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German Pages [347] Year 2010
Peter Stephan
D A S O B E R E B E LV E D E R E I N W I E N Architektonisches Konzept und Ikonographie Das Schloss des Prinzen Eugen als Abbild seines Selbstverständnisses
Böhl au Verl ag · Wien · Köln · Weimar
Gedruckt mit der Unterstützung durch:
Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Wien
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http ://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-77785-4 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2010 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG, Wien · Köln · Weimar http ://www.boehlau.at http ://www.boehlau.de Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Druck : Generaldruckerei, Szeged
Vorbemerkung
Wie die vorliegende Arbeit zeigen will, steht das Obere Belvedere in Wien gleichsam modellhaft für das ebenso komplexe wie differenzierte Herrschaftsverständnis seines Erbauers, des Prinzen Eugen von Savoyen (–). Eine wesentliche Rolle spielen dabei die äußere Struktur, die bildliche Ausstattung und die topographische Kontextualisierung des Baues an sich ; maßgeblich waren aber auch die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie diese Faktoren im . Jahrhundert wahrgenommen wurden, als die Fassaden noch weitgehend offen waren. Erste Ergebnisse hatte ich im Rahmen eines von der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf geförderten Forschungsprojekts gewonnen, in dem ich mich u. a. mit der ikonographischen Bedeutung architektonischer Strukturen befasste. Als eines von mehreren Fallbeispielen diente mir das Obere Belvedere. Vor allem beschäftigte mich die Frage, wie die ursprüngliche Offenheit der Fassaden den Aufriss und die Disposition einzelner Baukörper bestimmte und wie sie das Innere des Schlosses mit der Umgebung verschränkte. Die Fassaden, in denen die Forschung bis heute nur malerisch-dekorative Kulissen sieht, hatte Lukas von Hildebrandt in Wirklichkeit als entscheidende Nahtstellen architektonischer, bildlicher und landschaftlicher Kodierungen konzipiert. Diese Beobachtungen veröffentlichte Vorbemerkung
ich im Frühjahr auf der Homepage des Freiburger Kunstgeschichtlichen Instituts (siehe Bibliographie). Nachdem ich meine Kenntnisse über die ästhetische, strukturelle, ikonographische, funktionale und soziale Bedeutung frühneuzeitlicher Fassadenräume in meiner eingereichten Habilitationsschrift anhand ganz anderer Beispiele vertieft hatte, wandte ich mich dem Oberen Belvedere erneut zu. Nun zeigte sich, auf welch komplexe und subtile Weise dieser Bau das Bild vermittelte, das Eugen von sich und seiner Herrschaft zeichnen wollte. Sich mit dem Bild dieser Herrschaft näher zu befassen lohnt sich außerordentlich, und das nicht nur, weil sich Eugens Geburtstag zum dreihundertsten Male jährt. Zweifelsohne hat die europäische Geschichte nur wenige Persönlichkeiten hervorgebracht, die über nationale und ständische Grenzen hinweg so viel Prestige und Popularität besaßen und die nach ihrem Tod derart verklärt wurden. Ein Grund für den Mythos ›Eugen‹ ist fraglos die Tatsache, dass der Prinz eine hohe Zahl außerordentlicher Eigenschaften und Fähigkeiten in sich vereinte : Er war gleichermaßen ein genialer Feldherr und begabter Staatsmann wie ein großer Förderer der Künste und Wissenschaften. Noch bedeutsamer war aber, wie und wofür der Prinz seine Fähigkeiten einsetzte. Zunächst betrachtete Eugen den Krieg nicht als einen Selbstzweck, sondern als ein Mittel, um die Existenz des Gemeinwesens, dem er diente, zu sichern und um für dasselbe einen dauerhaften Frieden zu gewinnen. In diesem Sinne bewahrte er 5
nicht nur das Abendland vor der Eroberung durch die Türken, sondern vereitelte auch das Hegemoniestreben Ludwigs XIV., dessen Herrschaft in weiten Teilen Europas zunehmend als tyrannisch und selbstherrlich empfunden wurde. Bei diesen Bemühungen mied Eugen jedoch den Sonderweg. Stets stellte er sich an die Spitze großer Allianzen, was ihm denn nicht nur innerhalb des Reiches, sondern auch in Italien, den Niederlanden und Großbritannien große Sympathien und Bewunderung einbrachte. Verstärkt wurde dieser Prestigegewinn durch ein Verhalten, das sich ganz an den Prinzipien der Ritterlichkeit orientierte : an einem geradezu metaphysischen Ethos des Dienens sowie an der Bereitschaft, in jeder Hinsicht vorbildlich zu wirken – auf der Bühne adliger Repräsentation als ein Mäzen und homme des honettes, auf dem Schlachtfeld als ein Menschenführer, der den Soldaten nur das Unerlässliche und der Zivilbevölkerung nur das Nötigste zumutete. Ein weiterer Grund für Eugens Ansehen war seine Multikulturalität : Wie es seine dreisprachige Unterschrift ›Eugenio Von Savoy‹ ausdrückte, war der Prinz dem Geschlecht nach Italiener, der Bildung und Kultur nach Franzose, dem Dienstverhältnis nach Deutscher. Mit dieser Multikulturalität ging eine große Ubiquität einher : Als Generalissimus der römischdeutschen Kaiser befehligte der Prinz Truppen auf dem Balkan, in Norditalien, an der Donau und am Rhein. In Paris geboren und aufgewachsen, residierte er als kaiserlicher Gouverneur in Mailand und Brüssel. Als Angehöriger des Wiener Hofes lebte er in der Reichshauptstadt und auf dem Marchfeld, als Befreier 6
Ungarns wohnte er in Schloss Ráckeve. Die Stätten seines Lebens sind also auf fünf Staaten des heutigen Europa verteilt. Nicht weniger spektakulär war Eugens märchenhafter Aufstieg : Nachdem er mit seiner Bitte um ein Kommando von Ludwig XIV. höhnisch abgewiesen worden war und Frankreich kurz darauf fluchtartig verlassen hatte, begann er als Volontär in kaiserlichen Diensten, um dann zum erfolgreichsten Feldherrn seiner Zeit, ja zu »Habsburgs heimlichem Kaiser« zu werden. Und um dieses Ziel zu erreichen, verzichtete er sogar – in einer Mischung aus Treue, Bescheidenheit und Klugheit – auf die polnische Königskrone. All diese Verdienste bewirkten, dass Eugen von weiten Teilen der europäischen Öffentlichkeit als ein Schutzpatron oder – in Anspielung auf seinen Namen – als ein ›guter Geist‹ verehrt wurde. Dieser Mythos war noch im . Jahrhundert so stark, dass selbst die Besatzung des ›Schweren Kreuzers Prinz Eugen‹ im Zweiten Weltkrieg sich besonders geschützt glaubte. Und wie es die Laune des Schicksals wollte, überstand der Kreuzer den Krieg tatsächlich – ganz im Unterschied zu seinem Begleitschiff, der ›Bismarck‹. Manchmal ist Geschichte eben auf eine höchst irrationale Weise konsequent ! Wenn es indes ein System gab, das auf das geistige Erbe des Savoyers zu Unrecht Anspruch erhob, dann war es der Nationalsozialismus. Vielmehr qualifizieren seine Tugenden den Prinzen dazu, auch eine historische Leitfigur des heutigen Europa zu sein und auf die gegenwärtigen Eliten stilbildend zu wirken. Unter diesen Tugenden ragen sieben besonders heraus : Vorbemerkung
An erster Stelle steht die Einsicht, dass Macht und Erfolg zum Dienst an der Gemeinschaft und zu vorbildlicher Lebensführung verpflichten. An zweiter Stelle folgt die Erkenntnis, dass langfristiger Erfolg Maßhaltung und Verzicht, manchmal sogar das Ausschlagen eines höchsten Amtes voraussetzt. Als dritte Tugend ist die Bereitschaft zu nennen, Geld zur Förderung des Allgemeinwohls, der Künste und der Wissenschaften zu verwenden. Damit einher gehen viertens der Wille, freie Zeit zur eigenen Bildung zu nutzen, fünftens eine wirklich authentisch gelebte Multikulturalität und sechstens die geistige Weite des politischen Denkens und Handelns. Die siebte Tugend ist die Vermeidung von Alleingängen jeglicher Art. Für alle diese Grundsätze steht das Obere Belvedere als der Fokus von Eugens Repräsentationssystem auf exemplarische Weise. Dass das Schloss innerhalb dieses Kontextes untersucht und gewürdigt werden konnte, ist der Förderung von verschiedenen Seiten zu verdanken. Über die Finanzierung des Forschungsprojekts hinaus leistete die Gerda Henkel Stiftung einen maßgeblichen Beitrag zur Drucklegung. Einen Zuschuss gewährte auch das österreichische Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur. Ganz besonders danken möchte ich Hofrat Dr. Michael Krapf von der Österreichischen Galerie Belvedere, der mir über ein Jahrzehnt hinweg zahlreiche fachliche und organisatorische Hilfestellungen gewährt hat. Wichtige Sichtweisen eröffnete mir Professor Dr. Volker Reinhardt, von dem ich auch in methodischer Hinsicht viel gelernt habe. Weitere Anregungen verdanke ich Professor Dr. Andreas Prater, Vorbemerkung
PD Dr. Thomas Lau und Dr. Johannes Grave. Frau Marianne Schmidt-Hofner hat sich um die Korrektur des Manuskripts äußerst verdient gemacht. Sehr verbunden bin ich schließlich Frau Dr. Eva Reinhold-Weisz, Herrn Michael Rauscher und Frau Stefanie Kovacic vom Böhlau Verlag für die gute Zusammenarbeit. Freiburg, im April
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Inhalt
TEIL A : DAS OBERE BELVEDERE ALS BILD Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sicht der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . Kritik an der Forschung . . . . . . . . . . . . . . Anmerkungen Teil A . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
TEIL B : DAS OBERE BELVEDERE ALS BAU Analyse der Fassadenaufrisse . . . . . . . . . . . . . . . Die Gartenfront . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Hoffront . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.. Die Eckpavillons als Widerlager . . . . . . . .. Die Zwischentrakte als brückenartige Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Hoffront . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Eindringen des Umraums in das Schloss . . . . Das Ausgreifen des Schlosses in den Umraum . . . . Das Treppenhaus als Fokus der wechselseitigen Durchdringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Synthese von Architektur und Umraum . . . . .. Hildebrandts Konzept . . . . . . . . . . . . .. Die Synthese von Schloss und Umraum bei Salomon Kleiner . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Synthese von Schloss und Umraum als die spezifische Eigenschaft eines herrschaftlichen Landhauses . . . . . . . Die Orangerie des Belvedere : ein weiteres Beispiel für die Synthese von ephemerer Architektur und Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Verhältnis der Fassade zum Bauvolumen . . . . . Die Zusammenfassung der Pavillons zu einzelnen Gruppen im Rahmen der Fassadengestaltung . . . . . . Die Gartenfront . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Mittelgruppe als Kerntrias . . . . . . . . Inhalt
Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formale Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das klassische Vergleichsbeispiel : der Würzburger Kaisersaalpavillon . . . . . . . . . 9
.. Beschreibung des Kaisersaalpavillons . . .. Die Genese des Kaisersaalpavillons . . . ... Problemstellung . . . . . . . . . ... Die Planungen von / . . ... Die ausgeführte Fassung (ca. –) . . . . . . . . . . .. Die Würzburger Residenz und das Obere Belvedere im Vergleich . . . . . . . . . . Die Rezeption des Belvedere . . . . . . . . . .
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Anmerkungen Teil B . . . . . . . . . . . . . . . . . .
TEIL C :
VOM BAU ZUM BILD : DAS OBERE BELVEDERE IN SEINER OPTISCHEN ERSCHEINUNG UND ALS IMAGINATION FÜRSTLICHEN SELBSTVERSTÄNDNISSES
Die Aufhebung der Räumlichkeit in der Fernsicht . Der Prozess einer reziproken Enträumlichung und Entbildlichung von Architektur und Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhältnis von Bild und Bau . . . . . . .. Das Verhältnis von Bild und Bau in der Bildwissenschaft . . . . . . . . . . . .
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.. Das Obere Belvedere zwischen Bild und Bau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses . . . Eugens ikonographische (Selbst-)Stilisierung in den Bildprogrammen seiner Schlösser . . . . . . .. Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . .. Der Hauptsaal des Oberen Belvedere : Eugen und der Ruhm des Hauses Savoyen . .. Der Marmorsaal im Unteren Belvedere : Eugens Verdienste um Kaiser und Künste . .. Das Bildprogramm des Stadtpalais : Eugen als Tugendheld . . . . . . . . . . . . . . . .. Permosers ›Apotheose‹ des Prinzen Eugen : Eugen als ein ›roi des honnêtes gens‹ . . . ... Das Standbild als Abbreviatur des Bildprogramms im Stadtpalais . . . ... Das Standbild als ein Monument von Eugens Bescheidenheit . . . . ... Das Standbild als Ausdruck eines quasi-imperialen Selbstverständnisses . . . . . . . . .. Das Treppenhaus im Oberen Belvedere : Eugen und sein Vorbild Alexander der Große . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... Eugen und Alexander . . . . . . .
Inhalt
... Der Alexander-Mythos als Teil eines politischen Diskurses . . . . . . . ... Eugens Antwort auf die AlexanderIkonographie Ludwigs XIV. . . . . .. Der Titelkupfer in Kleiners Stichwerk : Eugen als ein princeps imperatorius . . . . . Eugens Selbststilisierung in der Architektur des Oberen Belvedere . . . . . . . . . . . . . . . . .. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Betrachtung des Oberen Belvedere aus der Entfernung : Die Bedeutung der Lage und der räumlichen Bezüge zur Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . ... Das Obere Belvedere als Villa suburbana . . . . . . . . . . . . . ... Das Obere Belvedere als Musensitz und Meritum-Architektur . . . . . ... Das Obere Belvedere als Herrscherpalast und Militärlager . ... Das Obere Belvedere als Zentrum eines Adelshofes . . . . . . . . . . ... Das Obere Belvedere als Sitz eines heiligmäßigen Schutzpatrons . . . .. Die Betrachtung des Oberen Belvedere aus der mittleren Distanz : die Bedeutung der äußeren Gestalt . . . . . . . . . . . . . . ... Die Verstärkung des Charakters als Inhalt
eines fürstlichen Palastes und eines Feldherrnlagers . . . . . ... Die Schwächung des Charakters als Meritum-Architektur . . . . . . . Exkurs : Die traditionelle Meritum-Architektur in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Betrachtung des Oberen Belvedere aus der Nähe. Die Bedeutung der Fassaden . . .. Die Betrachtung des Oberen Belvedere von innen : Die erneute Verstärkung von Herrschafts- und Meritum-Architektur und ihre gleichzeitige Relativierung . . . . . . . Das Zusammenspiel von Architektur und Ikonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eugens Selbststilisierung im Kontext der Wiener Adelsgesellschaft und der europäischen Höfe . . .. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . .. Eugens System der nachhaltigen und regenerativen Selbstlegitimation . . . . . . .. Eugens ›imperatorische‹ Repräsentation im Kontext der europäischen Herrschaftsdiskurse . . . . . . . . . . . . ... Eugen und der Wiener Adel . . . . ... Eugen und das Kaiserhaus . . . . . ... Eugen und der Reichsadel . . . . .
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... Eugens Polemik gegen Ludwig XIV. als Teil eines europäischen Diskurses Anmerkungen Teil C . . . . . . . . . . . . . . . . . .
TEIL D : ZUSAMMENFASSUNG . . . . . . . . . .
Dialektische Architektur als Herrschaftsmodell . . . . .
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergänzende Angaben zu den Bildlegenden . . . . . . .
Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Register Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
1 Einleitung
Nachdem die türkische Gefahr endgültig gebannt war, wurde das Glacis, das Wien bis dahin umgeben hatte, zur Bebauung freigegeben. Den Anfang machten Domenico Martinelli mit einem Gartenpalais für den Fürsten Liechtenstein (– ) und Lucas von Hildebrandt mit einem Lustgebäude für den Grafen Mansfeld Fürst Fondi (ab ), das später in den Besitz der Familie Schwarzenberg überging und von Johann Bernhard Fischer von Erlach vollendet wurde. Es folgten eine ganze Reihe weiterer Bauten, darunter die Gartenpaläste Trautson (Fischer von Erlach), Schönborn und Harrach (beide Hildebrandt) sowie das Salesianerinnenkloster (Donato Felice d’Allio) und die Karlskirche (Fischer von Erlach).¹ Das größte und bedeutendste Projekt war jedoch das Belvedere, mit dem sich der Sieger über die Türken, der Prinz Eugen von Savoyen, ein Denkmal seines Feldherrnruhmes und seines Mäzenatentums setzen ließ. Bereits um die Jahrhundertwende hatte Hildebrandt im Auftrag des Prinzen damit begonnen, vor den Toren der Stadt einen Park anzulegen, der sich von der Kuppe eines nach Norden sanft abfallenden Weinbergs bis zum Rennweg erstreckte.² Begrenzt wurde die Anlage im Osten durch das Anwesen des Grafen Mansfeld Fürst Fondi, zu dem neben dem Palast gleichfalls ein stattlicher Park gehörte. Im Westen lag das SalesianeEinleitung
rinnenkloster, in dem Anna Wilhelmine, die Witwe Kaiser Josephs I., ihren Lebensabend verbrachte. In den Jahren bis errichtete Hildebrandt zu Füßen des Belvedereparks ein Schloss im Stil einer villa suburbana, das sogenannte ›Untere Belvedere‹.³ Der Ruhm dieser Anlage drang bis weit ins Reich hinein. So nutzte beispielsweise der Mainzer Erzbischof und Kurfürst, Lothar Franz von Schönborn, seine guten Kontakte in die Hauptstadt, um sich von seinem Neffen, dem Reichsvizekanzler Friedrich Carl, über den Fortgang der Arbeiten ausführlich Bericht erstatten zu lassen : Es mues sonsten – des h[errn] r[eichs)] v[ize] canzlers beschreibung nach – des h[errn] prinz Eugene gebäue in diesem garthen gantz was besonderes undt zwahr was solches werden, dass in der welldt nicht zu sehen sein wirdt … undt hat dieser herr recht, … sich diese vergnügung in seinem leben zu geben. Glücklich anhero derjenige, der ohne besondere beschwernus seines beuthels dergleichen thuen kann.⁴
Bereits fünf Jahre nachdem das Untere Belvedere vollendet worden war, entstand in nur zweijähriger Bauzeit auf der Spitze des Hügels ein zweites, ungleich größeres Schloss. Mit seiner ›schönen Aussicht‹ auf Wien machte das Obere Belvedere seinem Namen wirklich alle Ehre. Wohl schon von Anfang an vorgesehen, bedeutet es nicht nur eine quantitative Erweiterung. Es vervollständigt die gesamte Anlage auch zu einem einzigartigen Ensemble : Beide Paläste sind mit Metern gleich lang und nehmen 15
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die gesamte Breite des Terrains ein. Zwischen diesen mächtigen Querriegeln spannt sich der ›Große Garten‹ in lang gestreckter Bahn. Westwärts wird er von dem sogenannten Kleinen Garten (heute auch Kammergarten) flankiert. Zwischen dem ›Großen Garten‹ und dem Schwarzenberg’schen Park eingezwängt, besaß er die Form eines spitzen Dreiecks. Sein Ausgangspunkt war die ehemalige Orangerie, die ihrerseits den hinteren Flügel des am Rennweg gelegenen Marstallgebäudes verdeckte.⁵ Mit dem Bau des oberen Schlosses verwirklichte Hildebrandt ein Ideal, von dem sein Rivale Fischer von Erlach drei Jahrzehnte zuvor bei seinen Planspielen für Schönbrunn nur hatte träumen dürfen : Einer kaiserlichen Palastanlage gleich blickt das Obere Belvedere von der Kuppel eines Berges majestätisch auf das Land herab und setzt sich über den ihm vorgelagerten, in Treppen und Kaskaden abfallenden Garten bis in die Ebene fort. Ebenso traumhaft wie die Lage ist das architektonische Erscheinungsbild.⁶ Sieben unterschiedlich hohe Kompartimente mit zeltartigen Dachaufsätzen sind zur Mitte hin rhythmisch gestaffelt und schneiden eine bizarre Kontur in den Himmel. Die Gartenfassade schwebt, durch überreichen Dekor jeglicher Schwere beraubt, über dem Gelände, das sie emporzuheben und zu tragen scheint. Von ebenso zauberhafter Unwirklichkeit ist die Hofseite, die sich im Spiegelbild eines riesigen Bassins verdoppelt. Um das neue Wunderwerk bekannt zu machen, beauftragte Prinz Eugen den angesehenen Kupferstecher Salomon Klei16
ner, es ausführlich zu dokumentieren. Kleiner, der bereits für die Grafen von Schönborn und den Kaiser gearbeitet hatte,⁷ veröffentlichte in den Jahren von bis eine Folge von Tafeln.⁸ Das Stichwerk ist ein historisches Zeugnis – ersten Ranges, zumal Kleiner neben sämtlichen Haupt- und Nebengebäuden auch die große Parkanlage einbezog – von der figürlichen Ausstattung und den Wasserspielen bis hin zur Menagerie und den darin gehaltenen exotischen Tieren. Darüber hinaus gab er die beiden Paläste in allen Einzelheiten wieder : in perspektivischen Prospekten, in Aufrissen von allen Seiten, in Längs- und Querschnitten, im Grundriss jedes Stockwerks sowie in der räumlichen Darstellung aller repräsentativen Säle und Appartements einschließlich ihrer Ausstattung. Für den Kunsthistoriker ist die Stichfolge eine Quelle von unschätzbarem Wert.⁹
Das Obere Belvedere als Bild
2 Die Sicht der Forschung
. Die Forschungsgeschichte Interessanterweise wurde die herausragende Bedeutung des Belvedere bereits zu einem Zeitpunkt gesehen, da die barocke Architektur durchaus noch umstritten war. rechnete Wilhelm Pinder nicht nur die Bauten Fischer von Erlachs und Pöppelmanns, sondern auch die Lucas von Hildebrandts, allen voran das Belvedere, zu den Gründungswerken der deutschen Barockkunst.¹⁰ Der Balthasar-Neumann-Forscher Georg Eckert bescheinigte der Fassade eine Pracht, »dass man beim ersten Anblick nicht glaubt, sie könne übertroffen werden«.¹¹ Selbst Hans Rose, der große Kritiker barocker Architektur, gestand dem Hildebrandt-Schloss in seinem epochalen Buch über den ›Spätbarock‹ eine »eminente baugeschichtliche Bedeutung« zu.¹² Jedoch blieb das Lob zwiespältig. Es galt der meisterhaften Nutzung der Topographie, der Verschmelzung von Architektur und Gartenlandschaft zu einer vollkommenen Einheit sowie der grandiosen, kulissenhaften Fernwirkung der Fassade. So führte Eckert die überwältigende Erscheinung auch auf die »künstlerisch allerdings nicht zu überbietende Lage« zurück, auf das »stufenförmige Hinaufschieben durch die glänzend gestaltete Gartenarchitektur, die mit dem Bau zu einer idealen Einheit Die Sicht der Forschung
verschmilzt«¹.³ Bei eingehender Betrachtung glaubte Eckert jedoch eine Reihe von Schwächen ausmachen zu können : Untersucht man die Fassade selbst näher, so wird man doch gewisse Mängel derselben nicht ableugnen können. Vor allem zerfällt sie trotz ihrer guten Komposition stark in ihre Einzelteile. Die bindende Einheit ist dem Künstler nicht ganz gelungen ; besonders hart stoßen die drei Mittelteile mit den zwei Seitenteilen beiderseits zusammen, durch den Wechsel in den Einzelformen und in der ganzen Gliederung neben der Änderung der Stockwerkshöhe ist dieser Gegensatz geradezu auffallend und wird auch durch die bei den Eckpavillons wiederkehrenden Formen der Mittelpartie nicht ausgeglichen. Außerdem herrschen durch die schmalen hohen Fenster, die Koppelpilaster und die Attika mit Figuren ohne füllende Brüstungen merkwürdig gestelzte Verhältnisse, die auch sonst den Werken Hildebrandts eigen sind. Noch weniger ist der Zusammenhang bei der Hofseite geglückt ; hier herrscht im Mittelteil eine echte Gepfropftheit.¹⁴
Am meisten kritisierte Eckert jedoch die Disposition der Pilaster am Mittelteil der Gartenfront – vor allem im Vergleich zum mittleren Gartenpavillon der Würzburger Residenz, dem sog. ›Kaisersaalpavillon‹, den er Neumann zuschrieb. Schon Pinder hatte in der Würzburger Gartenfront »geradezu eine Überarbeitung des Wiener Bauwerks« erkannt, diese eher wertneutrale Einschätzung aber nicht näher begründet.¹⁵ Um so detaillierter und parteiischer fiel Eckerts Analyse aus : 17
Hildebrandt hat ein ungewöhnliches Verhältnis, indem er in der Mitte Doppelstützen, außen einfache verwendet ; dadurch verliert sein Bau gerade dort scheinbar an Stabilität, wo sie am meisten benötigt ist, an der Ecke. […] Neumann hat das normale Verhältnis durch Einfügen von Doppelstützen außen und einfachen innen wiederhergestellt. Durch die Zurückhaltung in der Gliederung der Flügelbauten und durch Bereicherung des Mittelteils mit dem Giebel sowie durch die glänzende Überleitung beim Zusammenschluss der einzelnen Bauteile weiß er die Dominante so glücklich zur gesteigerten Wirkung zu bringen und hat so eine Vollkommenheit erreicht, die dem Hildebrandt’schen Bau versagt blieb.
Jedoch räumte Eckert ein, dass der Gesamteffekt selbst diese strukturalen Schwächen wieder wettmacht : Mit einer so großen Unmittelbarkeit weiß uns der Künstler zu packen, dass wir die entgegenstehenden Mängel immer wieder beim Anblick des Werkes momentan übersehen.¹⁶
Dem Eindruck, die Gartenseite des Oberen Belvedere sei die unvollkommene Vorstufe der Würzburger Gartenfront, trat Rose mit Blick auf das Verhältnis der einzelnen Bauteile zueinander nachdrücklich entgegen. Da sich das Crescendo in Würzburg auf die fünf Mitteljoche des Kaisersaalpavillons, den auch er Neumann zuschrieb, beschränke, wirke diese Steigerung »nicht frisch wie am Belvedere, sondern übertrieben«. Im Unterschied zu Hildebrandt zeige sich Neumanns Feinheit 18
»nur da, wo er die Nuance klein« wähle.¹⁷ Trotz dieses Lobes hegte aber auch Rose gegenüber dem Oberen Belvedere Vorbehalte. Für ihn war es das Zeugnis eines »allem Rationalen abgekehrten« Kunststils, »dessen sybaritische, halbasiatische Pracht« von »seiner eigenen Überflüssigkeit« lebe.¹⁸ Auch trat er Eckerts Kritik an der Pilasterdisposition nicht entgegen. Letztlich musste der deutsche Barock im Allgemeinen und Hildebrandts Architektur im Besonderen Rose als Auswüchse erscheinen, die erst im Klassizismus eine korrigierende »Rückbildung« erfuhren. Entsprechend deutete er das Obere Belvedere als Ausdruck einer »reinen Zierkunst«, die sich ganz »dem Ornament einerseits und dem Theatereffekt andererseits« verschrieben habe.¹⁹ Gleichfalls ambivalent urteilte Richard Sedlmaier. In seiner zweibändigen Monographie über die Würzburger Residenz () lehnte er Eckerts Zuschreibung des Kaisersaalpavillons, an dem er überwiegend »Hildebrandtsche« Elemente erkannte, zwar ab, doch impliziert seine Bemerkung, zwischen beiden Bauten liege »ein zeitlich großer Abstand und ein gutes Stück Entwicklung«²⁰, dass auch er das Obere Belvedere für unvollkommen hielt. Selbst Georg Dehio konnte Hildebrandts Hauptwerk nicht ohne Vorbehalte begegnen. Seine Kritik galt den sieben separaten Dächern, die wie »auseinandergerissen« wirkten und in keinerlei Beziehung zum Bau stünden.²¹ Bezeichnend für die frühe Rezeptionsgeschichte ist, dass fast alle Autoren das Obere Belvedere am Würzburger KaisersaalDas Obere Belvedere als Bild
pavillon maßen, unabhängig davon, ob sie diesen als ein Werk Neumanns oder als eine Schöpfung Hildebrandts ansahen. Ihr Vergleich fiel insofern einseitig aus, als sie die tektonische Logik zum alleinigen Maßstab erhoben. Fraglos stand Neumanns Architektur der klassischen Kunst Palladios sowie dem französischen Hochbarock näher (was sich an den beiden Stadtfronten der Würzburger Residenz freilich noch deutlicher zeigt als am Kaisersaalpavillon). Die Baugesinnung des in Genua geborenen Hildebrandt wurzelte dagegen in den Traditionen Francesco Borrominis und Pietro da Cortonas sowie in der dekorativen Formenwelt Guarinis.²² Seine Vorliebe für das Ornamentale ließ Hildebrandt sogar Anleihen beim deutschen Manierismus vornehmen. Neben Neumann musste sich Hildebrandt spätestens nach dem Erscheinen von Dagobert Freys Studie über die Entwicklung der Wiener Palastfassade () auch an Fischer von Erlach messen lassen. Wenngleich Frey es ablehnte, die Verschiedenheit beider Architekten auf den Gegensatz von barocker und klassizistischer Architekturauffassung zurückzuführen,²³ wertete er Hildebrandts »Verweben der Kraftrichtungen, die diffuse Bewegung, die über die Fläche gleichmäßig verteilte Intensität der Energien« sowie den »schwebende[n] Rhythmus« doch als Kennzeichen eines »optisch-flächenhaften Stils«, der sich von Fischers »tektonisch-plastischem« Empfinden grundlegend unterscheide.²⁴ Diese Besonderheit von Hildebrandts Stil versuchte Frey gerade am Oberen Belvedere aufzuzeigen : Die Sicht der Forschung
Die räumliche Risalitbildung des Grundrisses wird absichtlich mit wunderbarer Kunstfertigkeit ins Flächige umgedeutet und durch die Negation des Grundrisses im Aufbau verunklärt. Diese Verunklärung der kubisch räumlichen Form in der visuellen Wirkung […] gibt den Bauten Hildebrandts […], die ihnen eigentümliche visionär märchenhafte Erscheinung.²⁵
Freys Ansatz, Hildebrandts Architektur als eine optische Erscheinung zu begreifen, war ein Jahr zuvor von Bruno Grimschitz, der seit über das Belvedere arbeitete,²⁶ vorweggenommen worden. Anders als Frey bewertete Grimschitz Hildebrandts Architekturauffassung jedoch nicht neutral, sondern eindeutig positiv : Aufgelöst in Arkaden und Fenstern, überdeckt von der Bewegung des plastischen Schmuckes erscheint der Bau wie ein einziges, flächenhaft flimmerndes Ornament in Licht und Schatten. [Er hat] alle materielle Schwere verloren. Nichts von der strengen Begrenzung geschlossener Ruhe. Die große Schlossfront ist eine einzige malerisch-optische Bewegung, die über alle Teile geht und den Bau mit übermateriellem Leben füllt, die sich ohne Grenzen in der Horizontalen dehnt und in den vielen Figuren der Balustraden nach oben hin aussprüht.²⁷
Eben wegen dieser Eigenschaften erkannte Grimschitz im Oberen Belvedere »Wiens großartigste[n] Parkpalast, Wiens lebensvoll reichste Barockschöpfung«. Der Bau sei die »glän19
zendste Architekturerscheinung in der reichen Blüte des südlichsten deutschen Barocks« – unerreicht »an blühend-heiterer Phantasie der baukünstlerischen Konzeption […] in dem ganzen Kreise der großen Baudenkmale an der Donau«.²⁸ Nur in dem Maße, in dem sich die Kunstwissenschaft von den ästhetischen Idealen des Klassizismus löste, vermochte sie die barocke Formensprache in ihrer Vielfalt zu verstehen und ihren Eigenwert zu erkennen. Einen maßgeblichen Beitrag hierzu leistete Hans Sedlmayr in seinem Buch ›Österreichische Barockarchitektur‹. In der ›Einleitung für Laien‹, die drei Jahrzehnte später unter dem Titel ›Zum Sehen barocker Architekturen‹ in der Aufsatzsammlung ›Epochen und Werke‹ nachgedruckt wurde, verteidigte er die barocke Reliefarchitektur des Oberen Belvedere als eine eigenständige Kunstgattung : Um die flächenhafte Wirkung vollends zur Geltung zu bringen, habe Hildebrandt vor der Hofseite ein riesiges Bassin angeordnet, »in dem sich die gesamte Architektur noch einmal, auf dem Kopfe stehend, zur Fläche, zum Bilde schließt«. In dieser Verdoppelung beruhe … die ganze Schönheit des Gebildes in den Verhältnissen und Rhythmen von Teilflächen und ihren inneren Gliederungen. Für diese Ansicht trifft – bis zu einem gewissen Grad – jene Theorie vom ›malerischen Barock‹ zu, die man einst für den Schlüssel zum Verständnis aller Eigenschaften barocker Architektur angesehen hat.²⁹
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machte auch Werner Hager geltend, dass am Oberen Belvedere die Fläche als »das zuerst Gegebene«, als der »Träger des künstlerischen Ausdrucks« zu verstehen sei. ³⁰ Vier Jahre später legte Grimschitz, der nach weiter über das Belvedere gearbeitet hatte³¹, die erste Monographie vor.³² Weit zurückhaltender als früher sprach er von einer »malerisch-atmosphärischen Entwirklichung des steinernen Schlosskörpers«³³, von einer »in das Horizontale entfalteten Baugruppe, die sich in der Fernerscheinung zu einer Kette von Fassadenflächen mit selbständigen Dächern zusammenschließt«.³⁴ Umso ausführlicher fiel seine Analyse der Fassadengliederung aus. Als konstituierende Elemente der von ihm beobachteten Flächigkeit deutete Grimschitz zum einen die »lotrechte Bewegtheit des Wandaufrisses«, zum anderen die Zerlegung der Fassade in dekorative Einzelformen : Die Gliederungselemente, also Pilaster, Gesimse, Lisenen, seien durch Nutungen, Scheibenmotive, Bänder, Kreuzbänder, Blütenschnüre und Verkröpfungen in Einzelteile aufgespalten, während die Zwischenräume durch Fensterumrahmungen, Relieffelder, Doppelkonsolen usw. gefüllt seien. Die »gleichmäßige Reihung der Kleinformmotive gestaltet die Wandfläche zum Mosaik, gleichwertig in allen ihren Teilen und auffassbar nur über die Summierung des unübersehbaren Einzelnen. So bietet sich die Fassade ohne innere Stoßkraft dar, ohne eine große plastische Zusammenfassung auf Achsen oder Geschosse, so scheint sie nur in einer wunderbaren Gleichmäßigkeit den Freiraum mit seinem Licht aufzufangen und Träger des schimmernden Spieles der Atmosphäre zu sein«.³⁵ Das Obere Belvedere als Bild
veröffentlichte Ottmar Kerber unter dem Titel ›Von Bramante zu Lucas von Hildebrandt‹, eine Sammlung verschiedener Vorträge über die barocke Baukunst.³⁶ Einen längeren Abschnitt widmete er dem Oberen Belvedere.³⁷ Wie Grimschitz sah Kerber in der Flächigkeit der Fassade, die seiner Meinung nach an der Gartenfront am deutlichsten ausgeprägt war, ein herausragendes Charakteristikum Hildebrandt’scher Architektur. An dieser »in der Breite des Gartens sich dehnenden Fläche« habe Hildebrandt alles Körperliche unterdrückt. Diese Flächigkeit, die selbst die Vorsprünge des Mittelpavillons und der Eckpavillons nicht aufbrechen könnten, führte Kerber einerseits auf die »schimmernde – dank der Fensterreihen –, durchscheinende Fläche der Wände« zurück.³⁸ Einen zweiten Faktor erkannte er wie Grimschitz in der durchlaufenden Senkrechten der Gliederung, die selbst durch das horizontale Gebälk nicht unterbrochen werde. Besonders offenbarten sich die »Eigenart und bindende Kraft dieser Senkrechten« am Mittelpavillon, wo sie »von den gekuppelten Säulen zwischen den Eingängen über die gekuppelten Pilaster zwischen den hohen und ovalen Fenstern bis zu den Postamenten mit den dekorativen Skulpturen vor dem Dach reichen«.³⁹ Zum Vergleich zog auch Kerber den Würzburger Kaisersaalpavillon, den er Neumann zuschrieb, heran. Jedoch ging es ihm nicht um die tektonische Logik der Gliederung, sondern um die plastischen Werte : Im Unterschied zu Hildebrandt habe Neumann in der Beletage nicht Pilaster, sondern HalbDie Sicht der Forschung
säulen verwendet und das architektonische Gerüst durch größere Interkolumnien aufgelockert. An die Stelle scharfkantiger Profile seien weiche, schwellende Formen getreten. Die Senkrechten sind zwar da, aber ihre Kraft ist bewusst gebrochen. Der Richtungsablauf hat sich geändert, das Schwingen der Waagrechten ist ausschlaggebend geworden.⁴⁰
Selbst das »überhöhende Herausheben des Kaiserpavillons« gegenüber der übrigen Fassade habe Neumann genutzt, um »die Bewegung in der Waagrechten und das verselbständigende körperhafte Herauswölben noch wirksamer zu unterstreichen«. Im Gegensatz dazu sei das Belvedere in Wien »von einer nicht zu überbietenden, in der Fläche liegenden Spannung erfüllt, die sich dann in das straffe lineare Gefüge der Pilaster und Gesimse wie in die feinteilig geschwungenen Linien des Ornaments aufspaltet«.⁴¹ Da Kerber sein Manuskript bereits abgeschlossen hatte,⁴² war er auf Grimschitz’ Belvedere-Monographie nicht eingegangen. Im Gegenzug fand er auch nicht Erwähnung in der großen Hildebrandt-Monographie, die Grimschitz als Gegenstück zu Hans Sedlmayrs Monographie über Fischer von Erlach vorlegte.⁴³ In ihr vertiefte Grimschitz seine bisherigen Beobachtungen zum Belvedere, um das Werk in den Kontext von Hildebrandts gesamter künstlerischer Entwicklung zu stellen. Versucht man, die sehr komplexe Analyse, die Grimschitz als Quintessenz seiner Forschung formulierte, schwer21
punktartig zusammenzufassen, so zeichnet sich Hildebrandts Architektur durch sieben besondere Merkmale aus :
wird »in ein optisch bewegtes Relief« verwandelt.⁴⁶ Auch hier liegt dem Innenraum dasselbe Prinzip zugrunde : Die »künstlerische Formung des Raumes« erfolgt einzig »durch die Wandzone und ihr optisches Relief«.⁴⁷
. Das Denken in Flächen anstatt in dreidimensionalen Baukörpern Hildebrandts architektonische Entwicklung schreitet konse- . Die Auflösung der Wand durch den Dekor zur immateriellen quent vom straffen und blockhaften Baukörper, wie ihn noch Erscheinung der Gartenpalast Mansfeld-Fondi (= Palais Schwarzenberg) Die Umwandlung der Wand zum nur noch optisch wirkenrepräsentiert, zum »nur noch als Flächenerscheinung wirden Relief bedingt ihre Entmaterialisierung. Eine zentrale kenden Bau«. An die Stelle eines »Sinnes für das Wesen der Rolle fällt dabei dem Dekor zu. Er dient am Außenbau dreidimensionalen plastischen Form« tritt »die einseitig op»als wichtigstes Mittel der optischen Verwandlung, einer tische Wurzel des räumlichen Erlebnisses«.⁴⁴ Diese Fixierung vollkommenen Überwindung der körperlichen Masse und auf die Wand anstelle des Volumens manifestiert sich nicht ihrer isolierten Existenz«. Und wie am Außenbau, so »ernur im äußeren Erscheinungsbild von Hildebrandts Bauten, reichen auch im Innenraum die plastische und die male sondern auch im Innenraum. »Die Räume sind nicht vom rische Dekoration für die Raumgrenzen das äußerste Maß Raumkern her als plastisch aufgefasste und gestaltete Gean Gewichtlosigkeit«. Selbst gegenständliche Elemente wie bilde geschaffen, sondern entstehen von den Wandflächen Putten, Trophäen, Masken, Vasen, Muscheln, Büsten usw. aus, zwischen denen der Raum gleichsam als passives, selbst werden unter Negierung »ihres körperlich-gegenständlichen ungestaltetes Volumen ohne feste Begrenzungen schwingt.«⁴⁵ Werts« in ein »lebendigstes, in Licht und Schatten bewegtes Relief« umgedeutet.⁴⁸ . Die Konzentration auf die Wand als einziges Gestaltungselement . Die Unterdrückung der Tektonik Um den Wegfall des räumlichen Erlebnisses zu kompensieDie ungegenständliche, völlig malerische Behandlung der ren, wertet Hildebrandt die Wand zum primären GestalWand zeitigt zwei Konsequenzen : Zunächst bedingt sie den tungselement auf. Dabei zielt er völlig auf den optischen Verzicht auf jegliche tektonische Struktur. »Die wandhafEffekt. Die Gestaltung der Wand wird »allein durch die ten Raumgrenzen selbst werden optisch interpretiert, und schwebende Rhythmik ihrer Flächen« bestimmt. Die Mauer durch die Unterdrückung der tektonischen Bedeutung der 22
Das Obere Belvedere als Bild
Wand und der Decke gewinnt das einfach überschaubare Raumvolumen eigentlich erst den Charakter schwebender und über seine materiellen Grenzflächen hinausreichender optischer Immaterialität.«⁴⁹ . Die Verschmelzung des Baukörpers mit dem Freiraum Der so seiner Umgrenzung beraubte, sich an allen Enden auflösende, zu Licht und Farbe verflüssigende Baukörper muss zwangsläufig mit den »naturalistischen Wirkungsfaktoren« des ihn umgebenden Freiraums zu einer Einheit verschmelzen.⁵⁰ Die Fähigkeit, große Freiräume zu gestalten und »den Bau mit seiner freiräumlichen Umgebung als eine künstlerische Einheit« zu formen, war in Hildebrandt als gelerntem Feldingenieur geradezu angelegt.⁵¹
. Die Konzeption der Fassade auf reine Fernansichtigkeit Der Mittelpavillon bildet mit den Nebenpavillons eine untrennbare Einheit, die ganz auf die »Gesamterscheinung der Gartenfront« und auf einen distanzierten Betrachterstandpunkt angelegt ist. Somit wirkt er »in seiner reinsten künstlerischen Bedeutung als Fernbild im Freiraum« – ganz im Unterschied zum Würzburger Pavillon, der sich »als körperliche Dominante, als selbständige Gipfelung in der Gartenfront« erhebt und »als selbständiger Baukörper dem wandhaften, einer Freiraumperspektive eingegliederten Mittelpavillon des Belvedere überlegen ist«.⁵²
Die Sicht der Forschung
. All diese Prinzipien gelten auch für die meisten anderen Bauten Hildebrandts, doch finden sie im Oberen Belvedere ihre reinste Ausprägung.⁵³ Grimschitz widerlegte die gegen das Belvedere vorgebrachten Einwände also nicht, sondern er bewertete die kritisierten Eigenschaften neu. Was Eckert, Rose und Dehio als Mangel ansahen, war für ihn Teil eines besonderen ästhetischen Prinzips, einer malerisch konzipierten Baukunst, die er gleichberechtigt neben die klassische Architektur eines Palladio oder Balthasar Neumann stellte. Ganz in diesem Sinne antwortet er auch auf Eckerts Kritik an der Instrumentierung des Mittelteils. Wie jener sah er »Unstimmigkeiten der Vertikalgliederung, die sich an den Grenzlinien der einzelnen Pavillons ergeben«. Die »einzelnen Pilaster an den Eckkanten des Pavil- lons gegenüber den Doppelsäulen des Balkons« betrachtete er als durchaus »charakteristisch für Hildebrandts untektonische Art«, doch resultierten sie seiner Meinung nach aus der »Ausdeutung der Wand als einer optischen Fläche«.⁵⁴ Angesichts dieser höchst verständnisvollen Analyse verwundert es zunächst, dass Grimschitz sich Hildebrandts Kritikern insofern anschloss, als auch er den Würzburger Kaiser- saalpavillon für die bessere Architektur hielt. Dieser sei zwar »eine Paraphrase«, zugleich aber auch eine »Weiterbildung« des Belvederepavillons. Unübersehbar sei »die Wandlung […] zu größerer Körperlichkeit und tektonischer Verhärtung des Wandgerüsts«. Zu diesem Eindruck trügen besonders die 23
»Geschlossenheit der Wand und ihre plastische Interpretation durch doppelgeschossige Säulenordnungen« bei, ebenso »die Konzentration auf betonte Achsen und die räumliche Zusammenfassung der Baukörper, die über rein optische Grundlagen hinausgeht«.⁵⁵ Als ein weiteres Vergleichskriterium machte Grimschitz wie Eckert, von dem er sogar die Schlüsselbegriffe »Dominante« und »Vollkommenheit« übernahm⁵⁶, die Stellung der Pavillons in der Fassade geltend : Der Mittelpavillon des Oberen Belvedere […] bildet mit den Nebenpavillons eine untrennbare Einheit. Das heißt : er erfüllt seinen künstlerischen Sinn einseitig nur in der Gesamterscheinung der Gartenfront und ist für den Abstand vom Bau, der die optische Erfassung seiner Gesamtsicht ermöglicht, geschaffen. Er wirkt in seiner reinsten künstlerischen Bedeutung als Fernbild im Freiraum. Der Würzburger Pavillon erhebt sich als körperliche Dominante, als selbständige Gipfelung in der Gartenfront. Seine isolierte zentrale Stellung führt gegenüber den geschlossenen Wandflächen der vielachsigen Rücklagen zu jener Vollkommenheit absoluter Architektur, durch die er als selbständiger Baukörper dem wandhaften, einer Freiraumperspektive eingegliederten Mittelpavillon des Belvedere überlegen ist.⁵⁷
Sehr viel verständlicher wird dieses Urteil, wenn man bedenkt, dass Grimschitz im Kaisersaalpavillon nicht eine Schöpfung Neumanns sah, sondern eine Erfindung Hildebrandts, die 24
von Neumann lediglich überarbeitet worden sei. Daher führte Grimschitz – anders als Eckert und Kerber – die Unterschiede zwischen beiden Werke auch nicht auf die gegensätzliche Architekturauffassung zweier Meister, sondern auf die „persönliche Entwicklung Hildebrandts“ zurück. Noch immer ist Grimschitz’ Monographie ein unersetztes Standardwerk, umso mehr, als eine derart eingehende Analyse der Belvedere-Architektur bis dato nicht mehr geleistet wurde. Betrachtet man die spätere Forschung zum Belvedere, zu Hildebrandt oder zum Prinzen Eugen, so scheint es sogar, als habe Grimschitz in diesem Punkt das letzte Wort gesprochen. Die Untersuchungen von Hans Aurenhammer zur Baugeschichte und zur Ikonologie des Schlosses und seiner Gartenanlagen⁵⁸ nahmen Ergänzungen vor, führten aber nicht zu grundlegend neuen Erkenntnissen. Den von Grimschitz erstellten Kategorien fühlte sich auch Christian Norberg-Schulz verpflichtet. Zwar beschrieb er die einzelnen Fassadenabschnitte als »verschiedene Volumina«, doch erkannte er ihnen keinerlei tiefenräumliche Qualität zu. Stattdessen konstatierte er eine Vereinheitlichung dieser Volumina durch eine »fortlaufende, wenn auch differenzierte Wand«.⁵⁹ Sedlmayr beschränkte sich in der überarbeiteten Fassung seiner Fischer-von-Erlach-Monographie sogar darauf, Grimschitzens Formulierung von »der optischen Wurzel« einer unplastischen Architektur, deren Wirkung allein in ihrer »Erscheinung beschlossen« liege, wörtlich zu zitieren.⁶⁰ Unter expliziter Berufung auf Grimschitz sprach schließlich auch Günter BruDas Obere Belvedere als Bild
cher von der Umdeutung der Wand in ein »optisches Netz von scharfen Stegen, Graten und Bändern und in ein bewegtes Ornament von lichten Flecken und Schattenreliefs«. Durch diese Kleinformen verliere die Wand das Kompakte, werde sie zur optischen Fläche, die »sich mehr an das Auge als an das Tastgefühl wendet«.⁶¹ Wolfgang Kraus und Peter Mutter sahen im Oberen Belvedere sogar einen Höhepunkt entmaterialisierter Barockarchitektur überhaupt.⁶² Etwas zugespitzt könnte man behaupten, die Forschung habe vor allem dort Neues geleistet, wo sie sich nicht mit der Architektur des Oberen Belvedere befasste. Das gilt für Michael Krapfs glänzende Studie zum Belvedere-Marstall ()⁶³ ebenso wie für Ulrike Seegers Schrift über ›Stadtpalais und Belvedere des Prinzen Eugen‹ (). Seegers Verdienste liegen in der Erforschung der Raumausstattung, nicht aber in der Analyse der Fassadensysteme, die hinter dem Forschungsstand weit zurückbleibt.⁶⁴ Während die eigentliche Hildebrandt-Forschung also nach wie vor in den Fußstapfen von Grimschitz wandelt, sind, was das Belvedere betrifft, auch von der Literatur zu Neumann und der Würzburger Residenz kaum neue Impulse ausgegangen. Die weiterhin gezogenen Vergleiche zwischen beiden Schlössern sind nur für das Verständnis der Residenzarchitektur – insbesondere für die Frage, wer für die Gestaltung des Kaisersaalpavillons verantwortlich zeichnete – von Belang. Mit Blick auf das Belvedere wurde dagegen Altbekanntes wiederholt. So erkannte Hans Reuther insbesondere in dem polygonaDie Sicht der Forschung
len Grundriss, den Hermenpilastern und dem Schweifgiebel des Kaisersaalpavillons genuin Hildebrandt’sche Elemente, die vom Oberen Belvedere übernommen worden seien.⁶⁵ Erich Hubala zitierte in seiner Residenz-Monographie über die Würzburger Residenz Eckerts Bewertung der beiden Pavillons in aller Ausführlichkeit, um sich ihr dann vorbehaltlos anzuschließen.⁶⁶ In einem Aufsatz über die ›Autorenfrage der Würzburger Residenzarchitektur‹ bekräftigte er seine Position.⁶⁷ Bernhard Schütz beschrieb Hildebrandt sowohl in seinem Balthasar-Neumann-Buch von als auch in einem Aufsatz von als einen »Meister des ornamental gemusterten, flächig geschichteten Wandreliefs und der bewegten, plastischen Fensterverdachungen«, der seine Fassade aus »beschwingten Ornamentfiguren« zusammengesetzt habe.⁶⁸ Mit dieser Einschätzung blieb Schütz ganz der Sichtweise Grimschitz’ verhaftet. Selbst seine These, das Pavillonsystem des Belvedere gehe auf Vaux-le-Vicomte zurück, entbehrt der Originalität. Bereits war sie von Moritz Dreger geäußert,⁶⁹ dann aber von Grimschitz verworfen worden⁷⁰ und infolgedessen weitgehend in Vergessenheit geraten. In einer weiteren Neumann-Biographie nutzte Wilfried Hansmann und den Vergleich zwischen dem Wiener und dem Würzburger Schloss, um sich wieder vorbehaltlos Eckerts Kritik anzuschließen.⁷¹ Zuletzt widmete sich Jarl Kremeier dem unterschiedlichen Erscheinungsbild beider Gartenfronten ().⁷² Dabei kam er zu einem Ergebnis, das Roses Interpretation diametral entgegensteht. Wie wir uns erinnern, hatte dieser das Crescendo in der 25
Fassade auf die fünf Mitteljoche des Kaisersaalpavillons beschränkt.⁷³ Kremeier dagegen deutete den Kaisersaalpavillon als »Teil des großen Bogens der Gliederung der Gesamtfassade, die bereits an den Eckrisaliten der Gartenfassade beginnt«. Dagegen sei der Mittelbau des Belvedere so gegliedert, »dass er für sich alleine existieren könnte«.⁷⁴
. Kritik an der Forschung Zwischen dem Oberen Belvedere und der Würzburger Residenz einen Vergleich zu ziehen ist nach wie vor eine lohnende Aufgabe, weil die Besonderheiten beider Bauten dadurch deutlicher zutage treten. Damit dieser Vergleich neue Ergebnisse zeitigt, müssen beide Bauten aber erst einmal einer erneuten Betrachtung unterzogen werden. Dies erscheint umso mehr geboten, als eine ausführliche Analyse des Kaisersaalpavillons meiner Ansicht nach ohnehin noch aussteht. Vor allem aber ist Grimschitz’ Interpretation des Oberen Belvedere nicht unproblematisch. Erstens birgt die von ihm eingeführte und von der gesamten späteren Literatur übernommene Deutung des Schlosses die große Gefahr in sich, den Architekten Hildebrandt als genialen Dekorateur und effektvollen Kulissenmeister misszuverstehen. Zweitens ist die Grimschitz’sche Analyse nicht frei von inneren Widersprüchen. So kann ein nur wandhaft empfundener Bau mit dem ihn umgebenden Freiraum nicht wirklich 26
verschmelzen, geschweige denn von ihm durchdrungen werden. Sicherlich steht gerade die Fassade des Oberen Belvedere durch ihre bewegte Kontur, ihre Farbgebung, ihr auf LichtSchatten-Wirkung abgestimmtes Relief, durch ihre Spiegelung im Wasser oder durch ihre Kulissenhaftigkeit mit dem sie umgebenden Freiraum in enger Beziehung. Solange diese Effekte aber an die Fläche der Wand gebunden sind, hinterfängt das Schloss die Gartenarchitektur lediglich, während es innerhalb derselben nur reflektiert wird. Eine wirkliche Synthese kann nur in der Dreidimensionalität erfolgen, wenn sich Schlosskörper und Umgebung räumlich durchdringen, wenn beide in ihrem plastischen Volumen wahrgenommen werden. In der Tat lässt sich eine solche tiefenräumliche Durchdringung, die Grimschitz an einer Stelle ja selbst konstatiert hat,⁷⁵ an zahlreichen Punkten, von denen noch zu sprechen sein wird, festmachen. Ein dritter Schwachpunkt besteht darin, dass für Grimschitz die »Gliederung der Wand wie aufgesetzt« wirkt⁷⁶ und dass sie ihn an Beschlagwerk der deutschen Renaissance erinnert.⁷⁷ Für diese Interpretation sprechen nicht zuletzt die Verzierungen an den Pilastern des ersten Obergeschosses ; sie erinnern an Manschetten, die den Schaft auf der Wand fixie- ren, wobei die runde Öffnung das Bohrloch hypostasiert. Die Analogie zur Schreiner- und Kistlerkunst ist offenkundig.⁷⁸ Gerade in der Gestaltung der Gliederung als Applikation sieht Grimschitz (wie auch Brucher) aber ein Indiz dafür, dass die Wand zur rein optischen Fläche umgedeutet wird.⁷⁹ Wie der Das Obere Belvedere als Bild
Vergleich mit dem Würzburger Kaisersaalpavillon noch zeigen wird, besitzen die Wände des Oberen Belvedere in der Tat keine plastische Tiefe. Das heißt jedoch nicht, dass sie deswegen keine Räume bilden können. Im Gegenteil ! Anders als plastisch durchgebildete Wandsysteme konstituieren gerade zweidimensionale Flächen raumhaltige Baukörper. In diesem Sinne definieren die glatten Schachtwände ottonischer Kirchen den Raum als ein ganzheitliches Volumen – selbst wenn sie ganz mit Malereien bedeckt sind und somit nur noch optisch und substanzlos wirken, während die mehrfach geschichteten, aus Diensten, Schildbögen und Maßwerk zusammengesetzten Wände gotischer Kathedralen den Raum an seinen Rändern auflösen. Was nach Grimschitz und allen anderen Autoren also nichts weiter ist als ein lineares Netzwerk vertikaler und horizontaler Dekorationselemente, das die Wand zu einem rein optischen Phänomen auflöst und den Bau seiner Körperlichkeit beraubt, erweist sich bei näherem Hinsehen als das genaue Gegenteil : als verschiedene Raumkörper begrenzende Wandflächen, deren Gliederung das Verhältnis der Baukörper zueinander nicht nur deutlich reflektiert, sondern auch (er-)klärt. Viertens sprechen mehrere Indizien dafür, dass die Gliederung nicht nur ornamentalen Gesichtspunkten verpflichtet ist. Vielmehr gehorcht sie sehr logischen Prinzipien, die teilweise auch tektonischer Natur sind oder besser : einer tektonischen Denkweise folgen. Dies betrifft insbesondere die Disposition und Gestaltung der Pilaster. Anmerkungen Teil A
Fünftens orientierten Grimschitz und alle anderen Autoren sich am jeweils gegenwärtigen Zustand des Oberen Belvedere, nicht aber am Ursprungszustand. Wie sehr sich das Erscheinungsbild des späten . und des . Jahrhunderts von diesem entfernt hat, zeigen die Stiche Kleiners, die als Grundlage meiner Interpretation dienen sollen. Ebenso entscheidend ist, dass der Farbanstrich lange Zeit dem Originalzustand nicht entsprach. Erst die letzte Restaurierung im Jahre konnte die ursprüngliche Fassung annähernd wiederherstellen.⁸⁰
Anmerkungen Zur Erweiterung Wiens nach siehe Lorenz . Zum schrittweisen Erwerb der einzelnen Grundstücke und zur Planungsgeschichte vgl. Leitner u. Grimschitz , S. – ; ders. , S. – u. Seeger , S. –. Planung und Baugeschichte haben Nemec/Mraz , S. – u. Seeger , S. – eingehend dokumentiert. Hierzu Seeger , S. – Brief des Lothar Franz von Schönborn an Friedrich Carl von Schönborn vom . Januar , in : Quellen , Nr. . Zu Geschichte und Bedeutung des Marstalls siehe Krapf . Hainisch , S. Siehe hierzu : Prange , S. –, – ; vgl. ders. Nr. , , –, –. Kleiner –. Das Werk wurde nachgedruckt in Kleiner () und kommentiert von Aurenhammer, H. .
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Vergleich mit dem Würzburger Kaisersaalpavillon noch zeigen wird, besitzen die Wände des Oberen Belvedere in der Tat keine plastische Tiefe. Das heißt jedoch nicht, dass sie deswegen keine Räume bilden können. Im Gegenteil ! Anders als plastisch durchgebildete Wandsysteme konstituieren gerade zweidimensionale Flächen raumhaltige Baukörper. In diesem Sinne definieren die glatten Schachtwände ottonischer Kirchen den Raum als ein ganzheitliches Volumen – selbst wenn sie ganz mit Malereien bedeckt sind und somit nur noch optisch und substanzlos wirken, während die mehrfach geschichteten, aus Diensten, Schildbögen und Maßwerk zusammengesetzten Wände gotischer Kathedralen den Raum an seinen Rändern auflösen. Was nach Grimschitz und allen anderen Autoren also nichts weiter ist als ein lineares Netzwerk vertikaler und horizontaler Dekorationselemente, das die Wand zu einem rein optischen Phänomen auflöst und den Bau seiner Körperlichkeit beraubt, erweist sich bei näherem Hinsehen als das genaue Gegenteil : als verschiedene Raumkörper begrenzende Wandflächen, deren Gliederung das Verhältnis der Baukörper zueinander nicht nur deutlich reflektiert, sondern auch (er-)klärt. Viertens sprechen mehrere Indizien dafür, dass die Gliederung nicht nur ornamentalen Gesichtspunkten verpflichtet ist. Vielmehr gehorcht sie sehr logischen Prinzipien, die teilweise auch tektonischer Natur sind oder besser : einer tektonischen Denkweise folgen. Dies betrifft insbesondere die Disposition und Gestaltung der Pilaster. Anmerkungen Teil A
Fünftens orientierten Grimschitz und alle anderen Autoren sich am jeweils gegenwärtigen Zustand des Oberen Belvedere, nicht aber am Ursprungszustand. Wie sehr sich das Erscheinungsbild des späten . und des . Jahrhunderts von diesem entfernt hat, zeigen die Stiche Kleiners, die als Grundlage meiner Interpretation dienen sollen. Ebenso entscheidend ist, dass der Farbanstrich lange Zeit dem Originalzustand nicht entsprach. Erst die letzte Restaurierung im Jahre konnte die ursprüngliche Fassung annähernd wiederherstellen.⁸⁰
Anmerkungen Zur Erweiterung Wiens nach siehe Lorenz . Zum schrittweisen Erwerb der einzelnen Grundstücke und zur Planungsgeschichte vgl. Leitner u. Grimschitz , S. – ; ders. , S. – u. Seeger , S. –. Planung und Baugeschichte haben Nemec/Mraz , S. – u. Seeger , S. – eingehend dokumentiert. Hierzu Seeger , S. – Brief des Lothar Franz von Schönborn an Friedrich Carl von Schönborn vom . Januar , in : Quellen , Nr. . Zu Geschichte und Bedeutung des Marstalls siehe Krapf . Hainisch , S. Siehe hierzu : Prange , S. –, – ; vgl. ders. Nr. , , –, –. Kleiner –. Das Werk wurde nachgedruckt in Kleiner () und kommentiert von Aurenhammer, H. .
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Zu Kleiners Tätigkeit als Zeichner von Architekturprospekten vgl. Prange . Leider geht der Autor auf die Stichfolge zum Belvedere nicht näher ein. Pinder (), S. – Eckert , S. – Rose , S. – Eckert , S. Eckert , S. – Pinder (), S. Eckert , S. Rose , S. Rose , S. Rose , S. Sedlmaier/Pfister , Bd. I, S. , Anm. Dehio , S. Zu Hildebrandts Vorbildern vgl. Grimschitz , S. –. Frey , S. Frey , S. Frey , S. –. Zum ausführlichen Vergleich beider Meister siehe ders., S. –. Grimschitz , S. – u. – Grimschitz , S. – Grimschitz , S. Sedlmayr (), S. Hager , S. Grimschitz ; ders. u. ders. Grimschitz Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. Kerber Kerber , S. – Kerber , S.
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Kerber , S. – Kerber , S. – Kerber , S. Kerber , S. Sedlmayr Grimschitz , S. – Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. – Grimschitz , S. Grimschitz , S. – Grimschitz , S. – Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. Eckert , S. . Grimschitz , S. – Aurenhammer, H. , S. – ; ders , S. – ; ders. Norberg-Schulz, S. Sedlmayr (), S. Brucher Kraus/Mutter , S. Wie Anm. Seeger , v.a. S. – Reuther, , S. u. Hubala/Otto Maier , S. – Hubala , S. –. Hubala bietet darüber hinaus einen erschöpfenden Überblick über die Behandlung der Zuschreibungsfrage in der bisherigen Literatur. Schütz , S. u. ders. , S. Das Obere Belvedere als Bild
Dreger , S. . Grimschitz , S. , erkennt das Vorbild des französischen Pavillonsystems durchaus, verweist aber auf Marots Schlossentwurf für Mannheim. Hansmann u. , S. Kremeier , S. – u. – Rose , S. Kremeier , S. – Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. Nicht von ungefähr wurde die als Applikation zu deutende Ornamentik gerade nördlich der Alpen entwickelt. Dort legte das Klima – im Unterschied zu Italien – schon immer eine besondere Affinität zur Wand nahe, die folglich als primärer Architekturträger nie ganz überwunden wurde. Grimschitz , S. ; Brucher , S. Frdl. Mitteilung von Dipl. Restaurator Christof Tintzel u. Doz. Dr. Manfred Koller.
Anmerkungen Teil A
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1 Analyse der Fassadenaufrisse
. Die Gartenfront
Die Gartenfront besteht aus sieben unterschiedlichen Kompartimenten, von denen der Mittelteil am meisten hervorsticht. Er ist fünf Fensterachsen breit, drei Geschosse hoch und trägt ein doppelt geknicktes Mansarddach, dessen untere Teile konkav eingezogen sind. Dem oktogonalen Grundriss entsprechend weisen die drei mittleren Fensterachsen zum Garten hin, während die beiden seitlichen abgeschrägt sind. Die angrenzenden Abschnitte sind gleichfalls fünf Achsen breit und besitzen dieselbe Geschosszahl. Ihr Mansarddach ist jedoch deutlich niedriger und nur noch einfach geknickt ; der Grat besteht ausschließlich aus geraden Linien. In der Wandflucht leicht zurückspringend, schließt sich auf jeder Seite ein weiterer Abschnitt an. Gegenüber den anderen Kompartimenten ist er um ein Geschoss und eine Achse reduziert und besitzt ein einfaches Walmdach. Er leitet über zu einem oktogonalen Eckpavillon, bei dem jeweils eine Seite eine Fensterachse ausbildet. Die Eckpavillons umfassen gleichfalls zwei Geschosse, überragen die benachbarten Abschnitte jedoch mit ihrer konkav-konvexen Kuppel. Sowohl in der Anzahl ihrer Stockwerke ( : : : : : :) und Fensterachsen ( : : : : : :) als auch in ihrer Breite (im Verhältnis von ca. : : : : : :) sind die einzelnen FassadenAnalyse der Fassadenaufrisse
teile auf eine Steigerung zur Mitte hin angelegt – ohne dass ausreichend starke Akzente an den Ecken fehlen würden. Was die Gliederung in der Horizontalen betrifft, so bewahren die einzelnen Geschosse über alle sieben Kompartimente hinweg ihre Höhe, doch fallen sie zueinander unterschiedlich aus. Dabei folgte Hildebrandt einem System, das HardouinMansart an der Gartenfassade von Versailles mustergültig vorgegeben hatte. Entsprechend ihrer Bedeutung als Hauptgeschoss, das die wichtigsten Repräsentationsräume beherbergt(e), ist die Beletage von allen Stockwerken am höchsten. Am niedrigsten ist die Attikazone, die vormals Wohnräume der Gardeoffiziere barg. Die einzelnen Stockwerke werden durch Gebälke, die das ganze Schloss auf einer Höhe umgürten, klar voneinander geschieden. Zusammen mit den sie tragenden Stützen sind die Gebälke Bestandteil eines Gliederungssystems, das den gesamten Baukörper wie eine Haut überzieht. Barockem Kanon entsprechend steigern sich die Ordnungen von Erdgeschoss und Beletage von unten nach oben. Während die Erdgeschosszone der einfacheren Dorica vorbehalten ist, darf sich die Beletage ihrem Rang gemäß mit der Composita als der vornehmsten Ordnung schmücken. Die Attikazone, bei der es sich nicht um ein Geschoss im eigentlichen Sinne handelt, ist im Mittelteil mit einer Fantasieordnung, an den inneren Seitenkompartimenten mit einer Spielart der Composita instrumentiert. Obwohl Hildebrandt sich bei jedem einzelnen Geschoss auf eine bestimmte Ordnung festlegte, verstand er es, die Instru33
mentierung der Fassade von Kompartiment zu Kompartiment zu variieren. Am Mittelteil ruhen die Gebälke durchgehend auf Pilasterpaaren, die an den Kanten so umknicken, dass auf der Stirn- und der Schrägseite jeweils ein Pilaster zu stehen kommt. Im Erdgeschoss sind den Pilastern an der Stirnseite zusätzlich Freisäulen vorgestellt ; zusammen mit dem von ihnen getragenen Balkon bilden sie ein sog. avant corps. In der Beletage verwendete Hildebrandt anstelle der regulären Pilaster Hermenpilaster, die sich nach oben hin konisch verbreitern, und stellte sie auf quadratische Postamente. In der Attikazone sind die Pilaster deutlich verkürzt. Statt in Kapitellen enden sie in fantasievollen Masken. Ihren Abschluss findet die Instrumentierung in einem auffallend leichten Kranzgesims, das von paarweise angeordneten, fast miniaturhaften Balustradenfiguren besetzt ist. Diese befinden sich in exakter Superposition zu den Pilastern. Die Balustrade selbst ist auf kleine Voluten, welche die Statuettensockel flankieren, reduziert, so dass die dazwischen liegenden Dachgauben nicht verdeckt werden. Ebenso vielseitig wie die Pilaster bildete Hildebrandt das Gebälk. Im Erdgeschoss ließ er es nur dort vollständig, wo es als Verbindung zwischen den Säulen und ihren Pilasterrücklagen den Balkon trägt. Dazwischen reduzierte er es auf das Kranzgesims. Auf diese Weise gewann er Platz für die Torbögen, in denen sich der Mittelteil zum Garten hin öffnet. Das Gebälk über der Beletage schmückte er wie das Gebälk der Attikazone mit einem Konsolenfries. Außerdem verkröpfte er 34
das Gebälk der beiden oberen Stockwerke über den Pilasterpaaren. Nur an den Pavillonkanten besitzt jeder Pilaster eine eigene Verkröpfung. Mithilfe dieser Verkröpfungen erreichte Hildebrandt, dass die vertikale Dynamik der Säulen und Pilaster nicht durch das horizontale Gebälk unterbrochen wird, sondern sich von der Sockelzone bis in die Balustradenfiguren fortsetzt und dort ausläuft. In dieses der Wand vorgeblendete Raster sich überschneidender senkrechter und waagrechter Linien setzte Hildebrandt die Öffnungen, die mit ihren Rahmungen und Vergiebelungen die verbliebenen Felder fast völlig ausfüllen. In das Erdgeschoss ließ er allseitig große Torbögen ein, deren Schlusssteine, als mächtige Konsolen gestaltet, den Säulen die Last des Balkons zumindest teilweise abnehmen. Die Torbögen führten einst unvermittelt ins Vestibül ; ihre Verglasung erfolgte erst .¹ Das von den Portalen intonierte Motiv der Arkade greifen die hohen Segmentbögen der Beletage auf. Durch die drei mittleren gelangt man, von innen kommend, aus dem zweigeschossigen ›Hauptsaal‹² auf den Balkon. Die Segmentbögen an den Schrägseiten sind dagegen durch eine Blendbalustrade (in der sich das Balkongeländer optisch fortsetzt) zu Fenstern um- gewandelt worden. Auf die lisenenartigen Rahmen aller Bögen setzte Hildebrandt die für ihn typischen konkav-konvex geschweiften Frontispize. Die Attikazone durchbrach er mit hochrechteckigen Oberlichtern, deren Ober- und Unterseiten er leicht konkav ausbuchten ließ. Außerdem überfing er sie mit geknickten Giebeln, die auf kleinen Konsolen ruhen. Wie Das Obere Belvedere als Bau
in der Beletage besetzte er die Felder zwischen Fenstern und Frontispizen mit Waffentrophäen. An den sich unmittelbar anschließenden inneren Seitenkompartimenten setzte Hildebrandt das Gliederungssystem des Mittelteils weitgehend fort. Die beiden oberen Gebälke und die Dachbalustrade ließ er unverändert. Auch ordnete er die Pilaster in Beletage und Attika erneut paarweise an. Dennoch vollzog er auch einige Abwandlungen. Die Beletage-Pilaster sind nun regulär gebildet, stehen nicht mehr auf Podesten und besitzen einen anderen Schaftdekor. An den äußeren Enden der Kompartimente sind sie übereinandergeschichtet, am Übergang zum Mittelteil ist dagegen jeweils ein Pilaster umgeknickt. Das Erdgeschoss kommt sogar ganz ohne Gliederung aus. Stattdessen präsentiert es sich mit seiner Rustizierung wie in Versailles als Sockelzone, auf der die Ordnung der Beletage wie auf einem Podest steht. Eine noch größere Abwandlung erfuhren die Öffnungen. Im Erdgeschoss haben hochrechteckige Fenster (vormals unvergittert) die Rundbogenportale verdrängt. Sie sind nun nicht mehr in das Quaderwerk der Wand eingeschnitten ; wie schon an der Österreichischen Hofkanzlei blendete Hildebrandt den Bandquadern die rustizierten Rahmen samt den gestaffelten Schlusssteinen einfach vor. In den Geschossen darüber sind gleichfalls hochrechteckige Fenster an die Stelle runder Öffnungen getreten. Einzig ihre Verdachungen erinnern noch an den Mittelteil. Völlig anders instrumentierte Hildebrandt die nächsten Abschnitte, die äußeren Seitenkompartimente, deren WandspieAnalyse der Fassadenaufrisse
gel, wie schon gesagt, um wenige Zentimeter zurücktritt. Ihr Untergeschoss ist durch breite, mit Diamantquadern besetzte Lisenen gegliedert, zwischen denen sich Arkaden spannen, die den Torbögen des Mittelteils gleichen, nur etwas schmaler sind. Ursprünglich waren auch diese Bögen geöffnet, um den Zugang zu den dahinter liegenden Grottensälen freizugeben, die Kleiner nicht von ungefähr als »Offene Galerien« bzw. als »Galleries ouvertes« bezeichnet. Im . Jahrhundert wurden sie durch Einsetzung kleinerer Rundbogenfenster geschlossen und anschließend vergittert. In der Beletage ersetzte Hildebrandt die Pilasterpaare durch doppelte Lisenen. Diese knicken, ehe sie an das obere Gebälk stoßen, im rechten Winkel um und bilden so eine Art ›scheitrechter Arkaden‹³, die durch die Fenster fast ganz ausgefüllt werden. Deren Format entspricht den Beletagefenstern des benachbarten Kompartiments. Die Brüstungen jedoch sind bescheidener dekoriert. Auch sind die geschweiften Frontispize von einfachen Kaffgesimsen abgelöst. Das abschließende Gebälk ist weder verkröpft noch mit einem Konsolenfries verziert. Da das Dach keine Gauben besitzt, ist die Balustrade nicht unterbrochen. Dem bislang zu beobachtenden Prinzip einer Reduzierung des Dekors von innen nach außen stellen sich die Eckpavillons vehement entgegen. Mit ihrem polygonalen Grundriss und ihren Kuppeln verleihen sie dem Bau – den Ecktürmen nordalpiner Renaissanceschlösser vergleichbar – einen markanten Abschluss. Zugleich vereinen sie in sich alle bisherigen Gliederungselemente. In der Zweigeschossigkeit passen 35
sie sich ihren Nachbarn, den äußeren Seitenkompartimenten, an. Der achteckige Grundriss und das dadurch bedingte Vorspringen der Fassade über Schrägseiten zeigen Entsprechungen zum Mittelteil. Diesem sind auch der vormals offene Torbogen der Mittelachse samt avant corps sowie die Hermenpilaster der Beletage entlehnt. Die Erdgeschossfenster der Schrägseiten mit der Rustizierung und die Fenster der Beletage sind dagegen den dreigeschossigen Kompartimenten, die den Mittelteil flankieren, verpflichtet. Balustrade und Dachgauben folgen allen drei mittleren Kompartimenten. Neu sind lediglich der Giebel, der die mittlere Fensterachse überfängt, und die Kuppel, die mit quastenbehangenen Lambrequins besetzt ist und in einem prächtigen Knauf ausläuft.
. Die Hoffront
Auch die nach Süden ausgerichtete Hofseite ist in sieben Kompartimente unterteilt, deren Gliederung von den entsprechenden Abschnitten der Gartenfront nur bedingt abweicht. Die Obergeschosse der Eckpavillons und der Seitenteile sind sogar absolut identisch. Nur die Erdgeschosszone, die aufgrund der ansteigenden Hanglage um ein Drittel niedriger ausfällt, ist anders gebildet : Hier übernehmen alle Kompartimente die rustizierten Bandquader, die auf der Gartenseite den inneren Seitenabschnitten vorbehalten waren. Deren Gliederungssystem sind auch die Türen und Fenster entlehnt ; Letztere sind 36
wegen der geringeren Geschosshöhe jedoch nicht mehr hochrechteckig, sondern nur noch quadratisch. Auch verzichtete Hildebrandt bei den Eckpavillons auf avant corps. Einen völlig neuen Akzent setzt dagegen der Mittelteil. Die Einfahrt, die sich um eine weite Arkade von der Fassadenflucht absetzt, öffnet sich mit drei weiteren Arkaden einer Vortreppe. Diese Treppe, die von zwei viertelkreisförmigen Auffahrtsrampen flankiert wird, hebt die Einfahrt auf die halbe Erdgeschosshöhe empor. Die mit Maskenreliefs geschmückten Schlusssteine der Arkadenbögen greifen von unten in die Oberlichter ein. Beide Öffnungen werden so zu einer Einheit verklammert. Betont wird die Zusammengehörigkeit beider Öffnungen dadurch, dass die Rahmen der Oberlichter aus den äußeren, nach oben aufgebogenen Faszien der Arkaden-Archivolten gebildet sind. Die Gliederung wird hier zu einer vollkommen graphischen Struktur umgedeutet. Es erübrigt sich anzumerken, dass die gesamte Einfahrt gleichfalls unverglast war. Auch lagen die Rampen ehedem weiter hinten und führten unmittelbar durch die Seitenarkaden in die Einfahrt.⁴ Den Arkadenpfeilern sind dorische Pilaster vorgeblendet, deren Kapitelle sich mit den Kämpfern der Bögen zu einer umlaufenden Manschette verbinden. Auf den Kapitellen stehen Atlantenhermen, die ihrerseits das Gebälk mit dem steil aufragenden Giebel tragen. Dessen konkav-konvex gebrochene Form projiziert den Umriss, den die Frontispize der Beletage-Fenster zeichnen, ins Kolossale. Seine Spitze stößt bis in die Höhe des Kranzgesimses der angrenzenden KompartiDas Obere Belvedere als Bau
mente empor. In den Gesimsecken haben zwei allegorische Figuren Platz genommen ; auf dem Scheitel schmücken zwei Putten eine Ziervase, im Tympanon halten die Löwen des Hauses Savoyen das monumentale Wappen des Schlossherrn. Hinter dem Giebel erhebt sich die Rückseite des Hauptsaals, dessen Attikafenster von einem Verbindungsgang verdeckt werden. Wie die Stiche bei Kleiner zeigen, handelt es sich auch bei dem Laufgang um eine spätere Zutat. Von der Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse im Hauptsaal abgesehen, verunklärt er die Bezüge zwischen Giebel und dem dahinter liegenden Mittelteil erheblich. Die mit den Dachgraten korrespondierenden konkaven Giebelabschnitte hoben sich ursprünglich sehr viel deutlicher vom Hintergrund ab, während der halbrunde Giebelabschluss den Segmentbögen der Attikafenster antwortete.
