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German Pages [392] Year 2015
Beiträge zu Grundfragen des Rechts
Band 14
Herausgegeben von Stephan Meder
Tobias Roeder
Das Notariat, sein Recht und seine Geschichte im ›Land Hannover‹
Mit 28 Abbildungen
V& R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0304-2 ISBN 978-3-8470-0304-5 (E-Book) Ó 2015, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Meinen Großeltern Anni und Albert
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil – Hannover und hannoversches Notariat bis 1800 . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel – Welfisches Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Welfendynastie als Grundpfeiler des Bundesstaates Hannover und seiner Raumgeschichte . . . . . . . . . . . . . . II. Wie die Welfen nach Deutschland kamen und ihr Machtkampf mit den Staufern begann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Heinrich der Löwe – Emporkömmling, junger Fürst und schließlich Geschlagener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Welfisches Norddeutschland, Hannover als fürstliche Residenz . 2. Kapitel – Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853 . . . . . . I. Das (deutsche) Notariat, eine Einführung . . . . . . . . . . . . 1. Die Urkunde als Teil des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . 2. Der Beginn des öffentlichen Notariats diesseits der Alpen . . 3. Der kanonische Prozess als Motor des Urkundenwesens und des Notariats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der mittelalterliche Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erste Legitimationserfordernisse für den öffentlichen Notar . 6. Gesamtdeutsche Missstände im Notariat des Mittelalters . . . II. Die Rechtslage und Betätigungsfelder des hannoverschen Notariats zur Zeit der kaiserlichen Notariatsordnung, ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die neu geschaffene Rechtslage von 1512 . . . . . . . . . . . a) Das kaiserliche »Anforderungsprofil« an den deutschen Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Notariatsinstrument nach kaiserlichem Verständnis .
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Inhalt
2. Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Ernennungsverfahren des gemeinrechtlichen Notars und das Hofpfalzgrafenamt als Grund für die Misere . . . . . . . . . 3. Kaiserliche Notare und ihre Tätigkeit unter »hannoverschen« Partikularrechten . . . . . . . . . . . . . . a) Stadtrecht und Stadtrechtsfamilien . . . . . . . . . . . . . aa) Quellen des partikularen Rechts . . . . . . . . . . . . bb) Der Stadtrat als oberste Institution der städtischen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stadtrechtsfamilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das hannoversche Stadtrecht und sein kaiserliches Notariat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das hannoversche Copialbuch und seine Rechtssätze . bb) Der Tätigkeitsbereich des kaiserlichen Notars und Stadtschreibers unter hannoverscher (Stadt-) Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der hannoversche Behördennotar als Konkurrent des freien hannoverschen Notariats des 16. Jahrhunderts (um 1554 – 1567) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee zum hannoverschen Partikularrecht des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der bemerkenswerte Niedergang des hannoverschen Stadtrechts, Teil der Rezeptionsgeschichte . . . . . . . . . 4. Das Hildesheimer Stadtrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Notariat der reichsfreien Stadt Goslar und sein Recht . . 6. Resümee zum kaiserlich-gemeinrechtlichen Notariat in Verbindung mit territorialen Rechten . . . . . . . . . . . . . III. Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713 als Instrument der Zugangskontrolle . . . . . . . . . . . . 1. Das neue Fundament der Zugangskontrolle in das hannoversche Notariat des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . 2. Das Ernennungs- und Auswahlverfahren im 18. Jahrhundert . a) Die Prüfungs- und Ernennungspraxis im »Celler Bezirk« . b) Prüfungsanforderungen und Inkompatibilität von Advokatur und Notariat in »Hannover« . . . . . . . . . . IV. Resümee zum »hannoverschen« Notariat bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
2. Teil – Hannover, sein Notariatsrecht und Notariat im 19. Jahrhundert . 1. Kapitel – Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts und die Königliche Hannoversche Notariatsordnung von 1853 . . . . I. Hannoversche Notariatsgesetzgebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder Beibehaltung französischrechtlicher Einflüsse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Emanzipation Hannovers nach 1814? . . . . . . . 2. Teilgebiete des hannoverschen Königreichs nach Ende der französischen Besatzungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeines Recht als Auslaufmodel im hannoverschen Staat . II. Notariatsgesetzgebung in hannoverschen Landen und späteren niedersächsischen Gebieten ab 1850 (Königreich Hannover und Herzogtum Braunschweig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die erste moderne Notariatsgesetzgebung Deutschlands in hannoverschem Dunstkreis (Notariats-Ordnung für das Herzogthum Braunschweig 1850) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gesetzliche Grundlage des Hannoverschen Königlichen Notariats ab 1853 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die HNO als Ergebnis einer monarchischen Verfassungsgesetzgebung mit dennoch ständischer Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die traditionell starke Stellung der Stände im hannoverschen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Innere und äußere Einflüsse auf das staatliche Machtgefüge zwischen hannoverschem Ständetum und Regenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Welfische Dynastiegeschichte als äußerer Faktor . . . bb) Innenpolitisch-gesellschaftliche Umstände . . . . . . cc) Von der ständefreundlichen, liberalen zur monokratischen Verfassung Hannovers der Jahre 1833 und 1840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die hannoverschen Verfassungen der Jahre 1833 und 1840 im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mittelbare Ständemacht und ihre Instrumente im hannoverschen »Königsstaat« . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einfachgesetzliche Änderung der Verfassung von 1840 als Begründung ständischer Mitwirkung (»Das Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. Sept. 1848«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
bb) Zeitgenössische Verfassungsinterpretation als Grund ständischer Mitwirkungsrechte (Landesverfassungsgesetz 1840 i. V. m. dem Änderungsgesetz von 1848) . . . . . . . . . . . . . . . cc) Juristenparlament und ständischer Sachverstand . . . 4. Die Hannoversche Königliche Notariats-Ordnung . . . . . . a) Leitmotive der hannoverschen Gesetzgebung . . . . . . . b) Entstehungsprozess der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung, ihr Inhalt und die Umsetzung der gesetzgeberischen Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ernennung (Erster Abschnitt: »Von der Ernennung der Notare«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geschäftsführung (Zweiter Abschnitt: »Wirkungskreis der Notare«) . . . . . . . . . . . . . . cc) Allgemeine Verpflichtungen (Dritter Abschnitt: »Allgemeine Verpflichtungen der Notare in Beziehung auf ihre Geschäftsführung«) . . . . . . . . . . . . . . dd) Notariatsinstrumente (Vierter Abschnitt: »Von der Errichtung der Notariatsurkunde«) . . . . . . . . . . ee) Nichtigkeit der Notariatsakte und Notariatshaftung (Fünfter und Sechster Abschnitt: »Von der Nichtigkeit der Notariatsakte & Haftungsverbindlichkeit des Notars«) . . . . . . . . . ff) Sicherung der Notariatsurkunden, Notariatsgebühren (»Siebenter und achter Abschnitt«) . . . . . . . . . . gg) Disziplinargewalt über die Notare (Neunter Abschnitt: »Von der Disziplinargewalt über die Notare«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Das Ende der notariellen Betätigung (Zehnter Abschnitt: »Von dem Erlöschen der Befugnis zur Ausübung des Notariats«) . . . . . . . . . . . . . . . . III. Resümee zur hannoverschen Notariatsgesetzgebung . . . . . . IV. Gründe der Fortgeltung der hannoverschen Regelungen im preußischen Staat auch nach 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . V. Spannungsverhältnisse im Notariatsrecht des 19. Jahrhunderts auf hannoverschem Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spannungsverhältnis zum preußischen Recht innerhalb hannoverscher Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spannungsverhältnis der hannoverschen Ordnung zum gemeinen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
VI. Grundsätzlicher Vergleich der Funktion des Notariats im »Niedersachsen« des 19. Jahrhunderts (Hannover und »andere« absolutistische Territorien) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frankreich bzw. das französisch geprägte Westfalen als angrenzendes Territorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Preußen als angrenzendes Territorium . . . . . . . . . . . . 3. Hannoversches Verständnis des Notars und seiner Aufgaben im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel – Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand und dessen Betätigungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . I. Königliche Hannoversche Notare und ihre Tätigkeitsfelder im 19. Jahrhundert (Tätigkeitsschwerpunkte des hannoverschen Notariats ab 1853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notarspersönlichkeit (Preuß, Christoph Clemens, Notar in Hannover) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notarspersönlichkeit (Wöllfer, Louis Arnold Wilhelm, Notar in Hannover und Justizrat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notarspersönlichkeiten (Haase Dr., Georg Friedrich Ludwig, Notar in Hannover und Justizrat; Dr. Erdmann Notar in Hannover) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erhebung des Personalbestandes des hannoverschen Notariats ab 1853 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitel – Das niedersächsische Notariat des 20. Jahrhunderts, ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das »hannoversche« Notariat ab 1900 bis 1933 . . . . . . . . . II. Das hannoversche Notariat des Dritten Reichs . . . . . . . . . . III. Die Bundesnotariatsordnung von 1961, die Selbstorganisation der hannoversch-niedersächsischen Notare und die Notarkammer Celle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitel – Das hannoversche Notariat in den vergangenen 500 Jahren, ein Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur-, Quellen- sowie Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . .
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303 304 308 309 312
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Anhang I. Stammtafel der Welfen als herrschende Monarchen . . . . . . . . . II. Ausgewählte Gesetzesmaterialien zur hannoverschen Notariatsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Illustration der rechtlichen Entwicklung des »hannoverschen« Notariats Ó Tobias Roeder 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357 361 368
12 IV. Ausgewählte Notariatsinstrumente, Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover . . . . . . . . . . . . . . V. Liste der durch das Oberappellationsgericht Celle in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Noch vorhandene Personalakten der Notarspersönlichkeiten im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO (spätester Geburtsjahrgang 1867) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Notariatsaktenbestände und Generalia des hannoverschen Notariats (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhalt
369 378
382
388
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde im März 2014 durch die juristische Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover als Dissertation angenommen. Literatur zum Thema konnte Berücksichtigung finden bis zum Juni 2014. An dieser Stelle möchte ich mich daher bei denjenigen aufrichtig bedanken, die mich in den fast sechs Jahren der Erstellung dieser Arbeit begleitet und unterstützt haben: Ganz besonderer Dank gebührt allen voran meinem verehrten Doktorvater Herrn Stephan Meder, ohne dessen Unterstützung und fortwährende Betreuung die Erstellung der Untersuchung nicht möglich gewesen wäre. Immer wieder wurde ich durch Diskussionen und Gesprächen zu den gefundenen Ergebnissen animiert über den »Tellerrand« hinauszuschauen. In den zurückliegenden sechs Jahren habe ich persönlich sowie fachlich viel von ihm lernen dürfen. Seine hierbei stets humorvolle, zuvorkommende und vertrauensvolle Art haben mich nicht zuletzt für meine berufliche Zukunft geprägt. Für diese Unterstützung, Inspiration sowie die Aufnahme meiner Arbeit in seine Reihe »Grundzüge des Rechts« werde ich immer sehr dankbar sein. Herrn Rechtsanwalt und Notar Ulrich von Jeinsen danke ich darüber hinaus für die freundliche Zusammenarbeit und die – trotz sicherlich starker beruflicher Belastung – rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Dem Niedersächsischen Landesarchiv – Hauptstaatsarchiv Hannover wie auch der Stadtbibliothek Hannover, der Bibliothek des Oberlandesgericht Celles und allen anderen Stellen sei ferner für die Unterstützung und Einsicht in Archivalien und allerlei Dokumente ganz herzlich gedankt. Viele weitere haben mich ebenfalls auf meinem Weg begleitet und unterstützt – auch sie sollen freilich hier erwähnt werden: Frau Rechtsanwältin Alexa Holzmann und Frau Isabella Röder, die unermüdlich das Lesen der verschiedenen Korrekturfahnen übernommen haben, danke ich sehr. Nicht weniger Erwähnung verdient insoweit mein Kollege Herr Rechtsanwalt Christian Reichel, den ich ebenfalls für die ersten Lektüren der Gesamtentwürfe gewinnen konnte. Mit ihm habe ich auch die harte Zeit des Referendariats und die Zeit der Vorbereitungsphase auf das zweite juristische
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Vorwort
Staatsexamen zu einem Teil meines Ausbildungsweges und Lebens machen können, an den ich jederzeit gern zurück denke. Auch möchte ich meinen Freunden und Kollegen des kriminalwissenschaftlichen Institutes (KI) der Leibniz Universität Hannover danken, die ich zum Teil im Rahmen meiner Tätigkeit am Lehrstuhl von Herrn Hinrich Rüping kennen lernen durfte. Mit wertvollen Hinweisen in freundlichen Gesprächen kam mir überdies das Privileg zu, am reichen Wissens- und Erfahrungsschatz von Herrn Carsten Momsen als Nachfolger von Herrn Rüping teilzuhaben. An dieser Stelle auch ihnen meinen herzlichen Dank. Schließlich haben mich alle Mitglieder meiner Familie auf meinem langen Ausbildungsweg immer mit Zuspruch begleitet sowie nicht weniger unterstützt. Selbstverständlich gebühren ihnen mein besonderer Dank und meine Wertschätzung. Ohne die Großzügigkeit meiner Großeltern Anni und Albert wäre mir die Erstellung dieser Arbeit in den zurückliegenden sechs Jahren kaum möglich gewesen. In vielerlei Hinsicht haben sie mir das Leben in dieser Zeit immer wieder vereinfacht, so dass ich mich auf die Erstellung dieser Untersuchung konzentrieren konnte. Ihnen sei diese Arbeit daher im Speziellen gewidmet. Nicht zuletzt möchte ich meinen Eltern Dank sagen. Sie haben durch die Ermöglichung meines Studiums zum einen den Grundstein für diese Arbeit; zum anderen für meine heutige Tätigkeit gelegt, welche mich jeden Tag auf das Neue ausfüllt und begeistert. Hannover, im Juni 2014
Tobias Roeder
Abkürzungsverzeichnis
a. a. A. a. a. O. Abb. ABGB a. d. Abb. Allg./allg ALR an d. Anm. Aufl. Auftr. AZ
am/an andere Ansicht am angegebenen Ort Abbildung Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch an der Abbildung A/allgemein/e/es Allgemeines Landrecht an der Anmerkung Auflage Auftrag Aktenzeichen
Bad./bad. Bd. BDGL betr. BeurKG BGB BGH Begr. BNotO BNSDJ BRAO Brsg. i. Bs./bs. bspw. BWNotZ bzgl. bzw.
Badisches, badisches Band Blätter für deutsche Landesgeschichte betreffend Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Begründer Bundesnotarordnung Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen Bundesrechtsanwaltsordnung Breisgau im Braunschweig/braunschweigisch/e/es beispielsweise Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg B/bezüglich B/beziehungsweise
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Abkürzungsverzeichnis
Ca./ca.
C/circa
d. d.J. de D/ders. Dez. D/dies. Diss. DNotZ Dr. DRiZ Dt./dt. durchges.
des/der/die/dem Der Jüngere/des Jahres Top Level Domain Deutschland D/derselbe Dezember D/dieselbe Dissertation Deutsche Notarzeitschrift Doktor Deutsche Richterzeitschrift D/deutsch/e/es Durchgesehen
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit f. folgend ff. folgende FGG Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit fol. folio forhistiur forum historiae iurus/ertse europäische Internetzeitschrift für Rechtsgeschichte Franz./franz. F/französisch/e/es Fränk. fränkisch Frhr. Freiherr FS Festschrift Fußnote Fßn. FamFG
G/grds. geb. Ggf./ggf. Germ. ges. Gesell. germ. Gesamtb. Gesell. gov. GVGKHann. GWBL
G/grundsätzlich/e/es geboren G/gegebenenfalls Germanistische (Abteilung) gesammelt Gesellschaft G/germanischem/es Gesamtbearbeitung/Gesamtbearbeiter Gesellschaft Gouvernement Gerichtsverfassungsgesetz für das Königreich Hannover (siehe auch: OrgG) Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (Niedersächsische Landesbibliothek, Hannover)
Abkürzungsverzeichnis
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Hann. HannGbll. HNO HRG Hg. hg.
Hannover/hannoversche/s Hannoversche Geschichtsblätter Hannoversche Königliche Notariatsordnung Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Herausgeber herausgegeben
i. I/i. V. m. i.R. i. S.v. I/insb. I/insg. inkl.
im/in I/in Verbindung mit I/im Rahmen; im Ruhestand im Sinne von I/insbesondere I/insgesamt inklusive
Jur./jur. JuS
Juristisch/e Juristische Schulung
Kap. KNO
Kapitel Kaiserliche Notariatsordnung (siehe auch: RNO)
l. LUH
links Leibniz Universität Hannover
Mag. m. w. N.
Magister mit weiteren Nachweisen
Nachdr. Nds./nds. Neuausg. Neudr. NJW Nov. Nr. NS NSDAP NSRB
Nachdruck Niedersachsen, niedersächsisch/e/es Neuausgabe Neudruck Neue Juristische Wochenschrift November Nummer Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund, Dachorganisation der Reichsfachgruppe Notare
OLG Oberlandesgericht OrgG Organisationsgesetz (siehe auch: GVGKHann.) Ö/österreich. Ö/österreichisch/e/es pdf. phil.
portable document format philosophisch/e/es
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Abkürzungsverzeichnis
Prof. PRAL Preuss. preuß. preuß. FGG
Professor Preußisches Allgemeines Landrecht Preußisches preußische/s Preußisches Gesetz über die freiwillige Gesetzgebung
r. Reg.Bl. Rdn. RGBL RiOLG RNO RNotZ
rechts/Rückseite Regierungsblatt Randnummer/n Reichgesetzblatt Richter am Oberlandesgericht Reichnotariatsordnung (siehe auch: KNO) Rheinische Notarzeitschrift
S. Sächs. Schles. Sept. Sig. sog. Sp. StaatsDG Stud.
Seite Sächsisches Schleswig September Signatur sogenannt/e/es Spalte Staatsdienergesetz Studie
TIB Tit.
Technische Informationsbibliothek Titel
u. a. UB übertr. Uni Uk. URL
und andere Urkundsbuch übertragen Universität United kingdom Uniform Ressource Locator
v. Ver. Verf. Vgl./vgl. Vorarb. vr.
von/Vorderseite Verein Verfassung V/vergleiche Vorarbeit vorn rechts
wiss. www.
Wissenschaftliche/er/es Word wide web
Abkürzungsverzeichnis
z. B. Zeitschr. ZNR ZRG Germ.
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Zum Beispiel Zeitschrift Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung
»Wer schreibt, der bleibt.1 / Was man schreibt, das bleibt.«2
1 H. Beyer/A. Beyer, Sprichwörterlexikon (1985), S. 518. 2 Schmidt-Wiegand, Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter (1996), S. 299; J.M., Braun, Deutsche Sprüchwörter und Redensarten (1840), S. 153, Nr. 3973; Conradi, GrundSätze der Teutschen Rechte (1745), S. 24, Nr. 20.
1. Teil – Hannover und hannoversches Notariat bis 1800
Einleitung Die Rechtsgeschichte und ihre Erforschung leben von ihren Primärquellen und deren Auswertung, so dass ebendiese für die vorliegende Arbeit bereits in der Orientierungsphase eine entscheidende Rolle spielten. Tritt man in die Lektüre zur Geschichte des deutschen Notariats ein, wird eines offensichtlich: Mit einigen Werken, Monographien und Beiträgen sonstiger Art besteht eine überschaubare Menge an Sekundärliteratur zu diesem Thema. Die wenigsten dieser Veröffentlichungen befassen sich mit einem für Deutschland klar umrissenen, territorialgeschichtlich relevanten Gebiet3 – behandeln sie doch meist die Geschichte des »gesamtdeutschen« Notariats.4 3 Für solche territorialrechtlich begrenzten Gebiete finden sich nur einige Publikationen: Vgl. etwa für Hamburg grundlegend Schultze-v. Lasaulx, Die Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl. der Jubiläumsausgabe der Hamburgischen Notarkammer anlässlich ihres 150jährigen Bestehens (1980); für den gesamten Südwesten Deutschlands vgl. Schuler, Geschichte des Südwestdeutschen Notariats. Von seinen Anfängen bis zur Reichsnotariatsordnung von 1512 (1976); hinsichtlich einer besonderen Periode preußischer Gesetzgebung etwa: Wiedemann, Preußische Justizreformen und die Entwicklung zum Anwaltsnotariat in Altpreußen 1700 – 1849 (2003); für Preußen als direkter Nachbarstaat zu Hannover weiterführend insgesamt: Weißler, Das preußische Notariat im Geltungsgebiete der allgemeinen Gerichts-Ordnung (1888); ders., Das Notariat der preußischen Monarchie (1896); ders., Zur Geschichte des Preußischen Notariats (1914); für das deutschtiroler Notariat vgl. etwa Heuberger, Das deutschtiroler Notariat. Umrisse seiner mittelalterlichen Entwicklung (1926). 4 Auf gesamtdeutscher Ebene grundlegend (auch heute noch): Oesterley, Das Deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts und mit besonderer Berücksichtigung der in den deutschen Bundesstaaten geltenden partikularrechtlichen Vorschriften geschichtlich und dogmatisch dargestellt, in 2 Bänden; Geschichte des Notariats (1842/Neudr. 1965); Oesterley wird als Vorreiter in der deutschen Notariatsforschung etwa auch von Scharnhorp neustens in seiner Einleitung wörtlich wiedergegeben Scharnhorp, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert. Eine Untersuchung zum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente (2011), S. 1; sowie im Weiteren zum gesamtdeutschen Notariat etwa nur: Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/ Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 171 ff.; insgesamt auch:
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Einleitung
Das »Land Hannover« bzw. das Königreich und der Bundesstaat Hannover stellen einen weißen Fleck auf der Landkarte notariatsgeschichtlicher Forschung dar.5 Es galt sich, mithin früh darüber klar zu werden, welche Möglichkeiten zur Erschließung des »hannoverschen« Themas zur Verfügung stehen würden. Den gesetzlichen Bestimmungen zum hannoverschen Notariat kam hierbei von Anfang an ein gesteigertes Interesse zu, was für jede der verschiedenen Epochen hannoverscher »Reichsgeschichte« der Fall sein sollte. Neben die Quellen zur Gesetzgebung traten Überlieferungen mit den noch erhaltenen Personalia und Generalia aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Vorgehalten werden diese Aktenbestände bis heute in verschiedenen Archiven des Landes Niedersachsen sowie in den städtischen Bibliotheken und archivalischen Sammlungen der heutigen Landeshauptstadt Hannover. Weitere Bestände fanden sich in den Gerichtsbibliotheken des Oberlandesgerichtsbezirks Celle. Auch für das Oberlandesgericht in Celle – ehemals Oberappellationsgericht zu Celle – zeigte sich schon in der Vorbereitungsphase der Untersuchung eine besondere Rolle im Hinblick auf dessen Funktion für das nordwestdeutsche Notariat. Mithin konnten in dessen Bibliotheksbeständen vielversprechende Informationen über umfangreiche Akten zum hannoverschen Notariat aufgetan werden. Dieser erste Eindruck, vor allem hinsichtlich der über lange Zeit geführten Notariatsmatrikellisten des Oberappellationsgerichts, wurde indessen enttäuscht. Die am 9. Oktober 1943 kriegsbedingte, vollständige Vernichtung6 der in Celle bis in die NS-Zeit vorgehaltenen Matrikellisten und Personalakten stellt für die Erforschung der Personalgeschichte des in Hannover ansässigen Notariats einen herben Verlust dar : Die nunmehr in den Archiven des Landes Niedersachsen (Niedersächsi-
Koechling, Untersuchungen über die Anfänge des öffentlichen Notariats in Deutschland, in: Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte II 1 (1925); sowie insgesamt Schuler, Geschichte des südwestdeutschen Notariats. Von seinen Anfängen bis zur Reichsnotariatsordnung von 1512 (1976); insbesondere für das gemeinrechtliche Notariat: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969); mit Österreich für das europäische Ausland etwa: Neschwara, Geschichte des österreichischen Notariats, Bd. I: Vom Spätmittelalter bis zum Erlass der Notariatsordnung 1850 (1996); oder auch: Paarhammer, Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates (1300 – 1569), Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs (1977). 5 So auch Schubert: »Für das Notariat in den deutschen Bundesstaaten fehlen monographische Darstellungen, insbesondere für Preußen, Bayern, Sachsen, Braunschweig, Hannover und Baden. Es fehlen ferner Darstellungen über herausragende Notare, die zahlenmäßige Verbreitung der Notare und die Beurkundungspraxis«, Schubert, Geschichte des Notariats und Notariatsrechts in Deutschland, in: Ders. (Hg.)/Schmoeckel (Hg.), Handbuch zur Geschichte des Notariats (2009), S. 203 – 239, 236. 6 Dr. Regina Rößler, Schriftliche Auskunft des Niedersächsischen Landesarchives – Hauptstaatsarchiv Hannover, vom: 10. 09. 2008, Az.: HA-P-33428-Rö; so aber auch: Süß, Rezension vom 27. Juni 2012, in: forhistiur, 2012, fhi.rg.mpg.de/rezensionen/pdf-files/1206suess.pdf, abgerufen am: 29. 01. 2013.
Einleitung
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sches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen) vorgehaltenen (Rest-) Bestände sind leider unvollständig und lückenhaft. Anders zeigte sich bei genauerer Betrachtung der Bestand an Generalia. Dieser umfasst in erster Linie Notariatsakten in Form der sogenannten (Notariats-) Instrumente – also einzelne Notariatsurkunden – sowie spezielle Formulare des 18. und 19. Jahrhunderts. Unter ihnen befinden sich etwa mit den sogenannten Registerbüchern umfangreiche Auflistungen der individuellen, notariellen Tätigkeiten verschiedener, hannoverscher Notariatspersönlichkeiten. Zum Teil spiegeln diese Archivalien Notariate über 50 und mehr Jahre hinweg ununterbrochen wider. Mit der Untersuchung dieser Unterlagen bot sich von Anfang an nicht nur die Möglichkeit die notarielle Tätigkeit über einen repräsentativen Zeitraum zu beleuchten. Vielmehr kann vor dem Hintergrund des in Kraft tretens der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung am 18. September 1853,7 und ihren Neuerungen für das Notariat auch der Wandel in der notariellen Arbeitsweise von hier an nachvollzogen werden. Insbesondere gilt dies für die ab 1853 vermehrt zu verzeichnende Verwendung vorgefertigter Formulare durch das hannoversche Notariat. Der erste Eindruck bezüglich belastbarer Quellen zu den notariatsrechtlichen Entwicklungen Hannovers, mithin zum Entstehen der hannoverschen Ordnung, erwies sich ebenfalls als richtig. Es finden sich gegenwärtig noch immer Gesetze und Normenkataloge jeglicher Epoche und territorialhannoverscher Herkunft in den Archiven und Bibliotheken sowie im Hinblick auf den Entstehungsprozess der HNO noch heute reichhaltige Quellen zur Verfügung stehen. Mehrere Originaltexte und kleinere Nebengesetze wie auch Protokolle der im hannoverschen Landtag zwischen politischen Ständen und landesherrlicher Regierung zur neuen Gesetzgebung intern geführten Diskussion treten hinzu. Im Ganzen stellte sich schon bei der Durchsicht der Quellen daher heraus, dass eine Einarbeitung in das Sujet »Hannover« lediglich anhand dieser Materialien möglich sein würde. Ganz anders verhält es sich mit der für das Verständnis des modernen Notariats nötigen Darstellung des Herkommens mittelalterlicher Notariate, samt ihrer einheimischen Stadtrechte sowie der gesamtdeutschen Entwicklung. Insbesondere die urbanen Rechtssammlungen sind als Grundlage des Notariats – auch für das (stadt-) hannoversche – zu begreifen. Für deren Darstellung sowie für die der grundlegenden Geschichte des Notariats kann auf bereits bestehende Publikationen zurückgegriffen werden. Der Quellenbestand zeigt sich zum originär hannoverschen Notariat sowie zu dessen gesamtdeutschen Rahmen 7 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung, Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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also als umfangreich und geeignet, um umfassende Erkenntnisse zu liefern. Hieran ändert auch die teilweise Unvollständigkeit der Bestände des Oberlandesgerichts Celles nichts. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, durch die Analyse der aufgezeigten Quellen die für Hannover eingangs erwähnte »Lücke« innerhalb der notariatsgeschichtlichen (Landes-) Forschung zu schließen.8 Sie nimmt daher folgenden Verlauf und beleuchtet unter dieser Prämisse in zwei Teilen den Ursprung des Notariats sowie dessen neuzeitlich-gemeinrechtliches Gepräge unter Kaiser Maximilian I. samt der notariellen Entwicklung des 19. Jahrhunderts im Land »Hannover«: Teil 1 der Studie setzt sich zunächst grundlegend mit der Definition des Notariats und des Gebildes »Hannover« auseinander. Letzteres geschieht in raumgeschichtlicher Hinsicht sowie anhand der Familiengeschichte des Adelsgeschlechts der Welfen. Gleichzeitig finden die erwähnten Stadtrechte sowie das in urbanen Siedlungen des Mittelalters und der Neuzeit verbreitete Stadtschreibertum – als Vorläufer und zugleich zeitgenössische Konkurrenz des öffentlichen Notariats moderner Prägung – Beachtung. Teil 2 wird als Schwerpunkt der Arbeit, die rechtswissenschaftliche und politische Geschichte des hannoverschen Notariats, seines Personals und seiner Gesetzgebung vor und nach 1853 darstellen, analysieren und bewerten. Über die grobe Zweiteilung hinausgehend, werden ebenfalls die verfassungsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen des Gesetzgebungsprozesses der HNO sowie das für Hannover spezifische Verständnis des Notariats herausgearbeitet. Ihren inhaltlichen Abschluss wird die Studie in einem kurzen Überblick über die Entwicklungen des »niedersächsischen« Notariats während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zur Gründung der Celler-Notarkammer 1961 finden. Wie gesagt, bildet Teil 2 der Untersuchung – und somit das 19. Jahrhundert – deren inhaltlichen Kern. Hier wird es allem voran darauf ankommen, das genaue Gepräge des Gesetzgebungsverfahrens der HNO sowie deren Normenkatalog und nicht zuletzt die ihr inhärenten Motive nachzuzeichnen und deren praktische Umsetzung zu beurteilen. Gleiches gilt für die tatsächlichen Auswirkungen der auf notariatsrechtlichem Gebiet als revolutionär anzusehenden, genuin hannoverschen Bestimmungen. Insbesondere gewinnt die Darstellung und Analyse der HNO vor dem Hintergrund des in Hannover bis in das 19. Jahr8 Einen mehr als nur einführenden Überblick in die hannoversche Thematik bietet auch neustens: Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 377 ff.; zur Geschichte des Notariats im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle – vormals Oberappellationsgericht Celle – und somit auch in Teilen zum Land »Hannover« vgl. ebenfalls: Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007); zum Land »Hannover« vgl. auch: Meder, Stephan, Hannover, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), Bd. II, 2. Aufl., Berlin 2009, Lfg. 12 (2009), Sp. 763.
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hundert andauernden, vielschichtigen Lokalkolorits kaiserlich-gemeinrechtlicher Notariatsgesetzgebung Bedeutung. Die reichsweit geltende, »Normierung« des Jahres 1512 Kaiser Maximilians I. sollte immerhin bis zum in Kraft treten der HNO 1853 und teilweise hiernach zu verschiedenen gemeinrechtlichen Spielarten des Notariats auf hannoverschem Boden führen.9 Insbesondere im Zusammenhang hiermit sollte die HNO als erste,10 hannoversche Kodifikation notariellen Rechts – etwa bezüglich des gemeinrechtlich nicht akzeptierten Anwaltsnotariats11 – eine erhebliche, rechtliche Zäsur bilden. Die Spannungen der hannoverschen Kodifikation zu benachbarten Notariatsrechten, wie beispielsweise zur preußischen Ordnung von 1771, werden innerhalb des Hauptteils Beachtung finden. Wirkte das preußische »Fremdrecht« doch bis nach Hannover hinein. Überdies wird der Periode nach dem »Untergang« des hannoverschen Reichs ab 1866 noch volle Aufmerksamkeit zukommen; denn trotz des Verlusts einer territorialstaatlichen Identität Hannovers und Eingliederung in den preußischen Staat vermochte es die HNO weitere 35 Jahre lang ungehindert in Kraft zu bleiben. Mit dem tatsächlichen Ende der partikularrechtlichen Entwicklungen zu Beginn »Hitler-Deutschlands« und dem in Kraft treten der Reichsnotariatsordnung von 1937 findet der Schwerpunkt der Untersuchung seinen inhaltlichen Abschluss. Weitere Prozesse auf »gesamtdeutscher« Ebene interessieren ab hier nur noch ausblickartig.12
9 Vgl. hierzu: Anhang III, (Illustration), hier unter S. 368. 10 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 55. 11 Hannover blieb damit einer für die hier ansässigen, freien Notare meist wirtschaftlich notwendigen Verbindung von Notariat und Anwaltschaft im eigenen Territorium treu; [dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I – II 3 c)]. 12 Untersuchungen früherer Epochen – als der hier in erster Linie betrachteten – müssten sich daher mit zersplitterten Territorien und vielen, kleinen Stadt- und Kirchenrechten detailliert auseinandersetzen. Ein jedes dieser Rechte würde eine eigene Studie rechtfertigen. Ein gesamthannoverscher Forschungsansatz wäre hier jedenfalls (noch) nicht zu leisten. Hinzuweisen ist daher auf anderweitige sowie umfangreichere Untersuchungen dieser früheren Epochen und des 16. Jahrhunderts wie auch des Mittelalters: Forschungsvorhaben am Lehrstuhl Herrn Prof. Dr. Stephan Meders, Lehrstuhl für Zivilrecht und Rechtsgeschichte, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Bearbeiter des Vorhabens, Dr. Arne Duncker, wiss. Mitarbeiter ; URL:http://www.jura.uni-hannover.de/meder.html.
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Welfisches Hannover
1. Kapitel – Welfisches Hannover I.
Die Welfendynastie als Grundpfeiler des Bundesstaates Hannover und seiner Raumgeschichte
Die Geschichte des Notariats in hannoverschen bzw. niedersächsischen Gebieten ist von der Rezeption bis heute eine bewegte. Rückt man sie in den Mittelpunkt des Interesses, führt kein Weg an der Frage vorbei, was im nordwestdeutschen Kontext unter dem »Gebilde Hannover«13 raumgeschichtlich und machtpolitisch zu verstehen ist. Das Vorstellungsbild des modernen Niedersachsen beschränkt sich meist auf die heutige Landeshauptstadt, mithin auf die urbane Siedlung am Fluss »Leine«. Dieses Verständnis von Hannover ist für den Zweck der Untersuchung allerdings deutlich zu kurz gegriffen. Bereits bei der Bezeichnung Hannover muss in historischer Hinsicht zwischen der Geschichte der heutigen Leinestadt und der Geschichte des Herrscherhauses »Hannover« als eines der ehemals mächtigsten deutschen Fürstengeschlechter unterschieden werden. Freilich wird im Zuge der folgenden Untersuchung auch die Stadt Hannover als eigener Rechtskreis und spätere Residenzstadt der welfischen Herrscher eine Rolle spielen. Allerdings muss zunächst die Frage nach dem bundesstaatlichen Gebilde und dessen Raumgeschichte als maßgebliche Raumbegrenzung, nicht zuletzt für das Notariatsrecht im 19. Jahrhundert, beantwortet werden. Im Folgenden ist daraus resultierend mit Hannover zunächst nur der hannoversche »Staat« in seinen verschiedenen Erscheinungsformen gemeint. Um die Frage nach der hannoverschen Raumgeschichte sowie ihren bewegten machtpolitischen Werdegang nachzeichnen zu können, kann die Familiengeschichte des ältesten Herrschergeschlechts Europas nicht unbeachtet bleiben. Es besetzte mit seinen Mitgliedern über Jahrhunderte hinweg wichtigste Positionen des deutschen Hochadels. Insoweit waren auch immer das Schicksal des »hannoverschen« Reiches sowie seine räumliche Ausdehnung untrennbar an das Gedeihen und auch Kriegsglück seiner Herrscherdynastie geknüpft. Gerade aber die Flächenausdehnung des hannoverschen Staates sollte für das Notariat Hannovers und seine rechtliche Entwicklung erhebliche Bedeutung erlangen.14
13 Zum Begriff und Land »Hannover« sowie auch zu dessen raumgeschichtlicher Entwicklung überblicksartig: Meder, Hannover, in: HRG Bd. II, 2. Aufl. (2009), Lfg. 12 (2009), Sp. 763; ders., Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 377 ff. 14 Das Notariat und sein Recht sollten durch den erheblichen Gebietsbestand des hannoverschen Territoriums – bestehend aus kleineren Gebieten mit vormals meist eigener rechtlicher Entwicklung – verschiedene Spielarten entwickeln können; (dazu näher im 1. Kapitel des 2. Teils unter II, V).
Wie die Welfen nach Deutschland kamen und ihr Machtkampf begann
II.
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Wie die Welfen nach Deutschland kamen und ihr Machtkampf mit den Staufern begann
Unter Einfluss und Regierung des Hauses der Welfen erlangte dessen Herzogtum im mittelalterlichen Europa und deutschen Territorialstaat hohes bis höchstes Ansehen und konnte früh große Gebietsteile auf sich vereinen.15 Entgegen des sich durch die Lektüre der einschlägigen Literatur16 einstellenden Eindrucks, beginnt die welfische Einflussnahme im Norden Deutschlands nicht erst mit Heinrich dem Stolzen und dessen Vermählung mit Gertrude von Sachsen 1127.17 Vielmehr lässt sich die Geschichte des welfischen Adelsgeschlechts als Herrscher und Landesfürsten in drei Abschnitte gliedern, die mit den älteren Welfen bis Welf III. gehen, Heinrich den Löwen18 im 12. Jahrhundert hervorbringen und mit Georg V. als hannoverschen König im Jahre 1866 enden.19 Die Etappen welfischer Ausbreitung beginnen folglich deutlich vor dem Jahr 1127 und folgen im Laufe der kommenden Jahrhunderte immer wieder einem Schema der Konzentration ihrer Machtansprüche, deren späteren Verlusts und anschließender Restauration. Hier schließt sich die Frage an, wie die Welfen in den Norden der späteren Bundesrepublik kamen, finden sich ihre Ursprünge doch im süddeutschen Raum. Bereits Heinrich IX. entsprang als bayerischer Fürst und Vater »Heinrichs des Stolzen« dem alten Geschlecht der Welfen, welches ureigenes schwäbischer 15 Vgl. hierzu und dem folgenden Themenkreis insbesondere: Vogtherr, Vom Konflikt zweier Mächtiger, einer Liebesheirat unter ihren Nachkommen und dem gefangenen König im Turm – die Stauferzeit in Niedersachsen –, in: Oldenburger Jahrbuch 108 (2008), S. 65 – 84, 72 ff. 16 Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 4 ff.; Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 74 – 79, 74; Mijndert, Das Königreich Hannover (2004), S. 2 f.; Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 87 f.; Rohloff, Großbritannien und Hannover in Zeiten der Personalunion 1714 – 1837 (1989), S. 60 ff.; Knopp, Braunschweig und Hannover, Geschichte einer Konkurrenz (1983), S. 8; Büttner, Geschichte Niedersachsens – besonders Hannovers und Braunschweigs (1931), S. 23; Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover (Bd. 2 Textband), (1882/Neudr. 1975), S. 40 – 111, 45 ff.; Haase, Niedersachsen-Territorien, Verwaltungseinheiten, geschichtliche Landschaften (1971), S. 129 f.; E. Schubert, in: Ders. (Hg.)/Patze (Begr.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 2.1 Politik, Verfassung, Wirtschaft (1997), S. 477 – 568; 488 – 494; Hauptmeyer, Geschichte Niedersachsens (2009), S. 27 – 33; Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19. 17 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 5. 18 Insgesamt weiterführend und aufschlussreich, auch zu den Nachkommen Heinrichs des Löwen: Hucker, in: Ders (Hg.)./E. Schubert (Hg.)/Weisbrod (Hg.), die Söhne Heinrichs des Löwen, in: Niedersächsische Geschichte (1997), S. 135 f. 19 Oppermann, Zur Geschichte des Königreichs Hannovers Bd. 1, 2 (1860 – 1862), S. 97 f.
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Welfisches Hannover
Abstammung war und dessen erste Blütezeit mit dem 1055 kinderlos verstorbenen Welf III. zeitweilig erlosch.20 Die welfischen Fürsten hatten bis zu diesem Punkt längst erheblichen Einfluss auf die deutsche Adelslandschaft nehmen können. Nicht erst die Frauen Kaiser Ludwigs des Frommen und die Gemahlin seines Sohnes König Ludwigs des Deutschen gehörten der welfischen Dynastie und somit dem deutschen Hochadel des 9. Jahrhunderts an. Die Linie der Welfen nimmt ihren Ursprung vielmehr schon ein Jahrhundert zuvor mit Ruthard, Graf zu Argenau.21 Nach dem Tode Welfs III. 1055 sollte zunächst das Hauskloster der Familie alle deutschen Ländereien des Herrscherhauses erben.22 Es musste indes mit den schwäbischen Ländereien Vorlieb nehmen, denn nach seinem Tod vermochte die Familie ihre Herrschaftsansprüche auch ohne direkten Stammhalter Welfs III. zumindest teilweise aufrechtzuerhalten. Hierzu wurde der Neffe des Verstorbenen von dessen Großmutter zur Sicherung der schon seit Beginn der Dynastie in Familienhand befindlichen süddeutschen Allodialbesitztümer23 aus der väterlichen Markgrafschaft d‹Este nach Deutschland berufen. Der in der Familienlinie als Welf IV. geführte Erbe wurde fortan in Deutschland als Welf I. bekannt und begründete das welfische Herrscherhaus im deutschen Territorialstaat von neuem.24 In diesen Tagen sollte auch das bayerische Gebiet vollständig in welfischen Einfluss gelangen. Auf Grund des hohen Ansehens, das die ehemals schwäbische Dynastie bereits bis 1055 für sich in Anspruch nehmen durfte, kam es zur Eheschließung zwischen Welf I. und der Tochter des damaligen, nicht weniger einflussreichen Herzogs Otto von Nordheim, Landesfürst zu Bayern. Die Ehe sollte nur von relativ kurzer Dauer sein. Im Jahre 1070 wurde über Otto die Reichsacht verhängt und sein Lehen gelangte an seinen Schwiegersohn und 20 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 85; Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 3, 5. 21 Vgl. hierzu: URL:http//www.DieWelfen.de/stamtafel.html; abgerufen am: 20. 11. 2008; Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 4; Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19; vgl. hierzu auch: insgesamt Anhang I, (Stammtafel der Welfen); hier unter S. 357 – 360. 22 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 82. 23 Allod/Allodifikation: »Zusammensetzung aus dem germ. (fränk.) al = ganz, voll und úd = Gut, Vermögen, bezeichnet daher das in vollem Eigentum stehende Gut, speziell das Familienerbe, im Gegensatz speziell zu Lehngut und zum Beschränkungen unterworfenen Gut. Neuere Form des Wortes aus dem 11. Jahrhundert: Allodium. Zum Teil rechtlicher aber auch wirtschaftlicher Begriff«; Auge, Allod/Allodifikation, in: HRG Bd. I, 2. Aufl. (2009), Lfg. 1 (2009), Sp. 180 – 182. 24 Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 5; Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 3.
Wie die Welfen nach Deutschland kamen und ihr Machtkampf begann
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somit die Welfen.25 Als Reaktion auf die Ächtung seines Schwiegervaters verstieß Welf I. seine Ehefrau kurzer Hand und ehelichte bald darauf Judith von Flandern.26 Aus dieser Verbindung gingen drei Nachkommen hervor, darunter die für die Erbfolge wichtigen Söhne Welf II. in der Familienlinie V. sowie sein älterer Bruder Heinrich IX., auch genannt: »Der Schwarze.«27 Nachdem deren Vater auf seiner Rückkehr vom ersten deutschen Kreuzzug 1101 auf Zypern unerwartet verstarb,28 konnte wieder ein direkter Nachkomme der welfischen Linie das Erbe der nunmehr welfisch geführten süddeutschen Ländereien antreten. Diese Aufgabe kam, als jüngster Sohn Welfs I. und Judiths, Welf II. zu. Er sah sich bei Antritt seines Erbes keinen größeren Widerständen seitens des Königs gegenüber. Eine derart reibungslose Erbfolge konnte nicht als selbstverständlich erwartet werden, da sein Vater bis zu seinem Tode dem eigenen Lehensherren, insbesondere während des Investiturstreites, nicht durchgehend die Treue gehalten und zeitweise seine Herzogswürde eingebüßt hatte.29 Welf II. wurde daher auf Zuspruch des Papstes 1077 im Alter von 16 Jahren mit der 27 Jahre älteren Markgräfin von Tuscien in Canossa verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos und die Verbindung wurde 1095 gelöst. Welf II. konnte mithin nach seinem Tode keine Erben vorweisen.30 So verblieb lediglich der ältere der beiden Brüder um die Herrschaft in Bayern fortzusetzen. Heinrich der Schwarze vermochte bis zum Antritt des brüderlichen Erbes die Besitztümer der Welfen zu mehren und schlug mit der Heirat Wulfhildes, Tochter des sächsischen Herzogs Magnus aus dem Hause Billung Ende des 11. Jahrhunderts, die erste Brücke des welfischen Einflusses nach Norddeutschland.31 Die welfische Einflussnahme konnte sich nach dem Tode des Billunger festigen, indem seine Tochter mit den familiären Eigengütern bei Lüneburg und im Bardengau die Hälfte der umfangreichen sächsischen Besitzungen32 erbte und diese somit in den Einflussbereich der welfischen Machthaber gelangten. Es zeigt sich, dass früh und schon weit vor dem Jahr 1127 eine Verbindung der ursprünglich in Süddeutschland ansässigen Welfen gen Norden bestand. All dies kam bis dahin ohne kriegerische Auseinandersetzungen zu Stande. Der Verbleib 25 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 85; Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 5; Mijndert, Das Königreich Hannover (2004), 9. 26 Mijndert, Das Königreich Hannover (2004), S. 11; vgl. hierzu: insgesamt Anhang I, (Stammtafel der Welfen); hier unter S. 357 – 360. 27 Vgl. hierzu: insgesamt Anhang I, (Stammtafel der Welfen); hier unter S. 357 – 360. 28 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 86. 29 Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 5. 30 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 86. 31 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 82. 32 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 3.
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Welfisches Hannover
der süddeutschen Besitztümer konnte allein durch geschickte Heiratspolitik und mittels eines beherzten Eingreifens der Großmutter Welfs I. im Jahr 1056 erreicht werden. Ein derartiger machtpolitischer Einsatz weiblicher Mitglieder einer Herrscherdynastie war zwar für die damalige Zeit untypisch,33 zahlte sich jedoch im welfischen Fall aus. Die bis dahin erreichte räumliche Ausdehnung der Welfen im Süden (Bayern) sowie im Norden Deutschlands (Sachsen) sollte sich weiter festigen. In den kommenden Jahren unter der Herrschaft Heinrichs des Stolzen und dessen Sohn, bekannt als Heinrich der Löwe, konnte dieser Aufwärtstrend nicht beibehalten werden. Der Stolze stellte sich als Sohn und Nachfolger des Schwarzen und die bis hier erreichte Macht seiner Dynastie, politisch und militärisch ab 1126 in den Dienst seines Schwiegervaters und späteren Kaisers Lothar III.34 Hierdurch läutete er, ohne dies in seiner damalig machtpolitisch gefestigten Situation vollauf erkennen zu können, den späteren umfassenden Machtverlust seiner Familie an die Staufer ein. Zwar wurde der Welfe von Lothar III. noch mit Sachsen als weiteres Herzogtum im Norden belehnt und konnte nach dessen Tod die umfangreichen Allodialbesitztümer Braunschweig und Königslutter im Zuge des Erbes seiner Frau an sich binden.35 Der Staufer Konrad machte ab 1138 die an sich Heinrich als mächtigstem Fürsten zustehende Nachfolge Lothars als deutscher Kaiser dennoch streitig. Dies führte zu heftigen und langwierigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Dynastien, welche das gesamte »deutsche« Territorium in Mitleidenschaft ziehen sollte. Trotz, dass Lothar III. Heinrich die Reichsinsignien (Reichsapfel und Zepter) kurz vor seinem Tode übergeben hatte, wurde Konrad III. 1138 mit Unterstützung des fürstlichen Trierer Erzbischofs und der rheinischen Gegenden in Koblenz zum ersten Stauferkaiser Deutschlands gekürt.36 Selbst wenn diese Wahl den Machtverhältnissen im Reich nicht entsprach, hatte Heinrich einen schlechten politischen Stand in dieser Sache, da er den anderen Kurfürsten37 im übrigen Deutschland mittlerweile zu mächtig und einflussreich geworden war. 33 Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 4. 34 E. Schubert, in: Ders. (Hg.)/Patze (Begr.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 2.1 Politik, Verfassung, Wirtschaft (1997), 383. 35 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 5. 36 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 87; Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 6. 37 Kur- bzw. Kurfürst: »Zur Wahl (Wahl des Königs) berechtigter Landesfürst. Die Kur als bedeutendste Stufe der Königswahl durch die Landesfürsten ist auch als Teil der Verfassungsgeschichte zu begreifen. Heftig umstritten ist ihr Entstehen. Die Beschränkung des Wählerkreises auf die Reichsfürsten war Folge der Abschottung des gesellschaftlichen Standes nach unten gegen Ende des 12. Jahrhunderts«, Kaufmann, Kurfürsten, in: HRG Bd. III, 1. Aufl., (1984), Lfg. 14 (1976), Sp. 1277 – 1290, insb. 1277 – 1289, (Ergänzung nicht im Original).
Heinrich der Löwe – Emporkömmling, junger Fürst und schließlich Geschlagener
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Der Welfe bewies jedoch machtpolitische Umsicht und suchte die Aussöhnung mit dem Staufer, der als Bedingung die Auslieferung der Reichsinsignien verlangte und im Gegenzug das Herzogtum Heinrichs über Sachsen bestätigen wollte. In der Folge kam es zur Übergabe der Reichsinsignien. Allerdings sah Konrad sich nicht in der Pflicht Heinrich in Sachsen zu bestätigen. Vielmehr stellte er dessen Herrschaftsanspruch über zwei Herzogtümer als widerrechtlich in Frage. Konrad III. zog daraufhin beide Herzogtümer ein und ächtete Heinrich.38 Dies kam einer Kriegserklärung an die Welfen gleich. Einem solchen Affront ausgesetzt sah sich Heinrich zum Handeln gezwungen und schreckte zur Sicherung seiner Macht im Reich vor schweren kriegerischen Auseinandersetzungen nicht zurück: 1138 stand er zur Verteidigung Sachsens dem ganzen stauferschen Reichsheer gegenüber, konnte dieses aber zurückschlagen und sich gegen Konrad III. behaupten.39 Bayern vermochte er, ebenfalls wieder an sich zu bringen, nachdem sein Bruder dem Staufer hier unterlegen war und fügte dem Gegner eine empfindliche Niederlage zu. Seine Siege hatten indessen keinen nachhaltigen Effekt, da »der Stolze 1139 unter ähnlich ungeklärten Umständen starb, wie sein Widersacher zwei Jahre zuvor zum Kaiser gewählt worden war.«40 Eine welfische Erbfolge konnte noch nicht greifen, da Heinrichs Sohn, der spätere Heinrich der Löwe, noch nicht das für die Herzogtümer regierungsfähige Alter erreicht hatte. Ihm kamen jedoch bereits die Allodialgüter zu.
III.
Heinrich der Löwe – Emporkömmling, junger Fürst und schließlich Geschlagener
Weitergeführt werden sollte der für die deutsche Geschichte möglicherweise wichtigste Konflikt durch den vermutlich zu dieser Zeit 13 Jahre alten Heinrich den Löwen. Hatte sich zuvor dessen Vater den Umständen gefügt, so war der Familienstolz Heinrichs des Löwen auch durch die Staufer nicht gebrochen worden. Feingespür und machtpolitisches Kalkül sollten die Welfen in der folgenden Zeit abermals durch den Versuch einer Aussöhnung mit den Staufern beweisen. Trotz geschickter Heiratspolitik zwischen Staufern und Welfen konnten sie dieses Ziel dennoch nicht erreichen. Die Auseinandersetzungen zwischen beiden Dynastien sollten auch durch die Übergabe des Fürstentums Sachsen an Heinrich den Löwen im Jahre 1142 auf 38 Vgl. hierzu insgesamt: Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 6. 39 Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 6; Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 88; Roscher, Gerichtsverfassung und Anwaltschaft im Königreich Hannover (1905), Einleitung, S. 7. 40 Mijndert, Das Königreich Hannover (2004), S. 13.
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Welfisches Hannover
dem gesamtdeutschen Fürstentag durch Konrad III. nicht zu Ruhe kommen. Der Löwe verlangte erstmals auf dem Reichstag in Frankfurt 1147 auch das Fürstentum Bayern unter seiner Regentschaft zu stellen.41 Zugleich stellte er seine Unterstützung des Stauferkönigs fortan unter diese Bedingung. 1152 wurde der Nachfolger Konrads III. wieder aus den Reihen der Staufer gewählt. Anders als sein Vorgänger konnte sich Friedrich I. Barbarossa (1122 – 1190) aller Kurfürstenstimmen, auch der welfischen, sicher sein. Als Gegenleistung für seine Unterstützung Barbarossas erhielt Heinrich der Löwe vom einstimmig gewählten Kaiser42 das leicht verkleinerte Lehen Bayern zurück. Nicht zuletzt gründete dies darin, dass der neue deutsche Kaiser – zwar stauferschen Blutes war – als junger Mann aber selbst im Bürgerkrieg des Jahres 1143 auf Seiten der Welfen und seines Vetters, des Löwen, gekämpft hatte.43 Er stellte infolgedessen den vormaligen Gebietsbestand der Welfen wieder her. Die ab 1166 von Braunschweig aus vorangetriebenen Expansionen Heinrichs gen Nordosten sollten keinen Anlass zu erneuten Streitigkeiten mit dem Staufer geben: War der Löwe dem Stauferkönig seit jeher ein unangenehmer Widersacher im Ringen um Macht und Einfluss im Reich, waren seine Bestrebungen nach weiterer Ausdehnung seiner Ländereien für ein erneutes Zerwürfnis nicht verantwortlich. Vielmehr war Heinrich dem (Staufer-) König bei dessen Feldzug gegen die italienischen Städte wider Erwarten des Kaisers nicht gefolgt.44 Infolgedessen verschärfte der Stolz des Welfen – im Nachgang auf die kaiserliche Reaktion – die Lage nachhaltig. »Nachdem der Löwe wegen lehensrechtlicher Vergehen durch seinen Herren angeklagt worden war, vor den jeweiligen Gerichten aber nicht erschien«45, ächtete Barbarossa ihn daraufhin im Jahre 1179. Mittels der sogenannten »Oberacht« wurde Heinrich rechtlos gestellt.46 Die
41 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 91 f.; E. Schubert, in: Ders. (Hg.)/Patze (Begr.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 2.1 Politik, Verfassung, Wirtschaft (1997), S. 383 – 472, 389 – 390. 42 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 93. 43 Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 7 f.; Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 89 f. 44 E. Schubert, in: Ders. (Hg.)/Patze (Begr.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 2.1 Politik, Verfassung, Wirtschaft (1997), S. 397. 45 Zum gesamten Konflikt des Löwen und des Staufers und damit auch zum Konflikt zweier Herrscherdynastien weiterführend: E. Schubert, in: Ders. (Hg.)/Patze (Begr.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 2.1 Politik, Verfassung, Wirtschaft (1997), S. 390 ff.; Vogtherr, Vom Konflikt zweier Mächtiger, einer Liebesheirat unter ihren Nachkommen und dem gefangenen König im Turm – die Stauferzeit in Niedersachsen, in: Oldenburger Jahrbuch 108 (2008), S. 65 – 84, 72 ff. 46 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 76; Heinemeyer, der Prozess Heinrichs des Löwen, in: Patze, Der Reichstag von Gelnhausen. Ein Markstein in der deutschen Geschichte 1180 – 1980, zugleich: BDLG 117 (1981), S. 1 – 60, 49 f.
Heinrich der Löwe – Emporkömmling, junger Fürst und schließlich Geschlagener
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welfischen Besitztümer wurden durch den Kaiser zerschlagen.47 Bayern gelangte daraufhin in den Einflussbereich Ottos von Wittelsbach, Sachsen wurde anteilig an den Kölner Erzbischof und den Askania Bernhard von Anhalt ausgekehrt.48 Der Welfe zog hieraus die Konsequenzen und ging mit seiner Familie ins Exil. Hierzu wählte er den Hof seines Schwiegervaters und Königs von England.49 Die verwandtschaftliche Verbindung zum englischen Thron sollte insbesondere im 18. Jahrhundert noch bedeutsame Entwicklungen für Hannover und seine Fürsten nach sich ziehen.50 Mitte des 12. Jahrhunderts verblieben den späteren hannoverschen Fürsten allerdings zunächst die kleineren Lehen Calenberg und Braunschweig-Wolffenbüttel als Stammlande ihrer Familie.51 Erst 1181 sollte es zur Unterwerfung des Löwen gegenüber dem Staufer kommen. Die Welfendynastie erhielt auf diesem Weg die deutlich umfangreicheren Allodialbesitztümer zurück. Heinrich verwehrte seinem Kaiser 1189 dennoch erneut die Gefolgschaft, als Letzterer am vierten Kreuzzug teilzunehmen plante. Der Welfe wählte stattdessen erneut das Exil. Seinen Widerstand gegen den Staufer und die hinter ihm stehende Dynastie gab er faktisch erst 1194 auf, als er sich mit Friedrich aussöhnte, nicht aber ohne zuvor noch einmal versucht zu haben die alte Macht seiner Familie kriegerisch wiederherzustellen.52 Die Welfen hatten jedoch einsehen müssen, dass die einzig bleibende Möglichkeit die Resignation gegenüber der Stauferdynastie war, um das Exil nicht zum Dauerzustand werden zu lassen. Mit dem Strecken ihrer Waffen war die einstig bedeutende Macht der Welfen im Deutschland des Mittelalters mit ihren Lehen Sachsen im Norden des Landes sowie Bayern im Süden gebrochen worden.53 Die folgenden Jahre brachten nochmals ein Auflodern der alten Familienfehde, jedoch wurden ab dem 13. bis zum 16. Jahrhundert die ehemals umfangreichen welfischen Territorien durch erneute und unübersichtliche Erbteilungen der nunmehr aktuellen kleineren Fürstentümer54 zersplittert.55 Das 47 Mijndert, Das Königreich Hannover (2004), S. 9. 48 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 126. 49 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 127; E. Schubert, in: Ders. (Hg.)/Patze (Begr.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 2.1 Politik, Verfassung, Wirtschaft (1997), S. 383 – 472, 390 ff. 50 Auf Grund der verwandtschaftlichen Verbindung der Welfen zum englischen Königshaus sollt es in der Zeit von 1714 – 1837 zu einer besonderen Personalunion zwischen englischem Thron und welfischem Kurfürstentum kommen; [dazu näher im 1. Kapitel des 2. Teils unter II 3 a) – bb)]. 51 Roscher, Gerichtsverfassung und Anwaltschaft im Königreich Hannover (1905), Einleitung, S. 7. 52 Mijndert, Das Königreich Hannover (2004), S. 14. 53 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 6. 54 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 77.
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Welfisches Hannover
zweite Kapitel des Welfengeschlechts mit dem neuen Haus der Welfen in Deutschland und Welf I. (V.) an seinem Anfang war damit auch in raumgeschichtlicher Hinsicht beendet.
IV.
Welfisches Norddeutschland, Hannover als fürstliche Residenz
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erlangte die Welfendynastie neue Kraft, indem – nach und nach – die eingangs gezeigte Verbindung nach Norddeutschland wieder erstarkte.56 Nach Einführung der Primogenitur (Erstgeborenenerbrecht)57, dem Verschwinden vieler kleinerer, unbedeutender Fürstenhäuser und günstiger Heiratspolitik befand sich »Hannover« wieder auf dem Weg zu alter Macht. In Folge des Erstgeborenenerbrechts verblieben lediglich zwei Herrscherlinien im nordwestdeutschen Raum, beide welfischer Abstammung. Hierbei handelte es sich namentlich um den in Celle residierenden Herzog Georg Wilhelm, dessen Autorität sich über das Fürstentum Lüneburg erstreckte, und seinen Bruder Ernst August zu Calenberg.58 Letzterer pflegt trotz seines frühen Todes als Begründer des hannoverschen Staates angesehen zu werden.59 In diesen Tagen kreuzten sich auch erstmals die zuvor getrennt zu betrachtenden Entwicklungen des territorialstaatlichen Landes »Hannover« und der namensgebenden Stadtsiedlung. Ernst August vermochte dem später (1814) ausgerufenen Königreich, dessen Residenzstadt ab 1637 Hannover wurde,60 1692 die neunte Kurwürde des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation als Belohnung für die Unterstützung Kaiser Leopolds I. im pfälzischen Erbfolgekrieg zu sichern.61 Den hanno55 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 7, 8. 56 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 9. 57 Primogenitur: »Recht der Erstgeburt in Form der Einzelerbfolge, bei der ein Vorrecht des Erstgeborenen und seiner Abkömmlinge vor der Nacherbfolge weiterer Abkömmlinge und deren Nachkommen greift«; Weitzel, Primogenitur, in: HRG Bd. III, 1. Aufl., (1984), Lfg. 24 (1984), Sp. 1950 – 1955, 1950. 58 Vgl. hierzu: Anhang I, (Stammtafel der Welfen); hier unter S. 357 – 360. 59 Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 14. 60 Haarmann, Das Haus der Welfen, in: Deutsche Fürstenhäuser, Heft 27 (2008), S. 14; Der nds. Landtagspräsident (Hg.), Das Leineschloss im Wandel der Zeiten, eine kleine Geschichte des niedersächsischen Parlamentsgebäudes (Stand 27. 03. 2007), S. 4; Roscher, Gerichtsverfassung und Anwaltschaft im Königreich Hannover (1905), Einleitung, S. 8; Die Welfen sollten im Jahr 1637 Hannover zu ihrer Residenz erheben und so die bis dahin gewachsene Identität der Stadt nachhaltig erschüttern wie auch das gemeine Recht in die urbane Rechtsentwicklung tragen; [dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 c)]. 61 Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 449; Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21,
Welfisches Norddeutschland, Hannover als fürstliche Residenz
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verschen Herrschern kam hiermit das Mitspracherecht bei der Kaiserwahl zu.62 Das Fürstentum wurde bereits ab 1637 als Fürsten- oder später Kurfürstentum Hannover betitelt. Die ca. 60 Jahre später neu geschaffene Kurwürde konnte 1705 unter Georg Ludwig, dem Sohn Ernst Augusts, mit dem Fürstentum Lüneburg durch Erbfolge vereint werden. Mit Ausnahme des Herzogtums Braunschweig, welches seine Eigenständigkeit beibehalten konnte, war die ursprüngliche Flächengröße der norddeutschen Welfenlande somit fast wieder hergestellt. Um die Wende des 17. Jahrhunderts fielen die Fürstentümer Calenberg, Göttingen sowie Grubenhagen sowie einige oberharzerische Bergstädte unter die Herrschaft Hannovers. Zu hannoverschem Besitz zählten ferner die Grafschaften Hoya und Diepholz. Daneben gelangten die Territorien des Herzogtums Lauenburg und das unterelbig gelegene Hadeln nach dem Aussterben der dortigen kleineren Herrscherhäuser in den Machtbereich der Welfen. Ihren Abschluss fanden die Gebietszuwächse des 18. Jahrhunderts63 mit Gewinn der Herzogtümer Bremen und Verden 1715, sowie weiterer vier Bergstädte des Westharzes 1788. Anfang des 19. Jahrhunderts unterstand hierneben auch das Herzogtum Osnabrück Kurhannover, während aus der napoleonischen Besatzung und der Schaffung des Königreichs Westphalens wieder einige Gebietsverluste für Hannover folgten.64 Der Gebietsbestand des 1814 offiziell geschaffenen Königreichs Hannover sollte mit der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 erreicht werden. Mit Ausruf des hannoverschen Königreichs konnte, nachdem das Kaiserreich vergangen war, der politische und standesrechtliche Herrschaftsanspruch der Welfen gesichert werden, allerdings verlor die Dynastie hierdurch Lauenburg, konnten gleichwohl auch territoriale Gewinne verzeichnen.65 Hannover unterstellte hiernach Hildesheim und Goslar seiner Macht; auch konnte ganz Ostfriesland erworben werden, welches bis 1806 zu Preußen gehört hatte, dann zunächst holländisch und 1816 zu Hannover geschlagen wurde.
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19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 9; ders. Geschichte Hannovers im Zeitalter der neuen Kur und der englischen Sukzession 1674 – 1714, Bd. IV (1882/Nachdr. 1999), S. 400 f. Den »Territorialherrschern« kam das Recht zur Königs- und Kaiserwahl nur zu, hatten sie das Recht der sog. Kür. Kam ihnen diese Würde zu, hatten sie den Status der »Kurwürde« für ihr Fürstentum inne, sie waren die sog. Kurfürsten. Auch Hannover und seinen Fürsten kam dieses Recht ab 1692 zu; (dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter der Fßn. 37). Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 12. Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 13, 15; vgl. zu den durch die Fremdherrschaft bedingten Gebietsverlusten ferner insgesamt: Thimme, die inneren Zustände des Kurfürstentums Hannover unter der franz.-westfälischen Fremdherrschaft: 1806 – 1813 (1893 – 1895), S. 1 ff. Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 16.
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Welfisches Hannover
Ferner wurden die Niedergrafschaft Lingen, der Kreis Meppen und abschließend die Grafschaft Bentheim in das hannoversche Königreich eingegliedert.66 Ab 1814 war die im 17. Jahrhundert einsetzende Restauration welfischer Machtansprüche in Deutschland abgeschlossen und konnte sich bis 1866 festigen.67 Hiermit erreichte die dritte Blütezeit der Welfen, wie auch aus der nachstehenden Karte ersichtlich wird, nach Welf III. um 1055 und Heinrich dem Löwen um 1180 schließlich ihren Höhepunkt. Im deutschen Krieg unterlag Hannover 1866 an der Seite Österreichs indes Preußen und war fortan nur noch preußische Provinz, ohne einen selbstständigen Machtanspruch im deutschen Reich zu haben.68 Ihren Abschluss nahm die hannoversch-niedersächsische Raumgeschichte in der Schaffung des heutigen Bundeslandes Niedersachsen 1946.69 Der Gebietsbestand der preußischen Provinz »Hannover« überdauerte sogar das Dritte Reich ohne Grenzverschiebungen oder Veränderungen seiner Ausdehnung.70 Es zeigt sich neben einer bewegten Dynastiegeschichte eine damit untrennbar einhergehende über Jahrhunderte währende Fluktuation der welfischen bzw. hannoverschen Territorien. Diese ließ das nordwestdeutsche und somit auch hannoversche Notariat sowie dessen rechtliche Entwicklung nicht unberührt.71
66 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 16. 67 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 17. 68 Mahrenholz, Ein Königreich wird Provinz: über Hannovers Schicksalsjahr 1866 (2011), S. 10. 69 Vgl. zur Schaffung des Bundeslandes Niedersachsen insgesamt auch: Schmidt, Die territoriale Entwicklung zum Land Niedersachsen, in: Brünig (Hg.), Handbuch der historischen Stätten Deutschlands Bd. 2, 5. Aufl., (1986), S. XXXV – LXXXIII. 70 Vgl. zum ungewöhnlich langen Bestand der räumlichen Ausdehnung des hannoverschen Reichs auch: Haartmann, Geschichte Hannovers von ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart: mit besonderer Rücksichtnahme auf die Entwicklung der Residenzstadt (1886), S. 14 f.; Schnath, Geschichte Hannovers im Zeitalter der neuen Kur und der englischen Sukzession 1674 – 1714, Bd. IV (1882/Nachdr. 1999), S. 400 f.; Rosendahl, Geschichte Niedersachsens im Spiegel der Reichsgeschichte (1927), S. 88 f. 71 Schnath, Hannover und Westfalen in der Raumgeschichte Niedersachsens (1932), S. 15 – 21, 19 Kartenabbildung hannoverscher Raumgeschichte, insbesondere Karte 3 – 19, Karte 19.
Welfisches Norddeutschland, Hannover als fürstliche Residenz
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Abb. I. (Bildnachweis): Karte des »Königreichs Hannover« 1815 – 1866 aus: Putzger (Begr.)/ Bruckmüller (Hg.)/Hartmann ( Hg.), Historischer Weltatlas, 103. Aufl., (2001).
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
2. Kapitel – Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853 Die Entwicklung des freiberuflichen öffentlichen72 Notars war in den hannoverschen Territorien bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Entwicklung des gesamtdeutschen Notariats73 eingebettet. Im Interesse eines besseren Verständnisses – auch des hannoverschen Notariats – ist anhand der zum gesamtdeutschen Notariat bestehenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen ein Überblick dieser Entwicklungen geboten und in den hannoverschen Kontext zu stellen. Dies rechtfertigt sich insbesondere mit Blick auf das kaiserlich, maximilianische Reichsnotariat ab 1512 (Epoche Kaiser Maximilians I. und dessen Notariatsordnung vom 8. Oktober 151274) sowie dessen rechtlich vielschichtige Organisation. Schon in dieser Zeit vermochte die hannoversche Territorialgesetzgebung die reichsweiten Regelungen des Kaisers erheblich zu beeinflussen. Bei der Betrachtung des gesamtdeutschen Notariats und seiner Geschichte bereitet indes die Tatsache Schwierigkeiten, dass der Begriff des Notars in seiner Entwicklung und durch die verschiedenen Epochen hindurch nicht immer 72 »Begriffe, wie «öffentlicher«, »freier« Notar oder öffentliches Notariat sind vieldeutig und können in verschiedenen Epochen und Entwicklungsabschnitten des deutschen und europäischen Notariats verschiedene Bedeutungen haben. Die Freiheit des Notariats bedeutet insoweit die Unabhängigkeit des Notars von städtischer oder staatlicher Anstellung und damit einhergehender wirtschaftlicher Selbstständigkeit. Er unterliegt gleichwohl als rechtliche Institution auch obrigkeitlichen Bestimmungen, die allem voran auf den Zugang zur Berufsgruppe konzentriert sind.«; vgl. hierzu: Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/ Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 380, Fßn. 7, (Hervorhebung nicht im Original); dazu im Weiteren auch näher und ausführlich: St. Zimmermann, Die Organisation eines freien Notariats in: FS-Wolfsteiner (2008), S. 223 – 235, 224; zum öffentlichen Notar und zur Begrifflichkeit des notarius publicus, Lönnecker, Notare und Notarien in Oldenburg im späten Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert, in: Oldenburger Jahrbuch, Bd. 93 (1993), S. 79 – 102; 80 – 83; Scharnhorp, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert. Eine Untersuchung zum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente (2011), S. 4. 73 Insgesamt grundlegend für die gesamtdeutschen Entwicklungen nur: Oesterley, Das Deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts und mit besonderer Berücksichtigung der in den deutschen Bundesstaaten geltenden partikularrechtlichen Vorschriften geschichtlich und dogmatisch dargestellt, in 2 Bänden (1842/Neudr. 1965); SchmidtThom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 180 ff.; im Weiteren auch: Erler, Der Notar, in: Bernecker (Hg.), Die juristischen Berufe in Vergangenheit und Gegenwart, (1948), S. 129 – 157; 192 ff.; Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3 f.; Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29 – 42, 29 ff.; Seidl, Die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in: DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313; Dolezalek/Konow, Notar/Notariate, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1043 – 1049. 74 Hertz, Zur Geschichte des Notariats in Hamburg seit Beginn des 18. Jahrhunderts, in: FS-der rheinischen Notare 1798 – 1948 (1948), S. 32 – 37, 32.
Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
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eindeutig definiert war : So konnte vom Schriver, Notarius, Kanzleischreiber, Gerichtsnotar oder dem Stadtschreiber wie auch dem sogenannten Geschwindschreiber gesprochen werden und entweder mit allen Bezeichnungen das gleiche Institut oder auch grundverschiedene berufliche Tätigkeiten gemeint sein.75 Kam es tatsächlich zur unterschiedlichen Auffassung der Schreibertätigkeit, hatte jeder dieser Berufe im weitesten Sinne dennoch mit der Erstellung von Urkunden und Schriftstücken zu tun,76 welche als Beweismittel im Rechtsverkehr dienten. Die Beweisurkunde als gemeinsame Schnittmenge dieser Berufsbilder brachte im Zusammenspiel mit der im vorstehenden Kapitel dargestellten Raumgeschichte Hannovers und den verschiedenen Territorialrechten eine ungewöhnliche Vielfalt im Notariatsrecht und der notariellen Tätigkeit hervor. Diese Vielfalt innerhalb der »Notariatszunft« konnte im nordwestdeutschen Raum über eine lange Zeit hinweg bestehen bleiben. Während sich der hannoversche »Staat« bereits im 17. Jahrhundert zu formen begann, nahm die Entwicklung zum eigenständigen Bundesstaat und souveränen Königreich erst im Jahr 1814 ihren Abschluss. Das Anfang des 19. Jahrhunderts ausgerufene und offiziell gegründete Königreich Hannover, zuvor als Kurfürstentum organisiert, umfasste in dieser früheren Form einen beachtlichen Gebietsbestand. Dieser veränderte sich jedoch fortlaufend durch Gebietszuwächse und auch –verluste.77 In der Zeit ab 1512 bis zum in Kraft treten der hannoverschen Notariatsordnung78 im Jahre 1853 wurden die oftmals aus dem Mittelalter stammenden partikularen Rechte innerhalb der welfischen Territorien in neue Landesgrenzen gezwungen.79 Zwar beinhaltete dieses lokale Recht auch Regelungen für das Notariat oder das noch darzustellende, sogenannte behördliche Schreibertum – je nachdem welche Form des schreibenden Berufsstandes lokal akzeptiert wurde –, dennoch begünstigte die bewegte Raumgeschichte Hannovers die Vielfältigkeit der Notariatsberufe entscheidend. Infolgedessen war der Bestand an Normen für das Notariat Hannovers bunt 75 Zedler, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Notarien, offene kayserliche Notarien, Bd. 24 (1732 – 1754/Neudr. 1961), Sp. 1394 – 1401; S. 716. 76 Harms, in: Bundesnotarkammer (Hg.), Bibliographie zur Geschichte des deutschen Notariats (2007), Einführung S. 13; Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29 – 42, 30; Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 3. 77 Durch die fortwährende Fluktuation des hannoverschen Gebietsbestandes sollte auch das gemeinrechtliche Notariat Hannovers immer wieder verschiedene Rechte in sich aufnehmen. Das Territorium änderte insbesondere durch die welfische Expansion im Mittelalter und dem nachfolgenden Machtverlust der Dynastie wiederholt seine Grenzen; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter I – IV). 78 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung, Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 79 Siehe hierzu näher im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter I – IV.
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
gescheckt. Eine besondere und übergeordnete Bedeutung erlangten in diesem Rahmen die Stadtrechte80 bzw. die Stadtrechtsfamilien81 des Mittelalters. Diese haben für Norddeutschland bereits durch Martin C. Lockert in den 1970er Jahren eingehende Bearbeitung gefunden.82 Dessen Erkenntnisse sind auch für diese Untersuchung dementsprechend wertvoll und sollen in den notariatsgeschichtlichen Kontext gestellt werden; denn: Diese städtischen Normensammlungen waren die als partikularrechtliche Teile niedergelegten, schriftlichen Bestimmungen des kaiserlichen Notariats. Sie konkurrierten mit dem gemeinen römischen Recht italienischer Herkunft.83 Das italienische Recht wurde durch die Rezeption in Deutschland weithin verbreitet, woran nicht zuletzt das Notariat einen erheblichen Anteil hatte. Die urbanen Rechtssätze sollten das hannoversche Notariat aber tatsächlich bis zur Schaffung der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung in der Mitte des 19. Jahrhunderts prägen und teilweise sogar über den Erlass der HNO am 18. September 1853 hinaus fortbestehen. Eine außergewöhnliche Position in dieser Entwicklung nimmt die Stadt Hannover ein. Sie wurde, wie eingangs erwähnt, ab 1637 fürstliche Residenz und Sitz der späteren hannoverschen Könige. Wie noch zu sehen sein wird,84 hatte dieser gesellschaftspolitische Aufstieg der Stadt zum machtpolitischen und verwaltungsrechtlichen Zentrum des Königreichs nicht nur positive Effekte auf das städtische Rechtsleben und sein Notariat. Die Re-
80 Zum Begriff der Stadtrechte, insb. unter rechtswissenschaftlichen Aspekten – auch im Hinblick auf ihr rechtshistorisches Entstehen – grundlegend und aufschlussreich: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 11 ff.; Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 600 f.; Haase, Gegenwärtiger Stand und neue Probleme der Stadtrechtsforschung, in: Westfälische Forschungen 6, (1943/1952), S. 129 – 144, 129 ff.; Ebel, Über die rechtsschöpferische Leistung, in: Reichenauer Vorträge 1963 – 1964, Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte (Hg.), Untersuchungen zur Gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte (1966), S. 241 – 258, 241 f.; Dilcher, Das mittelalterliche Stadtrecht als Forschungsproblem, in: JuS 1989, S. 875 – 878, 875 f.; Meder, Rechtsgeschichte, Eine Einführung, 3. Aufl., (2008), S. 220. 81 Die verschiedenen Stadtrechte, ihre Normenkataloge in systematischer und auch unsystematischer Reihung regelten zum Teil auch das Notariat. Andere hingegen sollten das öffentliche Notariat gar nicht kennen und somit auch keinerlei Regelungen diesbzgl. enthalten; [dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a) – c)]. 82 Vgl. zu den Stadtrechten Norddeutschlands insgesamt mithin: Insgesamt Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 1 ff. 83 Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1980, S. 132 – 157, 134 f. 84 Mit dem Regenten kam in die bis dahin eigenständig gewachsene hannoversche Siedlung auch das gemeine Recht, welches das städtische Recht und seine Vorzüge bis 1696 vollauf verdrängen sollte; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 c); insb. auch Kapitel 1 dieses Teils 1 unter I 3).
Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
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sidenznahme wurde durch die ansässigen Juristen nicht durchweg positiv beurteilt.85 Bei Betrachtung der Chronologie städtisch und staatlicher Entwicklung Hannovers kann als erster Zwischenschritt eines festgestellt werden: In der Zeit des kaiserlichen Notariats (16. Jahrhundert) begegneten sich die bundesstaatliche Raumgeschichte des Königreichs bzw. Fürstentums und die Ergebnisse der verschiedenen, städtischen sowie lokalen Rechtsentwicklungen des Mittelalters. Im Notariatsrecht überschnitten sich diese Entwicklungen sogar. So konnte auch die Stadt Hannover zur Zeit Kaiser Maximilians eine eigene, partikularrechtliche Identität mit ihren Rechtssätzen vorweisen. Dieses partikulare Recht bestimmte auch das kaiserliche Notariat (-srecht) erheblich mit. Daraus folgend würde sich eine auf das Stadtgebiet Hannovers beschränkte Untersuchung des Notariats anbieten, was dem Untersuchungszweck indes zuwiderlaufen, dem inhaltlichen Zuschnitt der Studie nicht entsprechen und darüber hinaus gekünstelt wirken würde. Immerhin deckt sich die Rechtsentwicklung der städtischen Siedlung Hannover insbesondere im 19. Jahrhundert als kleiner stadtgeschichtlicher Teil mit der bundesstaatlichen Entwicklung Hannovers. Eine Beschränkung auf das hannoversche Stadtgebiet würde der wechselhaften gesamthannoverschen Raumgeschichte und ihrer Langzeitwirkungen auf die rechtliche Entwicklung des Notariats nicht hinreichend Rechnung tragen. Diese Langzeitwirkungen sind – ausweislich des 1. Kapitels dieses Teils 1 – von großer Bedeutung für den gesamten Nordwesten Deutschlands gewesen. Denn sie prägten mit den weiteren partikularen Rechten neben dem hannoverschen Stadtrecht speziell das Notariatsrecht im gesamten nordwestdeutschen Raum. Die einzelnen Territorialrechte der frühen Neuzeit und des späten Mittelalters gingen somit der HNO als erste und »echte« ursprünglich hannoversche Kodifikation des 19. Jahrhunderts nicht »nur« chronologisch, sondern sogar in systematischer Hinsicht, voraus. Eine inhaltliche Konzentration der Untersuchung auf das Stadtgebiet Hannovers und dessen Rechtssätze ließe sich daher lediglich durch den Nachweis einer eigenständigen notariatsrechtlichen Kodifikation nach dem Jahr 1512 für die Stadt Hannover rechtfertigen, was allerdings, anders als für Hamburg,86 nicht 85 Die städtische Selbstbestimmung, auch im Hinblick auf die selbstbestimmte Rechtssetzung sollte 1696 vollauf geschwunden sein; vgl: Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1999, S. 125 – 166, 125; [dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 c); insb. auch Kapitel 1 dieses Teils 1 unter I 3)]. 86 Zum hamburgischen Notariat und dessen rechtlichen Bestimmungen für ein territorial begrenztes Gebiet, insb. mit französisch rechtlichen Einflüssen, eingehend insgesamt: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 1 ff.; Hertz, Zur Geschichte des Notariats in Hamburg seit Beginn des 18. Jahrhunderts, in: FS-der rheinischen Notare 1798 – 1948 (1948), S. 32 – 37.
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
gelingt. Die Entwicklungen des städtischen Hannovers nach dem Jahr 1512 sind somit als Teil der (gesamt-) staatlichen Entwicklung Hannovers zu begreifen. Daher bleibt dem hannoverschen Staat als einzige überregional rechtsetzende Gewalt Nordwestdeutschlands das Hauptinteresse dieser Untersuchung vorbehalten. Diese Prämisse gilt gleichermaßen für das Notariat nach dem Erlass der kaiserlichen Notariatsordnung im Jahr 1512. An gebotener Stelle soll die hannoversche Stadt- und Rechtsgeschichte als eigenständige territoriale Rechtsquelle des Notariats gleichwohl ergänzend betrachtet werden.87 Eine erste Möglichkeit hierfür böte sich sogleich mit der Zeit direkt nach in Kraft treten der kaiserlichen Notariatsordnung und somit für die frühe Neuzeit an. Doch bevor sich dem kaiserlichen Notariat auch im Hinblick auf das städtische Hannover, zugewandt werden kann, sollte verdeutlicht werden, wie das Institut des Notars entstand, es Deutschland erreichte und warum das Jahr 1512 im Notariatsrecht eine weit weniger starke Zäsur darstellt, als durch die Schöpfer der kaiserlichen Gesetze des 16. Jahrhunderts beabsichtigt worden war.
I.
Das (deutsche) Notariat, eine Einführung
Wie angedeutet, haben das gesamtdeutsche Notariat und dessen Geschichte durch verschiedene Veröffentlichungen Bearbeitung gefunden. Hervorzuheben ist hierbei allen voran das Werk Ferdinand Oesterleys. Dieser setzte sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts eingehend mit der Geschichte des deutschen Notariats auseinander und schuf mit seinem Werk: »Das deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts und mit besonderer Berücksichtigung der in den deutschen Bundesstaaten geltenden partikularrechtlichen Vorschriften geschichtlich und dogmatisch dargestellt«,88 für die Erforschung der Notariatsgeschichte Grundlegendes. Trotz, dass diese Studie über 150 Jahre zurückliegt, kann auch für diese gesagt werden: »Was man schreibt, das bleibt«. Oesterley leistete mit seinem Werk eine bis heute geltende Grundlagenforschung für das gesamtdeutsche Notariat. Ebenso passend ist das soeben zum Werk Oesterleys zitierte Rechtssprichwort für das Notariat, die notarielle Betätigung, die notariellen Instrumente und 87 Das hannoversche Stadtrecht sollte sich bereits früh entwickeln können und mit der Stadt Minden seinen Ausgangspunkt haben (Minden ist als sog. Mutterstadt anzusehen). Die hannoversche Stadtverfassung sollte ab 1512 das kaiserliche Notariatsrecht Maximilians I. hervorragend ergänzen und präzisieren; [dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b)]. 88 Oesterley, Das Deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts und mit besonderer Berücksichtigung der in den deutschen Bundesstaaten geltenden partikularrechtlichen Vorschriften geschichtlich und dogmatisch dargestellt, in 2 Bänden; Geschichte des Notariats (1842/Neudr. 1965).
Das (deutsche) Notariat, eine Einführung
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das gesamte Rechtsleben des mittelalterlichen und neuzeitlichen Deutschlands.89 Dies gilt insbesondere für die Zeit der im vorstehenden Teil angesprochenen Stadtrechte. Denn es darf nicht übersehen werden, dass die geschichtlichen Wurzeln des Notariats weiter als in die Zeit deutscher Könige und Kaiser, zurückreichen: Im Rom der Vorgänger Kaiser Justinians lassen sich die Ursprünge des heute modernen öffentlichen Notars ausmachen. In dieser frühen Epoche entstand das sogenannte Tabellionat römischen Rechts,90 das der heutigen Prägung und Funktion des Notars nur grundsätzlich entsprach.91 Das Notariat nahm seine Gestalt nach heutigem Verständnis erst im 10. bis 11. Jahrhundert in Oberitalien92 seine Entwicklung von neuem.93 In dieser oberitalienischen, gemeinrechtlichen Form94 sollte es allmählich die Alpen queren und auch nach »Deutschland« kommen.95 1.
Die Urkunde als Teil des Rechtsverkehrs
Von Anbeginn des Notariats bzw. aller schreibenden Berufe war deren unverzichtbares Werkzeug die Urkunde oder das spätere sogenannte Notariatsinstrument, geschaffen mit Tinte, Feder, Pergament und nicht zuletzt der Fähigkeit, lesen und schreiben zu können. Die »Zunft« der Notare und die Urkunde als Instrument und Institut des Rechtsverkehrs bedingen sich insoweit gegenseitig.96 Ihre Entwicklungen waren jedoch nicht deckungsgleich.97 Die in der Antike 89 So auch: Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29. 90 Das Tabellionat römischen Rechts: »Tabellionen waren Privatpersonen, denen durch besondere staatliche Ermächtigung die Befugnis verliehen wurde, gegen Gebühr Urkunden über bestimmte Rechtsgeschäfte aufzunehmen«, vgl. hierzu: Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 173; Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 1 f. 91 Oesterley, Das dt. Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. I (1842/ Neudr. 1965), S. 16; Dolezalek/Konow, Notar/Notariate, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1043 – 1049, 1043. 92 Eine äußerst genaue Darstellung für das Tabellionat römisch rechtlicher Ausgestaltung findet sich bei: Oesterley, Das dt. Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. I (1842/Neudr. 1965), S. 12 ff. 93 Seidl, Die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in: DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313; unter ausdrücklicher Bezugnahme auf: Schmidt-Thom¦, »Praktika und Prozess«, in: Ders./Gerig, Das Notariat, Das Notariatssignet (1967); Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1980, S. 132 – 157, 132 f. 94 Vgl. zum gemeinrechtlichen Notariat und seiner rechtlichen Ausgestaltung in Nordwestdeutschland insgesamt erkenntnis- und aufschlussreich sowie grundlegend: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 1 ff. 95 Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 1. 96 Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 12. 97 So auch: Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29.
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noch weit verbreitete Schriftkultur sowie Schriftlichkeit des Rechtslebens gingen im »dunklen« Mittelalter nahezu völlig verloren.98 Insbesondere in der Zeit der Merowinger99 verlor sich nördlich der Alpen die zuvor weit verbreitete Kultur des Niederschreibens von Rechtsgeschäften nach und nach fast vollständig.100 Einzig der Klerus, als Konservator und Bewahrer der Schriftlichkeit, vermochte das Schrifttum und die Urkunde als Beweisdokument innerhalb des kirchlichen Rechtsverkehrs und in seinen Klostergemeinschaften zum Teil am Leben zu erhalten.101 Dennoch blieb auch im 12. Jahrhundert das Instrument der Urkunde als Beweismittel, trotz offenkundiger Vorzüge, einer der exklusivsten Nachweise von Rechtshandlungen. Die Urkunde vermochte zwar die Lebenszeit eines Zeugen leicht zu überdauern,102 war dennoch für das Gros der im Rechts- sowie Handels- und Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Personen aus Kostengründen unattraktiv. Der durch den Zeugen geführte Beweis besaß in Deutschland mithin über eine lange Zeit hinweg die Vorherrschaft. Hieran änderte auch das im Jahr 1136 ausdrücklich im Dekretale »Scripta vero athentica« durch Papst Alexander III. proklamierte Fortdauern der Beweiskraft einer Urkunde nach dem Tode der Urkundszeugen,103 also etwa der Person des Notars, nichts. Mit Aufschwung der Kirche zur Recht sprechenden Gewalt und Aufkommen geistlicher Gerichte während des 13. Jahrhunderts sollte, nach der Zeit der Merowinger, die Urkunde als Beweis zunächst im Gerichts- sodann im gesamten Rechtsverkehr eine »Renaissance« erleben.104 War ein Zeugenbeweis im Ge98 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29. 99 Die Merowinger : »Ältestes bekanntes Königsgeschlecht der Franken. Gründung gegen Ende des 5. Jahrhunderts, herrschte es bis ins 8. Jahrhundert und wurde schließlich durch das Geschlecht der Karolinger verdrängt. Nach den Merowinger wird die Epoche des Übergangs der Spätantike ins frühe Mittelalter im gallisch-germanischen Raum benannt, (Merowingerzeit)«; Anton, Merowinger, in: HRG Bd. I, 1. Aufl., (1984), Lfg. 22, Sp. 497 – 509, (Ergänzung nicht im Original). 100 Trusen, Notariat und Notariatsinstrumente an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, zu den gemeinrechtlichen Grundlagen der Reichsnotariatsordnung von 1512, Beiträge zur Rechtsgeschichte, in: FS-Conrad S. 549 – 566, 549; ders., Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ, 1986, S. 13 – 23, 15; Kroeschell/Cordes/ Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29. 101 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29 f. 102 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 4; Dies zeigt auch ein mittelalterliches Sprichwort aus dem Schwabenspiegel deutlich, wenn es hier heißt: »Briefe sind besser denn Zeugen«, vgl. hierzu: Frh. V. Lassberg (Hg.), Schwabenspiegel (1840/ Neudr. 1961), c. 36, 2. 103 Schuler, Geschichte des Südwestdeutschen Notariats. Von seinen Anfängen bis zu Reichsnotariatsordnung (RNO) von 1512 (1976), S. 29, S. 29 unter Fßn. 36; Harms, in: Bundesnotarkammer (Hg.), Bibliographie zur Geschichte des deutschen Notariats (2007), Einführung S. 10. 104 Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 13.
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richtsprozess zwar stets einfacher zu erbringen, hatte er angesichts seiner begrenzten, zeitlichen Haltbarkeit gegenüber dem schriftlichen Nachweis aus kanonischer Sicht an Vorzügen eingebüßt. Hieran änderten auch die hohen Anforderungen, die der kanonische Prozess an die (Beweis-) Urkunde stellte nicht viel. So hatte sie stets kirchliche Notarsurkunde oder mit authentischem (Kirchen-) Siegel versehen zu sein.105 Der notariellen Beglaubigungstätigkeit kam somit im Zusammenhang mit dem kirchengerichtlichen Beweisverfahren des Mittelalters eine erste entscheidende Rolle im frühen Deutschland zu.106 2.
Der Beginn des öffentlichen Notariats diesseits der Alpen
Wie kam es nunmehr, losgelöst vom kanonischen Gerichtsprozess, zum tatsächlich öffentlichen Notariat in heutiger Ausgestaltung und seiner Verbreitung in deutschen bzw. welfischen Territorien? Um diese Frage zu beantworten, muss der Blick genauer auf das Italien des 10. und 11. Jahrhunderts gerichtet werden. Der »Notar« war jenseits der Alpen ursprünglich als privater Schreiber bei klerikalen Gerichten oder bei weltlichen Würdenträgern angestellt.107 Er qualifizierte sich durch seine Fähigkeiten, lesen und schreiben zu können, und verfasste für seinen Arbeitgeber regelmäßig geschäftliche oder politische Korrespondenzen.108 Mit juristischem Fachwissen musste dieser »Notar« – als bloß angestellter Sekretär – noch nicht ausgestattet sein. Die Tätigkeit eines öffentlichen Schreibers – also als Notar nach heute modernem Verständnis und als beliehene Person mit institutionsrechtlich ausgestalteter Tätigkeit – stand den privaten (Nur-) Schreibern schon begrifflich gegenüber. Der öffentliche Notar ist Freiberufler und zugleich durch besondere sowie staatlich übergeordnete Stelle ernannte Urkundsperson. Er übt sein Amt unabhängig von einem Anstellungsverhältnis aus. Der öffentliche Notar vereint daher, wie es auch heute noch in Deutschland teilweise zu finden ist, ein öffentliches Amt mit hier neben stehender, freiberuflicher Tätigkeit.109 105 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 32. 106 Das kirchengerichtliche Verfahren sollte an die in seinen Prozessen verwendeten Urkunden hohe formale Anforderungen stellen. Insbesondere musste die Urkunden eine publica fides für sich beanspruchen können und bedurften somit der Beglaubigung durch zuständige und hierzu berechtigte Stellen. Das Notariat als Berufsgruppe und seine Tätigkeit wurden hierdurch immer wichtiger ; (näher dazu im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 3). 107 Dolezalek/Konow, Notar/Notariate, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1043 – 1049, 1043. 108 Dolezalek/Konow, Notar/Notariate, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1043 – 1049, 1043; Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/ Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 180. 109 So heutzutage etwa auch noch im Rheinland der Fall. In den Bundesländern Berlin, Bremen,
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Das freiberufliche öffentliche Notariat, wie wir es heute kennen, sollte sich allerdings nicht aus den privaten Schreibersekretären, sondern aus der (kirchlichen) Gerichtsschreibertätigkeit entwickeln. Der Gerichtsschreiber, in seiner Funktion als Protokollant, war in den frühen Zeiten des 6. Jahrhunderts schon den Langobarden110 unter dieser Bezeichnung bekannt.111 In der Zeit, in der Heinrich der Schwarze in »Deutschland« das Reich der Welfen regierte (11. Jahrhundert),112 hatte sich bereits an italienischen Gerichten die Übung herausgebildet, dass gerichtliche Urkunden durch eine frühe Form des Geschäftsstellenbeamten verfasst wurden. Der Richter musste sich hiermit nicht befassen, da er diese Aufgaben in besonderen Fällen an seinen Schreiber, den sogenannten Notarius, übertrug. Dieser dem heutigen Geschäftsstellenmitarbeiter vergleichbare Gerichtsangestellte nahm bald darauf auch generell diese Aufgabe wahr.113 Er konnte sich zugleich zunehmend vom richterlichen Auftrag emanzipieren und erstellte ebenso außerhalb des Gerichts und ohne richterliches Geheiß Urkunden auf eigene Rechnung und auf gesonderten, privaten Auftrag.114 Das bis dahin nur im gerichtlichen Verfahren legitimierte Urkundendokument konnte kurz darauf auch außerhalb des Verfahrens öffentlichen Glauben für sich beanspruchen. 115 Diese Entwicklung brachte den Entstehungsprozess des öffentlichen Notariats in Italien grundsätzlich zum Abschluss.116 Dieser jenseits der Alpen entstandene, neuartige Berufsstand des Schreibers, ohne gerichtlichen Auftrag, konnte sich ob der bereits erwähnten Langlebigkeit
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Niedersachsen, Schleswig-Holstein und in einem Teil Nordrhein-Westfalens ist dies in Form des Anwaltsnotariats so zu finden. So etwa auch: Frischen, Das Ventúse Gesetz Inhalt und Auswirkung auf das deutsche Notariat, in: RNotZ 2003, S. 1 – 11, S. 1 unter Fßn. 5. Langobarden: »An der mittleren Elbe seit dem 3. Jahrhundert siedelnder Volksstamm, der im 6. Jahrhundert nach Italien abwanderte«; Hartmann, Geschichte Italiens im Mittelalter, Bd. II, Teil 2 (1905), S. 38. Dolezalek/Konow, Notar/Notariate, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1043 – 1049, 1043; Oesterley, Das dt. Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. I (1842/Neudr. 1965), S. 67 f. Zum Entstehen und zur Ausbreitung des Welfengeschlechts, insbesondere in Nordwestdeutschland sowie zum Aufschwung der Dynastie zu einem der mächtigsten europäischen Fürstenhäuser, näher im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter I – IV; sowie Anhang I, (Stammtafel der Welfen); hier unter S. 357 – 360. Koechling, Untersuchung über die Anfänge des öffentlichen Notariats in Deutschland, in: Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte II 1 (1925), S. 5 f. Heuberger, Das deutschtiroler Notariat. Umrisse seiner mittelalterlichen Entwicklung (1926), S. 27 f.; Koechling, Untersuchung über die Anfänge des öffentlichen Notariats in Deutschland, in: Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte II 1 (1925), S. 5 f. Dolezalek/Konow, Notar/Notariate, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1043 – 1049, 1043. Vgl. zur Entwicklung des italienischen Notariats – auch als Vorläufer des deutschen Schreiberstandes ausführlich: Oesterley, Das dt. Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. I (1842/Neudr. 1965), S. 393 ff.
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der Urkunde als Beweismittel mit hinzutretendem öffentlichem Glauben (publica fides)117, auch diesseits der Alpen schnell etablieren. Eine entscheidende Rolle sollte der erwähnte kanonische Gerichtsprozess des 13. Jahrhunderts spielen. Entsprechend nahm hierzulande das Notariat in seiner Frühform seinen Anfang ebenfalls bei Gericht.118 Im Rahmen des kirchenrechtlichen Verfahrens und der sich schnell verbreitenden notariellen Praxis wurde der »Notar-Gerichtsschreiber« in Deutschland gleichzeitig ein wichtiger Protagonist für die das gesamte Zivilrecht beeinflussende Rezeption des römischen Rechts.119 Die Aufnahme des Notariats in Deutschland war nicht bloßes Beiwerk dieser Rezeption. Vielmehr stellte das Notariat mit der Urkunde als nachhaltiges und sich schnell verbreitendes Instrument eines der wichtigsten Einfallstore des gemeinen Rechts nach Deutschland dar.120 Die Einführung des Notariats in Deutschland sollte für eine weite Streuung des römisch-gemeinen Rechts hierzulande sorgen. Es war nördlich der Alpen dementsprechend als integraler Teil der Rechtspflege und des rechtsgeschäftlichen Verkehrs; insbesondere als Teilstück des kanonischen Rechts und seiner Gerichte zu begreifen. Denn auch der deutsche Notar hatte seine etwaige juristische Vorbildung im Italien dieser Zeit erhalten. Hierzulande sollte das kirchengerichtliche Verfahren die Initialzündung für die zu Italien um einige Jahrhunderte verzögerte Entwicklung des öffentlichen Notariats geben. 3.
Der kanonische Prozess als Motor des Urkundenwesens und des Notariats
Der kirchengerichtliche Gerichtsprozess wurde mit seinen relativ hohen Anforderungen, die an die im Verfahren beizubringenden Urkundenbeweise gestellt wurden,121 das entscheidende Moment für das deutsche Notarwesen.122 117 »Die notarielle Urkunde ist das öffentliche Zeugnis über Thatsachen jeder Art, […]. Ihr allein kommt die Bezeichnung instrumentum publicum […] zu.«; vgl. hierzu: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 15. 118 Trusen, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ, 1986, S. 13 – 23, 13. 119 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3. 120 Conrad bezeichnet das Notariat als »eine der stärksten Brücken […] über die das fremde Recht Eingang in Deutschland finden konnte.«; Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3, (Hervorhebung nicht im Original); Trusen, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1986, S. 13 – 23, 11 f. 121 »Der kanonische Prozess war schriftlicher Prozess, ganz im Gegensatz zum zuvor gebräuchlichen landesherrlichen Gerichtsverfahren. Dieses wurde unter Beteiligung des territorialen Herrschers rein mündlich abgehalten. Der kanonische Prozess hingegen verlangte unter anderem eine schriftliche Anklage«, so auch: Kroeschell, recht unde un-
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Selbst der noch im Mittelalter in Deutschland weit verbreiteten Siegelurkunde wurde im gerichtlichen Verfahren der Kirche nicht immer die volle Beweiskraft zugesprochen. Wenige Siegel mit allgemein gültiger Beweiskraft fanden durch die kanonischen Offizialgerichte Akzeptanz. Auf gesamtdeutschem Boden konnten nur höchste Würdenträger oder Institution eine aller Orten anerkannte Authentizität ihrer Siegel für sich beanspruchen. Hierzu zählten: der Papst,123 der König, überregional bekannte Fürsten und nicht zuletzt die kirchlichen Institutionen.124 Jedes dieser Siegel war auf Grund seines auch wirtschaftlich hohen »Beweis«-Wertes nicht ohne Einschränkungen im Umlauf.125 Die Gruppe an authentischen Siegelgebern war mithin überschaubar. Eines ihrer Siegel zu erhalten war daher zumeist mit unverhältnismäßig großen Mühen sowie Kosten verbunden. Außerhalb des (Kirchen-) Gerichtsprozesses griff man daher regelmäßig nicht zur Urkunde, um Beweis zu führen. Gleichwohl bot sie auch im allgemeinen Rechtsverkehr gegenüber dem Zeugenbeweis vielerlei Vorteile. Dies galt nicht etwa nur für eine faktisch unbegrenzte Lebensdauer, sondern auch für eine weniger starke Lokalbindung, im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit und den Beweiswert des Instruments. Ein im Umfeld bekannter Zeuge konnte ggf. in heimatlichen Gebieten eine deutlich größere Glaubwürdigkeit auf sich vereinen, als es etwa in weiter Entfernung bei völliger Unbekanntheit seiner Person der Fall war. Diese Vorteile entdeckte auch der alltägliche Rechts- und Wirtschaftsverkehr rasch für sich. Infolgedessen kam im Alltag ein immer größeres Bedürfnis nach einer für jedermann zugänglichen Instanz mit umfassenden und allgemein anerkannten Beurkundungsrechten auf. Diese Lücke zu schließen, machte sich der geistliche Richter, und sogenannte Offizial126, als Teil der kirchlichen
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recht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 15; 141; durch diese Anforderungen stieg zwangsläufig die Bedeutung der notariellen Tätigkeit als schreibende Zunft und zur Beglaubigung befähigte Stelle; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 1); Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 26 – 30, S. 26 unter Fßn. 27 m.w.N.; (siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teil 1 unter I 1). Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 133. Vgl. insgesamt einführend zur Thematik der kirchlichen Siegel und ihrer Bedeutung in Norddeutschland: Guerreau, Die Repräsentation des sächsischen Klerus anhand seiner Siegel (2006); dies. hierzu in Kürze: Die Klerikersiegel der Diözese Halberstadt, Hildesheim, Paderborn und Verden im Mittelalter (um 1000 – 1500); dies., schriftliche Auskunft vom 18. 5. 2011, via elektronischer Post. Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29. Oesterley, Das dt. Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. I (1842/ Neudr. 1965), S. 378 f. Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 15; 138; »[…] der Offizial war der erste rechtsgelehrte Richtertyp in deutschen Grenzen.«, vgl hierzu: Trusen, Die gelehrte Gerichtsbarkeit der Kirche, in: Coing, ders. (Hg.), Handbuch I (1973), S. 473 ff.; insbesondere für Niedersachsen weiterführend: Bruns, der Nörtener Achidiakonat, Studien zur Germania Sacra, Bd. 7, Veröffentlichung des Max-Planck-Institutes, Bd. 17 (1967), S. 72 – 118, insb. S. 92 – 105.
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Rechtspflege zur Aufgabe sowie Einnahmequelle. Der Offizial beschäftigte in seiner »Kanzlei« Verwaltungsschreiber127 und konnte mit seinem eigenen Kirchensiegel jeder hier gefertigten Urkunde durch den öffentlichen Glauben an die Authentizität seines Siegels die nötige Beweiskraft verleihen.128 Aufgrund seiner eigenen Zugehörigkeit zum geistlichen Stand kam im Streitfall über die in der Urkunde niedergelegten Rechtsgeschäfte und Beweistatsachen überdies allein das geistliche Gericht als entscheidende Instanz in Frage. Durch diese Praxis wurde der Bereich der klerikalen Gerichtsbarkeit erheblich erweitert und die Arbeit des kirchlich angestellten Notarius im Sinne eines Gerichtschreibers zugleich innerhalb deutscher Territorien immer wichtiger. Es zeigt sich mithin, dass der »Notar« in der Person des kirchlichen Gerichtsschreibers seine erste tatsächlich ernst zu nehmende Verbreitung in Deutschland fand.129 Aus der kirchlichen Anstellung am geistlichen Gericht entwickelte sich im Folgenden, ähnlich wie in Italien, auch hier das öffentliche Notariat. Der Gerichtsschreiber emanzipierte sich immer mehr vom gerichtlichen Auftrag. Auch er bot seine Dienste bald frei an und wurde nach und nach zum Freiberufler. Freilich erfolgte diese Entwicklung mit einer Verzögerung von ca. 200 Jahren gegenüber den italienischen Vorreitern,130 da das deutsche Notariat erst im Laufe des 14. Jahrhunderts entstand.131 Festzuhalten bleibt hierbei, dass auch in Deutschland das Notariat nicht aus dem Nichts heraus entstand. Es sollte auch nicht das weltliche Recht sein, sondern der kirchengerichtliche Prozess mit seinen hohen Anforderungen an seine Beweismittel, welcher das Bedürfnis nach Schreibern und allgemeingültigen Beurkundungsakten begründete. Insgesamt war es somit die kanonische Gerichtsbarkeit mit ihrem Recht des 13. Jahrhunderts, welche den Nährboden für das deutsche, öffentliche Notariat bot. Auch der deutsche Notar war, bevor er sich vom kirchlichen Auftrag los sagte, ohne Ausnahme kanonischer Herkunft und Mitglied des Klerus.
127 Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 32 f. 128 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29 f.; Seidl, Die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in: DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313 f. 129 So auch: Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3; Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/ Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 180. 130 Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 21. 131 »In Mitteldeutschland erscheint das Notariat in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts, […]«, vgl. hierzu: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 21; »Die ersten Notare in Deutschland waren überdies italienischer Herkunft«, ders. Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 24.
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Der mittelalterliche Notar
Wie wird man sich die bei einem Offizial tätigen Notarii also vorstellen dürfen? Sie sind – wie soeben beschrieben – als Mitglieder des Klerus,132 sowie Personen mit hervorragender und zumeist akademischer Bildung anzusehen.133 Ihre Aufgaben hatten zumeist, ähnlich wie die des heutigen öffentlichen Notars, die freiwillige Gerichtsbarkeit134 zum Gegenstand. Nicht wenige der ehemaligen Gerichtsschreiber und frühen öffentlichen Notare sollten im Laufe der Zeit als öffentliche Notare in die Dienste ihres weltlichen Landesherrn oder der mächtigen mittelalterlichen Städte treten.135 Der Aufgabenbereich dieser Notare des Mittelalters umfasste nicht mehr die kirchengerichtliche Verfahrensurkunde, sondern insbesondere das Beurkunden von »alltäglichen«, weltlichen Rechtsgeschäften. Hierzu zählten Kaufverträge, Testamente,136 Schuldverschreibungen oder Bürgschaften.137 An der Beteiligung des Notars bei Erstellung rechtserheblicher Erklärungen wird mithin ersichtlich, dass der Beruf des Notars bereits in seinen Anfängen mit der Juristerei eng verbunden war. Die Entwicklung dieser beglaubigenden Schreibertätigkeit war grundsätzlich vom rechtlichen 132 »Der mittelalterliche Notar, bzw. Dorfschreiber, war zumeist Lehrer oder Küster und somit auch den kirchlichen Institutionen zuzurechnen, grds. aber im frühen Mittelalter in Deutschland noch eine Randerscheinung.«, so auch: Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 167, (Hervorhebung nicht im Original); zwischen der Entwicklung des Notariats in Deutschland und seinem Ursprungsland Italien ergab sich eine zeitliche Verzögerung von 200 Jahren; (siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 2). 133 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 30; zur Ausbildung der Notare und ihrer Tätigkeit bei Gericht sowie vom gerichtlichen Auftrag emanzipierter Freischaffender bis in das Jahr 1512 mit der Schaffung der Reichsnotariatsordnung; vgl. auch: Burmeister, Anfänge und Entwicklung des öffentlichen Notariats bis zur Reichsnotariatsordnung von 1512, in: FS-Elsener S. 77 – 90, 77 ff. 134 Die freiwillige Gerichtsbarkeit: »Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sie steht im Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit und ist ein staatlich geregeltes Verfahren für bestimmte privatrechtliche Bereiche. Sie umfasst die Rechtsprechung der Nachlassgerichte, Vormundschaftssachen; Registersachen; das Grundbuchrecht; Familiensachen (hier gelten Besonderheiten)«; vgl. hierzu: Creifelds (Begr.), Rechtswörterbuch 20. Aufl., (2011), S. 439; heute wird die freiwillige Gerichtsbarkeit speziell in den Bestimmungen des FamFG erfasst. 135 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 150. 136 »Insbesondere Testamente gehören zu den wichtigsten Massenquellen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Nirgends sonst ist eine derart umfangreiche und vielfältige Nachrichten- und Alltagsgeschichte, (dies gilt nicht zuletzt auch für die notarielle Alltagsgeschichte) […] zu finden wie in letztwilligen Verfügungen«, vgl. hierzu: Reinhardt, Lüneburger Testamente des Mittelalters: 1223 bis 1500 (1996), S. VII – XIII, Einleitung, VII, (Ergänzung nicht im Original). 137 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 31; Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 30.
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Inhalt des beurkundeten Geschäfts getrennt zu sehen. Der Notar brachte als beglaubigender Schreiber das damals geltende Territorialrecht durch seine (Notariats-) Instrumente lediglich in schriftliche Form. Über den genauen rechtlichen Inhalt der gefertigten Urkunde reflektierte und belehrte er die Parteien hingegen (noch) nicht. Der mittelalterliche Notarschreiber hatte dennoch neben der praktisch geprägten Ausbildung in den als »ars notaria«138 bezeichneten Unterweisungen zumeist das Studium der Rechte an italienischen Universitäten absolviert.139 Das Erwerben rechtlichen Sachverstandes um die Notariatstätigkeit war indes nicht vorrangiges Ziel dieser Studien. Durch den Erwerb rechtlicher Kenntnisse wurde es nicht nur möglich, das eigene Tätigkeitsfeld an heimatlichen Gerichten über die bloß ausführende Schreibertätigkeit hinaus zu erweitern, sondern ebenfalls als Advokat140 tätig zu sein. Zugleich brachte der Notar mit seinem Wissen das italienische Recht mit nach Deutschland. Als Höhepunkt seiner, nach wie vor zunächst stets geistlichen Karriere, konnte der (Kirchen-) Notar selbst zum erwähnten Offizial aufsteigen. Er rezipierte auch durch seine praktische Arbeit das römisch antike Recht immer mehr auch hierzulande.141 Im kirchengerichtlichen Prozess und später als behördlicher Verwaltungsschreiber trug er für das außerkirchliche Rechtsleben allem voran mit seinen Instrumenten zur Einführung, Akzeptanz und Verbreitung des römischen antiken Rechts diesseits der Alpen bei. Das römische Recht erfuhr durch die in Umlauf gebrachten notariellen Instrumente der Offizialkanzleien im frühen Deutschland bis in die Provinz eine starke und nachhaltige Verbreitung. 138 Zum Begriff der Ars Notaria und ihrer Ausgestaltung als Institut einer Schaffung von möglichst langlebigen Beweismitteln vgl. auch: Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 135, benennt hier den Hinweis aus des ars notaria, […] »dass Zweck der Notarkunst bzw. seines Schreibens ist, es dem dauernden Gedächnis zu bewahren.« 139 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 4; Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 133 mit dem ausdrücklichen Hinweis auf: Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/SchmidtThom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972). 140 Anwalt/Advocat: »Vertreter bzw. Berater eines wehrhaften Mannes im Rechtsstreit. Zu unterscheiden ist der reine Fürsprecher vor Gericht und der tatsächlich für den Prozess bevollmächtigte Vertreter, der zugleich Rechtsberater ist. Beides ist der Advokat nicht. Der bloße Fürsprecher wird als Procurator bezeichnet. Die deutlichste Unterscheidung beider Begriffe und Tätigkeiten machte die Rezeptionszeit. Im Prozess trat allein der Procurator auf, während der Advokat lediglich rechtlich beriet«; Buchda/Cordes, Advocatus/Anwalt, in: HRG Bd. I, 2. Aufl. (2009), Lfg. 2 (2009), Sp. 255 – 263, 257 (Hervorhebung nicht im Original). 141 Das Notariat war starker Einflussgeber im Rahmen der Rezeption. Einzig dort, wo das bis dahin gewachsene Recht bereits eine gewisse Komplexität und eigene Identität erreicht hatte, kam es nicht zu einer bloßen Rezeption gemeinrömischen Rechts; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 – 6, insb. 3 c)].
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War der Notar, auch in seiner späteren, öffentlichen Form, stets geistlicher Herkunft, war er indes regelmäßig nicht keusch lebender Mönch. Die meisten der frühen Schreibernotare hatten zwar die hervorragende kirchliche Bildung genossen, im Gegenteil hierzu aber lediglich niedere Weihen erhalten.142 Nicht selten waren Sie verheiratet und hatten Familien zu versorgen.143 Es handelte sich bei ihnen um sogenannte Minoristen. Sie waren vorrangig öffentlich Angestellte der geistlichen Gerichtsverwaltung, arbeiteten mithin nicht auf eigene Rechnung144 und waren insofern noch ein weites Stück vom öffentlichen Notar als Freiberufler nach heutigem Verständnis entfernt.145 Sie waren demnach zunächst primär – auch in Deutschland – Vorläufer des heutigen Rechtspflegers. Schließlich konnten sie ihre Tätigkeiten nicht jedermann feilbieten, verfügten ferner über kein eigenes Siegel, und waren dem Offizial als ihrem Dienstherrn unterstellt. Dies sollte sich in den folgenden Jahrhunderten allerdings grundlegend ändern. Während sich die gerichtliche Verbindung in Italien bereits im 13. Jahrhundert vollständig gelöst hatte, beschritt auch das deutsche Notariat mit zeitlicher Verzögerung diesen Weg.146 In zunehmendem Maße traten gegen Ende des 14. Jahrhunderts öffentliche Notare ohne Offizialanstellung auf.147 Sie gehörten größtenteils noch dem Klerus an. Das frühe Notariat Deutschlands dieser Zeit konnte mithin dem geistlichen Stand zugerechnet werden. Waren die ersten öffentlichen Notare zwar Kleriker, fehlte ihnen aber nach wie vor die Berechtigung ein eigenes Siegel zu führen, um die nunmehr mangelnde kirchliche Anstellung als Garant für die Authentizität und den öffentlichen Glauben der erstellten Instrumente kompensieren zu können.
5.
Erste Legitimationserfordernisse für den öffentlichen Notar
Mangels des eigenen Siegels und der nunmehr fehlenden öffentlichen Anstellung bei einem kirchlichen Gericht bedurfte es für den freien Notar fortan für die 142 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 30. 143 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 30. 144 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 30. 145 Trusen, Notariat und Notariatsinstrumente an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, zu den gemeinrechtlichen Grundlagen der Reichsnotariatsordnung von 1512, Beiträge zur Rechtsgeschichte, in: FS-Conrad (1978), S. 549 – 566, 551. 146 Dolezalek/Konow, Notar/Notariate, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1043 – 1049, 1043 f. 147 Dolezalek/Konow, Notar/Notariate, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1043 – 1049, 1044.
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Begründung des öffentlichen Glaubens der Urkunde einer offiziellen Bestellung durch eine übergeordnete Autorität. Hierdurch sollte die für jedermann erkennbare Authentizität des öffentlich erstellten Instruments erreicht werden. Denn der öffentliche Notar trat, anders als zuvor, als alleiniger und selbstständiger Schöpfer der Urkunde auf. Er zeichnete damit zugleich persönlich verantwortlich für die tatsächliche Richtigkeit sowie die damit eng verquickte rechtliche Haltbarkeit seines Instruments.148 Im kirchlichen Bereich, aus welchem die öffentlichen Notare stammten, bestellte folgerichtig ausschließlich der Papst den geistlich-(öffentlichen) Notar. Erst durch diese offizielle Ernennung wurden seine notarielle Tätigkeit sowie seine Instrumente für den Rechtsverkehr tauglich. Die Kirche konnte als Autorität und über allem stehende Institution universelle Akzeptanz ihrer Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen und wirkte auch für ihr Notariat legitimationsstiftend. Die Kurie blieb allerdings zurückhaltend und ernannte nur nach reflektierter Überlegung neue Notare.149 Dieser kirchliche Numerus clausus orientierte sich allem voran am Bedarf nach neuen Notare. Die gute (Kirchen-) Ausbildung des geistlichen Schreibers wirkte daneben als Garant für seine persönliche Eignung wie auch für die Güte seiner notariellen Arbeit. Eine gegenteilige Entwicklung nahm das freie Notariat, zum Leidwesen des ganzen (Berufs-) »Standes«, kurz nach der Inanspruchnahme des Ernennungsund Kreierungsrechtes durch die weltlichen Machthaber. Nicht lange nach dem ersten Auftreten des öffentlichen Notariats in Deutschland beanspruchte – als weltliches Gegenstück zur päpstlichen Autorität – der Kaiser die Position als ernennende Stelle für sich. Der deutsche Kaiser reklamierte das Recht zur Bestellung des weltlichen, freien Notars als kaiserliches Reservatrecht ausschließlich für seine Person. Dennoch delegierte er dieses Ernennungsrecht allzu oft auf andere, weltliche Würdenträger. Aus welcher Quelle der Kaiser das Recht zur Schaffung neuer, öffentlicher Notare genau schöpfte, kann heute nicht mehr geklärt werden. Mit der Delegierung auf andere Würdenträger und Stellen machten jedenfalls die Staufer zu Beginn des 13. Jahrhunderts den Anfang. Sie übertrugen das Recht zur Ernennung neuer Notare auf die Hofpfalzgrafen150 (Comes palatinus caeareus) und schufen hiermit das sogenannte notarielle Palatinat.151 Später sollten die deutschen Notare auch durch andere Stellen ernannt 148 Vogel, gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 12. 149 Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 30; Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3. 150 Koechling, Untersuchung über die Anfänge des öffentlichen Notariats in Deutschland, in: Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte II 1 (1925), S. 16; Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 36, 41. 151 Comes Palatinus/Pfalzgraf: »Pfalzgraf ist eine bis zum Ende des alten Reiches verwendete
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werden können. Auch diesen war das Recht zur Kreierung durch den Kaiser verliehen worden. Hierzu zählten Gelehrtenkollegien, Akademien und vor allem die deutschen Universitäten.152 Von Zeit zu Zeit sollte es auch dem jeweiligen Bürgermeister einer Stadt zukommen, Notare für die öffentliche Arbeit ernennen zu dürfen. Mit der Teilhabe der Hofpfalzgrafen am Ernennungsrecht153 sollte die Qualität des öffentlichen, deutschen Notariats erheblich leiden. Die Pfalzgrafen reflektierten zumeist nicht ausreichend über das Verhältnis zwischen Bedarf an neuen und bereits tätigen Notaren.154 Sie ließen, ohne weitere Beschränkung bzw. Überprüfung der fachlichen Kompetenzen, jeden Bewerber zum öffentlichen Notariat zu.155 Die Zahl der formalen Ernennungen und nachfolgenden Bestellungen zum Notar stieg im Mittelalter mithin ins Unermessliche.156 Bedauerlicherweise bestand neben den Pfalzgrafen keine weitere staatliche Aufsicht über die Ernennungspraxis und das Notariat an sich. Zugelassene weltliche Notare wurden sich nach ihrer Ernennung faktisch und rechtlich weitestgehend selbst überlassen. Der öffentlich tätige Notar musste mangels eigenständiger Normierungen seines Amtes durch einen weltlichen Normgeber, mehr denn je selbständig, zuweilen sogar rechtsschöpferisch tätig werden. Er konnte zu seinem Nachteil und zur Konkretisierung seiner Tätigkeit gerade auf kein ausgereiftes (kanonisches) Recht zurückgreifen. Grundlage des weltlich-notariellen Schaffens war noch immer das vielschichtige gemeinrömische Recht des 10. und 11. Jahrhunderts. Dessen fortwährend nötige Anpassung an »deutsche« Ansprüche nahm dementsprechend von Ort zu Ort völlig andere Wege. Vielerlei bestehende partikulare Rechte, örtliche Gewohnheiten und der zeitliche Wandel erschwerten die weltliche notarielle Tätigkeit und ein rechtschöpferisches
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Bezeichnung für Amtsträger mit im Laufe der Zeit ganz unterschiedlichen Funktionen, […]. Ein zunächst auf den Aufenthaltsort des Königs bezogenes Amt. Unter den Karolingern erweitert sich Amt des Pfalzgrafen (für den sich allmählich der Titel des comes palatinus einbürgerte) erheblich. […] Der Pfalzgraf ist ein genuin fränkisches Hofamt. […]«, Strätz, Pfalzgraf, in: HRG Bd. III, 1. Aufl. (1984), Lfg. 23 (1983), Sp. 1667 – 1670, (Ergänzung und Hervorhebung nicht im Original). Seidl, Entwicklung des Notariats in Deutschland, in: DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313; Schultzev. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 43 unter Fßn. 131. Zum genaueren Umfang der auf den Hofpfalzgrafen übertragenen Rechte, die die Kreierungsrechte für Notariate von Beginn an umfassten; vgl. auch weiterführend: Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 144. Der Hofpfalzgraf und seine oftmals unreflektierte Ernennungstätigkeit sollten im Allgemeinen und auch im Land »Hannover« zu einem monetär geprägten Geschäft werden und daher an Qualität verlieren. Gleiches sollte für das Notariat der Fall sein; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter III). Eine weitgehende Sammlung von Personen mit der Hofpfalzgrafenwürde ist insgesamt zu finden bei: Arndt, Hofpfalzgrafen-Register I – III (1964 – 1988). Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 187.
