Das Internationale Privatrecht der Transportverträge: Die Bestimmung des Beförderungsvertragsstatuts im Spannungsfeld von Art. 5 Rom I-VO und ... und internationalen Privatrecht, Band 350) 9783161542534

Das internationale Transportrecht ist durch eine unübersichtliche Anzahl von materiellen Einheitsrechtsakten gekennzeich

123 87 5MB

German Pages 503 [504] Year 2016

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Das Zusammenspiel von europäischem BeförderungsvertragsIPR und materiellem Einheitstransportrecht
Die neue europäische Kollisionsnorm für Beförderungsverträge – Art. 5 Rom I-VO
Die praktische Bedeutung der supranationalen Beförderungsvertragskollisionsnorm
Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
Recommend Papers

Das Internationale Privatrecht der Transportverträge: Die Bestimmung des Beförderungsvertragsstatuts im Spannungsfeld von Art. 5 Rom I-VO und ... und internationalen Privatrecht, Band 350)
 9783161542534

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 350 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Johannes Schilling

Das Internationale Privatrecht der Transportverträge Die Bestimmung des Beförderungsvertragsstatuts im Spannungsfeld von Art. 5 Rom I-VO und materiellem Einheitstransportrecht

Mohr Siebeck

Johannes Schilling, geboren 1983; Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Würzburg, Fribourg (CH) und Poitiers (F); 2008 Erste Juristische Staatsprüfung; Referendariat am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg; 2015 Zweite Juristische Staatsprüfung; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Euro­päisches Wirtschaftsrecht, Internationales Privat- und Prozessrecht sowie Rechtsvergleichung der Universität Würzburg (Prof. Dr. Oliver Remien); Promotionsstipen­ dium der Studienstiftung des Deutschen Volkes; Associate an der IMPRS for Maritime Affairs, Hamburg; wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg.

ISBN 978-3-16-154253-4 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2016  Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Für Maja

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand vom 1. Juli 2015. In besonderer Weise danke ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Oliver Remien, für die Betreuung meines Dissertationsvorhabens. Er hat mir bei der Ausarbeitung des Themas die erforderliche Freiheit gelassen und mir im Rahmen meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl wichtige Einblicke in das internationale Handels- und Transportrecht ermöglicht. Frau Professorin Dr. Eva-Maria Kieninger, die schon früh im Studium mein Interesse für das Internationale Privatrecht geweckt hat, danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Die Dissertation ist während des mir durch die Studienstiftung des deutschen Volkes gewährten Promotionsstipendiums entstanden und wäre ohne diese finanzielle Förderung nicht möglich gewesen. Besonders geprägt wurden die Arbeit und ich selbst durch meinen Aufenthalt am Hamburger MaxPlanck-Institut. Es gibt wohl kaum einen fruchtbareren Boden für die Wissenschaft als diesen Ort, an dem kluge und interessierte Menschen aus aller Welt zusammentreffen. Herrn Priv.-Doz. Dr. Rainer Kulms danke ich dafür, dass er mir während meiner Zeit als Assistent der IPRspr. die Möglichkeit gegeben hat, das Internationale Privatrecht in seiner Vielseitigkeit wahrzunehmen. Er hat mir außerdem den nötigen Freiraum gewährt, um mein Dissertationsprojekt zu Ende zu bringen. Zu dem Gelingen meiner Arbeit haben auch viele Kollegen entscheidend beigetragen. In Würzburg hatte ich in Frau Anna-Maria Seubert eine unerschütterliche Fürsprecherin. Am MPI habe ich vor allem von dem fachlichen und außerjuristischen Gedankenaustausch mit den Herren Dr. Gunnar Franck und Dr. Johannes Weber profitiert. Letzterem schulde ich auch dafür großen Dank, dass er die Arbeit innerhalb kürzester Zeit Korrektur gelesen hat. Frau Janina Jentz hat mir wichtige Hilfe bei der Drucklegung des Manuskripts geleistet. Den Direktoren am Institut Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, Herrn Professor Dr. Holger Fleischer und Herrn Professor Dr. Dr.

VIII

Vorwort

h.c. mult. Reinhard Zimmermann bin ich nicht zuletzt für die Aufnahme meiner Dissertation in diese Schriftenreihe dankbar. Ohne die liebevolle Unterstützung und die Geduld meiner Frau und meiner Kinder sowie die selbstlose Förderung durch meine Mutter wäre diese Arbeit nicht entstanden. Hamburg, im August 2015

Johannes Schilling

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis .......................................................................... XXIX

Einleitung................................................................................................... 1 1. Kapitel: Das Zusammenspiel von europäischem Beförderungsvertrags-IPR und materiellem Einheitstransportrecht .......... 5 § 1 Bestandsaufnahme: Das Labyrinth des internationalen Transportrechts...................................................................................... 6 § 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen ........................24 § 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus dem Blickwinkel der Rom I-Verordnung ......................................................................... 40 § 4 Prüfungsreihenfolge für die Bestimmung des auf einen internationalen Transportvertrag anwendbaren Rechts .........................92

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm für Beförderungsverträge – Art. 5 Rom I-VO ........................................99 § 5 Die Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR .............. 100 § 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen durch Art. 5 Rom I-VO .......................... 110 § 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge .......... 224 § 8 Das Verhältnis von Art. 5 Rom I-VO zu anderen Bestimmungen der Rom I-Verordnung ....................................................................... 314

X

Inhaltsübersicht

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung der supranationalen Beförderungsvertragskollisionsnorm ............................................... 339 § 9 Anwendungskonstellationen für Art. 5 Rom I-VO im Hinblick auf konkurrierendes vorrangiges Einheitstransportrecht ..................... 340 § 10 Die divergierenden Anwendungskriterien von transnationalem Transportrecht und europäischem Beförderungsvertrags-IPR ............. 359 § 11 Die Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich der Schließung inhaltlicher Lücken des materiellen Einheitsrechts ............................. 378 § 12 Auswertung: Praktische Anwendungsfelder von Art. 5 Rom I-VO ................................................................................ 394

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung ........... 399 § 13 Wege zur Konsolidierung der internationalen Transportvertragsrechtsquellen ........................................................... 399 § 14 Bewertung des sekundärrechtlichen Beförderungsvertragskollisionsrechts ................................................. 402 § 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ................................. 415 Literaturverzeichnis .................................................................................... 427 Sachverzeichnis .......................................................................................... 455

Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ........................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis .......................................................................... XXIX

Einleitung................................................................................................... 1 1. Kapitel: Das Zusammenspiel von europäischem Beförderungsvertrags-IPR und materiellem Einheitstransportrecht .......... 5 § 1 Bestandsaufnahme: Das Labyrinth des internationalen Transportrechts ..................................................................................... 6 A.

B.

Bei der Bestimmung des Vertragsstatuts zu berücksichtigende Regulierungsebenen .............................................................................. 7 I. Ausgangspunkt: Autonomes Recht des Forumstaates ...................... 8 II. Vorschriften völkerrechtlichen Ursprungs ....................................... 8 III. Europäisches Recht für internationale Sachverhalte........................10 IV. Zwischenergebnis ........................................................................... 12 Überblick über das bestehende materielle Einheitsrecht für internationale Transportverträge ........................................................... 13 I. Straßenverkehr ............................................................................... 14 1. Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route (CMR) .............................................. 14 2. Convention relative au contrat de transport international de voyageurs et de bagages par route (CVR) ..............................14 3. Verordnung (EU) 181/2011 ........................................................ 15 II. Schienenverkehr ............................................................................. 15 1. Anhänge A (CIV) und B (CIM) Convention relative aux transports internationaux ferroviares (COTIF) 1999 ...................15 2. Verordnung (EG) 1371/2007 ...................................................... 16 III. Luftverkehr..................................................................................... 16 1. Warschauer Abkommen (WA) ................................................... 16 2. Montrealer Übereinkommen (MÜ) ............................................. 17 3. Verordnung (EG) 2027/97 .......................................................... 17

XII

C.

Inhaltsverzeichnis

4. Verordnung (EG) 261/2004 ........................................................ 18 5. Verordnung (EG) 2111/2005 ...................................................... 18 IV. Binnenschifffahrt ............................................................................ 19 1. Convention de Budapest relative au contrat de transport de marchandises en navigation intérieure (CMNI) ..........................19 2. Convention de Strasbourg sur la limitation de la responsabilité en navigation intérieure (CLNI) ...........................19 3. Verordnung (EU) 1177/2010 ...................................................... 20 V. Seeschifffahrt ................................................................................. 20 1. Internationales Einheitsrecht für Konnossemente .......................20 2. Athener Übereinkommen (AÜ) .................................................. 21 3. Convention on Limitation of Liability for Maritime Claims (LLMC) ......................................................................... 22 4. Verordnung (EG) 392/2009 ........................................................ 23 5. Verordnung (EU) 1177/2010 ...................................................... 23 Ergebnis ............................................................................................... 23

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen .........................24 A.

B.

Die Lösung von verdrängenden Normkonkurrenzen innerhalb derselben Regulierungsebene ............................................................... 25 I. Allgemeine Grundsätze .................................................................. 25 II. Die Besonderheit von Konventionskonflikten.................................25 Die Auflösung vertikaler Normkonkurrenzen .......................................27 I. Innerstaatliche Wirkung von Staatsvertragsrecht ............................27 1. Geltungsgrund ............................................................................ 28 2. Stellung innerhalb der Normenhierarchie ...................................29 a) Übergesetzlicher Rang des Konventionsrechts .......................29 b) Staatsvertragsrecht mit einfachem Gesetzesrang.....................30 II. Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber mitgliedstaatlichem Recht .............................................................. 31 III. Kollisionen von Unions- und Völkervertragsrecht ..........................32 1. Staatsverträge der Europäischen Union ......................................32 a) Unionsübereinkünfte .............................................................. 32 b) Gemischte Übereinkommen.................................................... 33 2. Ausschließlich von Mitgliedstaaten verabschiedete Übereinkommen ......................................................................... 35 a) Respekt der bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten durch die Union ............36 b) Schranke: „Grundsatzentscheidungen“ des Unionsrechts .......38 IV. Ergebnis ......................................................................................... 39

Inhaltsverzeichnis

XIII

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus dem Blickwinkel der Rom I-Verordnung ......................................................................... 40 A.

B.

Verhältnis zu vereinheitlichtem Verweisungsrecht ...............................41 I. Staatsvertragliches Kollisionsrecht ................................................. 41 1. Zum Zeitpunkt der Annahme der Rom I-Verordnung bestehende Übereinkommen der Mitgliedstaaten .......................42 a) Grundsätzlicher Vorrang gegenüber der Rom IVerordnung ............................................................................ 42 b) Ausnahme nach Art. 25 Abs. 2 Rom I-VO .............................44 2. Nach dem 17. Juni 2008 geschlossene mitgliedstaatliche Übereinkommen ......................................................................... 44 a) Die völkerrechtliche Vertragsschlusskompetenz der EU aufgrund von Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV ......................................................................... 45 aa) Kodifizierung der AETR-Rechtsprechung des EuGH .......46 bb) Die Beeinträchtigung von Unionsrecht durch den Abschluss von mitgliedstaatlichen Übereinkommen mit Drittstaaten i. S. v. Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV ..........47 cc) Konsequenzen der Kompetenzordnung für das Handeln nach Außen ........................................................ 48 b) Übergang der Außenkompetenz für den Bereich des vertraglichen IPR.................................................................... 49 c) Schlussfolgerungen für die Auslegung von Art. 25 Rom I-VO .................................................................. 50 3. Kollisionsrechtsübereinkommen der Europäischen Union ..........51 4. Ergebnis ..................................................................................... 52 II. Unionskollisionsrecht ..................................................................... 52 1. Richtlinienkollisionsnormen....................................................... 53 2. Verordnungskollisionsrecht ........................................................ 54 a) Rom II-VO ............................................................................. 54 b) Besondere Vorschriften der Kabotage-Verordnungen .............55 aa) Wettbewerbsspezifischer Hintergrund des europäischen Kabotagerechts............................................ 56 bb) Die Funktion des Verweises auf die Vorschriften des Aufnahmestaates ........................................................ 57 cc) International-privatrechtliche Einordnung der Kabotageregelungen ......................................................... 57 Verhältnis zu materiellem transnationalem Einheitstransportrecht ........59 I. International (staatsvertraglich) vereinheitlichtes Sachrecht ...........59 1. Rangkollisionsrechtliche Vorgaben für die Überprüfung der Wechselbeziehung................................................................ 60 a) Sachrechtsübereinkommen der Union stets vorrangig.............61

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Bestandsschutz für materiell-rechtliche Altübereinkommen der Mitgliedstaaten ..................................61 c) Zwischenergebnis: Eigentliche Fragestellung auf zukünftiges Einheitsrecht der Mitgliedstaaten begrenzt ..........62 2. Die Zukunft der mitgliedstaatlichen Sachrechtsvereinheitlichung nach Erlass der Rom IVerordnung ................................................................................ 62 a) Allgemeine Unionskompetenz zum Abschluss von Sachrechtsübereinkommen mit Drittstaaten infolge des Erlasses des sekundärrechtlichen Schuldvertrags-IPR? ...........63 aa) Widerspruch zur bestehenden primärrechtlichen Kompetenzverteilung........................................................ 64 bb) Keine Beeinträchtigung des sekundärrechtlichen IPR durch Rechtsanwendungsnormen des beschränkten materiellen Einheitsrechts ...........................66 cc) Ergebnis ........................................................................... 67 b) Punktuelle Außenkompetenz der Union aufgrund einer möglichen Beeinträchtigung der Rom I-Verordnung ..............67 aa) Sachrechtsergänzende Normen ......................................... 67 bb) Keine Beeinträchtigung bei engem funktionellen Zusammenhang zu materiell-rechtlicher Regelung ...........69 cc) Ausnahme: Vorschrift nimmt eigenständigen Ausgleich von Rechtsanwendungsinteressen vor ..............70 c) Fazit ....................................................................................... 72 3. Die praktische Berücksichtigung von staatsvertraglichem Einheitsrecht durch die Rom I-Verordnung ................................72 a) Weiterführung des im Rahmen des EVÜ vertretenen Ansatzes über Art. 25 Rom I-VO nicht statthaft .....................73 aa) Vorschrift behandelt lediglich bestehende Übereinkommen ............................................................... 73 bb) Rechtsanwendungsnormen stellen keine „Kollisionsnormen“ im Sinne von Art. 25 Rom I-VO dar ..................74 (1) Die Herausbildung des europäischen Kollisionsnormbegriffes ............................................. 74 (2) Bestätigung durch die eDate-Entscheidung des EuGH ......................................................................... 77 (3) Schlussfolgerung ........................................................ 78 cc) Widerspruch gegen die primärrechtliche Kompetenzverteilung........................................................ 78 dd) Indizwirkung des Verzeichnis nach Art. 26 Rom I-VO .....79 b) Vorzugswürdige Anwendungsbereichslösung.........................81 aa) Anwendung der Rom I-Verordnung setzt „Konflikt der Rechte“ voraus ........................................................... 81

Inhaltsverzeichnis

XV

bb) „Rechtskonflikt“ bei Anwendbarkeit von vereinheitlichtem Sachrecht nicht gegeben .......................82 cc) Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung hinsichtlich materiell-rechtlich nicht vereinheitlichter Bereiche eröffnet ....................................83 4. Ergebnis ..................................................................................... 84 II. Regional (supranational) harmonisiertes bzw. vereinheitlichtes Sachrecht ............................................................. 85 1. Richtlinienrecht als Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung der Rom I-Verordnung nachgeschaltet ...............85 2. Verordnungsvertragsrecht .......................................................... 86 a) Verordnungen mit eigener Definition des internationalen Anwendungsbereichs .....................................87 b) In räumlicher Hinsicht unspezifisches Verordnungsvertragsrecht....................................................... 89 3. Ergebnis ..................................................................................... 90 III. Fazit ............................................................................................... 90 § 4 Prüfungsreihenfolge für die Bestimmung des auf einen internationalen Transportvertrag anwendbaren Rechts ........................92 A. B. C. D. E. F. G. H. I. J.

Sachrechtskonventionen der Mitgliedstaaten/Union .............................93 Sekundärrechtliches Sachrecht ............................................................. 93 Drittstaatliche Kollisionsrechtsübereinkommen der Mitgliedstaaten ..................................................................................... 94 (Assoziierende) Kollisionsrechtsübereinkommen der EU .....................94 Besonderes sekundärrechtliches Kollisionsrecht...................................95 Allgemeines europäisches Kollisionsrecht des Art. 5 Rom I-VO ..........95 Inter-mitgliedstaatliche Kollisionsrechtsübereinkommen .....................96 Nationales Kollisionsrecht .................................................................... 96 Durchbrechung des Vertragsstatuts auf Ebene der Rechtsanwendung ................................................................................. 96 Resümee ............................................................................................... 97

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm für Beförderungsverträge – Art. 5 Rom I-VO ........................................99 § 5 Die Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR .............. 100 A. B.

Allgemeine Auslegungsmethoden ...................................................... 101 Insbesondere: Der systematische Zusammenhang der Rom IVerordnung mit anderen Rechtsakten ................................................. 102

XVI

C. D.

Inhaltsverzeichnis

I. Enge Verbindung zu Rom II-Verordnung und EuGVVO .............. 103 II. Unionsrecht im Allgemeinen ........................................................ 105 III. (Sachrechts-)Konventionen der Mitgliedstaaten ........................... 106 Der EuGH als oberste Auslegungsinstanz ........................................... 109 Die Qualifikation materiell-rechtlicher Rechtsinstitute ....................... 109

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen durch Art. 5 Rom I-VO.......................... 110 A.

B.

Der historische Kontext: Evolution des europäischen Güterbeförderungsvertrags-IPR .......................................................... 111 I. Von Art. 4 Abs. 4 EVÜ zu Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ..................... 111 II. Der Zweck der europäischen Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm .................................... 113 1. Förderung der Rechtssicherheit ................................................ 113 2. Die international-privatrechtliche Besonderheit der Güterbeförderung ..................................................................... 114 3. Ergebnis ................................................................................... 116 Sachlicher Anwendungsbereich: „Vertrag über die Beförderung von Gütern“ ........................................................................................ 116 I. Begriffsbestimmung ..................................................................... 117 1. Heranziehung der EuGH-Entscheidungen ICF und Haeger & Schmidt ................................................................................ 118 2. Maßgebliches Beurteilungskriterium: Hauptgegenstand des jeweiligen Vertrags ............................................................ 119 a) Bestimmung des Vertragsgegenstands .................................. 120 b) Schwerpunktsuche bei mehreren Vertragsgegenständen (gemischte Verträge) ............................................................ 121 aa) Verdrängung von Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 durch Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO ................... 123 bb) Keine objektive dépeçage bei autonomen Vertragsgegenständen ..................................................... 124 cc) Abwägungskriterien ....................................................... 125 dd) Rückgriff auf Erwägungsgrund (19) S. 2 Rom I-VO wenn Güterbeförderung nicht Schwerpunkt .................... 126 3. Güterbeförderung im eigentlichen Sinn .................................... 126 a) Besonderer Fall der Dienstleistung ....................................... 127 b) Pflicht zur Ortsveränderung .................................................. 127 c) Güter .................................................................................... 129 d) Entgeltlichkeit ...................................................................... 129 e) Unerheblichkeit des konkreten Transportmodus ................... 131 4. Vertragsbegriff ......................................................................... 132 5. Fazit ......................................................................................... 133

Inhaltsverzeichnis

XVII

II. Güterbeförderungsverträge im engeren Sinn ................................. 134 1. Objektbezogene Transportverträge ........................................... 134 2. Leitbild für die Qualifikation ................................................... 134 III. Andere Verträge, die in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen ........................................................................................... 136 1. Charterverträge ........................................................................ 137 a) Reisecharter.......................................................................... 138 aa) Chartervertrag über eine einzige Reise ........................... 139 bb) Chartervertrag über mehrere Reisen ............................... 140 b) Zeitcharter ............................................................................ 142 aa) Hauptgegenstand liegt in der Regel in der Gebrauchsüberlassung .................................................... 142 bb) Bezugspunkt der Zeitcharterverträge häufig nicht mit der streckenbezogenen Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge vereinbar ............................. 144 c) „Nackte“ Charter des Transportmittels ................................. 146 2. Mengenvertrag ......................................................................... 146 3. Speditionsverträge .................................................................... 147 a) Einführung von Erwägungsgrund (22) S. 3 kein Indiz für Erfassung von Speditionsverträgen im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ....................................................... 148 b) Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO setzt unmittelbare Beförderungspflicht des mutmaßlichen Beförderers voraus ................................................................................... 149 c) Reine Speditionsverträge = Dienstleistungsverträge i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO ..................................... 150 d) Grauzone zwischen Speditions- und Güterbeförderungsverträgen ................................................. 152 aa) Gemischte Verträge, die voneinander trennbare Speditions- und Beförderungsleistungen umfassen ......... 153 bb) Fälle, bei denen nicht feststellbar ist, ob Beförderung oder Organisation geschuldet werden soll ........... 155 e) Keine präjudizielle Wirkung der kollisionsrechtlichen Zuordnung auf materiell-rechtliche Behandlung in der lex causae ............................................................................. 157 4. Rahmenverträge ....................................................................... 158 5. Weitere Vertragsgestaltungen................................................... 158 6. Fazit ......................................................................................... 159 IV. Besonderheit in der Schifffahrt: Abgrenzung des Güterbeförderungsvertrags zum Konnossement ............................ 160 1. Anwendbarkeit der Rom I-Verordnung auf Konnossemente: Der Umfang der Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO ........................................................................ 161

XVIII

C.

D.

E.