Analyse der Fassadenaufrisse
37
2 Das Verhältnis der Fassade zum Bauvolumen
Wie die Aufteilung der beiden Fassaden in jeweils sieben Kompartimente, so wirkt auch die Instrumentierung dieser Einheiten auf den ersten Blick ziemlich verwirrend und allein dem Bestreben nach dekorativer Vielfalt verpflichtet. Begünstigt wird dieser Eindruck vor allem durch die Wandhaftigkeit der Architektur, die sich scheinbar nur in der Fläche entfaltet. Wie sehr die Belvedere-Architektur auf Wandhaftigkeit angelegt ist, zeigt gerade die Gestaltung der Einfahrt. Die klassische Lösung hätte in einer Portikus bestanden, wie sie beispielsweise Palladio für seine zahlreichen Villen entworfen hatte. Allerdings hätte solch eine Säulenarchitektur den Nachteil gehabt, dass die Interkolumnien für durchfahrende Kutschen zu schmal gewesen wären, weshalb die meisten Portiken sich aus gutem Grund ohnehin nur über einer Treppe und eben nicht über einer Auffahrtsrampe erheben. Um Rampen und Säulen dennoch kombinieren zu können, hatte Hildebrandt bereits am Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg) die Interkolumnien äußerst breit gestaltet – so breit, dass er das Gebälk unterbrechen und die Auflast der Wand mittels Bögen auffangen musste – eine Lösung, die Fischer von Erlach bei seinem Umbau im Wesentlichen beibehielt. Am Oberen Belvedere entfernte sich Hildebrandt dann von der klassischen 38
Portikus noch weiter. Statt der Säulen wählte er Pfeiler, die deutlich breiter als tief sind und dadurch den Charakter von Wandstreifen besitzen. Als Ersatz für die Säulenordnung blendete er den Wandstreifen Pilaster vor, die ihrerseits, wie wir sahen, Hermenpilaster tragen. Auch führte er die Arkaden nicht bis zum Gebälk empor. Damit die dadurch entstandene Wandmasse optisch nicht zu sehr auf den Bögen lastete, verringerte er sie mithilfe von Oberlichtern. Diese scheinen nun wie die Arkaden aus der Wand als einer primären Struktur herausgeschnitten worden zu sein. Die Gliederbauweise ist nun ganz zugunsten eines Wandkontinuums aufgegeben worden. Dies erklärt auch, weshalb die Rahmen der Oberlichter wie die Archivolten und Hermenpilaster als graphische Strukturen aufzufassen sind. Im Unterschied zu anderen wandhaften Architekturen entfaltet sich das Obere Belvedere aber keineswegs nur in der Fläche. Deutlich wird dies, wenn man es mit Schaufronten vergleicht, die wirklich rein folienhaft sind, etwa der Fassade von Prinz Eugens Stadtpalais, das Fischer von Erlach – entworfen und Hildebrandt in den Jahren von bis erweitert hatte. Wie sein Vorbild, der von Bernini erbaute Palazzo Chigi-Odeschalchi in Rom, zeichnet sich das Stadtpalais durch eine sehr einheitliche und kontinuierliche Instrumentierung aus. Daneben gibt es Fassaden, die gleichfalls flächenhaft erscheinen, dabei aber inhomogen, überladen, überdehnt oder einfach nicht schlüssig wirken. Ein gutes Beispiel ist Madernos Fassade
für Sankt Peter in Rom, die ich bereits an anderer Stelle zu deuten versuchte.⁵ Die Aneinanderreihung von neun Travéen, über deren Kolossalordnung eine durchlaufende Attikazone liegt, erscheint zunächst gedrungen und blockhaft, weshalb sie auch von Anfang an heftiger Kritik ausgesetzt war.⁶ Außerdem wirkt die Instrumentierung willkürlich : In den äußersten Travéen finden sich geschichtete Pilaster, sonst vollrunde Nischensäulen, die in den drei mittleren Travéen unter einem Giebel leicht hervortreten. Völlig uneinheitlich sind auch die Wandöffnungen. In den Ecktravéen sitzen Ädikulafenster über weiten Durchfahrtsbögen. In den angrenzenden Travéen stehen zwei Nischen übereinander. Die dritte und die siebte Travée öffnen sich jeweils im Erdgeschoss in einer eingestellten Kolonnade, auf der ein Mezzaninfenster und ein weiteres Ädikulafenster ruhen. Die vierte und die sechste Travée enthalten ein kleineres Rundbogenfenster über einem Rundbogenportal. Die mittlere, fünfte Travée entspricht dagegen exakt den Travéen und – sieht man davon ab, dass das Mezzaninfenster im Nachhinein mit einer Reliefplatte geschlossen wurde. Dieses scheinbare Durcheinander ergibt m. E. nur dann einen Sinn, wenn man die Travéen in Gruppen zusammenfasst und sich zugleich sämtliche Fenster und Portale in ihrem ursprünglichen Zustand, d. h. unverglast und unvergittert, vorstellt. Nun erweisen sich die drei mittleren Travéen unter dem Giebel als eine durch die Stockwerksarchitekturen der Vorhalle und der Benediktionsaula zugebaute imaginäre Portikus, zu der die beiden Nachbartravéen die Rücklagen bilden. Das Verhältnis der Fassade zum Bauvolumen
Mit anderen Worten : Maderno hatte an Michelangelos Idee einer Säulenvorhalle festgehalten, den imaginären Raum dieser Vorhalle aber durch Einbauten ›gefüllt‹. Dabei gliederte er die Achsen nach dem Prinzip A B A B A. Diese fünfachsige Portikus bildet gewissermaßen die Kernfassade. Um zu verdeutlichen, dass es sich wenigstens gedanklich um eine verbaute Vorhalle handelte, verwendete Maderno in diesem Bereich vollrunde Nischensäulen. Die Ecktravéen hingegen hatte er zunächst gar nicht vorgesehen und nur aufgrund einer besonderen Weisung Pauls V. als Untergeschosse zweier Glockentürme hinzugefügt, deren Ausführung in voller Höhe allerdings aus überwiegend statischen Gründen unterblieb.⁷ Da die Turmunterbauten nicht zur ›Vorhalle‹ gehören, sondern diese gleichsam einfassen, sind sie als massive Wandarchitekturen mit Pilastern und großen Durchfahrten gestaltet.⁸ Innerhalb dieses Konzepts sind die zweite und achte Travée nichts weiter als die verbleibenden Zwischenteile, welche die Türme mit der Kernfassade verbinden und dabei von der ›verbauten‹ Gliederarchitektur zur von ›vornherein‹ geschlossenen Wandarchitektur überleiten. Die untergeordnete Funktion dieser Zwischenachsen verdeutlicht der Verzicht auf Fenster zugunsten einfacher Nischen.⁹ Vergegenwärtigt man sich Madernos Konzept anhand des ursprünglichen Erscheinungsbildes, so wirkt die Front keineswegs uneinheitlich und breit gelagert. Der Gedanke einer Kernfassade, die auf die fünf mittleren Travéen beschränkt ist, wurde in den verschiedenen Entwürfen Gianlorenzo Berninis 39
und Carlo Rainaldis, die einige Jahre später die Vollendung der Türme erneut ins Auge fassten, sogar noch weiter herausgearbeitet. Beide Architekten ›korrigierten‹ Madernos Konzept dahin gehend, dass sie an den Türmen die Attikazone beseitigten und die beiden Zwischentravéen weit zurücksetzten. Türme und Kernfassade sollten damit noch deutlicher als eigenständige Baukörper fassbar werden. Allein die Hindernisse, die sich bei der Ausführung der Türme erneut ergaben,¹⁰ vereitelten diese Pläne. Ohne die optische Separierung der Türme von der Fassade, ohne die durch sie zusätzlich eingebrachte Vertikale, ohne die Zurückstufung der angrenzenden Travéen zu Zwischenteilen und ohne den imaginären Wechsel von einer raumhaltigen Glieder- zu einer flächenhaften Wandarchitektur erscheint die Front, wie gesagt, als behäbiger Querriegel mit einer willkürlichen Aneinanderreihung uneinheitlich gebildeter Abschnitte. Als einziger Ausweg blieb Bernini das Mittel der Platzgestaltung : Indem er der Fassade eine sich trapezoid verengende, zur Stadt hin leicht abfallende Piazza retta vorlagerte und an diese seine berühmten Kolonnaden anschloss, ließ er die Fassade schmaler und zugleich höher wirken als sie es in Wirklichkeit ist. Dass Bernini sich dieser optischen Täuschung bedienen musste, verdeutlicht, wie wenig sich die Fassadenkonzeption ohne die beiden Türme erschließt. Darüber hinaus wurde Berninis Konzept Mitte des . Jahrhunderts durch die Vergitterung der Eingänge und die Verglasung der Fenster, hinter 40
denen auch noch Vorhänge angebracht wurden, beeinträchtigt. Mit dem Verlust ihrer Raumhaltigkeit hatte Madernos Fassade ihre Verständlichkeit endgültig eingebüßt. Vielleicht in Kenntnis der Schwierigkeiten, mit denen Maderno und Bernini zu kämpfen hatten, formulierte Fischer von Erlach die von St. Peter abgeleitete Fassade der Karlskirche umso eindeutiger : Die jetzt frei stehende Portikus ist zum beherrschenden Element geworden, die sich daran anschließenden Travéen sind durch ihr konkaves Zurückschwingen klar als Rücklagen zu erkennen. Die Ecktürme mit den Durchfahrten wurden zu selbstständigen Baukörpern aufgewertet, während die verbleibenden Travéen dadurch, dass sie von den monumentalen Spiralsäulen verdeckt werden, noch deutlicher zu Zwischengliedern abgewertet worden sind. Ein anderes Beispiel, an dem die Lesbarkeit der Fassade vom Verständnis des organischen Bauvolumens abhängt, ist das schon angesprochene Pavillonsystem des französischen Schlossbaus vor Versailles.¹¹ Projizierte man beispielsweise das Gliederungssystem von Maisons-Lafitte, Le Raincy oder von Vaux-le-Vicomte auf eine horizontale Fläche, würde es völlig uneinheitlich wirken. Vor allem in Vaux-le-Vicomte bliebe unverständlich, wieso der herausragende querovale Mittelteil im Gegensatz zu den äußeren Seitenteilen keine Kolossalordnung ausbildet und das Gebälk an der Stirnseite nach oben springt. Begreift man den Mittelteil jedoch als eine eigenständige Rotunde, die über Zwischentrakte mit zwei Eckpavillons kommuniziert, so erweist sich die Gliederung als stimmig : Als Das Obere Belvedere als Bau
eigenständiger Baukörper kann sich die Rotunde sogar eine eigene Stirnseite ›leisten‹. Als Teil einer durchlaufenden Fassadenfront kann sie es nicht. Eine autonome Einheit stellt auch der längsovale Mittelpavillon in Le Raincy dar. Le Vau hatte hier gleichfalls auf die Kolossalordnung verzichtet und stattdessen ein Attikageschoss hinzugefügt. Anders als bei der italienischen Palastfassade darf man beim französischen Pavillonsystem nicht von der zweidimensionalen Flächigkeit einer Fassade ausgehen. Vielmehr muss man in der dritten Dimension von Räumen denken : in diesem Fall von kubischen oder zylindrischen Blöcken, die anoder gegeneinander gesetzt sind. Wie sehr die Wiener Architektur in den Zwanzigerjahren des . Jahrhunderts unter dem Einfluss des französischen Pavillonbaus stand, zeigt nicht zuletzt Fischer von Erlachs Hofbibliothek. Mit den Arbeiten wurde , also nur ein Jahr nach Vollendung des Oberen Belvedere, begonnen. Der ursprüngliche Zustand ist abermals auf einem Stich Salomon Kleiners dokumentiert.¹² Ein weit vorspringender, alles dominierender Mittelpavillon ist durch zweiachsige Zwischentrakte mit dreiachsigen Eckpavillons verbunden. An diese schließen sich im rechten Winkel niedrigere Seitenflügel an. Der Aufteilung in fünf unterschiedlich gewichtete Einheiten entspricht die Ikonologie der Innenräume. Der Hauptsaal in der Mitte ist Apoll und dem Bauherrn Karl VI. in seiner Eigenschaft als Hercules Musarum geweiht. Die beiden Kopfräume thematisieren analog zur gartenseitigen Raumflucht in Versailles die Themen Das Verhältnis der Fassade zum Bauvolumen
Krieg und Frieden. Die beiden verbleibenden Achsen auf jeder Seite beherbergen Durchgangsräume.¹³ Auf die außerordentlich komplexe Konzeption dieses Ensembles kann hier nicht näher eingegangen werden. Daher sei nur auf die auffälligen Übereinstimmungen mit Le Raincy hin- gewiesen. Wie dort umschließt der hohe Mittelpavillon einen längsovalen Raum, setzen sich die Dächer der Zwischentrakte vom Mittelpavillon besonders deutlich ab, werden die Eckpavillons von niedrigen Seitenflügeln flankiert. Und wie im französischen Schlossbau bleibt die Gliederung der Fassaden ohne die tiefenräumlichen Bezüge unverständlich. Nichts verdeutlicht dies besser als der heutige Zustand, der auf einen Umbau unter Maria Theresia zurückgeht. In den Jahren – stockte Nicolò Pacassi die Seitenflügel auf, wobei er ihnen die Gliederung und die Dachform der Zwischentrakte verlieh. Zusammen mit den Eckpavillons und den Zwischentrakten bilden die Seitenflügel nun zwei L-förmige Riegel, die den Mittelpavillon regelrecht in die Zange nehmen. Ging der Impuls früher von der Mitte aus, um nach beiden Seiten zu verebben, so verläuft er nun von außen nach innen, um sich in der Mitte zu stauen. Nicht weniger verhängnisvoll wirken sich die gestörten Proportionen (die Attikazone der Seitenflügel lastet, von keinem Pilaster gestützt, viel zu wuchtig auf den kleinen Fenstern) und der Verlust der Tiefenräumlichkeit aus : Die ehemaligen Eckpavillons sind zu seichten Risaliten verkommen, die in dem amorphen Fassadenkontinuum völlig deplatziert wirken. 41
Betrachtet man auch das Obere Belvedere als ein Pavillonensemble, so ergibt die Fassadengliederung auch dort einen ganz anderen Sinn. Hof- und Gartenfront gliedern sich nicht mehr in jeweils sieben Kompartimente, sondern in sieben Pavillons, die durch ihre unterschiedliche Höhe, Dachgestaltung und Gliederung sowie durch Abweichungen im Grundriss ihre Eigenständigkeit betonen. Der Pavilloncharakter des Oberen Belvedere wurde schon früh erkannt. Allerdings herrschte bei der Festlegung auf konkrete Vorbilder Uneinigkeit. Wie schon in Kapitel A . erwähnt wurde, führte Dreger das Pavillonsystem auf Vauxle-Vicomte zurück.¹⁴ Dem widersprach Grimschitz mit dem Hinweis, die Eckrisalite der Hofseite bildeten in Vaux-le-Vicomte im Unterschied zum Oberen Belvedere eine trichterförmige Eingangssituation.¹⁵ Als Vorbild nannte er – wie schon Rose – Jean Marots Entwurf für das Mannheimer Schloss¹⁶ und sprach von einer »Zerlegung des einheitlichen Baus in Pavillons und Türme«.¹⁷ Freilich unterstellte er Hildebrandt, Marots System aneinander gesetzter, eigenständiger Baukörper »zu einer einzigen, flächenhaften« Gartenfront, die »in einer seichten Raumschicht« hinlaufe, umgewandelt zu haben : Alle Pavillons, untereinander jeder körperlichen Verklammerung im Aufriss und in der Dachzone entbehrend, reihen sich in einer Kette zur architektonischen Gesamtheit, gehalten nur durch die durchgehenden Bänder der Stockwerkgesimse und die horizontalen und schrägen Linien der Dächer.¹⁸
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Das Schloss wird so zu einem »wandhaft wirkenden Zusammenschluss aller Pavillons«.¹⁹ Gerade »die Unstimmigkeiten der Vertikalgliederung« am Mittelpavillon beweisen für Grimschitz, »wie stark sich Hildebrandt nur auf die Vereinheitlichung der gesamten Fassadenerscheinung konzentriert«.²⁰ Auch Seeger setzte sich mit Vaux-le-Vicomte auseinander, schloss aber eine unmittelbare Vorbildfunktion für das Obere Belvedere aus. Stattdessen führte sie beide Bauten auf einen italienischen Villentypus zurück, der in der bei Serlio publizierten Villa Poggio Reale beispielhaft zum Ausdruck komme.²¹ Dieser Typus, der sich durch einen rechteckigen Kompaktbau mit zentralem Saal und kräftigen Eckrisaliten auszeichne, sei bis in das . Jahrhundert hinein immer wieder variiert worden, und zwar nicht nur in Italien, sondern gerade auch in Wien. Als Beispiele dieser ›Poggio-Reale-Varianten‹ nennt Seeger u.a. Berninis Berliner und Edinburgher Planspiele für eine Villa,²² die davon abhängigen Zeichnungen Fischers für ein Lustgartengebäude sowie Domenico Egidio Rossis Entwurf für das Gartenpalais Liechtenstein in der Rossau.²³ Darüber hinaus führt Seeger insbesondere die oktogonalen Ecktürme auf das unter Kaiser Maximilian II. errichtete Wiener Neugebäude zurück, von dem im . Jahrhundert noch Ruinen standen.²⁴ Hildebrandts Ecktürme im Projekt für Göttweig schloss sie indes – anders als Hainisch²⁵ – aus chronologischen Gründen aus.²⁶ Die gravierenden Unterschiede, die zwischen Hildebrandts Architektur und den in der Forschung angeführten Beispielen bestehen, zeigen, wie problematisch es ist, für das Obere BelveDas Obere Belvedere als Bau
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dere konkrete Vorbilder zu nennen. Fraglos hat Hildebrandt von Schlössern wie Vaux-le-Vicomte und Le Raincy den Pavilloncharakter übernommen. (Von anderen Bauformen und ihren Vorbildern wird später die Rede sein.) Allerdings erschwerte er selbst die Deutung der Anlage als Pavillonensemble : Anders als etwa in Vaux-le-Vicomte, wo die einzelnen Baukörper blockartig vor- und zurückspringen, lässt sein Grundriss einen langen, querrechteckigen Riegel vermuten. Zwar verlassen der mittlere Gartenpavillon, die Hofeinfahrt und die Eckpavillons die Fassadenflucht, doch ist eine klare Unterscheidung der einzelnen Kompartimente erst möglich, wenn man den Aufriss einbezieht, wenn beim Betrachten Höhe, Breite und Tiefe zusammenwirken. Mit anderen Worten : Nimmt man den Bau als ein dreidimensionales Gebilde wahr, gewinnen auch die Kompartimente an Eigenständigkeit. Gerade die Schrägansicht der Gartenfront – die aufgrund der Wegführung sogar zwingend vorgegeben ist ! – lässt die Kompartimente in ihrer Körperlichkeit fassbar werden. Kleiner hat dies in seiner Vedute von deutlich herausgearbeitet.²⁷ Noch offensichtlicher ist die Körperlichkeit an den Seitenfronten, wo das weite Zurückspringen der Beletage die oktogonalen Eckpavillons wie Ecktürme freiplastisch aus der Fassadenflucht heraustreten lässt. Grimschitz selbst hat diesen Effekt gesehen und von einer Paraphrase des deutschen Typs der vierflügeligen Schlossanlagen des . Jahrhunderts gesprochen.²⁸ Mindestens ebenso körperlich würde die Hoffront wirken, hätte man nicht nachträglich den Laufgang hinter den Giebel Das Verhältnis der Fassade zum Bauvolumen
der Einfahrt gesetzt. Er füllt ausgerechnet den Zwischenraum aus, durch den einst der mittlere Gartenpavillon, die inneren Seitenpavillons und die Einfahrt als selbstständige Baukörper geschieden waren, und schafft so eine Verbindung eben dort, wo eine Abgrenzung gewollt war. (Besonders sinnfällig wird die vormalige Trennung der einzelnen Baukörper in Kleiners Längsschnitt und im Grundriss des zweiten Obergeschosses, der auch eine Daraufsicht auf die Dächer der zweigeschossigen Baukörper enthält.) Wirklich eindeutig zeigt sich der Pavilloncharakter hingegen noch heute in den separaten Dachaufsätzen. Nicht nur ihre Kontur, auch ihre lambrequinartigen Überwürfe erinnern an Zelte. Die Knäufe wirken wie die Aufsätze von Zeltstangen. Dieser Umstand braucht nicht zu verwundern. Mehr als jedes andere Zeitalter liebte es der Barock, provisorische oder ephemere Architekturen aus Holz und Stoff wie Festkulissen, Bühnenprospekte, Baldachine oder eben Zelte in Stein oder Stuck zu verewigen.²⁹ Neben dem Oberen Belvedere legen so unterschiedliche Werke wie der Dresdner Zwinger³⁰ oder Berninis Baldachin in Sankt Peter, aber auch die Hochaltäre in unzähligen Kirchen ein beredtes Zeugnis von dieser Leidenschaft ab. Allerdings paraphrasiert das Obere Belvedere weniger eine Festarchitektur. Es ist vielmehr ein Stein gewordenes Heerlager. Während der Prinz Eugen den Winter im Stadtpalais in der Himmelpfortgasse zubrachte, wählte er als Sommerresidenz gewissermaßen ein Zeltlager, in dem er wie sein historisches Vorbild Alexander der Große (siehe C ... u. ...) von einem Feldherrnhügel herab das gesamte Terrain überblicken 43
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konnte. Darüber hinaus erfüllte das Schloss auch eine ganz konkrete militärische Funktion. Schließlich tagten in ihm regelmäßig der Hofkriegsrat und die Geheime Staatskonferenz, deren Vorsitzender der Prinz war. Nicht von ungefähr hat Salomon Kleiner im Titel seines Stichwerks das Schloss als ein »Kriegs- und Siegs-Lager« bezeichnet.³¹ Und wohl nicht von ungefähr hatte Eugen mit Hildebrandt einen ehemaligen Festungsbaumeister beauftragt. Wie der Pavilloncharakter ist die Nähe zur Zeltarchitektur schon mehrfach gesehen worden.³² Aber auch hier bemühte die Hildebrandt-Forschung lediglich einen Begriff, ohne ihn für die Gesamtanalyse auszuwerten. Denn wie ein Pavillon ist das Zelt ein solitärer, dreidimensionaler Körper. Die Feldunterkünfte höherer Kommandeure bestanden aus mehreren Einzelzelten, die sich in verschiedener Größe, Gestalt und Ausrichtung über quadratischem oder längsrechteckigem Grundriss um das Hauptzelt gruppierten. Als Vergleichsbeispiel hat die Literatur immer wieder auf türkische Zelte hingewiesen. Tatsächlich ist es nicht ausgeschlossen, dass die osmanische Zeltbauweise bereits im . Jahrhundert die Herrschaftsarchitektur in den Habsburgerlanden beeinflusste.³³ Schon das Wiener Neugebäude scheint europäische wie orientalische Besucher an osmanische Prunkzelte erinnert zu haben.³⁴ Noch deutlicher sind die Gemeinsamkeiten zwischen dem Oberen Belvedere und jenem Prunkzelt, von dem aus Kara Mustafa die Belagerung Wiens geleitet hatte und das den Siegern als Beutegut in die Hände fiel. 44
Dennoch wäre es logischer, wenn das »Kriegs- und Siegslager« des kaiserlichen Generalissimus nicht durch ein feindliches,³⁵ sondern durch ein mitteleuropäisches Feldlager inspiriert wäre (zumal der Bau, wie ich in Kapitel C ... noch zeigen möchte, auch an das Feldherrnzelt Alexanders d. Gr. erinnern soll). Einen ausführlichen Einblick in die Bauweise von Militärzelten der frühen Neuzeit, an der sich bis in das . Jahrhundert hinein nur sehr wenig geändert hatte, gewährt uns Leonhart Fronspergers ›Kriegßbuch‹ aus dem Jahre . Betrachtet man etwa »des General Obersten Feldherrn Zelt / mitten im Läger«,³⁶ so wird deutlich, dass die formalen Übereinstimmungen mit dem Schloss des Prinzen Eugen noch größer sind als die Ähnlichkeit mit dem Zelt des Großwesirs.³⁷ Das dem mittleren Gartenpavillon vergleichbare Hauptzelt wird von zwei Langzelten flankiert, die den Seitenflügeln entsprechen (wenngleich sie aus funktionalen Gründen parallel und nicht orthogonal zum Hauptzelt stehen). Wie der Gartenpavillon vom Treppenhaus, so wird das Hauptzelt von einem zweiten Zelt hinterfangen, während vier Rundzelte, den achteckigen Pavillons vergleichbar, die Ecken des Gevierts markieren. Nicht zuletzt erinnert die Hofeinfahrt des Oberen Belvedere an Vorzelte in barocken Bühnenentwürfen.³⁸ Wie besonders die Luftaufnahme zeigt, sind die einzelnen Pavillons in diesem zeltartigen Arrangement tiefenräumlich angeordnet. Genau diesen Aspekt versucht Kleiner in seinen perspektivischen Ansichten des Schlosses deutlich herauszuarbeiten : An der Gartenfront hebt er die Eckpavillons und den Das Obere Belvedere als Bau
Mittelteil plastisch hervor, an der Hoffront die Eckpavillons und die Einfahrt. Hinter den Dächern der Zwischentrakte werden die Kuppeln der rückseitigen Eckpavillons sichtbar und hinter dem Giebel der Einfahrt ragt der mittlere Gartenpavillon empor. Darüber hinaus schlägt sich die Aufteilung des Schlosses in eigenständige (Zelt-)Pavillons in der Wandgliederung nieder. Die einzelnen Pavillons sind zueinander unterschiedlich gestaltet, besitzen für sich genommen aber fast identische Vorderund Rückseiten. Auch sind die Fenster von Hof- und Garten seite durch den ganzen Baukörper hinweg axial aufeinander bezogen. Die einzelnen Blöcke erstrecken sich also in die ganze Tiefe des Schlosses. Eine weitere Möglichkeit, die Unterteilung des Schlosses in einzelne Pavillons zu verdeutlichen, sah Hildebrandt in der unterschiedlichen Gestaltung der Öffnungen. Wie schon gesagt, waren an der Gartenfront die Erdgeschossarkaden des Mittelpavillons sowie der Eckpavillons ursprünglich offen. wurden die Arkaden der äußeren Seitenkompartimente durch Einsetzen von Rundfenstern geschlossen. Siebzig Jahre später ließ Erzherzog Franz Ferdinand, der das Obere Belvedere als Residenz nutzte, die Bögen des Mittelpavillons verglasen und sämtliche Öffnungen im Erdgeschoss aus Sicherheitsgründen vergittern.³⁹ Darüber hinaus wurden sämtliche Sprossenfenster durch einfache Kreuzstockfenster ersetzt. Der ursprüngliche Befund lässt sich anhand der Aufrisse Kleiners, in denen alle Fensteröffnungen einheitlich schwarz schraffiert
Das Verhältnis der Fassade zum Bauvolumen
sind, nur unzureichend rekonstruieren. Etwas mehr Aufschluss gibt eine Aufrisszeichnung Hildebrandts, welche die Fensterrahmen ziemlich genau wiedergibt und die dunkleren Lichtverhältnisse der Arkaden durch Lavierung zumindest andeutet. Allerdings erschließt sich die Tiefenräumlichkeit der Arkaden auf dem Blatt nur bedingt. Etwas mehr Authentizität kann in diesem Punkt Kleiners perspektivische Ansicht beanspruchen ; jedoch sitzen die Fensterverglasungen hier zu tief im Rahmen, was zur Folge hat, dass die Wand dort, wo ihre Flächigkeit mit den Öffnungen kontrastieren soll, zu plastisch erscheint. Auch die Vedute, die Kleiner gesondert stach, gibt den ursprünglichen Zustand aufgrund ihrer starken Schrägansichtigkeit nur bedingt wieder.⁴⁰ Am ehesten lässt sich der ursprüngliche Eindruck nachvollziehen, wenn man die Lavierung im Hildebrandt’schen Riss künstlich verstärkt. Nun zeigt sich, dass das feine, zum Teil sehr dekorative Rahmenwerk der Fenster⁴¹ das Wandkontinuum zusätzlich betonte, während die verschatteten Arkaden es an anderer Stelle völlig negierten. Anschaulich wird dieser Kontrast, der einst das Verhältnis der Baukörper zueinander klärte, auch in dem Modell, das Prof. Franz Hnizdo / der Österreichischen Galerie Belvedere stiftete.⁴² Heute suggerieren die Verglasung und die kontinuierliche Vergitterung ein Flächenkontinuum, das nie gewollt war. (Noch ausgeprägter war die Verfälschung Ende des . Jahrhunderts. Damals wirkten die Gitter im mittleren Gartenpavillon aufgrund eines reicheren Dekors besonders massiv. Den Arkaden der Hofeinfahrt war sogar ein Vorbau 45
aus Stein, Eisen und Glas vorgeblendet.) Die Veränderungen des ursprünglichen Erscheinungsbildes wiegen um so schwerer, als die Forschung den ursprünglichen Zustand zwar zur Kenntnis nahm,⁴³ ihn bei der Interpretation der Architektur aber unberücksichtigt ließ und stattdessen nur eine »schimmernde – dank der Fensterreihen – durchscheinende Fläche der Wände« sah.⁴⁴ Der vormals gegebene Wechsel von offenen und geschlossenen Fenstern diente also nicht nur der Verlebendigung der Fassade, sondern er betonte auch die Eigenständigkeit der einzelnen Abschnitte. Zugleich brachte er die für das Pavillonsystem unverzichtbare Tiefenräumlichkeit ein. Indem der Mittelpavillon und die äußeren Seitenpavillons den Garten gewissermaßen bis ins Vestibül und in die offenen Galerien einließen, offenbarten sie auch ihr Raumvolumen. Zugleich gaben sie den Blick auf die Innenwände der angrenzenden Pavillons frei, die dadurch in ihrer Dreidimensionalität erfahrbarer wurden. Am besten ist das Hildebrandt’sche Pavillongefüge jedoch in der Daraufsicht erkennbar. Auf die durch Altane verbundenen Eckpavillons folgen je ein zweigeschossiger und ein dreigeschossiger Seitenpavillon. Der gleichsam in das Hochparterre des Gartens ausweichende polygonale Mittelpavillon macht der Einfahrt an der Hofseite Platz. Das Obere Belvedere setzt sich mithin aus zehn Baukörpern zusammen, von denen immerhin vier die gesamte Tiefe des Schlosses einnehmen.
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Das Obere Belvedere als Bau
3 Die Zusammenfassung der Pavillons zu einzelnen Gruppen im Rahmen der Fassadengestaltung
. Die Gartenfront .. Die Mittelgruppe als Kerntrias
Hätte Hildebrandt seine zehn Pavillons nur additiv aneinandergereiht, wäre der Bau in zahlreiche Einzelteile zerfallen. Eine solche Kleinteiligkeit hätte jedoch seinem Architekturverständnis widersprochen. Der Aufteilung des Schlosses in einzelne Baukörper musste daher deren Zusammenfassung zu Gruppen, also zu übergeordneten Einheiten, folgen. Die Differenzierung bedingte die Synthetisierung. Im Sinne dieser Synthetisierung bildet an der Gartenseite der Mittelpavillon mit den angrenzenden Pavillons, die sich zu ihm wie Seitenflügel oder gar Rücklagen verhalten, eine Trias. Um die Ambivalenz, die sich aus dem Changieren zwischen Dreiheit und Einheit ergibt, sichtbar zu machen, wandte Hildebrandt einen Kunstgriff an : In der Gestaltung der unteren Dachzone, der Balustrade und der horizontalen Gliederungselemente hob er die Zusammengehörigkeit der drei Baukörper hervor. So ziehen sich die Gebälke kontinuierlich über alle drei Pavillons hinweg. Das Gebälk über der Attikazone läuft samt
Balustrade und Zwerchfenstern sogar allseitig um alle drei Blöcke herum, die auf diese Weise wie durch eine Manschette verklammert werden. Die Eigenständigkeit der Kompartimente zeigt sich dagegen in den Fensterformen, in der Dachkontur und in den vertikalen Gliederungselementen. Wie dialektisch das Verhältnis der mittleren Pavillons zueinander ist, lässt sich vor allem an den Pilastern der Beletage und der Attika ablesen. Deren Anordnung am Mittelpavillon war, wir erinnern uns, von Eckert und Hubala heftig kritisiert worden : Hildebrandt habe in der Mitte der Stirnseite doppelte, an der Ecke aber nur einfache Pilaster angebracht und dadurch dem Bau die optische Stabilität dort vorenthalten, wo er sie am meisten benötige. Am Würzburger Kaisersaalpavillon habe Neumann dagegen das ›normale‹ Verhältnis wiederhergestellt.⁴⁵ Selbst Grimschitz hatte diesen Vorwurf nicht zu entkräften vermocht und geglaubt, am Mittelpavillon des Oberen Belvedere »Unstimmigkeiten in der Vertikalgliederung« einräumen zu müssen.⁴⁶ Die Kritik an der Pilasteranordnung des Oberen Belvedere zeigt ebenso wie der Vergleich mit Würzburg, dass Eckert und Hubala Hildebrandts eigentliche Intention, nämlich die Synthese der drei Baukörper, nicht erkannt haben. Über den Würzburger Kaisersaalpavillon und die Frage der Autor(en)schaft wird in Kapitel .. noch ausführlich zu sprechen sein. An dieser Stelle sei nur so viel gesagt : Ähnlich wie Le Vaus Mittelrotunde in Vaux-le-Vicomte gibt sich der Kaisersaalpavillon als ein in die Gartenfront kunstvoll eingefügter Fremdkörper.
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Nicht nur das zusätzliche Attikageschoss, sondern auch die hohen Bogenfenster und die Dreiviertelsäulen heben ihn von der übrigen Fassade ab. Die geschweifte Form des Giebels (die sehr an den hofseitigen Giebel des Belvedere erinnert) ist gleichfalls singulär. Lediglich das avant corps und die angrenzenden Joche der Seitenflügel, welche die Fenster der Eckrisalite zitieren, binden den Gartenpavillon in die Fassade ein, jedoch nur wie eine Fassung den Solitär an einer Spange. Wie ein Edelstein letztlich aber auch für sich bestehen kann, so käme der Würzburger Pavillon letzten Endes ohne die ihn umgebende Fassade aus. Gewissermaßen als ein für sich stehendes Bauglied kann er sich auch eine wesentlich differenziertere Gestaltung seiner Seiten erlauben. Entsprechend bildet er – wie Le Vaus Mittelrotunde – die Stirnseite als seine eigene Fassade aus, die sich durch einen leichten Vorsprung des Mauerspiegels von den Schrägseiten bewusst absetzt. Infolge der Behandlung von Stirn- und Schrägseiten als eigenständigen Einheiten erscheint es auch zwingend, dass die Stirnseite an den Ecken durch doppelte Stützen verstärkt wird und die Schrägseiten über eigene Stützen verfügen. Daher stört es auch nicht, dass auf diese Weise an den Pavillonkanten drei Stützen zusammenstoßen. Ebenso wenig muss es verwundern, dass der Beletage an der Stirnseite Dreiviertelsäulen, an den Schrägseiten aber nur Pilaster vorgeblendet sind. Selbst die Nobilitierung der Stirnseite durch einen eigenständigen Giebel erscheint – wie in Vaux-le-Vicomte – gerechtfertigt. Am Mittelteil des Oberen Belvedere ergibt sich die besondere Disposition der Pilaster an den Kanten jedoch dadurch, 48
dass Hildebrandt die Kette der Pilasterpaare über die Schrägseiten herumführte, um sie an den zur Trias gehörenden inneren Seitenpavillons fortzusetzen. Um diese kontinuierliche Reihung nicht zu unterbrechen, war Hildebrandt sogar bereit, die Pilaster beider Geschosse in den Ecken zu den Seitenpavillons zu knicken. Seinen Einfall, einen Pilaster in eine Ecke zu zwängen oder ein Pilasterpaar zu dehnen, damit es sich um eine Kante herumziehen lässt, vermittelt Hildebrandt geradezu bildlich : Der Abstand zwischen den Pilastern ist an der Kante größer als sonst, während der Knickpilaster besonders zusammengedrückt, fast wie in die Ecke gezwängt wirkt. Natürlich setzt die Dehnung der Pilasterabstände an den Kanten einen Widerstand der Wand voraus, der nur dann fassbar wird, wenn man nicht von einer entmaterialisierten Fläche ausgeht ! Wegen seiner Einbindung in die Trias kann der Mittelpavillon auch nicht wie der Würzburger Kaisersaalpavillon oder wie der Zentralpavillon in Vaux-le-Vicomte in eine fassadenar- tige Stirnseite und zwei abgesetzte Schrägseiten zerlegt werden. Das hatte schon Grimschitz erkannt. Dennoch wertete er »die vollkommene Gleichartigkeit« in der Gestaltung des Hauptpavillons »über alle seine fünf Achsen« als Indiz dafür, dass »der ganze Pavillon als zentrale Einheit in der Schlossfront steht«.⁴⁷ Ebendies ist nicht der Fall. Deutlich wird die strukturelle Synthese der drei mittleren Pavillons besonders an einem Detail : Hildebrandt setzte die Reihe der Pilasterpaare an den Seiten- pavillons bis zu deren Außenkanten fort. Erst dort, wo die Trias endet, sind die Pilaster geschichtet – ganz so, als hätten sie sich Das Obere Belvedere als Bau
durch das Zusammenstoßen mit den angrenzenden Bauteilen übereinandergeschoben. Wie die Naht an den Schnittstellen eines Stoffes doppelt genäht ist oder wie in einer Partitur der erste und der letzte Taktstrich gedoppelt sind, um Beginn und Schluss eines Satzes zu markieren, so bezeichnen die geschichteten Pilaster Anfang und Ende der Trias, die sich auf diese Weise von der Restfassade deutlich abgrenzt. Demselben Zweck dienen im Erdgeschoss die Ecklisenen. Zum einen ergeben sie sich natürlich aus der Schichtung der darüberliegenden Pilaster : Der hintere Pilaster steht noch auf der rustizierten Erdgeschosszone als einem Sockel, der vordere äußere Pilaster bedarf dagegen einer zusätzlichen Stütze. Zum anderen markiert dieser Vorsprung aber auch den Bruch zwischen der Mittelgruppe und den angrenzenden zweigeschossigen Pavillons. Während sich am Würzburger Gartenpavillon die gedoppelten Stützen auf die Enden der Stirnseite beschränken, erstrecken sie sich in Wien über die gesamte Trias. In Würzburg betonen sie innerhalb eines Baukörpers die Selbstständigkeit der einzelnen Seiten ; in Wien fassen sie mehrere Baukörper zu einer Einheit zusammen. Gegen die These, die drei mittleren Pavillons würden durch eine fortlaufende Gliederung zu einer Trias zusammengefasst, ließe sich anführen, dass die Verkröpfung des Gebälks sich nicht über die Kanten des Mittelpavillons hinweg fortsetzt, die Kette von Pilasterpaaren also bereits an dieser Stelle unterbrochen ist. Jedoch soll das Zurückspringen des Gebälks an den Kanten keine Zäsur ausdrücken, da es ausschließlich ästhetisch motiviert ist : Erstens sind Verkröpfungen, die um Gebäudekanten
herumgezogen sind, im Barock äußerst unüblich. Zweitens stehen die Pilaster an dieser Stelle nicht eng genug beisammen, um eine übergreifende Verkröpfung des Gebälks zu rechtfertigen. Der Deutung der Mittelgruppe als Trias könnte man außerdem mit dem Hinweis begegnen, die Pilasterreihen seien in sich nicht einheitlich. Im Gegensatz zum Mittelpavillon besit- zen die angrenzenden Seitenpavillons im Erdgeschoss nämlich überhaupt keine Säulen und Pilaster, während in den beiden anderen Geschossen reguläre Pilaster ohne Postamente an die Stelle von Hermenpilastern mit Postamenten getreten sind. Dementsprechend, so ließe sich argumentieren, bestehe der vermeintliche Knickpilaster, der in der Beletage die Übergänge vom Mittel- zu den Seitenpavillons instrumentiert, in Wirk- lichkeit auch aus den Hälften zweier verschiedener Pilaster. Auch dieser Einwand ist zu entkräften : Was die Säulen des avant corps betrifft, so sind sie weniger integrative Bestandteile der Fassade als vielmehr Applikationen. Ihr Sinn erschließt sich in erster Linie aus ihrer Funktion : Sie tragen den Balkon und dienen zugleich als Gelenke zwischen Schloss und Garten (über beide Aspekte wird noch zu sprechen sein). Da es dem Barock grundsätzlich widerstrebt, Freisäulen vor eine nackte Wand zu stellen, hinterfing Hildebrandt die Säulen mit Pilastern.⁴⁸ Wohl um die Schrägseiten von der Stirnseite nicht allzu sehr abzugrenzen, blendete er auch ihnen Pilaster vor. Man könnte aber auch sagen, er habe die Säulenordnung der avant corps in den Pilastern ebenso auslaufen lassen, wie er die darüberliegende Balkonbrüstung in Gestalt der Fensterbrüstungen
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ausklingen ließ. Da die angrenzenden Pavillons keine avant corps aufweisen, waren Erdgeschosspilaster hier entbehrlich. Ebenso lässt sich für die Hermenpilaster der Beletage eine plausible Erklärung finden. Letztlich ergeben sie sich geradezu zwingend aus der Notwendigkeit, die Instrumentierung der Beletage richtig zu proportionieren. Um dies zu verdeutlichen, muss ich ein wenig ausholen. Bekanntlich gab die Architekturtheorie der Renaissance und des Barock für die einzelnen Säulenordnungen exakte Proportionen vor. So ist die Säule der Toscana in der Regel siebenmal so hoch wie der untere Durchmesser ihres Säulenschafts. Bei der Dorica beträgt der Faktor , bis , bei der Ionica , bei der Corinthia , und bei der Composita .⁴⁹ Stehen mehrere Ordnungen übereinander, darf der Durchmesser der Säulen nach oben hin nicht zunehmen. In der Tat widerspräche es der tektonischen Logik, hätte eine schmalere eine breitere Säule zu tragen. Da sich die klassische Säule aber an sich schon je nach Ordnung um ein Sechstel bis ein Siebtel verjüngt,⁵⁰ muss die obere Säule sogar schmaler sein als die untere. So sah beispielsweise Palladio für den Palazzo Chiericati in Vicenza im Erdgeschoss dorische Säulen vor, deren Durchmesser , Fuß und deren Höhe Fuß beträgt. Die darüberliegende ionische Säule ist nur noch Fuß dick. Folglich beträgt ihre Höhe Fuß. Obwohl der Höhenfaktor der ionischen Ordnung größer als bei der Dorica ist, hätte das Obergeschoss wegen des geringeren Schaftdurchmessers eigentlich niedriger als das Erdgeschoss ausfallen müssen. Um dies zu vermeiden, stellte Palla50
dio die ionischen Säulen auf drei Fuß hohe Postamente. Da das auf den ionischen Säulen ruhende Gebälk mit , Fuß schmaler ist als das über den dorischen Säulen (ca. , Fuß), sind beide Geschosse nun gleich hoch (, bzw. Fuß).⁵¹ Dagegen nimmt im Klosterhof von S. Maria della Carità zu Venedig, in dem Palladio auf Postamente verzichtete, die Stockwerkshöhe nach oben hin kontinuierlich ab. Auf das Fuß hohe dorische Geschoss folgt das Fuß hohe ionische Piano nobile, das wiederum ein Fuß hohes korinthisches Obergeschoss trägt.⁵² Da nun die Ikonologie des barocken Schlossbaus dem Oberen Belvedere eine deutlich höhere Beletage abverlangte – Hildebrandt entschied sich für einen Höhenzuwachs um ein Viertel –, ergab sich ein fast unlösbares Problem. In Versailles hatte Hardouin-Mansart das Erdgeschoss ausschließlich mit Band- quadern gegliedert, so dass er in der Gestaltung der Beletage völlig frei war. Hildebrandt hingegen konnte wegen des avant corps auf eine dorische Erdgeschoss-Instrumentierung nicht verzichten. Der Konflikt beider Stockwerksordnungen war damit vorprogrammiert. Orientieren wir uns zum Vergleich an den Maßverhältnissen des Palazzo Chiericati und stellen uns vor, auf dessen , Fuß hohem Untergeschoss stünde ein Obergeschoss, das ein Viertel höher wäre, also Fuß umfassen würde. Selbst wenn man anstelle der Ionica auf die Composita, die immerhin den Höhenfaktor hat, zugriffe, käme man bei einem unteren Schaftdurchmesser von Fuß zuzüglich der Postamente und des Gebälks allenfalls auf eine Gesamthöhe von Fuß. Das Das Obere Belvedere als Bau
Erdgeschoss würde damit nur unwesentlich, keinesfalls aber um ein Viertel übertroffen. Um dieser Vorgabe zu genügen, müsste man die Komposita auf Fuß hohe Postamente stellen, was aber ungemein gestelzt aussähe. Natürlich könnte man die Beletage auch ohne Rücksicht auf den palladianischen Kanon gestalten und der Stütze eine Höhe von etwa Fuß geben (bei einem jetzt etwa Fuß hohen Gebälk). Nun betrüge der untere Schaftdurchmesser allerdings , Fuß. Damit wäre er breiter als die Stützen des Erdgeschosses (, Fuß). Eine das proportionale Gefüge derart verletzende Lösung könnte niemals befriedigen. Der Ausweg, den Hildebrandt fand, war ebenso originell wie einfach : Selbstverständlich wählte auch er für die Beletage die Composita und stellte die Stützen, damit sie nicht zu hoch ausfielen, auf Postamente. Dennoch blieben die Stützen mit Fuß und ½ Zoll höher als die Stützen des Erdgeschosses ( Fuß und Zoll ; zu den Maßen siehe Abb. ). Damit waren sie noch immer zu breit. Daher wählte Hildebrandt Hermenpilaster, die sich nach unten verjüngen. Nun besaßen die Stützen die richtige Höhe und waren an ihrem Schaftansatz dennoch nicht zu breit. Um diese Verjüngung etwas zu überspielen und die Hermenpilaster darüber hinaus auch kürzer erscheinen zu lassen, versah Hildebrandt sie im unteren Drittel mit Manschetten und Nutungen. Die Verwendung eines Motivs wie des Hermenpilasters, das die Forschung mit Blick auf andere Hildebrandt-Bauten wie das Palais Daun-Kinsky immer wieder als typisch hildebrandtisch bezeichnet und als Ausdruck eines rein dekorativen Formempfindens gewertet
hat,⁵³ ergibt sich zumindest am Oberen Belvedere auch aus der architektonischen Logik. Dasselbe gilt für die Postamente unter den Hermenpilastern. Zwar dienen sie, wie eben gezeigt, wesentlich zur Verkürzung der Pilaster, doch sind sie durch die Brüstung des Balkons bedingt. Ihre Form entspricht nämlich ganz und gar den Zwischenstützen der Balustrade, in denen sich die Freisäulen des avant corps optisch fortsetzen. Und wie die Freisäulen von analog gebildeten Pilastern hinterfangen werden, so korrespondieren diese Zwischenstützen mit gleich gebildeten Postamenten. Darüber hinaus verhindern die Postamente, dass die Pilasterfüße von der Brüstung verdeckt werden. Wie die Aufrisse und der Längsschnitt bei Kleiner veranschaulichen, setzen die Basen der Hermenpilaster genau über der Brüstung an. An den Schrägseiten, wo die Balustrade gewissermaßen auf die Wandfläche projiziert wird, erfolgt die Synthese : Hier sind die Pilaster-Postamente zugleich die Stützen der Blendbalustrade. Wie logisch Hildebrandts Fassadensystem ist, zeigt auch die Instrumentierung der inneren Seitenpavillons. Da avant corps hier nicht vorgesehen waren, besitzt das Erdgeschoss, wie gesagt, keine Pilaster. Folglich ruht die Instrumentierung der Beletage wie in Versailles auf einem rustizierten Sockel. Der Verwendung regulärer Beletage-Pilaster stand also nichts entgegen. Als heikel erwies sich die Instrumentierung lediglich an den äußeren Pavillonkanten, an denen die Pilaster nicht gekoppelt, sondern geschichtet sind. Wie gleichfalls schon festgestellt wurde, bedarf der vordere Pilaster einer eigenen
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Unterlage. Hätte Hildebrandt hierfür analog zum Mittelpavillon einen dorischen Pilaster eingesetzt, hätte er dem Pilaster darüber erneut einen sich verjüngenden Schaft geben müssen. Dies hätte aber bedeutet, dass die reguläre Instrumentierung mit einem irregulären Hermenpilaster geendet hätte. Darüber hinaus wäre vor einen regulären Pilaster ein Hermenpilaster gelegt worden. Beides hätte sich befremdlich ausgenommen. Aus diesem Grund unterfing Hildebrandt den vorderen Schichtpilaster mit einer rustizierten Lisene. Da Erdgeschoss und Beletage nicht durch ein vollständiges Gebälk, sondern nur durch ein Kranzgesims getrennt werden, war diese Lisene überdies höher als die dorischen Säulen und Pilaster des Mittelpavillons. Und da Hildebrandt das Kranzgesims über der Lisene konsequenterweise verkröpft hatte, scheint es sogar, als besitze die Lisene ein Kapitell. Mithin assoziiert das Auge einen rustizierten Pilaster, der die gesamte Höhe des Erdgeschosses, also Fuß und ¼ Zoll, einnimmt. Somit ist dieser Scheinpilaster höher als der darauf stehende Beletage-Pilaster, der nur Fuß und ½ Zoll misst. Die Gesetze der Proportionierung sind also auch in diesem Punkt gewahrt. Wie die bisherige Analyse ergeben hat, darf man die Instrumentierung der Trias nicht so lesen, als hätte Hildebrandt zwischen Mittelteil und Seitenteilen einen Pilasterwechsel als »Mittel der Fassadierung« eingesetzt, wie Brucher meinte.⁵⁴ Vielmehr handelt es sich um dieselben Stützen, die lediglich dann, wenn sie über kleineren Pilastern stehen, im unteren Bereich abgeschnürt und verkürzt werden. Nicht beizupflichten ist ferner 52
Kremeiers Behauptung, der Mittelbau besitze »in allen seinen Stockwerken eine umlaufende Ordnung aus Doppelpilastern«, die an den Längsseiten von den Nachbarpavillons gewissermaßen verdeckt werde, wobei ein Pilaster der Mittelbaugliederung noch zur Hälfte sichtbar bleibe.⁵⁵ In Wirklichkeit besteht die Instrumentierung dieser Fassadenecken nicht aus halbierten Pilastern verschiedener Pavillongliederungen, sondern aus zwitterhaften Knickpilastern, die bereits in sich den Übergang von hermenförmigen zu regulären Schäften vollziehen. Was schließlich die Stützen der Attika betrifft, so war es in gewisser Hinsicht konsequent, am Mittelteil über die Hermenpilaster der Beletage gleichfalls Hermenpilaster zu stellen, diese aber keiner regulären Ordnung zuzuweisen. Damit trug Hildebrandt einerseits der schon angesprochenen Tatsache Rechnung, dass es sich bei der Attika gar nicht um ein wirkliches Geschoss handelt. Anderseits umging er die an sich unlösbare Aufgabe, eine diesmal zu niedrige Zone proportional angemessen zu gliedern. An den Seitenteilen löste er das Problem der Proportionierung anders. Hier besitzen die Attikapilaster analog zu den regulären Pilastern unter ihnen lotrechte Schäfte. Ihre Kapitelle folgen einer freien Abwandlung der kompositen Ordnung. In diesem Sinne wirken sie zu kurz, doch scheint mir, als habe Hildebrandt auch hier einen geistreichen Kunstgriff angewandt. Bislang wurden die |X|-förmigen Verstrebungen über der Schaftmitte als Reflex auf altdeutsches Beschlagwerk gedeutet.⁵⁶ Jedoch kann man in ihnen auch die kreuzweise übereinandergefalteten Randprofile eines zusammengeschobeDas Obere Belvedere als Bau
nen Schaftes sehen, was ein weiteres Beispiel für eine Handhabung von Architekturteilen als beweglichen Elementen wäre. Diese Wahrnehmung war einst durch einen zweifarbigen Anstrich erleichtert. Im Unterschied zu den durchgehend hellgrau gefassten Pilasterschäften der Beletage waren nur die Randprofile und Verstrebungen farblich abgesetzt. Die eigentliche Schaftmitte war hingegen ebenso cremefarben wie die Wand. Dadurch erscheinen die Hermenpilaster nicht massiv, sondern wie die Archivolten und Oberlichtrahmen der Einfahrt (s.o.) als graphische Strukturen, deren reines Lineament ein Übereinanderfalten möglich und sinnlich nachvollziehbar macht. Diese Differenzierung ist heute nicht mehr gegeben. Jedoch sind die aufgelegten Verstrebungen so bemessen, dass die Pilaster, faltete man sie auseinander, die Maße : und damit eigentlich doch die richtige Länge besäßen. Dass die Pilasterreihe um alle drei Pavillons kontinuierlich herumläuft und die verschiedenen Ausformungen nur Spielarten derselben Ordnung sind, verdeutlicht Hildebrandt an den Stellen, wo die Trias vom Mittelpavillon in die inneren Seitenpavillons übergeht : In der Dachzone läuft die Balustrade fließend fort ; in der Attikazone gehört der Winkelpilaster mit seinen gekreuzten Schaftprofilen zur Gliederung des Seitenpavillons, in der Beletage mit seiner Zwitterform zu beiden Pavillons. Im Erdgeschoss schließlich verschwindet der Pilaster als ein reiner Eckpilaster des Mittelpavillons in der Wand des Seitenpavillons. Erneut offenbart dieses scheinbar willkürliche System eine höhere Logik. In allen vier Zonen spielt Hilde-
brandt das ambivalente Verhältnis der drei Pavillons zueinander gemäß dem Prinzip von Differenzierung und Synthetisierung durch : In der Dachbalustrade geben sich die Pavillons wie aus einem Guss. In der Attikazone greift der eine Baukörper auf den anderen über, in der Beletage ist der Übergang fließend. Das Erdgeschoss vermittelt dagegen den Eindruck, zwei Blöcke seien aneinandergeschoben, wobei der äußere Block die Gliederung des inneren teilweise verdecke. Hildebrandts Praxis, Architekturteile gegen alle Regeln der Tektonik zu verformen, wurde in der Forschung immer wieder auf Einflüsse italienischer Barockbaumeister, vor allem Borrominis und Guarinis, zurückgeführt.⁵⁷ Anders als im römischen oder Turiner Barock erscheinen Hildebrandts Formelemente aber nicht elastisch oder flexibel, sondern spröde und steif. Die Pilaster und Lisenen erinnern an aufgenagelte Bretter, die Giebelverdachungen und Voluten der Balustraden wirken wie gedrechselt oder geschnitzt. Im Unterschied zu Borromini und Guarini ist die Architektur also nicht organisch. Vielmehr ergibt sich ihr untektonischer Charakter daraus, dass sie als Applikation nach Maß gestaltet ist. .. Die Eckpavillons als Widerlager Der Mitteltrias stellen sich die Eckpavillons als gesonderte Einheiten entgegen. Wie kein anderes Kompartiment betonen sie durch das freiplastische Heraustreten aus dem Baukörper ihre Eigenständigkeit. Jedoch stehen auch sie nicht völlig isoliert.
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Wie die Seitenansichten zeigen, hat Hildebrandt sie mit ihren hofseitigen Pendants durch eingeschossige Trakte verbunden, über denen sich jeweils ein Altan erstreckt. Was die Gliederung der gartenseitigen Eckpavillons betrifft, so erforderten es die avant corps, dass die Beletage in den Mittelachsen analog zum Mittelpavillon mit Hermenpilastern instrumentiert wurde. Allerdings versah Hildebrandt auch die übrigen Seiten mit Hermenpilastern – obwohl das Erdgeschoss hier keine avant corps besitzt, sondern wie an den inneren Seitenpavillons rustiziert ist. Wären, so fragt man sich, hier nicht gleichfalls reguläre Pilaster angebracht ? Ob auch Hildebrandt sich diese Frage stellte, wissen wir nicht. Auf jeden Fall wollte er die Ordnung innerhalb ein- und desselben Pavillons nicht wechseln. Außerdem ergab sich die durchgehende Verwendung von Hermenpilastern aus dem Kontext der Schmalseiten. Selbstverständlich erhielten die Altane an den Schmalseiten eine Brüstung, die den Balkonbrüstungen des Mittelpavillons und der Eckpavillons entsprach – auch in der Proportionierung der Zwischenstützen. Das wiederum bedeutete, dass die Piedestale der Pilaster, mit denen Hildebrandt die Wand über bzw. hinter dem Altan instrumentierte, genauso breit sein mussten wie die Zwischenstützen der Balustrade. Folglich hatte Hildebrandt gar keine andere Wahl, als auf Hermenpilaster zurückzugreifen. Mit anderen Worten : Am Mittelpavillon hatte die sich aus den avant corps ergebende Notwendigkeit, Hermenpilaster zu verwenden, zu vergleichsweise schmalen Balustradenstützen geführt. Diese wiederum zwangen Hildebrandt nun an 54
den Schmalseiten gleichfalls Hermenpilaster auf. (Wie man sieht, besitzt das Gliederungssystem des Oberen Belvedere seine eigene zirkuläre Logik.) Da Hildebrandt also sowohl an den Stirnseiten der Eckpavillons als auch an den Schmalseiten des Schlosses Hermenpilaster verwenden musste, hätte es sehr willkürlich gewirkt und optisch irritiert, wenn er dazwischen, also an den Schrägseiten der Eckpavillons, plötzlich zu regulären Pilastern übergegangen wäre. Natürlich kann man sich fragen, weshalb die Wände über den schmalseitigen Altanen überhaupt Pilasterordnungen erhielten. Immerhin handelt es sich de facto um die Längswände der äußeren Seitenpavillons. Dementsprechend sind auch die Dachzonen gebildet : glatte Schrägen hinter einfachen Balustern mit Ziervasen anstelle von Mansarddächern mit Gaupen hinter Figuren, die von Voluten flankiert werden. Warum bevorzugte Hildebrandt also nicht auch die aus glatten Lisenen gebildeten, scheitrechten Arkaden dieser Pavillons, zumal dies eine einmalige Gelegenheit gewesen wäre, die Tiefenräumlichkeit der Baukörper noch sinnfälliger zu machen ? Die Antwort ist einfach : Es ist nur logisch, dass das Erdgeschoss, das den hofseitigen mit dem gartenseitigen Eckpavillon verbindet, aus denselben Elementen besteht wie die Eckpavillons selbst (lediglich das Oberlicht über der Tür ist eine Zutat). Auf diese Weise werden beide Pavillons zu einem Riegel verbunden, der den Bau zu den Seiten hin abgrenzt und zusammenhält. Außerdem hätte es keinen Sinn ergeben, eigens für ein eingeschossiges, nur drei Achsen breites VerbindungsDas Obere Belvedere als Bau
element eine neue Gliederung einzuführen. Das hätte nicht nur äußerst kleinteilig gewirkt, sondern das Pavillonensemble ausgerechnet an seinen Enden auseinanderfallen lassen. Um die Zusammengehörigkeit der Eckpavillons auch oberhalb des Altans sinnfällig werden zu lassen, schob Hildebrandt die Wand, die sich eigentlich über dem Erdgeschoss hätte erheben müssen, gleichsam zurück – bis an den nächsten Pavillon (was sein Verständnis der Baumasse als beweglicher Substanz erneut belegt). Da die Balustrade im Barock aber nicht mehr Teil der Wand ist, sondern bereits der Dachzone angehört, überragt der Nachbarpavillon die ihm vorgeschobene Wand nicht nur mit seinem Walmdach, sondern auch mit der ihm eigenen Balustrade. .. Die Zwischentrakte als brückenartige Verbindungen
Wie sich gezeigt hat, setzen die mittlere Pavillontrias und die Eckpavillons innerhalb der Gartenfront deutliche Akzente. Im Vergleich dazu wirken die verbleibenden äußeren Seitenpavillons als untergeordnete Fassadenabschnitte. Eigentlich handelt es sich ja gar nicht um Pavillons, sondern um Zwischentrakte, denen vor allem die Aufgabe zukommt, die übrigen Pavillons miteinander zu verbinden. Diese Funktion verdeutlichte Hildebrandt auf vierfache Weise. Erstens hob er die untergeordnete Bedeutung der Zwischentrakte mittels einer umfassenden Reduktion hervor : Im Aufriss sind die Trakte niedriger als die Pavillons, im Grundriss fluchten
sie leicht zurück. Darüber hinaus reduzierte Hildebrandt den Dekor : die Fenster sind auffallend einfach, an die Stelle von Pilastern sind Lisenen getreten, der Fries unter dem Kranzgesims muss ohne Konsolen auskommen. Selbst das sehr flache, einfache Walmdach ist eine Reduktionsformel. Hinzu kommt die Verringerung der Bausubstanz durch die einst offenen Arkaden. Zweitens ist die Horizontale – anders als bei den übrigen Pavillons – das dominierende Element. Optisch wie funktional macht es die Zwischentrakte zu Bindegliedern. Erreichen konnte Hildebrandt diese Horizontalität vor allem durch die Vermeidung oder zumindest das Überspielen vertikaler Strukturen. Entsprechend ist das Gebälk nicht verkröpft, ist die Dachbalustrade nicht fragmentiert. Beide Elemente laufen somit kontinuierlich durch. Die Lisenen des Erdgeschosses sind mit querrechteckigen Quadern bestückt, während die Lisenen der Beletage am Gebälk zu ›scheitrechten Arkaden‹⁵⁸ umknicken. Darüber hinaus unterstrich vormals die Perforierung des Erdgeschosses die Bindegliedfunktion der Zwischentrakte. Die Beletage spannte sich gewissermaßen wie eine von vier Stützen getragene Brücke von Pavillon zu Pavillon. Damit blieb die Verbindung der Pavillons dort, wo sie unverzichtbar war, nämlich im Wohn- und Repräsentationsbereich, gewahrt, während sie im Erdgeschoss als entbehrlich fortgelassen wurde. Noch mehr als in Kleiners Stichen kommt der Charakter der Zwischentrakte als ›Verbindungsbrücke‹ in einer Entwurfs- zeichnung Hildebrandts zur Geltung. Die Gestaltung der Zwischentrakte erinnert an Schloss Nymphenburg. Auch dort sind die zweigeschossigen Verbindungs-
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trakte zwischen Mittel- und Seitenpavillons (Bauzeit nach ) als Brücken gestaltet. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Hildebrandt in diesem Punkt an München orientierte. Wie verbreitet die Idee, Verbindungsflügel durch Arkaden aufzulösen, war, zeigen ferner eine Entwurfszeichnung Domenico Martinellis für die Villa Malaspina in Caniparola⁵⁹ sowie die nördliche Gartenfront von Ludwigsburg. In der Residenz der Württemberger Herzöge setzte Johann Friedrich Nette / neben das bestehende Alte Corps de Logis (Fürstenbau) zwei neue Eckpavillons (Jagd- und Spielpavillon). Diese verband er mit dem Zentralbau durch schmale Galerieflügel, deren Untergeschosse er als offene Arkadengänge gestaltete. Der Prototyp all deser Bauten ist freilich Palladios Villa Pisani in den »Quattro libri« (II, ), wo ein dreiteiliger Kernpavillon über Brückentrakte mit kleineren Eckpavillons korrespondiert. Drittens stufte Hildebrandt die Zwischentrakte zu sekundären Elementen herab. Anders als bei den anderen Pavillons weisen die Enden nur ein einziges Gliederungselement auf, das dazu noch halbiert ist. Mit ihren beschnittenen Rändern erscheinen die Zwischentrakte wie nachträglich zwischen die anderen Pavillons hineingebaut. Auch in dem eben angeführten Aufriss wirkt der rechte Zwischentrakt durch die Papiernaht wie an die Trias angestückt. Natürlich besagt eine solche Naht nichts über das wirkliche Erscheinungsbild eines Gebäudes. Aber es ist wohl kein Zufall, dass sie genau dort verläuft, wo sie das konzeptionelle Gefüge am wenigsten stört. Viertens bilden die Zwischentrakte eine Zäsur, die Trias und 56
Eckpavillons noch mehr als eigenständige Gruppen in Erscheinung treten lässt. Diese Zäsur erzielte Hildebrandt auf zweierlei Weise : Während er den Eckpavillons denselben üppigen Dekor wie der Trias zugestand, verzichtete er an den Zwischentrakten auf Pilaster und Konsolenfries. Ferner verringerte er im Erdgeschoss die Wandmasse durch offene Arkaden und unterbrach so das fassadenhafte Kontinuum an entscheidender Stelle.
. Die Hoffront Dem Prinzip, Pavillons zu einzelnen Gruppen zusammenzufassen, folgte Hildebrandt auch an der Hofseite. Da das Erd- geschoss wegen des Geländeanstiegs um ein Drittel verkürzt ist, lag es nahe, es als einen reinen Gebäudesockel zu gestalten, der bis auf den Bereich der Einfahrt mehr oder weniger einheitlich durchläuft und die differenzierte Gestaltung der einzelnen Pavillons nicht mitvollzieht. Die übrigen Geschosse gestaltete Hildebrandt dagegen wie an der Gartenfront. Lediglich an der Rückseite des Mittelpavillons ergab sich eine neue Situation. Da dieser Richtung Garten zurückweicht, nehmen sich die Seitenpavillons, die über sehr viel mehr räumliche Tiefe verfügen, wie die Seitenarme einer Dreiflügelanlage aus. Wäre der dazwischen gelegene Freiraum nicht mit der Einfahrt besetzt, könnte man fast von einer kleinen cour d’honneur sprechen. Doch auch so bleibt der Charakter eines Freiraums zumindest ansatzweise gewahrt. Schließlich bildet die Einfahrt noch Das Obere Belvedere als Bau
weniger einen eigenständigen Baukörper als die Zwischentrakte. Sieht man von dem großen Giebel ab, so hat Hildebrandt die Wandmasse mittels der großen Arkaden und der Oberlichter weitestgehend reduziert. Darüber hinaus waren Arkaden und Oberlichter einst vollständig geöffnet. Derart entmaterialisiert trat die Einfahrt wie am Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg) als reiner Vorbau in Erscheinung, der in das übrige Ensemble gleichsam nachträglich eingefügt wurde. In diesem Sinne wird sie bei Kleiner auch nur als »Vorhauß« bezeichnet (Kleiner V, , , Buchstabe b) Darüber hinaus glich die Einfahrt, um es erneut zu sagen, einem luftigen Vorzelt. Wie ein solches bot sie dem Ankommenden einen ersten Schutz vor der Witterung. Der Charakter eines Vorzelts manifestiert sich auch in dem flachen Deckenspiegel, den schon Aurenhammer mit einem Prunkzelt verglich.⁶⁰ Der offenen Zeltstruktur Rechnung tragend, gestaltete Hildebrandt die Stiege, die Einfahrt und Gartenfront verbindet, wie eine Freitreppe. Die Vorstellung, der Architekt habe eine Freitreppe in eine Art Ehrenhof gestellt und nachträglich mit einer Zeltarchitektur überfangen, wird durch Kleiners Längsschnitt besonders gut vermittelt. Dort erweckt die diaphane Struktur der Einfahrt sogar den Eindruck, die Treppe gehöre gar nicht dem Innenbereich des Schlosses an, sondern sei nur die Verlängerung der Rampen und Stufen, die im Vorhof beginnen. Die einschneidenden Umbaumaßnahmen, die Ende des . Jahrhunderts unter Franz Ferdinand erfolgten, insbesondere die Verlegung der Rampen, die Vergitterung der Torarkaden und der
Bau einer eingeschossigen Vorhalle aus Stein, Eisen und Glas, haben nicht nur Einfahrt und Stiege von der Außenwelt vollständig abgeschnitten, sondern auch ihr Volumen vermehrt. Es entstand ein geschlossenes Treppenhaus, das sich als eigenständiger Baukörper aufdringlich zwischen die anderen Pavillons zwängte und zugleich in den Hof vordrängte, anstatt diesen in sich einzulassen. Hildebrandts Konzept war damit in jeder Hinsicht in sein Gegenteil verkehrt worden. Zu allem Überfluss erfuhr die Gedrängtheit der Erscheinung durch den Laufgang, den man der Rückwand des Hauptsaals vorsetzte, eine weitere Steigerung. Angesichts dieser nachträglichen Beeinträchtigungen wird Eckerts geäußerter Eindruck von »barocker Gepfropftheit«⁶¹ durchaus verständlich. Von Hildebrandts Vorzelt, das die Treppe luftig und leicht überging, war zu diesem Zeitpunkt nichts mehr geblieben. Die Entfernung der Vorbauten und die Ersetzung der Gitterfüllungen durch eine transparentere Ver- glasung, die nach dem Ende der Monarchie erfolgten, konnten den verhängnisvollen Eindruck zwar mildern, aber nicht aufheben. Noch immer präsentiert sich die Einfahrt als ein nach außen geschlossener Baukörper und beansprucht dadurch eine Massigkeit, die ihr nicht zusteht. Fasst man die bisherigen Beobachtungen zusammen, so lässt sich festhalten, dass Hildebrandt das langgestreckte Schloss aus zehn Baukörpern bildete, die er zu drei Gruppen zusammenfasste : Den Kern bildet eine Trias, bestehend aus dem mittleren Gartenpavillon und den ihn flankierenden inneren Seitenpavillons. Theoretisch könnte diese Dreiergruppe, die als eine
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Art Corps de Logis einen Ehrenhof umschließt, ohne Weiteres angefügtes diaphanes Vorzelt, so erscheint auch die Hoffront für sich allein stehen. Betrachtet man diese Dreiergruppe in nicht mehr in »barocker Gepfropftheit«. Vielmehr reagiert die diesem Sinne, so erscheint der Bereich von Treppenhaus und Fassadengestaltung in ihrer Vielfalt auf die Differenzierung in Einfahrt sogar als das Ergebnis einer tiefenräumlichen Ver- verschiedene eigenständige Baukörper. schiebung, die sich an der Gartenfront im Vorspringen des Diese Baukörper zu erkennen, ist die unabdingbare VorausMittelpavillons äußert. (Die trichterförmige Einbuchtung, setzung, um Hildebrandts Architektur angemessen würdigen mit der die Hofseite von Vaux-le-Vicomte gleichfalls auf das zu können. Die Unterteilung eines Schlosses in unterschiedVorspringen des gartenseitigen Mittelpavillons reagiert, ist lich gegliederte Pavillons ist unproblematisch, wenn die einentgegen Grimschitz’ Meinung⁶² also kein elementarer Unter- zelnen Baukörper wie bei Jean Marot, François Mansart, Le schied zwischen beiden Bauten.) Vau oder Fischer von Erlach deutlich vor- und zurückfluchten. Die drei übrigen Baukörper, nämlich die Trakte zwischen Nun hat Hildebrandt dieses französische System aber mit der den Eckpavillons und der Trias sowie die in die Rückseite der italienischen Tradition einer durchgehenden Front verbunden. Trias eingeschobene Einfahrt, sind sekundäre Verbindungsglie- Die Gefahr, dass die daraus hervorgehende Fassade – insbesonder oder Vorbauten, die keine Selbstständigkeit beanspruchen dere im Vergleich zur Würzburger Gartenfront – inhomogen können. Diese Deutung unterscheidet sich allerdings von Kel- wirkt, ist groß. Übersieht man darüber hinaus die vormalige lers Ansatz, der von drei Pavillons ausgeht, die durch vier Flü- Offenheit und den daraus resultierenden Pavilloncharakter des gel des Corps de Logis verbunden sind.⁶³ Oberen Belvedere und betrachtet man die Fassadenfront stattBetrachtet man die Anlage als ein tiefenräumliches Pavillon- dessen als kulissenhaftes Wandkontinuum, so erscheint die ensemble und nicht als Fassadenkontinuum, so werden auch Gliederung zwangsläufig als eine »allem Rationalen abgekehrte, Eckerts, Roses und Dehios Vorbehalte gegenstandslos. Es er- … sybaritische, halbasiatische Pracht«, die von ihrer »eigenen scheint jetzt nicht mehr als Nachteil, dass die Komposition Überflüssigkeit« lebt.⁶⁴ Begreift man den Bau dagegen als ein »stark in ihre Einzelteile« zerfällt, dass die Dächer separat ge- auf dem (Feldherrn-)Hügel vor der Stadt aufgeschlagenes steibildet sind oder dass die »drei Mittelteile mit den zwei Seiten- nernes Zeltlager, dessen breiten-, aber auch tiefenräumlich teilen« besonders hart zusammenstoßen, da eben diese Effekte gestaffelte Baukörper durch die Fassadengliederung sowohl die gewünschte Gesamtwirkung konstituieren. Und deutet in ihrer Eigenständigkeit als auch in ihrer Zugehörigkeit zu man die Einfahrt und den oberen Teil der Treppe in ihrem Gruppen erfasst werden, so zeigt sich, dass es in der deutschen ursprünglichen Zustand als ein dem Mittelpavillon rückseitig Barockarchitektur kaum eine schlüssigere Konzeption gibt. 58
Das Obere Belvedere als Bau
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4 Die tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum
. Das Eindringen des Umraums in das Schloss
Als noch schlüssiger erweist sich die Konzeption des Oberen Belvedere, wenn man sein ursprüngliches Verhältnis zum Umraum rekonstruiert. Wie bereits dargelegt, sah Grimschitz eine Synthese des Schlosses mit seiner Umgebung vor allem durch die Auflösung der Wandmassen und durch die Spiegelung der Fassade im Bassin des Vorhofes gegeben. Als weitere Merkmale ließen sich innerhalb einer solchen Betrachtungsweise die Verzahnung der Silhouette mit dem Himmel und die Fortsetzung der ansteigenden Gartenarchitektur in der Horizontalen der Fassade anführen. Letzteres macht sich besonders an den Zwischentrakten bemerkbar. So schlägt sich der Charakter der Galleries ouvertes als (überbauter) Grotten nicht nur in der Raumgestaltung, sondern auch in der Rustizierung der Zwischentrakte mit Diamantquadern und in den groben Schlusssteinen über den Bögen nieder. Indes greift eine solche Sichtweise zu kurz. Abgesehen davon, dass die Wand nicht wirklich entmaterialisiert ist, bewirkt keines der eben angeführten Charakteristika eine wirkliche Verschmelzung von Schloss und Freiraum. Diese kann sich nämlich nur in der dritten Dimension vollziehen. Die eben geDie tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum
nannten Effekte bleiben aber allesamt der Zweidimensionalität verhaftet. Selbst dort, wo Grimschitz das Schloss in Beziehung zur Tiefenräumlichkeit des Gartens setzte, deutete er den Bau selbst nur als Fläche : »In der Raumtiefe der Gärten und der Höfe liegen die Schlösser, horizontal entfaltet …«.⁶⁵ Selbst an den Stellen, an denen die Freiräume einst in den Baukörper eindrangen, nämlich an der Einfahrt, im Vestibül sowie an den Zwischentrakten und Eckpavillons der Gartenfront, nahm Grimschitz keinen Tiefenraum wahr. schrieb er : Die mittlere Bogenhalle über niedriger Rampe, Vestibül [bei Kleiner die Einfahrt ; Anm. d. Verf.] und Treppenhaus zugleich, und die Sala terrena [bei Kleiner das Vestibül ; Anm. d. Verf.] auf der Gartenseite fangen, weit geöffnet, den Freiraum ein und leiten ihn in flüssigster Bewegung durch den schmalen Schlosskörper.⁶⁶
Noch stärker hatte Grimschitz das Bauvolumen des Oberen Belvedere ein Jahr zuvor negiert : Das Hauptschloss auf der Höhe hat den Ehrenhof verloren und ist zu einem schmalen Körper geworden, nur mehr die Raumtiefe zweier Säle umfassend, die sich im großen Marmorsaale [i.e. der Hauptsaal, Anm. d. Verf.] der Schlossmitte […] auf einen einzigen verringert, so dass der Bau durchsichtig wird. Durch ihn strömt der freie Raum vom Vorhof her durch das Treppenhaus in die Sala terrena hinab und in den Marmorsaal empor zum Freiraum des Gartens. E i n e [Hervorhebung von Grimschitz, Anm. d. Verf.]
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Blickbahn vermag Vorhof und Garten zusammen zu sehen. Das Schloss ist nicht mehr trennender Körper, sondern durchlässige Folie.⁶⁷
Der Deutung des Schlosses als einer scheibenhaften Kulisse, als »durchlässiger Folie«⁶⁸, durch welche die Blickachsen ungehindert hindurchströmen, muss entschieden widersprochen werden. Zunächst einmal greift der Baukörper in allen räumlichen Koordinaten unterschiedlich weit in den ihn umgebenden Freiraum aus. In der Breite macht sich das Zurückfluchten der Längsseiten über den Altanen bemerkbar, in der Höhe kommen der Geländeabfall vom Hof zum Garten und die unterschiedliche Geschosszahl zum Tragen. In der Tiefe entfaltet das Vorspringen des Mittelpavillons, der Eckpavillons und der Einfahrt seine Wirkung. Neben diese äußerliche Verschränkung des Bauvolumens tritt – oder besser gesagt : trat – eine regelrechte Durchdringung von Schloss und Garten im Innern. Die Fahrwege, die den gesamten Garten durchziehen und ihn seitlich begrenzen, verbanden nicht nur die Fassaden des Oberen und des Unteren Belvedere miteinander ; dank der offenen Arkaden in den Eckpavillons setzten sie sich bis ins obere Schloss fort. In umgekehrter Richtung reicht der linke Fahrweg noch heute durch den Torbogen am östlichen Eckrisalit des Unteren Belvedere bis zum Rennweg. Wie sehr beide Schlösser durch ihre Eckteile aufeinander bezogen waren, zeigt sich auch in der Fassadenbildung : An beiden Eckteilen flankieren jeweils zwei Travéen mit 60
hochrechteckigen Fenstern eine Mitteltravée mit Bogenarkade. Außerdem sind beide Eckteile durch das singuläre Motiv des Dreiecksgiebels ausgezeichnet. Als points de vue übernahmen die Eckpavillons die Funktion, die gewöhnlich Gartenpavillons vorbehalten ist, nämlich das Ende oder die Winkel von Wegachsen zu markieren. Solche Pavillons finden bzw. fanden sich in Parkanlagen wie Herrenhausen aber auch im ›Kleinen Garten‹ des Belvedere selbst. Dass Hildebrandts Eckpavillons Gartenpavillons paraphrasieren, verdeutlicht bereits ihre Innenausstattung. Als Cabinets ouverts waren die Erdgeschossräume wie Grotten gestaltet. Die das Gewölbe tragenden Satyr- und Mänadenhermen griffen mit ihrer dionysischen Konnotation nicht nur eine beliebte Thematik barocker Gärten auf ;⁶⁹ da die auf die Eckpavillons zuführenden Wege gleichfalls mit Hermen gesäumt waren,⁷⁰ setzten sie auch das Figurenprogramm des Gartens fort. Sogar die Ziervase in der Nische konnte einst als ein Versatzstück der Gartenplastik gedeutet werden. Ebenso evozierten die Wände und Gewölbe bedeckenden Grotesken das Thema Natur, da sie – wie ihr Name schon sagt – eigentlich ›Grottenmalerei‹ darstellen.⁷¹ (Dementsprechend schmückte diese Art von Deckenmalerei auch die Lattenpavillons des Belvederegartens.) Selbst die zeltartigen Dächer mit Lambrequins haben die Eckpavillons am Oberen Belvedere mit regulären Gartenpavillons gemein. Darüber hinaus scheint sich die Zugehörigkeit der beiden Eckpavillon-Räume zum Garten im Hofprotokoll niedergeschlagen zu haben. Glaubt man Kleiners Angaben, so Das Obere Belvedere als Bau
durften die männlichen Besucher hier ihre Dreispitze auf dem Haupt behalten. Innerhalb geschlossener Räume hatten die Kavaliere selbige jedoch abzunehmen. Wie Kleiner zeigt, war das bedeckte Haupt innerhalb des eigentlichen Schlosses ein signifikantes Privileg des Hausherrn. Nicht zuletzt deutete Kleiner die Zugehörigkeit der Eckpavillons zum Garten in der Darstellung des westlichen ErdgeschossKabinetts an. Dem Betrachter des Stichs wird der Eindruck vermittelt, er sei von den Rabatten gekommen, die der westlichen Schmalseite vorgelagert sind und die auf Kleiners Grundriss als Z bezeichnet werden, und habe das Kabinett eben durch eine Nebentür betreten. Obwohl sein Blick nun von dort aus den ganzen Raum erfasst, richtet sich seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Arkade an der Nordwand, die zum Hauptparterre hinausführt. Durch den offenen Bogen hindurch sieht er sogar eine Säule des avant corps und die den Garten begrenzende östliche Heckenwand. Diese Blickführung verstärkt ein Kavalier, der sich gegen das Gewände der Arkade lehnt. Da er sich gerade am Übergang von Garten und Palastinnerem aufhält und dabei ganz in dem Licht steht, das vom Garten in das Kabinett einfällt, verdichtet sich in seiner Person das Ineinandergreifen beider Bereiche. Dieser Funktion entspricht auch die Körperhaltung. Während der Oberkörper eindeutig dem Garten zugewandt ist, schweift der Blick ins Kabinett zurück. Die auf die Eckpavillons folgenden Galleries ouvertes der Zwischentrakte hatte Hildebrandt gleichfalls als Grottensäle gestaltet. Dank der vier Arkaden konnte der Garten hier noch Die tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum
leichter ins Schlossinnere eindringen. Wie in den Kabinet- ten der Eckpavillons antworteten den Arkaden an der Wand Blendbögen, in welche Nischen mit Ziervasen und Statuen eingelassen waren. Und noch mehr als in den Eckkabinetten stellte sich hier der Eindruck ein, der Garten habe sich bis in diese Nischen hinein fortgesetzt, oder anders ausgedrückt : sein tiefenräumlicher Impuls habe sich in die Wand gebohrt und dabei die Nische hinterlassen. Wie auch in den Eckpavil- lons befanden sich die Nischen nämlich nur an den Stellen der Wand, die durch die offenen Arkaden hindurch mit dem Freiraum kommunizierten, während die Partien, die im Schatten der Pfeiler standen, ihre glatte Oberfläche behielten. Wenn Hildebrandt die Wand der offenen Kabinette und Galerien also tatsächlich auflöste, so tat er dies nicht um des zweidimensionalen optischen Effekts willen, wie Grimschitz dachte. Vielmehr ging es ihm um die tiefenräumliche Durchdringung von Baukörper und Freiraum. Wie sehr die Ausstattung der Galerien dem Dekorum von Grotten entsprach, zeigt übrigens ihre Übereinstimmung mit dem Grottensaal, der sich vormals unter dem MathematischPhysikalischen Salon des Dresdner Zwingers befand. Wie im Belvedere gliederte sich die Rückwand des vollendeten Raumes in Nischen, die zumindest teilweise mit Statuen besetzt waren. Der zerstörte, in einem Stichwerk seines Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann aber gut dokumentierte Saal⁷² gab sich nicht als Innenraum, sondern als ein überbauter Bezirk. Indem Hildebrandt im Belvedere die obe61
ren Stockwerke der Zwischentrakte wie Brücken auf Stützen stellte, brachte er seine Auffassung von Grotten als überbauten Freiräumen gleichfalls zum Ausdruck. Dementsprechend durften die Kavaliere auch in diesem Bereich des Schlosses ihre Hüte aufbehalten. Die übernächsten Räume, die Grands Chambres de Conversation lagen bereits in den inneren Seitenpavillons. Da sie zum Garten geschlossen sind, scheinen Trompe-l’œil-Malereien wie zum Ausgleich Durchblicke ins Innere des Schlosses zu gestatten. Das Prinzip der tiefenräumlichen Erweiterung wurde also selbst in geschlossenen Räumen beibehalten. Zwischen den Grottensälen und den Grands Chambres de Conversation lagen schließlich die Petits Chambres de Conversation. In die Vertäfelungen der Wände waren Ruinencapricci eingelassen, die zwar keine räumlichen Erweiterungen mehr suggerierten, aber dennoch die Thematik von Gärten und Landschaften aufgriffen. Am deutlichsten durchdrang der Garten das Schloss im Vestibül. Hier öffnete sich der Mittelpavillons nach außen nicht nur in fünf Bögen, sondern auch nach drei Richtungen. Dementsprechend war die dreischiffige, von Atlanten getragene Halle, wie schon Norberg-Schulz erkannt hat, wie eine Sala terrena, also wie ein Gartensaal, gestaltet.⁷³ Ebenso ist an eine Grotte zu denken. Noch heute lassen der figürliche und der plastische Schmuck mit seiner zerklüfteten Schroffheit eher Felsen als gebaute Architektur assoziieren. Dass das Tragen von Hüten hier erlaubt war, versteht sich von selbst. 62
Indes kommunizierte das Vestibül nicht nur über seine offenen Arkaden mit dem Garten. Da alle gartenseitigen Erdgeschossräume zu einer die gesamte Front durchziehenden Enfilade angeordnet waren, bildeten sie zugleich eine Art überdachter Passage, die parallel zum Hochparterre verlief. Zusammen mit den seitlichen Fahrwegen ergab diese Passage eine den Park hufeisenförmig umschließende Wegfolge, deren Winkel die Eckpavillons wie reale Gartenpavillons besetzten. Der Mittelpunkt dieser Passage war aber das Vestibül. Außerdem war das Vestibül über die sich anschließende Treppe mit der Hofeinfahrt und dem Hauptsaal verbunden. Da die Vorhalle nur auf halber Höhe liegt, reichte der Blick vom Gartenparterre aus durch das Vestibül über die Treppe hinweg bis in den Vorhof. Von dort aus konnte der Freiraum noch ungehinderter ins Schloss eindringen. Die fast vollständig in Bögen und Fenster aufgelöste, vorzeltartige Einfahrt grenzte die Treppe nur zum Himmel hin ab. Kleiners Ansicht mit der von links einfahrenden Kutsche macht deutlich, in welchem Maße dieser Bereich einst mit der Außenwelt kommunizierte – so sehr, dass selbst die Hermenpilaster der Fassade in ihm wiederkehren. Die der Einfahrt vorgelagerte Außentreppe führte unmittelbar zum Wendepodest der Treppe, von wo aus man sowohl nach oben zum Hauptsaal als auch nach unten in den Garten gelangte. Am Ende eines jeden Laufs befand sich entweder eine Figurennische oder eine Türöffnung. Auch hier ›bohrte‹ sich der Freiraum also entweder in die Wand, auf die er traf, oder er durchDas Obere Belvedere als Bau
stieß sie. Letzteres ergab einen Durchblick, der sich zu dem die Rampen und die Vortreppe der Hofseite auch als Ausläufer eben beschriebenen Blick vom Garten in den Hof gegenläufig der Innentreppe gesehen werden. Wie die Einfahrt dienen die verhielt und, über die Buchsbaum-Allee und die große Kas- avant corps als Verlängerung der Architektur nach außen. Wähkade hinweg, im Unteren Belvedere einen höchst wirkungs- rend die Pilaster noch ganz der Schlossarchitektur angehören, vollen point de vue fand. setzen sich die ihnen vorgelagerten Freisäulen in ihrer PlastiDa die hufeisenförmige Passage, die den Garten umschloss, zität bereits mit dem sie umgebenden Freiraum auseinander. und die tiefenräumlichen Wegfolgen, die den gesamten Bau in Die Säule verkörpert damit gewissermaßen das Gegenstück zur zwei Richtungen durchzogen, sich im Vestibül kreuzten, bildete Wandnische : Während die Nische den letzten Ausläufer des der gartenseitige Mittelpavillon nicht nur den Mittelpunkt der Freiraums im Baukörper bildet, ist die Säule der Vorposten des Fassade ; in seiner Offenheit und Raumhaltigkeit war er auch Baukörpers im Freiraum ; durch sie wird die Schlossarchitektur Schnitt- und Ausgangspunkt der wichtigsten Weg- und Blick- in die Freiheit des Umraums entlassen. achsen. Und betrachtet man den illusionistischen Ausblick in den Himmel, den Marcantonio Chiarini und Carlo Carlone im Hauptsaal schufen, gleichfalls als eine räumliche Öff- . Das Treppenhaus als Fokus der wechselseitigen nung, so besaß das Blick- und Wegekreuz auch eine vertikale Durchdringung Achse.⁷⁴ Um dies zu verdeutlichen, passte Kleiner die Zentral perspektive der Scheinarchitektur und des gemalten Figuren- Das Prinzip der wechselseitigen Durchdringung kulminiert apparats dem Augpunkt des Lesers an, so dass die Decke noch in der Treppe. Deren Erscheinungsbild ist durch das gemehr als im Originalzustand als höhenräumliche Verlängerung schickte Gegeneinandersetzen der unterschiedlichen Niveaus noch heute völlig verschieden, je nachdem, von welcher Seite der Saalarchitektur und als reale Öffnung erscheint. man das Schloss betritt. Vom Garten aus präsentiert sich die Stiege im Habitus der ›Kaisertreppe‹ : Ein mittlerer Arm teilt sich auf halber Höhe in zwei gegenläufige Seitenarme, die . Das Ausgreifen des Schlosses in den Umraum zum Hauptgeschoss führen. Von der Hofseite aus zerfällt die Dem Eindringen von Hof und Garten in sein Inneres antwor- Stiege in drei separate Läufe, von denen einer nach unten, tete das Schloss seinerseits mit einem Ausgreifen in den Frei- zwei nach oben weisen. Die Zwischenfläche auf halber Höhe raum – bezeichnenderweise an denselben Stellen. So können ist im einen Fall ein Wende-, im anderen Fall ein Ruhepodest Die tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum
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zwischen Vor- und Innentreppe. Auch war die ZwischenfläGestaltete sich der Aufstieg vom Garten zum Hof – nach che vormals Teil der Auffahrtsrampen. Über die Treppe wur- der Zäsur des Vestibüls – als ein stetiges Emporstreben zum den Vorhof und Garten also nicht nur bis ins Schloss hinein Licht und als eine kontinuierliche Wiedergewinnung räumliverlängert, beide durchdrangen sich in der Treppe auch, was cher Weite, so brachte der Abstieg vom Hof zum Garten den in den eben beschriebenen Blickachsen besonders sinnfällig schrittweisen Verlust dieser Phänomene mit sich. Umso überwurde. raschender fiel ihre plötzliche Wiedergewinnung beim BetreNeben die besondere formale Struktur tritt die kinästheti- ten des Gartens aus. sche Wirkung. Aus der hellen Weiträumigkeit des Gartens tritt der Besucher in das grottenhafte Halbdunkel des Vestibüls. Nach dieser Zäsur setzt sich sein Weg im unteren Treppenlauf . Die Synthese von Architektur und Umraum fort. Dieser führt aus schachtartiger Enge zu neuer räumlicher .. Hildebrandts Konzept Weite : Ohne Zwischenstützen spannt sich die Einfahrt, durchflutet vom Licht, das dem Besucher in reicher Fülle durch die Angesichts dieser starken wechselseitigen Durchdringung fünf großen Arkaden entgegenströmt. Durch sie wird der Blick von Schlosskörper und Umraum ist man sogar versucht, von auch wieder ins Freie entlassen, wo er auf die glitzernde Ober- einer Synthese beider Bereiche zu sprechen. Dafür spricht zum fläche des Bassins fällt. Das durch Retardierung unterbrochene einen, dass selbst die Fassade, also ausgerechnet das Element, Motiv des Aufstiegs ist also mit einer Abfolge verschieden gro- das für Flächigkeit zu stehen scheint, auf die räumliche Durchßer und heller Räume verbunden. dringung reagiert. Beispielsweise schlägt sich der Charakter der Dem Besucher, der von der Hofseite kommt, offenbart sich Galleries ouvertes als überbauter Grotten eben nicht nur in der dagegen eine Schautreppe, die mit der Architektur zu einer Ausgestaltung des Interieurs, sondern auch in der Rustizierung theatralischen Kulisse verschmilzt. Die Stufen verteilen sich der Zwischentraktfassaden mit Diamantquadern und groben auf mehrere Raumschichten : den Bereich vor der Fassade, das Schlusssteinen nieder. Zwischenpodest und die Seitenarme, die in einem Balkon vor Zum anderen bleibt die Durchdringung von Schloss und dem Hauptsaal enden. Der erste Treppenabschnitt steht noch Umraum keineswegs auf die in den vorigen Kapiteln geschilvöllig im Freien, der zweite befindet sich bereits im Schloss, ist derten Bereiche (Vestibül, Einfahrt, Treppe, Galleries ouvertes jedoch vom Vorhof noch nicht abgeschnitten. Erst der hintere und Eckpavillonzimmer) beschränkt. Im Hof wird das Schloss Abschnitt ist gänzlich von Architektur umfangen. durch das Spiegelbild im Bassin reproduziert. Im Garten grei64
Das Obere Belvedere als Bau
fen Treppen, Terrassen, Rampen, Balustraden, Heckenwände, Figurengruppen, Hermen, Vasen und sogar mit Deckenmalereien geschmückte Pavillons die Schlossarchitektur auf, während sich die Stiege im Innern über die Stufen der oberen Gartenterrasse und die beiden Kaskaden bis ins untere Drittel des Parks fortsetzt.⁷⁵ (Dieser Eindruck war zu Zeiten von Rose und Grimschitz ebenfalls beeinträchtigt, da die Hecken an der oberen Gartenterrasse zu hoch standen. Wie die Ansichten Kleiners im ›Wunder würdigen Kriegs- und Siegs-Lager‹ sowie in ›Das florierende Wien‹⁷⁶ beweisen, reichten die Hecken ursprünglich nicht über die Figurensockel hinaus, so dass die Säulen und Pilaster der Schlossfront unverdeckt blieben. In den letzten Jahren wurde der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt.) Der Integration des Gartens in die Architektur dienen auch die hohen Begrenzungsmauern, die das Obere mit dem Unteren Belvedere verbinden. Durch sie und die beiden Schlösser wird der Park von allen Seiten durch die gebaute Architektur eingefasst, wirkt wie in sie eingebettet. Bleiben wir beim Zuschnitt des Grundstücks, so zeigt sich, dass das Obere Belvedere über den Garten und den Hof hinaus das weitere Terrain auf sich bezog. Während der ›Große Garten‹ des Belvedere, also der Teil, der sich zwischen beiden Schlössern erstreckt, durchgehend gleich breit ist, werden der ›Kleine Garten‹ wie die an das Belvedere grenzenden Anwesen bergaufwärts immer schmaler. Zudem endeten sowohl der westlich gelegene Besitz des Fürsten von Schwarzenberg als auch der sich im Osten anschließende Komplex, der sich aus dem Areal Die tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum
des Salesianerinnenkonvents, dem Garten des Generals Bironi und dem Anwesen eines gewissen Herrn Heinisch zusammensetzte, bereits unterhalb der Gartenfront des Oberen Belvedere. So war es Hildebrandt ein Leichtes, den gleichfalls trapezoiden Ehrenhof hinter dem Schloss so breit anzulegen, dass dessen Randbebauung mit den Außengrenzen der Nachbargrundstücke fluchtet. Durch die geschickte Ausnutzung der Lage hatte Hildebrandt die angrenzenden Anwesen optisch dem Belvedere zugeschlagen und das obere Schloss zum Fokus der gesamten Umgebung gemacht. .. Die Synthese von Schloss und Umraum bei Salomon Kleiner Kleiners Stichwerk ist nicht nur deswegen interessant, weil es eine wichtige Quelle für die Rekonstruktion von Hildebrandts Konzept ist. Wie es scheint, war Kleiner auch bemüht, die Ideen des Architekten mit seinen eigenen gestalterischen Mitteln besonders herauszustellen. Scheinbar belanglose Details gibt er genau, je nachdem sogar pointiert wieder, während er andere nur summarisch andeutet. Ebendiese selektive, bisweilen sogar manipulative Akzentuierung zeigt, dass der Stecher Hildebrandts Gedanken wirklich begriffen und mit seinen eigenen gestalterischen Mitteln weiter herausgearbeitet hat. Besonders fassbar wird diese authentische Interpretation von Hildebrandts Konzept auf Kleiners Lageplan. Um die im vorigen Kapitel angesprochene optische Absorption der Nach65
baranwesen nachvollziehbar zu machen, bediente sich Kleiner eines manipulativen Kniffs. Der Verlauf der einzelnen Grundstücke ist trotz der eingezeichneten Grenzmauern nur mühsam zu verfolgen. Einzig der Dunkelheitsgrad der Flächen und Linien gibt an, welche Gebäude und Gartenkompartimente zum Belvedere gehören und welche nicht. Jedoch ist die Nuancierung so fein, dass es schon eines genaueren Hinsehens bedarf. Mit ebensoviel Geschick gestaltete Kleiner die Darstellung des Belvedere in der Vogelschau. Eindeutig erscheint das obere Schloss als der natürliche Bezugspunkt der gesamten Umgebung, einschließlich der Nachbaranwesen. Dieser Eindruck ist zum einen der Perspektive und der Wahl des Bildausschnitts geschuldet. Die Baulichkeiten des Salesianerinnenklosters sind nur zum Teil sichtbar. Das Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg) ist sogar fast ganz ausgeblendet. Seine Wirtschaftsgebäude nehmen sich daher wie Nebenbauten des Unteren Belvedere aus. Folglich erscheinen auch die Gärten der Salesianerinnen und des Fürsten Schwarzenberg als Teile einer Parklandschaft, die vom Unteren Belvedere ausgeht und auf das Obere Belvedere zuläuft. Nicht weniger arbeitete Kleiner die Synthese von Schloss und Umraum in den Einzelansichten heraus. Über die Einblicke, die er von außen in und durch das Schloss hindurch sowie aus dem Schloss heraus in den Garten (und scheinbar auch aus dem Schloss in den Himmel) gewährt, haben wir bereits gesprochen. Sicher ist es kein Zufall, dass Kleiner bei der Ansicht des Treppenhauses den Blick nicht im Vestibül enden ließ, 66
sondern ihn über die mittlere Buchsbaum-Allee und die Große Kaskade hinweg bis zum Unteren Belvedere weiterführte und das untere Schloss sogar recht detailliert wiedergab. Der von Hildebrandt intendierte Durchblick und die Zusammengehörigkeit beider Schlösser sollte unbedingt erfahrbar werden. Um die räumlichen Bezüge sinnfällig zu machen, versäumte Kleiner es auch nicht, bei der Darstellung des Hauptsaals einen Blick auf das Bassin, das an der östlichen Schmalseite des Schlosses liegt, zu eröffnen. Zu diesem Zweck übersprang er sogar die gesamte gartenseitige Enfilade (Antichambre, Apartement [sic !] des Conferences, Apartement [sic !] aux Audiences). Wie durch einen Zoom blickt der Betrachter vom Hauptsaal unmittelbar in das Spiegelzimmer des nordöstlichen Eckpavillons, durch dessen geöffnetes Fenster er das Bassin sehen kann. Dieses nimmt mit seinem konkaven Beckenrand den tiefenräumlichen Impuls auf, der durch den oktogonalen Grundriss des Hauptsaals intoniert wird. Dass das Fenster in Wirklichkeit im Winkel von ° steht, ignorierte Kleiner geflissentlich. Am meisten Beachtung verdient freilich der Blick aus dem Vestibül. Nicht nur, dass dieses Blatt, obwohl es einen Innenraum zeigt, ausgerechnet den Teil des Stichwerks einleitet, der von der Ausstattung des Gartens (!) handelt. Nicht nur, dass man dank des niedrigen Augpunkts die drei Treppenstufen, die vom Vestibül zum Parterre führen, buchstäblich übersieht und der Übergang zwischen beiden Zonen somit fließend zu sein scheint ! Mittels der Arkaden ist der Prospekt auch in fünf Das Obere Belvedere als Bau
Felder aufgeteilt, von denen jedes sein eigenes Hauptmotiv hat. So folgen von links nach rechts die sich über der westlichen Heckenwand erhebende Karlskirche, das hinter einer Figurengruppe sich erstreckende Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg), das am Ende der Mittelachse stehende Untere Belvedere, hinter dem sich wiederum die Türme des Stephansdoms abzeichnen, die Kuppel des Salesianerinnenklosters und schließlich die Türme der Oratorianerkirche St. Sebastian und Rochus, welche die östliche Heckenwand überragen. Die Ausrichtung der Bauten auf die architektonische Struktur erinnert an die zeitgenössischen Wandmalereien in Landschaftszimmern und zeigt, wie konstitutiv die Verbindung von Innen- und Außenraum für Hildebrandts Architektur war. In gewisser Weise bestand sogar ein dialektisches Verhältnis zur Ausstattung der Grand Chambres de Conversation. Während dort der Wanddekor dem vom Garten kommenden Besucher einen Blick in fiktive Innenräume zu gewähren schien, erlaubten die Vestibül-Arkaden dem, der aus dem Schloss in den Garten ging, einen realen Blick ins Umland. Vor allem aber suggeriert Kleiner, dass die Landschaft aus der Perspektive des Belvedere gesehen werden soll bzw. aus dieser Sicht einen besonderen Sinn ergibt. Erst durch die Aufteilung in einzelne Bildsegmente erhält der Blick auf die Stadt eine ordnende Struktur, werden die einzelnen Bauwerke gebührend hervorgehoben, während weniger Wichtiges durch die Arkadenpfeiler verdeckt wird.