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Wirken des praktizierenden, oftmals mäßig gebildeten Notars immer mehr. Es entstanden große Einfallstore für persönliche Wertungen, individuelle Rechtsauffassungen sowie erhebliche Nachlässigkeiten der einzelnen Notare157 im Umgang mit ihren Instrumenten und deren Erstellung. Der vormals qualitätssichernde, kirchliche Standard und sein Numerus clausus konnten in Deutschland nicht nachhaltig gewahrt werden, überschwemmten die vorschnell ernannten Notare doch ebenso schnell den öffentlichen Rechtsverkehr. Zwangsläufig führte diese Situation überall im Deutschland des Mittelalters zu anderen Rahmenbedingungen und Ergebnissen der an sich gleichen notariellen Grundaufgaben, nämlich der kundigen Erstellung für jedermann verwendbarer schriftlicher Beweismittel.158 Waren diese Umstände allein schon geeignet, erhebliche Missstände im mittelalterlichen Notariat hervorzubringen, fehlte außerdem eine zusätzliche – allerdings gebotene – berufsständische Selbstkontrolle des Notariats.159 Die Heranbildung eines gut ausgebildeten und fähigen Nachwuchses sowie das Erreichen einer Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Notars mit dem bereits gut positionierten, behördlich angestellten (Offizial-) Kirchenschreiber wurden somit de facto unmöglich.160 6.
Gesamtdeutsche Missstände im Notariat des Mittelalters
Aufgrund der Leichtigkeit durch einen Hofpfalzgrafen zum Notar ernannt zu werden, musste auch der in Hannover öffentlich tätige Notar grundsätzlich keinerlei rechtliche Vorbildung vorweisen. Vielerorts wurden mangels reichsrechtlicher Grundlagen für die Bestellung und Ernennung neuer Notar sogar Personen bestellt und ernannt, die offenkundig über keine hierfür ausreichende Ausbildung verfügten. Handwerker, Gastwirte oder auch Fleischer konnten zum Notar berufen werden. Gleiches galt für Lehrer, Schneider oder etwa den örtlichen Barbier.161 Dieses rechtsfremde und daher in der Materie völlig ungebildete 157 Coing, Das Eindringen des römischen Rechts in das Recht des Hochmittelalters in Deutschland, in: Deutsche Landesreferate zum IV. internationalen Kongress für Rechtsvergleichung (1954), S. 3; Seidl, Die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in: DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313; insgesamt auch: Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 132 ff. 158 Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3. 159 Zum Mangel einer solchen berufsständischen Organisation ausführlich: Oesterley, Das dt. Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. I (1842/Neudr. 1965), S. 209 ff. 160 Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 187. 161 Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 4; so auch: Conring, Briefkontakt bzgl. des friesischen Notariats vom 25. 4. 2009; Notar Dr. Enno, Conring, Am Gehölz 34, 28628 Weener-Holthusen; hierzu bemerkenswert: Das oftmals auch in der Fachliteratur zitierte Beispiel der nachstehenden
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
öffentliche Notariat wendete das ihm gegebenenfalls bekannte, örtliche Gewohnheitsrecht oder ein ihm rudimentär geläufiges, partikulares Stadtrecht an. In den Fällen, in denen eine rechtliche Vorbildung zumeist nur auf Grundlage des römischen Rechts vorhanden war, fehlte es dem weltlichen Notar in gleichem Maße an einer hinreichenden praktischen Erfahrung im Umgang mit dem lokalen, nicht weniger wichtigen Rechten.162 Es fehlte also entweder an abstrakt generellen Kenntnissen des Rechts oder am Wissen um die konkreten, territorialen Übungen und Besonderheiten; denn das Notariat wurde nie als Vollzeitbeschäftigung begriffen und betrieben. Gerade die umsichtige und sichere Anwendung eines territorialen, nordwestdeutschen Stadtrechts war indessen dem juristisch völlig ungebildeten bzw. ungelehrten »Notar« schon dem Grunde nach unmöglich.163 Die gelegentliche Tätigkeit des Laiennotars musste sich auf unsicheres Wissen um ein höchstens in Grundzügen bekanntes Gewohnheitsoder Stadtrecht und infolgedessen rar gesäte Betätigungsmöglichkeiten stützen. Zwangsläufig kam es aus diesem Grund zu wenigen Gelegenheiten der notariellen Betätigung, was immer wieder Erstellungsmängel provozierte und folgerichtig den Begriff des »Gelegenheitsnotars« in der Wissenschaft prägte.164 Dieses Gelegenheitsnotariat sollte die Hauptschuld am schlechten Ruf des deutschen Notars im 14. bis Anfang des 16. Jahrhunderts tragen. Die auffällige Unwissenheit und Unerfahrenheit der deutschen (nur gelegentlich tätigen Laiennotare) spiegelten sich in einem noch heute bekannten, völkischen Hohn des 14. Jahrhunderts wider : »Der Notarien Unverstand verdirbt zuletzt das ganze Land«.165 Dieser Hohn und Spott bezog sich auf den gesamten Notariatsstand
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Bestimmung des Kursächsischen Verordnung vom 19. Februar 1721; »Die mit der Committive des Kaisers Begnadeten (also die Hofpfalzgrafen) haben oft um schnödes Geld ganz unbestimmte Subjecte, darunter Handwerker und Fleischer, wie dergleichen Exempel bei hießiger Stadt (Dresden) vorhanden, zu Notarien gemacht, deren Instrumente mit lauter Nullitäten aufgefüllt gewesen und darüber fast aller natariorum instrumenta in judiciis allen Glauben verloren haben. Es soll in den Judiciis kein Notarius admittiert werden, der nicht ein Zeugnis der Juristenfakultät aufweist und bei der Regierung immatrikuliert ist«; vgl. hierzu ebenfalls: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 42 unter Fßn. 3, (Ergänzungen nicht im Original). Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 6. Städtische »Verfassungen« stellten an ihren Anwender hohe Anforderungen und verlangten eine konzentrierte und länger andauernde Auseinandersetzung mit der rechtlichen Materie. Gerade dies wird noch an späterer Stelle zu zeigen sein; [dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a) – c)]. Ebenso: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 40. Durch den prominenten italienischen Rechtslehrer Baldus de Ubaldis (1327 – 1400) geprägter Satz, der im deutschen Reich zum Sprichwort des völkischen Hohns avancierte; vgl. hierzu: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 42; ders. nennt in diesem Zusammenhang noch ein weiteren Ausspruch des Zeitgenossen Ludovicus Romanus (1409 –
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dieser und auch späterer Zeit; denn in gleicher Weise urteilte noch ca. 100 Jahre nach der ersten Etablierung des öffentlichen Notars in Nordwestdeutschland der Freiburger Rechtslehrer und Stadtgerichtsschreiber Ulrich Zasius (1461 – 1535) über die deutschen Notare seiner Zeit. Alle weltlichen Notare dieser Epoche dürfen dem Vorwurf der Unfähigkeit wohl aber nicht ausgesetzt werden.166 Gleichwohl überrascht die Ende des 15. Jahrhunderts von vielen Stellen geforderte Reform des Notarwesens nicht.167 Insbesondere unter dem Einfluss des 1495 gegründeten Reichskammergerichts beschloss der Deutsche Reichstag 1498 die grundlegende Reform des deutschen Notariats. Die gesetzgeberischen Anstrengungen, ebenfalls Teil der allgemeinen Reichsreform168, mündeten im Erlass der kaiserlichen Notariatsordnung von 1512 (KNO/RNO).169 Diese erste, reichsweite Notariatsordnung galt als kaiserliches und somit die Grenzen aller Territorialstaaten übergreifendes Reichsgesetz, mithin trat es auch im hannoverschen Fürstentum des 16. bis 19. Jahrhunderts in Kraft.
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1439): »Es kämen ihm (dem Romanus) die Notarien nicht anders für, als wie die Papageyen bey vornehmen Herren, welche etwas herschwatzen, und doch nicht wissen, was es ist: oder wie die ungelehrten Cantores, die aus langer Übung zwar ein Liedgen hersingen können, das Fundament aner der Singe-Kunst gar nicht verstehen.«; vgl. hierzu auch: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 42, (Ergänzung nicht im Original). Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 4 f.; Seidl, Die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313. Eingabe des Reichskammergerichts auf dem Reichstag von Freiburg 1498: § 35 NS II, S. 46: »Nachdem der offen Notarien ym heiligen Reich viel sein, und teglich aus Instrumenten, so in das Cammer-Gericht kommen, erfunden, daß die Leut in mancherley Beschwerde, Irrung, und Schaden durch ire Unwißenschaft, Unformlicheyt und Verseumnüß bisher geführt worden sein: so ist geratschlagt, daß gut und not sey, daß dagegen ein Reformation der Notarien fürgenommen, dadurch sollichs vorkommen werde. – Wollen Wir ein gemein Edict ym Reich ausgeen lassen, und daryn allen Churfürsten, Fürsten, auch allen anderen Oberkeyten gebieten, etlich zu verordnen, die auf ire Pflicht one alle Schenk, Miet, Vorteyl, Gab noch Gunst, alle Notarien in jrer Oberkeyt mit Fleiß examinieren, und die, so sy für taugenlich geschickt und gnugsam erkennen, zulassen, und den Jhenen, so untaugenlich und nit geschickt erfunden werden, sich hinfüro des Amts zu gebrauchen verbieten, […].«; vgl. hierzu auch: Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 5 unter Fßn. 4. Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 136 f. Der gesamte Text der kaiserlichen Notariatsordnung ist zu finden in der lateinischen und frühhochdeutscher Fassung; Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34; diese zu formulieren wurde eine Kommission zur Erarbeitung einer neuen Notariatsgesetzgebung für das gesamte Reich beauftragt. »Diese Kommission bestand aus Abrosius Dietrich, dem Pro-Notar Bernhard Kühhorn und dem kaiserlichen Sekretär Georg Masbach«, vgl. hierzu auch: Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 136.
60 II.
Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
Die Rechtslage und Betätigungsfelder des hannoverschen Notariats zur Zeit der kaiserlichen Notariatsordnung, ein Überblick
Auf Grundlage der räumlichen und rechtlichen Unterschiede Nordwestdeutschlands sowie der weit verbreiteten Mängel des gesamtdeutschen Notariats170 brachte das Notariatsrecht im späteren, hannoverschen Fürstentum eine bemerkenswerte Bandbreite hervor. Gleichwohl das 16. Jahrhundert mit dem kaiserlichen Notariat und den verschiedenen, territorialen Rechten der Fürstentümer des gesamten Reichs Interessantes birgt, soll der Schwerpunkt der Arbeit dem 19. Jahrhundert und dem hannoverschen Königreich vorbehalten bleiben, immerhin beschritt Hannover in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals als autonomes staatliches Gebilde eigene Wege in der Notariatsgesetzgebung. Die erwähnten verschiedenen partikularen Rechte des Mittelalters, insbesondere die Stadtrechte, wirkten in Zusammenspiel mit dem Reichsrecht der kaiserlichen Ordnung von 1512 dennoch bis in die Zeit der hannoverschen Notariatsordnung171 (HNO) fort.172 Aus diesem Grund sollen sie sowie das kaiserliche Notariat und sein Recht auch im Rahmen dieser Untersuchung nicht gänzlich unbehandelt bleiben. Eine Betrachtung aller bis 1853 im hannoverschen Reich bestehenden lokalen, im Speziellen städtischen Regelungen zum Notariat würde indes eine eigene Untersuchung rechtfertigen und erfolgt daher im oben angesprochenen weiteren Forschungsprojekt.173 Angesichts dessen und der zum Teil unüberschaubaren Anzahl an lokalen Rechten mittelalterliche Herkunft, Übungen und Gewohnheiten sowie deren von Ort zu Ort geltenden Unterarten soll hier lediglich auf einzelne, ausgewählte lokale Rechte eingegangen werden. Hinsichtlich dieser Bestimmungen und Normensammlungen ist darüber hinaus auf etwaige Regelungen des Schreibertums bzw. Notariats an gebotener Stelle jeweils exemplarisch einzugehen. Ein besonderes Augenmerk ist hierbei denjenigen Rechten zu widmen, die schon zum Zeitpunkt ihres Entstehens eine exponierte Stellung einnehmen und auch im späteren Gel170 Die territoriale Entwicklung des Landes »Hannover« war eine besonders wechselhafte und vielen Wandlungen unterworfen, insbesondere im Mittelalter bis in die frühe Zeuzeit; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter I – IV). 171 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung, Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 172 Die Hannoversche Königliche Notariatsordnung sollte als erste und einzige Gesetzgebung auf hannoverschem Boden die kaiserliche Ordnung des Jahres 1512 endgültig ablösen, da bis in das Jahr 1853 lediglich wiederholt versucht wurde die Mängel der Reichsgesetzgebung auf Landesebene abzumildern; (dazu näher im 1. Kapitel des Teils 2 unter V 1 – 2). 173 Einzelne kleinere Territorialrechte und enger umgrenzte Rechtskreise bedürfen einer genaueren Betrachtung, soweit hierüber belastbare Aussagen über das hannoversche Notariat getroffen werden sollen; (näher dazu hier: In der Einleitung, unter Fßn. 12).
Die Rechtslage und Betätigungsfelder des hannoverschen Notariats
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tungsbereich der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung von 1853 weiterhin Bestand hatten. Übersehen werden darf hierbei nicht, dass mit dem Begriff des kaiserlichen Notariats nur das lokalterritoriale, gemeinrechtliche Notariat »Hannovers« und kein »gesamtdeutsches, kaiserliches« Notariat gemeint ist. 1.
Die neu geschaffene Rechtslage von 1512
Um sich dem lokalrechtlichen Notariat Hannovers und seiner Rechtslage um 1512 nähern zu können, ist sich zuvor das kaiserliche Notariatsrecht insgesamt zu vergegenwärtigen. Dieses entfaltete reichsweite Geltung. Es bot für die territorialen Ausprägungen des Notariatsrechts in der Normenhierarchie den übergeordneten Rahmen. Zwar verfolgte man Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts eine vollständige Novellierung des rechtlichen Fundaments für das gesamtdeutsche Notariat, gleichwohl vermochte auch die kaiserliche Reichsnotariatsordnung (KNO/RNO) Maximilians I. von 1512 an den gegebenen Zuständen174 kaum etwas zu ändern. Im Interesse einer personellen Verbesserung des gesamten »Schreiberstandes« sowie einer Sicherung der Haltbarkeit seiner Instrumente sollte ein neues rechtliches Fundament geschaffen werden. Dennoch blieb bereits die Präambel zur kaiserlichen Gesetzgebung, welche diese Absichten ausdrücklich aussprach, lediglich eine Absichtserklärung ihres Verfassers.175 Mit der ersten reichsweit geltenden notariatsrechtlichen »Gesetzge174 Das mittelalterliche Notariat wie auch das der frühen Neuzeit sollte in vielerlei Hinsicht mit Mängeln behaftet sein, was insbesondere dem gemeinrechtlichen Gelegenheitsnotariat anzulasten ist. Dieses wurde allem voran meist in unreflektierter Weise durch lediglich wirtschaftlich orientierte Pfalzgrafen kreiert. Das Wissen dieser unreflektiert ernannten Notare um die notarielle Rechtspflege war dementsprechend mangelhaft; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 6). 175 Dies tritt aus der Präambel der kaiserlichen Reichsnotariatsordnung deutlich hervor, wenn dort zu lesen ist: »Aber weil wir nicht nur für die Rechtspflege und die Aufrechterhaltung des Friedens, sondern auch dafür, was täglich Reich und Untertanen berührt, das Amt der offenen Notare, wodurch die Meinung, der Wille und die Handhabungen der Menschen durch das Mittel der Schrift der sicheren und ewigen Erinnerung bewahrt und durch glaubwürdige öffentliche Urkunden befestigt werden, nützlich, dienlich und auch notwendig ist; und weil der öffentliche Notar oder solcher, die sich derartiges Amt anmaßen, im Heiligen Reiche viele gefunden werden, die (wie wir aus bekannter Erfahrung und deutlicher Klage vernehmen) nach dem Wesen ihres Standes und ihres Wissens ungeeignet sind, einige in vieler Weise unnütz, einige als Leibeigene verpflichtet, einige, die im Zusammenhange mit Notarenamte Falschheiten begangen haben oder mit anderen Missetaten befleckt oder öffentlich verschrien sind, etliche säumig, ungeübt und unverständig sind, so dass durch ihre Unwissenheit, Nachlässigkeit und Hinterlist ohne Zweifel unzählige Leute, vernachlässigt und beschwert haben; deshalb haben wir es für notwendig angesehen, solchen Gebrechen und Mängeln zu begegnen, Vorsorge zu treffen und daraufhin etliche Gelehrten, welche dieser Dinge geübt und erfahren sind, Befehle zu erteilen, die durch
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
bung«176 wurde weder das gemeinrechtliche Notariat römischrechtlicher sowie territorialrechtlicher Prägung abgelöst, noch dessen schwerwiegende Probleme für den Rechts- und Wirtschaftsverkehr behoben. Der deutsche Notar stand nach seiner Ernennung auch in Hannover in rechtlicher Hinsicht faktisch allein. Auch die KNO/RNO blieb ohne konkrete Aussage über die notariellen Tätigkeitsbereiche oder ein persönliches fachliches Anforderungsprofil. Die Vorschriften der kaiserlichen Ordnung können indes nicht isoliert betrachtet werden. Sie mussten stets im Kontext mit anderen reichsrechtlichen und/oder territorialrechtlichen Normen gesehen werden. Erst hierdurch erhielten sie eine Aussage mit regelndem Inhalt.177 Dies wird nicht zuletzt aus dem in der KNO/RNO formulierten Amtseid der Notare deutlich, welcher auch ausdrücklich auf örtliche Gewohnheiten Bezug nahm.178 Überdies stellte die kaiserliche Notariatsordnung, zu Beginn der Neuzeit trotz ihres modernen Anspruchs, keine tatsächliche Kodifikation nach heutigem Verständnis, sondern lediglich eine mittelalterliche Kompilation alter Gebräuche und Gewohnheiten dar.179 Sie blieb mithin viel Wünschenswertes und dem Grunde nach Mögliches zur Erreichung einer Verbesserung des deutschen Notariats schuldig. Einzig ein auf reichsrechtlicher Ebene formuliertes, strenges persönliches und sachlichfachliches Anforderungsprofil des jeweiligen Notariatskandidaten wäre eine Verbesserung zu leisten im Stande gewesen. Allerdings sollte die kaiserliche Gesetzgebung gerade dieses Anforderungsprofils sowie die Schaffung von Stellen zur Überprüfung der Kandidaten entbehren.180 Im Folgenden stellt sich
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unsere kaiserliche Macht gegenwärtige Ordnung erstellt haben, […]; Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34; Zur Frage der Qualifikation der KNO/RNO als Rahmengesetz und »ordnungsrechtlichen Gesetzgebung« im engeren Sinne vgl. weiterführend und differenzierend, neustens: Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65. Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65, 24. Neustens: Zerbes, Wirkung der Reichnotarordnung von 1512 im Deutschen Reich bis 1806, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 65 – 95, 68. Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1980, S. 132 – 157, 144. Mit Blick auf die Frage des Selbstverständnisses der Ordnung und ihres Schöpfers so auch: Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65, insb. 24, 32, 35; dieser gibt hierbei jedoch zu bedenken, dass die KNO/ RNO an der BNotO zu messen gepflegt wird, was nach Ansicht Schmoeckels der KNO/RNO weder gerecht wird, noch zu einer richtigen Bewertung der maximilianischen Gesetzgebung führt. Zwar enthielt die Ordnung verschiedene Prüfungsfragen an den Notariatskandidaten, jedoch vermochten auch diese es nicht, die Ernennungspraxis zu beeinflussen. Die Haupt-
Die Rechtslage und Betätigungsfelder des hannoverschen Notariats
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daher zwangsläufig die Frage, in wie weit die Ordnung Maximilian I., als erste Reichsgesetzgebung zugleich aber wenig monopolistische »Kodifikation«, überhaupt neue rechtliche Anforderungen für ihr Notariat schuf. Diese Frage sowie die nach den Gründen ihrer »Erfolglosigkeit« gilt es im Folgenden, nicht zuletzt auch im Hinblick auf das hannoversche Notariat, zu beantworten. a) Das kaiserliche »Anforderungsprofil« an den deutschen Notar Zugegebenermaßen legte auch die kaiserliche Notariatsordnung – im Reichsabschied als »Ordnung von Kayserlicher Majestät, zu Underrichtung der offenen Notarien, wie die ihre Aempter üben sollen«181 beschlossen – einige, wenige Anforderungen an den kaiserlichen Notar nieder. Die Reichsnotarordnung von 1512 erinnerte den Notar (nur) plakativ an seine Aufgaben und die damit verbundene generell-persönliche Verantwortung gegenüber der ausgeübten Tätigkeit als Notar sowie gegenüber seiner Mandantschaft. Ansonsten blieb sie, gemessen an modernen Gesetzen,182 bezeichnend unpräzise. Konkrete Regeln an die Ausübung des Amtes sowie gesetzlich positivierte Sanktionen etwa an (»Dienst«-) Verfehlungen knüpfte sie nicht. Dieser Umstand war der mit ihr gerade nicht verfolgten Monopolisierung des Rechts durch einen übergeordneten staatlichen Gesetzgeber geschuldet – verantwortlich war vielmehr ein »ausgeprägter Rechtsquellenpluralismus«.183 Erschwerend zu diesem »Mangel« an eigenen Regelungsinhalten kam hinzu, dass die kaiserliche Ordnung das bis zu ihrem in Kraft treten völlig aus dem Maß geratene Zahlenverhältnis an öffentlichen (offenen) Notariaten zum Bedarf an neuen Bestellungen völlig unberührt ließ.184 Gleiches gilt für das Hofpfalzgrafenamt und dessen Palatinat, auf das noch zu kommen sein wird.185
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schuld an der Misere des gesamtdeutschen Notariats trug allein das Hofpfalzgrafenamt, worauf noch zurückzukommen sein wird; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 2). Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34, im Weiteren (KNO/RNO). Insbesondere diesen Maßstab kritisierend, neustens: Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65, (36). Zu den Grundlagen der »modernen« Staatsentwicklung, welche in Deutschland auf territorialer Ebene ihren Anfang nimmt und gerade nicht ein zentrales, einheitliches Reichsgebilde nach französischem Model als Ursprung hatte, vgl. hierzu auch: Meder, Rechtsgeschichte, Eine Einführung, 3. Aufl., (2008), S. 218 – 220; S. 166 f. Die Ernennungspraxis der ebenfalls in hoher Zahl zugelassenen Hofpfalzgrafen, ist als hauptsächlicher Grund für den schlechten Ruf des gemeinrechtlichen Notariats anzuführen. Die RNO/KNO erkannte diesen Mangel nicht; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 – 3); Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 379.
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Eine eigentlich folgerichtige und nötige institutionsrechtliche Abgrenzung der öffentlichen Notariate sowie deren Tätigkeitsbereiche zum gegenüberliegenden und konkurrierenden Behördenschreiber wie auch des Ernennungsverfahrens blieb sie schuldig. Nicht aber die Ermangelung dessen sollte in der Praxis zum Verfehlen der selbst gesteckten Ziele der Ordnung führen. In erster Linie war es das mittelalterliche Selbstverständnis Kaiser Maximilians I. als bloßer Kompilator alter Gewohnheiten und örtlicher Übungen sowie ein mangelndes Selbstbewusstsein als Monopolist und Recht setzender Reichsgesetzgeber. Diese Faktoren sollten die Unzulänglichkeiten der Ordnung von 1512 verantworten.186 Die neue Reichsgesetzgebung wollte in erster Linie schon vorhandene Regeln und Bestimmungen resümieren und schlicht an deren Einhaltung appellieren.187 Als daher bemerkenswert unpräzise, gleichsam traditionelle »Kodifikation« verstand sie sich folgerichtig als »Rahmengesetz« für das gesamtdeutsche Notariat, ohne sich aber überall tatsächlich fassbarer Normbestände zur eigenen Konkretisierung sicher sein zu können.188 Dessen war sich Maximilian I. bewusst, erkannte hierin aber kein Problem für seine Ordnung. An dieser Bewertung als rahmenartiges »Gesetz« ändert auch der den Normen der Reichsnotarordnung, zur Überprüfung des Notariatskandidaten, vorangestellte Katalog an Prüfungsfragen (55 Fragen) nichts.189 Im Hinblick auf den mangelnden Erfolg der Ordnung muss daher klar zwischen der verfolgten Absicht 185 Näher dazu im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter 2. 186 Ablehnend dazu: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 66 – 71, 68; neustens indes: Zerbes, Wirkung der Reichnotarordnung von 1512 im Deutschen Reich bis 1806, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 65 – 95, 80 ff. 187 Diesen Misserfolg wird man jedoch in erster Linie auf die bloß erklärten Verbesserungsabsichten des kaiserlichen Gesetzgebers hinsichtlich des gesamten deutschen Notariats beziehen müssen, hierzu differenzierend und gegenteilig: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat, S. 66 – 71, 68; Vogel stellt hier allein auf die erklärte Intention des maximilianischen Gesetzgebers und dessen verfolgte Ziele ab, nicht jedoch auf die tatsächliche praktische Effektivität der Ordnung, diese Ziele auch zu erreichen; andere stellen auf den rein beschreibenden Charakter der Ordnung ab und wollen ihr sogar den ordnungsrechtlichen Charakter absprechen, vgl. hierzu insb.: Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65, 35 ff. 188 Insgesamt hierzu ablehnend: jedoch nur mit Blick auf Ziel- und tatsächliche Umsetzung der KNO/RNO zu sehen und daher zu verneinen, da allein mit Blick auf die Reichsebene verweilend: Zerbes, Wirkung der Reichnotarordnung von 1512 im Deutschen Reich bis 1806, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 65 – 95; Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65, 35 ff. 189 Auszugsweise wiedergegeben bei: Wendehorst, Notare und Notariat, in: Zeitenblicke Nr. 3, 2004; URL:http://www.zeitenblicke.de/2004/03/wendehorst/wendehorst.pdf, abgerufen am: 14. 07. 2011.
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des kaiserlichen Gesetzgebers, dessen eigener Wahrnehmung und der praktischen Umsetzung dieser Ziele in Form der KNO/RNO differenziert werden. Dies gilt im Speziellen für das hier im Fokus stehende Land »Hannover«. Wurden zwar die richtigen Absichten durch den Reichsherrn verfolgt und war man sich der groben Mängel im weltlich (Gelegenheits-) Notariat bewusst, begnügte man sich dennoch mit einer wenig reformatorischen Bezugnahme auf bestehendes, zum Teil antikes Gewohnheitsrecht. Insoweit war der kaiserliche Gesetzgeber zwar deutlich bescheidener, als die moderne Gesetzgebung, allerdings ebenso wenig erfolgreich das selbst erklärte Ziel zu erreichen. Der kompilatorische Charakter der Reichgesetzgebung erforderte – wie bereits angedeutet– stets die Konkretisierung durch andere, territoriale Normen.190 Hiermit sind die für die vorliegende Studie wichtigen, hannoverschen Rechtssätze des 16., 17. und 18. Jahrhunderts gemeint. Teilweise will man in der Forschung – auf Grund dieses Selbstverständnisses des Reichsgesetzgebers – der kaiserlichen Reichsnotarordnung daher den ordnungsrechtlichen Charakter, jedenfalls aber die rahmengesetzliche Qualität, gänzlich absprechen. Diese Forschungsansätze wollen der KNO/RNO von 1512 einzig einen beschreibenden Telos zuerkennen;191 was bzgl. des Ordnungscharakters – jedenfalls nach hier vertretener Ansicht – sowohl das immerhin ausdrücklich formulierte als auch das äußerst moderne Ziel der Ordnung über Gebühr vernachlässigt. Ebenso wird das kaiserliche Bewusstsein um das erheblich negative Wirken der Hofpfalzgrafen als leichtsinnige Kreierungsstellen auf »Landesebene« zu stark zurückgesetzt.192 Einen rein de190 Zerbes, Wirkung der Reichnotarordnung von 1512 im Deutschen Reich bis 1806, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 65 – 95, insb. 68, 80 ff.; Gsänger, Das Berufsrecht der Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937 und die Auswirkungen auf die Selbstständigkeit der notariellen Standesvertretung – unter besonderer Berücksichtigung der Notare im Rheinland (2010), S. 25. 191 Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65; gleichwohl diese Bewertung nur auf die Reichsebene beschränkend. 192 Schmoeckel stellt mit Nennung einiger auch heute noch bekannter und reputierliche Vertreter der ernennungsberechtigten Pfalzgrafen die Behauptung auf, diese seien insgesamt nicht von derartiger Nachlässigkeit gewesen, wie in vielen Veröffentlichungen behaupten. Er nennt hier etwa, um nur einige zu nennen: Zasius, Baldus, Carpzov, Happrecht oder etwa Conring, beschränkt sich hier jedoch auf die ohnehin ihrer Stellung in der Rechtswissenschaft verpflichteten »Berühmtheiten« der Rechtsgeschichte und lässt die Landes- und Provinzebene vollauf außer Acht; Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65, 41. In Hannover hingegen gelangten einzelne Pfalzgrafen und ihre augenfälligen Nachlässigkeiten zu trauriger Bekanntheit, wenn etwa die Universität Göttingen die notarielle Ernennungspraxis zum Anlass der öffentlichen Missfallensäußerungen nahm (causa Stielke), dieses Beispiel gibt auch Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 44 ff.; insb. S. 49, 51; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter III 2).
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skriptiven Charakter der KNO/RNO für die Reichsebene vertritt jüngst etwa Schmoeckel in dem zum Jubiläum der Ordnung erschienen Handbuch.193 Nicht zuletzt übersieht dieser Ansatz allerdings den ausdrücklichen Bezug auf konkretisierendes gemeines Recht innerhalb der kaiserlichen Ordnung, was den rahmenartigen Charakter der Ordnung fundiert und über die reine Beschreibung der notariellen Tätigkeit hinausgeht. Insbesondere Letzteres sowie die Zulassungsproblematik im Hinblick auf das Palatinat hätte ordnungsrechtlicher Regelung bedurft, was dem kaiserlichen Gesetzgeber bekannt und bewusst war. Dies zeigt allem voran die Präambel der KNO/RNO.194 So galt es diese Mängel mittels ordnungsrechtlicher Regularien zu beseitigen, was sich jedenfalls dann sagen lässt, betrachtet man das Land Hannover als eigenständiges Territorium im reichsweiten Geltungsbereich der KNO/RNO. Die KNO/RNO bleibt vom Standpunkt partikularrechtlicher Gesetzgebung aus betrachtet nach wie vor rahmenartige sowie intendierte ordnungsrechtliche »Gesetzgebung«. Auch wenn man sie nicht zwingend und in jeder Hinsicht an modernen Kodifikationen messen sollte – hier ist Schmoeckel im Grundsatz zuzustimmen195 – bleibt sie auf Grund ihres mittelalterlichen Herkommens schon deshalb Rahmengesetz, weil sie im Kontext landesherrlicher Partikulargesetzgebung nichts anderes zu sein im Stande war und dies auch nicht beabsichtigte. Dieser Umstand bekommt dahingehend besondere Relevanz, als dass ihre Regelungsziele und -absichten für die Reichsebene sehr modernen Gepräges waren. Ihr Schöpfer war somit in gewisser Weise durchdrungen von einem ebensolchen modernen Selbstverständnisses als echter (Ordnungs-) Gesetzgeber mit einer ausdrücklichen Regelungsintention. Allein vermochte er dieses Selbstverständnis – dem eigenen Zeitgeist verhaftet – nicht umzusetzen. Einzig auf diese subjektive Ebene und die mangelnde Identität Maximilians I. als echter »Gesetzgeber« sollte die Sicht auf die Entstehung der KNO/RNO aber nicht beschränkt bleiben; denn sie wollte schwerwiegende Mängel ordnen und beseitigen. Hierfür wirkt ihre Präambel nicht nur indiziell, muss die gesamte Ordnung doch im Licht ihres Vorwortes gesehen werden. Dem gegenüber zeigt sich die KNO/RNO gleichwohl als reine Kompilation von Normen. In das somit ebenfalls evident kompilatorische Selbstverständnis der Person Maximilians I. gewähren die Notariatsordnung mit ihrer gesamten Erscheinung sowie ihr Text noch heute tiefe Einblicke. 193 Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65. 194 Der Text der Präambel ist hier ebenfalls wiedergegeben; (dazu näher hier unter Fßn. 174). 195 Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65, 41.
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Mit 46 Paragraphen196 fasste sie sich äußerst kurz und erkennt nichtsdestotrotz hierin keinerlei Widerstreit mit ihren umfassenden Regelungsabsichten. In dieser Einstellung des Reichsgesetzgebers muss jedoch – auch aus heutiger Sicht – nicht zwangsläufig eine Schwäche erkannt werden, stellt man allein auf die gesetzgeberische Motivation ab.197 Diese Motivation ist aber, wie angedeutet, für die Betrachtung der Reichsnotarordnung von 1512 nur hinsichtlich ihrer Wirkung auf die notarielle Praxis – allenfalls für eine isolierte Auslegung von einzelnen Bestimmungen – nützlich. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass im notariellen Tagesgeschäft und auch im alltäglichen, notariellen Ernennungsgeschäft der damaligen Zeit die innere Einstellung des Gesetzgebers gleichwohl von nachgeordneter Bedeutung war. Die Bestimmungen der KNO/RNO waren stets im Kontext zu territorialen Regelungen zu sehen. Die maximilianische Ordnung stellt sich auch Anfang des 16. Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit mithin als noch immer einem – den Anforderungen im Notariatsrecht nicht gerecht werdenden – mittelalterlichen Rechtsverständnis verhaftet dar. Sowohl als Kompilator, als auch als Konservator bereits lange gebräuchlicher und lokal verschiedener Rechtsgrundsätze trat Maximilian I. auf. Er war jedoch nicht tatsächlich Recht setzender Gesetzgeber in modernem Sinne. Wie vorstehend betont, lassen dies auch die Normen der Ordnung erkennen. Die kaiserliche Ordnung regelt schwerpunktmäßig die konkrete Herstellung, sowie den tatsächlichen Inhalt der Notariatsinstrumente. In einigen besonderen Abschnitten nimmt sie sich auch speziellen, notariellen Betätigungsfeldern an. Hierzu zählt insbesondere die Errichtung des gemeinrechtlichen Testamentes oder die Zustellung kaiserlicher Dokumente. Generell-abstrakte Bestimmungen formuliert sie indes nur mit Bezugnahme auf andere territoriale Normenkataloge außerhalb ihres Bestimmungskanons. Dem Selbstverständnis als Kompilation und Konservierung alter Gewohnheiten verhaftet und ohne den eigenen Anspruch tatsächlich Regelndes zu schaffen wird der Notar mithin bereits in § 1 neben der Einhaltung des kaiserlichen Rechts ausdrücklich an die Berücksichtigung lokaler Gewohnheiten und Rechte gebunden. Hier heißt es mithin: § 1 KNO/RNO: »Demnach sollen die Notare trachten, diese heilsame Reform und Ordnung, die ihnen zur Ausübung und zur Praktik ihrer Notarämter gegeben wird, demütig anzunehmen, zu empfangen und zu beachten, sowie nach dem Inhalt dieser 196 Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34; Seidl, Die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in: DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313 f.; Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3 ff. 197 Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65, 35 f.
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und anderer Vorschriften, die unter ihrem Amtseid und unter ihre Amtspflicht fallen, oder auch nach gemeinem Recht oder lobenswerter Gewohnheiten und Gebrauch eines jeden Ortes überliefert und eingeführt sind, Ämter rechtlich, getreulich und rechtschaffen auszuüben, so wie sie verpflichtet sein werden, den Schaden und auch das Interesse anderen auf Grund ihres Versäumnis oder Versagens zu ersetzen, wenn sie sich Unserer schweren Ungnade, Strafe und Buße entziehen wollen.«198
Bereits an dieser frühen Stelle macht die maximilianische Ordnung deutlich, dass sie nicht Kodifikationsbemühungen verschrieben war, sondern die Notare lediglich an ihre »getreuliche« und »aufrichtige Verrichtung« erinnern wollte. Maximilian I. beabsichtigte weder Neues zu schaffen, noch das Notariat im Detail erschöpfend zu regeln. So wird auch im Folgenden ausdrücklich auf die örtlichen Gewohnheiten als Rechtsquelle bzw. Spezifikationen der eigenen, kaiserlichen Bestimmungen immer wieder abgestellt (so verfahren etwa auch: §§ 3, 4, 8, 10, 14 RNO/KNO).199 Diese Bezugnahme auf das lokale Recht geschah allerdings wiederholt ohne den Bestand dieses oft verschiedenartigen und vielschichtigen Rechts abschätzen zu können oder gar genau zu kennen. Während die kaiserliche Gesetzgebung auch im Folgenden diesem Grundverständnis verpflichtet blieb, sollte im weiteren Verlauf das Notariat und seine Instrumente zumindest an einigen Stellen eine etwas genauere Behandlung finden, als es bislang (bis 1512) der Fall war. Wie bemerkt, wäre jedoch einzig und allein die gesetzliche Erfassung eines kontrollierten und kontrollierbaren Ernennungsverfahrens für das nordwestdeutsche Notariat geeignet gewesen, die Missstände um die Qualität des Notariats zu verbessern. Gemäß dem ursprünglichen Auftrag des Reichstages von 1498 und der vorstehend dargestellten Kritik zur Zulassungs- sowie Qualifikationsfrage des hannoverschen und auch gesamtdeutschen Notariats erließ die kaiserliche Obrigkeit nur grundsätzliche Normen für eine Prüfung neuer Notare. Hierin hätte man brauchbare Ansätze zur Verbesserung erkennen können. Diese Bestimmungen waren indes ebenso weit gefasst und wenig aussagekräftig, wie die gesamte kaiserliche Ordnung. Dieses weitgreifende kompilatorische Verständnis fand Ausdruck im oben wiedergegebenen ausdrücklichen Verweis auf das gemeine Recht. Dem Prüfungskomplex wurde dementsprechend mit nur einer einzelnen Regelung ein sehr beschränktes, im Ergebnis vollauf unzureichendes Instrumentarium zugedacht. § 2 der kaiserlichen Ordnung verhielt sich zur Qualifikationsfrage des (gesamt-) deutschen Notariats folgendermaßen: 198 § 1 kaiserliche Notariatsordnung: Grundlagen der Amtstätigkeit der Notare, Haftung für Schäden. Verwendung hat hier die neuhochdeutsche Fassung des Textes gefunden; Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34. 199 Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34.
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§ 2 KNO/RNO: »Erstens ordnen wir daher an, dass unter den Personen, die bestellt oder von Neuem ernannt werde, ein Unterschied nach Stand und Eignung gemacht und beachtet werde, damit niemand, der hierzu von Rechts wegen nicht geeignet ist, approbiert oder bestellt wird, wie nämlich Ungläubige, Unfreie, Ehrlose, der gegenwärtigen Ordnung und anderen zur Ausübung des Amtes erforderlichen Wissens nicht kundig, fernen im geistlichen Bann oder unter kaiserlicher oder Reichsacht stehende, kurz alle, die unfähig sind, in Rechtsangelegenheiten Zeugen zu sein, weil sie anstatt der Zeugen gebraucht werden.«200
Verstärkt wurde diese mangelnde Regelungsdichte der reichsgesetzlichen Notariatsordnung überdies durch deren auffallende, unspezifische Formulierung. Die Ordnung betont im oben zitierten Paragrafen auch für heutige Begriffe201 lapidar, verschiedene Personengruppen, die per se – und ohnehin für jeden verständigen Betrachter offensichtlich – nicht zum vertrauensstiftenden Notarberuf taugten. Dieses Unvermögen gründete allem voran in der mangelnden praktischen Fähigkeit oder der fehlenden Reputation dieser »Mitglieder« der Gesellschaft. Nicht zuletzt stand der Beruf des freien Notars ebenso, wie der des angestellten (Behörden-) Schreibers für die Integrität des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs sowie für die publica fides seiner Instrumente. Eine genauere Differenzierung hinsichtlich der ungeeigneten Personengruppen nimmt das Gesetz an dieser Stelle dennoch nicht vor. Die KNO/RNO nennt hier plakativ »Ungläubige, Unfreie, Ehrlose, der gegenwärtigen Ordnung und anderen zur Ausübung des Amtes erforderlichen Wissens nicht kundig, ferner im geistlichen Bann oder unter kaiserlicher oder Reichsacht stehende, kurz alle die unfähig sind, in Rechtsangelegenheiten Zeuge zu sein, weil sie anstatt der Zeugen gebraucht werden«, als für den Notarberuf ungeeignet. Wollte man in dieser Beschreibung etwa eine negativ definierte Selektion geeigneter Kandidaten sehen, geht selbst dies gut gemeinte Verständnis fehl; denn: Die grundsätzlich für den Notariatsstand geeignete Personengruppe wäre immer noch derart unübersichtlich, dass nach wie vor eine genauere Definition zwingend gewesen wäre, um das erklärte Ziel der kaiserlichen Gesetzgebung202 zu erreichen. War immerhin die erste Gruppe der ungeeigneten Personen mit Ungläubigen, Unfreien und Ehrlosen für jedermann verständlich, nicht geeignet Notar zu sein, so blieb die Ordnung hinsichtlich des weit wichtigeren Kriteriums 200 § 2 kaiserliche Notariatsordnung: Voraussetzung der Bestellung zum Notar ; Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34. 201 Zu den Gründen für diese Genügsamkeit und zur Frage der Vergleichbarkeit der RNO/KNO mit modernen Kodifikationen differenzierend: Schmoeckel, in: Ders. (Hg.)/Schubert (Hg.), Die Reichsnotarordnung von 1512, in: Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 9 – 65. 202 Die RNO/KNO wollte immerhin das gesamtdeutsche Notariat von den bis dahin merklich aufgetretenen Mängeln befreien; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 a)].
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der hinreichenden Fachkunde ebenfalls deutlich zu unbestimmt. Auch die verlangte Qualifikation, Zeuge im Rechtsverkehr sein zu können, war als Voraussetzung zum Notar bestellt zu werden, keine ausreichende Differenzierung, um Missstände tatsächlich auszuräumen. Denn bei der Eignung zum Zeugen ist lediglich die Fähigkeit zur reinen Wahrnehmung, jedenfalls nicht ein fachliches bzw. juristisches Wissen erforderlich. Einen ganz ähnlichen Befund bietet das an sich nicht existente Disziplinarrecht der KNO/RNO. Lediglich im Nachgang an mangelhafte Arbeit waren rudimentäre repressive, nicht aber präventive Instrumente zur Qualitätssicherung des gesamtdeutschen und zugleich hannoverschen Notariats in ihr niedergelegt. Hinsichtlich der Frage nach Disziplinarstrafen und/oder Schadensersatzansprüchen beschränkte man sich mit einer grundsätzlichen Berufshaftung für Versäumnisse im Zuge der notariellen Betätigung sowie im Hinblick auf eine staatliche Kontrolle der Notare auf den bereits zuvor zitierten § 1 KNO/RNO. Genauere Bestimmungen zur Frage der Absicherung etwaiger Haftungsfälle lässt die Ordnung vermissen. Es muss erst in ihre zweite Hälfte vorgedrungen werden, um mit § 45 KNO/RNO eine Norm nachgereicht zu bekommen, die im Ansatz geeignet gewesen wäre die Leistungsfähigkeit des deutschen Notarstandes jener Zeit zu verbessern. Dies zu leisten, wäre sie jedoch nur im Stande gewesen, wäre sie konsequenter, inhaltlich schärfer und weniger abstrakt-generell formuliert gewesen. Zwar kann die Norm als zweckdienlich formulierte Bestimmung angesehen werden, allerdings war § 45 KNO/RNO inhaltlich zu wenig durchdacht und dem rahmengesetzlichen Selbstverständnis der kaiserlichen Bestimmungen zu sehr verpflichtet.203 Auch an dieser Stelle beschränkte man sich im haftungsbegründenden Tatbestand der Norm auf die Verwendung äußerst unbestimmter »Rechtsbegriffe« bzw. ungenauer Wendungen. Diese Merkmale hätten zwingend einer genaueren Ausformung durch den Gesetzgeber bzw. einer bestehenden sowie insgesamt einheitlichen Rechtsordnung bedurft. § 45 der KNO/ RNO formulierte folgendermaßen unklar : § 45 KNO/RNO: »Und insgesamt sollen alle Notare wissen beachten, dass sie selbst rechtskundig zumindest in den Angelegenheiten, welche das Notaramt betreffen, sein sollen, dass ist die Summe des Notariats und zwar dazu, dass sie das Wissen haben, die Parteien, die vor ihnen Verträge schließen oder handeln über die Solennität und Klauseln, die bei Verträgen und Handlungen dieser Art und zu deren Gültigkeit erforderlich sind, zu verständigen und sich von Verträgen und Handlungen, die nach
203 Hierzu eher ablehnend: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 68; jedoch im Ergebnis nur im Hinblick auf die mittels der kaiserlichen Ordnung verfolgten Intentionen, nicht bzgl. der tatsächlichen Effektivität der Reichsgesetzgebung in Bezug auf die Verbesserung des gesamtdeutschen Notariats.
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dem Rechte unerlaubt und verboten sind, fernzuhalten, weil sie sonst gehalten werden, den Parteien den durch Unwissenheit zugefügten Schaden zu ersetzen.«204
Der kaiserliche Gesetzgeber verlangte abermals lediglich allgemeine Rechtskunde als persönliche Eignung der praktizierenden Notare. Nähere Konkretisierung erfährt diese Anforderung weder im § 45 KNO/RNO, noch in den übrigen Bestimmungen des Gesetzes. Stellte man seitens des Reichsgesetzgebers somit zum einen auf das »für das Amt erforderliche Wissen, zum anderen auf eine bloße, allgemeine für die Angelegenheiten des Notaramts nötige Rechtskunde ab«, ist davon auszugehen, dass umfassende und spezielle Rechtskenntnisse nach kaiserlichem Verständnis für die notarielle Arbeit überhaupt nicht Voraussetzung waren. Vielmehr weist der Gesetzgeber lediglich darauf hin, dass die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten zumindest beherrscht werden sollten. Unbehandelt und undefiniert bleibt hierbei jedoch die Tätigkeit selbst. Es folgt vielmehr eine bloß beispielhafte Aufzählung von grundsätzlichen Pflichten des Notars. Wieder fällt auf, dass ist in diesem Zusammenhang der Bezug auf die rein tatsächliche Ebene der notariellen Arbeit im Vordergrund der ordnungsrechtlichen Bestimmungen steht. Ein fundiertes Wissen des Notars um die rechtlichen Hintergründe seiner Aufgaben war hiermit gerade nicht gemeint. Als weiteres Manko trat hinzu, dass der Reichsgesetzgeber nicht sicher abzusehen vermochte, worin die von Ort zu Ort verschiedenen tatsächlichen Betätigungen des öffentlichen Notars bestanden. Diese Verschiedenheiten gingen natürlich mit den mannigfaltigen Territorialrechten dieser Zeit untrennbar einher. § 45 KNO/RNO hatte somit alles andere als einen abschließend regelnden Charakter oder bestimmten Inhalt. Diesen Mangel an Bestimmtheit zu kompensieren, fehlte es zur Zeit Maximilian I. an einer einheitlichen und harmonisierten Rechtsordnung, um die genannten Pflichten des Notars etwa mit Hilfe von speziellen Nebengesetzen zu konkretisieren. Sowohl zu Beginn der kaiserlichen Ordnung als auch zu deren Ende hin wurde infolgedessen auch dem bereits angesprochenen Gelegenheitsnotariat die Möglichkeit der Tätigkeit immer wieder eröffnet. Geschah dies zwar nur mittelbar durch die nachlässigen Formulierungen der Normen bzw. aufgrund des »noch« zeitgemäßen, vielschichtigen Rechtsquellenverständnisses der KNO/RNO und ihres Schöpfers, so wurde ihr ausdrückliches Ziel der Verbesserung des (gesamt-) deutschen Notariats hierdurch dennoch weit verfehlt. Die im Jahr 1512 verfasste Ordnung trägt insofern das Bild des Notars als »bloßen« Ausbildungsberuf nach außen. Der Notar jener Zeit bedurfte nach Auffassung des kaiserlichen »Gesetzgebers« keines rechtlich fundierten Ver204 Text der obig benannten Bestimmung § 45 KNO/RNO; Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34.
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ständnisses seiner selbst und seiner Aufgabe um zum Notariat befähigt zu sein. Die grundsätzlich wünschenswerte rechtswissenschaftliche Qualifikation für die konkrete Tätigkeit hätte demnach ebenfalls durch einen, im besten Fall erfahrenen, Praktiker weitergegeben werden können, ohne dass der Kandidat die »ars notaria« oder die Rechtswissenschaften jemals studieren musste. Eine solche, im günstigsten Fall fundierte – rein praktische – Ausbildung hätte indes nur eine leistungsfähige Ständeorganisation zu gestalten und zu erreichen vermocht. Eine notarielles Kammerwesen oder etwas Vergleichbares fehlte jedoch, wie bereits erwähnt,205 im deutschen Notariat diese Epoche (noch) gänzlich. Gemessen am erklärten Ziel der KNO/RNO muss sie auf konzeptioneller Ebene als veraltet angesehen werden. Aufgrund dieses »veralteten«, kompilatorischen Selbstverständnisses des Reichsgesetzgebers verkannte dieser die Folgen seiner (Rahmen-) Gesetzgebung für das deutsche Notariat. Die eigentlich identifizierten Mängel im Notariat wurden zwar in der Präambel ausdrücklich genannt, ausgeräumt wurden sie aber nicht. Detaillierte und qualitätssichernde Anforderung an den deutschen Notar wurden durch die »Kodifikation« bis zu ihrem Ende nicht formuliert. Wurden also die für die Qualität des deutschen Notars tatsächlich entscheidenden Themen durch Maximilian I. leider völlig ausgeklammert, so ist eine wirkungsvolle Novellierung des deutschen Notarrechts in der Ordnung von 1512 nicht zu erkennen.206 Vor dem Hintergrund des rahmenartigen Charakters der KNO/RNO könnten allerdings zum einen diejenigen Normen des lokalen Rechts, auf die die kaiserliche Ordnung immer wieder deutlich Bezug nimmt, den Missständen wirkungsvoll entgegengetreten sein; zum anderen gilt dies möglicherweise nur für die in der KNO/RNO enthaltenen Bestimmungen für die Erstellung von Notariatsinstrumenten und einzelne Varianten dieser Urkunden. Auf die Wechselwirkung zwischen Reichs- und Landesrecht soll daher nunmehr der Blick gerichtet werden. b) Das Notariatsinstrument nach kaiserlichem Verständnis Dem soeben umschriebenen Selbstverständnis des Gesetzgebers geschuldet, lag auch den kaiserlichen Regelungen bzgl. des notariellen Instruments im Allgemeinen wenig reformatorische Ideenkraft zu Grunde. Die Bestimmungen der 205 Eine solche praktische Ausbildung sollte sogar noch für den Notar zurzeit der Hannoverschen Königlichen Ordnung des Jahres 1853 diskussionswürdig sein, im Ergebnis indessen nicht in die Ordnung aufgenommen werden (siehe zum Mangel der praktischen Ausbildung im mittelalterlichen Notariat: Im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 1 – 4, sowie zum Bedürfnis der praktischen Stage des Notariatskandidaten in der HNO näher im 1. Kapitel des Teils 2 unter II 4). 206 So etwa auch: Wolpers, Die Entwicklung des Rheinischen Notare, in: 150 Jahre Rheinisches Notariat, FS der Rheinischen Notare (1948), S. 22 – 26, 23; a. A. und differenzierend: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat (1969), S. 68.
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kaiserlichen Notariatsordnung zur Urkundenerrichtung bestanden zum großen Teil aus Anleihen des ohnehin landläufig angewandten, gemeinrömischen Rechts. Insoweit zeigen sich innerhalb der neuen Gesetzgebung bloße Absichten und Fähigkeiten zur Kompilation sowohl im Hinblick auf die personelle Auswahl als auch für den Akt der Urkundenerstellung. Die Notariatsurkunde des 16. Jahrhunderts nahm sich noch immer die aus dem römischen Recht stammende Tabellionsurkunde für ihre äußere Form und formalen Anforderungen zum Vorbild. Dies wird in § 3 der KNO/RNO ersichtlich. So sind beispielhaft, selbst für die frühe Neuzeit, verschiedene archaisch anmutende Kriterien, durch den Notar sklavisch zu erfüllen, um die Wirksamkeit der Urkunde zu erzielen. Abermals wird auch hier ausdrücklich auf das gemeine Recht sowie lokale Gewohnheiten zur näheren Bestimmungen des Regelungsgehalts der eigenen kaiserlichen Normen abgestellt. § 3 KNO/RNO verhält sich hierzu dementsprechend wie folgt: § 3 KNO/RNO: »Es ist durch gemeines Recht, Praxis und Gewohnheit eingeführt, dass bei Errichtung der öffentlichen Urkunden und in bezug auf ihre Förmlichkeiten diese Form eingehalten wird, und zwar, dass am Anfang, nach Anrufung des göttlichen Namens, von dem alles Gute kommt, das Jahr des Heils, römische Zinszahl (indictio genannt), Name und Regierungsjahr des Fürsten, sodann Monat, Tag, Stunde, Ort und nähere Ortsbeschreibung, dann der Inhalt der geschehenen Handlung, danach die Namen und Zunamen der einzelnen beigezogenen Zeugen deutlich bezeichnet werden und schließlich das Signet und Unterschrift des Notars, der immer hierzu gebeten und aufgefordert sein muss und diese Bitte oder Aufforderung auszuführen hat, folgen.207
Auch an dieser Stelle zeigt die Ordnung ihren rein kombinatorischen, mittelalterlichen Charakter. Innerhalb einer einzelnen Norm werden nunmehr Rechte verschiedener Epochen, Länder des europäischen Auslandes sowie deutscher territorialer Staaten bloß zusammengefasst oder als Referenz für das kaiserliche Recht gegeben. Erst durch diese für die Ordnung fremden Rechte gewann die KNO/RNO an Kontur. Neues schuf der kaiserliche Gesetzgeber, trotz seiner Absicht das gesamtdeutsche Notariat zu verbessern, auch bezüglich des Notariatsinstruments mithin nicht. Konnte schon das Anforderungsprofil an den kaiserlichen Notar eine Verbesserung des Standes nicht erreichen, vermochten es die allgemeine Regelung der Instrumentenerstellung ebenso wenig. Lag der Schwerpunkt der reichsgesetzlichen »Kodifikation« mithin weder auf den allgemeinen für alle Notare geltenden persönlichen Anforderungsprofilen, noch auf der detaillierten Regelung der Instrumentenerstellung, behandeln indes mehrere Paragrafen in einer frühen Form eines »Besonderen Teils« die Erstel207 Text der obig benannten Bestimmungen; Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34.
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lung spezieller Instrumente. Wie angedeutet, gilt dies etwa für das gemeinrechtliche Testament (Teil 2 der Ordnung). Auf dieses notarielle Instrument wird auch im Rahmen der Behandlung welfischer Stadtrechte zurückzukommen sein.208 Die letztwillige Verfügung wird, etwa neben der Erteilung einer Prozessvollmacht (erfasst in Teil 4 der Ordnung), durch den kaiserlichen Gesetzgeber in 11 Abschnitten eingehender behandelt.209 Gleichwohl tritt auch innerhalb dieser ausdifferenzierteren Unterabschnitte der Ordnung die im Notariat der frühen Neuzeit und des Mittelalters offenkundig weit verbreitete Unwissenheit der praktizierenden Schreiber deutlich zu Tage. So werden dem bereits praktizierenden Notar verschiedene Formalitäten der Erstellung dieser speziellen Instrumente schlicht verdeutlicht und eingeschärft.210 Freilich mangelt es somit ebenfalls in diesem »Besonderen Teil« an einem erkennbaren, gesetzgeberischen Selbstverständnis des deutschen Kaisers. Auch hier wird sich lediglich alter Gewohnheiten und Gebräuche bedient, indem diese schlicht rezipiert werden. Tatsächliche Konkretisierung erfuhr das kaiserliche Notariat erst durch die erwähnten stadtrechtlichen Bestimmungen. Insoweit war die kaiserliche Notariatsordnung von 1512 zwar die erste für das ganze Reichsgebiet geltende, staatliche Normierung des Notarrechts, zugleich aber nur unzureichende Ergänzung des bereits bestehenden gemeinen »Notariatsrechts«. Die Anwendung des lokalen Rechts war durch sie nicht nur erwünscht, sondern blieb sogar unerlässlich. Das kaiserliche Recht übte somit keinen Verdrängungseffekt auf diese Bestimmungen aus, es bot vielmehr einen reichsweit geltenden Rahmen. Das gemeinrechtliche, kaiserliche Notariat bestand infolgedessen Anfang des 16. Jahrhunderts immer noch zu größten Teilen aus gemeinrömischem Recht, partikularen Gewohnheiten bzw. Stadtrechten und der kaiserlichen Notariatsordnung als »staatliche« Legitimation für etwaige notariatsrechtliche Inhalte der lokalen Rechte. Wurde die reichsrechtliche Notariatsgesetzgebung durch anderes Recht erst praxistauglich, darf nicht aus dem Auge verloren werden, dass diese Rechte die Ordnung zugleich in ihrem Bestand gefährdeten und ihrem Ziel zuwiderliefen. Konnten diese »bestimmenden (Lokal-) Rechte« die RNO/KNO doch dem 208 Von einer genaueren Betrachtung der kaiserlichen Normen und der kaiserlichen testamentarischen Notariatsinstrumente im Detail wird an dieser Stelle abgesehen, da auf diesen nicht der Schwerpunkt der Untersuchung liegen soll. Es soll mithin der Hinweis genügen, dass die kaiserlichen Regelungen sich immerhin in einem gesonderten Teil mit dem Testament auseinandersetzten; vgl. hierzu: Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34. 209 Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 137. 210 Vgl. hierzu: Kaiserliche Notariatsordnung Maximilians I. 1512 bei: Grziwotz, Die kaiserliche Notariatsordnung von 1512, Spiegel der Entwicklung des Europäischen Notariats (1995), S. 3 – 34.
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Grunde nach völlig aushöhlen. Öffnete die kaiserliche Ordnung durch ihren unbestimmten Charakter also nicht nur Raum für individuelle Rechtsmeinungen ihrer Anwender, sondern auch für ergänzende, örtliche Gewohnheiten, mussten zwangsläufig neuerlich Uneinheitlichkeiten sowie Missstände auftreten. Sie war somit nicht Garant für Qualität, sondern wurde rasch zum Einfallstor für neue Übel bei der Erstellung der notariellen Instrumente und Ernennung neuer, weltlicher Schreiber. Sie verfehlte ihr Ziel daher deutlich. Die kaiserliche Reichsnotarordnung von 1512 galt dennoch in Hannover über 340 Jahre lang bis zum in Kraft treten der hannoverschen Notariatsordnung von 1853. Allerdings wurde den ordnungsrechtlichen Regelungen Maximilians I. durch partikulare Bestimmungen, auf die die KNO/RNO ausdrücklich Bezug nahm, häufig Grenzen gesetzt. Erste Beschränkungen folgten schon daraus, dass die Leistungen eines freien weltlichen Notars auch durch andere Stellen besorgt werden konnten. Einzelheiten hierzu, insbesondere hinsichtlich der spezielleren Notariatsinstrumente, wie etwa des gemeinrechtlichen Testaments regelten im Land »Hannover« insbesondere die sogenannten Stadtrechte. Die Bestimmungen Maximilians I. beschieden somit dem gemeinen und zugleich facettenreichen Recht nicht nur ein Fortbestehen bis in das 19. Jahrhundert. Vielmehr leisteten sie dem gemeinrechtlichen Gelegenheitsnotar und dessen mangelhafter Arbeit in Hannover unbeabsichtigt erheblichen Vorschub. Dies steht jedenfalls, lässt man den Blick auf den Bestimmungen der KNO/RNO ruhen, an dieser Stelle für das Erste zu vermuten.
2.
Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Ernennungsverfahren des gemeinrechtlichen Notars und das Hofpfalzgrafenamt als Grund für die Misere
Das effizienteste Mittel zur Verbesserung der Qualität des Notarstandes wäre – auch im Land »Hannover« – die gänzliche Novellierung des Ernennungsverfahrens bei gleichzeitiger Zugangskontrolle auf Grundlage der bereits bestehenden Zulassungszahlen gewesen. Am pfalzgräfischen Ernennungsverfahren, wie es sich in mittelalterlichen Zeiten bereits herausgebildet hatte, wurde indessen auch auf hannoverscher »Landesebene« bis in das 19. Jahrhundert im Grundsatz festgehalten.211 Im Gegensatz zu anderen, benachbarten Territorien, wie etwa Preußen, behielt Hannover das Notariat bis in das 19. Jahrhundert hinein als eigenständiges (Rechts-) Institut mit rein rechtspflegerischer Aus211 Auf die hannoverschen Verhältnisse für das 18. und 19. Jahrhundert, insbesondere die Instrumente, die im Land »Hannover« zur Kontrolle und Qualitätssicherung geschaffen wurden, wird noch im Folgenden einzugehen sein; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter III 2 sowie im 1. Kapitel des Teils 2 unter I – II).
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richtung im Dienste der Bevölkerung und Ernennung durch den »beliehenen« Pfalzgrafen bei.212 In den umliegenden Territorien war das Notariat bisweilen verbeamtet worden oder wurde dementsprechend behandelt, was an späterer Stelle noch interessieren wird.213 Auch die Ordnung Kaiser Maximilians I. hielt am oben bereits erwähnten Ernennungsverfahren mit einer Vielzahl von berechtigten Stellen wie Universitäten, Bürgermeistern, Gelehrtenkollegien oder dem Hofpfalzgrafen in persona fest. Ab 1512 blieb es dabei, dass das Recht zur Ernennung von Notaren auf weltlicher Ebene grundsätzlich allein dem Kaiser als Reservatrecht Zustand aber auf die erwähnten Stellen delegiert wurde. Die Hauptschuld am schlechten Ruf des neuzeitlichen bzw. mittelalterlichen Notars musste jedoch dem Pfalzgrafen in persona zugesprochen werden. Entscheidend für die Misere war die sogenannte Comitiva,214 welche verschiedene Befugnisse beinhaltete und den jeweiligen Pfalzgrafen sowie auch den oben genannten Institutionen durch den Kaiser verliehen worden war. Unter diese Befugnisse fiel auch das Recht zur Notarsernennung.215 Im kaiserlichen Bestellungsdekret hieß es unter anderem: Kaiserliches Bestellungsdekret veröffentlicht im Jahr 1625 durch Mathias Herttel: »Wir geben ihm (dem Hofpalzgrafen) vollkommene Gewalt, dass er an unser (an Kaisers statt) und in unserem Namen die Personen, so er dazu tauglich und geschickt achten würde (welches wir seinem Gewissen und Bescheidenheit hergestellt haben wollen) zu Notaren, öffentlichen Schreibern und Richtern creiren und machen solle und mag. […] Dann soll der Hofpfalzgraf von solchen Notaren gebührlich Gelübde und Eid nehmen.«216
212 Dazu näher im 1. Kapitel des Teils 2 unter IV 1 – 3; so aber auch bei: Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 11 ff. 213 Eine Verbeamtung des Notariats ist etwa für Westfalen und auch dem Grunde nach für Preußen der Fall gewesen. Das Beamtentum hatte in beiden Fällen indessen andere Gründe; (dazu näher im 1. Kapitel des Teils 2 unter IV 1 – 3). 214 Comitiva: »Ernennungsrecht des Hofpfalzgrafen (kleine oder große Comitiva), auf Lebenszeit verliehen, umfasste das Recht zur Notarsernennung aber auch, im Falle der großen Comitiva, das Recht Adelstitel zu verleihen oder zu bestätigen«; Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 181, (Ergänzung nicht im Original). 215 Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 144. 216 Vgl. hierzu auch: Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 143 f.; 144, (Ergänzung und Hervorhebung nicht im Original), dieser gibt hier einen Text Mathias Herttels wieder. Es handelt sich hierbei um ein zum täglichen Gebrauch gedachtes Lehrbuch mit einem Mischtext aus Latein und Deutsch: Herttel, Speculum Notariorum: Das Ist, Ein Newes Nützliches, Vollkomenes, Beydes Auff Die Theori Und Practic, So Wol Gemeine Käyserliche, Als Sächsische Und Andere Recht Dirigiretes Bequemes Notariat Buch (1625).
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Für die Übertragung des Rechts auf eine einzelne Person, Notare ernennen zu dürfen, ließ sich der Kaiser zumeist »fürstlich« entlohnen, während Universitäten und Gelehrtenkollegien das Recht oftmals zu ihrer Gründung erhielten.217 Diejenigen Pfalzgrafen, die für ihre Ernennung hatten zahlen müssen, erhoben folgerichtig ihrerseits für die Vereidigung eine Gebühr. Sie beabsichtigten somit zunächst ihre eigenen Unkosten zu decken,218 später auch eigene Gewinne zu erzielen. Unentgeltliche Kreierungen, wie sie teilweise durch den Pfalzgrafen Johann Rist vorgenommen worden sind, blieben zumeist eine vereinzelte Ausnahme.219 Durch die Masse von ernennenden Pfalzgrafen wurde somit ein echtes Ernennungsgeschäft mit internem, wirtschaftlichem Konkurrenzdruck geschaffen. Das Geschäft orientierte sich naturgemäß an Angebot und Nachfrage.220 Die Qualität der Ernennung durch Pfalzgrafen litt zwangsläufig, sollte sie für den kreierenden Grafen (noch) lukrativ bleiben.221 Ernannten somit die Pfalzgrafen oftmals Notare auf das Geratewohl, mangelte es überdies, wie bereits bemerkt, an einer übergeordneten, staatlichen Kontrolle der Zulassungszahlen. Die weltlichen, ernennungsberechtigten Stellen waren an keine Höchstzahl neuer Bestellungen gebunden; dies galt auch für den Ort ihrer Kreierungen. Selbst auf der Durchreise konnte infolgedessen vom Ernennungsrecht Gebrauch gemacht werden.222 Die einzige Beschränkung erfuhr die Ernennungspraxis allein durch die bereits dargestellte Norm des § 2 der kaiserlichen Ordnung (RNO/KNO), die aber aufgrund der bereits aufgezeigten Mängel ihrer selbst sowie der kaiserlichen Ordnung insgesamt eine echte Beschränkung zu leisten nicht im Stande war. Bloß 217 Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 181. 218 Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 189. 219 Dieses Beispiel führt auch an: Detlefsen, Johann Rist’s geschäftliches Treiben als gekrönter Poet und kaiserlicher Pfalz- und Hofgraf, in: Zeitschr. d. Gesell. für Schlesw.-Holstein, Bd. 21 (1891), S. 265 ff. 220 An einer Änderung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse hatten die Pfalzgrafen daher naturgemäß keine Interessen, so auch: Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/ Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 193; Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 43. 221 So auch: Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29 – 40; 3 f.; hierzu auch: Das oftmals in der Fachliteratur zitierte Beispiel ist die nachstehende Bestimmung; »Die mit der Committive des Kaisers Begnadeten (also die Hofpfalzgrafen) haben oft um schnödes Geld ganz unbestimmte Subjecte, darunter Handwerker und Fleischer, wie dergleichen Exempel bei hiesiger Stadt (Dresden) vorhanden, zu Notarien gemacht, deren Instrumente mit lauter Nullitäten aufgefüllt gewesen und darüber fast aller natariorum instrumenta in judiciis allen Glauben verloren haben. Es soll in den Judiciis kein Notarius admittiert werden, der nicht ein Zeugnis der Juristenfakultät aufweist und bei Der Regierung immatrikuliert ist«; Kursächsischen Verordnung vom 19. Februar 1721, (Ergänzung nicht im Original). 222 Mit Blick auf die geringen Anforderungen an die Prüfung der Kandidaten: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 44.
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ergänzender Charakter musste insoweit der grundsätzlich abzunehmenden Prüfung im Ernennungsverfahren zugesprochen werden. Eine solche hatte die ernennende Stelle zumindest theoretisch anhand der in der Ordnung formulierten Frageninhalte vorzunehmen.223 Auch weitere Formalvoraussetzungen des Ernennungsverfahrens blieb das kaiserliche Reichsrecht schuldig. Dies führte dazu, dass das Ernennungsverfahren zur gänzlich unsubstantiierten Formalie verkam.224 Hieran änderte auch der durch den Kandidaten grundsätzlich bei Ernennung auf Gott und Reichherrn abzulegende Schwur nichts, obgleich dieser hohe fachliche Anforderungen an den Notar indizierte.225 Detailliertere Aussagen hinsichtlich der Ernennungspraxis in hannoverschen bzw. welfischen Landen können in der vorliegenden Studie nicht gemacht werden, da ihr Schwerpunkt nicht auf dem reinkaiserlichen Notariat liegt. Demnach steht der Umgang mit dem kaiserlichen »Erbe« im 18. und speziell 19. Jahrhundert im Vordergrund.226 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde das Verfahren um die Ernennung des hannoverschen Notars durch das Oberappellationsgericht zu Celle sowie die Universität Göttingen beeinflusst, rechtlich ergänzt und geprägt. Auf beide ernennenden Stellen wird im Interesse einer chronologischen Darstellung an späterer Stelle zurückzukommen sein.227 223 Zum verantwortungsvolleren Prüfungsverfahren nach gemeinem Recht vgl.: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 45 f.; zu den Prüfungsfragen vgl.: Auszugsweise wiedergegeben bei: Wendehorst, Notare und Notariat, in: Zeitenblicke Nr. 3, (2004); URL:http://www.zeitenblicke.de/2004/03/wendehorst/wende horst.pdf, abgerufen am: 14. 07. 2011. 224 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 45, 46 f. 225 »[…] Dieser bestand zunächst aus dem einleitenden Schwur zu Gott, dem Kaiser und allen nachkommenden Kaisern und Königen treu und hold zu sein, ihm zu Nutz, Heil und Wohlfahrt zu wirken und Nachteil und Schaden zu verhindern.« Zur eigentlichen Notariatstätigkeit heißt es: » Ich will auch die offenen Instrumenta, letzte Willen, Codizill, Testamenta und alle gerichtlichen Händel, so mir wegen meines befohlenen Amtes zu schrieben oder zu machen und zu verrichten, verbracht, fideliter, aufrichtig, treulich, gerecht, ohne Falsch- oder Betrüglichkeit schreiben, lesen, verfertigen und diesfalls weder Haß, Geld, Geschenk, Gunst, Freund- oder Feindschaft noch andere Anreizungen derwider zu handeln, nicht ansehen noch mich bewegen lassen. Die Urkunde, die ich in öffentliche Form bringen soll, will ich treulich in ein Pergament oder Papier nach Gelegenheit der Sachen und nicht auf abgeschabte Karten schreiben und machen: […] Urteil und der Zeugen Aussage will ich, bis solche rechtlich eröffnete, verschwiegen und geheim behalten und alles andere, das zu diesem Mate von Recht oder Gewohnheit wegen gehört treulich fleißig und recht schreiben und verrichten.«; vgl. hierzu auch: Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1980, S. 132 – 157, 144 f. 226 Umfangreichere Untersuchungen das 16. Jahrhundert und frühere Epochen betreffend befinden sich ebenfalls bereits in ihren Anfängen; vgl. hierzu den Hinweis auf weitere Forschungsvorhaben am Lehrstuhl Herrn Prof. Dr. Stephan Meders, Lehrstuhl für Zivilrecht und Rechtsgeschichte: Hier unter Fßn. 12. 227 Das Oberappellationsgericht Celle sowie die Universität Göttingen sollten im 18. Jahrhundert durch ihre Prüfungstätigkeiten und das hierfür gewählte Instrument eines formalisierten Prüfungsverfahrens das hannoversche Notariat mit Blick auf seine Qualität
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Die bisherigen Äußerungen und der schlechte Ruf des gesamtdeutschen Notariats des Mittelalters und der frühen Neuzeit sollten nicht zu pauschalen Vorurteilen über den Notariatsstand der hannoverschen Notare des 16. und 17. Jahrhunderts führen. Die Reichsgesetzgebung konnte zwar keine überzeugende Lösung bieten, dennoch blieben im Land »Hannover« die zahlreichen, partikularen »Gesetzgebungen«: Die Stadtrechte etwa konnten den reichsgesetzlichen Normen konkretisierend zur Seite stehen und hinsichtlich der ausgeprägten Rahmenhaftigkeit der KNO/RNO kompensierend wirken. Gerade diese Rechte sollten dem nordwestdeutschen Notariat bis in das 17. Jahrhundert sowohl in gesellschaftlicher Position, fachlicher Qualifikation und allgemeinem Ansehen der einzelnen Notare einen erheblichen Vorsprung gegenüber dem gesamtdeutschen Kollegium verschaffen. Darüber hinaus wirkten diese territorialen Rechte zum Teil noch bis in das 19. Jahrhundert fort und prägten das Notariat unter der Hannoverschen Königlichen Ordnung maßgeblich. Aufgrund dessen geht in der vorliegenden Studie kein Weg daran vorbei, jedenfalls überblickartig das mittelalterliche Recht im Fürstentum und späteren Königreich zu beleuchten. Die lang andauernde Herrschaft des gemeinen Rechts in Deutschland und Hannover bis in das 19. Jahrhundert hinein wird aus der nachstehenden Kartenabbildung eindrucksvoll deutlich. Wie es zu dieser, auch für das hannoversche Notariat langfristigen Entwicklungen kam, soll im Folgenden Erläuterung finden: Als jeweilige Vertreter einer der größeren, mittelalterlichen Stadtrechtsfamilien im hannoverschen Fürstentum werden die Stadt Hannover, als spätere Residenz und ihre Umgebung mit Goslar als reichsfreie Stadt, sowie Hildesheim als Bischofssitz samt ihrer formal bis ins 19. Jahrhundert geltenden Rechte beleuchtet werden. Das Hauptgewicht soll der partikulargesetzlichen Ausgestaltung des gemeinrechtlichen Notariats Hannovers sowie seiner Instrumente gewidmet sein, sofern eine »gesetzliche« Regelung des Schreiberstandes innerhalb dieser Städte bestand. Der Stadt Hannover, als ab 1637 gewählter Hofsitz der Welfen, soll in diesem Zusammenhang und zeitlichen Rahmen dennoch ein besonderes Augenmerk zukommen.
3.
Kaiserliche Notare und ihre Tätigkeit unter »hannoverschen« Partikularrechten
Das Bild des hannoverschen Notariats unter reichsrechtlichem sowie kaiserlichem Ordnungsrecht kann anhand der gesetzlichen Bestimmungen Maximilians I. nicht genauer erschlossen bzw. bestimmt werden. Die Regelungen der kaiserlichen über das Niveau des gesamtdeutschen Notariats erheben; (dazu näher im 2. Kapitels dieses Teils 1 unter III 1 – 2).
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
Abb. II. (Bildnachweis): Das in Deutschland geltende Privatrecht vor dem BGB (bis 1899); vgl. hierzu: Klippel (Hg.), Deutsche Rechts-und Gerichtskarte (Ausgabe 1896, Nachdruck 1996).
Notariatsordnung bleiben für eine exaktere Schlussfolgerung oder genauere Tätigkeitsbeschreibung als »lex imperfecta« insgesamt zu unbestimmt. Nichtsdestoweniger galten die Normen der KNO/RNO in Hannover bis in das Jahr 1853. Sie waren somit für das hannoversche Notariat von reichsrechtlicher bzw. »bundesstaatlicher« Seite maßgeblich. Angesichts der nur allgemein verlangten Rechtskunde eines freien Notars sowie der ihm selbst überlassenen, eigenverantwortlichen Beschränkung seiner Tätigkeit auf »beherrschtes Wissen«, müssen daher andere Quellen herangezogen werden, um das Tun des kaiserlichen Notariats im Land Hannover näher zu beschreiben. Hierzu können glücklicherweise vielseitige Bestände des hannoverschen Stadtarchivs herangezogen werden. Insoweit ist an dieser Stelle auf das hannoversche Stadtrecht des Mittelalters genauer zurück zu kommen. Dieses bietet
Die Rechtslage und Betätigungsfelder des hannoverschen Notariats
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auch für das Notariat im Land »Hannover« interessante Inhalte und führt dazu, dass erhaltene Personalia des örtlichen Behördennotariats beleuchtet sowie vor rechtswissenschaftlichem Hintergrund ausgewertet werden können. Anhand dessen kann der Tätigkeitsbereich des kaiserlichen Notariats im Land Hannover näher bestimmt werden. Ein erhöhtes Interesse kommt hierbei der städtischen Verwaltung als notariell-behördliches Betätigungsfeld zu. a) Stadtrecht und Stadtrechtsfamilien Die Stadtrechte des Landes »Hannover« erwähnen den freien Notar an verschiedenen Stellen und gewähren Einblicke in dessen Tätigkeitsbereich. Ein ebensolches Stadtrecht besaß auch die Stadt Hannover mit dem sogenannten »Copialbuch« (Vetus Copiale),228 welches vermutlich der Rechtsfamilie Mindens angehörte229 und dessen Wurzeln bis weit in das Mittelalter zurückreichen. Es füllte hierbei den reichsrechtlichen Rahmen der maximilianischen Notariatsordnung auf territorialhannoverscher Ebene aus. Doch was genau ist unter einem solchen Stadtrecht zu verstehen? Handelt es sich hierbei lediglich um aufgezeichnete und althergebrachte Gewohnheiten der Stadtbürger, die auch ein Gelegenheitsnotar hätte anwenden können? Oder vermochte das Stadtrecht das zu leisten, wozu der kaiserliche Gesetzgeber gerade nicht im Stande war? War es unter Umständen der städtischen Rechtsetzung gelungen ein qualitativ hochwertiges Notariat in ihrem Geltungsbereich hervorzubringen? Den Stadtrechten ist in diesem Zusammenhang ein besonderer Stellenwert beizumessen, »denn sie waren im Mittelalter das Kriterium, das das Land mit seiner zumeist bäuerlichen Bevölkerung von der Stadt und ihrer Bürgerschaft unterschied«.230 aa) Quellen des partikularen Rechts Das mittelalterliche bzw. frühzeitliche Stadtrecht stellt kein rechtliches Gebilde im Sinne einer modernen abstrakt-generellen Gesetzgebung dar. Es verstand sich vielmehr als Konservierung lokaler, konkreter Rechtsentwicklung und Rechtswirklichkeit. Die Quellen, aus denen sich solche urbanen Rechte entwickelten, waren vielschichtig und reichten stets weit vor das Jahr 1512 und den 228 Hannoversches Stadtarchiv : Neue Abteilung Bücher, (Amtsbücher und Register) Bestand NAB 8234. 229 So etwa auch: Diestelkamp, Die Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, ersten Herzogs von Braunschweig-Lüneburg 1204 – 1254, in: Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. 59 (1961), S. 130; wobei dieser hier aufzeigt, dass das Recht seine ersten Ursprünge auch bei einem Erben Otto des Kindes, nämlich Herzog Johann, haben könnte. 230 So auch: Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 53; Dilcher, Bürgerrecht und Stadtverfassung im europäischen Mittelalter (1996), S. 75 ff.
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Erlass der kaiserlichen Ordnung zurück. Landrechte oder innerhalb größerer Kaufmannsgemeinschaften verbreitete Gewohnheitsrechte wurden innerhalb ihrer Geltungsräume oftmals in sogenannten Stadtrechten zusammengefasst.231 Ebendiese frühen Formen und rudimentären Strukturen des Rechts standen dem, in der Fachliteratur unter dem Begriff Gelegenheitsnotar erörterten freien, eher ungebildeten Notaren als einziges rechtliches Fundament ihrer Arbeit zur Verfügung. Die Arbeitsgrundlage des gesamtdeutschen kaiserlichen Notariats war infolgedessen zwangsläufig überall eine andere, was somit zu gravierender Uneinheitlichkeit und Mängeln, gerade im juristisch unversierten, nur zeitweise tätigen Notariat, führte. Entstand innerhalb einer Stadtsiedlung mit ihrem wachsenden Wirtschaftsleben und städtischem Selbstbewusstsein ein eigenes, echtes Gemeindeverständnis,232 so kam es nicht selten zur sogenannten Eidgenossenschaft der Bürger. In diesen organisierten sich sodann die lokalen Kaufleute sowie die Bürgerschaft nicht nur auf territorialer, sondern auch auf rechtlicher Ebene.233 Hierdurch formten sich nach und nach die für die spätere hannoversche Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts wichtigen und bereits systematisch komplexeren ständischen (Stadt-) Verfassungen, welche in Stadtrechtebüchern zusammengetragen wurden.234 Aus diesen frühen Gemeindeverfassungen entsprangen mit der Bürgerversammlung und dem Stadtrat die einflussreichsten Organe der städtischen Selbstorganisation235 und schließlich das städtische Recht selbst. Für das reine Gelegenheitsnotariat entfielen daher mit der Entwicklung der Stadtverfassungen, aufgrund wachsender rechtlicher Komplexität nach und nach das reine Gewohnheitsrecht und die lokalen, nicht schriftlich fixierten Gebräuche als Betätigungsgrundlage. Nicht zuletzt konnten sich bereits aus landesherrlichen Privilegien, welche der Stadt etwa anlässlich deren Gründung oder auch zum Abschluss der 231 Meder, Rechtsgeschichte, Eine Einführung, 3. Aufl., (2008), S. 218 – 220, 220; vgl. hierzu auch weiterführend m. w. N.: Hier S. 79 ff. 232 Hucker, in: Ders. (Hg.)/ E. Schubert (Hg.)/Weisbrod (Hg.), die Städte und ihre Bürger an den Hebeln der Macht, in: Niedersächsische Geschichte (1997), S. 128. 233 Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 555 ff. 234 Diese Stadtverfassungen entsprangen aus verschiedenen Quellen und sollten auch das hannoversche Notariat nicht unberührt lassen; (dazu näher im 1. Kapitel des 2. Teils unter II 3). 235 Seit dem 16. Jahrhundert stand auch der Stadt Hannover ein Rat an der Spitze Hannovers Verwaltung vor. Dieser setzte sich aus Vertretern der Kaufmannschaft, Vertretern der Meinheit und der Gilden zusammen. An der Spitze des Rates standen zwei Bürgermeister ; vgl. hierzu: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 25; Zur Funktion des Rates in Hannover insgesamt: Müller, Leben im alten Hannover (1986), S. 24 ff.
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»Stadtwerdung« verliehen wurden, eigene Stadtrechte entwickeln.236 Privilegierte Städte konnten beispielsweise das Recht der Münzprägung oder eine eigene Gerichtshoheit für sich beanspruchen.237 Waren diese Befugnisse ursprünglich nur den landesherrlichen Stadthaltern durch den König verliehen worden, wurden sie im Laufe des 11. Jahrhunderts auch den städtischen Institutionen zuteil. Zu diesen zählte allen voran der Rat der Stadt.238 Auch er proklamierte oftmals als faktischer »Herr der Stadt« eigene, städtische Gebote, deren Wirkungskreis jedoch weitgehend auf die territoriale Ausdehnung der Stadt begrenzt war.239 Während im Fall einer Privilegierung der Stadt zu ihrer Gründung oder auch zu deren Abschluss verschiedene Rechte durch den Landesherren, mithin von übergeordnete Stelle verliehen wurden, wirkten auch die Ratsgebote innerhalb der Stadtgrenzen hierarchisch von oben nach unten. Im Gegensatz hierzu gab sich die städtische Gemeinschaft mit dem sogenannten Willkürrecht bzw. in Hannover den sogenannten Stadtkündigungen240 als weitere Rechtsquelle selbstständig ihr (Stadt-) Recht (sog. Bottom-up-Effekt)241, wie es auch im städtischen Hannover des Mittelalters festgestellt werden kann.242 Das
236 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 119; Diestelkamp, Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, in: ZRG Germ., Bd. 81, (1964) S. 164 – 224, 173 f. 237 Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 608. 238 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 11 f. 239 Amira, v./Eckahrdt (Bearb.), in: Schmitt (Hg.)/Paul (Begr.), Germanisches Recht I, in: Grundriss der Germanischen Philologie, Bd. I, Rechtsdenkmäler, 4. Aufl., (1960), S. 132. 240 Stadtkündigung: »Verkündung von durch die Bürgerschaft bzw. durch den ihr vorangestellten Stadtrat gesetzten Rechtssätze, als Teil des Willkürrechtes. Die Stadtkündigung kann als stets erweitertes und aktualisiertes Städterecht im Rahmen des Willkürrechtes bezeichnet werden und wurde wohl nur in Hannover als Stadtkündigung bezeichnet«; vgl. hierzu: Kleinschmidt, die neue reformierte Stadtkündigung von 1603, in: hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) (1995), S. 75 – 114, 76; Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) (1999), S. 125 – 166; insgesamt zu den hannoverschen Stadtkündigungen in ihrer zeitlichen Abfolge; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 21 – 25, insb. 23, 24; 72 – 79, insb. 72 f. 241 Hierzu und zum sog. »Bottom-up-Effekt« aufschlussreich: Meder, ius non scriptum – Traditionen privater Rechtsetzung, 2. Aufl., (2009), S. 9. 242 Insgesamt zu den hannoverschen Stadtkündigungen in ihrer zeitlichen Abfolge: Kleinschmidt, die neue reformierte Stadtkündigung von 1603, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) (1995), S. 75 – 114, 76 f.; Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) (1999), S. 125 – 166; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 21 – 25, insb. 23, 24; 72 – 79, insb. 74 f.; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 14; Ebel, Die Willkür, Eine Studie zu den
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Willkürrecht der Bürgerschaft galt grundsätzlich nur innerhalb der Stadtmauern später auch innerhalb der territorialen Grenzen der Stadt. Der städtische Rechtskreis überschritt die engen Grenzen der Stadtmauer zumeist schnell, da eine verbindliche Rechtsordnung in vielerlei Hinsicht Vorteile für die Gemeinschaft und den ihr angehörenden Bürger bot. Und so galt das städtische Recht letztlich nicht nur für den innerhalb der Stadtmauern ansässigen Stadtbürger, sondern auch für die nähere Landbevölkerung. Durch Schwur oder Eid unterstellte sich der Bürger vom eigenen, freien Willen getragen unter die Herrschaft des Rechtssystems seiner Heimatstadt.243 Das Willkürrecht nahm im Laufe der Zeit jedoch immer mehr das es umgebende (Gewohnheits-) Recht auf.244 Die vollständig gewillkürte Rechtsordnung verlor somit immer mehr an Bedeutung.245 Sie wich einer Mischung aus Willkürrecht und gemeinem Gewohnheitsrecht der städtischen Umgebung. Diese städtischen Willküren konnten neben den übrigen Rechtssätzen der städtischen Verfassungen und als Ursprung des städtischen Gesamtrechts indessen zeitlich unbegrenzte Geltungsdauer für sich beanspruchen. Sie wurden somit ebenfalls lokales aber zugleich fixiertes (Gewohnheits-) Recht.246 Die Nachhaltigkeit des Willkürrechts zeigt sich somit auch an einem altdeutschen Rechtssprichwort zur Geltung von Willküren im Widerstreit mit den stadtrechtlichen Verfassungen und Rechtsgeboten des Stadtrates. In mittelalterlichen Zeiten hieß es: »Willkür bricht Stadtrecht«.247 Diese Aussage bezieht sich nicht zuletzt auf die unbe-
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Denkformen des ältesten Deutschen Rechts, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 6 (1953), S. 60. Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 14; Ebel, Die Willkür, Eine Studie zu den Denkformen des ältesten Deutschen Rechts, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 6 (1953), S. 60; vgl. hierzu auch: Meder, Rechtsgeschichte, Eine Einführung, 3. Aufl., (2008), S. 219. Ebel, Die Willkür, Eine Studie zu den Denkformen des ältesten Deutschen Rechts, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 6 (1953), S. 60. Ebel, Die Willkür, Eine Studie zu den Denkformen des ältesten Deutschen Rechts, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 6 (1953), S. 60. Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 600 – 682, 613; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 87 – 92, 87; »Streichungen und Marginalien in den einzelnen Fassungen lassen den Vorgang der legislativen Arbeit verfolgen. Die Artikel wurden modifiziert, die Strafgelder verändert oder sie wurden vom Stadtschreiber abgeschrieben.«; dies., Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 72. Rechtssprichwörter erläutert und gesammelt bei: Graf/Dietherr, Deutsche Rechtssprichwörter, in alphabetischer Reihung, »Widerstreit der Rechte«, 2. Aufl., (1869/Neudr.1983), S. 24, Nr. 256; in anderer Form, jedoch gleichbedeutend: »Stadtrecht bricht Landrecht«, vgl. hierzu auch: Hillebrand, Deutsche Rechtssprichwörter (1858), S. 11, Nr. 15; Simrock (Begr.)/Mieder (Hg.), Die deutschen Sprichwörter, ges. von Karl Simrok (1846/Neuausg. 1988), S. 497, Nr. 9803.
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grenzte Geltungsdauer des Willkürrechts neben weiteren städtischen Rechtsquellen. Trat zu den nicht positivierten gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen, den stadträtlichen Rechtsgeboten sowie dem Willkürrecht der Bürgerschaft eine landesherrliche Bestätigung der städtischen (Grund-) Privilegien, so konnte man ab diesem Zeitpunkt von einem vollauf eigenständigen und zumeist schriftlich niedergelegten Stadtrecht oder einer echten Stadtverfassungen sprechen. Durch diese Entwicklung und die hiermit einhergehende immer größere Komplexität der städtischen Rechtswirklichkeit wurde für den Umgang mit lokalem Stadtrecht und/oder vormals gebrauchtem bloßem Gewohnheitsrecht bald ein systematisch geschultes Rechtsverständnis erforderlich. Ein solches konnte der Gelegenheitsnotar natürlich nicht vorweisen, da er im Hauptberuf z. B. Handwerker war.248 bb) Der Stadtrat als oberste Institution der städtischen Verwaltung Als Organ mit besonderer Wichtigkeit für das städtische Rechtssystem und überdies als Arbeitgeber des kaiserlichen Behördennotariats stach der bereits angesprochene Stadtrat249 mit der ihm angeschlossenen Ratskanzlei250 als städtische Verwaltungsstelle heraus. Nicht selten manifestierten sich der Einfluss und die Macht des Rates als oberste Institution innerhalb der Stadt durch die Konzentration der gesamten, städtischen sowie gerichtlichen Hoheit auf ihn.251 In der Stadt Hannover hatte sich ein solcher Rat bereits weit vor dem 16. Jahrhundert bilden und seine Einflussnahme auf das städtische Rechtsleben kontinuierlich weiter vorantreiben können.252 Er stellte zugleich das städtische Gegenstück zum ländlichen/landesherrlichen Grafengericht. Letzteres wurde 248 Der Gelegenheitsnotar war regelmäßig nur im Weiteren Notar, stets stammte er hauptberuflich aus völlig anderen »niedrigeren« Berufsgruppen; (siehe dazu auch näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 1 – 2). 249 Hucker, in: Ders./E. Schubert/Weisbrod (Hg.), die Städte und ihre Bürger an den Hebeln der Macht, in: Niedersächsische Geschichte (1997), S. 123; Müller, Das Leben im alten Hannover. Kulturbilder einer deutschen Stadt (1986), S. 24 ff. 250 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 109; Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 553; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 27. 251 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 5; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 25 – 32, insb. 25, 27. 252 Der hannoversche Stadtrat hat in dieser Weise sogar die Gerichtsbarkeit bei sich konzentrieren können und stellte somit ein erhebliches Gegengewicht zum Landesfürsten dar ; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a) bb)]; Beseke, Das Vogteigericht der Altstadt Hannover : Von den Anfängen bis zur Vereinigung der Alt- und Neustadt am 1. Dez. 1824 (1964), S. 61 f.
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stets durch ein Schöffenkollegium der landesherrlichen Vogtei unterstützt.253 Der landesherrlichen Vogtei als »Stadthalter« des Landesherrn konnte sich der hannoversche Stadtrat gegenüber behaupten und die Funktion als oberster Walter der Gerichtsbarkeit im Stadtgebiet bei sich konzentrieren und wahrnehmen.254 Zwar musste sich das Recht der Gerichtsbarkeit zunächst vom Landesherrn langwierig erstritten werden; den hannoverschen Stadtherren sollte dies – wie soeben angedeutet – bereits um 1300 zu großen Teilen gelingen:255 Der Stadtrat erließ bereits ab diesem Zeitpunkt eigenständig Statuten und stadtrechtliche Gebote für den Geltungsbereich der Stadtsiedlung und das stadthannoversche Rechtsleben. Der Rat war ab ca. 1300 nicht mehr auf eine Mitwirkung des Vogtes angewiesen. Mit wachsendem Selbstbewusstsein und gedeihender Wirtschaft kam es sogar zur Verpfändung der vollständigen Gerichtshoheit an die Stadt durch den Landvogt.256 Insgesamt nahmen die norddeutschen Städte mit ihren mächtigen Räten und ihrer starken Position gegenüber dem jeweiligen Landesherrn eine exponierte Stellung innerhalb der deutschen Städtelandschaft und ihrer Rechtsentwicklung ein.257 Hannover stellt hierfür ein besonders hervorragendes Beispiel dar. Mit der Konservierung des lokalen Rechts und der Überführung von Gebräuchen und Gewohnheitsrecht in die Schriftform übernahm der Rat eine wichtige Rolle, indem er auch andernorts oft ab Mitte des 13. Jahrhunderts begann auch das lokale Recht aufzuzeichnen.258 Eine Uneigennützigkeit des Rates, im Interesse der städtischen Gemeinde oder des Rechtswesens, wird hier allerdings nicht das vorrangige Motiv gewesen sein. Vielmehr machten sich auch die Räte das Sprichwort zu eigen: »Wer schreibt, der bleibt/Was man schreibt, das bleibt.« Der Hintergrund dieser Verschriftlichung von städtischen Rechtsgrundsätzen ist darin zu erkennen, dass es sich auch mit den langwierig erstrittenen, weit reichenden Kompetenzen der Stadtväter gegenüber ihrem Landesherrn, dementsprechend verhielt. Sie konnten auf diese Weise nachhaltig 253 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 107 f. 254 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 34. 255 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 34. 256 Beseke, Das Vogteigericht der Altstadt Hannover : von den Anfängen bis zur Vereinigung der Alt- und Neustadt am 1. Dez. 1824 (1964), S. 61 f.; Kleinschmidt, Die neue reformierte Stadtkündigung von 1603, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) (1995), S. 75 – 114, 78; Ebel, Die Willkür, Eine Studie zu den Denkformen des ältesten Deutschen Rechts, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 6 (1953), S. 64 f. 257 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 109. 258 Zu den Rechtsentwicklungen der städtischen Rechte in Nordwestdeutschland ganz grundlegend und aufschlussreich: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 17.
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gesichert werden. Auf die genaue Motivation der hannoverschen Stadtväter wird auch im Zuge der Residenzname der Welfen im 17. Jahrhundert und deren Auswirkungen auf das stadthannoversche Rechtsleben zurückzukommen sein. Insgesamt entstanden durch die ratsherrliche Schriftkultur allem voran die ersten lokalen Rechtsbücher bereits im Mittelalter. Auf ebendiese Rechtsbücher verwies auch die Notariatsordnung Maximilians I. von 1512 innerhalb der eigenen Normen immer wieder259 : Diese Stadtrechtsbücher beinhalteten das gewillkürte Recht, das lokale Gewohnheitsrecht und zuweilen auch die Stadtprivilegien. Einer inneren Systematik nach heutigem Verständnis folgten sie hierbei noch nicht. Ebenfalls fehlte es noch an einer inhaltlich aufeinander abgestimmten Reihung der behandelten Themen. »Verfeinerungen im Recht und politische Umwälzungen«260 führten im Ergebnis dennoch oftmals zu einer gewissen Systematik,261 was auch im Hannover des 15. bis 17. Jahrhunderts beobachtet werden konnte. cc) Stadtrechtsfamilien Die hannoverschen Stadtväter sollten bei der Abfassung ihres Rechts jedoch weniger eigenständig sein, als es bei Betrachtung der ersten Teile des Copialbuchs den Anschein hat; denn: Kann eine eigenständige Rechtsentwicklung, wie die eben dargestellte, für eine Stadt nicht isoliert nachgewiesen werden, kommt der Begriff der Stadtrechtsfamilie ins Spiel. Schuf eine Stadt ihr Recht nicht vollauf eigenständig, so kam es nicht selten zu einer Adaption oder Bewidmung262 mit Rechten größerer oder älterer Städte in ihrer Nähe.263 Immer wieder konnten demnach Stadtneugründungen oder weniger straff organisierte kleinere Siedlungen die Vorzüge eines bereits bestehenden Rechtsbuches genießen. Ein und dasselbe Stadtrecht konnte in seiner näheren, aber auch weiteren Umgebung daher erhebliche Verbreitung finden. In diesen Rechtsgemeinschaften etablierte sich als letzte, aber nicht unwesentliche Quelle der städtischen (Rechts-) Bestimmungen, ein für das System der stadtrechtlichen Familien typisches Informationssystem. Zwischen den lokalen Gerichten und Räten verschiedener Städte herrschte ein reger Informationsaustausch. Durch einen bewegten Transfer von rechtlichen Anfragen der obersten Gerichten der einzelnen Stadtsiedlungen und deren Beantwortung durch andere Stellen der Stadtrechtsfamilie, etwa bei Unsicherheiten bezüglich 259 260 261 262
Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 a), b). Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 17. Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 17. Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 628. 263 Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 626 f.
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der Auslegung einzelner Normen, konnten die Rechtsgemeinschaften der stadtrechtlichen Familien über Jahrhunderte erhalten bleiben. Der zwischengerichtliche Austausch wurde in verschiedenen Gerichtsbüchern überliefert und fand überdies nicht selten als Willkürrecht ebenfalls Eingang in die größeren Stadtrechtsbücher.264 Folgerichtig differenzierte sich das städtische Rechtsleben immer weiter aus und gewann als teilweise »Einzelfall-Sammlung« fortwährend an Umfang. In die generelle Bedeutungslosigkeit herab sinken sollten die städtischen Rechtssammlung und die mit ihnen einhergehende gesetzgeberische Autonomie der Stadt erst im Laufe des 17. bzw. 18. Jahrhunderts. Hatten im Mittelalter die Territorialfürsten und Landesherrn ein nur mäßig ausgeprägtes Selbstverständnis als Gesetzgeber, so lösten ab 1600 deren Bestrebungen nach Rechtsvereinheitlichung im eigenen Herrschaftsgebiet und die zunehmende staatliche Zentralisierung einen Wandel aus.265 Für die Zeit des Mittelalters und der frühen Neuzeit bis in das 17. Jahrhundert gilt es jedoch festzuhalten, dass dem Grunde nach jede größere Stadtsiedlung im Nordwesten Deutschlands eine städtische Sammlung an Bestimmungen und Rechtssätzen ihr Eigen nannte, ob nun vollauf eigenständig konzipiert oder lediglich adaptiert. Die nachstehende Kartenabbildung soll dies verdeutlichen. b) Das hannoversche Stadtrecht und sein kaiserliches Notariat Wendet man sich nun der Frage der denkbaren Betätigungsmöglichkeiten eines hannoverschen Notars dieser Zeiten zu, darf nicht übersehen werden, dass dessen Tätigkeitsbereich und dessen Umfang bis in das 17. Jahrhundert hinein wesentlich durch städtische materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Vorschriften bestimmt wurde. Die kaiserliche Ordnung Maximilians I. war für ihn nicht in jeder Hinsicht das maßgebliche Werk. Aus eben diesem Grund und der partikularrechtlichen Verschiedenheit von Ort zu Ort waren die Betätigungsfelder der Notare nicht immer gleich, sondern in erster Linie von der territorialen oder städtischen Rechtsordnung abhängig und bestimmt.266 Entsprechend verhält es sich mit dem hannoverschen Stadtrecht und dem (lokal-) kaiserlichen Gesamtnotariat des 16. Jahrhunderts. aa) Das hannoversche Copialbuch und seine Rechtssätze Der Umfang und die Ausgestaltung der notariellen Betätigung waren besonders abhängig davon, ob die städtische Rechtsordnung in sich gefestigt war ; oder ob sie für die Rezeption römischen Rechts eine gewisse Empfänglichkeit bot. Das 264 Amira, v./Eckahrdt (Bearb.), in: Schmitt (Hg.)/Paul (Begr.), Germanisches Recht I, in: Grundriss der Germanischen Philologie, Bd. I, Rechtsdenkmäler, 4. Aufl., (1960), S. 134. 265 Hierzu weiterführend: Meder, ius non scriptum – Traditionen privater Rechtsetzung, 2. Aufl., (2009), S. 57 f. 266 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 a), b).
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Abb. III. (Bildnachweis): Stadtrechtsfamilien in Niedersachsen. Vgl. hierzu: Pischke, Stadtrechtsfiliationen in Niedersachsen, Stud. und Vorarb. zum Historischen Atlas Niedersachsens Nr. 28, (1984); auch zu finden bei: Kroeschell, recht unde unrecht der sassen (2006), S. 116.
hannoversche Stadtrecht267 und das hannoversche Verfassungsleben können hier zu den gefestigten gezählt werden.268 Das hannoversche Recht war gerade nicht Ergebnis einer vollauf eigenständigen Rechtsentwicklung einer einzelnen Stadt, sondern gehörte mit Minden als Mutterstadt zu einer der ältesten Stadtrechtfamilie Nordwestdeutschlands.269 Infolgedessen blieb das Stadtrecht Hannovers im Gegensatz zu vielen anderen urbanen Rechtssammlungen bis in das 17. Jahrhundert vom Einfluss und der Rezeption gemeinrömischen Rechts weitgehend unberührt. Erst mit der Residenznahme des Landesherrn in der 267 Vgl. hierzu insgesamt: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 138 – 147. 268 Vgl. hierzu: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 133 ff. 269 Weiterführend zur gesamten Mindener Stadtrechtsfamilie: Pischke, Die Entstehung niedersächsischer Städte (1984), S. 60 f.; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 125 – 133, 127 ff.
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Stadt Hannover – Mitte des 17. Jahrhunderts (1637) – wurde das hannoversche Recht bis 1696 vom gemeinen Recht nach und nach verdrängt.270 Die genauen Umstände dessen und ihre Auswirkung auf das hannoversche Notariat werden an späterer Stelle noch Beachtung finden.271 Bis ins 17. Jahrhundert konnte sich in Hannover aber eine differenzierte Tätigkeit der beim Stadtrat angesiedelten Ratskanzlei sowie ihrer angestellten Behördenschreiber/-notaren herausbilden. Der Behördennotar war neben dem Ratsgericht besonderes, zur Rechtspflege bestimmtes Instrument der Ratskanzlei. Er war somit zugleich ein integraler Teil der höchsten Institution städtischen Rechtslebens. Der Stadtschreiber verzeichnete als Mitglied der Ratsherrlichkeit rechtsgeschäftliche Willenserklärungen oder Verträge für und vor dem Stadtrat. Oftmals stellte dieser städtische Beamte auch die offizielle Begleitung von Ratspersonen zu wichtigen Ortsterminen.272 Für die Zwecke dieser Untersuchung ist insoweit der Tätigkeitsbereich dieses Schreibers in seiner Funktion als Ratsnotar interessant. In dieser Eigenschaft stand er dem öffentlichen Notar in Konkurrenz gegenüber. Diese bestehende Konkurrenz ermöglicht es eine Abgrenzung der notariellen Tätigkeitsbereiche in beide Richtungen vorzunehmen. Mit dem Behördenschreiber als starken Wettbewerber hatte das freie Notariat innerhalb städtischer Grenzen stets schwer zu kämpfen. Es geriet hierbei dauerhaft ins Hintertreffen. Die zur kaiserlichen Notariatsordnung gemachte Aussage, dass eine genaue Trennung von Behördenschreiberei und öffentlichen Notariat auf reichsrechtlicher Ebene ausblieb – jedoch für die Qualität des Notariats wünschenswert gewesen wäre273 – findet sich daher auch im städtischen Hannover bestätigt. Schwieg schon die kaiserliche Ordnung zur Abgrenzung von freier, notarieller und behördlicher Schreibertätigkeit, so taten es die städtischen Rechtssätze hierzu ebenfalls.274 Der öffentliche Notar teilte dasselbe Schicksal seiner andernorts tätigen Kollegen. Auch im städtischen Hannover sorgte das Verhältnis des freien Notars zu Behördenschreiberei für erhebliche Spannungen.275 Hierbei darf nicht unbeachtet 270 Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1999, S. 125. 271 Das Rezipieren des gemeinrömischen Rechts in Hannover durch die Residenznahme der Welfen in Hannover sollte das hannoversche Stadtrecht und seine günstigen Effekte auf das örtliche Notariat verdrängen; (dazu näher im 1. Kapitel des 2. Teils unter I 3). 272 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 31. 273 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 a), b). 274 Auch in der durch Grote zu Schauen publizierten Fassung zu finden: Ders., Das hannoversche Stadtrecht, in Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558. Gleichwohl standen Grote zu Schauen offensichtlich nicht alle Quellen des hannoverschen Stadtarchivs zur Veröffentlichung bereit; vgl. hierzu hier : Abb. IV, V. 275 Beide »Berufsgruppen« standen in einer ständigen Konkurrenz zueinander ; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a) – b) bb)].
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bleiben, dass die Abgrenzung der verschiedenen notariellen Tätigkeiten, im Gegensatz zur kaiserlichen Ordnung, sicher nicht das primäre Anliegen der territorialen (Stadt-) Rechte gewesen ist. Konsequenterweise findet der Notar bzw. der sogenannte Stadtschreiber daher nur an Stellen Erwähnung, an denen seine Tätigkeit unerlässlich zu benennen und zu beschreiben war. Genauere, darüber hinausgehende Beschreibungen seiner Aufgaben halten die Stadtrechtsbücher nicht bereit. Dies gilt besonders für eine abstrakt generelle Darstellung des notariellen Berufsbildes oder dessen Aufgaben. Schon mit Blick auf diese städtischen Rechtsgrundlagen wurde der freie Notar daher wenig konsultiert. Es überrascht daher auch nicht, dass die Mehrzahl der gut gebildeten und freien Notare des 16. Jahrhunderts nicht selten einen entsprechenden zweiten Beruf ausübten bzw. ausüben mussten, um wirtschaftlich überleben zu können. Sie wurden beispielsweise als Lehrer oder auch in kirchlichen Diensten, als Diakon oder Pfarrer beschäftigt.276 Für Hannover und sein gut gebildetes freies Notariat kann exemplarisch die Person des Pfarrers Ludeleff (Ludolf) von Barum, genannt werden.277 Dieser war im Jahr 1452 Pfarrer der Marktkirche St. Georg und »der erste Geistliche mit weltlicher Juristenausbildung in den Diensten eines hannoverschen Landesherrn. Darüber hinaus bekleidete er sogar das Amt des Chefs der landesfürstlichen Zentralbehörde und übte hier seine Beurkundungstätigkeit aus.«278 Abgesehen von wenigen Stellen, in denen das hannoversche Stadtrecht Notare ausdrücklich erwähnt und auch die Abgrenzung der Konkurrenz von freier und behördlicher Notariatstätigkeit schuldig blieb, vermochte es indessen einige der Kernprobleme der Notariatsordnung von 1512279 zu lösen. Zugleich konnte die Stadtverfassung Erstaunliches für die Qualität der öffentlichen Notarstätigkeit leisten. Wurde das hannoversche Stadtrechte erst Anfang des 17. Jahrhunderts bzw. in einer Zeitspanne von knapp 60 Jahren (1637 – 1697) vollauf verdrängt, gehen seine Wurzeln bis in die Zeit Otto des Kindes280 und zum Teil noch weiter 276 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 150. 277 Merkel, Der Kampf des Fremdrechts mit dem einheimischen Recht in Braunschweig-Lüneburg, Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens. Eine historische Skizze (1904), S. 29. 278 Weitere Namen nennt Merkel mit: Boldewin von Wenden, Johann Spadenbeck; vgl. hierzu: Merkel, Der Kampf des Fremdrechts mit dem einheimischen Recht in Braunschweig-Lüneburg, Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens. Eine historische Skizze (1904), S. 29. 279 Siehe zu diesen Problemen auch im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 a), b). 280 Diestelkamp, Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, in: ZRG Germ., Bd. 81, (1964) S. 164 – 224, insb. 173 – 194, 173 f.; ders., Die Städteprevilegien Herzog Ottos des Kindes, ersten Herzogs von Braunschweig-Lüneburg 1204 – 1254, in: Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. 59 (1961), S. 130; so auch: Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, 140, unter Anm. 21; Frensdorff, Die Stadtverfassungen Hannovers in
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zurück. »Otto verlieh der Stadt, welche schon zuvor das Recht der Stadt Minden angewandt hatte, im Jahre 1241 und 1244 verschiedene Privilegien.281 Eine Überlieferung dieser ältesten städtischen Rechtsquellen besteht heute nicht mehr.282 1357 sollten weitere Privilegien des Herzogs zu Braunschweig hinzutreten, die aber die Geltung des Rechts Mindens ausdrücklich bestätigten und im Weiteren unberührt ließen.«283 Hieraus lässt sich schließen, dass die älteste, tatsächlich überlieferte Rechtsquelle Hannovers eindeutig auf das Mindener Recht zurückgeht und Eingang im bereits erwähnten Copialbuch Hannovers fand.284 Das hannoversche Stadtrecht ist mit »Jus Mindense et aliarum civitatum« überschrieben und stammt wohl aus dem Jahre 1366.285 Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Bewidmung Hannovers mit dem fremden Recht auf die Grafen von Roden – Lauenrode – zurückzuführen.286 Diese unterstanden dem Bischof von Minden.287 Die städtische Rechtssammlung setzt sich aus insgesamt 16 in Latein abgefassten übergeordneten Rechtssätzen zusammen. Im Laufe der Zeit wurden diese mit niederdeutschen Überschriften versehen und vermischt. Insbesondere
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alter und neuer Zeit, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll). 1867, S. 97 – 142, 130; eine andere Ansicht hierzu vertritt indessen: Grotefend, Die Entwicklung der Stadt Hannover bis zum Jahre 1396, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen, 1859, S. 132 – 147, 136. Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 138. Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 138. »Im Jahre 1285 bezeugt der Rat der Stadt Minden, »quod cives de Honovere omne jus civitas ab antiquis temporibus usque in hodiernum a nostre civitat Mindensi requirere ac accipere consueverunt«. Diese Worte beweisen, dass das Minderner Recht schon geraume Zeit vor dem Jahre 1285 in Hannover gegollten haben muss.« Vgl. hierzu: Diestelkamp, Die Städteprevilegien Herzog Ottos des Kindes, ersten Herzogs von Braunschweig-Lüneburg 1204 – 1254, in: Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. 59 (1961), S. 129 f.; Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 112. Auch bei: Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558. Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 140. Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 141; Hucker, in: Ders.(Hg.)/ E. Schubert (Hg.)/Weisbrod (Hg.), die Städte und ihre Bürger an den Hebeln der Macht, in: Niedersächsische Geschichte (1997), S. 123 – 134, 126; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 23; Diestelkamp, Die Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, ersten Herzogs von Braunschweig-Lüneburg 1204 – 1254, in: Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. 59 (1961), S. 131; Thimme, Die geschichtliche Entwicklung der Stadt Hannover. Die königliche Haupt- und Residenzstadt Hannover, in: FS zur Einweihung des Rathauses im Jahre 1913, S. 1 – 48, 5. Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 141; Hucker, in: Ders. (Hg.)/E. Schubert/ (Hg.)/Weisbrod (Hg.), die Städte und ihre Bürger an den Hebeln der Macht, in: Niedersächsische Geschichte (1997), S. 123 – 134, 126.
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im letzteren Teilen tritt daher eine Vermengung von hannoverschem Recht und dem Recht der Mutterstadt hervor.288 Hierfür spielte der bereits erwähnte Austausch von Rechtsauskünften im Rahmen der Ratsgerichtsbarkeit eine erhebliche Rolle.289 Bei Unsicherheiten der Rechtsanwendung wandte man sich in Hannover gen Minden. Diese Hilfe nahm der Stadtrat mehrere Male in Anspruch. »In Hannover geschah dies derart gehäuft, dass die Vermutung nahe liegt, hannoversche Gerichte vertrauten mehr auf die Erfahrungen der Mutterstadt und gingen einer eigenen Erarbeitung von Lösungen aus dem Weg:«290 Minden wurde sogar zum sogenannten Oberhof Hannovers.291 Insgesamt verhinderte diese übermäßige Orientierung Hannovers in Richtung Minden wohl eine tatsächlich eigene Rechtsentwicklung der Stadt am »Leine«- Fluss.292 Dies sollte allerdings keine Nachteile für die Qualität der lokalen freien Notariate mit sich bringen. Auch innerhalb der Stadtrechtsfamilie Mindens fanden die protokollierten Konsultationen oft Eingang in das städtische Rechtsleben. Sie nehmen auch im hannoverschen Stadtrecht erheblichen Raum ein und finden sich an dessen Ende als Sammlung von Präzedenzfällen konzentriert wiedergegeben.293 Der Umfang der stadtrechtlichen Sammlung wuchs mithin sukzessive an. Im hannoverschen Copialbuch finden sich mithin ca. 90 Anfragen Hannovers in Richtung Minden. Diese behandeln immer wieder wechselnde Inhalte und folgen somit keiner inneren Systematik,294 was dafür spricht, dass sich die stadthannoversche Ratsgerichtsbarkeit nicht nur in speziellen Fragen, deren Lösung sie sich nicht zutraute, Minden konsultierte. Auch im Allgemeinen machte man vom Recht der Nachfrage Gebrauch und handelte daher weniger selbstständig. »In ebenso wenig systematischer Reihung, wie die Rechtsfragen Hannovers 288 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 141. 289 Innerhalb der Grenzen einzelner Stadtrechtsfamilien kam es immer wieder zur Anfrage kleinerer Städte in Richtung der Mutterstadt. Bestanden von Seiten der Tochterstadt Zweifel hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des eigenen Stadtrechts wandte man sich in Richtung der Mutterstadt; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a)]. 290 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 143 f. 291 Vgl. auch: Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 600 – 682, 617 f; insb. zur Oberhoftätigkeit von Mutterstädten für ihre gesamten Rechtsfamilien und die damit verbundene rechtliche Prägung kleinerer Städte durch die Gerichtstätigkeit der Mutterstädte weiterführend, vgl. auch: Bader/Dilcher, dt. Rechtsgeschichte, Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (1999), S. 617 f. 292 Weitzel, Über Oberhöfe, Recht und Rechtsetzung: eine Skizze (1981), S. 4 – 19. 293 Mindener Rechtsprüche – also Auskünfte und Adaptionen Mindener Rechtsprechung – für Hannover finden sich bei: Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, 246 ff.; insb. auch: S. 394 – 440. 294 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 143 f.; Weitzel, Über Oberhöfe, Recht und Rechtsetzung: eine Skizze (1981), S. 4 – 19.
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gen Minden, sind die ihnen vorgelagerten Abschnitte des Copialbuches mit ihren einzelnen Bestimmungen abgefasst. Neben erbrechtlichen Fragen finden sich etwa polizeirechtliche und auch schuldrechtliche Materien geregelt.«295 Dessen ungeachtet sind im ganzen Werk jedoch vier größere, systematische Teilabschnitte auszumachen.296 Diese Unterbücher, die sogenannten liber (liber I – IV), behandeln jeweils eigene Abschnitte, ohne diese systematisch zu gliedern. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine bloße chronologische Aneinanderreihung. Im ersten Buch (»De privilegis et copiis literarum omnium et de censibus civitatis«)297 findet sich hauptsächlich das Statutenrecht wiedergegeben sowie die ältesten landesherrlichen Privilegien. Der nachfolgende Teil (»Statuta nostre Civitatis«)298 beinhaltet weitere Statuten aus verschiedenen Jahrhunderten, worauf das aus dem 13. Jahrhundert stammende erste und älteste Stadtrecht im dritten Buch (»Jus Mindenis et aliarum civitatum«)299 folgt. Die stadtbürgerliche Verfassung, die in den Stadtrechtsbüchern ebenso oftmals niedergelegt worden war, findet sich in Hannover am Schluss (»von allen ammeten van tolne unde van vordrevenen Luden«)300 der Rechtssammlung. In diesem Teil bilden Bestimmungen hinsichtlich der Zünfte, Gilden und anderer Vereinigung des städtischen Lebens den Inhalt des hannoverschen Copialbuchs. Wie gesagt, finden sich in den städtischen Rechtssammlungen vereinzelt an verstreuten Stellen auch Regelungen zum Notariat. Dabei erwähnt das hanno295 Vgl. hierzu: insgesamt auch den Abdruck bei Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558. 296 So auch: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 141 ff. 297 Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 ff., hannöversches Stadtrecht liber I; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 142. 298 Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, S. 152 ff., hannöversches Stadtrecht liber II; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 142. 299 Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, S. 242 ff., hannöversches Stadtrecht liber III; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 142. 300 Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, S. 355 ff., hannöversches Stadtrecht liber IV; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 144.
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versche Recht etwa den als Notarius301 bezeichneten Schreiber sowie den niederdeutschen Schriver im Sinne des Notars und (Stadt-) Schreibers ausdrücklich. Der Letztgenannte findet sich jedoch in der 1837 durch Grote zu Schauen erarbeiteten Veröffentlichung des hannoverschen Stadtrechts nicht. Der behördliche Schreiber war als geschäfts- und rechtskundig, insbesondere für die Tätigkeit des Stadtrates in seiner Funktion als oberstes Gericht und Organ, im städtischen Leben wie auch für den Bürger unentbehrlich.302 Auf seine Dienste und Funktionen, sowohl für den Bürger, als auch den städtischen Verwaltungsapparat wird im lateinischen (dieser findet sich auch bei Grote zu Schauen) als auch im niederdeutschen Teil des Gesetzbuches (diese Stadtkündigung findet sich im hannoverschen Stadtarchiv) hingewiesen. Im lateinischen Teil des Copialbuches ist Folgendes zu lesen: Lateinischer Teil des Copialbuches, liber IV, part XXXVII: »Hanc literam miserunt domini. Consules./Mindesis Civitates dominis nostris./Consilibus./ Negocio petitionis vestre ad nos delato per notarium vestre cognito honori vestre duximus resciribendum.«303
Im niederdeutschen Teil, in einer der sogenannten städtischen Kündigungen304 des 14. Jahrhunderts findet sich ferner die nachstehend im Original abgedruckte Bestimmung. Sie nimmt ausdrücklich auf den Stadtschreiber oder den Notar – hier aber im Sinne des freien Notars – Bezug. Bemerkenswert ist hierbei, dass uns an dieser Stelle zugleich das Testament als besondere Ausprägung der notariellen Urkunde (wieder)305 begegnet. Wurde in der Darstellung der KNO/RNO darauf hingewiesen, dass dieses Instrument innerhalb der kaiserlichen Ordnung mit eigenen Regelungen bedacht wurde,306 findet es sich für Hannover auch durch städtische Normen gesondert geregelt.
301 Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, S. 384, hannöversches Stadtrecht liber IV, part, XXXVII. 302 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 136. 303 Vgl. hierzu: Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, S. 384, liber IV, part XXXVII (Hervorhebung nicht im Original). 304 Siehe näher zum Begriff der Stadtkündigung, einzig in Hannover geprägt und verwendet, und dem sog. Willkürrecht der Städte im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a) aa); eine solche Stadtkündigung findet sich im Original im hannoverschen Stadtarchiv unter der Sig.: Hannoversches Stadtarchiv : Urkundenbestand, Bestand AAA 583, f. 14 r. 305 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 a), b). 306 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1 b).
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Van Testamenten »We ein Testament nha Stadtrechte machen will / de mach dat selvest, einen geschworn Stadtschriver, / edder Notarien schriven lathen, […].307 »Ein jeder math by gesunden dagen sin Testamente sulvest by unnß thogesegelt bringen, Eder so he krank dorch Twei Radepersonen unde einen geschworn Stadtschriver holen lathen, desulven schullen up den kranken acht hebben, dat he vornunfftich siner sinne, nicht spracke loß edder tho testerende unduchtich, darnha dat Testament entpffangen, den Schriver upshriven lathen, alßo by unnß bringen. […]«308
Interessant hierbei ist, dass sich die oben dargestellten Originaldokumente – immerhin waren sie als Willkürrecht zeitlich unbegrenzt geltendes Stadtrecht des Mittelalters – in der Veröffentlichung Grote zu Schauen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht wieder finden. Grote zu Schauen nimmt in seiner Vorbemerkung zur Veröffentlichung auf die in den hannoverschen Stadtarchiven befindlichen Dokumente immerhin ausdrücklich Bezug. Darüber hinaus konstatiert er eine erstmals vollständige Veröffentlichung aller Dokumente vorzunehmen.309 Gefunden wurden die obigen Passagen bereits für die Geschichts-
307 Hannoversche sog. Stadtkündigung, handschriftlicher Teil des hannoverschen Stadtrechts des 14. Jahrhunderts (Willkürrecht), zum Begriff der Stadtkündigung siehe genauer und erkenntnisreich: Kleinschmidt, die neue reformierte Stadtkündigung von 1603, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1995, S. 75 – 114, 76 f.; Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1999, S. 125 – 166; Hannoversches Stadtarchiv : Alte Abtheilung Akten (AAA) Nr. 583 Stadtprotokollbuch, Bestand AAA 583 f. 14 v.; sowie zum Begriff des Willkürrechts näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a) aa). 308 Hannoversches Stadtarchiv : Alte Abtheilung Akten (AAA) Nr. 583 Stadtprotokollbuch, Bestand AAA 583 f. 14 v. Fragment einer Stadtkündigung. Dieses wurde im Findbuch allerdings fälschlicherweise als Stadtprotokoll bezeichnet; so insb. auch: PiepenbringThomas, Städtische Verwaltung im 16. Jahrhundert, dargestellt am Beispiel der hannoverschen Schreiberei während der Amtszeit des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1554 – 1567 (1999), S. 16 unter Fßn. 43. [(Original im Niederdeutschen), »Ein jeder Mann bei gesunden Tagen soll sein Testament bei uns (dem Stadtrat) zum Besiegeln bringen, oder so er krank ist zwei Ratspersonen und einen vereidigten Stadtschreiber holen lassen, dieselben sollen auf den Kranken acht geben, dass er vernünftig seiner Sinne, nicht zum Testieren undeutlich spreche und danach das Testament den Schreiber aufschreiben lasse, sodann es uns (dem Stadtrat) bringen lasse.«]; (freie Übersetzung ins Hochdeutsche, Ergänzungen sowie Hervorhebungen nicht im Original); zum Begriff der Stadtkündigung siehe näher : im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a) aa) sowie Kleinschmidt, die neue reformierte Stadtkündigung von 1603, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1995, S. 75 – 114, 76 f.; Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1999, S. 125 – 166. 309 Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, 117.