Inhaltsverzeichnis

a) Konnossement ...................................................................... 162 b) Verpflichtungen aus der Handelbarkeit................................. 163 aa) Jegliche von dem kausalen Rechtsverhältnis abstrakten, sich aus dem Wertpapier eigenständig ergebenden Verpflichtungen ........................................... 163 bb) Konnossementstatut bestimmt über die Abstraktion der Verpflichtung ........................................................... 165 cc) Ausschluss aller schuldrechtlichen Verpflichtungen aus Konnossement .......................................................... 167 c) Ergebnis: Strikte kollisionsrechtliche Trennung von Konnossement und Frachtvertrag ......................................... 167 2. Auswirkungen der Rom I-Verordnung auf den deutschen Art. 6 EGHGB ......................................................................... 168 3. Übertragbarkeit der Grundsätze auf andere handelsrechtliche Wertpapiere ................................................. 170 V. Summe ......................................................................................... 171 Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich ....................................... 172 I. Internationales Element des Beförderungsvertrags ....................... 172 II. Vorliegen eines „Konflikts der Rechte“ ........................................ 173 III. Persönliche Anwendungsvoraussetzungen .................................... 174 Vorrangige subjektive Anknüpfung entsprechend Art. 3 Rom I-VO ................................................................................ 174 I. Rechtswahl durch standardisierte Vertragsklauseln ...................... 176 1. Überprüfbarkeit von Rechtswahlklauseln ................................. 177 a) Statut der Rechtswahlvereinbarung ...................................... 177 b) Einbeziehung in den Hauptvertrag ........................................ 178 c) Keine Inhaltskontrolle von Rechtswahlklauseln ................... 179 2. Das Problem der kollidierenden Rechtswahlklauseln ............... 180 II. Kollisionsrechtliche Einordnung von Paramount-Klauseln .......... 181 Das objektive Anknüpfungssystem für Güterbeförderungsverträge ................................................................. 182 I. Die Primärregel von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ........................ 183 1. Verweisungsziel: Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers .............................................................................. 184 a) Person des Beförderers ......................................................... 184 aa) Maßgeblichkeit des vertraglichen, nicht des ausführenden Beförderers ............................................... 184 bb) Behandlung von aufeinanderfolgenden Frachtführern .................................................................. 185 cc) Bedeutung von Identity of Carrier-Klauseln für Seefrachtverträge ............................................................ 187 b) Gewöhnlicher Aufenthalt...................................................... 187

Inhaltsverzeichnis

XIX

aa) Juristische Personen (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Rom I-VO) ..................................................................... 188 bb) Natürliche Personen (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 Rom I-VO) ..................................................................... 189 cc) Vorrangigkeit der am Vertrag beteiligten Niederlassung (Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO) ..................... 190 (1) Berücksichtigung der Hauptniederlassung von juristischen Personen ................................................ 191 (2) Beteiligung mehrerer Niederlassungen am Vertrag .. 191 2. Zusammentreffen mit weiteren Anknüpfungsmomenten .......... 193 a) Funktion des zusätzlichen Erfordernisses ............................. 193 b) Übernahme- oder Ablieferungsort ........................................ 194 aa) Geänderte Begrifflichkeiten gegenüber dem EVÜ .......... 195 bb) Maßgeblichkeit der Parteivereinbarung auch in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO .......................................... 196 (1) Historische Auslegung: Vertragliche Vereinbarung auch in Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ entscheidend ............................................................ 196 (2) Teleologische Auslegung ......................................... 197 (3) Beurteilungszeitpunkt .............................................. 198 cc) Übernahmeort ................................................................. 200 dd) Ablieferungsort............................................................... 200 c) Gewöhnlicher Aufenthalt des Absenders .............................. 203 aa) Person des Absenders ..................................................... 203 bb) Unklarheit von Art. 19 Abs. 2 Alt. 2 Rom I-VO im Hinblick auf den gewöhnlichen Absenderaufenthalt ....... 204 II. Die sekundäre Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO: Recht des vertraglichen Ablieferungsortes ................. 205 III. Die Ausweichklausel des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO ....................... 207 1. Wirkung ................................................................................... 207 2. Voraussetzungen im Einzelnen ................................................ 209 a) Fehlende Rechtswahl ............................................................ 209 b) Engere Verbindung............................................................... 209 aa) Gegebenenfalls beachtliche Anknüpfungsmomente ........ 210 bb) Berücksichtigung von nach- oder vorgelagerten Beförderungs- bzw. Rahmenverträgen? .......................... 211 c) Schwelle der Offensichtlichkeit ............................................ 213 3. Szenarien für die Anwendung der Ausweichklausel bei Güterbeförderungsverträgen ..................................................... 214 IV. Problemfälle bei der objektiven Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen ......................................................... 217 1. Güterbeförderung in mehreren Etappen .................................... 218 a) Unzureichende Lösungsvorschläge ....................................... 218

XX

F.

Inhaltsverzeichnis

b) Bestimmung der Anknüpfungsmomente unter Berücksichtigung ihrer Funktion in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ........... 219 2. Noch kein Ablieferungsort vereinbart ...................................... 220 Zusammenfassung: Änderungen gegenüber Art. 4 Abs. 4 EVÜ .......... 222

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge ........ 224 A.

B.

Die Ratio von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO .............................................. 226 I. Kollisionsrechtlicher Schutz der zu befördernden Person ............. 226 1. Das Prinzip des Schwächerenschutzes im IPR für Schuldverträge ......................................................................... 227 a) Aufgreifen sozialer Wertungen des materiellen Vertragsrechts durch das IPR ............................................... 227 b) Besondere Nachteile für die schwächere Partei bei internationalen Verträgen ..................................................... 228 c) Verwirklichung des Schwächerenschutzes in der Rom IVerordnung durch mehrere eigenständige Regime................ 229 2. Erstmalige Privilegierung der Personengruppe der Passagiere in einem Rechtsakt der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ................................................ 230 3. Die spezielle „Schwäche“ der zu befördernden Person ............. 231 a) Anerkennung der Schwäche des Reisenden durch das materielle europäische Vertragsrecht .................................... 232 b) Wirtschaftlich-intellektuelle Unterlegenheit des Reisenden? ........................................................................... 233 aa) Wirtschaftliches Übergewicht des Beförderers ............... 235 bb) Kein nennenswertes Wissens- bzw. Erfahrungsdefizit des Passgiers ...................................... 236 cc) Zwischenergebnis: Stark eingeschränkte rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Reisenden......... 238 c) Widersprechender Ansatzpunkt des europäischen Passagier(schutz)rechts......................................................... 238 d) Schutzbedürftigkeit des Reisenden aufgrund faktischer Abhängigkeit während der Durchführung der Beförderung ......................................................................... 241 4. Ergebnis: Eigenständiger Schutzgrund ..................................... 243 II. Folgen für die Auslegung der Personenbeförderungsvertragskollisionsnorm............................... 244 Anwendungsbereich ........................................................................... 246 I. Personenbeförderungsvertrag ....................................................... 246 1. Rückgriff auf Definitionen des materiellen Unionsrechts? ....... 246 2. Ausfüllung des Begriffs ........................................................... 248

Inhaltsverzeichnis

C.

XXI

a) Grundsätzlich einheitlicher Beförderungsvertragsbegriff in Art. 5 Abs. 1 und 2 Rom I-VO.......................................... 248 b) Hauptgegenstand: Beförderung einer oder mehrerer Personen (mittels eines Beförderungsvorgangs) ................... 249 c) Beförderung von Reisegepäck = typische Nebenpflicht ........ 250 d) Beurteilung gemischter Verträge .......................................... 250 aa) Insbesondere gemischter Personen-/ Güterbeförderungsvertrag ............................................... 251 bb) Grundsätzliche Einschlägigkeit von Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO ................... 251 cc) Aber: Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO auf Verträge, deren Schwerpunkt in der Personenbeförderung liegt .............................................. 252 e) Entgeltlichkeit ...................................................................... 253 3. Inhaltliche Schranke des Personenbeförderungsvertragsbegriffs: Das den Anknüpfungsregeln des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO inhärente Leitbild ................................................... 254 4. Abgrenzung beförderungsbezogener Vertragsgestaltungen ...... 255 a) Reisevertrag ......................................................................... 255 aa) Enges Anwendungsfeld von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO im Rahmen der Anknüpfung von Reiseverträgen ............ 255 bb) Abgrenzungsfälle............................................................ 257 b) Chartervertrag zum Zwecke der Beförderung von Personen ............................................................................... 258 aa) Übertragbarkeit des Grundgedankens von Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO? ........................... 258 bb) Maßgebliches Kriterium: Chartervertrag entspricht Leitbild des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO .............................. 259 cc) Ergebnis: Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO nicht im gleichen Maße auf Charterverträge anwendbar wie Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ........................................................... 260 c) Fahrzeugmiete ...................................................................... 261 d) Reisevermittlungsvertrag ...................................................... 262 II. Räumlich-persönliche Voraussetzungen ....................................... 263 1. Internationales Element des Vertrags ....................................... 263 2. Sowohl beruflich als auch privat Reisende werden von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO erfasst ................................................ 264 3. Keine Gewerblichkeit des Beförderers notwendig .................... 265 Objektive Anknüpfung ....................................................................... 266 I. Die Hauptanknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO .................................................................................... 267 1. Maßgeblichkeit des Rechts am gewöhnlichen Passagieraufenthalt................................................................... 267

XXII

Inhaltsverzeichnis

a) Die „zu befördernde Person“ ................................................ 267 aa) Grundkonstellation von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO: Passagier ist alleiniger Vertragspartner des Beförderers ..................................................................... 268 bb) Nicht-Identität von Befördertem und Vertragsschließendem .................................................... 268 (1) Handhabung des Problems durch das materielle europäische Passagierrecht ....................................... 269 (2) Maßgeblichkeit des tatsächlich beförderten Passagiers................................................................. 270 (3) Wahrung der Vorhersehbarkeit der auf den Vertrag anwendbaren Rechtsordnung ....................... 271 (4) Rechtfertigung des Wertungsunterschiedes gegenüber Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ................... 275 (5) Ergebnis ................................................................... 275 cc) Die kollisionsrechtliche Behandlung von Gruppenbeförderungen ................................................... 276 (1) Determinierung des Anküpfungsgegenstandes ......... 277 (2) Anknüpfung des einheitlichen Gruppenbeförderungsvertrages an das Heimatrecht des Bestellers .... 279 (3) Ergebnis ................................................................... 281 b) Gewöhnlicher Aufenthalt...................................................... 281 2. Voraussetzung: Identität mit dem Abgangs- oder Bestimmungsort ....................................................................... 282 a) Terminologie ........................................................................ 283 b) Bezugspunkt der Orte ........................................................... 283 c) Keine Berücksichtigung von transportbedingten Zwischenhalten .................................................................... 285 3. Schlussfolgerungen .................................................................. 287 a) Keine Privilegierung des „aktiven“ Passagiers ..................... 287 b) Beurteilung der Anknüpfung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO aus Sicht der Beförderer............................... 288 II. Subsidiäranknüpfung: Wiederaufleben des Prinzips der charakteristischen Leistung .......................................................... 289 1. Die Person des Beförderers ...................................................... 290 a) Maßgeblichkeit des vertraglichen Beförderers ...................... 291 b) Beförderermehrheit .............................................................. 292 2. Gewöhnlicher Aufenthalt ......................................................... 293 3. Anwendungsfeld von S. 2 ........................................................ 293 III. Die Relevanz der Ausweichklausel bei der objektiven Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen ........................ 295 1. Kein nennenswerter Anwendungsspielraum im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO ............................... 296

Inhaltsverzeichnis

D.

E.

XXIII

2. Durchbrechung der Subsidiäranknüpfungsregel ....................... 297 3. Ergebnis ................................................................................... 299 Die beschränkte Rechtswahl gemäß Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO .......................................................................................... 299 I. Geltung der allgemeinen Grundsätze ............................................ 299 II. Wählbare Rechtsordnungen .......................................................... 301 1. Gewöhnlicher Aufenthalt des Passagiers .................................. 302 2. Gewöhnlicher Aufenthalt oder Hauptverwaltung des Beförderers .............................................................................. 302 3. Abgangs- oder Bestimmungsort ............................................... 303 III. Folgen der Auswahlbeschränkung ................................................ 304 1. Unwirksamkeit der Wahl einer nicht aufgeführten Rechtsordnung ......................................................................... 304 2. Inhaltskontrolle einer mit UAbs. 2 konformen Rechtswahl nicht statthaft ........................................................................... 304 Die kollisionsrechtliche Privilegierung des Passagiers durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ..................................................................... 305 I. Passagiergünstige objektive Regelanknüpfung ............................. 306 II. Spezieller Schutz des Passagiers durch die neuartige Rechtswahlbeschränkung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO?............ 307 1. Keine Internationalisierung materiell-rechtlicher Schutzstandards........................................................................ 307 a) Uneingeschränkte Wirkung der Rechtswahl ......................... 307 b) Allein europäische Passagierrechte „rechtswahlfest“ ............ 308 c) Zwischenergebnis ................................................................. 308 2. Keine privilegierte Anwendung des Passagierheimatrechts ...... 309 3. Verhinderung einer „überraschenden“ Rechtswahl des Beförderers .............................................................................. 310 4. Ergebnis ................................................................................... 312 III. Fazit ............................................................................................. 312

§ 8 Das Verhältnis von Art. 5 Rom I-VO zu anderen Bestimmungen der Rom I-Verordnung ....................................................................... 314 A. B.

Vorrang gegenüber den allgemeinen Vorschriften .............................. 314 Beziehung zum Verbraucherkollisionsrecht........................................ 315 I. Innerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 5 grundsätzlich keine Anwendung von Art. 6 Rom I-VO ...................................... 315 II. Ausnahme: Anwendbarkeit von Art. 6 Rom I-VO bei beförderungsbezogenen Pauschalreiseverträgen ........................... 317 1. Vorliegen einer Pauschalreise im Sinne der Richtlinie 90/314/EWG ............................................................................ 317 2. Konsequenz: Alleinige Anwendung von Art. 6 Rom I-VO ....... 319

XXIV

C. D.

Inhaltsverzeichnis

3. Keine Sperrwirkung von Art. 6 gegenüber Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ................................................................................ 320 III. Ergänzung des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes auf dem Gebiet der Personenbeförderung durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO .................................................................................... 321 Transportversicherungs-IPR ............................................................... 323 Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO ................................ 324 I. Begriff .......................................................................................... 325 II. Berücksichtigung durch das angerufene Gericht ........................... 326 1. Drittstaatliche Eingriffsnormen ................................................ 326 a) Eingriffsnormen des Erfüllungsortes .................................... 326 b) Verbotsnormen ..................................................................... 328 c) Wirkungsverleihung ............................................................. 329 2. Eingriffsnormen des Schuldstatuts ........................................... 329 III. Transportrechtliche Eingriffsnormen des deutschen Rechts .......... 330 1. Vorschriften transnationalen Ursprungs ................................... 330 2. Zwingendes Transportvertragsrecht ......................................... 333 a) §§ 449 Abs. 3, 451h Abs. 3, 466 Abs. 4 HGB ...................... 333 b) §§ 452 ff. HGB ..................................................................... 334 c) Art. 6 EGHGB? .................................................................... 336 3. Ein- und Ausfuhrbestimmungen ............................................... 336

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung der supranationalen Beförderungsvertragskollisionsnorm ............................................... 339 § 9 Anwendungskonstellationen für Art. 5 Rom I-VO im Hinblick auf konkurrierendes vorrangiges Einheitstransportrecht .................... 340 A.

B. C.

Formelle Unwirksamkeit des transnationalen Transportrechtsaktes im Forumstaat ................................................... 341 I. Staatsvertragsrecht ....................................................................... 341 II. Unionsrecht .................................................................................. 342 III. Vergleich der Geltungsbereiche von Transportvertrags-IPR und materiellem Einheitsrecht ...................................................... 343 Unanwendbarkeit des materiellen Einheitsrechts auf den konkreten Sachverhalt ........................................................................ 344 Spielräume für Art. 5 Rom I-VO trotz Einschlägigkeit des materiellen Einheitsrechts................................................................... 345 I. Vorschaltung von IPR für die Einheitsrechtsanwendung .............. 345 II. Abwählbarkeit des Einheitsrechts durch Parteivereinbarung ......... 345 III. Inhaltliche Lücken des transnationalen Transportrechts ................ 346 1. Autonomer Lückenschluss nicht möglich ................................. 347

Inhaltsverzeichnis

D.

XXV

2. Einheitsrecht nimmt keine eigene Verweisung vor ................... 347 3. Keine einheitsrechtliche Sperrwirkung ..................................... 348 4. Vertragliche Qualifikation der Lücke? ..................................... 350 a) Strittige systematische Einordnung einheitsrechtlicher Haftungsregime .................................................................... 351 aa) Staatsvertragliches Transportrecht .................................. 352 bb) Supranationales Personenbeförderungsrecht ................... 353 b) Relevanz der Einordnung für die einheitsrechtsergänzende IPR-Anwendung ........................... 354 aa) „Supranationale“ Qualifikation von im Einheitsrecht nicht geregelten Fragen ............................. 355 bb) Ergänzung einheitsrechtlicher Rechtsinstitute................. 356 c) Anwendbarkeit des beförderungsvertraglichen IPR .............. 357 Ergebnis ............................................................................................. 359

§ 10 Die divergierenden Anwendungskriterien von transnationalem Transportrecht und europäischem Beförderungsvertrags-IPR ............ 359 A.

B. C.

D.

E.

Der räumliche Bezug .......................................................................... 360 I. Grenzüberschreitende Beförderung als prägender Anknüpfungspunkt des Konventionsrechts ................................... 361 II. Ansatzpunkt des materiellen Unionsrecht: Transportvorgang mit Binnenmarktbezug ................................................................. 363 III. Universeller räumlicher Anwendungsbereich des europäischen Beförderungsvertrags-IPR ....................................... 366 IV. Räumliche Nähebeziehung zwischen Transportvorgang und dem maßgeblichen Sachrecht ....................................................... 368 Persönliche Merkmale ........................................................................ 369 Transportmodus.................................................................................. 370 I. Unimodalität als Charakteristikum des materiellen Einheitstransportrechts ................................................................. 370 II. Modusunabhängigkeit des IPR ..................................................... 373 Reichweite des Vertragsbegriffs ......................................................... 374 I. Güter- oder Personenbeförderung ................................................. 374 II. Erfasste vertragliche Konstruktionen ............................................ 375 III. Entgeltlichkeit .............................................................................. 376 IV. Regelmäßigkeit der angebotenen Transportdienstleistung ............ 377 Zwischenergebnis ............................................................................... 378

XXVI

Inhaltsverzeichnis

§ 11 Die Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich der Schließung inhaltlicher Lücken des materiellen Einheitsrechts ............................. 378 A. B.

C.

Pointillismus der Sachrechtsvereinheitlichung versus Universalität des Vertragsstatuts ........................................................ 379 Die Haftung des Beförderers als zentraler Regelungsgegenstand des transnationalen Transportrechts .................................................... 381 I. Haftungsgründe ............................................................................ 382 II. Haftungsausschlussgründe ............................................................ 384 III. Rechtsfolgenseite ......................................................................... 385 IV. Annexfragen ................................................................................. 387 Beispiele für nicht im Einheitsrecht geregelte transportvertragliche Materien ............................................................ 387 I. Allgemeine (schuld- bzw. zivilrechtliche) Fragen......................... 388 II. Ansprüche des Beförderers ........................................................... 391 III. Ansprüche gegen den Beförderer .................................................. 391 1. Erfüllungsanspruch .................................................................. 392 2. Rückerstattung des Beförderungsentgelts ................................. 392 3. Ersatz für außerhalb der einheitsrechtlichen Haftungstatbestände liegende Schäden ..................................... 393

§ 12 Auswertung: Praktische Anwendungsfelder von Art. 5 Rom I-VO....... 394 A. B. C. D.

Tendenzielle Abnahme der Divergenzen der Geltungsbereiche von Sachrechtsakten und Art. 5 Rom I-VO......................................... 394 Prinzipiell großzügigerer Anwendungsbereich der Rom IVerordnung ........................................................................................ 395 Inhaltliche Universalität des durch Art. 5 Rom I-VO bestimmten Beförderungsvertragsstatuts ............................................................... 396 Resümee ............................................................................................. 397

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung ........... 399 § 13 Wege zur Konsolidierung der internationalen Transportvertragsrechtsquellen .......................................................... 399 § 14 Bewertung des sekundärrechtlichen Beförderungsvertragskollisionsrechts................................................. 402 A. B.

Gelungene Weiterentwicklung des Güterbeförderungs-IPR ................ 403 Verbesserungsbedarf am neuen supranationalen Kollisionsrecht für Personenbeförderungsverträge ...................................................... 405 I. Sonderregelung statt Ausweitung des Verbraucherschutzes .......... 406 II. Gelungene objektive Anknüpfungsregel ....................................... 407

Inhaltsverzeichnis

C.

XXVII

III. Verfehlung des Normziels aufgrund von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO....................................................................... 410 IV. Vorzugswürdige Lösung für die subjektive Anknüpfung .............. 411 1. Vollständiger Ausschluss der Rechtswahl? .............................. 411 2. Überlagerung der Rechtswahl durch zwingende Bestimmungen? ........................................................................ 411 3. Streichung von lit. b und c in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO! ............................................................................... 412 Gesamtwürdigung von Art. 5 Rom I-VO ............................................ 413

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ................................. 415 A. B. C. D.

Erstes Kapitel: Das Zusammenspiel von sekundärrechtlichem Kollisionsrecht und materiellem Einheitstransportrecht ...................... 415 Zweites Kapitel: Das neue europäische Transportvertrags-IPR........... 417 Drittes Kapitel: Das praktische Anwendungsfeld von Art. 5 Rom I-VO .......................................................................................... 422 Viertes Kapitel: Ausblick und Bewertung........................................... 424

Literaturverzeichnis .................................................................................... 427 Sachverzeichnis .......................................................................................... 455

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. a. a. O. ABB-CIM ABl. Abs. AcP ADSp. AEUV AfP AG ÄndBek. Anh. Anm. AnwBl ArbR Art. ASL AÜ Aufl. Az. BAnz. BB Bd. Bek. BG BGB BGBl. BGE BGH

andere(r) Ansicht am Ende alte Fassung am angegebenen Ort allgemeine Beförderungsbedingungen für den grenzüberschreitenden Eisenbahngüterverkehr Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften/Union Absatz Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift) Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen vom 6. Juli 1998 (BAnz. S. 9891), zuletzt geändert durch ÄndBek. Nr. 250/2002 vom 17. Dezember 2002 (BAnz. 2003 S. 130) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union i. d. F. der Bek. vom 9. Mai 2008 (ABl. 2008 C 115, 47) Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Amtsgericht; Aktiengesellschaft Änderungsbekanntmachung Anhang Anmerkung Anwaltsblatt (Zeitschrift) Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift) Artikel Air and Space Law (Zeitschrift) Athener Übereinkommen über die Beförderung von Passagieren und ihrem Gepäck auf See vom 13. Dezember 1974 i. d. F. des Protokolls vom 1. November 2002 (ABl. 2009 L 131, 9) Auflage Aktenzeichen Bundesanzeiger Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Bekanntmachung (schweizerisches) Bundesgericht Bürgerliches Gesetzbuch i. d. F. der Bek. v 2. Januar 2002 (BGBl. 2002 I, 42) Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof

XXX BGHZ BinSchG BIP BMJ bspw. BT BT-Drs. BVerfGE bzgl. bzw. C.com. CIM

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt i. d. F. der Bek. vom 20. Mai 1898 (RGBl. 1898 I, 868) Bruttoinlandsprodukt Bundesministerium der Justiz beispielsweise Bulletin des transports (Zeitschrift) Drucksache des Deutschen Bundestags Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise

CYIL

(französischer) Code de commerce Anhang B (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern) zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 i. d. F. des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 1999 (BGBl. 2002 II, 2149) UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (BGBl. 1989 II, 588) Comité international des transport ferroviaires Anhang A (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen) zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 i. d. F. des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 1999 (BGBl. 2002 II, 2149) Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt vom 4. November 1988 (BGBl. 1998 II, 1644) Journal du Droit International (Zeitschrift) Comité Maritime International Common Market Law Review (Zeitschrift) Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt vom 22. Juni 2001 (BGBl. 2007 II, 299) Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19. Mai 1956 (BGBl. 1961 II, 1120) Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. Mai 1980 i. d. F. des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 1999 (BGBl. 2002 II, 2149) (französische) cour de cassation Übereinkommen über den Beförderungsvertrag für Reisende und Gepäck in der internationalen Binnenschifffahrt vom 6. Februar 1976 Übereinkommen über den Vertrag über die internationale Beförderung von Personen und Gepäck auf der Straße vom 1. März 1973 Czech Yearbook of International Law

D. DAR ders./dies. Doctr.

Recueil Dalloz (Zeitschrift) Deutsches Autorecht (Zeitschrift) derselbe/dieselbe(n) Doctrine (Lehre)

CISG CIT CIV

CLNI Clunet CMI CMLR CMNI CMR COTIF Cour cass. CVN CVR

Abkürzungsverzeichnis EBG ECRL

EFTA EG EGBGB EGHGB EGV Einl. EL endg. engl. ERCL ERPL etc. EU EuGH EUGRZ EuGVÜ EuGVVO EuGVVO a. F.