Die tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum
.. Die Synthese von Schloss und Umraum als die spezifische Eigenschaft eines herrschaftliche Landhauses Die ordnende Struktur und der bildhafte Charakter der Ausund Durchblicke, die Hildebrandts Architektur auszeichnen und die Kleiner in seinen Stichen entsprechend hervorhebt, leiten zu einem weiteren Aspekt über : dem literarischen und architekturtheoretischen Topos der antiken villa suburbana. Dieser Topos begegnet uns vor allem in vier Texten : in zwei Briefen, in denen der jüngere Plinius seine Villen in Laurentinum und in Tusculum beschreibt, im gedanklichen Entwurf einer idealen villa suburbana bei Alberti und in einem Abschnitt in den ›Quattro libri‹, in denen Palladio seinen Entwurf für die Villa Rotonda bei Vicenza erläutert. An den Pliniusbriefen fällt vor allem auf, in welchem Maße sie auf das Verhältnis von Architektur und Landschaft eingehen.⁷⁷ Eine wichtige Rolle spielt dabei der Ausblick, den die günstige Lage und die Öffnung der Architektur nach mehreren Seiten ermöglichen. Während Plinius an seiner Villa Laurentiana den Blick nach drei Seiten lobt, die sich aus dem Triklinium dank der hohen Fenster und Türen bietet,⁷⁸ vergleicht er die Aussicht der tusculanischen Villa mit einem Gemälde. Des Weiteren schildert er in einer komplementären Betrachtung von außen die Lage der Villen und ihre Erscheinung innerhalb der Landschaft. Was die Villa in Tusculum betrifft, so liest sich die Beschreibung wie folgt : 67
Die Gestalt der Gegend ist sehr schön. Stelle Dir ein riesiges Amphitheater vor, eines, wie es nur die Natur bilden kann. Eine weite und ausgedehnte Ebene wird von Bergen umschlossen. Die Berge tragen auf ihren höchsten Rücken hoch gewachsene und alte Wälder. Reich und mannigfaltig ist das Wild. An dem Gebirge herunter ziehen sich Schlaghölzer. Zwischen diesen erheben sich Hügel mit fruchtbarem und fettem Erdreich – nicht leicht findet man Felsen, selbst wenn man sie sucht – die auch dem ebensten Feld an Fruchtbarkeit nichts nachgeben und die auch die reichste Ernte, nur etwas später, zur Reife bringen. Unter ihnen erstrecken sich auf dieser ganzen Seite Weinberge, die weit und breit eine harmonische Aussicht gewähren und unten mit einer Einfassung von Gebüsch versehen sind. Dann kommen Wiesen und Felder. […] Die blühenden, wie mit Edelsteinen geschmückten Wiesen bringen den Klee und andere zarte, allzeit milde Graspflanzen gleichsam in neuem Wuchs hervor. […] Du hättest große Freude, erblicktest Du von einem Berg aus diese Landschaft. Es schiene Dir, als sähest Du nicht eine Landschaft, sondern ein in höchster Schönheit gemaltes Bildnis (formam pictam). Wohin immer Deine Augen blicken, werden sie durch diese Vielfalt (varietate), diese Anordnung (descriptione) erquickt. Die Villa liegt am Fuß eines Hügels, und doch hat sie die Aussicht wie von der Höhe aus. Sich selbst verleugnend, steigt der Hügel so sanft und leicht an, dass Du beim Aufstieg nicht glaubst, bergan zu steigen. […]⁷⁹
Selbstverständlich gibt es zwischen der Plinius-Villa und dem Oberen Belvedere keine unmittelbaren Entsprechungen, wohl 68
aber eine ganze Reihe von Übereinstimmungen. So gewährt auch das Obere Belvedere Blicke in mehrere Richtungen : Vom Vestibül und dem Hauptsaal aus ergibt sich ein dreiseitiger Fächerblick. Die Eckpavillons eröffnen sogar einen Blick nach fünf Seiten (die Blicke auf die Altane, welche die Pavillons verbinden, nicht eingerechnet). Eine andere Gemeinsamkeit ist die Vorstellung, dass die Landschaft, auf die man von einem erhöhten Punkt aus blickt, malerische Qualitäten besitzt, da sie, wie Plinius es ausdrückt, nicht nur schön, harmonisch und mannigfaltig, sondern auch gut aufgeteilt ist. Ebendiese Kriterien bestimmen auch Kleiners Vedute. Und bezieht man Kleiners Vogelschau der Gesamtanlage in den Vergleich ein, so entsprechen Plinius’ Beschreibung auch der sanfte Anstieg des Geländes sowie die Einbettung in blühende Wiesen, fruchtbares Ackerland und in Weinberge. Weitere Gemeinsamkeiten ergeben sich aus der Lektüre des restlichen Briefes. Wie in Tusculum konnte man in Wien die Wiese, die Weinberge und grünen Felder durch die Fenster erblicken, einschließlich »einer Waldpartie«. Ebenso war »durch die Türen das Ende der Terrasse« sichtbar.⁸⁰ Außerdem korrespondierte mit dem Blick aus dem Gebäude in die Landschaft die Vergegenwärtigung der Natur im Innern durch gemalte Naturszenen. So ahmten Wandmalereien in Plinius’ Schlafzimmer »Bäume und Vögel, die im Gezweig sitzen, nach«, während im Oberen Belvedere die Natur über die Grottensäle ins Gebäudeinnere geholt wurde.⁸¹ Das Obere Belvedere als Bau
Bisweilen reichen die Übereinstimmungen sogar bis ins Detail : Beide Bauten sind primär nach Süden ausgerichtet, besitzen eine Vorhalle, einen Vorhof, eine mit Buchs eingefasste Terrasse sowie einen Hof, in dem sich ein großer Teich befindet. Die Bäume des Gartens sind in verschiedene Gestalten geschnitten, es gibt sich absenkende Rasenstücke, einen Heckengang mit dichtem Gebüsch, Alleen und gestutzte Bäume, kleine Plätze, die von Bäumen beschattet werden. Das ganze Anwesen ist von einer Mauer umgeben, die sich hinter Buchsbaum verbirgt. Ferner zieren den Garten marmorne Sitzbänke, Skulpturen sowie etliche Brunnen und Wasserspiele. Selbstverständlich sind weder die Architektur des Oberen Belvedere noch der barocke Garten unmittelbare Umsetzungen von Plinius’ Beschreibung. Jedoch enthalten die Villenbriefe zahlreiche Elemente, die sich zu Beginn des . Jahrhunderts vorzüglich in das Konzept eines Schlosses integrieren ließen – vor allem, wenn dieses außerhalb der Stadt und inmitten eines Gartens lag. Grundsätzlich dürfen wir davon ausgehen, dass Eugen und Hildebrandt die Plinius-Briefe kannten. Immerhin handelte es sich bei diesen um die »prominentesten antiken Texte über die Architektur des herrschaftlichen Landhauses« überhaupt (Gerd Blum).⁸² Ferner wird eine so reich ausgestattete Bibliothek wie die des Prinzen Eugen neben den anderen Klassikern der antiken Literatur das Œuvre des Plinius enthalten haben.⁸³ Demnach hypostasierte Eugens Sommerschloss nicht nur ein Feldherrnzelt, sondern auch – wie ja sein bauliches Vorbild, Die tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum
Palladios Villa Pisani (vgl. Kap. B .) – auch ein »herrschaft- a liches Landhaus«. Für eine solche Vermutung spricht neben den formalen Gemeinsamkeiten die Nutzung des Schlosses. Wenn Plinius mehrfach von einer Pferderennbahn (hippodromus) spricht,⁸⁴ so betont er damit auch die Bedeutung, die er dem Wagenrennen und der Reitkunst beimaß. Wie wichtig Letztere für Eugens Selbststilisierung zum edlen Ritter war, hat Krapf anhand des Marstalls nachgewiesen.⁸⁵ Nicht von ungefähr wird dieser Bau auch in Kleiners Stichwerk gebührend be rücksichtigt (Buch IX, Tf. –). Des Weiteren charakterisiert Plinius seine Villa als eine Stätte des Studiums, der Jagd, der Freude und des Ruhmes : Den Geist ertüchtige ich mit Studien, den Körper mit Jagen. […] Mögen die Götter auch künftig mir diese Freude, dem Ort diesen Ruhm erhalten !⁸⁶
Dass die Jagd im . Jahrhundert ein unverzichtbarer Bestandteil adliger Lebensführung war und Eugen auch den Künsten und Wissenschaften außerordentliche Bedeutung beimaß, muss nicht eigens erwähnt werden. In diesem Sinne ist das Belvedere insgesamt als ein Sitz der Künste und Wissenschaften gestaltet. Ebenso ist es wie die Plinius-Villa eine Stätte der gloria. Auf all diese Eigenschaften nimmt die Ikonographie des Schlosses, mit der wir uns in Teil C zu befassen haben, explizit Bezug. Die von Plinius entwickelten Topoi der antiken Villegiatur wurden von Alberti, der sich auf den antiken Autor nachdrück69
lich beruft,⁸⁷ aufgegriffen und weiterentwickelt. Mehrfach kommt Alberti auf die ideale villa suburbana, ihre Lage und die Arten ihrer Ausblicke zu sprechen. Eine dieser Passagen liest sich geradezu wie eine Paraphrasierung der Plinius-Briefe : Ein solches Gebäude wird einen Genuss bereiten, welches, sobald Du aus der Stadt herausgetreten bist, sich mit seinem gesamten Erscheinungsbild der Sicht prachtvoll darbietet, und wenn es jene, die zu ihm hinauskommen, erfreut und sie zu empfangen bereit ist. Ich wünschte es deshalb ein bisschen höher gelegen und ich wollte, dass die Straße an dieser Stelle in sanfter Steigung sich etwas erhebe, um den Wanderer zu täuschen, so dass er durch nichts anderes merkt, dass er bergan gestiegen sei, als durch den Rundblick auf das Gelände infolge der Höhe des Ortes. Blühende Wiesenflächen ringsum, ein durchaus sonniges Feld, der kühle Waldesschatten und klare Quellen und Bächlein […]. Im Übrigen möchte ich, dass das Äußere des Gebäudes und dessen Wirkung […] von allen Seiten und überall so klar und deutlich als möglich sichtbar sei ; und dass es, unterm weiten Himmel liegend, dem Licht der Sonne und der gesunden Luft ungehindert Zutritt lasse.⁸⁸
Allerdings enthält Albertis Text zwei Eigenschaften, die sich bei Plinius noch nicht finden, die in Kleiners Vogelschau aber eine umso größere Rolle spielen : die prachtvolle Erscheinung (facie laeta videnda) und die sonnige, völlig freie Lage. Auf diesen Aspekt weist Alberti auch im fünften Buch der ›Res aedificatoria‹ hin. Darüber hinaus geht er näher auf den Charakter der schö70
nen Aussicht ein. Der Betrachter sieht u. a. die Stadt, zu der die Villa gehört, mehrere Schlösser, die ausgegossene Ebene, Hügel, die Gipfel der Berge und herrliche Gärten.⁸⁹ Allerdings bereitet solch ein Ausblick in ganz unterschiedlichem Maße ein visuelles Vergnügen – je nach Himmelsrichtung, Entfernung und Luftperspektive.⁹⁰ Die Unterscheidung in verschiedene Grade der Entfernung (proximum – ex propinquo bzw. ex medio intervallo – longe distans, distans et procul positus) erinnert an die Aufteilung eines Bildes in Vorder-, Mittel- und Hintergrund, umso mehr, als Alberti mit diesen Distanzen ganz bestimmte Erscheinungsformen der Landschaft verknüpft. Interessanterweise unterteilt auch Kleiner den Blick aus dem Vestibül in die Landschaft gleichfalls in drei Gründe : Wäh- rend sich der Vordergrund von der Terrasse bis zum Unteren Belvedere erstreckt, wird der Mittelgrund von den Bauten der Stadt Wien eingenommen. Den Hintergrund bilden schließlich die Höhenzüge des Kahlenbergs (links), des Leopoldsberges (rechts) und des Wienerwalds (Hintergrund). Natürlich ist Kleiners Vedute keine unmittelbare Reaktion auf Albertis Beobachtungen. Aber indem sie – wie oftmals auch die Landschaftsmalerei – den bei Alberti beschriebenen optischen Gesetzmäßigkeiten Rechnung trägt, betont sie den malerischen Charakter des dargestellten Ausblicks. Nicht zuletzt unterscheidet Alberti zwischen zwei Arten eines Herrenhauses : Das eine wird im Sommer, das andere im Winter bezogen.⁹¹ Diese Differenzierung ist insofern von Belang, als hier eine Praxis aufgezeigt wird, welche die adlige Das Obere Belvedere als Bau
Wohnkultur der frühen Neuzeit maßgeblich prägte. Im Rahmen dieser Wohnkultur nutzte auch Prinz Eugen das Stadtpalais als Winterresidenz und das Belvedere als Sommersitz. Kommen wir nun zur dritten Quelle, Palladios Beschreibung der Villa Rotonda. Die Lage gehört zu den anmutigsten und erfreulichsten, die man finden kann. Das Haus liegt auf einem leicht zu besteigenden Hügel […], der auf der anderen Seite von Hügeln umgeben ist, die wie ein großes Theater wirken und alle bestellt werden, reichlich Früchte sowie ausgezeichnete und gute Weinreben tragen. Da man von der Seite wunderschöne Ausblicke genießt, worunter einige die nahe Umgebung erfassen, andere wiederum weiter reichen und wieder andere erst am Horizont enden, so hat man von allen vier Seiten Loggien errichtet …⁹²
Wie schon Erik Forssman erkannt hat, greift der Text eindeutig Elmente von Albertis Schilderungen auf ⁹³ – einschließlich der Differenzierung der Landschaft in drei Tiefenebenen. Die Wahrnehmung der Landschaft als ein Gemälde wird damit noch greifbarer.⁹⁴ Bezieht man die Holzschnitte, mit denen Palladio seine Texte illustrierte, in die Deutung ein, so zeigt sich ferner, wie sehr die Architektur über die Portiken und Treppen nach allen vier Himmelsrichtungen in die Landschaft ausgreift und wie sehr im Gegenzug die Landschaft über diese Vorbauten in das Gebäude eindringt. Nicht weniger bemerkenswert ist die Die tiefenräumliche Verschmelzung des Schlosses mit dem Freiraum
Ikonographie des Baues. Blum spricht zu Recht von einer »Abbreviatur des ›idealen‹ Ortes«.⁹⁵ Wie Camillo Semenzato und Wolfram Prinz gezeigt haben, hypostasierte die Villa darüber hinaus den Sitz der Musen, der sich auf der Anhöhe gleich einem Tugendberg erhebt.⁹⁶ Mithin entspricht das Obere Belvedere auch der Villa Rotonda in vielfacher Hinsicht : in der Lage auf einem unmerklich ansteigenden Hügel, in der räumlichen Durchdringung mit einer idealen, als ein Gemälde aufzufassenden Landschaft und in der Bedeutung als Musensitz.
. Die Orangerie des Belvedere: ein weiteres Beispiel für die Synthese von ephemerer Architektur und Landschaft Ehe wir den Bereich der strukturellen und ideellen Durchdringung von Schloss und Landschaft verlassen, möchte ich noch auf ein Gebäude eingehen, das wie kein anderes Hildebrandts Konzept einer offenen ephemeren Architektur, die mit ihrem Umraum eine Synthese eingeht, vermittelt : die Orangerie des Belvedere. Einem Aufriss Kleiners zufolge präsentierte sich die Anlage im Sommer als eine offene Schauarchitektur. Die sehr breite Rückwand bestand aus elf Blendarkaden, die sich, sofern sie nicht Spaliere rahmten, in Brunnen- und Figurennischen öffneten. Von der Rückwand gingen zwei kurze Längswände aus, deren Stirnseiten wiederum durch eine niedrige Mauer 71
verbunden waren. Diese war mit zehn Figurensockeln bestückt. Auf den beiden inneren Sockeln standen eine Apollo-Daphneund eine Herkules-Fama-Gruppe, die übrigen Sockel waren mit Musen besetzt.⁹⁷ Unterhalb der Sockel speisten Brunnenmasken einen kleinen Kanal, der die gesamte Breitseite der Orangerie einnahm. Über das Wasser führte eine Brücke auf das von der Architektur umschlossene Feld. Auf diesem wuchsen in zwei Reihen je Pomeranzenbäume. Auf Kleiners Aufriss sind die Bäume nicht eingezeichnet, wohl aber auf dem dazugehörigen Grundriss. Wie ein dem Grundriss beigefügter Längsschnitt zeigt, verlief hinter der Rückwand der Orangerie der Südflügel des Marstallgebäudes. Der dazwischen liegende Hof war mit einer Reihe beweglicher Walmdächer bedeckt. Im Herbst, wenn die Vorderseite der Orangerie durch eine Holzwand geschlossen war, konnten diese Walmdächer über Balken nach vorne gezogen werden. Die an die Nymphäen italienischer Gärten erinnernde Brunnenanlage verwandelte sich schlagartig in ein Gewächshaus. Anders als August der Starke und die meisten anderen Orangeriebesitzer ließ Eugen seine Pomeranzen also nicht eintopfen, um sie im Sommer ins Freie zu stellen ; vielmehr ließ er sie in fester Erde wachsen und während der kalten Jahreszeit mit einer ephemeren Architektur umschließen. Nicht die Pflanze, sondern die Architektur war das bewegliche Element. Ebendieser Charakter einer beweglichen Kulisse und einer ephemeren Holzkonstruktion, die als sekundäres Element über ein gärtnerisch gestaltetes Terrain als eine primäre Struktur ge72
setzt werden kann, haftet auch dem Oberen Belvedere an. Wie die Orangerie geriert es sich als eine Bretter- und Zeltarchitektur, deren Nutzung nicht weniger von der Jahreszeit abhängt.
Das Obere Belvedere als Bau
5 Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
. Formale Vorbilder
a
Wie Kapitel .. gezeigt hat, lässt sich das Belvedere gedanklich mit dem damals sehr geläufigen Topos der villa suburbana oder des herrschaftlichen Landsitzes assoziieren. Was aber wären die formalen Vorbilder ? Was die Unterteilung in Pavillons betrifft, so hat sich bereits gezeigt, dass Hildebrandt neben Feldherrnzelten vor allem Schlösser wie Maisons-Lafitte, Le Raincy und Vaux-le-Vicomte rezipierte. Auch für die Verbindung einer Treppe mit einer offenen Fassade lassen sich zahlreiche Vorbilder und Vergleichsbeispiele finden. Sie reichen von Christoph Leonhard Sturms Aufriss einer ›Haupt-Treppe in einem fürstlichen Hof‹, die dann als Vorbild für das Treppenhaus von St. Florian diente, über das Hôtel Lambert in Paris, Palladios Villa Pisani und die neapolitanischen Stiegenhäuser Ferdinando Sanfelices⁹⁸, Juvarras Umbauprojekt für den Palazzo Madama in Turin⁹⁹ bis zu den vermutlich gleichfalls offenen Stiegenhäusern des Schlüterhofs im Berliner Schloss.¹⁰⁰ Daneben wären Werke der Bühnenkunst zu nennen, etwa die diversen Entwürfe in Andrea Pozzos ›Trattato‹¹⁰¹ oder die Pläne der Gebrüder AntoFormale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
nio und Fernando Galli da Bibiena, die mit Hildebrandt zum Teil an denselben Projekten arbeiteten.¹⁰² Für noch entscheidender halte ich allerdings die Frage, die auf die Haupteigenschaft der Belvedere-Architektur zielt : Welche Vorbilder gab es für die wechselseitige Durchdringung von Architektur und Umraum ? Wie wir sahen, gelang Hildebrandt diese Durchdringung vor allem mittels der Treppe, die das gesamte Schloss durchzieht, sowie mittels der Grottensäle, die gleichermaßen der gebauten Architektur wie der Gartenarchitektur angehören. Die tiefenräumliche Inszenierung einer Treppe, die, den gesamten Baukörper durchdringend, sich mit mehreren Raumschichten verschränkt, findet sich schon in der Spätrenaissance. In Anbetracht von Hildebrandts Herkunft aus Genua könnte man an den – von Rocco Lurago errichteten Hof des Palazzo Doria-Tursi oder an den – von Bartolomeo Bi- anco erbauten Hof des Palazzo dell’Università denken. Biancos Treppe führt von einem Vorhof in einen allseitig von doppelgeschossigen Galerien umschlossenen Binnenhof. Dahinter setzt sie sich fort, teilt sich im rechten Winkel in zwei Arme, die erneut um ° umknicken, um schließlich das obere Geschoss der Galerie zu erreichen. Dort beginnt eine zweite Treppe, die mit der unteren kongruent ist ; ihr mittlerer Arm führt zu einem Garten, die Seitenarme laufen bis zur Dachterrasse weiter. Obwohl die bauliche Situation eine völlig andere ist, gibt es mit dem Oberen Belvedere einige Übereinstimmungen : Die Treppe führt vom Freien wieder ins Freie und durchläuft dabei 73
mehrere Architekturzonen von unterschiedlicher Größe und Helligkeit. Auch lassen Durchblicke das Fernziel schon von weitem erkennen. Dass Hildebrandt sich von der Architektur seiner Geburtsstadt tatsächlich inspirieren ließ, zeigt sein – erbautes Treppenhaus in Pommersfelden. Der wie ein Innenhof gestaltete Raum paraphrasiert mit seinen umlaufenden, von doppelten Stützen getragenen Galerien ganz offensichtlich den Genueser Palastbau.¹⁰³ Ein weiteres Vorbild des Oberen Belvedere scheint mir der Typus des Lustschlosses zu sein, wie ihn beispielsweise Fischer von Erlach in mehreren Bauten und Entwürfen entwickelte. Zu denken wäre etwa an das sog. Hintere Gebäude im Liechtenstein’schen Garten in der Rossau zu Wien, den wohl um entworfenen und dann in der ›Historischen Architectur‹ publizierten ›Prospect eines Garten-Gebäudes‹¹⁰⁴, den ebenda veröffentlichten Entwurf für Schloss Klesheim¹⁰⁵ und das Lustgebäude des Grafen Strattmann in Neuwaldegg. Natürlich besitzen all diese Bauten ein völlig anderes Erscheinungsbild, doch haben sie mit dem Oberen Belvedere eines gemeinsam : den Durchblick in der Mitte, der mit einer Treppe oder einer Rampe verbunden ist. Und denkt man sich bei der Hoffront die Einfahrt ohne den rückwärtigen Gartenpavillon, so lassen sich durchaus auch formale Übereinstimmungen, etwa zum Mittelteil des Liechtenstein’schen Lusthauses, feststellen. Speziell für das Motiv der Gartenfront, die im Erdgeschoss von einer Treppe durchzogen wird, gibt es indes auch noch ein anderes Vorbild : das von Le Vau erbaute und im . Jahr74
hundert leider zerstörte Schloss Saint-Cloud. Auch hier ver- band die Treppe den tiefer gelegen Garten mit dem Ehrenhof, wobei sie den Mittelpavillon in voller Breite durchschnitt und sich im Vestibül, das unmittelbar hinter dem Hofrisalit lag, in zwei gegenläufige Arme teilte.¹⁰⁶ Und wie im Belvedere setzte diese Treppe im Grunde genommen schon in den Stufen des Hochparterres an. Mit dem Treppenhaus des Oberen Belvedere verwandt ist auch der Wallpavillon des Dresdner Zwingers (erste Planungen , Rohbau von –). Die Treppe setzt mit mal Stufen bereits vor dem Baukörper an. Durch drei mittlere Arkaden und zwei seitliche Kolonnadenfragmente, die das Untergeschoss fast völlig perforieren, gelangt man ins verschattete Innere. Dort führt ein mittlerer Treppenlauf bis auf etwa ein Drittel der Geschosshöhe, um sich dann symmetrisch zu gabeln. Auf zwei Dritteln der Geschosshöhe knicken die Arme um Grad um und vereinen sich auf der Höhe des hinter dem Pavillon verlaufenden Walls. Von dort führt eine Brücke in das Obergeschoss des Pavillons. Das Innere des Pavillons ist also in drei Schichten unterteilt. Jeder Schicht ist ein Treppenabschnitt zugeordnet, der wiederum je ein Drittel der Gesamthöhe beansprucht. In ihrer sehr rationalen Struktur behauptet die Treppe ein hohes Maß an Autonomie. Ja es scheint, als sei sie nicht Teil des Bauwerks, sondern als sei ihr der Pavillon nachträglich übergestülpt worden. Verstärkt wird dieser Eindruck zum einen durch die weitgehende Entmaterialisierung des Erdgeschosses, auf dem das Hauptgeschoss wie auf Stelzen Das Obere Belvedere als Bau
steht. Zum anderen suggeriert die Vortreppe, sie sei dem Pavillon nicht vorgelagert, sondern trage ihn wie ein Podest. Gestützt wird diese Deutung durch die Genese des Baus. Wie Michael Kirsten gezeigt hat, war die Treppe in Pöppelmanns Konzeption das Primäre. Erst spätere Planungen sahen vor, sie in flankierende Bogengalerien einzubetten und mit einem Pavillon zu überbauen. Dabei veränderte sich ihre Struktur kaum ; lediglich im unteren Drittel ersetzte der Mittelarm zwei Seitenarme.¹⁰⁷ Die Vorstellung, die Wallpavillon-Architektur sei nur eine sekundäre Überbauung der Treppe, reflektiert auch eine zeitgenössische Quelle, die vom »Saal über der Treppe« und nicht vom oberen Saal des Pavillons spricht.¹⁰⁸ Fasst man den Wallpavillon als Überbauung der Treppe auf, so erscheint seine Durchdringung mit dem Freiraum völlig logisch. Vom Zwingerhof geht ein tiefenräumlicher Impuls aus, der an der Rückwand des ersten Wendepodestes wie in den Grottensälen des Oberen Belvedere eine Nische hinterlässt. Und da der Zwingerhof ursprünglich als Garten geplant war,¹⁰⁹ lag es nahe, dass der von ihm durchdrungene Bereich wie der Saal unter dem Mathematisch-Physikalischen Salon den Charakter einer Grotte erhielt. Diese Grottenhaftigkeit wird nicht nur in Pöppelmanns Stichwerk hervorgehoben, sie drückt sich auch in dem Brunnen aus, der die Nische füllt.¹¹⁰ Im Wallpavillon wie im Oberen Belvedere wird ein Baukörper von einer Treppe durchdrungen, die bereits im Freien ansetzt. Die Architektur wirkt dabei als Überbauung, nicht als geschlossener Innenraum. Und wie Pöppelmann führte HildeFormale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
brandt seine Treppe durch mehrere Raumschichten von unterschiedlicher Helligkeit. Über den szenographischen Charakter hinaus verbindet beide Bauten ihr ephemeres Wesen. Ferner stehen sie sich in der plastischen Bildung des Dekors, in der Behandlung des Baukörpers als bewegliche Masse und in der zeltartigen Gestaltung der Dächer nahe. Selbst die Kombination von Arkaden und Hermenpilastern findet sich an beiden Bauten. Wenngleich Hildebrandt niemals in Dresden war, dürfte er sich mit dem Zwinger auseinandergesetzt haben. Eberhard Hempel hat darauf hingewiesen, dass Pöppelmann bei seinem Aufenthalt in Wien im Jahre Hildebrandt begegnet ist. Er nimmt sogar an, Schloss Göllersdorf, – von Hildebrandt für Friedrich Carl von Schönborn erbaut, sei durch die Zwingerentwürfe, die Pöppelmann bei sich trug, beeinflusst worden.¹¹¹ Zwar war der Wallpavillon zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgesehen, doch schließt dies nicht aus, dass Pöppelmann seinem Kollegen bereits zu diesem Zeitpunkt ähnliche Treppenkonzeptionen vorlegen konnte. Darüber hinaus könnte Hildebrandt mit dem Zwinger nach dessen Vollendung erneut in Berührung gekommen sein. besuchte er Pommersfelden, wo er für Lothar Franz von Schönborn das schon erwähnte Treppenhaus baute. Der Kurfürst war vom Wiener Belvedere ebenso begeistert wie vom Dresdner Zwinger. In dem eingangs zitierten Brief an seinen Neffen Friedrich Carl gestand Lothar Franz, wie sehr es ihn nach einer Besichtigung des Wiener Belvedere verlange ; in 75
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demselben Atemzug verriet er sein Bedürfnis, den Dresdner Zwinger zu sehen : Sollte mir Gott das leben fristen…, so hoffe ich dieses wunderschöhne werk [das Untere Belvedere, Anm. d. Verf.] noch in augenschein zu nehmen undt nachdem auch dem vernehmen nach der könig Augustus ein wunderwerck von einer orangerie undt nebengebäuen in Dresden machen lasset, so sticht mich der kitzel mächtig, in dessen einstmahliger abwesenheit ein stutz von Bamberg aus gantz uhnvermuthet all’incognito dahin zu thuen, indem solches in tagen gantz gemächlich vollbracht werden könndte.¹¹²
Angesichts der Wertschätzung, die Lothar Franz Hildebrandt und Pöppelmann gleichermaßen entgegenbrachte, liegt es nahe, dass der Kurfürst mit dem Wiener Architekten den Dresdner Bau diskutierte und ihm möglicherweise Kopien von Plänen vorlegte.¹¹³ Weitere Berührungspunkte mit dem Zwinger ergaben sich gewiss auch aus den Kontakten mit Balthasar Permoser, der in den Jahren – die ›Apotheose des Prinzen Eugen‹ schuf, jene Figurengruppe, die Kleiners Titelkupfer ziert und für die im Oberen Belvedere ein eigener Raum vorgesehen war.¹¹⁴ Kommen wir nun zum zweiten Aspekt, der Verbindung von Architektur und Garten mittels Grottensälen. Auch in diesem Punkt war der Dresdner Zwinger ein Vorbild. Während Pöppelmann den Zwingergarten mit dem Wallpavillon überbaute und dabei einen grottenartigen Durchgangsbereich schuf, ließ 76
er umgekehrt im bereits erwähnten Grottensaal des Mathematisch-Physikalischen Pavillons den Garten in die gebaute Architektur eindringen. Als ein weiteres Vorbild wäre Le Nôtres Grotte im Park von Vaux-le-Vicomte zu nennen. Dort ist das rustizierte Mauerwerk eine Übergangsform zwischen der gebauten Wand und dem behauenen Felsen. Dementsprechend umschließen die von Hermen flankierten Nischen auch künstliche Felsen. Im Belvedere deutete Hildebrandt diese Elemente tiefenräumlich (!) um : Die rustizierte Wand machte er zu einem Teil der Fassade, Hermen und Nischen projizierte er auf die Rückwand der Galerien. Interpretiert man das Erdgeschoss als einen ›natürlichen‹ Sockel, so gehört das Schloss nicht nur im Grundriss, sondern auch in Teilen des Aufrisses der Gartenarchitektur an. Der in den Zwischentrakten des Oberen Belvedere erkennbare Doppelcharakter des Erdgeschosses als gebaute Architektur einerseits und als Natursockel für einen Palast andererseits hat eine lange Tradition, die hier nur sehr grob skizziert werden kann. Besonders sinnfällig formulierte Bernini die Idee, das rustizierte Sockelgeschoss sei ein natürlicher Gebäudesockel. In seinem zweiten Louvreprojekt stellte er das französische Königsschloss auf einen künstlichen Felssockel, der an einigen Stellen bis in die Rustizierung des Erdgeschosses hineinragt. Am Palazzo Montecitorio in Rom versah der Cavaliere Teile des Erdgeschosses (vor allem die Kanten der Seitenrisalite und die Solbänke der Fensterrahmen) mit so groben Rustizierungen, dass man sich durchaus an Felsquader erinnert fühlt. Das Obere Belvedere als Bau
Am deutlichsten tritt die Vorstellung vom Gebäudesockel als einem natürlichen Felsen in der zweiten Hälfte des . Jahrhunderts an der Fontana di Trevi in Erscheinung, wo die Fassade sogar den Eindruck erweckt, sie sei dem Felsen, auf dem sie scheinbar steht, regelrecht entwachsen – mit den entsprechenden geologischen Verwerfungen an den Pilastern der Rücklagen. Aber auch nördlich der Alpen findet sich die Idee, das Sockelgeschoss eines Schlosses als Grottenarchitektur zu gestalten. Am sinnfälligsten wurde sie vielleicht durch Paul Deckers ›Fürstlichen Baumeister‹ aufgegriffen und verbreitet. Der Prospekt des Fürstlichen Lufft oder Lust-Hauses könnte nach Deckers eigenen Angaben »auf einem Felsen zu end derselbigen Allée liegend … gebauet werden, das untere Stockwerck kann aus lauter Hölen und Grottenwerck und Kunst-Wassern bestehen«. Wie im Oberen Belvedere setzt sich die Grotten- und Felsarchitektur des Sockelgeschosses über Treppen und Kaskaden in den Garten hinein fort.¹¹⁵ Es ist anzunehmen, dass Hildebrandt Deckers Werk nicht nur kannte, sondern es auch benutzte. Schließlich handelt es sich beim Belvedere, wie Kleiner im Titel des ersten Teilbandes feststellt, gleichfalls um ein ›Lust-Gebäude‹.¹¹⁶ Außerdem haben Hildebrandt und der Prinz Eugen bei der Konzeption der gesamten Anlage laut Hainisch »eine dem neuesten Zeitgeschmacke gemäße Lösung angestrebt«.¹¹⁷ Nun war der ›Fürstliche Baumeister‹ , also gerade ein Jahr vor dem Baubeginn des Unteren Belvedere, erschienen. Was wäre fortschrittlicher gewesen, als sich an ebendiesem Werk zu orientieren ? Wie sehr Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
die von Decker vorgeschlagene Verbindung von Garten, Grotten- und Fassadenarchitektur (die letztlich auf das Vorbild der Villa d’Este in Tivoli zurückgehen dürfte) zu ebenjener Zeit en vogue war, zeigt Johann Friedrich Nettes Entwurfszeichnung für Ludwigsburg, die gleichfalls aus dem Jahre stammt und sich vielleicht auch an Decker orientierte. Auf jeden Fall wird mit Deckers Stichwerk über die schon angeführten Beispiele hinaus ein weiteres Vorbild für das Obere Belvedere fassbar. Die Vorstellung, das Erdgeschoss gehöre dem Bereich des Naturhaften an, bestimmte nicht zuletzt die Innenausstattung barocker Paläste, etwa von Versailles, wo am Fuße der Gesandtentreppe eine Brunnenschale mit einer antiken Tritonengruppe stand. Eugen selbst griff diese Idee auf, indem er in das Vestibül seines Winterpalais eine Tritonengruppe stellen ließ.¹¹⁸ Die Praxis, das Innere eines Schlosses als Grotte zu gestalten und diese sowohl mit einer Treppenarchitektur als auch mit einer Sala terrena zu verbinden, war derart selbstverständlich, dass sie noch Balthasar Neumann im Bruchsaler Schloss anwandte.
. Das klassische Vergleichsbeispiel: der Würzburger Kaisersaalpavillon .. Beschreibung des Kaisersaalpavillons Wie wir eingangs sahen, hat die Forschung das Obere Belvedere mit keinem Werk so häufig verglichen wie mit dem Würz77
burger Kaisersaalpavillon. Nachdem wir die Architektur des Oberen Belvedere eingehend analysiert haben, können auch wir uns diesem Vergleich zuwenden – wenngleich dieser nicht unproblematisch ist. Das Obere Belvedere ist ein Werk aus einem Guss, die alleinige Autorschaft Hildebrandts ist unbestritten. In Würzburg hingegen ist ein durchgängiges Stilprinzip aufgrund der komplizierten und äußerst wechselvollen Planungsgeschichte sowie der Mitwirkung zahlreicher Architekten nicht fassbar. Wie wir gesehen haben, ist nicht einmal die Frage, wer den Kaisersaalpavillon entworfen hat, definitiv beantwortet.¹¹⁹ Beginnen wir mit den Gemeinsamkeiten : Wie der Mittelpavillon des Oberen Belvedere steht der Kaisersaalpavillon über einem in die Breite gezogenen oktogonalen Grundriss. Im Aufriss weisen beide Baukörper dieselbe Disposition der Achsen auf und sind in ein Sockelgeschoss mit Bandrustika, eine Beletage und eine Attika unterteilt. Darüber hinaus ist den Erdgeschossen in Wien wie in Würzburg ein dorisches avant corps appliziert (das in Würzburg freilich nicht mit Pilastern, sondern mit Halbsäulen hinterlegt ist). Dieses avant corps wird an den Schrägseiten von bloßen Pilastern abgelöst. Schließlich sind beide Baukörper nur im Kontext der gesamten Fassade zu verstehen. Genau an diesem Punkt beginnen aber die Unterschiede. In Würzburg umfasst die Gartenfront Achsen, wovon jeweils fünf auf die Eckpavillons und den Kaisersaalpavillon und elf auf die dazwischen liegenden Rücklagen entfallen. Damit ist 78
sie um mehr als ein Drittel breiter als die Gartenfront des Obe- ren Belvedere. Um innerhalb dieses enormen Bauvolumens einen Akzent setzen zu können, muss der Kaisersaalpavillon ganz anders dimensioniert und gegliedert sein : Abgesehen von der bereits erwähnten Tatsache, dass die Stirnseite risalitartig abgesetzt ist und einen Schweifgiebel besitzt und dass die Stützen nur an den Außenseiten der Stirnseite gekuppelt sind, entsprechen das Sockelgeschoss und die Beletage in ihrer Höhe jeweils anderthalb regulären Stockwerken. Ferner überragt der Kaisersaalpavillon die übrige Gartenfront um die gesamte Attikazone. Darüber hinaus hebt sich der Kaisersaalpavillon von der Restfassade durch seine reiche Instrumentierung ab. In das Sockelgeschoss sind wie in Wien große Rundbogenportale eingeschnitten. Die Stirnseite der Beletage ist mit kompositen Dreiviertelsäulen instrumentiert, die an den Schrägseiten von Pilastern abgelöst werden. Das Gebälk ist über den Säulen bzw. Säulenpaaren leicht verkröpft, springt über den Interkolumnien aber nicht in die Ebene der Wand zurück. Die Travéen sind mit Rundbogenfenstern gefüllt, deren figurenbekrönte Wellengiebel auf doppelvolutigen Konsolen ruhen. Die von einem Schweifgiebel überfangene Attikazone gliedern Hermenpilaster, dazwischen sitzen annähernd quadratische Fenster, deren Sohlbänke und Stürze sich nach oben und unten konkav bzw. konvex krümmen. In den elf-achsigen Rücklagen teilt sich die Sockelzone in ein Haupt- und ein Mezzaningeschoss. Die Bandquader wurDas Obere Belvedere als Bau
den vom Kaisersaalpavillon übernommen, ebenso das Gebälk des avant corps, in das sich nun aber die Mezzaninfenster geschoben haben.¹²⁰ Die Folge ist, dass sich der Architrav aufgespalten hat und sich anstelle eines Rahmens um die Fensteröffnungen herumzieht. Gestützt wir das Gebälk theoretisch durch Pilaster. Diese beschränken sich jedoch auf einen halben Knickpilaster mit Hinterlegungspilaster (am Übergang von der Pavillonschrägseite zur Rücklage), ein Pilasterbündel (als Begrenzung zur nächsten Achse) und auf einen halben Pilaster (am Übergang zum Eckpavillon). Durch diese zunächst eigenwillig anmutende Disposition werden zehn Achsen gleichsam zu einer Riesentravée zusammengefasst. Alle Achsen besitzen dieselben Fenster. Die Fenster des Hauptgeschosses stehen unmittelbar auf dem Gebäudesockel. Ihre Verdachungen laufen in konkaven Kaffgesimsen aus. Die Oberzone besitzt exakt dieselbe Pilasterfolge, nur ist die komposite Ordnung so hoch, dass die querrechteckigen Mezzaninfenster noch unter dem Architrav Platz finden. Es scheint sogar, als seien die Rahmen unmittelbar an den Architravsoffitten aufgehängt worden. Die Segmentbogenfenster der Beletage sind wie die Fenster des unteren Hauptgeschosses einheitlich gebildet – mit einer Ausnahme : in der Travée, die an den Kaisersaalpavillon grenzt, tragen die Wellengiebel zusätzlich eine Trophäe. Da die Fenster überdies allesamt auf dem Kranzgesims der unteren Ordnung ruhen, ist jede Öffnung fixiert : Die großen stehen auf einer festen Grundlage, die kleinen sind am oder im Gebälk befestigt. Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
An den Eckpavillons sind Sockel- und Oberzone durch regelmäßige Pilasterfolgen gegliedert, wobei sich die drei mittleren Travéen durch ein avant corps und einen Dreiecksgiebel abheben. Die Fenster sind wie an den Einzeltravéen, die den Mittelpavillon flankieren, gebildet. .. Die Genese des Kaisersaalpavillons ... Problemstellung Einen wichtigen Anstoß erhielt die Residenzforschung u. a. durch die eingangs erwähnten Beiträge von Schütz. In seiner NeumannBiographie aus dem Jahre lehnte Schütz in der Frage, ob der Kaisersaalpavillon Hildebrandt oder Neumann zuzuschreiben sei, ein »ausschließliche[s] Entweder-Oder« noch ab. Mit Blick auf das Belvedere erschien ihm Hildebrandt als »Meister des ornamental gemusterten, flächig geschichteten Wandreliefs«.¹²¹ An der Gartenfront der Würzburger Residenz hingegen herrsche … der blockhafte Baukörper, der durch das kuppelige Dach in die große Form eingespannt bleibt und auch in den Ordnungen massiger, schwerer, tektonischer ist. […] Das volle Gewicht der Ordnungen, vor allem der Säulenkolonnade, und die wienerischen, beschwingten Ornamentfiguren in der Art Hildebrandts : Das sind die Elemente, die hier gegeneinander ausgespielt werden zum Eindruck beherrschender Kraft, innerhalb deren sich Leben und Phantasie entfalten.¹²²
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Angesichts dieses Befundes sprach Schütz – ähnlich wie Grimschitz – die Endredaktion Neumann zu, der »einen (nicht erhaltenen) Hildebrandt-Entwurf mit kräftiger Hand dem Gesamtbau der Residenz eingefügt« habe. Im Jahr darauf wiederholte Schütz seine Analyse in einem Aufsatz über die Fassaden der Würzburger Residenz wörtlich.¹²³ Dennoch kam er nun in der Zuschreibungsfrage zu einem gegenteiligen Ergebnis : Er erklärte den Pavillon »im wesentlichen« zu einem Werk Neumanns, das in der »Grundidee, also den abgeschrägten Kanten und den vorgelegten Säulen«, letztlich sogar auf Maximilian von Welsch zurückgehe. Jedoch habe Hildebrandt der Fassade bei der Endredaktion an entscheidenden Stellen seinen Stempel aufdrücken können.¹²⁴ Die Frage, wann wer in die Planung eingriff, beantwortete Schütz in seinen beiden Beiträgen wohl deshalb so uneinheitlich, weil er jeweils von einem anderen Vergleich ausging. hatte er den Kaisersaalpavillon noch ganz aus der Perspektive des Oberen Belvedere gesehen, dementsprechend einen nicht erhaltenen Entwurf Hildebrandts postuliert und die Endfassung Neumann zugesprochen. zog er die Entwürfe heran, die Neumann nachweislich vor Hildebrandts Mitwirkung angefertigt hatte. Es handelt sich dabei um zwei Planserien, die sich in der Kunstbibliothek zu Berlin befinden und von denen die eine , die zweite wenig später entstand.¹²⁵ Beide Serien umfassen neben Aufrissen der westlichen Stadtseite (Hdz. – und Hdz. ) und einem Aufriss der Südseite (Hdz. ) auch zwei Darstellungen der Gartenfront (Hdz. 80
und Hdz. ). Letztere präsentieren einen oktogonalen Kernbau, der die Rücklagen um ein Attikageschoss überragt und an der Stirnseite einen Risalit bildet.¹²⁶ Die Wände, die sich in Erdgeschoss und Beletage allseitig in großen Rundbogen öffnen, sind mit Pilastern instrumentiert. Die mit großen Ochsenaugen durchsetzte Attika ist mit Hermenpilastern belegt. Der risalitartig vorspringenden Stirnseite, an der er die Ordnungen kuppelte, blendete Neumann darüber hinaus eine zweigeschossige Portikus mit Dreiecksgiebel vor. In den frühen Dreißigerjahren hatte Neumann also schon wesentliche Elemente des ausgeführten Kaisersaalpavillons vorweggenommen : Neben dem von Schütz angeführten oktogonalen Grundriss und den abgeschrägten Kanten wären die Anzahl der Achsen und die Disposition der Geschosse sowie die Verwendung von Hermenpilastern und okuliartigen Fenstern in der Attika zu nennen. Auch das avant corps findet sich in diesen Entwürfen schon. Im Unterschied zum Belvedere, wo Architrav und Fries von unten aufgebrochen sind, läuft sein Gebälk sogar – wie im ausgeführten Zustand – vollständig durch. Obwohl zumindest der unmittelbare Vergleich zwischen Belvedere und Würzburger Residenz spätestens mit dem von Schütz vorgebrachten Hinweis auf Neumanns frühere Pläne ad absurdum geführt worden ist, gelangte erst Kremeier in einer Auswertung des von Schütz vorgelegten Planmaterials wieder zu der Überzeugung, dass die meisten Übereinstimmungen zwischen beiden Bauten angesichts ihrer eigenen GeDas Obere Belvedere als Bau
nese zufällig seien. Schon gar nicht ließen sie darauf schließen, Hildebrandt habe Neumanns Konzept überarbeitet und dem eigenen Architekturempfinden angenähert. Seine These erweiterte Kremeier um den Hinweis, mindestens zwei Veränderungen seien möglicherweise gar nicht »von der Fassadengestaltung her gedacht« gewesen, sondern hätten die Belichtung des Inneren verbessern sollen : die teilweise Ersetzung der gekuppelten Säulen durch einfache und die Versetzung des Giebels auf die Attika. Zum Beweis seiner zweiten Überlegung verglich Kremeier den heutigen Kaisersaal mit einem Längsschnitt durch das Corps des Logis aus dem Jahre (Hdz. ), demzufolge Neumann zunächst an der Fassadeninnenwand gekuppelte Säulen sowie eine Attikazone mit flachem Plafond vorgesehen hatte. Da die Attikafenster im ausgeführten Kaisersaal nur noch mittels Stichkappen einschneiden, habe Neumann, so Kremeiers Folgerung, den Verlust an Helligkeit kompensieren müssen. Zu diesem Zweck habe er an der Außenseite, also an der Stirnseite des Pavillons, statt der Säulenpaare nur einfache Säulen verwendet, die es ihm gestatteten, die Fenster der Beletage zu verbreitern. Auch verdecke nun der »auf die Attika hochgeschobene Giebel« nicht mehr die Ovalfenster. Nicht zuletzt leite der Druck des Giebels den Gewölbeschub nach unten um, so dass die Statik der Fassade verbessert werde. Nach der Versetzung des Giebels und der damit verbundenen Auflösung des Portikusmotivs sei die frei stehende Kolonnade in der Beletage aber überflüssig geworden, weshalb Neumann sie durch Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
Dreiviertelsäulen ersetzt habe. All diese »vom Inneren her gedachten Veränderungen« hätten mit Hildebrandt eher nichts zu tun und ließen folglich auch nicht auf einen indirekten Einfluss des Oberen Belvedere schließen. An diesem Befund änderten auch die für Hildebrandt typischen Ovalfenster und der Schweifgiebel nichts, zumal die Pavillons beider Schlösser völlig unterschiedlich in den Fassaden verankert seien : Während der Mittelbau des Belvedere so gegliedert sei, »dass er für sich alleine existieren könnte«, sei der Kaisersaalpavillon »Teil des großen Bogens der Gliederung der Gesamtfassade, die bereits an den Eckrisaliten der Gartenfassade beginnt.«¹²⁷ Gerade dieser letzten Bemerkung möchte ich widersprechen. Wie Kapitel B .. ergeben hat, kann der Mittelbau des Oberen Belvedere in der Gartenfront keine Sonderstellung beanspruchen, da er einer Trias angehört und damit integraler Bestandteil der Kernfassade ist. Sehr wohl, und hier ist Kremeier durchaus beizupflichten, hat er aber wie sein Würzburger Pendant eine eigene Genese. Diese Tatsache weckt sogar berechtigte Zweifel, ob eine Gegenüberstellung überhaupt sinnvoll ist. Nicht von ungefähr rückte Schütz von seinem Vergleich ab, nachdem er Neumanns Entwürfe von ff. in – seine Betrachtungen einbezogen hatte. In der Tat erscheinen die Gemeinsamkeiten beider Architekturteile angesichts der Quellenlage längst nicht mehr so exklusiv, wie die Forschung vermutet hat. Diese Einschätzung wird bestätigt, wenn man den Kaisersaalpavillon mit anderen Bauten der Epoche in Beziehung setzt. So erinnern die konvex nach oben aufgebogenen 81
Bügelgiebel, die über Konsolen und Voluten mit den Kämpfern der Fensterarchivolten verbunden sind, eher an Fischer von Erlachs Palais Trautson als an das Belvedere. Der geschweifte Risalitgiebel ist zwar genuin Hildebrandtisch, doch findet er sich nur an der Ehrenhofseite des Belvedere. Andererseits ziert er auch den Würzburger Ehrenhofrisalit und die – zweifelsfrei von Hildebrandt beeinflussten, aber von Neumann entworfenen – Gartenseiten der Schlösser Werneck und Schönbornlust sowie die Rheinfront des Dikasterialgebäudes in Koblenz-Ehrenbreitstein¹²⁸. Selbst die Hermenpilaster der Attikazone griff Neumann in seinen Entwürfen für Schönbornlust auf. Neben der unterschiedlichen Genese widerlegt dieser offensichtliche Mangel an exklusiven Gemeinsamkeiten Hubalas Behauptung, der Kaisersaalpavillon hänge »ikonographisch und motivisch so eng wie kaum etwas anderes« mit dem mittleren Gartenpavillon des Oberen Belvedere zusammen. Somit stellt sich die Frage, in welcher Beziehung die Fassadensysteme beider Schlösser denn nun zueinander stehen. Sind sie überhaupt vergleichbar oder nicht vielmehr völlig eigenständig – unabhängig von der Tatsache, dass Hildebrandt – wie auch immer – an der Gestaltung des Kaisersaalpavillons beteiligt war ? Genährt werden diese Zweifel ausgerechnet dadurch, dass beide Bauten ein gemeinsames Vorbild haben. Dass die Aufteilung der Belvedere-Fassade in mehrere Pavillons auf Vaux-le Vicomte zurückgeht, wurde schon festgestellt (B ). Darüber hinaus dürfte Le Vaus Schloss auch Neumanns frühe Pläne für die Gartenfront der Würzburger Residenz beeinflusst haben. 82
Bezeichnenderweise kehrt in diesem genau das Motiv wieder, das Hildebrandt in Wien unterschlagen hatte : der alles domi- – nierende Zentralpavillon, dessen Stirnwand als Risalit mit vorgeblendeter zweigeschossiger Portikus gebildet ist. Allerdings dürfte Neumann die Aufwertung der Stirnwand und die damit einhergehende Emanzipation des Pavillons von der Restfassade nicht unmittelbar aus Frankreich übernommen haben. Höchstwahrscheinlich wurde ihm dieses Motiv durch die Residenzentwürfe vermittelt, die Robert de Cotte und Germain Boffrand vorgelegt hatten (Berlin, Kunstbibliothek, Hdz. u. Hdz. ). In diesen beiden Zeichnungen werden die Mittelpavillons sogar von halbrunden Kuppeln überfangen, was den Bezug zu Vaux-le-Vicomte noch deutlicher zutage treten lässt. Nichts beweist die Verschiedenheit von Hildebrandts und Neumanns Architekturverständnis mehr, als dass beide Meister dasselbe Vorbild so entgegengesetzt rezipierten. Angesichts der unterschiedlichen Auslegung von Vaux-le-Vicomte erscheint der Zentralpavillon in Neumanns Entwürfen sogar fast schon als die Antithese zu Hildebrandts Wiener Mittelbau. Dieser Gegensatz ist in der ausgeführten Version fraglos gemildert. Dennoch bleibt als Fazit, dass die Ähnlichkeit zwischen den mittleren Gartenpavillons des Belvedere und der Würzburger Residenz, welche die Forschung zu einem Vergleich veranlasste, größtenteils zufällig ist. Die Zufälligkeit der Gemeinsamkeiten schließt einen Vergleich jedoch keineswegs aus – sofern dieser sich darauf beDas Obere Belvedere als Bau
schränkt, die Eigenarten beider Bauten herauszuarbeiten. Den ... Die Planungen von / Ansatz, den Eckert, Rose und Hubala dafür gewählt haben, ist freilich problematisch, wenngleich gerade Eckerts Kritik sich In welchem Maße die Deutung des Kaisersaalpavillons von Neuin der Literatur bis heute hartnäckig behauptet. Schließlich manns Entwürfen der frühen Dreißigerjahre abhängt, zeigt die suggeriert dieser Ansatz für die Gliederung der Mittelpavillons Instrumentierung in Hdz. und Hdz. . Richten wir und ihre Einbettung in die Gesamtfassaden eine gemeinsame unser Augenmerk zunächst auf die Übergänge von den PavilLösung, die für beide Schlossbauten gleichermaßen Gültigkeit lonschrägseiten zu den Rücklagen, deren Gliederung sich schon besitzt, wobei – je nach Standpunkt – die eine oder die andere am Oberen Belvedere als höchst bedeutsam erwiesen hat. Zunächst glaubt man an dieser Stelle einen Knickpilaster zu Variante den Vorzug verdienen würde. Indes sind die beiden Gartenfronten eben nicht die bessere und die schlechtere Spiel- sehen, doch stehen die Schaftkanten dafür zu weit auseinander. art ein und desselben Schemas. Vielmehr handelt es sich um Es muss sich also um zwei verschiedene Pilaster handeln. In der zwei in ihrer Genese und ihrer gestalterischen Logik grund- Tat bildet das Pilasterfragment an der Rücklage ein Pendant zu dem halben Pilaster, der an der entgegengesetzten Seite den sätzlich eigenständige Architekturen. Bevor wir die beiden Pavillons miteinander vergleichen, Eckpavillon tangiert. Beide fassen die elf Achsen der Rücklagen müssen wir noch ein weiteres Kriterium in Betracht ziehen, zu einer riesigen Travée zusammen.¹³⁰ Der Pilaster an der Padas die Forschung bislang überhaupt nicht berücksichtigt hat : villonschrägseite verschwindet dagegen zur Hälfte in der Wand, die völlig unterschiedliche Beschaffenheit der Oberflächen. In wo er gewissermaßen um eine imaginäre Kante knickt.¹³¹ Dass Wien besteht die Fassadenhaut überwiegend aus Stuck und das Pilasterfragment und der imaginäre Eckpilaster zwei verPutz, in Würzburg ausschließlich aus Naturstein. In diesem schiedenen Fassadenabschnitten zuzuordnen sind, wird auch Zusammenhang fiele eigentlich auch der Farbfassung eine in der Art deutlich, mit der Neumann das Kranzgebälk (d.h. große Bedeutung zu. Anders als für das Belvedere lässt sich das Gebälk der Oberzone) behandelte. Über den beiden Halbder ursprüngliche Zustand der Würzburger Residenz in die- pilastern in der Riesentravée der Rücklage ist das Gebälk nicht sem Punkt jedoch nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren.¹²⁹ verkröpft, wohl aber zwischen dem inneren Halbpilaster und Als Unterscheidungskriterium scheidet die Farbfassung daher dem imaginären Eckpilaster. Zwischen den Schrägseiten und leider aus. Hinsichtlich der Plastizität und des Materials spielt den Rücklagen zieht sich also eine durchgehende Naht, die die Oberfläche, wie wir noch sehen werden, indes eine große den Eindruck vermittelt, der Pavillon sei nachträglich in die Gartenfront eingesetzt worden. Rolle. Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
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Ebenso aufschlussreich ist für Neumanns Denken das Verhältnis, das die Außengliederung des Kaisersaalpavillons zum Inneren einnehmen sollte. Leider existieren aus den beiden Planserien von keine entsprechenden Innenansichten. Brauchbare Hinweise gewährt jedoch der schon erwähnte Längsschnitt durch das Corps de Logis in Hdz. ; Neumann hatte ihn drei Jahre zuvor, am . September, auf der Wiener Baukonferenz, an der auch Hildebrandt teilnahm, vorgelegt.¹³² Wie aus der Zeichnung hervorgeht, hatte Neumann bereits zu diesem Zeitpunkt vorgesehen, der mit Pilastern instrumentierten Stirnseite eine zweigeschossige Portikus vorzublenden. Bezeichnenderweise beabsichtigte Neumann, die Fassadengliederung im Innern aufzugreifen. Im Erdgeschoss gestatteten es ihm die Gewölbe zwar nicht, Stützen in der Größe der Außengliederung zu verwenden. Jedoch legte er die Kapitelle der Säulen und Pilaster in Gartensaal und Vestibül exakt in die Flucht der Portalkämpfer, die er im Gegenzug nach den Kapitellen und Friesen der inneren Ordnung gestaltete. Ebenso übertrug er die Profile der Plinthen und Basen auf die Sockelleisten der Portale. So durchziehen den gesamten Baukörper zwei Linienstränge. Sie reichen von der Fassade des Gartenpavillons bis zum Ehrenhofrisalit, dem Neumann gleichfalls eine Tempelfront zugedacht hatte (vgl. Hdz. u. ). Um diese tiefenräumliche Kontinuität zu verdeutlichen, führte Neumann die Profile sogar an den Innenwänden als Zierleisten weiter. 84
In der großen Sala, an deren Stelle später der Kaisersaal trat, ging Neumann noch einen Schritt weiter. Da er die Decke flach gestaltete, konnte er die Attikazone in den Raum einbeziehen und so die Ordnung der Fassade in denselben Proportionen auf das Innere übertragen, ja, sie fast spiegelbildlich nach innen kehren. So sind die Wände wie außen mit Pilastern besetzt, vor denen an den Längsseiten (also an der Rückseite der Stirnwand und an der Wand zur Antisala, dem späteren ›Weißen Saal‹) Freisäulen stehen. Den Eckpilastern von Hdz. und Hdz. antworten im Innern an den entsprechenden Stellen Knickpilaster. Die Analogie zwischen innen und außen geht sogar so weit, dass auch das Gebälk der großen Sala nicht verkröpft ist. Einzig die Attikazone zitiert die Außengliederung nicht wörtlich ; jedoch sollen die (figürlichen) Hermenpilaster zweifelsohne die äußeren Hermenpilaster paraphrasieren. Wahrscheinlich lässt sich sogar folgende These formulieren : Da die Innenpilaster nicht nur dieselbe Gestalt wie die Außenpilaster haben und mit ihnen jeweils in einer Achse stehen, sondern ihr Abstand exakt einen Schaftdurchmesser ausmacht, können Innen- und Außenpilaster als die Vorder- und die Rückseite eines Pfeilers aufgefasst werden. Wir hätten es also mit einer imaginären vermauerten Pfeilerkolonnade zu tun, der an den Außen- und Innenseiten der Stirnseiten Freisäulen vorgestellt wären. Im Unterschied zur Oberzone finden die Fassadenpilaster der Unterzone im Innern keine Entsprechungen. Die äußere Ordnung ist hier wirklich nur Applikation. Ihr ornamentaler Das Obere Belvedere als Bau
Charakter offenbart sich allein schon in der völlig untektonischen Art, mit der das Gurtgebälk in den Rücklagen gestaltet ist. Die Mezzaninfenster schieben sich bis in die Frieszone hinauf und werden allseits von den Faszienbändern des Architravs gerahmt. Über den Bogenscheiteln werden diese Faszienrahmen von den Schlusssteinen gewissermaßen aufgestoßen, so dass sie sich in Voluten zusammenrollen. Obwohl die untere Ordnung die obere optisch ›stützt‹, steht diese in erster Linie auf einem Sockel, der aus Quaderbändern aufgeschichtet ist. Insgesamt ergibt sich also folgendes Bild : Auf einem queroktogonalen Bandquadersockel steht gedanklich ein Monopteros. Um dessen lichte Weiten füllen zu können, wählte Neumann die quadratische Variante der Säule, den Pfeiler. An der Stirnseite des Monopteros blendete er den Pfeilern außen wie innen jeweils eine weitere Säulenreihe vor. Aus Gründen der Symmetrie stellte er im Innern sogar vor die gegenüberliegende Wand, die zur Antisala führt, eine Säulenreihe. Geradezu symmetrisch wäre die Projektion ausgefallen, hätte Neumann eine weitere Säulenreihe an die Rückseite dieser Trennwand, also in die Antisala stellen können. (Diese Säulenreihe wäre dann das gespiegelte Pendant der Fassadengliederung gewesen.) Allerdings war diese vollständige Duplizierung nicht möglich. Zum einen besteht die Gliederung der Antisala ausschließlich aus Pilastern. Zum anderen fällt sie wegen der geringeren Raumhöhe kleiner aus. Indes verzichtete Neumann auf eine Duplizierung der gartenseitigen Fassadengliederung nicht ganz. Wie man auf Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
Hdz. deutlich sehen kann, stellte er die noch fehlende Säulenreihe samt Hinterlegungspilastern und Giebel vor den Ehrenhofrisalit. Die doppelgeschossige Portikus des Ehrenhofs ist mit der doppelgeschossigen Portikus des gartenseitigen Hauptpavillons fast identisch. Lediglich der Abstand zwischen den Freisäulen und ihren Hinterlegungspilastern ist geringfügig kleiner. Gedanklich hatte Neumann also durchaus einen vollständigen Monopteros mit Portiken an beiden Breitseiten konstruiert, zwischen den Monopteros und die hofseitige Portikus aber noch eine Antisala geschoben. Dass Neumann beide Fassaden durch den Schlosskörper hindurch aufeinander bezog, liegt in seinem schon beschriebenen tiefenräumlichen Denken begründet. Besonders fassbar wird dieses Denken in den um / entstandenen Plänen. Auf einem Längsschnitt (Hdz. ), einer Ansicht der Nordseite (Privatbesitz) sowie zwei Vogelschauen, von denen die eine aus Neumanns Büro stammt (Hdz. ), die andere nach einer Vorzeichnung Neumanns von Kleiner gestochen wurde, wird das Corps de Logis der Länge nach von einem alles überragenden Saalbau durchzogen. Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, wich Neumann von diesem Konzept nach Schritt für Schritt ab.¹³³ Um hatte er den Saalbau bereits durch einen eigenständigen Gartenpavillon und durch einen Ehrenhofrisalit, hinter dem er die Antisala platzieren wollte, ersetzt. Die übergiebelten, von einer Attika überfangenen Risalite an der Gartenfront und am Ehrenhof ließ er jedoch als Pendants stehen. Dass die beiden Risalite nicht nur im Längsschnitt auf85
einander bezogen sein sollten, sieht man in den Entwürfen von ff. In Hdz. u. entsprechen sie sich fast, in Hdz. und Hdz. stimmen sie sogar völlig miteinander überein. Vor dem Hintergrund dieses tiefenräumlichen Denkens lässt sich die Fassadengliederung des Ehrenhofrisalits in Hdz. in der Tat so verstehen, dass sie die Instrumentierung des mittleren Gartenpavillons vervollständigt. Allerdings steht und fällt die gesamte Interpretation mit der Vorstellung, der Pilaster sei eigentlich eine vermauerte quadratische Säule. Dass diese Lesart möglich ist, ergibt sich aus Leon Battista Albertis Traktat ›De re aedificatoria‹. Dort heißt es im sechsten Buch :
An Zulagen gibt es zweierlei Arten : Die eine, bei der ein Teil in der Mauer verborgen ist, ein anderer aus der Mauer hervorragt ; die andere, die mit ganzen von der Mauer losgelösten Säulen hervortritt und eine Portikus vortäuschen will. Jene wird daher die vorragende, diese die freie Art genannt. Bei der vorragenden Weise (Pilaster) werden die Säulen entweder rund oder viereckig sein. Die runden Säulen dürften nicht mehr und nicht weniger als einen Halbmesser hervorragen. Die viereckigen, nicht mehr als den vierten Teil und nicht weniger als den sechsten Teil ihrer Seite.¹³⁴
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Dass Neumann mit Albertis Architekturtraktat vertraut war, darf angenommen werden. Schließlich findet seine Praxis, Wandöffnungen mit den Faszien eines Architravs zu umrahmen, im siebten Buch der ›Res Aedificatoria‹ ihre theoretische 86
Rechtfertigung ; im zwölften Kapitel berichtet Alberti, dass Dorer, Jonier und Korinther die Seiten ihrer Türen analog zum Architrav ihrer eigenen Ordnung gestaltet hätten.¹³⁵ Am mittleren Gartenpavillon sah Neumann also vor, den Typ der vermauerten colonna quadrangula mit dem Typ der runden Freisäule zu verbinden. Albertis These, die Freisäulenkolonnaden imitierten eine Portikus, nahm er sogar wörtlich und setzte den Freisäulen – wie vor ihm schon Le Vau, de Cotte und Boffrand – einen Dreiecksgiebel auf. Die Portikus ist also nicht nur eine vorgeblendete Schauarchitektur, wie man zunächst meinen könnte. Vielmehr emanzipiert sich in ihr die Ordnung von der Wand. Sie ist sozusagen die freiplastische Emanation einer tektonischen Struktur, die in der Wand noch gefangen und zum Teil verborgen ist. ... Die ausgeführte Fassung (ca. –) Bei der Ausführung des Kaisersaalpavillons wurde die Idee einer vermauerten Pfeilerkolonnade, die Teil eines Monopteros sei, zugunsten einer ornamentalen Säulenapplikation aufgegeben. Die Fassadenpilaster der Stirnseite wichen Dreiviertelsäulen, die vorgeblendete Portikus wurde in der Oberzone ganz aufgegeben, in der Unterzone auf ein avant corps reduziert. Das Kranzgebälk der Stirnseite kröpft sich über den lichten Weiten zwar nur um einige Zentimeter und nicht bis zum Wandspiegel zurück, doch wird die Assoziation eines Gebälks, das über einer Kolonnade frei durchläuft, trotzdem negiert. Die Das Obere Belvedere als Bau
Instrumentierung ist jetzt auf die Wand bezogen. Des Weiteren erhielt der Giebel eine geschweifte Form und wurde auf die Attika gehoben. In dem Maße, in dem die Gliederung zum dekorativen Element herabsank, stieg die Wand, die bis dahin nur Füllwerk gewesen war, zum eigentlich tragenden Element auf. Und indem sie an der Stirnseite risalitartig vorspringt und sich in der Attikazone über das Kranzgesims vorschiebt, absorbiert sie die Gliederung weitgehend. Obwohl der Kaisersaalpavillon sich im ornamentalen Habitus seiner Gliederung von der tektonisch strukturierten Restfassade deutlich abhebt, nimmt er sich nicht wie ein Fremdkörper aus. Dies hängt wesentlich von der ersten Travée der Rücklagen ab, die – von Pilastern eingefasst – unmittelbar an ihn grenzt. Schon Hubala hat darauf hingewiesen, dass diese erste Pilastertravée »eine kompositionelle Ausklinkung des prachtvollen Mittelstücks aus der Gartenfront« verhindert.¹³⁶ Dass die erste Travée zum Kaisersaalpavillon überleiten soll, wird allein schon an dem Brüstungssegel ersichtlich, das sich von der Dachbalustrade der Rücklage zur Dachkante des Kaisersaalpavillons aufschwingt. Darüber hinaus sind die Fenster analog zu den Flankentravéen der Eckrisalite gestaltet, die ja auch eine Mittelgruppe flankieren. Für noch entscheidender halte ich indes die Gestaltung des Pilasterbündels, das die erste Travée von der restlichen Rücklage trennt. Fraglos lässt sich die Schichtung der Pilaster, die nur in dieser einen Travée zu beobachten ist, damit begründen, dass ein einfacher Pilaster sich in unmittelbarer NachbarFormale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
Die verschiedenen Gliederungsebenen in der Gartenfront der Würzburger Residenz (Zeichnung d. Verf.).
schaft des Mittelpavillons und seines gewaltigen Bauvolumens zu schmächtig ausgenommen hätte. Warum aber befindet sich an dieser Stelle überhaupt ein Pilasterbündel ? In Neumanns Plänen von ff. kommt es jedenfalls noch nicht vor. Seine Entstehung und seine Funktion müssen daher mit der Konzeption des heutigen Kaisersaalpavillons zusammenhängen. Zunächst fällt auf, dass an diesem Bündel der innere Hinterlegungspilaster schmaler ist als der äußere. Die unterschiedliche Breite der beiden Hinterlegungspilaster, die ich in obiger Zeichnung als b (= schmaler Hinterlegungspilaster) und 87
c (= breiter Hinterlegungspilaster) bezeichne, wird plausibel, wenn man den äußeren (c) als Pendant zu dem Halbpilaster (d) liest, der am entgegengesetzten Ende der Rücklage gegen den Eckpavillon stößt. Diese beiden Pilasterfragmente sind exakt gleich breit. Wie die beiden halben Randpilaster in Hdz. fassen sie die verbleibenden zehn äußeren Achsen zu einer Riesentravée (= Abschnitt ) zusammen.¹³⁷ Betrachtet man den äußeren Hinterlegungspilaster (c) als Teil dieser neuen Riesentravée, so bleibt für den vorgelegten Hauptpilaster (C) nur noch ein genuiner Hinterlegungspilaster übrig, nämlich der innere (b). Das Pilasterbündel C/b erweist sich damit als spiegelbildliche Entsprechung des Pilasterbündels am Übergang zum Kaisersaalpavillon (B/a). Oder sagen wir besser : als eine fast spiegelbildliche Entsprechung. Immerhin handelt es sich bei B – anders als in den Plänen von – um einen wirklichen Knickpilaster. Dieser Knickpilaster hat gleichfalls nur einen Hinterlegungspilaster (a). Dieser ist ebenso schmal wie b. Da der Knickpilaster B seinerseits mit dem inneren Pilaster A der Pavillonschrägseite (= Abschnitt ) korrespondiert, ergibt sich eine Kette von drei Hauptpilastern (A-B-C). Die Schrägseite des Kaisersaalpavillons setzt sich folglich zumindest im Bereich der Instrumentierung bis in die Rücklagen fort. Die Bindegliedfunktion der ersten Travée (= Abschnitt ) wird damit weiter hervorgehoben. An dieser Stelle stellt sich die Frage, wieso die beiden schmalen Hinterlegungspilaster b und c überhaupt eingesetzt wurden. Zwei Antworten sind möglich : Zum einen kann man a und c – 88
im Unterschied zu den Hauptpilastern C und B – als genuine Bestandteile der ersten Travée (= Abschnitt ) deuten. Wenn es sich bei dieser Travée nun um eine Wiederholung der Flankentravéen in den Eckpavillons handelt, so ist es nur logisch, dass nicht nur die Fenster, sondern auch die sie rahmenden Pilaster von dort übernommen wurden. Während d und c also die zehn Achsen von Abschnitt rahmen, fassen b und a die eine Achse von Abschnitt analog zu den Flankentravéen der Eckpavillons ein. Über die Hinterlegungspilaster c, b und a haben sich nun die Pilaster B und C als eine zweite Schicht gelegt. Der zweite denkbare Grund, weshalb A und B mit Hinterlegungspilastern versehen wurden, liegt darin, dass ein Vorspringen des Wandspiegels verhindert werden sollte. Nur so konnte gewährleistet werden, dass die erste Travée (= Abschnitt ) mit der Riesentravée (= Abschnitt ) fluchtet. Obwohl Abschnitt aufwendiger gegliedert ist als Abschnitt , bildet er keinen Risalit. Diese Tatsache ist von elementarer Wichtigkeit, da dieser Abschnitt nur dann eine Bindegliedfunktion zwischen dem Mittelpavillon und den Rücklagen übernehmen kann, wenn er mit Abschnitt wenigstens eine Gemeinsamkeit aufweist. Diese ist durch den gleichen Wandspiegel gegeben. Insgesamt ist Abschnitt also das Produkt dreier Schnittmengen. Auf der hinteren Ebene des eigentlichen Wandspiegels bildet er zusammen mit Abschnitt die Rücklage. Auf der vorderen Ebene, auf der die Hauptpilaster stehen, erweist er sich als Fortsetzung oder Ausläufer der Pavillonschrägseite (= Abschnitt ). Auf der mittleren Ebene, die von den HinterleDas Obere Belvedere als Bau
gungspilastern und den Fensterrahmen eingenommen wird, ist er ein Pendant zu den Flankentravéen der Eckpavillons. Erst in der Vereinigung aller drei Eigenschaften wird er zu einem wirklichen Bindeglied zwischen Kaisersaalpavillon und Restfassade. Allerdings stärkt die Beibehaltung des Wandspiegels in Abschnitt nicht nur die Bindegliedfunktion der ersten Travée ; sie ist auch das Ergebnis einer plastischen Fassadengestaltung. Die Tatsache, dass Pilaster B nur an der einen Seite von einem Pilaster (a) hinterfangen wird, hat zur Folge, dass der Wandspiegel von Abschnitt gegenüber Abschnitt vorspringt. Dementsprechend wird das Pendant zu B, nämlich A, von gar keinem Pilaster mehr hinterfangen. Gegenüber Abschnitt schiebt sich dann die Stirnseite des Pavillons (= Abschnitt ) um ein weiteres Mal vor. Anders als am Oberen Belvedere entsteht der Mittelpavillon nicht einfach aus einer gefalteten Wand ; vielmehr werden zusätzliche Wandschichten aufgetragen. Die Abschnitte und bestehen nur aus einer Schicht (I). In Abschnitt kommt eine zweite (II), in Abschnitt eine dritte (III) hinzu. Je mehr die Wand sich nach vorne wölbt, desto mehr gewinnt sie an Substanz. Abschnitt
Wandschichten
Dreiviertelsäulen
Abschnitt
Wandschichten
Pilaster
Abschnitt und
Wandschicht
Pilaster
Tabelle : Die Anzahl der Wandschichten im Verhältnis zur Plastizität der Gliederung Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
Die schrittweise Zunahme an Substanz entspricht auch dem plastischen Wert der Gliederung (vgl. Tabelle). An der Stelle, wo die Wand den höchsten plastischen Wert besitzt, nämlich an der Stirnseite (Abschnitt ), geht die Gliederung in der Belétage in Dreiviertelsäulen über. Der plastische Gehalt nimmt jedoch nicht nur von außen nach innen bzw. von hinten nach vorne zu ; zumindest in Abschnitt steigert er sich auch von oben nach unten. Auf die Hermenpilaster der Attikazone folgen die Dreiviertelsäulen der Oberzone und schließlich die Freisäulen, die in der Unterzone den Dreiviertelsäulen vorgeblendet sind. Die Verteilung der plastischen Werte folgt einzig optischen Kriterien ; unter tektonischen Gesichtspunkten ist sie belanglos. Die Anbindung des Mittelpavillons an die Restfassade wird schließlich durch eine weitere Besonderheit gewährleistet. Die Hermenpilaster der Attika laufen – im Unterschied zur Planung von – an den Längsseiten des Pavillons nicht weiter. Statt dessen knickt der Hermenpilaster über Abschnitt analog zu den unteren Pilastern um. Das bedeutet, dass er nicht mehr dem Verlauf des Pavillons folgt, sondern sich den Rücklagen anpasst. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das Brüstungssegel. Wie aus Hdz. hervorgeht, sollte es ur- sprünglich in einer Volute auslaufen. Dieses herkömmliche Motiv, das schon Giacomo della Porta an der Fassade von Il Gesù eingesetzt hatte, um zwischen zwei Geschossen zu vermitteln, wäre die optisch gefälligere Lösung gewesen. Jedoch hätte die Volute den Schwung der abwärts gerichteten Kurve abgebremst und erstickt. Das Brüstungssegel hätte damit nicht 89
mehr als Bindeglied zwischen Abschnitt und fungieren können. In der heutigen Fassung wird die Kurve hingegen bis zur Balustradenbekrönung über dem Pilasterbündel C/b/c geführt. Dort spaltet sich der optische Schub. Ein Teil läuft in der Horizontalen als Balustrade weiter. Der andere Teil wird um ° nach unten geleitet und führt über die Pilasterbündel bis zur Erde. Diese vertikale Ausrichtung wird durch die Verkröpfung von Kranzgebälk und Gurtgesims noch hervorgehoben. Beide Ausrichtungen verklammern den Kaisersaalpavillon mit den Rücklagen. Die Horizontale lässt die gesamte Restfassade als einen ›Ausläufer‹ des Pavillons erscheinen, die Vertikale verstärkt die Funktion von Abschnitt als Scharnier zwischen Pavillon und Rücklagen. Seine Funktion als ein Bindeglied erfüllt das Brüstungssegel aber auch noch auf eine andere Weise. Tritt man vom Garten aus an die Fassade heran, schiebt es sich vor die Längsseite des Pavillons. Der Mittelpavillon erscheint nun weniger als ein eigenständiger Baukörper und mehr als eine Vorwölbung der Fassade. Wie schon gesagt, ist der Kaisersaalpavillon eigentlich ein Solitär, der durch sein plastisches Hervortreten, seine Größe und seinen kostbaren Dekor die Gartenfront der Würzburger Residenz ähnlich schmückt und beherrscht wie ein Edelstein eine Spange. Und wirkte der mittlere Gartenpavillon in der Planung von ff noch, als sei er von oben in die Fassade eingesetzt worden, so ist der heutige Kaisersaalpavillon über die Abschnitte (Abb. S. ) mit den Rücklagen fest verbunden. Auch dabei gleicht er dem Stein auf einer Spange. Man kann 90
diesen Vergleich sogar noch erweitern : Um den Edelstein auf der Spange anzubringen, gibt der Juwelier ihm zunächst eine eigene Fassung. Dann biegt er diese Fassung an den Außenseiten auseinander und fixiert die abstehenden Enden auf dem Träger. Analog dazu löste der Erbauer des Kaisersaalpavillons die imaginäre Gliederung der Längsseiten vom Pavillonkern (rechte Hälfte von Pilaster B und ganzer Pilaster C) und legte sie über die bereits vorhandene Gliederung der ersten Rücklagentravéen (Abschnitt ), wobei Pilaster B sich – wiederum rein gedanklich – von einem Eck- in einen Winkelpilaster verwandelte. Die Gliederung, die auf den älteren Plänen schein- bar in der Wand vermauert war, wurde so zu einer Applikation, die sich wieder entfernen, umbiegen und anderswo neu fixieren ließ. Noch deutlicher zeigt sich diese Umformung in der Attikazone, wo die äußersten Hermenpilaster, die eigentlich als Eckpilaster dem Verlauf des Pavillonkerns hätten folgen sollen, gleichfalls zu Winkelpilastern umgebogen wurden, damit sie besser zum Brüstungssegel der Dachbalustrade überleiten. Nichts offenbart den Paradigmenwechsel von der tektonischen zur applikativ-dekorativen Architekturauffassung mehr als die Art, wie der Kaisersaalpavillon in der Fassade verankert wurde. Auch die Innenausstattung hat sich gegenüber Hdz. grundlegend verändert. Den Gartensaal konnte Neumann noch ganz, das Vestibül zumindest im Rohbau vollenden. Allerdings blieb die lineare Struktur der Profile auf die Portalgewände, Pilaster und Säulen beschränkt. Der tektonische Charakter der Ordnungen wurde dadurch sogar noch betont. Das Obere Belvedere als Bau
Im Kaisersaal dagegen, der ganz gewiss unter Mitwirkung Hildebrandts entstand, lässt sich wie an der Fassade eine Entwicklung vom Tektonischen zum Plastischen beobachten. Auch hier haben Dreiviertelsäulen die Pilaster und Vollsäulen verdrängt, und dies sogar an allen Seiten. Indem die Dreiviertelsäulen gleichmäßig und ohne Rücksicht auf die Außengliederung an den Innenwänden entlang geführt werden, entwickelt sich der Kaisersaal zu einem autonomen Binnenraum. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass sich das Gebälk über den lichten Weiten bis an die Wand zurückkröpft, die Säule also als plastischer Wandschmuck und nicht als Teil einer inneren Peristase aufgefasst wird. Außerdem teilen die Säulen des Kaisersaals mit der Außengliederung zwar noch die Proportionen, jedoch nicht mehr dieselbe Ordnung. Die Composita wurde von korinthisierenden Kapitellen mit reichem Rocailleornament verdrängt. Die Autonomie des Inneren gegenüber der Fassade manifestiert sich auch im Gewölbe. Die Attikazone tritt im Kaisersaal nicht mehr in Erscheinung. Lediglich die Okuli machen sich als Öffnungen der Stichkappen bemerkbar. Anders als in Hdz. , in der Neumann das Gliederungssystem der Fassade nach innen spiegelte, werden sie aber nicht mehr als die Innenseite der Attika, sondern als Aussparungen im Gewölbe aufgefasst. Die Umgestaltung des Kaisersaals von einer Kehrseite der Fassaden zu einem nach ausschließlich dekorativen Gesichtspunkten gestalteten autonomen Binnenraum fand in der Ausstattung ihren Abschluss. Durch die heterogene Fassung löst Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
sich die gesamte Ordnung auf und zerfällt in ihre Einzelteile. Der Betrachter orientiert sich nicht mehr an der tektonischen Struktur, sondern an den Farbwerten der Oberfläche. Die zwischen Rotviolett und einem Graublau, das einen leichten Grünstich aufweist, changierende Marmorierung der Schäfte ist so lebhaft und oszillierend, dass das Auge nicht nach oben zum Gebälk geführt wird, sondern irisierend hin und her wandert. Die schräge Maserung verführt sogar dazu, von Säule zu Säule zu springen. Auch die vergoldeten Kapitelle, Basen und Plinthen gerieren sich weniger als Bestandteile der Säulen ; zusammen mit dem übrigen Goldornament sind sie glänzende Einsprengsel, die den ganzen Raum durchsetzen. Insbesondere die Kapitelle haben ihre tragende Funktion verloren. Ihr Blattwerk, das sehr an die Stukkaturen des heutigen Weißen Saals erinnert, wuchert über die Halsringe und Abaki hinweg bis an die Wandspiegel. Selbst das Gebälk hat seine tektonische Kohärenz eingebüßt. Der Fries besitzt nicht nur dieselbe Farbe wie die Wand ; da er im Bereich der lichten Weiten auch in die Ebene der Wand zurückfällt, nimmt man ihn fast schon als einen Teil derselben wahr. Wie an der Fassade bemächtigt sich die Wand also der Gliederung, um sie zu durchdringen. Die den Fries zierenden goldenen Blattkonsolen werden so erst recht zum applizierten Dekor. Dieser sucht seinerseits die Synthese mit Tiepolos Deckenfresken – farblich, aber auch strukturell.¹³⁸ Die seitlichen Szenen (im Süden die Vermählung Kaiser Barbarossas mit Beatrix von Burgund durch Bischof Gebhard, im Norden die Inves91
titur Bischof Herolds durch Barbarossa und die Bestätigung seiner herzoglichen Rechte) gehen mit Bossis Stuckvorhängen eine semantische Einheit ein. Im Gegenzug sind mehrere Figuren aus den Bildern herausgetreten. Scheinbar frei wandeln sie auf dem Kranzgesims, jedoch nur, um ihrerseits die Symbiose mit der Architektur zu suchen. So evoziert der Hund in der Belehnungsszene zusammen mit der realen Säule, über der er sitzt, das Motiv der Bildsäule. Da diese gewöhnlich von einer Heiligen- oder Herrscherfigur bekrönt wird, gelang Tiepolo überdies die geistreiche Persiflierung einer dem Ambiente an sich angemessenen traditionellen Nobilitierungsformel. Das Deckenbild (Apoll führt Beatrix auf dem Sonnenwagen dem jugendlichen Genius Imperii zu) ist mit den anderen Gattungen ähnlich verschränkt. An den Rändern wird es vom Dekor überwuchert. Zugleich überlappt es diesen mittels bemalten Stucks. Und erneut wird die Architektur einbezogen. Die Bahnen des Lichts, das durch die Stichkappen einfällt, veranschaulichen die Strahlen, die im Scheitelfresko gedanklich vom Sonnengott ausgehen. Wie die durch Apoll personifizierte virtus sich inhaltlich in den Tugendpersonifikationen, die in den Stichkappen auf Wolken schweben, konkretisiert, so materialisiert sich das Licht physikalisch im Goldgrund, der die Tugenden hinterfängt.¹³⁹ Zur optischen Synthese tragen auch die Lüster bei, deren Licht nicht nur von den Kristalltropfen, sondern auch vom polierten Marmorboden sowie von zahlreichen Spiegeln, die zum Teil sogar in den Gewölbestuck eingearbeitet sind, reflektiert wird. 92
Hatte Neumann den großen Saal als das ›Innenleben‹ seiner Fassadenarchitektur konzipiert, so war nun das Gegenteil eingetreten : Die Innenausstattung hatte sich vollkommen von der Fassadengestaltung emanzipiert und darüber hinaus die Architektur als Teil ihres dekorativen und ikonologischen Systems absorbiert. .. Die Würzburger Residenz und das Obere Belvedere im Vergleich Wie das vorangegangene Kapitel gezeigt hat, stehen Neumanns Entwürfe der frühen Dreißigerjahre zur Architektur des Oberen – Belvedere in deutlicherem Widerspruch als der Kaisersaalpavillon in seiner heutigen Gestalt. Bei Neumann sind die Ordnungen das primäre Element. Sie tragen den Bau und sind ausschließlich nach den Gesetzmäßigkeiten der Tektonik proportioniert. In Wien hat man dagegen den Eindruck, die Ordnungen seien der Wand auf- geklebt, ja aufgenagelt worden. Und wo es nicht ganz passt, wird nachgeholfen, sei es durch Dehnen, Knicken, Schmälern oder Kürzen der Pilaster oder durch Brechen und Fragmentieren der Gebälke. Da die Pilaster auch gedanklich keine wirklich tragende Funktion haben, kann sich das Gebälk über den Interkolumnien problemlos zurückkröpfen. Dies ist möglich, weil die Wand die Gliederung trägt und nicht umgekehrt. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Neumanns Pilaster vermauerte Pfeiler fingieren. Diese Pfeiler haben eine räumliche Tiefe. Durch sie gewinnt auch die Wand, in der Das Obere Belvedere als Bau
sie stehen, an Substanz ; ihre Dicke wird durch die imaginäre Tiefe der Pilaster-Pfeiler bestimmt. Die räumliche Tiefe wird dadurch erweitert, dass die Pilaster-Pfeiler Teil einer Säulenarchitektur sind, die sich nach außen wie nach innen fortsetzt. In Wien ergibt sich die Tiefenräumlichkeit dagegen ›nur‹ aus den von Wandflächen umschlossenen Raumvolumina. Die Wandflächen selbst sind aber reine Hüllen, ohne erkennbare Substanz. Der Fassadendekor gibt über die Beschaffenheit der Wand keinerlei Aufschluss. Vor diesem Hintergrund ist der schon von Grimschitz gezogene Vergleich des Wanddekors mit dem Beschlagwerk der deutschen Renaissance durchaus anschaulich.¹⁴⁰ Ebenso erinnert die Wandstruktur an Kistlerhandwerk. Auch eine Kiste besteht, obwohl sie ein Volumen umschließt, nur aus dünnen Wänden. Im Gegensatz zu den Pavillons der Planungsphase von bis besitzt der ausgeführte Kaisersaalpavillon mit dem Mittelbau des Oberen Belvedere eine wesentliche Gemeinsamkeit : Beide sind an die Restfassaden gebunden, weil ihre Gliederung sich an den Rücklagen fortsetzt. Dabei wird eine zunächst flexible Struktur durch Applikation fixiert. In Würzburg geschieht dies, indem die imaginäre Gliederung der Längsseiten von der Wand gelöst, um Grad nach vorne geklappt und über die Instrumentierung der angrenzenden Travéen gelegt wird. In Wien werden die Pilasterpaare des Mittelbaus um Kanten und Ecken hinweg bis zu den Enden – der Seitenpavillons geführt. Von dieser Flexibilität ist in Neumanns Zeichnungen von / nichts zu erkennen. Formale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
In der Auffassung der Wand hält der Kaisersaalpavillon zwischen dem Belvedere und Neumanns Entwürfen die Mitte. Wie in Hdz. hat die Wand Substanz. Diese resultiert allerdings nicht aus der latenten räumlichen Qualität der Instrumentierung, sondern aus den verschiedenen Schichten, die schrittweise aufgetragen worden sind. Auch hat die Gliederung selbst mehr Plastizität. Zumindest an der Stirnseite scheint die Ordnung aus dem Stein herausgemeißelt worden zu sein. Von dieser Plastizität ist in Wien noch nichts zu spüren. Doch auch in ihrer Plastizität folgt die Gliederung des Kaisersaalpavillons ausschließlich dekorativen Gesichtspunkten, was wiederum dem Stil Hildebrandts entspricht. Dies gilt selbst für die Verwendung der gekuppelten Dreiviertelsäulen an den Rändern der Stirnseite. Mit Sicherheit spiegelt die Anordnung der Säulen nicht Neumanns tektonisches Empfinden wider, und schon gar nicht eignet sie sich als ein Gegenbeispiel zu Hildebrandts Dekorationskunst, wie Eckert glaubte. Sehr viel schlüssiger ist der von Kerber entwickelte und von Schütz aufgegriffene Ansatz, die Gliederung des Kaisersaalpavillons nicht unter tektonischen, sondern plastischen Gesichtspunkten mit dem Oberen Belvedere zu vergleichen.¹⁴¹ Allerdings kann es auch dann nicht um einen Vergleich zwischen Hildebrandt und Neumann gehen. Es geht vielmehr um einen Vergleich zwischen Hildebrandt einerseits und einer Synthese von Hildebrandt und Neumann andererseits, wobei ich mich – anders als noch vor einigen Jahren¹⁴² – nicht mehr auf Hilde93
brandt als den Architekten, der an den Kaisersaalpavillon letzte Hand angelegt hat, festlegen möchte. Grundsätzlich halte ich es durchaus für möglich, dass nicht nur Neumann am Residenzprojekt von anderen Kollegen lernte, sondern dass auch Hildebrandt Elemente von Neumann übernahm. Zwar blieb dem Architekten aus Wien Neumanns tektonisches Denken zeitlebens fremd, doch hatte er am Residenzbau durchaus ein Gespür für die Substanzhaltigkeit der Wand entwickelt. Dies beweist die Ehrenhoffront, für die Neumann zunächst ja wie für den Gartenpavillon eine tektonische Gliederung vorgesehen hatte. Noch bevor der Gartenpavillon errichtet wurde, hatte Hildebrandt an der Ehrenhoffront, die fraglos sein Werk ist,¹⁴³ die Substanzhaltigkeit der Wand erkannt und zu einer plastischen Durchbildung und ornamentalen Überformung genutzt – in einer Art und Weise, die am Oberen Belvedere nicht (oder noch nicht) möglich gewesen war. Und ebendiese Gestaltungsprinzipien hätte er dann auf den Kaisersaalpavillon übertragen können. Andererseits spricht die Intellektualität, mit der die erste Rücklagentravée als Bindeglied zwischen dem ornamental gestalteten Kaisersaalpavillon und den nach wie vor tektonisch strukturierten Rücklagen konzipiert wurde, für Neumann. Dasselbe gilt für die sehr französische Absetzung der Stirnwand von den Schrägseiten. Daher ist es auch möglich, dass Neumann den Kaisersaalpavillon konzipierte – freilich unter der Vorgabe, das Hildebrandt’sche Gliederungsprinzip des Ehrenhofrisalits auf die Stirnseite zu übertragen. 94
Nicht zuletzt ist denkbar, dass beide Architekten am Kaisersaalpavillon zusammenarbeiteten, etwa dergestalt, dass Hildebrandt für den Aufriss und Neumann für den Grundriss sowie für die erste Rücklagentravée verantwortlich zeichnete. Doch ganz gleich, ob Hildebrandt einen Entwurf Neumanns oder Neumann einen Plan Hildebrandts überarbeitete oder ob beide zusammen wirkten ; auf jeden Fall offenbart der Unterschied zwischen dem Oberen Belvedere und der Würz- burger Residenz eine große stilistische Entwicklung, die in der Hildebrandt-Forschung m. E. viel zu wenig gewürdigt wurde. Diese Entwicklung mag Hildebrandt durch die ikonologische Bedeutung einzelner Architekturmotive erleichtert worden sein. Schütz sieht in den Säulen Elemente eines »Wiener Reichsstils«. Wie ich an anderer Stelle schon dargelegt habe, ist diese Deutung nicht unproblematisch. Zunächst handelt es sich beim Reichsstil der Schönborns und beim Wiener Kaiserstil um zwei verschiedene Kategorien, da ersterer die Wahrung der Verfassung und der ständischen Freiheiten innerhalb des Reiches, letzterer die Bedeutung des Erzhauses Österreich als einer europäischen Großmacht propagierte. Außerdem ist zweifelhaft, ob die Säulen ein ähnlich eindeutiges imperiales Hoheitsmotiv darstellen wie etwa die vier Riesensäulen an den Portalrisaliten I und II des Berliner Stadtschlosses oder am Treppenhauspavillon in Pommersfelden.¹⁴⁴ Andererseits ist es unübersehbar, dass die Würzburger Residenz als ein Monument der Schönborn’schen Reichsidee auf Säulen als Nobilitierungselemente der Fassade nicht verzichten konnte.¹⁴⁵ Wie im Kaisersaal, so bestimmte Das Obere Belvedere als Bau
auch an den Fassaden der Ehrenhofrückwand und des Kaisersaalpavillons der gedankliche Gehalt die Formgebung. Im Unterschied zu Würzburg als einer Stadtresidenz repräsentiert das Obere Belvedere als Lustschloss und Sommerpalast einen ganz anderen Gebäudetyp. Auch übte der Bauherr eine andere Funktion aus als die Schönborn-Bischöfe. Prinz Eugen führte zwar zusammen mit Lothar Franz von Schönborn die ›Reichspartei‹ an (der eine am Wiener Hof, der andere im Fürstenkolleg), doch gehörte er nicht dem Reichsfürstenstand an. Daher hätte am Oberen Belvedere eine Säulenarchitektur in der Beletage gegen das Dekorum verstoßen – Kapitel C .. wird noch näher darauf eingehen. Darüber hinaus hätten Säulen sich nur schlecht mit dem Zeltcharakter des Oberen Belvedere vertragen. Die Säule evoziert Dauerhaftigkeit und Stärke, nicht zuletzt in der Habsburger-Ikonologie.¹⁴⁶ Das Zelt hat seine Ursprünge dagegen in der ephemeren Architektur. Die Kombination beider Elemente, wie Joseph Emanuel Fischer von Erlach sie in seinem dritten Hofburgprojekt für den Michaelertrakt vorsah, ist daher ein Widerspruch in sich. Hingegen steht eine Instrumentierung, die wie im Oberen Belvedere an aufgenagelte Bretter und Latten erinnert, dem Zeltcharakter der Dächer viel näher. Sucht man nach der Quintessenz der in dieser Studie angestellten Vergleiche, so kann man sagen, dass Hildebrandt am Oberen Belvedere und Neumann in seinen Residenzentwürfen von – Schloss Vaux-le-Vicomte als ein gemeinsames Vorbild völlig unterschiedlich rezipierten : der eine dekorativFormale Vorbilder, Vergleichsbeispiele, Nachahmungen
ornamental, der andere tektonisch. Selbst die Tiefenräumlichkeit, die im Denken beider Meister eine große Rolle spielt, entfaltete sich auf höchst unterschiedliche Weise : in Wien als Durchdringung pavillonartiger Hohlkörper, die – entgegen Freys Analyse im Aufriss eben nicht negiert, sondern besonders sichtbar werden – und in den Plänen für Würzburg als – eine Fortsetzung der Fassadengliederung im Innern des Corps de Logis. Das eine Mal ist die Tiefenräumlichkeit szenographisch, das andere Mal strukturell. Darüber hinaus wäre es bei einer Ausführung von Neumanns Plänen nicht möglich gewesen, hinter einer zunächst bildhaften Erscheinung raumhaltige Strukturen zu erkennen, geschweige denn raumhaltige Strukturen aus der Ferne als Bild wahrzunehmen. Die Fassade wäre stets als ein rein tektonisches Konstrukt erschienen. Im Unterschied zu diesen beiden Versionen, die zueinander eigentlich eine Antithese bilden, vollzieht der ausgeführte Kaisersaalpavillon der Würzburger Residenz die Synthese : Typisch für Neumann sind die Substanzhaltigkeit der Wand, die Gestaltung des Mittelpavillons als ein Solitär mit risalitar- tiger Stirnwand und wahrscheinlich auch die Verankerung des Pavillons in der Gesamtfassade. Hildebrandtisch ist der ornamental-plastische Charakter der Stirnwand, die zwar nicht zur Fläche reduziert worden ist, aber doch optisch-dekorative Qualitäten besitzt, die zwar noch substanzhaltig, aber doch nicht mehr tektonisch ist. Nicht zuletzt ist der Schweifgiebel ein spezifisches Element von Hildebrandts Architektur. Das – französisch-klassische Motiv der zweigeschossigen Portikus 95
verlor sich bei dieser Umformung in einen wienerisch-oberitalienischen Barock fast ganz. Eben diese Verschmelzung Neumann’scher und Hildebrandt’scher Elemente erklärt auch, warum der Kaisersaalpavillon trotz seiner anderen Provenienz in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zum Mittelbau des Belvedere steht : Er ist nicht dessen verbesserte Variante, sondern das Resultat einer Angleichung, die unter dem – wie auch immer zu gewichtenden – Einfluss von Neumanns Architektur zur geglückten Synthese wurde.