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Abb. IV. (Bildnachweis): Originaltextfragment aus einer der hannoverschen Stadtkündigungen/ dem hannoverschen Stadtrecht des 14. Jahrhunderts, Hannoversches Stadtarchiv : Alte Abteilung Akten (AAA) Nr. 583 Stadtprotokollbuch, Bestand AAA 583 f. 14 v.
wissenschaften im Jahr 1999 durch Carola Piepenbring-Thomas.310 Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach den Folgen des Fehlens der wieder310 Vgl. hierzu insgesamt: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Doku-
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Abb. V. (Bildnachweis): Originaltextfragment aus einer der hannoverschen Stadtkündigung/ dem hannoverschen Stadtrecht des 14. Jahrhunderts, Hannoversches Stadtarchiv : Alte Abteilung Akten (AAA) Nr. 583 Stadtprotokollbuch, Bestand AAA 583 f. 14 r. mentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 72 – 79; dies. Piepenbring-Thomas, Städtische Verwaltung im 16. Jahrhundert, dargestellt am Beispiel der hannoverschen Schreiberei während der Amtszeit des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1554 – 1567 (1999), S. 16.
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gegebenen Passagen im Text Grote zu Schauens für die hier vorgenommene rechtswissenschaftliche Untersuchung des Notariats in hannoverschen Gebieten. Die größere Authentizität, bzgl. der Aufgaben und Existenz des behördlichen Stadtschreibers in Hannover, muss eindeutig den vorstehend abgebildeten, handschriftlichen Originaltexten zugesprochen werden. Sie waren die ursprüngliche Form stadthannoverscher Rechtsetzung. Zugleich sind sie die belastbarere Primärquelle für die Formulierungen zur Testamentserrichtung und Konsultation des Notars bzw. des Stadtschreibers im hannoverschen Stadtgebiet dieser Tage. Zusätzlich konnten sie als nur in Hannover so bezeichnete (Stadt-) Kündigungen in Form des Willkürrechts nicht zuletzt zeitlich unbegrenzte Geltung für sich beanspruchen.311 Aber auch im Text Grote zu Schauens finden sich Passagen, die ausdrücklich auf den Notar Bezug nehmen und auch die Testamentserrichtung erwähnen. Die Passage Grote zu Schauens stellt hierfür allein auf die Zuhilfenahme von Ratspersonen ab, nicht genannt ist der (behördliche) Stadtschreiber oder (freie) Notar. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass der Stadtschreiber als Verwaltungsangestellter immer vorrangig in der Kanzlei des Rates tätig war und die tatsächlichen Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen hatte. Er und seine Tätigkeiten waren demnach untrennbar mit der Existenz des Stadtrates verbunden. Zu seinen Aufgaben gehörte ferner die Niederschrift jedweder Dokumente.312 Insoweit könnte der Stadtschreiber auch im Text Grote zu Schauens zumindest mittelbar ebenfalls als Ratsperson gemeint sein. Es handelt sich somit bei den genannten Abweichungen um unwesentliche Teile, die dem Wandel der Zeit und dem Fortschreiben der Stadtkündigungen oftmals zum Opfer fielen.313 Worin die Abweichungen zwischen dem Archivmaterial und der Veröffentlichung Grote zu Schauens genau gründen, kann in der Nachschau nur schwer gesagt werden. Zu vermuten ist allerdings, dass Grote zu Schauen bei seiner Kompilation des hannoverschen Stadtrechts die uns heute vorliegenden Ar311 Siehe hierzu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3) aa); vgl. hierzu auch insgesamt und zu den hannoverschen Stadtkündigungen in ihrer zeitlichen Abfolge: Kleinschmidt, die neue reformierte Stadtkündigung von 1603, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1995, S. 75 – 114, 76 f.; Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1999, S. 125 – 166; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 74 f. 312 Grote zu Schauen, Das hannöversche Stadtrecht aus der im Stadtarchiv Hannover aufbewahrten alten Handschrift zum ersten Mal vollständig zum Druck befördert und mit Anmerkungen versehen, in: Vaterländisches Archiv für Niedersachsen, 1844 (1846), S. 117 – 558, 386, hannöversches Stadtrecht liber IV, part, XXXVII. 313 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 25 – 32, insb. S. 30 – 32.
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chivtexte nicht in den Händen hielt: Denn diese sind nicht als dem Stadtrecht zuzurechnende (Stadt-) Kündigungen in den Archivregistern benannt; vielmehr sind sie fälschlicherweise unter dem generellen Begriff der Stadtprotokolle zu finden und dort falsch abgelegt worden.314 Wie gesagt, konnte dieses Willkürrecht indessen zeitlich unbegrenzt gelten.315 Hätte auch Grote zu Schauen die oben dargestellten Texte in den Händen gehalten, so wären sie auch in seiner Veröffentlichung zwangsläufig erschienen, da sie durch etwaige Neuerungen im Stadtrecht nicht überkommen waren. Die verschiedenen Formen des Willkürrechts galten parallel fort. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle mithin, dass den Primärquellen des Stadtarchives das Hauptaugenmerk für die Rolle des Notars und Stadtschreibers in der frühen Neuzeit geschenkt werden muss. Sie stellen als Quellcode des Stadtrechts dessen ursprüngliche Form dar. Die moderne Kompilation Grote zu Schauens hingegen kann dessen ungeachtet hinsichtlich der grundsätzlichen Struktur des Stadtrechts mit seinen vier verschiedenen Büchern und der großen Zweiteilung in lateinischen und niederdeutschen Teil für das systemische Verständnis des Copialbuchs ohne Vorbehalt herangezogen werden. Die Grobgliederung des Stadtrechts steht, ungesehen des jeweiligen Regelungsinhaltes der einzelnen Teile, fest. bb)
Der Tätigkeitsbereich des kaiserlichen Notars und Stadtschreibers unter hannoverscher (Stadt-) Rechtsordnung Für den Tätigkeitsbereich des kaiserlichen hannoverschen Notars in der Zeit von 1512 – 1637 (1696) lässt sich – vor dem Hintergrund der kaiserlichen Notariatsordnung sowie der städtischen Rechtssätze Hannovers – das folgende Bild zeichnen: Prägend für den Berufsalltag waren Beurkundungstätigkeiten verschiedenster Art. Neben der Beglaubigung von Vertragsverhandlungen zwischen Privaten, Dienstverträgen und Grundstückskäufen fiel vor allem die heute sogenannte freiwillige Gerichtsbarkeit in den notariellen Aufgabenbereich.316 Diese war von der streitigen Gerichtsbarkeit der Gerichte formal nicht vollauf getrennt, fiel dem Notar gleichwohl nicht in Gänze zu.317 Eine strikte Trennung 314 Dieses Versehen wurde dankenswerter Weise bereits durch Piepenbring-Thomas erkannt und aufgedeckt in: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S.16, unter Fßn. 43. 315 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 72. 316 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 136. 317 Vgl. hierzu insgesamt: Arnecke, Die Hildesheimer Stadtschreiber bis zu den Anfängen des Syndikats und Sekretariats, 1217 – 1243 (1913); Reinhardt, Die Lüneburger Stadtschreiber von den Anfängen bis zum Jahre 1378 (1992); Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 136.
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beider Bereiche vollzog sich erst im 19. Jahrhundert über die Schaffung gesetzlicher Regelungen.318 Besondere, vom Wirtschaftsleben der Stadt Hannover geprägte Urkunden, wie beispielsweise in Hamburg durch den Seehandel bedingt,319 finden sich am Fluss »Leine« allerdings nicht. Als besonderer Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann hier, wie anhand der obig wiedergegebenen Normen des Stadtrecht Hannovers zu sehen ist, auf die Errichtung von (Bürger-) Testamenten hingewiesen werden. Die Errichtung letztwilliger Verfügungen stellt indessen einen speziellen Bereich der notariellen Betätigung dar, der seit jeher genau geregelt war. Hier galten höhere formale Anforderungen, als es für andere Urkunden des privatrechtlichen Rechtsverkehrs der Fall war.320 Die Errichtung eines bürgerlichen Testaments war allerdings oftmals gerade wegen dessen aufwendiger Herstellung und den hinzuzuziehenden (Amts-) Personen nur dem wohlhabenden Stadtbürger vorbehalten. Allein für reichere Bevölkerungsgruppen, die sich die kostspielige Erstellung leisten konnten, machte die Regelung des Nachlasses überhaupt Sinn. Das Gros der mittelalterlichen und neuzeitlichen Bevölkerung hatte keinen nennenswerten, zu vererbenden Nachlass. Das sogenannte Bürgertestament als besondere Form der bürgerlichen Urkunde und des notariellen Instruments stand als Betätigungsmöglichkeit sowohl dem öffentlichen Notar als auch dem bei der Ratskanzlei tätigen behördlichen (Stadt-) Schreiber offen. Der öffentliche Notar wurde hierfür also nicht per se vorgezogen oder etwa ausgeschlossen. Dies zeigen auch die zuvor abgedruckten Normen des Copialbuchs deutlich, wenn zwischen einem Stadtschreiber und einem Notar die Wahlmöglichkeit bestand, hierzu an späterer Stelle mehr.321 Der öffentlich tätige Notar musste sich in Hannover aber nicht nur der Konkurrenz der Ratskanzlei und ihrer Schreiber gegenüber sehen. Vielmehr wurden die Möglichkeiten in der Stadt ein ausreichendes Einkommen allein freiberuflich zu erwirtschaften durch die Konkurrenz behördlicher Schreiber, die zugleich freier Notar waren, mehr als nur begrenzt. Wollte man als Notar überhaupt wirtschaftlich erfolgreich sein, so war es fast unvermeidlich, sich der Ratskanzlei als Teil der öffentlichen Hand anzudienen. Attraktiv wurde die Verwaltungstätigkeit unter anderem durch eine regelmäßige Entlohnung des 318 Hierzu näher im 1. Kapitel des Teils 2 unter II. 319 Schulze- v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, S. 22. 320 Moderne Editionen lassen sich finden bei: Reinhardt, Lüneburger Testamente des Mittelalters (1996), S. 1 – 475; insgesamt: Mack, Testamente der Stadt Braunschweig, Teil I – V, 1311 – 1432 (1988 – 1995); für Braunschweig und etwa Hannover finden sich weiter Arbeiten von: Piper, Testamente und Vergabungen von Todes wegen im braunschweigischem Stadtrecht des 13. bis 17. Jahrhundert (1960), S. 34 – 55; 94 – 102; 102 – 107; Frensdorff, Das Braunschweiger Stadtrecht bis zur Rezeption, in: ZRG Germ., Bd. 26, (1902), S. 195 ff. 321 Näher dazu im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b cc).
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behördlichen Urkundsbeamten. Dieses Grundeinkommen, bestehend aus einem Festgehalt, »aufgestockt mit Naturalien wie etwa Wein,«322 war nicht die einzige Einnahmequelle des Behördenschreibers. Der Stadtschreiber erhielt im Weiteren »Geld für Kleidung von seinem städtischen Arbeitgeber«.323 Diese frühe Form der öffentlichen Hand sorgte gut für ihre Angestellten. Dies lassen nicht zuletzt die Archivalien des hannoverschen Stadtarchives erkennen.324 Hinzu kamen nennenswerte anderweitige Einkünfte. Der Behördenschreiber konnte, was ihm ausdrücklich gestattet war, auch von Privatpersonen in Auftrag gegebene Urkunden und Kopien von solchen oder anderen Dokumenten erstellen und diese Tätigkeit gesondert abrechnen.325 Neben Urkunden kamen hierfür insbesondere auch wertbestimmende Gutachten für Grundstücke in Betracht.326 Auf ein durch die öffentliche Hand gezahltes Grundeinkommen konnte der ausschließlich öffentlich/frei tätige Notar hingegen nicht vertrauen. Ihm blieb zur Grundsicherung seiner Existenz allein das, was der zumeist umtriebige Behördenschreiber zulässigerweise bestenfalls als außerordentlichen Verdienst zum Grundgehalt erwirtschaftete. Die Attraktivität des Behördenschreibers, auch für den Bürger, als Auftraggeber wurde durch dessen öffentliche Anstellung weiterhin forciert. Bereits durch diese genoss er hohes Ansehen und Bekanntheit innerhalb der städtischen Bevölkerung. Ohne größere Mühen war es ihm somit möglich, ein breites Publikum für sich zu erschließen und weitere Mandantschaft auf eigene Rechnung zu akquirieren. Diese Zustände bescherten dem Hannover der frühen Neuzeit folgerichtig nur einen kleinen freiberuflichen Notariatsstand, gleichwohl allerdings eine rege Betriebsamkeit der Ratskanzlei dieser Zeit. Während die freie Notariatsgemeinde eine kleine war, war sie – so steht hier zu vermuten – von fachlich hoher Qualität. Aufgrund der inhaltlichen Kom322 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 28 f. 323 Urkundsbestand hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand B 7232, p. 310, 396; vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 25 – 32, 29. 324 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand Bestand B 7182, f. 27 v.; B 7172, f. 636 r.; vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 28 f. 325 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand Bestand B 8551, f. 263 v ; vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 27 – 32, 29. 326 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 29.
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plexität und des schwer überschaubaren Umfangs an Fallbeispielen des stadthannoverschen Rechts327 war eine hohe berufliche Qualifikation für die Stadtschreiber- und freie Notariatstätigkeit unabdingbar. Idealerweise war sie durch ein Studium der Rechtswissenschaften erworben worden.328 Systematische Rechtskenntnisse waren für den Notar innerhalb hannoverscher Gebiete unerlässlich. Gleiches war der Fall für ein fundiertes Wissen um das umfangreiche Copialbuch. Die hohen Anforderungen, die das Recht an seinen Anwender stellte, erschwerten also dem bereits angesprochenen, rechtlich kaum gebildeten (Gelegenheits-) Notar den Zugang in das urbane Notariat des 16. Jahrhunderts stark. An dieser Stelle übertreibt man kaum, wenn man davon ausgeht, dass der Zugang des Gelegenheitsnotars in das städtische Notariat sogar unmöglich wurde. Ein nur gelegentlich tätiger Notar vermochte es nicht, Kenntnisse um den breiten Bestimmungskatalog des hannoverschen Stadtrechts, der überdies ständig anwuchs, vorzuhalten. Ferner sah sich sogar der freie, rechtsgebildete Notar einem fachlich nicht weniger qualifizierten Behördenschreibertum gegenüber. Das Studium der Rechte wurde somit auch für den hannoverschen öffentlichen Notar, wollte er zumindest die Möglichkeit haben sein (Grund-) Auskommen zu erwirtschaften, obligatorisch.329 Eine rein praktische, bei einem erfahrenen Schreiber nach kaiserlichem Recht absolvierte Notariatsausbildung, ergänzte dieses Studium zumeist »lediglich«. Die Auffassung der kaiserlichen Notariatsordnung, das Notariat als bloßen Ausbildungsberuf zu begreifen,330 wurde durch die hohen rechtlichen Anforderungen, die die städtische Verfassung an ihren Anwender (wohl unbeabsichtigt) stellte, obsolet. Für Hannover und sein Umland wurde das Verständnis des Notariats nach maximilianischem Recht, welches dem Gelegenheitsnotariat grundsätzlich Tür und Tor geöffnet hatte, somit hinfällig. Die Frage um die fehlende formale Regelung eines Anforderungsprofils bzw. der Qualifikationsmerkmale eines freien Notars innerhalb der KNO/RNO wurde für Hannover mithin en passant gelöst. Es ergaben sich somit für die Qualität des hannoverschen Notariats positive Synergien. Wurden die städtischen Verfassungen immer komplexer, verlangten sie zugleich ein immer höheres Systemverständnis und (Fach-) Wissen von ihrem Anwender. Hierneben bestand ein starker Wettbewerb zum Behördennotariat. Faktisch
327 Wie bereits an früherer Stelle gezeigt, bestand das hannoversche Stadtrecht aus einer Vielzahl von Rechtssprüchen und überdies verschiedenen Stadtkündigungen sowie lateinischen Statuten, war es somit also von bemerkenswerter Komplexität, so war es zugleich im Detail von wenig systematischem Aufbau; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b) aa)]. 328 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 136. 329 So auch: Meder, Rechtsgeschichte, Eine Einführung, 3. Aufl., (2008), S. 218 – 220; 221. 330 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b) aa).
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nebenbei wurde somit die Gefahr für Hannover, ausgehend vom gesamtdeutschen Phänomen des Gelegenheitsnotariats, gebannt. Mithin konnte vor dem Hintergrund der hannoverschen Regelungen und städtischen Rechtslage nur der fähige und gut ausgebildete, freie Notar profitabel arbeiten. Strebten die wenigen Freiberufler in Hannover eine nachhaltige Konkurrenzfähigkeit zum Behördenschreiber an, so mussten auch sie zwangsläufig eine gute Qualifikation vorweisen können. Die in der Fachliteratur oft zu lesende und auch hier zunächst wiedergegebene, zeitgenössische Aussage, das gesamtdeutsche Notariat sei völlig untauglich gewesen,331 erscheint somit jedenfalls für das Hannover zur Zeit der partikularen Stadtrechte überhöht bzw. im Ergebnis widerlegt. cc)
Der hannoversche Behördennotar als Konkurrent des freien hannoverschen Notariats des 16. Jahrhunderts (um 1554 – 1567) Als musterhafter Vertreter dieser Zunft von gesellschaftlich hoch angesehenen sowie (juristisch) gut ausgebildeten Notaren332 und zugleich behördlichen Stadtschreibern soll für Hannover auf die Person Johannes Halßbandt333 an dieser Stelle eingegangen werden. Zu diesem ersten (im Sinne eines obersten), hannoverschen Stadtschreiber der Jahre 1554 – 1567 wurden bereits in den Geschichtswissenschaften fundierte Erkenntnisse gewonnen, die auch für diese Untersuchung, herangezogen werden können.334 Die zur Person Halßbandts bereits von Carola Piepenbring-Thomas kürzlich erschienene Veröffentlichung aus dem Jahr 2011 hält in einigen Teilen wertvolle Ergebnisse für das hier verfolgte Untersuchungsziel bereit335 ; Piepenbring-Thomas bearbeitet gleichwohl rein historische Themen, so dass die Thematik der notariell-juristischen Tätigkeit des Stadtschreibers bei ihr nicht in den Vordergrund gerückt wird. In331 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b aa) – bb). 332 Vgl. hierzu: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 34; insb. unter Fßn. 124 – »Ein Rückgriff auf Halßbandts juristisches Wissen im Alltag der Schreiberei lässt sich jedoch nicht nachweisen«. 333 Zur Person und Wirken Halßbandts als Person des öffentlichen Lebens und städtischer Rechtssetzung Hannovers weiterführend: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 33 f.; ausgehend von: Dies., Städtische Verwaltung im 16. Jahrhundert, dargestellt am Beispiel der hannoverschen Schreiberei während der Amtszeit des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1554 – 1567 (1999). 334 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 32 – 34; 47 – 83; 87 – 141. 335 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 32 – 34; 47 – 83; 87 – 141.
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sofern ergibt sich mit ihren Erkenntnissen für die vorliegende Arbeit die Möglichkeit, zum einen die persönliche Bildung, zum anderen den juristischen Tätigkeitsbereich des hannoverschen, Stadtverwaltungsschreibers näher zu betrachten und zum freien Notar dieser Zeit auch in rechtswissenschaftlicher Hinsicht abzugrenzen. Die von Piepenbring-Thomas gewonnen Erkenntnisse sollen hier mithin in einen neuen, notariatsrechtlichen Kontext gestellt werden. Das Erfordernis der umfassenden Rechtskenntnisse für die Tätigkeit als städtischer Notarius und Schreiber im Sinne des Behördenschreibers findet sich in der Biografie Halßbandts bestätigt: Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass Halßbandt – wie die meisten Stadtschreiber – nicht aus der Stadt stammte, in der er tätig war. Oftmals kamen Stadtschreiber von außerhalb in ihre/die Städte.336 Auch Halßbandt war Zugereister und stammte gebürtig aus Magdeburg, konnte dann allerdings in Hannover in den Jahren 1554 – 1567 die Position des obersten/ ersten Stadtschreibers bekleiden.337 Sein genaues Geburtsjahr kann, so auch Piepenbring-Thomas,338 heute nicht mehr ermittelt werden. Die schulische Bildung durchlief der spätere Stadtschreiber in Magdeburg und besuchte im Anschluss hieran die Universität zu Wittenberg, was aus den Matrikellisten der Universität eindeutig hervorgeht.339 Er studierte als »sogenannter Gratisstudent«, »wobei sein hauptsächliches Interesse nicht genau zu klären war. Zeitlebens hatte sich Halßbandt allem Anschein nach jedoch dem Studium der Rechte wie auch der Theologie verschrieben. In keinem der beiden Gebiete erwarb er indes einen Titel.«340 Dieser Mangel an einem vorzuweisenden Titel sollte seiner 336 Mittler, Geschichte der Stadt Baden (1966), S. 104; dieser stellt auch für Baden fest, dass die Stadtschreiber zumeist von außerhalb kamen; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 32. 337 »Er benennt sich selbst auf Deckblättern seiner Urkunden als Magdeburgenses«, so auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 32; Hannoversches Stadtarchiv ; Urkundsbestand, Bestand B 8107; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 32 f. 338 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 32. 339 Halßbandt, Magdeburg J. 236 a, 13, in: Personenregister, Album Academiae Vitebergensis (1905), Eintrag: Gratis insrcripti, S. 214; [Onlinefassung] URL: www. http://archive.org/ stream/albumacademiaev00biblgoog#page/n254/mode/2up; vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 32 – 34, 32, unter Fßn. 111. 340 Halßbandt, Magdeburg J. 236 a, 13, in: Personenregister, Album Academiae Vitebergensis (1905), Eintrag: Gratis insrcripti, S. 214; [Onlinefassung] URL: www. http://archive.org/ stream/albumacademiaev00biblgoog#page/n254/mode/2up; abgerufen am: 04. 04. 2012; vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentier-
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späteren Stellung in Hannover jedoch nicht abträglich sein. Diesbezüglich lässt sich in den Findbüchern des städtischen Archivs in Hannover ausmachen, dass er, »für den protestantischen Norden bemerkenswert, sowohl kaiserlich als auch durch den Papst zum Notar legitimiert war. Ferner ergibt sich, dass er ab 1554 in den Diensten der Ratskanzlei Hannovers tätig war.341 Bei wem Halßbandt die zu damaligen Zeiten obligatorische und von reichsrechtlicher Seite sogar präferierte342 »praktische Ausbildung zum Notar erhielt, kann nicht mehr nachvollzogen werden.«343 Halßbandt verkörpert für Hannover auf Grund seiner hohen Bildung Mitte des 16. Jahrhunderts vorbildlich das vorherrschende, behördliche Pendant zum rein freiberuflichen Notar. Er nahm neben seiner Stadtschreibertätigkeit als Angestellter der Ratskanzlei, notarielle Aufgaben in privatem Auftrag wahr. Hierdurch schmälerte er nicht nur den Aufgabenbereich des freiberuflichen Kollegiums, sondern erweiterte den eigenen Tätigkeitsbereich erheblich. Untersucht man also den Tätigkeitsbereich des obersten Stadtschreibers dieser Zeit, kann auch auf die allgemeinen Aufgaben des stadtbehördlichen und in Abgrenzung hierzu des öffentlichen Notarstandes sicher geschlossen werden. Allerdings ist bereits hier zu vermuten, dass sich eine Vielzahl der notariellen Aufgaben bei den Ratsschreibern konzentrierte, waren sie doch die höchste Verwaltungsstelle nach dem Stadtrat und berieten diesen sogar rechtlich.344 Gleichzeitig genossen sie als Teil der öffentlichen Verwaltung vermutlich auch besonderes Vertrauen und Ansehen in der städtischen Gesellschaft.345 Dies zeigt sich etwa daran, dass auch für den Fall Halßbandt »bei Erstellung von privaten Urkunden ein sonst übliches Signet«346 nicht verwendet wurde. Die nötige Au-
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te Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 32, unter Fßn. 111. Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 31; Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand AAA 2241, Nr. 135. Seitens des Reichsgesetzgebers wurde der Notarberuf sogar als reiner Ausbildungsberuf verstanden; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b aa)]. »Johannes Halßbandt […] war ausgebildeter Notar«, vgl. hierzu: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 31. Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 31. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass »der Stadtschreiber oftmals auch Sondergaben aus der Bevölkerung erhielt, die sein Grundgehalt ebenfalls aufstockten«, vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 28 f.; Hannoversches Stadtarchiv : Neue Abteilung Bücher, (Amtsbücher und Register) Bestand NAB 7172. Notarssignet: »Das amtliche Zeichen, dass der öffentliche Notar, egal, ob kirchlich oder kaiserlich, neben seiner Unterschrift unter das von ihm gefertigte Instrument setzt. Insbesondere in Deutschland der frühen Neuzeit war das Signet wesentliches Erkennungs-
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torität zur Schaffung von öffentlichem Glauben wurde bereits aus der Ratsanstellung geschöpft.347 Dies gilt jedenfalls für die Fälle, in denen sich auf die eigene Ratsanstellung berufen wurde. Gefolgert werden kann daher, dass die Ratsanstellung und die gefestigte Rechtstätigkeit des Rates selbst eine ausreichende Legitimation für die notarielle Arbeit, auch außerhalb der städtischen Verwaltung, für den behördlichen Stadtschreiber schuf. Der schriftbildliche Verweis mittels eines Notariatssiegels auf die – bei Halßbandt ohnehin ungewöhnliche – kaiserlich und zugleich päpstliche Legitimation, wurde hierdurch unnötig.348 Mit einer derart fachlich hoch qualifizierten und zugleich gesellschaftlich überaus angesehenen Persönlichkeit zu konkurrieren war für den freien Notar innerhalb städtischer Grenzen schwierig. Diese Überlegenheit gegenüber dem freien Notariat gilt für den gesamten »Stand« der behördlich angestellten Schreiber. Zu klären bleibt in diesem Zusammenhang, welchen Aufgaben sich der hannoversche Behördenschreiber im Detail widmete? Eine große Rolle für das originär notarielle Tun des Behördenschreibers spielte die freiwillige Gerichtsbarkeit des insbesondere städtischen Rechtslebens. Es fielen vorwiegend »die Errichtung von Dienstverträgen für andere Schreiber«349 ebenso unter den Aufgabenbereich des behördlichen Notars wie auch das »Verfassen von Dienst- und Geschäftsverträgen von etwa Ziegelmeistern, Kellerknechten und anderen Berufsgruppen innerhalb der städtischen Grenzen«.350 Auch sensiblere Themenbereiche des öffentlichen Lebens und der Verwaltung, die dem freien Notar kraft Natur der Sache verschlossen blieben, standen dem Behördenschreiber offen. Hierzu zählten »Streitigkeiten über Steuerlasten, die Entlassung aus der Haft, die Aufhebung einer Stadtverweisung oder auch das Ersuchen um den Erhalt der Bürgerschaft außerhalb städtischer Grenzen geborener Kinder«.351 Jene Aufgaben stellten zwar weniger alltägliche, aber nicht weniger wichtige Bereiche der behördlichen Notarstätigkeit dar. Zum Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehörte nach hannoverschem Stadt-
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zeichen des Notars, da hier keine Standeskontrolle oder staatliche Aufsicht über das Notariat und seine Tätigkeit bestand«; Schmidt-Thom¦, Notariatssignet, in: HRG Bd. III, 1. Aufl., (1984), Lfg. 21 (1982), Sp. 1050 – 1055. Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand AAA VII Z; vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 33. Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 33. W. Braun, Bürgertestamente des 16. Jahrhunderts – unter besonderer Berücksichtigung der Hannoverschen Testamente 1569 – 1595 (2000), S. 6. W. Braun, Bürgertestamente des 16. Jahrhunderts – unter besonderer Berücksichtigung der Hannoverschen Testamente 1569 – 1595 (2000), S. 6. Zu diesen Aufgaben des Stadtschreibers, insbesondere bzgl. der Strafrechtspflege durch das behördliche Stadtschreibertum in Hannover weiterführend und erkenntnisreich: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), insb. S. 47 – 83.
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recht ausdrücklich auch die Errichtung des sogenannten Bürgertestaments. Bezüglich dessen Erstellung ist das Amt des Stadtschreibers im hannoverschen Stadtrecht sogar namentlich erwähnt. Dies belegen die bereits zuvor abgedruckten Bestimmungen der (Stadt-) Kündigungen des hannoverschen Stadtrechts.352 Das Abfassen von letztwilligen Verfügungen fiel hiernach ebenfalls in den Aufgabenbereich des Behördenschreibers.353 Auch für die Beschäftigungsdauer Halßbandts lässt sich die Errichtung einzelner (Bürger-) Testamente durch Halßbandt selbst in den Archiven der Stadt Hannover nachweisen.354 Neben dem Behördennotar konnten Testamente auch vor dem Bürgermeister sowie dem Rat der Stadt (also den Ratsherren) direkt errichtet werden. Die Stellen neben dem Stadtschreiber und dem freien Notar wurden allerdings nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen. Die höhere Frequentierung der Notare, ob Behördenschreiber oder freier Notar, war dem Umstand geschuldet, dass der Kanzleischreiber für den städtischen Bürger leichter zu erreichen war, als die obersten Gremien der Stadtverwaltung. Grundsätzlich konnte aber auch der öffentliche Notar beauftragt werden.355 War also die Errichtung von Testamenten somit ein Teil der Aufgaben des öffentlichen als auch des Behördennotariats, bildet das Bürgertestaments zugleich ein gutes Beispiel, um zu zeigen, wie wenig bedeutsam das öffentliche Notariat in der städtischen Rechtswirklichkeit Hannovers des 16. Jahrhunderts war. Stand dem angestellten Notar neben den nur der Behörde zustehenden Tätigkeitsbereichen der Verwaltungsurkunde auch die freiwillige Gerichtsbarkeit als Betätigungsfeld offen, blieben seinem freiberuflichen Kollegen nur die Reste. Am Beispiel des Bürgertestaments wird dies auch in den Archiven der Stadt für die Zeit der Amtszeit Halßbandts sehr deutlich. Im hannoverschen
352 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundenbestand, Bestand B 8234; AAA 583, f. 14 v. Fragmente einer Stadtkündigung im Findbuch fälschlicherweise als Stadtprotokoll bezeichnet; zum Begriff der Stadtkündigung [siehe hierzu auch im 2. dieses Teils 1 unter II 3 a) aa)]; vgl. hierzu auch insgesamt und zu den hannoverschen Stadtkündigungen in ihrer zeitlichen Abfolge: Kleinschmidt, die neue reformierte Stadtkündigung von 1603, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1995, S. 75 – 114, 76 f.; Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: Hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1999, S. 125 – 166; vgl. hierzu: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 74 f., »im Findbuch fälschlicherweise als Stadtprotokoll bezeichnet«, dieses Versehen deckte dankenswerter Weise die Vorgenannte bereits 1999 auf. 353 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 199 f. 354 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand AAA VII Z, Nr. 171. 355 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand B 8263 – 8265, B 8234.
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Stadtarchiv sind »insgesamt 214 Testamente« zu finden.356 Diese stammen in der Regel aus der Zeit von 1550 – 1700. Dennoch finden sich in diesen 214 letztwilligen Verfügungen »nur acht Urkunden aus der Zeit von 1554 – 1567, von denen allerdings wiederum die Hälfte vom obersten Verwaltungsangestellten des Rates (Johannes Halßbandt) selbst erstellt worden sind. Von den übrigen vier Urkunden verbleibt nur eine einzelne bei einem freiberuflichen Notar von kaiserlicher Autorität.«357 Einige Stimmen der Geschichtswissenschaften gehen daher sogar so weit, das Recht der Testamentserstellung nur den Ratsherrn, dem Bürgermeister und dem Stadtschreiber zusprechen zu wollen.358 Den freien Notar beachten sie nicht weiter. Tatsächlich mag dies bei bloßer Betrachtung dieser testamentarischen Quellen so erscheinen. Dieser Eindruck entspricht allerdings nicht der städtischen Rechtslage des 16. Jahrhunderts, was durch die stadtrechtlichen Normen in Form der sogenannten (Ver-) Kündigungen des städtischen Rechts belegt werden kann. Denn die stadtrechtlichen Normen sprechen auch vom vereidigten Schreiber im Sinne des freien öffentlichen Notars.359 Darüber hinaus zeigt die überschaubare (Gesamt-) Zahl an letztwilligen Verfügungen für das 16. Jahrhundert, dass das Bürgertestament in der Tat ein nur selten gebrauchtes Institut war. Es kann daher für eine solch grobe Zuweisung des Erstellungsrechts nicht repräsentativ herangezogen werden. In stadtrechtlicher Hinsicht ist indes festzuhalten, dass es gleichwohl auch notariell erstellt werden konnten. Neben der Verwaltungstätigkeit des Behördenschreibers und dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit kam dem Verwaltungsschreiber als weitere Funktion die Einbeziehung als Prozessbeteiligter in das ratsgerichtliche Verfahren zu. Die Gerichtshoheit konnte schon früh durch den Stadtrat vereinnahmt werden. Der Stadtschreiber übernahm hier die Funktion einer am Verfahren beteiligten 356 Zimmermann, Die Testamente im Stadtarchiv Hannover, in: Archiv für Sippenforschung 1963, S. 160 – 162, 160; vereinzelte Testamente finden sich auch in den Protokollbüchern des hannoverschen Rates, Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand B 8263; B 8264; B 8265; B 8234; vgl. zu den Bürgertestamenten insgesamt auch: W. Braun, Bürgertestamente des 16. Jahrhunderts – unter besonderer Berücksichtigung der Hannoverschen Testamente 1569 – 1595 (2000). 357 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand Alte Abtheilung, Akten VII Z, Notar : Bernhard von Shende; vgl. hierzu auch: W. Braun, Bürgertestamente des 16. Jahrhunderts – unter besonderer Berücksichtigung der Hannoverschen Testamente 1569 – 1595 (2000), S. 6 ff.; dies. nennt diesen Notar (Ergänzung nicht im Original). 358 W. Braun, Bürgertestamente des 16. Jahrhunderts – unter besonderer Berücksichtigung der Hannoverschen Testamente 1569 – 1595 (2000), S. 6. 359 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand AAA 583; B 8234 (Original in Niederdeutsch): »Wer ein Testament nach Stadtrecht machen will, der macht das mittels eines vereidigten Stadtschreibers oder lasse Notarien (öffentliche Notarien) dies schreiben […]«, (freie Übersetzung ins Hochdeutsche, Ergänzung nicht im Original); [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b) aa) – bb)].
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Gerichtsperson.360 Auch in diesem Bereich genoss der »Notar« in behördlichen Diensten zwangsläufig gegenüber dem öffentlichen Notar ein Vorrecht und konnte etwaige, entstehende weitere privatrechtliche Aufgaben ebenso gesondert abrechnen. Dies war nicht nur im städtischen Hannover dieser Zeit der Fall.361 Die Behördenschreiber übernahmen als weitere Tätigkeit den neben dem Gerichtsverfahren stehenden (verfahrens-) erheblichen Briefverkehr der Bürger und des Rates. Teilweise bearbeitete der oberste Stadtschreiber Hannovers den für das stadtgerichtliche Verfahren relevanten Briefverkehr vollauf allein.362 Seine Beteiligung war im gerichtlichen Verfahren, abgesehen von bloßen Beglaubigungen der Zeugenaussage, nur ihm als öffentlich-rechtlich angestelltem Behördennotar zugänglich. Gerichtsboten aus den Reihen des öffentlichen Notariats wurden für das hannoversche Ratsgericht nicht gesondert angestellt. Auch diese Botentätigkeit lag in den Händen des Stadtschreibers, ganz im Gegensatz zur Ebene des Reichsgerichts. Dieses griff bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf den freien Notar als Gerichtsboten zurück.363 Der bloße Transport verfahrensrechtlicher und verfahrenserheblicher Schriftstücke wurde in Hannover durch Angestellte der Ratskanzlei oder auch durch den obersten Stadtschreiber selbst erledigt.364 Insoweit lassen sich Gerichtsakten in den Quellen etwa bezüglich eines in Pattensen geführten Prozesses ausmachen – so auch Piepenbring-Thomas.365 Halßbandt bearbeitete dieses Verfahren in Gänze selbst. Die in den Archiven befindlichen Akten betreffen »eine Vorladung 360 »In der Partikulargesetzgebung erschien der Notar ebenfalls als eine zugleich mit gerichtlichen Aufgaben betraute öffentliche Urkundsperson, deren Urkunden öffentlichen Glauben genossen«, vgl. hierzu: Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 11; »So schon in den Kursächsischen Konstitutionen von 1574, […],« vgl. hierzu: Ders. Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, S. 11 unter Fßn. 32; Schultzev. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 26. 361 »So schon in den Kursächsischen Konstitutionen von 1574, […],« vgl. hierzu: Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 11 unter Fßn. 32. 362 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 30. 363 Schmauß, Kammergerichtsordnung von 1603 1. Teil tit. XLVIII §§ 11/2, Corpus Juris Publici (1794/Nachdr. 1973), S. 540. 364 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand AAA 1084; »Die Evokation von hannoverschen Bürgern als Zeugen vor dem Hofgericht in Pattensen«, welche durch Halßbandt vorgenommen und transportiert wurde, vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 30. 365 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand AAA 1084; »die Evokation von hannoverschen Bürgern als Zeugen vor dem Hofgericht in Pattensen«, vgl. hierzu auch: Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 30; dies. benennt in Ihrer Veröffentlichung auch ebendiesen Fall.
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hannoverscher Bürger vor das Hofgericht zu Pattensen.« Die diesbezüglichen Dokumente wie auch die Archivierung von Titeln oder der administrative Teil des Klageverfahrens wurden allesamt durch Halßbandt verfasst und erledigt.366 Ohne einen weiteren, freien Notar zur Beglaubigung eines Papiers oder zu anderen Tätigkeiten, wie etwa für den zeitintensiven Transport heranzuziehen, beförderte der oberste Stadtschreiber diese ebenfalls persönlich.367 Somit entfiel für den öffentlichen Notar schließlich sogar die rein tatsächliche Handlung, nämlich die des bloßen Transports der gerichtlichen Urkunden/Post als Betätigungsfeld.
dd) Resümee zum hannoverschen Partikularrecht des 16. Jahrhunderts Als Zwischenergebnis zum stadthannoverschen Partikularrecht des 16. Jahrhunderts ist für das notarielle Arbeitsgebiet und dessen Qualität innerhalb hannoverscher Stadtgrenzen also ein zweigeteiltes Bild festzuhalten. Auf der einen Seite war das städtische Recht mehr als geeignet, die kaiserliche Ordnung von 1512 zu konkretisieren. Diese Aufgabe kam ihm von Seiten des Reichsgesetzgebers auch zu. Es bot als umfangreiche, ausdifferenzierte, komplexe und maßgebliche Rechtsquelle für das städtische Rechtsleben eine geeignete Barriere für untaugliche Vertreter des öffentlichen (Gelegenheits-) Notariats. Scheinbar nebenbei sicherte es die Qualität der hannoverschen Notariatspraxis, ohne dies aber vorrangig zu beabsichtigen. Auf der anderen Seite machte es jedoch auch dem gut ausgebildeten Freiberufler die Tätigkeit im städtischen Gebiet de facto unmöglich. Ein wirtschaftliches Überleben war für diesen, in direkter Konkurrenz zum Behördenschreiber stehenden Notar nicht zu erreichen. Dies zeigt das Beispiel der Bürgertestamente deutlich. Allerdings sah das hannoversche Stadtrecht die rechtliche Erfassung des Notariats und die auf reichsrechtlicher Ebene nötige Abgrenzung von behördlichen und freien Notaren nicht als seine Aufgabe an. Es erwähnte der Notar und Schreiber folgerichtig nur an ausgewählten Stellen. Während also der freie Notar mit einem kleinen Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit und wenigen Prozesshandlungen des ratsgerichtlichen Verfahrens Vorlieb nehmen musste, war er auf fachfremde Nebentätigkeiten angewiesen. Freilich galt es daher als gut ausgebildeter Schreiber dieser Tage in städtische Anstellung zu kommen. Denn der städtische Verwaltungsapparat war bereits im 16. Jahrhundert ähnlich attraktiv, wie es auch die heutige Verwaltung für den gut qualifizierten Juristen ist. Der echte Freiberufler konnte sich ge366 Hannoversches Stadtarchiv : Urkundsbestand, Bestand AAA 1084; Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 30. 367 Piepenbring-Thomas, Das Recht in der Stadt Hannover. Dokumentierte Normdurchsetzung. Das Brücheregister des Stadtschreibers Johannes Halßbandt 1552 – 1566 (2010), S. 30.
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genüber dem Behördennotariat des 16. Jahrhunderts, trotz guter Qualifikation, dennoch nicht behaupten und geriet ins Hintertreffen. Im Hinblick auf die Qualität des nordwestdeutschen Notariats gilt dieser Befund wohl für jede größere Stadtrechtsfamilie mit einigermaßen umfangreichen Bestimmungen und einer funktionierenden behördlichen Verwaltungstätigkeit. Zu denken wäre hier etwa an die Rechte der Städte Osnabrück oder Münster, die ebenfalls weite Verbreitung erfuhren.368 Der schlechte Ruf des gesamtdeutschen Notariats des Mittelalters sowie der frühen Neuzeit lässt sich, wie in der Literatur oft wiedergegeben369 und auch in den Motiven der kaiserlichen Gesetzgebung wiederzufinden,370 auf Hannover nicht übertragen. Sollte das hannoversche Stadtrecht anfangs nur ein Teil innerhalb der Betrachtung des kaiserlichen Notariats in welfischen Territorien sein, kann es für das gesamte Fürstentum als beispielhaft angesehen werden. Dies bleibt auch dann der Fall, wenn es nicht die bemerkenswert stringente Entwicklung des noch zu beleuchtenden Rechts der Stadt Goslar durchlaufen hat. Goslar kann als einzige reichsfreie Stadt Nordwestdeutschlands nicht als Richtmaß herangezogen werden. Dennoch kann schon an dieser Stelle gesagt werden: »Das goslarsche Recht war seiner Zeit voraus«. War aber eine Stadtverfassung auch andernorts den hannoverschen Rechtssätze vergleichbar komplex und kamen mit der städtischen Emanzipation von der landesherrlichen Vogtei, einer ratsherrlichen Pflege von Rechtsprechung und Verwaltung sowie 368 Vgl. zur geographischen Verbreitung einzelner Stadtrechtsfamilien hier: Abb. III. 369 Insgesamt hierzu vgl.: Oesterley, Das Deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts und mit besonderer Berücksichtigung der in den deutschen Bundesstaaten geltenden partikularrechtlichen Vorschriften geschichtlich und dogmatisch dargestellt, in 2 Bänden; Geschichte des Notariats (1842/Neudr. 1965); Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 180 ff.; Erler, Der Notar, in: Bernecker (Hg.), Die juristischen Berufe in Vergangenheit und Gegenwart, (1948), S. 129 ff.; Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3 ff.; Kroeschell/Cordes/ Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 29 ff.; Seidl, Die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313 ff.; Dolezalek/ Konow, Notar/Notariate, in: Lfg. 23, Bd. III, 1. Aufl. (1984), Sp. 1043 – 1049, 1044 ff.; vgl. hierzu insgesamt: W. Schubert,; Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Adolph Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937, Vorwort (2004); Trusen, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ, 1986, S. 13 – 23; vgl. hierzu insgesamt: Schuler, Geschichte des Südwestdeutschen Notariats. Von seinen Anfängen bis zur Reichnotariatsordnung von 1512 (1976); insgesamt: Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007) und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007); insgesamt auch: Schultze-v. Lasaulx, Die Geschichte des Hamburgischen Notariats (1980); S. Brant, in: Ders./Mähler (Hg.), Das Narrenschiff übertr. von A. H. Junghans (1993), S. 379 – 381. 370 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1.
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schließlich die Behördenschreiberei hinzu, war die Qualität der notariellen Betätigung auch hier zwangsläufig gesichert. Zwischen diesen Faktoren entstanden stets die oben gezeigten Synergien eines hohen Anforderungsprofils an den Anwender der städtischen Rechtssätze wie auch ein starker Konkurrenzdruck zum behördlich angestellten Schreiber. Diese Wechselwirkungen hatten stets positive Effekte auf die Qualität des, zugegeben kleinen aber tatsächlich bestehenden, freien Notarstandes. Diese Zustände spielten jedoch allein dem Behördennotariat in die Hände. Denn gaben sie schon dem gelehrten, öffentlichen Notar kaum Raum zu praktizieren, so fiel der Gelegenheitsnotar erst recht durch das Raster der rechtlichen Anforderungen und Bedürfnisse einer größeren Stadt. Hierbei darf nicht unbeachtet bleiben, dass neben der erreichten Qualität des freien, städtischen Notariats dessen Quantität auf der Strecke blieb. c)
Der bemerkenswerte Niedergang des hannoverschen Stadtrechts, Teil der Rezeptionsgeschichte Die Normen des hannoverschen Stadtrechtes waren mithin sowohl von verfahrensrechtlicher als auch von materiell-rechtlicher Seite dem Behördenschreibertum deutlich zuträglicher als dem freien Notariat. Dennoch sollte die stadtrechtliche Verfassung und auch das ihr unterworfene Notariat in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (1637) der Rezeption des gemeinrömischen Rechts zum Opfer fallen (1692). Auch die gefestigten und ausdifferenzierten Strukturen einzelner Stadtverfassungen konnten dies nicht verhindern. Nur wenige Städte konnten daher ihre mittelalterlichen Rechte der neuen Zeit und den aufkommenden zentralistischen Bestrebungen des jeweiligen Landesherrn anpassen.371 Im 17. und 18. Jahrhundert sanken somit fast alle territorialen Stadtrechte in die Bedeutungslosigkeit hinab. Nur einzelne, wenige Bestimmungen und reformierte stadtrechtliche Ordnungen konnten sich behaupten.372 Selbst wenn das hannoversche Recht eine solche Reform hätte vorweisen können, geriet es ab 1637 bis schlussendlich 1692373 in vollständige Vergessenheit. Es sollte erst wieder zwei Jahrhunderte später durch Grote zu Schauen in hannoverschen Archiven aufgetan und veröffentlicht werden,374 natürlich ohne hierdurch wieder zur Anwendung zu kommen. Eine Aufgabe dieser Arbeit ist es, zu klären, wie es zu diesem Verlust städtischer Autonomie und Identität auch im Hinblick auf die Qualität des Notariats kam. Der Grund hierfür sollte nicht der allgemeine Verfall der urbanen 371 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 21. 372 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 21. 373 Kleinschmidt/Reich, Hannoversche Stadtkündigung von 1534 – 1696 – ein Quellenbestand, in: hannoversche Geschichtsblätter (HannGbll.) 1999, S. 125 – 166, 125. 374 Grote zu Schauen/Broennenberg, Die Herausgabe des stadthannöverschen Stadtrechts, in: Archiv des vaterländischen Vereins für Niedersachsen 1838, S. 304 – 312, 306.
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Rechtsordnung oder das wachsende Bewusstsein des Landesherrn als Gesetzgeber375 sein. Für die Verdrängung des hannoverschen Stadtrechts sollte die Residenznahme der welfischen Fürsten im Hannover des Jahres 1637 verantwortlich zeichnen. Durch die Beanspruchung der Stadt als Residenz sollte mit einigen Jahrhunderten Verspätung das römische Recht auch im Stadtgebiet Hannovers und der näheren Umgebung, trotz der zuvor eigenständigen Entwicklung, rezipiert werden. Bis zu dieser Zeit hatte sich Hannover als Stadt ihre rechtliche Autonomie vom Landesherrn erstreiten und ihre Statuten sowie ihr Rechts- und Verwaltungsleben nach obiger Darstellung pflegen können. Der damalige Regent Herzog Georg erhielt daher am Anfang des 17. Jahrhunderts mit seinen Plänen, Hannover zur fürstlichen Residenz zu erheben, keinen Beifall bei den Stadtvätern.376 Die gesellschaftliche Vertretung und der Rat der Stadt fürchteten durch die ständige Gegenwart des Landesherrn und seines Verwaltungsunterbaus sowohl die bis dahin erreichte Autonomie wie auch die eigene städtische Identität einzubüßen. Der Landesherr konnte den städtischen Widerstand allerdings, ob seiner landesherrlichen Autorität, brechen. Infolgedessen erhielten neben dem herzoglichen Hof auch weiteren Institutionen der Verwaltung und des Rechtslebens ihren Sitz in Hannover. Zu diesen, für die rechtliche Entwicklung eines Territoriums wichtigen Einrichtungen zählten neben der Justizkanzlei auch das Hofgericht sowie einige andere Behörden, die ab diesem Zeitpunkt aus und in Hannover wirkten. Mit eben diesen Institutionen kam für lange Zeit (1637 – 1853) auch das gemeinrömische (Notariats-) Recht in die Stadt »zurück«. Von nun an konnte ein städtisches und »eigenständig« gewachsenes Recht nicht mehr auf die bereits 1512 für das Notariat unzureichend gesetzten Maßstäbe begrenzend wirken. Es wurden beispielsweise auch das mittelalterliche Sachenrecht mitsamt seinen städtischen Statuten und Normen völlig beiseitegeschoben.377 Gleichfalls verschwanden neben den alten deutschen Rechten auch die Institute, die zuvor fester Bestandteil des hannoverschen Rechtswesens waren – unter ihnen auch das genuin stadthannoversche Notariat. Was den hoch qualifizierten Stadtschreiber anbelangt, so gingen auch dessen Betätigungsfelder sowie dessen behördlicher Arbeitgeber, die Ratskanzleien, in der Praxis verloren. Letztere wurde insbesondere durch die höfische Justizkanzlei ersetzt. In deren Diensten standen ausschließlich Verwaltungsjuristen des fürstlichen Organisationsapparates. Auch wenn diese mit der Pflege des (städtischen) Rechts beauftragt und als Bedienstete der königlichen Justizkanzlei ebenfalls zur Beurkundung be375 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 21. 376 Grote zu Schauen/Broennenberg, Die Herausgabe des stadthannöverschen Stadtrechts, in: Archiv des vaterländischen Vereins für Niedersachsen 1838, S. 304 – 312, 306. 377 Grote zu Schauen/Broennenberg, Die Herausgabe des stadthannöverschen Stadtrechts, in: Archiv des vaterländischen Vereins für Niedersachsen 1838, S. 304 – 312, 306.
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rechtigt waren, wandten sie hierbei lediglich das ihnen bekannte, gemeine Recht an. Ihre Arbeit genoss folgerichtig in der Bevölkerung und somit im städtischen Rechtsverkehr weit weniger Vertrauen, als es noch für den einheimischen »Stadtschriver« der Fall war. Ohne Teil der städtischen Gesellschaft zu sein, waren die Beamten des 17. Jahrhunderts originär der Verwaltungsorganisation des Herzogtums zugedacht und dieser funktionell untergeordnet. Insoweit war die Erstellung von Notariatsurkunden naturgemäß nicht die primäre Aufgabe der landesherrlichen Verwaltung. Die Residenznahme als Eingriff in ihre städtische Autonomie begreifend stand die hannoversche Gesellschaft somit auch dem herzoglichen Beamtentum kritisch gegenüber.378 Die Stellung des hannoverschen Schreibers, wie ihn Halßbandt wenige Jahrzehnte zuvor noch modelartig repräsentiert hatte, vermochten die herzoglichen Beamten nicht zu ersetzen. Der höfische Justizangestellte hatte, wie der hannoversche Schreiber und freie städtische Notar, das gemeinrömische Recht studiert, wandte das ihm unbekannte Stadtrecht allerdings nicht an. Hierdurch ging auch der qualitätssichernde Wissensschatz der einheimischen, behördlichen Schreiber verloren. Das positive Zusammenwirken der kaiserlichen Ordnung von 1512 und den städtischen Statuten, welche über 100 Jahre zusammen hatten gelten können, verkehrte sich somit ins Gegenteil. Mangels der synergetischen Effekte zwischen einer hannoverschen Stadtverfassung als rechtliches Bollwerk für das Gelegenheitsnotariat und dem Rahmengesetz des Kaisers, verlor sich zwangsläufig der hohe Standard auch im freien Notariat. Ohne diese natürlich gewachsene Barriere konnte nunmehr auch der Gelegenheitsnotar mit seinen mangelnden Kenntnissen wieder vordringen. Dies sollte er auch tun und dem hannoverschen Notariat durch qualitativ schlechte Tätigkeiten ab Mitte des 17. Jahrhunderts keinen Gefallen erweisen. Noch gravierender wurde der Verlust der städtischen Rechtssätze durch deren Geheimhaltung seitens der hannoverschen Stadtväter. Hierdurch suchte sich die städtische Führung sowie die städtische Gesellschaft einer Kontrolle durch den Landesherrn zu entziehen.379 Die stadthannoversche Obrigkeit hoffte, durch den Verschluss ihrer Statuten verhindern zu können, dass die durch den Landesherrn früherer Zeiten garantierte städtische Autonomie formell außer Kraft gesetzt werden konnte. Denn waren die traditionellen Autonomierechte dem Fürsten und seinem Verwaltungsapparat nicht bekannt, konnten sie auch dementsprechend nicht formalrechtlich abgeschafft werden. Dieser Umgang mit den städtischen und später landständischen Privilegien des Mittelalters und der 378 Grote zu Schauen/Broennenberg, Die Herausgabe des stadthannöverschen Stadtrechts, in: Archiv des vaterländischen Vereins für Niedersachsen 1838, S. 304 – 312, 306 f. 379 Grote zu Schauen/Broennenberg, Die Herausgabe des stadthannöverschen Stadtrechts, in: Archiv des vaterländischen Vereins für Niedersachsen 1838, S. 304 – 312, 305.
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frühen Neuzeit sollte sich allerdings erst im 19. Jahrhundert für die hannoverschen Territorialgebiete und die sogenannten Landschaften, auszahlen; worauf noch zurückzukommen sein wird.380 Zu den erwähnten Stadtheimlichkeiten gehörten insbesondere die städtischen Privilegien und statuarischen Normen, welche die Emanzipation von der landesherrlichen Vogtei betrafen, nicht zuletzt zählten auch die »Normen des hannoverschen Notariats« hierzu.381 Die Verwaltungspraxis und auch das Notariat wurden nunmehr vom gemeinrömischen Recht vollauf erfasst. Es konnte somit in Hannover mit all seinen Unzulänglichkeiten, die auch die kaiserliche Ordnung von 1512 nicht zu mildern im Stande gewesen war, greifen. Denn fehlte es nunmehr nicht mehr bloß an der Abgrenzung von Behördenschreiber und freiem Notariat, mangelte es ab Mitte des 17. Jahrhunderts auch am städtischen Normengeflecht, welches die Mängel des kaiserlich freien Notariats vergangener Tage hatte auffangen können. Das Hannover des 17. Jahrhunderts konnte mithin den Schwächen des gemeinrechtlichen Gelegenheitsnotariats nichts Wirkungsvolles mehr entgegensetzen. Scheinbar bietet sich hier daher eine genauere Untersuchung des hannoverschen Notariats während des 17. Jahrhunderts grundsätzlich an. An dieser Stelle kann aber – insbesondere bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen des gemeinrechtlichen Notariats – auf das zur kaiserlichen Ordnung von 1512 sowie deren Mängel Gesagte insgesamt verwiesen werden.382 Es verbleibt mithin festzuhalten, dass im Jahre 1637 für das städtische Notariat in Hannover eine merklich bedeutsamere Zäsur gegeben ist, als es die Ordnung Maximilians I. zu sein vermochte. Neben diesem Bruch fand ein erheblicher Rückschritt im »Notariatsrecht« statt. Das von da an gebrauchte gemeine Recht öffnete in Zusammenspiel mit der signifikant rahmenartigen Ordnung von 1512 erneut Tür und Tor für wenig qualifizierte Notare. Es steht also an dieser Stelle zu vermuten, dass sich von neuem erhebliche Mängel in das öffentliche Notariat Hannovers einschliffen. Insofern mussten im Landen »Hannover« fortan andere Institutionen dieser »modernen« Entwicklung entgegentreten. Diese Stellen fanden sich nach und nach in den lokalen Gerichten, welche 380 Die somit erreichte »Konservierung« ständischer Rechte und Privilegien führte in der Zeit von 1714 – 1837 und der in dieser Zeit gelegenen Personalunion zwischen Hannover und England zu einem erheblichen Machtgewinn der politischen Stände im Land Hannover ; (dazu näher im 1. Kapitel des 2. Teils unter II 3). 381 Grote zu Schauen/Broennenberg, Die Herausgabe des stadthannöverschen Stadtrechts, in: Archiv des vaterländischen Vereins für Niedersachsen 1838, S. 304 – 312, 307. 382 Die Ordnung Maximilians I. blieb alten Traditionen mittelalterlicher Rechtssetzung verhaftet und dementsprechend bei gleichzeitiger Ungewissheit um den genauen Bestand an konkretisierenden Territorialrechten deutlich zu rahmenartig. Überdies blieb sie eine genaue Qualifikationsanforderung an den deutschen, öffentlichen Notar schuldig; (siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 1).
Die Rechtslage und Betätigungsfelder des hannoverschen Notariats
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mittels eigener Gerichtsordnungen das Notariat in ihrem Bezirk zu regeln suchten. Durch diese gerichtliche Arbeit konnte wohl tatsächlich ein gewisser Qualitätsstandard im hannoverschen Notariat des 18. Jahrhunderts wieder erzielt werden. Für das spätere Königreich Hannover sollte diese wichtige Rolle das Oberappellationsgericht zu Celle ab 1711/1713 übernehmen. Die gerichtliche Prüfungs- und Ernennungspraxis soll jedoch im Interesse der chronologischen Erfassung der Entwicklungen des ganzen hannoverschen Notariats und dessen Rechts des 19. Jahrhunderts erst an späterer Stelle interessieren.383 Vorab ist – zum besseren Verständnis und Nachweis der tatsächlich positiven Wirkung der städtischen Partikularrechte auf das Notariat im ganzen hannoverschen Fürstentum – auf weitere ausgewählte Stadtrechte exemplarisch einzugehen. Bei deren Betrachtung soll überdies deutlich gemacht werden, dass die Stadt Hannover in der Tat keine bloße Insel im ansonsten uferlosen gemeinen Recht des spätmittelalterlichen Nordwestdeutschlands war. Die hierzu ausgewählten Stadtrechte zeichnen sich zum einen dadurch aus, dass sie allesamt im späteren Geltungsbereich der Notariatsgesetzgebung des Königreichs Hannover von 1853 liegen, zum anderen jedes für sich Besonderheiten im Hinblick auf die autonome Entwicklung der Stadt und ihres Rechts gegenüber dem jeweiligen Territorialherrn beinhaltet.
4.
Das Hildesheimer Stadtrecht
Im Rahmen der Betrachtung weiterer städtischer Rechte ist das Rechtsbuch der Stadt Hildesheim von Interesse. Wie zu diesem Abschnitt eingangs erwähnt,384 vertrat auch Hildesheim im Fürstentum Hannover des 16. Jahrhunderts eine eigene Familie stadtrechtlicher Normen. Anders als Hannover und hiermit seine Besonderheit begründend, war Hildesheim jedoch Sitz eines bischöflichen Hofes und somit Kirchenstadt.385 Lag es somit fest in kirchlichen Händen, war es zugleich ständige Residenz eines anwesenden kirchlichen Territorialherrn innerhalb der städtischen Grenzen.386 Schon aus diesem Grund und den möglicherweise weniger autonomen stadtrechtlichen Entwicklungen ist daher zu klären, ob sich auch in Hildesheim, die zu Hannover gefundenen Ergebnisse 383 Das Oberappellationsgericht sowie die Universität Göttingen sollten ihrerseits zu Beginn des 18. Jahrhunderts zum Teil auch auf gesetzlicher Grundlage ein echtes Prüfungs- und Ernennungswesen für das hiesige Notariat etablieren und somit die Mängel des römischgemeinrechtlichen, öffentlichen Notariats in Hannover abmildern können; (dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter III). 384 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a). 385 Im Hinblick auf die Gerichtshoheit, vgl.: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 162. 386 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 50.
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bezüglich des Notariats und dessen Qualität, bestätigt finden. Mit dem »Jus Civitas« aus dem Jahre 1217 konnte auch das Bistum Hildesheim ein mittelalterliches Stadtrecht vorweisen. Eine schriftliche Niederlegung des vormals allgemein geltenden Gewohnheitsrechts erfuhr das Hildesheimer Recht erstmals 1247.387 Dieses städtische Recht umfasste 54 in Latein abgefasste Bestimmungen, die insbesondere das Verhältnis der Bürgerschaft zum bischöflichen Vogt regelten.388 Ebendieser fungierte als Stadthalter des Bischofs direkt in der Stadt. Insbesondere umfassten die Regelungen der städtischen Rechtssätze »das Gerichtsverfahren sowie Bußgeld- und eine frühe Form des Mahnverfahrens. Fragen des Zivilrechts und der für das Notariat so wichtigen freiwilligen Gerichtsbarkeit blieben hingegen noch völlig unbehandelt.«389 Wie bereits im zuvor behandelten Punkt geschildert, waren beide Bereiche hauptsächliches Betätigungsfeld des hannoverschen Notars. Regelungen, die ein etwaiges Notariat innerhalb der Stadtgrenzen behandelten, waren dementsprechend ebenso wenig zu finden. Das sich hieraus ergebende Defizit sollte sich erst mit einer weiteren Aufzeichnung der städtischen Verfassung unter der gleichen Bezeichnung im Jahre 1300 beheben lassen. Die ehemals überschaubaren 54 Bestimmungen wurden hierfür durch eine eingesetzte Kommission von Rats- und Zunftsvertretern zunächst ins Niederdeutsche übersetzt und erheblich erweitert.390 Der Normenkatalog schwoll in der Folge auf mehr als das Dreifache seiner ursprünglichen Größe an. In nunmehr 176 Artikeln, in ebenfalls vier Büchern,391 befassten sich die stadtrechtlichen Bestimmungen mit zivilrechtlichen Fragen, genaueren Regelung des Gerichtsverfahrens392 und trieben die Emanzipation der Bürger387 Das Hildesheimer Stadtrecht neuerlich, vollständig abgedruckt bei: Doebner (Hg.)/Brandes (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Hildesheim im Auftrag des Magistrats zu Hildesheim in 9 Teilen Teil I – III/IX ca. 996 – 1346 (1881/Neudr.1980), GWBL-Hannover Sig.: ZEN nds. 883/048: 3; XIIBI2b 314: 1 – 8; Pufendorf, Acht Bücher vom Natur- und Völkerrecht, Teil I, Bd. IV (1711/Neudr. 1998), Anhang, S. 282 ff.; hierzu und zur allg. Stadtwerdung Hildesheims auch: Gebauer, Geschichte der Neustadt Hildesheim (1922/Neudr. 1997), S. 1 – 18; 19 – 46; ders., Die Geschichte der Stadt Hildesheim verf. im Auftrag des Magistrats 2 Bd., Bd. 1, (1922, 1924), S. 56 ff.; Doebner, Studien zur Hildesheimer Geschichte (1902), S. 1 – 100, insb. 1 – 31; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 161. 388 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 161. 389 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 161. 390 Hildesheimer Stadtrecht bei: Doebner (Hg.)/Brandes (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Hildesheim im Auftrag des Magistrats zu Hildesheim in 9 Teilen Teil I – III/IX ca. 996 – 1346 (1881/Neudr.1980), GWBL-Hannover Sig.: ZEN nds. 883/048: 3; XIIBI2b 314: 1 – 8; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 161 f. 391 Hildesheimer Stadtrecht bei: Doebner (Hg.)/Brandes (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Hildesheim im Auftrag des Magistrats zu Hildesheim in 9 Teilen Teil I – III/IX ca. 996 – 1346 (1881/Neudr.1980), GWBL-Hannover Sig.: ZEN nds. 883/048: 3; XIIBI2b 314: 1 – 8; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 167. 392 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 168 f.
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schaft vom Landesherrn voran. War zunächst die grobe Aufteilung des Stadtrechts dem hannoverschen Recht vergleichbar, unterschied sich sein Hildesheimer Pendant dennoch merklich vom hannoverschen Copialbuch. Es finden sich im Hildesheimer Stadtrecht keinerlei Rechtsauskünfte anderer Städte oder an dessen Ende konzentrierte Fallsammlungen.393 Grund hierfür war die besondere Qualität der Stadt. Hildesheim stellte als Bischofssitz die oberste Instanz innerhalb ihres eigenen Rechtskreises dar. Es war selbst die Mutterstadt der sie umgebenden stadtrechtlichen Familie.394 Nicht außer Acht gelassen werden darf hierbei, dass in Hildesheim der örtliche Landesherr fortwährend in persona direkt in der Stadt residierte. Eine autonome Ratstätigkeit mit einem Ratsnotariat und -kanzlei, wie in Hannover, sucht man daher in den mittelalterlichen Anfängen Hildesheims vergeblich.395 Fehlte in erster Linie die räumliche Trennung von »städtischem« und »landesherrlichem« Herrn, so gab es schon aus diesem Grund wenig Möglichkeiten, sich gegenüber dem bischöflichen Landesherrn zu behaupten und eine echte Ratsgerichtsbarkeit zu etablieren. Gleichwohl konnte eine ratsherrliche Identität, auch in Hildesheim, im 13. Jahrhundert zunehmend erstarken und die bischöfliche Vogtei in vielerlei Hinsicht verdrängen.396 Eine, hannoverschen Verhältnissen vergleichbare, Vormachtstellung konnte das Ratsgericht in Hildesheim allerdings erst im 15. Jahrhundert erlangen, die es hiernach kontinuierlich auszuweiten vermochte. Mit der ersten Installierung des Ratsgerichts im 13. Jahrhundert »gelang es den Stadtvätern aber bereits die vollständige freiwillige Gerichtsbarkeit und später sogar die ganze Zivilgerichtsbarkeit an sich zu binden«.397 Beurkundungen rechtserheblicher Tatsachen oder von allgemeinen Rechtsgeschäften konnten nach wie vor auch durch den Vogt als weltlicher Vertreter des Bischofs vorgenommen werden.398 Der Gang der Bürgerschaft vor den Rat wird jedoch der bevorzugte gewesen sein, war die Vogtei doch als landesherrliche Institution innerhalb der selbstbewussten Bürgerschaft regelmäßig weniger akzeptiert. Es zeigt sich also, dass auch der Hildesheimer Rat mit steigender Tendenz in 393 So auch: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 168 f. 394 Vgl. hierzu: Abb. III. 395 So auch: Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 50 – 55, 50. 396 So auch: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 161; Gebauer, Die Geschichte der Stadt Hildesheim verf. im Auftrag des Magistrats 2 Bd., Bd. 1, (1922, 1924), S. 83. 397 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 161; Gebauer, Die Geschichte der Stadt Hildesheim verf. im Auftrag des Magistrats 2 Bd., Bd. 1, (1922, 1924), S. 83. 398 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 162 f.; Gebauer, Die Geschichte der Stadt Hildesheim verf. im Auftrag des Magistrats 2 Bd., Bd. 1, (1922, 1924), S. 209 f.
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die Beurkundungstätigkeiten involviert wurde. Um dieser wachsenden Aufgabe gerecht zu werden, bestand auch in Hildesheim zwangsläufig der Bedarf an geeigneten Notaren sowie einer Ratskanzlei. Auch hier konnte sich die Behördenschreiberei mithin wachsenden Zuspruchs erfreuen, wenn auch im Rahmen einer eigenen Entwicklung unter bischöflicher Gegenwart.399 Die Aufgabenbereiche des Hildesheimer Notariats in Diensten der Ratskanzlei werden indes ähnliche gewesen sein, wie die des hannoverschen. Von besonderen Wirtschaftsgütern bzw. Handelsverbindungen geprägte Urkunden sind im Rahmen der Ratstätigkeit jedenfalls nicht zu vermuten.400 Für die vorliegende Studie ist jedoch das zwangsläufig gegebene Zusammenspiel von zunehmender städtischer Autonomie und der Existenz einer komplexen Stadtverfassung der entscheidendere Aspekt; denn: Hieraus ergaben sich zwangsläufig die für Hannover festgestellten Synergien, die eine Sicherung der Qualität des freien Notariats als Folge nach sich zogen. Diesbezüglich kann daher auf das zu Hannover Gesagte verwiesen werden.401 Als Arbeitgeber des Notariats stand die städtische Verwaltung auch in Hildesheim naturgemäß nur einem gut gebildeten Schreiber offen. Das freie Notariat hatte auch hier mit dem Behördenschreibertum der öffentlichen Hand zu konkurrieren.402 Insoweit vermochte auch das Hildesheimer Recht die Mängel des kaiserlichen Notariats in dieser Zeit zu relativieren. Überdies wurde das Erwirtschaften eines hinreichenden Auskommens für das bloß freiberuflich tätige Notariat auch in der Bischofsstadt deutlich erschwert. Gelegenheitsnotare hatten hier aufgrund des Bestehens eines Stadtrechtes, ebenso wenig, wie in Hannover, die Möglichkeit zur notariellen Tätigkeit. Getrennt hiervon ist das im Bischofdienst stehende reine Klerikalnotariat und Schreibertum zu sehen. Diese unterfiel seit jeher nicht der weltlichen Gesetzgebung403 und soll daher nicht weiter beachtet werden. 399 Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 50. 400 Ähnliches ließ sich bereits im Vergleich Hannovers zu Hamburg feststellen. Einzig Hamburg mit seinem starken Seehandel nahm auch in notarieller Beurkundungstätigkeit eine Sonderstellung ein. Hier prägte die Hanse nachhaltig; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b) aa) – dd)]; vgl. hierzu insgesamt auch: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 1 ff. 401 Siehe hier auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b) bb). 402 Insbesondere in den Bischofsstädten, in denen ohnehin stetig kirchliche Gerichte abgehalten wurden, ist mit dem ersten Auftreten des öffentlichen, freien Notariats zu rechnen, so auch: Vogel, Gemeinrechtliches Notariat, S. 26 – 30, 26 unter Fßn. 27; Schmidt-Thom¦, in: Kaspers (Gesamtb.)/Schmidt-Thom¦/Gerig/Manstetten, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoleon (1972), S. 176 f. 403 Böhringer, Die geschichtlichen Wurzeln des Notariats in Deutschland von der Antike bis zur Neuzeit, in: BWNotZ 1989, S. 25 – 33, 29; Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in DNotZ 1980, S. 132 – 157, 145; Die geistliche Gerichtsbarkeit war ursprüngliche Aufgabe der Bischöfe und wurde durch deren Verwaltungsapparat gepflegt, vgl. hierzu: Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 137 – 140, 137.
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Der schlechte Ruf des gesamtdeutschen gemeinrechtlichen Notariats kann somit auch für diesen Teil Nordwestdeutschlands nicht bestätigt werden. Trotz der positiven Eigenschaften der Hildesheimer Statuten teilten auch diese das allgemeine Schicksal der lokalen Rechtsordnungen. Sie gerieten im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts in vollständige Vergessenheit. Im Notariatsrecht sollten an ihre Stelle bis in das Jahr 1853 ebenfalls die gemeinrechtlichen Grundsätze mit ihren erheblichen Mängeln treten.
5.
Das Notariat der reichsfreien Stadt Goslar und sein Recht
Den gleichen Weg in die Bedeutungslosigkeit sollte Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts auch das Stadtrecht Goslars nehmen. Bis zu diesem Herabsinken hatte die reichsfreie Stadt im heutigen Niedersachsen404 eine große Sammlung an lokalen bzw. städtischen Rechtssätzen entwickeln können. Goslar sollte im 18. Jahrhundert ein Teil des späteren Königreichs Hannover werden.405 Es stellte mit seinen reichen Erzvorkommen schon für Heinrich den Löwen und die welfische Dynastie des Mittelalters eine bedeutende Einnahmequelle dar. Die Reichsfreiheit als entscheidende Besonderheit Goslars macht einen kurzen Blick in das goslarsche Stadtrecht umso interessanter. Der Blick wird auch hierbei in erster Linie auf das städtische Notariat und seine etwaigen Bestimmungen gerichtet bleiben. Abgesehen von einer gewissen Uneinigkeit innerhalb der Literatur hinsichtlich des genauen Entstehungszeitpunktes des Gesetzes, wird das Stadtrecht Goslars einhellig als einer der »reichshistorischen Schätze Nordwestdeutschlands«406 angesehen. Begründet wird dies allem voran mit der erstaunlich klaren Systematik des Goslarer Rechts. Diese Systematik sollte es wider Erwarten seines frühen Entstehungszeitpunktes bereits schnell erreichen. »Goslar war es frühzeitig gelungen, eine Schnittmenge zwischen zu knappem Landrecht, wahllos zusammengetragenen mittelalterlichen Stadtrechtsbestimmungen und unsystematischer Kasuistik zu finden.«407 Die erste Aufzeichnung 404 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 195 – 210; Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968), Einleitung, S. 7 ff.; Auf die Entstehung der Stadt und ihre rechtliche Entwicklung hatte Heinrich der Löwe trotz seiner landesherrlichen Stellung im 12. Jahrhundert wohl keinen Einfluss genommen, so auch: Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, Rechtsgeschichte Niedersachsens (2006), S. 50. 405 Siehe zur Raumgeschichte des Landes Hannover und den Gebietszuwächsen sowie –verlusten auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a). 406 Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968), Einleitung, S. 7; 26. 407 Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968), Einleitung, S. 7.
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der städtischen Statuten erfolgte 1330, eine weitere Redaktion 20 Jahre später.408 Es wurde anhand von zwölf Handschriften bis heute erhalten geblieben, von denen jede für sich allerdings keinen Teil der ersten oder zweiten Edition darstellt.409 Goslar konnte, anders als die übrigen reichsangehörigen Städte von Beginn an eine starke, stadtbürgerliche Identität entwickeln. Als Ausdruck dessen etablierte die städtische Selbstregierung bereits früh einen einflussreichen (Stadt-) Rat. Dieser war, mehr noch als im mittelalterlichen Hannover,410 faktischer Herr der Stadt. Ohne die Einflussnahme eines territorialen Landesherrn und dessen fortwährend erhobenen Machtanspruchs war dies in Golsar einfacher möglich gewesen, als andernorts. Ein mühsames, über Jahrhunderte hinweg dauerndes Erstreiten von Privilegien und Rechten gegenüber dem landesherrlichen Regenten war für Goslar niemals nötig geworden. Alle innerstädtischen Angelegenheiten wurden bis zur Installierung des ersten Rates im frühen 13. Jahrhundert durch die Gesamtheit aller Bürger geregelt. Eigens hierfür gegründete Bürgerausschüsse nahmen diese Aufgabe wahr.411 Die Bürgerschaft delegierte ihre bis dahin beispiellose stadtbürgerliche Autonomie auf einen in der Folge nicht weniger mächtigen Rat. Dessen Legitimation ging somit unmittelbar aus der Bürgerschaft hervor. Auch die Gerichtshoheit fiel daher dem noch jungen Stadtrat gleich nach seiner Gründung in Gänze zu. 1290 vermochte dieser sogar die Reichsvogtei, welche zuvor Heinrich dem Löwen und seinen Nachfolgern zugestanden hatte, vollständig zu übernehmen.412 Die ratsherrliche Vormachtstellung sollte im Weiteren ausgebaut werden können. Die Macht des goslarschen Rates erlangte im Laufe des 14. Jahrhunderts einen Einfluss, der es ihm erlaubte, sich allen anderen Gerichten im näheren Umkreis überzuordnen.413 Nicht zuletzt wurde hierdurch die Funktion des Ratsgerichts als Recht sprechender »Oberhof« mehrerer Städte der Umgebung für die (rechtliche) Ent-
408 Neuerlich vollständig gedruckt bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968). 409 Neuerlich vollständig gedruckt bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968); zu Goslar auch: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 195 – 201, 202. 410 In Hannover sollte es dem Stadtrat gelingen nicht nur die Geschicke der Stadt vollauf zu steuern. Er sollte auch die Gerichtshoheit bei sich konzentrieren können und somit dem Vogt als Vertreter des Landesherrn ein erhebliches Stück Macht abtrotzen können; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a) bb)]. 411 Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968), Einleitung, S. 7. 412 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 195 – 201, 199. 413 Frölich, Gerichtsverfassung der Stadt Goslar im Mittelalter, Schriftenreihe Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 106 (1910), S. 89; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 195 – 201, 199.
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wicklung der Stadt bedeutsam.414 Diese exponierte Stellung des Rates, als Ergebnis der Selbstorganisation einer unabhängigen Bürgerschaft, macht sich bereits in der nachstehenden Vorrede des goslarschen Stadtrechts bemerkbar ; und zeigt dieses zugleich im Beginn des Textes, der den nachstehenden Ausspruch der damaligen Stadtväter enthält: Vorrede des goslarschen Stadtrechts: »De rad der stat to Goslere is to rade gheworden mit endrechtigher wulbort der koplude unde der ghelden der sulven stat, dat se ere recht in dit boch willet bringhen, uppe dat it deste redelekere si, mallikem na recht to to vorschedene. […]«415
Das diesem Ausspruch folgende goslarsche Stadtrecht umfasst 892 Bestimmungen. Bereits zu frühen Zeiten der Stadtwerdung Goslars beinhaltete es damit einen umfangreichen Regelungskanon. Schon in der frühen Edition wurden diese Bestimmungen in einer gewissen Systematik aneinandergereiht. Eine bloß nach Entstehungszeitpunkten der einzelnen Bestimmungen geordnete Niederschrift erfolgte gerade nicht. Die Stadt orientierte sich von Beginn an am systematischen Inhalt der einzelnen Regelungen. Diese fast 900 Bestimmungen wurden in fünf Büchern abgefasst, und lassen sich auf Grund der systematischen Reihung in drei größere Abschnitte untergliedern. Als Hauptteile sind hierbei das Familien-, Vermögensrecht wie auch Regelungen des gerichtlichen Verfahrens und abschließend eine Verbrechenslehre auszumachen.416 Bedingt schon der erwähnte Umfang des Stadtrechts ein klares System- und Rechtsverständnis, verlangt er vom Rechtsanwender darüber hinaus ein genaues Wissen um den Inhalt der einzelnen Abschnitte. Insbesondere die Anforderungen an das rechtliche Systemverständnis werden daher ungleich höhere gewesen sein, als sie schon das hannoversche Copialbuch an seinen Anwender stellte.417 Hieran schließt sich die Frage an, ob dem goslarschen Notar ein ähnliches Anforderungsprofil wie dem hannoverschen zukam. Im Weiteren ist zu klären, wie der 414 Fröhlich, Die Gerichtsverfassung der Stadt Goslar im Mittelalter, Schriftenreihe Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 106 (1910), S. 89; Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 200. 415 Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968), Einleitung, S. 7 – 31, 29; (Original im Niederdeutschen): »Der Rat der Stadt Goslar ist zum Rat geworden mit dem gerechten Willen der Kaufleute und der Gilden derselben Stadt, dass sie ihr Recht in das Buch wollen bringen, auf das es über sie richte, […]« (freie Übersetzung ins Hochdeutsche); auch wiedergegeben bei: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 202. 416 Vgl. hierzu auch: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 201 – 207, 203. 417 Das hannoversche Stadtrecht verlangte auf Grund seines Umfangs und ständig anwachsenden Regelungen ein hohes systematisches Verständnis seines Anwenders, wie ein ebenso fundiertes Wissen um seinen Inhalt; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b) aa)].
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kaiserlich-hannoversche Notar und seine Tätigkeit innerhalb dieser vollauf ratsherrlich bestimmten Rechts-, Verwaltungs- und Gerichtslandschaft überhaupt und funktionell unterzubringen waren? Bei genauerer Betrachtung des Stadtrechts Goslars fällt zunächst auf, dass anders als im Fall der hannoverschen Stadtverfassung, ein Notar bzw. Schreiber/ Schriver an keiner Stelle ausdrücklich erwähnt wird. Die Erwartungen, die Notare oder Schreiber im Rahmen der Statuten – etwa zur Testamentserrichtung oder überhaupt bezüglich Themen der freiwilligen Gerichtsbarkeit – zu finden, werden nicht bestätigt. Der Schreiberstand wird in der gesamten Sammlung nicht benannt oder in einzelnen, besonderen Bestimmungen auch nur am Rande erwähnt. Vielmehr wird er für die Schaffung einer publica fides immer wieder durch den Rat der Stadt als die einzig hierfür zuständige Stelle »ersetzt«. Gleiches gilt für das städtische (Rats-) Gericht. Hierbei wurde der Rat zumeist unmittelbar durch zwei Ratsherren repräsentiert.418 Das streng formalisierte Abfassen eines (Bürger-) Testaments419 oder auch das Anfertigen von Urkunden zum Beweis im gerichtlichen Verfahren420 beurkundeten die Stadtväter stets selbst. Kann zwar ein Schreiber in Ratsanstellung grundsätzlich auch als mittelbare Ratsperson angesehen werden, ist er jedoch im goslarschen Kontext auf keinen Fall Ratsherr. Das Stadtrecht spricht indessen, anders als das hannoversche Recht, ausschließlich von Ratsherren, nicht jedoch von Ratspersonen. Immer wieder findet man somit nur das oberste städtische Verwaltungsgremium Goslars als für das Urkundenwesen legitimationsstiftende Stelle. Dies gilt etwa auch für die Veräußerung oder den Erwerb von Immobilien – sprich das auch heutige stark notariell-rechtlich geprägte Immobiliarsachenrecht. So konnte der Grundstückskauf gemäß der goslarchen Bestimmungen samt Auflassung nur vor dem Stadtrat oder vor dem ratsherrlichen Gericht rechtswirksam erfolgen.421 Nicht nur das Abfassen von Urkunden oder Grundstückskäufen entzog sich daher gänzlich dem Betätigungsfeld des öffentlichen Notars. Vielmehr bestimmte der Rat in jeglicher Hinsicht letztinstanzlich das städtische Rechtsleben. Ähnlich verhielt es sich mit dem städtischen Geschäftsverkehr. Das bloße Besiegeln von Briefen oder anderen Dokumenten fiel allein in ratsherrliche Kompetenzen.422 Freilich dehnte sich diese Vormachtstellung im Beurkun418 Stadtrecht Goslar, bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968); Buch 1 I §§ 62 – 64. 419 Stadtrecht Goslar, bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968); Buch 1 I §§ 62 – 64. 420 Stadtrecht Goslar, bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968); Buch 3 §§ 89 – 91. 421 Stadtrecht Goslar, bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968); Buch 1 III §§ 24 – 48, §§ 42 ff. 422 Stadtrecht Goslar, bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968); Buch 1 III §§ 24 – 48, §§ 42 ff.
Die Rechtslage und Betätigungsfelder des hannoverschen Notariats
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dungswesen auch auf das ratsgerichtliche Verfahren aus. Wie gesagt, kam diesem eine große Bedeutung innerhalb der Gerichtslandschaft in und um Goslar zu. Selbst die Beurkundungen im gerichtlichen Verfahren lagen aus diesem Grund einzig und allein in ratsherrlicher Hoheit.423 Sollte unter Umständen ein Zeuge im Verfahren durch die Urkunde ersetzt werden, zeichnete der ratsherrliche Richter, in seiner Eigenschaft als Mitglied des Rates, für deren Beglaubigung verantwortlich.424 Notare oder Schreiber wurden auch hierfür nicht hinzugezogen. Diese gefestigte Stellung des Rates in Goslar und der Konzentration jeglicher Angelegenheit öffentlichen Glaubens bei diesem ließ dem öffentlichen Notar in Goslar keinen Raum zur Betätigung. Dies war eine eindeutige Folge der speziellen, rechtlichen Entwicklungen der Stadt. Gleichfalls musste diese Ballung an Kompetenzen indes einen erheblichen, administrativen Aufwand nach sich ziehen. Insoweit bedurfte es folglich eines funktionierenden Behördenapparats. Dieser beinhaltete zwangsläufig eine ausgeformte Rats- und Verwaltungskanzlei mit fähigen Schreibern. Wenn mithin aus den Gesetzesmaterialien keine tatsächliche Betätigung von Schreibern bzw. freien Notare ersichtlich ist, so ist jedenfalls die Anstellung behördlicher Schreiber unerlässlich gewesen. Der Rat der Stadt bestand zu Beginn zwar nur aus 19 Mitgliedern, wurde ab 1299 allerdings um weitere 40 Ratsherren auf insgesamt 59 aufgestockt.425 War der freie Notar mithin bereits von Gesetzes wegen formal entbehrlich, übernahmen Notare in Anstellung zwangsläufig die administrativen Tätigkeiten des vielbeschäftigten Stadtrates. Die echte Beurkundung mit Außenwirkung sowie die Gerichtshoheit oblagen jedoch nur den Ratsherren selbst.426 Mit dem Zusammentreffen der systematisch fortschrittlichen sowie umfangreichen Stadtverfassung, der außergewöhnlichen starken Stellung des Rates und nicht zuletzt seiner Reichsfreiheit, bot Goslar an sich das Ideal an Voraussetzungen für ein qualitativ hochwertiges öffentliches Notariat. Ein solches Notariat konnte sich jedoch innerhalb der städtischen Grenzen nicht etablieren. Es blieb aufgrund der individuellen städtischen Gesetzeslage dieser reichsfreien Stadt lediglich Raum für ein rein administratives Behördennotariat in Anstellung des Rates und seiner Verwaltung. Dies sollte sich erst im 19. Jahrhundert ändern, als auch Goslar durch die Einflussnahme Hannovers und das gemeine Recht mit seinen Mängeln erfasst wurde.427 423 Stadtrecht Goslar, bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968); Buch 4 I § 29. 424 Stadtrecht Goslar, bei: Ebel, Das Stadtrecht der Stadt Goslar mit zwei farbigen Abbildungen (1968); Buch 4 I § 29. 425 Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 200. 426 So wohl auch: Lockert, Die nds. Stadtrechte zwischen Aller und Weser (1979), S. 199 f. 427 Grefe (Hg.), Hannovers Recht, Bd. 1 (1861), S. 159.
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
Das Hauptaugenmerk dieser Untersuchung soll allerdings nicht auf früheren Epochen und den einzelnen lokalen Rechten der Städte liegen, obwohl sich bereits bis hier interessante Ansätze zeigen. Die vergleichsweise genaue Darstellung des hannoverschen Notariats war einzig und allein der Funktion der Stadt als Residenz des Landesherrn ab 1637 geschuldet. Gleichwohl ließ sich schon an den vorstehenden Beispielen zeigen, wie Territorialrechte vielerorts Großes zu leisten im Stande waren und das hannoversche Stadtrecht tatsächlich nicht ein Einzelfall war. Es gelang diesen »kleinen« Stadtverfassungen immer wieder die kaiserliche Reichnotariatsordnung Maximilians I. (1512) hinreichend zu konkretisieren. 6.
Resümee zum kaiserlich-gemeinrechtlichen Notariat in Verbindung mit territorialen Rechten
Folgendes Ergebnis kann für das kaiserliche, gemeinrechtliche und zugleich hannoversche Notariat des 16. und 17. Jahrhunderts mithin festgehalten werden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass mit »Hannover« die hannoverschen Gebiete bzw. welfischen Territorien insgesamt gemeint sind. Die Qualität des Notariats in Nordwestdeutschland war sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht besser als sein gemeinhin schlechter Ruf. Die Befürchtungen, das kaiserliche Notariatsrecht öffne Einfallstore für gemeinrechtliche Gelegenheitsnotare konnte widerlegt werden. Traten zu den Rahmenbestimmungen der kaiserlichen Ordnung von 1512 bestimmte Punkte hinzu, konnte das öffentliche Notariat in hannoverschen Gebieten überzeugen. Diese Voraussetzungen fanden sich allein in den städtischen Rechtskreisen. Hier ergaben sich immer wieder positive Synergien zwischen städtischen Verfassungen und deren zwangsläufig hohen Ansprüchen an ihren Anwender. Hier neben stand ein starker Konkurrenzdruck zwischen Behördenschreiberei und freiem Notariat. Das freie Notariat musste, wollte es mit dem Behördenschreiber erfolgreich konkurrieren, ebenfalls eine hohe fachliche Qualifikation vorweisen. Nicht zuletzt wirkten sich diese Effekte auch auf das gesellschaftliche Bild des Notars dieser Zeit positiv aus. Der nur bei Gelegenheit tätige Notar wurde de facto vollauf verdrängt und kam nicht zum Zuge. Die Qualität des nordwestdeutschen Notariats profitierte hierdurch, konnte dessen ungeachtet den allgemeinen schlechten Ruf des gesamtdeutschen Notariats augenscheinlich aber bis heute nicht völlig abstreifen. In der Literatur finden sich auch aktuell noch immer die allgemeinen Vorurteile über das gesamtdeutsche Notariat dieser Zeit. Ob sich das Ergebnis eines qualitativ hochwertigen Notariats sowie eines hohen Standards seiner Instrumente auch im 18. Jahrhundert in Hannover wiederholen ließ, soll im Folgenden Behandlung finden. Diese Betrachtung gewinnt insbesondere mit Blick auf den Niedergang der städtischen Rechtssätze und dem
Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713
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hiermit einhergehenden Vordringen des Gelegenheitsnotariats in Nordwestdeutschland an Bedeutung.
III.
Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713 als Instrument der Zugangskontrolle
Sowohl die Ordnung von 1512, als auch die »kleineren« Territorialrechte blieben die Regelung einer persönlichen und fachlichen Qualifikation des freien Notariats bis ins 18. Jahrhundert vollauf schuldig. In Ermangelung einer berufsständischen Selbstorganisation des gesamtdeutschen oder lokalen Notariats wäre eine solche gesetzliche Regelung allerdings im Stande gewesen eine Verbesserung des öffentlichen Notariats zu leisten. Das Gleiche gilt für die erforderliche Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche von öffentlichem und behördlich angestelltem Notariat. Auch im Interesse des Bestandes eines freien Notariats innerhalb städtischer Grenzen wäre eine solche Abgrenzung von großem Wert gewesen. Nicht zuletzt wäre das notarielle Publikum Nutznießer einer hieraus folgenden, besseren Wahlmöglichkeit zwischen Behördennotariat und einem etabliertem freien Pendant geworden. Während der kaiserliche Gesetzgeber des Jahres 1512 das selbst erklärte Ziel durch den Mangel einer solchen Abgrenzung verfehlte, war er auch nicht im Stande gewesen dies zu kompensieren. Hier konnten allerdings die lokalrechtlichen Bestimmungen mit ihren synergetischen Effekten zwischen ihrem Umfang und ihrer Systematik Hilfe leisten. Mit ihrer eigenen Entwicklung und der des urbanen gesellschaftlichen Lebens sicherten ebendiese Rechte einen hohen Qualitätsstandard im freien aber kleinen Notariat und dessen Tätigkeitsbereichen ab 1512. Mit dem erwähnten Bedeutungsverlust der Stadtrechte zum Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts mussten andere Stellen die Verantwortung übernehmen, den allgemeinen Schwächen des kaiserlichrechtlichen, freien (Gelegenheits-) Notariats zu begegnen. Diese Institutionen sahen sich der Aufgabe gegenüber, die wieder ansteigende Anzahl an Notaren zu begrenzen. Hatte bereits kurz nach in Kraft treten der kaiserlichen Ordnung das Reichskammergericht in seiner Verfassung verschiedene Anforderungen an den »geneigten« im Sinne des sich um Bestellung bewerbenden Notars428 gestellt, galten diese Anforderungen lediglich auf Reichsebene. Überdies fielen unter ihren Anwendungsbereich nur diejenigen Notare, die tatsächlich auf reichsgerichtlicher 428 Smend, das Reichskammergericht 1. Teil, Geschichte und Verfassung – Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des deutschen Reichs in Mittelalter und Neuzeit IV (1911/ Neudr. 1965), S. 367.
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
Ebene tätig sein wollten. Im Land »Hannover« nahmen sich im 18. Jahrhundert die lokalen (Landes-) Gerichte hieran ein Beispiel. Mit gleicher Zielsetzung sollte die zuvor weggefallene qualitätssichernde Barriere der Stadtrechte durch gerichtliche Ordnungen ersetzt werden. Im Hannoverschen kam diese Rolle dem in Celle ansässigen Oberappellationsgericht zu, das 1711 gegründet wurde. Die Gründung des Oberappellationsgerichts als oberstes Landesgericht ohne weitere Revisionsinstanz war Ausdruck der alleinigen, kurfürstlichen Gerichtshoheit, die schon seit der »Goldenen Bulle« (1356) das »privillegum de non appelando« mit der kurfürstlichen Würde verbunden hatte. Gemäß dieses Privilegs konnten Revisionsverfahren an ein Gericht des Reichs grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die 1713 geschaffene Gerichtsverfassung Celles wurde zugleich ein Instrument der Zugangskontrolle in das Notariat. Die maßgebende gesetzliche Grundlage und das gerichtliche Verfahren bildete im Kurfürstentum folgerichtig ab 1713 die »Celler Oberappellationsgerichtsordnung«. Diese war in ihrer ersten offiziellen Ausgabe überschrieben mit: »Churfürstlich Braunschweigisch- und Lüneburgische Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung, erlassen und publiziert von dem durchlauchtigsten Fürsten und Herren, Herrn Georg Ludwig, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, des heiligen Römischem Reichs Erzschatzmeister und Churfürst« (notariatsimmanente Stellen in Auszügen abgedruckt hier : In Anhang II, hier unter S. 361 – 363).429 Die Gerichtsverfassung schuf mithin, im Nachgang an die noch immer geltende aber im Ergebnis missglückte Ordnung von 1512 und den nicht mehr beachteten Stadtrechten, das nächste rechtliche Fundament für die Qualitätssicherung des Notariats in Hannover. 1.
Das neue Fundament der Zugangskontrolle in das hannoversche Notariat des 18. Jahrhunderts
In zwei größere systematische Abschnitte gegliedert, zerfiel die Gerichtsverfassung als in erster Linie prozessrechtliche Ordnung, in einen Prozessteil und einen ersten allgemeineren Teil. Im Rahmen des ersten Abschnitts wird unter Nr. VII (»von den Notarien und deren Matrikel«) auch das Notariat ausdrücklich erwähnt und ordnungsrechtlich erfasst.430 Hinzu treten Bestimmungen bezüglich der Stellung des Oberappellationsgerichts innerhalb des Fürstentums, gegenüber dem Landesfürst und zu anderen Gerichten sowie eine Taxenordnung. 429 Vgl. hierzu insgesamt: Die Ausgabe von Theodor Hagemann aus dem Jahr 1819, die hier abgedruckten Auszüge in Anhang II wurden aus dieser Fassung entnommen; hier unter S. 361 – 363; Hagemann, Die Ordnung des königlichen Ober-Appellations-Gerichts zu Celle von neuem herausgegeben und mit erläuternden Anmerkungen begleitet (1819). 430 Vgl. hierzu: Anhang II, (Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle 1713, Auszüge); hier unter S. 361 – 363.
Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713
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Neben den rein formell-rechtlichen Inhalten finden sich ebenfalls einige Bestimmungen, die dem materiellen Recht zuzuordnen sind. Sie sind allerdings in der Ordnung stark verstreut und haben dabei stets enge Verbindung zum gerichtlichen Verfahren.431 Entgegen den kaiserlichen Bestimmungen des Jahres 1512, die sich als reine Rechtskompilation darstellten, zeigt sich die Ordnung des Celler Gerichts als echte Kodifikation im modernen Sinn. Dies beweist die moderne Systematik mit vorangestelltem allgemeinem Teil und besonderen Regelungen im weiteren Verlauf des Bestimmungskanons. Hieran wird auch deutlich, dass hinter der Kodifikation ein echter, landesherrlicher Gesetzgeber mit einem ebensolchen Selbstverständnis stand. Für die Ordnung des Gerichts ist besonders mit Blick auf das Notariatsrecht zu bemerken, dass sich das in ihr kodifizierte prozessuale Recht insgesamt in eine bunt gemischte Rechtslandschaft einfügte, wie es seit jeher auch für das hannoversche Notariat der Fall war. Ebenso wie das nordwestdeutsche Notariat orientierte sich das Prozessrecht des 18. Jahrhunderts noch immer stark an gemeinrechtlichen Grundsätzen. Einzelnen Hofgerichten und Justizkanzleien kam zumeist, wenn überhaupt, nur durch Erlass besonderer, speziell auf sie zugeschnittener Ordnungen, ein eigenes Prozessrecht zu. Ein generelles und abstraktes Prozessrecht für das gesamte hannoversche Fürstentum bestand nicht. In diesem Zusammenhang nahm das Oberappellationsgericht in Celle als höchstes Gericht im kurfürstlichen Hannover eine bedeutende Stellung ein.432 War zwar bereits im Jahre 1718 eine Vereinheitlichung des gesamten prozessrechtlichen Regelungsstoffs für das hannoversche Fürstentum angestrebt worden, kam es hierzu dennoch nicht. Eine allgemeine, für alle Gerichte gleichsam geltende Gerichtsverfassung entstand erst im Jahre 1877.433 Die Celler Ordnung blieb somit für die unteren Gerichte und zugleich für das gemeinrechtliche Notariat im Kurfürstentum Hannover von 1713 – 1877 die maßgebliche Rechtsgrundlage. Sie konnte schließlich sogar bis in das Jahr 1879 Geltung für sich beanspruchen.434 Ihre das Notariat betreffenden Regelungen wurden erst ab 431 Vgl. hierzu: Anhang II, (Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle 1713, Auszüge); hier unter S. 361 – 363. 432 Zur Rolle, Funktion und Stellung des Oberappellationsgerichts zu Celle – auch im Vergleich zu anderen Spruchkörpern des 18. und 19. Jahrhunderts, vgl. auch insgesamt: Stodolkowitz, Das Oberappellationsgericht Celle und seine Rechtsprechung im 18. Jahrhundert (2011); sowie rezensierend: Süß, Rezension vom 27. Juni 2012, in: forhistiur, 2012, fhi.rg.mpg.de/rezensionen/pdf-files/1206suess.pdf, abgerufen am: 29. 01. 2013. 433 Gunkel, Zweihundert Jahre Rechtsleben in Hannover, in: Ders. (Hg.), FS zur Erinnerung an die Gründung des kurhannoverschen Oberappellationsgericht in Celle am 14. Oktober 1711 (1911), S. 32. 434 Gunkel, Zweihundert Jahre Rechtsleben in Hannover, in: Ders. (Hg.), FS zur Erinnerung an die Gründung des kurhannoverschen Oberappellationsgericht in Celle am 14. Oktober 1711 (1911), S. 32.
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
1853 durch die Hannoversche Königliche Notariatsordnung überflüssig und durch diese formal abgelöst. Zuvor kam es allerdings bereits im Jahre 1822 zu einer gewissen Zäsur durch die sogenannte Bestellungsverordnung435 des hannoverschen Regenten. Das Territorium, auf das sich die Zuständigkeit des Gerichts erstreckte, umfasste grundsätzlich die hannoverschen Kurlande mit dem Fürstentum Calenberg inklusive Göttingen und Grubenhagen sowie Lüneburg nebst Hoya und Diepholz. Trotz der späteren Erwerbungen blieb das Recht der letztinstanzlichen Entscheidung bis zum Reichsdeputationshauptschluss im Grundsatz auf die originären Kurlande beschränkt. Nach und nach fielen in der gerichtlichen Praxis aber auch die weiteren Besitztümer der hannoverschen Dynastie mit ihren lokalen Untergerichten in den praktischen Wirkungskreis der Celler Richter.436 Somit unterstanden auch die dort ansässigen Notare den Rechtssätzen der Gerichtsverfassung des Oberappellationsgerichts,437 wozu allen voran die Bestimmungen der Immatrikulation zählten. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts sollten zwar die zeitweise, französische Fremdherrschaft über Hannover438 (erste Besatzung: 1803 – 1805439 abgelöst durch eine preußische Okkupation:
435 Im Jahr 1822 (4./22. Juni 1822) veranlasste der hannoversche König Georg IV. mittels königlicher »Verordnung, die Bestellung der Notarien betreffend« die Schließung der Celler-Matrikelliste: Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1822, 1. Abtheilung Nr. 22, S. 133 – 134; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; von den Materialien zur Bestellungsverordnung haben sich lediglich Beratungsstücke der jeweiligen Landtagssitzungen erhalten, so auch: Scharnhorp, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert. Eine Untersuchung zum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente (2011), S. 57, Fßn. 259. 436 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007) und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 6 – 9, 6 f.; Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 54. 437 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 5; Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 54. Dass die weiteren Untergericht und anderen hannoverschen Gebiete in den Wirkungskreis Celles fielen hatte weitere Gründe, welche in der besonderen ständepolitischen Struktur des hannoverschen Staates ab 1714 begründet lagen; [dazu näher im 1. Kapitel des Teils 2 unter II 3 a) – c)]. 438 Hannover geriet – durch Frankreich als englische Provinz wahrgenommen – immer wieder zwischen die Fronten der drei großen Mächte Europas des 19. Jahrhunderts: England, Frankreich und Preußen. 439 Hannover wurde in den Jahren 1803 – 1805 als etwaiger Unterstützer der englischen Krone im schwelenden Konflikt zwischen Frankreich, Preußen und England durch Frankreich besetzt, so auch: Frhr. von Welck, Franzosenzeit im Hannoverschen Wendland (1803 – 1813). Eine mikro-historische Studie zum Alltagsleben auf dem Lande zwischen Besatzungslasten und Sozialreformen, Schriftenreihe des Heimatkundlichen Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Bd. 17 (2008), S. 50 ff.; John, Review of Frhr.v. Welck: Franzosenzeit im Hannoverschen Wendland (1803 – 1813), in: H-Net Reviews in the Humanities and Social Sciences (2009), S. 1 – 3, URL: http://www.h-net.org/reviews/showpdf.php?id= 24382, abgerufen am: 31. 05. 2012.
Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713
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1805 – 1806440 ; gefolgt von der zweiten französischen Besatzung: 1806 – 1813) die staatliche Identität Hannovers in Frage stellen. Erst im Rahmen dieser zweiten Besatzung folgte aber die offizielle Einverleibung Hannovers in das französische Territorium von 1811 – 1813, die die Tätigkeit des Gerichts in Celle bedingt in Mitleidenschaft zog.441 Das Notariat und die gerichtliche Rechtspflege sollten hiervon im Großen und Ganzen aber nicht betroffen sein.442 Lediglich in den Jahren 1811 – 1813 wurde im Zuge der französischen Okkupation das Oberappellationsgericht nach französischem Vorbild umorganisiert und seine ursprüngliche Ordnung trat zeitweilig außer Kraft. Es erfuhr eine Umbenennung in Oberappellationshof zu Celle und war daher nur noch für allgemeine Zivilsachen zuständig. Gleichzeitig hielt das französische Notariat zumindest in der Theorie in Hannover Einzug. Gesetzliche Grundlage für die Rechtspflege im Kurfürstentum wurde der Code Napoleon, wohingegen sich die französische Handhabung des Notariatswesens in der Praxis nicht durchsetzen konnte. Das französische Verständnis des Notariats als im Beamtenstatus organisiert vermochte im freien Notariat Hannovers nicht durchzugreifen.443 Gründe hierfür sind neben der kurz andauernden Besatzungszeit auch das Unvermögen, die völlige Umstrukturierung eines derart traditionellen Institutes, wie das des Notariats, nachhaltig umzusetzen. In den Jahren von 1811 – 1813 blieb es in Hannover daher beim bisherigen Verständnis des Notarwesens nach gemeinrechtlichen Maßgaben mit hinzutretender Celler-Gerichtsordnung.444 Der hannoversche Notar war auch in den Jahren der Besatzung noch immer frei tätiger Amtsträger, der der Urkunde öffentlichen Glauben verlieh und allein im Dienst der Allgemeinheit seine Tätigkeit verrichtete. Gleichwohl dies der Fall 440 Am 26. Oktober 1805 trafen die ersten Truppen in Hannover ein. Am 1. April 1806 nimmt Preußen offiziell von Hannover Besitz. Hannover wurde von 1805 bis Ende 1806 als etwaiger Unterstützer der englischen Krone im schwelenden Konflikt zwischen Preußen und England besetzt, so auch: Wrobel, von Tribunalen, Friedensrichtern und Maires; Gerichtsverfassung, Rechtsprechung und Verwaltungsorganisation des Königreichs Westphalen unter besonderer Berücksichtigung Osnabrücks, Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 11 (2004), S. 14 f. 441 Gunkel, Zweihundert Jahre Rechtsleben in Hannover, in: Ders. (Hg.), FS zur Erinnerung an die Gründung des kurhannoverschen Oberappellationsgericht in Celle am 14. Oktober 1711 (1911), S. 36 f. 442 Gunkel, Zweihundert Jahre Rechtsleben in Hannover, in: Ders. (Hg.), FS zur Erinnerung an die Gründung des kurhannoverschen Oberappellationsgericht in Celle am 14. Oktober 1711 (1911), S. 186 f.; 191 f.; 192 f.; Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 9. 443 Über die unterschiedliche Behandlung des Notariats als Institut der Rechtspflege – insbesondere im Hinblick auf eine Verbeamtung, einer solchen Behandlung oder eines tatsächlich freien öffentlichen Notariats in Hannover und den angrenzenden Territorien; (näher dazu im 3. Kapitel des 2. Teils unter I – III). 444 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 10.
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
war, befasste er sich nunmehr auf Grundlage des Code Napoleon erstmals auf gesetzlicher Basis ausschließlich mit der freiwilligen Gerichtsbarkeit und nicht nur mit einigen Teilen. Zudem war ihm die streitige Gerichtsbarkeit erstmals auch formalrechtlich nicht mehr zugänglich. Mit Beendigung der französischen Besatzung 1813 und dem Ausrufen des Königreichs Hannover verlor das Fürstentum zwar ein Teil seiner Besitzungen,445 das Gericht in Celle wurde allerdings mit seinen gesetzlichen Regelungen wieder vollständig installiert.446 Das in der Besatzungszeit zumindest theoretisch installierte Recht des Besatzers wurde nach 1813 rasch entfernt.447 Der Grund hierfür war eine entschiedene Abneigung gegenüber dem ehemaligen Besatzer auf Seiten Hannovers.448 Es kam im Notariatsrecht zu einer absoluten Restauration des vormaligen Zustandes. Das französische Notariat mit einem gänzlich anderen (Amts-) Verständnis der Tätigkeit449 hatte sich überdies nach 1813 nur dort behaupten können, wo das fremde Recht besser Geltung hatte entfalten können. Dies war hauptsächlich in den Gebieten linkerhand des Rheins der Fall gewesen – nicht aber im Nordwesten Deutschlands des jungen 19. Jahrhunderts. Die für das hannoversche Notariat wichtige Arbeit des Oberappellationsgerichts und weiterer Institutionen wie der Universität Göttingen ab dem Jahr 1737 gehen dem 19. Jahrhundert natürlich vor. Beide Stellen, das Oberappellationsgericht und die Universität nahmen im 18. Jahrhundert eigenständige Prüfungstätigkeiten für das Notariat auf. Das 19. Jahrhundert wird mithin erst im Anschluss an deren Darstellung beleuchtet werden. 2.
Das Ernennungs- und Auswahlverfahren im 18. Jahrhundert
Auf reichsrechtlicher Ebene oblag die Bestellung neuer Notare von jeher neben dem Kaiser den bevollmächtigten Pfalzgrafen.450 Ebenso verhielt es sich im hannoverschen Fürstentum des 18. Jahrhunderts. Neben das Oberappellationsgericht sollte im Jahre 1737 in hannoverschen Ländereien nach ihrer 445 Zur wechselhaften und besonders bewegten Raumgeschichte des Landes Hannover ; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 1 unter I). 446 Gunkel, Zweihundert Jahre Rechtsleben in Hannover, in: Ders. (Hg.), FS zur Erinnerung an die Gründung des kurhannoverschen Oberappellationsgericht in Celle am 14. Oktober 1711 (1911), S. 221 f. 447 Vgl. hierzu: Abb. II, hier unter S. 80; Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 14. 448 Der französische Besatzer hatte sein Recht dem okkupierten Hannover als Ausdruck der Besatzungsmacht aufgezwungen. So auch: Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 14. 449 Der französische Notar war tatsächlicher Staatsdiener, er war dementsprechend Beamter im ausschließlichen Dienst seine Landesherrn und somit Instrument des Staates; (dazu näher im 1. Kapitel des 2. Teils unter VI 1 – 3, insb. 3). 450 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 1 – 6 sowie II 2).
Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713
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Gründung die Universität Göttingen als ernennungsberechtigte Stelle treten.451 Genauso wie das Gericht tat sich die Universität hierbei als verantwortungsvolle Institution hervor, um das Fehlen der stadtrechtlichen Barrieren452 der vorangegangenen Jahrhunderte zu kompensieren. Der Wegfall der städtischen Rechtssätze in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts leistete dem Gelegenheitsnotariat Vorschub. Bereits das Notariat Maximilians I. hatte grundsätzliche, aber unzureichende Regelungen für eine Prüfung durch die Obrigkeit beinhaltet.453 Durch die von Beginn an nachlässige Ernennungspraxis der Pfalzgrafen liefen diese Ansätze bis in das 18. Jahrhundert allerdings ins Leere. Die unüberschaubare Zahl an Notariatsbestellungen, die oftmals weder mit Kontrolle der Kandidaten, noch deren fachlicher Qualifikation und erst recht nicht der Umstände ihrer Ernennung durch übergeordnete Stellen erfolgten, trugen zu dieser Zeit grundlegend zum Verfall des gemeinrechtlichen Notariats in Deutschland bei. Der Ruf des durch einen Pfalzgraf ernannten Notars litt folglich auch (wieder) in der öffentlichen Wahrnehmung des 17. und 18. Jahrhunderts schwer. Gleiches galt für die Wahrnehmung der pfalzgräflichen Ernennung innerhalb der notariellen »Zunft«. Im gesamten Nordwestdeutschland fielen immer wieder zu nachlässig ernannte Notare durch schlechtes Benehmen in der Öffentlichkeit, »Irreführung« ihrer Mandantschaft sowie durch »Unfähigkeit und Unwissenheit« negativ auf.454 Diese Notare entstammten im Speziellen immer wieder dem Gelegenheitsnotariat. Hinzu trat auf Seiten der Pfalzgrafen das vorrangige Befriedigen der eigenen finanziellen Interessen. Die Ernennung war für die Pfalzgrafen bereits zu Beginn eine Einnahmequelle, da sich bis ins 18. Jahrhundert das Kreierungswesen zu einem ertragreichen Geschäft für sie entwickelt hatte. Dies führte letztlich dazu, dass oftmals unwissende, unzüchtige und unfähige Kandidaten zum Notar berufen wurden.455 Das Gros der Pfalzgrafen machte sich somit auch im 18. Jahrhundert über den Bedarf an neuen Notaren keinerlei Gedanken und ernannte diese 451 Gleiches lässt sich für die Universität Helmstedt (1578) oder Halle (1663) und somit noch früher, als für die Universität Göttingen nachweisen. So auch: Seidl, die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in: DRiZ 1959, S. 313 – 316, 313. 452 Siehe zu diesen Barrieren auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 a), b) – c). 453 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II 3 b); Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 134 f. 454 So auch: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 51; »Kaiser Maximilian beauftragte die kaiserliche Kommission auch die »Ars Notarius« zur Erledigung des kaiserlichen Auftrages (Schaffung einer kaiserlichen Notariatsordnung), Vorsorge zu treffen, den Gebrechen und Mängeln zu begegnen herangezogen hat.«; vgl. hierzu auch: Meyer, Wurzeln notarieller Tätigkeit, in: DNotZ 1986, S. 132 – 157, 136, (Ergänzung nicht im Original). 455 So auch: Kroeschell/Cordes/Nehlsen v. Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 2, 1250 – 1650, (2009), S. 30; Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 43.
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vollauf unreflektiert. Dieser Umstand trat zeitweise derart offensichtlich zu Tage, dass er auch den verantwortungsvolleren Institutionen des 18. Jahrhunderts mit Göttingen und Celle auffiel und auf lange Sicht deren relativierendes Wirken hervorrief. Zu klären bleibt, wie das Oberappellationsgericht ab 1713 mit den bereits ernannten Notaren, neuen Bewerbern und ca. 25 Jahre später mit den durch die Universität Göttingen geprüften Kandidaten im eigenen Bezirk umging. Es galt zum einen unfähige Vertreter grundsätzlich fernzuhalten, zum anderen gänzlich neue Ernennungen bestmöglich zu kontrollieren. Um beides zu gewährleisten, beinhaltete die Gerichtsordnung Celles entsprechende Bestimmungen im erwähnten Abschnitt 1, Titel VII. Methodisch betrachtet galt es mit den Celler Bestimmungen an erster Stelle der überhandnehmenden Anzahl an praktizierenden, freien (Gelegenheits-) Notaren im Kurfürstentum Hannover Herr zu werden. Um dies zu gewährleisten, musste der genaue Personalbestand zunächst erfasst werden. Dies wurde erste Bedingung zur Erreichung einer realistischen Verbesserung des Notariats im Bezirk Celles und zugleich Pflicht für den hier tätigen Notar. Es galt sich fortan in das gerichtliche Personalregister, das sogenannte Matrikel, eintragen zu lassen. Die bereits nach reichsrechtlichen Bestimmungen ernannten Notare oder diejenigen, die ab 1737 durch Göttingen ernannt worden waren, konnten dieser Pflicht im Celler Bezirk theoretisch ohne größere Schwierigkeiten nachkommen. Sie hatten ein gewisses Vorrecht auf Eintragung, ohne einen gesonderten Nachweis ihrer Qualifikation erbringen zu müssen. § 2 des Titels VII der Ordnung lautete daher : § 2 des Titels VII Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle: »Da aber schon einer bei den höchsten Reichsgerichten immatrikuliert wäre, solle er doch schuldig seyn, bei diesem Gerichte sich zu melden, seine Immatrikulation gebührend zu docieren, und, daß er auch dessen Matrikel einverleibt werde, Ansuchung zu tun, damit ihm dann ohnweigerlich soll willfahrt werden.«456
Die Eintragung war jedoch für jeden Notar, wollte er im Celler Bezirk tätig werden, obligatorisch. § 1 des Titels VII der Ordnung bestimmte folglich: § 1 des Titels VII Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle: »Die Notarii, welche sich in Unsern Landen und also auch bei dem Ober-Appellations-Gerichte und den dabei vorkommenden oder davon dependierenden Actibus wollen gebrauchen lassen, sollen ihrer Geschicklichkeit und Redlichkeit bekannte Personen, und sie seyn einheimisch oder ausländisch, entweder bei dem höchsten Reichsgerichte immatrikuliert seyn, oder sich bei Unsern Ober-Appellations-Gerichte dazu verordneten Matrikel, welche Unser Pronotarius halten soll, immatrikulieren lassen und keinen sonst, 456 Vgl. hierzu: Anhang II, (Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle 1713, Auszüge); hier unter S. 361 – 363.
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das Notariat- Amt in diesen Landen zu ererciren, verstattet, noch ein solcher zur Verrichtung einer Actuum attmitiert werden.«457
Derweil wurde als weitere Voraussetzung zur Tätigkeit, und nicht zuletzt zur Sicherung der Qualität der notariellen Arbeit nicht bloß einem abgelegten Examen Bedeutung zugemessen. Sehr viel höheres Gewicht kam dem gesellschaftlichen Ruf des Kandidaten und dessen Lebensführung zu. Beides sollte Indiz mit entscheidender Aussagekraft für die notarielle Integrität sein. Zugleich wurde es dem Celler Gericht hierdurch möglich, Notare in seinem Bezirk nicht zuzulassen, die sich der eigenen Stellung als Teil der kurfürstlichen Rechtspflege nicht hinreichend bewusst waren. Konnte der verlangte, sittsame Lebenswandel eines Kandidaten in gesellschaftlicher oder auch beruflicher Hinsicht nicht überzeugen, wurde ihm die Zulassung schlicht verwehrt. Dies galt ebenso für den bereits geprüften und anderweitig zugelassenen Notar wie auch für den echten Notarskandidaten. Das Vorrecht auf Immatrikulation eines schon zugelassenen und schon andernorts eingetragenen Notars konnte somit in der Praxis durch Celle effektiv begrenzt werden. Beide Anforderungen waren selbstverständlich eng miteinander verbunden und finden sich ebenfalls im publizierten Gesetzestext der Ausgabe des Jahres 1813 in Form von erläuternden Kommentierungen am Norm-Text direkt wieder. Zum oben wiedergegebenen § 1 der Gerichtsverfassung hieß es in der offiziellen Gesetzeserläuterung – welche somit zugleich verlässliche Interpretation der Bestimmungen war : Offizielle Gesetzeserläuterung zu § 1 Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle: »[…] sind nicht hinreichend, die Gewährung des Gesuchs um Aufnahme in die Matrikel der Notarien zu bewirken, wenn der Kandidat nicht zugleich völlig glaubhafte Beweise seiner Moralität und tadelsfreien Aufführung beibringt. Hält das höchste Tribunal die zu den Zwecke produzierten Beweisstücke nicht für vollkommen genügend oder sind deshalb keine glaubhaften Atteste beigebracht, so wird über Leben und Wandel des Kandidaten von öffentlichen Behörden, gerichtlichen Personen oder anderen angesehenen, glaubwürdigen und unparteiischen Männern von Amts wegen Erkundigung eingezogen. Ergibt sich daraus die gegründete Besorgnis einer suspecta fidei […], so wird die nachgesuchte Immatrikulation, ohne nähere Erklärung gegen den Kandidaten, folglich abgeschlagen.«458
Mithin zeigt sich an der scharfen Formulierung der Kriterien, denen sich der Bewerber gegenüber sah, dass dem kurfürstlichen Gesetzgeber und dem Gericht die Relevanz der schon geschilderten Missstände im Notariat bis in das 18. Jahrhundert hinein sehr bewusst waren. Gleiches zeigt die erhebliche Be457 Vgl. hierzu: Anhang II, (Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle 1713, Auszüge); hier unter S. 361 – 363. 458 Vgl. hierzu: Anhang II, (Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle 1713, Auszüge); hier unzter S. 361 – 363.
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weislast, der sich der jeweilige Immatrikulationskandidat gegenübersah. Der hannoversche Gesetzgeber suchte und fand also effiziente Auswege aus der (Gesamt-) Situation des 18. Jahrhunderts. Bewarb sich ein bereits durch einen Pfalzgrafen nach reichsrechtlichen Bestimmungen zugelassener Notar, der jedoch wenig fähig war, konnte dieser im Land »Hannover« immer noch auf Grundlage der offiziellen Interpretation und Kommentierung der Celler Ordnung abgelehnt werden. Gleiches galt für diejenigen Notare, die an anderen Reichsgerichten bereits tätig waren. Bemerkenswert ist hier insbesondere, dass bereits abgelehnte Kandidaten kein Anrecht auf nähere Begründung der gerichtlichen Entscheidung oder gar erneute Überprüfung in einem Widerspruchsverfahren hatten. Auch hier kam das privilegum de non appellando und seine besondere Bedeutung zum Tragen – bestand doch gar keine höhere Instanz zur Überprüfung der Celler Entscheidung. Die Prüfungspraxis in Celle, die Ernennung neuer Kandidaten und die Überprüfung schon ernannter Notare wirkte sich innerhalb des eigenen Bezirks und schließlich im gesamten Kurfürstentum Hannover mithin positiv aus. Dem gerichtlichen Tribunal in Celle kam somit ab 1713 eine wirkungsvolle Filterfunktion hinsichtlich der Qualität des notariellen Berufsstandes zu. Die unverantwortliche Ernennungspraxis der mittlerweile unüberschaubaren Anzahl von Pfalzgrafen war Anfang des 18. Jahrhunderts allerdings so evident geworden, dass auch die Universität Göttingen, als kreierende Stelle gezielte Kritik an der Praxis einzelner Grafen ausdrücklich übte. Beispielhaft hierfür ist etwa der Hofpfalzgraf Stielke zu nennen, den auch Schultze- von Lasaulx als besonders bemerkenswertes Negativbeispiel anführt. In den Beständen des universitären Archives ist dementsprechend ein solcher (Ernennungs-) Sachverhalt auszumachen,459 für den Stielke verantwortlich zeichnete und über welchen die Universität daher hart urteilte. Sie ließ hierzu offiziell verlauten: »[…] daher (auf Grund der laxen Ernennungspraxis des Hofpfalzgrafen Stielke) dann auch so viele Klagen und Unordnungen zum äußersten Missvergnügen der hiesigen Obrigkeit (über das Notariat) entstehen.«460
Die unverantwortliche Ernennungspraxis wurde also auch in Göttingen als Hauptursache für die Missstände im hiesigen Notariat ausgemacht. Ganz im 459 Vgl. hierzu auch: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 51. 460 Universitätsarchiv Göttingen: »Acta betr. die von Prorectoren als Pfalzgrafen ertheilten Notariatsdiplome in alphabetischer Reihung«; hier die causa Stubbe; dessen Ersuchen um weitere Prüfung die Universität ausdrücklich befürwortete und zugleich erhebliche Kritik am ernennenden Hofpfalzgrafen Stielke übte: »Das dieser einem jeden Schuhfetzer und völlig Unwissendem, mit dem Siegel und Diplomatie befoerderlich«, (Ergänzungen nicht im Original); so auch zu finden bei: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 51.