EuLF EuR ETL EUV EuZ EuZW EVO EVÜ EWG EWiR EWS

XXXI

Österreichisches Eisenbahnbeförderungsgesetz (öBGBl. 1988, 1833) Richtlinie 2000/31/EG vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000 L 178, 1) Europäische Freihandelsassoziation Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche i. d. F. der Bek. vom 21. September 1994 (BGBl. 1994 I, 2494) Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (RGBl. 1897 I, 437). Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften i. d. F. der Bek. des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (ABl. 1997 C 340, 1) Einleitung Ergänzungslieferung endgültig englisch European Review of Contract Law (Zeitschrift) European Review of Private Law (Zeitschrift) et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (ABl. 1972 L 299, 32) Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012 L 351, 1) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Brüssel I“) (ABl. 2001 L 12, 1) The European Legal Forum (Zeitschrift) Europarecht (Zeitschrift) European Transport Law (Zeitschrift) Vertrag über Europäische Union i. d. F. des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. 2007 C 306, 1) Zeitschrift für Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Eisenbahn-Verkehrsordnung i. d. F. der Bek. vom 20.April 1999 (BGBl. 1999 I, 782) (Europäisches) Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (BGBl. 1986 II, 809) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

XXXII

Abkürzungsverzeichnis

EWSA

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

f./ff. Fn. franz. FS

folgende Fußnote französisch Festschrift

GA GEDIP GEK

Generalanwalt Groupe européen de droit international privé Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht vom 11. Oktober 2011 (KOM[2011] 635 endg.) gem. gemäß GG Grundgesetz Giuliano/Lagarde- Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche SchuldBericht verhältnisse anzuwendende Recht (BT-Drs. 10/503, S. 33 ff.) GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) GYIL German Yearbook of International Law h. M. Hdb. HGB HHR HmbSchRZ HR Hrsg. HS. HVR

i. d. F. i. S. d. i. S. v. i. V. m. IATA ICAO IHR IMO IPR IPRax IPRspr. IZ IZVR

herrschende Meinung Handbuch Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (RGBl. 1987, 219) Übereinkommen über die Beförderung von Gütern auf See vom 31. März 1978 (Hamburger Regeln) Hamburger Zeitschrift für Schifffahrtsrecht Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente vom 25. August 1924 (Haager Regeln) (RGBl. 1939 II, 1049) Herausgeber(in) Halbsatz Brüsseler Protokoll vom 23. Februar 1968 zum Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente vom 25. August 1924 (Haag-Visby-Regeln) in der Fassung im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit International Air Transport Association International Civil Aviation Organization Internationales Handelsrecht (Zeitschrift) International Maritime Organization Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts Zeitschrift für den internationalen Eisenbahnverkehr Internationales Zivilverfahrensrecht

Abkürzungsverzeichnis

XXXIII

J.C.P. JA JB1 JCP G JPIL JR JURA JuS JZ

Juris-Classeur Périodique, La semaine juridique (Zeitschrift) Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Blätter (Zeitschrift) La semaine juridique éd. Generale (Zeitschrift) Journal of Private International Law (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)

Kap. KG kg

Kapitel Kommanditgesellschaft Kilogramm

LG LIEI lit. LLMC

Landgericht Legal Issues of Economic Integration (Zeitschrift) litera (Buchstabe) Übereinkommen vom 19. November 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen in der Fassung des Protokolls vom 2. Mai 1996 (BGBl. 2000 II, 791) Lindenmaier-Möhring Kommentierte BGH-Rechtsprechung Luftverkehrsgesetz i. d. F. der Bek. vom 10. Mai 2007 (BGBl. 2007 I, 698) Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (ABl. 2009 L 147, 5)

LMK LuftVG LugÜ

MDR MMR MPI Mrd. MÜ m. w. N.

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MultiMedia und Recht (Zeitschrift) Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Milliarde(n) Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 (BGBl. 2004 II, 459) mit weiteren Nachweisen

n. F. NIPR NJW NJW-RR NLCC Nr. NVwZ NZBau NZG NZV

neue Fassung Nederlands internationaal privaatrecht (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungs-Report, Zivilrecht (Zeitschrift) Le Nuove Leggi Civili Commentate (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

ÖBB öBGBl.

Österreichische Bundesbahn österreichisches Bundesgesetzblatt

XXXIV

Abkürzungsverzeichnis

OGH ÖJZ OLG

österreichischer Oberster Gerichtshof Österreichische Juristenzeitung (Zeitschrift) Oberlandesgericht

PBefG

Personenbeförderungsgesetz i. d. F. der Bek. vom 8. August 1990 (BGBl. 1990 I, 1690)

RabelsZ RD transp. RdC RDC RdTW REDC RegE Rev. crit. DIP Rev. dr. unif. RGBl. Riv. dir. int. priv. proc. RIW RL RLDA Rn. Rom I-VO

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue de droit des transports (Zeitschrift) Recueil des Cours Revue des contrats (Zeitschrift) Recht der Transportwirtschaft (Zeitschrift) Revue européenne de droit de la consommation (Zeitschrift) Regierungsentwurf Revue critique de droit international privé (Zeitschrift) Revue de droit uniforme (Zeitschrift) Reichsgesetzblatt Rivista di diritto internazionale privato e processuale (Zeitschrift)

Rom I-VO-V Rom II-VO RoRo-Verkehr RR RRa Rs. Rspr. RTDcom. S. SBB Slg. SNCF sog. SZR

Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie Revue Lamy de droit des affaires (Zeitschrift) Randnummer(n) Verordnung (EG) Nr. 598/2008 vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008 L 177, 6) Vorschlag der Kommission vom 15. Dezember 2005 für eine Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (KOM[2005] 650 endg.) Verordnung (EG) Nr. 864/2007 vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (ABl. 2007 L 199, 40) Roll-on/Roll-off-Verkehr Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über die internationale Beförderung von Gütern ganz oder teilweise auf See vom 23. Oktober 2009 (Rotterdam Regeln) Reiserecht aktuell (Zeitschrift) Rechtssache Rechtsprechung Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique (Zeitschrift) Seite(n); Satz Schweizerische Bundesbahnen Sammlung Société nationale des chemins de fer français sogenannt(e) Sonderziehungsrecht(e)

Abkürzungsverzeichnis

XXXV

TranspR Tul. L. Rev.

Transportrecht (Zeitschrift) Tulane Law Review (Zeitschrift)

u. a. UAbs. UKHL UN Urt. USA usw.

unter anderem; und andere Unterabsatz United Kingdom Hous of Lords Decisions United Nations/Vereinte Nationen Urteil Vereinigte Staaten von Amerika und so weiter

v. VBGL

von/vom Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs- und Logistikunternehmer verbunden(e) Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Verordnung Vorbemerkung(en) Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 23. November.2007 (BGBl. 2007 I, 2631)

verb. VersR vgl. VO Vorbem. VuR VVG WA WM WVK

Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12. Oktober 1929 (RGBl. 1933 II, 1040) Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl. 1985 II, 927)

YPIL

Yearbook of Private International Law

z. B. ZaöRV ZEuP ZEuS ZfRV ZHR Ziff. ZLW ZRP ZVertriebsR ZVglRWiss ZVR

zum Beispiel Zeitschrift für ausländisches öfffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumfragen Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Vertriebsrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verkehrsrecht

Einleitung

Einleitung Einleitung Es herrscht das Zeitalter der Mobilität – unsere heutige Gesellschaft ist wie keine vorher von diesem Grundsatz geprägt. Das gilt allgemein, etwa in ökonomischer Hinsicht, wie auch im Hinblick auf den Einzelnen, der täglich aus verschiedenen Gründen Distanzen überwindet, z. B. als Pendler oder Reisender. Nach Mobilität besteht daher eine große Nachfrage, mit welcher seit jeher ein kommerzielles Angebot korrespondiert. Schon in der antiken griechischen Mythologie beförderte der Fährmann Charon nur dann einen Toten über den Fluss Styx in den Hades, wenn ihm ein Obolus entrichtet wurde. Heute stellt die Beförderung von Gütern und Personen einen bedeutenden Wirtschaftszweig dar, der in Deutschland immerhin 3,7 % des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.1 Außerdem basieren die meisten produzierenden Wirtschaftszweige auf dem Transport von Gütern und Rohstoffen und sind somit direkt vom Transportsektor abhängig, ebenso wie die privaten Haushalte.2 Auch der Prozess der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Vernetzung unseres Planeten, der seit dem Ende des kalten Krieges besonders stark voranschreitet,3 wäre ohne Transport als dem verbindenden Element undenkbar. Der Gedanke des „globalen Dorfes“ beruht letztendlich darauf, dass räumliche Entfernungen keine Barrieren darstellen und problemlos überwunden werden können. Die Beförderung von Personen und Gütern erscheint in der heutigen Zeit deshalb aus privater und ökonomischer Perspektive wichtiger als je zuvor. Dieser Wert bezieht sich auf das Jahr 2011 und ergibt sich aus dem Anteil der Bruttowertschöpfung der Dienstleistungsbereiche Verkehr und Lagerei am BIP. Dieser Wirtschaftszweig schuf im Jahr 2011 Werte in Höhe von 96,7 Mrd. €, was einem Anteil von 3,76 % am BIP in Höhe von 2570,8 Mrd. € entspricht (Quelle: Statistisches Jahrbuch 2012, Kapitel 12 – Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Abschnitt 12.5; siehe auch die Aufschlüsselung in die einzelnen Sektoren in Kapitel 25 – Transport und Verkehr, Abschnitt 25.1.1). 2 Letzteres ist auch daraus ersichtlich, dass die privaten Haushalte in Deutschland jeden siebten Euro ihres Budgets für Mobilität aufwenden. So beliefen sich im Jahr 2011 die Konsumausgaben der privaten Haushalte für den Bereich Verkehr auf 198,3 Mrd. €. Das stellt einen Anteil von 14,2 % an den Gesamtausgaben der privaten Haushalte dar (Quelle: Statistisches Jahrbuch 2012, Kapitel 12 – Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Abschnitt 12.8). 3 Zu dieser „Dritten Globalisierungsphase“ Fäßler, Globalisierung, 2007, S. 153 ff. 1

2

Einleitung

Die Erbringung der dafür notwendigen Dienstleistungen war lange Zeit einer ganz erheblichen staatlichen Regulierung unterworfen. Zwar wird der Wettbewerb auf den europäischen Beförderungsmärkten mitunter noch immer von staatlichen Anbietern dominiert,4 gleichwohl wird die Nachfrage nach Mobilität heute grundsätzlich auf privatwirtschaftliche Weise befriedigt. Der Interessenausgleich zwischen Anbieter und Nachfrager von Transportleistungen erfolgt dementsprechend privatautonom, kraft Vertrages. Derartige Beförderungsverträge spielen in der Wirtschafts- und Rechtspraxis eine bedeutende Rolle.5 Mit fortschreitender Globalisierung wird indes die praktische Bedeutung gerade der internationalen Beförderungsverträge wohl noch weiter steigen. Das gilt besonders im europäischen Raum,6 denn durch die Etablierung des Binnenmarkts existiert innerhalb der EU ein annähernd schrankenloser grenzüberschreitender Waren- und Personenverkehr, an welchem infolge von Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit europäische (juristische) Personen aus den verschiedenen Mitgliedstaaten teilhaben können.7 In Zukunft wird es also eher die Regel als die Ausnahme darstellen, dass Beförderungsverträge Bezüge zu mehreren Rechtsordnungen aufweisen. In derartigen internationalen Sachverhalten stellt sich stets die grundsätzliche Frage nach dem anwendbaren Recht. Da in solch einem Fall mehrere nationale Rechtsordnungen involviert sind, die jeweils Geltung beanspruchen könnten, kommt es gewissermaßen zu einem Konflikt der Rechte. Bevor ein internationales Rechtsverhältnis überhaupt materiell-rechtlich beurteilt werden kann, muss somit zuallererst die konkret für den Sachverhalt maßgebliche Rechtsordnung bestimmt werden. Dies ist prinzipiell die Aufgabe des Internationalen Privatrechts, auch Kollisionsrecht genannt. Bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts für internationale Beförderungsverträge sind allerdings gewisse Besonderheiten zu beachten: Zum einen hat das Internationale Privatrecht für Beförderungsverträge erst kürzlich eine einschneidende Veränderung erfahren. So ist dieses seit dem 17. Dezember 2009 neuartig in Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) innerhalb der EU einheitlich geregelt.8 Abgesehen von der neuen Kollisionsrechtslage zeichnet sich das TransDies vor allem im Personenschienenverkehr. Nach Auffassung von Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (482) handelt es sich bei dem Güterbeförderungsvertrag nach dem Kaufvertrag um den zweitwichtigsten Vertragstyp im internationalen Wirtschaftsverkehr. 6 Vgl. Epiney/Heuck/Schleiss, in: Dauses, Kap. L Rn. 7 ff. 7 Zum hier nicht näher behandelten Wettbewerbsrecht der Transportmärkte siehe ausführlich Basedow, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1, 4. Aufl. 2007, Abschnitt VII; Epiney/Heuck/Schleiss, in: Dauses, Kap. L Rn. 32 ff. Zu den primärrechtlichen Rahmenbedingungen für den Verkehr nach dem AEUV siehe Frenz, TranspR 2010, 419 ff. 8 ABl. 2008 L 177, 6. Bezüglich der zeitlichen Anwendbarkeit der Rom I-Verordnung siehe unten § 10 – vor A., Fn. 85. Zum Geltungsbereich der Verordnung siehe unten § 9 – A.III. 4 5

Einleitung

3

portrecht zum anderen dadurch aus, dass es wie kein zweites Rechtsgebiet von materiellen Einheitsrechtsakten durchsetzt ist, welche die kollisionsrechtliche Fragestellung beeinflussen.9 Nicht nur, dass im Transportrecht eine der Wurzeln der zwischenstaatlichen Rechtsvereinheitlichung liegt, vielmehr hält bis heute – verstärkt durch die rege Aktivität der Europäischen Union – in diesem Bereich eine regelrechte Kodifizierungswelle an. Infolgedessen werden stetig neue transnationale Einheitsrechtsintstrumente geschaffen, die besondere vertragsrechtliche Vorschriften insbesondere für grenzüberschreitende Beförderungsvorgänge enthalten. Dies hat dazu geführt, dass das internationale Transportvertragsrecht mittlerweile ein regelrechtes „Vorschriftenlabyrinth“10 darstellt, wo neben den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen eine Vielzahl spezieller internationaler materiell-rechtlicher Regime zu berücksichtigen ist. Diese Arbeit trägt diesen Eigenheiten des Transportrechts Rechnung.11 Sie ist dem Internationalen Privatrecht der Beförderungsverträge, genauer der Ermittlung des auf internationale Beförderungsverträge anwendbaren Sachrechts, gewidmet. Im Fokus des Interesses steht die Bestimmung des Beförderungsvertragsstatuts als der Gesamtheit der für einen Beförderungsvertrag maßgeblichen materiellen Vorschriften. Ein wesentliches Anliegen der Arbeit ist insbesondere, zur Entwirrung des transportrechtlichen Geflechts aus Rechtsakten des internationalen Einheitsrechts und IPR beizutragen und einen Beitrag zur Vereinfachung der Rechtsanwendung bei internationalen Beförderungsverträgen zu leisten.12 Dem Rechtsanwender soll mithilfe der folgenden Untersuchung möglich sein, die Beurteilung einer materiell-rechtlichen Frage im Zusammenhang mit einem internationalen Beförderungsvertrag stets anhand der korrekten nationalen oder einheitsrechtlichen Rechtsgrundlage vorzunehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll in dem ersten Teil dieser Arbeit das allgemeine Verhältnis des neuen Unionskollisionsrechts zu den verschiedenen Formen des materiellen internationalen Transportvertragsrechts geklärt werden (Kapitel 1). Dazu wird aufgezeigt, wie sich das neue Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 354. v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 49. Vergleichbare Äußerungen finden sich etwa bei Kreuzer/Wagner/Reder, in: Dauses, Kap. R. Rn. 249, die das internationale Transportrecht als geprägt sehen „durch ein schlecht durchschaubares, unkoordiniertes Geflecht von multilateralen Übereinkommen“; ähnlich äußert sich d’Avout, RLDA 2008, 69 (71). Vgl. allgemein auch Czepelak, ERPL 2010, 705 (715 f.) sowie Kötz, RabelsZ 50 (1986), 1 (5) der schon 1986 die Frage stellte, ob das „immer komplizierter werdende Geflecht einheitsrechtlicher Regelungen allmählich die Normverarbeitungskapazität der Praxis überfordert“. 11 Zu weiteren Gründen, die zur Komplexität dieses Rechtsgebiets beitragen, siehe Freise, RdTW 2013, 41 f. 12 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Freise, RdTW 2013, 41 (42), laut dem die Bestimmung des auf einen Transportvertrag anwendbaren Rechts „häufig erhebliche Anstrengungen“ erfordert. 9

10

4

Einleitung

Beförderungsvertragskollisionsrecht der Rom I-Verordnung in das System des internationalen Einheitsrechts einordnet und daraus ein genauer Ablauf für die Prüfung der auf einen internationalen Beförderungsvertrag anwendbaren Sachnormen abgeleitet. Im Anschluss daran soll sich mit dem zentralen Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, der neuen sekundärrechtlichen Verweisungsnorm für Beförderungsverträge, – Art. 5 Rom I-VO – auseinander gesetzt werden (Kapitel 2). Dieses nunmehr europäische IPR gilt es zu analysieren und die damit einhergehenden Auslegungsfragen zu klären. Nach der inhaltlichen Untersuchung von Art. 5 Rom I-VO soll in einem weiteren Teil die Schnittmenge zwischen der Vorschrift und dem international vereinheitlichten Transportvertragsrecht genauer herausgebildet werden (Kapitel 3). Dafür werden die jeweiligen zugrundeliegenden Regulierungsansätze einander gegenübergestellt, sodass sich ein konkretes Bild des praktischen Anwendungsbereichs des neuen europäischen Transportvertrags-IPR zeichnen lässt. In dem diese Arbeit abschließenden Abschnitt soll Art. 5 Rom I-VO einer umfassenden Bewertung unterzogen werden und eine Zusammenfassung der durch die Arbeit gewonnen Ergebnisse erfolgen (Kapitel 4).

1. Kapitel

Das Zusammenspiel von europäischem Beförderungsvertrags-IPR und materiellem Einheitstransportrecht 1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht Bei der Frage nach dem Verhältnis von IPR und transnationalem Einheitsrecht handelt es sich um ein allgemeines Problem bei der rechtlichen Beurteilung internationaler Sachverhalte. Gleichwohl kommt dem internationalen Transportvertragsrecht insoweit ein Referenzcharakter zu, denn die Dichte an internationalem Einheitsrecht auf diesem Gebiet ist einzigartig. Es existiert eine Vielzahl an Rechtsinstrumenten internationaler Rechtsvereinheitlichung unterschiedlichster Provenienz, was die Bestimmung des genauen Beförderungsvertragsstatuts besonders unübersichtlich und kompliziert macht. Das wahre Ausmaß dieser Problematik soll zunächst anhand einer Bestandsaufnahme verdeutlicht werden (§ 1). Diese wird aufzeigen, mit welchen Rechtsakten welcher Herkunft sich die neue Beförderungsvertragskollisionsnorm der Rom I-Verordnung potenziell überschneidet. Sodann sollen die allgemeinen Grundsätze vorgestellt werden, die zur Lösung im Falle einer Konkurrenz verschiedener Rechtsinstrumente heranzuziehen sind (§ 2). Die Herausbildung dieser abstrakten Regeln reicht jedoch für die Systematisierung des internationalen Transportvertragsrechts allein nicht aus. Denn dabei ist zu berücksichtigen, dass Kollisionsrecht und materielles Einheitsrecht einen grundlegend unterschiedlichen regulatorischen Ansatz verfolgen: Nach der Methode des IPR wird das infrage stehende Rechtsverhältnis mittels Verweisung einer bestimmten nationalen Privatrechtsordnung zugeordnet, die dann für die eigentliche Klärung der materiellen Rechtsfrage maßgeblich ist.1 Beim IPR im engeren Sinne handelt es sich daher um Rechtsfindungsrecht.2 Der dadurch verfolgte Ansatz hat jedoch den entscheidenden Nachteil, dass – weil in der Sache nicht selbst entschieden, sondern diese lediglich an ein nationales Regime verwiesen wird – im Ergebnis nationale Sachnormen zur Anwendung kommen, die prinzipiell nicht auf Sachverhalte mit Auslandsberührung angelegt sind.3 Daraus erklärt sich das Bestreben, besonderes Einheitsrecht Zur Entwicklung der Verweisungsmethode Keller/Siehr, S. 52 ff. Siehe auch Schurig, S. 109 ff., der die Geschichte des modernen IPR in der Statutenlehre des Mittelalters begründet sieht. 2 Zum Begriff des Internationalen Privatrechts Kropholler, IPR, S. 1 f. 3 Siehe Keller/Siehr, S. 94. Dabei muss die „Nationalisierung“ internationaler Sachverhalte nicht zwingend einen Nachteil bedeuten, sondern kann etwa in stark soziokulturell 1

6

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

für internationale Sachverhalte zu schaffen, welches als spezielles Sach- bzw. Entscheidungsrecht materielle Fragen unmittelbar regeln soll.4 Die Folge aus dieser Divergenz im Regelungsansatz ist, dass sich generelle Aussagen zur Beziehung von kollisionsrechtlichen zu sachrechtlichen Rechtsakten des Einheitsrechts nur schwerlich treffen lassen.5 Denn die verschiedenen nationalen und internationalen Kollisions- und Sachrechtsinstrumente sind eng verwoben und quasi als funktionierende Einheit miteinander verbunden.6 Mit dem Erlass der Rom I-Verordnung setzte im internationalen Vertragsrecht ein Umbruch ein. Das ehemals durch die Mitgliedstaaten, in staatsvertraglicher Form, geregelte Vertragskollisionsrecht ist in europäisches Sekundärrecht transformiert worden. Damit vollzog sich in diesem Bereich ein „Paradigmenwechsel“7. Deshalb stellt sich nun die grundsätzliche Frage, wie sich nach dieser Transformation das Verhältnis des (Transport-)Vertrags-IPR zu den einschlägigen internationalen Kollisions- und Sachrechtsakten bestimmt (§ 3). Davon hängt letztendlich auch ab, in welcher Reihenfolge die unterschiedlichen transportrechtlichen Rechtsquellen im praktischen Anwendungsfall zu berücksichtigen sind. Dementsprechend soll zum Abschluss dieses Kapitels eine konkrete Prüfungsreihenfolge für die Ermittlung des auf einen Beförderungsvertrag anwendbaren Sachrechts vorgestellt werden (§ 4).

