs, der Finanzen und der Wirtschaft von Ost nach West und von Süd nach Nord heute so reichlich ansgebaut, daß auch unter diesem rein äußerlichen Gesichtspunkt eine Besorgnis DerMveraliSmn als einzig möglich für den Zusammenhalt nicht für gerechtfertigt erscheint. Sollen aber die Bedingungen, unter denen allein ein Aufgehen Preußens in Deutschland möglich wäre, vermieden bleiben, dann gibt es nur den einen, nämlich den von mir vorgeschlagenen Weg. „Der Versuch, die verschiedenen deutschen Stämme zu einem straffen Einheitsstaat zusammenzuschweißen und die in der Geschichte wie im Charakter der einzelnen begründeten Besonderheiten auszu­ merzen, wäre eine schwere Versündigung am ureigensten deutschen Wesen, die auf die Dauer wie jede gezwungene Gestaltung sich un­ heilvoll rächen müßte . . Es gibt Leute genug, welche das Deutsche Reich nicht eher als fest begründet werden gelten lassen, bis alle Feldhüter dieselbe Kokarde tragen. Die deutsche Individualität aber erträgt solchen Zwang nicht. Sie will in freier Eigenart sich ent­ falten und dem Ganzen nur den Tribut abtragen, welchen dessen wirkliche Lebensinteressen erheischen ..."

„Berechtigt im höchsten Grade ist die Liebe zu den alten Rechts­ gewohnheiten und Eigentümlichkeiten der verschiedenen deutschen Länder. Berechtigt ist das damit innigverbundene Verlangen nach freier Selbstverwaltung der eigenen Angelegenheiten. Berechtigt ist der tiefe Wiederwille des deutschen Volkes gegen eine allgemeine Zentralisation. Nichts ist deutscher als diese Ansichten und Gefühle. Der Versuch mit allen alten Gewohnheiten und Rechtsgebräuchen, mit aller Selbständigkeit der einzelnen Länder gewissermaßen tabula rasa zu machen und von dem Reichszentrum aus alles in Bewe­ gung zu setzen, verletzt und empört das deutsche Wesen in seiner inner­ sten und berechtigtsten Natur". Mit diesen Worten haben in den ersten Jahren des neu erstandenen Reiches Männer wie Reichensperger und Freiherr von Ketteler ihre Auffassung über die Grundlagen eines deutschen Verfassungs­ baues geäußert und diese Auffassung ist auch mein verfassungspoliti­ sches Glaubensbekenntnis. Freiherr von Ketteler hat nachgewiesen, daß die aus dem Materialismus und Mechanismus erwachsene Staatsauffasfung, wie sie den Unitarismus und Zentralismus kenn­ zeichnet, ihren Ursprung im Romanentum und nicht im Ger­ manentum hat, und daß alles, was die Neuzeit über die Vorteile der Unitarisierung und Zentralisierung zu sagen weiß, viel eingehen­ der und viel geistvoller in den Tagen der französischen Revolution gesagt worden ist. Unitarismus und Zentralismus hat er verglichen mit einer „allgemeinen Staatsdreschmaschine, deren monotone Schläge

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Lösung.