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Gegensatz zur unreflektierten Vorgehensweise der Pfalzgrafen, erfolgten jedoch nachweislich eine Vielzahl der Notariatsernennungen im Kurfürstentum des 18. Jahrhunderts durch die bedachteren Stellen Celle und Göttingen. Indes darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hierbei um Gremien und Institutionen handelte, die nicht den finanziellen Ertrag als Hauptziel ihrer Prüfungund Ernennungspraxis verfolgten. Insbesondere neben Celle war es der Göttinger Universitätskolleg, der mildernd auf die schlechte Qualität im Notariat Nordwestdeutschlands einwirken konnte.461 Beide Stellen taten sich hierbei besonders hervor. Die universitären Examina fanden überwiegend am Sitz der Universität statt, was bei den meisten Kandidaten mit ihrem ohnehin dort absolvierten Studium der Rechte korrespondierte.462 Aus den Protokollen der universitären Examina ergibt sich somit Folgendes: »Die Prüfung wurde in lateinischer Sprache abgelegt und umfasste neben Kenntnissen des kaiserlichen Notariatsrechts auch Fragen speziellerer Natur.«463 Letztere kreisten in der Hauptsache um das wichtige Thema der Erstellung von einzelnen Notariatsinstrumenten.464 Hierbei galt es ferner, den Kandidaten auch im Bereich des gesamten, immer noch einschlägigen gemeinen Rechts zu überprüfen. Nicht zuletzt diente die Prüfung wohl auch dem Zweck, sich über die eigene Wahrnehmung des Kandidaten innerhalb der kurfürstlichen Rechtspflege klar zu werden.465 Die Examina wurden stets durch den Prorektor der Universität unter Hinzuziehung von zwei Zeugen abgenommen. Ersterer trat hierbei in seiner Funktion als Pfalzgraf auf.466 Beide Zeugen mussten indes Juristen sein, was zum einen der bedeutenden rechtlichen Komponente der notariellen Tätigkeit Rechnung trug, zum anderen eine fachlich fundierte Prüfung nach außen hin signalisieren sollte. »Die Prüfung der Notare galt im Ganzen dennoch als leicht zu bestehendes, universitäres Examen.«467 Gleichwohl konnte die Prüfung nur unter wenigen Voraussetzungen erlassen werden: Nur solche Kandidaten, die bereits einen universitären Abschluss vorzuweisen hatten, 461 Die einschlägigen Akten der Notariatsdiplome der Universität Göttingen sind heute zu finden im Göttinger Universitätsarchiv unter der Signatur : »Acta betr. Die von Prorectoren als Pfalzgrafen ertheilten Notariatsdiplome«, in alphabetischer Reihung unter – Stubbe; so auch: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 45 unter Fßn. 137; Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 388, Fßn. 36. 462 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 46. 463 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 46. 464 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 46; Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 388. 465 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 46 ff. 466 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 45 f. 467 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 46.
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konnten mit einer solchen Erleichterung rechnen.468 Nur dem Advokaten, ohne gleichzeitigen universitären Abschluss, kam das Privileg zu, auch ohne zusätzliche Prüfung gegebenenfalls als Notar tätig werden zu können. Hierzu war jedoch stets eine genaue Überprüfung seines Einzelfalls durch das Universitätskolleg erforderlich.469 Nach bestandener Prüfung und Vereidigung erhielt der Examinierte »in Verbindung mit einer kurzen Spruchformel sein Notariatssiegel sowie als Symbol für seine Tätigkeit Pergament und Tinte überreicht.«470 Die meisten der so geprüften Kandidaten hatten, wie soeben gesagt, das Studium der Rechte an der Universität absolviert. Auch wenn dies nicht zwingende Voraussetzung für ihre Tätigkeit als Notar war,471 konnte mithin für alle Prüflinge nicht nur ein gewisses Maß an Rechtskunde vorausgesetzt werden. Insofern gelang der Universität Göttingen allein durch ihre Prüfungstätigkeit zumindest eine gewisse Kontrolle des Notariats dieser Zeit. Dies galt jedoch lediglich für Neubestellungen durch die Prüfungskommission. Wich sie zwar vom gemeinrechtlichen Ernennungsverfahren nicht grundsätzlich ab, prüfte sie dennoch nachhaltig und fundiert. Auf der anderen Seite war die fachliche Qualifikation von Kandidaten für die Ernennung durch den Pfalzgrafen in persona nie von größerer Bedeutung. Nach wie vor stellten allerdings die durch wirtschaftlich motivierte Pfalzgrafen ernannten Kandidaten das Gros des hannoverschen Notariats.472 Die universitäre Prüfungspraxis kann daher, trotz ihrer positiven Wirkung, als insgesamt nur wenig bedeutsam gewertet werden; obwohl durchaus zu betonen bleibt, dass sie auch innerhalb des Notarstandes positive Wirkung hatte; denn: Die Ernennung durch den Pfalzgrafen in persona genoss im Land »Hannover« keinen guten Ruf. Vom tatsächlich gelehrten Kandidaten und auch vom ehrbaren Praktiker wurde sie daher nicht als standesgemäß empfunden. Sie bemühten sich mithin durch die Universität oder auch durch Celle nochmals offiziell legitimiert zu werden. Oft kam es vor, dass der bereits durch den Grafen ernannte Notar um weitere Prüfung durch die Universität oder das Oberappellationsgericht ersuchte. So etwa geschehen im Fall des Notars Stubbe, dessen Sachverhalt und Ernennung die Universität, nach seinem Ersuchen um weitere Prüfung, auch zu obig zitierte Aussage bezüglich seiner zuvor erfolgten Ernennung durch den Pfalzgrafen Stielke bewegte.473 Nicht die mindere Qualifikation des Kandi468 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 46 f. 469 Für die Ernennung der Notare durch die Universität, vgl. hierzu: Arndt, Hofpfalzgrafenregister Bd. I – III, (1964 – 1988), S. 195 ff. 470 Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 46 f. 471 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 5 sowie unter III 1 – 2. 472 Seidl, die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in: DRiZ 1959, S. 313 – 316, 315. 473 So geschehen im Fall des Notars Stubbe, welche um seine Prüfung durch die Universität bittet, nachdem er bereits durch einen Pfalzgraf ernannt worden war; Göttinger Univer-
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daten sollte Anlass hierzu geben, vielmehr war es sein Ersuchen um weitere Prüfung und Legitimation selbst – welche zugleich den nachlässig ernennenden Pfalzgrafen anprangerte. Zeigen sich für Göttingen einige interessante Fälle und Erkenntnisse der Prüfungstätigkeit aus den erhaltenen Aktenbeständen des Universitätsarchivs und der Sekundärliteratur, liegt es für Celle anders. Die Celler Matrikel und ihre Listen sind kriegsbedingt unvollständig, die Prüfungsprotokolle zum allergrößten Teil vernichtet worden.474 Die Untersuchung der Prüfungstätigkeit des obersten Gerichts in Hannover ist jedoch anhand einiger weniger verbliebener Dokumente zum Teil noch möglich. Aus diesen ergeben sich wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf die bereits bestehende Vorbildung der Notariatskandidaten und die Anforderung an neue Bewerber, die das Gericht formulierte. Das Oberappellationsgericht prüfte und lehnte gegebenenfalls, anders als die Göttinger Universität, Kandidaten und Anwärter aufgrund königlicher Rechtsgrundlage (Oberappellationsgerichtsordnung) ab. Obschon Göttingen in der Ernennung- und Prüfungspraxis jüngeren Datums ist, soll der Celler-Praxis im Folgenden ein eigener Punkt gewidmet werden. a) Die Prüfungs- und Ernennungspraxis im »Celler Bezirk« Sofern es während des 18. Jahrhunderts zu Bewerbungen für das Notariat im Celler-Bezirk kam und der Kandidat weder universitär, noch anderweitig geprüft oder bei einem anderen Reichsgericht immatrikuliert war, sah er sich mehreren gesetzlichen Hürden gegenüber. Zum einen galt es den Anforderungen des vorstehend zitierten § 1 Titel VII gerecht zu werden; zum anderen bot § 3 desselben Titels der Gerichtsordnung ein weiteres Instrument der Zugangskontrolle in den Berufsstand des hannoverschen Notariats. Sowohl dem sittlichen Lebenswandel des Bewerbers als auch dem vor Gericht abgelegten Examen kam auf dieser Grundlage eine große Bedeutung zu. § 3 der Gerichtsordnung verhielt sich daher wie folgt:
sitätsarchiv ; »Acta betr. die von Prorectoren als Pfalzgrafen ertheilten Notariatsdiplome in alphabetischer Reihung«, hier der Fall Stubbe; diesen Fall bringt als Beispiel auch an: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 49 f.; Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 388 unter Fßn. 36; weitere Fälle der ersuchten Nachprüfung durch die offiziellen Stellen finden sich in der Zahl, der in Anhang V genannten Notare; [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; hier unter S. 378 – 381; hierzu im Folgenden mehr. 474 Siehe hier: Einleitung mit Blick auf den Quellenbestand zum hannoverschen Notariatsrecht und Notariats, insb. hier unter : S. 23 ff.
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§ 3 Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle: »Was aber andere bei denen höchsten Reichsgerichten nicht immatrikulierte Notarios betrifft, hat unser Oberappellationsgericht vor deren Rezeption in Matrikulam sicher ihrer Geschicklichkeit und Wandels halber mit Fleiß zu erkundigen, auch ein Examen mit denselben, dabei dann der Pronotarius das Protokollum halten soll, anstellen zu lassen und darauf nach Befindung wegen ihrer Immatrikulation etwas gewisses zu statuieren.«475
Es lassen sich heute noch verschiedene Urkunden und Notariatsdiplome dieser Zeit in den Beständen des Landesarchives Niedersachsen, Hauptstaatsarchiv Hannover, hier in der Außenstelle Pattensen, finden.476 Jene Quellen geben Aufschluss über den beruflichen Werdegang und die juristische Vorbildung einzelner Bewerber für den Bezirk Celle. Es finden sich etwa einzelne Kandidaten, die bereits mit dem Titel des Dr. jur. eine Stelle als Notar anstrebten.477 Ein Beispiel gibt der Fall des kurfürstlichen Notars Karl August Wilhelm Angerstein. Auch beinhalten die Quellen oftmals sowohl Ernennungsurkunden als auch sogenannte »Bestallungen«478 (Bestellungs-Nachweise) der Notare. Ernennungen und Bestellungen sind hierbei voneinander zu unterscheiden. Die Bestellung erscheint als formaler, indes allein für sich gesehen nicht zur Tätigkeit berechtigender Verwaltungsakt, dem die Verleihung des entscheidenden Diploms sowohl voraus als auch nachgehen konnte. Die Ernennung bildete hierbei lediglich den förmlichen Abschluss des Verfahrens. Bemerkenswert ist, dass auch die damalige Justizverwaltung einem abgekürzten Verfahren bezüglich Ernennungen und Bestellungen bereits andernorts immatrikulierter Kandidaten abgeneigt gegenüber zu stehen schien. Auch dies mag dem Interesse um die Qualität und der Verbesserung des Notariats geschuldet gewesen sein. Unter dieser Prämisse ist bei Betrachtung der Quellen auffallend, dass zwischen der Bestellung zum Notar und der Verleihung des Diploms oder auch der Examensprüfung größere Zeitspannen (zum Teil bis zu zwei Jahren) liegen konnten und die Reihenfolge beider Akte nicht zwingend war.479 Es drängt sich somit die Vermutung auf, dass einige Notare, die vor ihrer nachweislichen Immatrikulation in 475 Vgl. hierzu: Anhang II, (Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle 1713, Auszüge); hier unter S. 361 – 363. 476 Vgl. hierzu: Anhang VI, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 1 – 47; hier unter S. 382 – 387. 477 Vgl. hierzu: Anhang VI, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 32; hier unter S. 382 – 387. 478 Auch in der heutigen Bundesnotarordnung (BNotO) werden die Bestellungen zum Notariat als »Bestallung« bezeichnet. § 12 BNotO spricht insoweit von der »Bestallungsurkunde«; vgl. hierzu insgesamt: Erster Teil, Erster Abschnitt §§ 1 – 13, § 12 BNotO. 479 Vgl. hierzu: Anhang III, (Illustration); hier unter S. 368.
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Celle bereits die Bestellung zum Notar durch einen Pfalzgrafen erhalten hatten oder zuvor bei anderen Reichsgerichten geführt worden waren. Diese bereits andernorts geführten Notare suchten mithin ihre offizielle Stellung als Organ der hannoverschen Rechtspflege durch die gerichtliche Diplomierung weiter zu untermauern. Das Erlangen der tatsächlich ersten und für diesen Fall konstitutiven Tätigkeitserlaubnis setzte im Celler-Bezirk diese gerichtliche Prüfung indes zwingend voraus. Zeitliche Verzögerungen kamen dennoch auch hier des Öfteren vor. Dies wird aus den Archivbeständen ebenfalls ersichtlich. Beispielsweise lässt sich dies für die Person Johann August Nessenius feststellen. Er erhielt die Bestellung zum Notar im Jahr 1795, das tatsächliche Diplom und hiermit seine formale Erlaubnis zur Aufnahme seiner Tätigkeit aber erst ein Jahr darauf.480 Ferner ist für diesen Fall bemerkenswerterweise ein lückenloser Ablauf des Prüfungs- und Ernennungsverfahrens aus den Quellen zu erkennen. Es findet sich hier sogar ein Protokoll der erfolgten Vereidigung.481 Der abschließende formale Vereidigungsakt fiel gleichermaßen in das Jahr 1795. Auch seinerzeit konnte ein verwaltungsrechtliches Zulassungsverfahren mithin eine gewisse Zeit dauern. Die genauen Gründe hierfür lassen sich in der Nachschau nicht mehr finden. Anders liegt es hingegen bei Heinrich Wilhelm Ludwig Barth,482 welcher beides, sowohl die Bestellung als auch die Diplomierung und somit die formale Tätigkeitserlaubnis 1804 und somit im selben Jahr erhielt. Die Bestellung zum Notar erfolgte allerdings auch hier erst nach bestandenem Examen. In richtiger Reihung und in zeitnaher Abfolge erhielten ebenfalls die hannoverschen Notare Seeger und Suffert durch das Gericht ihre zur Tätigkeit berechtigenden Urkunden mit Diplom und Bestellung. In diesen beiden Fällen kann somit auf eine fehlende, anderweitige Immatrikulation bei weiteren Reichsgerichten oder vorangegangen Bestellung durch einen Pfalzgrafen sowie zugleich auf eine Erstzulassung im Gerichtsbezirk sicher geschlossen werden. Wie bereits erwähnt, ist bei anderen Notariaten zu vermuten, dass sie bereits bei anderen Reichsgerichten immatrikuliert waren, ihrer Reputation halber 480 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 24/22; hier unter S. 378 – 381. 481 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 23; hier unter S. 378 – 381. 482 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 39/40; hier unter S. 378 – 381.
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dennoch daneben das »Celler«-Diplom und somit die Legitimation von hierzu durch den Landesherrn berufener Stelle erwarben. Eben dies mag auch bei einigen, der in Anhang V aufgenommenen Personen die größeren, zeitlichen Zäsuren zwischen Bestellung und dem Erhalt des Diploms erklären. Dies ist etwa für den Notar Carl Justus Erhard Benecken anzunehmen. Hier ging die Bestellung im Celler Bezirk dem Erhalt des Diploms mit einem Abstand von ganzen zwei Jahren voraus.483 Ferner finden sich neben den tatsächlichen Ernennungsurkunden auch vereinzelte Doktordiplome und bereits promovierte Notariatsbewerber in den Beständen. Letzteres gilt beispielsweise für den (Anwalts-) Juristen Dr. Georg Friedrich Müller.484 Gleichermaßen wurden etwa im Fall des oben erwähnten Notars Benecken485 sowie für dessen Kollegen Angerstein486 oder etwa die Person des Johann Heinrich Westhoffs in den Jahren 1803, 1798 und 1804 ein Doktortitel der Rechtswissenschaften verliehen. Ersterer hatte zugleich das Diplom als comes palatinus erhalten, war jedoch bereits 1793 zum einfachen Notar bestellt worden. Das hierfür nötige Diplom erhielt er allerdings mit einer Verzögerung von zwei Jahren erst 1795.487 Interessant ist hier insbesondere die Ernennung zum sogenannten comes palatinus, was begrifflich den Blick wieder auf das Pfalzgrafenamt fallen lässt. Auch dieses notarielle Amt war, trotz der negativen Erfahrungen mit dem Pfalzgrafenamt, eine Anlehnung an ältere Zeiten. Es erweiterte den formalen Zuständigkeitsbereich des »gewöhnlichen« Notars. Benecken war fortan zur Erstellung von Urkunden befugt, die ansonsten einer zuvor einzuholenden landesherrlichen Speziallegitimierung bedurft hätten. Insbesondere war dies der Fall für die notariatsurkundliche Feststellung von Adelstiteln. Eine nachträgliche Qualifikation, die auch insbe483 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 21/39; hier unter S. 378 – 381. 484 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 36 12 ; hier unter S. 378 – 381. 485 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 38; hier unter S. 378 – 381. 486 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 32; hier unter S. 378 – 381. 487 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 37; 20; hier unter S. 378 – 381.
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sondere das Steigern der eigenen Reputation beinhaltete, ist für Benecken aufgrund der erheblichen Zäsur zwischen Bestellung und dem Erhalt des CellerDiploms sicher anzunehmen. Den Eindruck einer guten Qualifikation der Notare in Hannover bestätigen weitere, noch erhaltene Urkunden aus der Zeit zwischen 1765 – 1815. Sie gewähren einen genaueren Einblick in die gerichtliche Ernennungspraxis und fachliche Eignung der Bewerber. Beispielgebend ist hierfür die Prüfungsanfrage eines Dr. jur. Deneken488 im Bezirk Celles. Für diesen Fall ist eine ähnliche Sachlage zu bemerken, wie im bereits erwähnten Fall des Notars Stubbe mit dem Antrag an die Universität Göttingen.489 Die Anerkennung und Prüfung durch das Gericht genossen demnach auch innerhalb der notariellen Zunft offenbar hohes Ansehen. Als besonders einzigartiges Dokument ist ferner die Beantragung des Notars Ernst Just Tegeler490 auf Bestätigung als Celler-Canton, sprich Bezirksbzw. Destriktnotar, in den Quellen zu finden, nachdem er ca. 15 Jahre zuvor in Celle bereits geprüft wurde und ein allgemeines Notariatsdiplom sowie eine Bestellung erhalten hatte.491 Auch hier sollte offensichtlich eine besondere Reputation mit lokalrechtlichem Gepräge nach außen getragen werden. Die individuelle Motivation der genannten Notare zur nachträglichen Prüfung bleibt trotz genauerer Nachschau verborgen, da die Quellen diesbezüglich schweigen. Jedoch erscheint der Schluss auf das Anstreben eines höheren Ansehens im Angesicht der allgemeinen Situation des gemeinrechtlichen Notariats des 18. Jahrhunderts naheliegend. Die Quellen und Materialien weisen auf eine nicht zu vernachlässigende, fachliche Gesamtqualifikation des Notariats im hannoverschen Kurfürstentum hin. Auch kann im hannoverschen Notariat ein berufsständisches Bewusstsein, zumindest im Fall der tatsächlich gebildeten Kandidaten, unterstellt werden. Diese beabsichtigten, sich gezielt vom Gros der ungeübten und wenig fähigen gemeinrechtlichen Gelegenheitsnotare des 18. Jahrhunderts abzugrenzen. Sie zeigten hierdurch ein bemerkenswertes Qualitätsbewusstsein bezüglich ihrer eigenen Tätigkeit. Dies überrascht, da 488 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 44; hier unter S. 378 – 381. 489 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter III 2 a) –1 – b). 490 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 46; hier unter S. 378 – 381. 491 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 29; 46; 49; hier unter S. 378 – 381.
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keine berufsständische Organisation für das Notariat mit derartiger Zielsetzung existierte und ein echtes Kammerwesen für das Notariat, auch in Hannover, noch lange würde auf sich warten lassen.492 Dennoch ergaben sich innerhalb des Notariats durch die Institutionen Celle sowie die Universität Göttingen einmal mehr förderliche Synergien zwischen den rechtlichen Anforderungen Celles, dem »Standesbewusstsein« des Notariats, der schlechten öffentlichen Wahrnehmung des gemeinrechtlichen und juristisch ungeübten Notars und der hannoverschen Prüfungstätigkeit. Nicht zuletzt übernahm das Celler Tribunal in gewisser Weise die Vorläuferrolle einer berufsständischen Kammer mit der Aufgabe der dementsprechenden Berufsaufsicht. Insgesamt kann mithin festgehalten werden, dass die Prüfungs- und Ernennungspraxis des Oberappellationsgerichts, die kurz nach seiner Gründung begann, das Notariat Hannovers und seine Qualität stark förderte.493 Urkunden, die weiter als 1768 zurückliegen, wie z. B. die Immatrikulationslisten des Gerichts, sind unwiederbringlich verloren. Genaue Aussagen lassen sich daher über die ersten 50 Jahre nach Gründung des Gerichts nicht (mehr) treffen. 51 Urkunden (hier aufgelistet in Anhang V/VI; hier unter S. 378 – 387) bezeugen indes eine durchgehende Prüfungs- und Bestellungspraxis des obersten Gerichts im Land »Hannover«. Hinsichtlich der Ernennungspraxis während der bereits angesprochenen, französischen Besatzungszeit von 1811 – 1813 und der Umstrukturierung des Gerichts494 lassen sich leider keine exakten Aussagen treffen. Hierfür mangelt es an gerichtlichen Dokumenten aus dieser Zeit, wie die Findbücher des Hauptstaatsarchives Hannover zeigen. In der Zeit zwischen 1811 – 1813 finden sich keinerlei Dokumente hinsichtlich vorgenommener Prüfungen von Notariatskandidaten.495 Die Archive beinhalten zu dieser Epoche keine einzige Ernennungs-, Prüfungs- oder Bestellungsurkunde. Die Lücke innerhalb der Quellen schließt sich allerdings unmittelbar mit Beendigung des napoleonischen Einflusses und zeigt ab 1814 wieder Ernennung- und Prüfungsverfahren vor dem Celler Gericht.496 Zu der Zeit des napoleonischen Rechts prüfte und ernannte Celle also nicht. Während die zweite französische Besatzung das fremde Recht nach Hannover brachte und das Notariat zumindest formal hätte beeinflussen können, gab es diese Beeinflussungstendenz in den Jahren der ersten Besatzung (1803 – 1805) 492 493 494 495 496
Siehe dazu auch im 3. Kapitel dieses Teils 1 unter III. So auch: RiOLG-Celle i.R. Eckhard, Vorwerk; fernmündliche Auskunft vom 10. 08. 2009. Siehe dazu auch im 3. Kapitel dieses Teils 1 unter III. Vgl. hierzu: Anhang III, (Illustration); hier unter S. 368. Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 47; hier unter S. 378 – 381.
Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713
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nicht. Die Vermutung, dass das Notariat auch in tatsächlicher Hinsicht in der Zeit von 1803 – 1805 von französischen Rechten tatsächlich unberührt blieb,497 bestätigen sodann die Quellen des Hauptstaatsarchivs Hannover. In den Jahren der ersten Okkupation zeigen sich weder Unterbrechungen der Prüfung- und Ernennungspraxis des Gerichts, noch Umstrukturierungen der rechtspflegenden Organe oder gar deren Umbenennung.498 Nach der Abdankung Kaiser Franz II. am 6. August 1806 als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, konnte in Hannover auch kein formalkaiserliches Recht die Notariatsernennung mehr bestimmen. Die grundsätzlich mögliche Delegierung des vormals bestehenden, kaiserlichen Reservatrechts auf einen Pfalzgrafen entfiel zu Beginn des 19. Jahrhunderts daher auch in »verfassungsrechtlicher« Hinsicht, was dazu führte, dass neue Pfalzgrafen nicht mehr ernannt werden konnten. Gleichwohl bestanden die alten Grafschaften fort. Der Wegfall des Reservatrechts darf hierbei nicht verwechselt werden mit dem kaiserlich-gemeinrechtlichen Notariatsrecht (von 1512) selbst. Dieses blieb freilich bestehen und auch in Geltung. Neue Notare wurden fortan allerdings (1806 – 1811, dann ab 1813) nur noch nach dem oben gezeigten hannoverschen Landesrechts (Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts) geprüft und ernannt. Nur selten kam es daher noch zu einer an die gräfliche Ernennung anschließenden Bestätigung eines Notars durch Celle.499 Wurde diese Praxis zwar von 1811 – 1813 unterbrochen, konnten dennoch mit Beendigung der zweiten Besatzung ab 1813 in Hannover wieder alte und damit klare, territoriale Verhältnisse im Notariatsrecht einkehren. Hierauf wird noch zurückzukommen sein.500 Die Celler Bestimmungen blieben demnach auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts für die Ernennungspraxis und Qualitätssicherung des Notariats weiterhin maßgeblich. Können anhand der vorliegenden Materialien und Quellen die genauen Prüfungsanforderungen nur bedingt beleuchtet werden, lassen sich dennoch die Anforderungen der Celler Bestimmungen anhand des Gesetzestextes der Gerichtsordnung skizzieren. Da sie somit für das 19. Jahrhundert eine große Rolle spielten, sollen sie im Folgenden kurz dargestellt werden. Von be-
497 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter III 2. 498 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 40; 44; 39; 38; 43, 37; hier unter S. 378 – 381. 499 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter III 2 a) – b). 500 Der französische Einfluss auf die Gerichtsorganisation in Celle wurde auch formal wieder entfernt und eine Prüfungstätigkeit konnte wieder aufgenommen werden; (dazu näher im 1. Kapitel des 2. Teils unter I 1 – 3).
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
sonderem Belang wird hierbei die Frage der möglichen Inkompatibilität von Advokatur und Notariat im Land »Hannover« sein. b)
Prüfungsanforderungen und Inkompatibilität von Advokatur und Notariat in »Hannover« Die vor dem Gericht abzulegende Prüfung des kurfürstlichen Notariatskandidaten war dem Grunde nach der Prüfung durch die Universität Göttingen vergleichbar. Ebenso wie in Göttingen erhielt der Kandidat erst nach bestandener Prüfung sein Diplom.501 Auch im Bezirk wurden die Kenntnisse um das gemeinrechtliche Notariat nach kaiserlichem Verständnis verlangt. Insbesondere § 5 des Titels VII der Ordnung502 stellte hierbei ausdrücklich auf das kaiserliche Recht von 1512 als maßgebliche, zu beherrschende Rechtsquelle ab. Zugleich nahm die Gerichtsordnung hierbei Bezug auf die örtlichen Gewohnheiten und Territorialrechte, um die der Notar wissen musste. Legte man in Celle, wie soeben ausgeführt, besonderen Wert auf ein sittsames Leben des Notars und hatte man hierfür sogar gesetzliche Grundlagen geschaffen, galt die Prüfung durch das Gericht dennoch nicht als unüberwindbar. Infolgedessen sollten sich bis in das 19. Jahrhundert hinein die gerichtlichen Matrikellisten immer weiter füllen und trotz gerichtlicher Zugangskontrolle eine merkliche Überfüllung eintreten.503 Von besonderem Rang für das hannoversche Notariat war darüber hinaus die Möglichkeit, neben dem Notariat den Beruf als Anwalt ausüben zu können bzw. zu dürfen. Obschon hierfür in der Gerichtsordnung keine gesetzliche Grundlage bestand, sollte sich die bereits im 16. Jahrhundert geübte Praxis504 der juristischen Nebentätigkeit des Notars im Kurfürstentum und späteren Königreich bis in die Moderne fortsetzen. Trotz einer grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Advokatur und Notariat nach gemeinem Recht, wurde durch die prüfungsrechtliche Handhabung der Advokatur und des Notariats einem hannoverschen Anwaltsnotariat Vorschub geleistet. Denn es bestand die Mög501 Vgl. hierzu: Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)], Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Cal. Or. 87 Nr. 8; 41; 42; 24; 39; 36/1; 36/2; 36; 34; 30; 26; 1; 21; 17; 32; 12; hier unter S. 378 – 381. 502 Vgl. hierzu: Anhang III, (Illustration); hier unter S. 368. 503 Gunkel, Zweihundert Jahre Rechtsleben in Hannover, in: Ders. (Hg.), FS zur Erinnerung an die Gründung des kurhannoverschen Oberappellationsgericht in Celle am 14. Oktober 1711 (1911), S. 221 f. 504 Im Land »Hannover« war es seit jeher de facto üblich gewesen, dass sich das öffentliche Notariat – insbesondere in städtischen Ballungsräumen – mit Nebentätigkeiten zum Notariat wirtschaftlich absichern musste. Diejenigen Notare, die tatsächlich die ars notaria studiert hatten, verbanden hiermit oftmals auch das Studium der Rechte, um in der Heimat auch vor Gericht agieren zu können; (siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 1 – 2 sowie I 4).
Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713
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lichkeit, sowohl die Prüfung zum Anwalt als auch die Notariatsprüfung simultan vor dem Celler Gericht abzulegen.505 Man folgte somit der Tradition in hannoverschen Territorien, da die Ursprünge für die Personalunion zwischen Notar und Anwalt, also die Verbindung von Notariat und Juristerei, bereits zu den Anfängen des nordwestdeutschen Notariats für ein wirtschaftliches Überleben des freien Notars wichtig gewesen waren.506 Das in vielen Gebieten, so etwa in Preußen, hitzig diskutierte Thema der Zulässigkeit des Anwaltsnotariats beschäftigte in Hannover daher nicht weiter. In Preußen wurde es durch die Regierung 1781 als ungewolltes Nebenprodukt der Verwaltungsreform eingeführt.507 Während sich also in anderen, unmittelbar angrenzenden Gebieten eingehend mit der Kompatibilitätsfrage von Notarsund Anwaltsberuf auseinandergesetzt wurde, stellte sich dieses Problem in Hannover nie.508 Das Anwaltsnotariat wurde hier über das Prüfungsrecht faktisch zugelassen und mithin auch formell-rechtlich eingeführt oder vielmehr bloß aufrechterhalten. Über die Kombinationsmöglichkeit war dem rechtlich gebildeten Notar in Hannover seit jeher ein besseres Auskommen beschieden gewesen.509 Daneben musste sich der hannoversche Notar, der auch schon zu mittelalterlichen Zeiten idealerweise Jurist war, dem stets steigenden Anforderungsprofil fügen.510 Dies galt etwa bereits für den Konkurrenten des kirchlichen Schreibers in Offizialanstellung. Das Notariat konnte die Juristerei im Angesicht der Vormachtstellung des Behördenschreibers511 ohnehin nicht umgehen. Es finden sich daher – auch für das 18. Jahrhundert – in den Beständen des obersten Gerichts Quellen, die bis in das Jahr 1749 Advokatenmatrikel mit sowohl reinen Advokaten als auch Anwaltsnotare ausweisen.512 Gleichermaßen wird aus diesen Listen ersichtlich, dass entweder die Möglichkeit bestand, zuerst die Notariatsprüfung nach obiger Darstellung abzulegen und sich darauf folgend der Advokatenprüfung zu unterziehen oder auch beide Prüfungen zugleich zu ab-
505 Urteile und Hauptbescheide des königlichen Oberappellationsgerichts zu Celle abgefasst und publiziert, den 6. Dezember 1749. 506 Hierbei handelte es sich stets um eine Verbindung beider Berufszweige, die in erster Linie wirtschaftliche Gründe hatte und auf Grund der Nähe des Notariats zu den Rechtswissenschaften an deutschen Gerichten weite Verbreitung fand; [siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter II b) bb)]. 507 Conrad, die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 3 ff. 508 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 17. 509 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 1 – 6 510 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1 unter I 1 – 6. 511 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 1unter II 3 b) aa) – dd). 512 Urteile und Hauptbescheide des königlichen Oberappellationsgerichts zu Celle abgefasst und publiziert, den 6. Dezember 1749.
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
solvieren.513 Diese Prüfungspraxis war somit nicht nur notariats- sowie anwaltsfreundlich, sondern für die Kandidaten auch wirtschaftlich attraktiv. Aus den genannten Gründen finden sich in den Archivalien mehrere Notare, die in Hannover ansässig waren und überdies Advokaturen innehatten. Beispielsweise ist dies den noch bestehenden Materialien des Niedersächsischen Landesarchives für den direkt in Hannover praktizierende und residierende Notar und Anwalt Dr. Erdmann zu entnehmen.514 Infolge der attraktiven Wahlmöglichkeit, zwischen hannoverschem Anwaltsnotariat oder Nur-Notariat, stieg die Anzahl der hannoverschen Notare trotz Prüfungszwangs und der Nachweispflicht einer tadellosen Lebensführung immer weiter. Um dieser zunehmenden Überfüllung im hannoverschen Notariat Einhalt zu gebieten, wurde im 19. Jahrhundert daher mit königlicher Verordnung vom 4. Juni 1822 das Celler Matrikel geschlossen.515 Fortan wurde die Ernennung neuer Notare dem Kabinettsministerium überantwortet.516 Die bisher abzulegende Prüfung vor dem Oberappellationsgericht blieb jedoch unangetastet und weiterhin Pflicht für diejenigen Notare, die sich in hannoverschen Landen niederlassen und betätigen wollten.517 In der Verordnung hieß es mithin: 513 Urteile und Hauptbescheide des königlichen Oberappellationsgerichts zu Celle abgefasst und publiziert, den 6. Dezember 1749. 514 Vgl. hierzu Anhang V, [Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; hier unter S. 378 – 381. 515 Im Jahr 1822 (22. Juni 1822) veranlasste der hannoversche König Georg IV. mittels königlicher »Verordnung, die Bestellung der Notarien betreffend« die Schließung der CellerMatrikelliste: Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1822, 1. Abtheilung Nr. 22, S. 133 – 134; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; Von den Materialien der Bestellungsverordnung haben sich lediglich Beratungsstücke der jeweiligen Landtagssitzungen erhalten, so auch: Scharnhorp, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert. Eine Untersuchung zum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente (2011), S. 57, Fßn. 259; Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 12. 516 Verordnung, die Bestellung der Notarien betreffend (4./22. Juni 1822): »[…] Wir (Georg IV.) vernehmen, dass in diejenigen Theilen Unseres Königreiches Hannover, wo es noch zur Zeit jedem bei Unserem Ober-Appellations-Gerichte immatrikulierten Notar unverwehrt ist, sich, wo er will, niederzulassen und seinen Wohnsitz nach Gefallen wieder zu verändern, die Zahl der Notarien hie und da stärker angewachse sey, als es mit dem gemeinen Besten sich vertrage. / Damit nun diesem Übel Einhalt gescheh, auch eine strengere Auswahl der mit dem wichtigen Notariats-Amte zu bekleidenden Personen allgemein statt finde: so haben Wir beschlossen, die Ansetzung der Notarien in dem ganzen Umfange Unsers vorgedachten Königreiches hinfort Unserem Cabinets-Ministerio ebenso ausschließlich anzuvertrauen, […]«; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1822, 1. Abtheilung Nr. 22, S. 133 – 134; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2 (Ergänzung nicht im Original). 517 Gunkel, Zweihundert Jahre Rechtsleben in Hannover, in: Ders. (Hg.), FS zur Erinnerung an die Gründung des kurhannoverschen Oberappellationsgericht in Celle am 14. Oktober 1711 (1911), S. 221 f.
Die Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle von 1713
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Verordnung, die Bestellung der Notarien betreffend (4./22. Juni 1822): »Unseres Königreiches Hannover, wo es noch zur Zeit jedem bei Unserem Ober-AppellationsGerichte immatrikulierten Notar unverwehrt ist, sich, wo er will, niederzulassen und seinen Wohnsitz nach Gefallen wieder zu verändern, die Zahl der Notarien hie und da stärker angewachse sey, als es mit dem gemeinen Besten sich vertrage. / Damit nun diesem Übel Einhalt gesche, auch eine strengere Auswahl der mit dem wichtigen Notariats-Amte zu bekleidenden Personen allgemein statt finde: So haben Wir beschlossen, die Ansetzung der Notarien in dem ganzen Umfange Unsers vorgedachten Königreiches hinfort Unserem Cabinets-Ministerio ebenso ausschließlich anzuvertrauen, […]
Dem über das gesamtdeutsche Notariat des 17., 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts verbreiteten schlechten Ruf des gesamtdeutschen Notariats muss für den Bezirk Celles und für das Land »Hannover« mithin widersprochen werden. Die zweifelsohne immer wieder auftretenden Mängel im Notariat konnten durch die kontrollierte Ernennungspraxis der Universität Göttingen und des Oberappellationsgerichts in Hannover abgemildert werden. Der kurfürstliche Gesetzgeber sah sich im Hinblick auf das Notariatsrecht trotz dieser immer wieder auftretender Mängel gleichwohl nicht zum Handeln gezwungen. Vielmehr ließ er die kaiserlichen Regelungen des Jahres 1512 unangetastet und modifizierte lediglich den Zugang in das Notariat über eine territoriale Gerichtsordnung sowie durch die faktische Prüfungstätigkeit der Göttinger Universität. Allerdings ließen die reichsrechtlichen Regelungen von 1512 seit jeher Bestimmungen hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen in persönlicher und fachlicher Hinsicht vermissen. Anders als in den Städten, wie etwa in Hamburg,518 wurde dem Kandidaten gleichwohl immerhin eine fachliche Prüfung und ein makelloser Lebenswandel durch die Celler Gerichtsordnung abverlangt. Insbesondere das letztere Kriterium dürfte dazu geführt haben, dass unfähige aber bereits anderweitig ernannte freie Notare mit ihrem gegebenenfalls rufschädigenden Verhalten aus dem Land »Hannover« ferngehalten werden konnten. Ob es tatsächlich aus Gründen mangelnder Sittlichkeit zu Ablehnungen im Celler Bezirk kam, kann anhand der heute noch vorliegenden Restbestände an Archivalien nicht mehr mit Sicherheit geklärt werden. Gleichwohl konnte in Celle mittels der bewusst strengen Beweislast für den Notariatskandidaten und der mangelnden Möglichkeit der Appellation an ein übergeordnetes Tribunal ein wirkungsvolles und zudem »gesetzlich positiviertes« Instrument zur Qualitätskontrolle des Notariats installiert werden. Göttingen stand hier dem Grunde nach nicht hinten an, konnte sich jedoch nicht auf ein eigenes landesherrliches Institutionsrecht berufen. 518 Mit Blick auf die reichsrechtlichen Mängel der KNO/RNO so auch: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 53.
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
Insgesamt lässt sich für den kaiserlichen, hannoverschen Notar nach dem Untergang der Stadtrechte ein Bild des umfassend und frei tätigen Amtsträgers zeichnen, der zugleich auch Advokat sein konnte. Ein zu früheren Zeiten oftmals nötiger fachfremder Nebenerwerb wurde durch die mögliche Verschmelzung von Anwalts- und Notarberuf entbehrlich. Der hannoversche Notar dieser Epoche war im Fürstentum und Gerichtsbezirk des Oberappellationsgerichts bestens qualifiziert. Dem in der Justizkanzlei des Landesherrn angesiedelten Behördenschreiber konnte er selbstbewusst entgegentreten. Trotz landesrechtlicher Flankierung durch die Celler Gerichtsordnung ab 1713 blieb die mangelbehaftete, kaiserliche Notariatsordnung von 1512 in Hannover freilich noch weitere 150 Jahre in Kraft. Ihre Mängel konnten jedoch im 17. und 18. Jahrhundert, wie auch schon im 16. Jahrhundert, durch Gesetze auf »Landesebene« kompensiert werden.
IV.
Resümee zum »hannoverschen« Notariat bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts
Ziel des ersten Teils der Untersuchung war die Darstellung des hannoverschen Notariats, seiner rechtlichen Bestimmungen sowie seines Herkommens vom italienischen Ursprung bis in das 19. Jahrhundert. Parallel sollte eine Gesamtschau und Bewertung der reichsrechtlichen sowie territorialen Normen bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorgenommen werden. Die hierzu gewonnenen Erkenntnisse können selbstverständlich nicht alle auf den gesamtdeutschen Raum übertragen werden. Als territorialrechtlicher Befund des Teils 1 der Untersuchung ist daher Folgendes festzuhalten: Die erste echte Gesetzgebung – auch für das Notariat in welfischen Gebieten – war die kaiserliche Notariatsordnung von 1512. Sie war übergeordnete Reichsgesetzgebung und stand über dem Territorialrecht. Der kaiserliche Gesetzgeber wollte mit ihr das von Ort zu Ort stark divergierende Notariatsrecht regeln und – nicht zuletzt auf Geheiß des Reichsgerichts – verbessern. Dies gelang jedoch nicht. Schuld hieran trugen vor allem die rahmenartige Struktur der KNO/RNO und das mangelnde Selbstverständnis ihres Schöpfers als monopolistischer Gesetzgeber. War die Ordnung von 1512 zwar Produkt gesamtstaatlicher Reaktion auf eine schlechte Qualität des gesamtdeutschen Notariats, mangelte es am Willen und Vermögen des Gesetzgebers mit ihr neues Recht zu schaffen. Von der Sicherheit des traditionellen und über Jahrhunderte bestehenden Gewohnheitsrechts »geblendet«, verließ sich der Reichsgesetzgeber zu sehr auf dessen Bestand. Genauere Inhalte und ein dezidiertes Wissen um die lokalrechtlichen Regelungen hatte er hierbei nicht. Hinzu trat die unverantwortliche Ernennungspraxis der Pfalzgrafen. Beide Faktoren korrelierten zum Nachteil
Resümee zum »hannoverschen« Notariat bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts
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des Notariats positiv miteinander und verschärften die Situation im deutschen Notariat immer weiter. Dennoch ist der Befund, jedenfalls für die welfischen Territorien bis in das 19. Jahrhundert, weit weniger desolat als anfänglich vermutet. Die partikularen Rechte Hannovers vermochten es, das Notariat nachhaltig zu stützen und dessen Qualität zu sichern. Als bloßes Beiwerk der allgemeinen Rechtsentwicklung fand es zwar nur im Einzelfall Erwähnung, wurde durch diese lokalrechtlichen Sammlungen in seiner Qualität allerdings effektiv vom gemeinrechtlichen Einfluss und Gelegenheitsnotariat abgeschirmt. Stellten die Stadtverfassungen und umfangreichen Rechtssammlungen zwangsläufig hohe Anforderungen an den Anwender, war eine juristische Vorbildung für diesen unerlässlich geworden. Dies galt sowohl für den freien Notar als auch seinen städtischen Konkurrenten, den Behördenschreiber. Diese Konkurrenz, insbesondere in städtischen Rechtskreisen, machte es für den freien, öffentlichen Notar notwendig, ebenso gut gebildet zu sein wie sein städtisches Pendant. Den hohen und für viele freie Notare kaum zu bewältigenden Konkurrenzdruck durch den Stadtschreiber und die daraus resultierende gute Bildung der wenigen, öffentlichen Notare belegen dementsprechend die gewonnenen Erkenntnisse zum Notariat der Stadt und des Landes »Hannover«. Zeigt sich dies etwa an der notariellen Personalgeschichte des 16. Jahrhunderts am Beispiel der hannoverschen Stadtschreiberei, gilt dies auch für die durch Celle geprüften Notare des 18. Jahrhunderts. Die in der frühen Neuzeit für das Notariat wichtige eigenständige (Rechts-) Entwicklung im Land »Hannover« begünstigte in der Folge die Entwicklung und Sicherung eines brauchbaren Notariats. Immer wieder vermochten Synergien zwischen urbaner, partikularer und landesherrlicher Rechtsentwicklung sowie städtischer Emanzipation grobe Mängel im hannoverschen Notariat en passant abzufangen. Mitte des 17. Jahrhunderts sollte sich dies aber ändern. Mit der Residenznahme des Landesherrn hielt auch das gemeine römische Recht im städtischen Hannover Einzug. Während die landesherrliche Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts hierdurch veranlasst wurde mit neuen lokalen Bestimmungen die Ausübung des Amtes von einer gerichtlichen oder universitären Prüfung und Ernennung abhängig zu machen, war der hannoversche Notar im 16. Jahrhundert allein aufgrund städtischer Rechtssätze von guter Qualität gewesen. Gleichwohl das öffentliche Notariat zu dieser Zeit noch klein war, musste es doch mit dem reputierlichen Stadtschreiber konkurrieren. Hatte sich in Hannover somit für den freien Notar schon zu früheren Zeiten das Bedürfnis ergeben, weitere Einnahmequellen hinzuzuziehen, trat im 18. und insbesondere 19. Jahrhundert in Hannover die Diskussion um eine Inkompatibilität von Advokatur und Notariat im Gegensatz zu seinen Nachbarstaaten nicht zu Tage. Völlig neue Wege auf dem Gebiet des Notariatsrechts sollte Hannover indes
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Das hannoversche Notariat in der Zeit bis 1853
erst ab 1853 beschreiten. Hier schuf es die erste, vollständig eigene Notariatsgesetzgebung mit der dann Königlichen Hannoverschen Notariatsordnung (HNO). Trotz verschiedener Instrumente der Zugangskontrolle in das Notariat, die vom 16. bis in das 18. Jahrhundert in Hannover immer wieder das (gemeinrechtliche) freie Notariat verbesserten, sollte das kaiserliche Notariat in Hannover formell erst mit der Schaffung ebendieser königlichen Ordnung von 1853 überkommen sein.
2. Teil – Hannover, sein Notariatsrecht und Notariat im 19. Jahrhundert
Bis hier wurden mit dem Mittelalter, der frühen Neuzeit und dem 16. bis 18. Jahrhundert die Ursprünge des (hannoverschen) Notariats in drei Schritten als erste Gesamtetappe der Rechtsentwicklung des notariellen »Schreiberstandes« beleuchtet. Nunmehr setzt sich die Untersuchung schwerpunktmäßig mit der Epoche des 19. Jahrhunderts auseinander. Der vollauf eigenständigen Rechts- und Personalentwicklung im hannoverschen Notariat wird hierbei das Hauptaugenmerk zukommen. Ebenso wird die Abkehr vom gemeinrechtlichen Verständnis des notariellen Institutes, wie es noch nach reichsrechtlichem Vorbild Kaiser Maximilians I. gehandhabt wurde, eine Rolle spielen.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
1. Kapitel – Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts und die Königliche Hannoversche Notariatsordnung von 1853 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren mit dem Untergang des »Alten Reiches« sowie dem fortschreitenden Niedergang der (Lokal-) Rechte seit Mitte des 17. Jahrhunderts im gesamtdeutschen Raum ideale Voraussetzungen für landesrechtliche Zersplitterung und territoriale Zergliederung entstanden.519 Im Notariatsrecht sollte es nicht anders sein, obgleich das hannoversche Notariat bereits zuvor guter Qualität war. Dies konnte im ersten Teil dieser Untersuchung gezeigt werden. Eine wirklich eigenständige sowie umfassend regelnde Kodifikation für das Notariat ließ im Jahr 1814 entstandenen Königreich Hannover gleichwohl noch ca. 40 Jahre auf sich warten. Zu klären bleibt, worin diese Verzögerung, trotz einer vollständigen politischen Neuordnung des hannoverschen Staates, gründete.
I.
Hannoversche Notariatsgesetzgebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder Beibehaltung französischrechtlicher Einflüsse?
Im ersten Teil der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass sich nach Beendigung der französischen Fremdherrschaft und dem gleichzeitigen Untergang des »Alten Reiches« das Recht der Besatzer in einigen Teilen Deutschlands nachhaltig hatte etablieren können. Dies galt teilweise auch für das Notariat und sein Recht. Das französische Recht etablierte sich etwa in Hamburg, den Gebieten linkerhand des Rheins oder auch in Braunschweig tiefgreifender.520 In anderen Gebieten war dem Code Napoleon eine Etablierung nicht nachhaltig gelungen. In diesen Teilen des Deutschen Bundes wurde in jeglicher Hinsicht zum »alten gemeinen Recht« zurückgekehrt. Diese Rückbesinnung und zugleich Restauration machte allerdings spezielle Gesetze für das Notariat notwendig, da die untergegangenen, territorialen Stadtrechte, die hervorragende Dienste geleistet hatten,521 ersetzt werden mussten. Überdies war eine gesamtdeutsche Notariatsgesetzgebung längst nicht in Sicht. Zu diesen eher rückwärtig orien519 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 25; Euler, Handbuch des Notariats in Preußen nebst der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Gerichte und mit Rücksicht auf das übrige Deutschland, Frankreich und anderer Länder (1858), S. 33. 520 Für Hamburg vgl.: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 54 ff.; für Braunschweig: vgl.: Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1. 521 Durch die Stadtrechte wurde das gemeinrechtliche Gelegenheitsnotariat de facto aus den Städten und ihrer gesamten Rechtskreise ferngehalten; (siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 – 6).
Hannoversche Notariatsgesetzgebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts
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tierten Gebieten zählte auch Hannover.522 Restaurationsbestrebungen brachten das gemeinrechtliche Notariat hier und somit in den Nordwesten Deutschlands zurück. Diese Restauration im Recht wurde allem voran durch das Unvermögen der französischen Besatzer, das gemeine deutsche Recht während der Besatzung wirkungsvoll zu verdrängen, begünstigt.523 Hieran schließt sich die Frage an, wie man innerhalb der Grenzen des hannoverschen Königreichs mit dem Notariat und dessen rechtlicher Erfassung in den ca. 40 Jahren von 1814 – 1853 umging; denn fehlten zum einen die konkretisierenden städtischen Lokalrechte, konnte hier mit dem Oberappellationsgericht und dem Göttinger Universitätskolleg auf beispiellose Institutionen vergangener Zeiten einfach zurück gegriffen werden. Unter den deutschen, partikularen »Notariats«-Rechten des beginnenden 19. Jahrhunderts ist – nach Beendigung der französischen Okkupation – daher im Grundsatz zwischen zwei Strömungen524 zu unterscheiden: Auf der einen Seite standen diejenigen deutschen Staaten, welche das gemeine Recht früherer Zeiten als Grundlage für ihre Rechte schlicht und umfassend wieder heranzogen; auf der anderen Seite waren solche Territorien zu finden, die völlig eigene gesetzgeberische Wege gingen. Die erstgenannte der beiden Bewegungen sollte den größeren Teil ausmachen, während sich das Institut des Notariats in Letzterer durch eine umfassende Gesetzgebung rechtlich neu (v)erfasst sah. Diese noch frühen Formen der echten Notariatsgesetzgebung orientierten sich zumeist, ähnlich wie auch die Oberappellationsgerichts-Ordnung Hannovers aus dem Jahr 1713, dennoch stark an gemeinrechtlichen Grundsätzen. Diesen Grundsätzen wurde häufig französisches Recht implementiert.525 Eine mittelbare Etablierung französischer Einflüsse kann daher vielerorts verzeichnet werden. Ein im Detail noch darzustellendes Beispiel französisch geprägter Notariatsordnungen ist etwa die Ordnung des Herzogtums Braunschweig aus dem Jahr 1850.526 Diese lag überdies im Dunstkreis Hannovers. Einzig das preußische Recht, dass bereits ab 1781527 von den bis dahin ge522 So auch: v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 322. 523 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 1 – 2. 524 Oesterley, Das Deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. II (1842/Neudr. 1965), S. 27. 525 Oesterley, Das Deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. II (1842/Neudr. 1965), S. 29. 526 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1. 527 Vgl. hierzu: Allgemein preußische Gerichtsordnung Theil III, Titel 7, S. 239 – 283, Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten: Verfahren in nicht streitigen Angelegenheiten. Pflichten der Justizbedienten, Bände 2 – 3 (1816), bayerische Staatsbibliothek, digitalisierte Fassung, http://books.google.de/books?id=TWJEAAAAcAAJ& hl=de& s ource=gbs_navlinks_s., abgerufen am: 24. 04. 2012. In einigen älteren Provinzen des Königreichs Preußen finden sich auch schon aus früheren Zeiten umfassende Notariatsbestimmungen.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
bräuchlichen Bestimmungen weiter entfernt war, als andere Gebiete, sollte vollauf ohne französische Einflüsse auskommen.528 Dieses für seine Entstehungszeit neuartige preußische Recht sollte auch im 19. Jahrhundert noch in hannoverschen Hoheitsgebieten Geltung entfalten und für notariatsrechtliche Uneinheitlichkeit im Land »Hannover« sorgen.529 Wie bereits an anderer Stelle erwähnt,530 erfasste der preußische Staat das Notariat allerdings im Zuge einer neuen Gesetzgebung zur Verwaltungsreformierung. Die neuen Regelungen des Notariats waren weder erklärtes Ziel, noch besonders ausgereift. Die starke Entfernung vom althergebrachten Recht kaiserlicher Zeiten war somit lediglich ein Nebenprodukt preußischer Verwaltungsgesetzgebung, das das preußische Notariat en passant nachhaltig beeinflusste. Eine diesem preußischen Vorstoß gleichstehende »Emanzipation« von der alten Gesetzgebung Kaiser Maximilians I. brachten nur wenige andere Staaten zu Wege. Beispielsweise findet sich eine umfassende und echte Notariatsgesetzgebung für das frühe 19. Jahrhundert auch in Hamburg.531 Während aber in der Hansestadt das französische Recht in hohem Maße zur (Rein-) Anwendung kam,532 wurde das Recht der ehemaligen Besatzer andernorts hingegen ausdrücklich abgelehnt. Diesen Weg der völligen Ablehnung sollte auch das Land »Hannover« beschreiten. Selbstverständlich geschah dies nicht, ohne das Oberappellationsgericht und seine Regelungen als genuin hannoversche Institutionen nach 1813 zu revitalisieren. Trat zwar ab 1822 die Schließung der in Celle geführten Matrikel hinzu, führte das Gericht dennoch seine Prüfungstätigkeit stetig fort.533 Das hannoversche Notariat fiel mithin nach der Schaffung des Königreichs einer relativ radikalen Restauration des gemeinen Rechts, der kaiserlichen Ordnung von 1512 sowie den Bestimmungen der Gerichtsordnung Celles anheim. Ein positiver Aspekt dessen war gleichwohl die Beibehaltung der Prüfungstätigkeit des Gerichts auf Grundlage seiner strikten (Prozess-) Ordnung. Die hannoversche gemeinrechtliche Restauration fiel mithin im Ergebnis weniger radikal aus, als es auf den ersten Blick den Anschein macht; denn die mangelhaften kaiserlichen Normen des Jahres 1512 kamen 528 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 13. 529 Das preußische Recht sollte insb. in den hannoverschen Territorien, welche vormals preußisch beherrscht waren weiter Geltung entfalten; (dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter V 1). 530 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 2. 531 Vgl. hierzu grundlegend und erkenntnisreich, auch zum hamburgischen Notariat: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 54 ff.; 71 ff. 532 Vgl. hierzu: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 57 ff. 533 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des 1. Teils unter III 2 a) – b).
Hannoversche Notariatsgesetzgebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts
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dabei nicht alleine zu neuerlicher Anwendung. Das Oberappellationsgericht hatte, schon vor der französischen Fremdherrschaft gute Arbeit geleistet und dem hannoverschen Notariat und dessen Qualität genutzt. Diese Arbeit setzte es nunmehr fort und kompensierte weiterhin das Fehlen einer früheren stadtrechtlichen Flankierung des Notariatsrechts. Völlig anders verhielt es sich in denjenigen »Ländern«, die nicht unter französischer Fremdherrschaft gestanden oder in der frühen und späten Neuzeit institutionsrechtliche Barrieren für ihr Notariat geschaffen hatten. In diesen Gebieten waren nach Abzug der Franzosen bzw. nach Abdankung des letzten deutschen Kaisers eigene Gesetze für das Notariat ohnehin erforderlich geworden. Diese sollten insbesondere auf die neue Reichsverfassung reagieren und das an sich überkommene, kaiserliche Recht in einigen Territorien bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts vollauf ersetzen. So entstanden in Bayern,534 Württemberg oder Baden ab 1806 vollauf eigene, notariatsrechtliche Bestimmungen. Teilweise sollten sich diese Kodifikationen sogar vollständig von gemeinrechtlichen Traditionen lösen. In wieder anderen Teilen Deutschlands wurde das freie Notariat völlig abgeschafft oder es war in der traditionellen Form vollauf außer Gebrauch gekommen.535 Festzuhalten bleibt aber, dass eine eigene, selbstständige, hannoversche Kodifikation in der Zeit von 1814 – 1853 noch nicht entstand, das französische Recht aber ebenfalls nicht »beibehalten« wurde. Gleichwohl wäre dieser Zeitpunkt für neuartige und originär hannoversche Bestimmungen ideal gewesen; denn: Mit diesen hätte sich der hannoversche Staat eventuell von den gemeinrechtlichen Grundsätzen der vergangenen Jahrhunderte und seinen Mängeln vollauf lösen können. Dem sich schon um die Gründung des Celler-Gerichtstribunals als echten Gesetzgeber begreifenden hannoverschen Landesherrn wäre ein solcher Schritt gegebenenfalls leicht möglich gewesen. Dass der hannoversche Landesherr in der Zeit von 1814 – 1853 nicht vehementer vorging, hatte indes innenpolitische Gründe, auf die noch genauer einzugehen sein wird.536 Ungeachtet dessen kam es unmittelbar nach Gründung des hannoverschen Königreichs noch nicht zu einer neuen hannoverschen Kodifikation. Die Ordnung des Oberappellationsgerichts hatte sich bewährt und wurde wohl als noch immer zeitgemäß angesehen. Dieser Zustand im hannoverschen Recht sollte aber aufgrund der grundsätzlichen Mängel des gemeinrechtlichen Nota534 Codex jur. Bavarici von 1756, 2. Edition (1806), Kapitel II §§ 6, 7; Kapitel XI, § 2. 535 Vgl. hierzu: Oesterley, Das Deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. II (1842/Neudr. 1965), S. 1 – 59, 43; dieser gibt hier Anhalt, Bernburg oder Lippe-Detmold als weitere Beispiele an. In diesem Gebieten wurden für jede Beurkundung ausschließlich die (Amts-) Gerichte bemüht; ders., Das Deutsche Notariat, nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts, Bd. II (1842/Neudr. 1965), S. 43. 536 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1 – 4.
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riats und der nach 1806 weiterhin ansteigenden Immatrikulationszahlen im Bezirk Celles nicht lange andauern. 1.
Rechtliche Emanzipation Hannovers nach 1814?
Das Jahr 1814, wurde in Hannover mit der Beendigung der französischen Besatzung und dem Ausrufen des hannoverschen Königreichs also nicht als Möglichkeit für die Pflege des Notariatsrechts oder dessen Novellierung begriffen. Die hannoversche Landesregierung handelte im Notariatsrecht vielmehr im Sinne eines von starkem Landesstolz getragenen Aktionismus. Dieser war von rechtspolitischen Erwägungen geprägt und trug wohl allein der nationalhannoverschen öffentlichen Meinung der Zeit Rechnung. Dass die schlichte Beibehaltung der alten Institutionen im Interesse des Notariats verfehlt war, sollte sich innerhalb der folgenden 40 Jahre bis 1853 indes deutlich zeigen. Die Emanzipation vom kaiserlichen Notariatsrecht gelang in Hannover mithin nicht umgehend. Worin die – über den erwähnten Patriotismus hinausgehenden Gründe – hierfür liegen, bleibt in der Nachschau nur zu vermuten. Eine Lösung von gemeinrechtlichen Grundsätzen wurde allerdings wohl kaum für erforderlich gehalten; denn die Existenz der leistungsfähigen Institutionen (Oberappellationsgericht Celle und Universität Göttingen), die Hannover in der Zeit vor 1814 hervorgebracht hatte, mag für die bloße Restauration des kaiserlichen Rechts mitverantwortlich gewesen sein. Konnten andere Territorien weder ein Oberappellationsgericht mit eigener Gerichtsordnung und notarieller Prüfungstätigkeit, noch eine Universität mit selbstständiger und wohl überlegter Ernennungspraxis vorweisen, zog man sich in Hannover auf den Bestand dieser Institutionen einfach zurück. Allerdings waren andere Teile Deutschlands mit den jetzt zur Verfügung stehenden französischen Bestimmungen für das Notariat nicht zwingend schlechter aufgestellt. Hannover allerdings konnte auf alte und wirkungsvolle Ressourcen der Notariats- (Rechtspflege) zurückgreifen, ohne das Recht des darüber hinaus »verhassten Besatzers«537 bemühen zu müssen. Wurde das französische Recht ohnehin als Fremdkörper im eigenen Staat empfunden, wurde die Rückkehr zum »Alten« für den hannoverschen Landesherrn noch auf andere Weise erleichtert. Der französischen Fremdherrschaft war es weder zu Besatzungszeiten gelungen, das eigene Recht sowie die französische Geschäftsverteilung im Notariat zu etablieren, noch eine solche nach 1814 aufrechtzuerhalten. Die auf Basis des Code Napoleon nur formal konstituierte notarielle Pflege der gesamten freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde im Königreich 537 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 322.
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zu Beginn des 19. Jahrhunderts rasch rückgängig gemacht.538 Die Pflege der freiwilligen Gerichtsbarkeit verblieb ab 1814 daher für das Erste vollauf bei den Gerichten. Was in diesem Punkt die tragende Motivation auf Seiten der landesherrlichen Regierung gewesen ist, kann ebenfalls nur vermutet werden. Neben einer tief verwurzelten Abneigung gegen den ehemaligen Besatzer, werden es auch zu befürchtende Finanzlasten gewesen sein, die den Staat hierzu bewegt haben. Der bei Gericht angestellte Richter war für den Staatshaushalt – im Gegensatz zur vollständigen Pflege der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das noch immer eher unüberschaubare freie Notariat – mit einem fixen und für den staatlichen Etat kalkulierbaren Gehalt, attraktiver, weil leichter vorauszuberechnen. Das Gerichtswesen lag im Weiteren mitunter deutlich unter den üblichen Taxen des (freien) Notariats. Allen deutschen Territorialstaaten und somit auch Hannover, war nach 1814 indes ein wichtiger Umstand gemeinsam. Zu Beginn bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts entmachtete oder strich man das Amt des (Hof-) Pfalzgrafen mit seinen Befugnissen auch formalrechtlich aus der gesamten Notariatsrechtspflege. Nachdem dies im Jahre 1806 mit der Niederlegung der kaiserlichen Krone und dem Entfallen des kaiserlichen Reservatrechts bereits faktisch der Fall gewesen war, wurden zu diesem Zweck mancherorts einzelne Verordnungen oder gar Gesetze erlassen. Auf die landesherrliche Verordnung vom 4. Juni 1822, welche diese Aufgabe in Hannover übernahm, wurde bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen.539 Verlangte der welfische Regent mit dieser nicht nur die Schließung der Matrikel des Oberappellationsgerichts, so nahm die Verordnung auch ausdrücklich Bezug auf das Pfalzgrafenamt. § 4 der Verordnung verhielt sich zum Pfalzgrafenamt mithin folgendermaßen: Landesherrliche Verordnung vom 4. Juni 1822: »Die von »vormaligen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen« noch vorgenommenen Ernennungen (wohl nach 1806) betrachtet der hannoversche Landeherr als »anmaßlichen Eingriff in Unsere SouveränitätsRechte«. Die Pfalzgrafen werden daher angewiesen, sich des »Creierens der Notarien« »künftig« und »gänzlich zu enthalten«.540
538 Vgl. hierzu: III, (Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle 1713). 539 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teil 1 unter III 1 – 2 a) – b). 540 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1822, 1. Abtheilung Nr. 22, S. 133 – 134; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2, (Ergänzung nicht im Original); ähnliche Regelungen finden sich auch für andere Territorien, so etwa für : Württemberg mit dem General-Rescript vom 22. Mai 1806: »Entzug aller Rechte der Hofpfalzgrafen«; siehe auch: Badische Notariatsordnung, in der es noch 1889 heißt: § 1 »Jede Wirksamkeit der Hofpfalzgrafenwürde aufgehoben«, § 3 »Übertragung der Ernennung des Notars auf das provinziale Regierungs-Collegio«; württembergisches Reg.Bl. 1806, S. 60; vgl. hierzu auch: Keller, Der freiberufliche Notar in Württemberg – ein geschichtlicher Rückblick, in BWNotZ 2001, S. 49 – 53, 50.
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Das auffallend schlechte Ernennungsverhalten der Pfalzgrafen in persona war in allen Territorien Deutschlands als hauptverantwortlicher Aspekt für die schlechte Qualität im gesamtdeutschen, freien Notariat erkannt worden. Beschränkte man sich in Hannover allerdings nur auf eine Verordnung zur »Entmachtung« des Pfalzgrafen, schuf man mit Blick auf das Jahr 1806 und dem mangelnden Bedürfnis nach völlig neuen Normen nicht nur hierfür keine eigenen gesetzlichen Bestimmungen. Das Amt des Pfalzgrafen wurde formell rechtlich nicht abgeschafft, sondern lediglich zur Enthaltsamkeit angehalten. Gerade das mangelnde Bedürfnis nach völlig neuen Normen und neuer Gesetzgebung aufgrund der bestehenden hannoverschen Institutionen (Celle, Göttingen) und ihren Institutionsrechten sprach für die schlichte Wiederinkraftsetzung des gemeinen Rechts als einfachste und wohl bequemste Lösung für das hannoversche Notariat nach 1814. Folgerichtig wurde sich auch im Weiteren auf einige, kleinere Modifikationen der neuen Situation durch verschiedene andere Verordnungen541 – wie der des 4. Juli 1822 – beschränkt. Mit Datum des 13. Dezember 1814 wurden etwa die von der rechtmäßigen (hannoverschen) Regierung vor der Fremdherrschaft kreierten Notare durch einfache königliche Verordnung542 umfassend wieder in Amt und Würden gesetzt. Die in Celle geführten Matrikel füllten sich, trotz Prüfungszwangs, immer weiter. Ab 1822 wurde daher, wie soeben erwähnt, das Kabinettsministerium für neue Ernennungen ausschließlich verantwortlich gemacht. Als weiteres Ergebnis dieser gesamthannoverschen Entwicklungen wurde das Pfalzgrafenamt im Land »Hannover« quasi nur nebenbei aus der Praxis verdrängt. Zu neuen Ernennungen von Pfalzgrafen war es tatsächlich bereits ab 1806 nach der Abdankung des letzten deutschen Kaisers konsequenter Weise nicht mehr gekommen. Einzig und allein entscheidend für die Ernennungsmöglichkeiten neuer Notare wurde ab 1822 daher ein durch das Justizministerium festgelegter Numerus clausus. Dieser orientierte sich für Hannover erstmals und einzig am tatsächlichen Bedarf neuer Notare für das neu gegründete Königreich. Die Quote zur Ernennung wurde nunmehr durch die Behörde bemessen. Insoweit gelang es Hannover mittels verschiedener kleinerer Maßnahmen, das Notariat des frühen 19. Jahrhunderts in seiner Qualität zwar nicht entscheidend zu verbessern, zumindest aber zu sichern, und sich von einigen gemeinrechtlichen Grundsätzen – 541 Ebhardt, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1813 bis 1839, 2. Band, Erste Abtheilung, 2. Abschnitt, Rechts-Sachen, Von Notarien, S. 642 – 974, 642 ff. 542 Ebhardt, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1813 bis 1839, 2. Band, Erste Abtheilung, 2. Abschnitt, Rechts-Sachen, Von Notarien, S. 642 – 974, 642 ff.; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1814, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; abrufbar unter : http://books. google.de, abgerufen am: 04. 10. 2012.
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wie etwa dem Pfalzgrafenamt – teilweise zu emanzipieren. Diese Maßnahmen waren mit kleinen Verordnungsregelungen und der generellen Revitalisierung alter Institutionen sowie deren rechtlichen Fundamenten indes allein aus objektiven Gesichtspunkten bzw. hannoverscher Bequemlichkeit ergriffen worden. Sie waren jedenfalls nicht Ausdruck echter Emanzipationsbestrebungen oder des Willens für das Notariat tatsächlich »Neues« zu schaffen. Eine Notwendigkeit für solche Innovationen wurde in Hannover 1814 nicht gesehen. Es waren somit abermals bloße Synergien, die hier günstig auf das hiesige Notariat wirkten. Sie herrschten zwischen dem »neu gewonnenen« Souveränitätsverständnis des hannoverschen Landesherrn als König seines Landes, dem Untergang des Kaiserreichs sowie der Überfüllung der Matrikel in Celle. Diese Wechselwirkungen erreichten aber immerhin eine vorübergehende Qualitätssicherung des hannoverschen Notariats dieser Zeit (1814 – 1853). 2.
Teilgebiete des hannoverschen Königreichs nach Ende der französischen Besatzungszeit
Ähnlich wurde nach 1814 auch in den »hannoversch-welfischen« Territorien verfahren, welche im Laufe des 19. Jahrhunderts in das hannoversche Königreich offiziell eingegliedert werden sollten und auch schon im 16. Jahrhundert unter welfischem Einfluss gestanden hatten.543 Hildesheim etwa wurde als eines dieser Gebiete und Fürsten- bzw. Bistum bereits zur Frage der mittelalterlichen Partikularrechte behandelt.544 Hier wurde am 1. Mai des Jahres 1814 für das Notariatsrecht eine »Wiedereinsetzung in den vorigen Stand« vollzogen. Man berief sich auch hier für das Notariat ausdrücklich auf die Weiterführung der maximilianischen Ordnung und ihrer Bestimmungen.545 Ein gleiches Vorgehen lässt sich auch für den Kreis Meppen mit dem Datum des 1. Januar 1815 nachweisen.546 Im bis 1806 durch Preußen regierten, nunmehr unter hannoverschem Einfluss stehenden Ostfriesland,547 wurden die vorhandenen Notare und preußischen Justizkommissare formell bestätigt. Letztere waren durch die bereits erwähnten Justizreformen Preußens des Jahres 1781 geschaffen worden.548 Be543 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 4. 544 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 4. 545 »Verordnung, die bürgerliche transitorische Gesetzgebung betr. vom 14. April 1814«; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1814, S. 923; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 546 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1814, S. 962; »Verordnung, vom 13. September 1815«, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 547 Siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter IV. 548 Das Justizkommissariat Preußens war eher zufälliges Produkt der preußischen Justizreformen, denn gewollt geschaffenes Institut; (dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter VI 2).
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merkenswert ist allerdings, dass insbesondere das Notariat im ostfriesischen Raum seine Aufgaben gleichermaßen nach Eingliederung in das hannoversche Reich im Jahre 1806 wie auch nach 1814 nur nach preußischem Recht ausübte. Auch nach dem Verlust des friesischen Raums durch Preußen suchte das Allgemeine Preußische Landrecht (PrALR) in diesen Territorien zunächst Anforderungen an die Person des Notars sowie an die Ausübung seines Amtes zu formulieren. Das PrALR galt sowohl in Ostfriesland549 als auch den Harlinger Ländereien und der Grafschaft Lingen ebenfalls nach 1806 und 1814 fort.550 Die Fortgeltung des preußischen Rechts sollte sich weder nach dem Erwerb der ostfriesischen Ländereien durch Hannover – zu Beginn des 19. Jahrhunderts – noch durch den Erlass der Königlichen Hannoverschen Notariatsordnung im Jahr 1853 ändern.551 Zwar konnte das preußische Recht formal nach der Anbindung der ehemaligen preußischen Gebiete an den hannoverschen Staat keine Geltung mehr für sich in Anspruch nehmen; gleichwohl galten die in Preußen ab 1806 erlassenen Gesetze und Novellen auch in den ehemals preußischen, nunmehr hannoverschen Territorien. Im gesamten Königreich »Hannover« wurden in der Zeit von 1806 – 1853 überdies nur noch wenige Verordnungen zur Pflege des Notariats erlassen.552 Zu den bereits genannten Verordnungen traten diese hinzu. Einige dieser königlichen (Rechts-) Verordnungen datieren etwa auf den 12. März 1814 oder den 17. März 1818,553 um nur einige zu nennen. Auch die im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts und bis 1853 zu bemerkende verhaltene Regelungsweise des hannoverschen Gesetzgebers im Bereich des Notariatsrechts gründete in dem möglichen und leichten Rückgriff auf die noch immer einschlägigen Bestimmungen und Institutionen des 18. Jahrhunderts. Hannover beschränkte sich daher insgesamt auf den Erlass von (kleinen) Verordnungen, die nur spezielle Einzelfragen des Notariats erfassten. Eine weitere königliche Verordnung vom 24. Juni 1817 etwa regelte das Notarwesen im zuvor preußisch geprägten Ostfriesland ausdrücklicher und unterstellte es dem Grunde nach dem hannoverschen gemeinen Recht.554 Die Verordnung vom 28. Dezember 549 Hier wurden 1817 die preußischen Justizkommissare bestätigt. Vgl. hierzu auch: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 49. 550 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 62 f. 551 So auch: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 62. 552 Vgl. hierzu neben den bereits genannten Verordnungen von 1814 und 1815 zudem beispielhaft: Die Verordnung vom 12. März 1814 sowie vom 17. März 1818, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1818, S. 642 ff., TIBHannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 553 Verordnung vom 12. März 1814 sowie vom 17. März 1818, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1818, S. 642 – 974, 642 (ff.), TIBHannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 554 Ebhardt, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1813 bis 1839, 2. Band, Erste Abtheilung, 2. Abschnitt, Rechts-Sachen, Von Notarien, S. 642 – 974, 642 (ff.).
Hannoversche Notariatsgesetzgebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts
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1821 bestrafte ferner den hannoverschen gemeinrechtlichen Notar ausdrücklich für die Entgegennahme sogenannter »verbotener Eide«555 1820 waren diesbezüglich bereits besondere Verbotsvorschriften erlassen worden. Diese waren die §§ 17 – 26 der »Verordnung vom 18. Dezember 1820 über das Verbot Privateide und die Formen, die bei einzelnen Rechtsgeschäften an die Stelle der eidlichen Bestärkung treten sollen«.556 Nur die allerwenigsten Territorien im Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts konnten also in der Zeit ab 1814 eine vollauf eigenständige Notariatsordnung hervorbringen. Nur kleineren Gebieten, die mithin ärmer an alten rechtlichen Regelungen sowie ernennenden Institutionen waren, sollte dies gelingen – denn es galt hier deutlich Weniger zu vereinheitlichen. Zu diesen Gebieten zählte auch das stets eigenständige Herzogtum Braunschweig, worauf noch zurückzukommen sein wird.557 Darüber hinaus konnten die bereits erwähnten Hansestädte Hamburg und auch Bremen als eng umgrenzte Rechtskreise eigenständige Gesetzgebungen für ihr Notariat bereits in den Jahren 1815 bzw. 1820 auf den Weg bringen. Mit Hannover im nordwestdeutschen Raum konnte das gemeine Recht, wie es bereits vor dem 18. Jahrhundert gegolten hatte indes formalrechtlich wieder Fuß fassen. Das in rechtlicher Hinsicht durch Frankreich gegebene Intermezzo hatte insbesondere für Hannover und sein Notariat keine nachhaltige Wirkung. Es sollte nur eine kurze, wenig bedeutsame Episode für seine Notariatsgeschichte bleiben. Zugleich hatte die Besatzungszeit aber tiefe Wunden im hannoverschen Landesstolz hinterlassen, deren Bewältigung sich mit der umgehenden Rückbesinnung auf das gemeine Recht auch auf die Geschichte des Notariats auswirkte. Als Ausdruck dieses Patriotismus wurde das französische Recht durch das traditionelle, hannoversche Recht wenig innovativ schlicht ersetzt und eine aus heutiger Sicht ideale Chance zur Schaffung eigener Bestimmungen versäumt.
3.
Gemeines Recht als Auslaufmodel im hannoverschen Staat
Die hannoversche Landesregierung des 19. Jahrhunderts hatte den umliegenden Territorien gegenüber zwar den unschätzbaren Vorteil, auf eine bereits vor 1814 bestehende Zugangskontrolle für das Notariat zurückgreifen zu können; aller555 Ebhardt, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1813 bis 1839, 2. Band, Erste Abtheilung, 2. Abschnitt, Rechts-Sachen, Von Notarien, S. 642 – 974, 642 ff. 556 Ebhardt, Allgemeines Register zur Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1818 bis 31. December 1856 (1857); Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1820, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 557 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
dings konnte diese Barriere ab 1814 nur noch bedingt Wirkung entfalten. Das Oberappellationsgericht mit seinen Matrikeln und den Zugangsnormen für das Notariat konnten nach 1814 nicht mehr den gewünschten Effekt erzielen. Wie bereits dargestellt,558 galten die abzulegenden Examina gemeinhin nicht als anspruchsvoll und die in Celle geführte Matrikelliste füllte sich immer weiter. Konnten die Prüfungstätigkeiten des Gerichts in Celle sowie der Landesuniversität Göttingen im 18. Jahrhundert noch als substantiierter Ansatz für die Verbesserung der Qualität des lokalen Notariats sowie seiner Instrumente und zugleich für das Wohl und Wehe des Publikums, den Rechtsverkehr und nicht zuletzt den Wirtschaftsverkehr gesehen werden, waren sie mittlerweile zu einem ineffizienten »Provisorium« geworden. Durch den Rückgriff auf das mittlerweile nicht mehr zeitgemäße Recht Celles und die hierdurch fortgeführte Anwendung der gemeinrechtlichen Grundsätze Kaiser Maximilians I. zeigten sich abermals die gleichen Mängel, wie vor und unmittelbare nach 1512.559 Insofern kann hinsichtlich der Pflege des Notarwesens und seines Rechts für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts insgesamt und insbesondere hinsichtlich seiner (gemein-) rechtlichen Mängel auf die bereits in den Abschnitten III 1 und III 2 des Teils 1 gemachten Ausführungen vollauf verwiesen werden.560
II.
Notariatsgesetzgebung in hannoverschen Landen und späteren niedersächsischen Gebieten ab 1850 (Königreich Hannover und Herzogtum Braunschweig)
Im 18. Jahrhundert war Hannover mithilfe des Oberappellationsgerichts und dessen Prüfungstätigkeit mit dem gemeinrechtlichen, öffentlichen Notariat und seinen Mängeln verständig umgegangen. Gleiches gilt für die Universität Göttingen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kann ein solcher Umgang nicht mehr festgestellt werden. Das Notariatsrecht Hannovers bedurfte daher dringend einer Aktualisierung und Anpassung an die Bedürfnisse der Praxis und die neue Zeit. Ab 1850 trieb König Georg V. (Regierungszeit von 1851 – 1866) als Nachfolger Ernst Augusts I. von Hannover (Regierungszeit 1837 – 1850) zu Etablierung seines landesherrlichen Machtanspruchs eine umfassende Justizreform voran. Diese erfasste auch das Notariatsrecht und war zugleich stark monarchistisch geprägt. Für das Notariat und die gesamte Zivilgerichtsbarkeit brachten die 558 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 2 a) – b). 559 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1. 560 Diese Abschnitte der Untersuchung finden sich auf den Seiten 102 – 124.
Notariatsgesetzgebung in hannoverschen Landen
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Reformen eine völlige Umstrukturierung der Geschäftsverteilung mit sich. Die notarielle Zuständigkeit wurde durch die Reformen formell-rechtlich vollständig auf die freiwillige Gerichtsbarkeit ausgedehnt. In dieser Ausweitung sind jedoch keine Anleihen an das französische Notariat zu erblicken, welches die freiwillige Gerichtsbarkeit für das Notariat ebenfalls auf Grund des Code Napoleon in Hannover allerdings bloß formal vollauf geöffnet hatte. Wie soeben erwähnt, war in den Jahren um 1814, mithin nach Beendung der französischen Okkupation, alles Fremdrechtliche als Überbleibsel und Ausdruck der Besatzungsmacht durch Hannover scharf verurteilt und entfernt worden.561 Diese Haltung hatte der hannoversche Gesetzgeber auch bis 1850 nicht aufgegeben.562 Maßgeblich für die neue Geschäftsverteilung im Notariat wurden daher ausschließlich moderne hannoversche Bestimmungen der Gerichtsorganisation. Das neue Gerichtsverfassungsgesetz vom 8. November 1850 [(OrgG./ GVGKHann.), (hier in Auszügen abgedruckt in Anhang II; hier unter S. 364)] war zwar Produkt dieser umfassenden Justizreformen Georgs V., stand dabei allerdings weit außerhalb des originären Notariatsrechts. Es sollte dennoch erheblichen Einfluss auf die Entstehung der Notariatsordnung von 1853 haben. In der Literatur begegnet dieses Gerichtsverfassungsgesetz oftmals auch unter der Bezeichnung: (Gerichts-) Organisationsgesetz. Auch zeitgenössisch erhielt es bereits diese Bezeichnung. Es regelte nicht nur die Geschäftsverteilung von Notar und Amtsrichter neu. Der landesherrliche Gesetzgeber verfolgte deutlich umfassendere Ansätze. § 21 des Organisationsgesetzes563 wurde nicht nur für das hannoversche Notariat bedeutsam. Im Zusammenspiel mit § 9564 der han561 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 17; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 1 – 3). 562 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 17. 563 § 21 Organisationsgesetz vom 8. Nov. 1850: »[…] Mit Ausnahme des Vormundschafts-, Curatel- und Depositenwesens und der Hypothekbuchführung soll hinsichtlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine völlige gleiche und frei Conkurrenz zwischen den Notarien und den Amtsrichtern bestehen, […]«;vgl. hierzu: Anhang II, [(Organisationsgesetz/Gerichtsverfassung 1850) (Auszüge)], Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1850, 1. Abtheilung Nr. 52, S. 207 – 225, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; hier unter S. 364. 564 § 9 hannoversche Verfassung von 1840: »Der König ist Quelle aller Gerichtsbarkeit/Dieselbe wird auf verfassungsmäßige Weise von den ordentlichen Gerichten des Landes, unter Oberaufsicht des Königs, ausgeübt./Der König kann den geraden Lauf der Rechtspflege nicht hemmen. […]; abrufbar : URL:http//:www.verfassungen.de/de/nds/hannover/han nover40.html, abgerufen am: 20. 07. 2009; Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. V, (Vorbemerkungen); Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die Staats-Verfassung betreffenden
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
noverschen Verfassung von 1840565 ist die Bestimmung des § 21 OrgG/GVGKHann. als zentrale Norm der modernen Notariatsgesetzgebung anzusehen. Denn die Bestimmungen waren ferner Ausdruck des landesherrlichen Strebens nach Rechtseinheit und Harmonisierung für das gesamthannoversche Landesrecht. Als Ausfluss einer neuen, monarchistisch geprägten Verfassung unter Georg V., auf die und deren Entstehen noch zurück zu kommen sein wird, setzte § 21 GVGKHann. auf einfachgesetzlicher Ebene einen für das hannoversche Notariat neuartigen Grundsatz fest. Stoßrichtung der neu geschaffenen Bestimmung sollte eine künftige völlig freie Konkurrenz des Notariats zum Amtsrichtertum im Hinblick auf die Pflege der freiwilligen Gerichtsbarkeit sein. Beide »Ämter« sollten diese frei bearbeiten und gleichberechtigt pflegen dürfen. § 21 GVGKHann. verhielt sich hierzu daher folgendermaßen: § 21 Organisationsgesetz vom 8. Nov. 1850: »[…] Mit Ausnahme des Vormundschafts-, Curatel- und Depositenwesens und der Hypothekbuchführung soll hinsichtlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine völlige gleiche und frei Conkurrenz zwischen den Notarien und den Amtsrichtern bestehen, […].«
Der hannoversche Gesetzgeber schuf hiermit allerdings die gleichzeitige Notwendigkeit, den Tätigkeitsbereich des hannoverschen Notars im Detail völlig neu wie auch landesrechtlich zu positivieren. Mehr noch, er musste vor dem Hintergrund der noch immer formal geltenden aber zu rahmenartigen, Notariatsgesetzgebung des 16. Jahrhunderts (maximilianische Ordnung von 1512) erstmalig allumfassende Bestimmungen für das Notariat Hannovers formulieren. Dieses Ziel war nur über eine vollauf eigenständige und genuin hannoversche Kodifikation zu erreichen. Zugleich musste, um die durch den landesherrlichen Gesetzgeber mit § 21 GVGKHann. selbst verfolgte Rechtseinheit zu erreichen, ein Gleichlauf zwischen Gerichtsorganisation und Notariatsrecht hergestellt werden. Bislang war für die »hannoversche« Notariatsgesetzgebung allerdings ein stark ausgeprägter Quellenpluralismus bestimmend gewesen.566 Diesen zu beseitigen wurde folglich notwendig. Ab 1850 suchte der hannoversche Regent indes ebenfalls eigene Regelungsbestrebungen durch die neue Gesetzgebung umfassend durchzusetzen. Die landesherrliche Legislative konnte mit der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung (HNO) mithin erstmalig auch im Bereich des Notariatsrechts ihr neues Selbstverständnis als rechtsetzende Gewalt im Staat Hannover zum Ausdruck bringen. Hinzutraten in den Jahren nach 1850 noch weitere Gründe, eine hannoversche notariatsrechtliche Kodifikation zielgerichtet voranzutreiben. Eine umGesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331 TIBHannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 565 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b) – c). 566 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 1 – 6.
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fassende Bestimmung der Tätigkeiten und nötigen Qualifikationen des hannoverschen Notars wurde umso dringender, da sich bis zwischen 1814 und 1850 die allgemeinen Schwächen des gemeinrechtlichen Notariats abermals sehr deutlich auftaten. Dieser Umstand erhöhte die Bedeutung der durch § 21 GVGKHann. pauschal formulierten Erweiterung des notariellen Geschäftsbereichs. Der hannoversche Notar hatte bislang lediglich einzelne Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit wahrgenommen. Ab 1850 kamen ihm deutlich mehr Kompetenzen zu. Das Notariat gewann zugleich unverkennbar an Komplexität; nicht zuletzt, da es in Konkurrenz zu den Gerichten nunmehr einen integralen Teil der Justizverwaltung wurde. Die notwendigen Regeln für diesen neuen Aufgabenbereich waren jedoch weder in den Bestimmungen des kaiserlichen Rechts von 1512, noch in den Sammlungen der mittelalterlichen Territorialrechte zu finden. Somit boten sich in der Erweiterung der Geschäftsbereiche des hannoverschen Notariats zum einen wirtschaftliche Chancen; zum anderen ein noch größeres Einfallstor für Mängel der gemeinrechtlichen notariellen (Gelegenheits-) Tätigkeit, als zuvor; denn es galt nunmehr weit mehr und komplexere rechtliche Sachverhalte durch den Notar systematisch zu erfassen, verständig zu verwalten und für das Publikum verständlich darzustellen. Hierauf hatte der landesherrliche Gesetzgeber folglich zu reagieren. Georg V. – auch nach eigener Wahrnehmung als ebendieser Gesetzgeber – musste »seinem« modernen öffentlichen Notariat daher gesetzliche Regelungen zur Seite stellen. Neben einem genauen Anforderungs- und Qualifikationsprofil der Kandidaten mussten durch seine Regierung mithin ebenso Gültigkeitsbestimmungen für den einzelnen Notariatsakt, Disziplinarregeln und Haftungsbestimmungen konzipiert und positiviert werden. Insbesondere im Hinblick auf die Authentizität der einzelnen Urkunde waren in Hannover bis Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder erhebliche Unsicherheiten aufgetreten. Dies gründete vor allem darin, dass sogar die knapp gehaltenen Vorgaben des kaiserlichen Rechts (RNO/KNO) im Königreich vielerorts in Vergessenheit geraten waren.567 Teilweise kam sogar nicht mehr zeitgemäßes, oftmals mittelalterliches Recht immer noch zur Anwendung.568 Es traten daher immer wieder Zweifel, insbesondere an der Echtheit oder den genauen Ursprüngen, der zum Teil bereits seit langer Zeit in Umlauf befindlichen Urkunden auf. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden eine hannoversche Notariatsordnung sowie Regelungen der seit jeher problematischen Bereiche des westdeutschen Notariats umso 567 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1. 568 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1.
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dringender. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistete auch das Selbstverständnis des hannoverschen Landesherrn als monopolistischer Gesetzgeber. Gleiches gilt in systematischer Hinsicht für die durch ihn vorangetriebene Justizreform, die in § 21 GVGKHann. das Bedürfnis nach Rechtsharmonisierung, auch im Notariatsrecht, ausdrücklich schuf. 1.
Die erste moderne Notariatsgesetzgebung Deutschlands in hannoverschem Dunstkreis (Notariats-Ordnung für das Herzogthum Braunschweig 1850)
Bevor sich die Untersuchung der Hannoverschen Königlichen Notariatsgesetzgebung des 19. Jahrhunderts im Detail zuwendet, bietet sich die Möglichkeit eine bereits vor 1853 ergangene (indes französisch geprägte) Notariatsordnung in Augenschein zu nehmen. Dies soll auch im Hinblick auf die zeitliche Abfolge der Analyse nordwestdeutscher Gesamtverhältnisse geschehen. Ebendiese im Dunstkreis Hannovers geschaffene Gesetzgebung war auch nach heutigem Verständnis bereits von modernem Gepräge.569 Es ist die Notariatsordnung des Herzogtums Braunschweig vom 19. 3. 1850. Sie trägt den Titel: »NotariatsOrdnung für das Herzogthum Braunschweig«.570 Die herzogliche Ordnung, die in Nordwestdeutschland die Bezeichnung (Notariats-) Kodifikation als erste tatsächlich verdiente, verabschiedete sich vollauf vom Notariat nach gemeinrechtlichen Grundsätzen. Schon deshalb leistete sie im nordwestdeutschen Raum Pionierarbeit. Gleichzeitig war die Ordnung stark von französischem Recht und dessen Verständnis des Notariats beeinflusst.571 Die Eingliederung des Herzogtums in den durch Napoleon geschaffenen Modelstaat Westfalen572 brachte diese Entwicklung mit sich. Braunschweig hatte dagegen seine Unabhängigkeit vom hannoverschen »Thron« stets wahren können. Weder das Fürstentum, noch sein Notariat fielen somit jemals in den Anwendungsbereich hannoverschen Rechts. Ein französischer Einfluss auf die spätere HNO, auch durch die Braunschweiger-Ordnung, ist somit ausgeschlossen. Braunschweig war jedoch ehemaliger Residenzsitz der mittelalterlichen Welfen. Bevor Hannover 1637 zur Hauptstadt erhoben wurde, residierte in Braunschweig als einst 569 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 2. 570 Gesetz- und Verordnungssammlung für das Herzogthum Braunschweig (1850), S. 259 ff. 571 Königreich Westfalen (Modelstaat): »1807 errichtete Napoleon das Königreich Westfalen, das er seinem jüngeren Bruder (Jerome) übertrug. Es umfasste nur zu etwa einem Fünftel westfälische Landesteile und setzte sich überwiegend aus kurhessischen Gebieten sowie dem Herzogtum Braunschweig zusammen. 1813 wurde es wieder aufgelöst.«, Roth, Westfalen, in: HRG Bd. V, 1. Aufl., (1998), Lfg. 40, Sp. 1295 – 1302, 1300 f.; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teil 2 unter VI). 572 Roth, Westfalen, in: HRG Bd. V, 1. Aufl., (1998), Lfg. 40, Sp. 1295 – 1302, 1300 f.; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teil 2 unter VI).
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mächtigster Welfe nicht zuletzt Heinrich der Löwe.573 Braunschweig trägt auch heute noch den Beinamen: »Die Löwenstadt.« Im Anschluss an diesen Überblick sollen die Braunschweiger Bestimmungen und ihr Entstehen daher kurz Beachtung finden. Bereits bei einer ersten Durchsicht der Ordnung sticht ein bemerkenswerter Unterschied zur noch genau zu untersuchenden hannoverschen Ordnung hervor. Ebenfalls lassen sich grundlegende Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gesetzen finden. Gleichwohl soll der genaueren Untersuchung der HNO hier nicht zu weit vorgegriffen werden. Die Betrachtung der Braunschweiger Ordnung wird sich daher auf Wesentlichkeiten beschränken. Als offensichtlichster Punkt fällt hierbei die mit 31 Paragrafen knapp geratene (End-) Fassung des herzoglichen Normenkatalogs auf. Schon diese Kürze ist ein Indiz für dessen moderne Struktur. Ihre Schöpfer hatten den Anspruch abstrakt sowie generell zu regeln. Die Ordnung sollte keine Gesetzgebung zur Erfassung jeglichen Einzelfalls sein, die sich an einer differenzierten Kasuistik orientierte. Besondere Bedeutung gewinnt diese Verknappung, nimmt man den vorangegangenen Erstentwurf von 1849574 zum Vergleich. Dieser war noch stark berufsständisch geprägt und hatte mit 57 Regelungen deutlich mehr Bestimmungen bereitgehalten. Wurden diese zwar durch das braunschweigische Staatsministerium radikal zusammengestrichen, stand auch der Braunschweiger Notar schließlich gleichberechtigt neben den Gerichten. Wie auch sein hannoverscher Kollege war er als zur Beurkundung berechtigte Stelle theoretisch auf gleicher Stufe zum Amtsrichter anzusiedeln. Anders als der hannoversche Notar575 sollte der Braunschweiger »Schreiber« jedoch allem voran Beamter im Dienste seines Landeherrn sein. Hierin sind die soeben erwähnten französischen Einflüsse klar zu erkennen. Titel 1, § 1 der Ordnung bestimmte daher ausdrücklich: § 1 Notariatsordnung für das Herzogthum Braunschweig: Die Notare sind die neben den Gerichten mit der Beurkundung von Rechtsgeschäften beauftragten öffentlichen Beamten. […]
573 Siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter II. 574 »Auch das Herzogliche Staatsministerium bekundete nun sein Interesse an einer einheitlichen Organisation der Advokaten und Notare im Herzogtum Braunschweig und forderte am 5. Januar 1849 den Braunschweiger Advokatenverein auf, einen Entwurf für eine Advokaten- und Notariatsordnung vorzulegen. Der Braunschweiger Advokatenverein nahm die Aufforderung des Staatsministerium dankbar auf und beantwortete das Schreiben des Herzoglichen Staatsministeriums mit Schreiben vom 5. Februar 1849.«; URL: http://www. anwaltsverein-bs.de/html; abgerufen am: 16. 05. 2010. 575 Das hannoversche Notariat war im Gegensatz zum Notariat in den umgebenden Staaten Institut im Dienste der Rechtssicherheit des Publikums und weder verbeamtet, noch diesem vergleichbar geregelt oder in dieser Weise durch die Öffentlichkeit wahrgenommen; (dazu näher im 3. Kapitel dieses Teils 2 unter III).
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Das Braunschweiger Notariat ist daher mit seinem hannoverschen Pendant nur bedingt vergleichbar. Der entscheidende Aspekt hierfür ist dessen Verbeamtung. Sie ließ faktisch ein französisches Notariat in unmittelbarer Nachbarschaft zum Königreich Hannover entstehen. Ein weiterer, weniger offensichtlicher Unterschied zum königlichen Notariat im Land »Hannover« ist in der Verbindung von Notariat und Anwaltschaft zu erkennen. War diese Verbindung zwar auch in Braunschweig dem Grunde nach möglich, war sie niemals in dem Maße üblich, wie es im Fürsten-, Kurfürstentum und späteren Königreich »Hannover« bis hier zu sehen gewesen ist.576 Hannover hatte in der Verbindung von Notariat und Anwaltschaft eine echte Tradition bilden können. Die wenig gebräuchliche Verbindung von Anwaltschaft und Notariat war in Braunschweig allem voran dem erwähnten Beamtenstatus der Notare geschuldet. Ein ebenfalls auf eigene Rechnung tätiger Braunschweiger Notar hätte als gleichzeitiger Anwalt seinem Landes- und Dienstherrn nicht die Hingabe leisten können, wie sie von einem staatstreuen Beamten und echten Landesdiener erwartet wurde. Das Anwaltsnotariat wurde vielmehr als Doppelbelastung, denn als wirtschaftlich attraktive Verbindung beider Berufszweige empfunden. Die Ausübung der Anwaltschaft wurde dem Notar dennoch nicht gänzlich verboten. Titel 1, § 4 der Braunschweiger Ordnung verhielt sich hierzu wie folgt: § 4 Notariatsordnung für das Herzogthum Braunschweig: »Mit Ausnahme von Ehrenämtern, so wie der Advocatur und Anwaltschaft, darf der Notar ohne Genehmigung des Herzoglichen Staats-Ministeriums weder ein Amt annehmen, noch Nebengeschäfte betreiben.« […]
Obschon die Nebentätigkeit als Anwalt in Braunschweig nicht unter einem generellen Verbot mit etwaigem Erlaubnisvorbehalt stand,577 wurde das Anwaltsnotariat auch hier nicht mit hannoverscher Selbstverständlichkeit gesehen. Dies zeigt auch der durch die im 19. Jahrhundert bereits bestehende Braunschweiger Notarkammer konzipierte, zuvor angesprochene Entwurfstext der Ordnung aus dem Jahr 1849. Ebendieser hatte noch Bestimmungen vorgesehen, die einer Doppeltätigkeit stets nur den Status eines zeitweiligen Provisoriums zuer576 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des 1. Teils unter III a) – b). 577 So lag es jedoch noch im ersten Entwurf der Braunschweiger Ordnung: Eine Zulassung der Doppeltätigkeit war nur unter bestimmten Voraussetzungen und lediglich als Ausnahme zulässig. Ferner musste die Kammer der nur vorübergehenden Verbindung jedes Mal zustimmen; Siehe hierzu: § 5 Entwurf der braunschweiger Notariatsordnung: »[…] weder Nebengeschäfte betreiben, noch ein Amt annehmen. Ausnahmsweise, wenn örtliche Verhältnisse solches im Interesse des Publikums angemessen erscheinen lassen, und die Notariatskammer dafür stimmt, wird Herzogliches Staatministerium einen Advocat-Anwalte oder einem Justizbeamten, letzteren jedoch nur für Rechnung des Staats, das Notariatsamt übertragen, bis sich für den Bezirk ein zur ausschließlichen Ausübung des Notariats Geeigneter meldet […]«; der Gesetzestext des Entwurf ist zu finden unter : Gesetze- und Verordnungssammlung für das Herzogthum Braunschweig (1849), S. 1 – 14, 3.
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kannten. Einzig in Fällen der Vakanz von Notariaten konnte ein Advokat diese übergangsweise besetzen. Wurde diese Verschmelzung von Notariat und Anwaltschaft nicht mehr gebraucht, wurde sie umgehend wieder gelöst.578 Sollte es in Braunschweig wider Erwarten notwendig werden, eine Verbindung von Notariat und anderen Ämtern einzugehen, sollte das Notariat nach dem Dafürhalten der Notariatskammer stets der hinzutretende Posten sein. Bereits berufene Notare konnten keine anderen Positionen – auch nicht kommissarisch – wahrnehmen. Die Ideen der Kammer wurden zwar schlussendlich nicht umgesetzt. Gleichwohl zeigen sie die hohen Ansprüche, die die Notariatskammer als Standesorganisation an etwaige Kandidaten zur Füllung von unbesetzten Notariaten stellte. Sie sind ferner ein Indiz für ein ausgeprägtes ständisches Berufsbewusstsein. Jeder Anwalt, der das Notariat – wenn auch nur vorrübergehend – besetzen wollte, hatten diesen Ansprüchen zu genügen. Da das Notariat mit anspruchsvollen, rechtsgestaltenden und nach außen wirkenden Aufgaben verbunden war, kam mithin nur qualifiziertes Personal in Betracht. § 5 des Entwurfes 1849 schrieb daher fest: § 5 Entwurf zur Notariatsordnung für das Herzogthum Braunschweig: »Der Notar darf mit Ausnahme der Negoziirung von Capitalen und Grundstücken weder Nebengeschäfte betreiben, noch ein Amt annehmen. Ausnahmsweise, wenn örtliche Verhältnisse solches im Interesse des Publikums angemessen erscheinen lassen und die Notariatskammer dafür stimmt, wird Herzögliches Staatsministerium einem AdvocatAnwalte oder einem Justizbeamten, letzteren jedoch für Rechnung des Staates, das Notariatsamt übertragen, bis sich für den Bezirk ein für die ausschließliche Ausübung des Notariats Geeigneter meldet.«
Dieser Versuch, hohe Anforderungen an Notariatsvertreter zu stellen, kann auch als Ausdruck der Selbstabschottung des Notariats vor anwaltlichen Fremdeinflüssen gesehen werden. Ebenfalls tritt ein stark gemeinrechtlich geprägtes Verständnis von Anwaltschaft und Notariat hiermit zu Tage, da nach dem gemeinrechtlichen Verständnis beide Berufszweige strikt zu trennen waren. Gleichfalls stellte der Kammerentwurf einen Versuch dar, sich als notarieller Berufsstand und eigene Berufsgruppe gegenüber dem Landesherrn zu behaupten; denn bereits das Verfassen des Entwurfs selbst war Ausdruck einer notariellen (Standes-) Identität. Diese Absichten hatten sich augenscheinlich nicht umsetzen lassen. Das herzogliche Staatsministerium verwarf die von der notariellen Kammerkommission vorgeschlagene, strikte Trennung von Anwaltschaft und Notariat vollauf. Das Anwaltsnotariat wurde in Braunschweig im Ergebnis der herzoglichen Gesetzgebung ab 1850 also grundsätzlich möglich. Eine den hannoverschen 578 § 5 des Entwurfes zur braunschweiger Ordnung; genauer Wortlaut: Siehe vorstehend; Gesetze- und Verordnungssammlung für das Herzogthum Braunschweig (1849), S. 1 – 14, 3.
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Verhältnissen entsprechende Verschmelzung beider Berufsgruppen oder gar eine gesetzliche Förderung durch das Prüfungswesen lässt sich aber weder durch das Notariat, noch durch den Gesetzgeber feststellen.579 Für das schwach ausgeprägte Anwaltsnotariat innerhalb Braunschweigs ist jedoch der Beamtenstatus des herzoglichen Notars in der Hauptsache verantwortlich zu machen. Anders, als der hannoversche freie Notar, musste das herzogliche Pendant als Staatsdiener niemals eigenständig für sein Auskommen sorgen. Er erhielt, vergleichbar dem behördlichen Stadtschreiber im Hannover des 16. Jahrhunderts, stets eine landesherrliche Alimentierung. Der Braunschweiger Notar kam daher Mitte des 19. Jahrhunderts jedenfalls nicht in die »Verlegenheit«, einen weiteren Beruf – etwa den des Anwalts – ausüben zu müssen. Ein speziell durch den Gesetzgeber sogar gefördertes Anwaltsnotariat konnte/musste sich in Braunschweig somit nie entwickeln. Die stetige Eigenständigkeit des Herzogtums gegenüber Hannover, nicht zuletzt in rechtlicher Hinsicht, trug hierzu maßgeblich bei. Sowohl das Beamtentum als auch die hieraus resultierende Handhabung des territorialen Notarwesens mit seiner Stellung als Instrument des Staates unterschieden den herzoglichen Notar deutlich von hannoverschen Verhältnissen. Auch die ausdrücklich erklärte Stellung des Notars als neben den Gerichten zur Beurkundung berechtigte Stelle – ähnlich wie im Hannover der 1850er Jahre – vermochte hieran nichts zu ändern. Lassen sich somit zwischen beiden Ordnungen schnell Unterschiede finden, ist in beiden Kodifikationen mit der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Tätigkeitsbereich des Notarwesens der gleiche Grundgedanke als Hauptanliegen territorialnotarieller Rechtspflege auszumachen. Gleichwohl benannte die Braunschweiger Ordnung den Aufgabenbereich des Notars für das Herzogtum nicht und betraute diesen ebenso wenig ausdrücklich mit der Materie der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Vielmehr stellte die Kodifikation den Notar schlicht neben die Amtsrichter und deren Gerichte. Hiervon machte sie nur einzelne Ausnahmen bezüglich bestimmter Rechtsgeschäfte. Diese Beschränkung der Tätigkeitsbereiche notarieller Arbeit fand ihren Ausdruck in § 1 der Braunschweiger Ordnung. Indes bestand die Beschränkung lediglich im Verbot der Errichtung von Testamenten sowie im Betreiben des Hypotheken- und Depositenwesen. Diese Bereiche waren aus der Beurkundungsarbeit des Braunschweiger Notars per se herausgelöst und allein den Gerichten vorbehalten. Wie in der Folge noch zu sehen sein wird, waren diese Bereiche notarieller Tätigkeit auch dem hannoverschen Notar teilweise von Gesetzes wegen entzogen.580 Die Testamentserrichtung hingegen durfte der hannoversche »Schreiber« 579 Eine solche Förderung sollte sich indessen ab 1853 in Hannover einstellen; (dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter 1 – 4). 580 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II.
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formal vornehmen, tat dies in der Praxis allerdings kaum.581 Die Tätigkeitsbereiche der Braunschweiger Urkundsbeamten und der hannoverschen »freien« Notare des 19. Jahrhunderts deckten sich mithin im Großen und Ganzen. Dies gilt besonders in Bezug auf die Pflege der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dem hannoverschen Grundverständnis des Notariatsrechts gleich, war darüber hinaus auch in Braunschweig die Wahrung des »Wohl und Wehes« der Bevölkerung leitender Gedanke für die Notariatsgesetzgebung des Jahres 1850.582 Auch im Herzogtum sollte mit der neuen Ordnung die Rechtssicherheit des Bürgers und des Rechtsverkehrs in Bezug auf Urkunden gestärkt werden. Dies lässt sich aus den Bestimmungen der §§ 9 – 18 der Ordnung besonders deutlich ablesen. Diese Bestimmungen setzen sich ausschließlich mit der Errichtung und nunmehr ins Bewusstsein gerückten Authentizitätssicherung der Notariatsinstrumente auseinander. Sie formulierten hierneben weitere Anforderungen an die Instrumentenerrichtung, die durch den Notar zu erfüllen waren – insbesondere um den Missbrauch der Urkunden durch Dritte zu vermeiden. § 17 der Braunschweiger Ordnung verlangte danach, dass Vertreter der originär am beurkundeten Rechtsgeschäft beteiligten Parteien zur Erlangung von Abschriften der Instrumente stets eine Legitimation vorzulegen hatten. Ebenso mussten auch schon um 1850 mehrere Formvorschriften eingehalten und schließlich zur Authentizitätssicherung der einzelnen Instrumente ein Registerbuch durch den Notar geführt werden. Titel IV §§ 19 – 21 regelte und kodifizierte dies genau. Solcherlei gesetzliche Regelungsinstrumente sollte sich auch der hannoversche Gesetzgeber im Jahr 1853 zur Sicherung der Echtheit und Beweiskraft von Urkunden im Rechtsverkehr bedienen.583 Trotz der Beschränkung der Braunschweiger Ordnung auf die ganz wesentlichen Regelungsinhalte, war die Haltung des herzoglichen Landesherrn gleichwohl augenscheinlich. War der Braunschweiger Notar zwar verbeamtet, sollte er dennoch nicht bloßes Instrument »staatlicher« Macht sein. Vielmehr war er Rechtspfleger im Dienste des Publikums bei gleichzeitiger staatlicher Anstellung. Wie im Weiteren für die hannoversche Ordnung festzustellen sein wird, galt das erste Motiv neben einem weiteren – deutlich ehrgeizigeren – auch für die Notariatsgesetzgebung in welfischen Territorien.584 Das Braunschweiger Notariat stellt somit eine vermittelnde Position des staatlichen Notariats mit Orientierung am Publikumsinteresse und am Rechtsverkehr dar. 581 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4. 582 Über die allein in Hannover geltenden, besonderen Motive des Gesetzgebers für die königliche Notariatsordnung näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 a) sowie unter VI 3. 583 In Anbetracht der Mängel des hannoverschen Notariats der Vergangenheit sollte der hannoversche Gesetzgeber eine Mehr an Vorschriften zur formalen Sicherheit der Notariatsinstrumente schaffen; (dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4. 584 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
Besondere Erwähnung muss finden, dass ebendiese Haltung eines Landesherrn des 19. Jahrhunderts mitnichten selbstverständlich war. Die modernen Territorialherrscher sahen den Primat der Gesetzgebung in ihren Händen einzig als Instrument und Ausdruck ihres Herrschaftsanspruchs. Sie stellten neue Gesetze daher selten in erster Linie in den Dienst der Allgemeinheit. Als Gegenbeispiel ist hier allein an das Verständnis des Notariats in preußischen Territorien im 18. und 19. Jahrhundert zu denken.585 Der preußische Notar wurde als faktischer Beamter primär zum Werkzeug des staatlichen Verwaltungsapparates und Seitens des Staates dementsprechend rechtlich behandelt.586 Insgesamt findet sich infolgedessen mit dem Beamtentum für Braunschweig eine entschieden andere Handhabung des Notariats, als für Hannover. Dennoch lassen sich auch deckungsgleiche Bereiche hinsichtlich des nicht weniger wichtigen Tätigkeitsbereichs sowie eine vergleichbare Stellung gegenüber den Gerichten und dasselbe wesentliche Leitmotiv der zu fördernden Sicherheit für Publikum und Rechtsverkehr ausmachen. Bezüglich der letzten beiden Punkte sollte das hannoversche Königreich jedoch einen weitaus umfangreicheren Normenkatalog hervorbringen. 2.
Die gesetzliche Grundlage des Hannoverschen Königlichen Notariats ab 1853
Für das Land »Hannover« ist die bis hier mehrmals erwähnte Hannoversche Königliche Notariatsordnung (HNO) das wichtigste Regelwerk.587 Sie trat am 585 Über diese spezielle Wahrnehmung und das Verständnis des Notariats in preußischen Gebieten näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter VI 1 – 3. 586 Über diese spezielle Wahrnehmung und das Verständnis des Notariats in preußischen Gebieten näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter VI 1 – 3. 587 Als wichtigste und zugleich belastbarste Quelle zur Beleuchtung der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung, ihres Entstehens und ihrer Hintergründe sind die Unterlagen [Ak(c)tenstücke] der hannoverschen Ständeversammlung als Dokumente einer Auseinandersetzung der »Volksvertreter« mit der Landesregierung der Jahre 1850 – 1853 sowie die Protokolle der Landtage dieser Zeit (vierte Diät 1852; fünfte Diät 1853; erste Diät 1854) heranzuziehen gewesen. Besondere Bedeutung kommt hierbei der vierten Diät des Jahres 1852 zu. Der hierzu bestehende Protokollband – vorgehalten in der Niedersächsischen Landesbibliothek GWBL-Hannover (Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek) – enthält das Originalantwortschreiben der allgemeinen Ständeversammlung auf den Regierungsentwurf zur Notariatsordnung vom 25. 06. 1852 und den Entwurf der Ständeversammlung sowie dessen Begründung vom 29. 06. 1853; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252, Bestand: 11. 1. 1850– 11. 5.1853, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907. An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass auch die Protokolle, insbesondere die Begründung des Ständeentwurfs nicht zu jeder einzelnen Bestimmung der Notariatsordnung Aussagen enthalten. Vielmehr gehen die Protokolle auf die von ständischer Seite besonders relevant angesehenen Abschnitte und deren einzelne Inhalte ein. Die vorangegangene kammerinterne Auseinandersetzung soll für diese Untersuchung indes nicht näher interessieren. Vgl. zu diesen gleichwohl insgesamt:
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18. September 1853 in Kraft und sollte für Hannover in territorialstaatlicher Hinsicht das erste und einzige Zeugnis eines notariatsrechtlichen »Alleingangs« sein. Unter der Prämisse einer rasch zu erreichenden Rechtseinheit im Staat sowie der Verbesserung des Notariats verfolgte die Kodifikation zwei Ziele, die nicht zuletzt stark gesellschaftspolitisch geprägt waren.588 Mit dem zusätzlich bestehenden Anspruch, die erwähnten, abermals eingetretenen Missstände des 19. Jahrhunderts im freien Notariat Hannovers zu beheben, reiht sich die Ordnung mithin in die Tradition der gesamtdeutschen Kodifikationsgeschichte des Notarwesens ein. Ob sie den Anforderungen des hannoverschen Notariats und den Maßgaben des bereits angesprochenen § 21 GVGKHann.589 gerecht werden konnte, soll im Folgenden untersucht werden: Bei dieser Betrachtung werden insbesondere der Einfluss der allgemeinen Ständeversammlung590 im Staat »Hannover« und die im 19. Jahrhundert besteNiedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover Hann. 108 H Nr. 6276 fol. 1 – 2. Diskussionsprotokolle finden sich auch heute noch zum Teil fragmentarisch in den Beständen der GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): in Form von Aktenstücke der Allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs Hannover, von königlichen Propositionen, Ministerial-Schreiben sowie die ständischen Anträge und Antworten; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252 (Bestand: 2. 1. 1820/25 – 2.6.1820/25; 3. 2. 1827; 3. 4. 1829 – 3.6.1831; 4.1.–4.2.1832; 5. 3. 1835– 5.5.1837, 6. 1. 1838 – 6.3.1840, 7. 1. 1841, 8.1/ 1841/42.–8.3.1847, 9. 1. 1848, 10. 1. 1849, 11. 1. 1850– 11. 5. 1853, 12. 1. 1854 – 12. 2. 1855, 31. 1. 1856, 14.1/1857 – 14.3/1862, 15.1/1864/65 – 15. 2. 1866); IA2B 19 (Bestand: 1. 1. 1814/ 19 – 1.4.1818/19, 2.1. 1820/25 – 2.6.1820/25, 3. 1. 1826/31 – 3.6.1826/31, 4. 1. 1832/33 – 4.2.1832/ 33, 5. 1. 1833/37 – 5.6.1833/37, 6. 1. 1838/40 – 6.3.1838/40, 7.1841, 8. 1. 1841/47 – 8.4.1841/47, 9.1848, 10.1/1849/53 – 11. 6. 1849/53, 12. 1. 1854/55 – 12.21854/55, 13.1856, 14.1857/62, 15.1864/66); 91/21057 [Bestand: 1. 3.1814/19 (1822)]. Weitere Fragmente und Darstellungen zu Beratungen über die Notariatsordnung von 1853 finden sich in der hierfür maßgeblichen Veröffentlichung der Beratungsprotokolle von: Bojunga (Hg.), Notariatsordnung für das Königreich Hannover, unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und der ständischen Erwiderung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853); sowie bzgl. der internen Auseinandersetzung in den Landtagsblättern des Königreichs Hannover: 11. Landtag des Königreichs Hannover, Landtagsblätter: 4. Diät, 1. Kammer: S. 26 f., 145, 164, 167; 2. Kammer: S. 243, 251, 267; 5. Diät, 1 Kammer: S. 21, 46, 51, 57, 67, 73, 87, 100, 110, 113, 127, 142, 146, 147, 158; 2, GWBL-Hannover Sig. ZEN ZC 51 Verhandlungen der 1. Kammer. Außerordentliche Diät 11.1851/52,3; 14.1857 – 1859; 2. Kammer: S. 6, 16, 40, 43, 51, 59, 62, 67, 76, 91, 101, 108, 117, 169, 185, 189, 220, GWBL-Hannover Sig. ZEN ZC 51 Verhandlungen der 2. Kammer. Außerordentliche Diät 11.1851/52, 3; 14.1857 – 1859. 588 Einen kurzen Einblick in die Thematik zur hannoverschen Notariatsgesetzgebung gibt auch: Scharnhorp, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert. Eine Untersuchung zum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente (2011), S. 70 – 81. 589 Vgl. hierzu: Anhang II, [(Organisationsgesetz/Gerichtsverfassung 1850) (Auszüge)], Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1850, 1. Abtheilung Nr. 52, S. 207 – 225, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; hier unter S. 364. 590 Ständetum: » […] unter Ständetum sind die politischen Stände, die organisierten und bestimmten Formen ständischer Versammlungen oder Vertretungen und Institutionen zusammenwirkender Stände zu verstehen, wofür in Deutschland der Begriff landständische
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hende Konkurrenz zwischen Volksvertretern und hannoverschem Regenten um die Vorherrschaft im welfischen Reich eine besondere Rolle spielen. Der Entstehungsprozess der HNO bewegte sich in einem steten Wechselspiel von ständepolitischer Machkonzentration und Inanspruchnahme landesherrlicher Herrschaftsrechte durch den Regenten. Die Neuordnung des Notariats vollzog sich in Hannover überdies im Rahmen einer weit reichenden Umorganisation der Justiz.591 Diese hatte mit der Schaffung der soeben erwähnten neuen Gerichtsverfassung im Jahr 1850 (GVGKHann.) ihren Anfang genommen.592 Gleichermaßen kam es in dieser Zeit und den Jahren zuvor zu einer bedeutenden Neuordnung des gesamthannoverschen Verfassungs- und Staatsgefüges. Der hannoversche Regent hatte bereits im Jahre 1850 auf verfassungsrechtlicher Ebene versucht, seine monarchistischen Reformvorstellungen zur Festigung der/seiner königlichen Macht im Staat rasch und radikal umzusetzen.593 Die Kodifizierung neuer Bestimmungen für das Notariat und im Speziellen die neue Geschäftsverteilung mit Blick auf die freiwillige Gerichtsbarkeit wurde ebenfalls unter Georg V. begonnen. Das in Kraft treten der Notariatsordnung als Teil dieser Reformen ließ dennoch weitere drei Jahre auf sich warten, wobei zu untersuchen bleibt, worin die Gründe für diese (weitere) Verzögerung lagen. Für die mit der Umstrukturierung beauftragten (Landes-) Gremien war die Neugestaltung der hannoverschen Notariate nur ein kleiner Teilbereich der angestrebten, allumfassenden Umorganisation des hannoverschen Staates und seiner Justiz. Unter der Regentschaft Georgs V. wurde zunächst in den Jahren 1851 und 1852 durch eine Regierungskommission ein erster Entwurf für neue »Bestimmungen das Notariat betreffend« ausgearbeitet. Dieses Konzept sollte in erster Linie den Maßgaben der neuen Gerichtsverfassung – hier insbesondere § 21 GVGKHann.594 – entsprechen. Die durch die Gerichtsverfassung proklamierte freie Konkurrenz von Amtsrichter und Notar auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde in diesem ersten Entwurf kompromisslos angestrebt. Amtsrichter sowie Notare sollten ohne Ausnahme gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die Beratung und der Beschluss einer Hannoverschen
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Verfassungen üblich geworden ist«, vgl. auch Oestreich, Ständetum und Staatsbildung, in: Der Staat Bd. 6 (1976), S. 62. Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II. Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II. Zu den restaurativen Motiven des welfischen Landesherrn Mitte des 19. Jahrhunderts näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 a) sowie 3 b) aa) – dd). § 21 Gerichtsverfassungsgesetz vom 8. November 1850: »[…] mit Ausnahme des Vormundschafts-, Curatel- und Depositenwesens und der Hypothekenbuchführung soll hinsichtlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine völlig gleiche und freie Concurenz zwischen den Notarien und den Amtsrichtern bestehen, […]«,vgl. hierzu auch: Anhang II, [(Organisationsgesetz/Gerichtsverfassung 1850) (Auszüge)], Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1850, 1. Abtheilung Nr. 52, S. 207 – 225, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; hier unter S. 364.
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Königlichen Notariatsordnung waren allerdings in der Legislaturperiode des Jahres 1851 als eher unbedeutender Teil der Justizreformen unerledigt geblieben. Infolgedessen wurde erst im folgenden Jahr auf dem 11. Landtag 1852 in Hannover ein vollständiger Erstentwurf durch die landesherrliche Kommission der Ständeversammlung zur Diskussion gestellt. Dieser Entwurf bekam dabei keine Zustimmung der ständischen Regierungsgremien. Die Regierungsvorschläge fanden in der Mehrzahl nicht die erhoffte, sofortige Zustimmung der beiden Ständekammern. Insbesondere das durch die neue Gerichtsverfassung postulierte Hauptanliegen der freien Konkurrenz zwischen Amtsrichter und Notar wurde durch die Ständevertretung im ersten Entwurf595 als unzureichend gelöst empfunden.596 1852 wurde im Rahmen der ständischen Erwiderung auf den königlichen Entwurf daher unzweideutig erklärt: »Dabei hat sich von mehreren Seiten (Mitglieder der Ständevertretung) lebhafter Widerspruch gegen wesentliche Bestimmungen des Entwurfs erhoben, indem namentlich der in dem Organisationsedicte (Gerichtsverfassungsgesetz von 1850) vom 8. November 1850 niedergelegte oberste Grundsatz der gleichen und freien Konkurrenz zwischen Amtsgerichten und Notaren in Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit in verschiedenen Beziehungen, insbesondere durch zu erschwerende Formen für die Notare, mehr oder weniger beeinträchtigt gehalten ist.«597
In dieser Äußerung ist ein deutlicher Ausdruck eines bemerkenswerten ständepolitischen Selbstbewusstseins zu erkennen. Diese harsche sowie offiziell nach außen getragene Kritik am königlichen Regierungsentwurf und somit mittelbar am hannoverschen Regenten ist gleichwohl unerwartet. Ohne der Betrachtung des Gesetzgebungsverfahrens der HNO und seinen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen inhaltlich vorzugreifen, muss bereits hier bemerkt werden, dass die traditionelle Macht der politischen Stände im hannoverschen Staat598 ab 1840 im Vergleich zu früheren Zeiten nämlich stark ge595 Der Entwurf der ersten Kammer der Ständeversammlung zur neuen hannoverschen Notariatsordnung ist zu finden in: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 108 H Nr. 6276, S. 32 ff. 596 Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 883 ff.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.; Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1 ff. 597 Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.; Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1 ff.; (Ergänzungen und Hervorhebungen nicht im Original). 598 Diese hatte sich bereits seit dem Mittelalter – insbesondere innerhalb städtischer Grenzen – formen können; [siehe dazu im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a) aa)].