. Die Rezeption des Belvedere
Nachdem sich gezeigt hat, dass Hildebrandt und Neumann bei der Planung des Oberen Belvedere und des Würzburger Kaisersaalpavillons mit Vaux-le-Vicomte zwar auf ein gemeinsames Vorbild zurückgriffen, dieses aber völlig unterschiedlich interpretiert haben und dass das Schloss des Prinzen Eugen die Schönborn-Residenz allenfalls unmittelbar beeinflusste, sei noch auf einen Bau hingewiesen, bei dem die Rezeption offensichtlich ist. In der Literatur wurde mehrfach die Frage diskutiert, ob das bei Weimar gelegene Belvedere, das Gottfried Heinrich Krohne / nach einer Wienreise Herzog Ernst Augusts erweitert hatte, durch die Sommerresidenz des Prinzen Eugen inspiriert worden sei. Während Franz Voigt und Hans-Herbert Möller als Vertreter der älteren Forschung dies bejahten,¹⁴⁷ äu96
ßerten sich in jüngerer Zeit vor allem Heiko Laß und Maja Schmidt kritisch. Zwar erkannten auch sie in der Fassadenbildung »gewisse Ähnlichkeiten«, etwa den erhöhten Kernbau, die niedrigeren Verbindungstrakte, die durch Kuppeln überhöhten Seitenpavillons und die dadurch entstehende »Rhythmisierung der Fassade, die durch horizontale Gliederungselemente letztlich doch vereinheitlicht wird«. Dennoch werteten sie diese Übereinstimmungen als eher marginal.¹⁴⁸ Fasst man Hildebrandts Zwischentrakte indes als Brücken auf, die eine Kerntrias mit Eckpavillons verbinden, so ist die Vorbildfunktion für den Weimarer Bau – trotz der völlig unterschiedlichen Gestaltung der Einzelformen – evident. Da sich anders als in Wien hinter den Verbindungstrakten keine weitere Raumfolge verbirgt und das Gelände nicht mehr ansteigt, konnte Krohne anstelle offener Galerien sogar Durchfahrten einfügen, die den Charakter der Zwischentrakte als Brückenund Bindeglieder noch offenkundiger werden lassen. Diese Offenheit gestattete es ihm sogar, die Tiefenräumlichkeit und die Verbindung von Schloss und Garten zumindest an dieser Stelle zu steigern. Über die Pavillonstruktur hinaus übernahm Krohne von Hildebrandt aber auch die Idee, die Kapelle in einem der Eckpavillons unterzubringen. Der Frage, weshalb Ernst August das Obere Belvedere zitierte, kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Denkbare Gründe sind die Namensgleichheit beider Anlagen, die in Wien mustergültig gelöste Verbindung von Garten- und Schlossarchitektur sowie die Vorbildfunktion, die Prinz EuDas Obere Belvedere als Bau
gen auch noch nach seinem Tode für viele Adlige besaß (siehe hierzu Teil C .).
Anmerkungen Aurenhammer, H. , S. Dieser Saal wird gemeinhin Marmorsaal genannt. Um ihn aber vom Marmorsaal des Unteren Belvedere zu unterscheiden, habe ich mich für die von Salomon Kleiner verwendete Bezeichnung entschieden. Dieser an sich paradoxe Begriff ist eine Analogiebildung zum scheitrechten Bogen bzw. scheitrechten Gewölbe. Noch mehr als durch die heutigen Fenster wurde der ursprüngliche Eindruck zur Zeit Franz Ferdinands durch einen eingeschossigen Vorbau aus Stein, Eisen und Glas verfälscht (Abb. ). Siehe Stephan a, Bd. I, S. –. Schon während der Entwurfsphase hatte Maderno seine Fassade gegenüber den Kritikern, die entweder an Michelangelos Zentralbau oder aber am Erhalt des bis dahin stehen gebliebenen östlichen Langhauses von Alt-Sankt Peter festhielten, zu verteidigen. Nachdem die Fassade – noch ohne die Türme – vollendet worden war, zeigte sich Paul V. wie die Mehrzahl der Römer »sehr befriedigt« (Caflisch , S. ). Auf die allgemeine Zustimmung und das überschwängliche Lob, das Maderno zum Teil sogar erfuhr (zu den einzelnen Nachweisen siehe Caflisch , S. , Anm. ), folgte mit Baubeginn der Türme jedoch zunehmend Kritik : die Fassade wurde nun als zu breit empfunden. Auch bemängelte man, daß sie zu sehr von dem Gliederungssystem abweiche, das Michelangelo am Zentralbau vorgegeben habe, und die von dem Florentiner Meister geschaffene Kuppel verdecke. Da Maderno die von Michelangelo vorgesehene frei stehende Portikus aufgegeben habe, gleiche die Fassade zudem eher der Front eines Palastes als der einer Kirche. Auch besitze die Quasi-Portikus, Anmerkungen Teil B
die Maderno anstelle einer echten Säulenvorhalle der Wand vorgeblendet habe, zu wenig Gewicht, um sich gegenüber dem Rest zu behaupten. Überhaupt sei die Gliederung in sich unlogisch (vgl. Pastor –, Bd. XII, S. – ; Thelen , S. ; Thoenes , S. ; Hibbard , S. – u. Bredekamp , S. ). Wie unbefriedigend die unvollendete Fassade auf viele Zeitgenossen wirkte, zeigen auch die zahlreichen Entwürfe des . Jahrhunderts, in denen Carlo und Girolamo Rainaldi, Pietro Paolo Drei, Santi Moschetti, Andrea Bolgi, Martino Ferrabosco, Giovanni Battista Mola, Cesare Bracci und selbstverständlich auch Bernini die Vollendung der Türme und zum Teil sogar die Neugestaltung der Kernfassade durchspielten – einige von ihnen sogar in bis zu einem halben Dutzend Varianten. (Ein guter Überblick findet sich bei McPhee , S. –. Speziell zu Berninis Kritik an Maderno siehe Thoenes , S. –.) Im . Jahrhundert fiel das Urteil noch ungünstiger aus, besonders wenn es von Klassizisten wie Francesco Milizia kam, der Maderno als einen »il più gran reo de lesa architettura« bezeichnete (Milizia , Bd. I, S. f und Pastor –, Bd. XII, S. , Anm. ). Die Anbauten wurden in den Jahren bis ausgeführt ; vgl. Hibbard, , S. –, – u. S. – ; Thoenes , S. – ; vgl. Bredekamp , S. und McPhee , S. –. Zugegebenermaßen umfasste die Fassade schon in den Entwürfen, in denen Maderno noch keine Türme vorgesehen hatte, sieben Achsen (vgl. die Entwürfe in Florenz, Uffizien A , A u. A , sowie die Zeichnung von G. Maggi nach Madernos Entwurf, ; London, Victoria & Albert Museum, E /, Talman Collection, -D-). Die äußeren Travéen waren ursprünglich also nicht als Zwischen- oder Scharnierachsen geplant. Dies ändert jedoch nichts daran, daß sie seit dem Bau der Türme diese Funktion übernommen haben. Zur komplizierten Planungsgeschichte und der Vielzahl der Entwürfe siehe McPhee , passim (dort auch weiterführende Literatur). Schon Giacomo Barozzi da Vignola und Giacomo della Porta instrumen-
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tierten in ihren Fassadenrissen für Il Gesù die Nebentravéen mit Nischen anstelle von Fenstern oder Portalen. Nach Bredekamp , S. – scheiterte die Vollendung der Türme, von denen der südliche schon weit gediehen war, nicht nur an den Grundwasserverhältnissen ; Innozenz X. habe das von seinem Vorgänger Urban VIII. initiierte Vorhaben auch aus baupolitischen Gründen revidiert. Vgl. Brattig , S. – Kleiner –, Teil III : Neo-Aucta Vienna Austriae seu Vera et accurata Repraesentatio Antiquarum, tum modernarum Ecclesiarum, Colossorum, Fundationum, Hospitalium, etc. …, o. S. [. Kupferstich]. Zur Ikonographie der Hofbibliothek vgl. Buchowiecki , S. –, Matsche , passim u. Kreul , S. –. Dreger , S. Grimschitz , S. – Rose , S. – Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. Serlio , III, S. Berlin, Kunstbibliothek, Hdz. Seeger , S. – Seeger , S. – Hainisch , S. – Seeger , S. – Kleiner –, Teil IV : Florentis et auctae continuatio seu vera et accurata repraesentatio sacrorum iuxta ac profanorum aedificiorum …, o. S. [. Kupferstich]. Grimschitz , S. . Anders als Hanisch , S. ff., erkennt Grimschitz , S. , Anm. , im deutschen Schlossbau des . Jahrhunderts jedoch kein maßgebliches Vorbild für Hildebrandts schöpferische Kraft.
Vgl. hierzu Bauer , S. –. Zur ephemeren Architektur in Europa siehe auch Kessel ; Spagnolo-Stiff u. Fagiolo Dell’Arco . Wie geläufig die Zeltbauweise als Paradigma der Realarchitektur gerade zu Beginn des . Jahrhunderts war, zeigt eine Äußerung Pöppelmanns, die sehr wahrscheinlich auf das Kronentor des Dresdner Zwingers zu beziehen ist : »Sonst bestehet das gantze Werck überhaupt aus Sechs geraumen Sälen, und einem andern Zelt-förmigen Gebäude« (Pöppelmann () ; daraus : Bericht, Wegen der Kupffer-Stiche, nebst dazu gehöriger Beschreibung des Königl. Zwinger-Gartens., . Seite, . Spalte). Vgl. Anm. . Ottmann o.J., S. ; Hainisch , S. ; Aurenhammer, H. , S. Egger , S. Lietzmann , S. – weist darauf hin, dass sich insbesondere Besucher aus dem Vorderen Orient an ihre eigene Zeltarchitektur erinnert fühlten. Nach Keller , S. – war das Neugebäude bereits so verfallen, dass bei der einheimischen Bevölkerung das Gerücht umging, es handle sich um Ruinen eines türkischen Feldlagers, das die Feinde nach dem Scheitern der Belagerung Wiens fluchtartig verlassen hätten. Wäre die Dachlandschaft des Oberen Belvedere wirklich von türkischen Zelten abgeleitet, so würde dies auf der sinnbildlichen Ebene bedeuten, dass Eugen das Heerlager seiner Feinde zur Residenz gewählt hätte. Dass dies nicht gemeint sein kann, beweist allein schon die Form der Dachknaufe, die eben keine Halbmonde tragen, sondern abendländischen Zeltstangen nachempfunden sind. Fronsperger (), Theil III, Tafel S. CXXX–CXXXI (Reprint des Exemplars aus der Bibliotheca Palatina ; hg. von Leonard Boyle u. Elmar Mittler [Microfiche], München , Blatt C , E –) Zwar erschien Fronspergers Werk fast anderthalb Jahrhunderte vor dem Bau des Belvedere, doch blieb die Gestaltung von Militärzelten innerhalb dieses Zeitraums nahezu unverändert. Weitere Beispiele bei : F. Mancini , S. ; Muraro , S. ; Viala Ferrero , S. Das Obere Belvedere als Bau
Vgl. Aurenhammer, H. , S. –. Grundlegend zu diesem Thema ist : Aurenhammer, G. , S. – Kleiner –, Teil IV (= Florentis et auctae continuatio seu vera et accurata repraesentatio sacrorum iuxta ac profanorum aedificiorum …), . Blatt Insbesondere die Attikafenster trugen mit ihren radialen, von einem Oval überschnittenen Sprossen zur ornamentalen Bereicherung der Fassade bei. Siehe hierzu : Krapf , S. . Grimschitz , S. ; Aurenhammer, H. , Bd. II/, S. Kerber , S. Eckert, S. – Grimschitz , S. Grimschitz , S. Im Gegensatz zur Rundsäule ist der rechtwinklige Pfeiler sozusagen ein Stück stehen gelassene Wand. Als ›in die Wand geschobene‹ oder ›vermauerte‹ Pfeiler sind Pilaster daher ideale Bindeglieder zwischen Freisäulen und Wandrücklagen (siehe Kapitel B ...). Vgl. z. B. Palladio (), S. –. Vgl. z. B. Palladio (), S. –. Palladio (), S. Palladio (), S. Zuerst bei Lübke/Semrau , Bd. V, S. . Brucher (), S. Kremeier , S. Rose , S. ; Grimschitz , S. Siehe hierzu Grimschitz S. – u. Vlcek , S. –. Mangels eines gängigen Terminus technicus habe ich diesen Begriff analog zur Bezeichnung ›scheitrechtes Gewölbe‹ konstruiert, wobei ich mir bewusst bin, dass beide Formulierungen gleichermaßen paradox sind. Mailand, Castello Sforzesco, Civiche raccolte d’arte Aurenhammer, H. , Bd. II/, S. Eckert , S. Anmerkungen Teil B
Siehe Anm. . Keller , S. Vgl. Rose , S. . Grimschitz , S. XVII Grimschitz , S. XVII–XVIII Grimschitz , S. Grimschitz S. Hansmann , S. Vgl. Aurenhammer, H. , S. . Der um bei Ausgrabungen der Domus Aurea Kaiser Neros wiederentdeckte Ornamentstil wurde nach der unterirdischen, »grottenähnlichen« Lage seines Fundorts benannt. Pöppelmann (), Tf. Norberg-Schulz , S. Entstehung und Ikonographie des Freskos hat jüngst Krapf sehr überzeugend dargestellt. Kaskaden als Fortsetzung einer Treppe zu deuten, mag zunächst verwundern, doch ist eine Kaskade letztlich nichts anderes, als über Treppen geleitetes Wasser. Wie Pöppelmanns Entwurf für eine Kaskade als Nordabschluss des Zwingers zeigt, wurden nicht zuletzt deshalb beide Formen oft kombiniert (vgl. Pöppelmann [], Tf. u. ). Kleiner –, Teil IV : Florentis et auctae continuatio seu vera et accurata repraesentatio sacrorum iuxta ac profanorum aedificiorum…, o. S. [. Kupferstich]. Siehe hierzu auch Levèvre ; Mielsch , S. – ; Försch Plinius. Epistolae II ,–. : »Du wunderst dich, dass sich eine so große Freude an meinem Laurentinum oder, wenn du lieber willst, an meinem laurentinischen Gut habe. Du wirst dich nicht mehr wundern, wenn du dieses Landhaus, die vorteilhafte Lage des Ortes […] kennst. Es liegt zehnoder auch nur siebentausend Schritte von der Stadt, so dass man nach vollbrachten Geschäften, ohne etwas an der Tagesordnung zu ändern, dort verweilen kann. […] Der Mitte der Säulengänge gegenüber ist ein freund-
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licher Hofraum, von dem aus man in einen ziemlich schönen Speisesaal gelangt […] Auf allen Seiten hat er Flügeltüren oder Fenster, ebenso groß wie Flügeltüren, so dass man von zwei Seiten und von vorn gleichsam drei Meere sieht. (Miraris cur me Laurentinum vel – si ita mavis –, Laurens meum tanto opere delectet ; desines mirari, cum cognoveris gratiam villae, opportunitatem loci […] () Decem septem milibus passuum ab urbe secessit, ut peractis quae agenda fuerint salvo iam et composito die possis ibi manere. […] Est contra medias cavaedium hilare, mox triclinium satis pulchrum, […] Undique valvas aut fenestras non minores valvis habet atque ita a lateribus a fronte quasi tria maria prospectat.)« Plinius, Epistolae V , – : »Regionis forma pulcherrima. Imaginare amphitheatrum aliquod immensum, et quale sola rerum natura possit effingere. Lata et diffusa planities montibus cingitur, montes summa sui parte procera nemora et antiqua habent. [] Frequens ibi et varia venatio. Inde caeduae silvae cum ipso monte descendunt. Has inter pingues terrenique colles – neque enim facile usquam saxum etiam si quaeratur occurrit – planissimis campis fertilitate non cedunt, opimamque messem serius tantum, sed non minus percoquunt. [] Sub his per latus omne vineae porriguntur, unamque faciem longe lateque contexunt ; quarum a fine imoque quasi margine arbusta nascuntur. [] Prata inde campique […]. [] Prata florida et gemmea trifolium aliasque herbas teneras semper et molles et quasi novas alunt. […] [] Magnam capies voluptatem, si hunc regionis situm ex monte prospexeris. Neque enim terras tibi sed formam aliquam ad eximiam pulchritudinem pictam videberis cernere : ea varietate, ea descriptione, quocumque inciderint oculi, reficientur.« Plinius, Epistolae V , u. : »A capite porticus triclinium excurrit ; valvis xystum desinentem et protinus pratum multumque ruris videt, fenestris hac latus xysti et quod prosilit villae, hac adiacentis hippodromi nemus comasque prospectat. […] Post latissimis fenestris vineas, valvis aeque vineas sed per cryptoporticum quasi admittit.« Ibid. V, , : »Est et aliud cubiculum […] nec cedit gratiae marmoris ramos insidentesque ramis aves imitata pictura.«
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Blum , S. Einen kurzen, aber treffenden Überblick über die thematischen Schwerpunkte von Eugens Bibliothek gibt Klett , S. . Plinius, Epistolae V, , .... Krapf , passim. Plinius, Epistolae V, , : »Ibi animo, ibi corpore maxime valeo. Nam studiis animum, venatu corpus exerceo. […] Di modo in posterum hoc mihi gaudium, hanc gloriam loco servent.« Vgl. z. B. Alberti [], IV . v, Bd. I, S. . Zit nach Alberti , S . Vgl. ders. [], IX . v, Bd. II, S. : »Delectabit istis aedificatio, si tum primum es urbe egressis tota se facie videndam obtulerit laetam, acsi ad se proficiscentes illectet atque praestoletur. Velim ea re elatula ; et velim in eum locum via praesurgat clivo molli adeo, ut vadentes fallat, quoad conscendisse non ex alia re quam circumspectato agro id ex altitudine loci sentiant. Prati spatia circum florida et campus perquam apricus et silvarum umbrae subgelidae et limpidissimi fontes ac rivuli […]. Caeterum tota aedium facies atque congressio […] pervelim penitus sit quaque undique illlustris atque admodum perspicua. Caelo laetissimo plurimum admittat lucis, plurimum solis, plurimumque salubris aurae.« Alberti [], V . r, Bd. I, S. ; vgl. ders. , S. . Alberti [], IV . v, Bd. I, S. u. IX , v, Bd. II, S. . Vgl. hierzu ausführlich Blum , S. –. Alberti [], V . r, Bd. I, S. ; vgl. Alberti , S. . Palladio II , S. . Vgl. ders. , II , S. : »Ill sito è de gli ameni, e dfilettevoli che si possano ritrovare : perche è sopra un monticello de ascesa facilissima […] e dall’altra [parte] è circondato da altri amenissimi colli, che rendono l’aspetto di un molto grande Theatro, e sono tutti coltivati, & abondati di frutti eccellentisssimi, & di buonissime viti : Onde perche gode da ogni parte di bellissime viste, delle auali alcune sono terminate, alcune più lontane, & altre, che terminato con l’Orizonte ; vi sono state fatte le loggie in tutte quattro le faccie .«« Forssman , S. Das Obere Belvedere als Bau
Blum , S. Blum , S. Semenzato , passim. Vgl. auch Prinz , S. –. Zum Bildprogramm siehe ausführlich : Aurenhammer, H. , S. . Stephan a, S. – Ibid., S. – Siehe Stephan b, v. a. die Kapitel ›Die Seitenrisalite‹ und ›Der Große Risalit‹. Vgl. Feo , Abb. u. . Vgl. Grimschitz , S. –, , . Hansmann , S. ; vgl. auch Hofmann , passim. Fischer von Erlach , . Buch, Tf. XIX Fischer von Erlach , . Buch, Tf. XVIII Zur etwas unklaren Baugeschichte von Saint-Cloud siehe Krause , S. –. Vgl. Kirsten , S. u. Fig. –. Kirsten , S. Stephan , S. – Im schon genannten Mathematisch-Physikalischen Pavillon zierte ein Brunnen einen sogar namentlich ausgewiesenen Grottensaal (vgl. Pöppelmann [], Tf. ). Hempel , S. Quellen , Bd. I, , , Nr. Als Germain Boffrand, der premier architect du Roi, Schloss Pommersfelden besucht, rät ihm Lothar Franz von Mainz aus dringend zu einem Besuch in Dresden : »Ich habe ihm [Boffrand] ohnedem gesagt, daß er, alls er daroben gewesen ist, völlig bis auff Dresden, umb die königliche gebauer alldahr zu sehen, hette gehen sollten, welches er dann auch bereuth, daß er es nicht gethan hat« (Brief an Friedrich Carl vom . August : Quellen , Bd. I , Nr. ). Die Skulptur, die heute im Unteren Belvedere steht, übernimmt wesentliche ikonologische Aussagen, die der Treppenhausarchitektur in Prinz Anmerkungen Teil B
Eugens Stadtpalast zugrunde liegen (vgl. Stephan, S. – u. ders. , Bd. I, S. –). Architektonisches Denken war Permoser also keinesfalls fremd, was nicht zuletzt seine Bauplastik für den Zwinger eindrucksvoll unter Beweis stellt. Deckers Entwurf eines Turms mit Wasser- und Glockenspiel variiert diesen Gedanken (Decker –, Teil II, Tf. ). Kleiner –, Teil , S. Hainisch , S. Stephan , S. u. – Einen erschöpfenden Überblick über die Behandlung der Zuschreibungsfrage in der Literatur geben Hubala , S. – und Schütz , S. –. Diese Lesart entspricht selbstverständlich nicht dem Planungsverlauf, sondern der äußeren Erscheinung. Schließlich stand die Gliederung der Rücklagen schon fest, als um die Gestaltung des Kaisersaalpavillons noch gerungen wurde. Schütz , S. Schütz , S. u. ders. , S. Schütz , S. – Schütz , S. Vgl. Reuther , S. Die Risalitbildung wird aus den Aufrissen nicht ersichtlich, wohl aber aus den Grundrissen. Zwar ist der Grundriss der Gartenfront in Hdz. (Abb. ) wegen Wurmfraß genau im Bereich des Mittelpavillons beschädigt, doch hat Neumann glücklicherweise den halben Grundriss des Mittelpavillons in Hdz. (Abb. ) noch einmal eingezeichnet. Deutlich erkennt man, dass die Wand nur ›gefaltet‹ ist, aber nirgends um eine weitere Ebene vor- oder zurückspringt. Kremeier , S. – Vgl. Schneider u. Urban , S. –. Sedlmaier/Pfister , Bd. I, S. –, Hubala , S. – In der jüngeren Version von Hdz. (Abb. ) sind die halben Rand-
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pilaster an den äußeren Enden der Rücklagen fortgelassen. Dies geht wohl auf eine Ungenauigkeit zurück. Auf keinen Fall stellen die halben Pilaster zwischen Rücklagen und Mittelpavillon einen geknickten Winkelpilaster dar ; der Abstand der Schaftkanten ist nach wie vor zu groß. Wie der Grundriss in Hdz. (Abb. ) zeigt, liegt die Pavillonkante genau in der Flucht der Rücklage. Vgl. Reuther , S. . Stephan , Bd. I, S. – Alberti (), VI . v, Bd. II, S. – : »Affictorum operum duo sunt genera : unum, quod ita adheret parieti, ut quota sui pars interlateat et quota promineat ex pariete ; aliud, quod totis columnis ex pariete solutum exit, et porticum imitari voluisse prae se fert. Illud ea re prominens, hoc expeditum nuncupetur. In prominentibus erunt columnae aut rotundae aut quadrangulae. Prominere oportet rotundas ne plus ne item munus semidiametro ; quadrangulas ne plus parte sui lateris quarta, ne minus sexta.« Die oben angeführte Übersetzung ist entnommen : Alberti , S. . Alberti (), VII , v, Bd. II, S. : »In quibusque[Doribus, Ionibus et Corinthiis] latus, hoc est antipagmentum, fuit trabs. – Bei allen diesen Türen [der Dorer, Jonier und Korinther] war die Seite, das ist die Verkleidung, ein Architrav« (Alberti , S. ). Hubala , S. – Diese Einfassung hat freilich nicht nur eine strukturierende Funktion ; in erster Linie dürfte es dem Architekten darum gegangen sein, dass das Gebälk nicht nur auf der Wand aufliegt ; zumindest an den Außenseiten des Fassadenabschnittes – und hier offenbart sich ein ausgeprägtes tektonisches Denken – sollte es von einer Ordnung getragen werden. In der Oberzone zeigt sich die Zugehörigkeit der Pilasterstreifen d und c (vgl. Fig. auf S. ) zum Riesengebälk daran, dass sich dieses zwischen ihnen nicht zurückkröpft. Zur Farbigkeit der Fresken ausführlich : Weingart , S. –. Hierzu ausführlich Stephan , Bd. I, S. –.
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Grimschitz , S. Kerber , S. – u. Schütz , S. u. ders. , S. Stephan , S. Zur Zuschreibung siehe Schütz , S. . Schon Hildebrandt selbst hatte die Ehrenhoffront als seine Erfindung reklamiert (vgl. Kremeier , S. ). Zur imperialen Bauikonologie des Berliner Stadtschlosses und des Schlosses in Pommersfelden siehe Hofmann ; ders. ; Stephan b, Bd. I, S. – u. – ; ders , S. – ; hier S. –. Kremeiers Behauptung, der Würzburger Residenzbau enthalte keinerlei Anhaltspunkte für eine »politische Ikonographie« (Kremeier , S. ), ist entschieden zu widersprechen. Auf eine imperiale Ikonographie aus der Zeit Friedrich Karls lassen allein schon die Ausstattungen des Spiegelkabinetts und der Hofkirche sowie der Skulpturenschmuck der Ehrenhoffront und der gartenseitigen Eckpavillons schließen (siehe hierzu Stephan b, Bd. I, passim). Matsche , S. u. – Voigt , S. ; Möller , S. , u. Laß/Schmidt , S. –
Das Obere Belvedere als Bau
1 Die Aufhebung der Räumlichkeit in der Fernsicht
. Der Prozess einer reziproken Enträumlichung und Entbildlichung von Architektur und Landschaft
In Teil B wurde das Obere Belvedere als ein raumhaltiges Pavillongefüge rekonstruiert. Allerdings erfolgte diese Analyse aus der Nahsicht. Doch wie erschien die Architektur bei größerer Entfernung ? Zumindest die Fernansichten Kleiners lassen vermuten, dass die Raumhaltigkeit der Fassaden – war die Distanz nur groß genug – auch im . Jahrhundert kaum ins Gewicht fiel. Nahegelegt wird dies durch die Gesetzmäßigkeiten der Optik und der Luftperspektive, nach denen ein Körper mit zunehmender Entfernung seine Plastizität zu verlieren scheint. Kein Geringerer als Leonardo da Vinci stellt in seinem Traktat über die Malerei, der auf Französisch erschien, fest : Derjenige undurchsichtige und glanzlose Körper wird sich in Besitz von geringerem Relief zeigen, welcher vom Auge entfernter ist. Dies tritt ein, weil die zwischen Auge und Opakkörper befindliche Luft, da sie eine hellere Sache ist als der Schatten des Körpers, diesen Schatten bricht und aufhellt, ihm die Wirkungskraft seiner Die Aufhebung der Räumlichkeit in der Fernsicht
Dunkelheit nimmt, was dann die Ursache ist, aus welcher der Körper an Relief verliert.¹
Im Extremfall sehen die nur unklar zu erkennenden Objekte aus »wie in verschwommenen Nebel eingehüllt (nelle confuse nebbie parano inuolte)«² bzw. erscheinen »verschwommen und undeutlich (confuso et incerto)«³ oder »mit verschwommen und zweifelhaften Umrissen (di termini confusi e dubbiosi)«⁴. In der Tat können wir beobachten, dass das ohnehin schwache Fassadenrelief des Oberen Belvedere aus der Entfernung kaum wahrzunehmen ist. Verstärkt wird diese Wirkung durch Hildebrandts kleinteiligen Dekor, der keine großen und kohärenten Strukturen ausbildet, sondern sich aus vielen kleinen Körpern zusammensetzt. Denn nach Leonardo werden … die Umrisse desjenigen Gegenstandes […] weniger deutlich sein, der in der größeren Entfernung gesehen wird.⁵
Unter Dingen von gleicher Dichtheit werden die dem Auge näher stehenden aufgelöster erscheinen (z. B. Laubpartien von Bäumen), die entfernteren werden dichter aussehen.⁶ Dieses Phänomen beobachtete Leonardo auch an der Architektur. Generell stellt er fest : An Gebäuden wird das Stück weniger deutlich sein, das man in einer Luftschicht von größerer Dicke [und damit größerer Distanz ; Anm. d. Verf.] sieht, und so wird umgekehrt jenes das deut-
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lichere sein, das in einer feineren Luft [und damit aus geringerer Distanz ; Anm. d. Verf.] gesehen wird.⁷ So sieht man bei Festungswerken in weiter Entfernung die Zwischenräume der Zinnen, die in Wirklichkeit ebenso breit wie die Zinnen selbst sind, viel breiter erscheinen als die Zinnen, und in noch größerer Entfernung nimmt der (helle) Zwischenraum die ganze Zinne ein und deckt sie. Ein solches Festungswerk zeigt dann nur einen geraden Mauerrand, ohne Zinnen.⁸
Für das Obere Belvedere bedeutet dies, dass die verschatteten Öffnungen des mittleren Gartenpavillons, der Brückentrakte und der Eckpavillons sowie der Hofeinfahrt, die Hildebrandt als raumschaffende Elemente vorgesehen hatte, als solche nicht mehr erkennbar waren. Vielmehr erschienen sie – sofern sie ohnehin nicht schon durch Futtermauern und Kaskaden verdeckt wurden – als dunkle Flächen, die mit dem üppigen Fassadendekor ein oszillierendes Gebilde ergaben. Für den Fall, dass Hildebrandt für den Anstrich seiner Fassaden verschiedene Farben verwendete, wurde diese Wirkung fraglos verstärkt. Denn … das Erste, was sich bei den Farben in der Entfernung verliert, ist der Glanz auf denselben, der ihr kleinster Teil und das Licht des Lichtes ist. Das Folgende ist das Licht (überhaupt), weil es kleiner als der Schatten ist. Zu Dritt kommen die Hauptschattentiefen und es bleibt zuletzt eine undeutliche mittlere (oder mittelmäßige) Dunkelheit übrig.⁹
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Ein Grund hierfür ist, … dass sich zwischen das Auge und die entfernteren Dinge soviel Luft legt, dass sie dicht und körperhaft wird, mit ihrer Helligkeit die Schatten färbt, dieselbigen mit ihrem Weiß lasiert und so aus dunkel [sic], wie sie waren, zu einer Farbe werden lässt, die zwischen Schwarz und Weiß ist …¹⁰
Dieser Effekt ist freilich das Ergebnis eines prozessualen Vorganges : Der Gegenstand wird am wenigsten kenntlich sein, welcher der vom Auge entfernteste ist. Es tritt dies ein, weil sich die Teile am ehesten verlieren, welche die kleinsten von Gestalt sind ; dann folgen die weniger kleinen bei größerer Entfernung nach. Und indem so nach und nach einer um den anderen von den Teilen an die Reihe kommt, schrumpft, durch die Abzehrung der Teile, allmählich die Wahrnehmung des entfernten Gegenstandes dergestalt ein, dass am Ende alle einzelnen Teile samt dem Ganzen (dem Auge) abhanden kommen. Es kommt überdem auch noch die Farbe abhanden, aus Ursache der Dicke und Dichtigkeit der Luft, die sich zwischen das Auge und den gesehenen Gegenstand legt.¹¹
Auf die Spitze getrieben wurde der Prozess der ›Entkörperlichung‹ durch die Spiegelung der Hoffront im großen Bassin, die den Bau vollends auf ein Bild reduzierte. Vom Bau zum Bild
Dass Hildebrandt sich der bei Leonardo beschriebenen und von unzähligen Malern des . Jahrhunderts berücksichtigten Gesetze der Optik und der Luftperspektive bewusst war und dass er sie bei seiner Planung einkalkulierte, darf angenommen werden. Jedenfalls konnten diese Gesetze am Oberen Belvedere dank der Kleinteiligkeit von Dekor und Umriss, des Wechsels von offenen schattigen und geschlossenen hellen Partien sowie einer möglicherweise differenzierten Farbfassung ihre Wirkung besonders gut entfalten. Natürlich war die Umgebung des Schlosses demselben Prozess der Enträumlichung und ›Verflachung‹ bzw. der Entkörperlichung und Verbildlichung unterworfen. Von den Stufen des Parterres nahm sich die Landschaft wie ein begehbares Gemälde aus, ein Eindruck, den nicht zuletzt Canalettos Vedute vermittelt. Zugegeben : Die Metapher des begehbaren Gemäldes prägte im frühen . Jahrhundert gerade nicht den französischen Formalgarten, nach dessen Prinzipien auch das Belvedere angelegt ist, sondern den englischen Landschaftspark. Und zu einem allgemeingültigen kunsttheoretischen Topos wurde sie auch erst in der zweiten Hälfte des . Jahrhunderts.¹² Dennoch halte ich ihre Verwendung bei jeder Landschaft für legitim, die sich mit Alberti als ein Gemälde oder zumindest als einen Raum mit unterschiedlichen Tiefen und Bildgründen deuten lässt (siehe B ..). Allerdings verlor sich der Eindruck der Raumhaltigkeit, sobald der Betrachter das Schloss betreten hatte und die Landschaft nur noch durch die offenen Arkaden des Vestibüls wahrDie Aufhebung der Räumlichkeit in der Fernsicht
nahm. Nun wurde der reale Freiraum in einzelne Bildsegmente zerlegt. Selbst der Garten, der sich mit dem Baukörper des Schlosses durchdrang, erschien nun als Teil einer forma picta. Im Hintergrund verschmolz die Stadt Wien mit den Bergen sogar zu einer flächenhaften Erscheinung – in Entsprechung zu Leonardos Beobachtung : Derjenige Opakkörper wird mehr Relief zeigen, der dem Auge der nähere ist, und folglich wird der entferntere weniger Relief zu haben scheinen, d.h. er wird sich weniger von seinem Hintergrunde losgelöst zeigen.¹³
Hildebrandts Architektur und die sie umgebende Landschaft waren in ihrer optischen Erscheinung also gleichermaßen ambivalent, ja paradox : die eine in ihrer Eigenschaft als eine ›raumhaltige Kulisse‹ oder ein ›bildhafter Bau‹, die andere in ihrer Eigenschaft als ein ›begehbares Gemälde‹ oder eine ›bildhafte Landschaft‹. Ferner standen die Prozesse der schrittweisen Enträumlichung und Verbildlichung von Architektur und Landschaft zueinander in einem reziproken Verhältnis : Befand sich der Betrachter inmitten des Parks oder des Hofes, so dass er diese Bereiche als ihn umgebende Räume wahrnahm, so erschien ihm die Belvedere-Architektur eher bildhaft. Je mehr er aber Park und Hof verließ und sich dem Schloss näherte, desto mehr verlor er den Freiraum aus dem Blick und desto mehr erschloss sich ihm die Räumlichkeit des Gebäudes. Und war 107
er nach Betreten desselben ganz von der gebauten Architektur umschlossen, so nahm er Park und Hof nur noch als bildhafte Veduten wahr. Der Umraum war nun ebenso zum Bild geworden, wie es zuvor der umbaute Raum gewesen war. Mit anderen Worten : Nähe erzeugte Raumhaltigkeit und Dreidimensionalität, Entfernung erweckte dagegen den Eindruck von Bildhaftigkeit und Flächigkeit. Wie wir uns erinnern, hat schon Grimschitz die Reduktion der Pavillonarchitektur auf die Fassade gesehen (A .) : An der Gartenfront, so bemerkte er, würden sich »alle Pavillons« in »einer Kette zur architektonischen Gesamtheit« reihen,¹⁴ wodurch sie zu einem »wandhaft wirkenden Zusammenschluss« fänden.¹⁵ Und an der Hoffront wirke der Schlosskörper so schmal, dass das weit geöffnete Treppenhaus den Freiraum auffange und »in flüssigster Bewegung durch den schmalen Schlosskörper« leite.¹⁶ »Eine Blickbahn« ermögliche es, »Vorhof und Garten zusammen zu sehen«. Das Schloss sei »nicht mehr trennender Körper, sondern durchlässige Folie«.¹⁷ Allerdings erkannte Grimschitz in der Reduktion der körperhaften Pavillons auf eine optisch durchlässige Folie nicht das Endprodukt eines prozessualen Vorgangs, der sich nur bei zunehmender Fernsicht ergab ; vielmehr ging er von einem a priori gegebenen Zustand aus. Das Entscheidende an Hildebrandts Konzept war jedoch gerade die Metamorphose von einer de facto körperhaften Architektur zu einer bildhaften Erscheinung und umgekehrt, also vom Bau zum Bild und vom Bild zum Bau. 108
. Das Verhältnis von Bild und Bau .. Das Verhältnis von Bild und Bau in der Bildwissenschaft Bereits und hatte Theodor Hetzer sich in den beiden Aufsätzen ›Über das Verhältnis der Malerei zur Architektur‹ und ›Vom Plastischen in der Malerei‹ mit der Frage befasst, wie das Architektonische seit Giotto in das Bild aufgenommen wurde und wie zugleich das Bildhafte in die gebaute Architektur Eingang fand. Bei der Edition von Hetzers Gesamtwerk vereinte Gertrude Berthold diese beide Schriften zusammen mit weiteren Studien unter dem Titel ›Bild als Bau‹ in einem Band.¹⁸ Der von Berthold gewählte Titel bedient sich einer Terminologie, die eigentlich der semiotischen Kunstwissenschaft bzw. der Bildwissenschaft angehört. Über Hetzers Fragestellungen hinausgehend betrachtet diese Disziplin auf der Grundlage eigener methodischer Ansätze solche Kunstwerke, die im Spannungsfeld der Kategorien Bau und Bild angesiedelt sind. Besonders repräsentativ sind in diesem Zusammenhang drei Arbeiten : Felix Thürlemanns Aufsatzsammlung ›Vom Bild zum Raum‹, David Ganz’ Monographie ›Barocke Bilderbauten‹ und Gottfried Boehms Aufsatz ›Die Bilderfrage‹. Fraglos ist auch das Obere Belvedere innerhalb dieses Diskurses zu verorten. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, auf die drei eben genannten Arbeiten wenigstens kurz einzugehen. Felix Thürlemann versucht, den »Weg vom Bild zum Raum« über einzelne Objekte zu beschreiten, wobei er bei der auf Farbflächen und Zeichen reduzierten Malerei Paul Klees Vom Bau zum Bild
(›Pflanzen-Analytisches‹) beginnt und bei Bruce Naumans »Erfahrungsarchitektur« (›Dream Passage‹) und Borrominis Zeichenarchitektur (Sant’Ivo alla Sapienza) endet. David Ganz beschreibt, wie Sakralräume des römischen Barock aus Bildern konstruiert und konstituiert wurden, während Gottfried Boehm grundsätzlich nach den Möglichkeiten des Bildes fragt, sich selbst zu konstituieren und zu negieren. Am Beispiel von Naumans ›Dream Passage‹ zeigt Thürlemann die beiden »konstitutiven Aspekte der Rezeption des Raumes, der visuell-kognitiven und der körperlichen« auf. Diese werden in ›Dream Passage‹ gezielt gegeneinander ausgespielt. Paradoxien und Ambivalenzen wie Stühle, die an der Decke, und Deckenleuchten, die am Fußboden installiert sind, fordern die »topologische Kompetenz« des Betrachters heraus, die das im Menschen als einem körperlichen Wesen verankerte Orientierungssystem umfasst und es ihm ermöglicht, den Raum als Bedeutungsträger zu erfassen.¹⁹ Den Innenraum von Sant’Ivo beschreibt Thürlemann als eine Architektur mit bildlicher Qualität. Dabei differenziert er zwischen einer irdischen Wand- und einer himmlischen Kuppelzone, wobei er in der vermeintlichen Schattenlinie des Gebälks die Trennlinie sieht. Die helle, durchfensterte Kuppel stelle das »Himmelszelt« dar, wohingegen die irdische Wandzone (ähnlich der Eingangsraum in Naumans ›Dream Passage‹) das »körperliche Koordinatensystem des Menschen« mehrfach abbilde und sich durch eine »körperbezogene Raumgestaltung« auszeichne.²⁰ Übereinstimmend mit der älteren LiteraDie Aufhebung der Räumlichkeit in der Fernsicht
tur²¹ erkennt Thürlemann im Bildprogramm des Inneren eine Hypostasierung des Pfingstgeschehens, innerhalb dessen die Sternenbahnen, welche die Kuppelrippen säumen, die herabfallenden Feuerfunken des Heiligen Geistes vergegenwärtigen. Empfänger des Lichts waren vormals die Apostelstatuen, die bis zur Mitte des . Jahrhunderts in emphatischer Pose in den Wandnischen standen. So war die Kirche nach Thürlemann »leicht als Abbild des Hauses zu erkennen, in dem sich das Pfingstwunder der Ausgießung des Heiligen Geistes abgespielt hatte, und als Ort, wo sich das Wunder im täglichen Gottesdienst wiederholen sollte«.²² Über Thürlemanns Ausführungen hinausgehend, habe ich Borrominis Architektur andernorts als eine »Emanations-« und »Effusionsarchitektur« gedeutet.²³ Meiner Einschätzung nach stellt der Kirchenraum das Pfingstwunder nicht einfach nur dar. Auf der Grundlage des in diesem Kontext ganz wörtlich zu nehmenden Bibelverses sapientia aedificavit sibi domum (Spr. ,–), den Borromini einer Entwurfszeichnung eigenhändig beigefügt hat, wird man den Bau auch als das Resultat einer göttlichen Emanation sehen müssen. Innerhalb des architektonischen Zeichensystems ergießt sich das göttliche Licht, dessen ikonographischer Ausgangspunkt einst eine hölzerne, von der Laterne herabhängende Taube des Heiligen Geistes war, über den Betrachter und verfestigt sich dabei zu Materie. Dies geschieht gemäß der Verheißung des Jesaja : »Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird … (donec effundatur super nos spiritus ex excelso ; Jes , ).« 109
Letztlich ist die Architektur ein Geschenk, ja eine Manifestation des Heiligen Geistes. Daher ist die Gottesfurcht als die letzte Gabe des Heiligen Geistes eine unerlässliche Voraussetzung, um die Kirche als ein geistiges Gebäude zu betreten. In diesem Sinne setzt die über dem Altar angebrachte Inschrift initivm sapientiae timor domini (Ps , ) unter Ausschöpfung der Doppeldeutigkeit von initium den ›Zutritt‹ zum Kirchenbau mit der Erlangung der Gottesfurcht als dem ›Beginn‹ aller Weisheit gleich. Fassbar wird die Manifestation des Heiligen Geistes auf zweierlei Weise : Strukturell in den Strahlen evozierenden Kuppelrippen, die in Plinthen enden und in der Wandzone von regulären Pilastern abgelöst werden, und ästhetisch im realen Tageslicht, das durch die Fenster einfällt. Beide Formen des Lichtes werden gemäß der Lichtmetaphysik des Dionysius Areopagita von den Seraphim und Cherubim, die Borromini an der Kuppelschale anbrachte, nach unten weitergeleitet.²⁴ In Sant’Ivo wurde also nicht das Bild des Pfingstwunders in eine raumhafte Architektur übertragen, die ihrerseits zum »Träger konventioneller Symbolzeichen« wurde, wie Thürlemann vermutet.²⁵ Vielmehr behandelte Borromini ein Thema, das gewöhnlich der Malerei oder der Plastik vorbehalten war (zu nennen wären etwa Giulio Campis Gewölbefresko in San Sigismondo zu Cremona und Berninis Cathedra Petri im Petersdom zu Rom) innerhalb des Mediums der Architektur. Oder anders gesprochen : Die Architektur hatte die Bildaufgabe gänzlich usurpiert. Taube, Engel und Apostel riefen zwar 110
eine Bedeutung auf, doch standen sie in keinem Bildzusammenhang mehr : die Taube war ein frei schwebender Solitär, die Engel erschienen als reiner Dekor und die Apostel waren durch die Aufstellung in Nischen separiert und architektonisch absorbiert. Die Strahlen der Glorie wurden sogar zu genuin architektonischen Strukturelementen. Letztlich erwiesen sich Taube und Apostel sogar als entbehrlich, so dass Erstere später gegen das Dreieck als abstraktes Trinitätssymbol ausgetauscht und Letztere ersatzlos entfernt wurden. Was die von Ganz behandelten Bilderbauten betrifft, so ist das bemerkenswerteste Beispiel wohl Giambattista Gaullis Langhausfresko in Il Gesù.²⁶ Dass Dämonen und Laster aus dem im Bild dargestellten Himmel (und damit auch aus dem Bild selbst) herausfallen, während etliche Heilige in den Bilderhimmel aufsteigen, und dass die weißen Stuckengel, die den Bildrahmen halten, dabei zum Teil überschnitten werden, hat zu vielen Interpretationen Anlass gegeben. So deutete etwa Robert Engass den Figurenapparat in einem fiktiven Längsschnitt als einen Sog, der die einen Figuren emporzieht und die anderen herabschleudert.²⁷ Hermann Bauer sprach dagegen von einem geistreichen Spiel mit verschiedenen Realitätsebenen, von einem Changieren zwischen vero und finto, zwischen Täuschung und Ent-›Täuschung‹, das den Betrachter verblüffen und überraschen solle.²⁸ Irving Lavin machte einen theologischen Aspekt geltend : Er deutete die fiktive Öffnung der Decke als die Imagination eines göttlichen Wunders : Vom Bau zum Bild
Engel tragen einen visionäres ›Bildnis‹ […] empor, das himmelwärts entschwebt und über seinen Rahmen quillt. Das stuckbedeckte Gewölbe bleibt unversehrt.²⁹
Ganz selbst sprach schließlich von einem Gemälde, das sich, von Engeln an seinen ursprünglichen Bestimmungsort gebracht, in eine visionäre Erscheinung verwandle.³⁰ Anders als in Borrominis ›Effusions-‹ und ›Emanationsarchitektur‹ geht es in Gaullis Fresko tatsächlich um das räumliche Ausgreifen eines Bildes in den gebauten Realraum und damit um die Einbeziehung des gemalten Raumes in die Wirklichkeit (aber auch um das Hineinholen des Realraumes in die höhere Wirklichkeit des Bildes). In der Fähigkeit, durch Aktion Realitätsgrenzen zu überwinden, besitzt das Bild Qualitäten, die im Mittelalter Kultbilder in ihrer Eigenschaft als handelnde simulacra besaßen. In diesem Sinne definierte Hans Belting Kultbilder u. a. als solche Darstellungen, die Wunder wirken oder im Rahmen einer Vision ihre Heiligkeit und ihre Kraft offenbaren.³¹ Durch diese Art von Wundern brächten die heiligen Bilder sich selbst als lebende Wesen ein und beanspruchten einen Anteil an der Gegenwart Gottes, der gewöhnlich der Eucharistie vorbehalten sei.³² Auf diese Weise erlangten Bilder eine starke dynamis. Sie vermochten wie Heilige zu handeln³³ und sie konnten zu einem Medium werden, in dem Gott sich mitteilte. Als Stimmen des Himmels und voller Charisma besäßen sie ihre eigene Autorität und eine ähnliche Wirkkraft wie die Sakramente. Die Aufhebung der Räumlichkeit in der Fernsicht
Die Assoziation von Gaullis Fresko mit einem handelnden Kultbild liegt m. E. vor allem deshalb nahe, weil sich gerade im Zeitalter der Gegenreformation die Berichte über wundertätige simulacra (und sogar über wundertätige Kopien von simulacra) häuften. Ignatius von Loyola hatte sogar besondere Exerzitien entwickelt, die den Gläubigen helfen sollten, mittels realer oder imaginierter Bilder mit den Heiligen in Interaktion zu treten.³⁴ Es war kein Zufall, dass gerade die Jesuiten alle Berichte über wundertätige Bilder sammelten – wie über die Salus Populi Romani in S. Maria Maggiore oder die Ikone in der Chiesa Nuova.³⁵ Beide heiligen Bilder werden dem Betrachter von Engeln präsentiert. Zugleich lässt sich Gaullis Fresko sehr gut mit jenen Bildwerken vergleichen, die Gottfried Boehm zufolge danach streben, im Sinne einer »Entgrenzungsbemühung«³⁶ ihre natürlichen Gattungsschranken zu überwinden und die Distanz zwischen ihrer eigenen, also der abgebildeten Wirklichkeit und der Welt des Betrachters aufzuheben. Dieses Streben trifft nach Boehm besonders für jene Werke zu, die als eine finestra aperta konzipiert sind.³⁷ Am Ende heben sich der erste und der zweite Realitätsgrad auf. Das Gemälde ist so gegenwärtig, dass es nicht länger als Bildnis erscheint. An diesem Punkt kommt es zu einer Paradoxie : Die vollkommene Illusion konvergiert mit einer »Ikonoklastik«, was bedeutet, dass das Bild seinen eigenen Charakter als Bild zerstört :
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Wäre es […] um ein illusionsstiftendes Bild gegangen, das sich idealenfalls von der Realität, die es darstellte, gar nicht mehr unterscheiden ließe, das Bild würde sich mit der Erreichung dieses Zieles selbst aufheben. Man müsste sagen : Bild soll nicht sein, Realität soll sein, genauer : das Bild soll Realität werden. Denkt man diesen Gedanken zu Ende, stellt man überrascht fest, daß die vollendete Abbildlichkeit, d. h. der Illusionismus, mit der perfekten Ikonoklastik konvergiert. Mitten im gelungenen Abbild nistet eine bildaufhebende Kraft.³⁸
.. Das Obere Belvedere zwischen Bild und Bau
Vergleicht man nun die eben besprochenen Werke mit dem Oberen Belvedere, so zeigen sich einige Gemeinsamkeiten, aber auch grundlegende Unterschiede. Wie in Naumans ›Dream Passage‹ wird im Belvedere die topologische Kompetenz des Besuchers herausgefordert. Denn auch Hildebrandt relativierte die visuell-kognitive Rezeption des Raumes durch die körperliche Raumerfahrung und umgekehrt, nämlich dann, wenn die Landschaft, die sich dem Besucher beim Spaziergang durch den Garten noch als ein Raum präsentiert hatte, nach Betreten des Schlosses zur bildhaften Vedute mutierte und das Schloss selbst, das anfangs ganz bildhaft erschienen war, sich mehr und mehr zu einem raumhaltigen Gebilde wandelte. Dennoch gibt es zwischen dem Oberen Belvedere und der ›Dream Passage‹ einen gravierenden Unterschied : In Wien sind die Paradoxien und Ambivalenzen nicht mit einem Blick zu er112
fassen. Sie ergeben bzw. ergaben sich erst infolge einer kinästhetischen Metamorphose, die vom Betrachterstandpunkt abhing und in jedem Fall die Bewegung innerhalb der verschiedenen Räume (des Schlosses wie des Gartens) voraussetzte. Hingegen führt Thürlemanns »Weg vom Bild zum Raum« über verschiedene Werke, die alle nur einen bestimmten Grad von Bildlichkeit oder Räumlichkeit besitzen. Beim Belvedere änderte sich dieser Grad jedoch innerhalb eines einzigen Werkes. Schon gar nicht übernahm Hildebrandts Architektur – im Unterschied zu Sant’Ivo – eine Aufgabe, die an sich der Ma- lerei zukommt. Das Belvedere wirkt in der Fernsicht bildhaft, aber es ersetzt kein Gemälde. Noch weniger erweist es sich als das Produkt eines übernatürlichen Schöpfungsaktes. Stattdessen kann man unter bestimmten Voraussetzungen von einer ›Eingrenzung‹ des dreidimensionalen Baus in die Flächigkeit einer bildhaften Kulisse sowie der raumhaltigen Landschaft in eine zweidimensionale Vedute sprechen. Dieser Vorgang verhält sich komplementär zur ›Entgrenzung‹ von Gaullis Fresko, bei der das Bild in die dritte Dimension des Realraums ausgreift. Natürlich lässt sich der Prozess der Verbildlichung beim Belvedere auch umkehren. Doch anders als bei Gaulli überwindet das Werk durch seine Verräumlichung seinen eigentlichen Charakter nicht, sondern gewinnt ihn zurück. Nicht das räumliche Ausgreifen, sondern das Bildhafte ist bei Hildebrandt die Illusion.Wie bei Gaulli sich ein »illusionsstiftendes« Bild mit der ihm innewohnenden »ikonoklastischen« Kraft selbst negiert, so erzeugt Hildebrandts Architektur durch die Vom Bau zum Bild
ihr inhärente Selbstverleugnung die Illusion einer bildhaften Erscheinung. Zu dieser bildhaften Erscheinung gehört freilich auch, dass das Schloss mehr als andere Schlösser persönliche Eigenschaften seines Besitzers veranschaulichte. Wie die folgenden Kapitel zeigen werden, betrifft dies vor allem Prinz Eugens Tätigkeit als Feldherr, seine Schutzfunktion für Wien, seine Verdienste um Kaiser und Reich, seine Förderung von Künsten und Wissenschaften sowie die Vergänglichkeit und Einzigartigkeit seiner Stellung auf den politischen Bühnen des Wiener Hofes und Europas.
Die Aufhebung der Räumlichkeit in der Fernsicht
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2 Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
. Eugens ikonographische (Selbst-)Stilisierung in den Bildprogrammen seiner Schlösser .. Allgemeine Überlegungen Wie die architektonische Analyse in Teil B ergeben hat, besitzt das Obere Belvedere ganz unterschiedliche Eigenschaften : Es ist eine herrschaftliche villa suburbana, ein fürstlicher Palast, ein Feldherrnzelt, ein Musensitz sowie eine Stätte der Erholung, der geistigen Produktivität, der leiblichen Ertüchtigung und des Ruhmes. Nicht zuletzt ist es der Fokus einer Art Adelshofes. Diese Funktionen und Bedeutungen vermittelt der Bau durch seine buchstäblich erhabene Lage, die Exklusivität der inszenierten Blicke, den Zuschnitt seines Grundstücks, aber auch durch den bildhaften und den abbildenden Charakter seiner Architektur. Diese Erkenntnis führt uns zu zwei Fragen : Inwiefern fand der gedankliche Gehalt der Architektur in ihrer Ausstattung und bildlichen Ausgestaltung eine Entsprechung oder gar eine Vertiefung ? Und inwiefern lässt sich das Belvedere in seiner gedanklichen Aussage mit anderen Schlossbauten vergleichen, etwa mit den Residenzen der Reichsfürsten oder den Palästen des Kaiserhofs und des Wiener Adels ? 114
Auf diese Fragen hat die Forschung teilweise geantwortet, wobei sie sich allerdings auf die Bildprogramme der Innenräume (Aurenhammer³⁹, Seeger⁴⁰, Krapf ⁴¹), den BelvedereGarten (Aurenhammer⁴²) und den Marstall (Krapf ⁴³) konzentrierte und die Bedeutung der Architektur ausklammerte. Auch ich werde mich, bevor ich auf die Bedeutung der Architektur eingehe, mit der bildlichen Ikonographie befassen, da diese weitaus konkreter und folglich auch leichter zu entschlüsseln ist. Allerdings muss ich mich dabei auf die wichtigsten Aspekte beschränkten. Eine erschöpfende ikonographische Deutung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. .. Der Hauptsaal des Oberen Belvedere : Eugen und der Ruhm des Hauses Savoyen Beginnen wir mit dem Hauptsaal im Oberen Belvedere, in dem sich nach Seeger das politische Ansehen, das der Prinz als Präsident des Hofkriegsrates und als ständiges Mitglied der Geheimen Staatskonferenz genoss⁴⁴, manifestiert. Die Allusion auf das Haus Savoyen, die eigentlich von Anfang nahegelegen hätte, sei, so Seeger, erstaunlicherweise erst hier erfolgt, nämlich in dem Deckenfresko, das Carlo Carlone im großen Saal geschaf- fen habe und in dem der apotheosierte Held vom Wappenschild seiner Familie überfangen werde. Seeger führt diese Zurückhaltung darauf zurück, dass Eugen seinen Aufstieg nicht mit seiner prominenten Abkunft, sondern ausschließlich mit seinen militärischen und politischen Erfolgen habe begründen wollen.⁴⁵ Vom Bau zum Bild
Seegers Beobachtung konnte Krapf in einem wesentlichen Punkt präzisieren : Die Personifikationen, die an der Decke des Hauptsaals Gaetano Fantis Scheinarchitektur bevölkern (Prudentia, Justitia, Virtus, Fortitudo, Nobilitas, Consilium), alludieren auf die ›Gute Herrschaft‹. Ergänzt werden sie durch die in den Medaillons dargestellten Fürstentugenden Ratio, Virtus, Gloria Principis, Liberalitas, Prudentia, Magnificentia und Magnanimitas.⁴⁶ Offensichtlich beanspruchte Eugen für sich die Qualitäten eines (nicht regierenden) principe. Über die Beobachtungen von Seeger und Krapf hinaus lassen sich weitere Beobachtungen anstellen. Wie die gefangenen Türken am Fuß der Hohlkehle verweisen die Tugendpersonifikationen einzig auf die Eigenschaften und Taten des Bauherrn. Sie sind der Grund, dass Eugen, mit einem Lorbeerkranz bekrönt, auf Wolken in den Himmel auffährt. Dementsprechend hinterfängt das Wappen des Hauses Savoyen den Prinzen nicht nur, wie Seeger meinte, sondern wird mit ihm emporgetragen und dabei mit der Fürstenkrone ausgezeichnet. Außerdem werden Prinz und Wappen von einer riesigen Draperie hinterfangen, die Chronos gerade entfaltet hat. Einerseits erinnert die Draperie an den aufgezogenen Vorhang einer apparitio, wodurch der Prinz fast schon wie ein Heiliger erscheint. Andererseits zeigt der Vorhang, den die Zeit lüftet, die Offenbarung einer Wahrheit an.⁴⁷ Fügt man die einzelnen Bildmotive zusammen, so ergibt sich folgende Aussage : Der Lauf der Geschichte hat nicht nur als eine unumstößliche Wahrheit offenbart, dass Eugen durch Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
seine Tugenden und Verdienste unsterblichen Ruhm erlangte und er es folglich nicht nötig hatte, für sein Prestige den Namen seiner Familie zu bemühen, vielmehr kam im Gegenzug sein Ruhm auch noch dem gesamten Haus Savoyen zugute. Dass im Bildprogramm des Oberen Belvedere wirklich Eugens persönlicher Ruhm und nicht die Größe des Hauses Savoyen im Mittelpunkt stand, zeigt das Deckenbild des Audienz- zimmers, im dem der Prinz sich ein weiteres Mal – nun ohne jeden dynastischen Bezug – verherrlichen ließ. Ohnedies war es für die Zeitgenossen in Wien selbstverständlich, dass es Eugens Verdienste waren, denen das Haus Savoyen sein Ansehen verdankte. In diesem Sinne stellte denn auch der Jesuitenpater Franciscus Peikhart bei der Leichenrede auf Eugen, die er im Stephansdom hielt, fest : Villeicht hat der grosse gott / des Helden eugenii seinen Ruhm desto seltsamer zu machen / wollen / daß er aus seinem Geschlecht der eintzige wäre / der allen andern die Zierde und das Liecht geben sollte. Dann nichts Neues in der Welt / daß von einem Erstorbenen gantze Familien seynd unsterblich worden.
Doch weshalb sollte nicht auch Eugen vom Ansehen seiner Angehörigen Nutzen ziehen können ? Wieso sollten diese gar auf seinen Ruhm angewiesen sein ? Besaß das Haus Savoyen nicht eine Königswürde – ein Umstand, den Peikhart selbst hervorhob ?⁴⁸ Und floss in den Adern der Savoyer nicht auch das Blut noch berühmterer Geschlechter ? Immerhin war Eugens Vater, 115
der Comte Eugène Maurice de Soissons, sowohl ein Vetter Kaiser Leopolds als auch ein Sohn der Marie de Bourbon. Darüber hinaus zählten neben den Habsburgern und Bourbonen Herrscherdynastien wie die Staufer und Normannen, die Anjou und die Medici zu Eugens Ahnen. Die Antwort auf diese Fragen ist leicht zu finden : Auf den Anteil bourbonischen Blutes wird Eugen angesichts des schlechten Verhältnisses, das er zu Ludwig XIV. besaß und von dem in Kapitel C .. noch die Rede sein wird, nicht allzu viel gegeben haben. Und die Bande zwischen den Savoyern und den Habsburgern versuchte er auf seine eigene Art zu festigen – indem er sich von Leopold gewissermaßen politisch ›adoptieren‹ ließ (siehe C ...). Was nun das Haus Savoyen selbst betrifft, so hatte Eugens Vetter zweiten Grades, der Herzog Viktor Amadeus II., seine Königswürde erst im Frieden von Utrecht () erlangt – als er von dem bourbonisch regierten Spanien das Königreich Sizilien erhielt. Bei dieser Gelegenheit war ihm auch Montferrat, um dessen Besitz er sich lange bemüht hatte, zugefallen. Die doppelte Tatsache, dass Savoyen zu Eugens Geburt noch ein Herzogtum war und dass die spätere Entwicklung nicht zuletzt Eugens Siegen über Frankreich zu verdanken war, macht hinlänglich deutlich, wer hier wem seinen Ruhm verdankte. Die Klärung dieses Sachverhalts war umso bedeutsamer, als Viktor Amadeus das Lager gewechselt und bis auf Seiten Frankreichs gekämpft hatte.⁴⁹ Die von Eugen leidenschaftlich geäußerte Hoffnung, die Interessen des Kaisers und 116
die des Hauses, dem anzugehören er die Ehre habe, so vereinigt zu sehen, dass man sie ohne jeden Vorbehalt für die gleichen halten könne,⁵⁰ erfüllten sich erst, nachdem Viktor Amadeus sich der kaiserlichen Allianz wieder angeschlossen und die Franzosen mit Eugens Hilfe bei Turin geschlagen hatte (). Nur im Einklang mit den Interessen Habsburgs konnte Savoyen aus dem Krieg Vorteile ziehen. Wenn Eugen seinen Angehörigen indirekt unterstellte, auf die gloria, die sein Verdienst ihnen bescherte, angewiesen zu sein, so ging es also nicht um die Befriedigung einer persönlichen Eitelkeit. Vielmehr wollte er zeigen, dass nur der Einsatz für den Kaiser, das Reich und den katholischen Glauben dem Haus Savoyen Ruhm einbringen konnten. Wer sich für diese Ziele nicht einsetzte, erwarb auch keine Ehre. Ausgerechnet mit dieser Sichtweise konnte Eugen sich auf eine – freilich viel ältere und in Turin offenbar vergessene – Familientradition berufen. Denn gerade die bedeutendste Persönlichkeit des Hauses Savoyen, Amadeus VI. (–), der legendäre »grüne Graf«, war nicht nur eine der bedeutendsten Herrscherpersönlichkeiten des Hochmittelalters gewesen. Nach seinem Sieg über die Türken bei Gallipoli im Jahre bezeichnete Papst Urban V. den conte verde offiziell auch als den »Beschützer des Heiligen Stuhles« und als einen »Athleten der Kirche«.⁵¹ Und Kaiser Karl IV. sah in Amadeus, den er zum Reichsvikar von Italien erhoben hatte, gar seinen »rechten Arm«.⁵² Sehr wahrscheinlich dachte Peikhart vor allem an diesen Fürsten, als er davon sprach, Eugen habe Vom Bau zum Bild
»in seiner Stammen-Reih viel deren Helden« gehabt, »worauß einige den Welt-Boden unter ihren Füssen offt zittern machten«.⁵³ Wie das Bildprogramm im Marmorsaal des Unteren Belvedere dokumentiert (siehe das nachfolgende Kapitel), war Eugen für seine Siege über die Türken gleichfalls vom Heiligen Stuhl ausgezeichnet worden. Und als Statthalter in Mailand vertrat er wie sein Vorfahr die Interessen des Kaisers in Oberitalien (wenngleich er nicht mehr das Königreich Italien als einen Teil des Sacrum Imperium Romanum, sondern das Herzogtum Mailand als ein Territorium der Habsburger verwaltete). Wenn Eugen den Grünen Grafen auch nicht als Referenzfigur in das Bildprogramm des Oberen Belvedere aufnahm, so dürften die historischen Parallelen dem politisch kundigen Betrachter doch klar gewesen sein. Und somit war auch ersichtlich, wer von den gegenwärtigen Mitgliedern des Hauses Savoyen das Erbe des conte verde wirklich fortsetzte. Die Vorstellung, dass das prominenteste Mitglied einer Familie der gloria derselben dient und dieser Ruhm dann auf die anderen Familienmitglieder abstrahlt, war in der barocken Adelskultur weit verbreitet. Daher tat jede Familie gut daran, ihren bedeutendsten Mitgliedern ein möglichst langes Andenken zu bewahren. Gerade innerhalb dieser dynastischen Kommemorialrhetorik setzt das Obere Belvedere aber einen anderen Akzent. Um diesen zu verstehen, empfiehlt es sich, anhand zweier anderer Beispiele auf die Argumentationsmuster und das ikonographiDas Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
sche Repertoire des traditionellen Kommemorialkults einzugehen. Richten wir dazu unseren Blick zunächst nach Rom. Wie John Beldon Scott, Volker Reinhardt, Daniel Büchel und Arne Karsten gezeigt haben, war der Kommemorialkult bei den römischen Eliten besonders ausgeprägt.⁵⁴ Das größte Sozialprestige genoss eine Familie, wenn sie einen Papst stellte. Entsprechend wichtig war es, nach dem Ableben des Pontifex dessen memoria wach zu halten. Zu diesem Zweck ließ beispielsweise der Neffe Innozenz’ X., der Fürst Camillo Pamphilj, durch Gianlorenzo Bernini die Kirche Sant’Andrea al Quirinale errichten.⁵⁵ Wie ich schon andernorts⁵⁶ gezeigt habe, erweist sich die Kirche sowohl mit ihrer ›pamphilianischen‹ Säulenordnung als auch mit der Symbolik ihres Grundrisses als Sinnbild einer auf ewig erneuerten Domus Pamphiliana : Die Kapitelle sind mit Tauben und Lilien als Elementen des Familienwappens besetzt, die Hauptachsen zeichnen die Initialen des zehnten Innozenz, also ein I und ein X, nach. Des Weiteren ist die für einen Zentralbau ungewöhnliche Anzahl von zehn Anräumen als Allusion auf den Pontifex zu lesen. Zu dessen Ehren ließ Camillo über dem Haupteingang eine Inschrift anbringen, die zwei Famen samt dem Fa- milienwappen emportragen. Letzteres wird sogar von einer der beiden Ruhmesgöttinnen mit einer Fürstenkrone ausgezeichnet. Des Weiteren wird die Familie dadurch aufgewertet, dass das X im Grundriss auch das Kreuz des heiligen Andreas evoziert. Dessen Martyrium ist am Hochaltar dargestellt – genau gegenüber der Inschrift mit dem Wappen. Wie das Wappen 117
wird das Altarbild von Engeln in die Höhe getragen. Dort warten weitere Engel darauf, dem Retabel bzw. dem auf ihm dargestellten Heiligen die Märtyrerkrone aufzusetzen. Durch diese ikonographischen Entsprechungen wird die Domus Pamphiliana gleichermaßen mit dem Kirchengebäude wie mit dem Kirchenpatron selbst identifiziert. Mit dem Bau der Kirche demonstrierte Camillo gegenüber seinem Onkel nepotistische pietas. Zugleich erwies er dem heiligen Andreas die nötige Reverenz. Vor allem aber erhöhte er den Ruhm seiner Familie, um seinerseits an diesem zu partizipieren. Dies hatte Camillo in der Tat nötig, war er doch nur ein Jahr nach seiner Erhebung zum Kardinal von dieser Würde wieder resigniert, um die Fürstin Olimpia Aldobrandini von Rossano zu ehelichen. Diese Heirat, die zunächst als Skandal empfunden worden war, ließ sich nun als eine Maßnahme darstellen, die dem Fortbestand einer höchst ehrwürdigen Familie diente.⁵⁷ Die Strategie, das eigene Verhalten oder die eigene Position mittels der Aufwertung des prominentesten Familienmitgliedes zu rechtfertigen, fand auch innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Anwendung. Dies beweist das Deckenbild, das Carlo Carlone / im Gardensaal der kurkölnischen Residenz zu Brühl schuf. Es zeigt Kaiser Karl VII. aus dem Hause Wittelsbach, der auf einem Wolkenthron in den Himmel aufschwebt. Nachdem Karl, so die implizite Botschaft des Bildes, durch seine Wahl zum Reichsoberhaupt das Prestige seiner Familie in nur denkbarer Weise gemehrt hat, geht dieses auf den Hausherrn und Bruder des Kaisers, den Kölner Fürsterzbischof 118
Clemens August, über.⁵⁸ In diesem Sinne sehen auch Wilfried Hansmann und Aloys Winterling in dem Fresko einen Hinweis auf die Bedeutung, die Clemens August besaß : als »wichtiger Reichsfürst«⁵⁹ und als »Glied eines Herrschergeschlechts, das sich als Verteidiger des Christentums berufen weiß und dies mit großer Machtfülle demonstriert«.⁶⁰ Liest man zur Gegenprobe das Fresko so, dass der Ruhm des Hauses Wittelsbach auf den Kaiser ausstrahlt, so ergibt dessen Darstellung in der Residenz des Bruders keinen Sinn. Schließlich ging es Clemens August nicht darum, die Wahl Karls zu rechtfertigen. Sein Anliegen war es vielmehr, seine eigene, von Papst Benedikt XIII. nur zögernd bestätigte Ernennung zum Kurfürsten und Erzbischof von Köln zu legitimieren.⁶¹ Dies versuchte er mit dem Hinweis auf die Zugehörigkeit des Hauses Wittelsbach, deren gloria im Licht der kaiserlichen Gnadensonne umso heller strahlte. Selbstverständlich lässt sich zwischen Sant’Andrea al Quirinale, Schloss Brühl und dem Oberen Belvedere keine unmittelbare Verbindung konstruieren. Die Ähnlichkeit der Motive ergibt sich lediglich daraus, dass die Bildprogramme aller drei Monumente derselben Rhetorik folgen – mit einem entscheidenden Unterschied : In Rom und Brühl versuchten die Bauherren, über ihre Familien am Ruhm der verherrlichten Hauptfigur (dem heiligen Andreas bzw. dem Kaiser) teilzuhaben. In Wien ist das traditionelle Argumentationsmuster dagegen auf den Kopf gestellt. Hier ist der Bauherr mit der verherrlichten Hauptfigur identisch. Er ist es, der seiner Familie gloria verVom Bau zum Bild
leiht, und seine Verwandten in Savoyen und Piemont sind die möglichen Nutznießer. Nicht zuletzt waren sie dies , als Eugen das von den Franzosen belagerte Turin, die Residenzstadt der Savoyer, entsetzte. Nicht von ungefähr ließ der Prinz dieses Ereignis im sog. Schlachtenbildersaal seines Stadtpalais verewigen.⁶² Und folgt man der systemimmanenten Logik dieser Kommemorialrhetorik, so kann man eben auch sagen, dass die Verwandten dieser Aufwertung auch bedürfen. Folglich erscheint das Savoyer-Wappen im Hauptsaalfresko des Oberen Belvedere nur in ganz allgemeiner Gestalt : als ein weißes Kreuz auf rotem Grund. Auf eine Darstellung dynastischer Allianzen und Querverbindungen, wie sie der vielfach unterteilte Wappenschild auf Kleiners Titelkupfer enthält, verzichtete Eugen wohl ganz bewusst. .. Der Marmorsaal im Unteren Belvedere : Eugens Verdienste um Kaiser und Künste
Das Untere Belvedere repräsentiert nach Seeger vor allem Eugens Pariser Herkunft und seine intime Kenntnis des französischen Hofes. Darüber hinaus habe der Prinz – Seeger schließt sich hier der älteren Forschung an⁶³ – das Gedeihen der Künste in Friedenszeiten als einen seiner militärischen Erfolge gefeiert. In diesem Sinne sei im Deckenfresko des Marmorsaals, mit dem Martino Altomonte den Marmorsaal des Unteren Belvedere geschmückt habe, das Wirken Apolls als Musenführer dargestellt.⁶⁴ Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Auch diese Aussage lässt sich präzisieren. Im Deckenfresko fährt ein jugendlicher Held in den Olymp auf. Dort heißen ihn Merkur und die Musen willkommen. Zu Häupten des Jünglings fährt Apoll im Sonnenwagen über den morgendlichen Himmelsplan. Die ältere Forschung hat im Sonnengott eine Verkörperung der musischen und im Jüngling eine Anspielung auf die kriegerischen Eigenschaften des Hausherrn gesehen.⁶⁵ Indes verstieße es gegen die ikonographische Syntax, ein und dieselbe Person in einem Handlungsrahmen zweimal darzustellen. Ebenso verletzte es das Dekorum, den Prinzen mit dem Sonnengott gleichzusetzen. Aus diesem Grund habe ich schon vor Längerem vorgeschlagen, in Apoll den Musenführer, aber auch die Personifikation des Kaisertums zu sehen. Eugen erlangt seine Unsterblichkeit also gleichsam im Glanz der kaiserlichen Gnadensonne. Sie allein – und diese Aussage dürfte nicht zuletzt an Eugens Turiner Verwandtschaft gerichtet sein – ist die Spenderin des Ruhmes und der Zielpunkt jeder Apotheose (vgl. C ..).⁶⁶ Mit der Apotheose verbunden ist die Rückkehr des Prinzen in den Schoß der Musen. Ebenso wie die Lage auf einer Anhöhe (vgl. B. ..) weist dieses Motiv das Belvedere als einen Musensitz aus. Darüber hinaus vermittelt das Fresko die Botschaft, dass Eugen den Krieg nie als Selbstzweck, sondern immer nur als eine ultima ratio der Politik verstand.⁶⁷ Peikhart sah in Eugens Friedensliebe sogar ein konstitutives Element von dessen militärischer Begabung :
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Niemahls ward ein Friedens-Werck mit solchem Eyfer angefangen / und mit solcher Eintracht geendet / als dieser Orthen : Und konnte man eugenio auf sein Begehren nichts versagen / weilen alles / wie bey ihme gewöhnlich / auf die Vernunft und Billigkeit gegründet ware. Es ist ein Irrthum / wann man den Helden nicht erkennen will / er habe dann den Degen in der Faust / als wäre er in dem Friedens-Saal nicht so mächtig / als er mitten in dem Lager gewesen ist.⁶⁸
Sicher ginge es zu weit, mit Bauer zu behaupten, Eugen habe seine Kriege nur geführt, um seine künstlerischen Projekte realisieren und die hierfür aufgenommenen Schulden bezahlen zu können.⁶⁹ Der Savoyer sah in der Pflege der Künste sehr wohl den Lohn, sicherlich aber nicht den Zweck seiner militärischen Erfolge. Eben darin unterschied er sich auch von Ludwig XIV., der, wie Dietrich Erben richtig bemerkte, nie einen Zweifel daran ließ, »dass die Erlangung von gloire durch Bauherrentätigkeit in Friedenszeiten nur ein zeitweiliger Ersatz für den Kriegsruhm sei«.⁷⁰ Nicht zuletzt thematisiert das Fresko Eugens Verdienste um den Glauben. So liegen neben dem Helden nicht nur mehrere Bücher, eine Flöte, ein Zirkel, ein Winkelmaß sowie ein Lorbeer- und ein Palmzweig, sondern auch ein hermelingefütterter Hut und ein perlenbesetztes Schwert. Wie eine Beischrift, auf die Merkur eigens hinweist, erläutert, hatte Papst Clemens XI. diese beiden Gaben geweiht und sie dem Prinzen dann zum Dank für den Sieg der christlichen Truppen bei Peter120
wardein verliehen.⁷¹ Den hohen Symbolwert beider Attribute erläutert Peikhart wie folgt : Und wer will sich anjetzo wunderen / wann auch alle Christliche Häupter zusamm getretten / eugenium zu belohnen. Pabst clemens xi. Statthalter CHristi auf Erden / hat ihm den kostbaren Hut eines Schützers / und das reiche Schwerdt eines Verfechters der Heiligen Kirchen umgehangen / welche Ehre in vielen Jahrhunderten kaum einen widerfahren ist.⁷²
Wenn es auch nicht unmittelbar ausgesprochen wird, so erscheint Eugen dank diesen Gaben wie sein Vorfahr, der conte verde, als ein ›Athlet Christi‹. .. Das Bildprogramm des Stadtpalais : Eugen als Tugendheld Bereits vor Vollendung des Unteren Belvedere hatte Eugen seine Verdienste um den Kaiser und das christliche Abendland in seinem Stadtpalais verherrlichen lassen. Da ich mich auch hierzu bereits geäußert habe,⁷³ kann ich mich auf eine Zusammenfassung beschränken. Das Bildprogramm beginnt mit den Reliefs, die den rechten Eingang flankieren und Taten des Äneas und des Herkules darstellen. Über das Vestibül gelangt der Besucher zu einer dreiläufigen, von Atlanten getragenen Treppe. In der Wandnische über dem Wendepodest steht eine Herkulesstatue, die den Helden nach Erlangung der Hesperidenäpfel zeigt. UnmittelVom Bau zum Bild
bar über der Nische präsentieren Putten ein Bildmedaillon des Hausherrn. Somit wird die Treppe selbst zur Metapher von Eugens herkulischem Tugendweg. Darüber hinaus hypostasiert sie den sozialen Aufstieg des Prinzen im Dienste des Reichsoberhauptes. In diesem Sinne zeigen die Supraporten zu Seiten der oberen Läufe den Kampf des Herkules mit dem nemëischen Löwen und der lernäischen Hydra. Die Frontispize der angrenzenden Fenster sind hingegen mit Adlern besetzt. Im mittleren Plafond des Treppenhauses erscheint Apoll im Sonnenwagen. Es liegt nahe, dass der Sonnengott auch hier für den Kaiser steht und die Adlerpaare in Anspielung auf den Doppeladler das Kaisertum repräsentieren. Äneas und Herkules verkörpern hingegen die positiven Eigenschaften des Hausherrn, also pietas und fortitudo. Während die pietas für Eugens Treue zum Kaiserhaus steht, alludiert das Ringen des Herkules mit Antäus auf des Prinzen Kampf gegen die äußeren Feinde des Reiches.⁷⁴ Auf Eugens Verdienste spielen auch die Hesperidenäpfel an. Sie sind nach barockem Kanon der Lohn, durch den der Tugendheld im Mythos physische Unsterblichkeit erlangt. Innerhalb der gesellschaftspolitischen Wirklichkeit symbolisieren sie den Erwerb von Prestige, aber auch die Donationen, die Eugen vom Kaiserhaus für seine Dienste erhielt.⁷⁵ Über den Tugendweg hinaus hypostasiert die Treppe also den sozialen und politischen Aufstieg des Helden im Licht der kaiserlichen Gnade. Mit dieser Bedeutung einher geht architektonisch eine schrittweise Zunahme an Helligkeit und räumlicher Weite. Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Das Bildprogramm der angrenzenden Zimmer greift die Herkulesthematik auf und vertieft sie. Im ehemaligen Audienzzimmer (heute Roter Salon) zeigt ein Figurenofen Herkules, der den Hesperidendrachen erschlägt. Das Deckengemälde, das Marcantonio Chiarini und Andrea Lanzani bereits , also noch vor Vollendung der Treppe, geschaffen haben, schildert in den fiktiven Hohlkehlen weitere Herkulestaten. Im Plafond wird der Held von seinem Vater Jupiter in den Olymp aufgenommen und zum Zeichen seiner Unsterblichkeit mit dem Sternenkleid beschenkt.⁷⁶ Im Gobelinsaal (heute Blauer Salon) stand vermutlich ein weiterer Figurenofen, auf dem der Kampf des Alkiden mit dem nemëischen Löwen dargestellt war. Die gemalten Hohlkehlen berichteten von weiteren Taten, auf dem Plafond vermählte Juno den Helden mit ihrer Tochter Juventas (griech. Hebe), der Göttin ewiger Jugend.⁷⁷ Überträgt man diese Metapher in den konkreten historischen Kontext, so besagt sie vor allem, dass Eugen sich im Olymp der Wiener Adelsgesellschaft fest etabliert hat.⁷⁸ (Eine weiter gehende Deutung der Fresken findet sich in Kapitel C ....) Das negative exemplum zu Herkules ist Ikarus, der im Treppenhaus auf einem der seitlichen, von weiteren Adlern umgebenen Deckenbild dargestellt ist. Während sein Vater Däda- lus unbeschadet durch die Lüfte fliegt, stürzt der Sohn in die Tiefe, weil er sich in seiner Vermessenheit zu sehr der Sonne genähert hat. Mit dem Unglücklichen dürften gleichermaßen Ludwig XIV. und die Türken gemeint sein. Der französische König hatte sich auf anmaßende Weise selbst mit der Sonne 121
gleichgesetzt,⁷⁹ die Türken hatten sich – mit wohlwollender Duldung des Versailler Hofes – der Stadt Wien als dem Sitz der kaiserlichen Sonne allzu kühn genähert.⁸⁰ Infolgedessen spricht auch Peikhart vom »Hochmuth deren stoltzen Ottomanen«⁸¹, während Gottlieb Eucharius Rink in seiner Biographie über Kaiser Leopold I. voll Genugtuung bemerkt, die Franzosen hätten bei Eugens Anblick »ihren prahlenden hochmuth sincken« lassen.⁸² Und der – freilich als Franzosenhasser bekannte – François-Louis de Pesme Baron de Saint-Saphorin, der als Offizier und Diplomat in kaiserlichen wie in englischen Diensten stand, jubelte Eugen nach der Schlacht von Höchstädt in einem Brief vom . September zu : Man kann nur zuversichtlich hoffen, dass Eure Durchlaucht durch diesen hervorragenden Sieg die Fesseln gesprengt haben, die für ganz Europa bereitet zu sein schienen ; wir werden dadurch dieses ehrgeizige und hochmütige Frankreich in seine Schranken verwiesen sehen.⁸³
Thematisiert wurde der Hochmut der Franzosen schließlich auch in den Medaillen, die anlässlich von Eugens Siegen geprägt wurden. Als Bildchiffren dienten dabei u. a. der Sturz des Phaëthon⁸⁴ und der babylonische Turm⁸⁵. Indes verkörpert Ikarus in der barocken Ikonographie nicht nur den Hochmut. Unter Hinweis auf eine Textstelle bei Joachim Sandrart hat Polleroß in ihm auch das Sinnbild unreifen Ungehorsams, hitziger Unbeherrschtheit und maßloser Gier 122
erkannt. Hingegen stehe Dädalus für das vernünftige Streben, das den Menschen »aus dem Irrgarten dieser Welt / über die ungestümen bitteren Wellen des elenden Lebens hinaus« zu einem sicheren und glückseligen Ende führt.⁸⁶ Überträgt man diese Aspekte auf die politische Programmatik des Treppenhauses, so weist Ikarus auf die maßlose Herrschsucht Ludwigs XIV. hin. Diese Annahme liegt umso näher, als diese Polemik in dem Saal, der heute als Arbeitszimmer des Finanzministers dient, aufgegriffen wird. Dort thematisiert das von Peter Strudel geschaffene Deckenbild – gleichsam komplementär zum ›Buon Governo‹ im Hauptsaal des Oberen Belvedere – die ›Ungerechte Herrschaft‹ und den Krieg, der – implizit natürlich von Eugen – ›gegen sie geführt wird.⁸⁷ Und spinnt man die Ikarus-Ikonographie weiter, so entspricht Eugen dem weisen Dädalus, der durch »vernünftiges« Streben zu einem »sicheren und glückseligen« Ende gelangt ist. Dazu gehört auch der einer Apotheose gleichkommende Höhenflug, in dem sich die Aufstiegsmetapher des Treppenhauses fortsetzt. Dass Eugen die dädalischen Tugenden der Maßhaltung, der Vernunft, der Gelassenheit, der Überlegtheit und der Bescheidenheit für sich tatsächlich in Anspruch nahm, zeigt nicht nur das Deckenfresko im Hauptsaal des Oberen Belvedere, son- dern auch die Wahl des Herkules zum mythologischen Protagonisten. Dem Alkiden wurden besonders in der stoischen Philosophie ähnliche Eigenschaften zugeschrieben.⁸⁸ Und auch Peikhart rühmte sie an dem Prinzen : Vom Bau zum Bild
Wohl hat der jenige geurthlet [sic ; lies : geurtheilet] / der einem wohl-gesitteten Leben zu einer Grund-Regel gesetzet hat die Mäßigkeit seiner Neigungen / und die Bezwingung aller widrigen Leydenschafften. eugenius ware darinnen ein Meister : so hoch er über andere ausgesehen / so tieff hat er sich ihme selber unterworffen ; und konnte man von ihme wohl sagen / daß er am ersten ein Überwinder [sic] seiner selber gewesen seye.⁸⁹
Zu Eugen als Feldherrn bemerkte der Pater, er sei »nicht so hitzig in seiner Dapferkeit [gewesen] / daß nicht eine anscheinende Gefahr ihn bald des Widerspils bereden konnte«. Vielmehr habe »er offt still in dem Lager« gelegen und den günstigsten Augenblick geduldig abgewartet und stets Klugheit, Vorsicht und Besonnenheit gezeigt.⁹⁰ Nicht zuletzt enthält Eugens Identifikation mit Dädalus eine weitere Aussage : Zwar strebte der Prinz als ein zweiter Herkules zum Glanz der kaiserlichen Sonne empor, doch war er maßvoll und klug genug, dieser nicht zu nahe zu kommen, will heißen, dem Kaiser seinen Einfluss nicht streitig zu machen. Und will man noch einen Schritt weiter gehen, so mag man darüber spekulieren, ob Eugen mit der Dädalus-IkarusMetapher auch auf sein ganz persönliches Verhältnis zu Ludwig XIV. anspielen wollte. Wie wir im weiteren Verlauf der Untersuchung immer wieder sehen werden, bildete das Bildprogramm des Treppenhauses im Stadtpalais nur den Auftakt für eine intensive ikonographische Auseinandersetzung Eugens mit Ludwig XIV., die Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
fast schon obsessive Züge trug. Fraglos hatte diese Besessenheit ihre Gründe. Vermutlich aufgrund einer Intrige des Kriegsministers Louvois war Eugens Mutter Olympia angeklagt worden, ihren Gatten vergiftet zu haben. Nur durch eine überstürzte Flucht nach Brüssel glaubte die Unglückliche , sich retten können.⁹¹ Drei Jahre später sah auch der Sohn sich genötigt, Frankreich zu verlassen. Im März hatte der damals Neunzehnjährige den König während einer Audienz in Versailles um ein Truppenkommando ersucht, war wegen seiner unansehnlichen, angeblich unmännlichen körperlichen Erscheinung⁹² aber höhnisch abgewiesen worden. Da ihm alle Karrierechancen verbaut schienen, entschloss Eugen sich, sein Glück bei Leopold I. zu suchen. Obwohl der König ihm Agenten nachjagte, die ihn mit Drohungen zur Rückkehr zu bewegen suchten, setzte er seine Reise fort.⁹³ Schließlich gelangte er nach Passau, wo er mit dem Kaiser zusammentraf. Dieser war gleichfalls geflohen, und zwar vor dem türkischen Heer, das sich gerade anschickte, Wien zu belagern. In seiner Not konnte der Habsburger mit Hilfsangeboten nicht so herablassend umgehen wie sein französischer Rivale. Eugen erhielt seine Chance, was eine der größten Erfolgsgeschichten der Weltgeschichte einleitete. Nun erhielt der Savoyer die Gelegenheit, sich für die erlittenen Demütigungen zu rächen. In über zwanzig Schlachten schlug er erst die Türken und dann die Franzosen. Dass Eugens Verhältnis zu Ludwig traumatisch war, ist offensichtlich, zumal eine hartnäckige Fama behauptete, der König sei Eugens leiblicher Vater.⁹⁴ Ganz abwegig war dies nicht. 123
Immerhin war Olympias Verhältnis zu Ludwig lange Zeit sehr eng – sowohl vor ihrer Heirat mit dem Grafen Eugène Maurice de Soissons im Jahre als auch danach. Und zumindest vor der Hochzeit, bei der Ludwig als Trauzeuge auftrat, kann es durchaus auch zu Intimitäten gekommen sein.⁹⁵ Und danach ? Wenn die Gerüchte von Ludwigs Vaterschaft zutreffen, so wird Eugen dies gewusst haben. Die Ablehnung, die er durch den französischen Monarchen erfahren hatte, wird ihn dann umso mehr geschmerzt haben. Und umso verständlicher wäre der Wunsch nach Satisfaktion gewesen. In diesem Zusammenhang erhält die Dädalus-Ikarus-Metapher eine weitere Dimension. Wie der griechische Erfinder nach Sandrarts Worten dem kretischen »Irrgarten« entkommen und über die »bitteren Wellen des elenden Lebens« hinausgelangt war, so hatte Eugen es vermocht, aus dem Käfig des Versailler Hofes, der nach Braubach »eher rostig als golden war«⁹⁶, auszubrechen und die Bitterkeit der Jugend,⁹⁷ die er dort verbracht hatte, hinter sich zu lassen. Und könnte es nicht sein, dass Eugen mit der Dädalus-Ikarus-Thematik auch auf das unglückliche Vater-Sohn-Verhältnis anspielen wollte – immer vorausgesetzt, er sah in Ludwig wirklich seinen leiblichen Vater ? Im Mythos ist der Vater der Weise und der Sohn der Maßlos-Unbedachte. In Eugens Leben waren die Rollen vertauscht : Der Prinz hatte die Klugheit besessen, die seinem Vater abging, dieser besaß jene Unreife, die der Sohn bereits in jungen Jahren überwunden hatte. Psychologisch hätte diese Verkehrung Eugen die Möglichkeit geboten, für das trauma124
tische Erlebnis seiner Jugend eine befriedigende Erklärung zu finden. Ludwig hatte sich unväterlich verhalten, weil er gar nicht das Format eines Vaters besaß. .. Permosers ›Apotheose‹ des Prinzen Eugen : Eugen als ein ›roi des honnêtes gens‹ ... Das Standbild als Abbreviatur des Bildprogramms im Stadtpalais Weiteren Aufschluss gewährt ein Werk, das im Kontext der Ikonographie von Eugens Bauten bislang viel zu wenig Beachtung fand : erteilte der Prinz Balthasar Permoser, dem Hofbildhauer Augusts des Starken, den Auftrag, von ihm eine Statue anzufertigen. Für seine Arbeit erhielt Permoser, den der Prinz sehr schätzte,⁹⁸ die außerordentlich hohe Summe von Talern. Jedoch musste er sich verpflichten, den Transport des Werkes von der Elbe an die Donau persönlich zu überwachen.⁹⁹ Der hohe Lohn, die Beauftragung eines der prominentesten Künstler seiner Zeit sowie die umfangreichen Vorsichtsmaßnahmen lassen bereits erahnen, welchen Wert Eugen der Skulptur im Rahmen seiner Selbstdarstellung beimaß.¹⁰⁰ Darüber hinaus paraphrasiert das Werk das Konzept des Treppenhauses im Stadtpalais, kann sogar als dessen Abbreviatur angesehen werden. Denn Eugens Erhebung ergibt sich dadurch, dass der Sieger von Belgrad und Peterwardein in ritterlichem Harnisch auf den Rücken eines am Boden liegenden Vom Bau zum Bild
Türken steigt und diesen in den Staub tritt. Diese Bestrafung der superbia geht erneut mit der Belohnung der Tugend einher. So hält denn eine Viktoria, die auch Züge der Virtus trägt, dem Prinzen das Symbol der Ewigkeit entgegen : eine Schlange, die ihren eigenen Schwanz im Mund hält. Bezeichnenderweise wird diese Schlange von der Sonne als dem Sinnbild des Kaisertums, aber auch des Ruhmes, der Tugend und der Wahrheit hinterfangen. Des Weiteren nimmt ein Putto Eugen die Herkuleskeule ab – wohl ein erneuter Hinweis darauf, wie sehr dem Prinzen daran gelegen war, sich nach seinen Siegen als ein Hercules Musarum der Pflege der Künste zu widmen. Gerade die konzeptionelle Nähe zur Treppenhaus-Ikonographie zeigt, dass die Gruppe – im Unterschied zu der Bezeichnung, die ihr gemeinhin gegeben wird – nicht die ›Apotheose des Prinzen Eugen‹ darstellt. Permoser schildert nicht Eugens Entrückung in den Himmel, sondern den Akt, welcher der Apotheose unmittelbar vorangeht : die Glorifikation. Um Verwirrung zu vermeiden, werde ich jedoch für das Standbild die geläufige Bezeichnung ›Apotheose‹ beibehalten. ... Das Standbild als ein Monument von Eugens Bescheidenheit Die auffälligste Besonderheit der Gruppe besteht darin, dass eine am Boden kauernde Fama den Ruhm des Helden in alle Welt posaunen möchte, dieser jedoch seine Hand auf den Trichter des Instruments hält und auf diese Weise seine BescheidenDas Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