jeden Staatsbürger von Kindheit an bis in den Sarg ganz in der­ selben Weise gleichmäßig treffen und beglücken, wie jedes Weizenhälm­ chen und jedes Weizenkörnchen vom Dreschflegel getroffen wird." Während sich überall in der Welt, vor allem bei den angel­ sächsischen und germanischen Völkern die werbende Kraft des födera­ listischen Gedankens durchsetzt und vertieft, verschließt sich in Deutsch­ land die unitaristische Geisteswelt mit doktrinärer Hartnäckigkeit dieser Weltentwicklung und schickt sich unter der irreführenden Losung „Einheit" an, der Vereinheitlichung und Zentralisation ausgerechnet bei jenem Volke die Wege zu ebnen, dem ein solches System am allerwenigsten zuträglich wäre. Die Vereinigten Staaten von Amerika, Mexiko, Argentinien, Brasilien, Venezuela, die Schweiz, Oesterreich, die Sowjet-Union, Kanada, Australien, die Südafrikanische Union sind bundesstaatlich organisiert. Das britische Weltreich hat sich zur Wahrung seiner Einheit die Klammer des Föderativgedan­ kens verschrieben. Und Altengland selbst ist weit entfernt davon, etwa ein Einheitsstaat in dem Sinne zu sein, wie ihn die Vereinheitlichungs- und Typisierungssucht bei uns erstrebt. Von Irland soll ganz abgesehen werden. Wichtig ist aber, daß die verschiedenen Territorien wie Schottland und Wales in den Angelegenheiten der Kultus- und Lokalverwaltung, des Armenwesens, des Unterrichts­ wesens, der Landwirtschaft, vor allem aber in den Angelegenheiten des Rechtes und der Gerichtsverfassung, der Polizeiverwaltung und des Gefängniswesens gesondert nach ihren eigenen Gewohn­ heiten und Bedürfnissen behandelt werden. Das Privatrecht (SachenEhe-, Erb-, Konkurs-, Handels- und Prozeßrecht) und die strafrecht­ lichen Disziplinen sind landesrechtlich differenziert. Deshalb werden im gemeinsamen englischen Zentralparlament diese verschiedenen öffentlichen Angelegenheiten nach dem Gutachten von Sachverständi­ gen aus den einzelnen Gebieten länderweise geregelt. Schottland verfügt von Alters her über ein gesondertes Rechts­ system und über eine eigene Gerichtsverfassung. Keinem Engländer fällt es ein, an diesen Besonderheiten und Verschiedenheiten zu rüh­ ren und etwa die Justiz zu „verreichlichen". Nur bei uns in Deutsch­ land geht man daran, den Staat nach dem Muster der Wirtschaft zu rationalisieren und zu typisieren, was mit absoluter Sicherheit zu einem nationalen Unglück führen müßte. Keine abwehrende Geste und kein Beteuerungsversuch kann heute mehr darüber hinwegtäuschen: Das was Sie hier im Unterausschuß gestalten wollen, ist freilich noch nicht im Stadium der differenzierten Zwischenlösung, wohl aber — und das ist das Entscheidende — in den zwangsläufigen letzten Zielen nicht mehr bloß Unitarismus, sondern ödester Zentralis­ mus, ödeste Gleichmacherei, Uniformierung und Typisierung. Jnsbeson32

dere liegen diese Ziele in dem neu zu schaffenden Gcsetzgebungsrecht des Reichs über das allgemeineBerwaltnngSrecht, dem Berwaltungsanfbau in denLändern, die Kemeindeaerfassnng und die Verwaltungsgerichts-' barkeit eingeschlossen. Van biefcn Gegenständen ivürdc es z. V. der all­ umfassende Begriff „allgemeines Verwaltungsrechtdem Reiche er­ möglichen, die Gesetzgebnngsinflation auf den höchstmöglichen Stand zu entwickeln. Wiirde das alles Wirklichkeit, dann bin ich iibcrzeugt, daß gerade jene weiten Kreise, die heute an eine Förderung der deutschen Einheit durch solche Pläne glauben, die ersten wären, die den Segen des föderalistischen Systems erkennen und verstehen würden. Sie würden erkennen, daß die äußerliche Erweiterung der Beftlgnisse des Reichs um die Rechte der Länder kein Gewinn, sondern ein Verlust für das Ganze, keine Stärkung, sondern eine Schwächung der Reichsgewalt bedeutet. Möge dem Deutschen Volke das Unglück erspart bleiben, zu der Erkenntnis von den Vorzügen und der Not­ wendigkeit des föderalistischer: Systems erst auf dem gefahrvoller: r:r:d öden Weg über zentralistische Experimente zu gelangen. An: Eingang des gemeinschaftlicher: Referats, das heute zur Beratung steht, ist von der geschichtlichen Bedeutung des preußischen Staates und dem Werte seiner hervorragenden Verwaltung die Rede. Auch die übrigen großen Länder des Deutschen Reiches haben ihre geschicht­ liche Bedeutung für das Ganze und können sich mit ihrer Verwal­ tung wohl sehen lassen. Jenen Kreisen, die heute Preußens Missior: in der deutschen Geschichte darin erblicken wollen, das Prinzip der Zentralisierung, Uniformierung und Typisierung zum Staatsprinzip zu erhebet:, kann ich die Versicherung geben: Bayerns deutsche Mission in der deutschen Geschichte war es ui:d wird es immer bleiben, um eines starken, glücklichen und großen Reiches willen für die werbende Kraft des föderativen Gedankens einzutreten. Für den Föderalismus als Prinzip der Einheit und Freiheit, des Rechtes und der Demo­ kratie, des Friedens und der Wohlfahrt.