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schwunden war.599 Eine solche, direkte Aussprache konnte daher im Jahr 1852 nicht (mehr) selbstverständlich sein. Ungeachtet dessen forderten die »Volksvertreter« auch im folgenden Jahr 1853 von ihrem Landesherrn und Gesetzgeber selbstsicher eine deutlichere und konsequentere Gleichstellung zwischen Amtsrichtern und Notaren ein.600 Diese Forderung war Ergebnis einer genauen und bemerkenswert fachkundigen Auseinandersetzung der Ständeversammlung mit der geplanten Novellierung des Hannoverschen Königlichen Notariats. Folge dieser Auseinandersetzung war ein an die Landesregierung bzw. den Landesherrn gerichteter und überarbeiteter fast vollständig neu formulierter Entwurf der HNO.601 Dieser Entwurf konnte noch in der gleichen Diät dem Landtag vorgelegt werden. In ihm wurde eine Vielzahl an Änderungen des über 80 Bestimmungen umfassenden, ersten Regierungstextes von ständischer Seite vorgeschlagen. Die überarbeitete Version beinhaltete lediglich 14 unveränderte Regelungen des landesherrlichen Konzepts von 1852.602 Aus der überschaubaren Anzahl an unveränderten Vorschlägen der landesherrlichen Kommission und dem oben wiedergegebenen Zitat ständischer Kritik wird deutlich, dass die Regierungsarbeit von ständepolitischer Seite als insgesamt nicht gelungen und wenig praxistauglich angesehen wurde.603 Eine weitere Möglichkeit für die umfassenden Änderungswünsche wäre indes, dass die Ständekammer im vormaligen Entwurfstext generell auch einen Ausdruck der Beschneidung ihrer politischen Rechte im Staat erblickte und diesen daher im Grundsatz ablehnte. Trotz einer lebhaften Diskussion zwischen Landes- und Volksvertretern wurde auch die 1853 in Kraft getretene Notariatsgesetzgebung aus Sicht der betroffenen notariellen Zunft immer noch für stark verbesserungswürdig erachtet.604 599 Zur Rolle der politischen Stände im hannoverschen Staat und ihrer Stellung gegenüber dem Regenten näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4. 600 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 883; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 601 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4. 602 Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 108 H Nr. 6276, S. 32 ff.; Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1 ff. 603 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, zu finden: GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 604 Weiterführend und insgesamt äußerst kritisch zur Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung aus Sicht der zeitgenössischen Praxis: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen
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Anders als die bisher für das Land »Hannover« dargestellten Regelungen des Notariatsrechts ergänzte die HNO ab 1853 das ehemalige kaiserliche Recht (Ordnung Maximilian I. von 1512) nicht nur ; vielmehr ist die hannoversche Ordnung als echte Kodifikation im Sinne einer umfassend regelnden abstrakt generellen Gesetzgebung zu begreifen.605 Hinter dem hannoverschen Bestimmungskanon stand immerhin ein souveräner Monarch mit einer Selbstwahrnehmung als gesetzgebender Regent. Mit der Schaffung der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung wurden die kaiserlichen Bestimmungen von 1512 auf territorialer Ebene mithin endgültig abgelöst. Der Regelungskatalog der HNO musste daher vollauf neu geschaffen werden. Es galt neben den Kernbereichen der notariellen Tätigkeit auch disziplinarrechtliche Bestimmungen, eine Taxordnung sowie Regelungen zur Urkundenerstellung und deren Erhaltung zu positivieren. Nicht zuletzt war ein geeignetes Ernennungsverfahren für neue Notare zu konzipieren. War die Notariatsordnung somit königlich oktroyierte Gesetzgebung, erscheint sie bei genauerer Betrachtung hierfür nicht idealtypisch. Oftmals lässt sie ein zu erwartendes monarchistisches Gepräge vermissen. Wie konnte dies in einem während des 19. Jahrhunderts zumindest formal monokratisch regierten Königreich möglich sein? Zur Klärung dessen sind nicht nur die einzelnen Normen des Notariatsrechts und ihren Entstehungsprozess zu beleuchten; vielmehr ist auch der Wandel innerhalb des hannoverschen Verfassungsrechts und das Ringen um Macht zwischen hannoverschem Regenten und ständepolitischen Kräften während des 19. Jahrhunderts als rahmengebende Struktur der Gesetzgebung in Augenschein zu nehmen; denn: Der Entstehungsprozess des neuen Notariatsrechts fällt in ebendiese Phase hannoverscher Staats- und Rechtsentwicklung. Der von ständischer Seite geführte (Verfassungs-) Kampf um mehr Liberalismus und Mitwirkungsrechte im Königreich sollte auch das Gesetzgebungsverfahren der Jahre 1850 – 1853 nachhaltig beeinflussen. 3.
Die HNO als Ergebnis einer monarchischen Verfassungsgesetzgebung mit dennoch ständischer Beeinflussung
Maßgeblich für die Beurteilung der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung als echtes Ständegesetz – im Sinne einer von Verfassung wegen liberalen Gesetzgebung oder als ständisch geprägtes Gesetz eines monokratischen Staates – ist daher das Kräfteverhältnis zwischen dem hannoverschen Landesherrn (Georg V.) und den politischen Ständen der Zeit von 1850 – 1853.606 Wie angeauch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. I – V, (Vorbemerkungen). 605 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 55. 606 Vgl. insbesondere eingehender zur gesellschafts- und verfassungsrechtlichen Grundsatz-
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deutet, war das Vorhaben der neuen Notariatsgesetzgebung ein Teil umfangreicher Justizreformen im hannoverschen Staat. Diese Reformbewegung nahmen bereits 1850 ihren Anfang und waren in erster Linie Folge der durch den König vorangetriebenen Verfassungsänderungen, deren vorrangiges Ziel ein Wiedererstarken der landesherrlichen Macht im Staat Hannover war. Unter diesen Vorzeichen war die Beschränkung der bereits gezeigten, bis dahin weitreichenden ständepolitischen Mitwirkungsrechte607 oberstes Ziel Georgs V. Nicht zuletzt schlugen sich die verfassungsrechtlichen Novellierungen und der um sie ausgetragene Kampf auf das Gesetzgebungsverfahren der HNO nieder. Die innerhalb des Königreichs und seiner staatsrechtlichen Organisation schon traditionellen Mitspracherechte der politischen Stände wurzelten in den ständischen Verfassungen der verschiedenen sogenannten Landschaften Hannovers. Beispiele für diese Landschaften mit eigenen (Verfassungs-) Rechtssätzen waren die etwa an früherer Stelle erwähnten und behandelten Gebiete Calenberg, Grubenhagen oder auch Hildesheim.608 Jede dieser Landschaften wurde durch die Landstände gegenüber dem jeweiligen Territorialherrn im hannoverschen Landtag vertreten. Die Verfassungen der Landschaften (Landständische Verfassungen),609 auch aus den Stadtrechtsfamilien hervorgegangen, standen in einer langen Tradition ständischer Einflussnahme auf das welfische Territorium. Sie beschränkten seit dem Mittelalter die Souveränität der »hannoverschen und welfischen« Landesherrn und ihrer Stadthalter zum Teil ganz erheblich.610 Die ständischen Verfassungen hinderten den Regenten allem voran an einer absoluten Machtentfaltung. Wie eigens für das städtische Hannover gezeigt wurde,611 spielten die Stände im hannoverschen Fürstentum und späteren Königreich bereits seit dem 14. Jahrhundert als Gegengewicht zum Souverän und Territorialherren eine bedeutende Rolle.612 Diese »völkische« Macht sollte sich im 18. Jahrhundert aufgrund einer beispiellosen hannoverschen Besonderheit bis ins Jahr 1837 indessen immer weiter festigen können. Die ständischen Rechtssätze wurden daraufhin erstmals Anfang des 19. Jahrhunderts in einer für das
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position der Stände als Gesellschafts- oder Volksvertretung im absolutistischen Staat, Kremer, die Willensmacht des Staates, die gemeindeutsche Staatslehre des Carl Friedrich von Gerber (2008), S. 349 ff. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II. Zum Begriff der Landschaften sowie zu den ständischen Verfassungen/Stadtrechten des Mittelalters siehe auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a). Zum Begriff der landständischen Verfassungen siehe auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a). Zum Begriff der Landschaften und zu den ständischen Verfassungen/Stadtrechten des Mittelalters siehe im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a); insbesondere ließ sich dies eindrucksvoll für das Stadtgebiet Hannovers feststellen, indem hier die Vogteigerichtshoheit an die wirtschaftlich starke Stadt verpfändet worden war. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a) aa) sowie 3 b) bb). Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a) aa) sowie 3 b) bb).
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gesamte Kurfürstentum Hannover geltenden Verfassung sogar konstitutionell gebündelt. Ab dem Jahr 1714 war für Hannover die Personalunion zwischen englischem Königshaus und dem damaligen hannoverschen Kurfürstentum als die soeben erwähnte Besonderheit prägend.613 In der Zeit dieser Union zwischen britischem Empire und nordwestdeutschem Territorium konnten die hannoverschen Landund ab 1814 sogenannten allgemeinen (politischen) Stände mehr Macht als je zuvor bei sich konzentrieren.614 Sie vermochten ihren Einfluss in die Legislative, Judikative und sogar die hannoversche Exekutive hinein auszudehnen. Hannover wurde in dieser Zeit mithin faktischer »Ständestaat«. Ein solcher Staat der hannoverschen Stände wurde indes niemals formal ausgerufen, sollte sich in der Verfassungslage aber zeitweise niederschlagen können.615 Verantwortlich für die Personalunion zwischen englischem Thron und hannoverscher Regentschaft war allem voran die englische Verfassung mit dem sogenannten »Act of settle613 Das Königreich Hannover wurde formal erst 1814 gegründet; (siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter IV; vgl. ferner zur Wirkung der langjährigen Abwesenheit des hannoverschen Regenten: Drögereit/Büttner (Hg.), Quellen zur Geschichte Kurhannovers im Zeitalter der Personalunion mit England 1714 – 1803, Quellenhefte zur niedersächsischen Geschichte (1949), S. 5 – 34; insb. S. 9 – 15. 614 Innerhalb der ersten Verfassung Hannovers von 1819 wurde diese Konzentration der staatlichen Macht auf ständischer Seite sogar erstmals gesetzlich verankert. Dies geschah jedoch noch in provisorischer Art und Weise: »Nachdem Wir der provisorischen allgemeinen Ständeversammlung die Grundzüge, nach welchen Wir mit möglichster Berücksichtigung der bisherigen landständischen Verfassung der einzelnen Provinzen, auch mit Beachtung der durch die Wiener Kongreß- und teutsche Bundesacte bestimmten Vereinigung der vormals getrennten Provinzen zu einem Königreiche, und der, nach Auflösung des römisch-teutschen Reichs, an die Fürsten desselben übergegangenen Souveränitätsrechte, die bleibende allgemeine Ständeversammlung zusammenzusetzen beabsichtigen, mitgetheilt und über die dabei festzusetzenden speciellen Bestimmungen deren Ansichten vernommen, auch in Ansehung der Puncte, bei welchen eine Abänderung von derselben in Antrag gebracht worden, deren Wünsche thunlichst berücksichtigt und darüber den sämtlichen Landschaften sowohl durch Unser Rescript vom 26. Oct. d. J., als durch die Eröffnung Unsers Kabinetsministeriums vom 11. Nov. d. J. Unsere Entschließung bereits zu erkennen gegeben, und nach gnädigster Auflösung der bisherigen provisorischen allgemeinen Ständeversammlung eine neue Landtagsversammlung zusammenberufen haben; so finden Wir nunmehr Uns bewogen, über die Verfassung und Einrichtung derselben Folgendes hiermit anzuordnen und festzusetzen: § 1: Die allgemeine Ständeversammlung soll künftig aus zwei Kammern bestehen, und theils aus persönlich berechtigten Mitgliedern, theils aber aus gewählten Deputirten dergestalt zusammengesetzt werden, als solches durch das angeschlossene (schon bekannte) Verzeichniß von Uns näher bestimmt ist. […]«,Patent, die Verfassung der allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs Hannover betreffend vom 7. Dezember 1819; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1819, 1. Abtheilung Nr. 26, S. 135 ff.; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; Drögereit/Büttner (Hg.), Quellen zur Geschichte Kurhannovers im Zeitalter der Personalunion mit England 1714 – 1803, Quellenhefte zur niedersächsischen Geschichte (1949), S. 5 – 34; insb. S. 9 – 15. 615 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 a) – c).
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ment« aus dem Jahre 1701. Dieser Teil der englischen Konstitution schrieb für Großbritannien eine ausschließlich protestantische Thronfolge fest.616 Konsequenz dieser Regelung war, dass zu Beginn des 18. Jahrhunderts nur noch die welfischen Fürsten Deutschlands als Erben des englischen Königshauses für eine Erbthronfolge in England in Frage kamen.617 Die aus dem Mittelalter noch immer bestehende familiäre Verbindung zwischen England und Hannover618 ließ die englische Krone im Jahre 1714 daher an Georg I. von Hannover fallen. Als einziger protestantischer Erbe Anna Stewarts von England bestieg er in London den Thron. Bis zur Beendigung der 123-jährigen Union zwischen englischem Thron und hannoverschem Fürstentum im Jahre 1837 sollte der Einfluss der allgemeinen Stände auf das hannoversche »Königreich« seinen Zenit erreichen. Mangels eines anwesenden Herrschers im Lande gelang es den politischen Ständen, Verflechtungen innerhalb der hannoverschen Verwaltung bis in die »königliche« Justiz hervorzubringen sowie auch das Notarwesen zu durchwirken.619 a) Die traditionell starke Stellung der Stände im hannoverschen Staat Das hannoversche Ständetum hatte sich im Verbund mit Stadtrechten und ganzen Stadtrechtsfamilien seit dem Mittelalter formen und im Land »Hannover« immer mehr an Selbstbewusstsein und Identität entwickeln können.620 Dieses »natürlich« gewachsene ständepolitische Selbstbewusstsein wurde gleichwohl in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrere Male herausgefordert bzw. erschüttert. Die ständische Macht sah sich im hannoverschen Königreich insbesondere nach der Beendung der soeben erwähnten hannoverschbritischen Personalunion wechselnden Thronfolgen mit jeweils gestiegenen Machtansprüchen des jeweiligen hannoverschen Monarchen gegenüber. Damit einhergehend mussten sich die politischen Stände wiederholt auf Verfassungs616 »The Act of Settlement of 1701 was designed to secure the Protestant succession to the throne, and to strengthen the guarantees for ensuring parliamentary system of government.«; (offizieller Internetauftritt der Britischen Monarchie): URL: http://www.royal.gov. uk/historyofthemonarchy/kingsandqueensoftheunitedkingdom/thestuarts/maryiiwillia miiiandtheactofsettlement/theactofsettlement.aspx, abgerufen am: 06. 02. 1012. 617 Zur Verwandtschaftsfrage der Welfen mit dem englischen Thron siehe auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter III und IV; vgl. ferner : Anhang I (Stammtafel der Welfen); hier unter S. 357 – 360. 618 Siehe auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter III und IV; vgl. ferner : Anhang I, (Stammtafel der Welfen); hier unter S. 357 – 360. 619 Über das Hineinwirken der Stände bis in die Justiz des hannoverschen Landes siehe auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b) aa) – bb). Auch wird diese Hineinwirkung aus den Personalakten des Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover ersichtlich; beispielhaft etwa: Bestand AAAVII Z, SF Nachlässe (Ebeling, Carl Friedrich Dr.; Sig.: SF Nachlässe, kleine Erwerbungen A 19). 620 Siehe auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b) aa) – bb).
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änderungen in den Jahren 1819, 1833, 1840 sowie 1848 einstellen und auf diese reagieren. Ab 1837 galt es sich von ständischer Seite daher fortwährend gegenüber dem zeitweiligen Landesherrn zu behaupten, welcher die Rechte der Stände immer wieder zur Disposition stellte. Die Volksvertreter hatten hierbei, wie zu sehen sein wird, viel zu verlieren und fochten ihre Kämpfe mithin ambitioniert und mit gesellschaftlichem sowie (rechts-) wissenschaftlichem Rückhalt aus.621 Aus diesen Aspekten ergeben sich zwei Fragen für den Entstehungsprozess der notariatsrechtlichen Kodifikation des Jahres 1853: Zum einen muss Klärung finden, wie es angesichts einer ab 1837 stetig zu verteidigenden Machtposition von Seiten der ständischen Volksvertreter zu einer derart selbstsicheren Kritik kommen konnte, wie der zuvor zitierten;622 zum anderen gilt es insbesondere diese Frage zu beantworten, wenn Hannover im Jahr 1853 nach wechselvollen Jahren im Verfassungsleben zumindest formal ein souverän monokratisch regiertes Königreich gewesen ist.623 Insoweit stellt sich – auch hinsichtlich der neuen Bestimmungen für das Notariat – zum Zweiten die Frage, ob ein hannoverscher Regent in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt in der Lage gewesen wäre, eine Kodifikation ohne ständische Mitwirkung einfach zu oktroyieren. Für die Zeit des Gesetzgebungsverfahrens sowie des in Kraft tretens der Notariatsordnung kann die zweite Frage bereits hier mit einem klaren »Nein« beantwortet werden.624 Die Begründung hierfür – wie auch für das selbstsichere Auftreten der Stände – ist in der erwähnten Verfassungsgeschichte Hannovers und somit auch in der Beantwortung der ersten Frage zu suchen. Hierzu gilt es die verfassungspolitischen Umstände im hannoverschen Staat vor 1853 zu beleuchten; ebendiese Verfassungsgeschichte wie auch der sogenannte »hannoversche Verfassungskampf« dieser Zeit ist mit dem Gesetzgebungsprozess der HNO und der gesamten Justizreform eng verbunden. Die der Rechtsgeschichte Hannovers vorgelagerte Landesgeschichte und das erwähnte »Nein« stehen wiederum in engem Zusammenhang mit der Personalsituation der landesherrlichen Regierung der Jahre 1714 – 1837. Diese einzigartige Situation sollte, wie angedeutet, nachhaltige Wirkung auf die innerpolitischen Machtverhältnisse im hannoverschen »Staat« haben. Entscheidender Aspekt für die ständische Machtkonzentration im 18. und 19. Jahrhundert war allem voran diese 123 Jahre andauernde echte Abwesenheit des welfischen Regenten. Die Einflussnahme der Ständevertretung auf den Staat in welfischen Territorien wurde erst mit der Eingliederung Hannovers
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Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3. Siehe auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 2. Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3. So auch: v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 323.
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in den preußischen Staat 1866 beendet.625 Bereits vor der Niederlage Hannovers hatten die Stände im Land »Hannover« in einem fortschreitenden Prozess an Schlagkraft verloren. Die ständische Machtkonzentration der Jahre 1714 – 1837 sollte sich nach Beendigung der Personalunion und besonders ab 1840 indes nicht mehr in Gänze wiederherstellen lassen. Dennoch sollte der innenpolitische Einfluss der Volksvertreter immer noch stark genug sein, den Kodifikationsprozess der HNO von 1850 – 1853 bemerkenswert nachhaltig zu beeinflussen. Gleichermaßen gewiss, wie das Herabsinken der hannoverschen Stände in die Bedeutungslosigkeit ab 1866 ist, dass der Absolutismus und das Gottesgnadentum seit der frühen Neuzeit Europa und seine gesellschaftliche Entwicklung bestimmten.626 Dies war grundsätzlich auch im hannoverschen Reich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht anders.627 Gleiches gilt für das ständige Auf und Ab der Intensität ständischer Einflussnahme auf das hannoversche Staatsleben. Indessen zeigt sich besonders augenscheinlich am Fürstentum und späteren Königreich Hannover, wie wenig nachhaltig die Wirkung absolutistischer Bestrebungen eines Landesherren im 19. Jahrhundert und auch zuvor sein konnten. Bereits in einer mangelnden Nachhaltigkeit absolutistischer monokratischer Ansätze könnte daher eine Erklärung für das selbstsichere Auftreten der Gesellschaftsvertreter gegenüber dem eigenen Regenten zu Beginn der 1850er Jahre liegen. Wenn nämlich im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts der Absolutismus oft lediglich einzelne Spuren ständischen Verfassungslebens hatte bestehen lassen, hob sich die Stellung der hannoverschen Stände im gesamtdeutschen Vergleich deutlicher hervor als andernorts.628 In keinem anderen Teil Nordwestdeutschlands hatte die ständische Gesellschaftsvertretung alle staatlichen Bereiche wie auch die landesherrliche Verwaltung derart intensiv durchwirken können. Absolutistische Bestrebungen konnten sich hier daher nur in geringem Maße durchsetzen. Dem Monarchen stand stets eine nicht zu unterschätzende ständisch organisierte innerpolitische Kaste gegenüber. Der Absolutismus hatte in 625 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 367. 626 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81. 627 Zum Absolutismus und dessen Ausprägungen sowie Erscheinungen vgl. insgesamt: Vierhaus/Kernig, Absolutismus, Absolutismus, in der vergleichenden Enzyklopädie »Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft, Band 1, Abbildtheorie bis Diktatur des Proletariats, Sp. 17 – 37; Hartung, R. Mousnier, Quelques problÀmes concernant la monachie absolue, in: Relazioni, X. Congresso internazionale di scienze storiche (1955), S. 1 – 55; ebenso »Absolutismus«: Seif, in: HRG BD I 2. Aufl. (2009), Lfg. 1 (2009), Sp. 30 – 38. 628 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81.
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der Folge stets mit einer ständisch gegliederten Gesellschaftsordnung um die Vorherrschaft im Land »Hannover« zu ringen und konnte sich daher nur schwer bzw. nicht etablieren. Wie am frühen Beispiel der städtischen Siedlung Hannover gezeigt, musste der Landesherr zumeist mit einer ebenso selbstbewussten wie wirtschaftlich starken Bevölkerung koexistieren. Diese hatten sich in der Folge zu den Landständen, sodann auf Landesebene flächendeckend zu den allgemeinen Ständen mit eigener Verfassungsidentität weiterentwickeln können. Der absolutistische Machtanspruch stand aus diesem Grund stets mindestens einer Stadtverfassung oder gar einer ganzen Stadtrechtsfamilie später einem gesamten landständischen Verfassungsleben, gegenüber.629 In manchen Fällen konnten die landesherrlichen Herrschaftsansprüche durch die Bürgerschaft früh sowie vollauf zurückgedrängt werden.630 Die bereits im 15. Jahrhundert klar absolutistischen Bestrebungen der hannoverschen Regenten wurden hierdurch immer wieder zerschlagen.631 Schon im Jahre 1438 war der hannoversche Fürst632 mit einer gänzlichen Abschaffung der Landstände gescheitert.633 Seine Nachfolger sollten diesbezüglich ebenso erfolglos bleiben. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts (1714) kam insbesondere die Personalunion mit England erschwerend hinzu. Der hannoversche Fürst forderte den eigenen Herrschaftsanspruch in Hannover nicht mehr ein.634 Nach Beendigung der Personalunion setzte seitens Georg V. indessen ab 1840 eine starke Restauration des hannoverschen Monarchismus innerhalb des nordwestdeutschen Welfenterritoriums ein.635 Dieser monokratische Monarchismus Georgs V. war von derartiger Qualität, dass die Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts an diesem Punkt einen historischen Schnitt erkannte und in diesem Zusammenhang den Unterschied zwi629 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a). 630 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a) – b) aa). 631 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 321. 632 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 321. 633 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 321. 634 Siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter IV; »seit 1755 hatten die Welfen ihre Stammlande – mit Ausnahme eines kurzen Besuchs Georgs IV. 1821 – nicht mehr besucht«, vgl. hierzu auch: Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 79; v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 131 f. 635 Kremer, die Willensmacht des Staates, die gemeindeutsche Staatslehre des Carl Friedrich von Gerber (2008), S. 346; Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 73.
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schen den modernen und den älteren Ständen Hannovers betonte.636 Das lange Zeit gewachsene Ständewesen Hannovers wurde ab dem Jahr 1837 bzw. 1840 wieder in ernst zu nehmender Weise durch die Anwesenheit eines Regenten herausgefordert. Begünstigte die Personalunion zu England über 123 Jahre hinweg das Gedeihen der mittelalterlichen Ständemacht, bleibt immer noch zu klären, welche Reaktion die monokratischen Bestrebungen des »heimkehrenden« Monarchen auf Seiten der politischen Stände im Ringen um den Erhalt der eigenen Machtposition hervorbrachte. Nicht nur für die gesamten Justizreformen, sondern auch für den Entstehungsprozess der Notariatsordnung sollte sich der folgende hannoversche Verfassungskampf der 1840er Jahre als entscheidend zeigen. b)
Innere und äußere Einflüsse auf das staatliche Machtgefüge zwischen hannoverschem Ständetum und Regenten Zum Verständnis der Umstände des Gesetzgebungsverfahrens der HNO, der Machtverteilung im Staat und des hannoverschen Verfassungskampfes, ist zwischen der bereits dargestellten früheren Macht der städtischen Vertreter (und ihren landständischen Verfassungen)637 sowie der ebenfalls bereits gezeigten Dynastiegeschichte der europäischen Fürstenhäuser (England/Hannover)638 zu unterscheiden. Die frühere Ständemacht konnte sich in Hannover vorübergehend sogar auf verfassungsrechtlicher Ebene etablieren. Die europäische Dynastiegeschichte kann in diesem Zusammenhang als von außen auf den hannoverschen Staat wirkender Faktor begriffen werden; während die Entwicklung der politischen Stände und das Verfassungsleben Hannovers als von innen heraus wirkende Kräfte verstanden werden müssen.639 Zwischen beiden Ebenen ergaben sich indes stets Wechselwirkungen. Diese Synergien führten entweder zu einer gegenseitigen Begünstigung oder einer Verschiebung der politischen Kräfte im hannoverschen Staat in die eine oder andere Richtung. aa) Welfische Dynastiegeschichte als äußerer Faktor Mit den äußeren Begebenheiten der europäischen Dynastiegeschichte ist in erster Linie die Abwesenheit des hannoverschen Regenten vom westdeutschen 636 Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts (1880/Nachdr. 1994), S. 122 f.; Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 73. 637 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a) – c). 638 Siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter I – IV. 639 Diese staatstheoretische Unterscheidung der »inneren und äußeren Umstände« wird insgesamt auch getroffen von: Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93.
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Territorium in der Zeit von 1714 – 1823 gemeint. Für die gesellschaftliche Entwicklung Hannovers sollten sich sowohl die Abwesenheit des Landesherrn sowie die starke, ständische Machtkonzentration allerdings als nicht durchweg günstig erweisen. Nach der Besteigung des englischen Throns durch Georg I. von Hannover ebbte dessen landesherrliches Interesse am damals als Kurfürstentum geführten deutsch-welfischen Territorium rapide ab. Es geriet faktisch in Vergessenheit. Diese Entwicklung erscheint auch heute noch nachvollziehbar ; denn das englische »Empire« bot in Ansehung der zersplitterten Machtverhältnisse im kleinen deutschen Territorium640 deutlich mehr Entfaltungsmöglichkeiten eines absoluten Herrschaftsanspruchs. Darüber hinaus stellte England ein globales Herrschaftsgebiet für den vormals bloß »deutschen« Territorialherrscher dar. Das Mehr an monokratischer Macht ließ die hannoverschen Ländereien infolgedessen quasi zu »Nebenlanden« Englands herabsinken.641 Dies gründete auch in der Tatsache, dass ein echter, absolutistischer Machtanspruch (kur-) fürstlicher Herrscher in Hannover schon in der Vergangenheit kaum zu verwirklichen gewesen war.642 Als Folge der Abwesenheit des Regenten entstand eine noch stärkere Stellung der ständepolitischen Kräfte im hannoverschen Reich, als die bis 1714 bereits gewachsene.643 So war bis zum Jahr 1837 tatsächlich kein hannoverscher Monarch mehr in Deutschland zugegen. Gerade das Fehlen eines Landesherrn mit eigenem Herrschaftsanspruch spielte den politischen Ständen und besonders »ihrer« Beamtenschaft und »ihren« Gremien im Land »Hannover« in die Hände.644 Der Bestand der politischen Stände und ihr fortwährendes Gedeihen wurden durch die Nebenlandexistenz Hannovers nur begünstigt. Das politische Bürgertum konnte seinen Einfluss infolgedessen mittels der Verwaltungsinstitutionen sowie der ständischen Gremien sogar bis in die Finanz- und Justizverwaltung des hannoverschen Reichs vorantreiben. Das Kurfürstentum wurde sich verwaltungstechnisch vollauf selbst bzw. den politischen Volksvertretern und somit der allgemeinen Ständeversammlung überlassen. Die Bedeutung der »ständischen« Landesregierung als oberste Verwaltungsorganisation und faktische »Vertretung des Regenten« im hannoverschen Staat wuchs 640 Vgl. hierzu insgesamt: Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93. 641 So auch: Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 76; Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 378. 642 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a). 643 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b) bb) und cc). 644 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 a) und b).
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infolgedessen stetig an. Folgerichtig war auch die Landesregierung ausschließlich durch Vertreter der politischen Stände und Mitglieder der ständischen Kammerversammlung besetzt.645 Vertreter einer landesherrlichen Kommission oder Ähnliches sucht man im Hannover dieser Tage vergebens. Die somit hannoversche, nicht jedoch hannoversche »landesherrliche« Regierung bestand folglich aus Männern, die primär ständepolitische Interessen vertraten. Zugleich waren sie Mitglieder einer einzelnen, elitären gesellschaftlichen Gruppierung. Von einer echten (»Volks«-) Vertretung kann daher nicht die Rede sein.646 Die wichtigste dieser elitären Gruppen, welche bereits zu früheren Zeiten eine hohe Konzentration an gesellschaftspolitischer Geltung auf sich vereinen konnte war die (hannoversche) Ritterschaft.647 Auch ihre Mitglieder beschränkten sich im Land »Hannover« auf eine kleine Zahl von adligen Familien.648 Es entstand mithin ein deutliches Übergewicht des Adels in der hannoverschen »Gesellschaftsvertretung«. bzw. Landesregierung.649 Dies brachte bereits zu damaligen Zeiten Unmut in der Staatsrechtslehre und im liberalpolitischen (Verfassungs-) Leben des Kurfürstentums hervor. Grund hierfür war, dass der Adel es vermocht hatte, als Ausdruck »ständepolitischer« Macht von 1714 an ein ausgefeiltes System einer Sekretariokratie in Hannover zu etablieren. Durch dieses Vorgehen konnten wenige Familien der Ritterschaft650 ihre Macht innerhalb der Ständelandschaft, Verwaltung und im gesamten Reich verteilen und über Generationen effektiv sichern.651 Landesregierung, Landes-
645 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 84, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. 646 Diese Bezeichnung der Ständeversammlung ist somit ab hier unter Vorbehalt zu sehen. 647 Ritterschaft: »Im Allgemeinen bezeichnet die Ritterschaft einen besonderen Geburtsstand neben dem Bürger- und Bauernstand, den niederen Adel, der wiederum vom Hochadel zu unterscheiden war. Der Hochadel gehörte nicht zur Ritterschaft. Zu unterscheiden ist der berufsständisch motivierte und geburtsständisch motivierte Ritterstand, Fleckenstein, Rittersstand, in: HRG Bd. IV, 1. Aufl. (1990), Lfg. 29 (1988), Sp. 1087 – 1092, (1089, 1090 f.); Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 79. 648 Onken, v. Bennigsen, ein deutscher liberaler Politiker nach seinen Briefen und hinterlassenen Papieren (1910), S. 33. 649 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. 650 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81; v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/ Nachdr. 1973), S. 491. 651 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard
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verwaltung und deren Beamtenschaft lagen fest in den Händen des gleichen »Ständepatritiats«652, das sowohl in den Landtagen als auch in den Verwaltungsausschüssen dominierend war.653 Dieses Übergewicht der obersten, gesellschaftlichen »Regenten«-Kaste im Staat wurde durch das Zweikammersystem der hannoverschen Ständeversammlung weiterhin verstärkt. Während in der ersten Kammer der Ritter-Adel vorherrschend war, wurde die zweite Kammer des Landtags durch das stadthannoversche Beamtentum dominiert.654 Die städtischen sowie die Landesbeamten standen hier neben allerdings in einem faktischen Abhängigkeitsverhältnis zu den Mitgliedern der ersten Kammer, da in dieser die obersten Behördenleiter und hohen »landesherrlichen« Beamten ihre Sitze hatten. Sie waren mithin zugleich in der beruflichen Hierarchie Vorgesetzte der städtischen Landesbeamtenschaft. Aus diesem Grund gelang es den Mitgliedern der ersten Kammer, also der Ritterschaft, mittelbar auch die zweite Kammer vollauf zu durchwirken, waren die städtischen Beamten doch von der Gunst ihrer Behördenleiter auch beruflich abhängig. Die gesamte Landesverwaltung konnte somit nach den Vorstellungen einer einzelnen vorherrschenden Gruppe bestimmt werden. Eine tatsächlich ideale Volksvertretung konnte in der allgemeinen Ständeversammlung Hannovers daher nicht mehr gesehen werden; denn auch die Entscheidungen der zweiten Kammer wurden naturgemäß vom beruflichen Abhängigkeitsverhältnis ihrer Mitglieder zu den Mitgliedern der ersten Kammer geprägt. Folgerichtig gilt dieser Befund auch für das Verfahren um die HNO.655 In Anbetracht dieser Umstände kam es über die Volksvertretung
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(Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 76. Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 76. G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011; Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 79. G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. Für die Zeit des Gesetzgebungsverfahrens der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung finden sich die kammerinternen Protokolle in: 11. Landtag des Königreichs Hannover, Landtagsblätter : 4. Diät, 1. Kammer : S. 26 f., 145, 164, 167; 2. Kammer: S. 243, 251, 267; 5. Diät, 1 Kammer: S. 21, 46, 51, 57, 67, 73, 87, 100, 110, 113, 127, 142, 146, 147, 158; 2, GWBL-Hannover Sig. ZEN ZC 51 Verhandlungen der 1. Kammer. Außerordentliche Diät 11.1851/52,3; 14.1857 – 1859; 2. Kammer: S. 6, 16, 40, 43, 51, 59, 62, 67, 76, 91, 101, 108, 117, 169, 185, 189, 220, GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZC 51 Verhandlungen der 2. Kammer. Außerordentliche Diät 11.1851/52,3; 14.1857 – 1859.
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auch in der hannoversche Rechts- und Staatswissenschaft zu Äußerungen wie der nachstehenden von Johann Karl Bertram Stüve:656 »Die Stände sind jetzt weniger oder nichts; aber sie sind die Form welche einst Viel Gutes wirken, und, was noch wichtiger ist, viel Böses verhüten kann.«657
Auf die Person Stüves wird hinsichtlich des hannoverschen Verfassungskampfes noch zurückzukommen sein.658 Er prangerte die ungleiche Machtverteilung im hannoverschen Staat jedenfalls unmissverständlich an. Mit der Ständeversammlung herrschten aber zumindest im Grundsatz noch immer wenige über viele und nicht ein einzelner Monarch über alle. Die ständischen Gruppierungen waren ab 1840 gleichwohl an einer Umverteilung der Macht im Staat wenig interessiert. Hatten sie sowohl die Finanz- und Gesetzgebungshoheit über den Staat inne,659 trieben sie erstere insbesondere in die Finanzierung der Landesverwaltung und sogar die »landesherrliche« Justiz hinein. Ihr erklärtes Ziel war es also, auch diese an sich zu binden und bestimmen zu können. Infolgedessen konnte neben der Verwaltung selbst die Judikative im Staat durch ständische Kräfte faktisch planvoll besetzt und gesteuert werden. Die Ritterschaft war mithin der heimliche Herrscher im hannoverschen »Staat«. Augenscheinlich wird dies, wenn »landständische und landesherrliche Gerichte innerhalb des mittleren Rechtszuges bereits Anfang des 18. Jahrhunderts ausdrücklich nebeneinander standen«660 – landesherrliche Gerichte auf dieser Ebene in Hannover aber tatsächlich nicht existierten. Besondere Bedeutung erhalten diese Verhältnisse, da selbst die oberste – genuin königliche – Judikative restlos vom ständischen Einfluss durchwoben war. Auch am königlichen Oberappellationsgericht in Celle hatte sich die machtpolitische Gegensätzlichkeit zwischen Ständen und landesherrlicher »Regierung« niedergeschlagen.661 Finanzielle Ständemacht wurde hier eindrucksvoll in staatslenkenden Einfluss gewandelt, 656 Zur Person Stüves als Akteur des hannoverschen Verfassungskampfes näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b). 657 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011; Stüve aus dem Jahre 1823; Diese von Stüve ausdrücklich missbilligten Zustände im hannoverschen Staat stellt ausführlich dar : Lampe, Freyheit und Ordnung, Die Januarereignisse von 1831 und der Durchbruch zum Verfassungsstaat im Königreich Hannover (2009), S. 47 – 55, 55 – 61, insb. 47, 48 f.; 55 f. 658 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 c) aa) – bb). 659 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b) bb). 660 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 78. 661 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 80 f.
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wenn ausschließlich die ständischen Kassen die Gehälter der an sich »königlichen« Richter stellten.662 Geld und Macht hingen auch hier untrennbar miteinander zusammen. Gleiches galt etwa auch für das hannoversche Heer sowie die Universität Göttingen. Sogar die personelle Besetzung des obersten Gerichts im hannoverschen Reich wurde ständisch beeinflusst oder gar vollauf bestimmt.663 »Mehrere Mitglieder des Spruchkörpers in Celle gehörten aus diesem Grund einflussreichen Ritterfamilien und zugleich der Ständevertretung an.«664 Beispielgebend ist etwa der Fall der Familie Pufendorf, deren Mitglieder über drei Generationen am Celler Tribunal tätig waren665 und zugleich durchweg zu den Mitgliedern der 1. Kammer der hannoverschen Ständeversammlung zählten. Das Oberappellationsgericht war mithin nur noch dem Namen nach ein »königliches« Gericht. Entwicklungen eines solchen Ständestaates waren in Nuancen grundsätzlich in jedem europäischen Staat dieser Zeit zu finden.666 Besonders galt dies für die Staaten, in welchen die politischen Gesellschaftsvertreter mit Hilfe landständischer Verfassungen des Mittelalters ihre Stellung bis in die Neuzeit hatten hinüber retten können.667 Hannover nimmt ebenfalls hier eine besonders exponierte Stellung ein; denn auch wenn andere Territorien ihre landständischen Verfassungen in Teilen gleichfalls beibehalten hatten, vermochte nirgends sonst eine Ständevertretung alle drei Ebenen der staatlichen Organisation rechtlich und faktisch so intensiv zu durchdringen.668 In Hannover war dies allein einem 662 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81; Haase, Das ständische Wesen im nördlichen Deutschland, Calenberg-Grubenhagensche Studien (1964), S. 14. 663 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81. 664 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81. 665 Der mit Abstand bekannteste Vertreter der Familie Pufendorf am Celler Tribunal ist wohl Friedrich Esaias Phillip von Pufendorf. Schon sein Vater war am Celler Gericht tätig gewesen, vgl. hierzu und zur Person Pufendorfs etwa: http://app.olg-ce.niedersachsen.de/ cms/page/geschichte/geschichte_V.php, abgerufen am: 29. 01. 2013. 666 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81; Haase, Das ständische Wesen im nördlichen Deutschland, Calenberg-Grubenhagensche Studien (1964), S. 14. 667 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81. 668 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81.
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abwesenden und wenig am eigenen Reich interessierten Landesherrn geschuldet; sowie es die politischen Stände vermochten in gleichem Maße hieraus ihren Vorteil zu ziehen. bb) Innenpolitisch-gesellschaftliche Umstände Die Abwesenheit des hannoverschen Regenten von 1714 – 1837 war für den Einfluss der ständischen Vertreter im 18. und 19. Jahrhundert allerdings nicht allein entscheidend. Dies gilt auch für den Gesetzgebungsprozess der Notariatsordnung, obschon die Übergänge von äußeren und inneren Einflüssen für die ständepolitische Machtkonzentration im hannoverschen Staat fließend waren. Für die ständepolitische Macht, und den Konflikt zwischen Landesherrn und Volksvertretung, insbesondere im 19. Jahrhundert, war auf innerpolitischer Ebene die in Hannover bestehende ständische Verfassungstradition und das immer noch funktionierende und ausgeprägte landständische Verfassungsleben ursächlich. Beides schränkte die landesfürstliche Gewalt in vielerlei Hinsicht seit Jahrhunderten außerordentlich stark ein. Wie bereits im ersten Teil dieser Arbeit aufgezeigt, hat es in Hannover immer schon einen ständepolitisch gelenkten Staats- und Territorialapparat gegeben.669 Die politischen Stände hatten lediglich während der französischen Fremdherrschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts, allerdings kaum erwähnenswerten, an Einfluss eingebüßt.670 Sie waren auch hiernach nie völlig entmachtet worden. Die politischen Stände konnten somit in der Zeit nach dem Abzug der Franzosen und ab 1814 schnell wieder zu alter Stärke zurückfinden. Wie auch im Notariatsrecht,671 kehrte man gleichermaßen im Rahmen der Staatsorganisation und im hannoverschen Verfassungsleben nach Beendigung der französischen Okkupation zum Alten zurück. Bereits Ende 1813 lebten die Landtage mit ihren ständischen Mitgliedern bestehend aus den hannoverschen Städten sowie dem einflussreichen Rittertum wieder auf. Auch die landständischen Verfassungen konnten revitalisiert werden.672 Sie hatten nie an Bedeutung eingebüßt und galten sogar in den Jahren der Fremdherrschaft formal »unbemerkt« fort.673 Der französische Besatzer hatte sich dem (Territorial-) Verfassungsleben niemals angenommen. Gleiches lässt sich für weite Teile des Fürstentums und des späteren Königreichs mit den Gebieten Bremen, Hildesheim oder Ostfriesland feststellen. Auch hier blieben die Landstände als Institutionen vom französischen Einfluss weitgehend un669 670 671 672
Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II a) sowie b). Siehe dazu im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 3. Siehe dazu im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 1. v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 309. 673 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 322.
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berührt.674 In der Folge kam es 1819 zur ersten reichsweit geltenden, einheitlichen hannoverschen Landesverfassung. Sie gründete primär auf den landständischen Verfassungen der einzelnen Territorien bzw. des sogenannten Landschaften des hannoverschen Kurfürstentums.675 Das erste hannoversche »Grundgesetz« gewährte folgerichtig den Ständen eine Vormachtstellung in »ihrem« Staat. Den Absolutismus kannte die Verfassung nur dem Grunde nach und behandelte ihn als verfassungsrechtliche Randerscheinung. Die allgemeine Ständeversammlung repräsentierte mithin auf dieser ersten verfassungsrechtlichen Grundlage und bis 1866 die hannoverschen Territorien gegenüber dem jeweiligen Landesherrn. Die ständische Kammerversammlung vertrat also die Landschaften Calenberg, Göttingen, Grubenhagen, Lüneburg, Sachsen-Lauenburg, Hoya, Diepholz sowie Bremen, Verden, Hildesheim, Osnabrück, Goslar und das gesamte Gebiet Ostfriesland gegenüber dem hannoverschen Regenten.676 Hieran änderten auch die verschiedenen Verfassungsnovellen zu Beginn des 19. Jahrhunderts – ausgehend vom Grundgesetz des Jahres 1819 – nichts. Bis 1840 begrenzte darüber hinaus keine der geltenden hannoverschen Verfassungen die ständischen Mitspracherechte im Staat in relevantem Maß. Von absolutistischen oder monarchistischen Zuständen im hannoverschen Staat kann bis 1840 mithin nicht gesprochen werden. Allen Änderungen am hannoverschen »Grundgesetz« des Jahres 1819 war in der Zeit bis 1833677 lediglich das Thema der ständeinternen Kräfteverteilung zwischen der ersten und zweiten Kammer des Landtages gemein. Im Weiteren kamen insbesondere die erwähnten Wechselwirkungen zwischen inneren und äußeren Umständen zum Tragen. Mit den zuvor dargestellten gesellschaftspolitischen Verhältnissen innerhalb der Ständeregierung sowie der Abwesenheit des Regenten blieben die hannoversche 674 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 318. 675 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 318. 676 § 81 Grundgesetz Königreich Hannover (1833): »Provinzial-Landschaften sollen bestehen: 1. Für die Fürstentümer Calenberg; Göttingen und Grubenhagen, neben den vormals Hessischen Ämtern im Fürstenthume Göttingen und diesseitigen Eichsfelde;/2. Für das Fürstenthum Lüneburg, mit Einschluss der diesseitigen Theile des Herzogthums SachsenLauenburg;/3. Für die Grafschaften Hoya und Diepholz, mit den vormals Hessischen Ämtern in diesen Provinzen;/4. Für die Herzogthümer Bremen und Verden;/5. Für das Herzogthum Osnabrück;/6. Für das Herzogthum Hildesheim, nebst der Stadt Goslar ;/7. Für das Fürstenthum Ostfriesland und das Harlinger Land.«; URL: http//:www.verfassungen. de/de/nds/hannover33.html, abgerufen am 20. 07. 2009; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 677 Grundgesetz Königreich Hannover (1833): URL: http//:www.verfassungen.de/de/nds/han nover33.htm, abgerufen am 20. 07. 2009; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331 TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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Landesregierung und auch das hannoversche Verfassungsleben in der Zeit von 1714 bis 1837/1840 relativ starr.678 Tatsächlich grundlegende Veränderungen der staatlichen Organisationen brachten die kleineren Verfassungsänderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht hervor. »Die Verfassung verharrte buchstäblich in den seit dem 14. Jahrhundert überlieferten Privilegien der Stände gegenüber dem Landesherrn.«679 Somit verloren sich die Verfassungsreformen bis 1833 tatsächlich allein in der Frage um die Verteilung der eigenen Macht innerhalb der führenden Gesellschaftsschichten des hannoverschen Ständestaates. Der ständische Machtanspruch im hannoverschen Staat konnte daher auf Verfassungsebene zunächst konserviert, dann sogar positiviert werden. Die bislang auf Grundlage der Verfassung von 1819 nur faktischen Einschränkungen des Landesherrn wurden infolgedessen sogar auf hannoverscher Reichsebene mit dem zweiten hannoverschen Grundgesetz von 1833680 vermeintlich verfassungsrechtlich gesichert.681 Die ständischen Vertreter beanspruchten auf dem Zenit ihrer Macht ab 1833 sogar Mitspracherechte in auswärtigen Angelegenheiten des hannoverschen Staates.682 Ende der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1833 bis 1855, insbesondere ab 1837) sollte sich aber mit der Beendung der Personalunion zwischen England und Hannover ein grundlegender Wandel im Verfassungsleben Nordwestdeutschlands vollziehen. Für die Jahre 1837 – 1853 sollte eine wechselnd intensive Einflussnahme der Stände auf die Staatslenkung und Gesetzgebung für das Land »Hannover« prägend sein. Waren die Stände lange Zeit in Hannover tonangebend, mussten sie sich in dieser Phase der hannoverschen Staatsgeschichte gegen monarchistische sowie monokratische Bestrebungen des eigenen Landesherrn wiederholt zur Wehr setzen. Die Gesetzgebung der Notariatsordnung fiel in ebendiese Zeit des Umbruchs und oppositionellen Liberalismus. Einen geeigneten Indikator für die wechselhaften verfassungsrechtlichen Zustände und das mit ihnen einhergehende Auf und Ab ständischer Machkonzentration bietet daher der Vergleich der hannoverschen Verfassungen von 678 So auch: Freyheit und Ordnung, Die Januarereignisse von 1831 und der Durchbruch zum Verfassungsstaat im Königreich Hannover (2009), S. 47 – 55, 47 f.; Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 78. 679 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 73. 680 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3. 681 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b cc). 682 Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: Gerhard (Hg.), Ständische Vertretung in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Max Planck Instituts für Geschichte 27 (1974), S. 73 – 93, 81.
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1833683 sowie der des Jahres 1840.684 Beide »Grundgesetze« markieren für Hannover eine eigene Epoche staatlicher Entwicklung. Insbesondere gilt dies, da auch in der zeitgenössischen Staatsrechtslehre die Zeit vor 1833 zum einen den alten/mächtigen, zum anderen die Zeit ab 1840 den neuen/schwachen Stände zugesprochen wurde. Der Vergleich beider »Grundgesetze« gibt dabei die Möglichkeit, Schlüsse auf die Gestalt des Gesetzgebungsprozesses der Notariatsordnung sowie hinsichtlich des bemerkenswert selbstsicheren Auftretens der Ständeversammlung gegenüber dem damaligen Landesherrn zu ziehen. Hatte Hannover seine erste, für das gesamte hannoversche Reich geltende Verfassung schon 1819 erhalten und in ihr den Absolutismus lediglich theoretisch niedergelegt,685 war im Jahr 1833 das liberalere Grundgesetz der politischen Stände in Kraft getreten. Diese Gesetzgebung kann während der Abwesenheit des hannoverschen Königs als Ausdruck des faktischen »Ständestaates« Hannover angesehen werden. Die eingangs erwähnten entscheidenden Veränderungen traten erst mit der Rückkehr des Landesherrn nach Hannover ein. Anhand der neuen Verfassung des Jahres 1840 ließe sich daher unter Umständen ein neu erstarkter Machtanspruch des nunmehr anwesenden hannoverschen Monarchen nachweisen. Indizien für einen ab dem Jahr 1840 monokratisch organisierten Königsstaat »Hannover« könnten sich innerhalb dieses Verfassungstextes an verschiedenen Stellen ausmachen lassen. Besonders gilt dies für die Bereiche der Staatsorganisation; hier speziell die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen. Insgesamt sind diese Bereiche, die bis 1833 noch klar unter ständischer Federführung standen, zu beleuchten und mit den zu 1840 gefundenen Ergebnissen zu vergleichen. Würden sich etwa die Kompetenzen der Gesetzgebung tatsächlich in Richtung des Monarchen verschieben, wäre ein erster Hinweis auf eine echte Monokratie gegeben. Es bliebe indes vor dem Hintergrund der harschen und umfassenden ständischen Kritik am Erstentwurf zur HNO immer noch die Frage 683 Insbesondere die Zeit der Personalunion mit abwesendem Monarchen und dementsprechend liberaler Verfassungsgesetzgebung im Königreich Hannover ist hierunter zu verstehen; Grundgesetz Königreich Hannover (1833): URL:http//:www.verfassungen.de/de/ nds/hannover33.htm, abgerufen am: 20. 07. 2009 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331 TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 684 Insbesondere als Zeit nach der Personalunion und dementsprechend monarchistischer Verfassungsgesetzgebung im Königreich Hannover zu verstehen; Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die Staats-Verfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331, TIBHannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 685 v. Meier, hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Bd. 1, die Verfassungsgeschichte (1898/Nachdr. 1973), S. 318.
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nach der offensichtlich mangelnden Nachhaltigkeit einer solchen Monokratie bis in das Jahr 1853 zu klären. Anhand des Befundes zum Verfassungsvergleich wird sodann der Gesetzgebungsprozesses der HNO und dessen genaues Gepräge zu beurteilen sein. cc)
Von der ständefreundlichen, liberalen zur monokratischen Verfassung Hannovers der Jahre 1833 und 1840 Kurz nach Beendung der Personalunion zwischen englischem und hannoverschem Thron im Jahre 1837 und der »Rückkehr« des Regenten nach Hannover erklärte der Landesherr das liberale »(Stände-) Grundgesetz« des Jahres 1833 entsprechend seiner monokratisch-monarchistischen Motive für erloschen.686 Nicht erst hierdurch wurde der »neue« Herrschaftsanspruch des hannoverschen Landesherrn deutlich. Ernst August I. war Mitte des 19. Jahrhunderts in Hannover seit langer Zeit erster Regent im eigenen Land. Noch britische Herrschaftsverhältnisse gewohnt, weigerte er sich entsprechend seiner patrimonialen Herrschaftsauffassung bereits zuvor, überhaupt den Eid auf die ständische Verfassung des Jahres 1833 zu leisten.687 Aus seiner landesherrlichen Sicht war 686 Königliches Patent vom 1. Nov. 1837, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1837, 1. Abtheilung Nr. 30, S. 103 – 108, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. Ein den Göttinger Sieben gewidmetes Denkmal vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover bezeichnet das Verhalten des zurückgekehrten Monarchen im Jahr 1837 bemerkenswert scharf als echten »Verfassungsbruch«. 687 Königliches Patent vom 1. Nov. 1837, »Wir (Ernst August, von Gottes Gnaden König von Hannover) haben durch Unser Regierungs-Antritts-Patent vom 5. Julius d. J. Unsern getreuen Unterthanen Unsern Königlichen Willen dahin zu erkennen gegeben, daß Wir der Frage: ob und inwiefern Abänderungen des Staats-Grundgesetzes vom 26. September 1833 würden eintreten müssen, oder ob die Verfassung auf die vor dem gedachten Jahre bestandene zurückzuführen sei die sorgfältigste Untersuchung und Prüfung würden widmen lassen. Unsere getreuen Unterthanen können sich davon überzeugt halten, daß Wir die Erfüllung einer heiligen, Unserm landesväterlichen Herzen theuern, Pflicht darin gesucht haben, bei dieser Prüfung alle in Betracht zu ziehenden Verhältnisse auf das Sorgfältigste zu berücksichtigen, und daß Unsere Wünsche dabei stets auf das Glück und die Zufriedenheit Unsers treuen Volkes gerichtet gewesen sind. Nach Vollendung jener Prüfung beeilen Wir Uns, Unsern getreuen Unterthanen Unsere Entschließungen zu eröffnen. Das StaatsGrundgesetz vom 26. September 1833 können Wir als ein Uns verbindendes Gesetz nicht betrachten, da es auf eine völlig ungültige Weise errichtet worden ist. Die allgemeine, durch das Patent vom 7. December 1819 entstandene, Stände-Versammlung sprach, wie sie in ihrem Schreiben vom 30. April 1831 an das Cabinets-Ministerium die Errichtung eines Staats-Grundgesetzes beantragte, den Grundsatz aus: daß ein solches hochwichtiges Werk nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne. Die Regierung nahm diesen Grundsatz an, und mithin war nicht von einer, dem Lande vom König zu gebenden, sondern von einer, vertragsmäßig zwischen dem Regenten und seinen Ständen zu errichtenden, Verfassung die Rede. Allein der Grundsatz der vertragsmäßigen Errichtung ist auf mehrfache Weise verletzt worden. Offenbar fehlt es also an dem einhelligen Zusammenwirken des Regenten und seiner Stände in Hinsicht der, in dem Staats-Grundgesetze enthaltenen, Bestimmungen, wodurch die, bis dahin in an-
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diese Verfassung als reine »Ständegesetzgebung« für ihn nicht verbindlich. Die von Seiten der allgemeinen Ständeversammlung gehegte Hoffnung nach Beendung der Personalunion an alte Zustände der Machtverteilung anknüpfen zu können, wurde somit von Beginn an enttäuscht.688 Gleiches galt für die im Land »Hannover« etablierte Sekretariokratie mit einer Konzentration der Macht auf wenige Adelsfamilien. War die erste hannoversche Verfassung des Jahres 1819 für das gesamte Königreich zwar dem absoluten Herrschaftsprinzip entsprechend formuliert worden, blieb sie diesbezüglich eine leere Hülle. Der ihr formalrechtlich inhärente Absolutismus erfuhr weder vor, noch unmittelbar nach 1819 eine praktische Umsetzung im welfischen Territorium. Mangelte es zum einen an der ausdrücklichen Beanspruchung dieser absoluten Machtposition durch den Landesherrn, lag Hannover zum anderen seit jeher fest in ständischer Hand. Logische Konsequenz dieser Verhältnisse war somit die seinerzeit geschaffene, dem ständischen Machtverhältnissen entsprechende liberale »Stände«-Verfassung der frühen 1830er Jahre (1833). Der bis dahin uneingeschränkt gewachsenen Selbstsicherheit der Stände im hannoverschen Reich entsprechend wurde diese Konstitution ohne jegliche Mitwirkung des Landesherrn erlassen. Die politischen Stände des 19. Jahrhunderts gingen hinsichtlich »ihrer« Verfassung, ähnlich den hannoverschen Räten des 17. Jahrhunderts, vom Rechtssprichwort aus: »Wer schreibt, der bleibt«. Mit ihrer umgehenden Abschaffung durch den »heimgekehrten« Welfen und die Erhebung seines absoluten Herrschaftsanspruchs, einige Jahre nach Erlass dieser Verfassung, lebte die vormals nur in der Theorie monokratische Gesetzgebung des Jahres 1819 wieder auf. Seit 1714 und aus den Jahrhunderten zuvor war die hannoversche Gesellschaft allerdings andere Herrschaftsverhältnisse gewohnt. Es regte sich gegen den monokratischen Hardliner Ernst August I. innerhalb der ständisch dominierten Landesverwaltung sowie der hannoverschen Staatsrechtslehre und Gesellschaft daher schnell erheblicher Widerstand. Bis es tatsächlich im Jahr 1840 zur Verabschiedung einer neuen hannoverschen Verfassung kam, waren erhebliche Anstrengungen und Spannungen zwischen königstreuen Monarchisten und liberaler Opposition zu überwinden.689 Prominente Stimmen der Staatsrechtswissenschaften hatten sich im Kampf für mehr Verfassungsliberalismus hervorgetan und für ihre liberale Überzeugung stark gemacht. Die führenden Köpfe erkannter Wirksamkeit gestandene Verfassung vom Jahre 1819, aufgehoben werden sollte. […].«; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1837, 1. Abtheilung Nr. 30, S. 103 – 108, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2, (Ergänzung nicht im Original). 688 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 88, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. 689 Hierzu insbesondere insgesamt weiterführend: Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, Vom alten Reich bis Weimar 1495 – 1934 (2008), S. 419 f.
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dieser Bewegung zeigten deutlich, dass sie den absoluten Herrschaftsanspruch des Regenten nicht mehr als zeitgemäß empfanden.690 Gipfeln sollte diese Auseinandersetzung im sogenannten »hannoverschen Verfassungskampf« des 19. Jahrhunderts. Die hauptsächlich auf die »Göttinger Sieben«691 zurückzuführende liberale Bewegung konnte sich jedoch in der verfassungspolitischen Auseinandersetzung nur bedingt gegenüber dem Monarchismus behaupten. Die auch heute noch sehr bekannten sieben Professoren der Universität Göttinger, unter ihnen auch die Brüder Grimm, nahmen eine klare liberale Position gegenüber den von Ernst August I. vorangetriebenen monarchistischen Vorstößen ein.692 Infolgedessen fielen sie bei »ihrem« Landesherrn in Ungnade und mussten mit ihrer Entlassung aus dem universitären Dienst bzw. der Verweisung außer Landes die Konsequenzen ihres politischen Engagements tragen.693 Für den Regenten waren im Nachgang der Auseinandersetzung »Professoren ebenso einfach mit Geld zu bekommen, wie Huren und Balletttänzerinnen«.694 Mit dieser Aussage spielte Ernst August I. nach Entlassung und Vertreibung der »Sieben« auf die federführenden Universitätsprofessoren sowie deren beliebige Austauschbarkeit nach seiner willkürlichen Auswahl an. Ernst August I. würdigte die »Göttinger Sieben« sowohl in ihrer Funktion für den Staat, die Staatrechtslehre sowie in ihrer Person deutlich herab. Er brachte hiermit zugleich seine Geringschätzung gegenüber der liberalen Staats- und Verfassungslehre 690 Ein den sieben Persönlichkeiten gewidmetes Denkmal vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover bringt auch heute noch ihre tragende Rolle in der hannoverschen Geschichte und im hannoverschen Verfassungsleben zum Ausdruck. In der dort zu lesenden Inschrift wird das Verhalten des zurückgekehrten Monarchen im Jahr 1837 bezeichnend scharf als echter »Verfassungsbruch« betitelt. 691 Diese waren: Wilhelm Eduard Albrecht; Friedrich Christoph Dahlmann; Heinrich Ewald; Georg Gottfried Gervinus; Jacob Grimm; Wilhelm Grimm; Wilhelm Weber ; zu ihrer Rolle im hannoverschen Verfassungskonflikt: Dilcher, Der Protest der Göttinger Sieben, Zur Rolle von Recht und Ethik, Politik und Geschichte im Hannoverschen Verfassungskonflikt, in Schriftenreihe der juristischen Studiengesellschaft Hannover, Heft 18 (1988), S. 1 ff.; Schubert, Die Göttinger Sieben und die Wirkung ihres Protestes, in: Niedersächsische Geschichte 1979, S. 455 – 460, 455 ff. 692 Dilcher, Der Protest der Göttinger Sieben, Zur Rolle von Recht und Ethik, Politik und Geschichte im Hannoverschen Verfassungskonflikt, in: Schriftenreihe der juristischen Studiengesellschaft Hannover, Heft 18 (1988), S. 1 ff., insb. S. 10 – 20, 10 ff. 693 Dilcher, Der Protest der Göttinger Sieben, Zur Rolle von Recht und Ethik, Politik und Geschichte im Hannoverschen Verfassungskonflikt, in Schriftenreihe der juristischen Studiengesellschaft Hannover, Heft 18 (1988), S. 1, insb. S. 10 – 20, 10 ff.; Jacob u. Wilhelm Grimm, Über ihre Entlassung, S. 62 ff., in: Henning, Schriften der Gebrüder GrimmGesellschaft Nr. 1 (1979). 694 Die auf einem Empfang gemachte Äußerung des hannoverschen Königs wird in verschiedenen Versionen überliefert, ihre Kernaussage bleibt dennoch jedes Mal dieselbe; Dilcher, Der Protest der Göttinger Sieben, Zur Rolle von Recht und Ethik, Politik und Geschichte im Hannoverschen Verfassungskonflikt, in Schriftenreihe der juristischen Studiengesellschaft Hannover, Heft 18 (1988), S. 20.
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sowie deren mangelnder Relevanz für »sein« Hannover zum Ausdruck. Auch dies entsprach seinem absoluten Selbstbild. Das Ergebnis der Konfrontationen der sich gegenüber stehenden Lager von Konservativen und Liberalen sollte die hannoversche Verfassung des Jahres 1840 sein. In ihr wurde ein sehr viel schwächerer Liberalismus, als noch im Grundgesetz des Jahres 1833 verankert und von den »Göttinger Sieben« gefordert, niedergelegt. Die Verfassung des Jahres 1840 sollte in ihrer ursprünglichen Form indes nur acht Jahre lang unverändert Geltung für sich in Anspruch nehmen können. Eine detaillierte Beleuchtung der staatsrechtlichen Auseinandersetzungen bis zu diesem Zeitpunkt ist für diese Untersuchung jedoch nicht nötig.695 Die grundsätzlichen Hintergründe des Entstehens beider Verfassungen – mit sich zwei gegenüberstehenden Lagern von Monarchisten und oppositionellen Liberalisten – sollen für deren Einordnung in das innenpolitische Machtgefüge Hannovers des 19. Jahrhunderts ausreichen; denn lediglich ihr Ergebnis mit der Verfassung von 1840 ist für diese Untersuchung entscheidend. dd) Die hannoverschen Verfassungen der Jahre 1833 und 1840 im Detail Stellt man die ständische Verfassung mit ihrem Text vom 26. September 1833 (offiziell bezeichnet als: »Grundgesetz des Königreichs Hannover«)696 dem Text vom 6. August 1840 (überschrieben mit: »Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover«)697 als Teil der oben geschilderten Entwicklungen direkt gegenüber, finden sich in vielerlei Hinsicht inhaltlich deckungsgleiche sowie 695 An dieser Stelle ist auf die bedeutende Rolle Stüves als Akteur des hannoverschen Verfassungskampfes hinzuweisen. In ihm ist einer der größten Verfechter liberaler Verfassungsreformen zu sehen. Er stand auch Gottlieb Planck, auf den ebenfalls noch zurückzukommen sein wird in nichts nach; vgl. insgesamt: G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85 f., [Onlinefassung]; URL: http:// www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011; Wie auch seine Schriften zum Verfassungskampf in Hannover, zu finden in: Detmold (Hg.), Hannoversches Portfolio in 4 Bänden. Enthaltend Aktenstücke aus den Jahren 1840 und 1841 (1841); weiterführend zum Thema auch: Schubert, Verfassung und Verfassungskämpfe im frühen 19. Jahrhundert, in: Ders. (Hg.)/Hucker (Hg.)/Weisbrod (Hg.), Niedersächsische Geschichte (1997), S. 419 ff. 696 Grundgesetz Königreich Hannover (1833): URL:http//:www.verfassungen.de/de/nds/han nover33.html, abgerufen am 20. 07. 2009, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331 TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 697 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; zur genauen Entstehung des Verfassung vgl. insgesamt: Oppermann, Zur Geschichte des Königreichs Hannovers Bd. 1, 2 (1860 – 1862), S. 207 – 235.
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wörtlich übereinstimmende Regelungen. Gleichwohl fallen an den für die Gesetzgebung sowie der Machtverteilung im Staat entscheidenden Stellen erhebliche Unterschiede auf. Diese waren ab dem Jahre 1837 bzw. 1840 dem auch zeitgenössisch so bezeichneten »monarchischen Prinzip«698 des neuen Landesherrn geschuldet. Bevor man sich den Details der Verfassungstexte zuwendet, lassen sich bei einer ersten Lektüre der Normen aus dem Jahre 1840 bereits deutliche Anhaltspunkte ausmachen, die auf einen ambitionierten hannoverschen Monarchismus Ernst Augusts I. schließen lassen. Neben einer gegenüber dem Grundgesetz des Jahres 1833 neuen, allein redaktionellen Kapitelreihung des hannoverschen Landesverfassungsgesetzes, ist auf grammatischer Ebene ein akzentuierter und verknappt-monokratischer Grundton der Verfassungsnormen zu erkennen. Dies gilt für eine Vielzahl entscheidender Passagen. Dementsprechend fällt die Wortwahl dieser Bestimmungen aus. Erstmals wird etwa der Landesherr im Verfassungstext an einigen Stellen nicht nur klarstellend als »Souverän« bezeichnet. Hiermit geht einher, dass der hannoversche König in der Verfassung zu Beginn der 1840er Jahre – »in seiner Person als von Gottesgnaden bestimmt« – erstmals die staatliche Gewalt als Regent ausdrücklich und ungeteilt auf sich als Person vereinte. Anders als noch im Jahr 1833 geht die staatliche Gewalt mithin von Verfassung wegen von einem Einzelnen in Person des Königregenten aus. Tatsächlich alle Merkmale der neuen monokratischen Bestrebungen in Form von Kürzung sowie neuer Wortwahl für die Verfassungsnormen lassen sich etwa anhand der folgenden Bestimmung des Verfassungstextes aufzeigen. Auch bestimmt diese in inhaltlicher Hinsicht allem voran die ungeteilte Staatsgewalt als vom Souverän ausgehend. Zu Beginn der Verfassung findet sich in der wichtigen (Schlüssel-) Norm des § 5 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover daher folgerichtig die nachstehende Formulierung: § 5 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840: »Der König vereint als Souverän die gesamte Staatsgewalt ungeteilt in sich und wird durch die landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden.«699
Eine solche Bezeichnung des Regenten suchte man in der Verfassung des Jahres 1833 noch vergebens. Bemerkenswert ist, dass er an dieser frühen Stelle der 698 Planck, Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855, [(verkündet am 4. August 1855), (Ergänzung nicht im Original)] (1856), S. 5. 699 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 10 f.; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 29, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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Verfassung die Position der vormals für die Landesführung ausdrücklich sachlich sowie funktionell zuständigen, ständepolitischen Landesregierung einnimmt.700 Ernst August I. setzte diese mithin faktisch ab. Im selben Augenblick wurden Bestimmungen, die vormals die Ständeversammlung weitgehend begünstigten und ihren Einfluss sicherten, im Interesse eines monarchistischen Herrschaftsanspruchs in ihrem Umfang erheblich reduziert. Sie wurden allein auf die landesherrliche Regierung und deren Kompetenzen zugeschnitten. Im § 87 der Verfassung von 1833 las man zu diesem Thema etwa noch das Folgende: § 87 Grundgesetz des Königreichs Hannover 1833: »Verordnungen, welche zur Vollziehung oder Handhabung bestehender Gesetze erforderlich sind, werden von der Landesregierung ohne Mitwirkung der Stände erlassen.«701
Ab 1840 verdrängte die Neubestimmung des § 121 der Landesverfassung diese Regelung und formulierte kurz, prägnant sowie dementsprechend monokratisch: § 121 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840 »Verordnungen werden vom König ohne ständische Mitwirkung erlassen.«702
Die Einschränkung auf Gesetze zu bereits bestehende Verordnungen entfiel vollauf. Der absolute Herrscher konnte nunmehr jede Verordnung – auch zur Ausführung von neuen Gesetzen – allein bestimmen. Lässt sich der neue Paragraph § 121 sowohl für die neuartige Bezeichnung des Landesherrn sowie für die merkliche Verknappung der verfassungsrechtlichen Normen anführen, finden sich sogar noch vor § 5 der 1840er Verfassung Beispiele solch monarchistischer Normen und verfassungsrechtlicher Veränderungen. Hatte sich § 3 des hannoverschen Grundgesetzes zu den Rechten des Landesherrn noch relativ ausführlich und folgendermaßen verhalten, § 3 Grundgesetz des Königreichs Hannover 1833: »Die Regierungsform des Königreichs ist die erblich-monarchische. Der König ertheilt dem Lande feierliche Zusicherung, in der Ausübung Seiner Königlichen Rechte die Rechte seiner Unterthanen, die Recht der Gemeinden und Körperschaften […]und der allgemeinen Ständever-
700 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a) sowie II 3 b). 701 Grundgesetz Königreich Hannover (1833): URL:http//:www.verfassungen.de/de/nds/han nover33.html, abgerufen am 20. 07. 2009 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331 TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 702 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 47; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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sammlung nach Maßgabe des gegenwärtigen Grundgesetzes ungeschmälert aufrecht zu erhalten und gegen alle Eingriffe zu schützen; die Anordnungen der Finanzen des Königreichs und seiner einzelnen Provinzen nicht ohne die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände zu treffen, […].«703
wurde die Norm im Jahre 1840 deutlich im Sinne der landesherrlichen Bestrebungen und einer Machtkonzentration auf die Person Ernst Augusts I. verkürzt. Zugleich wurde sie auf die für den Regenten und dessen Herrschaftsanspruch wesentliche Aussage reduziert. Nicht zuletzt galt es hiermit mögliche, auf einem breiten Wortlaut basierende liberale, Auslegungsversuche seitens der hannoverschen Staatsrechtslehre zuvorzukommen. Die Bestimmungen des § 3 des Landesverfassungsgesetzes lauteten im Gegensatz zu ihrer früheren Formulierung des Jahres 1833 insoweit folgerichtig: § 3 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840: »Die Regierungsform des Königreichs ist die erblich-monarchische.«704
Hierneben reiht sich die Regelung des § 9 des Landesverfassungsgesetzes exemplarisch in die Linie der für den Regenten freundlichen 1840er-Bestimmungen ein, wenn er im Gegensatz zu seiner Entsprechung des Jahres 1833 ebenfalls auf die den Landesherrn begünstigende Kernaussage reduziert wurde. § 9 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840 besagte dementsprechend: § 9 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840 »Der König ist Quelle aller Gerichtsbarkeit.«705
Die dargestellten Beispiele zeigen mithin, dass im Zuge der Novelle ehemals ständefreundliche Normen und Regelungskataloge vollauf entfielen. Zugleich verschwanden die ehemals relativ umfangreichen ständischen Zuständigkeiten vollständig. Prägnante Bestimmungen mit entsprechend gegenteiligem Inhalt ersetzten sie im Interesse eines »neuen« hannoverschen Monarchismus. Die 703 Grundgesetz Königreich Hannover (1833): URL:http//:www.verfassungen.de/de/nds/han nover33.html, abgerufen am 20. 07. 2009 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331 TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 704 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 10; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 705 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 11; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 18, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
Notariatsgesetzgebung in hannoverschen Landen
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Souveränität des Fürsten einschränkende Ergänzungen in etwaigen Absätzen zwei, drei oder vier oder gar dem König aus seiner Macht entstehende Pflichten und Zugeständnisse an die Rechtspflege und insbesondere die ständepolitischen Kräfte finden sich ab 1840 im Verfassungstext des hannoverschen Königreichs nicht mehr.706 Ab diesem Zeitpunkt erfuhr die Souveränität des hannoverschen Regenten ein völlig neues Verfassungsverständnis. Nach dieser allgemeinen, vorrangig auf die grammatische Ebene beschränkten Betrachtung der Novellierungen sind die einzelnen Regelungsinhalte der Verfassungsänderungen in den erwähnten Abschnitten, wie etwa der Gesetzgebungskompetenzen, zu beleuchten. Auch hier finden sich Beispiele, die Ausdruck der Restauration monarchischer sowie monokratischer Machtansprüche waren. Das rechtliche Verhältnis zwischen Regent und hannoverschen Ständen wurde durch Ergänzungen aber auch totale Neuregelungen zu Gunsten des Monarchen präzisiert sowie zum Teil überhaupt erstmals verfassungsrechtlich kodifiziert. Anders als zunächst vermutet, muss allerdings nicht erst bis in den Normenkatalog der Gesetzgebungskompetenzen vorgedrungen werden, um Entscheidendes sowie Neues – auch für den Gesetzgebungsprozess der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung – zu finden. Schon im ersten Teil des Landesverfassungsgesetzes von 1840 findet sich der anhand der grammatischen Veränderungen zuvor geschilderte, erste Eindruck bestätigt. Es lässt sich bereits der soeben besprochene § 3 der 1840er Normen im Detail für die Neuordnung des hannoverschen Reiches anführen. Im Zuge seiner bemerkenswert starken Verkürzung entfiel gleichermaßen sein zuvor ständefreundlicher Inhalt hinsichtlich allumfassender Mitwirkungsrechte der ständischen »Volksvertretung« auch für den Gesetzgebungsprozess gänzlich. Zuvor waren die entscheidenden Kompetenzen der Staatsorganisation allein der ständischen Landesregierung zugekommen. In gleichem Maße wird das geschmälerte Machtspektrum der Stände in den Abschnitten IV und V der Verfassung des Jahres 1840 augenscheinlich. Diese Verfassungsteile wurden mit der Überschrift: »Von den allgemeinen Ständen; Landtag sowie Wirksamkeit der allgemeinen Ständeversammlung« überschrieben. Beide Abschnitte beinhalten diejenigen, wenigen verbliebenen Kompetenzen der politischen Stände gegenüber dem hannoverschen Regenten. Insbesondere war hier das für diese Untersuchung interessante Gesetzgebungsverfahren und die diesbezüglichen Kompetenzverteilungen zu verorten. Zu Beginn der 1840er Jahre sollten beide Abschnitte erheblich mehr Rechte des Landesherrn enthalten als noch zuvor. Die noch 1833 durch den Regenten gegenüber der hannoverschen Gesellschaftsvertretung zu beachtenden Pflichten – siehe hierzu als Beispiel abermals § 3 von 1833 – waren zugleich ab 1840 ins706 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a) sowie b) aa) – bb).
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
besondere für das Gesetzgebungsverfahren verschwindend gering geworden.707 Die im Verfahren der Rechtssetzung für das Handeln des Königs nötige Zustimmung der ständischen Landesregierung entfiel fast gänzlich. Kam es im Rahmen der neuen verfassungsrechtlichen Rechtslage dennoch zu Fällen ständischer Mitwirkung im Verfahren um die Gesetzgebung, standen lediglich die »ganz wesentlichen Punkte« eines Vorhabens zur Disposition der allgemeinen Ständeversammlung bzw. zu deren Beratung und Stellungnahme. Detailregelungen und die genaue gesetzliche Ausgestaltung einzelner Punkte und ganzer Sachverhalte blieb nunmehr von Verfassung wegen allein dem Landesherrn und seinen (Verwaltungs-) Gremien vorbehalten. § 113 des Landesverfassungsgesetzes von 1840 bestimmte also mit folgendem Wortlaut: § 113 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840: »Landesgesetze (somit auch die HNO) werden vom König unter Mitwirkung der allgemeinen Ständeversammlung erlassen, wieder aufgehoben, abgeändert und authentisch interpretiert. Die Mitwirkung der Stände beschränkt sich auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Die Bearbeitung der Gesetz nach Maßgabe der ständischen Beschlüsse verbleibt der Regierung allein.«708
Nach dem Stand der Dinge des Jahres 1840 hätte dies also auch für das Verfahren der Gesetzgebung um die hannoversche Notariatsordnung gelten müssen. Für die vorliegende Untersuchung der Notariatsordnung entscheidend sind die weiteren Detailregelungen des Gesetzgebungsverfahrens. In erster Linie gilt dies für Kompetenzen der Gesetzgebung und ihre genaue Verteilung zwischen Landesherrn und Ständeversammlung (§§ 105 – 128 des Landesverfassungsgesetzes). Abgesehen von der Tatsache, dass solcherlei Regelungen bis 1840 im Verfassungstext überhaupt nicht bestanden hatten, schränkten sie die traditionelle, ständepolitische Macht jetzt merklich ein.709 Beispielgebend hierfür ist etwa die Bestimmung des § 108 der 1840er Bestimmungen anzuführen. Sie verhielt sich folgendermaßen:
707 Vgl. hierzu insgesamt: Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die Staats-Verfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 9; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 708 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 46; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2, (Ergänzung nicht im Original). 709 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 a) sowie II 3 b).
Notariatsgesetzgebung in hannoverschen Landen
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§ 108 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840: »Der König kann die allgemeine Ständeversammlung zu jeder Zeit vertagen und die Dauer der Vertagung bestimmen.«710
Dem Königregenten kam durch diese verfassungsrechtliche Bestimmung das Recht zu, die Ständeversammlung während des Gesetzgebungsverfahrens nicht bloß zu vertagen. Vielmehr vermochte er sogar die Dauer einer Vertagung nach seinem Gefallen zeitlich zu bemessen. Dem Grunde nach konnte der Landesherr die allgemeine Ständeversammlung somit handlungsunfähig machen. Die Gesellschaftsvertreter befanden sich demnach nicht nur in einem rechtlichen, sondern in einem ebenso tatsächlichen Abhängigkeitsverhältnis vom Wohlgefallen des Regenten. Ernst August I. vermochte die allgemeine Ständeversammlung folglich in seinem Sinne zu beeinflussen und zu lenken. Darüber hinaus hatte der Souverän nicht nur über die grundsätzliche Terminierung der Ständeversammlung zu befinden. Ab 1840 kam ihm das Recht zu, über die grundlegenden Kompetenzen der Stände in Zweifelsfragen der Gesetzgebungskompetenzen oder anderer Verfahrensfragen allein zu entscheiden. Für diese Studie ist indes in erster Linie bedeutsam, dass der hannoversche Landesherr ebenfalls die ständische Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren beurteilen konnte. Mit folgendem Wortlaut verhielt sich § 112 des Landesverfassungsgesetzes hierzu unzweideutig: § 112 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840: »[…] Bei darüber eintretenden Zweifeln, ob ein Gegenstand zur Mitwirkung der allgemeinen Stände […] geeignet sei, entscheidet der König.«711
Dieses monarchische Prinzip galt mithin im Grundsatz auch für die Kompetenzverteilung im Gesetzgebungsverfahren der HNO. Ernst August I. war demnach in der Hierarchie des staatlichen Machtgefüges den politischen Ständen klar vorangestellt. Ein solches Machtgefälle im Staat ist auch in den weiteren Normen um das Gesetzgebungsverfahren festzustellen. Hatte bis 1833 auch die Ständeversammlung ein Initiativrecht für das Gesetzgebungsverfahren, also das Recht Gesetzesvorlagen der »landesherrlichen Landesregierung« anzutragen, 710 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 44; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 711 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
kam eine solche Befugnis nun nur noch dem Souverän zu. § 119 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840 besagte: § 119 Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover 1840 »Gesetzentwürfe können nur von dem Könige an die allgemeinen Stände, nicht aber von diesen an den König gebracht werden.«712
Sieben Jahre zuvor hatte § 88 des Grundgesetzes des Königreichs Hannover noch das vollauf Gegenteilige bestimmt: § 88 Grundgesetz des Königreichs Hannover 1833: »Gesetzentwürfe gelangen von Seiten der Regierung an die Stände; jedoch haben auch diese das Recht, auf Erlassung neuer oder abändernder Gesetze sowohl überhaupt anzutragen, als zu dem Ende (i. S.v. letztendlich) Gesetzentwürfe vorzulegen.«713
Eine solche ständische Mitbestimmung oder gar ständische Eigenständigkeit konnte ab 1840 natürlich nicht mehr im Sinne eines monokratischen Herrschers sein. Gleichwohl ist auch 1840 noch das grundsätzliche Gebot zu finden, dass die Stände bei der Gesetzgebung mitzuwirken haben. Dieses Gebot galt indessen nur noch mit erheblichen Einschränkungen als zu früheren Zeiten. Die für die Beteiligung der allgemeinen Ständeversammlung sowie das Gesetzgebungsverfahren der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung somit bedeutendste, verfassungsrechtliche Norm war daher der völlig neu geschaffene § 113 des Landesverfassungsgesetzes.714 Mit dieser Bestimmung wurde die ständische Einflussnahme im Gesetzgebungsverfahren in Zusammenwirkung mit § 119 auf einen geringen Teil des Inhalts (»die wesentlichen Punkte«)715 neuer Gesetz-
712 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 47; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2, (Ergänzung nicht im Original). 713 Grundgesetz Königreich Hannover (1833): URL:http//:www.verfassungen.de/de/nds/han nover33.html, abgerufen am 20. 7. 2009 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1833, Heft 26, S. 286 – 331 TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2, (Ergänzung nicht im Original). 714 Siehe: § 113 Landesverfassungsgesetz von 1840; Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die Staats-Verfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 46; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 715 Siehe: § 113 Landesverfassungsgesetz von 1840; Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die Staats-Verfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 46; Gesetze, Verordnungen und Aus-
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entwürfe beschränkt. Hinzu kam, dass die Beurteilung und gesetzgeberische Umsetzung der hierauf folgenden ständischen Eingaben allein der Regierung und somit schließlich dem Landesherrn anheimgestellt wurden. Die Aussage, dass der hannoversche Staat ab 1837 in personeller und ab 1840 auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht eine Restauration des monokratischen Monarchismus erlebte, kann daher nicht vollauf falsch sein. Von 1840 an lag der hannoversche Staat jedenfalls zunächst wieder in Händen eines absoluten hannoverschen Landesherrn mit einem ebensolchen Selbstverständnis. Das hannoversche Königreich wurde nach 123 Jahren wieder vom Objekt fürstlichen Nebeninteresses zum Gegenstand monarchisch-monokratischen Machtstrebens, wie es auch die Änderungen an der hannoverschen Verfassung deutlich machen. Diesen Eindruck erwecken nicht nur die äußerlich erkennbaren, sondern auch die inhaltlichen Veränderungen am Verfassungstext. Das mit dem Weggang des Regenten ab 1714 als faktischer Ständestaat zu bezeichnende Land »Hannover« kann als solches ab 1840 nicht mehr bezeichnet werden. Dennoch war die ständische Einflussnahme auf das hannoversche Notariatsrecht des Jahres 1853 noch immer erheblich und die Kritik am ersten Regierungsentwurf nicht verhalten ausgefallen.716 Das bereits wiedergegebene Zitat nahm zwar den Begriff des Verfassungstextes von 1840 mit »wesentlichen Punkten« direkt auf, meinte hiermit jedoch nicht eine Selbstbeschränkung auf unbedeutende Nebenpunkte. Vielmehr sprach die Ständeversammlung dem Entwurf die generelle Eignung zur Regelung der freien Konkurrenz von Notar und Richter sowie das Erreichen von Rechtseinheit im Hinblick auf § 21 GVGKHann. völlig ab. Es musste also mit Blick auf das ständische Auftreten im Gesetzgebungsverfahren tatsächlich bis 1853 an der Nachhaltigkeit der durch Ernst Augusts I. eingeführten Änderungen des Jahres 1840 gemangelt haben. In diesem Zusammenhang bleibt zu klären, worin hierfür die Gründe lagen. c)
Mittelbare Ständemacht und ihre Instrumente im hannoverschen »Königsstaat« Die staatsrechtliche Grundlage der hannoverschen Gesetzgebung für das Notariat des 19. Jahrhunderts war demnach in erster Linie die patrimoniale Verfassung des Jahres 1840 und die hinter ihr stehende Restauration des Monarchismus in Nordwestdeutschland. Aber auch die bis hier geschilderte verfassungsrechtliche Lage im Land »Hannover« sollte mit diesem rein monarchistischen Prinzip lediglich acht Jahre (also bis 1848) Bestand haben. Ab 1848 begann der Liberalismus in Hannover wieder zu erstarken. Die 1840er Verfassung erfuhr kurz vor Beginn der Justizreformen von 1850 – schreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 716 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
1855 eine bemerkenswerte, indes nur einfachgesetzliche Änderung. In wesentlichen Punkten wurde die Verfassung Ernst Augusts I. von 1840 liberalisiert. Diese neuerlichen Verfassungsänderungen könnten nunmehr als erste und augenfälligste Begründung für das selbstsichere Auftreten der Stände in der Diskussion um die HNO sowie die wenig nachhaltige Machtverschiebung der frühen 40er Jahre des 19. Jahrhunderts angesehen werden. Würde diese Novellierung tatsächlich die einzige Begründung für die obig zitierte ständische Erwiderung auf den Erstentwurf der HNO717 sein, müsste das Beratungsverfahren um die HNO zugleich in den Geltungszeitraum des Änderungsgesetzes vom 5. September 1848 gefallen sein. Ferner müssten durch die Modifikation der monarchistischen Verfassung die ständischen Kompetenzen annähernd auf das »alte Maß« des Jahres 1833 zurückgeführt worden sein. aa)
Einfachgesetzliche Änderung der Verfassung von 1840 als Begründung ständischer Mitwirkung (»Das Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. Sept. 1848«) Nach 1840 blieb im Land »Hannover« ein merklicher Unmut der Gesellschaftsvertreter sowie der gesamten Staatsrechtslehre im Hinblick auf die Restauration des Monarchismus bestehen. Die innerpolitische Zerrissenheit Hannovers kanalisierte sich in Form einer revolutionären, liberalistischen Bewegung, die sie sich im Jahr 1848718 Bahn brach. Schöpfte diese antimonarchistische Strömung ihre Stärke aus den zurückliegenden Jahrhunderten, gelang es ihr schnell eine Rückbesinnung auf »alte« ständische Verhältnisse zu erreichen. Sie initialisierte folgerichtig das genannte Gesetz zur Änderung der Verfassung von 1840 (in Auszügen abgedruckt in Anhang II; hier unter S. 367).719 717 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 2. 718 Im März 1848 begann die verfassungsrechtliche Revolution. Innerhalb weniger Wochen wurden im mehrstaatigen Deutschland zwar nicht die Landesherrn (Monarchen), wohl aber die überkommenen, zum Teil patrimonialen Regierungen hinweggefegt und durch liberalere Landesregierungen ersetzt; aufschlussreich und weiterführend zu den verfassungsgeschichtlichen Entwicklungen dieser Zeit: Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, Vom alten Reich bis Weimar 1495 – 1934 (2008), S. insb. 423 f.; Engelhausen, Die Revolution von 1848/49 (2007), S. 162. 719 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die StaatsVerfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 46; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. September 1848, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1848, 1. Abtheilung, Nr. 63, S. 261 – 287, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; vgl. zum Änderungsgesetz von 1848 auch: Anhang II, [Verfassungsänderungsgesetz, (Auszüge)]; hier unter S. 367.
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An dieser Stelle könnte der liberale Ruck im Verfassungsleben und die politischen Gesamtumstände des hannoverschen Verfassungskampfes für die bedeutende Rolle der Ständevertretung im Gesetzgebungsverfahren der HNO verantwortlich gemacht werden. Dieses Urteil fiele allerdings vorschnell, vermag das Änderungsgesetz – wie zu sehen sein wird – doch nur eine teilweise Erklärung zu liefern. Betrachtet man die Normen des Änderungsgesetzes genauer, findet sich viel »Bekanntes« wieder. Durch die Änderungen des Jahres 1848 wurden die in der Verfassung von 1840 niedergelegten radikalen Ansprüche des Monarchismus gleichwohl in Gänze wieder aufgehoben. Insbesondere wurden diejenigen Normen, die vormals klarer Ausdruck eines monarchistischen Herrschaftsanspruchs waren, merklich aufgeweicht oder vollkommen gestrichen. Im Sinne eines verfassungsrechtlichen Liberalismus waren hiervon im Speziellen die Regelungen betroffen, die die ständischen Mitwirkungsrechte im Gesetzgebungsverfahren zum Gegenstand hatten. Als Hauptinstrument der liberalen Bewegung ist besonders § 65 des Änderungsgesetzes herauszustellen.720 Durch dessen Bestimmung wurden die vormals für den Monarchismus nicht weniger wichtigen Bestimmungen der §§ 113, 119 von 1840 de facto gegenstandslos. § 65 des Gesetzes verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. September 1848 legte fest: § 65 Änderungsgesetz vom 5. Sept. 1848: »Landesgesetze werden vom König nur unter Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung erlassen, wieder aufgehoben, abgeändert und authentisch interpretiert. […]. Die Zustimmung der Stände beschränkt sich auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. […].«721
Hatten die Verfassungsnormen des Jahres 1840 die Mitwirkung der Stände – insbesondere im Gesetzgebungsverfahren – auf Marginalien beschränkt, erhielten die »Volksvertreter« nunmehr ihre Mitspracherechte grundsätzlich zurück. Dies lässt sich auch für das wichtige Initiativrecht der Ständeversammlung als Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Identität der Volksvertreter feststellen. § 69 des Änderungsgesetzes verhielt sich hierzu wie nachstehend: § 69 des Änderungsgesetzes vom 5. Sept. 1848: »Gesetzentwürfe gelangen von der Regierung an die Stände, jedoch haben auch diese (die Stände) das Recht, auf Erlassung von Gesetzen anzutragen und Gesetzentwürfe vorzulegen.«722 720 So auch: Vollert, Hat der Richter ein Gesetz anzuwenden, welches ohne die Verfassung erforderliche Einwilligung der Stände erlassen worden ist? Ein Beitrag zum constitutionellen Staatsrecht, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Bd. 10 (1854), S. 586 – 642, 586 f. 721 Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. September 1848, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1848, 1. Abtheilung, Nr. 63, S. 261 – 287, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; vgl. hierzu: Anhang II, [Verfassungsänderungsgesetz, (Auszüge)]; hier unter S. 367. 722 Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. Sep-
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
Der Monarchismus und die landesherrliche Macht war mit der neuen Gesetzgebung Ende der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts wieder einer absteigenden Tendenz unterworfen. Ließen sich zuvor noch Normen finden, die auf den Landesherrn als Souverän hinwiesen und die ungeteilte Staatsgewalt einzig dem König in Person zusprachen,723 wurde dieses Gottesgnadentums 1848 wieder entfernt. Auch der Rechtsprechung, die ab 1840 zunächst landesherrlich gelenkt war, wurde die landesherrliche (Rechts-) Grundlage »entzogen«. Die Gerichte hatten zunächst ab dem 1840 allein dem König unterstanden und ihren Bestand als rechtsprechende Institutionen allein der Existenz des Königs zu verdanken und als Ausfluss aus dessen göttlich zugesprochener Macht ableiten müssen.724 Ab 1848 waren sie nunmehr modernen Verfassungsgrundsätzen entsprechend frei in ihrem Wirken und ihrer Rechtsprechung. In § 10 des Änderungsgesetzes lautete es 1848 dementsprechend: § 10 des Änderungsgesetzes vom 5. Sept. 1848 »Die Gerichte sind befugt, über die Grenzen ihrer Zuständigkeit selbst zu entscheiden. […].«725
Über die Zuständigkeiten der Gerichte konnte bis 1848 hingegen der Regent als absoluter Landesherr allein befinden. Die liberalen Reformen fünf Jahre vor Erlass der neuen Notariatsordnung und zwei Jahre vor Inangriffnahme umfassender Justizreformen durch Georg V. sollte indes nur kurzlebig sein. Zu einer gänzlich neuen Verfassung führte die liberale Revolution jedenfalls nicht. Es sollte bei einer einfachgesetzlich ausgeformten Novelle des Verfassungstextes von 1840 bleiben. Allerdings konnten die allgemeinen Stände hiermit für einige Zeit ihre aus früheren Tagen gewohnte Macht wieder herstellen. Georg V. erhob bei seinem Amtsantritt 1851 – kurz nach dem Tode Ernst Augusts I. – jedoch tember 1848, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1848, 1. Abtheilung, Nr. 63, S. 261 – 287, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; vgl. hierzu: Anhang II, [Verfassungsänderungsgesetz, (Auszüge)]; (Ergänzung nicht im Original); hier unter S. 367. 723 Siehe: § 5 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die Staats-Verfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 10; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 724 Vgl. hierzu: § 9 Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover vom 6. August 1840, bei: Ebhardt, Die Staats-Verfassung des Königreichs Hannover. Eine Zusammenstellung der die Staats-Verfassung betreffenden Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben (1860), S. 1 – 135, 11; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1840, 1. Abtheilung Nr. 28, S. 141 – 192, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 725 Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. September 1848, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1848, 1. Abtheilung, Nr. 63, S. 261 – 287, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; vgl. hierzu: Anhang II, [Verfassungsänderungsgesetz, (Auszüge)]; hier unter S. 367.
Notariatsgesetzgebung in hannoverschen Landen
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mehr denn je einen monokratischen monarchistischen Machtanspruch über sein Reich. Seiner rückwärtsgewandten Überzeugung folgend und von einem ausgesprochenen Gottesgnadentum vollauf durchdrungen, schaffte er mit einem Streich die liberalen Errungenschaften der »1848er-Revolutionen« unter Hinweis auf die zeitgenössische Bundesgesetzgebung wieder ab.726 Er erkannte in den liberalen Strömungen mit Blick auf die Vergangenheit eine nicht zu unterschätzende Gefahr für seinen von Gottes Gnaden zuerkannten Herrschaftsanspruch im Land »Hannover«. Georg V. erklärte daher das Gesetz des Jahres 1848 kurzer Hand – und vom landesherrlichem Standpunkt aus gesehen in rechtmäßiger Weise sowie wirksam – für wirkungslos.727 Die Bestimmungen der Verfassung von 1840 in Verbindung mit den Normen des Jahres 1848 sollten gleichwohl für den Gesetzgebungsprozess der HNO 1853 die maßgeblichen bleiben; denn eine Abschaffung der liberalen Normen durch den Regenten gelang nicht unverzüglich. Das liberal geführte Justizministerium unter der Federführung Johann Karl Bertram Stüves728 und Rudolf von Bennigsens729 war zwar bereits im Oktober 1850 durch das konservative und monarchietreue »Kabinett Münchhausen«730 ersetzt worden,731 eine Abschaffung der Normen von 1848 war dennoch nicht umgehend gelungen. Dennoch spielte dieser Wechsel im hohen Beamtentum des Landes »Hannover« der neuerlichen Restauration ab 1851 unter Georg V. grundsätzlich in die Hände; denn der Landesherr ersuchte zunächst den 726 Verordnung vom 1./4. August 1855: Proclamation, betreffend die Abänderung des Verfassungsgesetzes vom 5. Sept. 1848: Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1855, Heft Nr. 23, S. 161 – 163, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 727 Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1855, Heft Nr. 23, S. 161 – 163, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 728 Stüve sollte in der Folge einer der engagiertesten Verfechter des hannoverschen liberalen Verfassungsmodels werden und im Verfassungskampf der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts ganz klar die liberale Position vertreten, weiterführend hierzu auch: Lampe, Freyheit und Ordnung, Die Januarereignisse von 1831 und der Durchbruch zum Verfassungsstaat im Königreich Hannover, S. 37 – 55; 61 – 71; 47 – 55: 61 – 64; Zum Leben und Wirken Stüves vgl. etwa insgesamt: G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 84, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd 118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. 729 Zu von Bennigsen verband auch Gottlieb Planck – als liberalen Schöpfer des Bürgerlichen Gesetzbuches – eine enge Freundschaft, vgl. Meder, Gottlieb Planck und die Kunst der Gesetzgebung (2010), S. 21; Zum Leben und Wirken von Bennigsen vgl. etwa insgesamt: Onken, v. Bennigsen, ein deutscher liberaler Politiker nach seinen Briefen und hinterlassenen Papieren (1910). 730 Zur Sekretariokratie in der hannoverschen Regierung und im Verhältnis zur Universität Göttingen sowie zur Person Münchhausen vgl. auch: Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert (1987), S. 68. 731 URL http://www.koenigreich-hannover.de/geschicht.html, abgerufen am: 08. 12. 2009, verantwortlicher Redakteur, Dr. Lutz König, Uelzen.
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Landtag an, eine gütliche Einigung mit den ständepolitischen Kräften hinsichtlich der Abschaffung des Änderungsgesetzes von 1848 zu erreichen. Als dies zu scheitern drohte, beschwerte sich insbesondere die Ritterschaft – als bedeutendster Teil der Ständeverwaltung732 – über das Vorhaben des Regenten beim Bundestag. Die Ständeversammlung hoffte insbesondere ihre Rechte zu sichern bzw. wieder herzustellen. Die Kammern legten daher Rechtsmittel gegen die Abschaffung der 1848er-Bestimmungen beim Bundestag ein, um »ihre« ständischen Privilegien zu bewahren und wieder herzustellen.733 Denn bereits das Ministerium Stüve/Bennigsen hatte in seiner Amtszeit verschiedene Reformen durchsetzen können.734 Der an früherer Stelle der Arbeit zitierten Aussage Stüves735 konnte durch diese Reformen im Sinne eines Volksliberalismusses Rechnung getragen werden. Durch das Duo Stüve, Bennigsen war die ritterschaftliche Aristokratie aus der 1. Kammer der allgemeinen Ständeversammlung durch eine landwirtschaftliche Bourgeoisie in Form der (Groß-) Grundbesitzer fast ausnahmslos ersetzt worden.736 Der Bundestag ging auf die erwähnte Eingabe der verbliebenen ritterschaftlichen Teile der Ständekammern und der Landschaften dennoch anstandslos ein.737 Die Eingabe der Kammer verzögerte das vom Landesherrn angestrengte Verfahren zur Außerkraftsetzung der Bestimmungen von 1848 auf Grund langwieriger verwaltungsinterner Abläufe natürlich erheblich. Der Bundestag lastete die Verantwortung für die ständische Beschwerde der ständischen Landesregierung unerwarteter Weise selbst, nicht jedoch dem Regenten, an.738 Georg V. versuchte mithin erstmals 1855, somit deutlich nach dem Erlass der Notariatsordnung und mit beachtlicher Verschleppung beim hannoverschen Landtag die Zustimmung zu einer neuen Zusammensetzung der Ständeversammlung zu erhalten. Ziel dessen war es immer 732 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b aa). 733 URL: http://www.koenigreich-hannover.de/geschicht.html, abgerufen am: 08. 12. 2009, verantwortlicher Redakteur, Dr. Lutz König, Uelzen. 734 »Nun konnte Stüve bis 1850 zahlreiche Reformen durchführen und vorbereiten: Aufhebung der Standesvorrechte, Fortfall der Zensur, Öffentlichkeit der Justiz und Verwaltung, Einrichtung von Schwurgerichten, eine neue Städteordnung und noch vieles mehr. Die erste Kammer war nun auch nicht mehr dien Domäne des Adels, sondern umgekehrt der bäuerlichen Grundbesitzer.«; vgl. hierzu: URL: http://www.koenigreich-hannover.de/ge schicht.html, abgerufen am: 07. 02. 2012, verantwortlicher Redakteur, Dr. Lutz König, Uelzen; Busch, Das Übergangsjahr in Hannover (1867), S. 286. 735 Siehe: Abschnitt 2. Teil 1. Kapitel II 3 b) (a). 736 URL: http://www.koenigreich-hannover.de/geschicht.html, abgerufen am: 07. 02. 2012, verantwortlicher Redakteur, Dr. Lutz König, Uelzen. 737 URL: http://www.koenigreich-hannover.de/geschicht.html, abgerufen am: 08. 12. 2009, verantwortlicher Redakteur, Dr. Lutz König, Uelzen; Wirth (Begr.)/Zimmermann, Die Geschichte der deutschen Staaten. Von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage, Bd. 3 (1850), S. 325. 738 Wirth (Begr.)/Zimmermann, Die Geschichte der deutschen Staaten. Von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage, Bd. 3 (1850), S. 326; 328.
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noch, die ab 1837 vorangetriebene monarchistische Restauration abzuschließen. Erwartungsgemäß lehnte der Landtag das königliche Ersuchen ab und verwahrte sich als Reaktion auf die vorangegangene für die Stände ungünstige Bundesentscheidung gegen eine weitere Einmischung.739 Diese Verwahrung war das hierfür statthafte (Rechts-) Mittel,740 da der Bundestag in seiner Antwort auf die ständische Beschwerde ausdrücklich auf eine notwendige Herstellung von bundeeinheitlichen (Rechts-) Verhältnissen hingewiesen hatte.741 Hiernach wurde mit Datum des 1. Augusts 1855 (verkündet: Am 4. August) die ebenfalls vom Bundestag geforderte Verfassungsrevision des hannoverschen Königreichs schließlich durch den Monarchen im Alleingang oktroyiert. Mittels königlicher Verordnung und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die bundesrechtlichen Bestimmungen wurden die Novellen des Jahre 1848 schlicht aufgehoben.742 Erst mit diesem Datum und ca. zwei Jahre nach der Verkündung der HNO trat also die monarchistische Verfassungslage des Jahres 1840 wieder vollauf in Kraft. Das monokratische monarchistische Prinzip lebte mithin erst deutlich nach dem Erlass der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung wieder uneingeschränkt auf. Die für die HNO relevante verfassungsrechtliche Grundlage war somit die modifizierte, äußerst liberale Gesetzgebung des Jahres 739 Wirth (Begr.)/Zimmermann, Die Geschichte der deutschen Staaten. Von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage, Bd. 3 (1850), S. 190; 201. 740 Wirth (Begr.)/Zimmermann, Die Geschichte der deutschen Staaten. Von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage, Bd. 3 (1850), S. 190; 201. 741 Wirth (Begr.)/Zimmermann, Die Geschichte der deutschen Staaten. Von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage, Bd. 3 (1850), S. 326; 328. 742 URL: http://www.koenigreich-hannover.de/geschicht.html, abgerufen am: 08. 12. 2009, verantwortlicher Redakteur, Dr. Lutz König, Uelzen; Verordnung vom 1./4. August 1855: Proclamation, betreffend die Abänderung des Verfassungsgesetzes vom 5. Sept.: »[ …] Durch den Bundesbeschluß vom 23. August 1851, welchem Unser Königlicher Vater, des Hochheiligen Königs Ernst August Majestät, unbedingt beigestimmt hatte, war Uns die Verbindlichkeit auferlegt worden, die Verfassung von 1848 einer Prüfung zu unterwerfen und sie in Einklang mit dem Grundgesetzen des Bundes zu bringen, soweit sie mit ihnen in Widerspruch steht. […] Bei Unser Thronbesteigung glaubten Wir, daß es Uns gelingen werde auf dem Wege der Verhandlung mit den allgemeinen Ständen des Königreichs diejenigen Bestimmungen (Änderungsgesetz von 1848) aus der Verfassung zu entfernen, welche mit dem Grundgesetzen des Bundes in Widerstreit stehen. Sehr schmerzlich hat es Uns getroffen, als diese Hoffnung getäuscht wurde. […] Wir haben daraus die Überzeugung gewinnen müssen, daß jede fernere Verhandlung mit den Ständen von 1848 nicht zum Ziele führen wird. Wir sind daher entschloßen die Verfassungsrevision keiner längeren Verzögerung mehr Preis zu geben, sondern sofort die Ansprüche des Deutschen Bundes nach Maßgabe § 2 des Landesverfassungs-Gesetzes (1840) in Ausübung zu bringen, wie solches Unsere Verordnung vom heutigen Tage besagt.«, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1855, Heft Nr. 23, S. 161 – 163, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2, (Ergänzung nicht im Original); Wirth (Begr.)/Zimmermann, Die Geschichte der deutschen Staaten. Von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage, Bd. 3 (1850), S. 890 f.
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1848 (»Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover« i. V. m. »Das Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. Sept. 1848«). Die neue Notariatsgesetzgebung fiel also in eine Zeit liberaler Verfassungsgesetzgebung. Die bemerkenswerte Einmischung der Stände in den Gesetzgebungsprozess der notariatsrechtlichen Kodifikation könnte daher bereits hiermit eine Erklärung gefunden haben. Die ständischen Vertreter konnten sich doch zu diesem Zeitpunkt auf ein für sie und ihre Gremien äußerst freundliches und zudem »verfassungsrechtlich gesichertes« Regelwerk stützen. Wie eingangs angedeutet griffe diese Erklärung aber dahingehend zu kurz, als das ein selbstbewusstes Auftreten der allgemeinen Ständeversammlung damit zwar zu erklären wäre, die äußerst genaue Auseinandersetzung der Stände mit den einzelnen Norminhalten der HNO jedoch nicht. Auch wenn die Bestimmungen der 1848er Novelle den Ständen Mitspracherechte auf breiter Front gaben, beschränkten sie gleichzeitig die inhaltliche Auseinandersetzung der Stände auf die so bezeichneten »wesentlichen Punkte«. Dies zeigte bereits der oben wiedergegebene § 65 des Änderungsgesetzes.743 Es müssen insoweit noch andere Gründe zu finden sein, um den so dezidiert geratenen ständischen Gegenentwurf744 einer Notariatsordnung, zu erklären. War Hannovers Verfassungsgeschichte in der Gesamtschau zu Beginn bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst recht statisch und in einer eher mittelalterlichen Position verharrt, gab der Verfassungskampf nach Beendung der hannoverschen, britischen Personalunion dem Verfassungsleben des Königreichs wieder Bewegung. Den Ausgangspunkt hierbei markierte die Verfassung des Jahres 1819, obschon hier geltendes Ständerecht – ohne landesherrliche Mitwirkung – lediglich in Verfassungsform gekleidet wurde. Von 1837 an kam es dann zu einem Schlagabtausch zwischen Monarchisten und Liberalen. Die Liberalen konnten diesen Kampf schlussendlich nicht für sich entscheiden. Der Verfassungskampf und die liberalen Strömungen konnten das Entstehen der HNO indessen noch nachhaltig prägen. Der hannoversche Verfassungskampf nahm sein vorläufiges Ende 1855, bis er 1866 mit der Annexion durch Preußen vollauf gegenstandslos wurde.745 Die Hannoversche Königliche Notariatsordnung fiel in die Phase eben dieses Konflikts zwischen Monarch und Landes743 Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungsgesetzes betreffend vom 5. September 1847, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1848, 1. Abtheilung, Nr. 63, S. 261 – 287, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; vgl. hierzu: Anhang II, [Verfassungsänderungsgesetz, (Auszüge)]; hier unter S. 367. 744 Zum Gegenentwurf und zur HNO sowie ihren Regelungsinhalten näher im 1. Kapitel dieses Teil 2 unter 4 a) – b) aa) – hh). 745 Weiterführend zu den Geschehnissen sowie gesellschaftspolitischen Verhältnissen des Jahres 1866 und der nachfolgenden genuin preußisch-hannoverschen Entwicklungen: Insgesamt Barmeyer, Hannovers Eingliederung in den preußischen Staat, Annexion und administrative Integration 1866 – 1868 (1983), insb. S. 27 – 148.
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vertretern. Als Teilbefund bleibt bis hier festzuhalten, dass die verfassungsrechtliche Grundlage der HNO jedenfalls die Verfassung des Jahres 1840 in Verbindung mit den Novellierungen von 1848 und einem ausgeprägten innerpolitischen Verfassungsliberalismus war. So finden sich in den Normen der 1848er Novelle zwar grundsätzliche Argumente für die ständische (Gesamt) Mitwirkung, dagegen lassen sich nur bedingt Anhaltspunkte für die ausgeprägte inhaltliche Mitwirkung im Gesetzgebungsprozess ausmachen. Zu beleuchten ist daher im Weiteren der Grund für die überaus genaue und inhaltlich detaillierte Auseinandersetzung der politischen Stände mit den notariatsrechtlichen Bestimmungen. bb)
Zeitgenössische Verfassungsinterpretation als Grund ständischer Mitwirkungsrechte (Landesverfassungsgesetz 1840 i. V. m. dem Änderungsgesetz von 1848) Eine weitere Möglichkeit, die Einflussnahme der politischen Stände, speziell auf die Ausgestaltung einzelner Bestimmungen der HNO zu erklären, ist etwa in einer besonders weitgreifenden liberalen Auslegung der Normen des Änderungsgesetzes von 1848 zu finden. Das Änderungsgesetz hatte wie im Punkt zuvor geschildert einen ohnehin liberalen Gesamtcharakter. Lässt sich für das selbstsichere Auftreten der Stände mit dem bis hier Dargestellten bereits eine vordergründig schlüssige Begründung liefern, überraschen im Zusammenhang mit der wiedergegebenen Kritik746 die detaillierten Änderungswünsche der allgemeinen Ständeversammlung nach wie vor. Wie erwähnt,747 sollten von ständischer Seite nur wenige Paragraphen (etwa 20 %) des Regierungsentwurfs völlig unberührt bleiben.748 Eine Beschränkung der ständischen Kritik auf die wesentlichen Punkte des Erstentwurfs, wie es § 65 des Änderungsgesetzes von 1848 vorgesehen hätte, blieb im Verfahren um die HNO wider Erwarten aus.749 Die ständische Vertretung setzte sich hingegen mit dem ihr vorgelegten (Erst-) Entwurf der Landesregierung im Detail auseinander. Die Rechte der Volksvertreter gegenüber dem hannoverschen Regenten waren bereits vor 1855 ein bedeutendes Thema im hannoverschen Verfassungsleben und nach Rückführung der Verfassung auf den monokratischen Stand von 1840 durch Georg V. Mitnichten sollte die königliche Proklamation vom 1., verkündet am 4. August 1855750 die Auseinandersetzung um die Macht im Staate vollauf beenden.751 Für 746 Siehe dazu im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3. 747 Siehe dazu im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3. 748 Dazu und dem konkreten Gesetzgebungsverfahren der HNO auch näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 a) sowie b) aa) – hh). 749 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 a) sowie b) aa) – hh). 750 Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1855, Heft Nr. 23, S. 161 – 163, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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diese Untersuchung ist die Zeit nach 1855 indes nicht mehr relevant, da die HNO 1853 in Kraft trat. Das Änderungsgesetz von 1848 benannte nur eine grundsätzliche Mitbestimmung der Stände im Gesetzgebungsverfahren. Der § 65 inhärente tatbestandliche Begriff der »Wesentlichkeit« blieb dabei aber unbestimmt und ließ keine eindeutige Lesart zu. War er somit einer fachkundigen Auslegung nicht nur zugänglich, verlangte diese Unbestimmtheit geradezu nach liberaler Interpretation der Norm. Die § 65 immanente Unbestimmtheit wurde somit ein Einfallstor für entsprechende Auslegungen der Königsgegner. § 65 des Änderungsgesetzes war aus diesem Grund auch für das Gesetzgebungsverfahren eine der wichtigsten Normen der hannoverschen Verfassungslage der Jahre 1850 – 1853 im Land »Hannover«. Ein weiterer Grund für die detaillierte Auseinandersetzung der ständischen Vertreter mit dem königlichen Erstentwurf könnte überdies in einem hohen, juristischen Sachverstand der allgemein Ständeversammlung und ihrer Kommissionsmitglieder zu sehen sein. Insbesondere dieser Aspekt prägte in der Wissenschaft den Begriff des sogenannten »Juristenparlaments«752 und bringt ihn auch für Hannover ins Spiel. Im Wechselspiel von Auslegungsfähigkeit und Auslegungsbedürftigkeit der zentralen Kompetenzbestimmung des § 65753 und dem Sachverstand des hannoverschen Parlaments kann eine hinreichende Erklärung für die große Einflussnahme der Stände auf den Gesetzgebungsprozess der HNO zu finden sein. Hinzu tritt ferner die gesamtliberale Verfassungslage der Beratungszeiträume der notariatsrechtlichen Kodifikation – sprich der HNO. Mit Blick auf diese Gemengelage finden sich namhafte Stimmen, die sogar im äußerst ständeunfreundlichen Klima der Jahre 1854/1855 eine noch immer liberale Verfassungsauslegung vehement vertraten. Schon vor 1855 und Abschaffung der liberalen Bestimmungen der 1848er Verfassungsrevolution waren diese Stimmen verantwortlich für eine weite Auslegung der Bestimmungen des Änderungsgesetzes in Verbindung mit der Verfassung des Jahres 1840 gewesen. Dies galt hauptsächlich im Hinblick auf § 65 des Änderungsgesetzes.754 Zu diesen Vertretern der äußerst liberalen Bewegung zählten etwa Personen wie: Gottlieb Planck755 und Johann Karl Bertram Stüve756 oder auch Rudolf von 751 Hierzu weiterführend insgesamt beispielhaft: Planck, Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855, [(verkündet am 4. August 1855), (Ergänzung nicht im Original)] (1856), S. 1 f. 752 Vgl. hierzu weiterführend: Kühne, 1848/49 als Umbruch, in: ZNR 1996, S. 248 – 259, 250. 753 Vgl. hierzu: Anhang II, [Verfassungsänderungsgesetz, (Auszüge)]; hier unter S. 367. 754 Vgl. hierzu: Anhang II, [Verfassungsänderungsgesetz, (Auszüge)]; hier unter S. 367. 755 Zum Leben und Wirken Plancks, der auch als Vater des BGB gilt vgl. etwa: Meder, Gottlieb Planck und die Kunst der Gesetzgebung (2010), S. 1 sowie insgesamt : S. 9 – 98; Planck sollte an 1868 ebenfalls Richer am späteren Oberlandesgericht Celle werden ; vgl.
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Bennigsen.757 Für diese erklärten Liberalisten war eine ständische Mitwirkung schon von Verfassung wegen für eine wirksame Gesetzgebung, also auch für die HNO unerlässlich. Mit einem solchen Verständnis wurde mithin auch das Änderungsgesetz des Jahres 1848 (insb. dessen § 65) interpretiert. Planck, Stüve und von Bennigsen hielten eine ständische Mitbestimmung jeglichen Sachverhalts, der die (Landes-) Gesetzgebung auf Grundlage der 1848er Bestimmungen betraf, für erforderlich. Dies galt nach liberaler Ansicht, demnach ebenfalls für die Verordnung des 1./4. August 1855. Zur Herbeiführung einer (Rechts-) Wirksamkeit jeglicher neuer Bestimmungen gingen diese Liberalisten einhellig von einer zwingenden ständepolitischen Mitwirkung aus.758 Dieses Staatsverständnis war mit der Selbstwahrnehmung des hannoverschen Landesherrn dieser Zeit selbstverständlich nicht deckungsgleich. Es führte dazu, dass sich die Vertreter der liberalen Strömungen einem wenig verständnisvollen Regenten gegenüber sahen. Wie bereits unter dem vorstehenden Punkt II 3 c) aa) ausgeführt, wurden Stüve und von Bennigsen seinerzeit ihrer Ministerämter, die Göttinger Sieben sogar ihrer Professuren, enthoben. Planck, der als späterer »Schöpfer des Bürgerlichen Gesetzbuches« (BGB) gilt, wurde nach monarchiekritischen Äußerungen mehrmals innerhalb der landesherrlichen Verwaltung strafversetzt.759 Verschiedene Bestimmungen der Landesverfassung wurden durch ihn insbesondere in seiner Schrift: »Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. (4.) August 1855 auf äußerst liberale Weise und somit oppositionell interpretiert. Anlass zur planckschen Veröffentlichung gab der innerpolitische Streit um die bindende Kraft und Eignung königlicher Verordnungen als verbindliche Rechtsgrundlage zu dienen, ohne vorherige ständische Mitwirkung erfahren zu haben. Gegenstand ebendieses Streits war die bereits vorstehend genannte, durch Georg V. erlassene Verordnung des 1./4. Augusts 1855.760 Diese schaffte immerhin die liberalen 1848er-Verfassungsbestimmungen und deren Errungenschaften ab. In dieser Verordnung war überdies zu
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hierzu: http://app.olg-ce.niedersachsen.de/cms/page/geschichte/geschichte_V.php, abgerufen am 29. 01. 2013. Zum Leben und Wirken Stüves vgl. etwa insgesamt: G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 84, [Onlinefassung]; URL: http:// www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. Zum Leben und Wirken von Bennigsen vgl. etwa insgesamt: Onken, v. Bennigsen, ein deutscher liberaler Politiker nach seinen Briefen und hinterlassenen Papieren (1910). Eine dieser Stimmen war ebenfalls Gottlieb Planck; ders., Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855, verkündet am 4. August 1855 (1856), S. 1 ff., aus dem Jahr 1856, vgl. hierzu auch: Meder, Gottlieb Planck und die Kunst der Gesetzgebung (2010), Vorwort S. 22. Meder, Gottlieb Planck und die Kunst der Gesetzgebung (2010), S. 21 f.; vgl. hierzu ebenfalls: http://app.olg-ce.niedersachsen.de/cms/page/geschichte/geschichte_V.php, abgerufen am 29. 01. 2013. Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1855, Heft Nr. 23, S. 161 – 163, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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lesen, dass die in ihr zugrunde gelegten grundsätzlichen Absichten des Landesherrn Richtschnur für das Gesamtministerium, also alle staatlichen Stellen und somit auch die Justiz sowie die gesamte Verwaltung Hannovers sein sollten.761 Planck hatte als Richter und Teil der hannoverschen Justiz ebendiese Verbindlichkeit innerhalb eines seiner Urteile indes angezweifelt762 und später die oben genannte Schrift zur Frage der Rechtsverbindlichkeit reinköniglicher Verordnungen verfasst. Eine ständische Mitwirkung an dieser Verordnung – sie oktroyierte immerhin die Abschaffung der 1848er Bestimmungen schlicht – war nämlich gerade nicht erfolgt.763 Ganz maßgeblicher Punkt war in diesem Zusammenhang die Streitfrage, ob bereits die bloße königliche Verkündung und somit der Primat des Landesherren als Kriterium für eine allgemeine Rechtsverbindlichkeit ausreichen sollte oder parlamentarische Mitwirkung zu verlangen sei.764 Schon allein durch diese Frage stellte Planck das Gottesgnadentum »seines« Regenten, das seit 1837 in Hannover wieder mehr an Kontur hatte annehmen können, nachhaltig in Frage. Er fiel bei »seinem« Landesherrn und innerhalb der königlichen Verwaltung folgerichtig in Ungnade.765 Planck stellte das Verfahren um die Rückführung der Verfassung auf den Stand von 1840 im Land »Hannover« zur wissenschaftlichen Diskussion, wenn er hinsichtlich der Abschaffung des Gesetzes von 1848 durch königliche Verordnung provokativ die Frage formulierte: »[…] Ist diese Verordnung gültig und verbindlich? […]«.766 Gottlieb Planck setzte sich eingehend mit dem landesherrlichen Selbstverständnis hinsichtlich der Abschaffung der 1848er Verfassungsnovelle auseinander. Sein liberales, rechtswissenschaftliches Verfassungsverständnis, das in seiner Abhandlung deutlich zu Tage tritt, kann daher beispielhaft für den hannoverschen Oppositionsliberalismus der Jahre 1848 – 1853 und auch für die Zeit vor 1848 angesehen werden. Ebenfalls in dieser Zeit der liberalen Verfassungsnormen entstand – wie gesagt767 – die HNO. Den liberalen Anschauungen entsprechend, war die ständische Mitwirkung für jeglichen Beschluss sowie jede Gesetzgebung und -änderung erforderlich. Dies galt 761 Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1855, Heft Nr. 23, S. 161 – 163, (162), TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 762 http://app.olg-ce.niedersachsen.de/cms/page/geschichte/geschichte_V.php, abgerufen am 29. 01. 2013. 763 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 c) aa-bb). 764 Planck, Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855, [(verkündet am 4. August 1855), (Ergänzung nicht im Original)] (1856), S. 1 ff., insb. S. 9; Meder, Gottlieb Planck und die Kunst der Gesetzgebung (2010), S. 21 – 24, 21 f. 765 http://app.olg-ce.niedersachsen.de/cms/page/geschichte/geschichte_V.php, abgerufen am: 29. 01. 2013. 766 Planck, Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855, [(verkündet am 4. August 1855), (Ergänzung nicht im Original)] (1856), S. 1. 767 Siehe dazu im 1. Kapitel dieses Teil 2 unter 3.
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auch für Verordnungen die gegebenenfalls ordnungsgemäß durch den Landesherrn proklamiert worden waren. Die ständische Mitwirkung wurde durch Planck sowie seine Kollegen als konstitutiv für die Wirksamkeit jedes Gesetzgebungsvorhabens angesehen. Entsprechend einer reinen und liberalen Rechtslehre hätte also ebenfalls § 65 der Änderungsgesetzgebung von 1848 verstanden werden und eine Mitwirkung der Stände als »wesentlich« – sprich konstitutiv für jeden Rechtssatz gelten müssen. Planck jedoch differenzierte noch weiter : Ein ständisches Mitwirkungsbedürfnis galt ohne Ausnahme nur für Gesetze; Verordnungen hingegen fielen dem landesherrlichen Proklamationsrecht grundsätzlich zu.768 Maßgeblich für die Kategorisierung des jeweiligen Rechtssatzes waren nach planckscher Interpretation allerdings dessen Regelungscharakter und Inhalt.769 Die königliche Notariatsordnung erfasste das Notariat in rechtlicher Hinsicht im Land »Hannover« erstmals vollständig. Die hannoversche (Notariats-) Gesetzgebung war infolgedessen echte Kodifikation und auch nach Gottlieb Plancks Verständnis von Seiten der Stände vollauf zustimmungsbedürftig. Diesem Verständnis nach wäre ein Verfahren ohne ständische Mitwirkung per se unwirksam gewesen.770 Insgesamt wies Planck allerdings nur die grundsätzliche Zustimmungsbedürftigkeit und somit das generelle verfassungsrechtliche Mitwirkungsrecht der Stände im Prozess um die Schaffung hannoverscher Gesetze wissenschaftlich nach. Den genauen Umfang dieser Mitwirkungsrechte umriss auch er nicht genauer. Die Verfassungsnovelle von 1848 und ihre Normen bzw. deren liberale Auslegung können den Umfang der ständischen Mitwirkung ebenfalls nicht vollauf erklären. Es müssen daher noch weitere Ansätze gefunden werden. Festzuhalten ist, dass diese liberale Verfassungsauslegung zumindest die Begründung für die im Weiteren noch zu beschreibende sowie weitgehende inhaltliche Auseinandersetzung771 der Stände mit dem landesherrlichen Erstentwurf zur HNO liefern könnte. Um den bemerkenswerten Umfang der ständischen Einflussnahme im Gesetzgebungsverfahren der HNO zu erklären, bedarf es indessen einer darüber hinausgehenden Auseinandersetzung mit der Erscheinung des sogenannten »Juristenparlaments«.
768 Planck, Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855, [(verkündet am 4. August 1855), (Ergänzung nicht im Original)] (1856), S. 10. 769 Planck, Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855, [(verkündet am 4. August 1855), (Ergänzung nicht im Original)] (1856), S. 10. 770 Planck, Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855, [(verkündet am 4. August 1855), (Ergänzung nicht im Original)] (1856), S. 10 f. 771 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter 4 a) – b), insb. unter aa) – hh).