§ 1 Bestandsaufnahme: Das Labyrinth des internationalen Transportrechts

§ 1 Bestandsaufnahme In diesem ersten Abschnitt der Arbeit soll ein konkreteres Bild von der angesprochenen Rechtsquellenvielfalt im internationalen Transportvertragsrecht gezeichnet werden, um die in diesem Rechtsgebiet herrschende Unübersichtgeprägten Rechtsmaterien, wie dem Familienrecht, zu einer höheren Gerechtigkeit beitragen, weil durch die Anwendung nationalen Rechts regionale religiöse oder soziale Unterschiede berücksichtigt werden, siehe Kropholler, IER, S. 180. Weil eine weltweite Vereinheitlichung des materiellen Rechts sich über solche historisch gewachsenen Rechtsunterschiede hinwegsetzen müsste, die oft Ausdruck der kulturellen Identität einer Wertegemeinschaft sind, wird ein weltweites Einheitsrecht mitunter als „Alptraum“ gefürchtet (Schack, in: Liber Amicorum Kegel, S. 179 [185]). 4 Kropholler, IER, S. 169. Zu den Vor- und Nachteilen der (materiellen) Rechtsvereinheitlichung siehe Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 45 (1981), 73 (74 ff.). 5 Siehe Kropholler, IER, S. 179. Allgemein zur Beziehung zwischen Kollisions- und Sachrecht Schurig, insbesondere S. 214 ff. 6 So Kreuzer, in: Kieninger (Hrsg.), Denationalisierung des Privatrechts?, 2005, S. 69 (71), der deshalb auch von dem übergeordneten Rechtsgebiet des „Transnationalen Privatrechts“ spricht. 7 Brödermann, NJW 2010, 807. Etwas zurückhaltender W.-H. Roth, in: Kieninger/ Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, 2012, S. 11.

§ 1 Bestandsaufnahme

7

lichkeit zu veranschaulichen. Dazu wird zunächst einleitend aufgezeigt, mit welchen Ebenen der Rechtssetzung sich ein Rechtsanwender bei der Bestimmung des Beförderungsvertragsstatuts generell konfrontiert sieht (A.). Sodann wird ein kompakter Überblick über die für das internationale Transportvertragsrecht relevanten Einheitsrechtsakte verschafft (B.). A. Bei der Bestimmung des Vertragsstatuts zu berücksichtigende Regulierungsebenen Erst die Beantwortung einer konkreten materiellen Rechtsfrage macht die Zuordnung eines Rechtsverhältnisses mit internationalen Bezügen zu einer konkreten Rechtsordnung notwendig.8 Die Ermittlung des anwendbaren Rechts hat daher stets einen prozessualen Kontext. Selbst wenn die Frage des anwendbaren Rechts im Rahmen der Vertragsgestaltung oder etwa im Zuge außer- oder vorprozessualer Gutachten aufgeworfen wird, so geschieht dies stets im Hinblick darauf, wie ein gegebenenfalls (später) angerufenes Gericht diese Frage beantworten wird. Aus diesem Grund erfolgt die Zuordnung eines internationalen Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten materiellen Recht grundsätzlich aus der Perspektive des gegebenenfalls anzurufenden Gerichts. Dessen Rechtsordnung, die lex fori, bildet somit auch den Ausgangspunkt für die Bestimmung des konkreten Beförderungsvertragsstatuts. Folglich muss dafür zunächst festgestellt werden, welches Gericht im konkreten Fall international zuständig ist bzw. gegebenenfalls zuständig wäre. Diese Frage ist aber Bestandteil eines eigenen, vielschichtigen Rechtsgebietes, des internationalen Zivilprozessrechts, und soll deshalb hier nicht näher vertieft werden.9 Prämisse der folgenden Untersuchung ist vielmehr, dass das (potenzielle) gerichtliche Forum innerhalb eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Union belegen ist. Die Bestimmung des anwendbaren Rechts erfolgt somit im Hinblick auf die Zuständigkeit eines in der Union ansässigen staatlichen Gerichts.10 Ausgegangen wird also von einer lex fori, die sich durch eine europarechtlich geprägte Normenhierarchie auszeichnet.11 Vgl. Keller/Siehr, S. 131. Zur Frage der internationalen Zuständigkeit siehe nur Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2012, §§ 5 ff.; Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl. 2011, §§ 4 ff.; Schack: Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl. 2014, § 8. Zur internationalen Zuständigkeit bei vertraglichen Sachverhalten siehe auch den Überblick bei MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 33 ff. 10 Außer Acht bleiben soll insoweit die Bestimmung des anwendbaren Rechts durch Schiedsgerichte (siehe dazu Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 50). Letzere sind in der Behandlung dieser Frage erheblich flexibler und insbesondere dem in dieser Arbeit untersuchten Kollisionsrecht der Rom I-Verordnung nicht zwingend unterworfen, vgl. Hartenstein, TranspR 2008, 143 (149 f.); MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 110 m. w. N.; a. A. dagegen Mankowski, RIW 2011, 30 ff.; McGuire, SchiedsVZ 2011, 257 ff. 8 9

8 I.

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Ausgangspunkt: Autonomes Recht des Forumstaates

Die Rechtsordnung des Forumstaates ist als Folge dessen Souveränität grundsätzlich national geprägt. Grundlage für die Normen, die private Rechtsverhältnisse regeln, bilden die jeweiligen Interessen und Wertungen des nationalen Gesetzgebers. Dies gilt sowohl für das materielle Privatrecht, welches seit der Französischen Revolution einen „Kernbestandteil des nationalen Kulturerbes“ darstellt,12 als auch grundsätzlich für das Verweisungsrecht des Internationalen Privatrechts, das trotz des diesbezüglich irreführenden Begriffs vom Ursprung her nationales Recht ist.13 Deshalb hat jeder Staat neben seinem Privatrecht sein eigenes Internationales Privatrecht.14 Aus diesem Grund erfolgt die Lösung eines internationalen, privatrechtlichen Sachverhalts zunächst aus einer nationalen Perspektive. Diese wird jedoch dadurch verändert, dass die Rechtsordnungen der europäischen (Gerichts-)Staaten infolge von Rechtsvereinheitlichung von überstaatlichem Recht durchsetzt sind. So ist Bestandteil der nationalen Rechtsordnungen sowohl Kollisions- als auch materielles Recht für internationale Sachverhalte von staatsvertraglicher (II.) und immer häufiger 15 unionsrechtlicher (III.) Herkunft. II. Vorschriften völkerrechtlichen Ursprungs Eine wichtige Quelle für die Lösung internationaler Sachverhalte, besonders auf dem Gebiet des internationalen Vertragsrechts, sind völkerrechtliche Staatsverträge. Sie sind häufigstes Mittel sowohl zur Kollisions- als auch zur Sachrechtsvereinheitlichung.16 Zwar kann auch das allgemeine Völkerrecht, sprich Gewohnheitsrecht und allgemeine Grundsätze, Auswirkungen auf die Beurteilung internationaler Sachverhalte haben.17 Da ihm aber keine direkten Verweisungsnormen, die durch staatliche Gerichte als Kollisionsnormen an11 Zur Mehrstufigkeit des europäischen Privatrechts siehe auch Remien, RabelsZ 62 (1998), 627 (630 ff.). 12 Basedow, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, 2004, S. 101 (103). 13 Vgl. BVerfGE 31, 58 (73). Das Adjektiv „international“ ergibt sich vielmehr aus dem Gegenstand dieser Regeln, nämlich internationalen Sachverhalten und Fragen mit Auslandsberührung, so treffend Siehr, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der europäischen Integration, 2004, S. 69 (71 f.). 14 Kegel/Schurig, S. 9. 15 So für das Kollisionsrecht v. Bar/Mankowski, § 3 Rn. 61. 16 Kropholler, IER, S. 93. 17 Eine Zusammenstellung von „völkerrechtlich gebotenem IPR“ findet sich bei v. Bar/ Mankowski, § 3 Rn. 9 ff. Abgesehen davon werden „völkerrechtliche Normen zum nationalen Kollisionsrecht“ diskutiert, die als an die Staaten gerichtete Ge- und Verbote staatliche Handlungsfreiräume bei der Schaffung eigenen Kollisionsrechts eingrenzen, so Meessen, in: FS Mann, S. 227 ff.

§ 1 Bestandsaufnahme

9

zuwenden wären, oder Sachnormen zu entnehmen sind,18 soll es bei der hier vorgenommenen Darstellung außer Acht bleiben. Durch die Handlungsform des völkerrechtlichen Staatsvertrages ist es souveränen Staaten möglich, ihre gegenseitigen Beziehungen im Wege der Übereinkunft selbstbestimmt zu regeln.19 Bei den hier infrage kommenden rechtsetzenden Staatsverträgen des internationalen Vertragsrechts handelt es sich um besondere völkerrechtliche Regelungsverträge, die der Rechtsvereinheitlichung dienen.20 Mit seiner Zustimmung zu einem solchen Übereinkommen, die grundsätzlich auf verschiedene Arten erfolgen kann (vgl. Art. 11 WVK), verpflichtet sich der jeweilige Staat völkerrechtlich,21 das zwischenstaatlich vereinbarte Recht ohne Veränderungen einzuführen und es außerdem nicht nachträglich durch Gesetzgebung oder Interpretation zu ändern.22 Diese Pflicht trifft indes nicht nur Staaten, sondern in gleichem Maße supranationale Organisationen wie die Europäische Union. Sofern die in einem rechtsvereinheitlichenden Staatsvertrag enthaltenen Normen self-executing sind, also in ihrem Wortlaut selbstständig als geltendes Recht angewendet werden können (und sollen), sind sie unmittelbar von den Gerichten der Vertragsstaaten zu berücksichtigen, sobald sie innerstaatlich Geltung erlangt haben.23 Vertragsrechtsrelevante Beispiele für solche unmittelbar anwendbaren Übereinkommen sind neben den Transportrechtskonventionen etwa das Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) vom 11. April 198024 und in der europäischen Praxis grundsätzlich auch das kollisionsrechtsvereinheitlichende Römische EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (EVÜ)25. Aufgrund des in Art. 1 Abs. 2 des deutschen Zustimmungsgesetzes vom 25. Juli 198626 erklärten Vorbehalts wurde die unmittelbare Geltung des EVÜ für Deutschland aber ausgeschlossen, sodass es von den deutschen Gerichten nicht direkt, sondern Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 (111). Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, S. 512. 20 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, S. 611. Zum Begriff des Regelungsvertrages, seinen verschiedenen typischen Ausprägungen und dessen Abgrenzung zu den Austauschverträgen, vgl. a. a. O. S. 520 ff. Zu den Eigenheiten privatrechtsvereinheitlichender Staatsverträge Bischoff, S. 51 ff. 21 Zu den verschiedenen Phasen des Abschlussverfahrens völkerrechtlicher Verträge Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 10 Rn. 8 ff. 22 Kropholler, IER, S. 94. Zur Auslegung von internationalem Einheitsrecht siehe Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005. 23 Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 (106). Zur innerstaatlichen Geltung siehe unten § 2 – B.I. 24 BGBl. 1989 II, 588. 25 BGBl. 1986 II, 810. 26 BGBl. 1986 II, 809. 18 19

10

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

über die Art. 27–37 EGBGB angewendet wurde.27 Damit wird es, soweit es Deutschland betrifft, als ein Beispiel für non-self-executing conventions genannt.28 Diese zeichnet aus, dass sie nach dem Willen der Vertragsstaaten keine anwendungsfähigen Normen beinhalten und somit die Vertragsstaaten lediglich dazu verpflichten, ihre innerstaatlichen Normen entsprechend der völkerrechtlichen Abrede zu gestalten.29 Sie richten sich daher primär an den vertragsstaatlichen Gesetzgeber, mit der Folge, dass die innerstaatlichen Gerichte das staatsvertragliche Recht nicht direkt anwenden können, sondern nur mittelbar über den erforderlichen besonderen Umsetzungsakt. III. Europäisches Recht für internationale Sachverhalte Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden durch das Europarecht in erheblichem Maße beeinflusst. Neben dem Großteil öffentlich-rechtlicher Vorschriften enthält es zunehmend privatrechtliche Normen.30 Auch wenn das ursprüngliche Ziel der europäischen Gemeinschaft gar nicht die Vereinheitlichung des (Privat-)Rechts, sondern die Integration der Märkte war,31 wird mittlerweile das geltende Wirtschaftsrecht erheblich von Rechtsakten der Europäischen Union beeinflusst.32 Das Primärrecht, also die Gründungsverträge der Gemeinschaft, enthält dabei nur vereinzelt Vorschriften, die sich auf privatrechtliche Verhältnisse im Allgemeinen und auf die hier im Mittelpunkt stehenden transportvertraglichen Verhältnisse im Besonderen direkt auswirken.33 Bedeutendste europäische Vertragsrechtsquelle Die Bundesrepublik wich damit von der sonst üblichen Vorgehensweise bei unmittelbar anwendungsfähigen Verträgen ab, was insofern verblüffend ist, als dass im Gegenzug andere Staaten, wie z. B. Dänemark und Großbritannien, ihrerseits abweichend von ihrer sonst üblichen Praxis dem EVÜ unmittelbare Geltung zugestanden haben, vgl. Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, S. 609. 28 Kegel/Schurig, S. 10; Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 (106). 29 Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 (106); Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005, S. 22. Im Hinblick auf den Wortlaut des EVÜ war ein Umsetzungsakt jedenfalls nicht erforderlich. Zum Streit über die Inkorporation des EVÜ Meyer-Sparenberg, Staatsvertragliche Kollisionsnormen, 1989, S. 47 ff. 30 Vgl. Heiderhoff, Rn. 8 ff. 31 Basedow, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Privat und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, 2004, S. 101 (109). 32 Nach der Einschätzung von Staudinger/Sturm/Sturm, Einl zum IPR Rn. 410 sind etwa 80 bis 90 % des deutschen Wirtschaftsrechts vom europäischen Recht geprägt. 33 Allen voran stehen die Art. 101 f. AEUV (ex-Art. 81 f. EGV). Zu den Einwirkungen des Primärrechts, insbesondere der Grundfreiheiten, auf nationales Privatrecht siehe Langenbucher, in: Langenbucher, § 1 Rn. 28 ff. Speziell zum Vertragsrecht vgl. Herresthal, in: Langenbucher, § 2 Rn. 35; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2003, S. 178 ff. 27

§ 1 Bestandsaufnahme

11

ist letztlich somit das sekundäre Unionsrecht,34 welches aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 EUV) lediglich auf Grundlage konkreter primärrechtlicher Kompetenzen ergehen kann.35 Hinsichtlich des materiellen Zivilrechts besitzt die Union bisher keine umfassende und allgemeine Ermächtigung, um privatrechtliches Sekundärrecht zu erlassen, sondern lediglich vereinzelte sektorielle Kompetenzgrundlagen.36 So beruht beispielsweise das europäische Transportrecht auf der Grundlage der Art. 90 ff. AEUV (ex-Art. 70 ff. EGV).37 Daneben ermächtigt beispielsweise Art. 169 AEUV (ex-Art. 153 EGV) zum Erlass von Rechtsakten auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes, der seinerseits auf Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) verweist. Letzterer, der auf die Verwirklichung des Binnenmarkts abstellt,38 ist vermehrt für die Schaffung von europäischem Privatrecht herangezogen worden.39 Aus diesem Grund ist das bisherige Unionsprivatrecht in der Regel durch einen Binnenmarktbezug gekennzeichnet.40 Erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich der Privatrechtsakte aber auf Binnenmarktsachverhalte, die mehrere Mitgliedstaaten berühren, handelt es sich aus mitgliedstaatlicher Sicht um (europäisches) Recht für internationale Sachverhalte. Für das Verweisungsrecht, also das IPR im engeren Sinne,41 hat die Europäische Union seit dem Amsterdamer Vertrag eine Sekundärrechtsetzungskompetenz nach Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV (ex-Art. 65 lit. b EGV), auf desHeiderhoff, Rn. 9. Als weitere europarechtliche Rechtsquelle sind zudem die rechtsvereinheitlichenden Übereinkommen zu nennen, denen die Union selbst beitritt und deren Vorschriften in das Unionsrecht inkorporiert werden, siehe dazu unten § 2 – B.III.1. 36 Zu den Ermächtigungsgrundlagen für die privatrechtliche Gesetzgebung der Union vgl. Basedow, in: Remien/Kieninger (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, 2004, S. 101 (109 ff.). 37 So ist etwa die Fluggastrechte-VO 261/2004 auf Grundlage des Art. 80 Abs. 2 EGV (nunmehr in Art. 100 Abs. 2 AEUV geregelt) erlassen worden. Diesbezüglich kritisch, weil die VO eher als Mittel des Verbraucherschutzes (i. S. d. Art. 169 AEUV bzw. ex-Art. 153 EGV) erachtend, Haanappel, ZLW 2005, 22 (25 f.). 38 Dies erfolgt in Art. 114 AEUV über den Verweis auf Art. 26 AEUV. In Art. 95 Abs. 1 S. 2 EGV wurde dagegen ausdrücklich auf die „Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts“ abgestellt. 39 Heiderhoff, Rn. 16. Eine Auflistung speziell von vertraglichen Sekundärrechtsakten findet sich bei Herresthal, in: Langenbucher, § 2 Rn. 36 ff. Siehe insoweit auch die Darstellung bei Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, S. 101 ff. 40 Vgl. Heiderhoff, Rn. 177 f., Basedow, in: Hdwb. EuPR, Gemeinschaftsprivatrecht/ Unionsprivatrecht, S. 682. Vgl. auch die Begründungserwägungen zu den einzelnen Richtlinien, stellvertretend Erwägung Nr. 5 der Klauselrichtlinie (Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. 1993 L 95, 29). Speziell zum Binnenmarktbezug des europäischen Transportrechts siehe unten § 10 – A.II. 41 Kropholler, IPR, S. 1 f. 34 35

12

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

sen Grundlage insbesondere die Rom I-Verordnung erging.42 Doch bereits vor dem Erlass dieses allseitigen Unionskollisionsrechts für vertragliche Schuldverhältnisse wurde durch die Europäische Gemeinschaft die europäische Integration des Kollisionsrechts verschiedenartig vorangetrieben.43 Entsprechend der Einteilung bei völkervertraglichen Normen lassen sich auch die Sekundärrechtsinstrumente danach unterscheiden, ob sie sich direkt an den Rechtsanwender oder an den nationalen Gesetzgeber richten. So ist lediglich die Verordnung unmittelbar im Mitgliedstaat anwendbar (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und damit self-executing.44 Durch europäische Verordnungen gesetztes Recht stellt damit regionales materielles Einheitsrecht dar.45 Richtlinien sind dagegen nicht an den einzelnen Rechtsanwender, sondern an die Mitgliedstaaten adressiert und bedürfen grundsätzlich eines gestalterischen mitgliedstaatlichen Umsetzungsaktes (Art. 288 Abs. 3 AEUV), um Rechtswirkungen zu entfalten.46 IV. Zwischenergebnis Von den Gerichten der europäischen Mitgliedstaaten sind grundsätzlich Normen nationalen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Ursprungs zu berücksichtigen. Differenziert man innerhalb dieser drei Regulierungsebenen jeweils noch zwischen Kollisions- und Sachrechtsinstrumenten, macht das allein sechs Rechtsaktkategorien, die die Bestimmung des Vertragsstatuts beeinflussen können.

Vgl. Erwägungsgrund (2). Siehe auch die weiteren, ebenfalls auf dieser Ermächtigungsgrundlage erlassenen Sekundärrechtsakte unten § 3 – B.I.3.a)bb)(1). 43 Vgl. die beeindruckende Klassifizierung mit entsprechenden Beispielen durch Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl. 1999, S. 457 (473 ff.) und aktualisiert bei Kreuzer/Wagner/Reder, in: Dauses, Kap. R Rn. 41 ff. 44 Vgl. Klinke, in: Liber Amicorum Kegel, S. 1 (10). 45 Vgl. Iversen, in: Brödermann/Iversen, Rn. 588; Remien, RabelsZ 62 (1998), 627 (631). 46 So ist lediglich das Richtlinienziel für die Mitgliedstaaten verbindlich, vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV). Über die Mittel zur Verwirklichung kann ein Mitgliedstaat in gewissen Grenzen selbst entscheiden, was dazu führt, das die inhaltliche Ausgestaltung der mitgliedstaatlichen Umsetzungsakte erheblich differieren kann. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet der Begriff des „engen Zusammenhangs“ aus Art. 6 Abs. 2 der Klauselrichtlinie (Fn. 40), vgl. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge zwischen Römer EVÜ und EG-Richtlinien, 2002, S. 267 ff. Ist in den Richtlinien jedoch die Totalharmonisierung vorgesehen, wie etwa in Art. 4 der neuen Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU, herrscht insoweit Rechtseinheit. 42

§ 1 Bestandsaufnahme

13

B. Überblick über das bestehende materielle Einheitsrecht für internationale Transportverträge Eine Besonderheit des Transportrechts besteht, wie bereits angesprochen, darin, dass auf diesem Gebiet eine Fülle an materiellem Einheitsrecht auf internationaler sowie europäischer Ebene existiert. Dies macht die Beurteilung eines internationalen Beförderungsvertrages schwierig. Schließlich muss der Rechtsanwender, der in der Regel eher mit der Anwendung „seines“ nationalen Privatrechts vertraut ist, die internationalen Vorschriften korrekt anwenden bzw. zuerst einmal kennen. Bereits die Kenntnis des Einheitsrechts kann dabei schon problematisch sein, da die transnationalen Vorschriften zumeist self executing sind, sodass eine Integration in die nationale Privatrechtsordnung gerade nicht erfolgt.47 Diesem grundsätzlichen Problem soll der folgende Überblick begegnen, in welchem die bestehenden Rechtsakte des materiellen Einheitsrechts auf dem Gebiet des Transportrechts kurz aufgeführt werden. Dabei wird der Begriff des Einheitsrechts weit verstanden, sodass nicht nur Rechtsinstrumente der internationalen (universalen) Rechtsvereinheitlichung erwähnt werden, sondern zudem auch diejenigen der regionalen Rechtsvereinheitlichung durch die Europäische Union.48 Entsprechend werden all diejenigen innerhalb des Gebiets der Europäischen Union geltenden Rechtakte genannt, die materiell-rechtliche Regelungen enthalten, die für die privatrechtliche Beurteilung eines internationalen Beförderungsvertrages relevant werden können und die in mehreren (nicht zwangsläufig allen) Mitgliedstaaten in identischer Weise gelten. Ein maßgebliches Ziel der folgenden Darstellung ist, die Rechtsakte konkret zu benennen, die möglicherweise mit dem neuen supranationalen IPR der Rom I-Verordnung in Konflikt treten könnten. Deshalb sei an dieser Stelle die mitunter strittige Frage, ob es sich bei einer Regelung des internationalen Einheitsrechts überhaupt um ein vertragsrechtliches – oder nicht doch um ein außervertragliches – Regime handelt, außen vor gelassen.49 Stattdessen erfasst dieser Überblick auch solche transportrechtlichen Rechtsakte, die das Beförderungsvertragsstatut möglicherweise auch nur periphär berühren. Schließlich sollen hier zu Veranschaulichungszwecken all jene internationalen Rechtsakte aufgeführt werden, die sich auf die materiell-rechtliche Beurteilung eines internationalen Beförderungsvertrags auswirken können.50 Jenes internationale Siehe oben A.II. Zu diesen Begriffskategorien grundlegend Kropholler, IER, S. 223 ff. 49 Siehe dazu ausführlich unten § 9 – C.III.4. 50 Nicht dazu zählen etwa die verschiedenen Konventionen für besondere Gefahrguttransporte. Diese enthalten entweder keine zivilrechtlichen Regelungen, wie das Europäische Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) vom 30.9.1957, BGBl. 1969 II, 1489 und das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen (ADN) vom 26.5.2000, 47 48

14

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Transportsachrecht ist indes durch einen spezifischen Bezug zu einem konkreten Verkehrsträger gekennzeichnet.51 Daran orientiert sich diese Darstellung, indem das geltende Einheitsrecht sektoriell gegliedert aufgeführt wird. I.