Weil diesen: Prinzip zuwider der auf den beiden Gemeinschafts­ referaten beruhende Lösungsversuch zum Unitarismus und Zentralis­ mus führen würde und damit Deutschland zum sicheren Verderbei: gereichen müßte, deshalb lehne ich diese Vorschläge mit aller Entschiedenheit ab. Ich könnte es mir ersparen, weiter an Beratungen mitzuwirken, die auf dieser Grundlage unter völliger Außeracht­ lassung meiner Vorschläge erfolgen, um so mehr, als nicht einmal der Versuch gemacht wurde, sich mit den Gründen sachlich auseinan­ derzusetzen, die ich gegen die Möglichkeit und Tragbarkeit solcher Lösungsversuche und für eine Lösung auf der seitherigen Verfassungs­ grundlage geltend gemacht habe. Wenn ich trotzdem im jetzigen Augen­ blicke mich zu einem solchen Schritte nicht entschließe, so geschieht dies 33

lediglich in der Hoffnung, daß bei eingehender Aufzeigung aller Voraussetzungen und Zusammenhänge die Ueberzeugung Raum ge­ miaut, daß solche Lösungsversuche im Ganzen als untragbar erschei­ nen müssen, wenn sich auch der eine oder andere von dieser oder jener Einzelheit einen Vorteil verspricht. Bestünde das Ergebnis der Beratungen auf der Länderkouferenz schließlich nur in der Erkenntnis dieser Untragbarkeit und in der Erkenntnis, daß Deutschland in solcher Form nicht einfacher, nicht besser und nicht billiger regiert und vermaltet werden könnte als im bundesstaatlichen System, daun allein schon hätte sich alle Zeit und Mühe gelohnt, die mir auf die Erörterung der deutschen Frage verwendet haben. Mit allem Nachdruck muß ich aber betonen, daß meine weitere Mitwirkung in keiner Weise als ein Einverständnis zu Plänen der vorliegenden Art im Ganzen oder in Einzelheiten gedeutet werden kann. Bayerns Einverständnis ist nur für eine Lösung zu haben, die unter Achtung seiner unveräußerlichen Rechte auf bundesstaat­ licher Grundlage erfolgt, niemals dagegen für eine unitaristisch-zentralistische Regelung, die statt des Rechtes die Vergewaltigung zur Grundlage hätte.

Reich und Länder nach der geltenden Verfassung (Gliederung und Verwaltungsorganisation)

Gest, wenden I

Reich und Länder nach den neuen Vorschlägen (Gliederung und Verwaitungsorganisation)

Landesrecht

Länder der alten Ordnung

Länder derneuen Ordnung

Landerder ZwischenOndnung

Reichsmittel-

Reichsmittel behorde

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Reichsober sident Reichs­ regierung

Landes regierung

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