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cc) Juristenparlament und ständischer Sachverstand Wie bereits angedeutet, können die vorgenannten Erklärungen für die detaillierte Auseinandersetzung der hannoverschen Ständeversammlung mit dem Erstentwurf zur HNO nicht für sich allein betrachtet werden. Unter dieser Prämisse ist auch dem sogenannten Juristenparlament772 – nicht nur als Begrifflichkeit – Beachtung zu schenken. Ein hoher Grad an Sachkenntnis der ständepolitischen Vertreter im Bereich der jeweils zu diskutierenden Gesetzesentwürfe sowie ein fundiertes Wissen um die Verfassungsgesetzgebung könnten für das ständische Auftreten 1850 – 1853 mitverantwortlich gewesen sein. Gleiches gilt für die liberale Auslegung der Verfassung durch die hannoversche Staatsrechtslehre im Hinblick auf den tatbestandlichen Begriff der »Wesentlichkeit« des § 65 des 1848er Änderungsgesetzes. Deren liberale Auslegung füllte die Wortlautgrenze der »Wesentlichkeit« möglicherweise zunächst aus, um sie dann zu überschreiten. Das hannoversche Parlament bzw. die allgemeine Ständeversammlung war vornehmlich durch Juristen besetzt und beherbergte mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung des Gesetzgebungsprozesses zwangsläufig eine Vielzahl von Spezialisten. Die Mitglieder der Ständeversammlung setzen sich mithin nicht nur in ihrer Funktion als Parlamentarier mit den landesherrlichen Gesetzesentwürfen auseinander. Vielmehr verstanden sie es auch, im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem rechtlichen Inhalt der zu beratenden Vorlagen umzugehen. Ihnen war es also nicht nur möglich die landesherrliche Gesetzesinitiativen rechtlich zu würdigen, sie vermochten auch deren tatsächliche Auswirkungen auf eine praktische Tätigkeit hin zu antizipieren. Eine sachverständige Reaktion ihrerseits war somit möglich und zeigte sich für den Fall der HNO im dezidierten Gegenentwurf vom 29. Juni 1853.773 Die allgemeine Ständeversammlung, hier ganz besonders die mit der Notariatsordnung befasste zweite Kammer (dominiert durch das städtische Beamtentum), beherbergte naturgemäß eine Vielzahl von (Verwaltungs-) Juristen. Ein solcher Befund lässt sich nicht nur für das Königreich Hannover feststellen. Etwa in Bayern, als auch andernorts, fanden sich in den zweiten Kammern der jeweiligen Landesparlamente Anwälte, Notare sowie die juristisch gebildete Beamtenschaft und Universitätsangehörige.774 Allerdings konnten in diesen Ge772 Vgl. hierzu weiterführend: Kühne, 1848/49 als Umbruch, in: ZNR 1996, S. 248 – 259, 250. 773 Originalantwortschreiben der allgemeinen Ständeversammlung auf den Regierungsentwurf zur Notariatsordnung vom 25. 06. 1852 und den Entwurf der Ständeversammlung sowie dessen Begründung vom 29. 06. 1853; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252, Bestand: 11. 1. 1850 – 11. 5. 1853, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907. 774 Für Bayern: Götschmann, bayerischer Parlamentarismus im Vormärz, Die Ständeversammlung des Königreichs Bayern (2002), S. 142; Für Württemberg: Brandt, Parlamentarismus in Württemberg 1819 – 1870, Anatonomie des deutschen Landtags (1987), S. 106; Friske, Kammern des Volkes? Die zweiten Kammern im deutschen Frühkonstitutionalismus (2003), S. 55.
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bieten die politischen Stände nicht mit einer vergleichbaren Macht im Staat agieren, wie es in Hannover seit jeher der Fall war.775 Die hannoversche Situation war trotz der zeitweilig geschwundenen Macht der Stände auch zur Zeit des Gesetzgebungsverfahrens um die hannoversche Notariatsordnung immer noch als bemerkenswert gefestigt zu beurteilen. Nirgends sonst war die Macht der Stände jemals so gewaltig gewesen und konnte auf eine dementsprechende Tradition zurückblicken, wie in Hannover. Dies konnte zuvor festgestellt und mit der Personalunion, ihren faktischen Folgen für den hannoverschen Staat und der Verfassungstraditionen im Land »Hannover« begründet werden.776 Ebenso war der Verfassungskonflikt des 19. Jahrhunderts in Hannover als direkte Folge der Beendung der welfischen Doppelherrschaft und dem Ende der 123-jährigen ständischen Alleinherrschaft beispiellos. Dass auch die hannoversche Ständeversammlung mit fachkundigen Juristen durchsetzt war, zeigen nicht nur die Sekundärliteratur zum Thema der Fachparlamente,777 sondern auch die archivalischen Quellen des Niedersächsischen Landesarchivs, Hauptstaatsarchiv Hannover.778 In diesen insgesamt belastbaren Quellen finden sich bekannte Namen der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, aber auch heute unbekannte Juristen, die zugleich Mitglied der hannoverschen allgemeinen Ständeversammlung waren. In der Biografie des heute noch bekannten Juristen und zeitgenössischen Politikers Johann Carl Bertram Stüve lässt sich die Mitgliedschaft in der Ständeversammlung beispielhaft nachweisen.779 Er hat in dieser Untersuchung bereits Erwähnung gefunden. »Geboren am 4. März 1798 ging dieser nach dem Abschluss des Gymnasiums nach Berlin und studierte dort Rechtswissenschaft mit dem Berufsziel Rechtsgelehrter.«780 »Stüves Lehrer waren etwa Savigny oder Wolf. Nach seiner Zeit in Berlin ging er nach Göttingen. Hier wandte er sich dem Studium des altrömi775 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 a) sowie b) bb). 776 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 a) sowie b) bb). 777 Insb. für Hannover : Teiwes/Kolb, Beiträge zur politischen, Sozial- und Rechtsgeschichte der Hannoverschen Ständeversammlung von 1814 – 1833 und 1837 – 1849 (1977), in: Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens Bd. 88, (1977) S. 154 – 65; G. Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. 778 Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand AAA VII Z, SF Nachlässe (Ebeling, Carl Friedrich Dr.; Sig.: kleine Erwerbungen A 19). 779 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011; Lampe, Freyheit und Ordnung, Die Januarereignisse von 1831 und der Durchbruch zum Verfassungsstaat im Königreich Hannover (2009), S. 55 – 61, 57 f. 780 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011.
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schen Rechts und der Germanistik zu.«781 »1820 entschied er sich schließlich für die Advokatur, nachdem er seine Promotion in Göttingen abgeschlossen hatte.782 Seine politische Anschauung hatte sich in dieser Zeit immer mehr dem Liberalismus – auch auf verfassungsrechtlicher Ebene – genähert. Die anwaltliche Tätigkeit füllte ihn in der Folge wohl immer weniger aus und er suchte nach neuen Herausforderungen in der hannoverschen Landespolitik. Zu Beginn der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde Stüve Mitglied der zweiten Kammer der allgemeinen Ständeversammlung783 und trat später in die Dienste des hannoverschen Justizministeriums.«784 Als bekennender Liberaler785 »betrieb er die ständische Tätigkeit mit großer Hingabe und suchte jede Möglichkeit, seine juristische Sachkenntnis im Interesse der allgemeinen Ständeversammlung zu nutzen.«786 Insgesamt zeigt sich am Beispiel Stüves deutlich die hervorragende, klassisch akademische Bildung und somit ein hoher Sachverstand eines heute sogenannten »Parlamentsjuristen«. Gleiches lässt sich für den späteren Herausgeber der hier in den Fokus gerückten Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung, Bojunga feststellen. Diesem verdankt man die heute verbliebenen, editierten Beratungsstücke des hannoverschen Landtages zur HNO. Auch wenn zu seiner Person keine biografischen Daten zu finden sind, liegt es nahe, dass er ob seiner Funktion als Herausgeber einer fachkundigen Besprechung der hannoverschen Notariatsordnung, Mitglied der Ständeversammlung war. Wie die archivalischen Quellen
781 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. 782 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. 783 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011. 784 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils unter II 3 c bb) – cc). 785 Stüves politische Überzeugung als Kritiker der Monarchie und des gelähmten Ständewesens wurde auch in seinem oben genannten Zitat evident deutlich; G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011; Stüve aus dem Jahre 1823; Diese von Stüve ausdrücklich missbilligten Zustände im hannoverschen Staat stellt ausführlich dar : Lampe, Freyheit und Ordnung, Die Januarereignisse von 1831 und der Durchbruch zum Verfassungsstaat im Königreich Hannover (2009), S. 47 – 61, insb. 47; 48 f.; 55 f. 786 G. Stüve, Stüve, Johann Karl Bertram, in Allgemeine Deutsche Biographie, Band 37 (1894), S. 85, [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118756230.html, abgerufen am: 01. 06. 2011; Lampe, Freyheit und Ordnung, Die Januarereignisse von 1831 und der Durchbruch zum Verfassungsstaat im Königreich Hannover (2009), S. 47 – 55, 55 – 61, insb. 47; 48 f.; 55 f.
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zeigen, war er überdies Notar in Hannover und somit ausgebildeter Jurist.787 Als weiteren fachkundigen, jedoch heute unbekannten Vertreter der hannoverschen Notariatszunft in der Ständeversammlung, lässt sich in den archivalischen Aktenbeständen Dr. Carl Friedrich Ebeling788 finden. Dessen biografischer Nachweis aus der Zeit des Verfahrens um die Notariatsordnung ist der einzige, der in den archivalischen Findbüchern auszumachen ist. Aus den Akten ergibt sich, dass Ebeling sowohl Jurist als auch Notar war, woraus geschlossen werden kann, dass er mithin die Materie des Gesetzgebungsverfahrens um die HNO nicht nur als Jurist, sondern auch als späterer Anwender bewerten konnte. Ebeling wurde 1816 geboren. Das Jahr seines Todes kann heute mit 1882 nur noch vermutet werden. Er war, wie bemerkt, königlicher Notar, Justizrat und nicht zuletzt Mitglied der Ständeversammlung.789 Seine Fachkompetenz hatte er mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Göttinger Universität erlangt und wurde in der Folge als Notar tätig. Seine Bestellung erfolgte nicht mehr durch die Instanzen Hannovers, sondern durch das ab 1822 allein zuständige Reichsjustizministerium.790 Das genaue Datum der Bestellung zum Notar ist in den Quellen nicht mehr nachweisbar. Auch wenn der Quellenbestand zum fachlich kompetenten Ständetum Hannovers dürftig ist, lassen sich auch mit Stüve, Ebeling und Bojunga einzelne und überdies wichtige Vertreter mit juristischem Fachwissen ausmachen. Auch die politisch weniger wichtige Person Ebelings kann hierzu ganz klar gezählt werden. Insgesamt ist festzuhalten, dass das hannoversche Juristenparlament und der hiermit verbundene Sachverstand nicht alleine in der Lage gewesen sein können, eine Erklärung des ambitionierten Auftretens der Stände gegenüber dem/ihrem König zu tragen. Gleiches gilt für die detaillierte Auseinandersetzung mit den Inhalten des ersten Entwurfs der HNO. Eine solche Behauptung aufzustellen, und das Juristenparlament als hauptverantwortlich darzustellen, vermögen die hierfür greifbaren – indessen dürftigen Quellenbestände – nicht zu leisten. Vielmehr muss von einem ein Zusammenwirken zwischen den dargestellten Erklärungsmöglichkeiten für die zum einen wenig verhaltene, zum anderen ausgesprochen umfangreiche ständische Kritik am königlichen Erstentwurf zur HNO Mitte des 19. Jahrhunderts ausgegangen werden. Die Beendigung der Personalunion, der Verfassungskonflikt mit der Revolution von 1848, die hieraus resultierende liberale Änderungsgesetzgebung sowie die mögliche, ebenso li787 Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 173 Acc. 49/ 72 Nr. 15. 788 Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand AAA VII Z, SF Nachlässe (Ebeling, Carl Friedrich Dr.; Sig.: kleine Erwerbungen A 19). 789 Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand AAA VII Z, SF Nachlässe (Ebeling, Carl Friedrich Dr.; Sig.: kleine Erwerbungen A 19). 790 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 1 – 2.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
berale Verfassungsauslegung, das Juristenparlament und schließlich die einzigartige Ständetradition Hannovers seit dem Mittelalter griffen hier ineinander und schufen (für Hannover typische) Synergien. Diese bestimmten das Gesetzgebungsverfahren der HNO nachhaltig. Keiner der ausgemachten Punkte vermag allein die Erklärung für die ständische Kritik und inhaltlich tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem landesherrlichen Erstentwurf zu liefern. Erst sie alle zusammen lassen das parlamentarische Auftreten gegenüber dem Regenten schlüssig erscheinen. Insbesondere die für das Gesetzgebungsverfahren der HNO auszumachenden Verschränkungen sind abermals als für die hannoversche Rechtsentwicklung typisch zu bewerten. Im Ergebnis ist die Hannoversche Königliche Notariatsordnung also in einer liberalen Phase der hannoverschen Verfassungsgesetzgebung zwischen dem Landesherrn/seinen Gremien und der ständischen Vertretung diskutiert und erlassen worden. Dennoch ist und bleibt die allumfassende Kritik der Gesellschaftsvertreter gegenüber dem Monarchen auch vor diesem Hintergrund immer noch bemerkenswert. Der hannoversche Liberalismus hatte es zwischen den Jahren 1840 bis 1848 nicht geschafft sich (erneut) nachhaltig zu etablieren. Dies zeigt sich daran, dass die liberalen Strömungen des 19. Jahrhunderts nicht in der Lage waren, eine neue hannoversche Verfassung nach dem Vorbild des Grundgesetzes von 1833 hervorzubringen. Vielmehr musste man sich mit einer einfachgesetzlichen Novelle der monarchistischen Landesverfassung von 1840 begnügen, die im Zuge der Restauration durch Georg V. 1855 mittels einfacher Verordnung monokratisch für wirkungslos erklärt wurde. Die hannoversche Notariatsordnung des Jahres 1853 ist insofern nur auf den ersten Blick ein echtes Ständegesetz in einem liberalen Staat. Vielmehr ist sie eine über Gebühr ständisch geprägte Gesetzgebung in einem nach langer Zeit stark monarchistisch beeinflussten, unter liberalem Einfluss und wechselhafter Verfassungsgesetzgebung stehenden Staat. Hannover war nur theoretisch monarchistischer (Königs-) Staat. Im Spannungsfeld zwischen neokonservativen und liberalen Kräften gelegen, kann die Hannoversche Königliche Notariatsgesetzgebung weder klar als Stände-, noch als lediglich ständisch geprägte landesherrliche Gesetzgebung eingeordnet werden. Sie steht vielmehr zwischen beiden Möglichkeiten und war Produkt vieler Einflüsse besonderer, gesellschafts- und verfassungspolitisch turbulenter Zeiten.
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Die Hannoversche Königliche Notariats-Ordnung
Wie sich die bis hier beschriebenen Kräfte im Einzelnen auf den Gesetzgebungsprozess der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung auswirkten und welches Ergebnis sie hervorbringen sollten, wird im folgenden Abschnitt interessieren.791 a) Leitmotive der hannoverschen Gesetzgebung Zwei ambitionierte sowie weitgreifende Leitmotive des hannoverschen Landesgesetzgebers sollten durch das neue Notariatsrecht und seine Gesetzgebung umgesetzt werden. Beide Beweggründe beherrschten das Gesetzgebungsverfahren um die HNO. Es handelt sich zum einen um die Verwirklichung des bereits durch § 21 GVGKHann. festgelegten Ziels einer freien Konkurrenz von Amtsrichter und Notar auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Zum anderen suchte man durch die Bestimmungen der Notariatsordnung im Königreich eine möglichst hohe Rechtssicherheit für den Bürger und den Rechtsverkehr zu erzielen; um nicht zuletzt authentizitätsrechtliche Fragen des Notariatsrechts zu behandeln. Die Verwertbarkeit und Authentizität der notariellen Instrumente war aus Sicht des hannoverschen Gesetzgebers mithin echtes Akzeptanzmerkmal der notariellen Tätigkeit. Übergeordnetes (zweites) Ziel der HNO war mithin die gesamte Harmonisierung des hannoverschen (Notariats-) Rechts. Organisationsgesetz, Notariatsordnung und Nebengesetze sollten im Interesse der Bürgerschaft ineinander greifen. Insbesondere die Authentizität von Notariatsinstrumenten sowie der Pflichtenkreis des Notars wurden folglich in den Fokus der Notariatsgesetzgebung gerückt. Das Motiv der landesrechtlichen Harmonisierung und rechtlichen Erfassung des Notariats wurde indes nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben verfolgt, sondern war allein rechtspolitisch begründeter Ausdruck der Bekämpfung schwerer Mängel im Notariat der Vergangenheit.792 Aus diesen Mängeln hatte der hannoversche Notariatsgesetzgeber seine Lehren gezogen. War neben der Authentizität von Urkunden hierbei deren Haltbarkeit gemeint, sollten und mussten erstmals für diese Be791 Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 884 ff.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.; vgl. hierzu insgesamt auch: Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1 ff; vom Abdruck der gesamten Ordnung als Anhang wurde auf Grund des erheblichen Umfangs der Ordnung abgesehen; vgl. hierzu daher : Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 792 Siehe hierzu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 c).
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
reiche praktikable Normen geschaffen werden. Speziell im Laufe der Jahrzehnte zwischen 1814 und 1853 waren auch im 19. Jahrhundert mit dem Wiederaufleben des gemeinen Rechts und des gemeinrechtlichen Notariats793 im hannoverschen Land immer wieder Unsicherheiten aufgetreten. Diese Unsicherheiten bezogen sich in ihrer Hauptsache auf die Gültigkeit der Notariatsinstrumente für den Rechtsverkehr. Die Unsicherheiten traten auf, da die einfach gehaltenen Vorgaben der Ordnung Maximilians I. von 1512 entweder vollauf in Vergessenheit geraten waren oder in abgelegenen Reichsgebieten nur das veraltete, territoriale Recht des Mittelalters Anwendung fanden. Diesem uneinheitlichen Zustand im Recht galt es daher Mitte des 19. Jahrhunderts im Königreich Hannover durch die HNO ebenfalls entgegen zu treten. Ob bei diesem Unterfangen tatsächlich beide Ziele durch den Gesetzgeber erreicht werden konnten oder sich deren Umsetzung möglicherweise gegenseitig sogar behinderte, soll durch die Beleuchtung der Diskussion zwischen landesherrlichen Gremien und der Ständeversammlung während des Gesetzgebungsprozesses gezeigt werden. Ein spezielles Augenmerk wird der Notariatsfreundlichkeit der Bestimmungen sowie der Umsetzung der freien Konkurrenz zwischen Notar und Amtsrichter innerhalb der jeweilig zu untersuchenden Gesetzesabschnitte zukommen. Das Gesetzgebungsverfahren um die königliche Notariatsordnung setzte sich, den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Jahres 1848 entsprechend, aus einer detaillierten Diskussion zwischen landesherrlicher Kommission und ständischen Vertretern zusammen. Die Gründe hierfür wurden soeben794 erläutert. Die weiteren internen Auseinandersetzungen zwischen erster und zweiter Kammer der Ständeversammlung sollen für diese Untersuchung nicht weiter interessieren. Die Beratung innerhalb der Ständeversammlung zogen sich seit dem landesherrlichen Erstentwurf insgesamt über zwei Beratungszeiträume (Diäten) des elften allgemeinen Landtages des Königreichs Hannover hin.795 Von Interesse bleibt allein deren Ergebnis, nämlich den hier zu betrachtende am 29. Juni 1853 an die landesherrliche Regierung adressierten Gegenentwurf der allgemeinen Ständeversammlung im Verfahren um die HNO.796 In ihm wurde, eine 793 Siehe hierzu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 c). 794 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teil 2 unter II 3. 795 11. Landtag des Königreichs Hannover, Landtagsblätter : 4. Diät, 1. Kammer: S. 26 f., 145, 164, 167; 2. Kammer : S. 243, 251, 267; 5. Diät, 1 Kammer: S. 21, 46, 51, 57, 67, 73, 87, 100, 110, 113, 127, 142, 146, 147, 158; 2, GWBL-Hannover Sig. ZEN ZC 51 Verhandlungen der 1. Kammer. Außerordentliche Diät 11.1851/52,3; 14.1857 – 1859; 2. Kammer: S. 6, 16, 40, 43, 51, 59, 62, 67, 76, 91, 101, 108, 117, 169, 185, 189, 220, GWBL-Hannover Sig. ZEN ZC 51 Verhandlungen der 2. Kammer. Außerordentliche Diät 11.1851/52,3; 14.1857 – 1859. 796 Der hierzu bestehende Protokollband – vorgehalten in der Niedersächsischen Landesbibliothek GWBL-Hannover (Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek) – enthält das Originalantwortschreiben der allgemeinen Ständeversammlung auf den Regierungsentwurf zur Notariatsordnung vom 25. 06. 1852 und den Entwurf der Ständeversammlung sowie dessen
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wenig zurückhaltende und harsche Kritik am Erstentwurf der Regierungskommission zum Ausdruck gebracht. Dennoch konnte die Hannoversche Königliche Notariatsordnung kurze Zeit später am 18. September 1853 in ihrer bis 1898 geltenden Fassung erlassen werden. b)
Entstehungsprozess der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung, ihr Inhalt und die Umsetzung der gesetzgeberischen Motive Die HNO verfolgte als erste eigenständige Gesetzgebung für das hannoversche Notariat das Ziel tatsächlich abstrakt-generelle Kodifikation und nicht bloße Ergänzungen des mit vielerlei Mängeln behafteten kaiserlich-gemeinrechtlichen Rechts des 16. Jahrhunderts zu sein.797 Sie musste sowohl die Tätigkeit des Notars, seine fachliche Qualifikation, den Zugang in das Amt und dessen Beendung sowie etwaige disziplinarrechtliche Sanktionen sowie Haftungsfragen und nicht zuletzt die Errichtung der Urkunde mit ihrer Bestimmungen umfassend positivieren. Es entstand mit ca. 80 Normen in insgesamt zehn Abschnitten ein völlig neuer Bestimmungskanon für das hannoversche Notariat.798 In der folgenden Betrachtung werden insbesondere diejenigen Normen in den Fokus genommen, die Anlass zu Streitigkeiten und Diskussion zwischen der allgemeinen Ständeversammlung und der landesherrlichen Regierungskommission gaben; mithin gleichzeitig die zentralen Normen der Kodifikation darstellen. Hierbei wird die Praxistauglichkeit der einzelnen Bestimmungen und deren Eignung, das erste Ziel der Notariatsordnung mit einer freien Konkurrenz zwischen Amtsrichter und Notar zu etablieren, Berücksichtigung finden. Zu diesem Zweck werden die Äußerungen der hannoverschen Notariatspraxis zur neuen Notariatsordnung am Rande in die Untersuchung aufgenommen werden. Eine und zugleich die heute noch am deutlichsten zu vernehmende Stimme dieser Kritiker war der hannoversche Notar Georg Andreas Friedrich Schrader. Er lieferte mit seinem Werk: »Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September 1853« den einzigen zeitgenössischen und zugleich äußerst kritischen Praxiskommentar zur neuen Notariatsgesetzgebung. Schrader selbst war bereits vor Erlass der Hannoverschen Königlichen Ordnung über 25 Jahre als Notar in Hannover tätig gewesen und kann daher als verständiger Beobachter der Entwicklungen des Notariatsrechts seiner Zeit gesehen werden. Seine Kritik stellt mithin keine feindselige Plattitüde gegenüber Neuem, sondern eine fachlich fundierte Expertise, (jedenfalls in praktischer Hinsicht), dar. Begründung vom 29. 06. 1853; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252, Bestand: 11. 1. 1850 – 11. 5. 1853, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907. 797 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 1. 798 Vgl. hierzu: Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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aa) Ernennung (Erster Abschnitt: »Von der Ernennung der Notare«) Der erste Teil der Notariatsordnung regelte das Ernennungsverfahren neuer Notariatskandidaten. Mit Blick auf die bisher gewonnenen Erkenntnisse zur Qualität des gemeinrechtlichen Notariats der vergangenen Jahrhunderte war dieser Abschnitt der wohl wichtigste der HNO. Folgerichtig und im Einklang mit den in Hannover bisher gemachten Erfahrungen zum gemeinrechtlichen Notariat und seinen Mängeln, war auch der hiesige Gesetzgeber zu dieser Einsicht gelangt; denn einzig ein konsequent geregeltes Zulassungsverfahren konnte tatsächlicher Garant für eine qualitativ hochwertige Tätigkeit und das Notariat in personeller Hinsicht sein.799 Es bedurfte insoweit von Gesetzes wegen vorformulierte Ausbildungsanforderungen für das hannoversche Notariat.800 In der hannoverschen Notariatsgesetzgebung des 19. Jahrhunderts wurde das Ernennungsverfahren daher vollauf neu geregelt und das kaiserliche Recht von 1512 hierdurch ersetzt. In den ersten Paragraphen der HNO (§§ 1 – 8 HNO) wurden zwar noch andere wichtige Fragen, wie Residenzpflichten und Inkompatibilitäten des Notariats mit anderen Staatsämtern geregelt, dennoch traten die Normen um die Kreierung neuer Notariate als die entscheidenden der Kodifikation bereits zu Beginn hervor.801 Den verfassungsrechtlichen Grundlagen dieser Zeit entsprechend802 wurden von Seiten der landesherrlichen Regierungskommission im Gesetzgebungsverfahren daher Vorschläge zur Neuregelung des Ernennungsverfahrens und zur Umsetzung der gesetzgeberischen Ziele gemacht und im Parlament zur Diskussion gestellt. Bekamen jene Normen zum Teil von Beginn an ständepolitischen Zuspruch, wurde das Gros grundlegend abgelehnt. Bereits die ständische Gesamtkritik am Regierungsentwurf ließ dies erahnen.803 Der Eindruck bestätigt sich auch bei Betrachtung der ständischen 799 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 2 sowie im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter 4 a). 800 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 1; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 883 ff.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 801 Auch die heute für das Bundesgebiet geltende BNotO ist einem solchen Prioritätsverständnis um die Ernennung und Prüfung des Notariatsanwärters verhaftet. Auch sie regelt in ihren ersten Paragraphen 1 – 13 BnotO die gleichen Inhalte, wie sie die HNO bereits 1853 an ihren Anfang stellte. Gleiches gilt für die Notariatsbezirke und die Residenzpflichten; vgl. hierzu insgesamt: Erster Teil, Erster Abschnitt §§ 1 – 13 Bundesnotarordnung. 802 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 a) – b) dd). 803 »Dabei hat sich von mehreren Seiten (Mitglieder der Ständevertretung) lebhafter Widerspruch gegen wesentliche Bestimmungen des Entwurfs erhoben, indem namentlich der in dem Organisationsedicte (Gerichtsverfassungsgesetz von 1850) vom 8. November 1850 niedergelegte oberste Grundsatz der gleichen und freien Konkurrenz zwischen Amtsgerichten und Notaren in Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit in verschiedenen Be-
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Äußerungen im Hinblick auf die Normen des ersten Teils der HNO im Einzelnen. Insbesondere gerieten die Paragrafen zur fachlichen Eignung wie auch zum persönlichen Anforderungsprofil der Kandidaten ins Visier der ständischen Kritik. Die erste Normierung einer fachlichen Eignung des Notars erfasste § 2 des landesherrlichen Entwurfs.804 Der Regierungsentwurf enthielt insoweit eine starke Orientierung an der Praxis indem der Notar zuvor zwingend als Richter oder Advokat tätig gewesen sein musste. Zugleich verlangte man das abgeschlossene Rechtsstudium. Durch diese Voraussetzung konnte nach Ansicht der Regierungskommission allem voran der mangelnden Bildung des früheren gemeinrechtlichen Notariats wirksam begegnet werden. Im Interesse einer Rechtseinheit und mit Blick auf den Konkurrenzgedanken des § 21 GVGKHann. erkannte der landesherrliche Gesetzgeber aber auch das Bedürfnis nach praxisnaher Ausbildung in den »ars notaria«. Eine solche war insbesondere von Wert für die dem Notariat nunmehr vollauf zugesprochene Pflege der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Als besonders urkundenimmanenten Bereich der notariellen Aufgaben bedurfte die Pflege der freiwilligen Gerichtsbarkeit einer fundierten und praxisnahen Ausbildung. Gerade das Erstellen der Notariatsinstrumente, wie auch die Handhabung des Amtes insgesamt, verlangte nicht nur nach theoretischen (Rechts-) Kenntnissen.805 Der hieraus resultierende Gedanke der Landesregierung, eine praxisnahe Gehilfenstation bei einem bereits tätigen Notar, Advokaten oder Richter einzurichten, wie es noch zur Zeit Johannes Halßbandts durchaus üblich war,806 erscheint daher auch aus heutiger Sicht auf den ersten Blick sinnvoll. Indessen ziehungen, insbesondere durch zu erschwerende Formen für die Notare, mehr oder weniger beeinträchtigt gehalten ist.« (Ergänzung und Hervorhebung nicht im Original); (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3). 804 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 4; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 883 ff.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.; vgl. zum Wortlaut der Motive sogleich: hier unter Fßn. 813. 805 § 2 des Regierungsentwurfs (Motive): »Nach § 2 muß die Vorschule für das Notariat im Amt eines Richters oder Advocaten gemacht werden. Es könnte angemessen erscheinen, zumal die tüchtige Behandlung der Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Studium erfordert, zu welchen häufig weder die Beschäftigung des Richters, noch die des Advocaten die nöthige Anleitung giebt, wenn auch nicht als Nothwendigkeit, doch facultativ, die Ausbildung als Gehülfe eines Notars zu gestatten, […].«; Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 4; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 806 Der kaiserliche Gesetzgeber präferierte eine solche Notarsausbildung sogar ; [siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) cc)].
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
nahm die ständische Vertretung diese Idee sowie die Zuweisung der Notariatsbezirke zum Anlass, den landesherrlichen Erstentwurf stark zu kritisieren. Aus Sicht der Stände bot gerade die Beschäftigung eines ungeübten Gehilfen im bereits bestehenden Notariat deutlich mehr Gefahren als Nutzen für den Berufsstand. Besonders die Aufgabenbeschreibung des Gehilfen wurde durch die ständischen Vertreter für die notarielle Praxis als deutlich zu unbestimmt empfunden.807 Diese Sichtweise überzeugt: Denn ein Kandidat erlernt zwar die Tätigkeit grundsätzlich nur durch das tätig sein, kann aber gerade hierbei auch erheblichen Schaden am besonders sensiblen System des urkundengestützten Rechtsverkehrs anrichten. Der somit zu verlangende zeitliche Mehraufwand für die Überwachung des Gehilfen durch den Ausbilder schadet der Praxis insoweit mehr, als er nutzt.808 Das auch aus ständischer Sicht höchst schützenswerte Gut des sicheren Rechtsverkehrs und somit zugleich das zweite große Ziel der Notariatsordnung wurden dementsprechend in Gefahr gesehen. Vor dem Hintergrund der Lehre, die es aus der Vergangenheit zu ziehen galt,809 erscheint die ständische Kritik mithin gerechtfertigt, jedenfalls nicht übertrieben regierungsfeindlich. Speziell mit Blick auf die ab 1853 bei der Instrumentenerstellung einzuhaltenden und vielschichtigen Formalien, auf die noch zurückzukommen sein wird, waren Flüchtigkeitsmängel des ungeübten Kandidaten zu befürchten. Sie hätten weitreichende Folgen für den Rechtsverkehr gehabt. Gleiches galt für die Reputation und das erhebliche Haftungsrisiko desjenigen Notars, bei dem die Gehilfenstation hätte absolviert werden müssen sowie für das Publikum als Mandantschaft des Notariats. Regelungen zur Frage einer Gehilfentätigkeit im Sinne einer praktischen Ausbildung wurden somit nicht in die Notariatsordnung aufgenommen. Auch der von Regierungsseite vorgeschlagenen, bloß fakultativen praktischen Notariatsstage erteilte die Ständeversammlung daher eine Absage. Der ständepolitische Einfluss konnte sich mithin bereits in den ersten und integralen Regelungsabschnitten der Kodifikation nachhaltig niederschlagen. In der Praxis entfiel mithin der Ansatz einer verpflichtenden 807 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 4, 5; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 808 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 4, 5; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 809 Siehe hierzu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 c).
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Praxisausbildung für die Zulassung zum Notariatsamt ersatzlos. Beibehalten wurden nur die Ausbildungsmöglichkeiten bei einem Advokaten oder Richter in Ergänzung zur bereits ausgeübten Notariatstätigkeit, § 2 HNO810. Herrschte zwischen ständischer Vertretung und Regierungskommission hinsichtlich der sachlichen sowie fachlichen Eignung des Notars noch teilweise Uneinigkeit, stellte sich das ehemals bedeutsame Anforderungsprofil an die Person des Notars811 als weniger problematisch dar. Einzig und alleine das Mindestalter zum Eintritt in das Notariat wurde gesetzlich erfasst und in § 2 Nr. 1 HNO mit 30 Jahren bestimmt. Noch klarer als zur Idee der praktischen Pflichtausbildung fiel die ständische Kritik am geplanten Verteilungsschlüssel der notariellen Geschäftsbezirke aus.812 Die Landesregierung beabsichtigte eine Festsetzung der Geschäftsbezirke nach dem in Kraft treten der HNO. Orientiert werden sollte sich hierbei an der Niederlassungsdichte der Notariate in den verschiedenen Landesteilen des Königreichs. Dieser landesherrliche Vorschlag fiel jedoch ob seiner Unbestimmtheit der ständischen Kritik vollauf anheim und wurde abgelehnt. Erscheint der Regierungsentwurf zu diesem Punkt zunächst mehr als nur unbestimmt, waren ihm dennoch zuvor innerhalb der Regierungskommission detaillierte Überlegungen vorangegangen. In den Gesetzgebungsmotiven der landesherrlichen Kommission war hierzu das Nachstehende zu lesen: »[…] Es korrespondiert aber diese Bestimmung der Verpflichtung des Notars, einer jeden Partei, die ihn darum angeht, seine Rechtshilfe zu gewähren, und es sind Nachteile von derselben nicht zu befürchten, so lange nur die Bezirke so begrenzt werden, dass eine Partei nicht notwendig auf einen bestimmten Notar hingewiesen ist, sondern unter mehreren sich denjenigen auswählen kann, zu welchem sie das größte Vertrauen besitzt. […]«813
810 Den Gedanken des praktischen Anwärterdienstes trägt heute die auch BNotO in sich. Sie erfasst die Pflicht für den hauptberuflichen Notar in ihrem § 7 BNotO. Der heutige sogenannte Anwärterdienst dauert immerhin 3 Jahre. Das Erlernen der praktischen Tätigkeiten des Notarberufes wird demnach auch heute noch als wichtig für die notarielle Tätigkeit angesehen; vgl. hierzu insgesamt: Erster Teil, Erster Abschnitt §§ 1 – 13, § 7 Bundesnotarordnung. 811 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 2 b). 812 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 4; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 899 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 813 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 3; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Lan-
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Auch wenn sich nur auf die faktische Niederlassungsdichte bezogen werden sollte, waren Bezirke mit lediglich einem Notar auch nach dem Regierungsentwurf per se unzulässig. Hiermit sollte für den Bürger eine Garantie geschaffen werden, die Möglichkeit zu haben, zwischen mehreren Notariaten zu wählen. Somit wäre der hannoversche Bürger selbst Nutznießer der neuen landesherrlichen Bestimmungsentwürfe, zwischen mindestens zwei Notaren seines Vertrauens wählen zu können, gewesen. Die Regierungskommission konnte im Ergebnis aus ständischer Sicht gleichwohl keine sinnvolle und praxistaugliche Regelung der Geschäftsbezirke erreichen. Eine nähere Begründung hierfür lieferte sie nicht. Die Landesregierung übernahm die Vorschläge der Ständeversammlung aus deren Erwiderung dennoch widerstandslos. Es wurde sich mithin ab 1853 nach den ohnehin bestehenden Obergerichtsbezirken für die hiesigen Notariatsbezirke gerichtet, was die Ständeversammlung präferierte und § 1 HNO schließlich auch positivierte.814 Insbesondere zu Vermeidung einer Zersplitterung der Notariatsbezirke und eines erhöhten Verwaltungsaufwandes für die landesherrliche Verwaltung erscheint die ständische Kritik am Regierungsentwurf gleichwohl nicht völlig abwegig. Folgerichtig wurden in der HNO kaum Ausnahmen von diesem Verteilungsschlüssel geschaffen. Einzig zulässige Abweichung von der Begrenzung des notariellen Geschäftsbezirks anhand des zugeordneten Gerichtsbezirkes blieb seine etwaige Erweiterung. Gleiches galt für seine engere Begrenzung. Zu diesen Änderungen sollte aus ständischer Sicht allerdings nur das hannoversche Justizministerium als höchste Verwaltungsstelle der hiesigen Rechtspflege ermächtigt sein.815 Daneben trat eine mögliche Erweiterung hinsichtlich des bereits erwähnten – in Hannover auch zur Anwendung kommenden – preußischen und gemeinen Rechts. Beherrschte der jeweilige Notar alle Systeme und fielen sie gemeinsam in die Grenzen seines Bezirks, so sollte sein Geschäftsbezirk auch auf gemeinrechtliche Gebiete und den preußischrechtlichen Raum ausgedehnt werden dürfen. Dies war allerdings nur nach ministeriellem Ermessen und genauer Überprüfung eines Erweiterungsantrages gestattet.816 Hinsichtlich des desbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 814 Vgl. hierzu: Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 815 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 4; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 816 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit
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auch im 19. Jahrhundert noch vielschichtigen Notariatsrechts im Land »Hannover« bewies die Ständeversammlung mithin Umsicht und erschloss dem jeweiligen Notar unter Umständen zwar einen größeren Geschäftsbezirk. Mit der notwendigen Überprüfung seines Wissens um die »fremden« Rechte wurden aber zugleich möglichen Mängeln insbesondere im hannoversch-preußischen Gebiet wirksam begegnet. Das Wissen um das gemeine Rechts war seit jeher Gegenstand der Notariatsexamina und daher dem hannoverschen Notaren817 – abgesehen von örtlichen Besonderheiten dem Grunde nach – ohnehin bekannt. Man kann in der Möglichkeit der Erweiterung der Geschäftsbezirke daher von mittelbar notariatsfreundlichen Erwägungen sprechen, wobei die ministerielle Einschätzungsprärogative nicht außer Acht gelassen werden darf. Diese wirkte auf die Bezirkserweiterung einerseits kompensierend, andererseits auf die hannoversche Sicherheit im Notariatsrecht positiv. Neben der Residenzpflicht, ihrer genauen räumlichen Bemessung sowie dem Ausbildungsprofil der neuen Kandidaten tritt als dritter Teil des ersten Teils die strikte Unvereinbarkeit des hannoverschen Notariats mit anderen Tätigkeiten hervor. Gemeint war hiermit allerdings nicht der Anwaltsberuf, was der Tradition Hannovers geschuldet und mit dem Organisationsgesetz ebenfalls klar formuliert worden war.818 Von landesherrlicher Seite sollte in der HNO zunächst die vollständige Unvereinbarkeit des Notariats mit anderen öffentlichen Verwaltungsämtern kodifiziert werden. Erneut konnte der Regierungsentwurf den ständischen Ansprüchen nur bedingt genügen. Die vollständige Inkompatibilität mit anderen öffentlichen Anstellungen, insbesondere deren mit ständepolitischem Gepräge oder in ständischer Funktion, wurde als zu weit reichend empfunden.819 Die allgemeine Ständeversammlung relativierte nach ihren eigenen Idealen und Bedürfnissen die hannoversche Notariatsordnung dementsprechend dahingehend: Denn sie fürchtete im Kampf gegen den hannoverdem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 4; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 817 Siehe dazu im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 1 und 2. 818 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 4; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 819 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 9; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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schen Neomonarchismus zum wiederholten Male einen Machtverlust innerhalb der Landesverwaltung. Ein solcher Verlust war durch die Verteilung von ständepolitischen Ämtern auf Teile der Justizverwaltung, hierzu zählte der Notar ab 1853,820 gut zu verhindern. Dies galt in erster Linie für die Verbindung des Notariats mit ständepolitischen Ämtern. Nach Vorstellung der Versammlung sollte daher einzig an den jeweiligen Dotierungen des ständischen Amtes festgemacht werden, ob eine Doppeltätigkeit die Unabhängigkeit des Notariats als Organ der Rechtspflege und vorrangiger Dienstleister der Bürgerschaft gefährden würde. Darüber hinaus sollte das Notariat und dessen Ausübung nicht als grundsätzlicher Hinderungsgrund zum Antritt einer anderen, auch rein ständischen Verwaltungstätigkeit, wirken dürfen. Die Entscheidung sollte sich einzig auf die Beibehaltung des Notariats, bei gleichzeitiger Ausübung des öffentlichen Amtes, beschränken müssen. Die Versammlung erwiderte somit auf den Regierungsentwurf folgendermaßen: »[…], so wird sich doch diese Entscheidung lediglich auf die Frage über die etwaige Beibehaltung des Notariats beschränken müssen, und nicht auf die Frage ausdehnen dürfen: ob das betreffende ständische oder Gemeindeamt zu übernehmen sei.«821
Die politischen Stände bewiesen einmal mehr ihre Macht, entschieden sie somit doch auch mittelbar über die Finanzhoheit des hannoverschen Staates. Immerhin zahlten dessen Kassen die erwähnten Dotierungen für das etwaige weitere »Staatsamt« des Notars. Egal war hier, ob das Amt ständepolitisch war oder nicht. Wann dessen Dotierung die Höhe erreicht hatte, um eine Doppeltätigkeit zu verbieten, ließ die Versammlung sowie auch die HNO in ihrer Schlussfassung gleichwohl unbeantwortet. Zu bemerken ist, dass die Bestimmung der Besoldungshöhe aus ständischer Sicht daher eine gewollte Einzelfallentscheidung mit erheblichem Ermessenspielraum blieb. Entschied zwar das Justizministerium im Ergebnis über die Erlaubnis der doppelten Amtsführung, resultierten aus dem unbestimmten Tatbestandsmerkmal der »ungenügenden Dotierung« des § 3 HNO gleichwohl in der Praxis erhebliche Wertungsspielräume. Dies führte zwangsläufig zum finanziellen Nachteil des hannoverschen Königsstaates, da § 3 der HNO822 dem königlichen Ministerium für die Fest820 Der Notar wurde in Hannover ab 1853 durch die neue Gesetzgebung in Teilen seiner Amtsführung den Staatsdienern gleichgestellt bzw. durch Aufsichtsbehörden reguliert und überwacht; [siehe dazu im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 cc)]. 821 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 5; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 822 Vgl. hierzu: Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und
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stellung ungenügender Dotierung bereits beantragter Doppelämter einen Beurteilungsspielraum ausdrücklich versagte. Die Folge war eine gebundene Entscheidung für diejenigen Fälle, die durch die Ständeversammlung dem Ministerium zuvor angetragen worden waren; und eine zwangsläufig zu erteilende Erlaubnis für eine staatlich-private Doppeltätigkeit des hannoverschen Notars, sofern er durch die Stände für das Amt vorgeschlagen wurde. Ausnahmen vom Gebrauch des ständischen Vorschlagsrechts gab es in der Praxis wohl kaum. Mittels dieser Bestimmungen konnte die Ständeversammlung im Ergebnis auf Kosten der Landesregierung im Kreis der Notare ständische juristisch gut gebildete Beamte mithin leicht für sich gewinnen. Zugleich hatte sie ihre Machtposition gegenüber dem Regenten im Gesetzgebungsverfahren und in der nach wie vor schwelenden innenpolitischen Auseinandersetzung abermals eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch das bereits besprochene Phänomen des hannoverschen Juristenparlaments lässt sich durch diese Entwicklungen für die Zeit nach 1853 zum Teil erklären.823 Als einziger Punkt des ersten Teils der HNO konnte das Verbot der Handelsund Maklergeschäfte für Notare den ständepolitischen Vorstellungen genügen und das Gesetzgebungsverfahren unverändert passieren. Gerade dieses Verbot sollte aber in der hannoverschen Notariatspraxis als unangebracht scharf angesehen werden, da hierdurch der mit dem Notar auf diesem Gebiet konkurrierende, sogenannte Auktionator unverhältnismäßig in Schutz genommen wurde.824 Das zeitgenössische Notariat Hannovers sah in dieser strengen Beschränkung eine unverhältnismäßige und überdies unnötige Benachteiligung seiner Tätigkeit.825 Gleichwohl erscheint auch aus heutiger Sicht das Verbot der Kombination von Makler- und Notariatstätigkeit besonders nahe liegend. Der das Grundstücksgeschäft beurkundende Notar wird kaum objektiver Makler sein können und wirtschaftliche Interessen des Maklers leicht über die zwingend objektive Beratung und Aufklärung der Parteien hinsichtlich des Grunderwerbs stellen.826 In vergleichbarer Weise und mit heute immer noch aktueller Argu-
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Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. Siehe zum Begriff des Juristenparlaments auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 c) cc). Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S.VIII, (Vorbemerkungen). Insgesamt sehr kritisch zur Notariatsordnung: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. I – VIII, (Vorbemerkungen). In vergleichbarer Weise und mit gleicher Argumentation wird heute gem. § 14 II Nr. 8 BRAO etwa auch das Verbot der Versicherungs-, Finanzdienstleistungs- und nicht zuletzt
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
mentation einer zu vermeidenden Interessenkollision wird heute gem. § 14 II Nr. 8 BRAO etwa auch das Verbot der Versicherungs-, Finanzdienstleistungsund nicht zuletzt Maklertätigkeit für die Anwaltschaft gehandhabt. Auch den heutigen Notar treffen bei Übernahme neuer Mandate erhebliche Pflichten im Hinblick auf die Überprüfung einer etwaigen anderweitigen Vorbefasstheit bzw. zur Vermeidung möglicher Interessenkollisionen.827 Ebenso strikt, wie das Verbot Maklergeschäfte zu betreiben, wurde die örtliche Residenzpflicht des Notars im zugewiesenen Bezirk, die ebenfalls durch § 1 der Notariatsordnung geregelt wurde, gehandhabt. Bei eigenmächtiger Verletzung konnte das Vergehen sogar die Dienstentlassung zur Folge haben. Das Disziplinarrecht für das hannoversche Notariat behandelte indessen erst Abschnitt neun der HNO genauer, worauf noch zurückzukommen sein wird.828 Bereits anhand der ständischen Einflussnahme innerhalb des ersten Teils der Kodifikation, kann allerdings Grundsätzliches festgestellt werden. Die ständische Kritik blieb tatsächlich, bedingt durch die bereits dargestellte hannoversche Verfassungslage,829 nicht auf Wesentlichkeiten im Sinne von Prinzipiellem beschränkt. Vielmehr ging sie bis tief ins Detail der einzelnen Regelungsinhalte. Immer wieder stellten die Stände auch den Telos der landesherrlichen Entwürfe zur HNO in Frage. Dieses vornehmlich von machtpolitischen Erwägungen geprägte Vorgehen ist auch im Weiteren wiederholt zu erkennen. In regelmäßigen Abständen finden die Vorschläge der Regierungskommission mit verschiedenen Begründungen von ständischer Seite insgesamt und im Einzelnen nicht die nötige parlamentarische Zustimmung. bb) Geschäftsführung (Zweiter Abschnitt: »Wirkungskreis der Notare«) In den folgenden Teilen der HNO, wie auch in ihrem landesherrlichen Erstentwurf, wurden nicht weniger wichtige Themenbereiche des Notariatsrechts behandelt. Innerhalb der Diskussion um diese Bereiche sahen sich die Stände in Ansehung der mit der neuen Gesetzgebung verfolgten Ziele ebenfalls immer wieder zu kritischen Äußerungen veranlasst. Gesteigerte Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem zweiten Teil der Ordnung zu, in dem nicht nur der rechtliche Schwerpunkt, sondern auch die Umsetzung des ersten Leitmotivs der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung behandelt wurde. Die für die Umsetzung der freien Konkurrenz von Amtsgerichten und Notariaten gewählte Bestimmung findet sich in § 9 der HNO. Dieser Regelung kommt mithin eine zentrale Bedeutung zu. Gleiches gilt mit Blick auf die Harmonisierung des Rechts Maklertätigkeit für die Anwaltschaft gehandhabt; vgl. hierzu auch: BGH-Beschluss vom 21. 3. 2011, Az.: AnwZ (B) 36/10, in: NJW-Spezial 2011, S. 447. 827 Die heute für den Notar bestehenden Mitwirkungsverbote erfasst § 3 BeurKG. 828 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) gg). 829 Dazu näher im 1. Kapitel des Teils 2 unter II 4 dd) – ee).
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sowie § 21 des Organisationsgesetzes/GVGKHann.830 also auch für den gesamthannoverschen Kontext. Die Normen der hannoverschen Ordnung müssen in diesem Kontext der Rechtsfortbildung zwingend in Verbindung mit den Regelungen des Organisationsgesetzes gesehen werden, um eine diesbzgl. klare Lesart des Konkurrenzgedankens zu ermöglichen. Hinsichtlich der in der neuen Gerichtsverfassung niedergelegten Maßgabe der freien Konkurrenz und ihrer Wirkung auf das Notariat des Königreichs waren sich jedoch Landesregierung und allgemeine Ständeversammlung einig: Ein bloßer Verweis innerhalb der neu zu schaffenden Notariatsordnung auf die Bestimmungen des § 21 GVGKHann. konnte für den selbst gesetzten Anspruch einer hannoverschen Notariatsgesetzgebung als echte Kodifikation nicht ausreichen. Denn bei Lichte betrachtet öffnete ein derart pauschaler Verweis auf die Gerichtsorganisation Tätigkeitsbereiche für den hannoverschen Notar, die zwangsläufig der Mitwirkung des Amtsrichters bedurft hätten. Als Beispiele können Adoptionen, die Verlassenschaftsregulierung oder auch die Todeserklärung sowie Veräußerungen von Hausgrundstücken durch Minderjährige angeführt werden.831 Ein solches Ergebnis konnte weder von Ständeseite, noch durch die Landesregierung gewollt sein. Überdies galt der Gerichtszwang etwa für alle Fälle der §§ 17 – 26 der »Verordnung vom 18. Dezember 1820 über das Verbot Privateide und die Formen, die bei einzelnen Rechtsgeschäften an die Stelle der eidlichen Bestärkung treten sollen«.832 Die Verordnung erfasste eine Vielzahl von Rechtsgeschäften, die bereits deutlich vor dem in Kraft treten der Notariatsordnung und dem Erlass des § 21 GVGKHann. der richterlichen Mitwirkung bedurften. Sie waren der notariellen Tätigkeit somit bereits vor 1853 entzogen worden833 und konnten ihm nun nicht einfach 830 Vgl. hierzu: Anhang II, [(Organisationsgesetz/Gerichtsverfassung 1850) (Auszüge)]; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1850, 1. Abtheilung Nr. 52, S. 207 – 225, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; hier unter S. 364. 831 Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S.15. 832 Ebhardt, Allgemeines Register zur Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1818 bis 31. December 1856 (1857); Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1820, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 833 In dieser Hinsicht war der Notar dem Amtsrichter von vornherein nachgeordnet und Wesentlichkeiten des Gesetzes zur Erreichung einer freien Konkurrenz zwischen beiden Ämtern nicht umgesetzt worden, vgl. hierzu auch insgesamt: Kritik der hiesigen Notare an der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung; Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. I ff., (Vorbemerkungen).
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
(wieder) zuerkannt werden. War man sich im Allgemeinen einig, dass die ordnungsbestimmenden Inhalte der freien Konkurrenz mehr an Kontur benötigten, empfand die allgemeine Ständeversammlung deren genaue Umsetzung im landesherrlichen Erstentwurf dennoch als unzureichend gelöst.834 Aus Sicht der politischen Stände wurden weitere Bestimmungen zur Abgrenzung der notariellen Tätigkeit zum amtsrichterlichen Tun erforderlich. Diese abgrenzenden Bestimmungen sollten sich allerdings ausdrücklich auf ihre tätigkeitsbestimmende Funktion für das Notariat beschränken; nämlich allein auf die Schaffung der publica fides.835 Andererseits durften dem Notar innerhalb der HNO und auch außerhalb ihres Normenkatalogs keine richterlichen Aufgaben zugesprochen werden. Eine in früherer Zeit die richterlichen sowie behördlichen Kompetenzen836 stark bevorzugende Verteilung bezüglich der Urkundserstellung sollte ab 1853 nicht mehr greifen. Im Interesse einer tatsächlich freien Konkurrenz von Richtern und Notaren, wurde von landesherrlicher Seite daher dem Kreis beurkundungspflichtiger, allein durch den Richter vorzunehmender Rechtsgeschäfte im Erstentwurf zur HNO starre Grenzen gesetzt.837 Dies sollte allem voran für die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Instrumente gelten. Die HNO abstrahierte hier. Die bloße, urkundliche Ausführung sollte für die materiell-rechtliche Wirksamkeit nicht untrennbar von der formal richtigen Herstellung des jeweiligen Instruments abhängig sein dürfen. Im Interesse des hannoverschen Notariats sollte die bis 1853 ausufernde Beurkundungskompetenz der Richter nach Ansicht der Landesregierung mit Hilfe ebendieser Abstraktion begrenzt werden.838 Die landesherrliche Kommission regte deshalb
834 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 8; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 835 Vgl. zur Begrifflichkeit des öffentlichen Glaubens auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter I 2. 836 Eine solche Bevorzugung der öffentlichen Behörden im Beurkundungsgeschäft hatten wir an früherer Stelle insbesondere für die behördliche Stadtschreiberei der Neuzeit feststellen können; [siehe dazu im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) aa) – dd)]. 837 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 8; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 838 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 9; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 901 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Lan-
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eine funktionale Zuständigkeit der hannoverschen Notare für jeden Beurkundungsfall an, der nicht von Gesetzes wegen nach einer richterlichen Mitwirkung verlangte.839 Dieser wichtigen Grundkonzeption der Verteilung von öffentlichen Beglaubigungen widersprach die allgemeine Ständeversammlung nicht. Das Abstraktionsprinzip sollte sich jedoch allein auf die Frage der funktionellen Zuständigkeit des beurkundenden Organs beziehen. Unterliefen dem Notar bei der Beurkundung dennoch Fehler, konnte dies nach den Bestimmungen der Notariatsordnung gleichwohl nach wie vor auch weitreichende materiellrechtliche Folgen haben. Hierauf wird noch genauer zurückzukommen sein.840 Festzuhalten bleibt, dass mit § 9 der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung die zentrale Norm zur Umsetzung des ersten Leitmotivs des Organisationsgesetzes von 1850 formuliert wurde. Dennoch blieb die Bestimmung mit ihrer Formulierung unerwartet unbestimmt, wenn in ihr »nur« das Folgende zu lesen war : § 9 Hannoversche Königliche Notariatsordnung: »Der Geschäftsbereich der Notare umfasst die Handlungen der nicht streitigen Rechtspflege, sie üben dieselbe in gleichem Umfang und mit gleicher Wirkung wie die Gerichte. / Diese Regel erleidet jedoch Ausnahmen: / […] / rücksichtlich derjenigen Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche an die Mitwirkung des persönlich oder dinglich zuständigen Richters gewiesen sind. / […].«841
Aus Sicht der landesherrlichen Kommission wurde durch § 9 HNO, der unverändert Eingang in die Endfassung der Notariatsordnung fand, bereits eine hinreichende Abgrenzung von notarieller und richterlicher Tätigkeit erreicht.842 Hierfür förderlich wirkte aus Sicht der landesherrlichen Regierung der Fakt,
839
840 841 842
desbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 9; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 901, 902; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. Dazu näher im 1. Kapitel des Teils 2 unter II 4 dd) – ee). Vgl. hierzu: Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 9; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900 ff.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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dass die Zahl der von Gesetzes wegen zu beurkundenden Rechtsgeschäfte zu Beginn der 1850iger Jahre ohnehin relativ gering bemessen war.843 Nach dem Dafürhalten der Regierungskommission konnte den Maßgaben des § 21 GVGKHann. bereits allein durch § 9 der Notariatsordnung hinreichend Rechnung getragen werden. Anders, als die Landesregierung es einschätzte, war die Anzahl der zu beurkundenden Rechtsgeschäfte allerdings mitnichten von geringer Zahl. Die allgemeine Ständeversammlung begriff dies – auch auf Grund ihres hohen Sachverstandes844 – sofort. Zum wiederholten Male griff sie die Entwurfserwägungen der Regierungskommission auf und zugleich an. Nach ständischer Ansicht wurde allein durch § 9 HNO weder dem Bedürfnis der genauen Abgrenzung von notarieller und richterlicher Tätigkeit ausreichend Rechnung getragen, noch eine Bestimmung derjenigen Notariatsakte getroffen, die einer richterlichen Mitwirkung etwaige bedurften. Dennoch war den ständischen Vertretern bewusst, dass diese nach wie vor notwendigen und konturgebenden Bestimmung weder im Organisationsgesetz von 1850, noch in der HNO zu formulieren sein würden, da die Fragen der Beurkundung durch den Richter genuin Fragen der Gerichtsorganisation waren.845 Sie konnten aus diesem Grund nicht Teil der originären Notariatsgesetzgebung sein. Zur Erreichung eines Gleichlaufs zwischen Gerichtsverfassung und Notariatsrecht hätten also entweder Ergänzungen der Gerichtsverfassung oder weitere Bestimmungen in Form von Nebengesetzen zur Notariatsordnung geschaffen werden müssen. Hierauf wies die allgemeine Ständeversammlung folgerichtig ausdrücklich hin.846 Da das Organisationsgesetz bereits mehr als drei Jahre galt, erschien es 843 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 9; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 900 ff.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 844 Siehe dazu und zum Stichwort Juristenparlament auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 c cc). 845 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 10; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 901 f., insb. 902; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 846 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 10; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 902; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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jedoch ökonomischer für die notwendigen Fälle, neue einzelne und dementsprechend kurz gehaltene Nebengesetze zur Notariatsordnung und zur Gerichtsverfassung zu schaffen. Um den Maßgaben des § 21 GVGKHann. genügen zu können, hätten diese Nebenbestimmungen allerdings zeitnah, sprich unmittelbar in der anschließenden Diät nach in Kraft treten der HNO bzw. nach dem Erkennen von Regelungsbedürfnissen, erlassen werden müssen. Es musste also für das erste Leitmotiv der hannoverschen Notariatsgesetzgebung eine weitere Konkretisierung mittels nebengesetzlichen Normen erfolgen. An dieser Stelle fühlt man sich an die Zeiten Maximilians I. und seiner KNO/ RNO erinnert. Auch der kaiserliche Gesetzgeber kam nicht ohne weitere, ergänzende »Rechte« aus, um seine Notariatsordnung praktikabel zu gestalten.847 Die Situation der hannoverschen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts war indes eine grundsätzlich andere. Frühestmöglich nach dem Jahr 1853 mussten durch den hannoverschen Gesetzgeber konkretisierende Bestimmungen geschaffen werden. Anders als der kaiserliche Gesetzgeber des 16. Jahrhunderts war man sich dieses Umstandes im Hannover des 19. Jahrhunderts bereits im Gesetzgebungsprozess bewusst geworden und kam dieser »Verpflichtung« umgehend nach. Mit dem »Gesetz über die Wahrnehmung der Handhabung der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Bergsachen auf dem Oberharze«848 lässt sich beispielhaft ein kurz nach in Kraft treten der Notariatsordnung erlassenes Gesetz zu diesem Zweck finden. Dieses kurze Nebengesetz zur HNO – vollständig wiedergegeben im Anhang II dieser Untersuchung849 – trat mit Datum des 21. Mai 1854 in Kraft. Auch mit seiner Hilfe gelang es dem hannoverschen Gesetzgeber konkretisierende Normen für die Geschäftsverteilung der Notare und Amtsrichter im Königreich nach den Vorstellungen der allgemeinen Ständeversammlung zu installieren. Ebenso gelang dies unmittelbar nach Inkraftsetzung der HNO. Im Gegensatz zum postulierten Ziel der Begrenzung der richterlichen Beurkundungskompetenzen und wider Erwarten, stärkte dieses Nebengesetz jedoch nicht die hannoverschen Notare, sondern erweiterte die Zuständigkeiten der Amtsrichter. § 1 des Bergsachengesetzes schrieb jegliche Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Bergsachen ausdrücklich dem funktionell allein zuständigen Richter zu. Dies führte dazu, dass sie dem hannoverschen Notariat demnach vollauf verloren gingen. Mutet das Erreichen einer vollständigen und
847 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3. 848 Vgl. hierzu: Anhang II, (Bergsachengesetz); Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1854, 1. Abtheilung Nr. 21, S. 99 – 100, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; hier unter S. 365 – 366. 849 Vgl. hierzu: Anhang II, (Bergsachengesetz); Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1854, 1. Abtheilung Nr. 21, S. 99 – 100, TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; hier unter S. 365 – 366.
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freien Konkurrenz zwischen Notar und Amtsrichter bereits hierdurch illusorisch an,850 wird anhand dieses Nebengesetztes noch Weiteres deutlich: Die Hannoversche Königliche Notariatsordnung behielt sich hinsichtlich ihrer zentralen Bestimmung (§ 9 HNO) und der mit ihr angestrebten Rechtseinheit im Königreich, eine ausgeprägte Rahmenartigkeit vor. Dennoch musste man nicht ein Wiedererstarken der Zustände einer kaiserlichen Notariatsordnung und ihrer unüberblickbaren Fülle an konkretisierenden (Stadt-) Rechten und Gewohnheiten fürchten. Anders, als der kaiserliche Gesetzgeber des Jahres 1512, war sich die hannoversche Landesregierung – wenn auch erst mit Hinweis durch die Ständeversammlung – der notwendigen Konkretisierung der Notariatsordnung von Beginn an bewusst. Entgegen der Bestimmungen des 16. Jahrhunderts genoss der hannoversche Gesetzgeber überdies einen weiteren unschätzbaren Vorteil. Er konnte zur näheren Bestimmung der königlichen Ordnung völlig neue Gesetze schaffen und musste sich nicht auf einen unüberschaubaren, zum Teil unbekannten und veralteten Kreis an gemeinem Recht beziehen. Hierbei darf indes nicht übersehen werden, dass der kaiserlich-gesamtdeutsche und der königlich-hannoversche Gesetzgeber jeweils einem gänzlich anderen gesetzgeberischen Selbstverständnis verschrieben waren. Der hannoversche Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts reagierte jedenfalls prompt und ergebnisorientiert. Ihm kann im Ergebnis mithin Umsicht und keine Nachlässigkeit maximillianischen Ausmaßes zugesprochen werden. Die Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Amtsrichtern und Notaren im Regelungskatalog der HNO von vornherein für jeden Fall im Detail zu bestimmen, hätte darüber hinaus mehr Nachteile als Vorteile mit sich gebracht und ihren Erlass weiter verzögert. Gerade im Kernbereich der Kompetenzverteilung wäre eine Unbeweglichkeit der Ordnung entstanden, die auf etwaige Änderungsbedürfnisse und Neuerungen in der Geschäftsverteilung schwer hätte reagieren können; denn mit möglichen Änderungen galt es auch nach 1853 immer wieder zu rechnen, da die moderne, hannoversche Notariatsgesetzgebung ein Erstlingswerk war. Darüber hinaus wird im Rahmen einer abstrakt-generellen Kodifikation, die die HNO tatsächlich war, auch das »moderne« Selbstverständnis des hanno850 Dieses Urteil fällte auch die zeitgenössische Kommentarliteratur zur hannoversch-königlichen Notariatsordnung ausdrücklich. »[…] dagegen sind aber sicher diejenigen Bestimmungen des Gesetzes zu weit gehend, welche den Notar von vorne herein schlechter stellen als den Amtsrichter und somit die gesetzlich gestattete und gebotene freie Concurrenz zwischen den Amtsgerichten und den Notaren mehr oder weniger illusorisch machen.«; vgl. hierzu: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VII (Vorbemerkung).
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verschen Gesetzgebers deutlich. Die hannoversche Notariatsgesetzgebung driftete infolgedessen nicht in eine völlige Unbestimmtheit und Uferlosigkeit an Nebenbestimmungen ab. Nichtsdestotrotz erscheint es bedenklich, dass die zentrale Norm zur Umsetzung des von Gesetzes wegen vorformulierten Hauptmotivs derart allein stand. Für § 9 HNO der Notariatsordnung als deren maßgebliche Norm ist somit Folgendes zu resümieren: Legte die Bestimmung zwar die Tätigkeit des Notars auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausdrücklich in gleichem Umfang und Wirkung gegenüber dem Amtsrichter fest, erfasste sie dennoch den notariellen Kompetenzbereich nur unzureichend. Gleichzeitig erweiterte sie hierdurch theoretisch das bisherige, notarielle Betätigungsfeld, was den Erlass von beschränkenden Bestimmungen nötig machte. Die entstandene Konzentration von Beurkundungstätigkeiten bei den Behörden und Gerichten in der Vergangenheit wurde durch die Ordnung und ihrer Nebengesetze zum Teil sogar forciert und nicht – wie im Gesetzgebungsverfahren jedoch erklärt – reduziert. Unter der Prämisse der von ständischer Seite geübten Kritik bleibt jedoch festzuhalten, dass an auch dieser Stelle die erhebliche Mitwirkung der »Volksvertretung« am Gesetzgebungsverfahren augenfällig wird und diese im Ergebnis für die Bestimmtheit der Notariatsordnung förderlich war. Erst die Ständeversammlung mahnte den Bedarf konkretisierender Gesetze zur Bestimmung und Abgrenzung des notariellen Tätigkeitsbereichs an. Erst das hannoversche Parlament gab der HNO ihren abstrakt-generellen Charakter in Beziehung zur Gerichtsverfassung des Jahres 1850. cc)
Allgemeine Verpflichtungen (Dritter Abschnitt: »Allgemeine Verpflichtungen der Notare in Beziehung auf ihre Geschäftsführung«) Folgte auf den zweiten Teilbereich der HNO mit den §§ 12 – 23 derjenige Abschnitt, der die allgemeinen Verpflichtungen des königlichen Notars bei seiner allgemeinen Geschäftsführung behandelte, herrschte hier merklich mehr Eintracht zwischen den politischen Ständen und der landesherrlichen Kommission. Der Grund hierfür wird immer wieder in den während der vergangenen Jahrhunderte aufgetretenen Mängeln im Notariat Hannovers liegen. Diese hatten sich stets in der konkreten Ausübung des notariellen Amtes und in hierdurch entstandenen Unsicherheiten für den Geschäfts- und Rechtsverkehr sowie für das Publikum gezeigt. Dieser alten Schwächen war man sich im Hannover des 19. Jahrhunderts bewusst.851 Ebenfalls bestand zwischen politischen Ständen und Landesregierung Einigkeit darüber, dass auch die notarielle Geschäftsführung der möglichst genauen Regelung bedurfte. Es galt deshalb dem Mangel ver851 Siehe hierzu insgesamt auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 – 6.
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gangener Tage mit den Bestimmungen über die Geschäftsführung des hannoverschen Notars wirksam zu begegnen. Die Bestimmungen sowie die Notariatsordnung insgesamt hatten sich zum Ziel gesetzt, die zunächst reichsweit geltenden maximilianischen Ordnung für das Fürstentum und späteren Königreich auf territorialer Reichsebene vollauf abzulösen. Wie eingangs zu diesem Abschnitt erwähnt, mussten hierfür tatsächlich allumfassende Normen geschaffen werden. Aus diesem Grund wurden der allgemeinen Geschäftsführung des Notariats im Land »Hannover« weitere 11 Bestimmungen im Regelungskanon der HNO gewidmet. Innerhalb dieses Regelungsbereichs fallen besonders die Bestimmungen der §§ 17 – 23 HNO auf; während sich die übrigen Bestimmung hauptsächlich mit den Rahmenbedingungen der allgemeinen notariellen Betätigung auseinandersetzten; (Überzeugung von Dispositionsfähigkeiten der Parteien, deren Geschäftsfähigkeit, Überprüfung von Identitäten, Verschwiegenheitspflichten, Vermeidung der Interessenkollision). §§ 17 – 23 HNO erfassten die den für die Haltbarkeit der Urkunde wichtigen verwaltungstechnischen und formal korrekten Umgang mit dem eigentlichen Notariatsinstrument, ohne hierbei allerdings den genauen Erstellungsakt zu meinen. Auch hier zeigt sich also das moderne Gepräge der Ordnung, wenn versucht wurde, allgemein gehaltene Bestimmungen den besonderen Teilen voranzustellen. Mit Blick auf die Authentizität der Urkunde und deren möglichst unbegrenzt zu gewährleistender Verwertbarkeit für den Rechts- und Geschäftsverkehr, kommt allerdings auch diesen allgemeinen Regelungen entscheidende Bedeutung zu. Die §§ 17 – 23 HNO begannen zunächst mit der tatsächlichen Urkundenerstellung und deren Rahmenbedingungen sowie mit der sicheren Verwahrung der Notariatsinstrumente. Sie endeten nicht zuletzt mit der korrekten Registratur der einzelnen Urkunde nach deren Erstellung. Vorrangiges Ziel dieses inhaltlichen Unterabschnitts der HNO war demnach der Schutz des Rechtsverkehrs durch eine regulierte Konservierung notarieller Urkunden und die hierdurch gleichzeitig zu erreichende Steigerung der Rechtssicherheit für das hannoversche Publikum. Somit wurde an dieser Stelle zum ersten Mal die Verwirklichung des zweiten (rein rechtspolitischen) Leitmotivs der hannoverschen Notariatsordnung deutlich; denn die HNO versuchte erklärtermaßen den historisch gewachsenen Mangel an Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Notariatsurkunde auszuräumen. Diesem Leitmotiv vorrangig verschrieben, verlangte § 17 HNO zunächst den Nachweis der persönlichen Verantwortung eines jeden Notars für die durch ihn erstellten Instrumente. Auch nach Ausscheiden aus dem Amt sollte die Urheberschaft klar sein und bleiben. Dem bloßen Notariatssignet aus früheren Tagen wurde aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit852 nicht mehr allein 852 Siehe hierzu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 – 6.
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getraut. Im Interesse der tendenziell unbegrenzt lang währenden Beweiskraft der Urkunde traf den hannoverschen Notar fortan die Pflicht, ein Register über die von ihm erstellten Notariatsakte zu führen. Neben der Kontrolle über die Echtheit (Urheberschaft) der Urkunde, konnte auch für etwaige spätere kritische Fragen im Hinblick auf ihre Urheberschaft, ihren Entstehungszeitpunkt sowie ihrer gesamten Authentizität hierdurch Vorsorge getroffen werden. Gleiches galt für mögliche spätere Regressforderungen gegen den erstellenden Notar, da eine genaue Zuordnung jedes Instruments möglich wurde. Mit fortschreitenden Anforderungen an den Rechtsverkehr wuchsen also ebenfalls die Ansprüche an die »Haltbarmachung« der Beweiskonserve: »Urkunde« und die mit ihr verbundenen Beweiskraft. Durch die Norm des § 17 HNO konnte mit der Konservierung und Authentizitätssicherung den Bedürfnissen nach zeitlich unbeschränkter Beweiskraft der Urkunde Rechnung getragen werden; denn schon in früheren Jahrhunderten hatten sich immer wieder Urkunden gezeigt, die nach einiger Zeit nicht mehr auf ihren Urheber zurückzuführen oder von denen mehrere Exemplare in Umlauf geraten waren. Hatte also die Urkunde bereits zur Zeit des Mittelalters aufgrund ihrer langen Haltbarkeit den Zeugenbeweis teilweise verdrängen können,853 konnte sie dennoch nicht immer unbegrenzten und sicheren Beweis führen. Als Folge hieraus konnten Ansprüche verloren gehen, die in der Urkunde zunächst als sicher aufgehoben geglaubt waren. Der Rechtsverkehr litt folglich unter einer merklichen Unsicherheit um die Beweiskraft einzelner Notariatsurkunden. Die Urkunde als Beweismittel verlor somit de facto ihren Wert für den Verwender. Zu ähnlichen Verhältnissen war es auch in der Neuzeit (insbesondere im 16. bis 17. Jahrhunderts) in Hannover wiederholt gekommen. Originalurkunden und Abschriften wurden auch hier mehrfach ausgestellt. Insbesondere sollte daher mit den Bestimmungen der §§ 17 HNO sowie insbesondere der §§ 19 ff. der HNO diesen Entwicklungen entgegengetreten werden. Nicht zuletzt galt dies auch für die Verhinderung eines zielgerichteten Missbrauchs des hannoverschen Notars durch die Parteien. Im Interesse eines sicheren Urkundenverkehrs wurde daher ab 1853 durch die vorgenannten Bestimmungen das erste »notarielle Urkundenregister« in Hannover eingeführt und dessen Führung durch die HNO gesetzlich geregelt.854 Allerdings waren auch die durch den Notar selbst zu führenden Register vor einer Verfälschung nicht per se sicher. Um auch ihre Authentizität sicherstellen zu können, wurde auch an ihre Erstellung und Führung formale Anforderungen 853 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter I 1 – 5. 854 Vgl. hierzu insgesamt: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, unter der Hauptsignatur : Hann. 72. Hannover ; §§ 19 ff. HNO, Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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gestellt. Zu diesen Anforderungen gehörte, dass bei Ausfertigung des Registers und der Verzeichnung der einzelnen Beurkundungsakte im Registerbuch eine ununterbrochene Reihenfolge eingehalten werden musste. Ferner durfte innerhalb des Registers weder radiert noch nachträglich ergänzt werden. Die regelrechte Führung dieses Sachverzeichnisses der notariellen Tätigkeit wurde durch die Staatsanwaltschaft oder durch die hierzu gesondert beauftragten Amtsrichter sichergestellt.855 Aus heutiger Sicht überraschend, wurde hierzu keine berufsständische Stelle geschaffen. Indem die Staatsanwaltschaft oder der Amtsrichter das Register im Vorhinein durchgehend paginierten und unangemeldet Überprüfungen vornehmen konnte, wurde dessen Authentizität allerdings zu jeder Zeit staatlich verbürgt.856 Bereits der bestehende Kontrolldruck durch die Behörde sorgte hierfür. Ähnlich hohe Anforderungen galt es beim in Verkehr bringen von Urkunden und deren Vervielfältigungen durch den hannoverschen Notar zu beachten. Abschriften von Urkunden durften fortan nur den am Original beteiligten Parteien ausgehändigt und mussten mit der Bezeichnung »Abschrift« deutlich kenntlich gemacht werden. Dritte erhielten Kopien der Urkunden als Ausdruck gesteigerten Sicherheitsdenkens nur mit Zustimmung der originären Parteien oder auf richterlichen Beschluss. Darüber hinaus musste neben den zwingend chronologischen Registern auch ein Archiv der Originalprotokolle zu jedem Akt der notariellen Tätigkeit angelegt werden. Diese Protokollarchive hatten der Chronologie des Registers zu entsprechen.857 Es entstand insofern eine enge Verzahnung von tatsächlicher Tätigkeitsebene und den zu beachtenden formalen Anforderungen. Das hannoversche Königreich suchte den Missständen der vergangenen Jahrhunderte mit seiner strikten Gesetzgebung folglich wirksam zu begegnen. Dies gelang wohl auch; denn der Notar wurde sich nach seiner Ernennung insbesondere in seiner Amtsführung nicht mehr, wie es noch zur Zeit der kaiserlichen Ordnung Maximilians I. der Fall gewesen war, rechtlich selbst überlassen.858 Er hatte mit der Staatsanwaltschaft oder auch dem Amts855 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 12 – 14, 13; vgl. hierzu auch: §§ 77, 78 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 856 Vgl. hierzu: § 17 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 857 Vgl. hierzu: §§ 19, 20 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 858 Vgl. hierzu: §§ 19, 20 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band,
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richter – obwohl er mit Letzterem gem. § 21 GVGKHann. frei konkurrieren sollte – eine ihm übergeordnete Stelle, der er auf Nachfrage Rechenschaft über sein Tagesgeschäft abzulegen hatte. Auch entfiel durch die genauen Normen der Hannoverschen Königlichen Ordnung in diesem Bereich die noch im gemeinen Recht gegebene Möglichkeit bzw. Notwendigkeit der persönlichen Wertung und rechtlicher Neuschöpfungen für die zu beurkundende Rechtsmaterie sowie der Beurkundungstätigkeit selbst.859 Eine solch wertende Arbeitsweise war in der Vergangenheit oftmals nötig geworden.860 Inhomogenität im deutschen Notariat und seiner Tätigkeit war zu dieser Zeit die unweigerliche Folge gewesen.861 Durch die neu geschaffenen Bestimmungen im hannoverschen Reich wurden somit jedenfalls in der Theorie Einheitlichkeit und Stringenz in das Notariat und seiner Tätigkeit gebracht. Ebendiese rigide Stringenz empfand die hannoversche Notariatszunft allerdings als unbillig. Gerade die neu geschaffenen Anforderungen an die Amtsführung wurden als generelle Schlechterstellung gegenüber dem konkurrierenden Amtsrichter gesehen und offen beanstandet.862 Musste lediglich der Notar den neuen Bestimmungen genügen, wurden die Geschäftsführung und sein Arbeitsalltag hierdurch deutlich komplexer. Der Amtsrichter hingegen sah sich solchen Erschwernissen »seiner Beurkundungstätigkeit« nicht ausgesetzt.863 Insbesondere die Normen der Teile III, §§ 15 – 23; und IV, §§ 31, 39, 40, 41 wurden als unbillige Härte für den Notar empfunden. Das zeitgenössische Notariat empfand das Mehr an Regelungen für das örtliche
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Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; (siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 6). Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 1 a). Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 6. Wie an früherer Stelle aufgezeigt wurde, musste der mittelalterliche Notar oftmals eigene persönliche Wertungen in seine Arbeit einfließen lassen, um mit dem gemeinrömischen Recht und lokalen Gewohnheiten in seinen heimatlichen Umkreisen überhaupt tätig sein zu können. Dies wiederum führte zu extremer Uneinheitlichkeit und nicht zuletzt zum schlechten Ruf im gesamtdeutschen Notariat des Mittelalters und der frühen Neuzeit; (siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 2). Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII f., (Vorbemerkungen). Insbesondere die Normen der Teile III, §§ 15 – 23; und IV, §§ 31, 39, 40, 41 wurden als unbillige Härte für den Notar empfunden. Vgl. hierzu auch: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. IV f., (Vorbemerkungen); dieser empfindet das Mehr an Regelungen für das örtliche Notariat sogar als dem Ansehen des Notars im Reich abträglich und gibt zu bedenken, wenn es bei diesem wörtlich heißt: »Gerade durch diese Bestimmungen aber wird der Notar von vorne herein in der öffentlichen Meinung gegen den Amtsrichter heruntergesetzt, […].«
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
Notariat sogar als dem gesellschaftlichen Ansehen des Notars im Reich abträglich, wenn es etwa bei Schrader hieß: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854): »Gerade durch diese Bestimmungen (die im Fließtext Vorgenannten) aber wird der Notar von vorne herein in der öffentlichen Meinung gegen den Amtsrichter heruntergesetzt, […].«864
dd)
Notariatsinstrumente (Vierter Abschnitt: »Von der Errichtung der Notariatsurkunde«) In der Hauptsache formulierte die HNO in den Abschnitten eins und zwei also das von Gesetzes wegen formulierte Ziel der freien Konkurrenz zwischen Notar und Amtsrichter (§ 21 GVGKHann. i. V. m. § 9 HNO). Im darauf folgenden Abschnitt drei hingegen wurde vorrangig das rechtspolitische Leitmotiv der Harmonisierung des hannoverschen Rechts zu verwirklichen gesucht. Erstmals in der hannoverschen Notariatsgeschichte wurde seitens des Gesetzgebers ein Beitrag geleistet, »echte« Rechtssicherheit für das Publikum und das Beurkundungswesen durch gesetzlich formulierte Normen einer eigenständigen Notariatsordnung zu erreichen. Ohne insgesamt vorgreifen zu wollen, kann festgehalten werden, dass dies ab 1853 dem königlichen Gesetzgeber im Grundsatz erstmals gelungen war. Bis zu diesem Punkt hatten sich beide Ziele – sowohl das der freien Konkurrenz, als auch das der zu erhöhenden Sicherheit des Rechts- und Geschäftsverkehrs – gegenseitig nicht behindert. Die Ziele des hannoverschen Gesetzgebers konnten in den vorangegangenen Abschnitten der Ordnung jeweils zum Teil in der Theorie gut umgesetzt werden. Anders verhält es sich indes mit Abschnitt vier. Dieser versuchte beide gesetzgeberischen Ziele zu gleichen Teilen umzusetzen. Es finden sich in ihm weit reichende sowie besondere Bestimmungen, die sowohl die Errichtung der Notariatsurkunde, deren Haltbarkeit, Authentizität als auch hiermit einhergehend den Schutz des Geschäfts- und Rechtsverkehrs zum Inhalt haben. In diesem Zusammenhang sollten die Normen des neu geschaffenen Regelwerks zwischen den Ständevertretern und landesherrlicher Kommission kontrovers diskutiert werden. Das Notariatsrecht ist in erster Linie Verfahrensrecht.865 Die formellen Voraussetzungen der Urkunde sind wesentlich, sofern sie den rechtswirksamen 864 Vgl. hierzu auch: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. IV f., (Vorbemerkungen), (Ergänzung nicht im Original). 865 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 58.
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Bestand des (Notariats-) Instruments bedingen. So liegt bzw. lag es auch für die HNO; denn um diesen Umstand wusste auch der hannoversche königliche Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts. Er versuchte die Anforderungen an den Notariatsakt genauer zu formulieren und möglichst hoch zu setzen. Betrachtet man die Stimmen aus der damaligen Praxis, gerieten die neu geschaffenen Regelungen allerdings deutlich zu umfangreich und sollten den Notar und seine praktische Tätigkeit über Gebühr bevormunden und verdichten.866 Wie angedeutet, sollte schon der Umfang der Bestimmungen zur wirksamen Erstellung des Urkundenbeweises für Unmut sorgen. Mit den §§ 24 – 65 HNO setzten sich allein über 40 Normen und somit etwa die Hälfte der gesamten Kodifikation ausschließlich mit den formalen Anforderungen an die Erstellung des jeweiligen Notariatsaktes auseinander. Vor dem Hintergrund der umfangreichen Bestimmungen zur Erstellung des Notariatsinstruments, welche überdies nur dem Notar auferlegt worden waren, erscheint die effektive Verwirklichung einer freien Konkurrenz zwischen dem hannoverschen Notariat und den königlichen Amtsgerichten in der Tat mehr als fraglich.867 So wurden die Normen der §§ 24, 25, 27 Nr. 3, 28, 30, 32, 33, 34, 35, 36, 36, 41, 44, 46 HNO als besonders benachteiligend und hinderlich durch das Notariat empfunden.868 Die hohen Anforderungen stellten immerhin eine erhebliche Mehrbelastung im Tagesgeschäft dar. Zu ihnen zählte auch das bereits in §§ 17 ff. HNO geregelte notarielle Registerwesen. Ob die Freiheit der Konkurrenz zwischen hannoverschen »Schreibertum« und den Amtsgerichten tatsächlich nicht erreicht werden konnte, vermag indessen nur der Blick in die Archivalien (Notariatsakten) des Niedersächsischen Landesarchives, Hauptstaatsarchiv Hannover zu beantworten.869 Bevor jedoch eine Bewertung der noch heute zu findenden Akten erfolgt, soll sich zunächst mit dem dahinter stehenden Normenkatalog im Hinblick auf die formalen Anforderungen an das einzelne Notariatsinstrument gewidmet werden. Gleiches gilt für die Eignung dieser Bestimmungen, die mit § 21
866 Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VII ff., (Vorbemerkungen). 867 Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII, (Vorbemerkung). 868 So auch: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend ProtokollFormulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII, (Vorbemerkung). 869 Dazu näher im 2. Kapitel dieses Teils 2 unter I.
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GVGKHann. erklärten organisationsrechtlichen Ziele des hannoverschen Gesetzgebers zu verwirklichen. Allen voran, galt es mit der Notariatsordnung die Erfordernisse zu bestimmen, welche im Allgemeinen und im Besonderen an den Akt der Instrumentenerstellung zu stellen waren. Die allgemeineren Grundsätze regelten die bereits dargestellten §§ 17 – 23 HNO etwa mit dem Registerwesen. Ein Beispiel für die besonderen Regelungen bildeten derweil die Bestimmungen der §§ 24 – 30 HNO. Im Zuge der neuen Gesetzgebung konnte auf Grund dieser Bestimmungen ein wirksamer Notariatsakt fortan nur noch unter Hinzuziehung von zwei Zeugen oder alternativ mit Beteiligung eines weiteren hauptamtlichen Notars wirksam zu Stande kommen. Das Zeugenerfordernis, seine Nebenbestimmungen und die Folgen von Fehlern bei seiner Beachtung sollen daher als besonders weitgehende Neuerung im Notariatsrecht exemplarisch für den ab 1853 zu betreibenden Mehraufwand genauer betrachtet werden. Ausnahmen von der Pflicht unabhängige Zeugen beizubringen waren allein die enumerativ aufgezählten Sonderfälle des § 26 HNO.870 Dieser Ausnahmenkatalog umfasste acht Fälle die der Hinzuziehung von Zeugen entbehrten. Eine generalklauselartige Variante mit Wertungsspielraum für den Einzelfall findet sich bemerkenswerter Weise nicht unter ihnen. Das somit de facto regelmäßig bestehende Erfordernis, zwei ansonsten völlig unbeteiligte Personen einzubeziehen, begründete sich nach Ansicht der Regierungskommission mit dem in der Nachschau eher nichts sagenden Argument einer »allgemeinen Wichtigkeit des Notariatsaktes für den Rechtsverkehr und der Wahrnehmung der notariellen Zunft in der Gesellschaft«.871 Die Ausnahmefälle waren daher selten und regelmäßig von untergeordneter Bedeutung für die notarielle Praxis. Sie galten etwa für Verträge mit ohnehin zeitlicher Begrenzung (§ 26, 2. Alternative) oder die bloße Beglaubigung von Abschriften (§ 26, 6. Alternative). Es fanden hier nur solche Urkundenhandlungen Erwähnung, die bereits aus sich heraus kaum Anlass zur Besorgnis um die Beständigkeit des notariellen Instruments oder dessen Missbrauchs gaben. Von Seiten der Landesregierung wurde die Beteiligung unabhängiger Zeugen, wie gesagt, vor allem damit begründet, dass deren Mitwirkung schon die öffentliche Meinung schlicht erwarte.872 Gerade in diesem Zusam870 Vgl. hierzu: § 26 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 871 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 16; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 903; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.; (Hervorhebung nicht im Original). 872 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit
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menhang durften diese Zeugen mithin nicht bloße Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen. Sie mussten der zu beurkundenden Angelegenheit vollauf unabhängig gegenüberstehen.873 Hatten die zeitgenössischen Praktiker bereits allgemeine Kritik am bloßen Umfang des Normenkatalogs der HNO geübt, taten sie es auch im Speziellen. Allem voran können das Zeugenerfordernis und seine Regelungen hierfür beispielhaft angeführt werden.874 Zum einen wurde das Bedürfnis stets Zeugen herbeischaffen zu müssen als deutlich zu strikt empfunden; zum anderen erschwerte es besonders aus Sicht der Praxis die alltägliche Tätigkeit des Notars unverhältnismäßig.875 Daneben wurde der Notar aus Sicht des hannoverschen Notariats durch die Pflicht überhaupt Zeugen hinzuzuziehen, gegenüber dem Richter fachlich zurückgesetzt. Dies galt nicht zuletzt für die von landesherrlicher Seite angeführte öffentliche Wahrnehmung des Notariatsamts und seiner Arbeit insgesamt. Die zeitgenössische Meinung der hannoverschen Notare ging somit in eine völlig entgegengesetzte Richtung. Sie führten daher an, dass eine Bezeugung des Beurkundungsaktes gerade nicht durch die Öffentlichkeit erwartet werden dürfe, da der Notar als legitimationsstiftender Zeuge allein ausreichen müsse.876 Vielmehr würde dem hannoverschen Notariat durch den gesetzlichen Bezeugungszwang seiner Arbeit in der öffentlichen Wahrnehmung
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dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 16; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 903 f.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 16, 17; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 903; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII, (Vorbemerkungen); Schrader selbst gab hier zu bedenken, dass er in seiner bereits vor Erlass der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung 25-jährigen Praxis keinen Fall erlebt habe, dass durch das Hinzuziehen von Zeugen die Glaubwürdigkeit des Notariats gesteigert wurde: »Schon die Hinzuziehung von Zeugen an und für sich ist Parteien durchweg lästig. Seit einer fünfundzwanzigjährigen Notariatspraxis ist dem Verfasser (Schrader) nie das Gegentheil vorgekommen und noch viel bekannt geworden, dass die allgemeine Meinung die Glaubwürdigkeit des Notariatsacts von der Hinzuziehung von Zeugen abhängig mache.«; (Ergänzung nicht im Original). Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII, (Vorbemerkungen). Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII, (Vorbemerkungen).
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die gleiche rechtliche Befähigung und Integrität, die seinem richterlichen Kollegen per se zugesprochen wurde, aberkannt.877 Die fachlich fundierte Notariatsausbildung in Hannover werde mithin durch die Neuregelung der HNO ad absurdum geführt. So gab auch Andreas Friedrich Schrader in seinem Praxiskommentar von 1854 ausdrücklich zu bedenken: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854): »Schon die Hinzuziehung von Zeugen an und für sich ist Parteien durchweg lästig. Seit einer fünfundzwanzigjährigen Notariatspraxis ist dem Verfasser (Schrader) nie das Gegentheil vorgekommen und noch viel bekannt geworden, dass die allgemeine Meinung die Glaubwürdigkeit des Notariatsacts von der Hinzuziehung von Zeugen abhängig mache.«878
Diesen Eindruck der Öffentlichkeit zu vermeiden und die Schaffung einer tatsächlich freien Konkurrenz von Richter und Notar war indes erklärtes Ziel der Gerichtsverfassung, (§ 21 GVGKHann.). Sollte mit der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung auch Rechtseinheit geschaffen werden, hätte sie folglich in der Praxis eine konsequente Gleichstellung des Notars gegenüber dem Richter verfolgen müssen. Hierzu war sie gleichwohl mit Blick auf die Vermeidung neuerlicher Unsicherheiten im Umgang mit Urkundenbeweisen nicht in der Lage. Das Ergebnis der neuen Gesetzgebung und die umfangreichen Zeugenerfordernisse überraschen daher vor dem Hintergrund des immerhin gesetzlich proklamierten Gleichstellungsgedanken, mit Blick auf die Mängel im Notariat der Vergangenheit tun sie dies indes nicht. Die Kritik der Praxis jener Zeit erscheint aber in gleichem Maße nachvollziehbar ; denn: Es waren darüber hinaus verschiedene andere Voraussetzungen an die herbeizuschaffenden Zeugen zu stellen. Auch für deren Vorliegen war allein der Notar als Amtsperson und für die Wirksamkeit des Instrumentes verantwortliche Stelle in der Pflicht. Ebenfalls dieser Umstand wurde von der Praxis als unangemessene Mehrbelastung des Tagesgeschäfts und Geringschätzung des 877 Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII f., (Vorbemerkungen). 878 Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII, (Vorbemerkungen); Schrader selbst gab hier zu bedenken, dass er in seiner bereits vor Erlass der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung 25-jährigen Praxis keinen Fall erlebt habe, dass durch das Hinzuziehen von Zeugen die Glaubwürdigkeit des Notariats gesteigert wurde, (Ergänzung nicht im Original).
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Notariats durch den Gesetzgeber empfunden.879 Zu den Voraussetzungen, die in jedem Zeugen vorzuliegen hatten, verhielten sich die Bestimmungen der §§ 27, 28 HNO genauer. Wie in fast allen Fällen der Missachtung von Verfahrensvorschriften der hannoverschen Bestimmungen, führte auch ihre Vernachlässigung gegebenenfalls zur vollständigen Nichtigkeit des jeweiligen Notariatsinstruments. Erwähnenswert ist daher an dieser Stelle die zu diesem Punkt gemäßigte Haltung der landesherrlichen Regierungskommission. Nach dem ersten Regierungsentwurf sollte es nur in einem Fall zur vollständigen Nichtigkeit des Beurkundungsaktes kommen; nämlich sofern die Vernachlässigungen der Zeugenbeteiligung dem Notar unentschuldbar verschlossen geblieben waren.880 Die Landesregierung legte in ihrem Entwurf somit grundsätzlich den Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit an die Einhaltung der formalen Anforderungen der Instrumentenerstellung an.881 Es lag auf Seiten der Landesregierung offenbar ein Interesse am Erhalt der Urkunde auch bei fahrlässiger Nichtbeachtung der formalen Erstellungsvoraussetzungen durch den Notar. Das Versäumen dieser Voraussetzungen sollte nur unter bestimmten Voraussetzungen zu einer vollständigen Nichtigkeit des Notariatsaktes führen, wobei Maßstab für diese Beurteilung allein der im Einzelfall zu beurteilende Grad des notariellen Verschuldens bleiben sollte. Eine umfassende Bezeugung des gesamten Erstellungsaktes wurde durch die Regierungskommission jedoch nach wie vor für erforderlich erachtet. Auch die hierzu von landesherrlicher Seite – unter Beachtung des notariellen Verschuldensmaßstabes – formulierte Bestimmung des § 25 HNO wurde durch die Stände dennoch als verbesserungswürdig empfunden. Zwar wurde das Zeugenerfordernis von Seiten der Stände nicht grundlegend in Frage gestellt. Mithin griff die Ständeversammlung aber wieder Details der Normen des Regierungsentwurfs auf. Einzelheiten der Gesetzgebung hätten einer ständischen Kritik bei Betrachtung der damaligen Verfassungsnormen gleichwohl nicht offen stehen dürfen.882 Dennoch sollte hier, 879 Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII, (Vorbemerkungen). 880 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 17; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 881 Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII ff., (Vorbemerkungen). 882 Siehe zu den ständepolitischen Rechten im Gesetzgebungsverfahren um die HNO auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 c).
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auch als Ausdruck ständepolitischer Macht, eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Zeugenerfordernis erfolgen. Nach dem Dafürhalten der Parlamentsvertreter sollte die noch im ersten Entwurf der Regierungskommission verlangte, ständige Anwesenheit der unbeteiligten Zeugen als unbillige Härte für das Notariat entschärft werden;883 da für den Notar bereits die Herbeischaffung zweier unabhängiger und zugleich glaubwürdiger Zeugen nicht immer einfach gewesen wäre. Eine permanente Anwesenheitspflicht, auch bei späteren Urkundenänderungen, erschwerte die wirksame Instrumentenerstellung noch weiter. Der Regierungsentwurf wurde somit erneut durch die Stände angepasst und die Anwesenheitspflicht der Zeugen bei Erstellung des Notariatsinstruments auf ein verhältnismäßiges Maß reduziert. Etwa im Fall einer einseitigen oder übereinstimmenden gegenseitigen Erklärung sollte für beide Parteien nur noch eine Bezeugung bei Verlesung des Urkundenprotokolls und im Zeitpunkt der Urkundenunterzeichnung durch die Parteien erforderlich sein. Nur im unüblichen Falle der Bezeugung einer rechtserheblichen Wahrnehmung durch den Notar und deren späteren Beurkundung, also der Erhebung des notariellen Augenscheinbeweises, mussten tatsächlich entweder die vorgeschriebenen zwei Zeugen oder ein zweiter Notar während der ganzen Zeit der Instrumentenerstellung anwesend sein.884 Insgesamt gingen vor diesem Hintergrund auch die Nummern 1, 6, 7 und 8 der Ausnahmevorschrift zum Zeugenerfordernis (erfasst in § 26 HNO) allein auf die ständische Initiative zurück.885 Somit konnten die Fälle einer Entbehrlichkeit der unabhängigen Bezeugung üblicher Notariatsakte im Gegensatz zum Erstentwurf der Regierung durch die ständische Einflussnahme um immerhin 100 % gesteigert werden, zählte § 26 HNO doch lediglich insgesamt acht Ausnahmen. Der landesherrliche Gedanke zum Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit blieb dennoch im Grundsatz erhalten.886 Unter bestimmten Gegebenheiten konnten Instrumente aufgrund eines mangelhaften Verfahrens, bzw. einer fehlenden Bezeugung also gegebenenfalls keine Wirksamkeit erlangen; die Nichtigkeit eines Notariatsaktes konnte aber 883 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 17; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 884 Vgl. hierzu: § 25 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 885 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 886 Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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auch in der Person des Notars oder der Person des Zeugen begründet liegen. Diese Fälle erfassten die Bestimmungen der §§ 27, 28, 29 und 30 der HNO. Die formalen Anforderungen an den reinen Erstellungsakt der Urkunde wurden durch diese Regelungen noch höher gesetzt, als es § 25 HNO mit dem Zeugenbeweis für eine korrekte Erstellung bisher getan hatte. Nach Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren wurde das Zeugenerfordernis weiter differenziert. Die hinzuzuziehenden Zeugen wurden in der Endfassung der HNO somit in zwei Kategorien unterteilt. Der sogenannte Instrumentenzeuge diente zur bloßen Authentifizierung des tatsächlichen Beurkundungsaktes: Er war reiner Beurkundungszeuge, etwa für die einfach gelagerten Beurkundungsfälle. Der sogenannte Recognitionszeuge wurde hingegen zur Wahrnehmung des rechtlichen Inhalts der notariellen Arbeit erforderlich. Die Anforderungen an ihn waren dementsprechend höher gestellt. In der Folge musste der Wahrnehmungszeuge mindestens 20 Jahre alt sein, männlichen Geschlechts und dem Notar oder den Parteien persönlich bekannt sowie insbesondere des Lesens und Schreibens mächtig sein. Der Instrumentenzeuge hingegen musste weder zwingend männlichen Geschlechts sein, noch lesen und schreiben können.887 Dieses gründete in seiner bloß wahrnehmenden Funktion des Notariatsaktes. Dennoch musste der Instrumentenzeuge dem Notar ebenfalls persönlich bekannt sein.888 Insgesamt ist also für diesen Themenbereich der Ordnung festzuhalten, dass der Notar nicht nur die Funktion inne hatte einer Urkunde die publica fides zu verleihen – sprich selbst öffentlich bestellter Zeuge zu sein; vielmehr trug er auch für die Rahmenbedingungen und die Bezeugung des Beurkundungsaktes die Verantwortung. Diesem Mehr an formalen Anforderungen und der damit einhergehenden faktischen Herabsetzung seiner fachlichen Qualifikation sah sich der Amtsrichter indessen nicht gegenüber.889 Neben einem mangelhaften Zeugen konnten ebenso Mängel in der Person des Notars liegen. Die für dessen Person denkbaren Mängel erfasste die Bestimmung des § 27 HNO und regelte insbesondere das Verbot des notariellen Insich-Ge-
887 Vgl. hierzu: § 28 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 888 Vgl. hierzu: § 28 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 889 Auch hierin sah der Praktiker Schrader eine Benachteiligung des Notariats, die das freie Konkurrieren zwar nicht generell unmöglich machte, es jedoch deutlich erschwerte; Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII ff., (Vorbemerkungen).
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schäfts, also der notariellen Interessenkollision in jeglicher Form.890 Den hiermit gegebenenfalls belasteten Notariatsakt und das hinter ihm stehende Rechtsgeschäft belegte die HNO ausnahmslos mit absoluter Nichtigkeit. Der notarielle Interessenkonflikt konnte sowohl durch die verwandtschaftliche oder auch vorherige berufliche Beziehung des Notars (sog. Vorbefasstheit) zu den Parteien bestehen.891 Die Bestimmung des § 27 HNO regelte daher verschiedene Formen dieser Interessenkollisionen in vier Alternativen genauer.892 Ergab sich ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Notars am Beurkundungsakt, das über das wirtschaftliche Interesse seiner bloßen Beurkundungstätigkeit hinausging, war das hierdurch entstehende Notariatsinstrument nichtig (Nr. 1). Hierneben erfasste Nummer 2 jegliche verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Notar und den weiteren, am Akt beteiligten Personen als absoluten Nichtigkeitsgrund. Hierzu zählten auch die hinzuziehenden Zeugen. Bei Verletzung dieser Bestimmung erklärte die HNO ebenfalls die vollständige Nichtigkeit des Notariatsinstruments zur Rechtsfolge. Dem denkbaren beruflichen Interessenkonflikt nahm sich § 27 Nr. 3 HNO an. Hiernach war eine anwaltliche Vertretung der am Notariatsakt beteiligten Parteien durch den hannoverschen Anwaltsnotar nicht zulässig und führte im Falle der anwaltlichen Vorbefasstheit gleichermaßen zur Nichtigkeit der Urkundenerrichtung. Schließlich schloss Nr. 4 die gleichzeitige Generalmandatierung des Notars für eine der Notariatsparteien aus. Bemerkenswert ist hier allerdings, dass der Entwurf der landesherrlichen Kommission durch die Stände erstmals völlig ohne Kritik angenommen und in die Kodifikation aufgenommen wurde. Insgesamt waren die Normen und im Speziellen die strenge Rechtsfolge in diesem Abschnitt allem voran wohl der zu erhöhenden Rechtssicherheit – sprich dem rechtspolitischen Motiv der HNO – geschuldet. Gleichzeitig verschob sich gerade durch diese Bestimmungen das Gleichgewicht zwischen der angestrebten freien Konkurrenz von Amtsrichter und Notar und der zu steigernden Rechtssicherheit sowie Harmonisierung des hannoverschen Rechts in Richtung der Gerichte. Gerade der Amtsrichter hatte die vorgenannten, hohen (Neben-) Anforderungen an die formal richtige Erstellung von Urkunden mit öffentlichem Glauben nicht zu erfüllen und haftete dementsprechend nicht für deren Einhaltung. Das Erreichen einer freien Konkurrenz von Notar und Amtsrichter geriet somit auch hinsichtlich dieser Regelungsinhalte ins Hintertreffen. Mit den Bestimmungen der §§ 31 – 43 HNO wurde der Nichtigkeit des Notariatsaktes ein vergleichsweise breites Spektrum an Normen gewidmet. Den890 Vgl. zu heutigen Form dieses Verbotes auch § 3 BUrkG. 891 Vgl. zu heutigen Form dieses Verbotes auch § 3 BUrkG. 892 Vgl. hierzu: § 27 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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noch beschränkten sich die Motive der königlichen Kommission in den erhaltenen Protokollen des Gesetzgebungsverfahrens hierzu auf wenige Zeilen.893 Die kurze Bemerkung der Regierungskommission beinhaltet gleichwohl eine wichtige Aussage. Im Rahmen einer prinzipiellen Abstraktion von Inhalt und tatsächlicher Erstellung der Notariatsurkunde sollte deren Haltbarkeit möglichst weit gehend geschützt werden. Eine Nichtigkeit, die auf den Fällen der vorgenannten Bestimmungen gründete, sollte das beurkundete Verpflichtungsgeschäft nicht zwangsläufig beeinträchtigen.894 Im Falle einer Mangelhaftigkeit der notariellen Tätigkeit, verstand es sich im Interesse einer zumindest teilweise geltungserhaltenden Reduktion, dass die ebenfalls durch die Parteien unterzeichneten Notariatsprotokolle zumindest als Privaturkunden und für den späteren Zivilprozess unbeschädigt bleiben sollten. Die notarielle Arbeit verlor bei Mangelhaftigkeit dennoch hinsichtlich der öffentlichen Beglaubigung ihren Wert. Positiv an diesem Ansatz ist, dass die Urkunden dem Rechtsverkehr zumindest als qualifiziertes Beweismittel (Privaturkunde) nicht vollauf verloren gingen. Infolgedessen musste aber auch die Protokollerstellung ebenso strengen formalen Anforderungen genügen. Dies erhöhte den notariellen Verwaltungsaufwand im Tagesgeschäft abermals und vergrößerte die Arbeitsdichte unweigerlich, was zugleich weitere Fehlerquellen eröffnete. Der Richter als öffentlich Angestellter wurde natürlich auch hiervon freigehalten. Auch der erste Regierungsentwurf zu § 32 HNO und die in ihm enthaltenen Formvorschriften für die Erstellung des notariellen Protokolls konnten der ständischen Kritik nicht standhalten. Der landesherrliche Entwurf hatte zunächst jeden notariellen Akt, dessen Protokoll nicht handschriftlich und durch den Notar eigenhändig niedergeschrieben worden war mit umfassender Nichtigkeit bedroht.895 Diese kompromisslose Folge konnte nicht im Interesse der Geschäftsführung des hannoverschen Notariats und somit auch nicht im Sinne der Parteien, des königlichen Urkundenwesens oder gar des gesamten Rechts893 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 21; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 894 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 21; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 895 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 21; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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verkehrs sein.896 Wäre es bei einer Nichtigkeit im Falle von »bloßen« Protokollversäumnissen geblieben, hätte auch das Protokoll nicht mehr als Privaturkunde taugen und dem Gedanken der möglichst langlebigen Nutzbarkeit notarieller Arbeit Rechnung tragen können. Folgerichtig erfolgte eine Anpassung des Entwurfs durch die ständische Kammerversammlung. In der in Kraft getretenen Form sollte § 32 HNO dem Notar mithin die Benutzung von vorgedruckten Formularen zur Protokollierung und sogar zur Urkundenerstellung gestatten. Solche Formularvordrucke sind hier im Anhang IV für bestimmte Instrumente und hiesige Notare exemplarisch abgedruckt.897 Sie finden sich auch heute noch in den reichhaltigen Beständen des Landesarchivs Niedersachsen, Hauptstaatsarchiv Hannover. Das von landesherrlicher Seite zuvor verlangte, zwangsläufig zeitintensive rein handschriftliche Verfassen von Protokollen wurde auf den ständischen Einfluss hin auf ein »erträgliches Maß« reduziert. Ausnahmsweise konnte die Protokollierung sogar durch einen beeidigten Verwaltungsschreiber besorgt werden.898 Im Weiteren galt es allerdings neben der Protokollierung des Urkundeninhaltes noch anderen formalen Anforderungen durch das hannoversche Notariat zu genügen. Es mussten neben den Namen der Parteien, das genaue Datum, der Ort sowie alle Summen in Buchstaben und die beteiligten Notare innerhalb des Protokolls ausdrücklich genannt werden. Des Weiteren hatten alle Personen ihre Unterschriften als Abschluss des Notariatsaktes zu leisten. Darüber hinaus unterlag das Protokoll als schriftlicher Beweis des notariellen Verfahrens und etwaige prozessrechtliche Privaturkunde nach seiner Fertigstellung einer strikten Veränderungssperre.899 Sollten wider Erwarten Änderungen erforderlich werden, waren diese nur als Glosse oder Zusatz am Ende unterhalb der Unterschriften der am Beurkundungsakt beteiligten Personen erlaubt.900 Um hier keinen Raum für spätere Spekulationen oder Auslegungsmöglichkeiten zu geben, war eine Veränderung 896 Ein solches Urteil fällte auch hier die Praxis, vgl hierzu insgesamt: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII ff., (Vorbemerkungen). 897 Vgl. hierzu: Anhang IV, (ausgewählte Notariatsinstrumente); hier unter S. 369 – 377. 898 Vgl. hierzu: § 32 HNO: »[…] Ausnahmsweise kann der Justizminister einem Notar die Zuziehung eines besonders zu beeidigenden Schreibers gestatten, welchem das Protokoll in die Feder zu diktieren ist.«; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 899 Vgl. hierzu: § 34 HNO Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 900 Vgl. hierzu: § 34 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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immer nur unter der genauen Angabe der verwendeten Worte in Zahlen möglich.901 Insgesamt zeigt sich eine Vielzahl an formalen Bestimmungen, die für die Erstellung des hannoverschen Notariatsinstruments sowie für dessen Protokollierung ab 1853 zu beachten waren. Im Streitfall um unklare Passagen innerhalb des Protokolls oblag die Inhaltskontrolle ferner keiner berufsständischen Stelle des Notariats. Eine solche existierte im 19. Jahrhundert für den hannoverschen Raum noch (immer)902 nicht. Die Zuständigkeit kam daher keinem kammerinternen Prüfungsgremium zu, sondern dem örtlich zuständigen Amtsrichter. Gleiches galt für die im Streitfall nötige Auslegung des Protokolls. Die geltungserhaltende Reduktion des Protokolls konnte die Gültigkeit des Notariatsaktes immerhin unter Umständen erhalten. Sollte der Notar im Grundsatz eigentlich in freier Konkurrenz zum Amtsrichter stehen (§ 21 GVGKHann. i. V. m. § 9 HNO), war Letzterer also auch in Fragen, die die notarielle Kernaufgabe – nämlich die Instrumentenerstellung – betrafen, als Devolutivinstanz die Wahl des hannoverschen Gesetzgebers. Diese Inkonsequenz der hannoverschen Legislative, die Umsetzung des primären Leitmotivs der Ordnung zu erreichen, sollte sich auch noch an weiteren Stellen der HNO zeigen, worauf an späterer Stelle einzugehen sein wird.903 In der bis hier gehenden Gesamtschau übten die Stände dennoch zum Teil positiven Einfluss auf die praktische Anwendbarkeit der ordnungsrechtlichen Normen der HNO aus. Besonders gilt dies für das hannoversche Beglaubigungsgeschäft, wenn dem Notar ab 1853 die Verwendung von vorgefertigten Formularen gestattet wurde. Der vierte Abschnitt der HNO beinhaltete in seiner Schlussfassung gleichwohl eine erhebliche Anzahl an Normen, die bei ihrer Vernachlässigung die sofortige Nichtigkeit des Notariatsaktes androhten. Zur Nichtigkeit kam es dennoch kaum; und selbst in diesem Fall sollte die notarielle Arbeit einen gewissen Grundwert beibehalten dürfen. Der hannoversche Notar wurde allerdings dem Amtsrichter immer wieder nachgestellt: Denn insgesamt ging die Verantwortung des Notars über eine rein formalrichtige Erstellung der einzelnen Notariatsinstrumente weit hinaus. Dieser erweiterte Pflichtenkreis erschwerte das Tagesgeschäft des hannoverschen »Schreibers« zwangsläufig und stellte ihn dem eigenen Empfinden nach als zum Teil wenig fähig dar. Bei Betrachtung der Normen entsteht somit der Eindruck, dass das Thema der zu erhöhenden 901 Vgl. hierzu: § 34 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 902 In Italien als Herkunftsland des Notariats oder auch in Braunschweig (hier jedenfalls schon vor 1850) – als direkter Nachbar zu Hannover – bestanden solche berufsständischen Kammern bereits deutlich früher ; (siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter 2 sowie im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1). 903 Dazu insgesamt näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) aa) – hh).
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Rechtssicherheit im notariellen Beurkundungsverfahren eindeutig auf Kosten der Praxistauglichkeit und Handhabbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen ging und zugleich den Notar über Gebühr dem Amtsrichter unterordnete. Das erste Motiv der freien Konkurrenz zwischen Notar und Amtsrichter lief hierdurch faktisch ins Leere. Dieser Eindruck findet sich auch im Weiteren bestätigt. Die Bestimmungen der §§ 44 – 48 HNO beinhalteten weitere besondere Form- und Verfahrensvorschriften für einzelne, spezielle und speziellste Notariatsakte. Interessant ist, dass in der Regelung des § 44 HNO das schon zu früheren Zeiten für das Notariat besonders wichtige und gesondert geregelte Testament als Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit erneut begegnet. Ebenfalls die moderne HNO normierte es, wie auch schon die KNO/RNO und »ihre« Stadtrechte,904 mit speziellen Bestimmungen taten. Wie bereits bei der Beleuchtung des hannoverschen Copialbuches aus dem 14. Jahrhundert dargestellt, wurde auch zu damaligen Zeiten der Erstellung der letztwilligen Verfügung ein besonderes Augenmerk seitens des gemeinrechtlichen »Gesetzgebers« zu Teil.905 Waren schon zurzeit Kaiser Maximilians I. (1512) immer besondere Bestimmungen zur Herbeiführung der Wirksamkeit einer Testamentserrichtung zu befolgen gewesen, (z. B. das Herbeirufen eines vereidigten Stadtschreibers, eines Notars oder eines Ratsherren),906 galt Vergleichbares auch für das 19. Jahrhundert. Auch die Hannoversche Königliche Notariatsordnung sah sich zur besonders genauen Regelung des zu beachtenden Verfahrens für die Testamentserrichtung veranlasst. Jedoch war ein Bewusstsein um die Tradition des hannoverschen Rechts in diesem Bereich wohl kaum allein maßgeblich geworden. Vielmehr galt es mit den neuen Bestimmungen der HNO die Abgrenzung von richterlicher und notarieller Kompetenz innerhalb der neuen Kodifikation genauer zu klären und etwaige Überschneidungen zu vermeiden. Insbesondere für das Testament musste im 19. Jahrhundert zwischen der reinen Privaturkunde, die jedermann erstellen sowie selbst aufbewahren konnte, und der öffentlich errichteten »Verfügung von Todes wegen« unterschieden werden. Eine solche Unterscheidung hatten die Rechte des Mittelalters noch nicht gemacht. In den mittelalterlichen Bestimmungen konnten daher stets nur das Verfahren um das Verfassen des öffentlichen Testaments gefunden werden; denn eine Privaturkunde hatte niemals einer Regelung seitens stadtrechtlicher Normen bedurft. Dies zeigte sich schon daran, dass etwa im hannoverschen Copialbuch bei Betrachtung des Wortlautes der Bestimmungen zur Testamentserrichtung nicht der besondere Fall des öffentlichen Testaments, sondern allein das generelle Er904 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) aa) sowie unter II 3 b) bb). 905 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) aa) sowie unter II 3 b) bb). 906 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) aa) sowie unter II 3 b) bb).