Straßenverkehr

1. Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route (CMR) Eines der etabliertesten Intstrumente der internationalen Sachrechtsvereinheitlichung behandelt den grenzüberschreitenden Transport von Gütern auf der Straße. Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route – CMR) vom 19. Mai 195652 hat mittlerweile 55 Vertragsstaaten, darunter alle 28 EU-Mitglieder.53 Die CMR schafft ein spezielles Haftungssystem im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Beförderungsverträgen, bei denen Güter mittels Kraftfahrzeugen auf der Straße transportiert werden. 2. Convention relative au contrat de transport international de voyageurs et de bagages par route (CVR) Weit weniger international etabliert ist die Schwester-Konvention der CMR für den Personentransport. Das Übereinkommen über den Vertrag über die internationale Beförderung von Personen und Gepäck auf der Straße (Convention relative au contrat de transport international de voyageurs et de bagages par route – CVR) vom 1. März 197354 ist zwar seit dem 12. April 1994 formell in Kraft, hat aber lediglich neun Vertragsstaaten, davon die vier EUMitgliedstaaten Lettland, Kroatien, Slowakei und die Tschechische Republik.55 Die CVR statuiert eine Befördererhaftung für den Tod oder die Verletzung des Reisenden sowie für Gepäckschäden im grenzüberschreitenden Personentransport auf der Straße. BGBl. 2007 II, 1908, oder sie beziehen sich explizit nur auf Ansprüche, die gerade nicht im Zusammenhang mit einem Vertrag stehen, wie das nicht in Kraft getretene, sektorübergreifende Übereinkommen über die Haftung beim Transport gefährlicher Güter (CRTD) vom 10.10.1989 (TranspR 1990, 83), nach dessen Art. 3. Siehe dazu im Einzelnen Kaiser, Haftung für Gefahrguttransporte in Europa, 2010, S. 7 ff. 51 Näher dazu unten § 10 – C.I. 52 BGBl. 1961 II, 1120. 53 Als letzter EU-Mitgliedstaat hat Malta die CMR ratifiziert, siehe BGBl. 2008 II, 1338. Für 41 Staaten ist die CMR in der Fassung des Protokolls vom 5.7.1978 (BGBl. 1980 II, 733) anwendbar. Vgl. den Ratifikationsstand im Fundstellennachweis B des BGBl. 2014 II, 454. 54 Abgedruckt (engl., franz.): Rev. dr. unif. 1974 II, 68. Siehe auch das zum CVR ergangene Genfer Protokoll vom 5.7.1978, abgedruckt in Rev. dr. unif. 1978 II, 212.

§ 1 Bestandsaufnahme

15

3. Verordnung (EU) 181/2011 Seit Kurzem enthält zudem eine europäische Verordnung materielle Regelungen für den Personentransport auf der Straße. Mit der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/200456 werden nun Buspassagieren verschiedene Rechte im Falle von Annullierung oder Verspätung eingeräumt.57 Außerdem enthält die Verordnung Mindestregelungen über die Entschädigung und Hilfeleistungen bei Unfällen. II. Schienenverkehr 1. Anhänge A (CIV) und B (CIM) Convention relative aux transports internationaux ferroviares (COTIF) 1999 Für Verträge über den Transport auf der Schiene bestehen bereits seit den Anfängen der Rechtsvereinheitlichung internationale Regelungen.58 Zurzeit ist materielles internationales Eisenbahntransportvertragsrecht in den Anhängen A (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen [CIV]) und B (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern [CIM]) zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (Convention relative aux transports internationaux ferroviares – COTIF) vom 9. Mai 198059 i. d. F. des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 199960 geregelt. Die COTIF ist in insgesamt 48 Vertragsstaaten anwendbar, davon sind 26 EU-Mitgliedstaaten.61 Außerdem ist dem Übereinkommen kürzlich die Euro55 Von Deutschland und Luxemburg wurde die CVR lediglich gezeichnet. Vgl. den Ratifikationsstand unter: . 56 ABl. 2011 L 55, 1. 57 Dazu Grard, RD transp. 4/2011, 11; Karsten, VuR 2011, 215 (219); Keiler, in: Binder/Eichel (Hrsg.), Internationale Dimensionen des Wirtschaftsrechts, 2013, S.167 ff. 58 Vgl. das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14.10.1890, RGBl. 1892, 793. Zum Verlauf der Privatrechtsvereinheitlichung siehe Basedow, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, 2004, S. 101 (107 ff.); speziell zur Entwicklung des internationalen Eisenbahnrechts Kunz, TranspR 2006, 274 (290 ff.). 59 BGBl. 1985 II, 132. 60 BGBl. 2002 II, 2149. 61 Vgl. den Ratifikationsstand unter . Als einzige EU-Mitglieder sind Malta und Zypern keine Mitgliedstaaten der zwischenstaatlichen Organisation OTIF. Für die beiden Inselstaaten käme eine grenzüberschreitende Schienenbeförderung allerdings auch nur theoretisch in Betracht, sodass insbesondere das Einheitsrecht der COTIF für beide Staaten keine Bedeutung erlangen würde. Die COTIF 1999 nicht ratifiziert haben die EU-Staaten Italien, Irland und Schweden.

16

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

päische Union selbst beigetreten.62 Vertragsrechtliche Regelungen weist die CIV dahingehend auf, dass sie den Abschluss und die Ausführung des Beförderungsvertrages regelt und eine Haftung des Beförderers bei Tötung und Verletzung des Reisenden und bei Beschädigungen des Gepäcks sowie für den Fall der Nichteinhaltung des Fahrplans statuiert.63 Die CIM behandelt ebenfalls den Abschluss und die Ausführung des Beförderungsvertrages; zudem normiert sie eine Haftung des Beförderers für den Verlust oder die Beschädigung von Frachtgut und für die Überschreitung der Lieferfrist.64 2. Verordnung (EG) 1371/2007 Für den Personenschienenverkehr finden sich auch auf der Ebene des europäischen Sekundärrechts besondere Regeln. Die Verordnung (EG) Nr. 1371/ 2007 vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr65 enthält spezielle Fahrgastrechte bei Verspätungen, verpassten Anschlüssen und Zugausfällen.66 Zudem nimmt die Verordnung Bezug auf die Regelungen der COTIF und weitet die Haftung nach deren Anhang A (CIV) sachlich auf innermitgliedstaatliche Beförderungen aus.67 III. Luftverkehr 1. Warschauer Abkommen (WA) Das internationale Luftbeförderungsrecht ist in großem Maße durch Konventionen global vereinheitlicht worden. Ausgangspunkt dafür war das Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12. Oktober 1929.68 Das WA von 1929, welches im Laufe der Jahre einem evolutionären Prozess unterlag,69 hat 152 62 Siehe die Mitteilung in ABl. 2011 L 183, 1. Für weitere Details zum Beitritt der Union siehe Kunz, TranspR 2012, 309 (311 ff.). 63 Dazu vertiefend Pohar, S. 271 ff.; Schmidt-Bendun, S. 79 ff.; Kunz, TranspR 2005, 329 (333 ff.). 64 Vgl. Kunz, TranspR 2005, 329 (337 ff.). 65 ABl. 2007 L 315, 14. 66 Dazu vertiefend Staudinger, EuZW 2008, 751 ff.; Karsten, in: Yearbook of Consumer Law 2009, S. 333 ff.; detailiert zum Verordnungsvorschlag Schmidt-Bendun, S. 137 ff. 67 Siehe Art. 11 i. V. m. Erwägungsgrund (6) der Verordnung; Paulin, RD transp. 3/ 2008, 20; vgl. auch Hilpert, MDR 2008, 597 (598). Zur Kompetenz der Union zur Regelung des innerstaatlichen Verkehrs siehe Schmidt-Bendun, S. 138 ff. Allgemein zu den im Eisenbahnverkehr bestehenden Fahrgastrechten Lindemann, TranspR 2011, 10 ff. 68 RGBl. 1933 II, 1040. 69 Beachte außerdem das Änderungsprotokoll vom 28.9.1958 (BGBl. 1958 II, 292) sowie das Zusatzabkommen von Guadalajara zum Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die von einem anderen als dem vertraglichen Luftrachtführer ausgeführte Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 18.9.1961 (BGBl. 1963 II, 1160). Zu nennen wären außerdem die Ergänzungsprotokolle von Guatemala City vom

§ 1 Bestandsaufnahme

17

Vertragsstaaten (inklusive aller EU-Mitglieder).70 Es regelt die Haftung des Beförderers für den Tod oder eine Gesundheitsschädigung des Flugpassagiers sowie für Schäden durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von Reisegepäck oder von Gütern; außerdem wird eine Haftung für Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Gepäck und Gütern statuiert. 2. Montrealer Übereinkommen (MÜ) Gegen Ende des letzten Jahrtausends ist das System des Warschauer Abkommens einer nachhaltigen Reform unterzogen worden.71 Neue Grundlage für das internationale Lufttransportrecht bildet nun das Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999.72 Neben 112 Vertragsstaaten (darunter allen EU-Mitgliedstaaten) ist der Konvention auch die Europäische Union beigetreten.73 Das Montealer Übereinkommen löst als Nachfolgeübereinkommen das WA im Verhältnis zwischen den einzelnen MÜ-Vertragsstaaten ab.74 Inhaltlich umfasst es Regelungen über die Haftung des Luftfrachtführers für Tod und Körperverletzungen des Reisenden, Beschädigung von Reisegepäck, Beschädigung von Gütern sowie für Verspätung bei der Güter- bzw. der Personenbeförderung.75 3. Verordnung (EG) 2027/97 Aufgrund der langwierigen Reform des „Warschauer Systems“, die dann letztendlich durch das Montrealer Übereinkommen vollzogen wurde, sah sich der europäische Gesetzgeber veranlasst, selbst auf diesem Gebiet tätig zu werden.76 Aus diesem Grund erließ er die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförde8.3.1971 sowie die Montrealer Protokolle Nr. 1–4 vom 25.9.1975. Näher zu diesem Entwicklungsprozess m. w. N. Dempsey, in: Hobe/v. Ruckteschell (Hrsg.): Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 3, 2010, S. 103 ff. 70 Ratifikationsstand abrufbar von der Website der ICAO: . 71 Zu diesem schwierigen Reformprozess Müller-Rostin/Schmid, in: FS Guldimann, S. 169 ff. 72 BGBl. 2004 II, 459. 73 Siehe den Ratsbeschluss 2001/539/EG vom 5.4.2001 über den Abschluss des Montrealer Übereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft, ABl. 2001 L 194, 38. 74 Vgl. Art. 55 MÜ. Das WA gilt aber weiterhin im Verhältnis zwischen MÜ-Staaten und WA-Staaten, die das MÜ nicht ratifiziert haben. Siehe dazu Reithmann/Martiny/ Mankowski, Rn. 2838; Schmid/Müller-Rostin, NJW 2003, 3516 (3520). 75 Vertiefend dazu Reuschle; Clark, in: Hobe/v. Ruckteschell (Hrsg.): Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 3, 2010, S. 111 ff. 76 Balfour, in: Hobe/v. Ruckteschell (Hrsg.): Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 3, 2010, S. 179 f.

18

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

rung von Fluggästen und deren Gepäck im Luftverkehr.77 Diese wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 889/2002 vom 13. Mai 200278 an das Haftungssystem des unterdessen verabschiedeten Montrealer Übereinkommens angepasst. Die VO 2027/97 in der Fassung der VO 889/2002 weitet hinsichtlich der Beförderung von Personen das Haftungssystem des MÜ auf innermitgliedstaatliche Flüge aus.79 4. Verordnung (EG) 261/2004 Ebenfalls die Luftbeförderung von Personen betrifft die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91.80 Diese normiert für internationale, aber auch innermitgliedstaatliche Flüge verschiedene Fluggastrechte für den Fall der Nichtbeförderung, Annulierung oder Verspätung.81 5. Verordnung (EG) 2111/2005 Diese Fluggastrechte werden von der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 vom 14. Dezember 2005 über die Erstellung einer gemeinschaftlichen Liste der Luftfahrtunternehmen, gegen die in der Gemeinschaft eine Betriebsuntersagung ergangen ist, sowie über die Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens und zur Aufhebung des Artikels 9 der Richtlinie 2004/36/EG82 auf Konstellationen ausgeweitet, die vom sachlichen Anwendungsbereich der VO 261/2004 nicht erfasst sind.83

ABl. 1997 L 285, 1. ABl. 2002 L 140, 2. 79 Siehe Art. 1 S. 2 VO 2027/97 und Karsten/Seidenspinner, ZEuP 2010, 830 (838). Vgl. auch Ruhwedel, TranspR 2001, 189 (191 f.); Schmid, RRa 2004, 198 (199). 80 ABl. 2004 L 46, 1. Zu dieser Verordnung besteht mittlerweile ein Änderungsvorschlag der Kommission, COM(2013) 130 final. Siehe dazu Müller-Rostin, TranspR 2013, 329 ff. und Keiler, RRa 2013, 163 ff. 81 Dazu Hausmann, S. 50 ff. 82 ABl. 2005 L 344, 15. 83 Vgl. Art. 12 Abs. 2 sowie Erwägungsgrund (17) VO 2111/2005. Darauf beschränkt sich im Grunde der privatrechtliche Inhalt dieses Sekundärrechtsakts, siehe Karsten/ Seidenspinner, ZEuP 2010, 830 (845). Zu dieser Verordnung Lindner, RRa 2006, 58 ff.; Kohlhase, ZLW 2006, 22 (30 f.). 77 78

§ 1 Bestandsaufnahme

19

IV. Binnenschifffahrt 1. Convention de Budapest relative au contrat de transport de marchandises en navigation intérieure (CMNI) Der internationale Frachttransport per Binnenschiff ist durch das Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (Convention de Budapest relative au contrat de transport de marchandises en navigation intérieure – CMNI) vom 22. Juni 200184 vereinheitlicht worden. Die CMNI ist in 16 Vertragsstaaten anwendbar (davon 11 EUMitgliedstaaten).85 Sie enthält Regelungen über die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sowie Bestimmungen zur Haftung des Beförderers für Schäden durch Verlust oder Beschädigung der Güter oder durch Überschreitung der Lieferfrist.86 Auch für die Personenbeförderung per Binnenschiff existiert eine internationale Konvention, jedoch ist das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag für Reisende und Gepäck in der internationalen Binnenschifffahrt (Convention on the Contract for the International Carriage of Passengers and Luggage by Inland Waterways – CVN) vom 6. Februar 1976 bisher nicht in Kraft getreten.87 2. Convention de Strasbourg sur la limitation de la responsabilité en navigation intérieure (CLNI) Im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen oder Gütern auf einem Binnenschiff kann außerdem das Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt vom 4. November 1988 (Convention de Strasbourg sur la limitation de la responsabilité en navigation intérieure – CLNI)88 Bedeutung erlangen. Diese Konvention sieht Haftungshöchstgrenzen für Schiffseigentümer (Eigner, Mieter, Charterer, Reeder, etc.) vor und zwar unter anderem für Ansprüche wegen Tod oder Körperverletzung oder wegen Verlust oder Beschädigung von Sachen, die an Bord oder im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes eintreten, sowie wegen daraus entstehender weiterer Schäden; zudem erstreckt sich die Haftungsbeschränkung auch auf Ansprüche wegen Schäden infolge von Verspätung bei der Beförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck,89 die regelmäßig ihre BGBl. 2007 II, 299. Siehe zuletzt die Bekanntmachung in BGBl. 2014 II, 1007. 86 Dazu vertiefend Czerwenka, TranspR 2001, 277; Ramming, TranspR 2006, 373; Hartenstein, TranspR 2007, 385. 87 Text und Ratifikationsstand abrufbar unter: . Dazu Schubert, Die Haftung für Reisende und ihr Gepäck auf Schiffen, 1981, S. 115 ff. 88 BGBl. 1998 II, 1644. Zum Übereinkommen Czerwenka, TranspR 2005, 133; Tournaye, TranspR 2009, 156. 89 Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a und b CLNI. 84 85

20

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Grundlage in einem Frachtvertrag haben werden. Die CLNI ist seit dem 1. Juli 1999 für vier Vertragsstaaten (Deutschland, Luxemburg, Niederlande sowie die Schweiz) in Kraft.90 Für Deutschland ist sie jedoch nicht unmittelbar, sondern in Form der §§ 4–5m BinSchG anwendbar.91 Am 27. September 2012 ist in Straßburg eine Neufassung des Übereinkommens beschlossen worden, welche aber noch nicht in Kraft getreten ist.92 3. Verordnung (EU) 1177/2010 Auch für die Personenbeförderung im Bereich der Binnenschifffahrt hat die Europäische Union spezielles Sekundärrecht gesetzt. Die Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/200493 schafft Passagierrechte für den Fall der Annulierung und Verspätung.94 V. Seeschifffahrt 1. Internationales Einheitsrecht für Konnossemente Im internationalen Seehandelsrecht besteht eine Vielzahl an verschiedenen internationalen Konventionen.95 Dies gilt insbesondere für das Einheitsrecht der Konnossemente. Ausgangspunkt der Rechtsvereinheitlichung dieser Materie war das Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente, die so genannten Haager Regeln, vom 25. August 1924,96 welches 79 Vertragsstaaten (davon 11 EU-Mitgliedstaaten) aufweist.97 Die Haager Regeln wurden durch das Brüsseler Protokoll vom 23. Februar 1968 modifiziert (Visby-Regeln), wobei sich an diesem Einheitsrechtsakt nur ein kleinerer Teil der Staatengemeinschaft beteiligt hat. 98 Hintergrund war die bevorstehende Ausarbeitung eines neuen Übereinkommens über die Beförderung von Gütern

BGBl. 1999 II, 388. Siehe Art. 1 Abs. 2 des Zustimmungsgesetzes zur CLNI, BGBl. 1998 II, 1643. Vgl. auch v. Waldstein/Holland, BinSchR, § 4 BinSchG Rn. 2. 92 Zur CLNI 2012 Tournaye, TranspR 2013, 213 ff. 93 ABl. 2010 L 334, 1. 94 Siehe dazu Schilling, TranspR 2013, 404 ff.; Karsten, VuR 2011, 215 (217 ff.). 95 Siehe dazu den Überblick bei Herber, TranspR 2012, 269 (271 ff.). Resultat dieses Nebeneinander völkerrechtlicher Konventionen ist der komplizierte Art. 6 EGHGB. Dazu MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 107 ff. 96 RGBl. 1939 II, S. 1049. 97 Ratifikationsstand nach dem Verzeichnis der als Depositar fungierenden belgischen Regierung unter: . 98 Text: Rabe, § 663 b HGB Anh. II (engl., frz.), sowie Anh. III (dt.). Ratifikationsstand (nach BGBl. 1986 I, 1162, letzte Bekanntmachung BGBl. 1996 I, 791): 29 Vertragsstaaten, davon 11 Unions-Mitgliedstaaten. 90 91

§ 1 Bestandsaufnahme

21

auf See, der Hamburger Regeln, vom 31. März 1978,99 welche einen noch umfangreicheren Regelungsgegenstand haben sollten.100 Nachdem der internationale Erfolg auch dieses Rechtsakts bei nunmehr 34 Vertragsstaaten – darunter mit Tschechien, Ungarn und Rumänien drei EU-Mitglieder, aber nicht die großen Schifffahrtsnationen – ausblieb,101 wurde mit den Rotterdam-Regeln vom 23. Oktober 2009 (RR) 102 ein neuer Versuch unternommen, das internationale Einheitskonnossementsrecht zu modernisieren.103 Bisher sind die Rotterdam-Regeln jedoch noch nicht in Kraft, da sie lediglich von Spanien, Togo und Kongo ratifiziert worden sind.104 Wegen der staatsvertraglichen Unübersichtlichkeit ist es im Einzelfall mitunter schwierig, das konkret anwendbare Konnossementrechtsregime festzustellen, denn die maßgeblichen völkervertraglichen Bindungen lassen sich nicht immer zuverlässig ermitteln.105 2. Athener Übereinkommen (AÜ) Auch auf dem Gebiet der Personenbeförderung per Seeschiff besteht staatsvertragliche Rechtsvereinheitlichung in Form des Athener Übereinkommens über die Beförderung von Passagieren und ihrem Gepäck auf See vom 13. Dezember 1974.106 Das Athener Übereinkommen von 1974 hat 26 Vertragsstaaten, davon fünf EU-Mitgliedstaaten.107 Zudem ist zum Protokoll vom

Text: TranspR 1992, 436 ff. Dazu vertiefend Herber, TranspR 1992, 381 ff.; Basedow, ZEuP 1993, 100 ff. 101 Siehe den Ratifikationsstand der Hamburger-Regeln unter: . 102 Text: TranspR 2009, 372 ff. 103 Im Gegensatz zu den Haag-(Visby-)Regeln verfolgen die Rotterdam-Regeln dabei jedoch einen generalisierenden Ansatz. So knüpfen diese nicht an die Ausstellung eines Konnossements, sondern stattdessen an das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Seefrachtvertrages an (vgl. Art. 5 Abs. 1). Siehe Baatz (Hrsg.), The Rotterdam Rules, 2009; Fedi, RD transp. 9/2010, 11. 104 Der Ratifikationsstand der Rotterdam-Regeln ist abrufbar unter: . 105 Vgl. Herber, TranspR 2012, 269 (276). Beispielsweise divergieren hinsichtlich der konkreten Vertragsstaaten der Visby-Regeln die Angaben des deutschen Bundesgesetzblatt II, des belgischen Depositars oder des Comité Maritime International (CMI). Im vom letzeren erstellten Verzeichnis bzgl. des Ratifikationsstands maritimer Konventionen (abrufbar unter: ) wird beispielsweise Deutschland fälschlicherweise als Visby-Vertragsstaat aufgeführt. 106 Text: Rev. dr. unif. 1975 I, 142; siehe auch das Zusatzprotokoll vom 19.11.1976, Rev. dr. unif. 1977 I, 178. 107 Zum Ratifikationsstand des AÜ und seiner Protokolle siehe das Verzeichnis der IMO unter S. 310 ff. Die Bundesrepublik Deutschland hatte das Überein99

100

22

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

1. November 2002,108 welches am 23. April 2014 auch für neun EUMitgliedstaaten in Kraft getreten ist, die Europäische Union beigetreten.109 Das Athener Übereinkommen enthält Regelungen zur Haftung des Beförderers für Tod oder Körperverletzung eines Reisenden sowie für Verlust oder Beschädigung von Gepäck.110 3. Convention on Limitation of Liability for Maritime Claims (LLMC) Im Seeverkehr besteht ebenfalls ein Haftungsbeschränkungsübereinkommen zugunsten der Schiffseigentümer, das Übereinkommen vom 19. November 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen (Convention on Limitation of Liability for Maritime Claims – LLMC)111 in der Fassung des Protokolls vom 2. Mai 1996.112 Das LLMC 1976 hat 54 Vertragsstaaten, davon 13 EU-Mitglieder.113 Das Übereinkommen normiert, wie die ihm nachgebildete CLNI,114 eine Haftungshöchstgrenze zugunsten von Schiffseigentümern (Mieter, Charterer, etc.) für Ansprüche wegen Tod oder Körperverletzung oder wegen Verlust oder Beschädigung von Sachen sowie für (vertragliche) Ansprüche wegen Schäden infolge von Verspätung bei der Beförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck auf See.115

kommen von 1974 zwar nicht ratifiziert, es jedoch inhaltlich als Anlage zu § 664 HGB in das deutsche Recht übernommen. 108 Siehe den konsolidierten Wortlaut des Übereinkommens von 1974 und des Protokolls von 2002, ABl. 2009 L 131, 9. Dazu Kröger, Die Passagierbeförderung auf See, 2009, S. 126 ff. 109 Siehe den Beschluss des Rates 2012/22/EU vom 12.12.2011 über den Beitritt der Europäischen Union zum Protokoll von 2002 zum Athener Übereinkommen von 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See, mit Ausnahme der Artikel 10 und 11, ABl. 2012 L 8, 1 und den Beschluss 2012/23/EU vom 12.12.2011 über den Beitritt der Europäischen Union zum Protokoll von 2002 zum Athener Übereinkommen von 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See in Bezug auf Art. 10 und 11, ABl. 2012 L 8, 13. 110 Vertiefend zum Protokoll von 2002 Czerwenka, RRa 2003, 158 ff.; dies., DAR 2014, 242 ff.; Karsten, in: Yearbook of Consumer Law 2008, S. 200 (205 ff.). 111 BGBl. 1986 II, 786. 112 BGBl. 2000 II, 791. 113 Zum Ratifikationsstand des LLMC siehe wiederum das Verzeichnis der IMO (Fn. 107), S. 358 ff. 114 Vgl. Czerwenka, TranspR 2005, 133. 115 Die Haftungsbeschränkung durch das LLMC wird überwiegend als deliktisch qualifiziert und infolgedessen grundsätzlich dem Regelungsbereich der Rom II-Verordnung zugeordnet. Gleichwohl ist diese international-privatrechtliche Zuordnung durchaus umstritten. Näher dazu Dörfelt, VersR 2010, 1547 ff.; Ramming, HmbSchRZ 2009, 181 (195 ff.). Siehe beispielhaft die Auswirkungen der globalen Haftungsbeschränkung des LLMC im Fall der „Costa Concordia“ bei Damar, VuR 2012, 287 ff.