heit demonstriert – eine Geste, die der Hofpoet Augusts des Starken, Ulrich von König, mit den Worten kommentierte : Und decket sittsamlich durch edlen Widerstand Der Fama Ruhmtrompet mit seiner linken Hand, Weil sie die Flügel scheint erfreut empor zu schwingen, Der Nachwelt seinen Ruhm hellthönend vorzusingen. So deutet ihr der Held großmüthig an, Daß er sein eigen Lob nicht wohl ertragen kann.¹⁰¹
Fast noch überschwänglicher äußert sich Peikhart über den Prinzen : Er hörte nicht gern reden von seinem Lob / und konnte nichts leichter / als seine Helden-Thaten vergessen / wann er sie auch kurtz zuvor gewürcket hatte. Es ware ihme so wenig an dem Ehren-Ruff gelegen / als einem Wanders-Mann an seinem Schatten / den er doch immer an der Seithen haben muß. Wollten andere sein Helden-Werck ausbreiten / so muste es in seiner Abwesenheit geschehen / oder sie konten nichts anderes gewärtig seyn / als daß er ihnen mit Unlust in das Angesicht widersprochen. Die Regung des Neydes ware bey ihme seltsamer [= seltener ; Anm. d. Verf.] als ein Meer-Wunder gewesen.¹⁰²
Auch Rink weiß von Eugens Bescheidenheit zu berichten :
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Der Käyser und das gantze reich / erkennet seine verdienste ; Die ausländer halten ihn vor den grösten general / und die feinde vor denjenigen / den sie so geschwinde fliehen als sehen. Biß anhero ist seine modestie so groß geweset / daß er sich an keine idolatrie, welche ihm an so vielen orten gemacht worden / gekehrt / sondern hat dieses vielmehr als einen fehler andrer / als eine sache so ihm zukäme / angesehen. Fähret er in dieser bescheidenheit so fort […] so sage ich / er sey ein grösserer general als Scipio und Hannibal …¹⁰³
Betrachtet man über die konkreten ikonographischen Motive hinaus die Art der Darstellung, so fällt die Lässigkeit auf, mit der Eugen die Hand auf die Trompete legt. Wie die Bescheidenheit steht diese nonchalance für das bereits angesprochene Ideal eines adligen Stoizismus (siehe C ..). Außerdem hebt sie sich deutlich von der Angestrengtheit und der Hartnäckigkeit Famas ab, die mit aufgeblasenen Backen dem Instrument doch noch einen Ton entlocken möchte. Zudem ist der Gesichtsausdruck der Ruhmesgöttin (vor allem im Halbprofil) so fratzenhaft, dass man fast an eine Lasterpersonifikation denken möchte. Nicht weniger als die Physiognomie der Fama weichen die Trompete, die Keule und die Sonnenscheibe von klassischen Apotheose-Darstellungen ab. Die Oberfläche des Instruments ist so rau, dass man weniger an eine Ruhmestrompete als an die Muschelhörner denkt, in welche die Tritonen im Nymphenbad des Dresdner Zwingers oder auf den römischen Brunnen (Fontana di Tritone, Fontana 126
di Trevi) stoßen. Die Keule erinnert in ihrer Krümmung, den Zweigstümpfen und der groben, sich am unteren Ende bereits abschälenden Rinde eher an einen abgebrochenen Ast als an eine Waffe. Die Sonnenscheibe weist schließlich etwas einfältige Gesichtszüge auf. Doch welchen Sinn haben diese humoresk-burlesken Elemente ? Zunächst möchte man sie als einen Ausdruck von Permosers Personalstil deuten. Nicht zuletzt der Figurenapparat des Dresdner Zwingers (der zu Beginn des . Jahrhunderts freilich stark restauriert und ergänzt wurde) legt dies nahe.¹⁰⁴ Jedoch ist der Sachverhalt komplizierter. Zwar besitzen viele Skulpturen des Zwingers humoreske oder burleske Züge, doch handelt es sich dabei in erster Linie um Satyrn und Faune, die das Erscheinungsbild der Anlage deshalb so stark prägen, weil diese u. a. als Orangerie und Festplatz diente.¹⁰⁵ Zudem enthielt die burleske und humoristische Charakterisierung der Zwinger-Figuren eine programmatische Aussage. Gerade die Satyrn und Faune standen für Lasterhaftigkeit und Wildheit – Eigenschaften, die auf mehrfache Weise überwunden wurden : durch die herkulische Tugendhaftigkeit des Bauherrn, die in den Pavillons aufbewahrten Kunstwerke, die im Hof abgehaltenen Ritterspiele¹⁰⁶ und die in den Galerien gezüchteten Pomeranzenbäume. Ihren sinnfälligsten Ausdruck fand diese Überwindung darin, dass einige der Faune Konsolen trugen, auf denen im Som- mer Meißner Porzellankübel mit Pomeranzenbäumen standen. Zeugten die Kübel von der Veredelung der natura durch ars, Vom Bau zum Bild
so kündeten die Früchte von der Veredelung der Natur durch Zucht. Ebendiese überwundene Natur war in den Faunen gegenwärtig. Darüber hinaus alludierten die Pomeranzen als Pendants der Hesperidenäpfel wie im Treppenhaus von Eugens Stadtpalais (C ..) oder in der Orangerie des Belvedereparks (B .) auf den herkulischen Tugendlohn des Bauherrn. In diesem Zusammenhang evozierten die Faunskonsolen das überwundene Laster.¹⁰⁷ Neben den Satyrn, Faunen und Nymphen bevölkern den Zwinger freilich auch höhere Götter und historische Persönlichkeiten. Ihnen fehlt es durchaus nicht an ›Erhabenheit‹. Die Figuren der Venus oder Augusts des Starken, die den Wallpavillon bekrönen, zeigen dies deutlich. Dass Permoser seine Figuren nicht grundsätzlich burlesk oder humoresk bildete, beweisen schließlich auch die beiden Kirchenväter oder der Ecce Homo in der Hofkirche. Und auch in der ›Apotheose des Prinzen Eugen‹ sind der Held selbst sowie Viktoria/Virtus und die Putten von der humoresken Darstellungsweise ausgenommen. Die karikaturistischen Elemente in Prinz Eugens ›Apotheose‹ sind also nicht nur Ausdruck eines Personalstils. Daher ist es angebracht, wie bei den Satyrn und Faunen des Zwingers nach einer inhaltlichen Bedeutung zu fragen. Zunächst bietet es sich an, das Burlesk-Humoreske wie in Dresden negativ zu konnotieren. Kann es zum Beispiel sein, dass Fama nicht nur für den Ruhm, sondern auch für die gemeine Geltungssucht, für das eitle Verlangen nach Ruhm steht – Eigenschaften, über die Eugen buchstäblich erhaben ist ? Für diese Deutung spräche, dass Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
der Savoyer zumindest in der Diktion seiner Ikonographie sowie der über ihn verfassten Panegyrik nicht nach dem Ruhm um seiner selbst willen strebte. Vielmehr ergab dieser sich geradezu zwangsläufig aus seinem Verdienst. So kann der Held Famas Lob denn auch getrost jenen überlassen, die ihn wirklich nötig haben. Mit der Bescheidenheit geht also auch ein gewisses Maß an Generosität (und an Selbstbewusstsein) einher. Was nun die Keule und die Sonnenscheibe betrifft, so ist es ausgeschlossen, dass Permoser Eugens herkulische Eigenschaften oder gar die Würde des Kaisertums infrage stellen wollte. Vielmehr könnte die Grobheit des Holzes auf die Wildheit und Rauheit des Krieges anspielen, mit denen der siegreiche Eugen sich in seiner Eigenschaft als Hercules Musarum nicht mehr herumplagen muss. Die Physiognomie der Sonne könnte hingegen wie das Gesicht Famas auf den eitlen Ruhm, der auch blenden kann, anspielen. Insofern ist es nur folgerichtig, dass Eugen den Blick senkt und weder zur Fama noch zur Sonne, die ihm die Göttin fast schon aufdringlich entgegenhält, blickt. Mit anderen Worten : Wie die Faunskonsolen im Zwinger weisen Fama, Sonnenscheibe und Keule darauf hin, dass der primitive Affekt des Fürsten durch Tugendhaftigkeit, Selbstkontrolle und ritterliche Zucht überwunden wird, dass er sich eben nicht wie Ikarus (oder Ludwig XIV.) vom Glanz der Sonne blenden und verblenden lässt, sondern wie Dädalus die nötige Distanz zu wahren weiß. Eine zweite Ursache für die humoresk-burlesken Elemente könnte sein, dass Eugen seine Fähigkeit zur Selbstironisierung 127
unter Beweis stellen wollte. Wie humorvoll der Prinz gerade auf ihm erwiesene Ehren reagieren konnte, geht aus einem Brief Karls VI. hervor. Der Kaiser kommentierte die schon erwähnten päpstlichen Ehrengaben, den geweihten Degen und den – in der Tat recht unmodisch aussehenden¹⁰⁸ – Hut, mit folgenden Worten : Au reste möchte ich wohl meinen lieben Prinzen in dieser Funktion und mit dem schönen Kappl sehen und im geheimen ein wenig lachen, da ich Euer Liebden Humor in solchen Funktionen kennen.¹⁰⁹
Ein dritter Grund könnte darin gelegen haben, dass das Humoresk-Burleske – zusammen mit der unantikischen maniera, die Permoser grundsätzlich eigen war – als Ausdruck eines stilus mediocris und damit als eine neuerliche Bescheidenheitsformel aufgefasst werden sollte. Erkennbar wird die Verbindung von Ironie und mittlerer Stil-Lage vor allem, wenn man der Gruppe die ›Apotheose Karls VI.‹ gegenüberstellt, die Georg Raphael Donner gleichsam als Replik schuf. Die Komposition ist, nicht zuletzt dank der Reduktion des Figurenapparates, weitaus klarer, die Sprache viel klassischer und pathetischer. Darüber hinaus besteht zwischen den Protagonisten ein ganz anderes Verhältnis. Der Kaiser blickt Viktoria entschlossen an. Krapf spricht sogar von einer höchst sinnlichen, fast erotischen Beziehung.¹¹⁰ Im Unterschied zu Eugen scheint Karl den Ruhm wirklich zu suchen, ist sein Eros – ganz im platonischen 128
Sinne – Ausdruck des ™r©n, des leidenschaftlichen Strebens. Klassisch-antikes Pathos geht hier nicht mit Bescheidenheit, sondern mit einem klar formulierten Anspruch einher. Gegen die Überlegungen, die humoresken Elemente in der ›Apotheose des Prinzen Eugen‹ seien überwiegend programmatischer Natur, lässt sich allerdings ein Einwand erheben. Bekanntlich war Eugen mit Permosers Arbeit nicht völlig zufrieden. Sollte diese Unzufriedenheit auf der humoresken Darstellungsweise beruht haben, kann diese Eugens Selbstverständnis unmöglich wiedergeben. Wir werden daher prüfen müssen, ob Eugens Vorbehalte wirklich auf diesen Punkt zielten. Die Forschung zitiert in diesem Zusammenhang vor allem einen Briefwechsel zwischen dem Grafen August Christoph von Wackerbarth, einem sächsischen General, der mit Eugen befreundet war, und Georg Gottfried Koch, der in Wien die Güter des Prinzen verwaltete. Wackerbarth hatte die Entstehung von Permosers Figur in Dresden verfolgt und bedauerte nun, der Künstler habe das Werk trotz allem Zureden mit zu vielen Figuren überladen und sich damit vom guten Geschmack der Antike entfernt. Wie Braubach vermutet, war der Graf davon überzeugt, dass »auch der Prinz einer Kunstauffassung nach dem großen Vorbild des Altertums zuneigte«.¹¹¹ In seinem Antwortbrief berichtete Koch, der Prinz habe sich vor allem an der posture der Hauptfigur gestoßen. Eine zweite Quelle führt Krapf an. Es handelt sich um die Vorrede, die der Kunsttheoretiker Franz Christian von Scheyb ein halbes Jahrhundert später dem Traktat ›Orestrio von den Vom Bau zum Bild
drey Künsten der Zeichnung‹ voranstellte. In ihr kritisierte Scheyb gleichfalls die Haltung der Hauptfigur : Die Statue des Prinzen Eugenius von Savoyen im Belvedere ist von einer Meisterhand gearbeitet. Aber, so oft man sie sieht, hat man ein unangenehmes Gefühl. Der Held wird von andern Figuren so ungeschickt getragen, daß man jeden Augenblick besorgen muß, er werde fallen. Er sollte in Ruhe auf seinen Triumphen sitzen ; und wir sind deswegen in beständiger Unruhe. Untersuchen wir aber das Mechanische [= die technische Seite ; Anm. d. Verf.] dieses erstaunenden Werkes genauer, so finden wir, daß besonders auf der Rückseite, die Hauptfigur von den Nebenfiguren aufs beste unterstützt ist ; diese Beobachtung vertreibt unsere unnöthige Sorge, so lange wir bloß denken ; sie vertreibt sie aber nicht aus der Empfindung, für welche das Werk eigentlich bestimmt war.¹¹²
Krapf zufolge meinte Scheyb mit seiner Kritik an der unsicheren Haltung der Hauptfigur dasselbe wie Eugen mit seiner Beanstandung der posture.¹¹³ Was den Vorwurf der kompositorischen Labilität betrifft, so mag Scheyb Eugens Vorbehalte in der Tat getroffen haben. Problematischer ist die Beurteilung der übrigen Kritikpunkte : Ein Abweichen vom antiken Geschmack hat Eugen zumindest in der Architektur geduldet. Das Obere Belvedere belegt dies überdeutlich. Aber auch die Bauplastik des Schlosses – man denke an die Atlanten und die Raptus-Gruppen im Vestibül oder an den Dekor des Ehrenhofgiebels – ist nicht unbedingt Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
einem klassischen Stilideal verpflichtet. Ähnliches gilt für die Parkskulpturen aus den Händen Johann Stanettis und Ingenuin Lechleitners.¹¹⁴ Den dritten Gegenstand der Kritik, die vermeintliche Überladenheit, rechtfertigte Permoser selbst mit dem Hinweis, er habe Anweisung erhalten, so viel Zierrat wie möglich anzubringen.¹¹⁵ Am wenigsten dürfte Scheybs Beanstandung der aufsteigenden Bewegung, die der Prinz vollführt, anstatt zu sitzen, Eugens Sichtweise getroffen haben. Als Paraphrasierung des iter virtutis ist dieses Motiv konstitutiv für die gesamte ikonographische Konzeption, die Scheyb offenbar nicht mehr (er-)kannte. Wenn es aber nicht der unklassische und unpathetische Habitus der Figurengruppe, sondern allenfalls die unsichere posture war, die Eugen beanstandete, so kann man in Permosers maniera und den humoresken Elementen sehr wohl Merkmale eines vom Auftraggeber gewünschten, Bescheidenheit evozierenden stilus mediocris sehen. Ebendiese Eigenschaften, die souveräne Bescheidenheit und die Fähigkeit zu Selbstironisierung, trugen dazu bei, dass Eugen allgemein als ein roi des honnêtes gens galt.¹¹⁶ Genau mit diesem Habitus wollte Eugen sich aber von Ludwig XIV. absetzen. Dieses Bemühen wird umso fassbarer, als Permosers ›Apotheose‹ unzweifelhaft eine Replik auf die französische Staatskunst ist – genauer : auf das im stilus grandis gehaltene Denkmal Ludwigs XIV., das Martin Desjardins nach Entwürfen Charles Le Bruns auf der Pariser Place des Victoires errichtet hatte. Das in der Französischen Revolution demolierte 129
Monument zeigte den König, der nach dem Frieden von Nimwegen (/) über den erlegten Zerberus als Sinnbild der spanisch-holländisch-deutschen Tripelallianz triumphierte und dafür von Viktoria mit einem Lorbeerkranz bekrönt wurde. Besonders provokant waren die Inschrift viro immortali und die Tatsache, dass an den Sockel vier Gefangene als Repräsentanten der vom König besiegten Nationen gekettet waren : Über die Identität dieser »captifs«, die im Unterschied zum Standbild des Königs nicht eingeschmolzen wurden und sich heute im Louvre befinden, geben die Quellen, soweit ich sehe, keine Auskunft. Daher ist sich die Forschung auch nur darin einig, dass die Gefangenen über ihre Nationalität hinaus unterschiedliche Affekte verkörpern.¹¹⁷ Außerdem stehen sie nach meinem Dafürhalten für die vier Temperamente und Lebensalter. Da die Nationalität der Gefangenen für Permosers Konzept – wie auch für die Ikonographie des Prinzen Eugen insgesamt – nicht ohne Belang ist, will ich auf sie etwas näher eingehen. Der jüngste Gefangene, der mit furchtsamer Leidenschaft zum König aufblickt, wird allgemein als ein Spanier identifiziert. Den Sklaven mittleren Alters, der in cholerischem Ingrimm vor sich hinstiert, deutet Fernand de Saint Simon als einen Türken, während Thomas W. Gaehtgens in ihm – zweifelsfrei mit mehr Berechtigung – einen Repräsentanten der Niederlande erkennt. Der in melancholischer Resignation seufzende ältere Mann verkörpert Simon zufolge das Heilige Römische Reich. Allerdings wird das Heilige Römische Reich zweifelsfrei durch den vierten Gefangen personifiziert : einen griesgrämi130
gen Greis, der in phlegmatischer Schwäche in sich zusammengesunken ist. Sein Attribut, ein Feldzeichen mit Doppeladler, ist völlig eindeutig. Folglich überzeugt auch Simons zweite Behauptung nicht, diese Figur vertrete die Niederlande. Vielmehr lässt sich als Zwischenbilanz festhalten, dass in den zwei jüngeren und in dem ältesten Gefangenen wie in den drei Köpfen des Zerberus die Nationen der von Ludwig besiegten Tripelallianz vertreten sind. Wen aber stellt der verbleibende zweitälteste Gefangene nun dar ? Gaehtgens sieht in ihm einen Bewohner Brandenburgs – eine Deutung, die sich scheinbar auf eine historische Episode stützen kann. Wie Hendrik Ziegler gezeigt hat, berichtete der Brandenburgische Gesandte Ezechiel Spanheim von Paris aus nach Berlin, einer der Sklaven (gemeint war der zweitjüngste) repräsentiere Brandenburg. Ferner erwähnte Spanheim einen Relieftondo am Sockel, der sich heute gleichfalls im Louvre befindet und dessen Thema ›Suédois rétablis en Allemagne‹ lautet. Er zeigt die Auswirkungen des Friedensschlusses von Saint-Germain im Jahre . Dieser Vertrag sah vor, dass die Schweden Vorpommern, das sie nach der Schlacht bei Fehrbellin an Brandenburg verloren hatten, zurückerhielten und somit »nach Deutschland zurückkehrten«. Unter Vermittlung König Christians von Dänemark nähert sich auf dem Relief der schwedische König Karl XI. dem Sonnenkönig, um von diesem Pommern wie ein Vasall entgegenzunehmen. Im Hintergrund verfolgt, mit wenig vergnügtem Gesicht, der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. die Zeremonie. Um Frankreichs Vom Bau zum Bild
Vormachtstellung besonderen Ausdruck zu verleihen, ließ Desjardin einzig Ludwig eine Krone auf dem Haupt tragen. Karl und Christian haben ihre Kronen abgenommen, Friedrich Wilhelm besitzt überhaupt kein Rangabzeichen. Die Erinnerung an den Verlust Vorpommerns, die wenig ehrenvolle Art der Darstellung und die angebliche Aufnahme Brandenburgs in die Gruppe der unterworfenen Völker veranlassten Friedrich Wilhelm I. zu einer offiziellen Protestnote.¹¹⁸ Die von Desjardins Denkmal ausgehende Provokation, dies könnte man zu Gaehtgens’ Gunsten weiter anführen, wurde in Brandenburg sogar als so groß empfunden, dass gleich zwei Repliken in Auftrag gegeben wurden. –/ schuf Andreas Schlüter auf Geheiß König Friedrichs I. das berühmte Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten in Berlin,¹¹⁹ während Friedrich Wilhelm II. durch Johann Georg Glume – auf dem Schleusenplatz zu Rathenow ein Standbild seines Großvaters errichten ließ. In beiden Monumenten bezeugen vier an den Sockel gekettete Gefangene (die nun freilich keine nationale Identität mehr besitzen) die Überlegenheit Friedrich Wilhelms I. Darüber hinaus tritt der Große Kurfürst in Rathenow nach dem Vorbild Ludwigs XIV. ein Untier in den Staub. Freilich handelt es sich nicht mehr um den Zerberus, sondern um einen Löwen, der auf die Schweden (bzw. auf die seit in Schweden regierenden pfälzischen Wittelsbacher) anspielen dürfte. Immerhin war Rathenow von den Truppen Karls XI. besetzt und anschließend von brandenburgischen Verbänden zurückerobert worden. Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Dennoch sind gegen die Deutung des zweitältesten Sklaven als Personifikation Brandenburgs drei Einwände vorzubringen. Erstens besitzt die von Spanheim übermittelte Identifizierung keinerlei Gewicht, weil sie sich auf die falsche Figur (nämlich die Personifikation der Niederlande) bezog. Zweitens war Brandenburg politisch zu unbedeutend, um innerhalb des Denkmals an so exponierter Stelle berücksichtigt zu werden. Nicht von ungefähr hat Desjardins den Großen Kurfürsten auf dem Relieftondo deutlich in den Hintergrund gerückt. Drittens trägt der melancholische Sklave im Vergleich zu den übrigen Gefangenen eine völlig atypische Kleidung, nämlich Hosen, die unterhalb des Knies mit Lederriemen zusammengebunden sind, und eine Mütze, die einer phrygischen Kappe ähnelt. Diese Tracht erinnert zunächst an einen der gefangenen Daker auf dem Konstantins-Bogen in Rom. Da auch die übrigen Gefangenen – dem klassisch-imperialen Habitus des Denkmals gehorchend – antikisch gekleidet sind, ist der Rekurs auf eine Tracht des Altertums grundsätzlich sinnvoll. Allerdings stand der gesamte Balkan unter türkischer Herrschaft. Welches Volk hätte ein dakisch gekleideter Mann also repräsentieren sollen ? Indes finden sich vergleichbare Kleidungsstücke auch in antiken Darstellungen der Perser und Parther, ein Befund, der Le Brun dazu veranlasste, in seinem Alexander-Zyklus die Perser häufig mit geschnürten Hosen und gelegentlich auch mit einer phrygischen Kappe darzustellen. Deutet man den Melancholiker als einen Orientalen, so verweist er innerhalb des historischen Kontextes auf jene vorder131
asiatische Großmacht, die im . und . Jahrhundert gleichsam an die Stelle des Perser- und des Partherreichs getreten war : das Osmanische Reich. Zwar führte Ludwig XIV. gegen die Türken keinen Krieg, doch legten Seine Allerchristlichste Majestät großen Wert darauf, sich als Verteidiger des katholischen Europas – und damit auch als Sieger über die Muselmanen – feiern zu lassen. Ludwigs Anspruch, er habe die Türken – mit denen er in Wahrheit im Kampf gegen den Kaiser kollaborierte – besiegt, erregte innerhalb und außerhalb Frankreichs nicht weniger Empörung als die Vorstellung, der Sonnenkönig wolle ganz Europa in Fesseln legen. Wie wir uns erinnern, hatte Saint-Saphorin die Hoffnung geäußert, Eugen möge »die Fesseln gesprengt haben«, die Ludwig für ganz Europa bereitet habe (vgl. C ..). Dass diese Formulierung Desjardins Denkmal reflektiert, liegt nahe. Daneben gab es aber auch eine Flut von Streitschriften und Pamphleten, die sich explizit auf das Denkmal bezogen. Auf diese antworteten französische Publizisten ihrerseits mit Gegenschriften.¹²⁰ Zu Letzteren zählte der von François Lemée verfasste ›Traité des Statuës‹, auf dessen Titelkupfer Pierre Paul Sevin die Gefangenen wohlweislich durch Minerva und Klio sowie durch erbeutete Fahnen ersetzte.¹²¹ Der Wiener Hof hatte von dem Denkmal unmittelbar nach dessen Enthüllung erfahren, wahrscheinlich durch die Zeichnung, die der österreichische Gesandte in Paris, Graf Ferdinand August Leopold von Lobkowitz, dem Kaiser übermittelt 132
hatte.¹²² Dieser reagierte nun mit einer Medaille, die er noch im selben Jahr in Umlauf bringen ließ.¹²³ Die Rückseite zeigt die von Reichstruppen eroberte Stadt Ofen. Auf der Vorderseite wird der Kaiser wie sein französischer Gegenspieler auf der Place des Victoires in der Rüstung eines antiken Imperators von Viktoria gekrönt. Allerdings tritt er nicht auf den Zerberus, sondern auf den nach unten zeigenden türkischen Halbmond. Zugleich beugt er sich leicht nach vorne, um die ergriffen zu seinen Füßen kniende Personifikation Ungarns mit dem Szepter zu berühren. Gedeutet wird diese Geste durch die Umschrift, die dem Habsburger als dem restitvtori vngariæ huldigt. Schließlich erscheint im Bild die Personifikation des katholischen Glaubens. Im Unterschied zu Ludwig führt der Kaiser also nicht Kriege, um andere Völker zu knechten, sondern um sie zu befreien und ihnen ihre Religion zurückzugeben. Auf eine ganz andere Weise antwortet ein in Philippsburg publizierter Stich auf das Pariser Monument. Er gibt Ludwig mit pausbäckigem Gesicht und dicklichem Körper wieder.¹²⁴ Auch Eugen beteiligte sich an der ironischen Demontage des Sonnenkönigs. Eine Medaille, die vermutlich Caspar Theophil Lauffer nach der Einnahme von Lille prägte,¹²⁵ zeigt auf dem Revers die Pariser Ludwig-Viktoria- Gruppe mit der Umschrift avfert, non dat. Dies besagt, dass Viktoria dem König den Lorbeerkranz nicht aufsetzt, sondern ihm diesen entzieht. Der Revers mit der Umschrift hannibal ante portas zeigt zwei Krieger in antikischer Rüstung (geVom Bau zum Bild
meint sind Eugen und der Duke of Marlborough), die auf die erschrockene Personifikation Galliens einstürmen und dabei einen Grenzstein zerbrechen. Ein zeitgenössischer Kommentar zu dieser Medaille vermerkt, dass Ludwig sein Standbild voreilig habe errichten lassen und … zu zeitig, noch vor dem Ausgang seiner Kriege, die mächtigsten Nationen von Europa an eben diesem Monument angefesselt, da er noch vor seinem End erfahren, daß nach dem Verlust seiner in Jahren so theuer gewonnenen Conquenten, die Nach-Welt schon dafür halten könne, die Victorie nehme ihm vielmehr den Cranz, als daß sie solchen ihm aufsetze, welches die Überschrift andeutet.¹²⁶
Vielleicht kann man in der Aberkennung des Lorbeerkranzes sogar ein frühes Beispiel für den von Peikhart verwendeten Topos sehen, Eugen habe anderen Herrschern »die Cronen ab- und aufsetzen« können (siehe C ...). Schließlich verkörpert die Siegesgöttin auf der Medaille – anders als auf der Place des Victoires – keinen französischen, sondern einen von Eugen und Marlborough errungenen Sieg. Mithin erkennt sie dem Sonnenkönig stellvertretend für Eugen die Krone des Sieges ab. Eine weitere Replik auf Desjardins Denkmal enthält eine Gedenkmünze Friedrich Kleinerts, die , nach dem Sieg bei Oudenaarde, entstand.¹²⁷ Ihre Vorderseite zeigt Eugen als siegreichen Feldherrn in antiker Rüstung, der einen am Boden Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
liegenden Gallier niedertritt und von Viktoria mit dem Lorbeerkranz ausgezeichnet wird – zusammen mit Marlborough, der ihm als Pendant zugeordnet ist. Die Umschrift enthält einen Hexameter aus Vergils Äneis : ivstitiaqve dedit gentes frenare superbas Ø Virg[ilius] (Und die Gerechtigkeit gab es, dass die hochmütigen Völker gezügelt wurden Ø Vergil).¹²⁸ Die Rückseite zeigt Viktoria mit einer Siegespalme, die auf ein Tropaion und auf zwei gefesselte Franzosen hinweist. Die Um- schrift zitiert abermals die Äneis : hæc svnt spolia de rege svperbo Ø Virg[ilius] (Das ist die Waffenbeute von dem übermütigen König Ø Vergil).¹²⁹ Im Vergleich zu Desjardins Denkmal sind sämtliche Rollen exakt vertauscht. Anstelle von Ludwig werden Eugen und Marlborough verherrlicht, die niedergetretenen und gefangenen Feinde sind nun nicht mehr die Alliierten, sondern die Franzosen. Wie die Eroberungspläne des Sonnenkönigs erweist sich die in dem Denkmal manifest gewordene Ruhmsucht Ludwigs als ein Ausdruck von superbia. Mit den Gedenkmünzen setzte Eugen die Karikatur gezielt als eine Waffe ein. Diese Bildgattung erfreute sich seit dem . Jahrhundert zunehmender Beliebtheit. Vor allem in Rom gehörte sie wie die Pasquinate zum sozialen Alltag. Besonders beherrscht wurde sie von Gianlorenzo Bernini, dessen Zeichnungen nach Berichten seines Sohnes Domenico sogar von den betroffenen »principi, e personaggi grandi« bewundert und belacht wurden. Dem französischen Hochadel hingegen war diese Kunstform, Karsten hat darauf hingewiesen, unbekannt. 133
Folglich war diese Schicht – und erst recht galt dies für den König an ihrer Spitze – durch die Karikatur besonders leicht zu treffen. Gesellschaftliche Distanz konnte so spielend unterlaufen, Distinguiertheit auf effektive Weise ins Lächerliche gezogen werden.¹³⁰ Unangreifbar war jedoch, wer über sich selbst lachen konnte, wer gar die Karikatur seiner Person als ein geistreiches Elaborat zu estimieren vermochte. In diesem Sinne ist Permosers ›Apotheose‹ nicht einfach nur eine ikonographische Replik auf Desjardins Bildformel. Mit ihren phantasievoll-humoresken Elementen decouvriert sie auch das ernste, bisweilen hohle und phantasielose¹³¹ Pathos der französischen Hofkunst. Und sie bewahrte Eugen davor, seinerseits der Lächerlichkeit anheimzufallen. Über die Fähigkeit der Selbstironisierung hinaus enthält das Standbild, wie ich glaube, noch ein weiteres Element der Bescheidenheitsrhetorik : Eugens Verzicht, die Sonnenscheibe anzublicken. Wie schon die Lichtmetaphysik des christlichen Neuplatonismus betont, kann dem Glanz der Sonne nur ein Wesen standhalten : der Adler. So kommentiert der Kirchenvater Dionysius Areopagita die Erscheinung des Adlers im Buch Ezechiel (,) und in der Offenbarung (,) : Die Gestalt des Adlers bedeutet das königliche, zur Höhe strebende, schnell dahinfahrende Wesen, das scharfsichtig, wach, beweglich, erfindungsreich auf Kräfte spendende Nahrung aus ist, das zugleich ungehindert geradewegs unverwandt auf den uneingeschränkten, lichtreichen Strahl, der von der Sonne des Gottes-
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prinzips hervorbricht, in immer erneuerter kraftvoller Anspannung der Sehkräfte schaut.¹³²
In diesem Sinne stellte schon Bernini in einem Stich den zur Sonne aufsteigenden Aar dar,¹³³ der in Verbindung mit dem Motto nec soli cedit sogar zum preußischen Staatsemblem avancierte. In der Habsburger-Ikonographie wurde der spätere Kaiser Karl VI. in seiner Eigenschaft als Erzherzog von Österreich und König Karl III. von Spanien mehrfach mit einem Jungadler verglichen, der zum Glanz der väterlichen Gnadensonne (= Leopold I.) emporsteigt und damit die Jungenprobe besteht.¹³⁴ Vor diesem Hintergrund scheint mir auch eine Bemerkung Ludwigs XIV. über Eugen besonderen Sinn zu ergeben. Im Anschluss an die schon erwähnte Audienz in Versailles, bei der Eugen sich vergebens um ein Kommando beworben hatte (C ..), zeigten Seine Majestät sich darüber empört, dass der Bittsteller es gewagt hatte, ihm »so herausfordernd wie ein junger Sperber ins Gesicht zu starren«.¹³⁵ Indem Eugen der Majestät ins sonnengleiche Antlitz blickte, maßte er sich aus deren Sicht die Rolle eines Adlers an. Diese stand aber niemandem zu, auch nicht einem Spross aus den Häusern Savoyen, Soissons und Carignan – geschweige denn einem illegitimen Spross des Königs. Aus diesem Grunde verglich Ludwig den Prinzen denn auch mit dem kleinsten und unbedeutendsten aller Raubvögel : dem Sperber, der sich, so die implizite Botschaft, als ein Adler aufspielte. Vom Bau zum Bild
Indem Eugen in Permosers ›Apotheose‹ den Blick von der kaiserlichen Sonne abwendet, gibt er also nicht nur zu verstehen, dass er frei von Ruhmsucht ist ; er erkennt auch die Würde der kaiserlichen Majestät an, die im Unterschied zur majesté des französischen Königs tatsächlich sonnenhaft ist. Zugleich erscheint sein Verhalten bei der Audienz im Nachhinein gerechtfertigt : Vermessen war damals nicht er, der dem König ins Antlitz sah. Anmaßend verhielt sich vielmehr Ludwig selbst, weil er sich als ein roi soleil gerierte. ... Das Standbild als Ausdruck eines quasi-imperialen Selbstverständnisses Allerdings ist die Geste der Bescheidenheit, die Eugen in dem Standbild demonstriert, ambivalent. Die Ambivalenz wird erkennbar, wenn man Fama nicht als eine Personifikation der irdischen Ruhmsucht, sondern des irdischen Ruhmes deutet. Für diese zweite Deutungsvariante spricht, dass die muschelförmige Trompete aus wahrhaft irdischer Substanz ist und das fratzenhafte Gesicht der Göttin in der Tat höchst irdische Züge trägt. Den Charakter des Irdischen von der Begierde nach Ruhm auf den Ruhm selbst zu übertragen, erscheint marginal, doch eröffnet diese Bedeutungsverschiebung einen ganz neuen Interpretationsspielraum. Eugen lehnt nicht das Streben nach Ruhm an sich ab, sondern nur den irdischen Ruhm, der ihm durch die Anerkennung der Zeitgenossen zuteil wird. Spitzt man diesen Gedanken zu, so erhebt sich der Prinz mit seiner Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Apotheose buchstäblich über den irdischen Ruhm, um zu himmlischen Ehren zu gelangen. Diese werden ihm von Viktoria verheißen, die in ihrer engelsgleichen, schönen Gestalt sehr viel himmlischer wirkt als Fama und dem Prinzen mit der Sonnenscheibe auch ein himmlisches Symbol präsentiert. Stützen lässt sich diese Deutung durch das Deckenfresko des ehemaligen Audienzzimmers im Stadtpalais (C ..). Noch bevor Jupiter seinem Sohn Herkules das Sternenkleid umgelegt hat, hat Fama ihre Trompete abgesetzt. Warum aber begleitet die Ruhmesgöttin diesen Akt der Apotheose nicht mit ihren Klängen ? Offenbar deshalb nicht, weil der vergöttlichte Herkules diese Art des Ruhmes nicht mehr nötig hat. Und in der Tat : In der barocken Bildkunst begleitet Fama mit ihrer Ruhmestrompete immer nur die Glorifikation von Menschen bzw. die Erhebung von deren Bildnissen oder Wappen. Bei- spiele, dass sie die Epiphanie einer Gottheit ankündigt, sind mir jedenfalls nicht bekannt. Überträgt man diesen Sachverhalt auf Permosers Gruppe, so wendet Eugen sein Gesicht nicht aus Bescheidenheit von Viktoria und der Sonne ab. Vielmehr wagt er es noch (!) nicht, zur Sonne aufzublicken. In dieser Lesart verbirgt sich hinter der Bescheidenheitsformel ein Anspruch, der freilich nicht sofort zu erkennen ist. Und natürlich enthält das Standbild nun eine gleich doppelte Volte gegen Fürsten wie Friedrich I. von Preußen, in deren Schlössern die Trompeten blasenden Famen auf eine fast schon penetrante Weise omnipräsent waren.¹³⁶ Im Stadtpalais und im Belvedere sucht man nach diesem Motiv 135
vergebens. Es findet sich nicht einmal im Giebelfeld des Hofrisalits, in dem das Wappen des Hausherrn erscheint. Stattdessen wird der Wappenschild von zwei Savoyer Löwen gehalten. Die Aussage ist eindeutig : Nicht der irdische Ruhm, sondern die heroischen Eigenschaften machen Eugens Größe aus. (Der Löwe steht natürlich für die herkulische Stärke des Prinzen, aber auch, wie wir noch sehen werden, für die Entschlossenheit eines Feldherrn vom Schlage Alexanders des Großen¹³⁷.) Und selbstverständlich fehlen die Famen auch in den Apotheose-Darstellungen des Hauptsaals im Oberen und des Marmorsaals im Unteren Belvedere. Schließlich vollzieht sich in beiden Fresken die Apotheose des Prinzen – und damit seine Erhebung über den irdischen Ruhm. Neben der Ikonographie und dem Stil dürfte aber noch ein dritter Faktor den Bedeutungsgehalt der Figurengruppe bestimmt und ihren repräsentativen Gehalt gemehrt haben : Permosers Stellung am Dresdner Hof. Dass Eugen seine Apotheose von einem Künstler gestalten ließ, der Hofbildhauer des Kurfürsten von Sachsen, des Königs von Polen und des Reichsvikars von war, bedeutete fraglos einen großen Prestigegewinn. Damit gehörte das Werk der Sphäre einer königlichen, ja imperialen Hofkultur an. Verstärkt wurde diese Zugehörigkeit dadurch, dass mit Ulrich von König der Hofdichter Augusts des Starken ein erläuterndes Gedicht verfasste, das gleichfalls panegyrische Züge trägt (siehe voriges Kapitel). Eine besondere Note erhielt die Nähe der Gruppe zur augusteischen Hofkunst dadurch, dass der Wettiner nach seiner 136
Wahl zum König von Polen den Oberbefehl über die Truppen am Balkan an Eugen abgeben musste. Es ist sogar anzunehmen, dass der Prinz aus diesem Grund die Wahl des damaligen Kurfürsten Friedrich August I. heimlich unterstützt hatte. Auf jeden Fall begünstigte der Kommandowechsel den weiteren Verlauf des Feldzugs außerordentlich, hatte Friedrich August sich doch als ausgesprochen selbstherrlich und unzuverlässig erwiesen.¹³⁸ Nicht zuletzt hatte er die Schlacht bei Olos verloren.¹³⁹ Mit anderen Worten : Augusts Erhebung zum König von Polen ermöglichte Eugens Aufstieg zum Retter der Christenheit. Wenn Eugen aber durch seinen Verzicht Augusts Wahl mit befördert hatte, so war es nur recht und billig, wenn er im Gegenzug dessen Hofbildhauer und Hofdichter in Anspruch nahm. Wie auf dem Felde der Politik trug der sächsisch-polnische Hof auf dem Felde der Kunst – gewollt oder ungewollt – zu Eugens Ruhm bei. Doch nicht nur die Nähe zur sächsisch-polnischen Hofkunst, sondern auch der rote, an kaiserlichen Porphyr erinnernde Marmorsockel verlieh der Figurengruppe eine royal-imperiale Würde, zumal Eugen sich auf ihm in einer selbst gewählten Inschrift als »höchster und niemals besiegter Feldherr Kaisers Karls VI. und des Heiligen Römischen Reiches« feierte.¹⁴⁰ Die Unbesiegbarkeit ist ein Topos, der Eugen auch von den Zeitgenossen beigelegt wurde. Peikhart bezeichnete den Prinzen als einen »Bezwinger aller Feinden« (sic), als einen »toties victor, neque victus abullo, Victor Victorum«.¹⁴¹ Und Rink stellte fest : Vom Bau zum Bild
Alle andere generale / so in der welt jemahls etwas grosses gethan / haben durch einige unglückliche actiones erst lehr-geld geben müssen. Selbst Tourenne [lies : Turenne ; Anm. d. Verf.], welchen man vor dem glücklichsten und vorsichtsamsten unserer zeit gehalten / hat zu anfangs ein- und andermahl dem feind den vortheil gelassen. Eugenius aber hat so offte gesieget / so offt er den feind gesehen und seine truppen alleine commandiret.¹⁴²
Der Gedanke, Eugen habe gesiegt, sobald er den Feind gesehen habe, dürfte auf Cäsars berühmte Äußerung veni vidi vici Bezug nehmen. In der Tat hatte Eugen sich als einen zweiten Cäsar verstanden und zunächst erwogen, sich in der Sockelinschrift als ein solcher – oder als ein zweiter Alexander – bezeichnen zu lassen. ¹⁴³ Der epigraphische Rekurs auf Cäsar und Alexander hätte einen ganz besonderen Sinn gehabt. Nicht nur, dass der griechische Geschichtsschreiber Plutarch die beiden Staatsmänner wegen ihrer außerordentlichen Begabung als Feldherren in seinen Parallelviten als historische Pendants behandelte, Eugen wird in Alexander und Cäsar auch die Protagonisten für seine Kämpfe an den verschiedenen Fronten Europas gesehen haben. Im Osten verteidigte er die westliche Zivilisation wie einst Alexander, dessen Name sich bekanntlich von ¢lšxein (= schützen, verteidigen) ableitet, gegen eine vorderasiatische Großmacht, die wie das Perserreich als dekadent, prunkliebend und barbarisch galt und deren Soldaten (man denke nur an ihre Darstellung in Jakob van Schuppens Reiterporträt Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
des Prinzen¹⁴⁴) nicht minder als die Krieger des Dareios im Ruf der Brutalität und Grausamkeit standen.¹⁴⁵ (Wie selbstverständlich in der frühen Neuzeit die Gleichsetzung beider Reiche war, zeigt Desjardins Denkmal, an dem der Vertreter des Osmanenreichs die antikische Kleidung eines Parthers bzw. eines Persers trägt ; vgl. das vorige Kapitel.) Im Westen siegte er wie Cäsar als Repräsentant des (Heiligen) Römischen Reiches gegen die Gallier, mit denen die Franzosen im . und . Jahrhundert gleichgesetzt wurden – besonders auf jenen Gedenkmünzen, die Eugens Siege verherrlichten.¹⁴⁶ Natürlich hätte ein Verweis auf Alexander oder auf Cäsar das Denkmal noch weiter in die imperiale Sphäre gehoben. Aber auch die Inschrift, die Eugen tatsächlich wählte, hat eine imperiale Konnotation, handelt es sich bei dem Adjektiv invictissimus doch um eine Steigerung jenes Epithetons, mit dem Apoll als der unbesiegte Sonnengott geehrt wurde. Als Sol invictus ließen sich auch die antiken Cäsaren und Ludwig XIV. feiern – Letzterer zumindest so lange, bis Eugen seinen Siegen ein Ende setzte.¹⁴⁷ Quasi-imperial war nicht zuletzt die Wahl des Themas, mit dem Eugen in Konkurrenz zu Desjardins Denkmal für Ludwig XIV. trat. Man kann sogar sagen, dass es Eugen darum ging, die Bildformel des Denkmals für die eigene Repräsentation zu okkupieren. Allerdings vollzog der Prinz diese Okkupation schrittweise. Eine Schlüsselfunktion fällt dabei den beiden Medaillen zu, die nach den Siegen von Lille und Oudenaarde entstanden waren (C ...). Auf der einen wird Ludwigs Iko137
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nographie als prahlerisch entlarvt, um auf der anderen Eugen und Marlborough zugesprochen zu werden. Am Ende stand mit Permosers Werk wieder ein Standbild, diesmal jedoch mit der Glorifikation des Prinzen. Ich denke, in der schrittweisen Aneignung, die zunächst im bescheideneren – dafür umso öffentlichkeitswirksameren – Medium der Numismatik erfolgte, die mit einer weithin als berechtigt angesehenen Kritik an Ludwig XIV. einherging und die den Ruhmesverband mit Marlborough suchte, kann man durchaus eine Strategie erkennen. Eugen lancierte die Bildformel seiner eigenen glorificatio regelrecht, er bereitete sie systematisch vor. Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg, aber noch vor Permoser, hatte auch Guillielmus de Grof das Monument auf der Place des Victoires zitiert : in einem zu Paris (!) gefertigten Entwurf für ein Denkmal des bayerischen Kurfürsten Maximilian II. Emanuel. Die Zeichnung entstand /, also zu einem Zeitpunkt, da der Wittelsbacher sich im französischen Exil befand. Desjardins Denkmal wird Max Emanuel daher aus eigener Anschauung gekannt haben. Wohl um an den alten Ruhm anzuknüpfen und um an alte Verdienste zu erinnern, ließ er sich auf dem Blatt als Türkensieger darstellen, der zum Lohn für seine Verdienste von Viktoria (oder Fama) auf einem Felsen (vermutlich dem mons virtutis) gekrönt wird. Die Keule und das Löwenfell weisen ihn als einen zweiten Herkules aus. Zu Füßen des Denkmals kniet in flehender Haltung ein besiegter Osmane. Die Gruppen auf den beiden Nebensockeln überhöhen diesen Sieg metaphysisch. Rechts erinnert der Erzengel 138
Michael, der gegen den Drachen kämpft, an die Verdienste des Kurfürsten um die Verteidigung des Glaubens, während links eine Viktoria-Pegasus-Gruppe Max Emanuels Ruhm verewigt.¹⁴⁸ Dass Eugen die Entwurfszeichnung für das Denkmal Max Emanuels kannte, ist weniger anzunehmen. Vielleicht hatte er aber von Max Emanuels Plänen gehört. Schließlich war der Kurfürst ein Vetter zweiten Grades. Wenn ja, könnte es Eugen durchaus ein Anliegen gewesen sein, sich auch gegenüber dem Bayern, über den er bei Höchstädt gesiegt hatte, zu profilieren – nämlich als der eigentliche Verteidiger der Christenheit, der nicht zu den Gegnern des Kaisers übergelaufen war.¹⁴⁹ Eine weitere Absicht könnte darin gelegen haben, Max Emanuel die Inszenierung seines politischen ›Comebacks‹ zu erschweren, das tatsächlich erfolgte und das durch das Denkmal vielleicht hätte unterstützt werden sollen. Da das Denkmal für Max Emanuel aus welchen Gründen auch immer nicht zustande kam, war Eugen zunächst der Einzige, der sich auf dem Boden des Reiches in einem ›Apotheose‹-Standbild feiern ließ. Zwar begegnet uns das Motiv des Tugendhelden, den Viktoria auf der Spitze des mons virtutis krönt, auch schon in der um entstandenen Brunnenfigur im Vestibül des Palais Lobkowitz zu Wien, doch handelt es sich hier um die Glorifikation einer mythologischen Figur, die nur indirekt auf eine lebende Person anspielt (nämlich auf den Fürsten Ferdinand August, der als kaiserlicher Botschafter in Paris eine Skizze von Desjardins Denkmal nach Wien geVom Bau zum Bild
schickt hatte ; vgl. C ..). Erst Karl VI. ließ sich innerhalb dieses ikonographischen Schemas wieder persönlich darstellen – in der von Donner geschaffenen Gruppe. Wie sakrosankt das Thema der individuellen Glorifikation im Bereich der Skulptur bis in die zweite Hälfte des . Jahrhunderts blieb, zeigt die von Ferdinand Tietz geschaffene Kaskade im Park zu Seehof. Auch hier wird der Auftraggeber, der Bamberger Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim, durch Herkules vertreten. Eine Variante zur Glorifikation des Helden durch Viktoria oder Virtus findet sich in Giovanni Battista Tiepolos Treppenhausfreko der Würzburger Residenz : Dort wird das Bildmedaillon des Fürstbischofs Carl Philipp von Greiffenclau von Virtus und Fama zum Palast Apolls als einem templum honoris et virtutis getragen. Da die Würzburger Stiege wie die Treppe in Eugens Stadtpalast für den Tugendweg und den Aufstieg des Herkules per aspera ad astra steht,¹⁵⁰ geht auch mit dieser Verherrlichung die Belohnung des Verdienstes einher. Allerdings fährt Greiffenclau nicht selbst, sondern nur in effigie zu den Göttern auf. Beispiele für die klassische Apotheose realer Personen finden sich sonst nur noch in der kirchlichen Bildkunst. Beispielsweise wird auf einer Medaille, die Benedikt XIII. zur Kanonisierung des Johannes Nepomuk prägen ließ¹⁵¹, der auf einer Wolke gen Himmel schwebende Heilige von einem Engel mit der Krone des ewigen Lebens ausgezeichnet. Die Analogie zu den weltlichen Darstellungen der Apotheose oder Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Glorifikation ist offensichtlich. Dementsprechend lautet die Umschrift auch apotheosis in laterano. Außerdem folgt der Engel weitestgehend der traditionellen Fama-Ikonographie. Man kann also sagen, dass Eugen mit der Darstellung seiner eigenen ›Apotheose‹ in Form eines Standbildes (das noch prestigeträchtiger und repräsentativer als ein Gemälde war) eine Repräsentationsform beanspruchte, die sonst nur Heiligen, Kaisern und Königen zustand. Eine Ausnahme mochten Fürsten wie Max Emanuel von Bayern bilden. Dieser hatte lange Zeit gehofft, er oder wenigstens einer seiner Söhne werde eine auswärtige Königswürde erben, wenn nicht den Kaisertitel erwerben. Darüber hinaus besaß Max Emanuel als Mitglied des Kurkollegs zumindest eine ideelle Teilhabe am regimen imperii. Reichsfürsten ohne Kurwürde und ohne Aussichten auf eine Königskrone und erst recht die Wiener Adligen verzichteten hingegen auf die Bildformel der Glorifikation. Allenfalls ließen sie sich wie Seinsheim und Lobkowitz durch Herkules oder wie Greiffenclau durch ein Porträtmedaillon vertreten. Ihre Verherrlichung in persona hätte zweifellos gegen das Dekorum verstoßen. Mit der Wahl des Künstlers, dem Thema, der Ikonographie, dem Material des Sockels und der Inschrift stellte sich Eugen also in gleich fünffacher Weise über die meisten anderen Reichsfürsten, vom Wiener Adel ganz zu schweigen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die ironische Brechung, der stilus mediocris und der Bescheidenheitsgestus als notwendige Kor139
rektive, die den quasi-imperialen Habitus mildern. Damit sind sie auch Zeugnisse der Mäßigung, die Eugen sich selbst auferlegte. Gerade diese Mäßigung konstituierte aber einen umso größeren Anspruch : Eugen hält sein Lob für so selbstverständlich, dass er meint, es ostentativ unterdrücken zu müssen. Diese Ambivalenz wurde schon von den Zeitgenossen erkannt – und nicht immer günstig beurteilt. Beispielsweise fragte Claude Alexandre Comte de Bonneval, nachdem er sich mit seinem ehemaligen Gönner und Freund Eugen überworfen hatte, spöttisch, wie es denn um die Bescheidenheit eines Mannes bestellt sei, der sich selbst ein Standbild der eigenen Apotheose weihe – einschließlich ihn streichelnder und küssender Putten – und der überdies mehrere Gelehrte damit beauftragt habe, für dieses Werk eine passende Inschrift zu ersinnen – verbunden mit der Frage, ob man einen ganz neuen Text erfinden solle oder ob es besser sei, sich mit einem abgewandelten Lobspruch auf Caesar, Alexander den Großen oder einen vergleichbaren Heroen zu begnügen.¹⁵² Dieser Kommentar ist insofern polemisch, als Bonneval die Korrektive, welche die Statue enthält, nicht zur Kenntnis nimmt. Allerdings wird man ihm dies schwerlich zum Vorwurf machen können. Eugen hatte (mit nicht ganz unzweifelhaften Mitteln) bewirkt, dass sein einstiger Freund durch das Kriegsgericht zum Tode verurteilt wurde. Und angeblich billigte er sogar Pläne zu Bonnevals Ermordung.¹⁵³ Dieser tat daraufhin dasselbe wie Eugen im Jahre : Er wechselte zur Gegenseite, in diesem Fall zum Hof des Sultans, und machte 140
dort Karriere. Dass er als türkischer Pascha ein Standbild, das seinen Verfolger als ruhmreichen Türkensieger darstellt, positiv beurteilen würde, wäre vollkommen abwegig gewesen. .. Das Treppenhaus im Oberen Belvedere : Eugen und sein Vorbild Alexander der Große ... Eugen und Alexander An dieser Stelle empfiehlt es sich, nochmals einen Blick auf das Obere Belvedere zu werfen. Wie wir eben sahen, hatte Eugen letztlich doch darauf verzichtet, sich in der Sockelinschrift von Permosers Statue mit Alexander dem Großen zu vergleichen. Umso deutlicher fällt der Hinweis auf den Makedonenkönig im oberen Teil des Treppenhauses aus. Die drei Stuckreliefs, die Jakob Werner dem italienischen Stuckateur Santino Bussi zugeschrieben hat,¹⁵⁴ stellen Episoden aus Alexanders Leben dar. Das Relief an der Wand über dem östlichen Treppenlauf zeigt den Triumph über den Perserkönig Dareios in der Schlacht bei Gaugamela. Die Szene über dem westlichen Treppenlauf behandelt die Milde, die Alexander den Frauen des besiegten Großkönigs erwies.¹⁵⁵ Ein drittes Relief, das ursprünglich die Decke zierte, zeigte die Zerschlagung des gordischen Knotens, nach Krapf »Sinnbild dafür, dass in äußerster Not zu entsprechenden Mittel gegriffen werden müsse«.¹⁵⁶ Des Weiteren kann man, ich sagte es schon, die Savoyer Löwen, die den Giebel der Ehrenhoffront zieren, als Anspielungen auf den Makedonenkönig deuten. Wie uns Plutarch berichtet, hatten Vom Bau zum Bild
Alexanders Eltern mehrere Träume, die ihnen der Seher Aristander so deutete, dass ihnen die Geburt eines Löwen bevorstehe.¹⁵⁷ Daher erscheint Alexander auf Münzen nicht selten mit einem Löwenskalp (der ihn freilich auch als einen zweiten Herakles ausweist).¹⁵⁸ Darüber deutete die pseudoaristotelische ›Physiognomik‹ das sich aufsträubende Haupthaar des Makedonenherrschers als einen Ausdruck seiner löwenhaften Natur.¹⁵⁹ Das »Wunderwürdige Kriegs- und Siegs-Lager« des Prinzen Eugen vergegenwärtigte mit dem Giebelschmuck und dem Relief-Zyklus des Treppenhauses also auch, oder vielleicht sogar in erster Linie, das Feldherrnzelt des Makedonenkönigs. Von den Zeitgenossen wurde Eugen mit etlichen Feldherren und Staatsmännern verglichen : mit Scipio, Hannibal und Mose¹⁶⁰, mit Josua, Samson, Nehemia, Numa, Lykurg, Titus, Cato, Gideon, Saul, Jonatha, Augustus und Trajan.¹⁶¹ Ein unmittelbarer Hinweis auf Alexander findet sich eigenartigerweise nicht. Allerdings gibt es, besonders bei Peikhart, einige Schilderungen, die sich als analoge Begebenheiten zu den Feldzügen des Makedonenkönigs lesen lassen. Wie sein Vorbild übernahm Eugen schon früh (nämlich mit Jahren) das Kommando über ganze Armeen,¹⁶² führte Krieg gegen eine große Territorialmacht und nahm dabei dieselben Strapazen auf sich wie seine Soldaten. Er überstieg Gebirge, »vor welchen sich das blosse Aug schrecken konnte«, beschritt Wege, »welche kein Menschlicher Fuß noch jemahls betretten hatte«, überquerte Flüsse, »welche auch bißhero keine Schiff leyden wollten«, nahm »feindliche Feld-Herren in ihren eigenen Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Festungen gefangen« und vereinte unter seinem Kommando viele Völker »welche offt an der Neigung des Gemüths / wie an der Sprach der Zungen unterschieden seyn« und »sonsten niemanden gewohnt seyn / dann sich selbser zu gehorchen«. Ferner kämpfte er auf den Schlachtfeldern eines ganzen Kontinents.¹⁶³ Dabei wurde er bei der Eroberung Belgrads ähnlich schwer verwundet wie Alexander bei seinem Zug nach Indien im Kampf gegen die Maller.¹⁶⁴ Weitere Parallelen zum Makedonenkönig finden sich im privaten Bereich – wohl darum wurden sie von der offiziellen Panegyrik auch nicht aufgegriffen. Zunächst fällt auf, dass die Mütter beider Protagonisten denselben Namen trugen (Olympias bzw. Olympia) und wohl zu Unrecht verdächtigt wurden, ihren Gemahl vergiftet zu haben.¹⁶⁵ Ferner besaßen Alexander und Eugen ein besonders enges Verhältnis zu ihren Leibpferden. Dass Alexander den Hengst Boukephalos, der ihm in der Schlacht am Granikos das Leben rettete, so sehr liebte, dass er nach dessen Tod eine Stadt mit dem Namen Alexandreia Bukephalos gründete, ist seit der Antike legendär. Im Barock war dieses Verhältnis zwischen dem Makedonenkönig und seinem Pferd darüber hinaus der Inbegriff eines chevaleresken Habitus. Nicht von ungefähr ist der Sieger von Gaugamela auf dem östlichen Treppenhausrelief des Oberen Belvedere zusammen mit seinem Pferd dargestellt. Eugen wiederum schätzte seine Leibrösser so sehr, dass er für sie einen aufwendig gestalteten Stall errichten ließ. Zutreffend spricht Aurenhammer von einem »Schatzbehältnis der Pferde«, denen fast schon eine sakrale Be141
deutung zukam.¹⁶⁶ Eines von Eugens Leibpferden wurde sogar beim Leichenzug des Prinzen mitgeführt.¹⁶⁷ Wichtig für die Rezeption des Alexandermythos durch den Prinzen Eugen könnte auch die Überlieferung sein, derzufolge Alexander als einziger Boukephalos zähmen und reiten konnte. Bereits die Stoiker sahen in der Beherrschung und Zügelung eines Pferdes ein Sinnbild für die Affektregulierung im Allgemeinen und für das gute Regiment im Besonderen. Wie der Reiter sein Pferd nur dann gut führen kann, wenn er in der Lage ist, sich selbst zu zügeln, so vermag der Herrscher sein Volk nur dann zu lenken, wenn er imstande ist, sich selbst zu beherrschen. Gelingt ihm dies, so gehorcht ihm das Volk genauso willig wie dem Reiter das Pferd.¹⁶⁸ Noch besser als der Herrscher lässt sich der Feldherr mit dem Reiter vergleichen. Der gute Feldherr ist so maßvoll und beherrscht, dass ihm die Soldaten willig gehorchen. Und wie sich der Reiter mit dem Ross und der Souverän mit dem Volkskörper verbindet, so geht der gute Feldherr mit seinen Soldaten eine geistige und physische Einheit ein. Ebendiese beiden Fähigkeiten, die kluge Steuerung der Affekte und die beispielhafte Verschmelzung von Feldherrngeist und soldatischem Kampfesmut rühmte Peikhart an Eugen in hohem Maße : Der Angriff seiner Waffen ware bey ihme allzeit hefftig / und der Fortgang behutsam. Er erfrischte den Muth deren Soldaten mit seinem Beyspil / und mäßigte deren Officiren mit seinen Verord-
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nungen. Bey aufgestellten Kriegs-Heer ware er der Lebens-Geist / so alle Glieder zum Streit bewogen. / und sich selber vor dem Sieg nicht ruhen lassen. […] Und hat dieser kluge Fürst nicht nur die Kunst besessen / die Hertzen zu gewinnen / sondern auch mit dem Haupt zu vereinigen ; das ist / alle abseithigen Meerbusen mit dem grossen Welt-Meer zu versöhnen.¹⁶⁹
Selbst Völker unterschiedlicher Kultur und Mentalität konnte Eugen, so Peikhart weiter, vereinen, da »dieser kluge Fürst nicht nur die Kunst besessen / die Hertzen zu gewinnen / sondern auch mit dem Haupt zu vereinigen«.¹⁷⁰ ... Der Alexander-Mythos als Teil eines politischen Diskurses Angesichts der zahlreichen Identifikationsmöglichkeiten, die der Alexander-Mythos bot, nimmt es nicht wunder, dass schon im Mittelalter ganze Kollektive wie die Ritterorden sich auf den Makedonenkönig als eine Leitfigur bezogen. Wie Werner Paravicini betont, ermöglichten es biblische oder historische Helden wie Alexander oder auch Cäsar, Josua und David den mittelalterlichen Rittern, ihre christliche Gegenwart auf eine leicht fassliche Form mit der heidnischen und jüdischen Antike zu verbinden.¹⁷¹ Wenn Eugen sich also mit diesen Personen oder auch mit Mucius Scaevola und Marcus Curtius (Hauptsaal des Oberen Belvedere¹⁷²) sowie mit Theseus, Jason, Perseus, Äneas und Scipio (Bildprogramm des Marmorsaals im Vom Bau zum Bild
Unteren Belvedere und Portalreliefs am Stadtpalais¹⁷³) gleichsetzte, so folgte er damit auch einer ritterlichen Tradition. Über die geistige Verwandtschaft, die biographischen Gemeinsamkeiten, die feldherrliche Kongenialität und das ritterliche Selbstverständnis hinaus dürfte es für Eugen aber noch einen vierten Grund gegeben haben, sich mit dem Makedonenkönig gleichzusetzen : die Alexander-Rezeption durch die neuzeitlichen Fürsten. Zu diesen zählten vor allem Ludwig XIV. und Max Emanuel. In der Kunst des Wiener Hofes spielte Alexander eigenartigerweise kaum eine Rolle. Sie blieb, soweit ich sehe, auf die Numismatik beschränkt, und auch dort war Alexander nur eine von mehreren Referenzfiguren. Beispielsweise verglich Karl sich in jungen Jahren hinsichtlich seiner militärischen Tüchtigkeit (virtus) mit Cäsar, seiner Güte (bonitas) mit Trajan und seines Alters und Geistes mit Alexander.¹⁷⁴ Diese Zurückhaltung überrascht, war Karl als Herrscher eines nach Osten expandierenden Großreiches doch wirklich prädestiniert, sich in Alexanders Tradition zu stellen. Darüber hinaus galt der ›Erwählte Römische Kaiser‹ im Rahmen der christlichen -ReicheLehre zumindest als ein mittelbarer Nachfolger des Makedonenherrschers. Nicht zuletzt verwaltete Karl als Großmeister des Ordens zum Goldenen Vlies das ritterliche Erbe, für das Alexander vorbildhaft war. Umso stärker bezog sich Max Emanuel auf Alexander. Schon , ein Jahr nach seiner Regierungsübernahme, wies der Wittelsbacher seinen Architekten Enrico Zuccalli und den Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Hofmaler Johann Andreas Wolff an, im Ostflügel des Grottenhoftraktes der Münchner Residenz die sog. Alexander-Zimmer einzurichten. Fraglos spiegelte die Alexander-Rezeption Max Emanuels Verlangen nach kriegerischem Ruhm wider.¹⁷⁵ Ob der Kurfürst zu diesem Zeitpunkt schon an einen Kampf gegen die Türken dachte, ist schwer zu sagen. Seine ersten Gefechte mit der osmanischen Armee trug er jedenfalls erst bei der Belagerung Wiens aus.¹⁷⁶ Im Nachhinein dürfte das Bildprogramm der Alexander-Zimmer den Zeitgenossen natürlich durchaus als eine Anspielung auf die Türkensiege erschienen sein. Am meisten erhob freilich Ludwig XIV. Anspruch auf das geistige Erbe des Makedonenkönigs. Der französische Monarch ging sogar so weit, sich mit Alexander unmittelbar zu identifizieren. Manifest wird diese Identifikation zunächst in dem Epitheton Magnus, mit dem der König sich schon zu Lebzeiten schmeicheln ließ, ferner in der Büste, die Bernini bei seinem Parisaufenthalt schuf. Wie Andreas Prater zeigen konnte, weist das Bildnis etliche Merkmale der gängigen Alexander-Ikonographie auf, etwa das aufstehende Stirnhaar und die leichte Wendung des Hauptes zur Seite.¹⁷⁷ Berninis anfänglicher Plan, die Büste über einen Globus zu stellen, macht deutlich, dass Ludwig sich mit Alexander nicht nur als einem zweiten Apoll, einem heroischen König und genialen Feldherrn verglich ; vielmehr drückte die Gleichsetzung mit dem Makedonenkönig auch den Anspruch auf Weltherrschaft aus.¹⁷⁸ Im Rahmen dieses Anspruchs, man erinnere sich an das 143
Denkmal auf der Place des Victoires, behauptete der Sonnenkönig sogar, über die Türken als die Perser der Neuzeit gesiegt zu haben (vgl. C ...). Am aufschlussreichsten ist jedoch der Alexander-Zyklus, den Charles Le Brun in den Jahren bis anfertigte. Er enthält fünf Szenen : Alexander und die Frauen im Zelt des Dareios (Le Tente de Darius oder Les Reines de Perse aux pieds d’Alexandre), Alexanders Einzug in Babylon (Triomphe d’Alexandre oder L’Entrée d’Alexandre à Babylone), die Überquerung des Granikos, in der Boukephalos dem König das Leben rettet (La Passage du Granique), die Schlacht von Arbela bzw. Gaugamela (La bataille d’Arbelles) sowie Alexander und der Inderkönig Porus (Alexandre et Porus).¹⁷⁹ Wie Hans Körner gezeigt hat, fiel dem ersten Bild, das zunächst als ein Einzelwerk entstanden war, eine Schlüsselrolle zu. Es zeigt eine nicht bei Plutarch, wohl aber bei Curtius Rufus, Livius und Valerius Maximus überlieferte Episode : Nach der Schlacht von Issos betritt Alexander zusammen mit seinem Freund und Feldherrn Hephaistion das Zelt des besiegten Dareios. Sysigambis, die Mutter des Perserkönigs, fleht Hephaistion, den sie wegen seiner Größe für Alexander hält, um Gnade für sich, ihre Schwiegertochter und ihre beiden Enkelinnen an. Als ein Eunuch den Irrtum aufdeckt, steigert sich die Furcht der Frauen. Alexander zeigt jedoch Nachsicht, bemerkt sogar, Sysigambis habe sich keinesfalls getäuscht, als sie seinen Freund mit ihm verwechselt habe, denn dieser sei sein zweites Ich. ¹⁸⁰ 144
Mit dieser Großmut und Güte bewies Alexander, dass er nicht nur den Feind auf dem Schlachtfeld, sondern auch sich selbst besiegen konnte. In diesem Sinne kommentierte André Félibien Le Bruns Gemälde : Indem er sich selbst bezwingt, bezwingt er nicht nur die barbarischen Völker, sondern den Sieger über alle Nationen.¹⁸¹ Wie sehr Le Bruns Gemälde diese Tugend der Selbstüberwindung zum Ausdruck brachte, belegen die Beischriften in mehreren Tapisserie-Nachbildungen und Reproduktionsstichen.¹⁸² Selbstverständlich nahm Ludwig die Doppeltugend, nicht nur über barbarische Völker (also Spanier, Niederländer, Briten und Deutschen), sondern durch clémence und bonté auch über sich selbst zu siegen, in Anspruch. Dementsprechend groß war auch die Aufmerksamkeit, die er dem Bild schon bei seiner Entstehung zuteil werden ließ. Jeden Tag überwachte er für zwei Stunden den Fortgang der Arbeiten, und nach deren Abschluss ließ er sich von Félibien sogar als den eigentlichen Schöpfer des Gemäldes feiern : Dieses außergewöhnliche Werk, das sein hervorragender Schöpfer vor kurzem vollendet hat, ist weniger ein Produkt seiner Kunst und seiner Wissenschaft, als ein Ergebnis der schönen Ideen, die er von Eurer Majestät aufgenommen hat.¹⁸³
Die Schlüsselstellung, die dieses Gemälde besaß, dokumentiert darüber hinaus seine Verwendung im Rahmen von Ludwigs Selbstinszenierung am Versailler Hof. Während die vier später Vom Bau zum Bild
entstandenen Alexander-Bilder im Louvre blieben, ließ Ludwig die Le Reines de Perse in der Chambre du Mars aufhängen – und zwar gegenüber Veroneses ›Die Jünger von Emmaus‹. Einerseits diente diese Hängung dazu, im Rahmen der berühmten querelles des anciens et modernes die Überlegenheit der gegenwärtigen Moderne, nämlich der französischen Hofkunst, über die klassische Moderne, also die italienische Renaissance, sinnfällig zu machen und Le Brun als einen neuen Apelles auszuweisen, der Ludwig als einem zweiten Alexander diene.¹⁸⁴ In diesem Sinne behandelte Charles Perrault beide Werke auch in seiner Schrift ›Parallèle des Anciens et des Modernes‹, wobei er sich über einen italienischen Prälaten mokierte, der angeblich aus falschem patriotischem Stolz mit nach unten gerichteten Augen an Le Bruns Bild vorüberging, als könnten diese sonst Schaden nehmen.¹⁸⁵ Andererseits dienten die beiden Gemälde, Hans Körner hat auch dies gezeigt, der Selbstdarstellung des Königs außerhalb des offiziellen Zeremoniells. Abends, wenn in den grand appartements verschiedene Gesellschaftsspiele abgehalten wurden, beliebte es Ludwig, sich in betont unauffälliger Kleidung unter die Anwesenden zu mischen, wobei er großen Wert darauf legte, dass niemand seinetwegen aufstehe, geschweige denn das Spiel unterbreche.¹⁸⁶ Diese Inszenierung gütiger und familiärer ›Herablassung‹ wurde nach Körner durch die beiden Gemälde überhöht und legitimiert. Wie Christus gegenüber den Jüngern seine Göttlichkeit verbarg und wie Alexander auf königliche Ehrbezeugungen verzichtete, so stellte der König Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
seine grandeur und seinen Herrschaftsanspruch zurück. Dass der Monarch sich bei der Inszenierung seiner Unauffälligkeit wirklich mit Christus verglich, entsprach durchaus der Tradition des Hofes. Schon bei den Krönungsfeierlichkeiten im Jahre hatte der Jurist Omer Talon den königlichen Thron mit dem Thron Gottes gleichgesetzt.¹⁸⁷ Ebenso entsprach es der Vorstellung des Hofes, dass der König im familiären Umgang mit den Untertanen seine eigentliche Würde nicht aufgab, sondern sie im Gegenteil mehrte – so sehr, dass er sich dadurch über alle anderen Könige erhob : Wenn der König seine Untertanen mit einiger Vertraulichkeit [familiarité] beehrt, zu der die größten Männer nicht gelangt sind, … dann erhebt er sich sogar noch über die Könige ; indem er sich mit ungezwungener Hoheit [mit seinen Untertanen] in Verbindung setzt, ist er von seinem Thron herabgestiegen, ohne dass der Glanz, der diesen Thron umgibt, sich von seiner Person entfernt hätte. Darüber hinaus übt er über alle Herzen seine Herrschaft aus, die mächtiger ist als diejenige, die er bereits innehat.¹⁸⁸
Wolfgang Brassat hat aus Körners Beobachtungen gefolgert, dass das Auftreten des Königs im Kontext des Emmaus-Bildes einer Epiphanie gleichgekommen sei.¹⁸⁹ Dieser Vergleich ist vor allem dann sehr treffend, wenn man in der Epiphanie Christi das Erscheinen in Menschengestalt und nicht eine Offenbarung der göttlichen Natur im Sinne einer Emanation deutet. Wie Christus stieg Ludwig nach eigenem Selbstverständnis von 145
seinem göttlichen Thron herab, um unter den Menschen zu wandeln. Und gerade diese Demut begründet seine besondere Würde, machte ihn wie den Gottessohn zum rex regum. Unwillkürlich erinnert die Inszenierung des königlichen descensus an den Philipperbrief (, –) : Christus war wie Gott, hielt an seiner Göttlichkeit aber nicht fest, »sondern entäußerte sich und wurde den Menschen gleich«. Er erniedrigte sich und wurde dafür »über alle erhöht«. Gott verlieh ihm »einen Namen, der größer als alle Namen war«, auf dass alle vor ihm ihr Knie beugen.
Darüber hinaus fügt sich der descensus vorzüglich in die Sonnenmetapher ein. Da der König sich nur des Abends inkognito gab, glich er der Sonne. Sobald diese untergegangen ist, wird ihr Glanz auch nicht mehr wahrgenommen. Umso majestätischer und heller strahlt sie am darauffolgenden Morgen. ... Eugens Antwort auf die Alexander-Ikonographie Ludwigs XIV.
Es liegt nahe, dass das Bildprogramm im Treppenhaus des Oberen Belvedere auch auf die Alexander-Rezeption der anderen Höfe antwortete, etwa des Münchner Hofes. Wie Permosers Standbild sollten Bussis Alexander-Reliefs vermutlich darauf hinweisen, dass Eugen den bayrischen Kurfürsten Max Emanuel als Sieger über die Türken und als Beschützer des christlichen Abendlandes abgelöst hatte. (Und in der Tat griff 146
Max Emanuel nach seiner Rückkehr aus dem Pariser Exil die Alexander-Ikonographie seiner Jugendzeit nicht mehr auf – wie nicht zuletzt die Ausstattung von Schloss Schleißheim beweist.) Hauptadressat dürfte jedoch erneut Ludwig XIV. gewesen sein. Gründe, dem französischen Monarchen die Rolle eines zweiten Alexander streitig zu machen, gab es zur Genüge. Nicht nur, dass Ludwig in keinerlei ritterlicher Tradition stand ! Mit seiner Neutralitätspolitik gegenüber der Hohen Pforte, die de facto einem Bündnis gleichkam, hatte er sogar der Verteidigung des Abendlandes entgegengearbeitet. Als umso anmaßender dürfte Eugen es empfunden haben, dass Ludwig keinerlei Bedenken trug, sich in dem schon mehrfach erwähnten Denkmal auf der Place des Victoires zum Türkensieger zu stilisieren. Darüber hinaus ermöglichte es die Adaption des Alexander-Mythos wie die Verwendung der Ikarus-Metapher, auf Ludwigs persönliche Schwächen hinzuweisen. Gerade im Vergleich mit dem Savoyer entsprach der französische König dem antiken Helden so gut wie gar nicht : Nie hatte er seine Soldaten auf den Feldzügen in fremde Länder begleitet, geschweige denn sie dort siegreich kommandiert oder ihre Strapazen geteilt. Niemals hatte er unter Einsatz des eigenen Lebens gekämpft oder war gar verwundet worden. Unter seinem Kommando hatten sich keine Völker vereint und fremde Fürsten hatten ihn nicht als Oberkommandierenden anerkannt. Vielmehr hatten sich die Fürsten und Völker Europas unter Eugens Führung im Kampf gegen den Sonnenkönig Vom Bau zum Bild
zusammengeschlossen und so bewirkt, dass dieser nicht wie Alexander zum Herrscher der Welt aufsteigen konnte. Ludwig tat sich bestenfalls als Tänzer, nicht aber als Ritter oder als maßvoller Regent hervor. Eine besondere Angriffsfläche bot Ludwigs Selbststilisierung in der Chambre du Mars. Nach Peikharts Zeugnis besaß auch Eugen die Fähigkeit, seine Feinde aus der Ferne zu erschrecken, sie aber im persönlichen Umgang durch seine familiarité – bei Peikhart »Leutseligkeit« genannt – ganz für sich einzunehmen. Der blosse Nahmen eugenii machte gantz Orient erzitteren / und hat man auch in Occident sich vor ihme geforchten / so lang er nicht gesehen war : allein seine Gegenwart ware wie ein helles Liecht in einem finsteren Zimmer / vor welchem Forcht und Schrocken und alle diese Nacht-Geburten verschwinden musten. Starck und mächtig ware eugenius unter dem Harnisch / aber noch stärcker ohne demselben : durch Schrocken hat er allein die Feinde bezwungen / durch Liebe alle Menschen. Der jenige / deme seine Leuthseeligkeit unbekannt ware / muß in einer anderen Welt gewohnet haben / weilen in dieser auch die entlegenste Völcker / die sonst allen andern feind seyn / sich in seine Freundschaft eingedrungen.¹⁹⁰
Entscheidend war jedoch, in welcher Situation ein Fürst sich in diesen Tugenden übte. Sich an Gesellschaftsabenden in seiner bonté und clémence zu sonnen, war das eine. Güte und Milde dort unter Beweis zu stellen, wo es wirklich darauf ankam, nämlich im Umgang mit dem besiegten Feind, war das andere. Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Dass Ludwig hier ein ganz anderes Wesen an den Tag legte, belegen die Mordbrennereien des Comte Ezéchiel de Mélac während des Pfälzischen und des Marquis et Duc Louis Hector de Villars im Spanischen Erbfolgekrieg. Diese Kriegsgräuel, die in ganz Europa Abscheu hervorriefen, standen in krassem Widerspruch zu der Gnade, die Eugen – zumindest aus der Sicht seiner Bewunderer – nicht weniger als sein Vorbild Alexander gerade denen erwies, die ihrer am meisten bedurften : den unterworfenen Feinden und der schutzlosen Zivilbevölkerung. Auch diesen Wesenszug hebt Peikhart nachdrücklich hervor : Der Rache ware er niemahls begierig / ob er schon öffters dero mächtig gewesen. Er wuste gar wohl / die Macht seye niemahls gefährlicher / als in der Hand eines Rachgierigen / der sich ihrer missbrauchen kann / oder will ; Er pflegte auch zu sagen : der jenige / der gegen die Uberwundenen Rache übet / hat mehrer Spott / als Ehre darvon ; was grosses / über die jenige wollen einen Helden spilen / die sich nicht mehr verthätigen [= verteidigen ; Anm. d. Verf.] können / und denen offt von all ihren Kräfften nicht mehr übrig geblieben ist / als daß sie noch leben ?¹⁹¹
Aus diesem Grund wurde Eugen, anders als Ludwig, selbst von seinen Feinden geehrt.¹⁹² Eine noch größere Blöße gab sich der französische König, indem er die verhüllte Epiphanie Christi nach der Auferstehung mit seinem aufgesetzten Inkognito bei Gesellschaftsabenden gleichsetzte, zumal Letztere Versailles alsbald den Ruf einbrachten, eine 147
Spielhölle zu sein.¹⁹³ Und völlig absurd war es, dass Ludwigs Inszenierung seines Inkognitos durchschaut werden sollte, da sie ja sonst nicht wirkte. Damit wurde der göttlichen Epiphanie in Veroneses Bild eine höfische Maskerade entgegengesetzt. Die Selbsterniedrigung Gottes wurde durch ein Schauspiel indirekter Selbsterhöhung konterkariert. Und die Abendmahlstafel, an der Christus sich als der Auferstandene offenbarte, wurde mit dem Spieltisch gleichgesetzt, an dem man die Identität des Königs erkennen sollte (ohne dies freilich zu zeigen).¹⁹⁴ Kein Wunder, dass der italienische Prälat, von dem Perrault sprach, an jenem Alexanderbild, das Veroneses ›Emmausjünger‹ in diesen Kontext stellte, mit gesenktem Blick vorübergegangen war ! Im Unterschied zu Ludwig war es Eugen, der anfangs in seiner Begabung unterschätzt und in seinem Wesen verkannt worden war – ausgerechnet vom Sonnenkönig selbst, der seine Bitte um ein Kommando so höhnisch abgewiesen hatte. Und während der Bourbone sich angesichts der Siege, die Eugen über ihn errang, mehr und mehr als ein Salon-Alexander erwies, erlangte der Prinz zunehmend die Größe eines wahren Alexander. Nicht zuletzt wurde Ludwigs Anspruch, über allen Königen zu stehen, von dem Ruf übertroffen, den Eugen als ein gleichsam ungekrönter König genoss. Angesichts der vielen militärischen und diplomatischen Erfolge, die der Prinz erzielte, galt bisweilen nicht der Kaiserhof in Wien oder der Hof in Versailles als das eigentliche Herrschaftszentrum Europas, sondern Eugens Feldlager. So stellte etwa Peikhart fest : 148
Sein Feld-Lager ware jederzeit ein Hof-Lager von vielen Fürsten und Printzen : der letzte Feld-Zug in Ungarn hat deren frembden allein mehr dann zwantzig herbey gezogen / welche theils Cronund Chur-Erben / theils von Königlichen Geblüt gewesen. Viel derenselben haben sich bey ihme in die Schule gegeben / und rühmen sich noch heut zu Tag eines solchen Helden-Meisters / welcher wohl seiner Zeit der gröste in Europa gewesen. Es haben ihn auch andermahlen Könige in seinem Lager-Sitz besuchet / welche alle von eugenii süssem Umgang eingenommen / weder ohne seiner Hochachtung mit ihme bleiben / ohne ohne Rührung innerster Zartigkeit sich von ihme scheiden konten.¹⁹⁵
Um diese Aussage zu präzisieren : In Eugens Lager vor Belgrad waren immerhin Söhne des regierenden Reichsadels versammelt. Peikhart zufolge war Eugen ohnehin der geborene Führer dieser Prinzen : Kaum ware er das Haupt von tausend berittenen Kriegs-Männern / da hat man ihme schon in dem .sten Jahr seines Alters gantze Arméen anvertrauet / und andere Printzen an die Seithen gesetzet / welche unter ihme als einen Feld-Herrn offt ihrer Würde vergessen / und mit denen gemeinen Soldaten um die Ehre des Gehorsams gestritten.¹⁹⁶
Ebenso brachte Eugen es zuwege, dass »die Hohe Reichs-Stände […] ihre Freyheit / eigene Trouppen zu halten« aufgaben und diese seinem Kommando unterstellten. So wurde er zu einem Vom Bau zum Bild
»Feld-Herr vieler freyer Völckerschafften / welche sonsten niemanden gewohnet seyn / dann sich selber zu gehorchen«.¹⁹⁷ Folgt man Peikhart weiter, besaß Eugen de facto sogar eine Machtfülle, die ihn über manches gekrönte Haupt erhob : Länder und Königreich hat eugenius denen Besitzern entrissen / und ihre Eigenthumern gegeben. Ein Wunder-Ding ! Er konte andern die Cronen ab- und aufsetzen / ob er schon selber deren keine getragen hat.¹⁹⁸
Auf der einen Seite dürfte der Jesuitenpater die ungarische Königskrone gemeint haben, die Eugen für den Kaiser im Kampf gegen die Türken erfochten hatte, aber auch die Herzogskrone von Mailand, die nach dem Spanischen Erbfolgekrieg an das Haus Habsburg gefallen war. Ebenso hatte Eugen einen Anteil daran gehabt, dass das Haus Savoyen im Frieden von Utrecht das Königreich Sizilien als Teil des spanischen Erbes erhielt. Auf der anderen Seite hatte der Prinz mit dazu beigetragen, dass Kurfürst Max Emanuel von Bayern nach der Schlacht von Höchstädt () seiner Kurwürde verlustig ging (Exil in Frankreich von bis ). Dasselbe Schicksal ereilte Max Emanuels jüngeren Bruder, den Kölner Kurfürsten Joseph Clemens (französisches Exil von bis ). Schließlich hatte Eugen es auch zu verhindern gewusst, dass die Wittelsbacher im Tausch gegen Kurbayern die sardinische Königswürde erhielten. Letztere erwarben stattdessen die Savoyer im Tausch gegen Sizilien. Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Mit dem Zu- und Aberkennen von Kronen übte Eugen eine Tätigkeit aus, die gewöhnlich der göttlichen Vorsehung zustand. So zeigt eine anlässlich der Befreiung Wiens geprägte Medaille den Reichsadler bzw. den Adler Jupiters, der dem hilflos fliehenden Großwesir Kara Mustafa Pascha den mit einer Agraffe und einen Pfauenfederbüschel geschmückten Turban vom Haupt reißt. Tatsächlich leitete der Sieg vor Wien den Machtverlust des Wesirs ein, der noch im selben Jahr auf Befehl des Sultans in Belgrad erdrosselt wurde. Den Erwerb und die Vorenthaltung einer Krone thematisiert auch eine Medaille, die zur Krönung des Erzherzogs Joseph zum römischen König geschlagen wurde.¹⁹⁹ Auf der Vorderseite ist Joseph, die ottonische Kaiserkrone auf dem Haupt, von himmlischen Mächten auf den Schild gehoben worden. Auf der Rückseite hindert das aus dem Himmel herabfahrende Schwert der göttlichen Gerechtigkeit den gierig herbeieilenden Ludwig XIV. daran, nach der Kaiserkrone zu greifen. Die kausale Verknüpfung beider Ereignisse legen die Umschriften nahe, die – in Anspielung auf die Sentenz des Magnifikat et exaltavit humiles (Lk , ) Joseph als den von Gott Erhöhten (et hunc exaltavit) und Ludwig als den vom Himmel Gedemütigten (hunc humiliavit) ausweist. Dass die göttliche Vorsehung zusehends dazu überging, sich bei der Zu- und Aberkennung von Kronen und Kurhüten mehr und mehr Eugens als ihres verlängerten Arms zu bedienen, verlieh dem Prinzen fraglos einen besonderen Nimbus. Dieser Nimbus wiederum trug dazu bei, dass der Savoyer, um mit Max Braubach zu sprechen, »in den letzten Lebensjahren 149
Kaiser Josephs I. zur ersten Autorität im Habsburgerreich nach dem Herrscher« wurde.²⁰⁰ Diese Stelle wusste Eugen unter Karl VI. – gegen manche Intrige – zu festigen. Vor allem nach dem Frieden von Rastatt galt der Prinz als der erste Diener des Kaisers, als faktischer Leiter der Regierung und als oberstes Glied der Geheimen Staatskonferenz, die, wenn er in Wien war, in der Regel unter seinem Vorsitz im Oberen Belvedere tagte.²⁰¹ Kleiner hat diesem Umstand eine eigene Darstellung gewidmet. Seine Sonderstellung erlaubte es dem Prinzen sogar, zumindest gegenüber auswärtigen Diplomaten ein geradezu imperiales Hofzeremoniell zu entfalten.²⁰² Nach Ernst Klett schwärmte ganz Wien von der Pracht, die Eugen den prunkgewohnten Gesandten der Hohen Pforte bot, wenn er sie auf seinem thronartigen Sessel im Oberen Belvedere empfing²⁰³ – eine Szenerie, die Kleiner gleichfalls wiedergegeben hat (II, Tf. , S. ). Und wie wir uns erinnern, weist auch das Bildprogramm des Hauptsaals im Oberen Belvedere den Prinzen als einen Fürsten mit Regierungskompetenz (nicht Regierungsfunktion !) aus (C ..). Seine Zuspitzung fand das Bild vom ungekrönten Herrscher in der Bemerkung Friedrichs des Großen, Eugen sei der »heimliche Kaiser« gewesen, der »nicht nur die österreichischen Erblande, sondern auch das Reich« regiert habe.²⁰⁴ Manche Historiker wie Franz Herre bezeichnen den Prinzen sogar als den »heimlichen Herrscher Europas«.²⁰⁵ Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, Eugen habe nicht nur keine Kronen getragen, sondern auch 150
ganz bewusst auf deren Erwerb verzichtet. Das ist umso bemerkenswerter, als der Prinz, gesetzt den Fall, er hätte für den polnischen Thron kandidiert, sehr wahrscheinlich erfolgreich gewesen wäre. Kein Geringerer als Peter der Große hätte sich für ihn eingesetzt.²⁰⁶ Auch gab es Spekulationen, Eugen habe nach dem Spanischen Erbfolgekrieg die Möglichkeit besessen, seine Statthalterschaft der spanischen Niederlande in eine souveräne Herrschaft umzuwandeln oder durch die Heirat einer Erzherzogin sich den Weg zum Kaiserthron zu bahnen.²⁰⁷ Indes überließ Eugen das Streben nach Königswürden anderen Reichsfürsten wie den Markgrafen von Brandenburg und Baden-Baden sowie den Herzögen von Sachsen und Bayern.²⁰⁸ Gerade durch diese Generosität und Selbstüberwindung stellte sich Eugen zumindest ideell über die gekrönten Häupter Europas – allen voran Ludwig XIV. Diese Strategie entsprach genau der Rhetorik, die wir an Permosers Apotheose feststellen konnten (C ...) : Wie der Verzicht auf irdisches Prestige den himmlischen Ruhm sichert, so ermöglicht der Verzicht auf direkte Machtausübung die viel ehrenvollere und viel effektivere Ausübung einer indirekten Herrschaft. Wie das Denkmal auf der Place des Victoires zeigt die In- szenierung des Alexander-Mythos in Versailles, wie angreifbar der französische König sich durch seine Ikonographie gemacht hatte, wie sehr er die Negativfolie für Eugens Selbststilisierung zum eigentlichen Tugendhelden, zum wirklichen homme des honêttes und zum wahrhaft bescheidenen, gütigen und leutseligen Staatsmann bildete. Im Vergleich zu Eugen verkörperte Vom Bau zum Bild
er Habgier, Anmaßung, Grausamkeit und Hybris.²⁰⁹ Kurzum, er war der Antityp zu Alexander wie zu Eugen. Die im descensus inszenierte gütige ›Herablassung‹ entpuppte sich als herablassend. In dieser negativen Konnotation stellte Eugen sie denn auch in den Räumen seines Stadtpalais dar : als superbia, die in Gestalt des Ikarus vom Himmel in die Tiefe herabfällt, und als Personifikation der schlechten Herrschaft, gegen die Krieg geführt werden muss. Der descensus des Sonnenkönigs, der scheinbar grandeur und gloire implizierte, erwies sich bei näherer Betrachtung als ein moralischer Niedergang, ja als ein Sturz des Lasters. Natürlich war die Adaption des Alexander-Mythos auch für Eugen nicht ganz unproblematisch. Zwar war Alexander als Feldherr mit Eugen durchaus vergleichbar, doch entsprach er als Herrscher eines nach Osten expandierenden Reiches in erster Linie den Habsburgerkaisern. Wohl aus diesem Grund hatte sich beispielsweise Ludwig Wilhelm von Baden-Baden in seinem Rastatter Residenzschloss (Skulptur am Eingang des Ehrenhofs) nicht mit dem Makedonenkönig selbst, sondern nur mit dessen Feldherrn Lysimachos verglichen. Damit überließ der Markgraf, obwohl er als kaiserlicher Feldmarschall wie Eugen erfolgreich gegen die Türken gekämpft hatte, die Alexander-Metapher seinem kaiserlichen Herrn und begnügte sich mit der Rolle des treuen Dieners, der wie Lysimachos zu höchsten politischen Ämtern aufgestiegen war.²¹⁰ Gerade das Beispiel Ludwig Wilhelms wirft die Frage auf, weshalb Eugen sich berechtigt fühlen durfte, als ein nicht reDas Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
gierender Fürst am Alexander-Diskurs teilzuhaben. Keinesfalls dürfte es ihm darum gegangen sein, in Konkurrenz zum Kaiser zu treten. Dies war auch insofern ausgeschlossen, als Karl, wie wir sahen, keinen Wert darauf legte, mit Alexander verglichen zu werden. Mithin war Eugens Alexander-Rezeption ähnlich ambivalent wie seine Selbstinszenierung in Permosers ›Apotheose‹. Beide Male näherte Eugen sich dem Niveau kaiserlicher Repräsentation, ohne es ganz zu erreichen. Eben darin glich er Dädalus, der sich wohl weit in die Lüfte erhob, der Sonne aber dennoch nicht zu nahe kam. Und beide Male wies der Prinz dabei – fraglos zugunsten kaiserlichen Ruhmes – die unberechtigten Ansprüche gegnerischer Fürsten zurück. Schließlich waren die Feinde des Kaisers auch seine Feinde. Am bedeutsamsten erscheint mir aber, dass Eugen davon abgesehen hatte, sich in der Sockelinschrift zu Permosers Statue mit dem Makedonenkönig explizit gleichzusetzen. Grundsätzlich lässt sich seine Ikonographie so lesen, dass er seinem historischen Vorbild nur nacheiferte und dass er im Unterschied zu Ludwig XIV. eben nicht auf einer wirklichen Identifizierung bestand. Wie der Prinz wahrhaft herrschte, weil er keine Krone trug, so erwies er sich als ein wahrer Alexander, weil er – wie jener gegenüber den Frauen des Dareios – darauf verzichtete, als ein solcher verehrt zu werden.