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richten überhaupt eines Testaments gemeint gewesen sein konnte.907 Insofern war einzig die öffentliche Stelle (Stadtschreiber, Notar, Stadtrat/Ratsherr) seinerzeit zuständig. Eine reinprivate (Testaments-) Urkunde war für die Rechtsordnung des 14. Jahrhunderts und den damaligen Rechtsverkehr sowie für den Bürger von vornherein wohl unbekannt.908 Sogar die notariell erstellten Bürgertestamente wurden daher durch Stadtschreiber oder freie Notare nur vereinzelt errichtet. Dies konnte bereits im Teil 1 dieser Untersuchung für den stadthannöverschen Rechtskreis und sein Recht bemerkt werden.909 Sogar in den 12 Jahren der Amtszeit des obersten Stadtschreibers Johannes Halßbandts wurden insgesamt lediglich acht Bürgertestamente errichtet.910 Mit wachsender Komplexität der rechtlichen und geschäftlichen Systeme sowie dem zunehmenden Wohlstand und dem entstehenden Zugang der breiten Masse zu vormals kostenintensiven notariellen Instrumenten, wurde es üblicher ein öffentlich beglaubigtes Testament zu verfassen. Dies war, auch im 16. Jahrhundert und zurzeit der KNO/RNO indes noch nicht zum Normalfall geworden.911 Mit steigender Anzahl an Testamenten kam jedoch auch der Unterscheidung von öffentlich beglaubigten, also notariell erstellten, oder bloß privat verfassten Verfügungen von Todes wegen wachsende Bedeutung zu. Um im Königreich Hannover bereits vor dem Erlass der Notariatsordnung des Jahres 1853 dieser Unterscheidung gerecht werden zu können, war für die Erstellung öffentlicher Testamente in manchen Landesteilen des welfischen Territoriums allein der persönlich zuständige Richter verantwortlich gewesen; so war es beispielsweise im Lande Hadeln oder auch im preußisch geprägten Friesland der Fall.912 In den Landesteilen Hannovers, in denen dies nicht der Fall gewesen war, wies § 12 HNO913 ab 1853 den Notaren diesen Bereich ausdrücklich zu. Hierbei wurde allerdings die zu wahrende freie Konkurrenz zum Amtsrichter betont,914 907 908 909 910 911
Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) bb). Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) bb). Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) cc). Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) cc). Dies waren lediglich acht an der Zahl; [siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 3 b) cc)]. 912 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 27; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 902; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 913 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 27 f.; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 902 f.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 914 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichti-
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so dass bei Letzterem ein Testament auch in diesen Gebieten nach wie vor errichtet werden konnte. Dennoch musste die notariell angefertigte Testamentsurkunde im gesamten Königreich amtsgerichtlich hinterlegt werden. Die Archivierung von Testamenten durfte der Notar nicht selbst besorgen (das Depositenwesen war ihm von Gesetzes wegen ohnehin entzogen; § 9 HNO).915 Die Begründung hierfür war, dass zum einen das Depositenwesen seit jeher nicht vom Notariat gepflegt wurde und mit dieser Tradition nicht gebrochen werden sollte.916 Zum anderen kam abermals der vermeintlichen öffentlichen Wahrnehmung des Notariats und dessen Tätigkeit Bedeutung zu. Die Öffentlichkeit würde, so jedenfalls die landesherrliche Kommission, erst einem bei Gericht hinterlegten Testament tatsächlich öffentlichen Glauben zubilligen.917 Insoweit wurde der Notar hier dem Richter abermals nachgeordnet918 und fachlich herabgewürdigt. Von einer tatsächlich vollauf freien Konkurrenz und einer gleichberechtigten Wahrnehmung der Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit konnte auch für diesen »besonderen Teil« der HNO und seine »speziellste Aufgabe«, nämlich die der Testamentserstellung mithin nicht die Rede sein. Einzig die genaue Umsetzung der notariellen Hinterlegungspflicht der Urkunde bei Gericht, und somit einmal mehr eine Detailregelungen, wurde in diesem Abschnitt durch die Stände kritisiert.919 Die Hinterlegungspflicht an sich und ihre von Notariatsseite herabwürdigend empfundene Wirkung blieben jedoch von ständischer Seite unangetastet. Der Regierungsentwurf der Kommis-
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gung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 27 f.; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 903 f.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. Vgl. hierzu: § 9 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 28 f.; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 28 f.; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. Gleiches wurde bereits für das Zeugenerfordernis und dessen Beachtuung durch den Notar festgestellt; [siehe dazu im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 dd)]. Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 28.; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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sion hatte für die Hinterlegung zunächst vorgesehen, dass das abgefasste Testament zwingend durch den Notar beim zuständigen Richter persönlich einzureichen sein sollte.920 Unerheblich sollte hierbei sein, wo der Notar seine Residenz – sprich Kanzleisitz – hatte. Logische Folge wäre eine neuerliche, erhebliche Behinderung des notariellen Tagesgeschäfts gewesen; jedenfalls dann, wenn der Notar regelmäßig Testamente zu errichten hatte. Ob Letzteres im Land Hannover, trotz der erheblichen formalen Anforderungen tatsächlich der Fall war, dies wird an späterer Stelle thematisiert werden.921 Die Regelungen der Testamentserstellung der HNO erfassten – für eine moderne Kodifikation eher ungewöhnlich – ebenfalls die Disziplinarstrafen für Missachtung des Verfahrens der Testamentserrichtung. Das Testament als besonders tradierte Form der notariellen Urkunde wurde somit innerhalb eines Abschnitts der HNO abschließend geregelt, was seine exponierte Stellung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nochmals hervorhebt. Auch die »disziplinarrechtlichen Vorschriften« dieses Abschnitts waren der bestmöglichen, öffentlichen Wahrnehmung des Notariats und somit dem zweiten Leitmotiv der HNO verschrieben. Sie thematisierten ebenfalls in besonderer Form die Hinterlegungspflichten. Auch hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Folgen von Verstößen bei der Testamentserstellung bestand indes nur grundsätzliche Übereinstimmung zwischen der allgemeinen Ständeversammlung und der landesherrlichen Regierungskommission. Der Vorschlag von Regierungsseite hielt zunächst harte Geldstrafen für etwaige Missachtung der Verfahrensvorschriften – sprich der zeitigen und persönlichen Hinterlegung bei Gericht – bereit. Bei Säumigkeit des Notars wurde die relativ hohe Geldstrafe von 100 Talern seitens der Regierung als angemessen erachtet. Die gesamte Nichtigkeit der Testamentserrichtung wurde nicht für erforderlich angesehen, da hierdurch einzig die jeweiligen Parteien die Leidtragenden der notariellen Verfehlung gewesen wären.922 Stattdessen dehnte man das bereits zuvor angesprochene Abstraktionsprinzip zwischen Beurkundungsakt und Grundgeschäft auf das Testament aus. Die für damalige Verhältnisse drakonisch hohe Disziplinarstrafe für bloße Säumigkeit 920 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 28.; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 921 Hierüber wird in Abschnitt: 2. Teil 2. Kapitel I 1 – 3 gesprochen werden. 922 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 28; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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wurde seitens der Regierung mit der traditionellen Wichtigkeit der Testamentserrichtung begründet.923 Die ständepolitische Vertretung jedoch befand sie als deutlich zu hart und zu statisch. Sie wurde infolgedessen deutlich reduziert, in ihrer genauen Bemessung allerdings wieder einmal dem Amtsrichter überantwortet.924 Letzten Endes sollte somit nach ständischer Bearbeitung eine nicht zu unterschreitende Grenze von 20 Talern als Strafe bei Säumigkeit seitens des Notars ausreichen. Eine Obergrenze setzte die hannoversche Ordnung, auch nach ständischer Anpassung, indes nicht fest. Die Spanne zwischen der Untergrenze und der tatsächlich festzusetzenden Disziplinarstrafe war je nach Schwere der Säumnis durch den Richter allein festzustellen. Die Beurteilung der Säumnis und die ihr entsprechende Strafe für den Notar konnten somit von Fall zu Fall stark variieren und oblagen dem vollen Ermessen des Amtsrichters. Mit erstaunlicher Deutlichkeit zeigt sich auch hier das für die spätere Praxis durch die HNO faktisch vorformulierte Hierarchieverhältnis von Amtsrichtern und Notariaten. Anders als bisher kam dem Richter in Testamentssachen über die grundsätzliche Disziplinargewalt hinausgehend sogar deren konkrete Ausgestaltung in Form der »Strafzumessung« zu. Indem der Amtsrichter den der Säumnis nachfolgenden Strafrahmen gemäß der Bestimmung des § 44 HNO eigenmächtig zu bestimmen vermochte, kam dem Disziplinarverfahren im Bereich der Testamentserstellung sogar inquisitorischer Charakter zu. War der Amtsrichter gem. § 21 GVGKHann. zwar gleichberechtigter Konkurrent des Notars, erscheint die auch in diesem Abschnitt zu erkennende Kompetenzverteilung nicht überzeugend. Konnte man zunächst in der Flexibilisierung der Disziplinarstrafe mit ihrer Untergrenze von 20 Talern eine für das Notariat freundlichere Ausgestaltung vermuten, kann hierbei nicht geblieben werden: Der Amtsrichter wurde in Hinterlegungsfragen der Testamentssachen sowohl erkennende als auch disziplinierende Stelle. Die ständische Kritik am Regelungsgehalt des § 44 der HNO ging jedoch über die reine Ausgestaltung der Disziplinarstrafe hinaus. Hinsichtlich eines weiteren Details der Norm nahm sich die Ständeversammlung der Bestimmung im 923 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 28; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 924 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 28 f.; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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Weiteren an. Hatte die Regierungskommission eine Hinterlegungsfrist von vier Wochen für ein notariell bestelltes Testament als völlig ausreichend angesehen,925 reduzierte die allgemeine Ständeversammlung die Frist auf immerhin nur acht Tage.926 Dieses Erfordernis erlangte insbesondere dadurch Gewicht, als es dem Notar nur möglich war die Hinterlegung eigenhändig vorzunehmen. Eine gewisse Relativierung sollte die höchstpersönliche Hinterlegung dahingehend erfahren, als das diese zwar grundsätzlich bestehen blieb, für das Depositenwesen aber das Gericht des notariellen Wohnortes zuständig wurde. Die notarielle Residenz konnte gegebenenfalls aber noch immer weit vom zuständigen Gericht entfernt liegen. In der Gesamtschau sowie für die Fragen der Testamentserrichtung wird gleichzeitig deutlich, dass mit der ausführlichen Diskussion zwischen landesherrlicher Kommission und allgemeiner Ständeversammlung auch hier kein Schritt in Richtung einer praktischen Verwirklichung der angestrebten freien Konkurrenz von Amtsrichter und Notar getan wurde. Auch wenn der Bußgeldrahmen von ständischer Seite gesenkt worden war, verlor er zugleich seine Deckelung und fiel bezüglich seiner genauen Bemessung dem Amtsrichter anheim. Für das Notariat im Land »Hannover« war somit nichts gewonnen. Der Notar war jetzt dem Richter sogar in fachrechtlicher Hinsicht disziplinarrechtlich unterstellt worden. ee)
Nichtigkeit der Notariatsakte und Notariatshaftung (Fünfter und Sechster Abschnitt: »Von der Nichtigkeit der Notariatsakte & Haftungsverbindlichkeit des Notars«) Schreitet man in der Betrachtung der HNO fort, folgen auf die breit gefächerten Normenkataloge der vorherigen Abschnitte mit den Teilen fünf und sechs zwei Abschnitte weit weniger ausdifferenzierter Bestimmungen. Gleichwohl erfassten sie die wichtigste Rechtsfolge von Mängeln bei der Instrumentenerstellung. Gemeint ist hiermit die Nichtigkeit des notariellen Aktes. Überraschender Weise sind an dieser Stelle lediglich zwei sehr allgemein gehaltene Regelungen zu finden. Die HNO war, obschon sie sich als moderne Gesetzgebung verstand und
925 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 29 (jedoch erst in der ständischen Erwiderung genannt); Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 926 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 29; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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als solche anzusehen war, nicht vollständig in einen allgemeinen und besonderen Teil gegliedert. Die allgemeinen Nichtigkeitsbestimmungen der §§ 49, 50 HNO konnten im mittleren Teil der HNO daher auf das Wesentliche beschränkt werden und auf den ihnen vorangestellten, dezidiert ausgeformten Abschnitt vier mit seinen zahlreichen Bestimmungen zur Nichtigkeit bei formalen Erstellungsverstößen des Notariatsakts Bezug nehmen. Hatte Abschnitt vier nicht weniger als 24 Normen, die auf genauste Weise die formalen Anforderungen an die Urkunde und ihrer Erstellung formulierten bereitgestellt, konnten die Regelungen des Abschnittes fünf dementsprechend verkürzt werden.927 Bereits in den Motiven der Regierungskommission hatte sich bezüglich der formalen Mangelhaftigkeit einzelner Notariatsakte gezeigt, dass im Sinne einer möglichst langen Verwendbarkeit – auch an sich fehlerhafter Urkunden – das Protokoll der Instrumentenerstellung zumindest als Privaturkunde noch herangezogen werden können sollte. Die Regierungskommission hatte in ihren Motiven zur Gesetzgebung schon früh den Bedarf einer gewissen Abstraktion zwischen formeller Brauchbarkeit und materiellem Inhalt des zu beurkundenden Rechtsgeschäftes angemeldet. Fehler der Beurkundung sollten sich nicht zwingend auf das zu beurkundende Geschäft durchschlagen dürfen.928 Auch wenn die Ständeversammlung diese Ansicht teilte, hatte § 49 HNO in seiner Endfassung929 dennoch eine diesbezügliche Klarstellung zum Inhalt. Es ergaben sich gleichwohl Ausnahmen vom klaren Wortlaut dieses Abstraktionsgedanken. Eine Erhaltung der notariellen Arbeit, auch für den Wirtschaftsverkehr, war nicht um jeden Preis gewollt. So schlug eine Nichtigkeit bei der Instrumentenerstellung gem. § 49 Satz 2 HNO dann auf das Urkundengeschäft durch, kam dem Beurkundungsakt konstitutive Wirkung zu.930 Von weiteren gesetzlichen Bestimmungen und Ausnahmeregelungen wurde abgesehen. Nur aus Klarstellungs927 Vgl. hierzu: §§ 49, 50 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 928 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 30; Konferenzaktenstücke des 11. Landtages, 4. Diät von 1852, Heft IV, Nr. 153 – 155, S. 883 – 907, 904; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 929 Vgl. hierzu: §§ 49 Satz 2 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 930 Vgl. hierzu: §§ 49 Satz 2 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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gründen nahm § 50 HNO daher eindringlich Bezug auf die Normen der Abschnitte drei und vier, die die formalen Anforderungen an den Notariatsakt, wie gesehen,931 erschöpfend regelten. Die HNO sollte eine echte Kodifikation sein, daher galt es auch im Fall teilweise mangelhafter Urkundenerstellung einen lückenlosen Bestimmungskanon bereitzustellen. Hierzu zählte natürlich nicht nur die Fragen der Wirkung mangelhafter Instrumente in Beziehung zum Rechts- und Wirtschaftsverkehr, sondern auch die generelle Amtshaftung des Notars für etwaige Versäumnisse und Nachlässigkeiten gegenüber den Parteien. Darüber hinaus bedurfte es einer allgemeinen disziplinarrechtlichen Ausgestaltung der notariellen Tätigkeit. Deren Erfassung übernahmen die Bestimmungen des Teils sechs der HNO. Mit den Normen der §§ 51 – 58 HNO wurde eine generelle Berufshaftpflicht des Notars gegenüber den ihn beauftragenden Parteien erstmals in einer hannoverschen Notariatsordnung geregelt. Fällt in diesem Abschnitt der Blick zunächst auf die Frage der notariellen Haftpflicht, sticht innerhalb der Regierungsmotive die klare Formulierung der mit Teil sechs zu erreichenden Ziele hervor. Erstmals tritt das vorgegebene Ziel des § 21 des Organisationsgesetzes/ GVGKHann. auch innerhalb der Regierungsmotive, die heute noch vorliegen,932 ausdrücklich zu Tage. Aus den Protokollen wird ersichtlich, dass auch die landesherrliche Regierungskommission nach einer gleichgestellten Konkurrenz von Richter und Notar – jedenfalls ideell – suchte. Das Folgende findet sich in den auch von Bojunga herausgegebenen und in der Niedersächsischen Landesbibliothek vorgehaltenen Protokollen zum Verfahren der HNO wieder : […] Dieser Abschnitt (Abschnitt sechs) bezweckt, die Notare auch rücksichtlich der aus ihrer Geschäftsführung entspringenden Verantwortlichkeit auf möglichst gleichen Fuß mit dem Amtsrichter zu setzen; er erklärt daher einestheils die Rechtsgrundsätze über die Haftungsverbindlichkeit des Richters für die Nachtheile welche den Parteien aus seiner Amtsführung entstehen, auch auf Notare anwendbar, […].933
Neuerlich wurde die Gleichstellung von Richter und Notar mit der HNO ausdrücklich anvisiert. Dennoch kann man an dieser Stelle sowie vor dem Hin931 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils unter II 4 b) dd). 932 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853); 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/ 21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 933 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 31; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 906 (Ergänzung nicht im Original); GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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tergrund des bis hier vom Gesetzgebungsverfahren gewonnenen Eindrucks davon ausgehen, dass es sich um eine bloße Absichtserklärung handeln sollte. Zunächst traf die landesherrliche Regierungskommission in Abschnitt sechs die allgemeine Aussage, dass eine Haftung des Notars für etwaige Versäumnisse gegenüber den Parteien schon aus Gründen der Wichtigkeit seiner Tätigkeit für den Rechtsverkehr per se folgen müsse.934 Zugleich wurde hiermit dem zweiten Leitmotiv der zu erhöhenden Sicherheit im Recht sowie im Wirtschaftsverkehr bei Inanspruchnahme notarieller Dienste allerdings ein gesteigertes Interesse durch den Gesetzgeber zugesprochen. Völlig neu war der Ansatz zur gesetzlichen Regelung einer Haftung des Notars gegenüber den ihn beauftragenden Parteien nicht. Bereits die Ordnung Maximilians I. (1512) hatte eine grundsätzliche Haftung des Notars für etwaige Schäden, die durch seine mangelhafte Urkundenerstellung als (Mangel-) Folgeschaden entstanden, bestimmt. Dies konnte an früherer Stelle der Untersuchung kurz gezeigt werden.935 Die kaiserlichen Haftungsregelungen waren indessen sehr unbestimmt und inhaltsleer geblieben.936 Anders als im 16. Jahrhundert galt es in der HNO, die Pflichten des Notars im Haftungsfall erstmals abstrakt-generell und zugleich konkret-bestimmbar ordnungsrechtlich auszugestalten. Auf Grund der angestrebten Harmonie im Recht spielte die Begründung der Haftung des Notars für eigene Fehler im Zuge seiner Tätigkeit sowohl für die Regierungskommission als auch für die Stände nur eine Nebenrolle. Sie war selbstverständlich. Mit § 51 kodifizierte die Notariatsordnung dementsprechend eine allgemeine Haftungspflicht des Notariats im Land »Hannover«. Ein besonderes Augenmerk wurde hierbei der sicheren Befriedigung etwaiger Schadensersatzansprüche der Parteien gegenüber dem handelnden Notar geschenkt. Es sollte den Umständen, wie sie noch zur Zeit der maximilianischen Ordnung geherrscht hatten, entgegengewirkt werden; denn: Oft sahen sich im 16. Jahrhundert noch mangelhaft ausgebildete Notare Haftungsverbindlichkeiten gegenüber, die sie nicht zu bedienen im Stande waren.937 Um hinreichende Abdeckung etwaiger Ausgleichsansprüche zu gewährleisten wurde daher im 19. Jahrhundert die gesetzliche Verpflichtung geschaffen, durch jeden Notar eine (ausreichende Haftungs-) Kaution zu bestellen.938 Aus diesem Fond sollten die 934 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 31 f.; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 906; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 935 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 1 b). 936 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 1 b). 937 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II. 938 Vgl. hierzu: § 52 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verord-
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Parteien, die durch notarielle Fehler finanzielle Einbußen erlitten hatten, schadlos gehalten werden können. Zu bemerken ist hierbei, dass diese Haftungsfonds nicht in eine neu zu schaffende, öffentliche oder gar berufsständische Kasse eingezahlt werden mussten. Vielmehr war auch die Hinterlegung der Kaution des Notars beim zuständigen Amtsgericht zu besorgen. Der Amtsrichter war somit auch sachlich mit notariellen Haftungsfällen und deren finanzieller Abwicklung betraut. Eine Etablierung freier Konkurrenz zwischen hannoverschem Notariat und hannoverschen Amtsrichtern kann hier abermals nicht gesehen werden. Mit Blick auf das Gesetzgebungsverfahren erhielten die Details der Bestimmungen nicht die Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung. In der Folge sollte die genaue Höhe der Kaution eine Anpassung erfahren. Hierauf wird noch zurückzukommen sein. Zunächst soll der Blick auf das Prinzip der selbstschuldnerischen und akzessorischen Haftung der hannoverschen Notare gerichtet werden. Hierin ist ein weiterer Kontrast zum bereits oftmals bevorzugten Amtsrichter zu erkennen. Der Notar haftete ab 1853 selbstschuldnerischen und mit der eigenen Vermögensmasse. Seine Haftung war dementsprechend persönlich, im Hinblick auf Haftungsverbindlichkeiten akzessorisch sowie grundsätzlich unbegrenzt. Ließ sich erkennen, dass der Verantwortungsbereich und die Pflichten des hannoverschen Notars durch die Regelungen der neuen Kodifikation auf verschiedene Rahmenbedingungen des Notariatsaktes ausgedehnt worden waren (so etwa die Beachtung verschiedener Zeugenbestellungen),939 die dem Richter nicht auferlegt worden waren, erklärte Abschnitt sechs die selbstschuldnerische Haftung des Notars für jeden Fall der Missachtung. In den Mittelpunkt des gesetzgeberischen Interesses wurde hier insbesondere die notarielle Pflicht der Identitätsüberprüfung für die am Notariatsakt beteiligten Personen gerückt, § 51 Abs. 2 Satz 2 HNO.940 Ein Hintergehen der am Erstellungsakt beteiligten Personen sollte völlig unmöglich gemacht werden. Dies wäre für das Verhältnis von Richter und Notar nicht von größerer Bedeutung gewesen, hätte sich der Amtsrichter mit vergleichbaren Haftungsverbindlichkeiten, -risiken und Erstellungspflichten konfrontiert gesehen. Dies aber war genauso wenig der Fall, wie er überhaupt Zeugen zur Urkundenerrichtung benötigte oder ausdrücklich verpflichtet war, die Identität der Parteien zu übernungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 939 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) dd). 940 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 30.; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 905; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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prüfen.941 Musste der Amtsrichter einer solchen Pflicht nicht nachkommen, hatte er auch kein dem Notar entsprechendes Haftungsrisiko zu tragen. Während der Notar die zu bestellende Kaution darüber hinaus aus der eigenen Vermögensmasse zu entrichten hatte, haftete im Falle der Fehlerhaftigkeit der richterlichen Tätigkeit die landesherrliche Regierung den Parteien gegenüber. Abgesehen von dienstrechtlichen Folgen für den Richter (hierauf nahm § 51 Abs. 1 HNO ausdrücklich Bezug), bestand innerhalb des Staatsdienstes kein persönlich zu tragendes Risiko für den Spruchkörper. Diese Situation ist als die objektiv unausweichliche zu bewerten. Auch der heute selbstständige Rechtsberater, ob Notar oder Rechtsanwalt, haftet dem Grunde nach mit eigenem Vermögen, wenn Beiträge seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nach Schadensbegleichung erhöht werden. Ebenso haftet der heutige Richter nicht mit persönlichem Vermögen für verursachte Schäden, sondern nur dienstrechtlich und genießt überdies das Privileg des § 839 BGB.942 Dies gilt jedenfalls dann, bleibt er innerhalb seiner Tätigkeitsgrenzen. Es darf allerdings bei Betrachtung der HNO und ihres sogar gesetzlich formulierten Leitmotivs der freien Konkurrenz zwischen beiden Berufszweigen nicht übersehen werden, dass der Notar dem Richter im 19. Jahrhundert zumindest dem Grunde nach gleichberechtigt hätte gegenüberstehen sollen. Dies besagten immerhin auch die Motive der Regierungskommission, wie vorstehend gesehen, für diesen Abschnitt sechs der HNO ausdrücklich. Eine solche absolut freie Konkurrenz zwischen Richteramt und Notariat ist heutzutage nicht mehr gewollt und auch nicht der Fall. Insoweit kann die heutige Situation auf die des 19. Jahrhunderts nicht vollauf übertragen werden. Ungesehen der grundsätzlich nicht zu beanstandenden Risikoverteilung zwischen Staatsdienern und selbstständigem Notariat, muss daher gesagt werden, dass der Notar dem Richter innerhalb der hannoverschen Rechtslandschaft des 19. Jahrhunderts immer wieder nachgestellt war. Wäre es also bei dieser einen unausweichlichen Ungleichbehandlung geblieben, gäbe es tatsächlich nichts an der hannoverschen Kodifikation zu beanstanden. Dies indessen ist nicht der Fall. Von einer tatsächlich freien Konkurrenz kann auch im Hinblick auf die Haftungsrisiken des Notaramtes mithin nicht die Rede sein. Andererseits konnte durch die neue, genaue Regelung der Notariatshaftung eine deutlich erhöhte Rechtssicherheit für das Publikum und den wirtschaftlichen Verkehr sowie das Urkundenwesen erreicht werden. Allem voran lässt sich mit Abschnitt sechs der HNO neuerlich zeigen, dass sich die Motive der hannoverschen Gesetzgebung gegenseitig behinderten und nur schwerlich, gegebenenfalls überhaupt nicht miteinander in Einklang zu bringen waren. Das rechtspolitische Motiv rückte in den Vordergrund und 941 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) dd) sowie unter II 4 b ee). 942 Vgl. hierzu: Sprau, in: Palandt, 73. Aufl. (2014), § 839, Rdn. 63 – 65, (insb. Rdn. 63).
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drängte das Ziel der hannoverschen Gerichtsverfassung (§ 21 GVGKHann. i. V. m. § 9 HNO) immer weiter ins Abseits. Zur Absicherung der unter Umständen entstehenden Schadenersatzansprüche gegenüber dem Notar, war dieser also persönlich verpflichtet eine Kaution zu bestellen. Wie aber war diese wichtige Verpflichtung gesetzlich ausgestaltet? Gab es etwa neben der Ungleichbehandlung zwischen Richter und Notar eine weitere innerhalb des Notariats? Hatte etwa nur der ab 1853 neu ernannte Notar diese Kaution zu leisten oder auch der bereits vor unserem zeitlichen Markstein 1853 tätige Notar? Hierüber geben die Bestimmungen der §§ 52 ff. HNO Auskunft. Zunächst sollten die Details der zu bestellenden Kaution und die zur Festsetzung berechtigte Stelle Anlass zu ständepolitischer Kritik im Gesetzgebungsverfahren geben. Die Höhe der Kaution sollte aus Sicht der Landesregierung zunächst flächenabhängig sein und somit in Beziehung zum Umfang des jeweiligen Geschäftsbezirkes eines Notars gesetzt werden können. Gerade auf dessen Zuschnitt und Besiedelungsdichte, also den wirklichen wirtschaftlichen Wert, hatte der Notar selbst jedoch keinerlei Einfluss.943 Eine starre Haftungsmasse wurde daher tatsächlich nicht festgesetzt. Allerdings sollte die Summe von 3.000 Talern zunächst regelmäßig nicht unterschritten, in Ballungsräumen die Maximalsumme von 5.000 Talern indes auch nicht übergestiegen werden dürfen.944 Zugleich gab die landesherrliche Kommission zu bedenken, dass diese Höchstsumme für die tatsächlich ausgelasteten, in größeren Städten ansässigen Notare immer noch als zu gering bemessen sei.945 Etwaige Regressforderungen könne man so nicht mit Sicherheit abdecken.946 Eine ständische Anpassung der Bestimmungen erfolgte überraschender Weise in die entgegengesetzte Richtung. Eine grundsätzliche Höchstsumme von 3.000 Talern und eine Untergrenze von 500 Talern wurden schließlich als hinreichend angemessen angesehen um eine ausreichende Flexibilität zu erreichen. Bis 5.000 Taler durfte ausschließlich in 943 Vgl. hierzu: § 1 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 944 Vgl. hierzu: § 53 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 945 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 32; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 905 f., 906; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 946 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 32; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 906; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N.
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Großstädten, die mehr als 10.000 Einwohner zählten, gegangen werden.947 Landesherrliche und ständische Vorstellungen gingen somit deutlich auseinander, gestalteten die Begrenzung der Haftungsmasse jedoch zugleich etwas notariatsfreundlicher. Insbesondere mit Blick auf die bereits tätigen Notare, die sich plötzlich der Pflicht zur Errichtung einer erheblichen Summe gegenüber sahen, bestanden ständische Bedenken.948 Um die mit § 53 HNO geschaffene tatbestandliche Rückanknüpfung für diese Personengruppe abzumildern, modifizierte die Ständeversammlung den Entwurf der Kommission deutlich. Sie schuf Übergangsvorschriften. Die Regierungskommission hatte zuvor die Bestellungspflicht für die Kaution auf das bereits bestehende Notariat schlicht ausgedehnt und nähere Bestimmungen für den »Altnotar« nicht vorgesehen.949 Diese Härte relativierend, kamen dem bereits bestehenden Notariaten verschiedene Erleichterungen in der Endfassung der HNO zugute.950 Während für den neu zugelassenen Notar die vorherige Bestellung einer Kaution konstitutive Bedingung für seine Tätigkeitserlaubnis wurde, durfte das bestehende Notariat die Hinterlegung innerhalb einer Frist von sechs Monaten besorgen.951 Zudem sollte die Höhe und die Frist zur Bestellung insbesondere von den persönlichen Verhältnissen und der Größe des Geschäftskreises abhängen und im Einzelfall variieren dürfen. Sie wurde somit dynamisch gestaltet. Sollte nach landesherrlicher Vor947 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 32 f.; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 905 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 948 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 32 f.; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 905 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 949 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 32; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 905 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 950 Dennoch sah die Königliche Hannoversche Notariatszunft, insbesondere in der Pflicht mit dem persönlichen Vermögen zu haften und eine erhebliche Kautionssumme zu bestellen den Hauptfaktor, einer nicht zu erreichenden tatsächlich wirtschaftlichen Konkurrenz zum Amtsrichter ; so auch: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VI f., (Vorbemerkungen). 951 Vgl. hierzu: § 53 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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stellung für die genaue Beurteilung des Einzelfalls derweil nur das Justizministerium zuständig sein,952 wurde dies von ständischer Seite – nach hier vertretener Ansicht; richtig – als unbillig und praxisuntauglich empfunden.953 Mit Rücksicht auf die persönliche Bekanntheit des Notars im eigenen Gerichtsbezirk und insbesondere dem gerichtlichen Wissen um seine Vermögenssituation sollte daher die Entscheidung über die Höhe der Kaution dem jeweiligen Obergerichtspräsidium überantwortet werden.954 Dies erscheint schlüssig, da das lokale Gericht eher in der Lage war, die wirtschaftliche und persönliche Situation der ansässigen Notare zu beurteilen. Hierzu wäre das regelmäßig weiter entfernt liegende Justizministerium mit vergleichbarer Präzision kaum in der Lage gewesen. Eine möglicherweise grobe Ungleichbehandlung der ansässigen Notare wurde hierdurch unwahrscheinlich. Somit kamen die §§ 51 – 58 der Notariatsordnung in der 1853 in Kraft getretenen Form mit dem soeben dargestellten Inhalt zu Stande.955 Auch dieser Bereich der Kodifikation zeigt in verfassungsrechtlicher Hinsicht auf, wie wenig sich die Ständeversammlung auf die wesentlichen Inhalte der Regelungskataloge – obschon allein dies ihr von Verfassung wegen gestattet gewesen wäre956 – beschränkte. Sie bewegte sich mit ihrer Kritik regelmäßig über die ihr garantierten Rechte hinaus, erreichte hiermit Erleichterungen für das hannoversche Notariat; schuf aber auch von Zeit zu Zeit Erschwernisse. In Abschnitt sechs der HNO trat im Weiteren ein anderer, nicht weniger interessanter Aspekt hervor : Hiermit ist die Verortung des Notariats innerhalb der hannoversch-königlichen Verwaltungshierarchie gemeint. Wie bereits im Fall der ab 1853 zu führenden Protokollbücher zu erkennen gewesen ist, hatte sich hier die Staatsanwaltschaft über deren konkrete Führung und Pflege auf 952 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 29; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 906 f.; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 953 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 34; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 905; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 954 Bojunga (Hg.), die Notariatsordnung für das Königreich Hannover, Unter Berücksichtigung der Regierungsmotive und ständischen Erwiederung zum practischen Gebrauche mit dem Inhaltsverzeichnisse (1853), S. 35; Aktenstücke, 11. Landtag, 4. Diät von 1852, S. 833 – 907, 905; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 252; IA2B; 19; 91/21057, vgl. hier unter Fßn. 587 m.w.N. 955 Vgl. hierzu: §§ 51 – 58 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2. 956 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 a) cc) sowie unter II 3 a) (dd).
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dem Laufenden zu halten. Sie wachte demnach als Aufsichtsbehörde über das hannoversche Notariat.957 Die Staatsanwaltschaft war es allerdings auch, die gemäß der Bestimmungen §§ 54 f. HNO die Aufsicht über die konkrete Schadensregulierung von notariellen Haftungsfällen innehatte. Die notarielle (Haftungs-) Kaution war zwar bei Gericht zu hinterlegen und der Amtsrichter entschied über den Haftungsfall dem Grunde nach, die Staatsanwaltschaft trat allerdings bezüglich der konkreten Abwicklung eines Schadensfalls gleichwohl als übergeordnete Verwaltungsbehörde in Erscheinung. In den Regierungsmotiven finden sich leider keine Anhaltspunkte zur Begründung ebendieser Organisation. In diesem Zusammenhang stellt sich daher erneut die Frage nach einer berufsständischen Kontrollorganisation in Form einer selbstständigen Notariatskammer. Eine solche wurde nicht installiert. Kammerartige Strukturen und deren Institutionen wären allerdings ebenso, wenn nicht sogar effektiver, in der Lage gewesen, die Belange des Notariats und etwaige Schadensregulierungen zu kontrollieren. Ihre Neutralität sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Naturgemäß hätte eine ständische Selbstkontrolle mit deutlich höherer Akzeptanz innerhalb der eigenen Berufsgruppe rechnen können, als dies bei einer staatlichen Prüfung der Fall gewesen ist.958 Dennoch existierte eine solche berufsständische Instanz im Hannover des 19. Jahrhunderts (noch) nicht und wurde auch nicht in der Geltungszeit der Notariatsordnung geschaffen. Mithin musste eine Kontrollinstanz gefunden werden, die bereits bestand, in den Verwaltungsapparat funktionell sowie institutionell eingegliedert war und wohl nicht erneut das Amtsgericht sein sollte. Somit bot sich die Staatsanwaltschaft als bei den örtlich zuständigen Gerichten ebenfalls angesiedelte Stelle wohl aus rein praktischen Erwägungen an.959 Ob dies allerdings auch aus Sicht des Notariats in ebensolch praktischer Weise empfunden wurde, wird an späterer Stelle Beachtung finden.960 Es bleibt zu konstatieren, dass sich auch innerhalb der allgemeinen Stände957 Vgl. hierzu: §§ 77, 78 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2; Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 13. 958 Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIf., (Vorbemerkungen). 959 Die Stimmen aus der Praxis sahen jedoch die Unterordnung des hannoverschen Notariats unter die Strafverfolgungsbehörde mehr als kritisch: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. VIII, (Vorbemerkungen). 960 Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter III.
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versammlung kein Widerstand bezüglich dieser Unterordnung des hannoverschen Notariats unter die staatliche bzw. staatsanwaltliche Gewalt regte. Auch hinsichtlich der genauen Ausgestaltung der Haftungsangelegenheiten trat somit die Strafverfolgungsbehörde in zentraler Rolle auf. Schadensersatzansprüche gegen den Notar mussten nach gerichtlicher Feststellung direkt bei dieser angemeldet werden.961 Darüber hinaus hatte der Staatsanwalt bei mehreren, zeitgleichen Inanspruchnahmen ein und dergleichen Notariatskaution über die Reihung der Liquidation etwaiger Ansprüche zu befinden. Dies war dann von erheblicher Bedeutung, wenn mehrere dieser simultan geltend gemachten Ausgleichsansprüche die Obergrenze der Haftungs- bzw. Kautionsmaximalsumme überschritten. Wurde die Gesamtsumme der Haftung durch die Kaution nicht mehr gedeckt, kam es zum Fall des § 56 der HNO. Vergleichbar der Haftungsinsolvenz des Notars bestimmte § 56 HNO, dass die Verteilung der Ausgleichssummen insgesamt stets in chronologischer Reihung der gegenüber dem Notar geltend gemachten Schadensersatzansprüche auszuzahlen war. Eine Erhöhung der von Gesetzes wegen bestimmten Maximalsumme der Kaution war nicht möglich. Im Kreis der Gläubiger des Notars galt insoweit das »Windhundprinzip«. Zuerst geltend gemachte (begründete) Ansprüche wurden mit Priorität behandelt und ausgezahlt. Es erfolgte de facto eine Anmeldung zur Kautionstabelle. Zu bemerken ist, dass die Staatsanwaltschaft lediglich Stelle der Geltendmachung von Ansprüchen und (Auszahlungs-) Kasse wurde. Über die viel bedeutendere Begründetheit der Schadensersatzansprüche hatte – wie soeben angedeutet – allein das Amtsgericht des jeweiligen Notarbezirks, mithin der örtlich zuständige Richter, zu entscheiden. Abermals unterstand der Notar somit seinem »freien« Konkurrenten von Gesetzes wegen und war gewissermaßen sogar von dessen Gunst und dem richterlichen Rechtsverständnis der notariellen Arbeit abhängig. Letzterer konnte folglich über die Begründetheit etwaiger Forderungen gegen seinen ideellen »Konkurrenten« entscheiden. Nicht selten hatte der Richter damit über die wirtschaftliche Existenz des Notars zu befinden. Anders als noch zur Zeit Kaiser Maximilians I. konnte der Notar allerdings den Folgen seiner Fehler in keinem Fall mehr entgehen, was zumindest den Interessen der Mandantschaft, des Publikums und somit des Wirtschafts- und Rechtsverkehrs, also auch dem zweiten, rechtspolitischen Leitmotiv der hannoverschen Kodifikation entsprach. Die Unumstößlichkeit der Haftungsverpflichtung des Notars wird daher auch in der letzten Bestimmung dieses sechsten Abschnitts nochmals verdeutlicht. § 58 HNO bestimmte die Auflösung 961 Vgl. hierzu: § 56 HNO; Hannoversche Königliche Notariatsordnung; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, vom Jahre 1853, Erster Band, Heft 43, 1. Abtheilung Nr. 42, S. 345 – 366; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann. 10 – 2.
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der Kaution nur für den Fall der Beendigung der notariellen Betätigung. Dieses Ende war allein in der Pensionierung oder im Tod des Notars zu erkennen. Für die Auflösung der Haftungskaution musste der hannoversche Notar somit als Organ der Rechtspflege oder gar als Mensch aufhören zu existieren. Diese Kompromisslosigkeit war Ausdruck der aus der Vergangenheit gezogenen Lehren einer ehemals vielschichtigen Mangelhaftigkeit des gesamtdeutschen Notariats sowie einer strikten Verfolgung des rechtspolitischen Motivs der neuen Gesetzgebung im Königreich Hannover. Geht man allein vom Normenkatalog des hannoverschen Notariatsrechts des 19. Jahrhunderts aus, scheint zumindest die Umsetzung dieses zweiten rechtspolitischen Beweggrundes gut umgesetzt worden zu sein. Indessen erscheint, als Tribut an diese erhöhte Rechtssicherheit des Publikums das hierneben stehende echte, gesetzgeberische Ziel der freien Konkurrenz von Amtsrichter und Notar auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 21 GVGKHann.) kaum erreicht. Zu diesem Schluss muss man kommen: Betraute man den Richter in Teilen doch sogar mit der Disziplinargewalt sowie mit einer Entscheidungskompetenz über Haftungsverbindlichkeiten des Notars wie auch die richterliche Arbeit mit weit weniger formalen Anforderungen versehen wurde und der Notar durch das Zeugenerfordernis in der öffentlichen Wahrnehmung mittelbar aber dennoch augenscheinlich herabwürdigt wurde. ff )
Sicherung der Notariatsurkunden, Notariatsgebühren (»Siebenter und achter Abschnitt«) Gaben die bis hier dargestellten Regelungsinhalte der HNO erheblichen Anlass zur Diskussion zwischen der allgemeinen Ständeversammlung und der landesherrlichen Regierungskommission sowie immer wieder Belege für die faktische Benachteiligung des Notars gegenüber dem Amtsrichter, waren die Verhandlungen um die Abschnitte sieben und acht gleichermaßen ereignislos. Der von der Landesregierung erdachte Gebührenschlüssel und die notarielle Taxordnung wurden durch die Ständeversammlung widerspruchslos als geeignet angesehen und fanden unverändert Eingang in die Endfassung der HNO. Anders sollte es mit der Gleichberechtigung im Rahmen der freien Konkurrenz von Richter und Notar in den folgenden Bestimmungen des neunten Abschnittes sein. gg)
Disziplinargewalt über die Notare (Neunter Abschnitt: »Von der Disziplinargewalt über die Notare«) Wie bereits für den speziellsten Fall der Notariatsurkunde, die letztwillige Verfügung von Todes wegen festgestellt werden konnte,962 wurde die nachlässige, 962 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) dd).
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notarielle Betätigung im Falle von Versäumnissen mittels disziplinarer Strafe geahndet. Das Prinzip der disziplinarrechtlichen Strafe sollte nicht nur auf die einzelnen besonderen Notariatshandlungen um die Testamentserrichtung beschränkt bleiben. In Abschnitt neun der HNO wurde daher erstmalig in der hannoverschen Notariatsgeschichte ein notarielles Recht der Disziplinarstrafe und des Disziplinarverfahrens erfasst und auf alle Bereiche der notariellen Tätigkeit ausgedehnt. Schon bei der ersten Betrachtung der überschaubaren Anzahl an Bestimmungen dieses Abschnittes fällt auf, dass sich innerhalb der HNO allem voran auf die allgemeine Regelung einer Oberaufsicht in Form der Rechtsund Fachaufsicht über das Notariat beschränkt wurde. Vier Bestimmungen mit den §§ 76 – 80 HNO setzten sich hiermit auseinander. Während die Regelungen der §§ 76 – 78 HNO eine Form der Rechtsaufsicht zum Gegenstand hatten, nahmen sich die Normen der §§ 79 – 80 HNO einer Fachaufsicht – also der Zweckmäßigkeitskontrolle der notariellen Arbeit – für das hannoversche Notariat an. Eine konkretere Ausgestaltung dieses »allgemeinen« Disziplinarrechts findet sich innerhalb der Notariatsordnung nicht. Letztere sucht man auch in den folgenden Bestimmungen vergeblich. Auch für das Disziplinarrecht waren also, ähnlich der Regelung des § 21 GVGKHann. und der Konkretisierung der freiwilligen Gerichtsbarkeit für das hannoversche Notariat,963 Nebengesetze erforderlich um den Bereich der Disziplinarstrafe und des Disziplinarverfahrens näher auszugestalten. Wieder fühlt man sich an das Prinzip der kaiserlichen Ordnung von 1512 erinnert. § 78 HNO verwies als eher rahmenrechtliche Bestimmungen, wie es auch Abschnitt zwei der HNO insgesamt tat, auf landesherrliche Nebengesetze. Das neunte Kapitel des hannoverschen Staatsdienergesetzes vom 8. Mai 1852964 sollte diese Ergänzungsfunktion für das (Notariats-) Disziplinarrecht übernehmen.965 Anders als noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts konnte sich der landesherrliche Gesetzgeber auch an dieser Stelle um den Bestand konkretisierender Normen sicher sein. Dies galt insbesondere für den genauen Inhalt 963 Siehe dazu insgesamt auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4. 964 Vgl. hierzu: insgesamt Staatsdienergesetz; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, für das Jahr 1852, 1. Abtheilung, Nr. 17, S. 96 – 117; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann 10 – 2. 965 Auch die Wahl des Staatsdienergesetzes zur Flankierung des notariellen Disziplinarrechts stieß innerhalb der notariellen Zunft auf wenig Zuspruch, da der Notar nach hannoverschem Verständnis eben kein solcher Staatsdiener war. Somit konnten auf ihn lediglich die Pflichten aus dem Staatsdienergesetz übertragen werden, die Rechte, wie eine soziale Absicherung über den Staat oder die Inanspruchnahme der Witwenkasse wurden dem Notar nicht eröffnet. Insofern war hier einmal mehr eine indirekte Benachteiligung und somit eine Erschwerung der freien Konkurrenz gegeben; Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. XI, (Vorbemerkungen).
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
und die Details ebendieser Bestimmungen des Staatsdienergesetzes. Zur Klärung der möglichen Disziplinarstrafen und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten sowie im Hinblick auf eine Gleichstellung von Amtsrichter und Notar muss sich daher dem hannoverschen Staatsdienergesetz genauer zugewandt werden. Die entscheidenden Bestimmungen innerhalb dieses hinzusetzenden Nebengesetzes waren in erster Linie die §§ 53 – 65 StaatsDG. Den genauen Anwendungsbereich des StaatsDG klärten die Regelungen der §§ 2 – 10 StaatsDG. Diese brachten das Staatsdienergesetz ausdrücklich auf das Notariat zur Anwendung. Im Rahmen des »neuen notariatsrechtlichen« Disziplinarrechtes war zunächst zwischen den sogenannten möglichen Zwangsmitteln und der echten Disziplinarstrafe zu unterscheiden. Während § 53 StaatsDG die weniger gravierenden Verletzungen der notariellen/staatsdienerlichen Dienstpflichten normierte und mit Sanktionen bedrohte, bestrafte § 56 StaatsDG bei vorangegangener Wirkungslosigkeit der Zwangsmittel mit der echten Disziplinarstrafe. Geeignetes Zwangsmittel bei nicht pflichtgemäßer Wahrnehmung der Dienstpflichten waren etwa die Aufgabe von Geldbußen oder die durch andere Stellen zu besorgende Ersatzvornahme auf Kosten des jeweiligen Notars. Die Geldbuße durfte aber eine Höchstsumme von 50 Talern nicht überschreiten. Sie war somit in ihrer Ausgestaltung zwischen einem und 50 Talern flexibel ausgestaltet und konnte auf den einzelnen Fall und Grad der Verfehlung angepasst werden. Sie trug daher einen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in sich. Hierbei darf indes nicht übersehen werden, dass nicht die mögliche Verfehlung im Verfahren um die Testamentserrichtung gemeint waren. Diese regelte der Abschnitt vier der HNO abschließend. Maßnahmen, die noch unter die Grenze der »allgemeinen« Ordnungsgeldregelungen fielen, konnten aber auch ohne finanzielle Einbußen für den Notar sanktioniert werden. Disziplinarrechtliche Mittel waren hierfür die sogenannte »Erinnerung« und die »zusätzliche Weisung«, so bestimmte es § 54 StaatsDG.966 Erst nachdem diese Maßnahmen fruchtlos geblieben waren, kam § 55 StaatsDG zum Tragen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war mithin auch der HNO in Verbindung mit dem StaatsDG insgesamt bekannt. Das Disziplinarrecht war mithin gestaffelt aufgebaut. Die »echten« Straftatbestände bestimmten daher deutlich schärfere Rechtsfolgen. Sie waren gleichwohl bezeichnend offen formuliert. § 55 StaatsDG befand dienstliche Verfehlungen, die mit Trunkenheit, generell unsittlichem Betragen in der Öffentlichkeit, der persönlichen Verschuldung, Spielsucht sowie dem ungebührlichen Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Untergebenen in Zusammenhang stand, als straf966 Vgl. hierzu: § 54 Staatsdienergesetz; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, für das Jahr 1852, 1. Abtheilung, Nr. 17, S. 96 – 117; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann 10 – 2.
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würdig. Mit diesem weitgefassten Spektrum an möglichen Fehltritten konnte den Verfehlungen oder der Erregung insbesondere öffentlichen Ärgernisses begegnet werden. Gerade das offene und unbestimmte Tatbestandsmerkmal der »generellen Unsittlichkeit« konnte den zu beklagenden Mängeln im Notariat früherer Zeiten entgegen wirken und bot eine hinreichende Rechtsgrundlage zur disziplinarischen Ahndung. Ähnlich offen war auch die schon erwähnte erläuternde Regelung zur Celler Gerichtsordnung des 18. Jahrhunderts bzgl. der Zulassungsfrage bereits immatrikulierter ; aber aus Sicht Celles ungeeigneter Notariatskandidaten ausgefallen.967 Hannover blieb mithin auch im Disziplinarrecht seiner auf den Ausschluss von ungeeigneten Notaren gerichteten Tendenz im 19. Jahrhundert treu. Dies wurde insbesondere mit weit gefassten und unbestimmten Tatbestandsmerkmalen der jeweiligen Normen erreicht. Gleichzeitig dürfte die Bestimmung des § 55 StaatsDG ausreichende generalpräventive Wirkung gehabt haben, betrachtet man die in der folgenden Bestimmung des § 56 StaatsDG genannten disziplinarrechtlichen Rechtsfolgen in Form der sogenannten möglichen Sanktionen. Eine Disziplinarstrafe war stets in Geld zu begleichen. Von ihr konnte auch aus Opportunitätsgründen nicht abgesehen werden. Sie konnte sich bis auf 100 Taler belaufen. Hinzu trat kumulativ eine der weiteren sechs Alternativen des § 56 StaatsDG. Der schriftliche Verweis (Nr. 2) oder auch der mit besonders tadelnder Wirkung verbundene mündliche Verweis vor versammelter Behörde (Nr. 3) konnte verhängt werden. Darüber hinaus gab § 56 Nr. 4 StaatsDG die Möglichkeit der Suspendierung vom Dienst oder das Einbehalten des Gehaltes. Letzteres machte indes für den auf eigene Rechnung tätigen Notar wenig Sinn. Die Suspendierung vom Dienst blieb der aufsichtshabenden Behörde (Staatsanwaltschaft, § 76 HNO)968 auch bezüglich des Notariats gleichwohl unbenommen. Ferner konnte durch Nr. 5 die teilweise Entziehung des erwirtschafteten Lohns erfolgen. Entgegen der Einbehaltung des Gehalts von Behördenangestellten konnte diese für den freien Notar eine besondere Härte darstellen, da hier zwangsläufig ein besonders rückwirkender Effekt erzielt wurde. War nämlich das Angestelltengehalt jeden Monat in seiner Höhe gleich und pünktlich zu verbuchen, musst die gezahlte Strafsumme durch den freiberuflichen Notar erst wieder erwirtschaftet werden, ohne für deren 967 Siehe dazu auch im 2. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1 sowie unter II 2. 968 Im Speziellen wurde die sachliche und personelle Fremdheit der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Notariats durch die Praktiker als ungünstige Lösung empfunden und daher für änderungsbedürftig gehalten; so auch: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. XI, (Vorbemerkungen). Eine Neuerung sollte jedoch bis zur Gründung der Notarkammer Celle in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf sich warten lassen; (näher dazu im 3. Kapitel dieses Teils 2).
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Höhe und Erhalt Gewissheit zu haben. Diese besondere Härte wurde auch durch den hannoverschen Gesetzgeber erkannt. Vor diesem Hintergrund und der ohnehin durch den Notar zu bestellenden Haftungskaution969 kam § 56 Nr. 5 StaatsDG für das Notariat regelmäßig nicht zur Anwendung. Gleiches galt für die in § 56 StaatsDG genannte Möglichkeit der Versetzung auf eine andere Dienststelle, wobei sich diese Ausnahme für das Notariat bereits systematisch erklärt, da der Notar an seinen Wohnort gemäß der Residenzpflicht des § 1 der HNO fest gebunden war. Eine Zwangsversetzung wäre somit einem wirtschaftlichen Existenzvernichtung gleichgekommen, hätte im Widerspruch zu den Normen der vorrangigen Notariatsgesetzgebung sowie der angestrebten Rechtseinheit im hannoverschen Staat gestanden und schließlich die Grenze einer verhältnismäßigen Ultima Ratio merklich überschritten. Wurden zwar einige Stellen des Disziplinarrechts für den Notar entschärft, fanden sich allerdings noch immer erhebliche Benachteiligungen gegenüber dem Amtsrichter. Anders als der öffentliche (Verwaltungs-) Angestellte, zu denen dem Grunde nach auch der verbeamtete Richter zählte, konnte der Notar mittels einfachem Verwaltungshandeln durch die zuständige Behörde im Bescheid-Verfahren disziplinarisch zur Verantwortung gezogen und mit Strafe belegt werden.970 Für die disziplinarische Verfolgung des Richters musste im Gegensatz hierzu ein eigenes behördeninternes disziplinarrechtliches Gerichtsverfahren angestrengt werden.971 Es galt mithin einen verwaltungstechnisch deutlich größeren Aufwand zu betreiben, sollte ein Richter für etwaige dienstliche Verfehlungen bzgl. einer Amtshaftung tatsächlich belangt werden. Eine Verfolgung und Kontrolle des hannoverschen Notars war somit schon aus sachlicher sowie aus rechtlicher Hinsicht einfacher zu besorgen – nicht zuletzt, da das Gericht erster Instanz für Disziplinarverfahren gegen den Richter bereits das Oberappellationsgericht zu Celle war.972 Das hannoversche Publikum wird auf Grund der einfacheren Handhabe gegenüber notariellen Dienstverfehlungen deutlich weniger tolerant 969 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) (dd) sowie unter II 4 b) dd). 970 Vgl. hierzu: § 57 Staatsdienergesetz: »Disziplinarstrafen gegen sonstige Staatsdiener (auch der Notar) können die Strafen Nr. 1 bis 3 des § 56 von der unmittelbar vorgesetzten Behörde […] erkannt werden.«; Staatsdienergesetz; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, für das Jahr 1852, 1. Abtheilung, Nr. 17, S. 96 – 117; TIBHannover Sig.: jur 001 BR Hann 10 – 2, (Ergänzung nicht im Original). 971 Vgl. hierzu: § 1 Gesetz: Das Disziplinarverfahern gegen Richter ; die Aufhebung der Dienstentlastung als Criminalstrafe gegen Richter betreffend vom 8. Mai 1852: »[…] erfolgt die Erkennung der Disciplnarstrafen gegen Richter durch die zuständigen Disciplinargerichte.«; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, für das Jahr 1852, 1. Abtheilung, Nr. 18, S. 117 – 121; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann 10 – 2. 972 Vgl. hierzu: § 2 Gesetz: Das Disziplinarverfahren gegen Richter ; die Aufhebung der Dienstentlastung als Criminalstrafe gegen Richter betreffend vom 8. Mai 1852; Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, für das Jahr 1852, 1. Abtheilung, Nr. 18, S. 117 – 121; TIB-Hannover Sig.: jur 001 BR Hann 10 – 2.
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gewesen sein, als es für die disziplinarische Überprüfung des Richters der Fall gewesen sein wird. Eine Entschärfung des bis hier gegebenenfalls unbemerkt gebliebenen benachteiligenden Gesamtcharakters der HNO ist mithin auch im ausgelagerten Disziplinarrecht des Hannoverschen Königlichen Staatsdienergesetzes im Ergebnis nicht auszumachen. hh)
Das Ende der notariellen Betätigung (Zehnter Abschnitt: »Von dem Erlöschen der Befugnis zur Ausübung des Notariats«) Wie dargestellt, konnte der Notar bei groben Verfehlungen oder bei nicht erfolgter Kautionsbestellung aus seinem Amt zwangsweise entfernt werden. Im Weiteren wurde die notarielle Betätigung nur in den durch § 81 HNO bestimmten Fällen regelgerecht beendet. Über die Begründung dieser abschließenden Normen der HNO sowie ihre genaue Ausgestaltung herrschte zwischen Regierungskommission und allgemeiner Ständeversammlung völlige Übereinstimmung. Lediglich fünf mögliche Erlöschensgründe zählte die HNO für das Notariat auf. Zum Teil nahmen diese Paragrafen hierbei Bezug auf Normen der vorangegangenen Abschnitte und schlossen hiermit den Kreis des notariatsrechtlichen Bestimmungskanons auch in systematischer Hinsicht. Sie nahmen zugleich auf Entwicklungen der persönlichen Verhältnisse des Notars Rücksicht. Zu den fünf Varianten zählte insoweit der freiwillige Verzicht der weiteren Ausübung des Notariats (Nr. 1), die eigenmächtige Veränderung des Wohnsitzes (Nr. 2 Verstoß gegen die zwingende Residenzpflicht der Ordnung, § 1 HNO), der Fall der Inkompatibilität mit anderen öffentlichen (ständepolitischen) Ämtern ohne vorherige Genehmigung (Nr. 3),973 der Fall, ausgebliebener aber konstitutiver Kautionsbestellung (Nr. 4) sowie der eingetretene Konkurs des jeweiligen Notariats (Nr. 5). Im letzten Abschnitt wurden demnach die konstitutive Wirkung der zu bestellenden Kaution sowie die strikte Residenzpflicht des Notars deutlich und auch die für die politischen Stände und ihre Macht im Staat »Hannover« bedeutende Frage der Kompatibilität mit weiteren öffentlichen Ämtern nochmals betont. Die Rechtswirkung ihrer Missachtung bzw. Nichterfüllung wurde klargestellt und mit absolutem Amtsverlust belegt. Die Bedeutung der jeweiligen Regelungsinhalte für die Klarheit im hannoverschen Recht sowie für die Integrität des hannoverschen Notariats bekam somit ihre abschließende ordnungsrechtliche Legitimation. Gleichzeitig trat das Ziel der erhöhten und im Ergebnis wohl auch erreichten Publikumssicherheit als heimliches erstes Ziel der Gesetzgebung nochmals deutlich hervor.
973 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) aa) sowie unter II 4 b) bb).
282 III.
Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
Resümee zur hannoverschen Notariatsgesetzgebung
Mit Abschluss der wissenschaftlichen Betrachtung der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung (HNO), ihren Hintergründen und ihrem Regelungskanon kann das Folgende mithin resümiert werden: Unter besonderer Beachtung der hannoverschen Verfassungsgeschichte war die hannoversche Notariatsgesetzgebung des Jahres 1853 ständepolitisch stark beeinflusst. Dies galt insbesondere für inhaltliche Details einzelner Normen sowie für ganze Regelungsabschnitte. Diese umfassenden Mitbestimmungsrechte hätten der Ständeversammlung jedoch allein von Verfassung wegen nicht offen stehen dürfen. Die oftmals unsaubere Umsetzung der für die HNO formulierten gesetzgeberischen Ziele, bedingt durch unklaren Wortlaut der entscheidenden Verfassungsnorm (§ 65 des Verfassungsänderungsgesetzes von 1848), erfährt durch die ständisch geprägte Entstehungsgeschichte der Ordnung ihre Bestätigung. Verantwortlich für die starke ständische Prägung in diesem Prozess waren allem voran die Entwicklungen im hiesigen Verfassungsrecht und der stetig schwelende Konflikt zwischen dem hannoverschen Landesherrn und der ständepolitischen »Volksvertretung« um Vorrechte sowie Einfluss im hannoverschen Staat. Ihren traditionell gewachsenen, zeitweise erheblichen Einfluss auf das staatliche Gefüge hatten die politischen Stände als Vertreter einer einzigen gesellschaftlichen Kaste (der adeligen Ritterschaft) erst nach Erlass der Notariatsordnung verloren. Die Stände konnten die bis dahin auch in der Rechtswissenschaft immer noch bestehende liberale Stimmung auf Grundlage der 1848er (Verfassungs-) Bestimmungen im Gesetzgebungsverfahren der HNO für sich nutzen. Die neue notariatsrechtliche Kodifikation von 1853 vermochte hier neben aus normativer Sicht die von ihr anvisierten Ziele allerdings nicht zu gleichen Teilen umzusetzen. Diese Ziele waren immerhin die gänzlich freie Konkurrenz zwischen Amtsrichter und Notar sowie die gleichzeitige Erhöhung der Rechtssicherheit für Bürger, Urkundenwesen und Rechtsverkehr. Darüber hinaus suchte man mittelbar eine Harmonisierung des Notariatsrechts in Beziehung zum bereits 1850 in Kraft getretenen Gerichtsverfassungsgesetz sowie zu anderen kleineren Nebengesetzen zu erreichen. Lediglich in formaler Hinsicht kann jedoch von einer freien Konkurrenz des Notars zum Amtsrichter gesprochen werden. Von einer echten Gleichberechtigung auf gesetzlicher Ebene ist in keinem Abschnitt der HNO oder in teilweise neu geschaffenen Nebengesetzen auszugehen. Wird eine frei Konkurrenz in den Motiven der Regierung und der Ständeversammlung zwar immer wieder klar beabsichtigt, blieb es im Ergebnis allzu oft bei diesen Absichtserklärungen. Die Etablierung der freien Konkurrenz wurde infolgedessen auch von der zeitgenössischen Praxis als illusorisch angesehen. Eine Gleichstellung gelang lediglich auf vereinzelten Nebenschauplät-
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zen, die für sich gesehen nicht geeignet waren, das erste Leitmotiv der hannoverschen Notariatsgesetzgebung tatsächlich umzusetzen. Das zweite rechtspolitische Ziel avancierte en passant zum heimlichen ersten Ziel der Ordnung. In den entscheidenden Abschnitten der HNO (Geschäftsverteilung, Disziplinargewalt, Disziplinarstrafe, Haftungssicherung, Liquidation von Haftungsverbindlichkeiten sowie insbesondere in der Ausformung der konkreten Beurkundungstätigkeit), in denen es möglich gewesen wäre, die Konkurrenz frei und gleichberechtigt zu gestalten, wurde dies nicht getan. Immer wieder musste der Notar hinter dem Richter zurückstehen oder sah sich Erschwernissen seiner Tätigkeit gegenüber, die dem Richter erlassen blieben. Dort, wo eine Konkurrenz vermeintlich durch Erweiterung der Kompetenzen des Notars erreicht schien, wurde unmittelbar ein Mehr an zu wahrenden Anforderungen an die Urkundenerstellung geschaffen. Dies kompensierte den zunächst gegebenen Vorsprung gegenüber dem Amtsgericht immer wieder. Die von Zeit zu Zeit im Interesse einer Vereinfachung der alltäglichen Geschäftsführung vorgebrachte ständische Kritik am landesherrlichen Erstentwurf zur HNO änderte hieran wenig. Die Ständeversammlung konnte hierbei nie wirklich konsequent und im Ergebnis ebenso wenig notariatsfördernd wirken. In erster Linie ist dies für die Abschnitte drei und vier der HNO festzustellen. Dem Notar wurde hier ein erheblicher Mehraufwand zur Erreichung einer haltbaren publica fides für seine Instrumente auferlegt, während dies dem Richter gänzlich erspart blieb. Besonders ist hier an das Hinzuziehen von Zeugen zur wirksamen Erstellung der Notariatsurkunde zu denken. Einzig dort, wo die Ständeversammlung die Möglichkeit sah, ihre politische Machtposition gegenüber dem Landesherrn über das Notariatsrecht auszubauen, wurden dementsprechende Anstrengungen im Verfahren unternommen. Dies gilt ausdrücklich für die Frage der Kompatibilität von ständepolitischen Ämtern mit dem Amt des Notars und den Voraussetzungen für die Genehmigung dieser funktionellen Personalunion. Gerade in diesem Zusammenhang fällt auf, dass das gesetzlich nicht vorformulierte, aber rechtspolitisch stark aufgeladene Ziel der zu steigernden Rechtssicherheit dem gesetzlich postulierten Ziel der freien Konkurrenz im Ergebnis klar vorangestellt wurde und durch die Ständeversammlung instrumentalisiert werden konnte. Die Rechtssicherheit des hannoverschen Bürgers, Notariatsmandanten und des Rechtsverkehrs war im Speziellen vor dem Hintergrund der mangelbehafteten Vergangenheit des gesamtdeutschen Notariats zwar ein hohes, zu förderndes und gesellschaftspolitisch viel diskutiertes Gut; allerdings behinderte die Verfolgung dieses Ziels Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur das erste Leitmotiv der hannoverschen Gesetzgebung. Es machte dessen Umsetzung tatsächlich unmöglich. So ist jedenfalls mit dem GVGKHann. von 1850 und der neu geschaffenen HNO ab 1853 im Königreich Hannover auch keine echte Harmo-
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nisierung im Recht festzustellen. Lässt man jedoch die Ergebnisse zum gemeinrechtlichen Notariat mit seinen erheblichen Mängeln und gänzlich fehlender Sicherheit für das Publikum Revue passieren, erscheint das fast überbordende Bedürfnis des Gesetzgebers diesen alten Zuständen entgegenzuwirken, umso verständlicher. Die Frage der Freiheit einer Konkurrenz zwischen Amtsgericht und Notariat verlor er wohl aus diesem Grund immer wieder aus den Augen. Beide Ziele wurden schließlich nicht zu gleichen Teilen erreicht. Die Erhöhung der Rechtssicherheit und das Etablieren einer freien Konkurrenz zwischen Notar und Richter hebelten einander sogar zwangsläufig aus. Das gesellschaftspolitische Ziel der Publikumssicherheit überwog somit zu jeder Zeit. Insofern war die HNO mehr Produkt einer Gesetzgebung innenpolitisch motivierter Kräfte, als Ergebnis einer konsequent verfolgten Gesetzgebung mit dem objektiven Ziel einer echten staatlichen Rechtseinheit. Dieses Ergebnis steht fest; dass die HNO als moderne Kodifikation alle wichtigen Bereiche des hannoverschen Notariats erstmals umfassend rechtlich erfasste und systematisch nachvollziehbar regelte ändert hieran nichts.
IV.
Gründe der Fortgeltung der hannoverschen Regelungen im preußischen Staat auch nach 1866
Vor diesem Ergebnis stellt sich die Frage, warum die HNO trotz der bis hier dargestellten Inkonsequenz und ihrer nicht erreichten Harmonisierung auch nach der Annexion Hannovers durch Preußen 1866974 bis fast in das Jahr 1900 fort galt. Besondere Relevanz gewinnt diese Frage vor dem Hintergrund der nur mäßig gelungenen Umsetzung einer freien Konkurrenz von Amtsrichter und Notar, der Vereinbarkeit von Notariat und Anwaltschaft sowie der Eigenschaft genuin hannoversche Gesetzgebung zu sein. Die lange Fortgeltung überrascht, denn mit dem Jahr 1866 wurde Hannover zur preußischen Provinz herabgewürdigt.975 Das Außerkraftsetzen des hannoverschen Rechts (auch der HNO) wäre eigentlich als Ausdruck des Herrschaftsanspruches der neuen preußischen Machthaber zu erwarten gewesen.976 Dies gilt besonders für ein Thema wie es das 974 Vgl. hierzu auch insgesamt: Mahrenholz, Ein Königreich wird Provinz: über Hannovers Schicksalsjahr 1866 (2011), S. 1 – 89, insb. 67 – 89; (siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter I – IV). 975 Siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter IV. 976 Vgl. hierzu auch: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 2.
Gründe der Fortgeltung der hannoverschen Regelungen im preußischen Staat
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hiesige Notariat war, denn dieses wäre als legitimationsstiftendes Institut des Rechtsverkehrs hervorragend für den preußischen Macht- und Verwaltungsapparat zu instrumentalisieren gewesen. Dass dies etwa durch eine zwangsweise Verbeamtung leicht möglich gewesen wäre hatte bereits die Betrachtung der Braunschweiger Normen von 1850 gezeigt.977 Ein ähnlich radikales Vorgehen mit einem fremden Notariatsrecht konnte auch für den hannoverschen Staat zu Beginn des 19. Jahrhunderts für das Recht der ehemaligen französischen Besatzer festgestellt werden.978 Das französische (Notariats-) Recht war nach Beendung der Okkupation im hannoverschen Land unverzüglich entfernt worden.979 Warum überdauerte also gerade die HNO als genuin hannoversche und zudem nicht durchweg stimmige Gesetzgebung die preußische Herrschaft aber unbeschadet? Ähnlich, wie für die bemerkenswerte Stellung der politischen Stände im Land »Hannover« zwischen 1714 und 1837 sowie bereits vor 1714 waren auch für die Fortgeltung der HNO nicht deren innere Werte verantwortlich. Vielmehr waren hierfür äußere Umstände der Grund. Aus der nachstehend beschriebenen innerpolitischen Konstellation des preußischen Gesamtstaates folgte daher, dass die Ordnung die Eingliederung Hannovers in den preußischen Staat eher nebenbei unbeschadet überdauerte. Im deutschen Krieg an der Seite Österreichs war Hannover im Jahr 1866 Preußen unterlegen und fortan nur noch als preußische Provinz ohne eigenen Herrschaftsanspruch im gesamtdeutschen Territorium geführt worden. Nach der Annexion durch das preußische Reich lag somit eine Modernisierung – und für diese Untersuchung relevant – allem voran das Suchen nach Vereinheitlichung auch des (Notariats-) Rechts im preußischen (Gesamt-) Interesse.980 Besonders das Erreichen von Uniformität im Recht hätte ab 1866 im gesamtpreußischen Reich zur nachhaltigen Etablierung des preußischen Machtanspruchs mit Nachdruck vorangetrieben werden müssen. Für das Notariat galt dies hauptsächlich mit Blick auf das entgegen preußischer Auffassung in Hannover (traditionell) tolerierte bzw. sogar forcierte Anwaltsnotariat.981 Andere, zuvor bereits Hannover aber auch Preußen zugewandte Territorien, pflegten seit jeher nur ein (amts-) gerichtliches Urkundenamt bzw. ein Beamtennotariat. Dies galt auch für die stets eigenständig verbliebenen Gebiete im nun gewachsenen preußischen (Gesamt-)Reich. Zu diesen Gebieten zählten etwa Schaumburg-
977 978 979 980
Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1. Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 1. Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 1. Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 50; hierzu auch einführend: Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 398. 981 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 b) bb).
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
Lippe oder Oldenburg.982 Wieder andere, vormals originär hannoversche Territorien kannten das Institut des Notariats überhaupt nicht, was z. B. für das rechtsrheinisch gelegene Hessen der Fall gewesen ist.983 Gleichwohl besaß Preußen seit 1771 bereits eine eigene, vollauf eigenständige notariatsrechtliche Kodifikation und ein beamtenähnliches Notariatsamt. Im Jahr 1866 galten im preußischen (Gesamt-) Reich mithin drei Notariatsordnungen parallel, folglich drei verschiedene Notariatsformen sowie zum Teil auch das gemeine Recht.984 Der notarielle Normenapparat bestand aus der preußischen Ordnung des Jahres 1845, die die Normen von 1771 lediglich leicht novelliert hatte, aus der rheinisch-französisch geprägten Notariatsordnung des Jahres 1822 und der Notariatsordnung des ehemaligen Königreichs Hannover aus dem Jahr 1853. Die gesetzgeberischen Bemühungen Preußens eine einheitliche Reichsnotariatsordnung kurz nach der Annexion Hannovers zu schaffen, nahmen unter dem preußischen Vizeminister Adolf Leonhardt ihren Anfang.985 Bereits zwei Jahre nach dem preußischen Sieg über Hannover wurde im Jahr 1868 durch ihn ein Entwurf für ein einheitliches Notariatsrecht in Auftrag gegeben.986 Mit einer genuin gesamtpreußischen Notariatsordnung sollte insbesondere die seit 1771 in Preußen gesetzlich geregelte und verwaltungsrechtlich bedingte Verschmelzung von Notariat und Rechtsanwaltschaft formalrechtlich möglich gemacht werden.987 Weitere zwei (Erst-) Entwürfe 982 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 50; Am 25. September 1851 trat Schaumburg dem zwischen Preußen und Hannover vereinbarten Vertrag über Vereinigung des Zoll- und des Steuervereins und infolgedessen am 1. Januar 1854 dem Zollverein bei; abrufbar: URL:http//:www.deutsche-schutzgebiete.de/fuerstentum-schaumburg-lippe. html, abgerufen am, 04. 04. 2010. 983 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 50. 984 Vgl. hierzu: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordning von 1937 (2004), S. 1 – 19, 3 unter Fßn. 6; Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 53. 985 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordning von 1937 (2004), S. 1 – 19, 3 f. 986 Der Entwurf wurde durch Friedberg ausgearbeitet. Er entsprach indessen nicht den Vereinheitlichungsgedanken der preußischen Regierung und blieb daher unbearbeitet liegen. Vgl. hierzu auch: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordning von 1937 (2004), S. 2 f.; der Entwurf und dessen Begründung finden sich heute im geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem: Sig. I HA Rep. 84 a, Nr. 2412. 987 Vgl. hierzu auch: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsno-
Gründe der Fortgeltung der hannoverschen Regelungen im preußischen Staat
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wurden noch durch den Bundesrat zurückgewiesen, so dass man über das Stadium des »Erstentwurfs« nicht hinauskommen sollte. Leonhardt beauftragte in der Folge den unter ihm tätigen Kammergerichtsrat Kurlbaum zur Abfassung einer völlig neuen Notariatsordnung für den gesamten Norddeutschen Bund.988 Das Resultat der Arbeit Kurlbaums konnte Leonhardt Anfang des Jahres 1874 präsentieren.989 Der Entwurf sollte auch die beabsichtigte Verschmelzung von Anwaltschaft und Notariat vorsehen.990 Die gewünschte preußische Verschmelzung von Anwalt und Notar entsprach hiermit zwar auch der hannoverschen Tradition,991 war allerdings einem vollauf anderen Ziel des preußischen Staates geschuldet. Preußen suchte schlicht eine Uniformität im eigenen, gesamtstaatlichen Recht zu erreichen.992 Mit der in allen Bereichen angestrebten Uniformität sollte allem voran der preußische Gesamtherrschaftsanspruch untermauert werden. Zergliederung und Zersplitterung im Recht waren einem solchen Staatsverständnis natürlich abträglich. Trotz dieser ersten Anstrengungen sollte es nicht zu einer genaueren Beratung oder gar Verabschiedung des kurlbaumschen Entwurfs durch den Bundesrat kommen.993 Dies gründete in der
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tarordnung von 1937 (2004), S. 2 f. unter Fßn. 6, [näher zur preußischen (Rechts-) Auffassung zum Notariat und dessen Funktion im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter IV]. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 3. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 3. Vgl. hierzu auch: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 3 unter Fßn. 7. Siehe hierzu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter I 4 – 6. Vor dem Hintergrund der im preußischen Reich hinzutretenden, zugleich dem preußischen Recht grundverschiedenen, hannoverschen Ordnung sollte eine Vereinheitlichung vorangetrieben werden, welche auch Kurlbaum bezweckte und mit der durch Hannover hervorgerufenen starken Diversifizierung im gesamt-preußischen Notariatsrecht begründet sah. Die Verschmelzung von Anwaltschaft und Notariat in Preußen wurde somit zum Gewollten. Vgl. hierzu: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 1 – 19, 2 f. unter Fßn. 7; insgesamt auch: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 53 ff.; sowie insgesamt: Pahlow, Die gescheiterte Rechtseinheit. Das Notariat im Zweiten Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik (1871 – 1933), in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats (2012), S. 129 – 160; insb. S. 130 – 143. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
Priorität der damals auf die Tagesordnung des Bundesrates gesetzten, preußischen Reichsjustizgesetze.994 Diese ließen die preußische Notariatsgesetzgebung ins Hintertreffen geraten. Auf diesen ersten Entwurf einer preußischen »Gesamtnotariatsgesetzgebung« sollten keine weiteren, durch den preußischen Staat angestoßenen Bemühungen zur Schaffung einer preußischen Notariatsordnung folgen. Das gesamtdeutsche Notariat des 19. Jahrhunderts strebte indes ebenfalls nach Einheitlichkeit in seinem Berufsrecht. Im Jahr 1876 konnte der Notar Eduard Graf den durch das Notariat (»Notarvereins für Deutschland«) in Auftrag gegebenen und entworfenen Vorschlag einer »deutschen Notariatsordnung« vorlegen.995 Diesem Entwurf waren verschiedene Beratungen der vereinsinternen Gremien vorausgegangen.996 »Hier sollten die Wünsche und Anträge des Vereins für eine gesamtdeutsche Notariatsordnung zusammengetragen werden. Das Ergebnis wurde 1867 dem Reichskanzleramt übermittelt.«997 Doch abermals scheiterte eine Vereinheitlichung des Notarrechts an einer unzureichend konsequent vorangetriebenen Gesetzesinitiative. Nunmehr traf hierfür aber das Notariat selbst die Verantwortlichkeit.998 Die genauen Umstände sind für diese Untersuchung nicht von Interesse, da sie den hannoverschen »Königsstaat« als eigenständiges Raum- und Rechtsgebilde nicht mehr betrafen. Allein entscheidend ist, dass auch nach dem Jahr 1866 die hannoversche Notariatsordnung innerhalb der ehemaligen hannoverschen Grenzen weiterhin
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(1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordning von 1937 (2004), S. 3. So auch: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 3. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 8. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 8. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 8; Der Entwurf ist ferner wiedergegeben, Heimburg, in: DNotZ 1874, Beilage zu Nr. 13, 26 Seiten. Ein Gegenbericht zur vom Verein eingesetzten Enquete findet sich von: Ordenau, in: DNotZ 1875, Beilage zur Nr. 7, 8 Seiten. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 9.
Spannungsverhältnisse im Notariatsrecht des 19. Jahrhunderts
289
Geltung für sich in Anspruch nehmen konnte. Eine neue reichsweit geltende Ordnung war bis 1900 nicht zustande gekommen. Die territorialhistorisch bedeutsame Annexion durch Preußen hatte insofern auf die genuin hannoverschen Verhältnisse im Notariatsrecht keinen nennenswerten Einfluss.999 Der Wunsch nach Vereinheitlichung des nordwestdeutschen Notariats und die Frage nach den genauen Geschäfts- und Tätigkeitsbereichen verlor erst durch die Verabschiedung des preußischen »Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit«1000 vom 21. 9. 1899 schlagartig an Bedeutung. Mit Verabschiedung der neuen Gesetzgebung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit, »die in ihrem sechsten Abschnitt eine Reihe an Bestimmungen für das Notariat bereithielt«,1001 wurde auch die hannoversche Ordnung von 1853 abgelöst. Die Bestrebungen eine einheitliche Notariatsordnung für das gesamte Reich zu schaffen, fanden daher zum Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls ihren Abschluss. Eine echte und allgemein gültige notariatsrechtliche Gesetzgebung für das gesamte norddeutsche Notariat kam jedoch nie zustande.
V.
Spannungsverhältnisse im Notariatsrecht des 19. Jahrhunderts auf hannoverschem Boden
Die mit der Annexion Hannovers im Jahre 1866 weiter gesteigerte Diversifizierung im Notariatsrecht1002 sollte also bis zum 21. 9. 1899 immer wieder zu erheblichen Spannungen innerhalb des notariatsrechtlichen Gesamtgefüges des hannoversch/preußischen Reiches führen. Dessen hannoversches Teilgebiet blieb hiervon nicht unberührt. Wird dieses Gebiet im Rahmen dieser Untersuchung in einem preußischgesamtrechtlichen Rahmen betrachtet, finden sich immer wieder Reibungspunkte zum hannoverschen Notariat und seinen Bestimmungen. Das preußische und hannoversche Notariat hatten sich durch die weitere Anwendung des preußischen Rechts in hannoverschen – zugleich ehe999 Roscher, Roscher, Gerichtsverfassung und Anwaltschaft im Königreich Hannover (1905), S. 115. 1000 Preußisches Gesetzblatt (1899), S. 249 (preuß. FGG). 1001 Meder, Hannover, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 377 – 405, 399, Fßn. 72; Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007) und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk, S. 14 – 18 16. 1002 So auch: Kurlbaum, welcher eine Vereinheitlichung im Notariatsrecht bezweckte. Er sah mit der durch Hannover hervorgerufenen starken Diversifizierung im gesamt-preußischen Notariatsrecht den Bedarf einer Vereinheitlichung begründet. Vgl. hierzu: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordning von 1937 (2004), S. 2 f. unter Fßn. 7.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
mals preußischen – Gebieten1003 allerdings schon weit vor dem Jahr 1866 wiederholt im Widerstreit befunden. Im Wesentlichen sollte sich dieser Streit auf den mit § 9 HNO i. V. m. § 21 GVGKHann. formulierten Grundsatz der freien Konkurrenz von Amtsrichter und Notar konzentrieren. Hierneben fanden sich jedoch immer wieder spezielle, formalrechtliche Anforderungen an die Erstellung einzelner Notariatsinstrumente, die der preußische Gesetzgeber vorsah, das hannoversche Recht gleichwohl nicht kannte. Mit Blick auf die ohnehin hohe Regelungsdichte der formalrichtigen Instrumentenerstellung nach hannoverschem Recht1004 machte dieser Umstand die notarielle Tätigkeit noch komplexer. 1.
Spannungsverhältnis zum preußischen Recht innerhalb hannoverscher Grenzen
Das Spannungsverhältnis bestand allem voran in Ostfriesland. Ostfriesland war erst im Jahr 1806 durch Hannover von Preußen erworben worden.1005 Im friesischen Landstrich galt mithin seit jeher das preußische Recht. Dies war zur Zeit der hannoverschen Regentschaft der Fall, wie auch nach dem Jahre 1866. Das preußische Landrecht galt darüber hinaus vor der Annexion Hannovers bereits in den hannoverschen Gebieten der Harlinger Ländereien, der Niedergrafschaft Lingen sowie im Eichsfeld.1006 Das aus der Warte des Jahres 1853 noch zukünftige preußische »Besatzungsrecht« von 1866 hatte in diesen hannoverschen Teilgebieten mithin ebenfalls ab 1853 mit der Hannoverschen Königlichen Notariatsordnung zu konkurrieren. Durch die Abtrennung vom preußischen Reich und die Anbindung an Hannover konnten diese ehemals preußischen Gebiete dem Grunde nach nicht mehr als genuin preußisch-landrechtlicher Bereich angesehen werden. Jedenfalls gilt dies ab dem Zeitpunkt des offiziellen Übergangs in das welfische Territorium. Für Ostfriesland also ab dem Jahr 1806. Dennoch wurden die in preußischen Hoheitsgebieten erlassenen Gesetze etwa in den hannoversch-friesischen Gebieten weiterhin angewandt und formal in Kraft gesetzt.1007 Die hannoversche Territorialherrschaft störte sich hieran nicht. Neben dem allgemeinen preußischen Land- und Notariatsrecht (ab 1771 besaß Preußen eine eigene Notariatsordnung) und dessen notariatsimmanenten Bestimmungen sowie der Königlichen Hannoverschen Ordnung fanden, besonders in den ländlichen Randgebieten des hannoverschen Königreichs, im Weiteren oftmals auch das gemeine Recht des Mittelalters und das Recht der frühen 1003 So war es für das Gebiet Ostfrieslands der Fall, welches durch Hannover von Preußen im Jahre 1816 erworben worden war ; (siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter I – IV). 1004 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b aa) – dd). 1005 Siehe dazu auch im 1. Kaptitel des Teils 1 unter I – IV. 1006 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 120. 1007 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 120 f.
Spannungsverhältnisse im Notariatsrecht des 19. Jahrhunderts
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Neuzeit auf das Notariat noch immer Anwendung.1008 Im Land »Hannover« der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (in den Jahren 1853 bis 1866 und darüber hinaus bis 1899) konkurrierten somit drei grundsätzlich verschiedene (notariatsrechtliche) Systeme miteinander. Die Königliche Hannoversche Notariatsordnung des Jahres 1853 galt daher einzig und allein in den hannoverschen Kernlanden konkurrenzlos. Dieser Umstand verblüfft, da sie als königliche Gesetzgebung ausdrücklich für das gesamte Königreich gelten sollte. Sie war dementsprechend von den gemein- und territorialrechtlichen Regelungen der vorangegangenen Epochen sowie dem preußischen Recht im hannoverschen Königreich streng zu unterscheiden. Im Hinblick auf das preußische Recht ergaben sich mithin verschiedene Abweichungen bezüglich der durch § 9 HNO i. V. m. § 21 GVGKHann. formulierten freien Konkurrenz zwischen Amtsrichter und Notar. Durch die Uneinheitlichkeit im gesamthannoverschen Notariatsrecht wurde in vielerlei Hinsicht die Pflege der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch preußische Bestimmungen zu Gunsten des Amtsrichters verschoben bzw. für den Notar – wie eingangs angedeutet – deutlich komplexer gestaltet. Die bereits dargestellte Inkonsequenz der hannoverschen Notariatsordnung und die hierdurch bereits erzeugte Spannung zwischen Richteramt und Notariat1009 verschärfte sich innerhalb hannoverscher Gebiete ab 1853 weiter. Die allgemeine Uneinheitlichkeit zwischen dem hannoverschen Kerngebiet und weiter entfernten »hannoverschpreußischen Provinzen« bestand allerdings auch schon vor dem Jahr 1853. Sie wirkten gleichwohl über den Erlass der HNO fort. Für eine solche (preußische) Verschiebung der notariellen Kompetenzen lassen sich verschiedene Belege in den gesetzlichen Quellen, wie etwa im hannoverschen Gesetz vom 23. April 1823, finden.1010 Alle Bestimmungen, die eine richterliche Bestätigung für Verträge über bewegliches Vermögen innerhalb hannoverscher Kernlande vorsahen wurden hiernach – auch in den ehemals preußischen Gebieten – aufgehoben. Solcherlei Geschäfte wurden mithin dem Amtsrichter entzogen und durch den Wegfall des gerichtlichen Beurkundungserfordernisses zugleich dem hannoversch-preußischen Notar theoretisch vollauf zugeschlagen. Der Notar des Jahres 1823 war gleichwohl »nur« gemeinrechtlicher Notar, da die Hannoversche Königliche Notariatsordnung noch 30 Jahre auf sich warten lassen sollte. Auch die gemeinrechtliche Kompetenzerweiterung und Harmonisierung des hiesigen Notariats blieb allerdings nur Theorie; denn in den friesisch1008 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II sowie unter III. 1009 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teil 2 unter II 4 b) aa) – dd). 1010 Ebhardt, Allg. Register zur Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1818 bis 31. December 1856; Gesetze vom 23. April 1823; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 259.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
hannoverschen Gebieten kamen die Bestimmungen des Gesetzes vom 23. April 1823 nicht zur Anwendung.1011 Wie gesagt, galt hier einzig preußisches Landrecht. Der hannoversche und zugleich friesische Notar war somit gegenüber seinem reinhannoverschen Kollegen mit Sitz im Kernland zwangsläufig benachteiligt, da er die fraglichen Beurkundungen über bewegliches Vermögen überhaupt nicht vornehmen durfte. Erst mit einem eigens für diese Konstellation geschaffenen Gesetz vom 14. November 1826,1012 das im ganzen hannoverschen Reich die Aufhebung der zwingend richterlichen Bestätigung verschiedener Geschäfte ausdrücklich anordnete, konnte ein Gleichlauf für alle »hannoverschen« gemeinrechtlichen Notare – auch in Ostfriesland – erreicht werden. Solcherlei Gefälle und Spannungen wie auch die damit verbundene Uneinheitlichkeit im hannoverschen Recht konnten auch mit in Kraft treten der HNO indes nicht vollauf beseitigt werden.1013 In den bereits benannten Gebieten (Ostfriesland, den Harlinger Ländereien, Eichsfeld) blieb auch nach 1853 das preußische Recht in Anwendung. Gleiches galt für die an ihm vorgenommenen Änderungen. Auch sie fanden Eingang in den hannoverschen Rechtskreis.1014 Aus der offenbar nicht zu erreichenden Homogenität im Notariatsrecht folgte der Bedarf an immer weiteren, speziellen Nebengesetzen, die ähnlich dem bereits gezeigten Fall des Gesetzes vom 14. November 1826 sowie auch des Bergsachengesetzes ab 18541015 den § 9 der HNO konkretisierten und ab 1853 wenigstens dem Grunde nach eine rechtliche Einheit im hannoverschen Staat ermöglichten. Mit diesen Nebengesetzen wurden allerdings nur einzelne Fälle ausdrücklich dem preußischen Recht entzogen und in den entscheidenden Gebieten dem hannoverschen Notariat zugeschlagen. Speziell zu diesem Zweck wurde im hannoverschen Königreich etwa das Gesetz vom 1. März 1869 erlas-
1011 Ebhardt, Allg. Register zur Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1818 bis 31. December 1856 (1857); Gesetze vom 23. April 1823; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 259. 1012 Ebhardt, Allg. Register zur Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1818 bis 31. December 1856 (1857); Gesetze vom 23. April 1823; GWBL-Hannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 259. 1013 Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. XVI – XXXII, S. XXIV – XXXII; Einleitung. 1014 Einen weiterführenden Überblick über die in hannoverschen Gebieten geltenden privatrechtlichen Bestimmungen gibt: Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. XVI – XXXII, S. XXIV – XXXII; Einleitung. 1015 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b bb).
Spannungsverhältnisse im Notariatsrecht des 19. Jahrhunderts
293
sen.1016 Trotz der Annexion 1866 erklärte es bemerkenswerter Weise z. B. die Bestimmung des § 1 des altpreußischen Gesetzes vom 11. Juli 18451017 in Hannover ausdrücklich für nicht anwendbar. Diese Vorschrift hatte eine Vielzahl von Rechtsgeschäften der öffentlichen Beglaubigung grundsätzlich entzogen und somit eine nötige Beurkundung vollauf abbedungen. Durch die hannoversche Änderung wurde der Tätigkeitsbereich des hannoverschen Notariats in ehemals preußischem Gebiet somit wieder erweitert bzw. erstmals eröffnet. Durch preußisches Recht wurden weitere Rechtsgeschäfte dem notariellen Tätigkeitsbereiche nach wie vor entzogen. Dies war etwa für Verträge mit eigenen Verjährungsklauseln für die vereinbarten Ansprüche oder für Verträge über Grundstückskäufe der Fall. § 3 Nr. 2 der allgemeinen Gerichtsordnung des preußischen allgemeinen Landrechts löste diese Rechtsgeschäfte per se aus der notariellen Kompetenz und sprach sie pauschal dem Amtsrichter zu. Diese Regelungen der Geschäftsverteilung wurden durch hannoversches Recht gleichwohl nicht angetastet. Das allgemeine preußische Landrecht hingegen höhlte die Bestimmung des § 9 HNO und dessen Zielsetzung der freien Konkurrenz immer wieder zu erheblichen Teilen aus und erschwerte die Freiheit der Konkurrenz von Richter und Notar in einzelnen Bereichen beträchtlich. Ein weiteres Beispiel dieser landrechtlichen Bestimmungen ist etwa die wirtschaftliche Anerkennung von Ehen, welche nach § 858 des preußischen Allgemeinen Landrechts nur richterlich möglich war. Gleiches galt für die Errichtung des Erbabfindungsvertrags. Diese Aufzählung lässt sich noch auf weitere Fälle des preußischen Rechts erweitern: Sei es die Bestätigung des Kindesnamen oder die generelle Bestätigung einer rechtlichen Tatsache durch den Notar, erfasst in den Normen der §§ 667 Abs. 2 Satz 2; 858 Abs. 2 PrALR. Insbesondere das letztge1016 Ebhardt, Allg. Register zur Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover aus den Jahren 1818 bis 31. December 1856 (1857); Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, für das Jahr 1823, GWBLHannover, (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover): Sig. ZEN ZA 259. 1017 Vgl. hierzu: § 1 altpreußisches Gesetz von 1845: »Bei den folgenden Rechtsgeschäften soll die bisher vorgeschriebene Mitwirkung der Gerichte nicht mehr erforderlich sein, sondern zur Gültigkeit dieser Geschäfte die für Verträge im Allgemeinen vorgeschriebene Form genügen: / a) bei den Altentheils- oder Ausszugsverträgen (§§ 603 und 604 Titel 11. Theil I. des Allg. Landr., und § 6 Nr. 3 Titel 1. Theil II der Allg. Gerichtsordnung); / b) bei Vergleichen über künftige Verpflegungsgelder (§ 413 Titel 16. Theil I. des Allg. Landr. und § 6 Titel 1. Theil II der Allg. Gerichtsordnung); / c) bei Erbschaftskäufen (§ 473 Titel 11. Theil I. des Allg. Landr. und § 9 Nr. 2 Titel 1. Theil II. der Allg. Gerichtsordnung; / d) bei Verkäufen künftiger Sachen, wenn der Kaufpreis die Summe von hundert Talern übersteigt (583 Titel 11. Theil I. des Allg. Landr. und § 9 Nr. 3 Titel II. der Allg. Gerichtsordnung); / e) bei der Einwilligung zur Versicherung auf das Leben eines Dritten (§ 1973 Titel 8. Theil II. des allg. Landr); Gesetz über das Verfahren bei Aufnahme von NotariatsInstrumenten, vom 11. Juli 1845, II, S. 17 – 47, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Sig.: Gr 3963 – 4.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
nannte Generalverbot der notariellen Beurkundung rechtlich relevanter Tatsachenfeststellung für das Gerichtsverfahren griff besonders weit in die (hannoversche) Kompetenzverteilung zwischen Notar und Richter ein. Dies verwundert, da gerade in der notariellen Urkunde das besonders glaubwürdige Zeugnis über Tatsachen jeder Art zu sehen ist.1018 Die hannoversche Ordnung schuf gerade deshalb für ihr Notariat rigide Regelungen für die Fälle der Beurkundung zum Zweck der Feststellung beweisrechtlich relevanter Tatsachen (bspw.: die rigiden Zeugenerfordernisse).1019 Diese waren zwingend zu beachten und zogen bei ihrer Missachtung unter Umständen erhebliche rechtliche Konsequenzen für die publica fides der jeweiligen Urkunde nach sich.1020 Schließlich kam gerade notariellen Urkunden öffentlicher Glaube zu, was die Urkunde als Beweismittel – auch für den Gerichtsprozess – umso geeigneter erscheinen lässt. Auch heute ist dies für den Urkundenprozesses gem. §§ 522 ff. ZPO immer noch der Fall, wenn zwischen Grund- und Beweisurkunde unterschieden wird. Insofern ist zu bemerken, dass die durch die verschiedenen Regelungen geschaffenen Spannungen zwischen dem hannoverschen Recht vor 1853, der königlichen Notariatsordnung ab 1853 und dem preußischen Recht die konkrete Tätigkeit des hiesigen Notars stark beeinflussten. Die Ausnahmen vom Grundsatz der freien Konkurrenz beschränkten sich ab 1853 mithin nicht nur auf inhaltliche Randgebiete der notariellen Tätigkeit und die Konkurrenz von Notar und Amtsrichter, sondern betrafen insgesamt auch größere Themenkreise der allgemeinen Beurkundungstätigkeiten. Ferner war das hannoversche Notariat intern nicht von diesen widerstreitenden Regelungssystemen unberührt geblieben. Es ergab sich zwangsläufig ein Gefälle zwischen Hannovers Notaren auf preußischrechtlichem und auf königlich hannoverschem Gebiet. Die im Kernland Hannovers ansässigen Notare waren aufgrund der genuin hannoverschen Gesetzgebung gegenüber ihren Kollegen in den ehemals preußischen Territorien besser gestellt, da sie von den Ausnahmen und Sonderregelungen des preußischen Rechts im Hinblick auf die freiwillige Gerichtsbarkeit und Beurkundungsbedürfnisse einzelner Rechtsgeschäfte völlig unberührt blieben. Die im hannoverschen Ursprungsland ansässigen Notare mussten nicht erst auf hannoversche Spezialregelungen zurückgreifen, die auch ihnen die Beurkundung einzelner Rechtsgeschäfte gestatteten. Es kam mithin nicht nur zu einer Benachteiligung der Notare im Vergleich zum Amtsrichter, sondern auch zu einer intradisziplinären Schlechterstellung des friesischen oder etwa Harlinger Notars gegenüber den Notaren innerhalb der hannoverschen Kerngebiete. Einzig die konsequente Anwendung der HNO 1018 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 15. 1019 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) dd). 1020 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) dd).
Spannungsverhältnisse im Notariatsrecht des 19. Jahrhunderts
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innerhalb des ganzen hannoverschen Territoriums ab 1853 oder ein ebenso konsequentes Forcieren des preußischen Gesetzgebungsvorhabens zur Vereinheitlichung des Notariats ab 1866 hätte in die jeweiligen Zeitabschnitte Abhilfe schaffen können. Beides blieb jedoch aus. Die hier deutlich werdenden Unterschiede zwischen hannoverschem Recht und preußischer Gesetzgebung lagen allerdings in einem grundsätzlich anders gelagerten Verständnis des Notars als Teil der Rechtspflege, bzw. als Instrument eines staatlichen Verwaltungsapparates. Auf diese Unterschiede wird an späterer Stelle noch zurückzukommen sein.1021
2.
Spannungsverhältnis der hannoverschen Ordnung zum gemeinen Recht
Ein dem Verhältnis von hannoverschem Notariatsrecht und preußischem Recht ähnliches Phänomen lässt sich in Bezug auf die Hannoversche Königliche Notariatsordnung und das bereits in Teil 1 dieser Arbeit insgesamt dargestellte1022 sowie soeben erwähnte gemeine Recht feststellen. Zum einen nahm Hannover durch seine vielfarbige Rechtslandschaft im Notariatsrecht insgesamt eine Ausnahmestellung ein; zum anderen zeigt sich am weiterhin in ländlichen Randgebieten angewandten gemeinen Recht, dass sich zum Teil sogar das mittelalterliche Recht bis in das 19. Jahrhundert hatte behaupten können. Aufgrund ebendieser Langlebigkeit wurde bereits an früherer Stelle exemplarisch auf einzelne territoriale Stadtrechte des welfischen Territoriums eingegangen.1023 Hierbei hatte es sich durchweg um städtische Verfassungen sowie Stadtrechte verschiedener größerer Stadtrechtsfamilien gehandelt. Diese Verfassungen der urbanen Siedlungsgebiete hatten hierzulande mit ihrem hohen Anspruch an den Anwender bezüglich der Mängel des gemeinrechtlichen Notariats unter Maximilian I. als Korrektiv wirken können.1024 Einige dieser stadtrechtlichen Bestimmungen galten auch noch im 19. Jahrhundert fort, wurden jedoch in der Praxis nicht mehr zur Anwendung gebracht. Im Gegensatz hierzu konnten andere gemeinrechtliche Bestimmungen mit Erlass der HNO in der Praxis nicht vollauf verdrängt werden. Die im ersten Teil der Arbeit festgestellte hohe Qualität dieser lokalen Rechte zeigt sich an dieser Stelle also ein weiteres Mal; denn sie hatten teilweise in der Moderne noch immer Bestand. Zu Spannungen zwischen dem gemeinen Recht und der modernen Ordnung des Jahres 1853 führte abermals das Leitmotiv der freien Konkurrenz zwischen Amtsrichter und Notar. § 9 HNO sprach entgegen den »alten Rechten« die Zuständigkeit für die frei1021 1022 1023 1024
Dazu näher im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter VI 1 – 3. Siehe dazu auch im 1. und 2. Teil des Teil 1, insbesondere im Kapitel 2 unter II 1 – 6. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter 3 – 5. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter 3 – 5.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
willige Gerichtsbarkeit zumindest formal auch dem Notar und nicht ausschließlich dem Richter zu. Im Hinblick auf das gemeine Recht sollte sich die mangelhafte Umsetzung dieser Konkurrenz innerhalb der HNO jedoch nicht durchweg negativ für das Notariat auswirken. Anders als im Falle des preußischen Rechts, beschränkten die althergebrachten gemeinrechtlichen Bestimmungen nämlich den ordnungsrechtlichen Grundsatz der neuen Notariatsgesetzgebung nicht immer. Hier lag es zum Teil umgekehrt. Ein intradisziplinäres Gefälle entstand gleichwohl auch hier. Von den notwendig vor Gericht zu schließenden Rechtsgeschäften dieser alten Rechte blieben breite Teile auch im 19. Jahrhundert erhalten und allein in der gerichtlichen Zuständigkeit1025 : In Hildesheim etwa die Adoption oder die Emanzipation.1026 Die beurkundete Schenkung konnte in den gemeinrechtlichen Gebieten Hannovers im 19. Jahrhundert im Gegensatz hierzu sowohl vor dem Richter als auch vor dem Notar erfolgen.1027 Darüber hinaus fanden sich nach 1853 viele weitere Fälle des alten gemeinen Partikularrechts, welche nach wie vor Bestand hatten und durch die Konkurrenzregelungen der HNO nur bedingt Modifikationen erfuhren. Auch in diesen gemeinrechtlichen Territorien konnten die ehemals ausschließlich vor dem Richter zu schließenden Geschäfte gem. § 9 HNO nunmehr auch vor dem hannoverschen Notar geschlossen werden. Gleiches galt für Geschäfte, die nach partikularem Recht nur vor dem Stadtrat gültig zu schließen waren. In Goslar war dies etwa im Laufe des 16. Jahrhunderts oftmals der Fall, wie man z. B. für den Grundstückskauf im goslarschen Stadtgebiet gesehen hat.1028 Die zentrale Bestimmung des § 9 HNO kam in den gemeinrechtlichen Gebieten Hannovers dennoch nicht immer mit der Konsequenz zum Zuge, wie dies von Seiten des landesherrlichen Gesetzgebers bezweckt wurde; denn die Neuerungen der Notariatsordnung griffen in den gemeinrechtlichen Gebieten nicht immer vollständig durch. Gemeinrechtliche Bestimmungen oder territoriale Rechte galten besonders in den Gebieten: Hadeln,1029 Ottendorf,1030 Lüneburg, Stade, Peine, Nordheim, Lauenburg1031 sowie dem bereits im ersten Teil 1025 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 119. 1026 Emanzipation: vom lateinischen emancipare: einen »Sklaven oder erwachsenen Sohn« aus dem mancipium, der feierlichen Eigentumserwerbung durch Handauflegen, in die Eigenständigkeit zu entlassen«, hierzu auch: Meder, Rechtsgeschichte, Eine Einführung, 3. Aufl., (2008), S. 42 f. 1027 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 119. 1028 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 5. 1029 Vgl. hierzu: Hadelnsches Landrecht, Teil 2, Titel: 1 »Sollen iudicialiter vor Gericht geschehen.« 1030 Vgl. zum ottendorfer Stadtrecht etwa: Kersting, Das Ottendorfer Stadtrecht ostfälischsächsische Stadtrecht, in ZRG Germ. 1992, S. 374 – 381. 1031 Einen weiterführenden Überblick über die in hannoverschen Gebieten geltenden privatrechtlichen Bestimmungen gibt: Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systemati-
Spannungsverhältnisse im Notariatsrecht des 19. Jahrhunderts
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dieser Untersuchung dargestellten Hildesheim (teilweise) völlig unverändert fort. Die gleiche Feststellung ist für die Städte Osterode, Altenbruch oder den Landstrich des Wurfter Landrechts1032 zu machen. Falsch wäre es jedoch, ginge man davon aus, dass in diesen Gebieten vollständig erhaltene gemeinrechtliche Bestimmungskataloge zur Anwendung gebracht wurden. Regelmäßig sollten nur einzelne übrig gebliebene stadtrechtliche Statuten für das moderne Notariat des 19. Jahrhunderts eine Rolle spielen. Teilweise kam es daher zu parallelen Anwendungen oder auch zu Fällen der Spezialität zu Gunsten des gemeinen Rechts. Im Hadelschen waren es beispielsweise Grundstücksgeschäfte, die auch nach 1853 ausschließlich dem Richter vorbehalten blieben.1033 Im städtischen Altenbruch war es das gewohnheitsrechtlich dem Richter zugewiesene Errichtungsverfahren des Testaments,1034 welches im Gegensatz zum vorgenannten Hadeln durch die HNO nunmehr ebenfalls dem Notar überantwortet wurde. Es konnte in Altenbruch daher ab 1853 sowohl vor dem Richter als auch dem königlichen Notar ein Testament errichtet werden. In Hadeln hatte die Testamentserrichtung hingegen bis 1852 ausschließlich durch Überreichung oder Verlautbarung vor dem Kirchspielgericht1035 stattgefunden.1036 Dies änderte sich mit in Kraft treten der Notariatsordnung und den bereits besprochenen zentralen Normen der §§ 9 i. V. m. 44 ff. HNO. Diese Bestimmungen sorgten dafür, dass nunmehr auch der hannoversche Notar die Testamentserrichtung vornehmen konnte. Die gemeinrechtliche Errichtung vor dem Kirchenspielgericht blieb gleichwohl immer noch möglich.1037 Es sollte jedoch auch zu Widersprüchlichkeiten bzw. den erwähnten Spezialitäten zwischen den Bestimmungen der HNO und dem partiell fortgeltenden Territorialrechten kommen. Es finden sich hierfür etwa in den Ottendorfer Statuten sowie innerhalb des Lüneburger Stadtrechts deutliche Beispiele. Innerhalb des Statutenrechts Ottendorfs war und blieb die Testamentserrichtung auch nach 1853 speziell gesetzlich geregelt. Sie wurde als Fall der sogenannten
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1037
sche Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur, S. XVI – XXXII, XXIV – XXXII; Einleitung. So auch: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 143. So auch: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 143. So auch: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 143. Kirchspiel- (Gericht): »Geltungs- und Gerichtsbezirk innerhalb eines räumlich begrenzten Kirchenverfassungsgebietes, oftmals bezogen auf Siedlungs- und Nutzungsbereiche. Der Ausbau der Kirchspielorganisation folgte den Siedlungstatsachen.«, Leisching, Kirchenspiel, in: HRG Bd. II. 1. Aufl., (1984), Lfg. 12 (1974), Sp. 834 – 837. Grefe (Hg.), Hannovers Recht, Bd. 2 (1861), S. 496; Francke, Sammlung der Entscheidungen des Oberappellations- und Appellationsgerichts zu Celle, welche in dem Gebiet des bäuerlichen Erbrechts und ehelichen Güterrechts in der Zeit 1860 bis 1879 incl. ergangen sind (1880), S. 152. Grefe (Hg.), Hannovers Recht, Bd. 2 (1861), S. 496.
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»Vergabung des ganzen Vermögens auf den Todesfall unter Eheleuten« und »letztwillige Verfügung« fortgeführt. Das statuarische Recht Ottendorfs geht auf das Jahr 1541 zurück.1038 Die in ihm zusammengetragene Rechtssammlung konkretisierte die vor 1853 herrschende maximilianische RNO/KNO in gleichem Maße, wie die im zweiten Kapitel des ersten Teils dieser Untersuchung beispielhaft dargestellten Stadtrechte.1039 Als partikulare Normen, die auch nach 1853 noch Wirkung entfalteten, bestimmten sie beispielsweise in ihrem Art. 14 Abs. 2 – somit in klarem Widerspruch zu den Grundsätzen der HNO – eine ausschließliche Zuständigkeit des Richters für den Fall des Ehegattentestaments.1040 Die Normen zur Testamentserrichtung regelten in ihrem eng begrenzten Territorium die Erstellung der letztwilligen Verfügung darüber hinaus abschließend. Die Erstellung eines öffentlichen Ehegattentestaments wurde hier (im Ottendorfer Territorium) für den hannoverschen Notar mithin unmöglich.1041 Die Bestimmungen der HNO hatten dementsprechend keinen echten Wirkungsraum im Ottendorfer Raum. Die Normen der HNO standen zwar formalrechtlich neben den gemeinrechtlichen Bestimmungen, konnten indes bis in die entlegeneren Teil des hannoverschen Reiches nicht immer vollauf hineinwirken. Bei der soeben dargestellten Modifikation des Einzel- bzw. Spezialfalls des Testaments unter Ehegatten, blieb es im Geltungsbereich der Ottendorfer Statuten jedoch nicht. Die Erstellung einer letztwilligen Verfügung mit Begünstigung einer anderen Person, als der des Ehegatten, galt es nach Ottendorfer Recht ebenfalls ausschließlich vor dem Richter zu errichten.1042Anders als das Ehe1038 Zu den Anforderungen an die Testamentserrichtung und örtlichen Zuständigkeit, vgl. insgesamt Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 487 – 493; 520 – 529. 1039 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II1 – 6. 1040 Vgl hierzu: Art. 14, Abs. 2 Ottendorfer Statuten: (Original im Niederdeutschen): De vierteinde Articull: »[…] Mann unde Fruwe mögen einander alle ehre Guder op den Dodes-Phall auergeuen, so se keine Kinder hebben, auer moth soltens vor Gerichte geschehen unde bestetiget werden. […]« freie Übersetzung ins Hochdeutsche: »Mann und Frau mögen einander alle ihre Güter auf den Todesfall übergeben, so sie keine Kinder haben, ansonsten sollte dies vor Gericht geschehen und bestätigt werden.«; abgedruckt bei: Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 464. 1041 Auch im Ottendorfer Bereich waren zu dieser Zeit hannoversch-königliche Notare tätig, was die Personalstandserhebung zeigt. Vgl. hierzu: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; Notar Billeb Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. Acc. 173 84/59 Nr. 767; hier unter S. 382 – 387. 1042 Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der
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gattentestament konnte die Erstellung eines solchen Privattestaments in Ottendorf – mit Blick auf die hohen Anforderungen der königlichen Notariatsordnung an die Testamentserrichtung (§§ 44 ff. HNO) – indes einfacher kreiert werden. Die allgemeine Form des privaten und zugleich öffentlichen Testamentes wurde allein durch Art. 15 der Ottendorfer Statuten bestimmt. Hiernach war ähnlich den Bestimmungen der HNO die Hinzuziehung von zwei Zeugen grundsätzlich erforderlich.1043 Dieses Erfordernis entfiel jedoch – auch mit Wirkung für die Zeit der HNO1044 – durch die für das Ottendorfer Gebiet erlassenen Territorialverfassung vom 27. März 1846.1045 Das Zeugenerfordernis zu Beurkundung von Testamenten nach den Bestimmungen der königlichen Notariatsordnung wurde für das Ottendorfer Land mithin obsolet. Mit der Testamentserrichtung handelt es sich dennoch insgesamt nur um ein theoretisches Einzelbeispiel für gravierende Reibungspunkte zwischen HNO und dem gemeinen Recht; denn die Erstellung von Testamenten war für den Notar im Land »Hannover« durch die rigiden Bestimmungen der HNO ab 1853 ohnehin unattraktiv gestaltet. Die noch zu betrachtenden Auswirkungen der königlichen Bestimmungen des Jahres 1853 auf die notarielle Praxis werden dies zeigen.1046 Ähnliches, wie für das Ottendorfer Recht, lässt sich auch für das Stadtrecht Lüneburgs1047 feststellen. Hier gingen die Spannungen zwischen partikularem Recht und den Normen der Königlichen Notariatsordnung noch deutlicher über die Generalklausel des § 9 HNO und den Konkurrenzgedanken zwischen Richter und Notar hinaus. Aber auch hier kann das Testament als speziellstes notarielles Instrument exemplarisch herangezogen werden. Nach Teil vier des ersten Titels des Lüneburger Stadtrechts war das gemeinrechtliche Testament in Lüneburg grundsätzlich zugelassen. Sollte den hinzuzuziehenden Zeugen der Inhalt der
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Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 464, unter Fßn. 1; jedoch dieses Erfordernis nicht mehr nennend, da bereits die Änderung der Verfassung vom 27. März 1846 berücksichtigt wurde. Vgl hierzu: Art. 15 Ottendorfer Statuten; abgedruckt bei: Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 464 f. Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 464. Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 464. Dazu näher im 2. Kapirel dieses Teils 2 unter I 1 – 3. Zum Lüneburger Notariat und seiner rechtlichen Entwicklung weiterführend, insgesamt: Scharnhorp, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert. Eine Untersuchungzum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente (2011), S. 1 ff.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
(Testaments-) Urkunde nicht bekannt werden, war einzig und allein die notarielle Form zulässig. Eine gerichtliche Abfassung war entgegen des allgemeinen Konkurrenzgedankens der hannoverschen Ordnung (§ 9 HNO) ausdrücklich ausgeschlossen.1048 Bei dieser Praxis blieb es auch nach 1853.1049 In anderen Gebieten gemeinrechtlicher Prägung konnte sich die Sache auf noch andere Art und Weise darstellen. Etwa die neuzeitlichen Statuten Nordheims aus dem Jahre 1597, die noch die Ehestiftung, Verträge und andere sogenannte »vornehme«, sprich offizielle Briefe, nur der richterlichen Kompetenz zuschrieben, waren bis 1853 vollauf in Vergessenheit geraten.1050 Zu einer etwaigen Modifikation der hannoverschen Regelungen kam es in diesem Fall folgerichtig nicht (mehr).1051 Die lokalen Bestimmungen modifizierten den allgemeinen Konkurrenzgedanken der HNO mithin nur theoretisch.1052 Gleiches galt für die Erstellung des Testaments innerhalb des Einflussbereichs der stadtrechtlichen Statuten Northeims. Besonders bemerkenswert ist das Verhältnis der HNO zu den traditionellen Regelungen der lauenburgischen Territorien. Im lauenburgischen Landstrich ergaben sich durch die örtlich begrenzt wirkende Verordnung vom 19. Januar 1705, die am 18. August 1741 noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde, mehrere Uneinheitlichkeiten im Hinblick auf die 1853 eingeführte Geschäftsverteilung im Notariat. Die lauenburgischen Bestimmungen regelten hinsichtlich der »ländlichen Untertanen« die Instrumentenerstellung oftmals speziell. Die gesellschaftliche Klasse der sogenannten ländlichen Untertanen hatte mit der Verfassung des Jahres 1840 indes aufgehört zu existieren. Überdies erklärte die lauenburgische Verordnung den persönlich zuständigen Richter stets und ausschließlich für jedwede Urkundenerstellung als allein befugt. Auch sie stand somit in deutlichem Widerspruch zur hannoverschen Notariatsordnung des 19. Jahrhunderts. Für das Königreich konnte eine einheitliche Rechtslage nach den soeben dargestellten Verhältnissen durch die HNO also weder unmittelbar nach 1853, noch nach 1866 erreicht werden. Gleiches muss dem Grunde nach für die hiermit ebenfalls nicht verwirklichte (Rechts-) Sicherheit des hannoverschen Rechts1048 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 143. 1049 Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 143. 1050 Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 464. 1051 Vgl. hierzu: Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 455, 457, 529. 1052 Zu diesen Statuten vgl.: Rudorff, Das hannoversche Privatrecht: eine systematische Zusammenstellung der in der Provinz Hannover geltenden Partikulargesetze unter Berücksichtigung der hannoverschen Rechtsprechung und Literatur (1884), S. 455; 457; 529.
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und Wirtschaftsverkehrs außerhalb des hannoverschen Kerngebietes festgestellt werden. Es ergaben sich hier und dort im Widerstreit zu gemeinrechtlichen Bestimmungen und zu preußischem Recht immer wieder erhebliche Unterschiede. Im Hinblick auf das preußische als auch bezüglich des gemeinen Rechts lassen sich sowohl eine Besser- als auch eine Schlechterstellung des hiesigen Notariats für die einzelnen (Rand-) Territorien feststellen. Zwangsläufig trug diese Inhomogenität erhebliche Spannungen in das hannoversche Notariat hinein. Die notariatsrechtliche Landschaft des 19. Jahrhunderts stellte sich, sofern nicht nur vom hannoverschen Kerngebiet ausgegangen wird, daher noch vielschichtiger dar, als anfangs erwartet. Das Ziel einer Harmonisierung des Notariatsrechts verfehlte die HNO somit klar. Neben dem Aspekt der Spannung zu einzelnen Rechten und alten statuarischen Kodifikationen stellte die HNO in einem anderen Punkt einen echten Einschnitt in das gemeinrechtliche Notariat der Zeit vor und nach 1853 dar. Hierbei sollte es sich um die grundsätzlich verschiedene Auffassung beider Rechtssysteme im Hinblick auf die Berufe des Anwalts und des Notars sowie deren Vereinbarkeit handeln. Beide Berufsstände waren dem Grunde nach innerhalb des gemeinrechtlichen »Regelungskanons« nicht miteinander vereinbar, da sie sich auf ein völlig anders Herkommen zurückführen ließen.1053 Während der Notar ausschließlich für die Schaffung einer Urkunde und die Verleihung öffentlichen Glaubens zuständig war, hatte der Anwalt hiermit nach gemeinrechtlichem Verständnis (zunächst) nichts zu tun. Das gemeine Recht sah den freien Notar als durchweg selbstständig an und ging davon aus, dass »er bereits von seinen Einkünften (Honoraren) und aus dieser selbstständigen Tätigkeit und ohne eigene Rechtskunde würde leben können.«1054 Innerhalb des gemeinen Rechts finden sich sogar vereinzelt strikte Verbote einer beruflichen Personalunion – so etwa im Edikt Karls V. aus dem Jahr 1548.1055 Allerdings beschränkte sich dieses Verbot auf Angelegenheiten, in denen der Notar vorbefasst, also bereits tätig geworden war. Dies lässt das Verbot auch aus heutiger Sicht nachvollziehbar erscheinen. Zur Begründung wurde angeführt, dass »den Parteien durch die Doppeltätigkeit Nachteile erwachsen würden und Beschwerden wahrscheinlich seien«.1056 In Hannover war jedoch auf Grund eines starken Behördenschreibertums früh die Notwendigkeit hinzu getreten, sich als
1053 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 2 b). 1054 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 – 33, 13. 1055 Schmauß, Corpus Juris Publici enthaltend des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation Grundgesetz, zwei Teile in einem Band (1794/Nachdr. 1973), S. 464. 1056 Schmauß, Corpus Juris Publici enthaltend des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation Grundgesetz, zwei Teile in einem Band (1794/Nachdr. 1973), S. 464.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
freier Notar auch anderweitige Einkommensquellen zu erschließen.1057 Allein das wirtschaftliche Bedürfnis des ausschließlich öffentlich tätigen Notars, sich auch anderweitige Einnahmequellen zu schaffen und die seit jeher gegebene Nähe der notariellen Ausbildung zum Rechtsstudium hatte die Verbindung beider Berufszweige nach sich gezogen. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Verbindung zwischen Anwaltsberuf und Notar in Hannover daher mehr als nur geduldet worden.1058 Dies lässt sich, wie bereits gezeigt, die Quellen des Celler Oberappellationsgerichts entnehmen.1059 Die Ernennungspraxis des höchsten hannoverschen Gerichtes ermöglichte die verbundene Prüfung von Anwalts- und Notariatskandidaten. Hieraus resultierte der gleichzeitige Erwerb beider Zulassungen im Bezirk Celles und somit im ganzen welfischen Territorium.1060 Als die HNO diese Tradition erstmals auch gesetzlich positivierte, wurde der gemeinrechtlichen Trennung von Notar und Anwalt im Land »Hannover« durch geschriebenes Recht mithin eine deutliche Absage erteilt.1061 Dieser Bruch mit dem gemeinen Recht war für Hannover allerdings nur rein formaler Natur. Die Verbindung von Anwalts- und Notarberuf stellte in Hannover schon weit vor 1853 keine Besonderheit mehr dar. Demnach war die Notariatsordnung unter diesem gemeinrechtlichen Aspekt eine weit weniger bemerkenswerte Neuerung, jedenfalls für das hannoversche Kerngebiet. Eine im Ergebnis größere Bedeutung muss daher den Spannungen zwischen dem gemeinen Recht und dem mit der HNO proklamierten Konkurrenzverhältnis zwischen Richter und Notar zugemessen werden. In der Gesamtschau stellt sich daher die Frage, ob überhaupt von einem geschlossenen nordwestdeutschen – sprich hannoverschen – Notariat des 19. Jahrhunderts gesprochen werden kann. Diese Frage muss mit »Nein« beantwortet werden. Vielmehr ist nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen von einem notariellen Berufsstand in hannoverschen Kernlanden, einem Notariat in gemeinrechtlich-hannoverschen Gebieten und einem solchen in hannoverschpreußischrechtlichem Territorium auszugehen. An diesen Zuständen änderte auch die HNO nichts. Insgesamt ist ihre Wirkung auf das gemeinrechtliche Notariat daher weit weniger durchschlagend gewesen, als die Zielvorgaben (§ 21 GVGKHann.) des hannoverschen Gesetzgebers hatten erwarten lassen. Eine echte Sicherung des Wohl und Wehes der Bevölkerung, wie sie durch die differenzierten Normen der HNO für das Kerngebiet Hannovers zu erkennen waren, muss für das gesamte Land »Hannover« des 19. Jahrhunderts im Ergebnis daher ebenfalls verneint werden. 1057 1058 1059 1060 1061
Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III. So auch: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 119.
Grundsätzlicher Vergleich der Funktion des Notariats
VI.
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Grundsätzlicher Vergleich der Funktion des Notariats im »Niedersachsen« des 19. Jahrhunderts (Hannover und »andere« absolutistische Territorien)
Bis zu diesem Punkt wurde die Geschichte des Notariats im Land »Hannover« eingehend betrachtet und insbesondere seine rechtliche Entwicklung nachvollzogen. Gegenstand der Untersuchung war namentlich der hannoversche Notariatsstand. Zugleich wurde – ohne diese jedoch gesondert zu benennen – eine weitere Besonderheit der hannoverschen Notariate dargestellt.1062 Diese Besonderheit liegt in der dem Notariat durch den hannoverschen Gesetzgeber zuerkannten Funktion für den Staat und dessen Bevölkerung begründet. Ebendiese Dienstpflichten kamen in der HNO und ihren Motiven immer wieder zum Ausdruck. Das Notariat hatte allem voran die Obliegenheit Sicherheit für den gesamten Rechtsverkehr, Harmonie im Recht und für das hannoversche Publikum Vertrauen in seine Urkunden zu schaffen. Das Notariat war in Hannover mithin seit jeher in seiner Funktion ein stets eigenständiger Teil des staatlichen Organisationsgefüges sowie der hannoverschen Rechtslandschaft. Es diente daher in erster Linie der Öffentlichkeit und nicht den Interessen der jeweiligen Machthaber.1063 Mit dem übergeordneten Ziel der Sicherung des »Wohl und Wehes seines Publikums«1064 hörte das genuin hannoversche Notariat erst im Jahr 1900 als eigenständiges Rechtsinstitut auf zu existieren1065 ; denn: Das Land »Hannover« war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwar deutlich liberaler regiert worden, als dies für seine Nachbarstaaten festzustellen ist.1066 Ebendiese angrenzenden Territorien, mit denen der hannoversche Staat in der Vergangenheit immer wieder in Konflikt geraten war1067 und schlussendlich mit Preußen im Jahr 1866 zwangsweise verbunden wurde,1068 brachten zum Teil allerdings völlig anders geartete Notariate und auch Notariatsrechte als das liberale Hannover hervor. Dies ließ sich im Widerstreit dieser Rechte zur HNO vorstehend etwa bereits für das preußische allgemeine Landrechtrecht auf hannoverschem und zugleich ehemals preußischem Boden feststellen.1069 Aber
1062 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter II 1 sowie 4. 1063 Der Notar wurde in disziplinarrechtlicher Hinsicht der Staatsanwaltschaft unterstellt und das Notariatsrecht in die Gerichtsorganisation eingebunden; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) aa) – gg). 1064 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 a). 1065 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter III, IV sowie V. 1066 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1 – 3 sowie 3 a) sowie 3 b). 1067 Siehe dazu auch im 1. Kapitel des teils 1 unter I – IV. 1068 Mahrenholz, Ein Königreich wird Provinz: Über Hannovers Schicksalsjahr 1866 (2011), S. insb. 67 – 89. 1069 Siehe dazu auch im 1. Kapitel des Teils 1 unter I – IV.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
nicht nur Verschiedenheiten innerhalb der notariatsrechtlichen Regelungen lassen sich in der Nachschau finden. Auch grundlegende Unterschiede in der Auffassung um die Funktion und Aufgaben des Amtes und seines Rechts für Staat, Bürger und die staatlichen Machtträger lassen sich für das Nordwestdeutschlands des 19. Jahrhunderts ausmachen. Um die besondere Haltung Hannovers gegenüber seinem Notariat und dessen Aufgaben, auch anhand der bislang bereits gezeigten rechtlichen Entwicklungen, herauszustellen, soll ein kurzer Vergleich zu den unmittelbaren Nachbarstaaten dieser Zeit gezogen werden. 1.
Frankreich bzw. das französisch geprägte Westfalen als angrenzendes Territorium
In Hannover lagen bereits die Motive des Gesetzgebers zur Zeit der HNO anders, als in den angrenzenden Gebieten.1070 Verantwortlich hierfür waren die tatsächlich absolutistischen Regierungsformen der hannoverschen Anreihnerstaaten.1071 Obwohl Unterschiede innerhalb des Notariatsrechts zwischen Hannover, Preußen und dem Königreich Westfalen nicht auf den ersten Blick auszumachen sind, zeigt sich zu diesen benachbarten Gebieten vor allem eine erhebliche Abweichung bezüglich der Wahrnehmung des Notariats in seiner Funktion für den staatlichen Macht- und Verwaltungsapparat. Insbesondere das Königreich Westfalen ist als unmittelbares Produkt Frankreichs zu begreifen. Sowohl im Hinblick auf die Einbindung in die staatliche Verwaltung, als auch bezüglich des Verständnisses der notariellen Grundaufgaben für Gesellschaft und Publikum wich das hannoversche Notariat etwa vom französischen Pendant erheblich ab. Während Hannover das Anwaltsnotariat bereits seit der frühen Neuzeit kannte und dieses sogar gesetzlich förderte, stellte es den Notar überdies vorrangig dem Rechts- und Geschäftsverkehr sowie dem hannoverschen Publikum zu Diensten. Der Notar war Sachwalter des Volkes. In den angrenzenden französisch geprägten Territorien war er hingegen vollauf verbeamteter Diener seines Staates. Dies galt sowohl für Frankreich als auch für das unmittelbar unter französischem Einfluss stehende Königreich Westfalen.1072 Westfalen war zuvor 1070 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter VI 2. 1071 Eine solche absolutistische Landesregierung hatte sich in Hannover nie formen und nachhaltig etablieren können. Dies lag in des staatsgeschichtlichen Besonderheiten des Welfenterritoriums, seinen außergeöhnlich selbstbewussten ständepolitischen Kräften und der Personalunion zwischen England und Hannover zwischen 1714 – 1837 begründet; [siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3 a) – einschließlich c)]. 1072 Königreich Westfalen (Modelstaat): »1807 errichtete Napoleon das Königreich Westfalen, das er seinem jüngeren Bruder (Jerome) übertrug. Es umfasste nur zu etwa einem Fünftel westfälische Landesteile und setzte sich überwiegend aus kurhessischen Gebieten sowie
Grundsätzlicher Vergleich der Funktion des Notariats
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durch Napoleon für dessen Bruder Jerome künstlich geschaffen worden. Ebenso hatten sich die Braunschweiger Regelungen des Jahres 1850, die im hannoverschen Dunstkreis lagen, an diesem französischen Verständnis des Notariatsamtes stark orientiert.1073 Innerhalb Westfalens war der Notar seit dem 23. Januar 1798, und somit deutlich früher als der Braunschweiger Notar, unmittelbarer Staatsbeamter sowie zugleich mit seinen Aufgaben funktionell vollauf in den staatlichen Verwaltungsapparat integriert worden.1074 Er war, wie bereits zum Braunschweiger Territorium dargestellt,1075 infolgedessen vorrangig dem staatlichen Apparat und seinem absoluten Landesherrn verpflichtet. Aufgaben, wie etwa die Harmonisierung des Rechts, fielen ihm daher nicht zu. Nur seinem Landesherrn schuldete er daher seine absolute Hingabe. Auf »deutschem« Boden sollte das sogenannte Ventúse-Gesetz dieses fremdrechtliche Verständnis des Notariats einführen.1076 Auf Grund der Verbeamtung des Notars und dessen zwingender Eingliederung in den staatlichen Verwaltungsapparat entstanden im Widerstreit zum deutschen Notariat nach gemeinem Recht erhebliche Schwierigkeiten. Denn die Ernennung der Notare wurde in originär deutschen, zugleich aber durch ehemalige oder andauernde Okkupation stark französisch geprägten Gebieten, zum gleichzeitigen Instrument der französischen Besatzungspolitik.1077 Dies galt auch für Westfalen, in dem es hierdurch ebenfalls zu einer strikten Trennung von Anwaltschaft und Notariaten kam.1078 Überdies stand das französische beamtenrechtliche Notariatssystem immer im Kontext zur Rezeption des französischen Rechts in Nordwestdeutschland1079 und somit auch in ehemaligen, hannoverschen Gebieten.1080 Eine führende Rolle für die Rezeption französischen Rechts sollte als maßgebliches Gesetz der seinerzeit bereits sehr
1073 1074 1075 1076
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1080
dem Herzogtum Braunschweig zusammen. 1813 wurde es wieder aufgelöst.«, Roth, Westfalen, in: HRG Bd. V, 1. Aufl., (1984), Lfg. 38 (1994), Sp. 1295 – 1302, 1300 f. Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1. Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: RNotZ 2003, S. 8 – 17, 10. Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1. Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: RNotZ 2003, S. 8 – 17, insb. S. 8; 9; zu den Auswirkungen des Ventúse Gesetzes und dessen Einflüssen auf das deutsche Notariat, vgl. insgesamt auch: Frischen, Das Ventúse Gesetz Inhalt und Auswirkung auf das deutsche Notariat, in: RNotZ 2003, S. 1 – 11. Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: RNotZ 2003, S. 8 – 17, 9. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 1 sowie III 2 und im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 1 und I 2. Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: RNotZ 2003, S. 8 – 17, 8, 9; zu den Auswirkungen des Ventúse Gesetzes un dessen Einflüssen auf das deutsche Notariat, vgl. insgesamt auch: Frischen, Das Ventúse Gesetz Inhalt und Auswirkung auf das deutsche Notariat, in: RNotZ 2003, S. 1 – 8. Königreich Westfalen: Roth, Westfalen, in: HRG Bd. V, 1. Aufl., (1984), Lfg. 38 (1994), Sp. 1300 f.; vgl. hierzu auch unter Fßn. 547, 548 und Fßn 992.