§ 1 Bestandsaufnahme

23

4. Verordnung (EG) 392/2009 Europäisches Sekundärrecht besteht auch im Bereich der Passagierseeschifffahrt. Noch bevor sie dem Staatsvertrag selbst beigetreten ist, hatte die Europäische Union durch die Verordnung (EG) Nr. 392/2009 vom 23. April 2009 über die Unfallhaftung von Beförderern auf See116 das Haftungssystem des Athener Übereinkommens i. d. F. des Protokolls von 2002 in das Unionsrecht implementiert.117 Im Zuge des Erlasses der Verordnung ist wiederum der Anwendungsbereich des staatsvertraglichen Einheitsrechts auf innermitgliedstaatliche Beförderungen ausgeweitet worden.118 5. Verordnung (EU) 1177/2010 Zudem gelten auch im (Hoch-)Seeverkehr die europäischen Passagierrrechte. Diese werden durch die bereits genannte Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 gewährleistet.119 C. Ergebnis Nach dem hier vorgenommenen Überblick sind innerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurzeit 19 sachrechtsvereinheitlichende Rechtsakte in Kraft, die sich potentiell auf die Beurteilung materiellrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit einem internationalen Beförderungsvertrag auswirken können. Genau genommen liegt die eigentliche Zahl zu beachtender Rechtsakte sogar noch höher, denn die häufig bestehenden Protokolle oder Zusatzabkommen zu den verschiedenen Einheitsrechtsübereinkommen stellen – sofern die Vertragsparteien nicht komplett identisch sind – im Grunde selbständige Staatsverträge dar.120 All diese Konventionen und europäischen Verordnungen müssen gegebenenfalls bei der Bestimmung des auf einen Beförderungsvertrag anwendbaren Rechts berücksichtigt werden und konkurrieren potentiell mit dem neuen europäischen Kollisionsrecht des Art. 5 Rom I-VO.

ABl. 2009 L 131, 24. Dazu ausführlich Karsten, VuR 2009, 213 (214 ff.); Hoffmann/Tüngler/Kirchner, EuZW 2013, 332 ff. 118 Vgl. Schilling, TranspR 2013, 401 (402); Tonner, RRa 2013, 206 (209 f.); Calliess/ Schulze, Art. 5 Rome I Rn. 39. Zum Vorschlag KOM(2005) 592 endg. der Kommission Lagoni, ZEuP 2007, 1079 ff.; Røsœg, ZEuP 2008, 599 ff.; Karsten, in: Yearbook of Consumer Law 2008, S. 200 (213 ff.). 119 Siehe bereits oben B.IV.3. 120 Einen noch differenzierteren Überblick zum Ratifikationsstand der einzelnen Übereinkommen bietet etwa Bischoff, S. 397 ff. 116 117

24

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen Normenkonkurrenzen sind eine Erscheinung, „die dem Recht in seiner Eigenschaft als von Menschenhand geschaffener Ordnung anhaftet“.121 Dementsprechend selbstverständlich sind Konflikte zwischen Rechtssätzen, die sich auf denselben Lebenssachverhalt beziehen. Besteht eine verdrängende Konkurrenzsituation, bei der eine Norm den Anwendungsbereich der anderen ausschließt, muss diese Konkurrenz, falls sie nicht durch Auslegung verhindert werden kann, konkret aufgelöst werden.122 Im Folgenden sollen die Grundsätze vorgestellt werden, mit Hilfe derer dies bewerkstelligt werden kann (A.). Diese können jedoch nur dann uneingeschränkt angewendet werden, wenn Vorschriften gleichen Ursprungs miteinander konkurrieren. Wie soeben gezeigt, setzen sich die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union aber aus Normen unterschiedlicher Herkunft zusammen.123 Die Folge ist, dass Rechtssätze nicht nur innerhalb einer Rechtsebene, sozusagen horizontal, sondern außerdem mit Rechtssätzen anderer Regulierungsebenen, also vertikal, konkurrieren können. Ein gutes Beispiel dafür bietet das Luftrecht: Dort konkurriert auf gleicher, nämlich der staatsvertraglichen, Regulierungsebene das Warschauer Abkommen mit dem Montrealer Übereinkommen. Diese völkerrechtlichen Konventionen treten jedoch gegebenenfalls darüber hinaus in Konflikt zu nationalem Luftrecht (z. B. dem LuftVG) sowie zu europäischem Sekundärrecht, namentlich der Fluggastrechte-VO 261/2004 und der VO 2027/97.124 In einem weiteren Abschnitt sollen daher die allgemeinen Prinzipien aufgezeigt werden, die bei der Lösung solcher vertikalen Konkurrenzen zu beachten sind (B.).

Volken, S. 11. Abgesehen von der verdrängenden ist auch eine kumulative Konkurrenz möglich, bei der beide Normen auf den selben Sachverhalt anwendbar sind und insoweit kein Abgrenzungsproblem auftritt, vgl. nur Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 5. Aufl. 2011, § 13. Weitere Differenzierungen bei Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, § 7, S. 30 ff. 123 Siehe oben § 1 – A. 124 Näher zum Konflikt der Fluggastrechteverordnung mit internationalen Regelungen Staudinger/Schmidt-Bendun, VersR 2004, 971 ff.; Schmid, RRa 2004, 198 ff.; Tonner, NJW 2006, 1854 ff.; Dempsey/Johansson, ASL 2010, 207 ff. Siehe dazu auch die Entscheidungen des EuGH vom 10.1.2006 – Rs. C-344/04 [IATA], Slg. 2006, I-443 = NJW 2006, 351 = EuZW 2006, 112 mit Anm. Reich Rn. 34 ff. und vom 23.10.2012 – Rs. C-581/ 10, C-629/10 [Emeka Nelson u. a./Deutsche Lufthansa AG und The Queen/Civil Aviation Authority], NJW 2013, 671 in welcher der Gerichtshof konkret die Vereinbarkeit der VO 261/2004 mit dem MÜ prüfte und bejahte. 121 122

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

25

A. Die Lösung von verdrängenden Normkonkurrenzen innerhalb derselben Regulierungsebene I.

Allgemeine Grundsätze

Besteht ein Konflikt zwischen mehreren Rechtssätzen, ist zunächst zu überprüfen, ob dieser nicht schon aufgrund einer gesetzgeberischen Anordnung gelöst werden kann.125 Dies ist dann möglich, wenn die die konkurrierenden Regelungen enthaltenden Rechtsinstrumente einer bestimmten Hierarchie unterliegen. Dann bricht das höherrangige Recht, das aufgrund einer übergeordneten Kompetenz erlassen wurde, die niederrangige Norm, wie beispielsweise auf nationaler Ebene das Verfassungsrecht das einfache Gesetzesrecht (lex superior derogat legi inferiori).126 Eine solche Rangordnung besteht nicht nur gegebenenfalls im nationalen Recht, sondern lässt sich auch im supranationalen Recht ausmachen. Im Europarecht genießt das Primärrecht Vorrang vor dem Sekundärrecht; dazwischen steht das von der Union geschlossene Staatsvertragsrecht.127 Sofern Konkurrenzen der Rechtssätze desselben Gesetzgebers nicht schon in verschiedenrangigen Rechtsinstrumenten reguliert sind, vollzieht sich die Bestimmung der vorrangig anwendbaren Vorschrift im Allgemeinen nach den Grundsätzen des Vorrangs der spezielleren Norm (lex specialis derogat legi generali) und des Vorrang des späteren Gesetzes (lex posterior derogat legi priori).128 Diese Grundsätze gelten nicht nur für Konkurrenzen nationaler Rechtsakte, sondern auch innerhalb der europarechtlichen Rechtssetzung.129 Die konkrete Auflösung der Normkonkurrenz unter Berücksichtigung dieser Prinzipien obliegt dann dem jeweiligen Richter, der bei der konkreten Rechtsanwendung die Versäumnisse seines nationalen bzw. europäischen Gesetzgebers korrigieren muss. II. Die Besonderheit von Konventionskonflikten Kollidieren verschiedene Regelungen des Völkervertragsrechts, ist derweil die gedankliche Grundkonstellation eine andere, weil insoweit kein zentraler Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 88. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, § 7, S. 32; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983, S. 163. 127 Dazu ausführlich Nettesheim, EuR 2006, 737 ff. m. w. N. Zu dem Rang der Staatsverträge der Union siehe unten B.III.1. 128 Ausführlich dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 266 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983, S. 162 f. 129 Calliess/Ruffert/Ruffert, Art. 288 AEUV Rn. 13; Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227 (232). Allerdings ist insoweit anzumerken, dass diese Grundsätze nur dann unproblematisch gelten können, wenn die konkurrierenden supranationalen Rechtsakte durch dasselbe Organ und im selben Verfahren erlassen wurden. Daher diesbezüglich kritisch Schmidt-Kessel, GPR 2011, 79 (80 f.). 125 126

26

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Gesetzgeber besteht.130 Sofern die Vertragsparteien zweier konkurrierender völkerrechtlicher Konventionen nicht komplett identisch sind, müssen daher bei diesem Konflikt nicht nur inhaltliche, sondern zudem völkerrechtliche Aspekte berücksichtigt werden. Die Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK)131 stellt in ihrem Art. 30 ein Regime bereit, mit dessen Hilfe das Problem der Konkurrenz von Staatsverträgen gelöst werden soll. Danach lassen sich vier Kriterien zur Lösung von Vertragskonflikten festmachen:132 Zum einen kommt das in Art. 30 Abs. 2 WVK verankerte hierarchische Prinzip zur Anwendung, wonach bei ausdrücklicher Anordnung des Nachranges durch einen Vertrag, der andere Vertrag Vorrang hat. Zum anderen gilt gemäß Abs. 3 die Parteiautonomie, wonach ein späterer von allen Vertragsparteien eines früheren Vertrages geschlossener Vertrag Vorrang genießt. Weiterhin finden die in Abs. 4 und 5 geregelten Prinzipien der Prioritätenordnung sowie das Prinzip der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Anwendung. Für die in dieser Arbeit betroffenen rechtsvereinheitlichenden Staatsverträge, die nach ihrer Inkorporation Rechte und Pflichten unmittelbar für die staatsangehörigen Individuen schaffen, sind insoweit allerdings Besonderheiten zu beachten: So tritt ein international-privatrechtlicher Konventionskonflikt vor allem als internes Problem bei der Rechtsanwendung auf, welches der jeweilige Vertragsstaat (und kein anderes Völkerrechtssubjekt) dadurch herbeiführt, dass er durch die Ratifizierung sich widersprechender Staatsverträge potentiell die Rechte von Privatrechtssubjekten beeinträchtigt. Die Interessen der anderen Vertragsparteien werden nur indirekt dadurch verletzt, dass das international vereinheitlichte Recht möglicherweise nicht in dem völkervertraglich vereinbarten Maße angewendet wird. Auch lassen sich nicht alle Abgrenzungsprinzipien von Art. 30 WVK, der sich eher an dem Regeltyp der politischen Verträge orientiert,133 auf international-privatrechtliche Konventionskonflikte übertragen.134 Nichtsdestotrotz wird bei der Lösung von letzteren entsprechend Art. 30 Abs. 2 WVK primär auf den Willen der Vertragsparteien abgestellt, welcher sich im Vereinbar- bzw. Unvereinbarkeitsrecht der einzelnen Konventionen manifestiert.135 Mit Hilfe dieser besonderen Bestimmungen, die ihrerseits auf allgemeinen Grundsätzen wie z. B. der lex

130 Vgl. Majoros, RabelsZ 46 (1982), 84 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, S. 680; Gruber, S. 252 ff. 131 BGBl. 1985 II, 927. 132 Vgl. dazu Volken, S. 295 ff., 304; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, S. 687 ff. Ausführlich Wilting, Vertragskonkurrenz im Völkerrecht, 1996, S. 43 ff. 133 Vgl. Zweigert/Drobnig, RabelsZ 29 (1965), 146 (160). 134 So sind das hierarchische Prinzip und das der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit nicht auf international-privatrechtliche Konventionskonflikte anwendbar, vgl. Volken, S. 305 f.; siehe auch Wilting, Vertragskonkurrenz im Völkerrecht, 1996, S. 115 ff. 135 Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 305.

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

27

posterior beruhen,136 lässt sich ein Großteil der international-privatrechtlichen Konventionskonflikte lösen.137 B. Die Auflösung vertikaler Normkonkurrenzen Normkonkurrenzen sind nicht nur innerhalb derselben Regulierungsebene denkbar, sondern können zudem auch rangübergreifend auftreten. Dann lassen sich die eben herausgebildeten Grundsätze, wie z. B. jener der lex specialis oder der lex posterior, nicht ohne Weiteres anwenden, da Rechtsnormen unterschiedlicher Provenienz und damit verschiedener Gesetzgeber miteinander kollidieren. Innerhalb des Rechts der Mitgliedstaaten der EU sind grundsätzlich drei Konstellationen von derartigen Rangkonflikten möglich: So stehen staatsvertragliches (I.) und europäisches (II.) Recht jeweils mit dem nationalen Recht und zueinander (III.) in einer Wechselbeziehung. Die Lösung etwaiger Rangkollisionen richtet sich dabei nach dem Rangkollisionsrecht, welches bestimmt, „welche Rechtssätze gelten, wenn im Inland geltende Rechtssätze unterschiedlicher Herkunft (unterschiedlicher Gesetzgeber) konkurrieren“.138 Dabei handelt es sich um allgemeine Regeln und Prinzipien, die sachlich grundsätzlich für alle Rechtsgebiete gelten und hier im speziellen international-privatrechtlichen Zusammenhang betrachtet werden.139 I.

Innerstaatliche Wirkung von Staatsvertragsrecht

Das Verhältnis von nationalem zu staatsvertraglichem Recht ist eng mit der innerstaatlichen Wirkung von letzterem verknüpft. Die Bestimmung des Rangverhältnisses zwischen autonomem und Konventionsrecht hängt entscheidend davon ab, wie das völkervertragliche Recht im Inland überhaupt angewendet wird. Diese Fragestellung, die von der oben erwähnten völkerrechtlichen Bindung,140 zu trennen ist, kann jedoch abstrakt nicht beantwortet werden, weil es sich dabei um ein verfassungsrechtliches Problem handelt, 136 Dazu im Einzelnen Volken, S. 259 ff., 314 f. Nach Majoros, RabelsZ 46 (1982), 84 (93 ff.) eignen sich als Konfliktregeln die Grundsätze der maximalen Wirksamkeit, der Spezialität der Materie und der lex posterior. 137 Auf dem Stand der Studie von Volken, a. a. O. aus dem Jahr 1977 löste das Vereinbarkeitsrecht ca. 90 %. Sind solche Vorschriften nicht vorhanden oder einschlägig, muss der Richter, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der den Kompatibilitätsklauseln zugrunde liegenden Rechtsgedanken, die fehlende Vereinbarkeitsregel entwickeln, siehe Volken, S. 316. 138 Klinke, in: Liber Amicorum Kegel, S. 1 (4). Der Begriff des Rangkollisionsrechts bezieht sich indes nicht nur auf die privatrechtliche, sondern kann sich auch auf andere Sphären, wie etwa die verfassungsrechtliche, beziehen. 139 Im Hinblick auf das IPR kann von Rangkollisionsrecht für das „räumliche Kollisionsrecht“ gesprochen werden. Zu den verschiedenen Bezugspunkten von Kollisionsrecht vgl. Kegel/Schurig, S. 25 ff. 140 Siehe oben § 1 – A.II.

28

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

dessen Lösung jedem Staat selbst überlassen ist.141 Wie genau besonderem Konventionsrecht im Inland Wirkung verliehen wird und wie es sich zum sonstigen nationalen (Privat-)Recht verhält, wird folglich innerhalb jeder lex fori eigenständig beurteilt. Die folgende Darstellung kann daher nur versuchen, allgemeine Aussagen und Grundsätze zu erstellen, orientiert sich dabei aber hilfsweise an der deutschen Rechtsordnung.142 1. Geltungsgrund Bezüglich des allgemeinen Verhältnisses von Völkerrecht zum staatlichen Recht herrscht seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein Streit zwischen monistischen und dualistischen Theorien.143 Für den hier betroffenen Ausschnitt aus diesem Problemfeld, nämlich die Frage nach der innerstaatlichen Wirkung von staatsvertraglichem Recht auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts, hat dieser völkerrechtliche Streit jedoch kaum praktischen Wert.144 Denn nach den überwiegenden Auffassungen – ausgenommen die Lehre des reinen Monismus, bei der die Frage der Überführung von Völkerrecht in den innerstaatlichen Bereich gar nicht auftritt – wird ein staatlicher Transformations-, Adoptions- oder Vollzugsakt145 als erforderlich erachtet, um staatsvertragliche Normen im Inland zur Anwendung zu bringen.146 Für die Bundesrepublik ergibt sich dies aus Art. 59 Abs. 2 GG.147 Im Rahmen einer solch dualistischen Konzeption liegt nicht zuletzt aus Sicht des Rechtsanwenders der Geltungsgrund von staatsvertraglichem Recht im nationalen Recht des Ver-

141 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 847; vgl. auch Pauknerová, in: Liber Amicorum Borrás, S. 671 (673). 142 Eine Darstellung über die Regelung des Verhältnisses von Völkerrecht (insbes. völkerrechtlicher Verträge) zu dem staatlichen Recht einzelner Staaten findet sich bei Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 106 ff. 143 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 99. Es sei auf die dortigen Nachweise zu den einzelnen Theorien und deren Vertretern verwiesen. 144 Vgl. Kegel/Schurig, S. 9, Gruber, S. 22 ff. Auch für die völkerrechtliche Lehre ist der Meinungsstreit eher von rechtsphilosophischen Wert, nicht aber für die Lösung von praktischen Einzelfällen (Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 5. Aufl. 2010, S. 13 f. m. w. N). Beachtlich ist diese Unterscheidung allerdings für den Rechtsquellenrang der staatsvertraglichen Normen, vgl. Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 (108 f.). Dazu auch sogleich B.I.2. 145 Zur Abgrenzung dieser Theorien, siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 858 (S. 545 f.); Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 105 f. 146 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 104 ff. Die jeweiligen Konstruktionen verkörpern das jeweilige Verständnis über Stellung, Aufgaben und Freiheiten des Staates in der internationalen Ordnung (Nettesheim, in: Maunz/Dürig, 66. EL 2012, Art. 59 Rn. 173). 147 Zur Frage, inwieweit das Grundgesetz damit eine Entscheidung für oder gegen Monismus und Dualismus fällt, siehe Nettesheim, in: Maunz/Dürig, 66. EL 2012, Art. 59 Rn. 167 ff. m. w. N.

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

29

tragsstaats selbst,148 weshalb unmittelbar anwendbares Konventionsrecht prozessual dem innerstaatlichen Recht gleichgestellt wird.149 Das gilt erst recht für nicht unmittelbar anwendbare Staatsverträge, also non-self-executing treaties, da bei diesen die innerstaatliche Wirkung ausschließlich aus dem Umsetzungsakt erfolgen kann.150 Überdies steht es den Staaten frei, auch ohne jegliche völkerrechtliche Verpflichtung Konventionsrecht für die autonome innerstaatliche Gesetzgebung heranzuziehen. Bedient sich ein Staat eines Staatsvertrags als Vorlage, ähnlich wie bei einem Modellgesetz, wird diesem, zumindest in praktischer Hinsicht, innerstaatlich Geltung verliehen.151 In diesem Fall ist der nationale Charakter der Vorschriften unbestreitbar. 2. Stellung innerhalb der Normenhierarchie Von der allgemeinen innerstaatlichen Geltung einer völkerrechtlichen Vorschrift ist die Frage ihres Ranges innerhalb der nationalen Normenhierarchie zu unterscheiden.152 Diesbezüglich wirken sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen monistischen und dualistischen Konzeptionen eher aus.153 Maßgeblich beeinflusst wird die Rangfrage schließlich durch die grundlegende völkerrechtliche Verpflichtung, das gemeinsam vereinbarte Recht zu akzeptieren und anzuwenden, wodurch einzelstaatliches Recht in der Regel im Ergebnis zurücktreten muss.154 a) Übergesetzlicher Rang des Konventionsrechts Ein solcher Vorrang des staatsvertraglichen Rechts kann sich bereits aus dem Rang des staatsvertraglichen Rechts innerhalb des vertragsstaatlichen Normengefüges ergeben. Grundsätzlich wird, je nach staatlicher Konzeption, staatsvertragliches Recht in verschiedenen Abstufungen im Rang zwischen 148 So für die Geltung sachrechtsvereinheitlichender Staatsverträge in Deutschland MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 363; v. Caemmerer in: FS Hallstein, S. 64 (77). 149 v. Caemmerer, in: FS Hallstein, S. 63 (77). 150 Unter Umständen ergibt sich aber aus der Konvention eine Pflicht zur einheitlichen Auslegung, wie z. B. aus Art. 18 EVÜ, welcher in Deutschland durch Schaffung des Art. 36 EGBGB a. F. Rechnung getragen wurde. 151 So wie bei der Übernahme der wesentlichen Bestimmungen des Athener Übereinkommens als Anlage zu § 664 HGB. Dieses Übereinkommen wurde von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifiziert, sondern autonom, als integraler Bestandteil in das deutsche Sachrecht implementiert (vgl. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 4051). 152 Vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 5. Aufl. 2010, S. 160. 153 Für Deutschland betrachtet Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 (109) die Frage nach der Normqualität vorwiegend als akademische Frage. 154 Klinke, in: Liber Amicorum Kegel, S. 1 (8). Dazu oben § 1 – A.II.