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.. Der Titelkupfer in Kleiners Stichwerk : Eugen als ein ›princeps imperatorius‹
Ehe wir den Bereich der bildlichen Ikonographie verlassen und uns wieder der Architektur zuwenden, müssen wir noch auf eine Darstellung eingehen, deren Bedeutung für das Selbstverständnis des Prinzen Eugen bislang völlig unterschätzt wurde : das Titelkupfer, das Jeremias Jacob Sedelmayr d. J. (–) dem Kleiner’schen Stichwerk voranstellte. In der Bildmitte ragt Permosers Standbild auf. Die blinden Augen der einzelnen Figuren weisen die Gruppe als ein Kunstwerk aus. Von links nähern sich als reale Personen Minerva und Herkules. Zu Füßen der Göttin, die als Hinweis auf Eugens Siege einen Speer und einen Lorbeerzweig in ihrer Rechten hält, liegen ein Buch, eine Leier und eine Schriftrolle. Neben den Attributen der Künste und Wissenschaften hockt ein Putto. Ein Fernrohr in der Linken und die Collane des Ordens zum Goldenen Vlies um den Hals, blickt er ehrfurchtsvoll zum Denkmal auf. In der rechten Bildhälfte erhebt sich über erbeuteten türkischen Waffen, Fahnen und Standarten ein Tropaion. Ein weiteres wollen zwei Putten offenbar aus einem Schild und einem Faszienbündel errichten. Ganz rechts unten hängen fünf Medaillen von einer Mauer herab. Die oberste zeigt ein idealisiertes Bildnis Eugens und trägt die Aufschrift evg[enius] vicarius ital[iæ]. Auf der zweiten schreitet Eugen in antikischer Rüstung mit gezogenem Schwert über ein Schlachtfeld. Die Umschrift vict[o152
ria] dacica max[ima] ruft dem Betrachter die Siege der kaiserlichen Armeen in Ungarn ins Gedächtnis. Die unterste Medaille präsentiert einen auf erbeuteten Fahnen liegenden Löwen, über den ein Genius das Wappen des Hauses Savoyen hält. Die Umschrift tutela belgi[iæ] erinnert an den Schutz, den die spanischen Niederlande durch Eugen genießen. Dabei ist wohl bewusst offen gelassen, ob es sich bei dem Löwen um das Wappentier Belgiens handelt, das unter dem Protektorat des Prinzen steht, oder um Eugens eigenes Wappentier, in dessen Gestalt der Statthalter der Niederlande über das Land höchstselbst wacht. Die linke Hälfte des Hintergrunds nimmt eine Ruinenarchitektur mit eingemeißeltem Savoyer Wappen ein. Im rechten Hintergrund schwebt eine Fama in den Himmel empor, den Blick nach oben gerichtet. Mit ihrer linken Hand umfasst sie, von einem Putto unterstützt, das Wappen des Prinzen. In ihrer Rechten hält sie das Palladium, das Wahrzeichen der Kaiserresidenz Wien als des Dritten Rom und das Unterpfand für die salus und die aeternitas des (Heiligen) Römischen Reiches.²¹¹ In der vordersten Bildebene befindet sich schließlich eine Kartusche, hinter der ein Palm- und ein Lorbeerzweig hervorschauen. Die Inschrift lautet : pollenti potentioq[ue] genio eugenii franc[isici] sabaudiae princ[ipis] a[urei] vel[leris] eq[uistis] Vom Bau zum Bild
imp[eratoris] cæs[aris] caroli vi. ministri purpurati, in germania legati, in italia vicarii, et exercituum ducis feliciss[imi] cujus imperatorias virtutes, quibus injurias reip[ublicæ] christianæ ultus est, regiamq[ue] magnificentiam et gloriam monumenta loquuntur. (Dem starken und mächtigen Genius des Prinzen Eugen Franz von Savoyen, Ritters des Goldenen Vlieses, Kaiser Karls VI. purpurtragenden Ministers, Gesandten in Deutschland, Statthalters in Italien und höchst erfolgreichen Heerführers. Von seinen imperatorischen Tugenden, mit denen er das an der Christenheit [begangene] Unrecht rächte, und von seiner königlichen Großmut und seinem Ruhm künden die Denkmäler.)
Dass der Figurenapparat Eugens Verdienste als eines kaiserlichen Feldherrn und Statthalters verherrlicht und auch auf die musischen und wissenschaftlichen Interessen des Prinzen hinweist, muss nicht eigens betont werden. Umso bemerkenswerter sind einige andere Details. So führen von Minerva aus drei Stufen nach unten. Verbindet man nun diese mit der Göttin, Herkules, dem Standbild und Fama, so ergibt sich eine diametrale Achse, die sich von links unten bis nach rechts oben sowie Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
von vorne nach hinten erstreckt. Auf dieser Achse erweist sich nun Permosers Figurengruppe als Zielpunkt des von Minerva und Herkules beschrittenen Tugendwegs sowie als Ausgangspunkt (und eben noch nicht als Schauplatz !) einer Apotheose, die sich in Gestalt des Wappens fortsetzt. Bemerkenswert ist allerdings, dass bei dieser Dramaturgie das Rollenverhalten der Protagonisten auf den Kopf gestellt ist. In der herkömmlichen Ikonographie weist Minerva dem Alkiden den Tugendweg, auf dem ihm dann der fürstliche Auftraggeber oder Bauherr folgt. Hier ist es aber der Fürst, der im Augenblick seiner Apotheose als Vorbild erscheint. Und es ist Herkules, der Minerva auf den Pfad der Tugend führt. Darüber hinaus sind die Realitätsebenen vertauscht. Eugen erscheint in effigie, die mythologischen Figuren sind hingegen als lebende Personen dargestellt. Die Aussage dieser doppelten Verkehrung ist eindeutig : Eugen übertrifft an Tugendhaftigkeit und Ruhm seine eigenen Vorbilder und wird seinerseits zu einem exemplum virtutis. Dieser Umstand erklärt auch eine weitere Verkehrung. Nach der antiken und frühneuzeitlichen Reichsidee ließ Minerva ihr Standbild vom Himmel auf die Erde fallen, um den Schutz einer Stadt (erst Trojas, dann Roms und schließlich Konstantinopels) zu garantieren.²¹² In der Staatskunst Karls VI. war das simulacrum dann das göttliche Unterpfand Wiens als des ›dritten Rom‹. In diesem Sinne empfängt auf dem Titelkupfer Minerva das Bildwerk in ihrer Eigenschaft als Stadtgöttin der Nea Urbs. Die Überbringerin der Himmelsgabe ist diesmal 153
freilich Eugens Fama. Offenbar sind die Verdienste des Prinzen so groß, dass sie auch noch nach dessen Tod die Sicherheit des Reiches und seiner Hauptstadt sichern werden. Im Kontext von Eugens Glorifikation und Apotheose kann man sich auch fragen, was das Savoyer Wappen an der antiken Ruinenarchitektur bedeutet. Ruft es die Ancienität dieses Geschlechts in Erinnerung ? Doch warum ist die Architektur zerstört ? Sieht man das Ruinenwappen in Antithese zur Verherrlichung des Wappens durch Fama, so gewinnt man den Eindruck, das Titelkupfer entwickle den Gedanken, der Carlones großem Deckenfresko im Oberen Belvedere zugrunde liegt, weiter : Das ehrwürdige Haus Savoyen gelangt durch Eugen zu neuem Ruhm – freilich nach einer Phase des Niedergangs. Oder genauer : es erlangt den Ruhm wieder, den es etwa zu Zeiten von Amadeus VI. besessen hatte. Der Seitenhieb auf die in Turin regierende Verwandtschaft fiele in dieser Lesart noch deutlicher aus. Interesse verdient auch die Inschrift. Selbstverständlich umfassen die momumenta nicht nur die auf dem Titelkupfer abgebildeten Ruhmeszeugnisse, also Permosers Standbild sowie die Medaillen und Trophäen. Zu ihnen gehören auch das Stichwerk selbst sowie das in ihm wiedergegebene »Wunder würdige Kriegs-und Siegs-Lager«, also alle »Hoff-, Lust- und Garten-Gebäude« des Belvedere samt Gärten, Kunstsammlungen, Pomeranzenbäumen und exotischen Tieren. In diesem Sinne stellte der Verlag Jeremias Wolffs Erben denn auch auf dem Widmungsblatt, das dem Titelkupfer folgt, fest, dass das 154
Belvedere nicht zuletzt der Größe und dem Ruhm des Prinzen zu verdanken sei. Mais parcequ’il n’arrive qu’à la moindre Partie des hommes d’aller à Vienne et d’y regarder ces Batimens si magnifiques et si admirables, nous avons pris la Hardiesse pour suppleer à ce manque, et pour contribuer à l’eternité de leur Memoire d’en demander tres humblement à Son Altesse Sereni[issi]me les Desseins et les Vües et d’en mettre quêques uns au jour par le burin …²¹³
Der Gedanke, das Stichwerk trage wie sein Gegenstand zu Eugens Ruhm bei, ist insofern bemerkenswert, als eine derart umfangreiche Dokumentation nicht weniger quasi-imperial war als Eugens Ikonographie, zumal der Prinz geplant hatte, Kleiners Werk um die Publikation seines Stadtpalais zu erweitern. Vielleicht gab es sogar entsprechende Pläne, auch die Jagdschlösser Hof und Niederweiden in Österreich sowie die Schlösser Ráckeve und Bellye in Ungarn einzubeziehen.²¹⁴ Eine derart umfangreiche Folge von Stichwerken hatte Kleiner sonst nur noch in kaiserlichem Auftrag mit Ansichten der Residenzstadt Wien herausgegeben.²¹⁵ Schon die Veduten, auf denen Kleiner die Schlösser und Gärten des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn stach, waren nicht so zahlreich. An Umfang blieb auch das Stichwerk, das Pöppelmann vom Dresdner Zwinger anfertigte, hinter dem ›Wunderwürdigen Kriegs- und Siegslager‹ zurück. Nichtsdestoweniger sollten auch die Werke, die für Lothar Franz und August den Starken entstanden waren, ein quasiVom Bau zum Bild
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imperiales Selbstverständnis vermitteln. Wie Pöppelmann – mit dem Unterschied freilich, dass das Himmelsgewölbe nun in einem Kommentar betont, spielte der Zwinger auf das für die Reichsverweserschaft steht, die Lothar Franz während Reichsvikariat an, das August nach dem Tode Kaiser des Interregnums für sich als den ranghöchsten Reichsfürsten Josephs I. ausgeübt hatte. In diesem Sinne hatte August sich, beanspruchte. In dieser Funktion inszenierte sich der Mainwie Pöppelmann ausdrücklich ausführt, auf dem Wallpavil- zer Kurfürst und Reichserzkanzler im Treppenhaus von Pomlon als ein Hercules Saxonicus darstellen lassen, der in Gestalt mersfelden auch als ein Hercules Imperii, der dem Kaiser den der im Zwinger gezüchteten Pomeranzen die goldenen Hes- Reichsapfel in Gestalt eines der goldenen Hesperidenäpfel er- peridenäpfel (sprich : den Reichsapfel) an die Elbe gebracht langte. Im Gegenzug erhielt er auch vom Kaiser einen Hespeund darüber hinaus mit der Himmelskugel für die Zeit des ridenapfel als Tugendlohn. Dieser konkretisierte sich gleichReichsvikariats das regimen imperii auf seine Schultern ge- falls in den Pomeranzen, die Lothar Franz in ›Pommersfelden‹ laden habe.²¹⁶ Darüber hinaus verherrlichen die Zwinger- (= campi Pomeranici) züchten konnte.²¹⁷ Wenngleich Kleiners Architektur und Pöppelmanns Stichwerk August den Starken Vedutenfolge im Unterschied zu Pöppelmanns Stichwerk über als König von Polen. den Zwinger keinen Kommentar erhält, so macht die ausführDie Vedutensammlung über die Schönborn-Schlösser hatte liche Dokumentation der Pommersfeldener Ikonographie den hingegen Lothar Franz von Schönborn in seiner Eigenschaft Anspruch des Auftraggebers doch deutlich. Und damit geben als Kurfürst von Mainz, Fürstbischof von Bamberg, Erzkanzler sich Kleiners Veduten auch als eine unmittelbare politische Revon Deutschland und Stimmführer im Kurkolleg in Auftrag plik auf Pöppelmanns Stiche zu erkennen.²¹⁸ gegeben. Gerade Schloss Pommersfelden, das Kleiner besonSelbstverständlich standen nicht alle architektonischen ders ausführlich dokumentierte, stand für die Stellung des Stichwerke des . und . Jahrhunderts für derart ambitioKurfürsten secundus a Caesare. Schließlich war das Schloss mit nierte Ansprüche. Mit dem ›Wunderwürdigen Kriegs- und der Donation errichtet worden, die Lothar Franz vom Wiener Siegslager‹ drang Eugen jedoch durchaus auch auf dem Felde Hof dafür bekommen hatte, dass er die Wahl Karls zum Kai- der graphischen Reproduktion in den Bereich der imperial-köser durchgesetzt hatte. Und nicht zuletzt hatte Lothar Franz niglichen Repräsentation vor. Dennoch blieb auch in diesem mit dieser Wahl das Reichsvikariat seines sächsischen Konkur- Punkt eine gewisse Distanz zum Kaiser gewahrt. Karl der VI. renten beendet. Dementsprechend ließ Lothar Franz sich auf hatte nämlich neben den Wiener Veduten ein Werk in Auftrag dem Giebel des gartenseitigen Pavillons von Pommersfelden gegeben, das zumindest innerhalb des Reiches außerhalb jeder mit gleichfalls als ein Hercules coelum portans verherrlichen Konkurrenz stand : Fischer von Erlachs ›Entwurf einer historiDas Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
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schen Architektur‹. Das erschienene Œuvre beginnt mit einer antiquarischen ›Dokumentation‹ der sieben Weltwunder, des Salomonischen Tempels und anderer prominenter Bauten der Antike, geht dann zur Architektur der Osmanen, Chinesen und anderer Völker über und gipfelt in Fischers eigenen Bauten und Entwürfen. Die Projekte, die Fischer für den Kaiser und seine Residenzstadt Wien entwarf, erscheinen damit als Höhepunkte einer universalen und überzeitlich-imperialen Tradition.²¹⁹ Eine solche Tradition, und das ist eben doch ein entscheidendes Distinktionsmerkmal, bemühte Eugen nicht. Stattdessen erhob der Prinz einen imperial-königlichen Anspruch mittels der vorhin erwähnten Inschrift auf dem Titelkupfer. Wie wir uns erinnern, feiert der Text Eugens imperatorias virtutes […] regiamque magnificentiam et gloriam. Wohl nicht von ungefähr sind die Adjektive regius und imperatorius polysem. Das Wort regius kann ›königlich‹, aber auch ›prachtvoll‹ oder ›eines Königs würdig‹ bedeuten. In dieser Eigenschaft hebt es die Nähe der Eugen’schen monumenta zur kaiserlichköniglichen Hofkunst hervor. Noch mehr spielt es aber auf das Prestige an, das Eugen als gleichsam ungekrönter König genoss (vgl. C ...). Verstärkt wird Eugens Charakterisierung als eines ungekrönten Königs durch das zweite Adjektiv der Inschrift : imperatorius. Man kann dieses Wort mit ›feldherrlich‹, aber eben auch mit ›kaiserlich‹ übersetzen. Und man kann die imperatoriae virtutes – gewissermaßen in der Synthese – als die Tu156
genden eines kaiserlichen Feldherrn deuten. Darüber hinaus bezeichnete der Begriff imperium im römischen Reich einst die prokonsularische Befehls- und Amtsgewalt der römischen Magistrate in den Provinzen. Folglich kann man in der Inschrift auch eine Anspielung auf Eugens Tätigkeit als Statthalter des Kaisers im Herzogtum Mailand und in Belgien sehen. Gerade diese Verbindung von außerordentlicher Militär- und Amtsgewalt macht aber die Herrschaft eines Souveräns aus. Gerade wegen dieser sich kreuzenden Bedeutungsgefüge halte ich das Adjektiv imperatorius für einen Schlüsselbegriff in Eugens Selbstdarstellung. Weit besser als die bislang verwendete Bezeichnung ›quasi-imperial‹ charakterisiert es das Selbstverständnis und die Repräsentationstechnik des Prinzen. Dies gilt nicht zuletzt für Eugens Selbststilisierung als zweiter Alexander. Nicht zuletzt legt die Inschrift, indem sie die bildlichen und die architektonischen Denkmale unter dem einen Begriff monumenta subsumiert, nahe, dass die Paradigmen, die Eugens bildlicher Ikonographie zugrunde liegen, auch die Architektur des Oberen Belvedere bestimmen, dass also Architektur und Ausstattung eine konzeptionelle Einheit bilden. Damit sind wir nun endgültig beim gedanklichen Gehalt der Architektur angelangt.
Vom Bau zum Bild
. Eugens Selbststilisierung in der Architektur des Oberen Belvedere .. Allgemeines
Grundsätzlich kann Architektur eine gedankliche Aussage auf mehrfache Weise vermitteln. Eine Möglichkeit besteht in der Wahl des Architekten. Auf dem Titelblatt des ›Wunderwürdigen Kriegs- und Siegslagers‹ wird Hildebrandt als »deß Heiligen Römischen Reichs Ritter« und »Keyserlicher Rath- und Hoff-Architect« bezeichnet. Geht man davon aus, dass dieser Hinweis nicht von ungefähr erfolgte, so steigert die Stellung des Künstlers das Prestige seines Werkes. Wie Permosers ›Apotheose‹ beansprucht die Architektur des Oberen Belvedere, im Umfeld einer königlichen bzw. kaiserlichen Hofkunst konzipiert worden zu sein – wenngleich Hildebrandt de facto für den Wiener Adel und nicht für den Kaiser tätig war. Der Terminus imperatorius trifft wohl auch diesen Sachverhalt. Ebenso wichtig ist für den gedanklichen Gehalt der Belvedere-Architektur die äußere Erscheinung. Dabei sind vor allem drei Faktoren maßgeblich : erstens die Lage innerhalb des landschaftlichen oder urbanen Kontextes und die sich daraus ergebenden räumlichen Bezüge ; ferner die konkrete Gestalt, worunter zweitens das allgemeine Erscheinungsbild und drittens die Instrumentierung der Fassaden fallen. Setzt man diese drei Faktoren zueinander in Beziehung, so zeigt sich, dass die Wahrnehmung der Lage eine Fern- und die Perzeption der Fassadenstruktur eine Nahsicht voraussetzt. Für das allgemeine Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Erscheinungsbild ist hingegen eine Betrachtung aus mittlerer Distanz am günstigsten. Diese Differenzierung führt uns zu drei Fragen : Ändert sich der Aussagegehalt der Architektur mit dem Betrachterstandpunkt ? Vermittelt die Lage eine andere Aussage als das allgemeine Erscheinungsbild ? Besitzt dieses eine andere Aussage als die Fassadenstruktur ? Wie sich zeigen wird, sind alle drei Fragen zu bejahen. Je näher man dem Oberen Belvedere kommt und je mehr man dabei die Situierung aus dem Blick verliert und die Fassadenstruktur ins Auge fasst, desto mehr wandelt sich der Bau von einer Architektur des Anspruchs zu einer Architektur der Bescheidenheit. .. Die Betrachtung des Oberen Belvedere aus der Entfernung : Die Bedeutung der Lage und der räumlichen Bezüge zur Umgebung ... Das Obere Belvedere als Villa suburbana Beginnen wir unsere ikonographische ›Annäherung‹ mit einer Betrachtung der Lage und der räumlichen Bezüge zur Umgebung. Wie Kapitel B .. gezeigt hat, entspricht das Obere Belvedere hinsichtlich seiner Lage und des Verhältnisses zu seiner Umgebung dem Typus der villa suburbana, die bei Plinius und Alberti beschrieben wird und die in Palladios Villa Pisani a eine ideelle und in der Villa Rotonda eine konkrete Ausgestaltung erfahren hat. Diese Übereinstimmungen bestanden, um es kurz in Erinnerung zu rufen, aus : 157
• der Situierung auf einer sanften Anhöhe inmitten von Wäl-
dern, Wiesen, Feldern und Weinbergen, • dem Ausblick aus dem Innern, der einem tiefenräumlich geschichteten, gut gegliederten Gemälde gleicht, • der realen wie illusionistischen Verschränkung mit einem Umraum, der sich aus einem Hof mit Bassin und einem Garten mit Heckenlauben, Brunnen und Buchsbaumhecken zusammensetzt, sowie • der Eigenschaft des Gebäudes als eines Ortes geistiger und körperlicher Erholung sowie des Ruhmes. Wie wir uns außerdem erinnern, hat Kleiner diese Eigenschaften besonders hervorgehoben. ... Das Obere Belvedere als Musensitz und MeritumArchitektur
Darüber hinaus verbindet das Obere Belvedere speziell mit der Villa Rotonda die Bedeutung eines Musensitzes, der sich auf einem Tugendberg erhebt.²²⁰ In dieser zweiten Funktion knüpft das Schloss an eine Tradition an, die sich in der Adelsgesellschaft der frühen Neuzeit ebenso großer Beliebtheit erfreute wie der Topos der villa suburbana, im Unterschied zu diesem aber ein ikonographisches Konstrukt war : die Meritum-Architektur. Innerhalb der Meritum-Ikonographie wird der Tugendberg vom Tempel der Virtus oder der Gloria bekrönt. Dieser ist in der Regel als Rundbau gestaltet oder wird 158
(wie die Villa Rotonda) zumindest als ein solcher bezeichnet.²²¹ Dennoch gibt es Ausnahmen. Eine solche ist das Belvedere, das Fischer von Erlach in seinem zweiten Schönbrunn-Projekt auf der Anhöhe hinter dem Schloss errichten wollte,²²² ein Vorhaben, das Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg gut ein halbes Jahrhundert später mit dem Bau der Gloriette verwirklichen sollte. Ein weiterer Sonderfall ist das Obere Belvedere, das zumindest in Teilen einen Ruhmestempel hypostasiert. Dies gilt besonders für den Hauptsaal, dessen Bildprogramm Eugens Verdienste eindringlich schildert. ... Das Obere Belvedere als Herrscherpalast und Militärlager Die Bedeutung des Oberen Belvedere als einer Stätte, an der das meritum mit gloria belohnt wird, führt uns zur villa suburbana zurück, bei der es sich nach Plinius gleichfalls um einen Ort des Ruhmes handelt.²²³ Interessanterweise teilt der herrschaftliche Landsitz einige seiner Eigenschaften mit zwei anderen Gebäudegattungen : dem Herrscherpalast und dem Militärlager. Denn nach Alberti zeichnen sich auch diese Gebäudetypen durch eine erhöhte Lage und eine gute Weitsicht aus.²²⁴ Mithin können Herrscher das eigene Territorium besser kontrollieren und Feldherrn die Ankunft von Feinden zeitiger bemerken²²⁵ – ein Gedanke, der nach Andreas Tönnesmann und Bernd Roeck bereits die Konzeption des Palazzo Ducale in Urbino und des Palazzo Piccolomini in Pienza bestimmte.²²⁶ Vom Bau zum Bild
Doch gleicht das Landhaus dem fürstlichen Palastbau auch noch in einer zweiten Hinsicht : Der Gast wird »bei seiner Ankunft mit den herrlichsten Prunkräumen« empfangen. In seinem Komfort »ahmt« das Landhaus sogar »die Paläste der Fürsten nach«.²²⁷ Selbstverständlich kannte Eugen als Feldherr und Prinz italienischer Herkunft die repräsentative und strategische Bedeutung, die der Ausblick in der italienischen Militär- und Palastarchitektur besaß. Dasselbe darf für den in Genua geborenen Militäringenieur Hildebrandt angenommen werden. Darüber hinaus gab es nach Stephan Hoppe auch im nordalpinen Palastbau eine Tradition des exklusiven Ausblicks, der Herrschaft sinnfällig machte. Allerdings ist der Ausblick aus dem Gebäude nur eine Spielart »exklusiver Blickbeziehungen«. Hinzu kommen der externe Anblick der im Rahmen der Architektur handelnden Personen und die interne Blickbeziehung innerhalb der Gebäude. Hoppe weist allen drei Arten eine doppelte Funktion zu : Einerseits seien sie natürlich ästhetisch bedingt. Andererseits stellten sie aber auch ein »soziales Kapital« dar.²²⁸ So hätten Freitreppen oder offene Wendelsteine der höfischen Gesellschaft die Möglichkeit geboten, sich nach außen zu inszenieren – eine Funktion, die schon Matthias Müller anhand der Albrechtsburg in Meißen und des Torgauer Schlosses beschrieben hat.²²⁹ Erker und Altane hätten einen dreiseitigen Blickfächer konstituiert, der eine Überschaubarkeit des beherrschten Territoriums gewährt habe.²³⁰ Damit sei wiederum eine Art »Allwissenheitsmetaphorik« verbunden gewesen.²³¹ Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Wie Hoppe weiter ausführt, wurde der Polyfokalblick ab der Mitte des . Jahrhunderts aber immer bedeutungsloser und seltener. Lediglich im formalen Garten habe er sich gehalten, weil es dort um die Wahrnehmung der geometrischen Strukturen gegangen sei.²³² Als Ursache macht Hoppe den Einfluss der italienischen Architekturtradition, die v. a. blockhafte Baukörper hervorgebracht habe, geltend. Innerhalb dieser Entwicklung erscheint das Obere Belvedere atypisch, benutzte Hildebrandt doch gerade blockhafte Baukörper dazu, externe Einblicke, Ausblicke und interne Blickbeziehungen zu inszenieren. Fraglos diente das Ausblickpotenzial des Oberen Belvedere auch dazu, den geometrisch strukturierten Garten, der sich zu Füßen des Schlosses erstreckt, zu überschauen. Allerdings war dies nicht seine einzige Funktion. Gerade die gedankliche Nähe zu dem von Alberti beschriebenen herrschaftlichen Landsitz, die Persönlichkeit des Auftraggebers und der Zeltcharakter der Architektur legen es nahe, dass die Blickinszenierung auch dem Oberen Belvedere den Charakter eines fürstlichen Palastes und eines Feldlagers verleihen sollte. Die vier Eckpavillons, die sich dazwischen spannenden Altane, vor allem aber der gartenseitige Mittelpavillon mit seinen Schrägseiten sind also auch Elemente einer herrschaftlich-militärischen Ausblicksarchitektur. Im Gegenzug konzipierte Hildebrandt alle fensterlosen Fassadenteile wie die Galerien der ›Brückentrakte‹, das Vestibül, die gartenseitigen Eckpavillons, vor allem aber die hofseitige Einfahrt mit der sich anschließen159
den Treppe für einen externen Anblick. So deutete er auf eine zugegeben anachronistische Art und Weise genuine Elemente der Barockarchitektur zu Trägern eines antikisch-humanistischen Baugedankens um. Welche Bedeutung Hildebrandt dem Ausblick über das angrenzende Terrain im Allgemeinen und dem Fächerblick im Besonderen beimaß, zeigt Kleiner mit der Aussicht aus dem Vestibül auf besonders eindrucksvolle Weise. Fragt man nach dem gedanklichen Gehalt dieses Konzepts, so ging es Eugen selbstredend nicht darum, sich gegenüber den Wienern als Territorialherrscher oder gar als ein Feldherr, der ein feindliches Gebiet observiert, zu inszenieren. Vielmehr müssen wir wohl zwei Blickrichtungen unterscheiden. Der Blick auf die Stadt drückte die innenpolitische Fürsorge aus, während der Blick in die andere Richtung, also nach Westen und Süden, für außenpolitischen Weitblick und militärische Wachsamkeit stand. ... Das Obere Belvedere als Zentrum eines Adelshofes
Die Erfassung und Absorption der Umgebung mittels der Aussicht wurde durch ein strukturelles Phänomen verstärkt. Wie wir in Kapitel B .. und .. sahen, hatte Hildebrandt es verstanden, die Nachbaranwesen, vor allem den Salesianerinnenkonvent, in dem die Kaiserinwitwe Amalia Wilhelmine ihren Lebensabend verbrachte, und das Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg) mittels einer geschickten Ausnutzung der Lage und eines besonderen Zuschnitts der Grundstücke zu 160
regelrechten Trabanten des Oberen Belvedere zu reduzieren und durch diese sanfte Vereinnahmung eine Art ›Adelshof‹ zu schaffen, in dem sein Auftraggeber als primus inter pares residierten. Allerdings besaß diese ›sanfte Vereinnahmung‹ eine ambivalente Vorgeschichte. Der Erbauer des späteren Palais Schwarzenberg, Heinrich Franz Graf von Mansfeld und Fürst Fondi, war zu Prinz Eugen politisch in deutlicher Opposition gestanden. Dasselbe galt für die damalige Kaiserin Amalia, die Gattin Josephs I. Zumindest waren zwei ihrer Favoriten, der kaiserliche Obristhofmarschall Graf Karl Ernst von Waldstein und der kaiserliche Minister Graf Ernst Friedrich von Windischgrätz, Gegner des Prinzen. Als nach dem Tod Kaiser Josephs dessen Bruder Karl die Regierung übernahm, kam es u. a. zu einer Neubesetzung der Ministerien. Auch die Zusammensetzung der engeren Konferenz als des obersten Regierungsorgans änderte sich. Waldstein, Mansfeld und Windischgrätz (und damit auch die Kaiserinwitwe) verloren deutlich an Einfluss. Im Gegenzug wurden in die Konferenz der mit Eugen befreundete Reichsvizekanzler Friedrich Carl von Schönborn und Prinz Anton Florian von Liechtenstein berufen. Letzterem stand u. a. Fürst Adam Franz Schwarzenberg zur Seite.²³³ Nachdem Schwarzenberg das noch im Bau befindliche Anwesen Mansfeld-Fondi übernommen hatte, unterstützte er Hildebrandts Gestaltung des Belvedere-Grundstücks nachdrücklich. – die Planungen für das Obere Belvedere waren bereits im Gange²³⁴ – wies er seinen Hofmeister Lenep an, Vom Bau zum Bild
bezüglich der Veränderung der Linie (gemeint war wohl die Grundstücksgrenze) »ober des Prinzen Eugenii Garten« entsprechende Vorkehrungen zu treffen : »dem Letzteren zu Gefallen, damit er eine Perspektive in Feld machen könne«.²³⁵ Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung lässt sich die optische Absorption des Salesianerinnenkonvents durchaus als eine Geste der politischen Überlegenheit gegenüber der Kaiserinwitwe deuten. Dasselbe gilt zunächst für das Palais Mansfeld-Fondi, das dessen neuer Besitzer dann aber von sich aus in Hildebrandts Konzept integriert. Hier war an die Stelle der Absorption gegnerischen Terrains gleichsam die freiwillige Integration durch einen politischen Freund getreten. ... Das Obere Belvedere als Sitz eines heiligmäßigen Schutzpatrons Der politische ›Weitblick‹ und die militärische Wachsamkeit, welche das Belvedere aufgrund seiner exponierten Lage evozierte, sowie die damit verbundenen Topoi der Ausschau von hoher Warte und einer quasigöttlichen Allwissenheit erinnern an die Schutzfunktion eines Heiligen. Aber kann es sein, dass der Prinz sich wirklich als eine Art Heiliger inszenierte, als ein Schutzpatron Wiens ? Und ist es denkbar, dass dieser Aspekt auch die Gestaltung des Belvedere als eines Adelshofs mit bestimmte ? Immerhin scheint es, als habe Schwarzenberg sich mit seinem Anwesen auf ähnliche Weise in die Obhut einer höheren Instanz begeben wie der Gläubige, der sich unter den Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Schutzmantel der Madonna stellt, oder wie der belgische Löwe, der, um Eugens eigene Ikonographie zu bemühen, sicher unter dem zum Schutzschild mutierten Savoyer Wappen ruht. Darf man sich vorstellen, Eugen halte den Wappenschild, mit dem er im Fresko des Hauptsaals wie ein Heiliger in den Himmel aufgenommen wird, gleich zweifach über Wien : zu Lebzeiten von der Anhöhe des Belvedere als eines Feldherrnhügels und später als Schutzgeist von den Höhen des Himmels ? Dieses Bild ist insofern nicht abwegig, als sich auch andere Feldherren gerne mit heiligen Schutzpatronen verglichen – man denke nur an Max Emanuel, der in dem oben erwähnten Denkmalentwurf seine Siege über die Türken mit dem Kampf des Erzengels Michael gegen die Mächte der Finsternis gleichsetzen ließ. Darüber hinaus erblickte die Wiener Bevölkerung spätestens seit der Schlacht von Zenta () in Eugen ein Werkzeug des Himmels – umso mehr, als dieser erste große Sieg des Prinzen angesichts der feindlichen Übermacht alles andere als selbstverständlich war.²³⁶ Und wie wir in Kapitel C ... sahen, erwies Eugen sich aus damaliger Sicht auch in der Zu- und Aberkennung weltlicher Kronen als ein Werkzeug des Himmels. Darüber hinaus barg der Name Eugen bereits den Gedanken des ›guten Geistes‹, des Schutzengels, in sich, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Prinz in seinem Namen einen entsprechenden Auftrag, aber auch die Legitimation eines besonderen Anspruchs sah. Auf jeden Fall taten dies die Zeitgenossen, allen voran Peikhart : 161
Wie viel deren glorwürdigen Beynahmen hätten nicht die Römer einen solchen Schützer oder Bezwinger deren Ländern zugeleget ? Er hätte von dem so offt erhaltenen Teutschland den Nahmen Germanici, von dem eroberten Italien den Nahmen Italici, von dem erweiterten Königreich Ungarn den Nahmen Pannonii führen müssen ; Allein seine Tugend und Dapferkeit hat sich mit dem Nahmen eugenii, eines guten Engels / begnüget / deme eben so leicht / Länder zu eroberen / als zu beschützen.²³⁷
Weitere Anspielungen auf diesen »guten Engel« finden sich in der Numismatik. Eine Medaille, die Philipp Heinrich Müller anlässlich der Ernennung Eugens zum Generalgouverneur in Mailand prägte,²³⁸ zeigt auf dem Revers einen geflügelten Genius mit dem Savoyer Kreuz auf dem Brustpanzer. Dieser hält in der Linken eine Siegespalme. Mit der Rechten schleudert er Blitze gegen die am Boden liegende Personifikation Frankreichs, die sich mit einem Lilienschild zu schützen versucht. Dem Genius assistiert Minerva, die ihren Gorgonenschild gegen einen Wappenschild des Hauses Savoyen vertauscht hat. Ganz rechts kniet die Hilfe erflehende Personifikation Mailands, deren Schild mit der mehrfach gewundenen Sforza-Schlange auf dem Boden liegt. Die Umschrift genio tvtelari italiae weist Eugen, der offensichtlich der Ikonographie des heiligen Michael angeglichen ist, als den Schutzgeist Italiens aus, der wie ein Heiliger bei seiner Anrufung Beistand leistet. Als einen von Gott gesandten Retter verherrlicht den Prinzen auch die Inschrift auf dem Revers einer Münze, die von 162
Georg Wilhelm Vestner nach der Einnahme Belgrads gefertigt wurde :²³⁹ gLaDIVs DeI CaroLI et gIdeonIs eVgenII Judic. VII. Der die Jahreszahl enthaltende Text vergleicht Eugen nicht nur mit dem israelitischen Feldherrn Gideon, der dem siebten Buch Richter zufolge die zahlenmäßig überlegenen Feinde des Gottesvolkes besiegt hatte, sondern bezeichnet den Prinzen auch als den »guten Geist« Kaiser Karls VI. Nicht nur als ein guter Geist, sondern auch als ein guter Engel wird Eugen auf der Gedächtnismünze wiedergegeben, die Gottfried Friedrich Nürnberger und Martin Brunner anlässlich des Friedens von Rastatt geprägt hatten.²⁴⁰ Der Avers zeigt unter der Umschrift olim dvo fvlmina belli die beiden wichtigsten Verhandlungsführer in einander zugewandten Brustbildern : den Prinzen Eugen und den Marquis de Villars. Auf der Rückseite unterschreibt ein Engel unter dem Motto nvnc instrvmenta qvietis die Vertragsurkunde. Aus den »einstigen Blitzen des Krieges« sind »nun Werkzeuge des Friedens« geworden. Es steht wohl außer Frage, dass der Engel auf eines dieser Werkzeuge alludiert, nämlich auf Eugen, der die Verhandlungen entscheidend geführt und mit seiner Unterschrift die Garantie für den Frieden übernommen hatte. Noch deutlicher fällt die Gleichsetzung Eugens mit einem Engel auf einer dritten Medaille aus. Auch sie wurde von Brunner und Nürnberger anlässlich des Rastatter Friedens geprägt.²⁴¹ Der Avers zeigt den Prinzen in Helm und Harnisch. Auf dem Revers reicht ein Engel dem bärtigen Flussgott Rhein den Caduceus, wohl eine Anspielung darauf, dass der Fluss Vom Bau zum Bild
nicht länger ein Kriegsschauplatz ist, sondern als bedeutende Schifffahrtsstraße endlich wieder dem friedlichen Handel dient. Die Umschrift ist dem Magno eVgenII CaDVCeatorIs genIo gewidmet und enthält die Jahreszahl . Ganz außergewöhnliche Ausmaße nahm die Sakralisierung Eugens auf einer Medaille an, die Heinrich Haffner zum Frieden von Passarowitz schuf.²⁴² Auf der Vorderseite wird eine Büste Karls VI. von einer Viktoria bekränzt. Auf der Rückseite strahlt über der Festung Belgrad ein Kreuz. Die Umschrift in hoc signo setzt den militärischen Erfolg des Kaisers mit dem Sieg Konstantins des Großen an der Milvischen Brücke gleich, der in der kirchlichen Historiographie als ein Sieg des Christentums über das Heidentum gedeutet wurde.²⁴³ Wie mir scheint, ist das Kreuz darüber hinaus als eine Allusion auf Eugens Wappen zu lesen. In ihrer Breite und Länge entsprechen die Balken exakt dem Savoyer Kreuz. Ebenso evoziert der hochovale Umriss, in den das Kreuz gestellt ist und von dem die Strahlen ausgehen, einen heraldischen Schild. Die Strahlen selbst sind so gestaltet, dass sie die Kontur eines Ordenssterns nachzeichnen. Die Münze ist deshalb so bemerkenswert, weil der Hinweis auf Eugens Rolle als eines Schutzheiligen von Kaiser und Reich gar nicht deutlicher hätte ausfallen können – zumindest nicht im Rahmen des Dekorums, das Eugens Gegenwart nur in Gestalt seines Wappens zuließ. Erneut wurden die Grenzen der Repräsentation ausgelotet. Fast noch interessanter ist aber, dass diese grenzwertige Darstellung nicht von Eugen gesucht wurde. Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Der Auftraggeber der Medaille dürfte Karl VI. selbst gewesen sein. Dies ist ein Indiz dafür, dass Eugens ambitionierte Selbstdarstellung im Bereich der Ikonographie vom Kaiserhaus nicht nur geduldet, sondern sogar mitgetragen wurde. Darüber hinaus bediente sich Eugen einer ähnlichen Legi- timierungstechnik wie bei der Einführung des Apotheose-Motivs. Eine den Sieg bei Höchstädt verherrlichende Medaille Martin Brunners²⁴⁴ zeigt auf dem Avers den Prinzen und Marlborough in antikischer Rüstung. Beide Feldherren beten in kniender Haltung, Gott möge sich ihnen als Dritter und als Führer anschließen : vt sese tertivs addat dvx devs. Auf dem Revers einiger Exemplare weist die Randschrift auf »die Tugend Eugens und des vom Himmel gesandten Johannes« hin : evgenii virtvs cœlo ioannis. Wie Luise Popelka richtig bemerkt hat, spielt diese Formulierung auf den Prolog des Johannesevangeliums (,) an. John [lat : Joannes] Churchill, Duke of Marlborough, erscheint damit als ein Gesandter Gottes.²⁴⁵ Dasselbe lässt sich im Umkehrschluss über Eugen sagen. So profitierte der Prinz erneut von Marlboroughs Rolle als eines ikonographischen Wegbereiters. Neben der Aura des gottgesandten Retters förderten andere Eigenschaften die Sakralisierung des Prinzen. Dazu gehörte sicherlich die Tatsache, dass Eugen unverheiratet war und nicht einmal Mätressen hielt. Auf diese Weise glich er einem Geistlichen, der sich ganz dem Schutze der ihm anvertrauten Menschen hingab. Auch sonst wandelte der Prinz auf dem Pfade gottgefälliger Tugend. So weiß Peikhart zu berichten, Eugen 163
habe regelmäßig die Sakramente empfangen und mit Gott innere Zwiesprache gehalten, stets geistliche Werke gelesen und »unter dem eisernen Harnisch ein silbernes Gewissen« getragen. Mit »diesem Gottseeligen Weesen« sei der Prinz ein »schönes Lehr-Stuck vor alle Christliche Helden« gewesen.²⁴⁶ Ja, die … Fromm- und Gottseeligkeit ware ihme gleichsam angebohren / und die Haltung Göttlicher Gesätzen gleichsam natürlich.²⁴⁷
So war Eugen in seinem Leben nie von Gott getrennt : Sehr merkwürdig ist dieses : keine Feld-Schlacht hat eugenius jemahls dargebotten / oder angenommen / wo er nicht zuvor gott in seinem Hertzen zu Rath gezogen hätte. Ein schöner Kunstgriff eines Christlichen Heldens / sich in so viel tausend Sorgen zertheilen / und dennoch allzeit mit gott vereiniget bleiben.²⁴⁸
Dieser Habitus äußerte sich auch in einer ganzen Reihe genuin christlicher Tugenden. Dazu gehörten die Demut und die Bescheidenheit, die Eugen vor allem dann an den Tag legte, wenn er bestimmte Formen der Repräsentation zu legitimieren gedachte. Die eben erwähnte Medaille, auf der er den Anspruch, von Gott gesandt zu sein, mit seiner Darstellung als Betender verband, oder Permosers ›Apotheose‹ sind beredte Zeugnisse dieser Strategie. Als einen weiteren Vorzug konnte der Prinz auf seine Milde verweisen²⁴⁹ – man denke an den Alexander-Zyklus im Trep164
penhaus des Oberen Belvedere. Nicht weniger übte sich Eu- gen in der Freigebigkeit und der Barmherzigkeit. Auch diese Eigenschaften zu rühmen, wurde Peikhart nicht müde : Es müste dem Lob eugenii zu kurtz geschehen / wann ich die Barmhertzigkeit gegen die Arme / das gröste Stuck seiner Großmüthigkeit übergehen wollte. […] Grosse Herren heben der Gemeinde wiederum / was sie von der Gemeinde empfangen : sie seynd gleich denen Wasser-Flüssen / die aus dem Meer entsprungen seyn / und dannoch ihr Wasser wiederum dem Meer zutragen. Es hatte unser Grosser eugenius ein Hertz in dem Leibe / welches mitleydig ware ; er konnte keine Noth mit Augen ansehen / ohne ihr mit Händen zu helfen ; doch muste es in Geheim geschehen / wie der Einfluß deren Planeten / uns ware seine gröste Freud anderen Gutes zu thun / da sie es am wenigsten mercken konten. […] Bei diesem Printzen ware es nicht nöthig / sich mit vielen Bitt-Schriften zu versehen ; bey ihme ware das Elend erkennen / uns sich darüber erbarmen eines ; und wann es nach seinen Sinne allein ergangen wäre / so hätte kein Armer mehr klagen / oder nothleyden dörffen. […] Eine grosse Seele ! dero einziges Geschäfft auf Erden / allen Gutes thuen / und Gutes wollen.²⁵⁰
Zu einem heiligmäßigen Patron gehört freilich auch, dass er selbst unter einem höheren Schutz steht, dass der Himmel sein Wirken segnet und fördert. Denn nur so kann er wirklich Wunder wirken. Peikhart widmet diesem Aspekt sogar einen ganzen Absatz seiner Rede : Vom Bau zum Bild
Und wer sollte anjetzo zweifflen / daß die Hand GOttes selber eugenium in all diesen gefährlichen Verrichtungen bedeckte habe ? So viel uns wissend / hatte er ausser zweyen Wunden an dem Leib / und einiger weniger Pferden / die er unter dem Leib verlohren / kein anderes Unglück : ob er schon vor das gröste gehalten / wann ihme etwan die Nacht oder die Flucht einen Theil seiner Feinden entrissen / die er nur überwinden / aber nicht gar zernichten konte. Fürwahr mit solchem Glück versehen / und darbey alles Unglücks befreyet seyn / ist keine Gaab der Menschen. Was grossen Vorsprung hat nicht jederzeit der Gerechte vor andern auch in dem KriegsWeesen ? Er hat den gantzen Himmel vor sich [= für sich ; Anm. d. Verf.] / und wann dieses noch zu wenig gott selber unter seinen Fahnen. Der Seegen GOttes kann so wenig von seinen Waffen / als das Mittel-Punckt der Erden aus der Welt-Kugel entweichen. Sehr merkwürdig ist dieses : keine Feld-Schlacht hat eugenius jemahls dargebotten / oder angenommen / wo er nicht zuvor gott in seinem Hertzen zu Rath gezogen hätte. Ein schöner Kunstgriff eines Christlichen Heldens / sich in so viel tausend Sorgen zertheilen / und dennoch allzeit mit gott vereiniget bleiben.²⁵¹
Angesichts von so viel Heiligmäßigkeit verdanken selbst Eugens Paläste ihre Entstehung einer edlen Absicht. Einen unter barocken Fürsten beliebten,²⁵² aber zumindest teilweise zutreffenden Topos aufgreifend, stellt Peikhart fest : Man gehe durch alle seine Lebens-Jahr / so wird sich’s finden / daß er mehrer anderen / als sich selber gelebet habe. Seine prächtige Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Lust-Gebäu / mit welchen er gantz Teutschland gezieret / hatten zum Zihl nicht so viel seine Erquickung in müßigen Stunden / als in denen theuren Zeiten die Versorgung vieler tausend Menschen. Der arme Taglöhner hatte bey ihme allen Schutz wider Armuth und Müßiggang ; dahero noch gantze Trouppen deroselben seinen Todt beweinen / und gantz grimmig mit der Schauffel in das Erdreich stechen / welches ihnen einen so grossen Wohltäter verschluckt hat.²⁵³
.. Die Betrachtung des Oberen Belvedere aus der mittleren Distanz : die Bedeutung der äußeren Gestalt ... Die Verstärkung des Charakters als eines fürstlichen Palastes und eines Feldherrnlagers Wie das vorherige Kapitel ergeben hat, vereint das Obere Belvedere aus der Fernsicht in sich mehrere Eigenschaften. Es ist Musensitz, Tugendtempel und Landsitz sowie – gemäß seinem ›imperatorischen‹ Charakter – Palastbau und Militärlager. Ferner veranschaulicht es den Anspruch seines Besitzers, über das angrenzende Gelände eine Art Kontroll-, Schutz- und Leitfunktion auszuüben. Fasst man beim Näherkommen die äußere Gestalt des Schlosses ins Auge, so fühlt man sich noch immer an einen fürstlichen Palast und ein Militärlager erinnert. Wie in Kapitel B festgestellt wurde, evozieren allein schon die Unterteilung des Gebäudes in mehrere Pavillons mit zeltartigen Dächern und eine vorzeltartige Einfahrt ein Feldherrnlager. 165
Außerdem erkennt man nun, wie sehr Hildebrandt die Architektur auf eine optische Erfassung des Umraums hin angelegt hat. Ebenso wurde man zumindest früher der Strukturelemente gewahr, die den Baukörper dem externen Einblick öffneten und seine räumliche Durchdringung mit dem Umraum ermöglichten. Die im Zuschnitt des Grundstücks bereits angelegte Absorption des umliegenden Terrains wurde dadurch noch nachvollziehbarer. ... Die Schwächung des Charakters als MeritumArchitektur
Nicht intensiviert, sondern deutlich relativiert wird bei mittlerer Distanz hingegen der Charakter des Schlosses als MeritumArchitektur. Um dies zu verstehen, müssen wir zunächst auf die traditionelle Meritum-Architektur eingehen. Exkurs : Die traditionelle Meritum-Architektur in Europa Wie Franz Matsche und Friedrich Polleroß gezeigt haben, fand die »Symbolarchitektur des fürstlichen Merito« (Matsche) innerhalb des Reiches ihre signifikanteste Ausdrucksform im Typus der Kuppelrotunde. Als besonders frühe Beispiele führt Matsche mehrere Werke Johann Bernhard Fischer von Erlachs an : die Schlösser Frayn und Neuhaus sowie einige Idealentwürfe. Ferner verweist er auf Pläne Joseph Emanuel Fischers von Erlach und Hildebrandts für die Michaelerfront der Wie166
ner Hofburg sowie auf das Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg) und die von Maximilian Welsch konzipierte Rotunde in Biebrich.²⁵⁴ Hinzuzufügen wäre m. E. Neumanns Treppenhaus in Bruchsal, dessen Kuppelrotunde eine künstliche Felsgrotte überfängt. Ein weiterer Abkömmling der Kuppelrotunde dürfte das sog. Vestibül in Schloss Pommersfelden sein. Mit ihm projizierte Hildebrandt gleichsam einen Hypäthraltempel in das Innere eines Schlosses, genauer : an das Ende einer Treppe, die den herkulischen Tugendweg hypostasiert. Folglich ist das Vestibül Schauplatz der Herkules-Apotheose.²⁵⁵ Gelegentlich wurde das templum virtutis sogar in den Bereich der Deckenmalerei verlagert, etwa in Tiepolos Würzburger Treppenhausfresko.²⁵⁶ Nach Matsche gehen die als Kuppelrotunden oder Rundtempel gestalteten Ehren-, Ruhmes- und Tugendtempel auf vier antike Bauwerke zurück : auf das templum honoris et virtutis zu Rom, das Giacomo Lauro in einem Stich recht frei nacherfunden hat und das Matsche zu Recht als ein Vorbild für Fischers Tugendrotunden deutet,²⁵⁷ die von Fischer rekonstruierte und in der ›Historischen Architektur‹ veröffentlichte Tholos des Hadrian-Mausoleums in Rom, das Pantheon und die Tholos in Delphi.²⁵⁸ Gerade die Vorbildfunktion des Hadrian-Mausoleums lädt zu weiteren Überlegungen ein. Wie etwa Filateres Bronzetür in Sankt Peter oder ein Stich Étienne Dupéracs zeigen,²⁵⁹ rekonstruierten schon die Humanisten des . und . Jahrhunderts diesen Bau als eine Tholos mit laternenartigen Aufbauten, die Vom Bau zum Bild
Außerdem erkennt man nun, wie sehr Hildebrandt die Architektur auf eine optische Erfassung des Umraums hin angelegt hat. Ebenso wurde man zumindest früher der Strukturelemente gewahr, die den Baukörper dem externen Einblick öffneten und seine räumliche Durchdringung mit dem Umraum ermöglichten. Die im Zuschnitt des Grundstücks bereits angelegte Absorption des umliegenden Terrains wurde dadurch noch nachvollziehbarer. ... Die Schwächung des Charakters als MeritumArchitektur
Nicht intensiviert, sondern deutlich relativiert wird bei mittlerer Distanz hingegen der Charakter des Schlosses als MeritumArchitektur. Um dies zu verstehen, müssen wir zunächst auf die traditionelle Meritum-Architektur eingehen. Exkurs : Die traditionelle Meritum-Architektur in Europa Wie Franz Matsche und Friedrich Polleroß gezeigt haben, fand die »Symbolarchitektur des fürstlichen Merito« (Matsche) innerhalb des Reiches ihre signifikanteste Ausdrucksform im Typus der Kuppelrotunde. Als besonders frühe Beispiele führt Matsche mehrere Werke Johann Bernhard Fischer von Erlachs an : die Schlösser Frayn und Neuhaus sowie einige Idealentwürfe. Ferner verweist er auf Pläne Joseph Emanuel Fischers von Erlach und Hildebrandts für die Michaelerfront der Wie166
ner Hofburg sowie auf das Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg) und die von Maximilian Welsch konzipierte Rotunde in Biebrich.²⁵⁴ Hinzuzufügen wäre m. E. Neumanns Treppenhaus in Bruchsal, dessen Kuppelrotunde eine künstliche Felsgrotte überfängt. Ein weiterer Abkömmling der Kuppelrotunde dürfte das sog. Vestibül in Schloss Pommersfelden sein. Mit ihm projizierte Hildebrandt gleichsam einen Hypäthraltempel in das Innere eines Schlosses, genauer : an das Ende einer Treppe, die den herkulischen Tugendweg hypostasiert. Folglich ist das Vestibül Schauplatz der Herkules-Apotheose.²⁵⁵ Gelegentlich wurde das templum virtutis sogar in den Bereich der Deckenmalerei verlagert, etwa in Tiepolos Würzburger Treppenhausfresko.²⁵⁶ Nach Matsche gehen die als Kuppelrotunden oder Rundtempel gestalteten Ehren-, Ruhmes- und Tugendtempel auf vier antike Bauwerke zurück : auf das templum honoris et virtutis zu Rom, das Giacomo Lauro in einem Stich recht frei nacherfunden hat und das Matsche zu Recht als ein Vorbild für Fischers Tugendrotunden deutet,²⁵⁷ die von Fischer rekonstruierte und in der ›Historischen Architektur‹ veröffentlichte Tholos des Hadrian-Mausoleums in Rom, das Pantheon und die Tholos in Delphi.²⁵⁸ Gerade die Vorbildfunktion des Hadrian-Mausoleums lädt zu weiteren Überlegungen ein. Wie etwa Filateres Bronzetür in Sankt Peter oder ein Stich Étienne Dupéracs zeigen,²⁵⁹ rekonstruierten schon die Humanisten des . und . Jahrhunderts diesen Bau als eine Tholos mit laternenartigen Aufbauten, die Vom Bau zum Bild
ihrerseits an kleine Tholoi erinnern. Was aber lag angesichts dieser Überlieferung für einen Baumeister wie Bramante näher, als in seinem Entwurf für die Kuppel von Sankt Peter – und natürlich auch für den Tempietto von San Pietro in Montorio – die kaiserliche Mausoleumsarchitektur auf einen Grabund auf einen Memorialbau des Apostelfürsten zu übertragen ? Mit dem Zitat des Hadrian-Mausoleums dürfte Bramante also nicht nur dessen sepulkrale Konnotation aufgegriffen haben. Offenbar rekurrierte er auf diesen Bau auch als einen Tugendund Ruhmestempel. Deutet man die Kuppel von Sankt Peter samt dem von ihr überwölbten Raum über dem Petrusgrab als einen Tugend- und Ruhmestempel, so ergibt auch das Bildprogramm der Kuppelschale einen zusätzlichen Sinn. Wie ich an anderer Stelle gezeigt habe, inaugurieren die Sternenbahnen entlang der Kuppelrippen, der Sternenkranz am Laternenfuß als klassisches Aeternitas-Symbol und die angrenzende Inschrift, die Papst Sixtus V. der sancti petri gloriae gewidmet hat, die Erhebung des Menschenfischers zu den Sternen. Da Petrus auch der Fels der Kirche ist, spielt das Konzept zudem auf Sixtus’ Wappen an : den von einem Stern überstrahlten Berg. Ebenso wird an die Tugenddevise des Papstes per aspera ad astra erinnert. Der Aussage der päpstlichen Emblematik entspricht schließlich auch das Besteigen des vatikanischen Hügels, den schon Bramante mit dem Petrusfelsen identifizierte und der somit gleichfalls einen Tugendberg evoziert.²⁶⁰ Die ikonographische Bedeutung von Vatikan und Peterskirche verstärkte Bernini ein halbes Jahrhundert später, indem Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
er die Arkadenzwickeln des Langhauses mit Tugendenpersonifikationen besetzte, die den Besucher zum Apostelgrab geleiten, und indem er die Arkadenpfeiler mit Glorifikationen jener Päpste schmückte, die Petrus nicht nur im Amt, sondern auch im Martyrium nachgefolgt waren. Darüber hinaus errichtete der Cavaliere zwischen Petrusgrab und Kuppel das Hochaltarziborium, der mit seinem kronenartigen Aufsatz und den Palmzweigen auf die Apotheose des Apostels anspielt.²⁶¹ Weitere Indikatoren für die glorificatio des Heiligen sind m. E. die Putten, die – in offensichtlicher Erwartung der assumptio – vom Kranzgesims des Hochaltarziboriums auffliegen, um den Heiligen mit der Tiara auszuzeichnen. In der Kirche Santa Maria dell’Assunzione in Ariccia paraphrasierte Bernini dieses Konzept. Am Kuppelfuß harren zwei Engel der Jungfrau, deren Auffahrt auf dem Hochaltar dargestellt ist, um sie mit dem zwölfteiligen Sternenkranz als dem Symbol ihrer neuen himmlischen Würde auszuzeichnen. Darüber hinaus ist den Ansätzen der zwölf Kuppelrippen jeweils ein Stern vorgelagert. Zusammen bilden auch diese Sterne einen Kranz, der den Übergang vom Diesseits in den Himmel markiert. Mit dem kleinen wie mit dem großen Sternenkranz spielt der Kuppeldekor also gleich zweifach auf die Erhöhung Marias zur Himmelskönigin an. Da die Kirche auf einem Hügel steht, alludiert der Sternenkranz natürlich auch auf das Wappen des Auftraggebers, des Papstes Alexander VII. Fabio Chigi (Stern über Sechsberg) sowie auf dessen Tugenddevise, die wie bei Sixtus V. per aspera ad astra lautet. In diesem Sinne 167
hypostasiert die Anhöhe von Ariccia wie die monti der Chigi einen Tugendberg.²⁶² Ariccia ist aber auch bedeutsam, weil Bernini bei dieser Anlage – einem Zentralbau mit Portikus inmitten einer (halb-) kreisförmigen Umbauung – offensichtlich auf Lauros templum honoris et virtutis rekurrierte.²⁶³ Damit ist wiederum eine Brücke zur Palastarchitektur geschlagen. Denn von Sankt Peter und Arricia führt ein direkter Weg zu Berninis Louvre-Projekten. Die Verbindung zwischen Ariccia und dem Louvre ergibt sich formal daraus, dass Bernini auch in Paris eine Rotunde zwischen zwei konkav ausgreifende Arme stellen wollte. Darüber hinaus verglich Bernini diese konkaven Seitentrakte auch mit den ähnlich weit ausgreifenden Kolonnaden des Petersplatzes.²⁶⁴ Doch warum bezog sich Bernini in Paris auf die Architektur von Ariccia und Sankt Peter ? Nach Dietrich Erben sah sich Bernini an der Seine vor die Aufgabe gestellt, eine Königsresidenz zu entwerfen, welche »in prononcierter Weise« der grandeur Ludwigs und der gloire der französischen Monarchie »sinnfälligen Ausdruck verleihen sollte«. Aus diesem Grund habe der Cavaliere den querovalen Mittelteil der Ostfassade mit einer Lilienkrone besetzt und damit die Architektur zum »Sinnbild für das gekrönte Haupt des Monarchen« gemacht. Ebendiesen Ansatz habe Colbert aber als eine Reduktion verstanden. Dem Minister zufolge sollte die Architektur nämlich auch den Ablauf des Zeremoniells veranschaulichen und die Sicherheit des Königs gewährleisten (was Berninis offene Fassaden nicht vermochten). Vor allem 168
aber hätte der Neubau den Betrachter beeindrucken und einschüchtern sollen. An dieser Erwartung, so Erben weiter, sei Bernini jedoch wie seine römischen Mitbewerber gescheitert. Für sie sei die Bauaufgabe einer Königsresidenz ein Novum gewesen. Über alle Unterschiede der Entwurfsvorschläge hinweg lasse sich erkennen, »dass die Architekten bei dieser Herausforderung stets an ihren in Rom geschulten Erfahrungshorizont im dortigen Profan- und Sakralbau gebunden waren«. Letztlich hätten sie die Aufforderung »zum Entwurf einer Königsresidenz dahin gehend« verstanden, »dem Bau durch die Ausstattung mit der Insignie des Königs architektonische Prägung zu verleihen«. Noch mehr als für Berninis Projekt habe dies für Carlo Rainaldis Konkurrenzentwurf gegolten.²⁶⁵ In der Tat besetzte Rainaldi alle drei Pavillons der Ostfassade mit Hauben, die unmissverständlich als Paraphrasierungen der französischen Staatskrone zu erkennen waren.²⁶⁶ Dass Berninis und Rainaldis Konzepte in formaler Hinsicht genuin römisch waren, zeigt ihre Übereinstimmung mit anderen Bauwerken, aber auch mit ephemeren Festarchitekturen und mit Altarbauten.²⁶⁷ So erinnert Berninis Entwurf an den Kronreif, mit dem Borromini in San Carlo alle Quattro Fontane den Kuppelfuß auszeichnete. Rainaldi zitiere hingegen sich selbst. Zu denken wäre etwa an die beiden Pavillons, die er im Heiligen Jahr als Fest- und Turnierdekoration auf der Piazza Navona installiert hatte.²⁶⁸
Vom Bau zum Bild
Vor allem aber, und dies wäre Erbens grundlegender Deutung hinzuzufügen, ist Berninis Entwurf in seinem politischen Gehalt genuin römisch. Wie Erben selbst betont, hatte der Cavaliere in seinem dritten Projekt geplant, das Schloss auf einen Tugendberg zu stellen, der als ein künstlicher Fels gestaltet war. Auf diesem Felsen sollte der König als ein Hercules Gallicus residieren – nach Berninis eigenen Worten »halb durch seine Stärke, halb durch seine Mühe ein Ebenbild der Tugend, das auf dem Berg der Mühe wohnt«.²⁶⁹ Um diese programmatische Aussage nachvollziehbar zu machen, hatte der Meister geplant, dass das Mittelportal mit zwei Herkulesstatuen zu flankieren, deren grobe Piedestale zu dem felsigen Sockel überleiteten.²⁷⁰ Reprojiziert man diesen concetto auf das erste Projekt, so plante Bernini nicht einfach nur einen querovalen Mittelrisalit, der mit seiner Krone das Antlitz des Königs evozierte. Vielmehr dachte er an eine Hypäthralrotunde, die man, wie schon Matsche gesehen hat,²⁷¹ als einen Tempel der Tugend zu lesen hat. Dabei sollte der reale Himmel offenbar als Zielort der Apotheose an die Stelle gemalter, stuckierter oder mosaizierter Himmel treten. Mit der Idee, der französische König habe als ein Hercules Gallicus mit dem mühsamen Erklimmen des Tugendberges die Königskrone erworben, zitierte der Cavaliere sich gleichsam selbst. hatte er anlässlich der Geburt des Dauphins eine ephemere Festdekoration unterhalb der Kirche S. Trinità dei Monti erdacht.²⁷² Ein von Kandelabern gesäumten Tugendweg führte auf einen künstlichen Felsen. In Anspielung auf den Ortsnamen (und vielleicht auch auf die Zwillingsberge Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Parnass und Helicon als die klassischen Tugendberge) war der Felsen in zwei monti geteilt. Auf den beiden Kuppen saßen der Gott Hymen und die Personifikation des Friedens. Sie hielten zu den Trompetenklängen, mit denen zwei Famen aller Welt die Geburt des Thronfolgers verkündeten, die französische Krone als ein Zeichen der glorificatio über einen Delphin. Dieser repräsentierte natürlich den Dauphin selbst. Unterhalb der Gruppe schien die Personifikation der Discordia in einen feuerspeienden Abgrund zu stürzen. Als Folie der Inszenierung dienten die Zwillingstürme von S. Trinità, in deren oberste Fenster die Lettern L und M (als Initialen von Ludovicus Magnus) eingestellt waren. Nicht weniger rezipierte Bernini in seinen Louvre-Projekten die Kirche in Ariccia sowie den Vierungsraum von Sankt Pe- ter. Diesen beiden Architekturen ist aber eines gemeinsam : Sie verorten gloria innerhalb eines meritokratischen Herrschaftsdiskurses. Das gilt für die regierenden Päpste nicht weniger²⁷³ als für die Nepoten verstorbener Päpste oder für die römischen – Adelsfamilien. Und damit sind wir an einem entscheidenden Punkt angelangt. Wie mir scheint, wurden Berninis Louvre-Entwürfe nicht nur deswegen abgelehnt, weil sie für das französische Zeremoniell oder andere Konzepte der Raumnutzung ungeeignet waren, weil sie nicht repräsentativ genug ausfielen oder weil sie, wie einst Max Semrau vermutete, dem französischen Formengefühl widersprachen.²⁷⁴ Offenbar drückten sie auch ein völlig anderes Herrschaftsverständnis aus. Anders als im Rom 169
der Cäsaren und der Päpste, wo Macht und Ruhm mühsam durch Tugend und Verdienst erworben oder zumindest durch vorzeigbare res gestae legitimiert werden mussten, ruhte die Herrschaft des Sonnenkönigs auf vier Pfeilern : dem Gottesgnadentum, der Zugehörigkeit zum Hause Bourbon als dem alleinigen Erbe der Karolinger, der absoluten Herrschaft innerhalb des Landes sowie der politischen und militärischen Vormachtstellung Frankreichs in der Welt. All diese Eigenschaften machten den französischen König auch zum alleinigen Erben der römischen Cäsaren. Diese Gedanken entwickelte Ludwig XIV. besonders deutlich in seinen Memoiren, die als ein politisches Vermächtnis an den Dauphin gedacht waren. Dabei setzte er sich zwangsläufig auch mit dem Rang und der Legitimation der römisch-deutschen Kaiser auseinander. Weil diese Passage so außerordentlich aufschlussreich ist, sei sie hier auszugsweise zitiert : Ich bestand ferner darauf, dass er [= der Kaiser, Anm. d. Verf.] auf den Titel »Haupt der Christenheit« verzichtete, den er sich im Entwurf eines Bündnisses gegen die Türken beigelegt hatte. Denn mit diesem Titel hätte er sich nur dann schmücken können, wenn er dasselbe Reich und dieselben Rechte besessen hätte wie einst Karl der Große, der sich so nannte, nachdem er das Christentum gegen Sachsen, Hunnen und Sarazenen verteidigt hatte. Es mag sein, mein Sohn, dass man uns seines Tages mit den schönen Namen des Römischen Reiches, der Cäsaren und der Nachfolger dieser großen Herrscher zu imponieren gedenkt, von denen wir
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selbst unseren Ursprung ableiten. Ich fühle mich daher verpflichtet, Ihnen klarzustellen, wie weit die heutigen Kaiser von dieser Größe entfernt sind, deren Titel sie sich anmaßen. Als diesem Titel unserem [ !] Hause übertragen wurde, herrschte es gleichzeitig über Frankreich, über die Niederlande, über Deutschland, über Italien und über den größten Teil Spaniens. Es hatte diese Länder unter verschiedene Einzelfürsten verteilt, sich aber die Oberhoheit vorbehalten. Blutige Niederlangen, die mehrere Völker erlitten hatten, die aus Nord und Süd aufgebrochen waren, um die Christenheit zu vernichten, hatten die ganze Erde vor Frankreich erzittern lassen. Karl der Große fand schließlich in ganz Europa, ja, man kann sagen, in der ganzen Welt, keinen König mehr, der sich mit ihm vergleichen konnte. Der Königstitel war daher entweder für diese Herrscher oder für ihn ungeeignet, denn ihre Macht war zu ungleich. Diese Fülle des Ruhmes hatte er nicht dadurch erlangt, dass einige Fürsten ihn wählten, sondern durch seinen Mut und durch seine Siege, aus denen man erkennen konnte, dass der Himmel selbst für ihn stimmte und ihn erwählte, als er beschloss, alle anderen Mächte seiner einzigen zu unterwerfen. […] Mit Karl dem Großen hatte zwar das Römische Reich nicht wieder seine Kraft gefunden, um unter unseren Himmelsstrichen wieder aufzuleben, aber der Kaisertitel, der größte, den es damals im Gedenken der Menschen gab, schien allein geeignet zu sein, um die außerordentliche Machtfülle Karls des Großen auszuzeichnen und zu verkünden. Diese Macht, die er nur Gott und seinem Schwert verdankte, verlieh ihm das Recht, sich jeden Titel, den er wünschte, beizulegen ; aber der Papst, der ihm, ebenso wie die ganze Kirche, Dank schuldete, war gern bereit, soVom Bau zum Bild
weit er es vermochte, seinen Ruhm zu mehren und die Kaiserwürde durch eine feierliche Krönung zu bestätigen. So verleiht auch uns die Salbung nicht etwa die Königswürde, sondern macht sie nur den Völkern sichtbarer, erhabener, unverletzlicher und heiliger. Aber diese Machtfülle Karls des Großen, der mit solchem Recht die Kaiserwürde begründete, überlebte ihn nicht lange. […] Die Deutschen schlossen die Fürsten unseres Blutes von der Nachfolge aus und bemächtigten sich sogleich der Kaiserwürde, oder vielmehr : sie schufen eine neue an ihrer Stelle, die nichts mit dem alten Römischen Reiche unserer Vorfahren gemeinsam hatte. […] Die Völker und die Einzelstaaten ließen sich darauf ein, weil sie große Privilegien erwarben, die man als »Freiheiten« bezeichnete. Die deutschen Fürsten stimmten zu, weil die Kaiserwürde, die ursprünglich erblich war, jetzt durch Wahl verliehen wurde, und weil sie dadurch das Recht erlangten, einen Kaiser zu wählen, oder sich selbst um die Würde zu bewerben, wenn nicht gar beides zugleich. Schließlich fanden sich auch die Päpste ihren Vorteil dabei, weil man stets bekannt, dass sie die Würde zu verleihen hätten, und weil im Grunde ein Römischer Kaiser von großer Macht mehr Ansprüche auf Rom hätte stellen können, als es ihnen erwünscht gewesen wäre. […] Um aber auf die heutigen Kaiser zurückzukommen, so werden Sie, mein Sohn, aus diesen meinen Ausführungen leicht erkennen, dass sie keineswegs mit den alten deutschen Kaisern, noch mit unseren Vorfahren zu vergleichen sind. Wenn man ihre Stellung richtig bezeichnen will, so kann man sie lediglich als Führer und Generalkapitäne einer Deutschen Republik bezeichnen, eines Staatswesens, das im Vergleich zu vielen anderen Staaten noch Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
recht jung, und das weder groß noch mächtig genug ist, als dass es irgendeinen Vorrang vor den benachbarten Nationen beanspruchen könnte.²⁷⁵
Wie das später entstandene Bildprogramm von Versailles hinlänglich zeigt, spielte das Verdienst auch in der französischen Staatskunst eine große Rolle.²⁷⁶ Allerdings war es lediglich Ausfluss von Ludwigs gottähnlicher grandeur. Konstitutiv für die Erlangung und Ausübung von Herrschaft war es nicht. Noch weniger waren mit Ludwigs grandeur herkulische Mühen und Strapazen zu vereinbaren. Diese bestand vielmehr aus höfischer Eleganz, Noblesse und Lässigkeit. Wenn Ludwig mit irdischen Dingen überhaupt in Berührung kam, dann nicht, um sie zu überwinden, sondern um sich für einen Moment gnädig zu ihnen herabzulassen (siehe C ...). Abgesehen davon : Wie hätte Ludwig, der im Alter von vier Jahren inthronisiert worden war, sich diese Krone durch besonderes Verdienst – oder gar durch herkulische Anstrengung – verdienen sollen ? Bernini hatte also einen entscheidenden Fehler begangen : Wie er selbst bei der Ausarbeitung seines dritten Projekts sagte, hatte er ein palais à la romaine entworfen.²⁷⁷ Und dabei hatte er – wohl ohne sich dessen ganz bewusst zu sein – französische gloire mit römischer gloria verwechselt. Ebendieser – außerhalb Frankreichs offenbar als anmaßend empfundenen – Vorstellung von gloire setzten die Habsburger, der Wiener Adel, der Reichsadel und schließlich auch Prinz Eugen ihre eigene meritokratische Legitimierungsstrategie ent171
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gegen, die vielleicht nicht in ihrer systemischen Struktur, wohl aber in ihrer Architektursprache römisch war. Und sie wandten die von Ludwig entwickelte Strategie der Legitimation von Herrschaft gegen denselben an. Wie der eben zitierte Abschnitt aus den königlichen Memoiren zeigt, definierte Ludwig das gegenwärtige Kaisertum der Habsburger als das absolute Gegenbild zu seiner Herrschaft und zu seinen Rechten. Insofern war es nur konsequent, wenn der Kaiser seinerseits sowie der reichisch gesinnte Adel oder eben auch Prinz Eugen sich in ihrem Herrschaftsverständnis vor der Negativfolie des Versailler Systems und der Versailler Hofkultur definierten. Dass dabei die vermeintlichen Schwächen des deutschen Systems als Tugenden und die vermeintlichen Stärken der französischen Monarchie als eine Anmaßung gedeutet wurden, liegt auf der Hand. Und natürlich gehörte zu dieser Strategie die Rückbesinnung auf die römische Vorstellung von gloria. Diese Rückbesinnung manifestiert sich in den vorhin genannten Kuppel- und Hypäthralrotunden, aber auch in Bauten wie Schloss Pommersfelden oder die Würzburger Residenz. Überdies erinnern Hildebrandts und Joseph Emanuel Fischers Projekte für die Michaelerfront der Hofburg mit ihren hypäthralförmigen Zylindern durchaus an Berninis ersten LouvreEntwurf. Einen weiteren Reflex auf die römische Meritum-Architektur kann man vielleicht im Wallpavillon des Dresdner Zwingers erkennen. Wie schon in Kapitel C .. bemerkt wurde, verherrlicht das Bildprogramm vor allem das Reichsvikariat, 172
das August der Starke im Jahre nach dem Tod Kaiser Josephs I. ausübte. Dementsprechend stehen jeweils zwei Adler an den inneren Schrägseiten des Erdgeschosses stellvertretend für den doppelköpfigen Wappenvogel des Heiligen Römischen Reiches, während die Figur des Hercules Saxonicus, die auf dem mittleren Dachgiebel das Himmelsgewölbe trägt, August den Starken verkörpert, der sich die Last des regimen imerii aufgebürdet hat. Dass die im Zwinger wachsenden Pomeranzen in diesem Kontext nicht nur auf die goldenen Hesperidenäpfel als Symbole des heroischen Tugendlohnes, sondern auch auf den Reichsapfel alludieren, versteht sich von selbst.²⁷⁸ Begreift man nun, wie in Kapitel B . vorgeschlagen, das obere Stockwerk des Wallpavillons als einen eigenständigen Überbau, der sich mit seinen geschlossenen Fenstern von den offenen Arkaden des Untergeschosses und den temporär offenen Bogengalerien deutlich abhebt, so gewinnt er möglicherweise einen zusätzlichen Sinngehalt. Angesichts der dezidiert imperialen Konnotation des Baukörpers darf man zumindest spekulieren, ob das obere Geschoss die ottonische Kaiserkrone hypostasiert. Die Bogenfenster, deren mittleres die anderen an Breite und Höhe leicht übertrifft, stünden demnach für die gerundeten Platten der Krone (wenngleich es deren zehn und nicht acht sind). Herkules mit der Sphaira träte an die Stelle des Kreuzes, und das Kupferdach würde die in die Krone eingebettete Stoffmitra evozieren. Dass Pöppelmann das Motiv der Kronenhaube kannte, ist anzunehmen. Bereits Eberhard Hempel hat festgestellt, dass Vom Bau zum Bild
die Pavillons, die Rainaldi auf der Piazza Navona errichtet hatte, auch die Gestaltung des Zwingers beeinflussten.²⁷⁹ Unter formalen Gesichtspunkten wäre dabei am ehesten an das Kronentor zu denken. Unter ikonographischen Gesichtspunkten käme darüber hinaus der Wallpavillon in Frage. Da die Treppe, die den Wallpavillon durchzieht, fraglos eine Metapher für den herkulischen Tugendweg ist, könnte sie auch die Erhebung Augusts zu imperialer Würde (bzw. seinen Anspruch auf die Kaiserwürde) ausdrücken. Pöppelmanns ›Stockwerkskrone‹ fiele damit eine ähnliche Funktion zu wie der couronne, die Bernini auf die Rotunde des Louvre setzen wollte. Kehren wir nach diesem Exkurs zum Oberen Belvedere zurück. Vor dem eben skizzierten ikonologischen Hintergrund wird nun Folgendes deutlich : Zwar schloss Eugen sich dem am Wiener Hof und bei den Reichsständen geführten Verdienstdiskurs vollständig an, doch verzichtete er auf das architektonische Nobilitierungsmotiv der Krone. Dieser Verzicht lag insofern nahe, als der Prinz kein regierender Souverän war. Darüber hinaus erscheint Eugen abermals als ein ungekrönter König, der dank seiner Verdienste – aber eben auch dank seines Verzichts – auf eine solche Würde weit mehr Anspruch hätte als die regulären Herrscher. In diesem Sinne nahm Eugen auch davon Abstand, die Architektur des Belvedere mit Motiven zu versehen, die auch nur entfernt an königliche Insignien erinnert hätten. Selbst das Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Motiv der Kuppelrotunde beanspruchte der Prinz nicht. Wie die meisten Wiener Adligen und wie viele Reichsfürsten begnügte er sich damit, im Hauptsaal mittels einer gemalten Deckenöffnung einen Hypäthraltempel zu evozieren. Das heißt, dass bei einer Betrachtung von außen der Aspekt der Belohnung und des Ruhmes deutlich hinter den des Verdienstes zurücktrat. Dieser Bescheidenheitsgestus muss in der unmittelbaren Nachbarschaft des Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg) umso mehr gewirkt haben. Schließlich hatte dessen Erbauer, obwohl er weit weniger prominent war, seinen Palast nicht nur plakativ mit einer Kuppelrotunde ausgestattet, sondern diese auch noch mit einer Attika versehen, die in ihrer geschwungenen Form an eine Krone erinnert. .. Die Betrachtung des Oberen Belvedere aus der Nähe. Die Bedeutung der Fassaden Besonders ausgeprägt wirkte der Bescheidenheitsgestus der Architektur aus unmittelbarer Nähe. Grund hierfür war und ist zum einen der ephemere Charakter der Fassaden, die zumindest teilweise eher aus Brettern gezimmert als aus wertvollen Baustoffen errichtet zu sein scheinen. Zum anderen ist die Instrumentierung entscheidend. Eindeutige Hoheitsvokabeln wie kolossale Säulen, eine klassische Portikus oder die genuin römische Formensprache, die Johann Bernhard Fischer von Erlach und sein Sohn Joseph Emanuel in Schönbrunn und an der Hofburg angestrebt hatte, fehlen völlig.²⁸⁰ 173
Man wird sogar sagen dürfen, dass Eugen und Hildebrandt um jeden Preis bemüht waren, eine Kolossalordnung zu verhindern. Deutlich zu erkennen ist diese Absicht an der Eh renhoffront. Eigentlich hatte die Einfahrt bei einer Höhe von anderthalb Stockwerken eine durchgehende kolossale Gliederung erfordert – und sei es auch nur mit Lisenen oder mit Hermenpilastern. Indes stellte Hildebrandt die Hermenpilaster nicht vor, sondern auf die Arkadenpfosten, wobei er in Kauf nahm, dass diese geradezu verkrüppelt wirken. Nun kann man einwenden, dass Kolossalsäulen für den Typus der herrschaftlichen villa suburbana oder eines außerhalb der Stadt gelegenen Lusthauses ohnehin nicht in Frage gekommen wären. – Wie aber die Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg), Trautson oder Liechtenstein zeigen, trifft diese Behauptung zumindest für die Wiener Adelsarchitektur nicht zu. Ferner kann man zu bedenken geben, die Instrumentierung des Oberen Belvedere mit einfachen Stockwerksarchitekturen könne keinesfalls politisch motiviert gewesen sein, da Eugen sie sonst an seinem Stadtpalais nicht eingesetzt hätte. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Stadtpalais in seinen Ausmaßen und seiner Lage von den übrigen Adelspalais kaum unterschied. Daher war es möglich, seine Fassade wie die der übrigen Palais mit einer kolossalen Ordnung zu instrumentieren – vorausgesetzt, diese blieb auf Pilaster beschränkt. An einem Bau wie dem Oberen Belvedere, das sich nicht nur durch seine Dimensionen und seine Lage, sondern auch durch die exklusive Blickinszenierung und die optische Absorption der gesam174
ten Umgebung von allen anderen Adelspalästen abhob, wäre eine Kolossalordnung jedoch übertrieben gewesen – und hätte sie auch nur aus Pilastern bestanden. Indes verzichtete Eugen nicht ganz auf architektonische Würdeformeln. Tatsächlich besitzt das Belvedere Freisäulen. Allerdings sind diese auf die weniger repräsentative Gartenfront und dazu noch auf das Erdgeschoss beschränkt. Dort übernehmen sie weniger eine repräsentative als eine dienende Funktion, tragen sie doch die Balkone der Beletage. Erneut sind bei Eugen Anspruch und Bescheidenheit nicht voneinander zu trennen. Im Vergleich zu manch anderem barocken Adelsschloss, man denke nur an die Paläste des Fürsten Albrecht Eusebius von Wallenstein oder des Grafen Jan Humprecht Johann Czernin (beide Prag), erscheint das Obere Belvedere sogar ausgesprochen maßvoll. Erwies sich die gewaltige Loggia des Palais Wallenstein mit ihren riesigen Freisäulen im Nachhinein als symptomatisch für das Machtstreben eines gescheiterten kaiserlichen Generalissimus, so erschien die aus Halbsäulen gebildete Kolossalordnung des Palais Czernin, die sich (einschließlich des Sockels und des Gebälks) über fünf (!) Etagen erstreckt, als Kompensation des erfolglosen Versuchs, in den Reichsfürstenstand aufzusteigen. Selbst in den Schlossbauten der Reichsfürsten war die Verwendung aufwändiger Nobilitierungsmotive nicht unumstritten. So sah sich etwa Lothar Franz von Schönborn veranlasst, mit zwei Paaren gekuppelter Halbsäulen an der Fassade von Pommersfelden auf die vier Kolossalsäulen zu reagieren, mit denen Vom Bau zum Bild
Kurfürst Friedrich III./I. auf recht plakative Weise die Stadtfront seines Berliner Schlosses hatte instrumentieren lassen, um seine Erhöhung zum König in Preußen zu dokumentieren. Wie dem Herzog von Sachsen gab Lothar Franz dem Markgrafen von Brandenburg zu verstehen, dass auswärtige Königswürden seine Führerschaft im Kurkolleg nicht infrage stellen konnten.²⁸¹ Gerade weil Eugen sich auch auf dem Gebiet der Architektur nicht wie Ikarus blenden ließ, weil er vielmehr auch hier wie Dädalus Maß hielt und somit die Balance zwischen Selbstüberhöhung auf der einen und Integration in die höfische Gesellschaft auf der anderen Seite glaubhaft wahrte, erschien seine Architektur als eine Manifestation des Erfolgs, oder besser : als Manifestation einer erfolgreichen Politik der Balance. Wie der Prinz in der Realpolitik nur deshalb Kronen aberkennen und wieder zurückgeben konnte, weil er selbst keine trug, und fremde Souveräne nur deshalb unter seinem Kommando zusammenführen konnte, weil er selber keiner war, so konnte er sich eine Anlage wie das Belvedere nur leisten, weil er auf eine imperiale Architektursprache verzichtete. .. Die Betrachtung des Oberen Belvedere von innen : Die erneute Verstärkung von Herrschafts- und MeritumArchitektur und ihre gleichzeitige Relativierung Dass die Maßhaltung, die sich in der Instrumentierung der Fassaden widerspiegelt, wirklich Eugens politische Sonderstellung und seinen Ruhm begründete, wurde dem Besucher, sobald er Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
das Vestibül betreten hatte, ein weiteres Mal vor Augen geführt. Denn nun gewährte ihm das Schloss einen Ausblick über die Umgebung, der die Schutzfunktion des Hausherrn für Wien ebenso veranschaulichte wie seinen strategischen Weitblick und die sanfte Okkupation des angrenzenden Terrains. Darüber hinaus erschien der Hauptsaal dank des von Carlone und Chiarini ausgeführten Freskos als das Innere eines hypäthralen Ruhmestempels, durch dessen offene Decke der Besucher der Apotheose des Hausherrn beiwohnen konnte. Carlones Mittelbild führt Eugens Repräsentation thematisch wie technisch zu einer bildhaften Darstellung adligen Selbstverständnisses zurück bzw. sie vergegenwärtigt das Bild von Herrschaft noch eindringlicher, als das gesamte Belvedere es in seiner bildhaften Fernansichtigkeit tat. Innerhalb dieser Verbildlichung von Architektur stellt Chiarinis Quadraturmalerei das Bindeglied dar : In ihr wird die Architektur selbst zum Bild und leitet damit zum wirklichen, von Figuren belebten Bild über. Doch auch dieser Prozess wird bei näherem – oder sagen wir diesmal : bei intensiverem – Hinsehen relativiert. Wie fast bei allen barocken Deckenbildern verhalten sich die dargestellten Figuren nicht analog zur Raumperspektive. Wären sie perspektivisch korrekt wiedergegeben – wie etwa in den Deckenfresken, die Andrea Mantegna in der Camera degli Sposi des Palazzo Ducale zu Mantua schuf –, dann würden sie sich vorrangig in starker Unteransichtigkeit und mit ihren weniger edlen Körperteilen präsentieren. Um dies zu verhindern, sind 175
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die Figuren in den meisten barocken Deckenfresken leicht gekippt – nämlich so, dass sie einerseits durch eine gewisse perspektivische Verkürzung noch immer Unteransichtigkeit suggerieren, andererseits aber mehr von sich zu erkennen geben. Im Extremfall sind die Figuren sogar so sehr gekippt, dass sie ganz in Frontalperspektive erscheinen. Die Darstellung gleicht dann einem Tafelgemälde, das gleichsam an die Decke montiert wurde. Bei Carlone erscheinen die Figuren in leichter Unteransichtigkeit, es überwiegt die Frontalansichtigkeit. Der Standpunkt, aus dem die Perspektive des Bildes richtig erscheint, stimmt also mit dem Standpunkt, auf den die Quadraturmalerei berechnet ist, nicht überein. Ersterer befindet sich am Rande des Raums, letzterer in der Mitte. Lediglich in der Ansicht Kleiners, der die Perspektive des Bildes ebenso wie die Quadraturmalerei und die Realarchitektur radikal der Sichtweise seiner Leser angepasst hat, sind die Brüche aufgehoben. In Wirklichkeit lassen sich die Figuren des Freskos jedoch nicht glaubhaft innerhalb des Raumes verorten ; die Bildhaftigkeit haftet ihnen weiter an. Das heißt, dass Carlones Bild innerhalb der Architektur als ein Fremdkörper erkennbar bleibt. Dadurch wird auch seine Aussage bewusst als eine Projektion kenntlich gemacht. Dank der Divergenz von Malerei und Architektur wird die Darstellung von Eugens Apotheose und seines Ruhmes erneut relativiert.