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Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
ausdifferenzierte Code Civil einnehmen.1081 Das französische Recht mit seinem Code Civil war jedoch auf deutsche (Notariats-) Verhältnisse und das Ernennungsverfahren, die im Grundsatz nach wie vor auch in Westfalen herrschten, nicht vollauf übertragbar.1082 Folge dessen war, dass der Beurkundungsakt eines strikt beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäfts innerhalb westfälischer Grenzen nur durch den sogenannten deutschen Amtsschreiber, nicht aber durch den französischrechtlich regulierten Notar, vorgenommen werden durfte.1083 Gerierte sich der Amtsschreiber also nach außen hin als deutscher Notar, kannten die Bestimmungen des Code Civil seine Funktion nicht und er selbst diejenigen des Code Civil ebenso wenig.1084 Widrigkeiten im Umgang mit den so erstellten Instrumenten waren die logische Folge. In dieser Situation kam ab dem 16. März 1803 in den durch Okkupation französisch geprägten Gebieten das soeben erwähnte Ventúse Gesetz (Loi de contenant organisation du Notariat du 25 Ventúse1085) als Organisationsgesetz für das Notariat in seinem deutsch-französischen Anwendungsbereich zum Tragen. Es erfasste auch das deutsch-westfälische Notariat und seine Aufgaben, wodurch dieses dem rein französischen Recht de facto unterstellt wurde. »Die Bestimmungen dieser französischen Organisationsnormen galten zeitweise mithin in einem nicht unbeachtlichen Teil Deutschlands«1086 und stellten einen nicht zu unterschätzenden beamtenrechtlichen Gegenentwurf zum unmittelbar benachbarten hannoverschen (Notariats-) Recht dar. Dies galt etwa für die be1081 Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: RNotZ 2003, S. 8 – 17, 10. 1082 Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: RNotZ 2003, S. 8 – 17, 10; Fehrenbach, der Kampf um die Einführung des Code Napoleon, in: Vorträge des Instituts für Europäische Geschichte, Bd. 56 (1973), S. 16. 1083 Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: RNotZ 2003, S. 8 – 17, 10. 1084 Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: RNotZ 2003, S. 8 – 17, 11; Fehrenbach, der Kampf um die Einführung des Code Napoleon, in: Vorträge des Instituts für Europäische Geschichte, Bd. 56 (1973), S. 16. 1085 Ventúse, hier als Zeitangabe zu verstehen: »Monat des republikanischen Kalenders, eingeführt 1793; der »Monat mit dem meisten Wind« vom 19. oder 21. Februar bis 19. oder 21. März.« URL: http://dict.leo.org/forum/viewUnsolvedquery.php?idThread=82286& id Forum=14& lp=frde& lang=de, abgerufen am: 19. 12. 2011. 1086 Vgl. hierzu insgesamt: Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in RNotZ 2003, S. 8 – 17. So wurden die französischen Normen im Weiteren in den Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck zur Anwendung gebracht. Ausgenommen blieben Bayern, Baden, Württemberg sowie die mitteldeutschen und norddeutschen Territorien (wie im Rahmen dieser Untersuchung festgestellt wurde bspw. Hannover) sowie Preußen. Zu Hamburg dahingehend weiterführend: Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats, 2. Aufl., (1980), S. 1 ff.
Grundsätzlicher Vergleich der Funktion des Notariats
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reits an früherer Stelle der Untersuchung gezeigten Fälle der Rezeption während der Okkupation Hannovers durch Frankreich;1087 insbesondere natürlich für den durch Bonaparte geschaffenen Modelstaat1088 Westfalen. 1809 sollte für Westfalen eine eigene Notariatsordnung in Kraft treten, welche sich ausschließlich am Ventúse Gesetz und somit am französischen Beamtenverständnis orientierte.1089 Es sollte daher zur bloßen Rezeption französischen Rechts für den genuin deutschen Bereich Westfalens kommen. »Mit der westfälischen Ordnung vom 17. Februar 1809, die im Jahr 1822 nochmals eine unwesentliche Novellierung erfuhr, war das Ventúse Gesetz als zunächst übergangsrechtlicher Bestimmungskanon erstmals auf deutschem Boden in ein territorialstaatliches Gesetz umgebildet worden.«1090 Dem mit ihm etablierten französisch-beamtenrechtlichen Verständnis des Notariats stand das gemeine Recht in Hannover und sein Anwaltsnotariat bis 1853 sowie die HNO mit ihrer publikumsorientierten Auffassung des Notariats ab 1853 direkt gegenüber. Das hannoversche Notariat war, von einigen Ausnahmen der verwaltungspraktischen Organisation abgesehen, keiner verstaatlichten Auffassung anheimgefallen. Die Regelungen der HNO waren in formaler Hinsicht zwar streng und einschränkend,1091 hatten als Ausdruck ständischer sowie liberaler »Staatslenkung« allem voran aber das Wohl des Publikums sowie die Harmonisierung des Urkundenwesens und des Rechtsverkehrs zum Ziel. Sie beschränkten sich bei Lichte betrachtet allein auf die Frage der notariellen Tätigkeit sowie deren Nutzen für die hannoversche Bürgerschaft. Eine echte Funktion des Notariats für den Staatsapparat war nicht Gegenstand der hannoverschen Notariatsgesetzgebung. Lediglich die Aufsicht über die notarielle Tätigkeit wurde staatlichen Organen übertragen. Die hannoversche Ordnung suchte den Notar also gerade nicht in seiner Funktion und Tätigkeit für staatliche Zwecke zu instrumentalisieren.1092
1087 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I 1 – 3. 1088 Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in RNotZ 2003, S. 8 – 17, 11. 1089 Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in RNotZ 2003, S. 8 – 17, 11. 1090 Kleensang, das Ventúse-Gesetz und die Gesetzgebung des Notariats im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in RNotZ 2003, S. 8 – 17, 11. 1091 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) cc). 1092 Siehe dazu insgesamt im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4.
308 2.
Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
Preußen als angrenzendes Territorium
In Preußen galt das Notariat zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung als verbeamtet, ohne dies aber – im Gegensatz zu Frankreich, Westfalen oder auch zum Herzogtum Braunschweig – von Gesetzes wegen zu sein. Das Notarwesen im preußischen Staat wurde diesem Bild entsprechend und im Rahmen der Reform des Gerichtsverfahrens unter Friedrich dem Großen sowie seinem Nachfolger im Jahre 1781 in die staatliche Verwaltung eingegliedert und rechtlich angepasst.1093 Hierdurch wurde das auch heute noch unter dem Begriff des »reinpreußischen Notariats« geführte Institut geschaffen. Diese preußische Ausprägung des Notariats sollte das bis dahin auch in Preußen geltende kaiserliche Notariat des Jahres 1512 verdrängen.1094 Im Zuge einer vorrangig auf die Machtausdehnung der staatlichen Institutionen gerichteten Neuordnung des preußischen Verwaltungsapparates kam neben dem Notariat ab 1781 auch anderen Stellen, das Recht der Beurkundung zu. Im Sinne einer Zentralisierung staatlicher Aufgaben auf die Verwaltung nahmen hierbei die preußischen Ordnungsbehörden eine hervorzuhebende Stellung ein.1095 Erklärtes Ziel der Reformen war somit vorrangig die Sicherung der »absoluten« Justizhoheit des Landesherrn.1096 Sowohl das kaiserliche Reservatrecht der Notariatsernennung nach maximilianischen Grundsätzen des 16. Jahrhunderts, als auch die Urkundenzuständigkeit der Notare sollten auf Stellen der staatlichen Verwaltung übertragen werden. Insbesondere waren hierfür die Gerichte und die der Verwaltung zugeordneten, sogenannten Justizkommissariate vorgesehen. Das Amt des Justizkommissars war mit dem Corpus Juris Fridericianum1097 1781 erstmals geschaffen worden.1098 Im Zuge der Schaffung dieses Amtes war auch die preußische Advokatur verstaatlicht worden.1099 Die ehemalige Berufsgruppe der Advokaten (von den Notaren in Preußen seit jeher
1093 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 13 ff. 1094 Hierzu insgesamt weiterführend: Weisweiler, die Geschichte des rheinpreußischen Notariats Bd. 1, 2 (1925), S. 1 ff. 1095 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 13 ff. 1096 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 13 ff. 1097 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 16; Thier, Preußen, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats (2012), S. 509 – 558, 525. 1098 Thier, Preußen, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats (2012), S. 509 – 558, 525. 1099 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 16.
Grundsätzlicher Vergleich der Funktion des Notariats
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streng getrennt) wurde auf die neu geschaffenen Assistenzräte1100 und Justizkommissare aufgeteilt. Es entstand mithin eine »amtliche Advokatur«1101. Den Assistenzräten kam in dieser Aufgabenteilung die Parteivertretung im Prozess, den Justizkommissaren ausschließlich die außergerichtliche Beratung zu. Zugleich wurde das Urkundengeschäft immer mehr in Richtung der Justizkommissare verlagert, was das preußische Notariat auch funktionell immer mehr aushöhlte. Dies führte verstärkt dazu, dass sich der preußische Notar um die gleichzeitige Zulassung zum Justizkommissar bemühte, um überhaupt tätig sein zu können. Schließlich verschmolz das preußische Notariat immer mehr mit dem Amt, das zuvor bereits die Advokatur abgelöst hatte.1102 Es verbanden sich somit Anwaltschaft und Notariat auf Umwegen in einem fließenden Prozess zum Kommissariats-Amt der preußischen Verwaltung. Der Notar wurde in Preußen somit faktisch sowie unbemerkt zum reinen Justizbediensteten,1103 ohne dies von Gesetzes wegen zu sein. Maßgeblich hierfür waren allerdings erst die Entwicklungen des 18. Jahrhunderts. In Preußen wurden somit im Zuge der Reformen des Gerichtsverfahrens zwei grundlegend verschiedene und in ihrer geschichtlichen Entwicklung unterschiedliche Ämter miteinander verbunden. Der preußische Notar, sofern man ihn so nennen konnte, war fortan Angestellter des jeweiligen Gerichts, in dessen Bezirk er tätig war.1104 Ein öffentliches, freies Notariat in der Form des hannoverschen bestand daher in Preußen nicht (mehr). Die Verbindung von preußischem Notariat und Staat war schließlich derart eng, dass der preußische Notar zwar kein tatsächlicher Staatsdiener war, dennoch aber in der preußischen Gesellschaft als ein solcher wahrgenommen wurde. 3.
Hannoversches Verständnis des Notars und seiner Aufgaben im 19. Jahrhundert
Vergleicht man das französische und preußische Notariatsverständnis mit dem hannoverschen Notariat, stellt man diesen Auffassungen zugleich das Ergebnis des Schwerpunkts dieser Arbeit gegenüber. Hierbei und in der Gesamtschau ist mithin Folgendes festzuhalten: 1100 Thier, Preußen, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats (2012), S. 509 – 558, 525 unter Fßn. 93 m.w.N. 1101 Vgl. hierzu: Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 16. 1102 Vgl. hierzu im Einzelnen auch: Weißler, Das Notariat der preußischen Monarchie (1896), S. 40 f.; Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 16. 1103 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 17. 1104 Conrad, Die geschichtliche Grundlage des modernen Notariats in Deutschland, in DNotZ 1960, S. 3 – 33, 18.
310
Das hannoversche Notariat des frühen 19. Jahrhunderts
Das hannoversche Notariat des 19. Jahrhunderts kam dem Verständnis des modernen öffentlichen Notariats als freier Beruf deutlich näher, als sein verbeamtetes französisches und beamtenähnlich organisiertes preußisches »Konkurrenzmodel.« Neben dem erklärten Ziel des hannoverschen Gesetzgebers, eine gleiche und zudem freie Konkurrenz zwischen Notar und Amtsrichter rechtlich sowie tatsächlich herzustellen, spielte insbesondere das rechtspolitische Ziel der erhöhten Rechtssicherheit und Rechtseinheit eine übergeordnete Rolle. Nicht nur bisweilen trat hierbei das erste Motiv der freien Konkurrenz sogar in den Hintergrund. Auch in Hannover war der Notar zwar in gewissem Maße dem Staatsdiener gleichgestellt, galt für ihn doch ein vergleichbares Disziplinarrecht und hatte die Staatsanwaltschaft gewisse Teile der Fach- und Rechtsaufsicht über seine Person und sein Tun inne; Leistungsträger allein im Dienste des Staates war er indessen nicht. Die hannoversche Notariatsgesetzgebung nahm den Notar vielmehr »als echten Rechtswalter des Volkes wahr«,1105 der in erster Linie dem Wohl und Wehe der Parteien, also dem Bürger verpflichtet war. Gleiches galt somit für die Sicherheit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs als Bindeglied zwischen Staat und Bevölkerung. War das Anwaltsnotariat sogar von Gesetzes wegen zulässig,1106 kam dem Notar hiermit gegebenenfalls auch die Aufgabe des Sachwalters für die weiteren Angelegenheiten des Rechtsverkehrs zu. Prinzipiell stand dem hannoverschen Notariatsverständnis also der reine Advokat als auch der durch den Staat instrumentalisierte Beamtennotar gegenüber. Ersterer befand sich fortwährend allein »im parteiorientierten Streit und mit Rechtsbehelfen geführten Kampf um die Interessen seiner Mandantschaft«1107, letzterer war zwangläufig nur machtpolitisches Staatsinstrument. Die einem solchen Verständnis gegenüber stehende primäre Aufgabe des hannoverschen Notars spiegelt sich nicht nur in den Bestimmungen der HNO von 1853 wider, sondern trat auch besonders in den Motiven des Gesetzgebers zu Tage. Das hannoversche Notariatsverständnis war mithin ein ausschließlich dem Bürger verpflichtetes. Der Notar war umfassend staatlich berufener Rechtswalter und nicht bloß staatliches Instrument oder reiner Interessenvertreter vor staatlichen Gerichten. Der hannoversche Staat brachte demnach seinem »Schreiberstand« – wohl 1105 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 1 – 19, 5. 1106 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 a) sowie II 4 b) aa) – hh). 1107 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 1 – 19, 5.
Grundsätzlicher Vergleich der Funktion des Notariats
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auch den ständisch gelenkten Gremien geschuldet – ein bemerkenswert hohes Vertrauen entgegen. Mit diesem »Amtes«-Verständnis ging Hannover im 19. Jahrhundert im Notariatsrecht einmal mehr in seiner Geschichte einen eigenen und sogar für alle beteiligten Akteure positiven Weg. Hannover war in dieser Hinsicht im Vergleich moderner als manch anderer Nachbar dieser Tage und als man zunächst vermuten konnte.
312
Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand
2. Kapitel – Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand und dessen Betätigungsfelder Sowohl das hannoversche Notariatsrecht, als auch das hiesige Verständnis des Notariatsamtes ist im Europa des 19. Jahrhunderts eine Besonderheit. In der Gesamtschau hat das hannoversche Recht in der Zeit, in der eine territorialhannoversche Notariatsgesetzgebung noch nicht bestand (Zeit vor 1853), allerdings in mancherlei Hinsicht eine bessere Figur gemacht, als das hannoversche Notariatsrecht mit der HNO ab 1853. Diese Kritik bezieht sich allem voran auf die rigiden Formvorschriften der Ordnung und der hiermit einhergehenden Erschwerung des notariellen Tagesgeschäfts sowie die gleichzeitige Besserstellung des Amtsrichters. Ob auf Grund der neuen Gesetzgebung des hannoverschen Staates allerdings eine Konzentration der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den Gerichten sowie ein Schrumpfen des Notariats eintrat, soll im Folgenden anhand verschiedener Archivalien des Niedersächsischen Staatsarchives, Hauptstaatsarchiv Hannover nachvollzogen und besprochen werden. Ein Schrumpfen des Notariats sowie die Konzentration der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den Gerichten prognostizierte die hiesige Notariatspraxis immerhin schon kurz nach in Kraft treten der HNO im Jahr 1854 sehr deutlich.1108 Mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen erscheint eine solche Entwicklung jedenfalls möglich. Beleuchtet werden daher sowohl die noch bestehenden Quellen zum Personalbestand, als auch die zur Tätigkeit des hannoverschen Notars vor, während und nach dem Jahr 1853 zur Verfügung stehenden Generalia. Diese Unterlagen werden im Niedersächsischen Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover und dessen Außenstelle in Pattensen noch heute vorgehalten.
I.
Königliche Hannoversche Notare und ihre Tätigkeitsfelder im 19. Jahrhundert (Tätigkeitsschwerpunkte des hannoverschen Notariats ab 1853)
Das hannoversche Notariat war, trotz der Absichten der landesherrlichen Regierung wie auch der allgemeinen Ständeversammlung im Hinblick auf eine freie Konkurrenz von Notar und Amtsrichter im Jahr 1853, dem Amtsrichter nachgeordnet worden. Es hätte sich gleichwohl in der Praxis gegenüber dem Richter 1108 So insb. und insgesamt: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. IX, (Vorbemerkungen).
Königliche Hannoversche Notare und ihre Tätigkeitsfelder im 19. Jahrhundert
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noch durchsetzen können. Dies scheint allerdings bei den in der HNO oftmals auszumachenden, gravierenden Ungleichbehandlungen von Richter und Notar auf den ersten Blick fraglich. Wie an diversen Stellen dieser Untersuchung hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens aufgezeigt1109, gab es von Seiten der Notariatspraxis in Hannover Anlass zur deutlichen Kritik an der neuen Gesetzgebung. Insbesondere wurde durch Georg Andreas Friedrich Schrader, als 1853 bereits lange praktizierender Notar, immer wieder gezielte Kritik an der Umsetzung des Ziels der freien Konkurrenz und den über Gebühr gewachsenen formalen Anforderungen an die Instrumentenerstellung geübt.1110 Zur Überprüfung der soeben aufgestellten These eines Schrumpfens des Berufsstandes sowie zur Konzentration der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei Gericht soll daher der noch heute bestehende Aktenbestand des niedersächsischen Staatsarchives für einige, ausgewählte Notarspersönlichkeiten exemplarisch untersucht werden. Anhand dieser Auswertung wird es möglich sein, nachzuvollziehen, welche Bereiche der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Notar nach 1853 tatsächlich pflegte und welche ihm auch in der Praxis verschlossen blieben. Bei den zu sichtenden Aktenbeständen und Generalia handelt es sich um die Tätigkeitszeugnisse der Notare Preuß, Wölffer, Haase und Dr. Erdmann. Im Fall dieser vier Herren ist der noch bestehende Aktennachlass besonders reichhaltig, so dass sie als repräsentativ für ihren Stand und das hannoversche Notariat ihrer Zeit angesehen werden können.1111 Wo es die Archivalien zulassen, soll daher auch ein Vergleich zwischen der notariellen Arbeitsweise vor der Zeit der HNO und den Veränderungen ab ihrem in Kraft treten im Jahr 1853 gezogen werden. Ebenfalls werden zur Klärung der durch Schrader geäußerten Vermutung, das Notariat werde nach dem Jahr 1853 auch in personeller Hinsicht schrumpfen, die Bestände der Personalakten des Staatsarchives erhoben und dahingehend ausgewertet werden.1112
1109 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 3, 4 a) – b) aa) – hh). 1110 Vgl. hierzu insgesamt: Schrader, Notariatsordnung für das Königreich Hannover vom 18. September, mit erläuternden und kritischen Bemerkungen auch Anlagen A. bis C., enthaltend Protokoll-Formulare, Auszug aus dem Stempelgesetz und Gebührentaxe für die Notare (1854), S. I ff., (Vorbemerkungen). 1111 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen]; hier unter S. 382 – 387. 1112 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang V, (Liste der durch das Oberappellationsgericht in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare); Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten der Notarspersönlichkeiten im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO (spätester Geburtsjahrgang 1867); hier unter S. 382 – 387; Anhang VII, [(Notariatsaktenbestände des hannoverschen Notariats (Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover)]; hier unter S. 388 – 391.
314 1.
Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand
Notarspersönlichkeit (Preuß, Christoph Clemens, Notar in Hannover)
Beginnen soll die Untersuchung des Hannoverschen Königlichen Notariats in personeller Hinsicht mit dem direkt in Hannover niedergelassenen königlichen (»Nur«-) Notar Christoph Clemens Preuß. Unter der Hauptsignatur: »Hann. 72 Hannover« sind im Niedersächsischen Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover in der heutigen niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover die aus dem 19. Jahrhundert erhaltenen Quellenbestände hannoverscher Notare prinzipiell zu finden.1113 Die Akten »Preuß« finden sich hier im Speziellen unter der Signatur Hann. 72 Hannover Nr. 1106 ff. In diesen Archivalien lässt sich dessen notarielle Tätigkeit für den Zeitraum der Jahre 1848 bis 1868 sowie für die Jahre 1854 bis 1861 lückenlos nachweisen. Diese Lückenlosigkeit der Aktenbestände ist insbesondere für die Klärung der Frage, ob sich – vor dem Hintergrund der zur Notariatsordnung gewonnenen Erkenntnisse – die freiwillige Gerichtsbarkeit tatsächlich ab 1853 bei den Notaren überhaupt nicht mehr oder nur noch vereinzelt finden lässt, von besonderem Wert. Als besonders hilfreich hat sich im Rahmen der Auswertung ein Aktenstück hervortun können. Hierbei handelte es sich um ein vollständig erhaltenes Registerbuch für den Zeitraum 1854 – 1861. Wie an früherer Stelle aufgezeigt werden konnte,1114 bestimmte die HNO ab 1853 die durch den Notar zu verantwortende und akribische Führung eines solchen Registers.1115 Insgesamt wurden allein für den Notar Preuß somit Aktenstücke mit einem Umfang von mehreren tausend Blatt ausgewertet. Neben dem Registerbuch (Hann. 72 Hannover Nr. 1113) wurden die in Anhang VII aufgelisteten Einzelakten genauer in Augenschein genommen. Für den Tätigkeitsbereich des Notars Preuß ließ sich das folgende Bild nachzeichnen: Zunächst fiel auf, dass dieser Hannoversche Königliche Notar ab 1853 fast ausschließlich mit vorgedruckten Formularen arbeitete. Diese Möglichkeit der Arbeitserleichterung wurde bereits an früherer Stelle der Arbeit vor dem Hintergrund der relativ hohen formalen Anforderungen an die Instrumentenerstellung besprochen1116 und bestätigt das vermutete Bedürfnis den ab 1853 zu betreibenden Aufwand vertretbarer zu gestalten. Jene marginale im Ergebnis aber wirkungsvolle Erleichterung hatte das hannoversche Notariat der Intervention der Ständeversammlung im Gesetzgebungsverfahren zu verdanken.1117 1113 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang VII, [(Notariatsaktenbestände des hannoverschen Notariats (niedersächsisches Staatsarchiv), Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover], Bestand Hann. 72 Hannover; hier unter S. 388 – 391. 1114 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) cc) sowie 4 b) dd). 1115 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) cc) sowie 4 b) dd). 1116 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4. 1117 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4.
Königliche Hannoversche Notare und ihre Tätigkeitsfelder im 19. Jahrhundert
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Vordrucke konnten offensichtlich für die gebräuchlicheren Instrumente herangezogen und im Fachhandel beschafft werden.1118 Sie wurden in der Folge bei Bedarf durch den Notar lediglich handschriftlich ausgefüllt und/oder zum Teil in erheblichem Umfang ergänzt sowie gegebenenfalls mit einem Notariatssiegel/ Signet versehen. Die Verwendung von Vordrucken lässt sich für alle Arten der in den Akten zu findenden Instrumente feststellen. Allein für spezielle Sonderfälle oder individuelle Nebenabreden, welche zu gängigen Geschäften und Urkundenerstellungen getroffen wurden, kamen rein handschriftliche Zusätze hinzu. Dies galt beispielsweise für Kaufverträge über besondere Güter oder auch die notarielle Generalvollmachten (mit besonderem Inhalt).1119 Solche Instrumente bildeten jedoch die Ausnahme der notariellen Tätigkeit. Das Gros der Dokumente wurde auf Vordrucken abgefasst und anschließend besiegelt.1120 Die Mehrheit der Notariatsinstrumente setzte sich für die untersuchten Bestände in inhaltlicher Hinsicht vornehmlich aus Schuldverschreibungen, Zessionen (beurkundete Forderungsabtretungen), Bürgschaftserklärungen für Frauen,1121 Grundstückskaufverträgen und den sogenannten Kassierungsbescheinigungen zusammen. Im Bestand »Preuß« machen insbesondere die Grundstückskäufe und die Schuldverschreibungen den Hauptanteil der Aktenstücke aus. Es fanden sich bereits in den ersten ausgewerteten Archivalien über 175 Schuldverschreibungen, die in ihrer Höhe zwischen 200 und 6.000 Talern variieren. Hierneben findet sich fast die gleiche Anzahl an Grundstückskaufverträgen.1122 Letztere wurden in 1118 Vgl. hierzu: insgesamt Anhang IV, (ausgewählte Notariatsinstrumente), Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover ; hier unter S. 369 – 377. 1119 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente);insb. Instrumente des Notars Wölffer : Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1152 (Erbvertrag); Hann. 72 Hannover Nr. 1165 (Generalvollmacht); Hann. 72 Hannover Nr. 1154 (Kaufcontarct). Auf den Notar Wöllfer wird im unmittelbar folgenden Abschnitt gesprochen werden; hier unter S. 369 – 377. 1120 Vgl. hierzu: Anhang IV, (ausgewählte Notariatsinstrumente); hier unter S. 369 – 377. 1121 Vgl. hierzu: Anhang IV, (ausgewählte Notariatsinstrumente); Bürgschaft für die Frau, erstellt durch den Notar Dr. Wüstenfeld, Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1106; dieses Instrument mag aus heutiger Sicht kurios anmuten, jedoch muss beachtet werden, dass die Bürgschaft durch ein »Frauenzimmer« im 19. Jahrhundert an und für sich bereits im Grundsatz ausgeschlossen war. Es bedurfte der notariellen Beurkundung solcherlei Bürgschaften, da sie ansonsten im Rechtsverkehr keine Wirksamkeit für sich in Anspruch nehmen konnten und die sich verbürgende Frau ansonsten der Bürgschaft hätte entziehen können. Geschuldet war diese Praxis dem allgemein gesellschaftlichen Bild der Frau als ohnehin nicht über eigenes Vermögen Verfügende und somit als Bürge per se ungeeignet zu sein; hier unter S. 369 – 377. 1122 Interessant für dieses Geschäft: Im gesamthannoverschen Gebiet gab es im 19. Jahrhundert auch immer noch Gebietsteile, in welchen es nicht selbstverständlich war, dass das
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Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand
einigen Fällen mit Anlagen versehen. Diese beinhalten zum Teil hervorragend erhaltene Lagepläne der in Rede stehenden Grundstücke, Liegenschaften, Flurteile und Gemarkungen. Als weiteres häufig zu findendes Instrument tritt die sogenannte »Bürgschaft für Frauen« in allen untersuchten Aktenbeständen hervor. Auch sie zählte offensichtlich zu den gängigen Urkunden, gab es doch auch für sie vorgedruckte Formblätter.1123 In ihr wurde die im 19. Jahrhundert an sich nicht mögliche Teilnahme der Frau bzw. des sogenannten »Frauenzimmers« am Rechtsverkehr für die Form der Bürgschaft notariell beglaubigt. Infolgedessen konnte auch die Frau Bürgschaften für die in der Urkunde ausdrücklich genannten Positionen übernehmen. Hierzu entsagte sie den rechtlichen Instituten des »Senatus Consulto Velljano« wie auch der »Authentica si qua mulier«.1124 Nach Ersterem konnte die Frau grundsätzlich für nichts und niemanden bürgen, nach letzterem war ihre Bürgschaft für den Ehemann grundsätzlich nichtig.1125 Abgesehen von diesen Instrumenten und den Kassierungsbescheinigungen, die in ihrer Häufigkeit für den Bestand »Preuß« an vierter Stelle stehen, finden sich in allen Generalbeständen nur wenige der angesprochenen Sonderurkunden. Diese Instrumente sind als Einzelstücke folglich vollauf handschriftlich verfasst.1126 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass alle Instrumente, die durch Preuß erstellt wurden, ob mittels Vordrucken oder handschriftlich, die freiwillige Gerichtsbarkeit zum Gegenstand hatten. Die im Rahmen der Betrachtung des Gesetzgebungsvorhabens der HNO aufgestellte These, dass der Notar ab 1853 kaum noch hiermit zu tun haben würde und die von Schrader gleichzeitig prophezeite Konzentration der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den Amtsgerichten müssen daher wohl als falsch, jedenfalls aber als überhöht angesehen werden. Dies ist jedoch nur auf den ersten Blick der Fall; denn wirft man
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Grundstückswesen in notarieller Hand lag; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter V 1 – 2). Vgl. hierzu: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente), Bürgschaft für die Frau, erstellt durch den Notar Dr. Wüstenfeld, Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1106; hier unter S. 369 – 377. Vgl. hierzu: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente), Bürgschaft für die Frau, erstellt durch den Notar Dr. Wüstenfeld, Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1106; hier unter S. 369 – 377. Vgl. hierzu: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente), Bürgschaft für die Frau, erstellt durch den Notar Dr. Wüstenfeld, Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1106; hier unter S. 369 – 377. Vgl. hierzu insgesamt: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente); insb. Instrumente des Notars Wölffer : Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1153 (Erbvertrag); Hann. 72 Hannover Nr. 1165 (Generalvollmacht); Hann. 72 Hannover 1154 (Kaufcontarct); hier unter S. 369 – 377. Über den Notar Wöllfer wird im unmittelbar folgenden Abschnitt gesprochen werden.
Königliche Hannoversche Notare und ihre Tätigkeitsfelder im 19. Jahrhundert
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einen zweiten, genaueren Blick insbesondere in das Registerbuch der Jahre 1854 – 1861,1127 fällt schnell eine Besonderheit auf: In der Liste der über 5.120 eingetragenen Notariatsinstrumente findet sich keine einzige Testamentserstellung, die durch Preuß vorgenommen wurde. Die Errichtung des Testaments, als immerhin speziellstes (Notariats-) Instrument, gehörte aber auch zur freiwilligen Gerichtsbarkeit. Sie war traditionelle Aufgabe des Notars und wurde in der neuen Notariatsordnung ab 1853 sogar besonders und innerhalb eines gesonderten Abschnitts abschließend geregelt.1128 Allerdings war die Testamentserstellung in wirksamer Weise ab 1853 für den hiesigen Notar nur mit stark erhöhtem Aufwand möglich.1129 Hier scheint es tatsächlich so, dass die Regelungen der Notariatsordnung die Erstellung von Testamenten für den Notar in Hannover zu unattraktiv machte; so dass die Amtsgerichte dies übernehmen duften bzw. mussten. Die Bestimmungen der HNO mit ihren hohen formalen Anforderungen wirkten sich also in gewisser Weise nachteilig auf den Arbeitsalltag und das Betätigungsfeld des hannoverschen Notars aus. Jedoch war dies, betrachtet man allein den Umfang der Notariatsakten, nicht in der Schwere eingetreten, wie es vor 1853 noch zu befürchtet war. Vor diesem Hintergrund kann nicht ebenfalls von einer übermäßigen Zurückhaltung des Publikums gegenüber dem Notariat bzw. einem Vertrauensvorschuss gegenüber dem Amtsrichter ausgegangen werden. Ein solcher war vor 1853 durch das Notariat auf Grund der Normen der HNO, welche den Amtsrichter wiederholt bevorzugten und dessen bessere fachliche Eignung mittelbar suggerierten, befürchtet worden. Ferner lassen sich beim Vergleich der Notariatsinstrumente aus der Zeit vor 1853 und den Urkunden ab 1853 in Bezug auf die Formalien der Instrumentenerstellung deutliche Veränderungen zum Positiven hin feststellen. Dieser Wandel ist klar der neuen Rechtslage ab 1853 geschuldet. Ein solcher Vergleich ist auch im Fall »Preuß« möglich, da die Notariatsakten auch Instrumente von 1848 – 1853 beinhalten.1130 Betrachtet man die Unterlagen aus der Zeit des gemeinen Rechts, können diese als spiegelbildlich für die ungenaue und uneinheitliche Rechtslage im Königreich Hannover1131 angesehen werden. Die Notariatsinstrumente aus der Zeit vor 1853 wirken weit weniger offiziell und mit weniger fachlicher und handwerklicher Genauigkeit erstellt. Bereits ihr äußeres 1127 Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1113. 1128 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) dd). 1129 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) dd). 1130 Registerbuch des Notars Preuß: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1113. 1131 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter 3 sowie im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter I und IV, V.
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Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand
Erscheinungsbild kann als symptomatisch für das gemeine Recht und seine Unsicherheiten angesehen werden. Die Urkunden sind durchweg handschriftlich verfasst und oftmals kaum noch zu lesen. Darüber hinaus wirkt der Großteil der Aktenstücke wie bloße Kladden, in denen auf Gutdünken gestrichen, ergänzt und auch noch im Nachhinein verbessert wurde. Ganz im Gegensatz hierzu stehen die Instrumente aus der Zeit nach 1853. Die Formulare nahmen im vorgedruckten Teil per se Bezug auf ihre Rechtsgrundlage (nämlich die Hannoversche Königliche Notariatsordnung)1132 und die zu beachtenden formalen Anforderungen, sowie stets auf das Verbot der Interessenkollision auf Seiten des Notars (§§ 27 – 30 HNO).1133 Bemerkenswert ist ferner, dass die Akten ebenfalls zeigen, dass das hannoversche Notariat aus den nunmehr angewachsenen formalen Anforderungen ebenfalls wusste Profit zu schlagen. So wurde bereits auf der ersten Seite unter Bezugnahme auf die Taxenordnung der HNO eine Gebühr für die nunmehr hinzuzuziehenden Zeugen und jedes anzufertigende Protokoll ausgewiesen. Der Gebührenschlüssel war hierbei nicht starr, sondern konnte offensichtlich durch den Notar, gemessen an Aufwand und Schwierigkeit der Sache, selbst festgelegt werden. Hierbei bezog man sich sodann aber auf die gesetzmäßigen Gebührentatbestände. Die Gebühren schwanken in den Akten »Preuß« zwischen 10 und 100 Talern. In der Gesamtschau kann also für den ersten Fall des »modernen« hannoverschen Notariats bemerkt werden, dass die freiwillige Gerichtsbarkeit – mit Ausnahme der Testamentserrichtung – auch nach 1853 vom hannoverschen Notar gepflegt wurde. Der in der Theorie oftmals dem Amtsrichter nachgeordnete Notar konnte sich in der Praxis gegenüber den Gerichten trotz hoher formaler Anforderungen behaupten; selbst in Fällen der nicht nebenbei ausgeübten Anwaltschaft. Dies zeigt nicht zuletzt auch die Arbeitsauslastung des Notars Preuß anhand des umfangreichen Registerbuchs. Gleichzeitig ließ der Notar sich den nunmehr ab 1853 zu betreibenden Mehraufwand auf gesetzlicher Grundlage gut bezahlen. Ebenso brachten die Normen der HNO als weiteren positiven Punkt eine zuvor nicht gegebene formale Struktur in die Instrumentenerstellung, die ebenfalls eine Standardisierung und somit zugleich sicherlich eine gewisse Arbeitserleichterung im Tagesgeschäft erlaubte.
1132 Vgl. hierzu: Anhang IV, (ausgewählte Notariatsinstrumente), bspw. Bürgschaft für die Frau erstellt durch den Notar Dr. Wüstenfeld, Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1106; hier unter S. 369 – 377. 1133 Siehe dazu im 1. Kapitell dieses Teils 2 unter II 4 b) ee).
Königliche Hannoversche Notare und ihre Tätigkeitsfelder im 19. Jahrhundert
2.
319
Notarspersönlichkeit (Wöllfer, Louis Arnold Wilhelm, Notar in Hannover und Justizrat)
Ein solcher Vergleich zwischen Notariatsinstrumenten der Zeit vor und nach dem in Kraft treten der HNO ist für die folgende Notariatspersönlichkeit Louis Arnold Wilhelm Wölffer zwar nicht möglich, dennoch bieten auch dessen Akten mit einer Vielzahl von Instrumenten (Sig. Hann. 72 Hannover Nr. 1151 ff.)1134 interessante Einblicke in die notarielle Tätigkeit ab 1854. Ebenso kann an dieser Stelle gesagt werden, dass auch im Fall des Notars Wölffer die freiwillige Gerichtsbarkeit gleichermaßen intensiv gepflegt wurde wie durch Clemens Christoph Preuß. Somit findet sich die Befürchtung der Konzentration der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den heimischen Amtsgerichten abermals nicht bestätigt. Ebenso wie für Preuß ergab sich für Louis Arnold Wilhelm Wölffer bei der Aktenauswertung der günstige Zufall, dass in den Beständen ein vollständiges Registerbuch der Jahre 1854 – 1876 zu finden war.1135 Dieses umfasst also 15 Jahre moderner notarieller Arbeit auf Grundlage der HNO, mithin mehr als für den Fall Preuß. Dies erleichterte die Betrachtung und Auswertung Wölffers Tätigkeit dementsprechend um ein Vielfaches. In dessen Register finden sich 12.842 verzeichnete Instrumentenerstellungen mit Datum, beteiligten Parteien, deren gesellschaftlichem Stand und genaue Bezeichnung des Inhalts der Urkunde. Auch für den Notar Wölffer wurden die Einzelakten im Weiteren genauer in Augenschein genommen. Hierbei ergab sich zunächst folgender Gesamteindruck. Wölffer scheint die formale Umstellung im Notariatsrecht deutlich langsamer umgesetzt zu haben, als sein vorstehend behandelter Kollege. Die Akten der Jahre 1854 – 1858 enthalten durchweg nur handschriftlich verfasste Instrumente,1136 obschon es sich inhaltlich um die gleichen Geschäfte, wie im vorstehenden Fall Preuß handelte. Im Gegensatz zu Preuß verwendete Wölffer nicht sofort von 1853 an vorgedruckte Formulare. Deren Verwendung war nicht obligatorisch, sondern sollte die notarielle Tätigkeit nur erleichtern und stand dem Notar frei.1137 Auf Grund 1134 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente);insb. Instrumente des Notars Wölffer : Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1151 ff.; insb.: Hann. 72 Hannover Nr. 1153 (Erbvertrag); Hann. 72 Hannover Nr. 1165 (Generalvollmacht); Hann. 72 Hannover Nr. 1154 (Kaufcontarct); hier unter S. 369 – 377. 1135 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente); Instrumente des Notars Wölffer ; Registerbuch des Notars Wölffer : Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1151/1; 1151/2; hier unter S. 369 – 377. 1136 Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1152 ff. 1137 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 4 b) dd).
320
Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand
der handschriftlichen Abfassung der einzelnen Urkunden und dem qualitativ schlechten Papier ist ein Nachvollziehen der Arbeit Wölffers für die Anfangszeit der HNO schwierig und zum Teil nur bedingt möglich. Die Aktenbestände sind zu einem Großteil stark ausgeblichen oder zerfallen bereits. Worin der Grund für die anfängliche Zurückhaltung Wölffers gegenüber den Vordrucken lag, kann heute nur noch vermutet werden. Möglicherweise war es aber auch eine schlichte Kostenfrage bzw. Sache des »Kanzleimanagements.« Eine Antwort hierauf enthalten die Bestände leider nicht. Völlig anders stellen sich jedoch die Einzelakten ab 1861 dar. Ab diesem Zeitpunkt wurden auch im wölfferschen Notariat bis auf wenige Ausnahmen sogar ausschließlich vorgedruckte Formulare verwendet. Beispiele dieser Ausnahmen finden sich in Form eines handschriftlichen Kaufvertrages sowie einer Generalvollmacht für den hannoverschen Kaufmann Schachtrupp. Sowohl diese Instrumente, als auch die ab 1861 durch Wölffer verwendeten Formulare, sind heute noch in gutem Zustand und somit lesbar. Die besonderen handschriftlichen Instrumente finden sich auf Grund ihrer Ausnahmestellung zur Anschauung hier im Anhang IV wiedergegeben.1138 Die Ausnahmen waren im Falle Wölffers – im Gegensatz zum vorher behandelten Notar Preuß – nicht nur bloße Ergänzungen zu den einzelnen Urkunden; sie waren von Beginn bis zu ihrem Ende rein handschriftlich verfasst. Was für Instrumente hatte die Arbeit Wölffers aber hauptsächlich zum Gegenstand? Wie eingangs erwähnt, pflegte auch er die freiwillige Gerichtsbarkeit intensiv. In den für einen Zeitraum von 5 Jahren exemplarisch betrachteten Beständen von 1861 – 1866 finden sich hauptsächlich Grundstückskaufverträge, Schuldverschreibungen, Zessionen, einfache Kaufverträge, Vollmachten,1139 Quittungen und allgemeine Protokolle. Die beurkundeten Grundstücksverkäufe nehmen allerdings den mit Abstand größten Teil des Aktenbestandes in Anspruch. In der betrachteten Zeit war also »echtes hannoversches Notariatsrecht« einschlägig, wenn ab 1866 Hannover als eigenständiges Territorium doch aufhörte zu existieren. In den Akten Wölffers der Jahre 1861 – 1866 lassen 267 Kaufverträge über sogenannte ländliche Grundstücke ausmachen.1140 Hiernach stehen zahlenmäßig die Schuldverschreibungen mit 109 Instrumenten. Auf diese folgen die 1138 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente); insb. Instrumente des Notars Wölffer : Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1151 ff.; insb.: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1165 (Generalvollmacht); Hann. 72 Hannover Nr. 1154; (Kaufcontract); hier unter S. 369 – 377. 1139 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente); insb. die hier wiedergegebenen exemplarischen Instrumente des Notars Wölffer : Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1151 ff.; hier unter S. 369 – 377. 1140 Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1152 ff.
Königliche Hannoversche Notare und ihre Tätigkeitsfelder im 19. Jahrhundert
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Bürgschaften mit der Besonderheit, dass Wölffer wiederholt eine Kombination von Schuldverschreibungen (insgesamt 87) und »Bürgschaften für Frauen« (hiervon allein 39) anfertigte. Von der Kombinationsurkunde finden sich 83 Exemplare in den Archivalien. An vierter Stelle stehen die sogenannten Zessionen mit 59 beurkundeten Rechtsgeschäften. Es zeigt sich mithin insgesamt ein gleiches Tätigkeitsbild wie für Christoph Clemens Preuß. Sogar die für Preuß vermutete Konzentration der Testamentserrichtung durch die Gerichte findet sich für Wölffer mit einer einzelnen Einschränkung bestätigt. Fand sich in den Akten »Preuß« kein einziger Nachweis für Testamentserrichtungen, enthalten die Akten Wölffers für die Zeit einer bereits länger gebräuchlichen HNO immerhin eine einzelne Bescheinigung über die Hinterlegung einer Verfügung von Todes wegen beim Königlichen Hannoverschen Amtsgericht durch den Notar.1141 Es zeigt sich hier also trotz sehr hoher formaler Anforderungen der seltene Fall, dass der hannoversche Notar eine Testamentserrichtung vornahm. Allerdings wird gleichzeitig deutlich, dass die Testamentserrichtung die Ausnahme blieb: Denn in den im Registerbuch verzeichneten 12.842 Beurkundungsakten findet sich nur dieser eine Nachweis für Wölffers Notariat in den Archivalien. Die Schlussfolgerung, die Amtsgerichte als Hauptanlaufstelle für die Testamentserrichtung anzunehmen und Schraders Prognose auch hier nur in einem sehr kleinen Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestätigt zu sehen, ist vor diesem Hintergrund nicht völlig falsch. Gleichwohl findet sich in den Akten Wölffers in diesem Zusammenhang mit einem Erbvertrag eine schuldrechtliche Sonderurkunde, die im Original im Anhang IVabgedruckt ist.1142 Es handelt sich auch hierbei allerdings auch um ein Formular. 3.
Notarspersönlichkeiten (Haase Dr., Georg Friedrich Ludwig, Notar in Hannover und Justizrat; Dr. Erdmann Notar in Hannover)
Der zur Pflege der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das hannoversche Notariat nach 1853 im Fall »Preuß« gewonnene und bei Wölffer gefestigte Eindruck bestätigt sich für den hannoverschen Notar und Justizrat Dr. Georg Friedrich Ludwig Haase sowie für den hannoverschen Notar Dr. Erdmann.1143 Deren Ak1141 Vgl. hierzu Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente), Hinterlegungsbescheinigung für ein notariell erstelltes Testament durch den Notar Wölffer; Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1153; hier unter S. 369 – 377. 1142 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang IV, (Ausgewählte Notariatsinstrumente);insb. Instrumente des Notars Wölffer : Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. 72 Hannover Nr. 1151 ff.; insb.: Hann. 72 Hannover Nr. 1153 (Erbvertrag); hier unter S. 369 – 377. 1143 Diese Personalie wurde bereits zu den Ernennungsverfahren des Oberappellationsgerichts zu Celle kurz erwähnt, [siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 2 a)].
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Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand
tenbestände finden sich im niedersächsischen Hauptstaatsarchiv unter den Signaturen Hann. 72 Nr. 1386 ff.; Hann. 72 Nr. 1191 ff. Anders als die bisherigen Bestände beinhalten diese Archivalien keine Registerbücher. Es finden sich lediglich Einzelakten und Generalia mit einem Umfang von ebenfalls mehreren tausend Blatt für das Notariat Haases und das Erdmanns. Die Akten halten im Vergleich zu den vorstehend behandelten Notariaten allerdings keine Besonderheiten mehr bereit. In ihnen sind die bereits zur Kenntnis gelangten, »üblichen« Notariatsinstrumente zu finden. Ein Großteil der Instrumente sind ebenfalls Grundstückskaufverträge, Bürgschaften, Zessionen und Schuldverschreibungen. Diese konnten schon für die beiden ersten Fallbeispiele der in Hannover ansässigen Notariate in großer Zahl ausgemacht werden. Darüber hinaus sind keine Abweichungen oder besondere – etwa handschriftliche oder inhaltlich bemerkenswerte – Instrumente aufzutun. Folglich kann behauptet werden, dass mit den Herren Preuß und Wölffer und ihrem umfangreichen Aktennachlässen zwei mehr als nur repräsentative hannoversche Notare aufgetan werden konnten. Ferner finden sich ihre Tätigkeitszuschnitte in den Berufskollegen Erdmann und Haase bestätigt. Die notarielle Tätigkeit erstreckte sich nach 1853 auf die weitesten Teile der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es zeigt sich somit, dass die Befürchtungen der damaligen Praxis und der durch die Betrachtung des Gesetzgebungsverfahrens gewonnene, schlechte Eindruck der hannoverschen Notariatsordnung in der Praxis keine Rolle spielten. Das hannoversche Notariat konnte sich entgegen allen Widrigkeiten gegenüber dem Amtsrichter durchsetzen und behaupten. Einzig die Testamentserrichtung ging an die Amtsgerichte »verloren«, was jedoch bei Betrachtung des Umfangs der Akten nur ein unwesentlicher Verlust gewesen sein wird.
II.
Erhebung des Personalbestandes des hannoverschen Notariats ab 1853
Die Befürchtung der notariellen Praxis, namentlich Georg Andreas Friedrich Schraders, die mangelhafte Umsetzung der freien Konkurrenz von Notar und Amtsrichter entzöge dem Notar die Betätigungsgrundlage, war somit ebenfalls unbegründet. Gleiches lässt sich auch für die Prognose Schraders den Personalbestand des Notariats betreffend sagen. Diese Aussage steht in engem Zusammenhang zum vorstehend gefundenen Ergebnis: Denn auch nach 1853 wurde die freiwillige Gerichtsbarkeit zu großen Teilen weiterhin durch das Notariat gepflegt. Bestand zum einen kein Grund dafür, dass das Notariat als Beruf unattraktiv wurde, verkleinerte sich der Personalbestand zum anderen nicht zwangsläufig. In den Archiven des Staatsarchivs findet sich im Geltungszeitraum der Königlichen Hannoverschen Nota-
Erhebung des Personalbestandes des hannoverschen Notariats ab 1853
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riatsordnung (1853 – 1898) eine Vielzahl von Notaren im Land »Hannover«.1144 Deren Personalakten wurden im Rahmen der Untersuchung erhoben und finden sich in der Aufstellung im Anhang VI der Studie wieder.1145 Als Fixpunkt der Erhebung wurde als spätester Geburtsjahrgang der hannoverschen Notare 1867 gewählt. Weiter zurückliegende Daten lassen sich heute nicht mehr finden, da diese kriegsbedingt vernichtet worden sind. Ein echter Vergleich zu den personellen Verhältnissen im Notariat vor 1853 lässt sich daher nur schwer ziehen. Gleichwohl finden sich in den Archivalien auch Notare aus Geburtsjahrgängen (1818, 1821, 1826, 1828)1146, die noch vor dem Jahr 1853 tätig gewesen sein müssen. Auch Schrader zählt zu ebendieser Gruppe. Betrachtet man den Personalbestand genauer, finden sich im gewählten, repräsentativen Zeitraum immerhin insgesamt 131 Notare auf hannoverschem Territorium in den Archivalien bestätigt. Von diesen 131 waren wiederum 35 Notare mit Niederlassungen innerhalb des hannoverschen Stadtgebiets und somit im Kerngebiet der hannoverschen Gesetzgebung (HNO) tätig. Gleichzeitig fällt auf, dass auch ein erhebliche Anzahl der niedergelassenen Notare in weniger dicht besiedelten Gebieten, wie etwa: Ottendorf,1147 Lüchow,1148 Neustadt a. Rbg.,1149 Quacken-
1144 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen, unter der Hauptsignatur: Bestand Hann. Acc. 173; hier unter S. 382 – 387. 1145 Vgl. hierzu insgesamt: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; hier unter S. 382 – 387. 1146 Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen, beispielhaft hierfür : Notar Haacke 1826 Bestand Hann. Acc. 173 84/59 Nr. 652; Notar Hintze 1818 Bestand Hann. Acc. 173 84/59 Nr. 719; Notar Kistenmaker 1822 Bestand Hann. Acc. 173 84/59 Nr. 206; Notar Linckelmann 1821 Bestand Hann. Acc. 173 84/59 Nr. 134; Notar Sertürner 1821 Bestand Hann. Acc. 173 84/59 Nr. 1120. 1147 Vgl. hierzu: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; Notar Billeb Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. Acc. 173 84/59 Nr. 767; hier unter S. 382 – 387. 1148 Vgl. hierzu: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; Notar Neumann, Karl Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. Acc. 173 56/97 Nr. 323; hier unter S. 382 – 387. 1149 Vgl. hierzu: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)];
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Wirkung der hannoverschen Regelungen auf den Notarstand
brück1150 oder auch Wesermünde-Lehe1151 tätig war. Diese Notare hatten folglich nicht nur mit der HNO als Grundlage ihrer Tätigkeit umzugehen.1152 Die Akten zeigen somit, dass sowohl in den städtischen Ballungsräumen Hannover, Göttingen oder auch in anderen größeren Städten gleichermaßen niedergelassene Notare tätig waren, wie auch in ländlicheren Gefilden. Diese Feststellung gilt allem voran für den gesamten Geltungszeitraum der HNO. Lassen sich zwar mit den heute zur Verfügung stehenden Archivbeständen keine vollauf verlässlichen und vergleichenden Aussagen für die Zeit vor der hannoverschen Notariatsgesetzgebung treffen, ist der Notariatsbestand auch nach 1853 jedenfalls aus den Personalakten gut zu eruieren. Dieser kann weder als bemerkenswert klein, noch als in einem Rückgang begriffen bezeichnet werden. Dies gilt sowohl für die Städte, als auch für die hannoverschen Randgebiete.1153 Folgendes Ergebnis kann somit für die Personalgeschichte festhalten werden: Das hannoversche Notariat konnte sich ab 1853 in der Praxis gegenüber den Amtsgerichten behaupten und war auch in personeller Hinsicht nicht signifikant auf dem Rückzug. Die Mängel und Benachteiligungen im Recht schlugen mithin nicht bis in die notarielle Praxis durch. Darüber hinaus lässt sich für das hannoversche Notariat – ebenfalls etwa am Beispiel des zuvor genannten Notars Haase – auch das »Weiterbestehen« des hiesigen Anwaltsnotariats belegen; denn: Der zuvor dargestellte Notar Haase war Obergerichtsanwalt sowie gleichzeitig königlicher Notar.1154
1150
1151
1152 1153
1154
Notar Rohlfing Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. Acc. 173 63/80 Nr. 18; hier unter S. 382 – 387. Vgl. hierzu: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; Notar Neumann, Max Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. Acc. 173 84/59 Nr. 691; hier unter S. 382 – 387. Vgl. hierzu: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; Notar Harries, Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover, Bestand Hann. Acc. 173 56/97 Nr. 132; hier unter S. 382 – 387. Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter V 1 und 2. Vgl. hierzu: Anhang VI, (Noch vorhandene Personalakten des Notariats im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO [(spätester Geburtsjahrgang 1867), Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen)]; hier unter S. 382 – 387. Vgl. hierzu etwa: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover Hann. 72 Hannover Nr. 1390; für weitere Nachweise vgl.: Anhang VII, Notariatsaktenbestände und Generalia des hannoverschen Notariats (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover); hier unter S. 388 – 391.
Das »hannoversche« Notariat ab 1900 bis 1933
325
3. Kapitel – Das niedersächsische Notariat des 20. Jahrhunderts, ein Überblick Mit diesem Ergebnis soll der Hauptteil der vorliegenden Arbeit und die Betrachtung des hannoverschen Notariats während des 19. Jahrhunderts geschlossen werden. Für die notarielle Entwicklung dieser Epoche im Land »Hannover« bleibt als Gesamtergebnis das Folgende festzuhalten: Ließ sich bis 1898/1899 immer von einem eigenständigen hannoverschen Notariat oder einem solchen Notariatsrecht sprechen, ist dies ab Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr der Fall. Hieran änderte auch das Jahr 1866 nichts. Trotz der früheren Annexion durch Preußen fand die HNO erst mit Verabschiedung des preußischen »Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit« 1898 endgültig ihr Ende. Eine isolierte Betrachtung des hannoverschen Notariatsrechts ist für das 20. Jahrhundert prinzipiell nicht mehr möglich, da alle Entwicklungen im Recht dieser Zeit nur noch Prozesse auf gesamtdeutscher bzw. Bundesebene waren. Trotzdem soll im Interesse einer vollständigen Betrachtung der »hannoverschen Verhältnisse« ein kurzer Ausblick auf die Entwicklung des später niedersächsischen Notariats – auch für das 20. Jahrhundert – gegeben werden.
I.
Das »hannoversche« Notariat ab 1900 bis 1933
Nicht nur das Königreich Hannover und dessen Rechtsentwicklung waren wichtige Teile der Notariatsgeschichte. Wie bereits dargestellt, spielte das Oberappellationsgericht zu Celle ab 1711 für das »hannoversche« Notariat sowie dessen Identität im welfischen Territorium eine wichtige Rolle.1155 Sein Bezirk erstreckte sich bis 1866 auf das gesamte Königreich Hannover,1156 hiernach auf die preußische Provinz Hannover. Es erfasste in seiner Zuständigkeit das gesamte hannoversche, sprich königliche bzw. zuvor kurfürstliche Notariat. Das ehemals königliche Gericht überdauerte die Annexion Hannovers durch Preußen als Oberappellationsgericht und besteht ab 1879 als Oberlandesgericht Celle bis heute fort.1157 Es ist somit die einzige verbliebene Institution der originär territorialhannoverschen Notariatsgeschichte, die nach dem Erlass des preußischen »Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit« er1155 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 1 – 2 a) sowie III 2 b). 1156 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1 unter III 1 – 2 a) sowie III 2 b). 1157 URL:http://www.oberlandesgerichtcelle.niedersachsen.de/master/C5739473_N5671068_ L20_D0_I4815647.html, abgerufen am: 06. 11. 2009; so auch: Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 16.
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Das niedersächsische Notariat des 20. Jahrhunderts, ein Überblick
halten blieb. Dies gibt trotz der gesamtdeutschen Notariatsentwicklung ab 1900 auch heute noch die Möglichkeit für das 20. Jahrhundert einen klar begrenzten Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover und seines Notariats zu betrachten; nämlich den Oberlandesgerichtsbezirk Celle. Als zeitliche Marksteine dieser Betrachtung sollen die beiden Weltkriege dienen. Die Zeit ab 1900 bis zum Beginn des ersten Weltkriegs (1914) blieb für das »hannoversche und später niedersächsische« Notariat insgesamt gleichförmig.1158 Im Hinblick auf die Rechtsentwicklung war mit Einführung des »Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit« auch die lokalrechtliche Identität des hannoverschen Notariats entfallen. Nach den erfolglosen Bestrebungen Preußens in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, eine einheitliche Notariatsgesetzgebung für das gesamtpreußische Territorium – also auch für Hannover – zu schaffen,1159 unternahm den nächsten Versuch auf Reichsebene zu Beginn des 20. Jahrhunderts Adolf Weißler1160 im Jahre 1907. Dieser Versuch ließ den bereits bestehenden Landesrechten allerdings viel Raum und blieb aus diesem Grund im Entwurfsstadium stecken.1161 Der nächsten Etappe auf dem Weg zu einer ersten tatsächlich gesamtdeutschen Notariatsordnung ging zunächst der erste Weltkrieg voran. Die Jahre 1914 bis 1918 und die anschließenden Umbrüche in Staat, Verfassung und Gesellschaft berührten das Notariatsrecht inhaltlich nicht. In der Weimarer Zeit sollten ebenfalls einige Jahre vergehen, bis der Deutsche Notarverein 1925/1926 zehn Thesen zum Notariatsrecht formulierte und diese nach mehrjähriger Vorarbeit unter Federführung Hermann Obernecks 1929 in einem ersten Entwurf (128 Bestimmungen)1162 auf dem 13. Notarstag in Hamburg vorstellte.1163 Oberneck
1158 So auch: Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007); S. 18; dieser hat bereits 2007 wertvolle Erkenntnisse zum hiesigen Notariat des Bezirk Celle für das 20. Jahrhundert gewonnen, welche für die hier vorliegende Betrachtung ebenfalls als Grundlage gedient haben. 1159 Siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter IV. 1160 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 9. 1161 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 9; dieser Entwurf ist ferner wiedergegeben, in DNotZ 1908, S. 609 ff. 1162 Der Entwurf ist ferner wiedergegeben, in DNotZ 1929, S. 573 ff.; der erste Entwurf von 1929 ist nicht erhalten; so auch: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 9; Pahlow, Die gescheiterte Rechtseinheit. Das Notariat im Zweiten Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik
Das »hannoversche« Notariat ab 1900 bis 1933
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erarbeitete anhand dieser Vorlage bis 1930 eine weitere, verkürzte Fassung.1164 Diese wurde nach heute wohl allgemeiner Ansicht,1165 trotz der jüdischen Abstammung ihres Autors auch Grundlage der Reichsnotarordnung des Dritten Reichs von 1937. Was den Personalbestand des »hannoverschen« Notariats anbelangt, waren »in der Zeit vor dem Dritten Reich im Bezirk Celle 192 Notare ansässig.1166 Von ihnen fielen jedoch 12 im ersten Weltkrieg.«1167 Die Zahl der zugelassenen Notare sollte sich bis zur Machtergreifung Hitlers aber noch mehr als verdoppeln.1168 Die Zeit der Weimarer Republik als Periode des politischen Umbruchs war für das »hannoversche, später niedersächsische« Notariatsrecht indessen von weit geringerem Einfluss, als man vermuten würde. Der in gesellschaftlicher Hinsicht ordnungslose Zustand der Weimarer Republik mit Aufruhren und ständiger innerpolitischer Unruhe hatte keine Auswirkungen auf das nordwestdeutsche Notariatsrecht.1169
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(1871 – 1933), in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats (2012), S. 129 – 160, 153 ff. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts, (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004) S. 9; Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 18; Der Entwurf ist ferner abgedruckt, in DNotZ 1925, S. 383 ff.; 1927, S. 574 ff., 594 ff. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 1 – 19, 9. Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 18 – 22, 19; Seybold, in Akten der Gemeinschaft des deutschen Notariats-Archives, BNotO R 20 SW 1; Seidl, Die Entwicklung des Notariats in Deutschland, in DRiZ 1959, S. 313 – 316, 315; a. A. hierzu insgesamt: Schüler, Die Entstehungsgeschichte der Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961 (2000), S. 32 – 55. Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 18. Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 18. Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 18. Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 18; zu den Vereinheitlichungsbestrebungen in der Weimarer Republik, vgl. auch: Pahlow, Die gescheiterte Rechtseinheit. Das Notariat im Zweiten Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik (1871 – 1933), in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats (2012), S. 129 – 160, 153 ff.
328 II.
Das niedersächsische Notariat des 20. Jahrhunderts, ein Überblick
Das hannoversche Notariat des Dritten Reichs
Gleichwohl sollte es im Dritten Reich und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Hannover und dem aus ihm zu großen Teilen später hervorgehenden Bundesland Niedersachsen1170 nicht bei dieser Ereignislosigkeit bleiben. Während der Zeit des Nationalsozialismus blieb die rechtliche Entwicklung des deutschen Notariats nicht stehen.1171 Wie soeben angedeutet wurde der Entwurf Obernecks zum Ausgangspunkt für die erste reichsweit geltende originäre Notariatsordnung im Dritten Reich. Er ging in der Reichsnotariatsordnung von 1937 auf.1172 Bereits zu Beginn des Jahres 1933 hatte der »Führer des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ)« die Reichsfachgruppe Notare mit einem Entwurf für eine eigene deutsche Reichsnotarordnung beauftragt.1173 Nach einigen internen Auseinandersetzungen kam man bzgl. der Stellung des Notars in Staat und Gesellschaft darüber überein, dass das Notariat zwar fortan ausdrücklich ein öffentliches Amt sei, allerdings sei bei der Bestellung eines jeden Notars die NSDAP fortan direkt zu beteiligen.1174 Alle Notare und Anwärter auf das Amt, die sich dem Dritten Reich sowie der NSDAP gegenüber nicht linientreu zeigten, schieden daher per se für das Verfahren und das Amt aus.1175 Die (Allein-) Herrschaft der Partei nahm somit auch im Ernennungs- und Bestellungsverfahren konkrete Gestalt an. Ebenso sollte das für Hannover traditionelle Anwaltsnotariat im Dritten Reich beibehalten bleiben. Dies war allerdings hauptsächlich pragmatischen Gründen geschuldet.1176 Sicher 1170 Allgemein weiterführend zum Nationalsozialismus in Niedersachsen: Pollmann/Ludewig, Machtergreifung im Freistaat Braunschweig, in: Niedersächsische Geschichte (1997), S. 548 – 565; Herlemann, Nationalsozialismus auf dem Lande, in: Niedersächsische Geschichte (1997), S. 566 – 578. 1171 Weiterführend zum Notariat im Dritten Reich, Rüping, Notare und ihre Geschichte, in: DNotZ 2006, S. 502 – 509, 508 unter Fßn. 26 m.w.N. 1172 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 9 f. 1173 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 16 f. 1174 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 16 f.; zum genauen Verfahren, vgl. auch: Rüping, Notare und ihre Geschichte, in: DNotZ 2006, S. 502 – 509, 503. 1175 Rüping, Notare und ihre Geschichte, in DNotZ 2006, S. 502 – 509, 503. 1176 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf
Das hannoversche Notariat des Dritten Reichs
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könnte die Beteiligung der Partei im Bestellungsverfahren und die Schaffung der ersten einheitlichen Reichsnotarordnung im Dritten Reich dem nationalsozialistischen Ideal der staatlichen Gleichschaltung aller rechtspflegende Organe1177 allein zugeschrieben werden. Eine solche Zurechnung gelingt aber nur bedingt; denn Bestrebungen zur Erreichung einer Einheitlichkeit im Notariatsrecht waren immerhin schon weit vor dem Dritten Reich ein wichtiges Thema in »Deutschland« gewesen.1178 »Der obernecksche Entwurf von 1929/1930 wurde daher tatsächlich nur durch verschiedene Einschübe und kleinere, gleichwohl wirkungsvolle Ergänzungen dem nationalsozialistischen »Rasseideal«, der dementsprechenden Ideologie und deren Rechtsverständnis angepasst.1179 Auf den jüdischen Schöpfer wurde ab 1933 nicht mehr hingewiesen.«1180 Ebenso schnell, wie sich die Macht Hitlers in Deutschland ab 1933 etablieren konnte, schritten auch die staatlichen Maßnahmen zur »Säuberung« der Rechtspflege von politisch unbequemen oder rassisch nicht mehr geduldeten Personen voran. Dies betraf auch das hannoversche Notariat als Organ der Rechtspflege und Rechtswalter des Publikums im Celler Bezirk (im Land »Hannover«).1181 Noch bevor hierfür die »rechtlichen Grundlagen« in den Entwurf Obernecks eingefügt worden waren, brach sich der Nationalsozialismus im hannoverschen Notariat Bahn. Bereits Ende März 1933 wurden massive Maßnahmen von Seiten der neuen Regierung gegen jüdische Richter, die gesamt Rechtspflege und nicht zuletzt Notare getroffen.1182 Ganz im Sinne eines dikta-
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(1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordning von 1937 (2004), S. 16 f. Gsänger, Das Notariat im »Dritten Reich«, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 161 – 181, 161. Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils unter II 1 sowie im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter IV und V 1 – 2. Dies geschah in der Hauptsache durch die Personen Erich Hornigs und Martin Jonas, vgl. hierzu: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 16 f. unter Fßn. 41. Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 16 f. Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 17 ff. Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 18 – 22, insb. 20, 21; Die notwendige Eigenschaft »Arier« zu sein wurde erfasst durch § 2 der 1. Durchführungsverordnung vom 11. April 1933 (RGBl I 1933, S. 245), vgl. hierzu auch: Gsänger, Das Notariat im »Dritten Reich«, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichnotariatsordnung von 1512, S. 161 – 181, 180; ders., Das Notariat im »Dritten Reich«, in: Handbuch zur Ge-
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Das niedersächsische Notariat des 20. Jahrhunderts, ein Überblick
torischen NS-Regimes wurde mit bezeichnend wenig Rechtsstaatlichkeit mittels einfacher polizeilicher Funksprüche jedem jüdischen Mitglied der Rechtspflege als erste Maßnahme das Einreichen von unbefristeten Urlaubsgesuchen nahegelegt. Unter dem Deckmantel der staatlichen Fürsorge für die jüdischen Richter, Anwälte und Staatsanwälte wurde durch das Reichsjustizministerium am 31. 3. 1933 das Folgende schlicht verkündet: Funkspruch des Reichsjustizministeriums vom 31. 3. 1933: »Die Erregung des Volkes über das anmaßende Auftreten amtierender jüdischer Rechtsanwälte und jüdischer Richter hat Ausmaße erreicht, die dazu zwingen, mit der Möglichkeit zu rechnen, dass besonders in der Zeit des berechtigten Abwehrkampfes des deutschen Volkes gegen die alljüdische Gräuelpropaganda das Volk zur Selbsthilfe schreitet. Das würde eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der Autorität der Rechtspflege darstellen. Ich ersuche deshalb, umgehend allen amtierenden jüdischen Richtern nahezulegen, sofort ihr Urlaubsgesuch einzureichen, und diesem sofort stattzugeben. Ich ersuche ferner die Kommissarien jüdischer Assessoren sofort zu widerrufen. In allen Fällen, in denen jüdische Richter sich weigern, ihr Urlaubsgesuch einzureichen, ersuche ich, diesen kraft Hausrechts das Betreten des Gerichtsgebäudes zu untersagen. Jüdische Laienrichter (Handelsrichter, Schöffen, Geschworene, Arbeitsrichter usw.) ersuche ich nicht mehr einzuberufen. Besondere Erregung hat das anmaßende Auftreten jüdischer Anwälte hervorgerufen. Ich ersuche deshalb mit den Anwaltskammern oder örtlichen Anwaltsvereinen oder sonstigen geeigneten Stellen noch heute zu vereinbaren, dass ab morgen früh 10 Uhr, nur noch bestimmte jüdische Rechtsanwälte und zwar in einer Verhältniszahl, die dem Verhältnis der jüdischen Bevölkerung zur sonstigen Bevölkerung etwa entspricht, auftreten. Den Gesamtrücktritt des Vorstandes der Anwaltskammern ersuche ich durch entsprechende Verhandlungen herbeizuführen. Mit der vorläufigen Wahrnehmung der Geschäfte der Anwaltskammer ersuche ich Kommissare zu beauftragen, die nach Anhörung der nationalsozialistischen oder sonstigen nationalen Anwaltsorganisation zu bestellen sind.«1183
Augenscheinlich ist, dass die Notare nicht genannt wurden. Dem Regime blieb dieses »Manko« nicht verschlossen. Es korrigierte sein »Versehen« mit einem zweiten Funkspruch tags darauf. In diesem wurde durch den Reichsjustizminister auch dem jüdischen Notariat die Tätigkeit versagt:
schichte des deutschen Notariats seit der Reichnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 161 – 181, 180 unter Fßn. 115 m.w.N. 1183 Vgl. hierzu auch: Hamann, Das Oberlandesgericht Celle im Dritten Reich – Justizverwaltung und Personalwesen –, in: FS-275jähriges Bestehen des Oberlandesgerichts Celle (1996), S. 145 – 183, 153; die originäre Quelle der Funksprüche gibt leider auch Hamann in seinem Beitrag nicht an.
Das hannoversche Notariat des Dritten Reichs
331
Funkspruch des Reichsjustizministeriums vom 1. 4. 1933: »Aus den in meinen am 31. März diesen Jahres angegebenen Gründen muss damit gerechnet werden, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ernstlicher Gefahr ausgesetzt ist, wenn Deutsche sich im Rechtsverkehr weiterhin Urkunden entgegenhalten lassen, die von jüdischen Notaren aufgenommen oder beglaubigt worden sind. Mit Rücksicht hierauf ersuche ich, den jüdischen Notaren in ihrem eigenen Interesse dringend zu empfehlen, sich bis auf weiteres der Ausübung ihres Amtes zu enthalten. Dabei sind die Notare darauf hinzuweisen, dass sie im Falle ihrer Weigerung sich mit Rücksicht auf die erregte Volksstimmung erheblicher Gefahr aussetzen. Die Notare sind anzuweisen, den zuständigen Landesgerichtspräsidenten umgehend anzuzeigen, dass sie sich bis zu einer anderweitigen Regelung der Verhältnisse der Notare der Ausübung ihres Amtes enthalten.«1184
Mithin wurde den jüdischen Notaren nicht bloß das Niederlegen ihres Amtes unter dem Vorwand der staatlichen Fürsorge nahegelegt, vielmehr wurde die Wirksamkeit ihrer Urkunden gegenüber »Deutschen« in Zweifel gezogen. Durch die verklärten nationalsozialistischen Wertvorstellungen wurde die Urkunde als das schlechthin objektivste Instrument der Beweisführung und Rechtssicherheit lediglich auf Grund der ethnischen Herkunft ihres Ausstellers ad absurdum geführt. Waren die Maßnahmen zu Beginn des Dritten Reichs noch völlig ohne Rechtsgrundlage vollzogen worden,1185 schaffte das Regime schnell weitere Ermächtigungsgrundlagen durch das Reichsjustizministerium. Das Ministerium sollte überdies die zentrale Behörde zur »rechtsstaatlichen« Säuberung der Rechtspflege und des hiesigen Notariats sein. Jegliche Entscheidungskompetenz über das deutsche Notariat wurde im Sinne einer nationalsozialistischen Machtzentralisierung beim Reichsjustizminister gebündelt.1186 Sah etwa der Entwurf Obernecks zur Reichsnotarordnung noch ausdrücklich die Bildung von Notarkammern nach basisdemokratischem Verfahren vor, geschah eine Verkammerung des Notariats im Dritten Reich lediglich aus Gründen der Gleichschaltung und Zentralisierung im Interesse des Rasse- und Kontrollideals.1187 1184 Vgl. hierzu auch: Hamann, Das Oberlandesgericht Celle im Dritten Reich –Justizverwaltung und Personalwesen-, in: FS-275jähriges Bestehen des Oberlandesgerichts Celle (1996), S. 145 – 183, 154 f.; die originäre Quelle der Funksprüche gibt leider auch Hamann in seinem Beitrag nicht an. 1185 Hamann, Das Oberlandesgericht Celle im Dritten Reich – Justizverwaltung und Personalwesen –, in: FS-275jähriges Bestehen des Oberlandesgerichts Celle (1996), S. 145 – 183, 152. 1186 Erreicht durch das »Erste Gesetz zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich« vom 16. Februar 1934, http://www.verfassungen.de/de/de33 – 45/rechtspflege34.htm, abgerufen am: 17. 04. 2012; so auch: Gsänger, Das Notariat im »Dritten Reich«, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichnotariatsordnung von 1512 (2012), S. 161 – 181, 161. 1187 Gsänger, Das Notariat im »Dritten Reich«, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichnotariatsordnung von 1512, S. 161 – 181, 175.
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Das niedersächsische Notariat des 20. Jahrhunderts, ein Überblick
Dem zentralisierten NS-Verständnis mit Zurichtung des gesamten Staates auf die Person Hitlers entsprechend, ernannte fortan einzig das Ministerium auch die »Notariats«-Kammern.1188 Infolgedessen und im Zuge der Bündelung jeglicher Kompetenz über das Notariat beim Reichsjustizministerium wurde das Präsidium über eine Notarkammer, wie sie auch in Hannover entstand, in der historischen Nachschau als gänzlich inhalts- und bedeutungslos empfunden.1189 Der hannoversche Notar Heinrich Kleybolte wurde im Jahr 1937 durch das Ministerium pro forma zum Präsidenten der Notarkammer Celle berufen.1190 Eine solche berufsständische Kammer bestand indessen, jedenfalls in dieser Hinsicht, im Dritten Reich nicht. Folgerichtig gab es nicht einmal eine Geschäftsstelle der »berufsständischen« Organisation.1191 Auch auf Reichsebene durchdrang der Nationalsozialismus das Notariat mit Schaffung der Reichsnotarkammer sowie der »Reichsfachgruppe Notare«, im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund kurz NSRB.1192 Das Führerprinzip spiegelte sich derweil auch in der Notariatsgesetzgebung ab 1937 unmittelbar wider.1193 Der Notar schuldete fortan gem. § 4 Reichsnotarordnung die Gewähr, ausnahmslos für den nationalsozialistischen Staat einzutreten. Ebenso war der Amtseid auf den Führer abzulegen.1194 Das Notariat wurde daher erstmals auf hannoverschem Boden Instrument rein staatlicher Interessen. Weniger offensichtlich, aber für sich gesehen dem Gedanken des Rassenhasses verschrieben, war zur Zulassung zum Notariat, zwingende Voraussetzung deutscher Reichsangehöriger zu sein. Deutscher war nach den 1188 Zur Vereinheitlichung des Notariatsrechts während des Dritten Reichs, vgl. insgesamt: Gsänger, Das Notariat im »Dritten Reich«, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichnotariatsordnung von 1512, S. 161 – 181, 161 unter Fßn. 2 m.w.N.; sowie insb. 163 ff. 1189 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 20 f. 1190 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 20 f. 1191 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 20 f. 1192 Hinsichtlich der bedeutende Personalie Carl Wolpers für das Notariat der NS-Zeit als späterer Vorsitzender der Reichsnotarkammer, vgl. insgesamt: Gsänger, Carl Wolpers – ein rheinischer Notar, in NOTAR 2011, S. 1 – 11, 1; weiterführend ebenfalls: Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordning von 1937 (2004), S. 1 – 19. 1193 Zum Entstehungsprozess und zur Zielsetzung der Reichnotarordnung, vgl. auch: Gsänger, Das Notariat im »Dritten Reich«, in: Schmoeckel (Hg.)/Schubert (Hg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichnotariatsordnung von 1512, S. 161 – 181; 166 ff. 1194 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 19.
Das hannoversche Notariat des Dritten Reichs
333
»Nürnberger Rassegesetzen« von 1935 nur derjenige, »der deutschen oder artverwandten Blutes war.«1195 Die gleichen Anforderungen hatte auch der jeweilige Ehegatte des Notars zu erfüllen.1196 Bereits die Systematik des Gesetzes machte ab 1937 dem »nichtdeutschen« Notar die Tätigkeit mithin unmöglich. Trotz dieser Entwicklungen im Recht und der Perversion des rechtsstaatlichen Gedankens zur Zeit der NS-Herrschaft, sollte die Reichsnotarordnung von 1937 die Grundlage für die Bundesnotarordnung von 1961 werden.1197 Schließlich war der Entwurf Obernecks von Beginn an natürlich weder von nationalsozialistischem Gedankengut durchwirkt noch veränderten die Einschübe ab 1933 ihn grundlegend in seinem Inhalt.1198 Sie konnten daher leicht entfernt werden. Waren die nationalsozialistischen Ideologien zwar nur an der Oberfläche des Notariatsrechts haften geblieben, hatten sie gleichwohl erheblichen Einfluss auf den Personalbestand ausgeübt.1199 »Am 4. April 1933 hatte es im Bezirk Celles unter 483 Notaren immerhin 56 »nichtarische« Notare gegeben.1200 Diese verloren bis zum 15. September 1935 alle ihre Ämter. Anträge auf Ausnahmeregelungen wurden durch das Reichsjustizministerium per se abgelehnt.«1201 Jüdische Notare gab es in Celle daher fortan nicht mehr. »Zwölf der 53 kamen in Konzentrationslagern um oder wurden deportiert.1202 Der Rest flüchtete sich ins Ausland.«1203
1195 Rüping, Notare und ihre Geschichte, in DNotZ 2006, S. 502 – 509, 502. 1196 Rüping, Notare und ihre Geschichte, in DNotZ 2006, S. 502 – 509, 502. 1197 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 18. 1198 Schubert, Materialien zur Vereinheitlichung des Notarrechts (1872 – 1937), Entwürfe zu einer Reichsnotarordnung von Friedrich Ferdinand Kurlbaum (1872), von Eduard Graf (1876) und von Hermann Oberneck (1930) sowie Quellen zur Reichsnotarordnung von 1937 (2004), S. 18. 1199 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 22. 1200 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 22. 1201 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 22. 1202 Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 22. 1203 Zu den Personalverhältnissen nach 1945, vgl. hierzu auch: Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 22.
334 III.
Das niedersächsische Notariat des 20. Jahrhunderts, ein Überblick
Die Bundesnotariatsordnung von 1961, die Selbstorganisation der hannoversch-niedersächsischen Notare und die Notarkammer Celle
Lässt sich das »Celler« Notariat seit jeher sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Teilbereich hannoverscher Notariatsgeschichte begreifen, gilt dies auch für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Wie festgestellt werden konnte, sah der Entwurf zur Reichsnotarordnung zwar die Bildung von Notarkammern vor, doch zu einer tatsächlichen Umsetzung dieser Idee kam es auch im Dritten Reich nicht bzw. nur in inhaltsloser Weise.1204 Dessen ungeachtet war dies nicht dem mangelnden Durchsetzungsvermögen des Notariats, sondern der kompromisslosen diktatorischen Staatsführung und ihren Zielen geschuldet. Als wichtiges Instrument der Selbstorganisation; und bereits seit Jahrhunderten vermisstes Instrument der berufsständischen Selbstkontrolle, soll daher kurz die Notarkammer Celle als junges, rechtsstaatliches sowie demokratisches Institut eines alten Berufsstandes erwähnt werden. Mit in Kraft treten des § 65 der Bundesnotarordnung im Jahr 1961 bestimmte das neue Bundesrecht der Bundesrepublik Deutschland: § 65 BNotO: »Die Notare, die in einem Oberlandesgerichtsbezirk bestellt sind, bilden eine Notarkammer. […] Die Notarkammer hat ihren Sitz am Ort des Oberlandesgerichts.«
Schnell wurde im Celler Bezirk auf die neue Rechtslage reagiert und noch im selben Jahr die Notarkammer Celle gegründet.1205 Bezeichnend für die in der langen Geschichte des hannoverschen/nordwestdeutschen Notariats bis dahin nie erreichte Schaffung einer solchen Standesorganisation waren daher die Eröffnungsworte zu ihrer Gründung von Dr. Arthur Müller : Dr. Arthur Müller ; am 27. Mai 1961, zur Eröffnung der ersten Kammerversammlung: »In der jahrhundertealten Geschichte des Notariats in Hannover ist es heute das erste Mal, dass eine Versammlung der Standesorganisation allein der Notare stattfindet.«1206
Auffallend ist hierbei, dass das Jahr 1961 wirklich als Jahr der ersten Notarkammer Celle bezeichnet wurde – die NS-Zeit fand richtigerweise keinerlei Beachtung. Anders als in Italien oder Frankreich, wo das Kammerwesen für das Notariat seinen Ursprung schon fünf Jahrhunderte früher genommen hatte,1207 1204 Siehe dazu auch im 3. Kapitel dieses Teils 2 unter I sowie unter II. 1205 Nahme, Die Notakammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 25. 1206 Dr. Arthur Müller : Am 27. Mai 1961, zur Eröffnung der ersten Kammerversammlung. Vgl. hierzu auch: Nahme, Die Notarkammer Celle und die Geschichte des Notariats in ihrem Bezirk (2007), S. 25; ders. gibt in seiner Veröffentlichung dasselbe Zitat wieder. 1207 Siehe dazu auch im 2. Kapitel des Teils 1.
Die Bundesnotariatsordnung von 1961
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kam es in Nordwestdeutschland und in den früheren hannoverschen Gebieten also erst 1961 mit in Kraft treten der Bundesnotarordnung zur echten selbstständigen Ständeorganisation.1208 Ab diesem Zeitpunkt übernahm das Notariat somit seine organisatorische Selbstverantwortung in »Hannover« bzw. im neuen Bundesland Niedersachsen erstmals durch seine eigenen Mitglieder eigenverantwortlich.
1208 Einzig das stets von Hannover unabhängig gebliebene Fürstentum Braunschweig konnte bereits im 19. Jahrhundert eine Notarkammer vorweisen, welche überdies sehr engagiert versucht hatte die Rechtsgundlage der notariellen Tätigkeit in Braunschweig zu beeinflussen; (siehe dazu auch im 1. Kapitel dieses Teils 2 unter II 1).
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Das hannoversche Notariat in den vergangenen 500 Jahren, ein Resümee
4. Kapitel – Das hannoversche Notariat in den vergangenen 500 Jahren, ein Resümee Betrachtet man die bis hier gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse über die vergangenen 500 Jahre und auch die Zeit vor 1512, kann zum Ende der Untersuchung für das hannoversche Notariats das Folgende bemerkt werden: Das hannoversche, Hannoversche Königliche, hannoversch-provinzielle und später auch niedersächsische Notariat war, als eigenständiges, territoriales Institut stets von besserer Qualität, als sein in der gesamtdeutschen Notariatsforschung geprägter Ruf. Dies gilt für das Mittelalter, die frühe Neuzeit sowie für das 17., 18., und auch 19. Jahrhundert. Bereits ab 1512 wurde die durch Kaiser Maximilian I. geschaffene Notariatsordnung durch mittelalterliche Territorialrechte in Nordwestdeutschland hervorragend flankiert und inhaltlich ausgefüllt. Wurde die kaiserliche Ordnung zwar mit dem erklärten Ziel geschaffen, das bis dahin an erheblichen Mängeln leidende gemeinrechtliche gesamtdeutsche Notariat zu verbessern, leisteten diese Dienste erst ebendiese territorialen hannoverschen Rechte. Zu ihnen zählten insbesondere die Stadtrechte, deren Wurzeln oftmals bis weit in das 13. Jahrhundert zurückreichten. Die zumeist schon zuvor sehr ausgereiften und an ihren Anwender hohe fachliche Ansprüche stellenden Kompilationen von örtlichem Gewohnheitsrecht, niedergeschriebenen statuarischen Stadtrechten und Präzedenzfällen stellten für das gemeinrechtliche Gelegenheitsnotariat ein unüberwindbares Bollwerk mit (rechts-) wissenschaftlich methodischem Anspruch dar. Ein solches Stadtrecht fand sich auch für das städtische Hannover und in verschiedenen Ausprägungen im ganzen welfischen Territorium. Der freie Notar musste immer mit dem anspruchsvollen Recht umzugehen wissen und im Weiteren mit dem in urbanen Gebieten weit verbreiteten Stadtschreibertum konkurrieren. Aus der Kombination von stadtrechtlichen Bestimmungen und Behördennotariat entstand das Erfordernis, als öffentlicher Notar eine fundierte Rechtsausbildung vorweisen zu können. Der mangelhaft ausgebildete gemeinrechtliche (Gelegenheits-) Notar hatte somit keine echte Möglichkeit tätig, zu werden. Die Qualität des hannoverschen, öffentlichen Notariats war dementsprechend für diese Zeit hervorragend. Dieser Qualitätsunterschied zum gesamtdeutschen Notariat sollte sich auch in den kommenden Jahrhunderten aufrechterhalten lassen; nicht jedoch, ohne Anfang des 17. Jahrhunderts einen Rückschlag erhalten zu haben. Nach der Residenznahme der Welfen in Hannover fasste das gemeine Recht in Nordwestdeutschland zunächst wieder Fuß. Es konnten abermals Mängel, auch im hannoverschen Notariat, nicht verhindert werden. Dieses Mal wurde sich der hannoversche, nunmehr kurfürstliche Gesetzgeber dieser Mängel allerdings
Das hannoversche Notariat in den vergangenen 500 Jahren, ein Resümee
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schneller bewusst und ging einmal mehr eigene Wege in der notariellen Rechtspflege. Er schuf mit dem Oberappellationsgericht zu Celle eine neue Institution zur Qualitätssicherung des hannoverschen Notariats und das Gericht nahm ab 1713 zunächst alle Notare in sogenannte Matrikellisten auf. Es prüfte neue Kandidaten gleichermaßen auf ihr rechtliches Wissen, wie auch auf ihren sittlichen Lebenswandel. Konnte ein Kandidat den Ansprüchen nicht genügen, wurde ihm die Zulassung verwehrt. Dies galt auch für bereits andernorts ernannte und bestellte Notare. Vergleichbare Institutionen suchte man in anderen Territorien für diese Zeit vergeblich. Neben das 1711 gegründete Gericht trat ab 1737 die Universität Göttingen. Diese prüfte ebenfalls im welfischen Territorium Notare und ernannte sie nach erfolgreich abgelegten Examina. Durch die Möglichkeit, sich einer derartigen fachlichen Prüfung zu unterziehen, sank in welfischen Landen automatisch das Ansehen der allzu oft wahllos vollzogenen Notariatsernennungen durch die sogenannten Hofpfalzgrafen. Dies galt sowohl für die öffentliche, als auch für die standesinterne Wahrnehmung des pfalzgräflich ernannten Notars. Die Qualität des hannoverschen Notars im 18. Jahrhundert wurde mithin primär an seiner Ernennung durch unabhängige Gremien gemessen. Diese Ernennung wurde durch den qualifizierten, ambitionierten Notar mithin zu erreichen gesucht. Es sollte bis zum Jahr 1853 bei diesen Umständen bleiben. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde mit dem in der HNO festgelegten Ernennungs- und Prüfungsverfahren ein gesetzliches Anforderungsprofil für Notare in Hannover geschaffen. Das erste Mal in der hannoverschen Notariatsgeschichte gereichten die geschaffenen Normen dem Notariat nicht durchweg zum Vorteil. Die ordnungsrechtlichen Bestimmungen und der hinter ihr stehende landesherrliche Gesetzgeber suchten mit der Kodifikation in Zeiten verfassungsrechtlicher sowie gesellschaftspolitischer Turbulenzen nicht zuletzt hohe rechtspolitische und systematische Ziele im eigenen Land zu verwirklichen. Diese Ziele behinderten sich allerdings gegenseitig und brachten eine in vielerlei Hinsicht formal nicht völlig mangelfreie Kodifikation hervor ; denn der Richter war durch die hannoverschen Justizreformen der 1850er Jahre zum Hauptkonkurrenten des Notars im Bereich der Pflege und Wahrnehmung der freiwilligen Gerichtsbarkeit erklärt; durch die Notariatsordnung und ihre Nebenbestimmungen dem Notar gegenüber indes oftmals formal besser gestellt worden. Freilich konnte sich das hannoversche Notariat ab 1853 gegenüber dem Richteramt dennoch behaupten. Der hannoversche Notar blieb, gleich ob in städtischen Ballungsräumen oder in ländlicheren Gebieten, auch im 19. Jahrhundert wirtschaftlich erfolgreich. In der Folge ist mithin ein zweigeteiltes Bild für das hannoversche Notariat festzuhalten. Die originär hannoversche Notariatsgemeinschaft und das rechtliche Fundament ihrer Tätigkeit existierten mit der HNO bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Im Vergleich zur gesamtdeutschen (Rechts-) Entwicklung be-
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Das hannoversche Notariat in den vergangenen 500 Jahren, ein Resümee
schritt Hannover im Notariat immer eigene Wege. Die »hannoversche« Notariatsgesetzgebung, zwar wiederholt durch die Mängel des gemeinen Rechts herausgefordert, stellte sich zum einen der Lösung dieser Aufgaben ein ums andere Mal. Zum anderen war das Notariatsrecht in Hannover stets von einem starken Streben nach größtmöglicher Rechtssicherheit sowie nach der Harmonisierung des Urkundenwesens mit anderen Gesetzes1209 geprägt; nur Letztere erreichte der hannoversche Gesetzgeber nicht immer in befriedigendem Umfang. Die über Jahrhunderte auch das Notariatsrecht prägende wechselhafte Geschichte der territorialen Entwicklung des hannoverschen »Staates« tat hierzu ihr Eigenes. Sie hatte stets erheblichen Einfluss auf das hiesige Notariat, sein Recht, seine Gestalt und seine gesamte Geschichte. Unter der Prämisse der besonders zu fördernden Rechtssicherheit im hannoverschen Staat – sprich für das hannoversche Volk – wurde der Notar im Land »Hannover« gleichwohl niemals zum bloßen Instrument staatlicher Machtausübung »herabgewürdigt«. Auf Grund des nicht geradlinigen Verlaufs der territorialen und machtpolitischen Entwicklung des hannoverschen Staates war die hannoversche Notariatsgeschichte äußerst bewegt. Im steten Kampf um ein vorrangig mangelfreies Notariat war sie im Ergebnis aber immer wieder von Erfolgen geprägt. Auch deshalb verlor sie erst im 20. Jahrhundert mit der Schaffung des Bundeslandes Niedersachsen ihre gänzlich eigenständige Bedeutung. ******
1209 In ganz besonderem Maße ist hier auf die Bestimmungen zur hannoverschen Justizreform und auf das in diesem Rahmen geschaffene Gerichtsverfassungsgesetz/(Gerichts-) Organisationsgesetz, (GVGKHann.) des Jahres 1850 und dessen § 21 hinzuweisen, welcher Notare und Amtsrichter zumindest ideell gleichberechtigt nebeneinander stellte.
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Anhang
I.
Stammtafel der Welfen als herrschende Monarchen (www.DieWelfen.de/stammtafel.html, abgerufen am: 20. 11. 2008)
Ruthard Graf zu Argenau, jedenfalls vor 790 Welf Graf zu Schussen und Argenau um 835 Judith 843, verheiratet mit König Ludwig der Fromme
Hemma 876, verheiratet mit König Ludwig der Deutsche
Konrad d. Jüngere, 867, Graf v. Auxerre
Konrad d. Ältere 863 Graf im Schussengau Welf I., 876 Graf im Argenau Welf II., 1030 Kunigunde vor 1065, verheiratet mit Azzo II., Markgraf von Este
Welf III., 1056 Herzog von Kärnten
Heinrich der Stolze um 1100, 1139, 1126 Herzog von Bayern und Sachsen, verheiratet mit Gertrude von Süpplingen
Braunschweig
Beginn der neuen Linie der Welfen in Deutschland
Welf IV. (in Deutschland Welf I.) 1101, 1170 Herzog von Bayern
Welf V., 1120 seit 1101 Herzog von Bayern verheiratet mit Mathilde von Tuscien
Heinrich der Schwarze 1126 seit 1120 Herzog von Bayern
Judith nach 1101, 1130/31 verheiratet mit Friedrich II. von Staufen Herzog von Schwaben
Sophie vor 1147 verheiratet mit Berthold Herzog von Zähringen
Heinrich der Löwe 1142 – 1195 und seine Söhne 1195 – 1202 Hannover-Göttingen
Otto IV. 1202 – 1218
Heinrich der Lange 1195 – 1227 Otto das Kind 1213 – 1235
Ältere Linie Lüneburg Johann 1267 – 1277 Otto II. der Strenge 1277 – 1330
Ältere Linie Braunschweig Albrecht der Große 1267 – 1279 Heinrich der Wunderliche und Albrecht II. der Fette 1279 – 1286
Lüneburg Wilhelm 1202 – 1213
358
Anhang
(Fortsetzung) Otto III. und Wilhelm mit dem großen Beine 1330 – 1352 Wilhelm mit dem großen Beine, allein 1352 – 1369 Mittlere Linie Wolfenbüttel Lüneburg & Calenberg/Wolfenbüttel
Wolfenbüttel Wilhelm 1286 – 1292
Göttingen Albrecht II. der Fette 1286 – 1318 Otto II. der Milde, Magnus der Fromme und Ernst 1318 – 1344 Ernst allein 1345 – 1367
Grubenhagen Heinrich der Wunderliche 1286 – 1332 Ernst I. in Osterode 1322 – 1361 Wilhelm in Herzberg 1325 – 1360
Magnus I. der Fromme 1345 – 1369
Otto der Quade 1367 – 1394
Heinrich II. in Eichsfeld 1332 – 3151
Magnus II. mit der Kette 1369 – 1373
Otto der Einäugige 1394 – 1435
Albrecht II in Salzhelden 1361 – 1383
Albrecht von Sachsen und Wenzelhausen von Sachsen 1373 – 1387
Friedrich und Bernhard I. 1374 – 1388
Erich I. 1383 – 1427
Bernhard I und Heinrich der Milde 1388 – 1409
Friedrich alleine 1388 – 1400
Ernst III. und Heinrich III. 1427 – 1441
Heinrich der Milde 1409 – 1416
Bernhard I. 1409 – 1428
Ernst III., Heinrich III. und Albrecht III. 1441 – 1464 Albrecht III. 1464 – 1481
Mittlere Linie Lüneburg
Mittlere Linie Braunschweig
Bernhard I. und seine Söhne 1428 – 1434
Wilhelm I und Heinrich I. 1428 – 1432
Otto I. der Hinkende und Friedrich der Fromme 1434 – 1445
Linie Calenberg Wilhelm I. 1432 – 1482
Heinrich II. der Friedfertige 1432 – 1473
Albrecht III. und Heinrich IV. 1481 – 1485 Phillip I., Ernst IV. und Erich II. 1485 – 1493
Friedrich II. der Fromme 1445 – 1457
Phillip I. und Erich II. 1493 – 1508
Bernhard II. und Otto der Sieghafte 1457 – 1464
Phillip I. alleine 1508 – 1551
Otto der Sieghafte 1464 – 1471
Ernst V., Johann Wolfgang und Phillip II. 1551 – 1557
Heinrich der Mittlere 1471 – 1520 Otto I. und Ernst der Bekenner 1520 – 1527
Friedrich der Unruhige und Wilhelm der Jüngere 1482 – 1484
Ernst V., Wolfgang und Phillip II. 1557 – 1567 Wolfgang und Phillip II. 1567 – 1595
359
Anhang
(Fortsetzung) Nebenlinie Harburg Otto I. 1527 – 1549 Otto II. 1549 – 1603 Christoph 1603 – 1606 Otto III. 1603 – 1641 Wilhelm 1603 – 1642 Ernst der Bekenner alleine 1527 – 1536
Erich I. der Ältere 1495 – 1540
Linie Wolfenbüttel Heinrich der Ältere 1491 – 1514 Heinrich der Jüngere 1514 – 1586
Ernst der Bekenner und Franz von Gifhorn 1536 – 1539
Erich II. der Jüngere 1540 – 1584
Heinrich der Jüngere 1515 – 1568
Ernst der Bekenner alleine 1539 – 1546
Phillip II. alleine 1595 – 1596
Julius 1568 – 1589
Franz Otto 1546 – 1559
Heinrich Julius 1589 – 1613
Heinrich und Wilhelm 1559 – 1569
Friedrich Ulrich 1613 – 1634
Wilhelm allein 1569 – 1592 Ernst II. 1592 – 1611 Christian der Ältere 1611 – 1633 August der Ältere 1633 – 1636 Friedrich 1636 – 1648 Jüngere Linie Lüneburg
Jüngere Linie BraunschweigWolfenbüttel
Georg zu Calenberg 1634 – 1641
August der Jüngere 1635 – 1666
Christian Ludwig 1641 – 1648
Rudolph August 1666 – 1685
Christian Ludwig in Celle 1648 – 1665
Georg Wilhelm in Hannover 1648 – 1665
Rudolph August und Anton Ulrich 1685 – 1704
Georg Wilhelm in Belle 1665 – 1705
Johann Friedrich in Hannover 1665 – 1679
Anton Ulrich 1704 – 1714
Ernst August als Bischof in Osnabrück 1662 – 1698 Ernst August in Hannover 1679 – 1698
August Wilhelm 1714 – 1731
Georg Ludwig, als Kurfürst von Hannover 1698 – 1714
Ludwig Rudolph 1731 – 1735
Georg Ludwig, als Georg I. 1714 – 1727
Ferdinand Albrecht II 1735 – 1735
Georg II. 1727 – 1760
Carl I. 1735 – 1780
Georg III. 1760 – 1820
Carl Wilhelm Ferdinand 1780 – 1806
Georg IV. 1820 – 1830
Friedrich Wilhelm 1813 – 1815
360
Anhang
(Fortsetzung) Wilhelm IV. 1830 – 1837
Carl II. unter Vormundschaft Georgs IV. 1815 – 1823
Ernst August 1837 – 1851
Carl II. allein 1823 – 1830
Georg V. 1851 – 1866
Wilhelm 1830 – 1884
Hannover unter preußischer Annexion ab 1866
361
Anhang
II.
Ausgewählte Gesetzesmaterialien zur hannoverschen Notariatsgesetzgebung
1.
Gerichtsordnung des Oberappellationsgerichts zu Celle
362
Anhang
Anhang
363
364 2.
Anhang
Organisationsgesetz/Gerichtsverfassungsgesetz des Königreichs Hannover
365
Anhang
3.
Bergsachengesetz des Königreichs Hannover
366
Anhang
Anhang
4.
367 Verfassungsänderungsgesetz des Königreichs Hannover von 1848 (Auszüge)
368
III.
Anhang
Illustration der rechtlichen Entwicklung des »hannoverschen« Notariats © Tobias Roeder 2012
369
Anhang
IV.
Ausgewählte Notariatsinstrumente, Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover
1.
Hinterlegungsbescheinigung für ein vor dem königlichen hannoverschen Notar Louis Arnold Wilhelm Wölffer notariell erstelltes Testament 1854
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann 72 Hannover Nr. 1153).
370 2.
Anhang
Ein vor dem königlichen hannoverschen Notar Louis Arnold Wilhelm Wölffer erstellter zu Teilen formalisierter Erbvertrag Testament 1854 (Seiten 1, 3 von 3)
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann 72 Hannover Nr. 1153; Seite 1/3).
Anhang
371
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann 72 Hannover Nr. 1153; Seite 3/3).
372 3.
Anhang
Bürgschaftsurkunde für eine vor dem königlichen hannoverschen Notar Dr. jur. Heinrich Bernhard Wüstenfeld notariell erstellte Bürgschaft der Frauen unter Verzicht des Senatus Consulto Vellejano 1855 (Seiten 1, 3 von 4)
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann 72 Hannover Nr. 1106; Seite 1/4).
Anhang
373
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann Hannover 72 Nr. 1106 Seite 3/4).
374 4.
Anhang
Eine vor dem königlichen hannoverschen Notar Louis Arnold Wilhelm Wölffer rein handschriftlich erstellte Generalvollmacht für die Frau der Eheleute Schachtrupp, 1869 zu Teilen auf Französisch verfasst (Seite 1, 3 von 3)
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann 72 Hannover Nr. 1165; Seite 1/3).
Anhang
375
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann 72 Hannover Nr. 1165; Seite 3/3).
376 5.
Anhang
Ein vor dem königlichen hannoverschen Notar Louis Arnold Wilhelm Wölffer rein handschriftlich erstellter Kaufvertrag ebenfalls der Eheleute Schachtrupp, 1865 (Seite 1, 10 von 10)
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann 72 Hannover Nr. 1154; Seite 1/10).
Anhang
377
(Bildnachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover : Sig. Hann 72 Hannover Nr. 1154; Seite 10/10).
378
V.
Anhang
Liste der durch das Oberappellationsgericht Celle in seinem Bezirk geprüften und zugelassenen Notare
Name
Urkunde
Ernennungsjahr
Chrome, Christian Fürchtegott, Schlegel Tegeler, Ernst Just
Bestallung als Notar Notariatsdiplom Antrag auf Bestätigung als Notar Bestallung als Notar
25. 5. 1785
28. 9. 1804
Cal. Or. 87, Nr. 40
Notariatsdiplom Doktordiplom
25. 10. 1782
Cal. Or. 87, Nr. 8 Cal. Or. 87, Nr. 44
Barth, Heinrich Wilhelm Ludwig Suffert, Christian Friedrich Westhoff, Johann Heinrich Tegeler, Ernst Just
Nessenius, Johann August Albert, Johann Christoph Albert Mertens, Johann Heinrich August Dörrien, Carl Wilhelm Langreuter, Diederich Stephan Georg
3. 5. 1782 20. 9. 1810
1. 6. 1804
Nachweissignatur Staatsarchiv nds. Cal. Or. 87, Nr. 13 Cal. Or. 87, Nr. 6 Cal. Or. 87, Nr. 46
Notariatsdiplom
13. 12. 1796
Cal. Or. 87, Nr. 41
Bestallung zum Notar
3. 7. 1795
Cal. Or. 87, Nr. 22
Beantragung der Bestätigung als Notar Notariatsdiplom
15. 9. 1810
Cal. Or. 87, Nr. 45
14. 3. 1793
Cal. Or. 87, Nr. 19
Bestallung als Notar Notariatsdiplom
6. 4. 1815
Cal. Or. 87, Nr. 47 Cal. Or. 87, Nr 42
12. 11. 1805
Bemerkung
Beantragung der Beförderung zum Cantonnotar im Jahre 1810. Cal. Or. 87, Nr. 46.
379
Anhang
(Fortsetzung) Name
Urkunde
Ernennungsjahr
Nessenius, Johann August
Notariatsdiplom
26. 4. 1796
Seeger, Georg Hermann Barth, Heinrich Wilhelm Ludwig Benecken, Carl Justus Erhard Müller, Friedrich Georg, Dr. Müller, Gotthelf Friedrich
Bestallung zum Notar Notariatsdiplom
20. 10. 1796
Doktordiplom
1. 11. 1803
Cal. Or. 87, Nr. 38
Notariatsdiplom
22. 9. 1802
Cal. Or. 87, Nr. 36/2
Notariatsdiplom und gleichzeitige Bestellung Notariatsdiplom
12. 3. 1082
Cal. Or. 87, Nr. 36
11. 5. 1801
Cal. Or. 87, Nr. 34
Bestellung zum Notar
26. 1. 1799
Cal. Or. 87, Nr. 33
Notariatsdiplom
14. 4. 1794
Cal. Or. 87, Nr. 30
Notariatsdiplom Bestellung zum Notar Notariatsdiplom Zeugnis der erfolgten Vereidigung
3. 10. 1796
Cal. Or. 87, Nr. 26 Cal. Or. 87, Nr. 2 Cal. Or. 87, Nr. 1 Cal. Or. 87, Nr. 23
Deichmann, Heinrich Christian Angerstein, Carl August Ludwig Elster, Johann Julius Christian Seeger, Georg Hermann Münter, Gottlieb Franz Paulsen, Wilhelm Johann Nessenius, Johann August
22. 9. 1804
21. 11. 1771 19. 11. 1768 3. 7. 1795
Nachweissignatur Staatsarchiv nds. Cal. Or. 87, Nr. 24
Cal. Or. 87, Nr. 27 Cal. Or. 87, Nr. 39
Bemerkung
Bestellung zum Notar bereits ein Jahr zuvor, (siehe Cal. Or. 87, Nr. 22)
Bestellung im gleichen Jahr
(siehe Cal. Or. 87, Nr. 22, 24 zur Diplomierung und Bestellung)
380
Anhang
(Fortsetzung) Name
Urkunde
Ernennungsjahr
Benecken, Carl Justus Erhard
Bestellung als Notar
21. 10. 1793
Scheele, Hermann Wickelmann, Johann Ernst
Bestellung zum Notar Bestellung und Verleihung des Notariatsdiploms Bestellung als Notar Bestallung als Notar
23. 1. 1793
Bestellung als Notar Bestellung als Notar
21. 8. 1784
Elster, Julius Christian Benecken, Justus Erhard
Bestellung zum Notar Notariatsdiplom
16. 6. 1797
Nessenius, August
Bestellung zum Notar
10. 5. 1796
Cal. Or. 87, Nr. 25
Albert, Johann Christoph Julius Haase, Heinrich Georg Scheele, Ernst Hermann
Bestellung zum Nota
13. 10. 1779
Cal. Or. 87, Nr. 5
Bestellung als Notar Notariatsdiplom
5. 6. 1773
Cal. Or 87, Nr. 4 Cal. Or. 87. Nr. 17
Jaenecke, Johann Georg Tusch, Georg Christoph Carl Mügge, Wilhelm Heinrich Suffert, Christian Friedrich
11. 5. 1790
20. 8. 1798 6. 12. 1787
24. 1. 1783
27. 5. 1795
9. 11. 1792
Nachweissignatur Staatsarchiv nds. Cal. Or. 87, Nr. 20
Bemerkung
Erhält das Notariatsdiplom erst im Jahre 1795 (siehe Cal. Or. 87, Nr. 21)
Cal. Or. 87, Nr. 18 Cal. Or. 87, Nr. 16/1 Cal. Or. 87, Nr. 16 Cal. Or. 87, Nr. 14 Cal. Or. 87, Nr. 14 Cal. Or. 87, Nr. 9
Cal. Or. 87, Nr. 31 Cal. Or. 87, Nr. 21
Erhielt bereits 1782 das Notariatsdiplom (siehe Cal. Or. 87, Nr. 8)
Erhielt die Bestellung zum Notar bereits 1793 Bereits 1795 erstmals erfolgt (siehe Cal. Or. 87, Nr. 22)
381
Anhang
(Fortsetzung) Nachweissignatur Staatsarchiv nds. Cal. Or. 87, Nr. 32
Bemerkung
9. 1. 1797
Cal. Or. 87, Nr. 29
Bereits zuvor in Celle geprüft und im Jahre 1810 Antrag auf Bestätigung des Notariats
Notariatsdiplom
4. 9. 1802
Cal. Or. 87, Nr. 36/1
Bestellung zum Notar Bestellung zum Notar Bestellung zum Notar
13. 5. 1801
Cal. Or. 87 Nr. 35 Cal. Or. 87, Nr. 7 Cal. Or. 87, Nr. 43
Notariatsdiplom
12. 3. 1785
Cal. Or. 87, Nr. 12
Notariatsdiplom
12. 3. 1785
Cal. Or. 87, Nr. 3
Ersuch um Bestätigung als Notar Notariatsdiplom Diplom als comes palatinus Bestellung als Notar
13. 9. 1810
Cal. Or. 87, Nr. 44
Name
Urkunde
Ernennungsjahr
Angerstein, Carl August Wilhelm Tegeler, Ernst August
Doktordiplom
5. 10. 1798
Bestellung als Notar
Hantelmann, August Heinrich Gustav Deichmann, Christian Schlegel, Fürchtegott Langreuter, Diederich Stephan Georg Chrome, Jakop Christian Albert, Johann Julius Christoph Denecken, Dr. jur.
13. 5. 1782 14. 11. 1805
Mügge, Wil27. 7. 1784 Cal. Or. 87, helm Heinrich Nr. 10 25. 7. 1803 Cal. Or. 87, Benecken, Nr. 37 Carl Justus Erhard Müller, Fried29. 9. 1802 Cal. Or. 87, Nr. 36/3 rich Georg, Dr. (Quellennachweis: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Außenstelle Pattensen Bestand Cal. Or. 87).
382
Anhang
VI.
Noch vorhandene Personalakten der Notarspersönlichkeiten im Königreich Hannover während des Geltungszeitraums der HNO (spätester Geburtsjahrgang 1867)
Name
Residenz
Geburtsjahr
Arends, Wilhelm
Neuenhaus
1856
Bahrdt, Ewald
Hann. Münden Göttingen Hannover
1863
Nachweissignatur Hann. 173 Acc*. 67/78 Nr. 1 103/79 Nr. 2
1845 1867
49/72 Nr. 3 56/97 Nr. 9
Hildesheim
1841
57/98 Nr. 129
Hildesheim
1857
56/97 Nr. 156
Hannover Hannover Hannover Hildesheim Burgdorf Ottendorf Blumenthal Unterweser Verden Hannover
1854 1857 1864 1855 1862 1864 1866
67/78 Nr. 8 103/79 Nr. 4 49/72 Nr. 37 84/59 Nr. 291 103/79 Nr. 5 84/59 Nr. 767 56/97 Nr. 312
1845 1836
85/59 Nr. 237 49/72 Nr. 15
Hannover
1865
56/97 Nr. 185
Emden Hoya
1829 1861
84/59 Nr. 499 49/72 Nr. 24
Peine
1852
49/72 Nr. 41
Hannover Geestemünde
1866 1851
56/97 Nr. 447 49/72 Nr. 34
Nienburg
1860
Aschendorf
1861
84/59 Nr. 261 56/97 Nr. 38 84/59 Nr. 275
Hannover
1865
56/97 Nr. 320
Bargen, Karl v. Behrmann, Fritz Beitzen, I. Hermann Beitzen, Wilhelm Benfey, Georg Benfey, Phillip Berend, Emil Berg, Julius Bering, Georg Billeb, August Böning, Gustav Böhmer, Ernst Bojunga, Claudius Bojunga, Johann Böning, Carl Borchers, Hermann Brandis, Hermann Brauns, Hans Brüel, Georg Wilhelm Buddenberg, Karl Bueren, Bernhard Busse, walter
Bemerkung
383
Anhang
(Fortsetzung) Name
Residenz
Geburtsjahr
Capelle, Hermann Clemen, Hartwig Cleves, Bodo Colshorn, Hermann Cramer, Theodor Dalberg, Max Davidsohn, Willy Diekhoff, Eugen Dieckmann, Wilhelm Eckels, Adolf Eckels, Hermann Fiedler, Carl Finkenburg, Friedrich Fisser, Friedrich Förster, Joseph Franzius, Edmund Freericks, Hermann Fressel, Friedrich, Freudenstein, Otto Freudentheil, Christian Friedrichs, Rudolf Frööhlking, Friedrich Gerbracht, Karl
HarburgWilhelmsburg Rinteln
1859
Nachweissignatur 103/79 Nr. 6
1864
84/59. Nr. 243
Hannover Hannover
1842 1852
84/59 Nr. 750 49/72 Nr. 49
Emden
1858
84/59 Nr. 160
Northeim Hildesheim
1863 1862
83/76 Nr. 17 49/72 Nr. 62
Peine
1856
49/72 Nr. 63
Hannover
1865
56/97 Nr. 186
Göttingen Göttingen
1857 1845
49/72 Nr. 75 84/59 Nr. 721
Lehe Weener
1862 1849
49/72 Nr. 88 84/59 Nr. 12
Soltau
1864
49/72 Nr. 94
Hildesheim
1851
67/78 Nr. 11
Norden
1862
97/96 Nr. 5
Papenburg
1839
84/59 Nr. 142
Lüneburg
1857
83/76 Nr. 30
Hannover
1851
49/72 Nr. 80
Stade
1828
49/72 Nr. 83
Verden
1854
67/78 Nr. 13
Norden
1858
49/72 Nr. 91
Hameln
1857
49/72 Nr. 116
Bemerkung
384
Anhang
(Fortsetzung) Name
Residenz
Geburtsjahr
Gravenhorst, Karl Grosskopf, Albert Grote, Fritz Grote, Georg Julius Haacke, Georg Harmsen, Theobald Harries, Johann Hartung, Georg Hausmann, Ludwig Heiliger, Enst Heinemann, Robert Hemkes, Cornelius Hiltermann, Hermann Hintze, Ernst Holling, Josef Hoppe, Albert Hugenberg, Hermann Jüdell, Otto Kausch, Heinrich Kellinghausen, Hermann Kistemaker, Heinrich Klienrath, Heinrich Klussmann, Rudolf Koch, Karl Korte, Heinrich
Lüneburg
1837
Nachweissignatur 49/72 Nr. 105
Osnabrück
1853
56/97 Nr. 223
Hannover Hannover
1864 1830
56/97 Nr. 191 84/59 Nr. 651
Lüneburg Hildesheim
1826 1862
84/59 Nr.. 652 56/97 Nr. 400
WesermündeLehe Goslar
1862
56/97 Nr. 132
1853
49/72 Nr. 132
Stade
1863
5697 Nr. 115
Hannover Lüneburg
1833 1856
84/59 Nr. 471 49/72 Nr. 155
Leer
1858
56/97 Nr. 131
Osterode
1851
49/72 Nr. 151
Nienburg Meppen Hannover Osnabrück
1818 1861 1854 1830
84/59 Nr. 719 56/97 Nr. 62 83/76 Nr. 45 84/59 Nr. 761
Hannover Uelzen
1839 1857
49/72 Nr. 165 49/72 Nr. 184
Osnabrück
1838
84/59 Nr. 189
Osnabrück
1822
84/59 Nr. 206
Hannover
1831
84/59 Nr. 551
Osnabrück
1852
84/59 Nr. 470
Hildesheim Dannenberg
1854 1850
49/72 Nr. 180 84/59 Nr. 570
Bemerkung
385
Anhang
(Fortsetzung) Name
Residenz
Geburtsjahr
Krimke, Siegfried Lenzberg, Georg Linckelmann, Carl Linckelmann, Karl Ludwig, Georg Lueder, Viktor
Verden
1859
Nachweissignatur 67/78 Nr. 29
Hannover
1856
83/76 Nr. 51
Hannover
1857
63/80 Nr. 11
Hannover
1821
84/59 Nr. 134
Herzberg Rotenburg (Hann) Aurich OsterholzSch. Geestemünde
1857 1863
84/59 Nr. 805 56/98 Nr. 307
1862 1852
56/97 Nr. 82 63/80 Nr. 14
1853
56/97 Nr. 93
Lüneburg
1856
49/72 Nr. 254
Hildesheim
1855
67/78 Nr. 40
Emden
1865
49/72 Nr. 234
Syke Verden
1859 1830
49/72 Nr. 240 84/59 Nr. 371
Hannover
1861
67/778 Nr. 41
Verden
1841
49/72 Nr. 260
Verden Stade Hannover
1851 1857 1864
56/97 Nr. 393 56/97 Nr. 134 103/79 Nr. 23
Stade Lüchow
1846 1858
103/79 Nr. 24 56/97 Nr. 323
Quakenbrück
1860
84/59 Nr. 691
Uelzen
1855
67/78 Nr. 43
Lingen
1850
49/72 Nr. 269
Maaß, Conrad Mallet, Johann Mangold, Robert Mangoldt, Kurt Matthei, Godwin Metger, Rudolf Meyer, Carl Meyer, Ludwig Arnold Meyer, Sigmund Mohrmann, Hugo Müller, Otto Müller, Paul Mühlenberg, Wilhelm Nagel, Johann Naumann, Karl Naumann, Max Niedermeyer, Conrad Niemann, Wilhelm
Bemerkung
386
Anhang
(Fortsetzung) Name
Residenz
Geburtsjahr
Oppen, Gustav Plate, Heinrich Rautenberg, Friedrich Reicher, Richard Remmers, Heinrich Rohlfing, Adolf Roscher, Theodor Rosenberg, Felix Rosenberg, Julius Rudolph, Friedrich Rumann, Cuno Russel, Gustav Sanen, Joseph Schlötelborg, Johann Schlüter, Georg Schmidt, Hugo Schultze, Adolf Schwabe, Max Schweigmann, Theodor Seckel, Eduard Sertürner, Carl Franz Seyfahrt, Wilhelm Spangenberg, Wiliam
Wittmund
1858
Nachweissignatur 83/76 Nr. 61
Diepholz
1829
84/59 Nr. 690
Hannover
1833
84/59 Nr. 163
Hannover
1856
49/72 Nr. 301
Aurich
1848
49/72 Nr. 229
Neustadt a. Rbg. Hannover
1862
63/80 Nr. 18
1853
49/72 Nr. 316
Hameln
1858
63/80 Nr. 19
Göttingen
1861
49/72 Nr. 313
Hannover
1852
84/59 Nr. 659
Aalfeld
1861
67/78 Nr. 48
Goslar Leer Hannover
1855 1852 1825
56/97 Nr. 145 84/59 Nr. 743 49/72 Nr. 348
Göttingen
1859
56/97 Nr. 137
Zeven
1850
103/79 Nr. 33
Gifhorn
1856
49/72 Nr. 343
Hannover Osnabrück
1858 1862
56/97 Nr. 147 103/79 Nr. 34
Göttingen
1834
84/59 Nr. 661
Hameln
1821
84/59 Nr. 1120
Uelzen
1827
84/59 Nr. 689
Hannover
1854
56/97 Nr. 146
Bemerkung
387
Anhang
(Fortsetzung) Name
Residenz
Geburtsjahr
Nachweissignatur 56/97 Nr. 192
Bemerkung
Stehmann, Hannover 1860 Adolf Steinberg, Göttingen 1858 67/78 Nr. 61 Adolf Steinbömer, Aurich 1854 56/97 Nr. 356 Justus Stockfisch, Hannover 1861 56/97 Nr. 353 Alphons Takens, Enno Weener 1806 84/59 Nr. 77 Tannen, Wittmund 1854 83/76 Nr. 79/1 Heinrich &2 Treumann, Hann. 1858 49/72 Nr. 387 Georg Münden Ubbelonde, Stade 1860 49/72 Nr. 387 Wilhelhelm Weinberg, Hannover 1864 56/97 Nr. 14 Julius Weinhagen, Hildesheim 1838 49/72 389 Adolf Wellenkamp, Osnabrück 1845 49/72 Nr. 405 Adolf Wildhagen, Göttingen 1857 84/59 Nr. 295 Georg Wyenken, Stade 1833 84/59 Nr. 288 Johann * Nicht weiter benannte Aktenzeichen beginnen ebenfalls mit Hann. Acc. 173. ** (Quellennachweis: Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Bestand Hann. Acc. 173).
388
VII.
Anhang
Notariatsaktenbestände und Generalia des hannoverschen Notariats (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover)
Name Nicol
Vorname Karl, Dr.
Anwaltsnotar k. A.
Haase
Georg Friedrich Ludwig, Dr.
k. A.
Aktenzeichen Hann. 72 Hannover** Nr. 1310 Nr. 1312 Nr. 1306 Nr. 1311 Nr. 1303 Nr. 1307 Nr. 1305 Nr. 1313 Nr. 1304 Nr. 1308 Nr. 1390
k. A.
Nr. 1396 Nr. 1398 Nr. 1400 Nr. 1394 Nr. 1399 Nr. 1386 Nr. 1391 Nr. 1401 Nr. 1395 Nr. 1387 Nr. 1392 Nr. 1402 Nr. 1397 Nr. 1389 Nr. 1393 Nr. 1057
Wagener
Gottfried Just Achatius, Dr.
Nr. 1063 Nr. 1052 Nr. 1062 Nr. 1050 Nr. 1054 Nr. 1061 Nr. 1049
389
Anhang
(Fortsetzung) Name
Vorname
Anwaltsnotar
Lüdecking
Anton Conrad Friedrich Ludwig Friedrich Ludwig
k. A.
Carl August Ludwig
Obergerichtsanwalt und Notar
Mecke Bauermeister
k. A.
Kastendieck
Richard, Dr.
k. A.
Bernhard
Heinrich, Dr.
Preuß
Christoph Clemens
Obergerichtsanwalt und Notar k. A.
Aktenzeichen Nr. 1056 Nr. 1066 Nr. 1080 Nr. 1079 Nr. 1086 Nr. 1083 Nr. 1035 Nr. 1082 Nr. 1084 Nr. 1097 Nr. 1037 Nr. 1089 Nr. 1091 Nr. 1096 Nr. 1092 Nr. 1094 Nr. 1206 Nr. 1090 Nr. 1095 Nr. 1093 Nr. 1088 Nr. 1103 Nr. 1113 Nr. 1116 Nr. 1120/1 Nr. 1122 Nr. 1131 Nr. 1130 Nr. 1135 Nr. 1117 Nr. 1134 Nr. 1127 Nr. 1132 Nr. 1120 Nr. 1118 Nr. 1121 Nr. 1129 Nr. 1123
390
Anhang
(Fortsetzung) Name
Vorname
Anwaltsnotar
Wölffer
Louis Arnold Wilhelm
k. A.
Aktenzeichen Nr. 1133 Nr. 1126 Nr. 1128 Nr. 1119 Nr. 1115 Nr. 1124 Nr. 1125 Nr. 1152 Nr. 1153 Nr. 1151 Nr. 1155 Nr. 1175 Nr. 1179 Nr. 1181 Nr. 1184 Nr. 1165 Nr. 1186 Nr. 1160 Nr. 1158 Nr. 1156 Nr. 1164 Nr. 1161 Nr. 1177 Nr. 1172 Nr. 1178 Nr. 1173 Nr. 1154 Nr. 1162 Nr. 1166 Nr. 1170 Nr. 1168 Nr. 1180 Nr. 1167 Nr. 1183 Nr. 1176 Nr. 1157 Nr. 1174 Nr. 1182 Nr. 1169 Nr. 1163
391
Anhang
(Fortsetzung) Name Wüstenfeld
Erdmann
Vorname Heinrich Bernhard, Dr.
k. A.
Anwaltsnotar k. A.
Obergerichtsanwalt und Notar
Aktenzeichen Nr. 1099 Nr. 1105 Nr. 1111 Nr. 1106 Nr. 1104 Nr. 1112 Nr. 1108 Nr. 1109 Nr. 1107 Nr. 1110 Nr. 1102 Nr. 1100 Nr. 1101 Nr. 1190
Nr. 1197 Nr. 1202 Nr. 1208 Nr. 1188 Nr. 1205 Nr. 1210 Nr. 1194 Nr. 1198 Nr. 1204 Nr. 1209 Nr. 1187 Nr. 1193 Nr. 1196 Nr. 1192 Nr. 1207 Nr. 1201 Nr. 1195 Nr. 1203 Nr. 1199 Nr. 1191 Nr. 1200 * Nach Reihung der online- Findbuch-Angaben des Niedersächsischen Landesarchives, Hauptstaatsarchiv Hannover ; alle Aktenzeichen ohne weitere Angabe beginnen ebenfalls mit der Signatur Hann. 72. Hannover.