30

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

der Verfassung und einfachen Gesetzen angesiedelt.155 So gibt in Frankreich Art. 55 der Verfassung der V. Republik von 1958 für Staatsverträge einen Rang „supra-legislative mais infra-constitutionelle“ 156 vor.157 Eine solche verfassungsrechtliche Absicherung des Vorrangs gegenüber einfachen Gesetzen, wie sie etwa auch Art. 91 Abs. 2 der polnischen Verfassung von 1997 vornimmt,158 ist allerdings nicht überall gegeben.159 b) Staatsvertragsrecht mit einfachem Gesetzesrang Beispielsweise enthält das deutsche Grundgesetz keine ausdrückliche „Einordnungsregel“, vielmehr herrscht hierzulande die Rechtsauffassung, dass die Stellung des inkorporierenden Rechtsakts den innerstaatlichen Rang der staatsvertraglichen Regelung vorgibt.160 Erfolgt die Zustimmung in Form eines Bundesgesetzes, hat somit auch die betreffende Vertragsnorm den Rang eines Bundesgesetzes. Sofern das Staatsvertragsrecht lediglich den Rang einfachen Gesetzesrechts hat,161 stellt sich allerdings die Frage, wie sich die konventionalen gegenüber auf derselben Stufe der Normhierarchie stehenden nationalen Rechtssätze verhalten. Auch die Lösung dieser Problematik ist wiederum grundsätzlich der jeweiligen nationalen Rechtsordnung überlassen.162 Abgesehen von verfassungsinterpretatorischen Lösungsansätzen163 wird – wie in der Bundesrepublik – eine solche „Rangregel im engeren Sinn“164 aus den allgemeinen Grundsätzen lex posterior derogat legi priori

Nachweise bei Dahm/Delbrück/W olfrum, Bd. I/1, S. 106 ff. So Ress, ZaöRV 35 (1975), 445 (456) mit weiteren Ausführungen zur Stellung völkerrechtlicher Verträge im französischem Recht. 157 Art. 55 lautet: „Les traités ou accords régulièrement ratifiés ou approuvés ont, dès leur publication, une autorité supérieure à celle des lois, sous réserve, pour chaque accord ou traité, de son application par l’autre partie.“ 158 Vgl. die deutsche Textfassung in Gosda (Hrsg.), Polnische Verwaltungsgesetze und die Verfassung der Republik Polen, 2004. 159 Kropholler, IER, S. 94 sieht dies als Nachteil der staatsvertraglichen Rechtsvereinheitlichung an. 160 Nach der Transformationslehre folgt dies unproblematisch aus Art. 59 Abs. 2 GG. Auch die Vertreter der Vollzugslehre stufen die staatsvertraglichen Kollisionsnormen nach dem Rang des Zustimmungsgesetzes ein (vgl. Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 [108 f.]), weshalb sich für das IPR keine Unterschiede ergeben. 161 So z. B. auch in der Italienischen Republik, vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 115 f. 162 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 102 f. 163 Etwa dem portugiesischen Ansatz, wonach eine systematische Analyse der Bestimmungen der Verfassung auf die Völkerrechtsfreundlichkeit der Verfassungsgeber schließen lässt, sodass internationale Verträge mitunter auch bei Verfassungswidrigkeit innerstaatlich anwendbar bleiben, vgl. Polakiewicz, ZaöRV 47 (1987), 265 (268 ff.). 164 Klinke, in: Liber Amicorum Kegel, S. 1 (7 f.). 155 156

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

31

und lex specialis derogat legi generali hergeleitet.165 Danach gehen jüngere Staatsvertragsnormen älteren autonomen einfachgesetzlichen Vorschriften vor, umgekehrt werden jedoch auch ältere konventionale Vorschriften aufgrund ihres „beschränkten Anwendungsbereich[s] und/oder ihrer Eigenschaft als Spezialregelung“ vorrangig angewendet.166 Schließlich muss im Zweifel das nationale Recht völkerrechtsvertragsfreundlich ausgelegt werden.167 Für das deutsche Kollisionsrecht ist dieser Vorrang des staatsvertraglichen Rechts letztlich klarstellend einfachgesetzlich durch Art. 3 Nr. 2 EGBGB positiviert worden.168 II. Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber mitgliedstaatlichem Recht Im Unterschied zu den Staatsverträgen obliegt die Beurteilung der innerstaatlichen Wirkung von Unionsrecht nicht den einzelnen Mitgliedstaaten. Mit der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Gemeinschaft im Rahmen des EWGVertrags haben die Mitgliedstaaten ihre Souveränität beschränkt und einen Rechtskörper geschaffen, der für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist.169 Durch die Gründungsverträge wurde somit eine eigene supranationale Rechtsordnung kreiert, so dass das daraus abgeleitete (Sekundär-)Recht einer autonomen Quelle entspringt.170 Der Geltungsgrund des Unionsrechts liegt daher in der gemeinschaftlichen Rechtsordnung selbst, weshalb diese auch beansprucht, das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen selbst zu regeln.171 Infolgedessen ergibt sich bereits aus dem Unionsrecht der Vorrang gegenüber mitgliedstaatlichem Recht, um im Sinne des effet utile die einheitliche Geltung innerhalb der Mitgliedstaaten sicherstellen zu können.172 Dabei handelt es sich um einen Anwendungsvorrang, der die innerstaatlichen Stellen, 165 Da es sich bei staatsvertraglichem Recht nicht um „allgemeine Regeln des Völkerrechts“ handelt, ergibt sich dieser Vorrang nicht schon aus Art. 25 S. 2 GG (PWW/ Mörsdorf-Schulte, Art. 3 EGBGB Rn. 24). 166 So die Begründung zum Regierungsentwurf zu Art. 3 EGBGB, BT-Drs. 10/504, S. 36. Siehe auch Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 (109 f.). 167 Mansel, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, 2006, S. 89 (110); Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 121. 168 Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Art. 3 EGBGB Rn. 3. 169 EuGH, 15.7.1964 – Rs. 6/64 [Costa/E.N.E.L.], Slg. 1964, 1253 (1269). 170 EuGH, Rs. 6/64 (vorherige Fn.), S. 1270. 171 Siehe nur Klinke, in: Liber Amicorum Kegel, S. 1 (9). 172 Ständige Rspr. seit EuGH, Rs. 6/64 (Fn. 169). Siehe auch EuGH, 9.3.1978 – Rs. 106/77 [Simmenthal II], Slg. 1978, 629 Rn. 17 f.; EuGH, 19.6.1990 – Rs. C-213/89 [Factortame], Slg. 1990, I-2433 = NJW 1991, 2271 Rn. 18 ff. Zu anderen (verfassungsrechtlichen) Begründungsansätzen vgl. Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2012, Rn. 204 ff.

32

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

insbesondere die Gerichte, verpflichtet, von Amts wegen den primären und sekundären Unionsnormen in jedem konkreten Fall Vorrang zu gewähren und die entgegenstehenden nationalen Vorschriften außer Anwendung zu lassen. Dabei geht jegliches Unionsrecht allen Ebenen des einzelstaatlichen Rechts, sogar der Verfassung, vor.173 Für das deutsche Kollisionsrecht wurde auch dieses Rangverhältnis deklaratorisch in Art. 3 Nr. 1 EGBGB klargestellt.174 III. Kollisionen von Unions- und Völkervertragsrecht Ist die innerstaatliche Wirkung des Staatsvertrags- und Unionsrechts geklärt, stellt sich immernoch die Frage, wie sich diese beiden Normenebenen zueinander verhalten. Diesbezüglich muss nach dem Adressaten bzw. den Vertragsparteien des jeweiligen normsetzenden Staatsvertrags differenziert werden. So genießen nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern ebenfalls die Europäische Union Völkerrechtssubjektsqualität, so nunmehr nach Art. 47 EUV n. F.175 Dies führt dazu, dass nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Union selbst im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen an der völkerrechtlichen Rechtsvereinheitlichung teilnehmen können. Dabei unterscheiden sich die Wirkungen der Übereinkommen im Hinblick auf das sonstige Unionsrecht danach, welches Völkerrechtssubjekt den rechtssetzenden Staatsvertrag geschlossen hat. 1. Staatsverträge der Europäischen Union a) Unionsübereinkünfte Wurde ein Völkervertrag durch einen Akt des Rates für die Europäische Union abgeschlossen (vgl. Art. 218 Abs. 2, 5 AEUV), wird er – ohne dass ein weiterer Transformationsakt nötig wäre176 – „integrierender Bestandteil der

Siehe EuGH, Rs. 6/64 (Fn. 169) a. a. O.; Rs. 106/77 (Fn. 172) Rn. 17 f.; Streinz/ Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 36 ff; ausführlich Hatje, in: Schwarze, EUKommentar, Art. 4 EUV Rn. 40 ff. m. w. N. 174 Zwar spricht Art. 3 Nr. 1 EGBGB nur von „unmittelbar anwendbaren Regelungen“, sodass die Klarstellung Richtlinien der EG nicht erfasst. Letztlich kommt aber dem umgesetzten Richtlinienrecht infolge des Prinzips der richtlinienkonformen Auslegung praktisch ebenfalls Vorrang zu (vgl. PWW/Mörsdorf-Schulte, Art. 3 EGBGB Rn. 23). 175 Vor dem Vertrag von Lissabon war die Frage der Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union umstritten. Aufgrund der Verschmelzung von Union und Gemeinschaft durch Art. 1 Abs. 3 S. 3 EUV n. F. hat sich diese Streitfrage erledigt, vgl. Terhechte, EuR 2008, 143 (148). 176 Vgl. Streinz/Mögele, EUV/AEUV, Art. 216 AEUV Rn. 45; Calliess/Ruffert/ Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 28; Vönkey/Beylage-Haarmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 216 AEUV Rn. 27 m. w. N. 173

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

33

Gemeinschaftsrechtsordnung“.177 Infolge dieser Implementierung in das Unionsrecht beansprucht das Konventionsrecht für sich sowohl die unmittelbare Wirkung als auch den Anwendungsvorrang vor mitgliedstaatlichem Recht.178 Zugleich ordnet Art. 216 Abs. 2 AEUV an, dass Unionsübereinkünfte für sämtliche Organe der EU sowie die Mitgliedstaaten bindend sind. Das durch sie gesetzte Recht geht damit dem sekundären Unionsrecht vor.179 Somit darf das sekundäre Recht den von der EU geschlossenen Verträgen nicht widersprechen und muss völkerrechtskonform ausgelegt werden. Folglich sind die völkerrechtlichen Verträge letztlich Prüfungsmaßstab für die Gültigkeit von sekundärem Unionsrecht.180 Als Beispiel für ein allein von der Union geschlossenes Übereinkommen auf dem Gebiet des Internationalen Privat- und Zivilprozessrechts lässt sich das neue Luganer Übereinkommen von 2007,181 welches die Regelungen der EuGVVO gegenüber den EFTA-Staaten anwendet,182 anführen. b) Gemischte Übereinkommen Eine Besonderheit besteht jedoch bei so genannten „gemischten Abkommen“, die gleichzeitig von der Union und der Gesamtheit der Mitgliedstaaten geschlossen werden. Diese Verfahrensweise ist notwendig, wenn die Vertragsschlusskompetenzen der Union allein nicht ausreichen, um ein völkerrechtli177 Siehe nur EuGH, 30.4.1974 – Rs. 181/73 [Haegeman], Slg. 1974, 449 Rn. 5; EuGH, 26.10.1982 – Rs. 104/81 [Kupferberg], Slg. 1982, 3641 = NJW 1983, 508 Rn. 13; EuGH, 30.9.1987 – Rs. 12/86 [Demirel], Slg. 1987, 3719 = NJW 1988, 1442 Rn. 7; die Rechtsprechung des EuGH kann dabei sowohl in monistischer als auch in dualistischer Weise interpretiert werden. Siehe die Nachweise bei Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 32. 178 Terhechte, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 216 AEUV Rn. 22; Streinz/Mögele, EUV/AEUV, Art. 216 AEUV Rn. 45. 179 Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 50 m. w. N.; speziell in Bezug auf transportrechtliche Übereinkommen Karsten/Seidenspinner, ZEuP 2010, 830 (832 f.). Ausdrücklich für das MÜ siehe EuGH, Rs. C-344/04 (Fn. 124), Rn. 35 f.; EuGH, 22.12.2008 – Rs. C-549/07 [Wallentin-Hermann], Slg. 2008, I-11061 = NJW 2009, 347 = EuZW 2009, 111 Rn. 28; EuGH, 6.5.2010 – Rs. C-63/09 [Walz], Slg. 2010, I-4239 = NJW 2010, 2113 Rn. 20. 180 Vgl. Vedder, EuR 2007, Beiheft 3, S. 57 (85). Zum Rang der völkerrechtlichen Unionsübereinkünfte innerhalb der Unionsrechtsordnung siehe auch die Nachweise bei Vönkey/Beylage-Haarmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 216 AEUV Rn. 41. 181 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007, ABl. 2009 L 147, 5. 182 Vertragsstaaten des LugÜ 2007 sind die EFTA-Staaten Island, Norwegen und die Schweiz sowie Dänemark, welches die EuGVVO bisher nicht anwendet hat, vgl. Erwägungsgrund (21) EuGVVO a. F. Siehe den Ratifikationsstand auf der Website des Depositars unter: .

34

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

ches Abkommen in seinem ganzen Inhalt abzuschließen, sodass insofern die Mitwirkung der Mitgliedstaaten erforderlich ist.183 Zwar werden die accords mixtes oder mixed agreements in ihrer innergemeinschaftlichen Wirkung mitunter den Unionsübereinkommen gleichgestellt und scheinbar bedingungslos über Art. 216 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 300 Abs. 7 EGV) angewendet.184 Allerdings ist die Rechtsprechung des EuGH diesbezüglich widersprüchlich.185 Letztlich scheint der Gerichtshof davon auszugehen, dass sich Art. 216 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 300 Abs. 7 EGV) lediglich auf den Teil eines gemischten Abkommens erstrecken kann, der von einer ausschließlichen oder konkurrierenden Kompetenz der Union gedeckt ist.186 Zwar bindet sich die Union mit dem Abschluss völkerrechtlich an die Gesamtheit des gemischten Abkommens, dennoch kann daraus nicht zwingend die Integration der Gesamtheit des Vertrages in das Unionsrecht folgen, weil sich insofern über die primärrechtliche Zuständigkeitsverteilung hinweggesetzt werden würde.187 Wo die Union keine interne Handlungs- bzw. Rechtssetzungskompetenz hat, darf sie auch kein Völkervertragsrecht zur Anwendung bringen, weil es sich auch dabei um nichts anderes als einen Akt der Rechtssetzung handelt.188 Die Rechtswirkungen des Konventionsteiles, der in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt, bestimmen sich deshalb ausschließlich nach den allgemeinen nationalen Regeln für die innerstaatliche Wirkung völkerrechtlicher Staatsverträge, in Deutschland also nach Art. 59 Abs. 2 GG.189 Mitunter ist aber fraglich, wie diese komplizierte Dogmatik praktisch umzusetzen ist.190 Zwar kann die Union eine erläuternde Zuständigkeitserklärung abgeben.191 Jedoch kann gerade bei rechtsvereinheitlichenden Regelungsverträgen die Zuordnung der einzelnen Normen und der damit verbundene GelVranes, EuR 2009, 44 (57). Zur Typologie siehe auch Kumin/Bittner, EuR 2012, Beiheft 2, S. 75 (76 ff.). 184 So im Hinblick auf das MÜ wohl EuGH, Rs C-344/04 (Fn. 124) Rn. 35 f.; dementsprechend Tonner, NJW 2006, 1854 (1855). Zu derselben Einschätzung kommt Janköster, Fluggastrechte im internationalen Flugverkehr, 2009, S. 27. 185 Siehe dazu Vranes, EuR 2009, 44 (60 ff.) und Bischoff, S. 253 ff. m. w. N. 186 So die h. M., siehe Callies/Ruffert/Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 42 ff.; Vedder, EuR 2007, Beiheft 3, S. 57 (86); Vranes, EuR 2009, 44 (59 f.); Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2012, Rn. 1202; Bischoff, S. 257. 187 Epiney, EuZW 1999, 5 (7) m. w. N. 188 Vedder, EuR 2007, Beiheft 3, S. 57 (62). 189 Siehe oben B.I. 190 Vgl. Epiney, EuZW 1999, 5 (7). 191 Vgl. Vedder, EuR 2007, Beiheift 3, S. 57 (79). Siehe beispielsweise die Zuständigkeitserklärung der EG, die sie im Zuge des Abschlusses des Montrealer Übereinkommens, vgl. Art. 2 Abs. 1 des Ratsbeschlusses 2001/539/EG vom 5.4.2001 über den Abschluss des Montrealer Übereinkommens, ABl. 2001 L 194, 38, abgegeben hat, oder im Rahmen des Beitritts zum Athener Übereinkommen, vgl. Art. 2 Abs. 2 des Ratsbeschlusses, ABl. 2012 L 8, 2. 183

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

35

tungsgrund schwierig sein. Darauf wird es in der Praxis jedoch wahrscheinlich kaum ankommen: Faktisch gelten und wirken die Vorschriften von gemeinsamen Abkommen europaweit flächendeckend, weil nach dem gängigen Abschlussverfahren zunächst alle Mitgliedstaaten ihre Ratifikationsurkunden hinterlegen und erst dann die EU ihre.192 Im Verhältnis zum mitgliedstaatlichen Recht sind die staatsvertraglichen Vorschriften im Ergebnis vorrangig, sei es nun aufgrund verfassungsrechtlich-nationaler Grundsätze oder aber infolge ihrer Integration durch Art. 216 Abs. 2 AEUV.193 Gleichwohl stellt sich immernoch die hier ursprünglich aufgeworfene Frage, wie sich „gemischtes Staatsvertragsrecht“ und sekundäres Unionsrecht zueinander verhalten: Da letzteres immer eine Manifestation interner Rechtssetzungskompetenzen der EU darstellt, muss diesbezüglich konkurrierendes Staatsvertragsrecht zwangsläufig zu dem „Unionsteil“ eines gemischten Abkommens gehören.194 Jegliche Konkurrenzen zwischen sekundärrechtlichen Vorschriften und Normen aus gemischten Staatsverträgen sind daher so wie bei Unionsübereinkommen zu lösen.195 Das über Art. 216 Abs. 2 AEUV integrierte konventionale Recht ist gegenüber sekundärem Unionsrecht vorrangig. 2. Ausschließlich von Mitgliedstaaten verabschiedete Übereinkommen Die Rechtsfolge von Art. 216 Abs. 2 AEUV gilt nur für Übereinkommen, die (auch) von der Union geschlossen wurden. Keine Aussage enthält die Vorschrift dagegen für Konkurrenzen von Unionsrecht zu in Staatsverträgen der Mitgliedstaaten enthaltenem Recht. Im Gegensatz zu Unionsübereinkünften, die aufgrund ihrer Integration im Grunde ebenfalls Unionsrecht darstellen, kollidieren hier zwei verschiedene Rechtsebenen. Im Grunde dürften derartige Kollisionen gar nicht auftreten, da Union und Mitgliedstaaten ihre Rechtssphären gegenseitig zu respektieren haben. Insbesondere dürfen die Mitgliedstaaten bestehendes Unionsrecht nicht durch staatsvertragliche Rechtssetzung aushebeln, Art. 4 Abs. 2 EUV. Sofern Union und Mitgliedstaaten die primärrechtliche (Innen- und Außen-)Kompetenzordnung beachten, sollte daher das 192 Ein gleichzeitiges Vorgehen kann insbesondere hinsichtlich der unionsrechtlichen Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit geboten sein, siehe Kumin/Bittner, EuR 2012, Beiheft 2, S. 75 (83). Vgl. etwa Art. 2 Abs. 2 des Ratsbeschlusses 2001/539/EG vom 5.4.2001 über den Abschluss des Montrealer Übereinkommens, ABl. 2001 L 194, 38. Ausführlich zum Vertragsschlussverfahren bei gemischten Verträgen von EU und Mitgliedstaaten Bischoff, S. 221 ff. 193 Siehe oben B.I.2. und B.III.1.a). Ein Unterschied bestünde aber hinsichtlich der Interpretationshoheit des EuGH, der nur für die Auslegung des Unionsteils der Konvention zuständig wäre. Für eine umfassende Auslegungskompetenz des EuGH kraft Sachzusammenhangs in diesem Fall aber Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 1 (79). 194 Dieser Schlussfolgerung liegt freilich die Prämisse zugrunde, dass kein Verstoß gegen die primärrechtliche Kompetenzordnung der EU vorliegt. 195 Siehe oben B.III.1.a).

36

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Konfliktpotential zwischen mitgliedstaatlichen Staatsverträgen und Unionsrecht minimal sein.196 Dennoch sind verschiedene Situationen denkbar, aus denen ein Normwiderspruch zwischen einem mitgliedstaatlichen Staatsvertrag und Unionsrecht resultieren kann. Zum einen ist dies dann möglich, wenn das Staatsvertragsrecht bereits vor Beitritt des Mitgliedstaats zur Union in dessen nationale Rechtsordnung inkorporiert worden war. Durch den Beitritt entsteht ein Konflikt mit dem dann auch in diesem Mitgliedstaat geltenden Unionsrecht. Eine andere und die mittlerweile wohl häufigere Ursache für die Entstehung einer Konkurrenz zwischen Staatsverträgen und Unionsrecht ist eine primärrechtliche Änderung in der Kompetenzverteilung zwischen Mitgliedstaaten und Union. Sofern die Mitgliedstaaten zuvor im Rahmen ihrer Kompetenz Verträge mit Drittstaaten geschlossen und ratifiziert haben und die Union von ihrer neu erlangten Rechtssetzungskompetenz Gebrauch macht, sind inhaltliche Kollisionen mit den Altverträgen der Mitgliedstaaten wahrscheinlich. a) Respekt der bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten durch die Union Tritt eine Normkonkurrenz auf, muss diese aufgelöst werden. Da das staatsvertragliche Einheitsrecht zu seiner Wirksamkeit in das mitgliedstaatliche Recht integriert werden muss, stellen die dadurch gesetzten Rechtsregeln, einschließlich möglicherweise enthaltener (Un-)Vereinbarkeitsvorschriften, 197 vom Geltungsrang im Grunde nationales Recht dar.198 Insofern scheint es, als würde das Unionsrecht auch diesem gegenüber Anwendungsvorrang genießen.199 Dieser Annahme stehen jedoch völkerrechtliche Erwägungen entgegen:200 Mit Abschluss eines rechtssetzenden Staatsvertrages haben sich dessen Vertragsparteien verpflichtet, das konventionale Recht ohne Änderungen einzuführen und anzuwenden.201 Sobald ein Mitgliedstaat eine im konkreten Fall grundsätzlich anwendbare Konvention zugunsten vorrangigen Unionsrechts nicht anwendet, verstößt er gegen ebenjene völkerrechtliche Verpflichtung ge196 Dazu trägt insbesondere der Umstand bei, dass der Union, so sie denn wirksam Sekundärrecht erlassen hat, in diesem Bereich eine Außenkompetenz für den Abschluss völkerrechtlicher Vereinbarungen mit Drittstaaten erlangt, dazu unten § 3 – A.I.2.a). 197 Vgl. Art. 20 EVÜ, wonach die Anwendung von Gemeinschaftsrecht nicht „berührt“ wird. Das EVÜ nimmt jedoch für die Beurteilung des Verhältnisses von Gemeinschafts- zu staatsvertraglichem Recht eine Sonderstellung ein (MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 152). Eine weitere Vorschrift, durch die Unionsrechtsakte berücksichtigt werden können, ist z. B. Art. 94 CISG, vgl. Herber, IHR 2004, 89 ff. 198 Siehe oben B.I.1. 199 So hinsichtlich des Verhältnisses von CISG und Rom I-Verordnung argumentierend Kampf, RIW 2009, 297 (299). Vgl. auch Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 1 (50). 200 Vgl. Vranes, JBl. 133 (2011), 11 (13). 201 Siehe oben § 1 – A.II.