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. Das Zusammenspiel von Architektur und Ikonographie Halten wir als Zwischenergebnis fest : Je nach Betrachterstandpunkt änderte sich am Oberen Belvedere nicht nur die optische Erscheinung, sondern auch der ikonographische Charakter der Architektur. Je größer die Distanz war, je mehr die Umgebung in ihrer Raumhaltigkeit wahrgenommen wurde und je bildhafter das Schloss sich im Gegenzug präsentierte, desto repräsentativer erschien es. Und je näher der Betrachter kam, je mehr er dabei den Umraum aus dem Blick verlor und je mehr er das Schloss als einen raumhaltigen Bau erkannte, desto bescheidener wirkte die Architektur. Befand der Betrachter sich schließlich im Schloss selbst und blickte er nun auf die bildhafte Landschaft, so suggerierten der Aus- und der Überblick wieder einen besonders herrschaftlichen Rang. Dasselbe galt für den als Ruhmesarchitektur gestalteten Hauptsaal. Doch sobald der Besucher die Mitte des Raumes verließ, zerfiel dieser Raum in die reale Architektur und in das gemalte Bild, das nun als eine Projektion decouvriert wurde. Dieser Effekt träte auch ein, wenn man sich dem Bild auf einem Gerüst nähern würde. Dann erwiesen sich die Scheinperspektive der Quadraturmalerei und die vermeintliche Tiefe des Bildraumes erst recht als Illusion. Zwar war diese Art der Betrachtung nur hypothetisch, doch hätte sie nichtsdestoweniger ein weiteres Mal gezeigt, dass Annäherung im Belvedere stets die imaginierte Wirkung aufhob – wenngleich Vom Bau zum Bild
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es zur Architektur einen wesentlichen Unterschied gab : Verlor der Bau aus der Nähe seine Bildhaftigkeit, weil er in seiner Raumhaltigkeit erfahrbar wurde, so verlor die Malerei ihre imaginative Kraft, weil sie ihre räumliche Illusion einbüßte und damit nicht mehr als Teil des Gebauten erfahrbar war. Verließ der Besucher schließlich das Schloss wieder Richtung Garten und stieg dabei das Gelände herab, so lösten sich der herrschaftliche Aus- und der Überblick im zunehmend als solchem wahrgenommenen Landschaftsraum wieder auf, während die Architektur wieder mehr und mehr Züge eines Bildes annahm. Mit der Wahrnehmung von Architektur und Landschaft als bildhafte Konstrukte ging eine Lektüre der Bildprogramme einher. Die gedanklichen Aussagen, welche die Architektur durch ihre bildhafte Erscheinung imaginierte, wurden also durch die Ikonographie verstärkt. Dieser ebenso komplexe wie ambivalente Prozess begann innerhalb des Unteren Belvedere. Dort alludierten das Deckenfresko des Marmorsaals und zwei Kabinette, von denen das eine mit Landschaftsbildern, das andere mit einer Bibliothek ausgestattet war,²⁸² auf den Hausherrn als einen Musenführer. Hatte der Betrachter das Gebäude verlassen und den Garten betreten, sah er Eugens Anspruch im Skulpturenschmuck der Orangerie bestätigt. Als weitere Hinweise folgten innerhalb des Oberen Belvedere die Gemäldesammlungen im ›Bilder-Zimmer‹ und im ›Bilder-Saal‹ sowie Permosers ›Apotheose‹ und die im Ankleidezimmer aufgestellten Fernrohre. Letztere zeugten Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
von Eugens wissenschaftlichen Interessen, doch konnten sie auch als ikonographische Hinweise auf den belvederischen Musensitz als Mittelpunkt des Kosmos gedeutet werden.²⁸³ Nicht zuletzt dokumentierten die Instrumente die Möglichkeit des Schlossherrn, den Umraum – bis zu den Sternen – optisch zu erfassen. Dieser Blick suggerierte zwar nicht Allwissenheit, wohl aber Wissen. Indem der Besucher sich das Belvedere als einen Musensitz erschließt, nimmt er die Anlage auch als eine Meritum-Architektur wahr. Erneut steht das Deckenfresko des Marmorsaals im Unteren Schloss am Anfang der Betrachtung. Und wieder folgt der Garten mit seiner Struktur und seiner Ausstattung. In Kapitel B . haben wir die Stufen, Terrassen und Kaskaden des Gartens als Ausläufer der Treppenhausarchitektur des Oberen Belvedere gedeutet. Dies berechtigt uns nun, im aufsteigenden Gelände des Gartens einen Ausläufer des Treppenhauses zu sehen. Und deutet man die Treppe wie im Stadtpalais als ein iter virtutis, so hypostasiert der gesamte Weg vom Unteren zum Oberen Belvedere den Aufstieg im Dienste der Tugend.²⁸⁴ Begleitet wird der Aufstieg durch eine umfangreiche Herkules-Ikonographie. Zu nennen wären zunächst der GrisailleTondo in der Scheinarchitektur des Deckenfreskos im Unteren Belvedere sowie zahlreiche Plastiken im Gartenbereich (Seiteneinfahrt²⁸⁵, Hauptkaskade, Herkules-Antäus-Fontäne²⁸⁶ und Orangerie).²⁸⁷ Es folgen im Oberen Belvedere das Deckenbild und die Herkules-Antäus-Gruppe des Vestibüls, das Deckenbild im Cabinet²⁸⁸, die seitlichen Deckentondi im Schlafzim177
mer²⁸⁹, die Herkulesstatue im westlichen Gesellschaftszimmer und die Grotesken im westlichen Eckpavillon. Innerhalb der Deutung des Belvedere-Hügels als eines (herkulischen) Tugendberges erscheint es nur folgerichtig, dass Eugen das Standbild seiner ›Apotheose‹ bzw. seiner Glorifikation im Oberen Belvedere aufstellen ließ. Dabei halte ich es für durchaus wahrscheinlich, dass als Standort zunächst der obere Ausläufer der Treppe vorgesehen war, genauer : der in den Treppenhauskasten ausbuchtende Balkon über dem mittleren Lauf. Die Figur hätte – vermutlich etwas abgerückt – mit dem Rücken gegen die Balustrade gestanden und zur Tür des Hauptsaals geblickt. Unter ikonographischen Gesichtspunkten wäre das Standbild an dieser Stelle das ideale Bindeglied zwischen dem als Treppe gestalteten Tugendweg und der Erhebung in den Himmel gewesen – umso mehr, als Eugen einerseits die Aufwärtsbewegung der Treppe fortsetzt, er andererseits aber die HerkulesKeule zum Zeichen, dass er alle seine Taten vollbracht hat, aus der Hand gibt. Und hätte die Sockelinschrift, wie von Eugen zunächst erwogen, auf Alexander den Großen hingewiesen, so wäre auch noch eine Anspielung auf die Reliefs des Treppenhauses gegeben gewesen. Doch auch in ästhetischer Hinsicht hätte die Gruppe das Treppenhaus samt Vestibül und dem Hauptsaal sinnvoll verbunden. Während die Atlanten des Vestibüls in die Architektur vollständig eingebunden sind und die schwere Last der Decke zu tragen haben, löst Eugen sich in Permosers Standbild als 178
Einzelgestalt aus jeglichem materiellem Kontext, um alsdann im Hauptsaal als freskierte Figur scheinbar frei und ohne irdi- sche Substanz in den Lüften zu schweben. Was das Verhältnis der einzelnen Kunstgattungen zueinander betrifft, so führt der Weg per aspera ad astra also auch von der Architektur über die Bildhauerei zur Malerei. Vielleicht weil Eugen an der posture Anstoß nahm (vgl. Kapitel C ...), fand die Figurengruppe letztlich Aufstellung in der Sale a manger pour les Officiers, die im Erdgeschoss des südwestlichen Eckpavillons lag. Zweifellos wurde die Aufstel- lung im Speisesaal der Offiziere der Schlüsselfunktion, die Permosers Skulptur für Eugens Selbstdarstellung besaß, nicht ganz gerecht. Jedoch darf man daraus nicht schließen, die Figurengruppe habe innerhalb ihres topographischen und architektonischen Kontextes keine besondere Bedeutung besessen. Wäre dem so gewesen, hätte Kleiner sie nicht in sein Titelkup- fer aufgenommen. Vielleicht kann man in der dezentralen Aufstellung sogar einen weiteren Bescheidenheitstopos sehen. Und mit Sicherheit wollte Eugen gerade seinen Offizieren ein Beispiel geben, wollte auf sie, wie Klett es formulierte, »sittigend« wirken.²⁹⁰ Diesen Aspekt lässt auch Peikhart anklingen, wenn er davon spricht, dass der Prinz »den Muth deren Soldaten mit seinem Beyspil« erfrischte, während er den Eifer »deren Officiren mit seinen Verordnungen« mäßigte, oder wenn er »jene irrsame Meinung« umstieß, »als könte man den Soldaten nicht zum Eyfer bringen, ohne zugleich den Himmel mit Fluchen zu beVom Bau zum Bild
stürmen«. Stattdessen, so Peikhart weiter, war in Gesellschaft des Prinzen »nichts freches zu sehen, und wider die Gebühr anzuhören«.²⁹¹ Nicht zuletzt wollte Eugen seinen Offizieren hinsichtlich adliger Gelassenheit ein Vorbild sein. Bekannt ist die Aufforderung, die der Prinz vor der Schlacht an seine Offiziere richtete : Meine Herren, Sie haben nur eine Lebensberechtigung : Wenn Sie überall und beständig, auch in der größten Gefahr, als Beispiel wirken, aber in so leichter und heiteren Weise, dass es Ihnen niemand zum Vorwurf machen kann.²⁹²
Gerade für die Fähigkeit, auf heitere Weise ein Beispiel zu geben, stand auch Eugen selbst – nicht zuletzt in der Gestalt, in der Permoser ihn dem Betrachter vor Augen führte. Auf jeden Fall hatten die Offiziere im Speisesaal ausreichend Zeit und Gelegenheit, die Aussage der Skulptur zu studieren und zu verinnerlichen. Erneut zeigt sich, dass Eugens Bescheidenheit mit dem Anspruch, eine Leitfunktion auszuüben, Hand in Hand ging. Indes besitzen das Obere Belvedere und Permosers ›Apotheose‹ nicht nur dieselbe Aussage ; sie vermitteln diese auch auf die gleiche Art und Weise. Wie die Architektur besitzt die Skulptur die Fähigkeit, aus der Fernsicht einen ›imperatorischen‹ Anspruch auszudrücken, der in der Nahsicht relativiert wird. Wie wir uns erinnern, sind bei Permoser die ironischen Details, die den ›imperatorischen‹ Habitus des Bildmotivs breDas Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
chen, nur aus der Nähe und nur bei einer Betrachtung von verschiedenen Seiten zu erkennen. Auch bei diesem Werk mindert das Erleben der Raumhaltigkeit den Aussagegehalt der bildhaften Erscheinung. Wie in Hildebrandts Architektur bedingen sich in Permosers Skulptur die optische und die ikonographische Metamorphose. Und in beiden Werken ist das stete Changieren zwischen Anspruch und Bescheidenheit ähnlich ausgeprägt wie der Wechsel zwischen räumlicher und bildhafter Erscheinung. Dasselbe gilt für den Hauptsaal des Oberen Belvedere, wenngleich die bildhafte Imagination von Ruhm hier nicht an der Negierung, sondern an der Vortäuschung von Raumhaltigkeit hängt. Letztlich ergibt sich in allen drei Gattungen – gewollt oder ungewollt – ein innerer Zusammenhang zwischen der optischen und der ikonographischen Metamorphose : Das ›Bild‹ von Herrschaft und von Ruhm, das Architektur, Skulptur, Deckenmalerei und – bezieht man den Ausblick ein – die Landschaft zunächst zeichnen, wird in der Nahsicht stets relativiert, löst sich auf, sobald die Objekte als reale Größen erfahren werden. Damit verhält sich die Repräsentation Eugens entgegengesetzt zur Selbstdarstellung Ludwigs XIV. Dieser gab sich des Abends im Salon umgänglich und bescheiden, doch war dieser Auftritt so kalkuliert, dass die familiarité bei näherer Betrachtung dem Eindruck der grandeur weichen musste. Der ›Mercure galant‹ brachte dies folgenderemaßen auf den Punkt :
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Dieser Monarch, der sich so [nämlich im vertraulichen Umgang mit den Spielern] der Vorteile, die ihm seine Krone bietet, entkleidet, ist der größte, und er ist königlicher und ist erobernder als er dies an der Spitze seiner Armeen ist. Der Schrecken, der ihn umgibt, wenn er auf den Schlachtfeldern erscheint, erlaubt nicht, ihn zu betrachten, und sei es auch nur, um ihn zu bewundern. Aber in dieser Situation, die ich eben beschrieben habe [während des Spielbetriebs also ; Anm. d. Verf.], lädt er dazu ein, ihn zu betrachten, weil sein Antlitz sich des königlichen Stolzes entledigt hat und nur noch bezaubernde Majestät zeigt … Wenn seine Feinde ihn in diesen Augenblicken sähen, die ihn so anbetungswürdig machen, würden sie ihn lieben ; und sie würden ihn zugleich fürchten …²⁹³
Ebenso offenbarte sich der in Menschengestalt wandelnde Christus während des von Veronese dargestellten Besuchs in Emmaus erst bei näherem Hinsehen als Gottessohn – das heißt, nachdem den anwesenden Jüngern die »Augen aufgegangen« waren (Lk , ). Um zu beweisen, dass er kein Geist war, musste der Auferstandene den übrigen Aposteln sogar erst seine körperliche Gestalt zeigen : Seht meine Hände und meine Füße an : Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift : Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße (Lk , –).
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Thomas wurde sogar aufgefordert, seinen Finger in die offene Seitenwunde zu legen (Joh , ). Mit anderen Worten : Um zu erkennen, dass Christus wirklich auferstanden war, mussten sich die Jünger davon überzeugen, dass das, was sie sahen, keine bildhafte Erscheinung, sondern körperliche Realität war. Oder um sich der Terminologie der Semiotik zu bedienen : Sie mussten die Person, die sie sahen, erst innerhalb ihres »körperlichen Koordinatensystems« verorten. Bei Eugen wie bei Ludwig und Christus ermöglichten es das Herantreten und das Erfassen der Körperlichkeit, das wahre Wesen zu erkennen. Allerdings verbarg sich in der Diktion des Versailler Hofzeremoniells hinter Ludwigs Bescheidenheit – wie bei Christus – eine gottgleiche Würde, während Eugen seinen Ruhm durch Bescheidenheit zu relativieren suchte. Dementsprechend sollte auch, das, was den Prinzen repräsentiert, in der Nahsicht bescheidener wirken – die Architektur ebenso wie Permosers Standbild und Chiarinis und Carlones Fresko. Höchstwahrscheinlich war es für den unbefangenen Betrachter weitaus schwerer, den ludovizianischen Identitätsdiskurs nachzuvollziehen als den Eugenischen. Nur allzu leicht erschien die grandeur des Sonnenkönigs, die hinter der Fassade der Bescheidenheit unbedingt erkannt werden sollte, als superbia, während Eugens Bescheidenheit tatsächlich als ein Ausdruck wahrer Größe empfunden werden konnte. In diesem Sinne war es nur folgerichtig, dass sich das Obere Belvedere, Vom Bau zum Bild
sobald man es betreten hatte, wieder in eine Ruhmes- und Herrschaftsarchitektur verwandelte. . Eugens Selbststilisierung im Kontext der Wiener Adelsgesellschaft und der europäischen Höfe .. Vorbemerkung
Jedem Besucher Wiens wird eindringlich vor Augen geführt, wie sehr der gesamte Komplex des Belvedere alle übrigen Adelssitze der Stadt übertrifft. Noch ausgeprägter dürfte dieser Eindruck im . Jahrhundert gewesen sein. Majestätisch lag das Obere Belvedere inmitten einer sonst unbebauten Landschaft. Zu seinen Füßen erstreckte sich das Untere Belvedere mit den zahlreichen Wirtschaftsgebäuden, dazwischen spannte sich der große Garten. Außerdem hatte Hildebrandt, wir erinnern uns, die Lage und den Zuschnitt der Grundstücke nutzen können, um die Nachbaranwesen zu Trabanten des Oberen Belvedere zu reduzieren und durch diese sanfte Vereinnahmung eine Art ›Adelshof‹ zu schaffen, in dem sein Auftraggeber als ein primus inter pares residierte. Des Weiteren konnte Eugen sich durch den exklusiven Überblick zum wachsamen und weitsichtigen Schutzpatron Wiens und des ganzen Landes stilisieren. Überdies übertraf das Belvedere an Größe und Pracht auch die Schlösser vieler souveräner Reichsfürsten, etwa die Residenzen in Mainz, Trier, Brühl, Münster, Hannover, Rastatt, Ansbach, Bayreuth, Bamberg, Meersburg, Ellwangen oder Salzburg. Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Selbst mit den Schlössen des Kaisers konnte Eugens Sommersitz, was die exponierte Lage, die exklusiven Blickbeziehungen und den Umfang betraf, wetteifern. Dies war insofern nicht verwunderlich, als Schloss Schönbrunn, an dessen Nutzung Karl VI. ohnehin wenig Interesse hatte, weit außerhalb lag und die Hofburg, deren Erweiterung erst im . Jahrhundert abgeschlossen werden konnte, einstweilen noch ein recht unansehnliches compositum mixtum bildete.²⁹⁴ Zwar fehlte es einigen Trakten wie der Hofbibliothek, dem Reichskanzleiflügel oder dem Torso der Michaelerfront nicht an imperialer Würde, doch bestimmten diese Baukörper nicht das gesamte Erscheinungsbild der Anlage. Und selbst wenn die Hofburg in der ersten Hälfte des . Jahrhunderts vollendet worden wäre, hätte sie das Belvedere nicht gänzlich in den Schatten stellen können. Eine der Architektur vergleichbare Sonderstellung nahm Eugens Ikonographie ein. Mit seiner Glorifikation und seiner Apotheose in persona (Marmorsaal des Unteren und Hauptsaal und Audienzzimmer im Oberen Belvedere sowie Permosers Statue) nahm der Prinz Bildformeln in Anspruch, die im Bereich der Sakralkunst nur Heiligen und in der Profankunst nur Kaisern und Königen zustanden. Ähnlich exklusiv waren die Verwendung eines roten Marmorsockels für sein Standbild, seine indirekte Identifizierung mit Caesar oder seine unmittelbare Gleichsetzung mit Alexander dem Großen. Natürlich wurden diese ›imperatorischen‹ Elemente, auch das konnten wir sehen, durch eine Reihe von Korrektiven ge181
mildert. Obwohl das Obere Belvedere der Meritum-Architektur angehört, verzichtete Eugen auf die traditionelle Kuppelrotunde und erst recht auf das Motiv einer architektonisierten Krone. An den Fassaden fehlen klassische Nobilitierungsmotive wie die Kolossalordnung oder Beletage-Säulen. Stattdessen fanden niedrige Architekturvokabeln wie der Hermenpilaster Verwendung. An der Hofeinfahrt führte die Vermeidung kolossaler Gliederungselemente sogar dazu, dass die Hermenpilaster regelrecht ›verkrüppelt‹, wirken. Ihre ästhetisch unbefriedigende Erscheinung lässt sich nur als Bescheidenheitsgeste deuten. Weitere Bescheidenheitsmotive sind die Nutungen der Schäfte, die Manschetten und die dünnen Stabprofile, die eine Bretterarchitektur oder zumindest eine ephemere Architektur assoziieren lassen. Im Bereich der bildlichen Ikonographie wären die ironischen Brechungen (Permosers ›Apotheose‹) sowie die demonstrative Ausrichtung auf die kaiserliche Sonne als übergeordneter Instanz (Treppenhaus des Stadtpalais, Marmorsaalfresko im Unteren Belvedere) unter respektvoller Wahrung der angemessenen Distanz (Dädalus im Stadtpalais) zu nennen. Die ständige Relativierung des ›imperatorischen‹ Habitus durch Bescheidenheitsgesten begründete im Gegenzug die glorificatio des Prinzen, die sich dann ihrerseits als eine Imagination zu erkennen gab (Deckenbild im Hauptsaal des Oberen Belvedere). Ein solches Repräsentationsmuster wirft zwei Fragen auf : War Eugens Selbstdarstellung in sich widersprüchlich oder lie182
ßen sich die gegensätzlichen Motive von Anspruch und Bescheidenheit in ein gedanklich kohärentes System integrieren ? Und wenn ja, wie ließ dieses System sich innerhalb der allgemeinen politischen Diskurse verorten ? .. Eugens System der nachhaltigen und regenerativen Selbstlegitimation Tatsächlich bedingen in Eugens Selbstverständnis Anspruch und Bescheidenheit einander. Gerade weil der Prinz auf eine eigene Krone verzichtete, war er imstande und befugt, anderen Fürsten Kronen zu- oder abzuerkennen. Die Bescheidenheit, die den Anspruch relativierte, legitimierte also neue Ansprüche, die nun ihrerseits relativiert wurden. In gewisser Weise handelte es sich um das System einer sich selbst generierenden und perpetuierenden Selbstlegitimation. Suchte man für diesen Mechanismus eine Bildmetapher, könnte man von einer aufwärts gerichteten Spirale sprechen. Diese stünde nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell in Widerspruch zu dem Repräsentationsmuster Ludwigs XIV. Dessen Strategie, die offenkundige Verschleierung seiner grandeur als einen Akt von humilité auszugeben und daraus den Anspruch auf neue grandeur abzuleiten, mündete statt in eine Spirale in eine Sackgasse. Die von Eugen entwickelte Technik einer nachhaltigen und regenerativen Selbstlegitimation beruht vor allem auf zwei Paradigmen : dem Verdienst und der Ausgewogenheit. Das Paradigma des Verdienstes besagt, dass ein Mensch wie Eugen Vom Bau zum Bild
im Unterschied zu den Mitgliedern eines Herrscherhauses weder durch seine Geburt noch qua Amt Anspruch auf Ruhm, politischen Einfluss oder materiellen Besitz hat. Vielmehr muss er sich diese Güter erst verdienen. Wenn er aber die entsprechende Leistung erbracht hat, besitzt er Ämter und Würden mit mehr Berechtigung als jeder andere. Das Paradigma der Ausgewogenheit steht für politische Balance und Maßhaltung, für das kluge Vermeiden von Extremen. Diese Eigenschaften erleichtern – wie der DädalusMythos lehrt – einerseits den Erfolg, vor allem, wenn es auf diplomatisches und militärisches Taktieren ankommt. Auf diese Weise gewährleisten sie wiederum den Erwerb von Verdiensten. Andererseits bewahren sie denjenigen, der aufgrund seiner Verdienste Macht und Ruhm erlangt hat, vor jener Hybris, der gekrönte Häupter nur allzu gerne erliegen. Die Vermeidung von Hochmut war insofern wichtig, als dieses Laster im Fall Eugens nicht nur dem Ansehen der Person geschadet hätte. Einen Feldherrn und Staatsmann wie ihn hätte sie auch zur Fehleinschätzung der eigenen Person wie der Gegner verführt. Das Resultat wären Misserfolge gewesen, welche – wie bei Ludwig XIV. – die Selbstlegitimation ihrer Nachhaltigkeit beraubt hätten. Im Extremfall hätte es sogar wie bei Ikarus zum völligen Absturz kommen können. Und nicht zuletzt hätte der Hochmut als eine Todsünde Eugens Aura eines heiligmäßigen Schutzpatrons irreparabel zerstört. Wie sehr die Paradigmen von Verdienst und Maßhaltung auch in der Wahrnehmung der Zeitgenossen das ZusammenDas Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
wirken von Anspruch und Bescheidenheit prägten und wie sehr ebendieses Zusammenwirken Eugens Sonderstellung legitimierte, zeigen zwei Passagen bei Peikhart : Jedoch ob er schon der Urheber solcher Wunder-Ding allein gewesen ist / so hat er doch das Lob darvon mit andern dapferen Kriegs-Helden getheilet / welche entweder mit Witz oder Stärcke seine Absichten / die sie auch nicht allzeit wusten / unterstützet. Und zwar billich : dann mit niemand wollen zu Rath gehen / ist eine Würckung des Eigensinns / und einen jeden seine Gedancken eröffnen / ist all zu leichtsinnig.²⁹⁵
Die Bereitschaft, Lob zu teilen, geht also mit der Vermeidung von Eigensinn und Leichtsinn einher. Sie ermöglicht die maßvolle Konsultation von Ratgebern und sichert damit den Erfolg. Die Früchte dieses Erfolgs erläutert Peikhart gegen Ende seiner Predigt in aller Ausführlichkeit : Und wer will sich anjetzo wunderen / wann auch alle Christliche Häupter zusamm getretten / eugenium zu belohnen. Papst Clemens XI. Statthalter CHristi auf Erden / hat ihm den kostbaren Hut eines Schützers / und das reiche Schwerdt eines Verfechters der Heiligen Kirchen umgehangen / welche Ehre in vielen Jahrhunderten kaum einem widerfahren ist. Spanien hat ihn mit dem goldenen Vließ beehret ; Engelland / Holland / und das Teutsche Kayserthum mit goldenen Degen / Küraß / Regiments-Stab / und anderen Kostbarkeiten beschencket / an welchen die Kunst mit
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denen Diemanten in die Wette geleuchtet ; Wann nun alle diese Ehren-Zeichen sich in einem Zimmer zusammen finden liessen / sollte man wohl fragen / ob es eine Kunst / Schatz- oder RüstKammer zu nennen seye / so die allgemeine Danckbarkeit dem grossen Helden-Geist eugenii zum ewigen Andencken aufgerichtet. Die Geschänk dreyer Kaysern / denen er gedienet / waren eugenio nach der Maaß seiner Verdiensten / und ihrer großmüthigen Freygebigkeit zugemessen. Sie seynd bestanden in Gold und Edelgestein / aber nicht allein : Es waren noch verschiedene hoche Ehren-Ämbter beygerucket / eines Feld-Marschall / eines Gubernator in Mayland und Niderland / eines Vicarii in Italien / eines Hof-Kriegs-Raths-Præsidenten / eines General-Lieutenant aller Kayserlichen und Reichs-Arméen. Und wie sollte nicht eugenius auf so hochen Ehren-Stuffen der gantzen Welt sehr groß in die Augen gekommen seyn ?
wie Peikhart weiter ausführt, große Güter in Österreich und Ungarn, die Eugen de facto doch noch zu einem Fürsten gemacht haben :
Wie diese Passage suggeriert, verleiht das Verdienst im Unterschied zur ererbten Herrschaft einen ganz besonderen Ruhm : Der Papst und drei Kaiser – nach barockem Verständnis die höchsten Autoritäten auf Erden – bekundeten dem Prinzen ihre Dankbarkeit. Gleich vier Nationen haben ihn mit hohen Ehren ausgezeichnet (wodurch sie sich nicht zuletzt von den vier Nationen unterscheiden, die von Ludwig XIV. versklavt wurden). Und neben vielen Insignien und Orden haben sie ihm eine Fülle von Ämtern verliehen, dank denen er nicht nur gewaltige Armeen kommandiert, sondern auch in verschiedenen Städten und Ländern geherrscht hat. Hinzu kommen,
Ebendiese Mäßigkeit macht aber wieder Eugens besonderen Ruhm aus, rückt seine Person in eine geradezu sakrale Sphäre :
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Ohne deren schönen Land-Güthern in Ungarn und Oesterreich darbey zu gedencken / welche allein eugenium, wann er auch kein fürst gebohren wäre / zu einem Fürstlichen Staat erheben / und zu einem Fürsten machen konten.
Dieser Anhäufung an Ehren, Macht und Kompetenzen setzten nur der Tod Eugens und seine eigene Maßhaltung Grenzen : Diese Kayserliche Gnad und Freygebigkeit wäre auch noch höher gestiegen / wann anderst der schnelle Todt / und seine Mäßigkeit selbe nicht unterbrochen.
Denn es ware eugenius so untüchtig Gnaden zu begehren / und Belohnungen anzunehmen / als begierig selbige zu verdienen. Grosse Helden übersehen allen Eigennutz / und lassen sich wie der Gipfel des Olympus-Berg allein mit dem Sonnenschein ihrer Verdiensten begnügen ; die Wolcken der Freygebigkeit mögen Gold und Silber regnen / so seynd sie doch weit zu nider / den Durst ihres Hertzens zu erwecken.²⁹⁶
Vom Bau zum Bild
Peikharts Formulierung mag panegyrische Übertreibungen enthalten, doch enthält sie, zumindest was Eugens Weigerung betrifft, die für den Wiener Hof durchaus systemtypischen Donationen und Bestechungsgelder anzunehmen, einen durchaus wahren Kern. Als beispielsweise König Friedrich Wilhelm I. von Preußen sich erbötig zeigte, der Menagerie im Belvedere Pferde und wilde Tiere zukommen zu lassen, lehnte der Prinz mit dem Hinweis ab, dass er »niemalen presenten anzunehmen pflege«.²⁹⁷ Was auf den ersten Blick paradox erschien, war in Wirklichkeit ein System von Komplementäreigenschaften, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärkten oder zumindest bedingten. In diesem Sinne stellten auch andere Tugenden, etwa die herkulische Stärke des Prinzen und seine musischen Gaben, keine Gegensätze dar. Wie der ikonographische Typus des Hercules Musarum zeigt, drückte die Aufnahme des Kriegshelden unter die Musen vielmehr gleichfalls die Belohnung des Verdienstes aus. Diese Koppelung der kriegerischen und der schönen Künste erinnert an das Konzept der Wiener Hofbibliothek, in dem das Kriegshandwerk und die Künste gemäß den Motti arte et Marte und armis et litteris in eine enge Wechselbeziehung zueinander treten.²⁹⁸ Im Unterschied dazu stehen Kriegshandwerk und Künste in den Bauten des Prinzen Eugen freilich nicht gleichwertig gegenüber. Wie wir schon in Kapitel C .. sahen, betrachtete Eugen den Krieg als ein Übel – wenngleich als ein notwendiges, während er in der Pflege der Künste und Wissenschaften das eigentliche Lebensziel erblickte. Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
.. Eugens ›imperatorische‹ Repräsentation im Kontext der europäischen Herrschaftsdiskurse Kommen wir, nachdem wir die Schlüssigkeit von Eugens nachhaltiger Selbstlegitimation nachgewiesen haben, nun zu der Frage, inwiefern dieses System sich in die Herrschaftsdiskurse der Zeit integrieren ließ. Dabei gilt es vor allem vier Diskurse zu unterscheiden : den Diskurs innerhalb des Wiener Adels, den Diskurs am Kaiserhof, den Diskurs innerhalb des Reichs und den Diskurs in der europäischen Öffentlichkeit. ... Eugen und der Wiener Adel Beginnen wir mit dem Wiener Hof : Dass Prinz Eugen unter den Wiener Adligen die großartigste Palastanlage besaß und dass er sein Belvedere mit den Nachbaranwesen als eine Art Adelshof inszenierte, in dem er als Erster unter Gleichen residierte, war durchaus systemkonform. Eugens Führungsrolle wurde wohl von keinem Adligen ernsthaft bestritten. Und aus Sicht des Kaisers, vor allem Karls VI., war es nur wünschenswert, dass die Adligen im Wettstreit untereinander zur Verschönerung der Residenzstadt beitrugen. Andreas Pečar hat diesen Aspekt der kaiserlichen Baupolitik klar herausgearbeitet.²⁹⁹ Darüber hinaus dürfte die unterschiedliche Größe der Adelspalais, von denen die meisten wie das Obere Belvedere als Meritum-Architekturen konzipiert waren, als Gradmesser für die Verdienste der jeweiligen Besitzer und ihrer Familie ge185
golten haben.³⁰⁰ Der architektonische Wettbewerb implizierte also zumindest indirekt auch eine Konkurrenz um die Gunst des Kaisers. Insofern verwundert es nicht, dass Karl VI. seinerseits das Obere Belvedere in Kleiners Stichwerk über Wien aufnehmen ließ. ... Eugen und das Kaiserhaus
Doch was geschah, wenn eine Anlage den Residenzen der Kaiser fast den Rang ablief ? Musste der ›imperatorische‹ Charakter des Belvedere im Vergleich zu den Profanbauten des Reichsoberhaupts nicht anmaßend, ja provozierend wirken ? Die Antwort auf diese Fragen hängt wesentlich davon ab, wie man das Ziel der kaiserlichen Baupolitik definiert. Thomas von der Dunk, Jeroen Duindam, Andreas Pečar und Jutta Schumann haben deutlich zeigen können, dass Leopold I., Joseph I. und Karl VI. der gloire und grandeur Ludwigs XIV. die gravitas und pietas des Hauses Habsburg entgegensetzen wollten. Daher hätten diese Kaiser sich auf den (Um-)Bau von Sakralbauten wie der Karlskirche in Wien, der Stifte Göttweig, Melk, St. Florian, Admont und Neuburg oder auf die Errichtung von Nutzbauten konzentriert. Letztere reichten von der Hofbibliothek, dem Reichskanzleitrakt und der Gemäldegalerie in der Stallburg über Befestigungsanlagen, Invalidenhäuser und Kasernen bis zu Manufakturen, dem Johannes-von-Nepomuk-Hospital oder dem großen Armenhaus außerhalb des Stubentores.³⁰¹ 186
Was aber stand hinter dieser Absicht ? Vernachlässigte der Kaiserhof um der Sakralität willen die Errichtung weltlicher Repräsentationsbauten absichtlich, wie Pečar glaubt ?³⁰² Oder stellte die Betonung der kaiserlichen pietas Austriaca den Versuch dar, aus einer »repräsentativen Not« eine Herrschertugend zu machen, wie Friedrich Polleroß meint ?³⁰³ Diese Unterscheidung ist insofern von Bedeutung, als das Belvedere im einen Fall das kaiserliche Selbstverständnis nicht in Frage gestellt hätte. Im anderen Fall hätte es wenigstens einen wunden Punkt kaiserlichen Repräsentationsbedürfnisses berührt. Zu einem weiteren Reibungspunkt hätte werden können, dass die Tugenden der pietas, der modestia und der herkulischen fortitudo, die Eugens Sonderstellung innerhalb des Wiener Adels begründeten, auch vom Kaiserhaus beansprucht wurden, dass einige sogar als genuin habsburgischer Fideikomiss galten.³⁰⁴ Der Prinz war sich dessen durchaus bewusst. Nicht von ungefähr spricht die Inschrift auf dem Titelkupfer zum ›Wunderwürdigen Kriegs- und Siegslager‹ von Eugens imperatoriae virtutes (vgl. C ..). Um das Konfliktpotenzial unter Wahrung seiner Sonderstellung zu verringern, entwickelte Eugen mehrere Strategien, die so komplex waren, dass sie fraglos selbst dann erfolgreich gewesen wären, wenn der Verzicht des Kaiserhauses auf repräsentative Profanbauten wirklich der Not geschuldet gewesen wäre. Zunächst war der Prinz sehr darauf bedacht, seine ›imperatorische‹ Repräsentation durch Elemente der BescheidenVom Bau zum Bild
heit und der Ironie zu relativeren. Da dieses Korrektiv aber die Grundlage für weitere Ansprüche bildete, dürfte es allein wohl nicht ausgereicht haben, eine Konkurrenz zum Kaiser zu vermeiden. Es muss also noch weitere Regulative gegeben haben. Ein solches Regulativ waren Eugens unbedingte Treue und Zuverlässigkeit. Es ist unzweifelhaft, dass der Prinz seine Sonderstellung nur zum Nutzen des Erzhauses verwendete, dass er ausschließlich im Auftrag seines Herrn agierte.³⁰⁵ Man wird sogar sagen dürfen, dass Eugen sein Verdienst zu einem sehr großen Teil als ein Dienen auffasste. Dieses Dienen bedeutete aber keine Minderung der Ehre. Im Gegenteil : Sehr treffend spricht Ernst Klett von der »Überlegenheit des Dieners«, die auch das Verhältnis Richelieus zu Ludwig XIII. oder Bismarcks zu Wilhelm I. geprägt und die eben gar nichts von der Abhängigkeit eines »Kammerdieners« an sich gehabt habe.³⁰⁶ Stattdessen eröffnete die Selbststilisierung zum Diener dreier Kaiser dem Prinzen zusätzliche Repräsentationsund Handlungsspielräume. Indem der Savoyer seine Fähigkeiten ganz in den Dienst des Erzhauses stellte, konnte er das politische Geschehen maßgeblich bestimmen und seine Unersetzlichkeit unter Beweis stellen, ohne dass dies auch nur im Ansatz seine Loyalität in Frage gestellt hätte. Oder umgekehrt : Er konnte dem Reichsoberhaupt vorbehaltlos dienen – im Fall Karls VI. sogar bis zur Selbstverleugnung –, ohne dass seine Sonderstellung geschmälert wurde. Letztlich konnte Eugen sein Dienstverhältnis sogar von einem göttlichen Wertesystem Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
ableiten. Durchaus zu Recht bezeichnet Klett dieses Dienstverhältnis als »metaphysisch«.³⁰⁷ Der metaphysische Charakter dieses Dienstverhältnisses beruhte gewiss auf der Sakralität des römisch-deutschen Kaisertums.³⁰⁸ Eine zweite Grundlage war wohl Eugens Selbstverständnis als Ritter. In diesem Punkt war der Prinz sicherlich von der Tradition seines Hauses geprägt. Immerhin hatte sich schon Amadeus VI. als das wohl prominenteste und angesehenste Glied der casa Sabaudia durch ein besonderes Treueverhältnis zum Reichsoberhaupt ausgezeichnet (vgl. C ..). Noch mehr mit dem Kaiser verbunden war Eugen durch seine Zugehörigkeit zum Orden des Goldenen Vlieses, dem Karl VI. als Großmeister vorstand. Die Nähe der Ordensmitglieder zum Reichsoberhaupt wurde allein schon durch das Zeremoniell sinnfällig.³⁰⁹ (Formalrechtlich gesehen war die Mitgliedschaft im Orden sogar – neben dem Vorsitz in der Geheimen Konferenz – der einzige Rang, der Eugens Sonderstellung innerhalb der höfischen Gesellschaft begründete.³¹⁰) Da die Mitglieder des Ordens sich wie die Ritter des Hochmittelalters in der Tradition der geistlichen Mönchsgemeinschaften sahen und den Apostel Andreas als ihren Schutzpatron verehrten, war das Dienen ein konstitutives Element ihrer Identität.³¹¹ Vor diesem gedanklichen Hintergrund erscheinen die diversen Glorifikationen und Apotheosen Eugens auch als Hinweise auf die Heiligkeit des Dienens. Weitere Ordensideale waren die Mäßigung und die Bescheidenheit. Zusammen mit der Tugend des Dienens ergaben sie 187
eine Trias. Diese Tugendtrias bildete zumindest am Wiener Hof die vollkommene Grundlage für den Erwerb von Prestige und Autorität. Und gerade Eugen erbrachte den Beweis dafür, dass der Verzicht auf Macht, der durch Bescheidenheit, Mäßigung und Dienstbereitschaft motiviert war, Autorität verlieh – eine Autorität, die u. U. sogar wirkungsmächtiger war als die Macht selbst. Wie sehr eine über der weltlichen potestas stehende moralische oder geistige auctoritas legitimieren kann, hat nicht zuletzt das Papsttum demonstriert. Nicht als Souveräne des Kirchenstaats, sondern als Diener, als servi servorum Dei und als vicarii Christi sahen sich die Nachfolger Petri zu einer translatio imperii befugt, in deren Rahmen sie Kaiser- und Königskronen verleihen und wieder entziehen konnten. Die Idee einer metaphysisch begründeten Überlegenheit des Dienens, die zur Verleihung oder Aberkennung weltlicher Herrschaft berechtigt, ist hier auf die Spitze getrieben. Im Fall Eugens ist der Hinweis auf das Petrusamt übrigens keineswegs weit hergeholt. Schließlich war eine andere Referenzfigur der Savoyer der Gegenpapst Felix V., für dessen nachträgliche Legitimierung die Familie noch im . Jahrhundert hohe Summen aufbrachte.³¹² Für die Habsburger wiederum zeugte der Entschluss, dem Prinzen zu vertrauen und ihn gewähren zu lassen, von dynastischer Selbstgewissheit und von politischer Klugheit – Eigenschaften, die dem gemeinsamen Gegner Ludwig XIV. abgesprochen wurden. Die Förderung Eugens traf den französischen Erzfeind also gleich zweifach : ideologisch wie realpolitisch. 188
Ferner kündete die politische wie die materielle Förderung des Prinzen von kaiserlicher Generosität. Das gilt insbesondere für das Belvedere. Immerhin war die Anlage aus zwei Geldquellen finanziert worden : der Beute, von welcher der Kaiser seinem Feldherrn einen festen prozentualen Anteil ›überlassen‹ hatte,³¹³ und den Einkünften, die der Prinz durch die vom Kaiser verliehenen Ämter bezog. Allerdings verfügten auch die Habsburger über Korrektive wie etwa die Disziplinierung. Eugen hatte dies nach seinem Sieg bei Zenta () unmittelbar erfahren. Weil er, die Gunst der Stunde nutzend, die Türken angegriffen hatte, ohne einen entsprechenden Befehl aus Wien abzuwarten, musste er bei seiner Rückkehr nach Wien den Degen abgeben. Auch drohten ihm seine Gegner mit dem Kriegsgericht. Unter dem Eindruck des glänzenden Sieges und des Jubels der Wiener Bevölkerung setzte Leopold I. das angestrengte Verfahren jedoch aus und übertrug dem Prinzen sogar den Oberbefehl über die kaiserlichen Truppen in Ungarn.³¹⁴ Ferner wurde Eugen mit Gütern in Ungarn³¹⁵ und schließlich sogar mit einem diamantbesetzten Schwert belohnt.³¹⁶ Anders als im Fall Fouquets oder Wallensteins hatte der kurze Hinweis auf das kaiserliche Disziplinierungspotenzial genügt, um dem Prinzen den Hang zu Eigenmächtigkeiten, sollte er diesen jemals besessen haben, auszutreiben. Und im Zweifelsfall war Leopold I. durchaus bereit, der sprichwörtlichen clementia seines Hauses zu folgen.³¹⁷ Ein Drama wie ›Der Prinz von Homburg‹ hätte nicht auf die politische Bühne der Kaiserstadt gepasst. Vom Bau zum Bild
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Umgekehrt wusste auch Eugen seinen Part zu spielen. Wenn er schon so außergewöhnliche Repräsentationsformen wie die Glorifikation, die eigentlich zum ikonographischen Repertoire des Kaiserhauses gehörte, für sich in Anspruch nahm, so tat er dies nicht ad hoc. Vielmehr bemühte er sich um eine allmähliche und behutsame Lancierung ikonographischer Sonderformen. Beispielhaft hierfür ist die schon besprochene Gedenkmünze, die Kleinert anlässlich des Sieges von Oudenaarde prägte. Zehn Jahre bevor er Permoser den Auftrag zu einer lebensgroßen Statue erteilte, ließ der Prinz hier zum ersten Mal seine glorificatio inszenieren. Dabei relativierte er den Anspruch, der mit dieser Bildformel verbunden war, auf vierfache Weise. Erstens erschien die Bildformel im Kontext des Krieges in den Niederlanden als eine berechtigte, ja überfällige Entgegnung auf Ludwigs Selbstherrlichkeit. Zweitens war sie auf das viel bescheidenere Medium der Numismatik beschränkt. Drittens wurde sie nicht vom Prinzen selbst, sondern von vermeintlich Außenstehenden vorgenommen. Viertens teilte der Prinz sie sich mit dem Duke of Marlborough, mit dem er sozusagen eine Ruhmesallianz bildete. Mit anderen Worten : Gestützt auf eine vierfache Legitimierung wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der für die spätere Wiederholung des glorificatio-Motivs innerhalb einer lebensgroßen Skulptur die Grundlage bildete. Analog dazu nutzte Eugen die Numismatik, um sich zu einem heiligmäßigen Schutzpatron zu stilisieren. Und auch in diesem Punkt bediente er sich der Ruhmesallianz mit Marlborough. Letzteres lag umso Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
näher, als die Strategie, jemandem das Ansehen eines Heiligen zu sichern, indem man ihn mit bereits anerkannten Heiligen darstellte und/oder ihn deren Typologie anglich, in der katholischen Adelskultur durchaus verbreitet war.³¹⁸ Solcherart etablierte Motive konnte Karl VI. dem Prinzen indes kaum mehr absprechen. Andernfalls hätte er nicht nur eine höchst effektive Relativierung von Ludwigs Selbstdarstellung rückgängig gemacht, sondern auch zugelassen, dass sein Generalissimus ikonographisch hinter den obersten Feldherren des britischen Königshauses zurückgefallen wäre. Beides hätte aber auch seinem Prestige geschadet. Letzten Endes trug der Prinz also dafür Sorge, dass das Kaiserhaus auch mit ihm einen Prestige- und Ruhmesverband bildete. Erleichtert wurde seine Kooptierung durch die Habsburger durch mehrere Umstände. Wie schon gesagt, verdankte Eugen seinen Aufstieg nicht der Zugehörigkeit zu einer Dynastie. Im Gegenteil : Graf Eugéne Maurice von Soissons war bereits , also zwei Jahre nach Eugens Geburt, gestorben. Eine Protektion durch den gesetzlichen Vater war also von vornherein ausgeschlossen. Darüber hinaus war das Verhältnis zur väterlichen Verwandtschaft nicht das Beste. Mit einigen Savoyern hatte der Prinz sich überworfen, mit einigen Carignans war er sogar verfeindet.³¹⁹ Die Verfolgung seiner Mutter, die nur mit Not nach Brüssel entkam, hätte ihn beinahe selbst ins Verderben gestürzt. Dass Eugen außerstande war, aus seiner Abstammung Vorteile zu ziehen, zeigte sich nicht zuletzt daran, dass er gerade dort scheiterte, wo seine Herkunft ihm eigentlich am ehesten von 189
Vorteil hätte sein müssen : am Hof Ludwigs XIV., der, wir sagten es schon, vielleicht sogar sein leiblicher Vater war. Stattdessen musste Eugen sein Glück im Ausland suchen.³²⁰ Vor diesem Hintergrund ist es nur zu verständlich, dass der Prinz sich nicht nur von seiner lebenden Verwandtschaft distanzierte, sondern in seinen Schlössern auch auf eine Ahnengalerie verzichtete. Umso mehr Raum nahmen die geistigen Ahnen aus Mythologie und Historie ein : Neben Herkules und Alexander dem Großen wären vor allem Mucius Scaevola und Marcus Curtius zu nennen (Hauptsaal des Oberen Belvedere)³²¹, außerdem Äneas und Scipio (Portalreliefs am Stadtpalais) sowie Perseus (Marmorsaal des Unteren Belvedere), Theseus und Jason (Letztgenannter galt als der erste Träger des Goldenen Vlieses).³²² Mit diesen geistigen Vorbildern gründete Eugen seinen Aufstieg ganz auf die eigene Leistung. Allerdings bedurfte es dazu einer besonderen Gelegenheit. Diese hatte dem vaterlosen Flüchtling und politisch Obdachlosen das Haus Habsburg geboten. war Eugen in Passau mit Kaiser Leopold I., der seinerseits vor der türkischen Belagerungsarmee aus Wien geflohen war, zusammengetroffen. So ergab sich eine Schicksalsgemeinschaft besonderer Art. Denn was lag für Eugen näher, als sich von seinem Gönner gleichsam politisch adoptieren zu lassen ? Und was hätte die Habsburger abhalten sollen, solch eine ›ideelle‹ Adoption durchzuführen ? Es hat den Anschein, Eugen habe seine politische Adoption im Bildprogramm seines Stadtpalais sogar nachdrücklich be190
schworen. Wie wir in Kapitel C .. sahen, folgen auf den Aufstieg des Herkules, der im Treppenhaus inszeniert wird, in den Deckenfresken der angrenzenden Räume die Verleihung des Sternenkleides durch Jupiter und die von Juno vollzogene Vermählung des Helden mit Juventas. Betrachtet man Herku- les im ersten der beiden Deckenfresken genauer, so zeigt sich, dass das Löwenfell, das für das bisherige Leben des Helden steht, vom Körper bereits abgefallen ist. Nackt, mit demütighingebungsvoller Körperhaltung und einem sehnsüchtigen, fast bittenden Blick nimmt der Held das Sternenkleid, das sein Vater ihm gnädig reicht, entgegen. Fast schon fühlt man sich an den Bettler erinnert, der vom heiligen Martin einen Teil des Mantels erhält. Nicht minder bemerkenswert ist, dass Juno, die in der barocken Herrscherallegorie gewöhnlich nur als Gattin Jupiters erscheint, hier eine aktive Rolle spielt : Nachdem Jupiter dem Helden die Unsterblichkeit verliehen hat, schenkt sie ihm ewige Jugend. Erst durch diese beiden Akte wird der Held wirklich zu einem Sohn Jupiters. Zugleich wird er auch von Juno, die nicht seine leibliche Mutter ist, in die Familie aufgenommen. In diesem Kontext erlangt das Epitheton imperatorius eine weitere Bedeutung. Es umschreibt nicht nur Eugens Funktion als Feldherr und seine quasi-imperiale Stellung als Diplomat und Politiker, sondern drückt auch die Zugehörigkeit des Prinzen zur kaiserlichen Familie aus. Dass der Herrscher und die Herrscherin des Olymp in einem Wiener Palais für das Kaiserpaar stehen, bedarf keiner besonderen Begründung.³²³ Ebenso offensichtlich ist, dass die Vom Bau zum Bild
Aufnahme des Herkules in die Familie der Olympier der Lohn für seine Taten ist. Der Held hat sich seine Adoption regelrecht verdient. Und da die Herculis labores zweifelsfrei auf Eugens Verdienste um Kaiser und Reich anspielen, liegt es nahe, dass das Bildprogramm auch auf Eugens geistige Adoption durch die Habsburger anspielt – zumal die Jungenprobe, also die tugendhafte Bewährung der kaiserlichen Söhne, in der Ikonographie des Wiener Hofes eine wichtige Rolle spielt (vgl. C ...). Anders als bei Erzherzog Karl, der als Jungadler zur väterlichen Sonne emporfliegt, konstituiert Eugens Bewährung aber keinen Anspruch auf Erbfolge. Die Adoption des Prinzen ist von den Praktiken des römischen Adoptivkaisertums klar zu trennen. Es ging dem Kaiserhaus schlicht darum, ein Modell zu entwickeln, das Eugens Sonderstellung innerhalb des habsburgischen Herrschaftssystems plausibel machte. Denn wie Herkules nahm Eugen dank seiner außergewöhnlichen Leistungen eine etwas provokante Sonderstellung ein : Der Held des Mythos musste sich lange Zeit sowohl missgünstiger Menschen als auch eifersüchtiger Götter erwehren. Eugen wiederum hatte seine Stellung gegenüber den übrigen Wiener Adligen (von denen einige später gleichfalls die Herkules-Metapher in Anspruch nahmen³²⁴) ebenso zu behaupten wie gegenüber Mitgliedern der kaiserlichen Regierung. Doch auch für die Götter bzw. das Kaiserhaus war die Sonderstellung des Helden nicht unproblematisch. Die Götter befanden sich in der Verlegenheit, im Kampf gegen die Giganten – im Barock SinnDas Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
bild der Herrschaft, die gegen Feinde und Rebellen behauptet werde muss – auf einen Sterblichen angewiesen zu sein. Ebenso verdankte das Kaiserhaus seine Siege zumindest anfangs noch einem namenlosen Flüchtling, der überdies aus dem Land des französischen ›Erbfeindes‹ stammte. Für die Götter wie für die Mitmenschen des Herkules, für das Kaiserhaus wie für den Wiener Adel konnten diese Missverhältnisse nur durch die Integration der Helden in den jeweiligen familiären Ruhmesverband beseitigt werden. Als Adoptiv- oder sagen wir besser : als politischer Ziehsohn war der Held Teil des herrschenden Systems, sein Ruhm stand nicht mehr in Konkurrenz zum kaiserlichen Regiment, sondern stärkte dieses. Und von den gewöhnlichen Menschen konnte seine herausragende Stellung nicht mehr als Anmaßung empfunden werden. Wie sehr Eugens Erwählung zum politischen Ziehsohn mit seiner Integration in den habsburgischen Ruhmesverband einherging, wird auch an zwei Einzelheiten ersichtlich : In der Szene, in der Jupiter seinem Sohn das Sternenkleid reicht, hat Fama ihre Trompete abgesetzt. In Kapitel C ... wurde dies so gedeutet, dass an die Stelle des irdischen Ruhmes, der dem Menschen von Menschen gespendet wird, der göttliche Ruhm getreten sei. Ferner haben wir festgestellt, dass der Topos, Eugen habe anderen Fürsten deswegen Kronen entziehen und zuerkennen können, weil er selber keine getragen habe, demselben Denkmuster folgt. Überträgt man nun beide Vorstellungen auf Eugens Verhältnis zum Kaiser, so lautet die Botschaft : Die Ehre, dem Haus Habsburg zu dienen und diesem 191
geistig anzugehören, ist Ruhm genug und lässt jede souveräne Herrschaft entbehrlich erscheinen. Die zweite Einzelheit, auf die in diesem Zusammenhang hinzuweisen wäre, ist die Tatsache, dass Reinhard Keiser, Kammer-Komponist im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel , also fast zu derselben Zeit, in der Chiarini seine Fresken schuf, die Oper ›Die Verbindung des großen Hercules mit der schönen Hebe‹ komponierte. Das Werk war anlässlich der Vermählung von Amalie Wilhelmine von Braunschweig-Lüneburg mit Erzherzog Joseph, dem späteren Kaiser, entstanden. Auch in ihm steht der Herkules-Juventas-Mythos für die Aufnahme einer Person in die kaiserliche Familie, wenngleich die Rollen jetzt vertauscht sind, da es nun Hebe/Juventas ist, die über Herkules in die Götterrunde aufgenommen wird. Die im Stadtpalais inszenierte politische Adoption hätte für den Fall, dass Ludwig XIV. wirklich Eugens leiblicher Vater war, sogar eine besondere Pikanterie besessen – zumal Eugens neuer ›Ziehvater‹ Leopold in seinem Äußeren wie in seinem Wesen das absolute Gegenteil des Sonnenkönigs war.³²⁵ Auch erlangen die antiludovizianischen Aussagen des Bildprogramms (Kampf gegen die ungerechte Herrschaft, Sturz des hochmütigen Ikarus) vor dem Hintergrund der politischen Adoption noch mehr Schärfe. Nicht zuletzt erwies sich vor diesem Hintergrund Eugens Selbststilisierung zu einem zweiten Alexander als stimmig. Denn auch der Makedonenkönig sah sich als ein Sohn des Zeus bzw. des Jupiter, was bedeutet, dass er den eigentlichen Vater gleichfalls durch einen Über192
vater ersetzt hatte.³²⁶ Die gegen Ludwig gerichteten Züge der Herkules-Metapher erlaubten es Eugen sogar, den Erwerb von Verdienst und Prestige sowie die daraus resultierende Integration in die habsburgische Ruhmesunion mit der Ausübung von Rache zu verbinden. Darüber hinaus konnte der Prinz mit seiner antiludovizianischen Polemik unmittelbar an die Ikonographie Leopolds I. anknüpfen. Das galt für seine Repliken auf Desjardins Denkmal ebenso wie für das Motiv der dem Sonnenkönig vorenthaltenen Kaiserkrone (vgl. Kap. C ... u. ...). Eine psychologische Erklärung für seine Selbststilisierung wie für seinen geradezu obsessiven Leistungswillen liefert Eugens Biographie allemal. Dass Eugen den Status eines politischen Ziehsohns Leopolds unter dessen Nachfolgern Joseph I. und Karl VI. behalten durfte, ist offenkundig. Bekannt ist Eugens später gemachte Bemerkung, er habe Joseph wie einem Bruder gedient. Es liegt daher nahe, dass der Prinz auch gegenüber den neuen Kaisern die Rolle eines Ziehsohns einnahm. Auf der mentalen Ebene wäre die Akzeptanz eines solchen Verhältnisses Joseph wie Karl dadurch erleichtert worden, dass beide Herrscher keine eigenen Söhne besaßen. Auf der politischen Ebene hätte sich günstig ausgewirkt, dass auch der Savoyer keinen Sohn, ja nicht einmal eine Tochter hatte. Selbst seine Neffen Emanuel (–), Maurice (–), Eugène (–)³²⁷ sowie sein Großneffe Eugène (–) waren vorzeitig gestorben.³²⁸ Daher konnte Eugen seine Stellung ebenso wenig, wie er sie geerbt hatte, weitervererben. Seine Macht war nicht Vom Bau zum Bild
von Dauer, weshalb sie für das Kaiserhaus auch keine Konkurrenz und schon gar keine Bedrohung darstellte. Gleich einem Lehen fielen alle Würden und Ämter des Prinzen an das Erzhaus zurück. Dasselbe galt für die ungarischen Besitzungen in Ráckeve und Bellye.³²⁹ Selbst das Belvedere gelangte mittelfristig in habsburgischen Besitz (C ...). Insofern war es auch nur folgerichtig, dass die Kooptation unmittelbar nach Eugens Tod ihren Höhepunkt fand. Wie Pečar betont, nahmen die vom Kaiser höchstselbst ausgerichteten Trauerfeierlichkeiten Ausmaße an, die der europäischen Öffentlichkeit den Sonderstatus, den der Prinz genossen hatte, deutlich vor Augen führten : angefangen bei dem gewaltigen Leichenzug über das castrum doloris, das selbst die Katafalke Leopolds I. und Josephs I. an Höhe überragte, bis hin zur Dokumentation der Zeremonien in Beschreibungen und Druckwerken, zu denen natürlich auch die Publikation von Peikharts Leichenpredigt im Folio-Format gehört. Zusammenfassend lässt sich mit Pečar festhalten, dass all diese Maßnahmen »weit stärker an die Feierlichkeiten anlässlich eines Todesfalls in der kaiserlichen Familie als an das Trauerzeremoniell zugunsten eines wenn auch prominenten Mitglieds der adligen Hofgesellschaft« erinnerten.³³⁰ Noch mehr als dem lebenden eignete dem toten Prinzen das Epitheton imperatorius. Der partiellen Kooptation des Prinzen durch das Kaiserhaus entsprach die eine Rangebene tiefer praktizierte Vereinnahmung der angrenzenden Adelssitze durch die Architektur des Belvedere zu einer Art Adelshof. Die doppelte Tatsache, dass Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
der Prinz einerseits durch den Kaiser kooptiert wurde und er andererseits die Wiener Adligen in sein eigenes Repräsentationsgefüge zu integrieren suchte, machten ihn zu einem idealen Mediator – in politischer, vor allem aber auch in ideeller Hinsicht. Dazu gehörte eben auch, dass Eugen einige habsburgische Tugenden für sich mit beanspruchte. Im Rahmen der eben skizzierten Konstellation drückte dies nicht Rivalität, sondern familiäre Zugehörigkeit aus. Davon abgesehen implizierte sie eine demonstrative Huldigung an die moralische Vorbildfunktion des Erzhauses. Weil Eugen sich die kaiserlichen Tugenden zu Eigen gemacht hatte, konnte er sie dem Adel weitervermitteln – ähnlich wie Herkules in den Treppenhäusern des Reichsadels den Glanz der kaiserlichen Tugendsonne an die übrige Welt weitergibt und der Welt zugleich den Kaiser als Vorbild empfiehlt. Desgleichen wies der Prinz den Weg, wie man dem Kaiser auf rechte Weise diente. Eugen konnte seine Leitfunktion gegenüber dem Adel also gerade dadurch verstärken, dass er sich gegenüber dem Kaiser verdient machte und dadurch eine besondere Nähe zum Kaiser besaß.³³¹ Erneut ließen sich Anspruch und Bescheidenheit auf das Vorteilhafteste verbinden. Wie ein Heiliger war der Prinz Mittler, Vorbild, Patron sowie Diener und Beauftragter eines höheren Herrn, wobei er seinerseits ein Rollenmuster der Habsburgerkaiser übernahm, fühlten diese sich doch als Mittler zwischen dem Himmel einerseits und dem Reich sowie ihren Stammlanden andererseits.³³² Dies wiederum erlaubte es dem Kaiserhaus sogar, die mit Eu193
gen eingegangene Ruhmesallianz auf das Feld der eigenen Ikonographie auszudehnen. Dies geschah beispielsweise, indem Karl sich als ein zweiter Konstantin der Große feiern ließ, dem das Savoyer Kreuz als ein von Gott gesandtes, heilbringendes Symbol erschienen war (vgl. C ...). Das Belvedere, in dem die Glorifikation des Prinzen zelebriert wurde, stand letztlich also auch für dessen politische Heiligsprechung, für seine Aufnahme in den habsburgischen Olymp. Damit zeigt sich erneut, dass der Bau eben nicht nur ein simples Ruhmesmonument ist. Vielmehr manifestieren sich in ihm auch ganz bestimmte klienteläre Strukturen und Mechanismen. ... Eugen und der Reichsadel
Kommen wir abschließend zum Adelsdiskurs innerhalb des Reiches. Auf die Reichsritter, aber auch auf viele Territorialherren hat Eugen mit seiner Ritterlichkeit, die eben weit mehr bedeutete als das Verhalten eines Chevaliers oder Gentlemans, ganz sicher stilbildend gewirkt. Nicht weniger gelang ihm dies mittels seiner Bescheidenheit. Es ist schon bemerkenswert, dass Permoser, kaum dass er die ›Apotheose des Prinzen Eugen‹ vollendet hatte, für seinen eigentlichen Dienstherrn, August den Starken, zwei Figurengruppen fast gleichen Inhalts liefern musste. Die sog. Oberlichtenauer und die Elstraer Apotheose, die beide / in Sandstein gearbeitet und leider zerstört wurden,³³³ unterschieden sich von ihrem Wiener Vorbild allein dadurch, dass 194
die Schlange, die Viktoria/Virtus dem König entgegenhielt, nicht von der Sonne hinterfangen wurde und dass die Putten, die Eugen die Keule abnehmen wollen, fehlen. Außerdem blies nicht eine Fama, sondern ein Putto in die Ruhmestrompete, die ihrerseits eine ganz glatte Oberfläche besaß. Darüber hinaus hielt August in der Elstraer Gruppe statt der Keule einen Feldherrnstab. In allen übrigen Punkten war die Ikonographie identisch. August trug sogar wie Eugen über dem Kürass ein Löwenfell und die Kette des Ordens zum Goldenen Vlies. Vor allem aber hielt er seine Linke gleichfalls auf den Trichter der Ruhmestrompete. Freilich erreichten die beiden sächsischen Repliken nicht annähernd die Raffinesse der Wiener Gruppe – weder in ihrer formalen Ausarbeitung noch in ihrem Aussagegehalt, der völlig frei von versteckten Anspielungen und ironischen Brechungen ist. Folglich hatte August auch nicht seine Augen gesenkt. Vielmehr blickte er mit stolz erhobenem Haupt in die Ferne. Auch ruhte seine Hand nicht mit derselben Lässigkeit und nonchalance auf dem Trompetentrichter. Die Aussage, die Permoser ursprünglich intendiert hatte, wurde dadurch konterkariert. Kann man den Mangel an Lässigkeit noch dem Künstler bzw. seiner Werkstatt anlasten, so dürfte die Abweichung in der Kopfhaltung durchaus dem Wunsch des Auftraggebers entsprochen haben. Denn mit welchem Grund hätte Permoser hier eigenmächtig eine Veränderung seines Konzepts vornehmen sollen ? Offenbar wollte August, im Unterschied zu Eugen, auf seinen herrscherlichen Vom Bau zum Bild
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Habitus nicht verzichten. So geriet sein Bescheidenheitsgestus erst recht zur abgeschauten Attitüde. Gerade dies ist aber entscheidend : In nichts offenbart sich die gesamtgesellschaftliche Vorbildfunktion eines Einzelnen deutlicher als in ihrer unfreiwilligen oder unbeholfenen Nachahmung. Fast noch mehr als in seiner Bescheidenheit erwies Eugen sich in seinem meritokratischen Amtsverständnis als eine Leitfigur.³³⁴ Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Ikonographie der mit Eugen eng verbundenen Grafen von Schönborn.³³⁵ Wie Pommersfelden (siehe Kapitel C ..), aber auch die Würzburger Residenz sowie die Hofgärten von Seehof und Veitshöchheim zeigen, übernahmen die Schönborns und ihre Nepoten Carl Philipp von Greiffenclau und Adam Friedrich von Seinsheim vor allem den Topos des herkulischen Tugendhelden, der im Glanz der kaiserlichen Sonne zum Parnass als einem mons virtutis aufsteigt.³³⁶ Dieser Aufstieg, der im Würzburger Treppenhaus – wohl nach dem Vorbild von Eugens Stiege im Stadtpalais – mit einer Zunahme an Licht und räumlicher Weite einhergeht, legitimiert die Übernahme und die Ausübung herrschaftlicher Gewalt. Da Herrschaft in den geistlichen Hochstiften nicht erblich war, bestand die Notwendigkeit, sie mit den eigenen merita zu begründen, für einen Fürstbischof nicht weniger als für einen kaiserlichen Generalissimus und Statthalter. Diese Parallele war umso offenkundiger, als der meritokratische Gedanke der geistlichen Fürsten – die Würzburger Kaisersaalfresken zeigen es überdeutlich – im mittelalterlichen Lehnswesen wurzelt. Dieses war mit den LeitDas Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
tugenden der Treue und des Dienens einem ähnlichen Ehrenkodex verpflichtet war wie das Rittertum. Ein weiterer Indikator für Eugens Vorbildfunktion könnte das Belvedere bei Weimar sein. Wie Kapitel B . gezeigt hat, geht das Konzept dieses Baus zweifellos auf das Obere Belvedere zurück, das Herzog Ernst August von Sachsen Weimar Eisenach bei einer Wienreise kennengelernt hatte. Ein noch früherer Rezipient war Eugens Vetter Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (auf dessen Empfehlung der Savoyer in die kaiserliche Armee aufgenommen worden war³³⁷). Der Markgraf inszenierte sich in seiner Rastatter Residenz als ein Herkules, der im Dienst des Kaisers über die Türken gesiegt hat und dafür in den Olymp aufgenommen wird (Deckenbilder von Giuseppe Roli im Ahnensaal von /). Ebenso wird der Erbprinz als ein künftiger Herkules ausgewiesen (Audienzzimmer der Markgräfin von /). Übernommen wurde auch die doppelte Metaphorik des Treppenhauses, das einerseits als ein iter virtutis den Aufstieg zu Apoll paraphrasiert und andererseits den Sturz des exemplum negativum aus den Höhen des Himmels inszeniert. Allerdings ist der Antiheld in Rastatt nicht Ikarus, sondern Phaëthon, der sich die Lenkung des Sonnenwagens anmaßte und dabei die Erde in Brand steckte. Zur Strafe schleudert der auf einem Adler herbeifliegende Jupiter den Hochmütigen mit seinen Blitzen zur Erde herab. Die Anspielungen auf den ›Sonnenkönig‹ Ludwig XIV. und die von ihm veranlassten Mordbrennereien im pfälzischen Erbfolgekrieg, von denen 195
auch die Markgrafschaft Baden-Baden betroffen war, sind ebenso offensichtlich wie die Gleichsetzung des Göttervaters mit dem Kaiser und des göttlichen Aar mit dem Wappenvogel des Heiligen Römischen Reiches. Gleichsam zur Bekräftigung dieser Aussage schleudert Jupiter auch vom Dach der Rastatter Residenz herab seine Blitze über die Rheinebene hinweg gen Frankreich.³³⁸ Wie wir in Kapitel C .. sahen, übernahm Eugen das Motiv des vom Himmel stürzenden Phaëthon auf den Gedenkmedaillen, die er anlässlich seiner Siege über Ludwig XIV. prägen ließ – ein Beispiel dafür, dass Eugen nicht nur stilbildend wirkte, sondern sich auch seinerseits von der Ikonographie der Reichsfürsten inspirieren ließ. Eine weitere Übereinstimmung zwischen Eugen und der Adelskultur in den katholischen Territorien des Reiches bestand in der Überzeugung, dass Ironie die eigenen Werte und das eigene Prestige nicht hinterfrage, sondern von standesgemäßer Selbstgewissheit zeuge.³³⁹ In diesem Zusammenhang habe ich bereits das Bildprogramm des Dresdner Zwingers angeführt (C ...). Weitere Beispiele wären die Tiepolo-Fresken der Würzburger Residenz oder die Skulpturenprogramme der Hofgärten in Veitshöchheim und Seehof mit ihren burlesken Elementen.³⁴⁰ Erwähnt seien ferner die Vexierwasser im salzburgischen Hofgarten zu Hellbrunn und im Dresdner Zwinger³⁴¹ oder die kuriosen Neujahrsgeschenke, die der Kölner Kurfürst Clemens August seinen Höflingen alljährlich zukommen ließ, um die von ihm selbst verordnete Rangordnung des Hofstaates zu persiflieren.³⁴² Paradigmatisch ist auch die scherzhafte Äußerung des 196
Lothar Franz von Schönborn, bei seiner Familie handle es sich ja nur um »arme Westerwälder Edelleute«.³⁴³ Sie ist für die barocke Adelskultur umso bezeichnender, als die Erwähnung der einfachen Herkunft natürlich auch einen Hinweis auf den sozialen Aufstieg und damit auf die geleisteten Verdienste enthält. Überdies entsprach die Fähigkeit zur Selbstironisierung dem Ideal eines roi des honnêtes gens, also des wahren französischen Ehrenmannes, zu dessen Wesenszügen – anders als bei Ludwig XIV. – die ungezwungene Heiterkeit und die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, zählte. Allerdings möchte ich nicht ausschließen, dass Eugens Selbstdarstellung auch ein gewisses Konfliktpotenzial barg. Wie wir in den Kapiteln .. und ... gesehen haben, nährte die Tatsache, dass sowohl Joseph I. als auch sein Bruder und Nachfolger Karl VI. ohne männliche Erben waren, in den Kurfürsten von Sachsen und Bayern die Hoffnung, ihre Söhne, die beide mit Töchtern Josephs I. verheiratet waren, könnten das habsburgische Erbe antreten und auf diese Weise sogar in den Besitz der Kaiserwürde gelangen. Und zumindest Max Emanuel versuchte, diesen Anspruch im Österreichischen Erbfolgekrieg auch durchzusetzen (siehe C ...). Zwar hatte Karl VI. mit der Pragmatischen Sanktion ausgeschlossen, dass der Gemahl einer Erzherzogin selbst das österreichische Erbe antrat, doch hätte die Erbfolge der Gattinnen durchaus zu einer Kumulierung von sächsischer und österreichischer bzw. bayrischer und österreichischer Hausmacht führen können. Und zumindest in der nachfolgenden Generation hätte ein männlicher ThronVom Bau zum Bild
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folger das Erbe seiner Eltern in einer Person vereinen können. Darüber hinaus hätte die eheliche Verbindung mit einem im Mannesstamm ausgestorbenen Haus Habsburg die Aussicht auf Erlangung der Kaiserwürde deutlich verstärkt. Franz Stephan von Lothringen, der Gemahl Maria Theresias, ist hierfür das beste Beispiel. In gewisser Weise traten die Schwiegersöhne des Kaisers also zu Eugen als dem politischen ›Ziehsohn‹ der Habsburger in eine gewisse Konkurrenz. Ein weiteres Konkurrenzverhältnis ergab sich aus einer dritten Variante des Kaiser-(Zieh-)Sohn-Verhältnisses, das mir in Pommersfelden fassbar scheint. In Kapitel C .. haben wir gesehen, dass Lothar Franz von Schönborn sich im Treppenhaus als Hercules Imperii präsentierte, der für seine Verdienste um Kaiser und Reich mit der Unsterblichkeit belohnt wurde. Immerhin hatte der Kurfürst dem damaligen Erzherzog und designierten spanischen König Karl III., indem er seine Wahl zum Kaiser im Kurkolleg durchsetzte, einen der goldenen Hesperidenäpfel in Gestalt des Reichsapfels gereicht. Zuvor war die Eligibilität Karls dadurch erhöht worden, dass der Schönborn-Bischof die Konversion von Karls künftiger Gemahlin, der Prinzessin Elisabeth Christina von Braunschweig-Wolfenbüttel, betreut und das Paar wenig später im Bamberger Dom vermählt hatte. Daher symbolisierte einer der Hesperidenäpfel des Pommersfeldener Herkules auch den Parisapfel, den Lothar Franz der künftigen Kaiserin zuerkannt hatte.³⁴⁴ Seine innige Verbundenheit mit dem Kaiserpaar demonstrierte Lothar Franz nicht nur, indem er im Marmorsaal des Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Schlosses Porträts von Karl und Elisabetha Christine anbringen ließ. In den Galerien des Treppenhauses ließ er neben den Taten des Herkules auch die Taten Jupiters darstellen. Dass der Göttervater auch in Pommersfelden auf den Kaiser anspielt, liegt auf der Hand. Aber wieso bemühte Lothar Franz diesen Gott überhaupt, wo der Kaiser im Treppenhaus doch schon durch Apoll repräsentiert wird ? Die Antwort könnte lauten, dass Jupiter und Apoll auf zwei verschiedene Aspekte des Kaisertums alludieren. Der von den Planetengöttern umgebene Sonnengott steht für das Kaisertum, das die Herrschaft über das Reich zusammen mit den Kurfürsten ausübt. Der Göttervater hingegen könnte für den Kaiser als den pater patriae, als den »Vater des Reichs« stehen.³⁴⁵ In diesem Kontext wären die Kurfürsten die Göttersöhne, allen voran Lothar Franz als Hercules Imperii. Offenbar bemühte also auch der Mainzer Kurfürst die VaterSohn-Metapher, freilich auch nur im geistigen Sinne. Darüber hinaus unterschieden sich die Funktionsbereiche. Was Eugen in den habsburgischen Erblanden war, war Lothar Franz auf der Reichsebene. Ein weiterer Unterschied bestand darin, dass Lothar Franz qua Amt ein Sohn des pater imperii war. Seine merita konstituieren die Sohnschaft nicht wie im Fall Eugens, sondern waren Ausfluss und nachträgliche Legitimation derselben. Diesen Anspruch dokumentierte Lothar Franz auch im Reichskanzleitrakt der Hofburg, in dem die ihm als dem Reichserzkanzler unterstehenden Behörden, die Reichskanzlei und der Reichshofrat, untergebracht waren. Ab schuf 197
der Pommersfeldener Kabinettmaler Byß im Großen Saal ein Fresko. Es zeigt die Kurfürsten, die, angeführt von Lothar Franz, Kaiser Karl den Reichsapfel darreichen. Damit dokumentierte der Kurfürst auch auf dem Boden der Kaiserresidenz seinen Anspruch, ein Sohn des Kaisers zu sein. In Pommersfelden selbst dürfte sich die Behauptung dieser Sohnschaft indes gegen die übrigen Mitglieder des Kurkollegs gerichtet haben, vornehmlich gegen jene, die als Schwiegersöhne des verstorbenen Joseph I. auf das habsburgische Erbe spekuliert hatten oder noch spekulierten. Eben deren Pläne hatte der Hercules Imperii durch die Wahl Karls VI. zunichtegemacht : Indem er die Äpfel der Hesperiden dem Kaiserpaar übergab, beendete er nicht nur das Reichsvikariat Augusts des Starken, sondern sicherte auch die einstweilige Erbfolge des Hauses Habsburg. Und mit beiden Maßnahmen stärkte er seine eigene Position innerhalb des Reichsfürstenstandes. Eugens geistige Adoption durch das Kaiserhaus war letzten Endes also Teil eines politischen Diskurses. Für diesen ikonographischen ›Kampf der Göttersöhne‹ hatte Eugen wesentliche Bildchiffren geliefert, zugleich aber auch ideelle Maßstäbe gesetzt. Insofern wirkte er auch in diesem Punkt stilbildend. ... Eugens Polemik gegen Ludwig XIV. als Teil eines europäischen Diskurses In dem Maße, in dem Eugen sich in die Kultur des Wiener Hofes und der katholischen Reichsstände integrierte, bezog 198
er eine Gegenposition zum Herrschaftsdiskurs der französischen Monarchie. Das galt für die Legitimation seines Aufstiegs durch das Verdienst ebenso wie für seine buchstäblich supranationale, auf die »Sicherheit Europas« zielende Politik, die dem zentralistisch-absolutistischen Hegemoniestreben der französischen Krone diametral entgegenstand.³⁴⁶ Damit dürfte der Prinz auch auf weite Teile der europäischen Öffentlichkeit³⁴⁷ vorbildlich gewirkt haben – ein Aspekt, der ein großes Forschungsdesiderat darstellt und der hier nur noch gestreift werden kann. In einigen Ländern gab es sogar vergleichbare antifranzösische Diskurse, an denen etwa Wilhelm von Oranien oder der Herzog von Marlborough beteiligt waren.³⁴⁸ Und gerade im europäischen Kontext demonstrierten Bauten wie Blenheim Palace oder das Belvedere, aber auch die Adelssitze in Wien und die Residenzen der deutschen – Reichsfürsten, wie weit es ein Adliger bringen konnte, wenn er nicht in das System des Versailler Absolutismus eingebunden war, sondern in Staaten lebte, die entweder die ständischen Privilegien oder aber das Verdienst anerkannten.³⁴⁹ Zugleich wurden Ludwigs Streben nach grandeur und sein übertrieben-humorloses Pathos auch in diesen Ländern als Ausdruck von Gier, Hybris, Selbstherrlichkeit und Maßlosigkeit betrachtet.³⁵⁰ Der Sonnenkönig selbst scheint angesichts der Verherrlichung seiner Person bisweilen sogar ein Unbehagen verspürt zu haben. So ließ er , als er die Errichtung eines Reiterstandbildes in Paris genehmigte, in einem Memorandum wissen, dass er sich einen glatten Sockel wünsche »in Vom Bau zum Bild
einem Wort : nichts, was den Reliefs, Sklaven und Inschriften auf der Place des Victoires ähnele«.³⁵¹ Innerhalb der antiludovizianischen Diskurse in Europa erschien Eugens Kampf gegen Frankreich als exemplarische Bestrafung all derer, die Herrschaft unverdientermaßen und unrechtmäßig ausübten und dabei nicht zuletzt die Werte der christlich-abendländischen Wertegemeinschaft verrieten.³⁵² Dies galt natürlich auch für Eugens Siege über die Türken. Wie die Bildunterschrift im Titelkupfer zu Kleiners Werk zeigt, rächte der Prinz mit ihnen das Unrecht, das die Christenheit durch die türkische Aggression erlitten hatte.³⁵³ Eugens Ablehnung des in Versailles herrschenden politischen Systems schloss eine Aufgeschlossenheit gegenüber der Pariser Mode in Fragen der Kleidung und der Wohnkultur ebenso wenig aus wie eine Verpflichtung gegenüber dem Ideal des homme des honêttes. Wie weltoffen Eugen dachte, zeigt sich allein daran, dass er seine Dokumente mit ›Eugenio von Savoy‹, also »in dieser Zusammensetzung dreier Sprachen zu unterschreiben pflegte«³⁵⁴ und darüber hinaus für seinen Epitaph die Inschrift ex Prosapia Sabaudus, Natione Gallus, Corde Germanus in Erwägung zog.³⁵⁵ Deshalb – und weil es Eugen gelang, seine Selbstinszenierung auf die Diskurse der für seine Stellung relevanten Höfe sowie auf weite Teile der öffentlichen Meinung in Europa abzustimmen – galt das Belvedere trotz seines ›imperatorischen‹ Habitus nicht wie Versailles als eine Manifestation von Hybris oder Maßlosigkeit. Ebenso wenig stand es wie die Paläste eines Das Belvedere als Bild adligen Selbstverständnisses
Fouquet, Wallenstein oder Czernin für gescheiterte Ansprü- che. Vielmehr repräsentierte es wie kaum ein anderes Schloss das Verdienst, den Ruhm, die Souveränität und die moralisch unzweifelhafte Lebensweise eines ritterlichen roi des honnêtes gens. Allerdings hatte dieses Profil eine Kehrseite. Eugen war als ein Fremder nach Wien gekommen, hier hatte er buchstäblich seine Zelte aufgeschlagen. Wie das Schloss hatte er alles, was er besaß und was er war, sich selbst erschaffen. Aber die Einzigartigkeit dieser Stellung bedingte es auch, dass niemand Eugens politisches Vermächtnis übernehmen konnte. Ebenso fehlte ein geeigneter Erbe für den privaten Besitz. Der plötzliche Tod im November hatte den Prinzen daran gehindert, ein Testament aufzusetzen und dieses beglaubigen zu lassen. Daher fiel der größte Teil der Hinterlassenschaft an Victoire, die Tochter von Eugens ältestem Bruder Louis Thomas. Bar jeglichen Familiensinns, veräußerte die Nichte die Besitztümer Stück für Stück. Glücklicherweise konnte das Kaiserhaus neben der Bibliothek und der Graphiksammlung wenigstens die Wiener Paläste erwerben.³⁵⁶ Bisweilen, so scheint es, ist die Geschichte in ihrer Zufälligkeit nicht nur launisch, sondern auch tückisch. Als Göttin des Sieges hatte Viktoria Eugens Aufstieg begründet. In ihrer Gestalt hatte der Prinz sogar nach dem Lorbeer Ludwigs XIV. ge- griffen. Und nun verdunkelte eine Viktoria den Glanz, den das Belvedere bis dahin als ein »Siegs-Lager« besessen hatte. Die Wiener Bevölkerung scheint die Bitterkeit dieser Ironie durch199
aus erkannt zu haben. So war denn eines Tages an die Pforte des Winterpalais ein Zettel mit folgender Frage geheftet : Est-il possible que du Prince Eugène la gloire Soit ternie par une si vilaine Victoire ? ³⁵⁷ (Kann es sein, dass der Ruhm des Prinzen Eugen durch eine so niederträchtige Viktoria getrübt worden ist ?)
Jedenfalls wurde das Obere Belvedere in der Folgezeit unter Joseph II. als Museum genutzt, später diente es dem Thronfolger Franz Ferdinand als Residenz. Nach dem Ende der Monarchie fand es dauerhaft als Museum Verwendung.³⁵⁸ Auf diese Weise blieb es wenigstens ein Musensitz. Dennoch hatten die diversen Umnutzungen ihren Preis : Durch die nachträgliche Verglasung und Vergitterung vormals offener Fassadenteile sowie die zeitweilige Verbauung der Hofseite mit einer zusätzlichen Einfahrt ging die Lesbarkeit der Architektur weitgehend verloren. Von Anfang an hatte Hildebrandts Architektur mit ihrem ephemeren Zeltcharakter, wenngleich unbeabsichtigt, die Vergänglichkeit von Eugens Stellung widergespiegelt. Nun verlor sie auch noch ihre ikonographische Evidenz. Das Bild imperatorischer Würde und ritterlichen Verdienstes, das der Bau einst zeichnete, fiel der Vergessenheit anheim. Es verflüchtigte sich – gleich dem Spiegelbild des Schlosses, das auf den Wellen des Hofbassins tanzt und erzittert, bis der Wind es verweht. 200
Anmerkungen Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »Quel corpo opaco si dimostrarà essere di minore rilevo, il quale sarà più distante dall’occhio ; e questo accade perché l’aria interposta infra l’occhio et esso corpo opaco, per essere lei cosa chiara ›piu‹ che l’ombra di tal corpo, corrompe essa ombra, e la rischiara, et gli toglie la potenzia della sua oscurità, la qual cosa è causa di far perdergli il suo rilevo« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. Leonardo Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »Li termini di quello obietto saranno manco noti, che fien’ veduti in maggiore distanzia.« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. b : »Infra le cose d’equale spessitudine, quelle che sarano più vicine all’occhio, parranno più rare, et le più remote si mostraranno più spesse« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »Quella parte dell’edificio sarà manco evidente, che si vedrà in aria di maggior grossezza ; e così de converso sarà più noto che fia veduto in aria più sottile« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, Parte terza, Nr. , S. : »… come si vede in lunga distanzia li merli delle fortezze avere li spaci loro ecquali alla larghezza delli merli, e parere assai maggiore lo spacio che ’l merlo ; et in distanzia più remota lo spacio occupa e copre tutto il merlo, e tal fortezza sol mostra il muro diritto e sanza merli« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »La prima cosa, che de’ colori si perde nelle distanzie è il lustro, loro parte minima, et è il lume de’ lumi : secondaria è il lume, perchè minor de l‘ombra ; terzia è l’ombre prinVom Bau zum Bild
aus erkannt zu haben. So war denn eines Tages an die Pforte des Winterpalais ein Zettel mit folgender Frage geheftet : Est-il possible que du Prince Eugène la gloire Soit ternie par une si vilaine Victoire ? ³⁵⁷ (Kann es sein, dass der Ruhm des Prinzen Eugen durch eine so niederträchtige Viktoria getrübt worden ist ?)
Jedenfalls wurde das Obere Belvedere in der Folgezeit unter Joseph II. als Museum genutzt, später diente es dem Thronfolger Franz Ferdinand als Residenz. Nach dem Ende der Monarchie fand es dauerhaft als Museum Verwendung.³⁵⁸ Auf diese Weise blieb es wenigstens ein Musensitz. Dennoch hatten die diversen Umnutzungen ihren Preis : Durch die nachträgliche Verglasung und Vergitterung vormals offener Fassadenteile sowie die zeitweilige Verbauung der Hofseite mit einer zusätzlichen Einfahrt ging die Lesbarkeit der Architektur weitgehend verloren. Von Anfang an hatte Hildebrandts Architektur mit ihrem ephemeren Zeltcharakter, wenngleich unbeabsichtigt, die Vergänglichkeit von Eugens Stellung widergespiegelt. Nun verlor sie auch noch ihre ikonographische Evidenz. Das Bild imperatorischer Würde und ritterlichen Verdienstes, das der Bau einst zeichnete, fiel der Vergessenheit anheim. Es verflüchtigte sich – gleich dem Spiegelbild des Schlosses, das auf den Wellen des Hofbassins tanzt und erzittert, bis der Wind es verweht. 200
Anmerkungen Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »Quel corpo opaco si dimostrarà essere di minore rilevo, il quale sarà più distante dall’occhio ; e questo accade perché l’aria interposta infra l’occhio et esso corpo opaco, per essere lei cosa chiara ›piu‹ che l’ombra di tal corpo, corrompe essa ombra, e la rischiara, et gli toglie la potenzia della sua oscurità, la qual cosa è causa di far perdergli il suo rilevo« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. Leonardo Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »Li termini di quello obietto saranno manco noti, che fien’ veduti in maggiore distanzia.« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. b : »Infra le cose d’equale spessitudine, quelle che sarano più vicine all’occhio, parranno più rare, et le più remote si mostraranno più spesse« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »Quella parte dell’edificio sarà manco evidente, che si vedrà in aria di maggior grossezza ; e così de converso sarà più noto che fia veduto in aria più sottile« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, Parte terza, Nr. , S. : »… come si vede in lunga distanzia li merli delle fortezze avere li spaci loro ecquali alla larghezza delli merli, e parere assai maggiore lo spacio che ’l merlo ; et in distanzia più remota lo spacio occupa e copre tutto il merlo, e tal fortezza sol mostra il muro diritto e sanza merli« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »La prima cosa, che de’ colori si perde nelle distanzie è il lustro, loro parte minima, et è il lume de’ lumi : secondaria è il lume, perchè minor de l‘ombra ; terzia è l’ombre prinVom Bau zum Bild
cipal ; e rimane nell’ultimo una mediocre scurità confusa« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »La seconda [causa] è, che infra l’occhio e le cose distanti s’interpone tanto d’aria, ch’ella si fa spessa e grossa per la sua bianchezza ; essa tinge l’ombre e le vela della sua bianchezza, e le fa d’oscure un colore il quale è tra nero et biancho …« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). Leonardo [], Bd. II, S. : Parte terza, Nr. : »Quella cosa sarà manco nota, la quale fia piu remota dal’occhio. Questo accade, perché quelle parte prima si perdano che son più minute, e le seconde, men minute, son perse nella maggior distanzia ; et così successivamente seguitando a poco a poco, consumandosi le parti, si consuma la notizia della cosa remossa, in modo, che al fine si perde tutte le parte insieme col tutto ; e manca ancora il colore per causa della grossezza dell’aria, che s’interpone infra l’occhio e la cosa veduta« (Dt. Übersetzung nach Leonardo , Bd. I, S. ). So bezeichnete beispielsweise der englische Dichter Spence den englischen Landschaftsgarten als eine »Gemäldegalerie« unter freiem Himmel (vgl. Buttlar , S. ). Zugleich wurde das Wandern im Bild in der zweiten Hälfte des . Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil der Kunsttheorie, man denke nur an die berühmte Vernet-Promenade Diderots von oder an die ästhetischen Schriften Alexander Gottlieb Baumgartens und Christian Ludwig Hagedorns (vgl. Jürgensen , S. –). Leonardo [], Nr. , S. – : »Quel corpo opaco si dimostrara di maggiore rileuo, il qual fia piu uicino all’occhio, et per consequentia la piu remota si dimostrera di minore rileuo, cioè meno spicata dal suo campo.« Grimschitz , S. Grimschitz , S. Grimschitz , S. XVII–XVIII Grimschitz , S. Vgl. Hetzer , Bd. , S. –. Thürlemann , S.
Anmerkungen Teil C
Thürlemann , S. – Ost ; Du Prey ; Fagiolo Thürlemann , S. . Siehe auch Ganz , S. . Stephan a, S. – Siehe v.a. Pseudo-Dionysius Areopagita () XIII (, – u. , –). Thürlemann , S. Ganz , S. – Enggass , fig. Bauer , S. Lavin , Bd. I, S. , Anm. Ganz , S. Belting Belting , S. Vgl. Tripps . Vgl. Mühlen , S. . Belting , S. – Boehm , S. –, v.a. S. Ders., S. Boehm , S., – Aurenhammer , ders. Seeger Krapf u. ders. Aurenhammer Krapf Wie bedeutsam die Zugehörigkeit zur Hofkonferenz war und in welchem Maße sie als Gradmesser für Prestige und Nähe zum Kaiser diente, hat Pečar , S. –, herausgearbeitet. Seeger , S. . Siehe auch Matsche , S. – u. Garas , S. –. Krapf , S. – Krapf , S. –
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Peikhart , S. – : »eugenius ware ein Sprossen aus dem Alt-Savoyischen / nunmehro Königlich-Sardischen Hauß und hatet in seiner Stammen-Reih viel deren Helden / worauß einige den Welt-Boden unter ihren Füssen offt zittern machten.« Braubach –, Bd. I, S. – ; Bd. V, S. Zit. nach Braubach –, Bd. I, S. . Siehe hierzu die ausführliche Darstellung bei Cox , S. –. Cordero di Pamparato u. Cox , S. –, v.a. – Peikhart , S. Scott , passim ; Reinhardt/Büchel , passim ; Karsten , v.a. S. – Die wichtigsten Beiträge zum Baugedanken von S. Andrea al Quirinale finden sich bei : Connors , Frommel , Marder , Terhalle , Karsten , S. –, ders. , S. –, besonders aber Gijsbers . Stephan a, S. – u. ders. b, S. – Zur Heirat und dem damit verbundenen Skandal siehe Chiomenti Vassalli , S. –. Stephan , Bd. II, S. Winterling , S. Hansmann , S. Zu den kurialen Vorbehalten gegenüber Clemens Augusts kirchlicher Karriere siehe Braubach , S. –. Grubelnik/Kurdiovsky/Pichler , S. –. Vgl. Seeger , S. – . So äußerte etwa Bauer, Eugen sei alles andere als ein Haudegen gewesen und die gesamte Anlage des Belvedere stehe letztlich für den »Triumph des Helden, [seinen] Anspruch auf die Ehre, Ruhe bei den Künsten und [für] Befriedung« (Bauer , S. –). Siehe auch Matsche , S. – u. Krapf , S. . Seeger , S.
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Vgl. Aurenhammer , S. , Hansmann , S. u. Bauer , S. . Stephan , Bd. I, S. – ; vgl. Krapf , S. . Vgl. Anm. . Peikhart , S. Vgl. Bauer , –. Erben , S. Eine zeitgenössische Abbildung der Ehrengaben findet sich bei Braubach –, Bd. III, S. . Peikhart , S. Stephan , S. – und ders. , Bd. II, S. –. Zur Übernahme dieser Überlegungen durch die Forschung siehe Polleroß , S. – ; Krapf , S. u. Grubelnik/Kurdiovsky/Pichler , S. –. In diesem Sinne wird der Gigant auf dem Revers einer Medaille, die Christian Wermuth nach der Einnahme Belgrads prägte, mit den besiegten Türken identifiziert. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI . u. ebenda, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. bß ; vgl. Popelka , Kat.-Nr. , S. . Als Hofkriegsrat erhielt Eugen eine reguläre Besoldung von . fl., wozu regelmäßig . fl. ›Adjuta‹ kamen (Pečar , S. –). Ungleich höher waren die Einnahmen aus den Statthalterposten in Mailand und in den spanischen Niederlanden. Sie betrugen ungefähr . fl. pro Jahr (Pečar , S. –). Nicht weniger fielen die Belohnungen für erfochtene Siege ins Gewicht. Nach Zenta erhielt Eugen bis Ländereien in Ungarn im Wert von rund . fl. schenkte Karl VI. dem Prinzen weitere Güter in Ungarn im Wert von . fl. erfolgte schließlich noch eine Zahlung von . fl. (Pečar , S. ). Zum barocken Motiv des Sternenkleides als Symbol der Unsterblichkeit siehe Stephan , S. , Anm. . Ausführlich beschrieben wird die Ausstattung der beiden Salons bei Grubelnik/Kurdiovsky/Pichler , S. –. Vom Bau zum Bild
So meinte etwa Johann Rist : »Nicht nur sage ich/das das Hofleben das AllerEdelste Leben der gantzen Welt sei/sondern ich schätze es noch viel höher/ja/darf mich wol erkühnen/es ein recht Göttliches Leben zu nennen. Den/einmahl ist unläugbar/das die grosse Potentaten vom heiligen Geiste selber/Götter genennet werden/den/gleich wie GOtt im Himmel/ also regiren grosse Herren auf Erden : Sind nun diselben Götter/ey/so mus auch ja ihr Leben/ein göttliches/und demnach das AllerEdelste Leben der gantzen Welt sein« (Rist ; zit. nach Barner, , S. ). Zur Gleichsetzung des Götterhimmels mit dem Adel siehe auch Matsche , Bd. I, S. – ; Bauer , S. – ; Lindemann , S. – ; Krapf . Zur Widerlegung der ludovizianischen Sonnenmetapher seitens des Prinzen Eugen, des Wiener Hofes und des deutschen Reichsadels siehe Polleroß u. Stephan , Bd. I, passim, v.a. S. –. Die kaiserlichen Propaganda stellte Franzosen und Türken sogar als unmittelbare Verbündete dar ; vgl. Schumann , S. – u. . Peikhart , S. Rink , S. Zit. nach Braubach –, Bd. II, S. . Z. B. auf der Medaille, die Martin Smeltzing nach dem Entsatz von Turin prägte. Brüssel BRA ; vgl. Popelka , Kat.-Nr. . Oder die von Martin Brunner nach der Schlacht von Malplaquet geschlagene Medaille ; Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI . u. ebenda, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. bß ; vgl. Popelka , Kat.-Nr. . Oder : Nicolas Chevaliers Medaille von ; vgl. Popelka , Kat.-Nr. . So auf der Medaille, die Caspar Gottlieb Lauffer und Friedrich Kleinert anlässlich der Einnahme von Lille im Jahre prägten. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI . und ebenda, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. bß .. Vgl. Popelka , Kat.-Nr. . Sandrart –, Bd. III/, S. ; Polleroß , S. – Kurdiovsky/Grubelnik/Pichler , S. – u. Abb. Anmerkungen Teil C
Grundlegend war neben den Schriften Senecas v.a. das Werk ›De Constantia‹ von Justus Lipsius (Lipsius []). Zum Einfluss dieser Schrift auf die frühneuzeitliche Philisophie und Herrschaftsethik siehe Abel , S. . Peikhart , S. Peikhart , S. , u. Braubach –, Bd. I, S. –. Trotz ihrer Unschuld war Olympia überzeugt, diese angesichts der gegen sie angezettelten Intrigen nicht beweisen zu können (ebenda, S. –). In zeitgenössischen Äußerungen, vor allem in den Briefen der Lieselotte von der Pfalz, ist mehrfach spöttisch von Eugens kurzer Nase, seinem offenen Mund, den zwei großen vordersten Zähnen, den platten schwarzen Haaren und dem kleinen Wuchs die Rede (vgl. Braubach –, Bd. I, S. –). Zu den Motiven und Verlauf der Flucht siehe Braubach –, Bd. I, S. –. Klett , S. Hierzu ausfürlich : Braubach –, Bd. I, S. – Braubach –, Bd. I, S. Über Eugens Jugend, die tatsächlich recht freudlos gewesen sein muss, siehe Braubach –, Bd. I, S. – u. –. So schrieb der Prinz an seinen Freund, den sächsischen General Wackerbarth, man möge »den Bildhauer freundlichst von Zeit zu Zeit antreiben, ohne aber seinem Genie zu nahe zu treten« (vgl. Katalog Barockmuseum , S. u. Braubach –, Bd. V., S. ). Zur Entstehung und Bedeutung des Werkes siehe u. a. Haberditzl, , S. LIII ; Kat. Barockmuseum , S. ; Braubach –, Bd. V, S. – ; Kat. Barock , Nr. ; Aurenhammer , S. ; Asche , S. – ; Katalog Barockmuseum , S. ; Mraz a, S. ; Mraz b, S. . Hierzu ausfürlich : Stephan , S. – u. ders. , Bd. I, S. –
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Piltz , S. ; der gesamte Text bei Aurenhammer, H. , S. Peikhart , S. Rink , S. Hierzu ausführlich : Asche Auf den Charakter des Zwingers als »Königlicher Orangerie« weist Pöppelmann bereits im Titel seines Stichwerks hin. Darüber hinaus berichtet der Architekt, er habe die Anlage als »Thermae, Circus, Palestra, Theatrum, Colosseum, Amphitheatrum, Basilicum [sic !], Xystus, Peristylum, Atrium, Oecus, Arcus, Portibus, Pinacotheca, Bibliotheca etc.« konzipiert. (Bericht, Wegen der Kupffer-Stiche, Sp. , Anm. (*), in : Pöppelmann . o. S.) Hempel , S. u. Marx , S. . Auf die überwiegende Nutzung des Zwingers als Fest- und Turnierplatz, die sich ab durchsetzte, weist Pöppelmann gleichfalls hin, indem er dem Zwinger u. a. mit »Renne-Bahnen, Fecht-Ring-Jagd- und Kampff-Plätzen« vergleicht und ihn als eine »länglicht-runde{r} Schau-Burg« bezeichnet, »darinnen man zu öffentlichen Siegs-Lust- und Pracht-Aufzügen, auch zu Vollziehung aller Ritterlichen Leibes-Übungen zu Fusse, zu Pferde oder zu Wagen die vollkommenste Bequemlichkeit hatte« ; Bericht, Wegen der KupfferStiche, Sp. , in : Pöppelmann , o. S. Zur Tradition der Ritterspiele in Dresden siehe Watanabe-O’Kelly , v.a. – u. –. Eine ausführliche Analyse des Bildprogramms habe ich in Stephan zu geben versucht. Dort findet sich auch weiterführende Literatur. Siehe Anm. . Brief vom . Oktober , in : Feldzüge –, Bd. XVI, S. ; vgl. auch Oppenheimer , S. –. Freundlicher Hinweis von Hofrat DR. Michael Krapf, Wien. Braubach –, Bd. V., S. Scheyb , Vorrede. Krapf , S. u. ders. , S. Vgl. Ilg , S. u. Aurenhammer , S. . Braubach –, Bd. V, S. Vgl. Klett , S. –.
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Hierzu und zu den nachfolgenden Deutungen siehe Saint Simon , S. – u. Gaehtgens , S. . Ziegler , S. – Vgl. Nicolai , passim. Siehe hierzu ausführlich Simon , S. u. Ziegler , S. –. Frank , S. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv ; vgl. Ziegler , S. u. Abb. . Schumann , Abb. Vgl. Stephan , Bd. II, S. (Kommentar zu Abb. ). Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. bß . und .–B ; vgl. Popelka , Kat.-Nr. Erklärungen , S. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI – ; vgl. Popelka , Kat.-Nr. . Das Zitat stammt aus der Äneis, I, . Siehe Vergil, Äneis XI, . Karsten , S. Wie wenig der französische Hof mit Phantasie anzufangen wusste, hat Erben , S. – anhand von Berninis Paris-Reise gezeigt. Mehrfach betonte der Künstler, wie konstitutiv die fantasia für seine Entwürfe sei. Diese wurde von Colbert und Charles Perrault hingegen als theatralische Illusion und als ein Mangel an Präzision abgetan. Pseudo-Dionysius Areopagita (), XV, A. Siehe den Stich von François Poilly nach einer Zeichnung Gian Lorenzo Berninis, in : Zucchi , Bd. II. Weitere Beispiele aus der Emblematik der Renaissance und des Barock bei Prater , S. . Matsche b, S. – Piltz , S. Beispielhaft genannt seien die Portalrisalite III, IV und V, die fünf Risalite des großen Schlosshofs, die Deckenbilder in der Zweiten Paradevorkammer und im Rittersaal sowie der Gewölbestuck der Bildergalerie. Vom Bau zum Bild
Darüber hinaus ist der Löwe das Attributstier verschiedener Fürstentugenden, etwa der heroischen Tugend, der Großherzigkeit oder der Werthaftigkeit (Ripa , S. u. ). Braubach –, Bd. I, S. – Schimmer , Bd. II, S. Der vollständige Text lautet : f[ranciscus] evgenivs. sabavd[iae] et pedemont[is] princesps. marchio. salut[iensivm]. avr[ei]. vell[eris]. eqves. caroli. vi. avgusti. et. s[acri] r[oman i] i[mperii]. svpremvs. exercitvvm. dvx. invictissimvs. Peikhart , S. Rink , S. Braubach –, Bd. V, S. Das Gemälde, das sich früher in Eugens Besitz befand, hängt heute in der Galleria Sabauda zu Turin. Zum Feindbild des Türken in der abendländischen Gesellschaft siehe Delumeau , Bd. II, S. –. Vgl. z. B. Popelka , Kat.-Nr. , , –, , , –, –, –, –, , , a, . Zu denken wäre etwa an die ehem. Gesandtentreppe in Versailles. Nach der Interpretation von Charles Le Bruns Biographen Claude Nivelon stand auf der einen Längsseite des Treppenhauses Apoll, der als Protagonist Ludwigs XIV. über den Pythondrachen, das Sinnbild der Fronde von –, triumphierte ; vgl. Marie , S. . Düsseldorf, Kunstmuseum, Inv.-Nr. FP ; vgl. Volk, Kat.-Nr. , S. –. Zu Max Emanuels Einsatz auf Seiten der Franzosen siehe Braubach – , Bd. I, S. –, –, –. Nach Höchstädt band sich der Kurfürst, der sein Territorium einstweilen nicht mehr halten konnte, noch stärker an den Versailler Hof (Braubach –, Bd. II, S. –). Hierzu ausfürlich : Stephan , Bd. I, S. –. Abb. bei Haidacher , S. Braubach –, Bd. V, S. Anmerkungen Teil C
Über Bonnevals Verurteilung durch den Hofkriegsrat, dem Eugen präsidierte, und die angebliche Illegalität des Verfahrens siehe Braubauch , Bd. IV, S. –. Werner , S. – Aurenhammer, H. , S. – Krapf , S. Plutarch , II, – Kat. Alexander , Nr. , , , – Hölscher , S. Rink , S. – Peikhart , S. , , , , –, , Peikhart , S. : »Kaum ware er das Haupt von tausend berittenen Kriegs-Männern / da hat man ihme schon in dem .sten Jahr seines Alters gantze Arméen anvertrauet …« Vgl. Peikhart , S. –. Braubach –, Bd. I, S. Siehe Anm. . Aurenhammer , S. ; vgl. Krapf , S. u. . Uhrsprung , Punkt . Zur Bedeutung des Pferdes für das Rittertum siehe Rogalla von Bieberstein , S. –. Siehe hierzu etwa Vosters , passim. Peikhart , S. Peikhart , S. Paravicini , S. – Vgl. Krapf , S. Vgl. Aurenhammer , S. u. Krapf , . Matsche , Bd. I, S. Siehe hierzu Braubach –, Bd. I, S. . Max Emanuels Anteil an der Entsetzung Wiens ist bei Braubach – , Bd. I, S. – ausführlich beschrieben. Zu weiteren Einsätzen des Kurfürsten gegen die Türken siehe ders. I, S. – u. –. Hierzu ausführlich : Prater , S. –.
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Prater , S. – Hierzu ausführlich : Gareau , S. –. Zu den Quellen siehe Posner , S. – u. Richter , S. – . »En se surmontant soy-mesme, il surmonte, non pas des peuple barbares, mais le Vainceur de toutes Nations« (Félibien /, S. . Dt. Übersetzung nach Körner , S. ). Körner , S. »Ce rare Ouvrage que son excellent Auteur vient d’achever, est moins une production de son art & de sa science, qu’un effet des belles idées qu’il a receûés de V. M.« (Félibien /, S. ; einschließlich deutscher Übersetzung zit. nach Körner , S. ). Körner , S. – Perault , Bd. I, S. – Körner , S. Körner , S. »Il semble que lors le Roy honores ses sujets d’une familiaritè où tous les grands Hommes n’ont pû parvenir, il en fasse autant de Roys, en s’élevant encore au dessus d’eux ; que quand il se communique avec une grandeur aisée, il soit descendu du Trône, se soit éloigne de sa Personne ; & qu’il établisse encore sur tous le cœurs un empire plus puissant que celuy qu’il a déjà.« (Mercure galant , S. ; einschließlich deutscher Übersetzung zit. nach Körner , S. ). Brassat , S. Peikhart , S. – Peikhart , S. – So betont Peikhart , S. beispielsweise, dass Eugen selbst von seinen Feinden verehrt worden sei. Brassat , S. Die ›Emmausjünger‹ den ›Persischen Königinnen‹ entgegenzusetzen, mochte sich für Außenstehende umso provokanter ausnehmen, als religiöse Darstellungen in Versailles sonst nur innerhalb der Hofkirche zu finden wa-
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ren (vgl. Blanning , S. ). Wie es scheint, hatte die Präsentation von Veroneses Gemälde den einzigen Sinn, Ludwigs Repräsentation zu dienen. Peikhart , S. Peikhart , S. Peikhart , S. Peikhart , S. Schumann , Abb. Braubach –, Bd. III, S. . Siehe auch Herre , passim. Braubach –, Bd. III, S. ; Pečar , S. u. . Pečar weist aber auch darauf hin, dass strukturelle Schwächen den Einfluss der Konferenz bisweilen minderten. Da der Kaiser in der Regel nicht an ihr teilnahm und ihre Empfehlungen somit nicht gleich approbierte, besaßen Favoriten – etwa der spanischen Partei – die Möglichkeit einer unmittelbaren, die Konferenz umgehenden Einflussnahme (Pečar , S. –). Zum Stellenwert des Zeremoniells in Eugens Selbstdarstellung siehe Seeger , S. –. Klett , S. Klett , S. Herre , passim Zur Rolle Peters des Großen bei der polnischen Thronkandidatur siehe : Lewitter . Braubach –, Bd. V., S. u. Klett , S. Braubach –, Bd. I, S. Vgl. Schumann , S. –. Vgl. Bauer , S. u. Rentsch , S. –. In der Mythologie handelt es sich beim Palladium (griech. Palladion) um die Kultstatue der Pallas Athena, die, vom Himmel gefallen, in Troja verehrt wurde und von der das Schicksal der Stadt abhing. Nach ihrem Raub verlor Troja seinen Schutz und ging unter. Auf Umwegen gelangte das Kultbild nach Rom. Dort wurde es angeblich als Garant der imperialen Größe im Vestatempel verehrt. Nur vor diesem Hintergrund ist es Vom Bau zum Bild
verständlich, dass es Kaiser Konstantin – trotz seiner heidnischen Bedeutung – in die neue Reichshauptstadt Konstantinopel als das zweite Rom bringen ließ (Hederich , S. Sp. – ; Pötscher , S. – ). In der Ikonologie des Wiener Hofes wurde das Symulacrum Paladij zum Schutzbild Wiens, zum Sinnbild der salus publica und der aeternitas Romana sowie zum »Bild der mit Erhaltung aller Wissenschafften und Künsten genau verbundenen Erweckung der Reiche, als ehemahls des Trojanischen, hernach des Römischen, … und als ein Pfand des unvergänglichen Römischen Reichs« (Matsche , Bd. I, S. , , , –.) Verschiedene politische Schriftsteller des . Jahrhunderts wie Johann Jacob und Friedrich Carl Moser oder Christoph Martin Wieland benutzen das Palladion als Metapher für die Reichsverfassung, wohl um auszudrücken, dass der Fortbestand des Römischen Reiches von der Achtung seiner Verfassung abhänge (vgl. Stephan , Bd. I, S. ). Siehe Anmerkung . »Weil aber nur der geringste Teil der Menschen dazu gelangt, nach Wien zu kommen und dort diese großartigen und bewunderungswürdigen Gebäude zu betrachten, nahmen wir uns die Freiheit, diesem Mangel abzuhelfen und, um deren Andenken unsterblich zu machen, von Euer hochfürstlichen Durchlaucht untertänigst die Zeichnungen und Ansichten derselben zu erbitten und manche durch den Grabstichel ans Licht zu bringen« (Deutsche Übersetzung nach Aurenhammer, H., , S. ). Aurenhammer, H. , S. . Überliefert ist, dass es vom Stadtpalais bereits Stichvorzeichnungen gab. Kleiner – »Da nun unter den güldenen Aepfeln, welche der Welt-Trager Atlas, als Ober-Aufseher der Hesperischen Gärten, durch einen Drachen, dem Vorgeben der Dichter gemäß, bewachen lassen, von vielen eigentlich nichts als wahrhafftige Pomerantzen-Aepfel verstanden werden ; Hercules aber, an des Atlas Stelle, nachmahls die Welt selbst unterstützt, auch mit diesem Zierrath, welchen er aus den Hesperischen Gärten entwendet, nunmehro die hiesige königliche Orangerie ausschmücket : So hat man Anmerkungen Teil C
seine Bild-Säule theils als eines Ober-Aufsehers desselben, theils als eines Welt-Unterstützers, wie der die Himmels-Kugel auf seinen Schultern träget, in Abzielung auf die damahlige Reichs-Statthalterschafft unsers Heldenmüthigsten Königs, in der Höhe über der grossen Treppe ausgestellet« (Erklärung Des Kupffer-Titel-Blats, Sp. ; in : Pöppelmann []). Zur Bedeutung des Wallpavillons mit Blick auf das Reichsvikariat siehe auch Lorenz , passim. Stephan , Bd. II, S. – ; Matsche u. Hofmann , S. u. sowie ders. , S. –. Stephan , S. – Hierzu ausführlich : Polleroß . Semenzato , passim. Vgl. auch Prinz , S. –. Zu den Ursprüngen dieses Motivs in der Ikonographie der Renaissance und des Humanismus siehe Prinz , – ; Stephan , Bd. I, S. –. Speziell zur Meritum-Architektur haben sich Matsche a, passim und Polleroß a, passim u. ders. S. – geäußert. Fischer , . Buch, Tf. Plinius, Epistolae V, , : Ibi animo, ibi corpore maxime valeo. Nam studiis animum, venatu corpus exerceo. […] Di modo in posterum hoc mihi gaudium, hanc gloriam loco servent ! Alberti [], IV , passim, Bd. I, S. – u. V , passim, Bd. II, S. – Alberti [], IV . r, Bd. I, S. Tönnesmann , S. – ; Roeck/Tönnesmann , S. – Alberti [], V . r, Bd. I, S. – ; vgl. ders. , S. . Hoppe , S. Müller , passim Siehe hierzu : Hoppe , S. . Hoppe , S. Hoppe , S. –
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Ausführlich beschrieben ist dieser Wechsel bei Braubach –, Bd. III, S. –. Seeger , S. – Grimschitz , S. ; vgl. Braubach –, Bd. V, S. . Nach Coreth , S. fasste die Wiener Öffentlichkeit den Sieg als eine Gebetserhörung auf. Peikhart , S. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI .. Vgl. Popelka , Kat.-Nr. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI . u. ebenda, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. bß ; vgl. Popelka , Kat.Nr. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI . u. ebenda, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. bß . Vgl. Popelka , Kat.Nr. u. Braubach –, Bd. III Abb. bei S. Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. bß . Vgl. Popelka , Kat.-Nr. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI .. Vgl. Popelka , Kat.-Nr. . Laktanz XXXIV, – u. Eusebius , I, – Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. NI – u. ebenda, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. . ; vgl. Popelka , Kat.Nr. Popelka , S. . Die Randinschrift findet sich nur auf dem Exemplar im Kunsthistorischen Museum. Peikhart , S. Peikhart , S. Peikhart , S. Vgl. Peikhart , . Peikhart , S. – Peikhart , S. So rechtfertigte etwa Lothar Franz von Schönborn seine Bauleidenschaft
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mit der rhetorischen Frage, wie denn »die künstler undt andere handtwerksleuth, die doch Gott auf dieser welldt haben will, bestehen [könnten], wann er nicht zugleich narren werden ließe, die sie ernehren theten« (Brief an Friedrich Karl von Schönborn vom . Juli , in : Quellen /, Bd. I , Nr. ). Peikhart , S. Matsche a, passim. Vgl. auch Polleroß . Stephan , Bd. II, S. – ; Matsche u. Hofmann , S. u. sowie ders. , S. – Hierzu ausfürlich : Stephan , Bd. I, S. . Matsche a, S. Matsche a, S. – Vgl. D’Onofrio , Abb. , S. . Stephan , S. . Die Bedeutung des Vierungsraumes als des Ortes, an dem sich die Apotheose des Apostelfürsten ereignen wird, hat schon Preimesberger , S. herausgearbeitet. Schütze , S. Zur Bedeutung des Chigi-Berges als eines mons virtutis siehe Stephan , S. . Meine Deutung von Ariccia als Allusion auf die Heraldik Alexanders VII. wird in Stephan , S. – näher ausgeführt. Dies hat schon Marder , S. gesehen. Chantelou [–], Eintrag vom . Juli , S. Erben , S. – Wie Karl Noehles zu Recht feststellte, zitierte Rainaldi in seinem LouvreEntwurf sich gleichsam selbst (Noehles , S. u. Abb. ). So findet sich das Motiv der Krone, die eine Architektur nach oben abschließt, am Kuppelaufsatz von Sant’Ivo alla Sapienza, der sehr wahrscheinlich eine Tiara paraphrasiert. Zur Assoziation einer (Papst-)Krone siehe : Portoghesi , S. , Scott , S. u. Fagiolo , S. . Für die Türme von Sankt Peter hatte Santi Moschetti bereits tiaraförmige Kronenhauben vorgesehen (Noehles , S. , Anm. ; vgl. McPhee , S. u. Abb. ). Des Weiteren wäre Vom Bau zum Bild
an die kronenartigen Verdachungen von Altarziborien zu denken, aber auch an Katafalke und ephemere Festarchitekturen. Am signifikantesten sind vielleicht das castrum doloris Gregors XV., das Giacomo Lippi in der Capella Gregoriana des Petersdoms errichtete (vgl. Schütze , S. , Abb. ) und Carlo Fontanas Entwurf für den Katafalk Peters II. von Portugal (siehe Manfredi , Abb. u. mit weiteren Beispielen). Vgl. Hempel , S. u. Frey , S. . »… retratto della vertù per mezzo della sua fortezza e fatica, quale risiede su il monte della fatica« ; zit. nach Erben , S. . Zu der von Bernini intendierten Bedeutung des Louvre als Sitz des Hercules Gallicus und der Tugend siehe auch Petzet , S. u. Erben , S. –. Erben , S. Matsche a, S. – Vgl. den Stich von Dominique Barrière, in : Grazia/Fagiolo dell’Arco , Kat.-Nr. , S. . Für das Papsttum um hat dies Volker Reinhardt besonders eindrucksvoll herausgearbeitet (Reinhardt , ). Dies gilt auch für den Vergleich zwischen der päpstlichen und der französischen Hofkultur (Reinhardt ). Lübke/Semrau, Bd. V, S. Ludwig XIV. [], S. – Vgl. Stephan , Bd. I, S. – (mit weiterführender Literatur). Chantelou [–], Eintrag vom . September , S. Auf die Bedeutung der Pomeranzen bzw. der Hesperidenäpfel als Symbole des Reichsapfels hat bereits Pöppelmann hingewiesen ; siehe Anm. . Zur ikonographischen Auseinandersetzung um die PomeranzenMetapher in den Bildprogrammen des Zwingers und des Schlosses Weißenstein ob Pommersfelden siehe Stephan , passim. Speziell für Pommersfelden wurde die politische Symbolik der Pomeranzen von Walter-Jürgen Hoffmann und Franz Matsche nachgewiesen (Hoffmann , S. u. Matsche , S. sowie ders. , passim.) Die Gleichsetzung der Hesperidenäpfel mit der kaiserlichen Sphaira am WieAnmerkungen Teil C
ner Hof hat Matsche gleichfalls untersucht (Matsche , Bd. I, S. , , , , , , , ). Hempel , S. Hierzu schon ausführlich : Sedlmayr (), S. Siehe hierzu auch : Stephan , S. . Hierzu ausführlich : Diekamp . Zu den Sammlungen Eugens siehe auch : Noll u. Heinz . Zur Bedeutung der villa suburbana als eines tempio delle Muse, in dem neben einer Bibliothek ein Observatorium untergebracht ist, das auch auf die Funktion der Villa als eines gedanklichen Zentrums des Universums hinweist, siehe Prinz , S. –. Ausführliche Belege für diese Deutung finden sich bei Aurenhammer , v.a. –. Kleiner –, Teil VI, Tf. Kleiner –, Teil VII, Tf. Zur Herkules-Ikonographie des Gartens hat sich Aurenhammer , – eingehend geäußert. Kleiner –, Teil II, Tf. Kleiner –, Teil II, Tf. Klett , S. Peikhart , S. u. Zit. nach Rogalla von Bieberstein , S. »Ce Monarque que cherchant ainsi à se dérober aux avantages que luy donne sa couronne, est le plus Grand, & le plus Roy, & plus conquérant, qu’a la reste de ses Armées. La terreur dont il est toûsjours accompagné lors qu’il paroist dans ses Camps, ne permet pas de le regarder, mesme pour l’admirer ; mais dans l’état où ie viens de le dépeindre, quoy qu’il paroisse toûjours Roy, son front desarmé de la fierté des Roys, qui ne laisse voir qu’une douce majesté, invite à le regarder avec plus de hardiesse. […] Si ses ennemis le voyoient dans les moments qui le rendent adorable, qu’ils l’aimeroient, & qu’ils le craindroient tout ensembles …« (Mercure galant , S. – ; Zitat und Übersetzung nach Körner , S. ).
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Hierzu ausführlich Kühnel . Peikhart , S. – Peikhart , S. – Arneth , Bd. II, S. –, Anm. –. Zu den Geldgeschenken, die für die Hofaristokratie einen ebenso wesentlichen wie selbstverständlichen ökonomischen Faktor darstellten, siehe : Pečar , S. –. Hierzu ausführlich : Matsche . Pečar geht dieser Frage eingehend in einem eigenen, sehr komplexen und grundlegenden Abschnitt nach : Pečar , S. –. Schon Braubach –, V, S. – hat beschrieben, wie sehr die Paläste des Adels das Bild des neuen Wien bestimmten und wie bescheiden der Beitrag des Kaiserhauses im Vergleich dazu – trotz Hofbibliothek und Karlskirche – war. Matsche , S. – hat diesen meritokratischen Aspekt sehr überzeugend an den Palais Daun-Kinsky und Schwarzenberg herausgearbeitet. Vgl. auch Lorenz a. Zum Selbstverständnis der adligen Stände in Österreich überhaupt siehe auch : Polleroß . Dunk , S. – ; Pečar , S. –, Schumann , S. –. Einen generellen Vergleich des Versailler und des Habsburger Hofes bietet Duindam . Pečar , S. – Polleroß b, S. Matsche , Bd. I, v.a. S. –, v.a. – Pečar , S. Klett , S. Vgl. Klett , S. –. Siehe hierzu u. a.: Loeb , S. –. Vgl. Pečar , S. –. Zur politischen Bedeutung der Geheimen Konferenz siehe : Sienell, . Vgl. Pečar , S. . Freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Volker Reinhardt, Freiburg i. Ue. Rogalla von Bieberstein, S.
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Braubach –, Bd. I, S. – Pečar , S. Schimmer , Bd. I, S. – u. Oppenheimer , S. Siehe hierzu Coreth u. dies. u. Pokorny . Vgl. Schumann , S. , , , . Beispiele hierzu finden sich etwa bei Böse , S. –, u. . Braubach –, Bd. I, S. , Bd. V., S. – Zu den Motiven und Verlauf der Flucht siehe : Braubach –, Bd. I, S. –. Vgl. Krapf , S. . Vgl. Aurenhammer , S. u. Krapf , . Siehe hierzu etwa : Matsche , Bd. , S. u. . Zu denken wäre an das – von Andrea Pozzo geschaffene Deckenfresko im Gartenpalais Liechtenstein, das den Fürsten Johann Adam Andreas I. als apotheosierten Herkules zeigt, oder an Carlo Carlones Festsaalfresko im Palais des Grafen Wirich Philipp Laurenz Daun (heute Daun-Kinsky), das um entstand (Matsche , S. – ). spielte Daniel Gran im Deckenbild des Gartenpalais des Fürsten Schwarzenberg zumindest indirekt auf die herkulischen Tugenden des Hausherrn an – auf einem den Hercules Farnese zeigenden Blatt, das die Personifikation der Zeichenkunst in Händen hält (ibid., S. ). Braubach –, Bd. I, S. –. Dieser Gegensatz wurde nicht zuletzt in prokaiserlichen Flugschriften nachdrücklich herausgearbeitet ; vgl. Schumann , S. –. Der Anspruch Alexanders, von Zeus abzustammen, birgt insofern eine gewisse Pikanterie in sich, als sein leiblicher Vater Philipp sich mit dem Göttervater gleichgesetzt hatte. Braubach –, Bd. V, S. – Braubach –, Bd. V, S. –. Wie wichtig die Tatsache war, dass Eugen keine Erben besaß, die auf seine zeremonielle Sonderstellung Rechtsansprüche erheben konnte, betont auch Pečar , S. . Vom Bau zum Bild
Karl VI. vermachte beide Besitzungen dann seiner Frau Elisabetha Christina, die sie später an ihre Enkelin Marie Christine weitervererbte (Braubach –, Bd. V, S. –). Pečar , S. . Es würde den Rahmen der Arbeit sprengen, die zahlreichen Einzelheiten aufzuzählen. Umso nachdrücklicher sei ihre Lektüre bei Pečar , S. – empfohlen. Zu Eugens stilbildender Funktion siehe u. a. Klett , S. . Schumann , S. , , . Mit diesem Rollenverständnis ging einher, dass die jeweiligen Namenspatrone der Kaiser, also Leopold, Joseph und Karl Borromäus, als besondere Schutzheilige Österreichs verehrt wurden. Zu den beiden Repliken siehe : Asche , S. –. Zu Eugens stilbildender Funktion siehe auch Klett , S. . Zu Eugens Verhältnis zu Friedrich Carl von Schönborn siehe Braubauch . Hierzu und zum Folgenden siehe : Stephan b, Bd. I, S. –. Die enge Beziehung, die Prinz Eugen zu den Schönborns, insbesondere zum Reichsvizekanzler und Fürstbischof von Würzburg und Bamberg Friedrich Carl, unterhielt, ist bei Braubach –, Bd. I, S. – , Bd. III, S. –, –, Bd. IV, S. –, –, Bd. V, S. –, –, –, –, – dargestellt. Oppenheimer , S. – Zur Deutung des Rastatter Bildprogramms ausführlich : Stephan , Bd. I, S. – u. Bd. II, Abb. –. Ausführlich behandelt wird der Humor als Teil der Hofkultur bei Schörle . Hierzu ausführlich Stephan , Bd. I, S. – u. –. Bigler und Pöppelmann, , Tf. Zu diese Geschenken zählten zum Beispiel ein Zirkel für die Herren Minister, damit diese »alles recht ausmessen« könnten, oder ein Hut für die Kavaliere, »so darund[er] viel köpff können gebracht werden«. Den »adlichen frauenzimmer von d[er] ersten classe« dedizierte der Kurfürst Anmerkungen Teil C
»ein nachtszeugspiegel, damit sie darin selbst ihre fehler ersehen können, weilen sonst niemand ihnen solche sagen darf, auß respect, so man gegen selbige traget«. Die »frauenzimmer von d[er] zweyten classe« erhielten einen Rosenkranz, während dem »ganzen hof insgemein« eine Uhr zuteil wurde, »damit ein jeder zur rechten zeit zum dienst kömme«. Zit. nach Winterling , S. . Vgl. Jürgensmeier , S. . Matsche , S. Zur Stellung Karls VI. als eines Vaters des Reiches bzw. eines pater patriae siehe Matsche , Bd. I, S. , , –. In diesem Kontext gehört auch – die freilich etwas maliziöse – Bezeichnung Karls IV. als des »Erzstiefvater des Reiches« durch Maximilian I. (Angermeier , S. ). Siehe hierzu Oppenheimer, S. –, v.a. S. –. Wenn Eugen danach trachtete, der europäischen Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild von sich zu vermitteln, so zog er dabei die Presse als Medium nicht in Betracht. Nach seinen eigenen Worten sollte man sich durch sie nicht beeindrucken lassen, da ein jeder wisse, »wie wenig Attention derlei Gazetten meritieren, als sie fast beständig mit Unwahrheiten angefüllt sind« (Brief an Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Bevern vom . Juli ; Wien, Staatsarchiv, GK a ; zit. nach Braubach – , Bd. V., ). Zu den Bemühungen Wilhelm von Oraniens um eine antifranzösische Allianz siehe Duchardt, , S. –. Siehe hierzu etwa Stephan , Bd. I, passim u. Blanning , S. – . Auf die negative Beurteilung Ludwigs XIV. durch weite Teile der europäischen Öffentlichkeit geht Burke , S. – in einem knappen und unvollständigen, aber doch aufschlussreichen Abschnitt ein. Siehe ferner Blanning , S. – mit weiterführender Literatur. Ziskin , S. , Fn. Der Vorwurf, Ludwig XIV. habe durch ein Bündnis mit den Türken
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gegen den Kaiser das Christentum verrraten, war im Reich weit verbreitet. Vgl. etwa die anonym verfasste Streitschrift ›Der Christlichen Wahrheit gehabte Audiens, Bey dem Allerchristlichsten König Ludwig dem XIV. Zu Versailles. Am Neuen Jahrs-Tag . Worinnen im Namen deß gantzen Christlichen Europae, dem König sein biß anhero Un-Christliches Verfahren zu Gemüth geführt / und von ihm derowegen Rechenschafft begehret wird‹ (Anonym ). Siehe : Kapitel .. Keyßler , S. Braubach –, Bd. V, S. Zur Aufteilung und dem Verkauf des Erbes siehe Braubach –, Bd. V, S. –. Zit. nach Arneth , Bd. III, S. , Anm. . Das Untere Belvedere war schon als Museum genutzt worden. Als ›Moderne Galerie‹ beherbergte es zunächst Werke der Wiener Sezessionisten, etwa von Gustav Klimt (vgl. Tietze u. Kräutler/Frodl ).
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Vom Bau zum Bild
DIALEKTISCHE ARCHITEKTUR ALS HERRSCHAFTSMODELL
Auf den ersten Blick erscheint das Obere Belvedere in Wien, – von Lukas von Hildebrandt für den Prinzen Eugen von Savoyen als Sommerresidenz errichtet, als eine malerischkulissenhafte, primär auf Fernwirkung angelegte Schauarchitektur. Dieses Bild bestimmt bis heute die Forschung, die in dieser Konzeption zum Teil sogar einen Mangel sieht. Vor allem der Mittelteil der Gartenfront wurde immer wieder kritisiert : Im Vergleich zu seinem vermeintlichen Pendant, dem sog. Kaisersaalpavillon der Würzburger Residenz, fehle es ihm an tektonischer Stringenz. Ganz anders erscheint Hildebrandts Architektur jedoch, wenn man sich ihren ursprünglichen Zustand vergegenwärtigt. Eine wichtige Grundlage bietet hierfür das sehr umfangreiche und detaillierte Stichwerk, in dem Salomon Kleiner – das gesamte Belvedere im Auftrag des Prinzen Eugen wiedergab. Nun zeigt sich, dass Hildebrandts Architektur im Lauf des . Jahrhunderts wesentlich verändert, um nicht zu sagen verfälscht wurde. Im Erdgeschoss der Gartenseite sowie an der hofseitigen Einfahrt wurden vormals offene Arkaden durch Fenster und Schutzgitter geschlossen. Hinter dem Giebel der Einfahrt entstand ein zusätzlicher Laufgang. Nicht zuletzt traten an die Stelle kleinteiliger Sprossenfenster einfache Kreuzstockfenster. Dialektische Architektur als Herrschaftsmodell
Gerade die ursprüngliche Offenheit von weiten Teilen der Fassaden erlaubte es, das Obere Belvedere als ein Ensemble vollplastischer Baukörper mit unterschiedlichen Volumina wahrzunehmen. So besteht die Gartenfront eigentlich aus einer zentralen Trias dreigeschossiger, kubischer Pavillons. Dieses Kern-Ensemble ist über Zwischenflügel mit oktogonalen Eckpavillons verbunden. Da der Mittelpavillon in seiner tiefenräumlichen Erstreckung nur halb so weit zurückreichte wie die Seitenpavillons und die Zwischentrakte, ergab sich an der Hofseite eine Art Triklinium mit kleiner cour d’honneur. Diese füllte Hildebrandt mit einer Art überdachter Freitreppe. Den Eckpavillons, die noch weniger räumliche Tiefe besitzen, stellte Hildebrandt an der Hofseite jeweils ein weiteres Pendant entgegen. Sodann verband er an jeder Seite den garten- und den hofseitigen Eckpavillon mit einem Altan zu einem den ganzen Bau begrenzenden, längsgerichteten Riegel. Das Verhältnis der Pavillons zueinander wird außerdem durch die Fassadengliederung geklärt. Die Kerntrias sowie die Eckpavillons und die sie verbindenden Altane besitzen im Grunde eine einheitliche Instrumentierung. (Dass die regulären Pilaster der inneren Seitenpavillons am Mittelpavillon und an den Eckpavillons zu Hermenpilastern mutieren, ist einzig der Tatsache geschuldet, dass sie dort nicht auf einer ungegliederten Sockelzone, sondern auf der schmaleren Ordnung der avant corps stehen.) Hingegen besitzen die Zwischenflügel in ihrer Funktion als bloße Bindeglieder eine stark reduzierte Gliederung. 215
Darüber hinaus ist auch der geringe plastische Wert der Gliederung dem Pavilloncharakter geschuldet. Hildebrandt ging es keineswegs darum, die Wand durch optischen Dekor zu entmaterialisieren. Im Gegenteil : der applikative Charakter der Gliederung setzt eine stabile Wand als Trägermasse geradezu voraus. Auch lässt die seichte Gliederung das kubische Volumen der einzelnen Baukörper sehr viel besser erahnen als eine plastisch durchgestaltete, in Helldunkelkontraste aufgelöste Wand. Abgesehen von ihrer Disposition, ihrem Volumen und ihrer Gliederung unterschieden sich die einzelnen Baukörper einst durch die Art und Weise, wie sie sich mit dem Umraum des Gartens und des Ehrenhofes durchdrangen und verzahnten. Auf diese Weise entstand eine höchst reiche Szenographie : Während die terrassierte und gestufte Gartenarchitektur im Treppenhaus des Mittelpavillons ihren Ausgang nahm bzw. sich in umgekehrter Leserichtung über dieses ungehindert bis in den Ehrenhof fortsetzte, mündeten die den Garten seitlich begleitenden Wegachsen in die Eckpavillons wie in reguläre Gartenpavillons, die das Ende einer Achse markieren. Die Zwischenflügel öffneten sich im Erdgeschoss zu Grottensälen, mittels derer der Garten gleichfalls in das Schloss eindrang. Über diesen Grottensälen spannte sich das jeweilige Obergeschoss wie eine Brücke. Selbst die figürliche Ausstattung des Parks (Hermen, Ziervasen, Figurengruppen) setzte sich im Inneren des Schlosses fort. Im Gegenzug griff dieses durch die avant corps in den Garten aus. 216
Nur in seiner dreidimensionalen Gestaltung konnte das Schloss mit der Umgebung zu einer Einheit verschmelzen. Brennpunkt dieser Synthese war die Treppe, von deren theatralischer Inszenierung die Tiefenräumlichkeit der Architektur, in die sie eingebettet ist, wesentlich abhing. Doch obwohl Hildebrandt das Obere Belvedere als ein Ensemble raumhaltiger Pavillons konzipierte, kalkulierte er zumindest für die Fernsicht die eingangs beschriebene malerische Kulissenhaftigkeit durchaus ein. Wie auch Kleiners Stiche suggerieren, verlor sich die Tiefenräumlichkeit bei zunehmender Distanz tatsächlich. Auf diese Weise vereinigte Hildebrandt in seiner Architektur bewusst zwei gegensätzlich Aspekte – nicht als Ausdruck von Zwitterhaftigkeit, sondern von Dialektik. Dieses dialektische Prinzip durchwaltete den ganzen Bau : Die Pavillons waren einerseits als selbstständige Einheiten gekennzeichnet und andererseits zu Gruppen zusammengefasst ; einige Abschnitte öffneten sich vollständig dem Garten, andere verschlossen sich ihm ; das Erdgeschoss war als gebaute Architektur Teil des Schlosses, als naturhafter Sockel mit integrierten Grotten aber auch Teil des Gartens ; die Eckpavillons dienten sowohl als Ecktürme wie auch als Gartenpavillons ; der Bereich der Treppe gab sich teils als ein überdachter Ehrenhof, teils als ein Treppenhaus. Das Aufeinandertreffen dieser Gegensätze erzeugte indes keine Brüche. Vielmehr changierte Hildebrandt stets zwischen beiden Extremen. Dies zeigt sich noch heute am Übergang vom Mittelpavillon zu den Seitenpavillons. In der Behandlung Zusammenfassung
der Ecken vollzieht sich geschossweise der Übergang von aneinandergesetzten Baukörpern zur Einheitsfassade. Hildebrandts Architektur erweist sich somit als Stein gewordene Metamorphose und greift damit eines der großen Grundthemen barocker Kunst auf. Nichts ist eindeutig, alles ist im Fluss, ist Bewegung : wie das Wasser, das die Kaskaden des Belvederegartens herabrauscht, wie das Spiegelbild des Schlosses im Bassin des Ehrenhofes. Diese neue Sichtweise auf das Obere Belvedere ermöglicht es auch, die Frage nach den Vorbildern neu zu diskutieren. Wie es die ältere Forschung im Unterschied zur neuen Literatur richtig gesehen hat, rekurrierte Hildebrandt tatsächlich auf das Pavillonsystem französischer Schlösser (Maisons-Lafitte, Le Raincy, Vaux-le-Vicomte), wobei er die verschiedenen Baukörper freilich mehr oder weniger in einer Ebene anordnete. Die brückenartigen Verbindungsflügel gehen hingegen auf Palladios Entwurf für die Villa Pisani sowie auf die davon abhängigen Pavillonensembles von Schloss Nymphenburg in München oder Schloss Ludwigsburg bei Stuttgart zurück. Ebenso hat in Nymphenburg die Praxis, Pavillons mit vergleichsweise glatten Oberflächen als raumhaltige Hohlkörper zu gestalten, eine Entsprechung. Die szenographische Durchdringung eines Baukörpers durch eine Treppe findet schließlich ihr Vorbild in einigen Genueser Palazzi, in Saint-Cloud und im Dresdner Zwinger. Des Weiteren kann erneut ein Vergleich mit dem Kaisersaalpavillon der Würzburger Residenz gezogen werden. Wie die Dialektische Architektur als Herrschaftsmodell
Gartenfront des Oberen Belvedere geht dieser auf Vaux-le-Vicomte zurück. Anders als Hildebrandt am Oberen Belvedere schloss Balthasar Neumann sich in seinen ersten Planzeichnungen für Würzburg jedoch nicht der französischen Tradition an, den Mittelpavillon mit kleineren Seitenpavillons zu einem Ensemble zusammenzufügen. Vielmehr ging es ihm einzig um die Gestaltung des Mittelpavillons. Diese dürfte ihm über die Residenz-Entwürfe Robert de Cottes und Germain Boffrands vermittelt worden sein. Neumann übernahm das Motiv einer abgesetzten Stirnwand mit doppelgeschossiger Portikus, die er allerdings – im Unterschied zu Le Vau, de Cotte und Boffrand – als Ausläufer einer gleichsam vermauerten oktogonalen Tholos gestaltete. Im Verlauf der weiteren Planung wandelte sich dieses tektonische Gefüge immer mehr zu einem applizierten Dekorationssystem. Im Unterschied zur Fassadengliederung des Oberen Belvedere besitzt dieses Dekorationssystem aber selbst in seiner endgültigen Ausformung noch plastische Qualitäten. Außerdem ist es einer Wand ›aufgetragen‹, die sich ihrerseits aus mehreren Schichten zusammensetzt. Die Frage, ob bei dieser endgültigen Fassung Neumann von Hildebrandt beeinflusst wurde oder ob Hildebrandt einen Entwurf Neumanns überarbeitete, muss dennoch offenbleiben. Über die ästhetische Neubewertung hinaus ermöglicht die architekturmorphologische Analyse von Eugens Sommerresidenz eine umfassendere ikonographische Deutung. Gerade die dialektische Verbindung struktureller Gegensätze bestimmte – im Zusammenspiel mit einem ebenso dialektisch konzipierten 217
Bildprogramm – den gedanklichen Aussagegehalt des Schlosses. Man kann sogar sagen, das Obere Belvedere habe – vor allem in seinem ursprünglichen Zustand – Eugens fürstliches Selbstverständnis und sein Herrschaftskonzept auf geradezu modellhafte Weise abgebildet. Aufschluss über das Bild, das Eugen von sich vermittelte, gewährt – neben den bislang von der Forschung benutzten Quellen – erneut Kleiners Stichwerk. Hinzu kommen mehrere Medaillen sowie die Leichenpredigt, die der Jesuitenpater Franciscus Peikhart auf den Prinzen hielt. Wertet man dieses sehr ergiebige Material aus, so lassen sich das Selbstverständnis des Savoyers und die Rezeption seiner Herrschaft durch die Öffentlichkeit in etwa so skizzieren : De facto bestimmte Eugen zumindest teilweise wie ein ungekrönter König bzw. wie ein heimlicher Herrscher die Politik des Habsburgerreiches und darüber hinaus die Geschicke Europas. Der Begriff, der diese Sonderstellung am treffendsten umschreibt, ist das Wort imperatorius, mit dem Eugen in der Vorrede zu Kleiners Stichwerk charakterisiert wird. Imperatorius kann kaiserlich, aber eben auch ›nur‹ feldherrlich bedeuten. Und es kann auf die Befehlsgewalt (quasi das imperium proconsulare) anspielen, die Eugen als Statthalter des Kaisers erst in Mailand und dann in Brüssel ausübte. Diese indirekte Form der Herrschaft verschaffte dem Prinzen letztlich nicht nur mehr Prestige, sondern auch weitaus größere Handlungsspielräume als die unmittelbare Herrschaft eines Souveräns, die er folglich für sich selbst auch nie anstrebte. Umso mehr überließ er sie anderen – wie 218
die polnische Königswürde August dem Starken –, wenn dies seinen eigenen Plänen förderlich war. Nicht weniger Wert legte Eugen auf den Ruf, den er – natürlich in Anspielung auf seinen Namen – als der ›gute Genius‹, ja als der Retter und Schutzpatron Wiens genoss. Diese Eigenschaft wird auf etlichen Gedenkmedaillen verherrlicht – nicht selten mit einem heilsgeschichtlichen Unterton. Aber auch die Aussicht von der erhabenen Warte des Oberen ›Belvedere‹ über die Stadt und ihr Umland evozierte – unter Rekurs auf Topoi, die bei Alberti überliefert sind – den fürsorglichen Weitblick eines Beschirmers und Beschützers. Diese Selbstdarstellung als eines Schutzpatrons verstärkte der Prinz, indem er sich mit Alexander dem Großen gleichsetzte : Wie dieser verteidigte er das Abendland gegen eine asiatische Weltmacht, die im späten . und frühen . Jahrhundert als ebenso dekadent und barbarisch galt wie das Perserreich in der Antike. Und wie sein Vorbild trug er dabei zum Aufbau einer neuen Großmacht bei. Die Identifizierung mit dem Makedonenkönig manifestiert sich im Oberen Belvedere vor allem in den Reliefs des Treppenhauses. Sie weisen den Betrachter, kaum dass er das Schloss vom Hof aus betreten hat, darauf hin, dass die gesamte Anlage mit ihrer zeltartigen Dachlandschaft und ihren Pavillons das Heerlager eines zweiten Alexanders des Großen hypostasiert. Mit dieser Gleichsetzung dürfte Eugen sowohl auf die Selbststilisierung Max Emanuels von Bayern als auch Ludwigs XIV. geantwortet haben. Nachdem Max Emanuel sich im Spanischen Erbfolgekrieg auf die Seite Frankreichs geschlagen hatte, Zusammenfassung
gab Eugen zu verstehen, dass er nunmehr der alleinige Retter des Reichs vor den Türken war. Denselben Anspruch erhob er gegenüber Ludwig, hatte dieser sich doch in dem Denkmal, das Martin Desjardins auf der Place des Victoires errichtet hatte, u. a. als Türkensieger zu profilieren gesucht. Außerdem konnte er gegenüber dem Sonnenkönig geltend machen, dass es glaubwürdiger war, dem Makedonenkönig nicht im höfischen Salon nachzueifern, sondern auf dem Schlachtfeld, wo es galt, mit der kämpfenden Truppe die Strapazen langer Märsche und das Risiko der Verwundung zu teilen. Im Westen hingegen siegte Eugen wie Cäsar als ein Feldherr des (Heiligen) Römischen Reiches über die Gallier, als welche die Franzosen im . Jahrhundert immer wieder bezeichnet wurden. Gegen Ludwig XIV., von dessen Hof er einst wie seine Mutter geflohen war, entwickelte der Savoyer sogar eine regelrechte, tief ins Persönliche reichende Antipathie. So stigmatisierte er den Sonnenkönig in den Deckenfresken seines Stadtpalastes – wenngleich nur indirekt – als den Inbegriff einer hochmütigen und ungerechten Herrschaft, die es zu bekämpfen galt. Folglich erscheint Ludwig im Deckenfresko des Treppenhauses auch nicht wie in Versailles als Apoll, sondern als Ikarus, der sich in anmaßender Weise der wahren Sonne (= dem römisch-deutschen Kaisertum) genähert hat und dafür mit dem Sturz in die Tiefe bestraft wird. Darüber hinaus steht Ikarus natürlich für die mit Ludwig verbündeten Türken, die zu nahe an die Sonnenstadt Wien herangekommen waren und dafür mit ihrer bis dahin größten militärischen Niederlage büßen mussten. Dialektische Architektur als Herrschaftsmodell
Zugleich setzte Eugen dem Typus des schlechten regimen eines Ludwigs XIV. sein eigenes, durch und durch meritokratisches Herrschaftsverständnis entgegen : Nicht durch Geburt oder durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Dynastie, so die Botschaft, sondern allein durch das eigene Verdienst habe er seine Stellung errungen. In diesem Sinne evozieren sowohl das Treppenhaus des Stadtpalais als auch das ansteigende Gelände des Belvedere herkulische Tugendwege, die in den Bildprogrammen der jeweils angrenzenden Räume zur Apotheose des Bauherrn führen. Darüber hinaus weist das Deckenfresko im Großen Saal des Oberen Belvedere unmissverständlich darauf hin, dass Eugen nicht vom Ruhm des Hauses Savoyen profitierte. Vielmehr fiel der Ruhm seines eigenen buon governo auf die Familie zurück. Darüber hinaus spricht viel dafür, im Oberen Belvedere – wie in mehreren anderen Adelspalästen Wiens und des Reiches – ein templum honoris et virtutis zu sehen, wobei die Hofeinfahrt den Tempel der Tugend und der Große Saal mit Eugens Apotheose den Tempel der Ehre hypostasiert. Ein wesentliches Element des Verdienstes war neben den militärischen und politischen Erfolgen die Förderung der Künste. Daher vergegenwärtigt das Obere Belvedere – nun unter Rekurs auf Plinius und Palladio – auch eine villa suburbana und einen Musensitz. Der militärischen Bedeutung des Baus wurde eine zivile Nutzung entgegengesetzt, wobei der Besucher der Anlage nun in den Spuren des Hercules Musarum wandelte. Da Herkules auch auf dieser Bedeutungsebene Eugens mythologischer Protagonist blieb, da der Musentempel in der barocken Ikono219
graphie ferner mit dem Tempel der Tugend identisch war und da die militärischen Erfolge den finanziellen Grundstock für die Förderung der Künste und Wissenschaften bildeten, ergaben die Paradigmen Krieg und Frieden keinen Gegensatz. Stattdessen sind auch sie Ausdruck eines dialektischen Verhältnisses. Nicht zuletzt bestand Eugens Verdienst in der bedingungslosen Hingabe an das Haus Habsburg und seine Kaiser, welcher der Prinz fast schon metaphysische Qualitäten beimaß. Dieses Verständnis von Dienen, das Eugen gleichfalls mit der Herkulesmetapher umschrieb, wurde aus einem Ideal von Ritterlichkeit gespeist, das über die Noblesse eines Chevaliers und die Nonchalance eines homme des honnêtes hinaus einer mittelalterlich-christlichen Vorstellung der Aufopferung verpflichtet war – gerade wenn es um das Wohl des Kaisers und der katholischen Religion ging. Eugens Selbstverständnis erlaubte es im Gegenzug dem Hause Habsburg, den Prinzen – natürlich auf einer rein gedanklichen Ebene – zu adoptieren. Dadurch war Eugens Sonderstellung innerhalb des Reiches wie innerhalb der Wiener Hofgesellschaft auf eine Art und Weise legitimiert, die jede Konkurrenz sowohl zum Erzhaus als auch zum Wiener Adel ausschloss. Mit den Habsburgern bildete er eine Art Ruhmesunion, was bedeutete, dass seine Erfolge das Ansehen des Kaisers nicht schmälerten, sondern mehrten. Im Gegenzug stand er selbst unangefochten über der übrigen Aristokratie. Ikonographisch wird dieser Gedanke im Stadtpalais vermittelt, wo Herkules zum Lohn von seinem Vater Jupiter (der in diesem 220
Kontext für Leopold I. steht) das Sternenkleid der Unsterblichkeit erhält und damit unter die Götter (also in die kaiserliche Familie) aufgenommen wird. Die Kooptierung durch das Erzhaus machte Eugen außerdem zu einer Leitfigur und einem Mediator ersten Ranges. Wie der heilige Schutzpatron (oder sein mythisches Pendant Herkules) zwischen dem Himmel und den Menschen vermittelt und in seinem tugendhaften Streben zur Nachahmung anregt, so konnte Eugen zwischen der Armee und dem Adel auf der einen und dem Kaiserhaus auf der anderen Seite vermitteln und überdies in der Treue zum Kaiser vorbildlich wirken. Ferner ist davon auszugehen, dass Eugen sich in seiner Rolle als eines geistigen Sohnes der Habsburgerkaiser (unter Joseph I. und Karl VI., die beide ohne männlichen Nachkommen blieben, erwies sich diese Metapher sogar als besonders passend) auch gegenüber jenen Reichsfürsten profilierte, die als Schwiegersöhne des Kaisers auf das habsburgische Erbe spekulierten. (Zu nennen wären besonders Max Emanuel von Bayern oder der sächsische Kurfürst und König von Polen August II.) Ebenso spricht einiges dafür, dass der Mainzer Kurfürst und Reichserzkanzler Lothar Franz von Schönborn, dem Karl VI. seine Wahl maßgeblich verdankte, sich in Pommersfelden gerade mit Blick auf den Prinzen Eugen als ein Hercules Imperii und als ein Sohn Jupiters stilisierte. Damit einher ging der Anspruch, auf reichspolitischer Ebene dem kaiserlichen »Vater des Reiches« als ein treuer Sohn zu dienen. (In diesem Sinne enthält denn auch das Bildprogramm von Pommersfelden eine unmittelZusammenfassung
bare Replik auf die Ikonographie des Dresdner Zwingers, geht es in beiden Anlagen doch um den Besitz der Hesperidenäpfel als Symbole des Reichsapfels.) Ein ganz anderer Faktor von Eugens Selbstverständnis war die Ironie, die besonders Balthasar Permosers ›Apotheose des Prinzen Eugen‹ prägt. Dieses Werk ist wohl eine Replik auf Desjardins Denkmal in Paris. Die Beanspruchung dieser an sich imperialen Bildformel hatte Eugen auf dem Gebiet der Numismatik bereits von langer Hand vorbereitet – wobei er dabei geschickt eine weitere Ruhmesallianz bildete, diesmal mit dem Duke of Marlborough. Während Ludwig auf der Place des Victoires über die in Ketten geschlagenen Völker Europas triumphierte, präsentierten sich Marlborough und Eugen – wie vordem schon Leopold I. – als Befreier dieser Völker. Möglicherweise hatte Eugen Permosers Figurengruppe im Oberen Belvedere sogar einen besonders prominenten Platz zugedacht : Denn am meisten Sinn hätte die Ikonographie der Gruppe ergeben, wenn selbige am oberen Ende der Treppe platziert worden wäre. Dort hätte sie das Ende des herkulischen Tugendweges markiert und zugleich die Apotheose eingeleitet, deren Vollendung Carlo Carlones Deckenfresko im benachbarten Großen Saal schildert. Als ein Bindeglied beider Räume hätte sich Permosers Skulptur allein schon deshalb geeignet, weil man sie durchaus als eine Abbreviatur der eugenischen Treppenhausikonographie lesen kann und sie auch auf Kleiners Titelkupfer ikonographische vom Tugendweg zur Entrückung in den Himmel überleitet. Dialektische Architektur als Herrschaftsmodell
Indes wird der imperiale Habitus der Figur durch ironische Elemente relativiert, was sie im Unterschied zu Desjardins Denkmal nicht anmaßend und prätentiös erscheinen lässt. Nichtsdestoweniger implizierte gerade diese Relativierung einen besonderen Anspruch auf Führerschaft und Ruhm. Beispielsweise kann die Geste, mit der Eugen seine Hand lässig auf den Trompetentrichter der Fama legt, weil er die Verkündung seines Ruhmes nicht hören mag, doppelt gedeutet werden : als ein Ausdruck von Bescheidenheit, aber auch als ein Hinweis darauf, dass der Held nach Erlangung der Unsterblichkeit des irdischen Ruhmes nicht mehr bedarf, ja diesen nun getrost als Ruhmsucht abtun kann. Ganz im Sinne solcher Verkehrungen erscheint auf Kleiners Titelkupfer nicht mehr Herkules als Vorbild Eugens ; stattdessen präsentiert Herkules als mythologischer Protagonist Eugens der Göttin Minerva als der Patronin Wiens den im Standbild verewigten Prinzen als ein exemplum virtutis. Die in solch vermeintlichen Paradoxien fassbare Dialektik von Bescheidenheit und Anspruch, die man wie das reziproke Verhältnis von Dienen und Befehlen als Teil einer sich selbst generierenden Legitimation begreifen kann, bestimmt auch die Architektur des Belvedere. Aus der Fernsicht wirkt der Bau analog zu den schon bei Alberti und Leonardo beschriebenen optischen Gesetzmäßigkeiten durchaus so, wie ihn die Literatur bislang gedeutet hat : als eine bildhafte Erscheinung und damit auch als ein Abbild absoluter Herrschaft. Wie ein königlicher Palast thront das Schloss auf der Anhöhe. Dank seiner 221
Lage, aber auch dank des geschickten Zuschnitts des Grundstücks bezieht es sogar die Umgebung auf sich – einschließlich der beiden Nachbaranwesen : des Salesianerinnenklosters, das der Kaiserinwitwe Amalia Wilhelmine als Altersitz diente, und des Palastes des Fürsten Adam Franz von Schwarzenberg, den Heinrich Franz Graf von Mansfeld und Fürst Fondi erbaut hatte. Dieses Bezugssystem ließ sich nun zweifach deuten. Zunächst waren die Anwesen politischer Gegner (Amalias und Mansfeld-Fondis) zu Trabanten des Belvedere reduziert, wenn nicht absorbiert worden. Nach dem Kauf des Mansfeld’schen Palais durch den mit Eugen befreundeten Fürsten Schwarzenberg schien es, als habe dieser sich mit seinem Besitz unter den Schutz des Prinzen begeben. In der strategischen Ausnutzung der Topographie kommt die Fähigkeit des Politikers und Diplomaten, höfische Rang- und Repräsentationsstreitigkeiten für sich zu entscheiden, ebenso zur Geltung wie die Gabe des Feldherrn, ein Gelände zu besetzen und geographische Besonderheiten zum eigenen Vorteil zu nutzen. Und wie ein Diplomat und Feldherr besaß Eugen die Fähigkeit, Dinge so ambivalent zu gestalten, dass sie sich stets auf die für ihn günstigste Weise auslegen und anwenden ließen. Im Sinne dieser Dialektik wurde die doppelte Inszenierung des Belvedere als Ausdrucksform einer nahezu unumschränkten Herrschaft beim Näherkommen zunehmend relativiert. Noch heute zeigt sich, dass die Fassaden keinerlei Hoheitsmotive aufweisen. Die Hermenpilaster sowie bestimmte Elemente einer vorgeblichen Bretterarchitektur lassen sich sogar als 222
Motive eines architektonischen stilus mediocris deuten. Doch wurde dieser Eindruck einst durch eine neue Ambivalenz umgehend relativiert : Denn gerade aus der Nähe gewährte der Bau in seiner einstigen Offenheit Einblicke auf die Aktionen seiner Bewohner und Besucher. Mit seinem hohen szenograpischen Potenzial setzte er die Ausübung von Herrschaft sogar besonders wirksam ins Bild. Überdies wurde beim allmählichen Herantreten deutlich, dass das Schloss das umliegende Terrain auch mittels seiner offenen Strukturen auf sich bezog : In seinem Inneren liefen alle Wege zusammen, von hier aus nahm die Gartenarchitektur ihren Ausgang, hier verdichtete sich der Landschaftsraum zum Herrschaftsraum. Hatte der Besucher das Schloss betreten und blickte er nun durch die Fassadenöffnungen des Vestibüls auf den Landschaftsprospekt, so ermöglichte ihm die Architektur, den weit ausgreifenden, alles erfassenden Blick eines Fürsten und Feldherrn nachzuvollziehen. Das Umfeld war nun wieder ganz auf das Schloss bezogen. Bei Kleiner ist der Landschaftsraum jetzt auf ein Bild reduziert, auf eine Vedute, die den Eindruck erweckt, sie sei mit ihren points de vue von Anfang an auf eine Betrachtung durch die fünf offenen Bögen des Vestibül hin angelegt worden. Wie bei Permosers Standbild beding(t)en in Hildebrandts architektonischem Konzept Verzicht und Herrschaftsanspruch einander. Darüber hinaus waren die räumliche Erfahrung und die bildhafte Erscheinung ikonographisch unterschiedlich konnotiert. Mit dem Wechsel der Wahrnehmung ging also Zusammenfassung
der Wechsel unterschiedlicher Herrschaftsparadigmen einher. Gerade diese Uneindeutigkeit und Ambivalenz repräsentierte ein wesentliches Element von Eugens Selbstverständnis : das Prinzip der Balance und der Ausgewogenheit wie das Bemühen, den politischen Rang sichtbar werden zu lassen, ihn aber nicht aufdringlich oder selbstherrlich zu inszenieren. In diesem Punkt dürfte Eugen sich mit Dädalus verglichen haben, der im Treppenhaus des Stadtpalais anders als sein Sohn Ikarus deshalb nicht in die Tiefe stürzt, weil er zwar den Mut hat, sich in die Lüfte zu erheben, aber auch klug genug ist, zur Sonne den gebührenden Abstand zu halten. Nur weil er – anders als etwa Fouquet in Vaux-le-Vicomte – seine Fähigkeiten mit Maßhaltung zu verbinden wusste, gelang es Eugen-Dädalus, dem Versailler Labyrinth (sprich : seiner perspektivlosen Jugend am französischen Hof ) zu entrinnen und anderswo eine glückliche Existenz zu finden. Als ein Ausdruck von kluger Maßhaltung und Balance und damit von einer sich selbst permanent neu generierenden Herrschaftslegitimation ist das architektonische Motiv der Metamorphose also auch Abbild von Eugens politischem Selbstverständnis. Gleichsam modellhaft reproduziert das Obere Belvedere das Konzept eines buon governo, einer idealen Herrschaft. Und wie ein Modell bedarf es dazu – im Unterschied zum bloßen Bild – raumhaltiger und offener Strukturen.
Dialektische Architektur als Herrschaftsmodell
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Ergänzende Angaben zu den Bildlegenden
Bildnachweis
(dies., Abb. ) ; Stephan : (ders., Bd. , Abb. ), (ders., Bd. , Abb. ), (ders., Bd. , Abb. ), (ders., Bd. , Abb. ) ; Tinzl, Christoph, Dipl.-Restaurator, Wien : ,
Bildarchiv des Verfassers : –, , –, , , ; Blunt : (ders., Abb. ), (ders., Abb. ) ; Freikon. Bildarchiv der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg : –, , , , –, , a, , , , , , –, , , –, –, , , –, , , –, , , , –, , – ; Grimschitz : (ders., Abb. ) ; Grubelnik/Kurdiovsky/Pichler : (diess., Abb. ), (diess., Abb. ) ; Hansmann/Knopp : (diess., Abb. ) ; Kieven/Connors/Höper : (diess., Kat.-Nr. ) ; Krapf, Michael, Hofrat Dr., Wien : ; Lindemann : (ders., Abb. ), (ders., Abb. ) ; Lorenz /Weigl : (diess., Abb. ) ; Marder : (ders., Abb. ), (ders., Abb. ), (ders. ), (ders. ), (ders. ), (ders., Abb. ), (Abb. ) ; Münster : (ders., Abb. ) ; Popelka : u. (dies., Kat.-Nr. ), u. (dies., Kat.-Nr. ), (dies., Kat.-Nr. ), (dies., Kat.-Nr. ), (dies., Kat.-Nr. ), (dies., Kat.Nr. ), (dies., Kat.-Nr. ), (dies., Kat.-Nr. ) ; Reuther : (ders., Tf. ), (ders., Tf. ), (ders. Tf. ), (ders., Tf. ), (ders., Tf. ), (ders., Tf. ), (ders., Tf. ), (ders., Tf. ), (ders., Tf. ), (ders., Tf. ) ; Schwarz , S. : ; Sedlmayer : (ders, Abb. ), (ders., Abb. ) ; Seeger : Bildnachweis
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Register Personen* Alberti, Leon Battista , –, , , , , –, , , Aldobrandini, Olimpia Alexander d. Gr. (König von Makedonien) f, , f, –, , , , , , , Alexander VII. Fabio Chigi (Papst) f, Altomonte, Martino , f Amadeus VI. gen. Il Conte Verde (Graf von Savoyen-Piemont) f, , Amalia Wilhelmine (Gemahlin Kaiser Josephs I.) , , , Anjou (Geschlecht) Augustus, Gajus Julius Caesar Octavianus (röm. Kaiser) Aurenhamer, Hans , f, , –, , , , –, , f Averlino, Antonio, gen. Filarete Barozzi da Vignola, Giacomo Barrière, Dominique , Bauer, Hermann , , , f,
* Mit Ausnahme des Prinzen Eugen Personen
Beatrix (Gemahlin Friedrichs I. Barbarossa) f Belotto gen. Canaletto, Bernardo , , Benedikt XIII. Pietro Francesco Orsini (Papst) Bernini, Gianlorenzo , , f, , , , , f, , –, –, , , , , , Berthold, Gertrude Bianco, Bartolomeo Bironi (General) Bismarck, Otto von Blum, Gerd , , f Boehm, Gottfried f, f, Boffrand, Germain , , , , Bolgi, Andrea Bonneval, Claude Alexandre, comte de , Borromini, Francesco , , –, Bossi, Antonio Bourbon (Geschlecht) f Bourbon-Condé Marie de, princesse de Carignan und comtesse de Soissons Bracci, Cesare Bramante, Donato , Bruce Nauman , Brucher, Günter , f, , Brunner, Martin , f, Byß, Johann Rudolph Campi, Giulio Carlone, Carlo , , , , f, , , , f, Cato Censorius gen. d. Ä., Marcus Porcius
Chiarini, Marcantonio , , , , , f, f Chigi (Geschlecht) f, Clemens XI. Giovanni Francesco Albani (Papst) f, Clemens August I. von Bayern (Kurfürst von Köln) , , Colbert, Charles marquis de Croissy , Cortona, Pietro da Cotte, Robert de , , , Czernin, Jan Humprecht Johann Graf von , D’Allio. Felice Donato Dareios III. (König von Persien) , , , Daun, Wirich Philipp Laurenz Graf von Decker, Paul , , Dehio, Georg , , , Desjardin, Martin , –, f, , , Donner, Georg Raphael , , Dorigny, Louis f Dreger, Moritz , , , Drei, Pietro Paolo Duindam, Jeroen , Dunk, Thomas von der , Dupérac, Étienne Eckert, Georg f, –, , , f, , , Elisabeth Christina (Gemahlin Kaiser Karls VI.)
249
Enggass, Robert Erben, Dietrich , f, , , f Ernst August (Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach) , Fanti, Gaetano Félibien, André , Felix V. Graf Amadeus VIII., gen. der Friedfertige (Gegenpapst) Ferdinand Albrecht II. (Fürst von BraunschweigWolfenbüttel-Bevern) Ferrabosco, Martino Filarete siehe Averlino, Antonio gen. Filarete Fischer von Erlach, Johann Bernhard –, , , , , f, , , , , l, , , , , Fischer von Erlach, Joseph Emanuel , Fondi, Heinrich Franz Graf von Mansfeld und Fürst von , f, Fontana, Carlo Forssman, Erik , Fouquet, Nicolas , , Franz Ferdinand (Erzherzog) Franz I. Stephan (röm.-dt. Kaiser) Frey, Dagobert , , Friedrich August I./August II. der Starke (Kurfürst von Sachsen u. König von Polen) , , f, , , f, f, , , , , , Friedrich August II./August III. (Kurfürst von Sachsen u. König von Polen) , Friedrich I. Barbarossa (röm.-dt. Kaiser) f
250
Friedrich II. der Große (König von Preußen) Friedrich III./I. (Kurfürst von Brandenburg u. König in Preußen) , Friedrich Wilhelm I. (König in Preußen) Fronsperger, Leonhart , , Galli da Bibiena, Antonio Galli da Bibiena, Fernando Ganz, David –, Gaulli gen. Baciccia, Giovanni Battista –, Gebhard von Henneberg (Bischof von Würzburg) Gideon , Gran, Daniel Gregor XV. Alessandro Ludovisi (Papst) Greiffenclau-Vollrads, Carl Philipp Graf von (Fürstbischof von Würzburg) , , Grimschitz, Bruno –, ––, f, f, f, , , , , f, f, , , Grof, Guillelmus de , Guarini, Guarino , Habsburg (Geschlecht) , , f, , , , , –, , f, –, f, , , Habsburg-Lothringen, Maria Christina von Haffner, Heinrich , Hager, Werner , Hainisch, Erwin , , , , Hannibal , ,
Hansmann, Wilfried , , , , , Hardouin-Mansart, Jules , , Hempel, Eberhard , , , , Hephaistion (makedonischer Heerführer) Herold von Höchheim (Bischof von Würzburg) Herre, Fanz , Hetzer, Theodor , Hildebrandt, Lucas von –, , –, , –, f, –, , , –, , , –, , , –, , , –, , , , , , , –, , Hnizdo, Franz Hubala, Erich , , , f, , f Innozenz X. Giovanni Battista Pamphilj (Papst) , Jonathan (israelit. Feldherr) Joseph I. (röm.-dt. Kaiser) , f, , , , , , f, , , , Joseph II. (röm.-dt. Kaiser) Juvarra, Filippo Kara Mustafa , Karl Albrecht/Karl VII. (Kurfürst von Bayern u. röm.-dt. Kaiser) , , Karl Borromäus Karl d. Gr. (röm.-fränk. Kaiser) f Karl IV. (röm.-dt. Kaiser) , Karl VI. (röm.-dt. Kaiser, als Karl III. designierRegister
ter König von Spanien) , , , , , , f, , , , f, , –, , –, –, , , Karl VII. siehe Karl Albrecht/Karl VII. (Kurfürst von Bayern u. röm.-dt. Kaiser) Karl XI. (König von Schweden) Keiser, Reinhard Kerber, Ottmar , , , , , Kirsten, Michael , Klee, Paul f Kleiner, Salomon , f, , , , –, f, –, –, –, f, , –, , , , , , f, , , , , , , , , , , f, , f, –, , , , –, Kleinert, Friedrich , , f Klett, Ernst , , , , f, , – Klimt, Gustav Koch, Gottfried König, Ulrich von , Konstantin d. Gr. (röm. Kaiser) , Körner, Hans f, , Krapf, Michael , , , , , f, f, , –, Kraus, Wolfgang , , Kremeier, Jarl f, , , f, , f Krohne,. Gottfried Heinrich , Lanzani, Andrea , Lauffer, Caspar Theophil , f Lauro, Giacomo , Personen
Lavin, Irving f, Le Brun, Charles , , f, Le Nôtres, André Le Tellier marquis de Louvois, François Michel Le Vau, Louis , f, , , , , Leonardo da Vinci , , f, Leopold I. (röm.-dt. Kaiser) , f, , , , , f, , f Liechtenstein, Adam Andreas I. Fürst von Liechtenstein, Anton Florian Prinz von Lippi, Giacomo Lipsius, Justus Lobkowitz, August Leopold Graf von , Louvois siehe Le Tellier, François Michel Loyola, Ignatius von Ludwig Wilhelm (Markgraf von Baden-Baden) f, Ludwig XIII. (König von Frankreich) , – Ludwig XIV. (König von Frankreich) , – , , –, –, , –, f, –, , –, , f, f, f, , f, f, Lurago, Rocco Lykurg Lysimachos Maderno, Carlo –, Mancini, Olympia f, , Mansart, François Mansfeld, Heinrich Franz Graf von siehe Fondi,
Heinrich Franz Graf von Mansfeld und Fürst von Mantegna, Andrea Maria Theresia (Erzherzogin von Österreich, Königin von Böhmen u. Ungarn) , , Marlborough, John Churchill Duke of , , , , , Marot, Jean , , , , Martinelli, Domenico , , Matsche, Franz , , , , –, – Mattielli, Lorenzo Max(imilian) II. Emanuel (Kurfürst von Bayern) f, , , f, , , , , Maximilian I. (röm.-dt. Kaiser) Maximilian II. (röm.-dt. Kaiser) Medici (Geschlecht) Mélac, Ezéchiel Comte de Michelangelo Buonarroti , Milizia, Francesco Mola, Giovanni Battista Möller, Hans-Herbert , Moschetti, Santi Mose Moser, Friedrich Carl Moser, Johann Jacob Müller, Philipp Heinrich , Mutter, Peter , Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus (röm. Kaiser)
251
Nette, Johann Friedrich , , Neumann, Balthasar –, , –, , , –, –, , , , –, – Nivelon, Claude Norberg-Schulz, Christian , ,k , Nürnberger, Georg Friedrich , f Numa Pompilius (röm. König) Pacassi, Nicolò Palladio, Andrea , , , , , , , , , f, , f, , , f Pamphilj, Camillo f Paul V. Camillo Borghese (Papst) , Pečar, Andreas f, , f, , f Peikhart, Franciscus f, f, f, , , , f, –, , –, f, –, , –, –, Permoser, Balthasar , , –, –, , –, , , –, , , f, f, Perrault, Charles Peter I. der Große (Zar von Russland) Peter II. (König von Portugal) Pinder, Wilhelm , Plinius d. J. (Gaius Plinius Caecilius Secundus) –, f, f, , Poilly, François Polleroß, Friedrich , , , f, f, Popelka, Luise , –, Pöppelmann, Matthäus Daniel , , f, f, , f, f, , , , ,
252
Porta, Giacomo della Pozzo, Andrea , Prinz, Wolfram , l, Rainaldi, Carlo , , , , Reuther, Hans , , f Richelieu, Armand-Jean I. du Plessis de Rink, Gottlieb Eucharius , , , – Roli, Giuseppe Rose, Hans f, , , f, , , , , f Rossi, Domenico Egidio Röck, Bernd , Saint-Saphorin, François-Louis de Pesme, Baron de , Sanfelice, Ferdinando Saul (König von Israel) Savoyen (Geschlecht) –, , , , Savoyen-Carignan Graf von Soissons, Eugen Moritz von (Eugéne-Maurice de Savoie-Carignan) f Savoyen-Carignan Graf von Soissons, Louis-Thomas von (Bruder des Prinzen Eugen) Savoyen-Carignan, Emanuel von (Neffe des Prinzen Eugen) Savoyen-Carignan, Eugène von (Großneffe des Prinzen Eugen) Savoyen-Carignan, Eugène von (Neffe des Prinzen Eugen) Savoyen-Carignan, Maurice von (Neffe des Prinzen Eugen)
Savoyen-Carignan, Victoire von (Nichte des Prinzen Eugen) Scheyb, Franz Christian von , Schlüter, Andreas , Schönborn (Geschlecht) –, f Schönborn, Friedrich Carl (Fürstbischof von Würzburg u. Bamberg) f, , f, , , , , Schönborn, Lothar Franz (Kurfürst von Mainz, Fürstbischof von Bamberg) , , f, , f, , , , Schütz, Bernhard , , –, f, f Schumann, Jutta , f, , f Schwarzenberg (Geschlecht) Schwarzenberg, Adam Franz Fürst von f, f, , Scipio Africanus, Publius Cornelius , Sedlmaier, Richard , , Sedlmayr, Hans f, , , Seeger, Ulrike , f, , , f, , f, , Seinsheim, Adam Friedrich Graf von (Fürstbischof von Würzburg u. Bamberg) , Semenzato, Camillo , l, Semrau, Max , , Serlio, Sebastiano , Sixtus V. Felice Peretti (Papst) Smeltzing, Martin Staufer (Geschlecht) Sturm, Leonhard Christoph , Sysigambis (Königin von Persien)
Register
Thürlemann, Felix –, , Tiepolo, Giovanni Battista f, , , , Tietz, Ferdinand , Titus Flavius Vespasianus (röm. Kaiser) Tönnesmann, Andreas , Trajanus, Marcus Ulpius (röm. Kaiser) , Urban V. Guillaume de Grimoard (Papst) Urban VIII. Maffeo Barberini (Papst) Vestner, Georg Wilhelm , Viktor Amadeus II. (Herzog von Savoyen, König von Sizilien, später von Sardinien) Villars, prince de Martigues, Louis-Hector de Voigt, Franz , Wackerbarth, August Christoph Graf von , Wallenstein, Albrecht Eusebius Fürst von , , Welsch, Maximilian von , Wermuth, Christian Wieland, Christoph Wilhelm I. (König von Preußen u. dt. Kaiser) Wilhelm III. von Oranien-Nassau (Statthalter der Niederlande, König von England, Schottland u. Irland) , Winterling, Aloys Wolff, Andreas Wolff, Jeremias
Orte
Orte* Admont Ansbach Markgräfliche Residenz Ariccia S. Maria dell’Assunzione –, , Bamberg Neue Residenz Bayreuth Markgräfliche Residenz Belgrad (Schlacht) , , f, f, Berlin ehem. Schloss , , , Blenheim Palace Bruchsal Schloss Damiansburg , Brühl Kurfürstliche Residenz , , Caniparola Villa Malaspina , Cremona S. Sigismondo Delphi Tholos Dresden Zwinger , , –, f, , f, , f, , , f, , , , , , –, ,
Ellwangen Residenz Elstra Stadtkirche (mit der ›Apotheose‹ Augusts d. Starken von B. Permoser) , Genua Palazzo dell’Università f, f Palazzo Doria-Tursi f Göllersdorf bei Wien Schloss Göttweig , Hannover Residenz Höchstädt (Schlacht) , , , , , Klesheim bei Salzburg Fürstbischöfliche Residenz , Koblenz-Ehrenbreitstein Dikasterialgebäude Konstantinopel Laurentinum Villa des Plinius , f Le Raincy f, , , , Lille , , , f
∗ Mit Ausnahme des Oberen und des Unteren Belvedere
253
Ludwigsburg Herzogliche Residenz , , , Mainz Kurfürstliche Residenz Maisons Lafitte Schloss , , Malplaquet (Schlacht) Mannheim Kurfürstliche Residenz , , Mantua Palazzo Ducale Meersburg Fürstbischöfliche Residenz München Schloss Nymphenburg , , Schloss Schleißheim Münster Fürstbischöfliche Residenz Neapel Palazzo Sanfelice Neuburg Neuwaldegg Lustgartengebäude des Palais Strattmann Oudenaarde (Schlacht) , , , f Paris Profanbauten : Hôtel Lambert Louvre , , , f, f, f,
254
Straßen u. Plätze : Place des Victoires ,f, , , , , , , , – Peterwardein (Schlacht) , Pienza Palazzo Piccolomini Pommersfelden Schloss Weißenstein f, , f, , , , , , f, , , –, Prag Palais Czernin , Palais Wallenstein Rastatt Markgräfliche Residenz , , f, Rom Brunnen : Fontana di Trevi Kirchen u. Klöster : Chiesa Nuova Il Gesù , , , S. Andrea al Quirinale f, – S. Carlo alle Quattro Fontane S. Ivo alla Sapienza f, , , S. Maria Maggiore S. Pietro in Montorio, Tempietto S. Trinità dei Monti , St. Peter f, , , , –, f, f, , Profanbauten : Domus Aurea Hadriansmausoleum (Engelsburg) f
Palazzo Chigi-Odeschalchi Palazzo Montecitorio Straßen u. Plätze : Piazza Navona , Tempel : Pantheon Templum honoris et virtutis , , , , Salzburg Fürstbischöfliche Residenz Hofgarten in Hellbrunn Schönbornlust (Schloss) , Seehof Hofgarten , f, St. Florian , St.-Cloud (Schloss) , , , f Tivoli Villa d’Este Trier Kurfürstliche Residenz Turin (Schlacht) , , Turin Palazzo Madama Tusculum Villa des Plinius f Urbino Palazzo Ducale
Register
Vaux-le-Vicomte (Schloss) , , , , f, , , , , f, , , f, Veitshöchheim Hofgarten f Venedig Convento della Carità , Versailles (Hof ) –, , f, Versailles (Schloss) , , f, f, , , , , f, , , Vicenza Palazzo Chiericati , Villa Rotonda Weimar Belvedere , Werneck Schloss Wien Kirchen u. Klöster : Karlskirche , , , , , Salesianerinnenkloster , –, f, St. Sebastian u. Rochus , Stephansdom , , Profanbauen : Schloss Schönbrunn , , , Gartenpalais Liechtenstein , , , Hofburg Bibliothek , , , f, , f Michaelerfront , , , , Reichskanzleitrakt , f Johann-von-Nepomuk-Hospital Orte
Palais Daun-Kinsky , , Palais Harrach Palais Liechtenstein , Palais Lobkowitz f, Palais Mansfeld-Fondi (Schwarzenberg) f, , , , f, f, , f, , Palais Schönborn Palais Schwarzenberg siehe Palais MansfeldFondi Palais Trautson , , Stadtpalais (Winterpalais) des Prinzen Eugen , , , , , –, , , , , , , , , , , , , f, , – Stubentor Wiener Neugebäude Würzburg Residenz –, , –, –, , – , , , , , f, , , , – Zenta (Schlacht) , ,
255
Belvedere, Luftansicht der Gesamtanlage
Oberes Belvedere, Gartenfront
Oberes Belvedere, Hoffront
Oberes Belvedere, Vestibül
Oberes Belvedere, Treppenhaus
Oberes Belvedere, Mittelpavillon der Gartenfront
Würzburg, Residenz, Kaisersaalpavillon
Oberes Belvedere, Schrägansicht des Mittelpavillons der Gartenfront
Oberes Belvedere, Hauptsaal
Oberes Belvedere, Hauptsaal. Deckenbild von C. Carlone u. M. Chiarini (/)
Ausschnitt aus Abb. : Die Glorifikation des Prinzen Eugen und des Hauses Savoyen
Oberes Belvedere, sog. CarloneSaal (ehem. Großes Gesellschaftszimmer im westlichen Seitenpavillon). Deckenfresko von C. Carlone : Der Triumph der Aurora (/)
Oberes Belvedere, sog. Carlone-Saal (ehem. Großes Gesellschaftszimmer bzw. Grand Chambre de Conversation im westlichen Seitenpavillon)
Unteres Belvedere, Marmorsaal. Deckenfresko von M. Altomonte u. M. Chiarini ()
Ausschnitt aus Abb. : Die Apotheose des Prinzen Eugen
Oberes Belvedere, Zustand der Hoffront um
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Das gesamte Belvedere in der Vogelschau
S. Kleiner/J. Wanger : Belvedere, Grundstücksplan
S. Kleiner/ J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, perspektivische Ansicht der Gartenfront
S. Kleiner/ J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, Aufriss der Hoffront
S. Kleiner/J. A. Corvinus: Oberes Belvedere, Aufriss der Hoffront
S. Kleiner/ J. J. Graessmann : Oberes Belvedere, östliche Schmalseite
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, Grundrisse aller drei Geschosse
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, Querschnitt durch die gartenseitigen Räume
S. Kleiner/J. B. Hattinger : Oberes Belvedere, Querschnitt durch die hofseitigen Räume
S. (l.) Kleiner/ J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, Längsschnitt durch die östlichen Seitenpavillons
(r.) S. Kleiner/ J. J. Graessmann : Oberes Belvedere, Längsschnitt durch Einfahrt, Vestibül und Hauptsaal (l.) S. Kleiner/ J. G. Thelot(t) : Oberes Belvedere, von der oberen Kaskade aus gesehen
(r.) S. Kleiner/ J. G. Thelot(t) : Oberes Belvedere, von der unteren Kaskade aus gesehen
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, perspektivische Darstellung der Hoffront
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, Ehrenhof
S. Kleiner/J. G. Thelot(t) : Oberes Belvedere, Vestibül
S. Kleiner/J. J. Graessmann : Oberes Belvedere, Blick aus dem Vestibül in den Garten
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, Großes Gesellschaftszimmer (Gartenfront, östlicher Seitenpavillon)
S. Kleiner/J. J. Graessmann : Kleines Gesellschaftszimmer (Gartenfront, westlicher Seitenpavillon)
S. Kleiner/J. J. Graessmann : Oberes Belvedere, Offene Galerie (Gartenfront, östlicher Zwischenpavillon)
S. Kleiner/J. J. Graessmann : Oberes Belvedere, Offenes Kabinett (Gartenfront, westlicher Eckpavillon)
S. Kleiner/J. G. Thelot(t) : Einfahrt und Treppenhaus des Oberen Belvedere
S. Kleiner/J. G. Thelot(t) : Oberes Belvedere, Hauptsaal
S. Kleiner/B. S. Sedlezki : Unteres Belvedere, Marmorsaal
(l.) S. Kleiner/J. G. Thelot(t) : Oberes Belvedere, Parade- und Audienzzimmer
(r.) S. Kleiner/ J.B. Probst : Oberes Belvedere, Konferenzzimmer
(l.) S. Kleiner/J. A. Corvinus : Oberes Belvedere, Ankleidezimmer
(r.) S. Kleiner/J. A. Corvinus : Unteres Belvedere, Bücherkabinett
S. Kleiner/J. J. Graessmann : Belvederegarten, rechter Weg
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Unteres Belvedere, rechter Teil von Aufriss und Grundriss
(l.o.) S. Kleiner/J. J. Graessmann : Belvedere, sog. Kleiner Garten mit Lattenpavillons (l.u.) S. Kleiner/J. J. Graessmann : Belvedere, sog. Kleiner Garten, Lattenpavillon mit Blick auf die Orangerie (r.o.) S. Kleiner/J. G. Thelot(t) : Unteres Belvedere, Marstall
S. Kleiner/J. G. Thelot(t) : Unteres Belvedere, Ein- bzw. Abdeckung der Orangerie
S. Kleiner/J. G. Thelot(t) : Unteres Belvedere, Aufriss der Orangerie
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Unteres Belvedere, Grundriss und Längsschnitt durch die Orangerie
S. Kleiner/J. B. Probst : Oberes Belvedere, Menagerie
B. Bellotto, gen. Canaletto : Blick aus dem westlichen Eckpavillon des Oberen Belvedere auf den Belvederegarten, das Schwarzenberg’sche Anwesen und Wien (/)
L. v. Hildebrandt : Aufriss der Gartenfront. Federzeichnung, laviert (/)
S. Kleiner/J. A. Corvinus : Das Obere Belvedere in Wien ()
Wien, Palais Trautson
S. Kleiner : Palais Mansfeld Fondi (Schwarzenberg) in Wien, Gartenfront
Wien, Palais Mansfeld Fondi (Schwarzenberg), Hoffront
Linke Seite: (l.o.) A. Palladio : Palazzo Chiericati in Vicenza () (l.u.) A. Palladio : Convento della Carità in Venedig, Innenhof () (r.o.) Vaux-le-Vicomte, Gartenfront (r.u.) Vaux-le-Vicomte, Grundriss
Rechte Seite: (r.o.) N.N., Schloss Raincy (um ) (r.u.) J. Marot : Projekt für das Mannheimer Schloss (ca. ) a (u.) A. Palladio: Entwurf für die Villa Pisani bie Montagnana ()
G. L. Bernini : Entwurf für ein Landhaus (undatiert)
Versailles, Gartenfront
Rom, Fassade des Petersdoms
G. L. Bernini, Entwurfszeichnung für die Fassade des Petersdoms in Rom (–)
(l.o.) Wien, Karlskirche (r.o.) L. Fronsperger : Des General Obersten Feldherrn Zelt mitten im Lager () (r.u.) P. Ch. Canot, Gottfried von Boulogne und seine Armee vor den Mauern Jerusalems (ca. ), (l.u.) Wien, Palais Daun-Kinsky
B. Bellotto, gen. Canaletto : Schloss Nymphenburg, Ausschnitt ()
D. Martinelli : Entwurf für die Villa Malaspina in Caniparola (undatiert)
J. F. Nette : Erweiterungsplan für Schloss Ludwigsburg ()
Wien, Hofbibliothek
S. Kleiner/J. J. Sedelmayr d. J. : Wien Hofbibliothek ()
(o.) M. D. Pöppelmann : ehem. Grottensaal im Mathematisch-Physikalischen Pavillon des Dresdner Zwingers () (l.) Dresden, Zwinger, Faunskonsole an der nördlichen Bogengalerie (r.) Dresden, Zwinger, nördliche Bogengalerie
L. Chr. Sturm : ›Grund- und Aufrisse einer Haupt-Treppe in einem Fürstlichen Hoff‹ ()
Genua, Palazzo dell’Università. Treppenhaus und Innenhof
Genua, Palazzo dell’Università. Längsschnitt und Grundriss
Rechte Seite: (l.) S. Kleiner/G. D. Haimann : Schloss Pommersfelden, Treppenhaus () (r.o.) S. Kleiner/J. A. Corvinus : Schloss Pommersfelden, Längsschnitt durch Treppenhaus, Vestibül, Sala terrena und Marmorsaal () (r.u.) S. Kleiner/G. D. Haimann : Vestibül in Schloss Pommersfelden mit der Apotheose des Herkules ()
J. B. Fischer von Erlach : Hinteres Gebäude im Liechtenstein’schen Garten ()
J. Mariette : Saint-Cloud, Gartenfront und Längsschnitt durch den Hof nach dem Umbau von (–)
I. Silvestre : Saint-Cloud. Zustand vor dem Umbau von (undatiert)
(l.o.) Dresden, Zwinger, Treppe im Wallpavillon (l.u.) J. B. Fischer von Erlach : Entwurf für Schloss Klesheim bei Salzburg () (r.o.) Vaux-le-Vicomte, Grotte im Park
Rechte Seite: (o.) J. Marot : Ostfassade des Louvre in Berninis drittem Projekt () (l.u.) G. L. Bernini : erstes Louvre-Projekt, Ausschnitt der Ostfassade () (r.u.) P. Decker : Prospekt des Fürstlichen Lufft oder Lusthauses (–)
Würzburg, Residenz, Gartenfront
Würzburg, Residenz. Kaisersaalpavillon
Würzburg, Residenz. Ehrenhoffront
Büro B. Neumanns : Entwurf für die Würzburger Residenz, Längsschnitt durch den Mittelpavillon der Gartenfront und das Corps de Logis (, Hdz. )
Büro B. Neumanns : Entwurf für die Würzburger Residenz, Aufriss der Stadtfront (, Hdz. )
Büro B. Neumanns : Entwurf für die Würzburger Residenz, Aufriss der Stadtfront (um , Hdz. )
Büro B. Neumanns : Entwurf für die Würzburger Residenz, Aufriss der Südseite (, Hdz. )
Büro B. Neumanns : Entwurf für die Würzburger Residenz, Aufriss der Gartenfront (, Hdz. )
Büro B. Neumanns : Entwurf für die Würzburger Residenz, Aufriss der Gartenfront (um , Hdz. )
G. Boffrand (oben)/R. de Cotte (unten) : Entwürfe für die Würzburger Residenz, Aufrisse der Gartenfront (beide , Hdz. u. )
Büro B. Neumanns : Entwurf für die Würzburger Residenz, Längsschnitt durch das Corps de Logis und Aufriss der südlichen Ehrenhofseite (/, Hdz. )
Büro B. Neumanns : Ausschnitt aus einem Entwurf für die Würzburger Residenz in der Vogelschau (, Hdz. )
Büro B. Neumanns : Würzburger Residenz, Aufriss der Gartenfront (um ?, Hdz. )
Würzburg Residenz. Blick auf die Nordwand des Kaisersaals
Würzburg, Residenz. Deckenfresko von G. B. Tiepolo im Kaisersaal ()
J. E. Fischer von Erlach : Zweites Projekt für den Michaelertrakt der Wiener Hofburg ()
G. H. Krohne : Aufrisszeichnung des Schlosses Belvedere bei Weimar (/)
Linke Seite : Rom, S. Ivo alla Sapienza
Rom, Peterskirche. Cathedra Petri von G. L. Bernini (–)
Rom, Il Gesù. Langhausfresko von G. B. Gaulli ()
N.N.: Grundrisszeichnung von S. Andrea al Quirinale ()
Rom, S. Andrea al Quirinale. Blick auf die Eingangsinnenwand
Rom, S. Andrea al Quirinale. Blick auf die Altarnische
Wien, Stadtpalais des Prinzen Eugen. Treppenhaus Brühl, Schloss, Gardensaal. Deckenfresko von C. Carlone : Die Verherrlichung des Kaisertums Karls VII. (/)
Wien, Stadtpalais des Prinzen Eugen, Roter Salon (ehem. Audienzzimmer). Deckenbild von A. Lanzani u. M. Chiarini : Herkules empfängt von Jupiter das Sternenkleid ()
Rechte Seite: Wien, Stadtpalais des Prinzen Eugen, Blauer Salon (ehem. Gobelinsaal). Deckenbild von L. Dorigny ( ?), M. Chiarini u. G. Gambarini (Ausschnitt) : Herkules wird mit Juventas vermählt () Wien, Stadtpalais des Prinzen Eugen, Treppenhaus. Deckenbild von L. Dorigny ( ?) : Apoll () Wien, Stadtpalais des Prinzen Eugen, Treppenhaus. Deckenbild von L. Dorigny ( ?) : Der Sturz des Ikarus ()
u. B. Permoser, sog. Apotheose des Prinzen Eugen (–)
G. R. Donner, Apotheose Kaiser Karls VI. () Elstra, Stadtkirche. Apotheose Augusts des Starken von B. Permoser (/)
S. Kleiner/J. J. Sedelmayr d. J. : Titelkupfer zu Kleiners Stichwerk über das Belvedere
Martin Desjardins : Sockelfiguren des ehem. Denkmals für Ludwig XIV. auf der Place des Victoires () : die Personifikation des Heiligen Römischen Reiches, Spaniens, des Osmanischen Reiches ( ?) und Hollands
Anonym : Abwertende Darstellung des Denkmals Ludwigs XIV. auf der Place des Victoires in Paris ()
N. N. : Denkmal Ludwigs XIV. auf der Place des Victoires in Paris
G. de Grof : Entwurf für ein Denkmal Max Emanuels von Bayern (/)
Wien, Palais Lobkowitz, Vestibül. Glorifikation des Herkules von L. Mattielli ( ?) (um /)
Park von Schloss Seehof, Kaskade von F. Tietz (/)
Würzburg, Residenz, Treppenhaus. Deckenfresko von G. B. Tiepolo : Personifikation des Erdteils Europa und Apotheose des Fürstbischofs Greiffenclau in effigie ()
– C. Th. Lauffer : Medaille zur Einnahme von Lille i. J. – F. Kleinert : Medaille zum Sieg bei Oudenaarde i. J. Ph. H. Müller : Medaille zu Eugens Ernennung zum Generalgouverneur von Mailand i. J. (Revers) G. W. Vestner : Medaille zur Eroberung Belgrads i. J. (Revers) G. F. Nürnberger/M. Brunner : Medaille zum Frieden von Rastatt i. J. (Revers) M. Brunner/G. F. Nürnberger : Medaille zum Frieden von Rastatt i. J. (Revers) H. Haffner : Medaille zum Frieden von Passarowitz i. J. (Revers) M. Brunner : Medaille zum Sieg bei Höchstädt i. J. (Avers)
A. Specchi : Das Hochaltarziborium in Sankt Peter zu Rom
N. N. : Rekonstruktion des templum honoris et virtutis in Rom ()
G. B. Falda : Ansicht der Kirche S. Maria della Assunzione (–)
Aricca, S. Maria della Assunzione
Th. van Thulden, Ferdinand von Österreich als Herkules am Scheidewege () D. Barriere/J. P. Schor : Festdekoration vor S. Trinità dei Moni in Rom anlässlich der Geburt des Dauphins (/)
Prag, Palais Czernin
Berlin, ehem. Schloss, Portalrisalit I Schloss Weißenstein ob Pommersfelden, Treppenhauspavillon
Dresden, Zwinger, Wallpavillon