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

37

genüber den anderen Vertragsparteien. Das gilt nur dann nicht, sofern alle Vertragsparteien des Staatsvertrages Mitgliedstaaten Union sind, weil die primärrechtlichen Gründungsverträge und das daraus abgeleitete Recht nach völkerrechtlichen Grundsätzen das ältere Konventionsrecht verdrängen, vgl. Art. 30 Abs. 3 WVK.202 In allen anderen Fällen, in denen auch Drittstaaten Partei des Staatsvertrages sind, kann der Anwendungsvorrang des Unionsrechts hingegen nicht gelten,203 entsprechend dem im Art. 351 AEUV (ex-Art. 307 EGV) zum Ausdruck kommenden Grundgedanken.204 Ansonsten würde die Union ihre Mitgliedstaaten zu Verstößen gegen ihre völkerrechtlichen Pflichten drängen, was wiederum unvereinbar wäre mit dem Gebot der loyalen Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten und Union. 205 Dieser Grundsatz ist entgegen dem Wortlaut von ex-Art. 10 EGV seiner „Natur nach beiderseitig“206 und nunmehr in Art. 4 Abs. 3 EUV n. F. verankert.207 Daher muss in (neueren) Sekundärrechtsakten der Union grundsätzlich Rücksicht auf etwaig bestehende konkurrierende Staatsverträge der Mitgliedstaaten genommen werden,208 sofern es der Union politisch nicht gelungen ist, die Mitgliedstaaten zu deren Kündigung zu bewegen.209 Ein systembildender Grundgedanke der Europäischen Union ist, Konflikte zwischen mitgliedstaatlichen völkerrechtlichen Verpflichtungen und Unionsrecht zu vermeiden. 210 Aus Sicht des europäischen Rechtsvereinheitlichungsbestrebens ist dieser Grundsatz eher hinderlich. Durch etwaige Vorbehalte zugunsten völkervertraglicher „Altlasten“ der Mitgliedstaaten wird der Geltungsbereich von europäischem Einheitsrecht mitunCallies/Ruffert/Schmalenbach, Art. 351 AEUV Rn. 9. Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 152. Brödermann, NJW 2010, 807 (809). 204 Danach lassen die primärrechtlichen Verträge Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten unberührt, die aus völkerrechtlichen Übereinkommen resultieren, die vor dem Beitritt des Mitgliedstaats zur Union mit einem mit einem Drittstaat geschlossenen worden waren. Auf Abkommen von Mitgliedstaaten, die erst nach ihrem Beitritt geschlossen wurden, aber zu einem Zeitpunkt, zu dem die Union noch keine Abschlusskompetenz für das betreffende Rechtsgebiet hatte, die sie aber später erlangte, soll Art. 351 AEUV analog angewendet werden (dazu Callies/Ruffert/Schmalenbach, Art. 351 AEUV Rn. 8 m. w. N., vertiefend Bischoff, S. 163 ff.). 205 Ebenso für privatrechtsvereinheitlichende Konventionen Bischoff, S. 326 f.; Lindner/Tonner, GPR 2011, 86 (87 f.). Siehe auch Tonner, NJW 2006, 1854 (1856). 206 EuGH, 16.10.2003 – Rs. C-339/00 [Irland/Kommission], Slg. 2003, I-11757 Rn. 72. Näher dazu Calliess/Ruffert/Kahl, Art. 4 EUV Rn. 104 ff. m. w. N. 207 Vgl. Epiney, in: Liber Amicorum Wolfrum, 2012, S. 1909 (1933 f.). Ausführlich zum Gebot der loyalen Zusammenarbeit Unruh, EuR 2002, 41 ff.; Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip in der Europäischen Union, 2001. 208 Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 304. 209 Zu den Möglichkeiten der Union einer einheitsrechtlichen „Rechtsbereinigung“ Bischoff, S. 329 ff. 210 Ausführlich Vranes, JBl. 133 (2011), 11 ff., 16. 202 203

38

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

ter erheblich eingeschränkt und europäische Mehrheitsentscheidungen ausgehebelt.211 b) Schranke: „Grundsatzentscheidungen“ des Unionsrechts In einer jüngeren Entscheidung hat der EuGH explizit zu einer Überschneidung zwischen einem ausschließlich von Mitgliedstaaten ratifizierten Staatsvertrag des materiellen Einheitsrechts und einem Unionsrechtsakt auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen Stellung genommen. In seinem TNT-Urteil,212 welches das Verhältnis von Art. 31 CMR zu den Regelungen der EuGVVO betraf, erkannte der Gerichtshof, ableitend aus Art. 71 EuGVVO, prinzipiell die Vorrangigkeit der älteren CMR an.213 Zugleich schränkte er diesen Vorrang aber dahingehend ein, dass durch die Anwendung der CMR nicht die Grundsätze beeinträchtigt werden dürften, „auf denen die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen in der Union beruht“, namentlich die „Grundsätze des freien Verkehrs der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, der Vorhersehbarkeit der zuständigen Gerichte und somit der Rechtssicherheit für die Bürger, der geordneten Rechtspflege, der möglichst weitgehenden Vermeidung der Gefahr von Parallelverfahren und des gegenseitigen Vertrauens in die Justiz im Rahmen der Union“.214 Seine im Jahr 2010 getroffenen Aussagen bestätigte der EuGH überdies in weiteren Entscheidungen aus dem Jahr 2013215 und 2014216. Danach könnte sich im Einzelfall Sekundärrecht also doch gegenüber bestehendem staatsvertraglichen (Einheits-)Recht durchsetzen.217 Dieses Ergebnis des EuGH erscheint jedoch gerade wegen der Entscheidungsbegründung fragwürdig, insbesondere weil darin das essentielle primärrechtliche Loyalitätsgebot nur unzureichend berücksichtigt wird.218 Wollte man die Aussage der Zu einem möglichen Ausweg aus dieser misslichen Lage siehe unten § 13. EuGH, 4.5.2010 – Rs. C-533/08 [TNT], Slg. 2010, I-4107 = NJW 2010, 1736. 213 EuGH (Fn. 212), Rn. 45 ff. 214 EuGH (Fn. 212), Rn. 49. 215 EuGH, 19.12.2013 – Rs. C-452/12 [Nipponkoa Insurance Co. Europe Ltd./InterZuid Transport BV], TranspR 2014, 26 = EuZW 2014, 220 Anm. Antomo = EWiR 2014, 501 Anm. Zarth Rn. 36; ausführlich zu dieser Entscheidung Hartenstein, TranspR 2014, 61 ff. 216 EuGH, 4.9.2014 – Rs. C-157/13 [Nickel & Goeldner Spedition GmbH/Kintra UAB], RdTW 2014, 406 = TranspR 2015, 96 = EWiR 2015, 31 Anm. Zarth Rn. 38. 217 Dies im Ergebnis begrüßend Schnichels/Stege, EuZW 2011, 817 (821) und dies., EuZW 2014, 808 (814). 218 Hergeleitet wurde der Vorrang der Verordnung durch Auslegung von Art. 71 EuGVVO. Laut dem EuGH darf die Anwendung der darin normierten (Un-)Vereinbarkeitsregeln nicht gegen die der Verordnung zugrundeliegenden Grundsätze – mit anderen Worten den Zielen der primärrechtlichen Kompetenzgrundlage – verstoßen (EuGH [Fn. 212], Rn. 50 f.). Dass dagegen aber ein anderer primärrechtlicher Grundsatz spricht, nämlich das in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerte wechselseitige Loyalitätsgebot, thematisiert 211 212

§ 2 Grundsätze zur Auflösung von Rechtsaktkonkurrenzen

39

TNT-Rechtsprechung des EuGH dennoch auf das hier untersuchte europäische Kollisionsrecht übertragen,219 kann nur spekuliert werden, welche verweisungsrechtlichen Grundsätze der EuGH als Fundament der justiziellen Zusammenarbeit erachten würde. In Ermangelung primärrechtlicher Hinweise wäre insoweit an die Rechtswahlfreiheit, das Prinzip der engsten Verbindung sowie möglicherweise den international-privatrechtlichen Schwächerenschutz zu denken.220 IV. Ergebnis Abschließend lässt sich festhalten, dass sowohl Staatsverträge als auch supranationale Rechtsakte dem nationalen Recht vorgehen. Die Vorrangigkeit von internationalen Übereinkommen ist vorgegeben durch die völkerrechtliche Pflicht zur bevorzugten Anwendung des Einheitsrechts. Praktisch umgesetzt wird diese dadurch, dass den Staatsverträgen bereits ein übergesetzlicher Status zukommt oder diese zumindest gegenüber dem sonstigen nationalen Recht privilegiert anzuwenden sind. Der Anwendungsvorrang des Europarechts gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht folgt bereits aus der supranationalen Ordnung. Hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses zwischen Unions- und Völkervertragsrecht muss differenziert werden. Vorschriften, die in Staatsverträgen enthalten sind, denen die Union selbst beigetreten ist, gehen jeglichem Sekundärrecht gem. Art. 216 Abs. 2 AEUV vor. Gleiches trifft für Alt-Übereinkommen der Mitgliedstaaten zu, die mit Drittstaaten geschlossen wurden. Dass das Unionsrecht eine bereits bestehende, die Mitgliedstaaten bindende, staatsvertragliche Regelung unberührt lässt, folgt aus dem primärrechtlichen Gebot der loyalen Zusammenarbeit. Dieser Grundsatz wird jedoch durch das TNT-Urteil des EuGH infrage gestellt.

der EuGH nicht. Daher diesbezüglich zu Recht kritisch Wagner, NJW 2010, 1707 (1711); Mankowski, TranspR 2014, 129 f., der der Entscheidung insoweit „Sprengkraft“ attestiert; etwas wohlwollender dagegen Kuijper, LIEI 38 (2011), 89 (101 f.); Antomo (Fn. 215), 223. Mariani, JPIL 2012, 17 (27 ff.) kritisiert hingegen, dass nach der EuGH-Entscheidung im Ergebnis die nationalen Gerichten zwischen EuGVVO und CMR abwägen müssen. 219 Kritisch hinsichtlich der Übertragbarkeit des w-Urteils Kuijper, LIEI 38 (2011), 89 (102); siehe dazu auch Mankowski, TranspR 2014, 129 (133). 220 Vgl. Lein, in: YPIL X (2008), S. 177 (179 ff.), die diese Grundsätze als die fundamentale Prinzipien von Rom I-, Rom II- und EuGVVO, und damit der schuldrechtlichen Rechtsakte der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, herausarbeitet.

40

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus dem Blickwinkel der Rom I-Verordnung

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO Nach diesen eher abstrakten Ausführungen zur Lösung von Normkonkurrenzen innerhalb und zwischen den verschiedenen Rechtsetzungsebenen in der Europäischen Union wird nun der Fokus auf das internationale Vertragsrecht, speziell auf den Rechtsquellenpluralismus im internationalen Transportrecht, gerichtet. Als Ausgangs- und Bezugspunkt für die folgenden systematisierenden Erwägungen soll dabei die neue Rom I-Verordnung dienen. Sie ist als supranationale Verordnung für alle EU-Mitgliedstaaten (ausgenommen Dänemark)221 in gleicher Weise verbindlich, vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV. Die folgenden Feststellungen im Hinblick auf die Verordnung sind daher für jedes Gericht innerhalb ihres Geltungsbereichs maßgeblich. Von ihrem sachlichen Anwendungsbereich her ist die Rom I-Verordnung indes nicht auf Beförderungsverträge beschränkt, sondern sie bezieht sich auf vertragliche Schuldverhältnisse generell.222 Inhaltlich ist sie somit nicht speziell transportrechtlich, sondern ganz allgemein vertragsrechtlich konzipiert. Das hat zur Folge, dass auch die Klärung der Frage nach den Wechselwirkungen dieses surpranationalen Rechtsinstruments mit besonderen Rechtsakten des internationalen Transportrechts aus einer allgemeinen, vertragsrechtlichen Perspektive erfolgen muss. Deshalb soll im Folgenden aufgezeigt werden, wie sich die Rom I-Verordnung allgemein zu anderen Rechtsakten der internationalen Vertragsrechtsvereinheitlichung verhält – stets unter besonderer Beachtung des internationalen Transportrechts.223 Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch den Erlass der Rom I-Verordnung das internationale Vertragsrecht transformiert wurde und es sich nun dabei um europäisches Recht handelt. Eine derartige Wandlung vollzog sich zuvor bereits im internationalen Zivilverfahrensrecht.224

Siehe auch unten § 9 – A.III. Beachte aber die durch Art. 1 Abs. 2 der VO statuierten Ausnahmen des sachlichen Anwendungsbereichs. 223 Auf das Verhältnis der Verordnung zum nationalen (Kollisions- bzw. Sach-)Recht soll nicht näher eingegangen werden. Dieses bestimmt sich unproblematisch nach dem Grundsatz des Vorrangs des Europarechts (siehe oben § 2 – B.II.). Danach genießen die Bestimmungen der Rom I-Verordnung aufgrund ihrer Natur als europäisches Sekundärrecht gegenüber anders lautenden nationalen Vorschriften Anwendungsvorrang (vgl. Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 Rn. 4; MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 152). Dies gilt sowohl für IPR- als auch für Sachnormen. 224 Dort wurde durch den Erlass der EuGVVO die Regelungen des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ), ABl. 1998 C 27, 1, in europäisches Recht überführt. Diesen Vorgang bezeichnet Kuijper, LIEI 38 (2011), 89 221 222

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

41

Wie aus dem Aufbau und der Struktur der Rom I-Verordnung deutlich werden, hat diese zum Ziel, für vertragliche Schuldverhältnisse „einheitliche Kollisionsnormen“225 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu schaffen. Deshalb soll zunächst auf das Verhältnis der Rom I-Verordnung zu anderen Instrumenten der Kollisionsrechtsvereinheitlichung eingegangen werden (A.). Im Gegensatz zu international vereinheitlichtem IPR, welches grundsätzlich die Verschiedenheit der Rechtsordnungen anerkennt, soll ebenjene durch Rechtsakte beseitigt werden, die das materielle Recht für internationale Sachverhalte vereinheitlichen.226 Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, wie aus Sicht der verweisungsrechtlichen Rom I-Verordnung solche staatsvertraglichen sowie die im Vordringen befindlichen europäischen Sachrechtsinstrumente zu berücksichtigen sind (B.). A. Verhältnis zu vereinheitlichtem Verweisungsrecht Im Bereich des internationalen Transportrechts kommt vereinheitlichtes Verweisungsrecht – im Gegensatz zum Sachrecht – nur vereinzelt vor. Allerdings existiert nicht zuletzt in den europäischen Kabotage-Verordnungen möglicherweise supranationales Verweisungsrecht für Transportverträge, welches daher in Bezug zur Rom I-Verordnung zu setzen ist (II.). Explizit kollisionsrechtssetzende Staatsverträge treten auf dem Gebiet des Transportrechts zwar nicht auf. Allerdings lässt sich nur aus der Beziehung der Rom I-Verordnung zu den Rechtsakten der Kollisionsrechtsvereinheitlichung (I.) die systematische Einordnung der internationalen Sachrechts- (insbesondere der Transportrechts-)Konventionen verstehen.227 I.

Staatsvertragliches Kollisionsrecht

Betreffend das Verhältnis zu staatsvertraglichen Kollisionsnormen enthält die Rom I-Verordnung eine spezielle Vorschrift: Nach Art. 25 Abs. 1 berührt die Verordnung nicht „die Anwendung der internationalen Übereinkommen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten“. Nach dem Wortlaut von Rechtsfolge und Überschrift der Norm („Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen“) scheint Art. 25 Rom I-VO nicht auf eine einzelne konkurrierende staatsvertragliche Kollisionsnorm abzustellen, sondern diese abstrakt als Teil des sie beinhal(98 f.) – in Anlehnung an den dies primärrechtlich ermöglichenden Amsterdamer Vertrag – auch als „amsterdamization“. 225 So ausdrücklich der Titel des 2. Kapitels der Rom I-Verordnung; von selbigen ist auch in den Erwägungsgründen die Rede. 226 Kropholler, IER, S. 179. Zur Zielsetzung der jeweiligen Vereinheitlichungsansätze auch v. Caemmerer, in: FS Hallstein, S. 63 (65 f.). 227 Dazu ausführlich unten B.I.

42

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

tenden Rechtsinstruments zu verstehen. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie sich die Rom I-Verordnung zu völkerrechtlichen Übereinkommen mit der gleichen Zielrichtung verhält, also denjenigen, die ebenfalls ausdrücklich eine Verweisungsrechtsvereinheitlichung bezwecken.228 1. Zum Zeitpunkt der Annahme der Rom I-Verordnung bestehende Übereinkommen der Mitgliedstaaten a) Grundsätzlicher Vorrang gegenüber der Rom I-Verordnung Aus der Rechtsfolge „berührt nicht die Anwendung“ ergibt sich, dass die zum Zeitpunkt der Annahme der Rom I-Verordnung bestehenden Abkommen der Mitgliedstaaten gegenüber dieser grundsätzlich vorrangig anwendbar sind. Die einheitlichen Kollisionsnormen der Art. 3 ff. Rom I-VO treten dementsprechend nach Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO gegenüber besonderen staatsvertraglichen Verweisungsvorschriften zurück, die im Zeitpunkt der Annahme, sprich dem Datum in der offiziellen Bezeichnung der Verordnung, also dem 17. Juni 2008,229 bestanden. Laut Erwägungsgrund (41) soll dies den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.230 Durch Art. 25 Rom I-VO wird somit das primärrechtliche Rücksichtnahmegebot des Art. 4 Abs. 3 EUV umgesetzt,231 weshalb der Vorschrift insofern lediglich ein deklaratorischer Charakter zukommt. Aus alldem folgt, dass weiterhin die Kollisionsregeln im Haager KaufIPR-Übereinkommen von 1955 zu berücksichtigen sind,232 welches zwar nicht in Deutschland, aber dafür in Finnland, Frankreich, Italien und Schweden in Kraft ist, sowie in den Staaten Dänemark, Norwegen und der Schweiz, die keine Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 1 Abs. 4 Rom I-VO darstellen.233 228 Darauf, wie sich die Rom I-Verordnung zu gegebenenfalls in sachrechtsvereinheitlichenden Staatsverträgen enthaltenen, vereinzelten Verweisungsnormen verhält, soll später eingegangen werden. Siehe dazu unten B.I.3.b)cc). 229 Wagner, TranspR 2009, 103 (106); MünchKommBGB/Martiny, Art. 25 Rom I-VO Rn. 7 f. 230 Vgl. Brière, Clunet 136 (2009), 791 (799). 231 Siehe oben § 2 – B.III.2. Ebenso Bischoff, S. 166. 232 Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen anwendbare Recht vom 15.6.1955 (Vertragstext und Ratifikationsstand unter einsehbar). 233 Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (531 f.); MünchKommBGB/Martiny, Art. 25 Rom I-VO Rn. 3. Nach Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1324) resultieren aus dem Vorrang des Haager Übereinkommens wegen übereinstimmender Regelungen für die Anknüpfung von Kaufverträgen keine größeren Probleme; dafür aber umso mehr bei Verbraucherverträgen, für die die Konvention keinerlei schützende Bestimmungen enthält. Eine Lösung dieses Konflikts könnte nach diesen in einer Erklärung der Haager Konferenz von 1980 liegen, wonach „die Konvention vom 15.6.1955 […] kein Hindernis für die

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

43

Ebenso wird das in Frankreich, den Niederlanden, Portugal, sowie Argentinien geltende Haager Übereinkommen vom 14. März 1978 über das auf Vertreterverträge und die Stellvertretung anzuwendende Recht (HStÜ)234 als vorrangig angesehen.235 Das kollisionsrechtsvereinheitlichende EVÜ ist dagegen inhaltlich von der Rom I-Verordnung abgelöst worden, vgl. Art. 24 Abs. 1 Rom I-VO. Dennoch ist die Verdrängung nicht vollständig, weil es in denjenigen Vertragsstaaten weiterhin angewendet wird, die nicht durch die Verordnung gebunden sind.236 Dementsprechend sind die vertraglichen Kollisionsregeln des EVÜ, inklusive der besonderen Verweisungsnorm für Güterbeförderungsverträge des Art. 4 Abs. 4, immer noch für die Gerichte Dänemarks maßgeblich.237 Die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten wenden dagegen auch bei Sachverhalten mit Bezügen zu Dänemark die Regeln der Rom I-Verordnung an, weil der Vorbehalt gegenüber der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nur für den dänischen Staat selbst gilt.238 Anwendung spezieller Regeln für Verbraucherkaufverträge darstellt“. Corneloup, J.C.P. 44/2008, 21 (22), plädiert dagegen für eine Kündigung des Haager Kaufrechtsübereinkommens. 234 Engl. und franz. Sprachfassung in RabelsZ 43 (1979), 176. Der Ratifikationsstand ist verfügbar unter . Zum Inhalt mit weiteren Schrifttumshinweisen Reithmann/Martiny/Hausmann, Rn. 5561 ff. 235 So Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (730) Fn. 8; Corneloup, J.C.P. 44/ 2008, 21 (22); Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1324 f.); Ubertazzi, S. 34 f. Ebenso Magnus, IPRax 2010, 27 (32), Martiny, ZEuP 2013, 838 (860 f.). Diesbezüglich ist aber nach Streichung der Kollisionsnorm für Vertreterverträge in Art. 7 Rom I-VO-V und Schaffung der Anwendungsbereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I-VO zweifelhaft, ob überhaupt eine inhaltliche Überschneidung besteht. Möglicherweise haben die Niederlande deshalb – anders als Frankreich und Portugal – das HStÜ nicht in ihrer Mitteilung nach Art. 26 Rom I-VO, ABl. 2010 C 343, 3 ff., aufgeführt (zum Verzeichnis nach Art. 26 Rom I-VO auch unten B.I.3.a)dd)). Da sich die Bereichsausnahme der Rom I-Verordnung aber nur auf das Außenverhältnis bezieht, ist diese grundsätzlich für das Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem maßgeblich. Weil sich das IPR des Haager Stellvertretungsübereinkommens auch auf dieses Innenverhältnis erstreckt, liegt insoweit eine Überschneidung mit der Rom I-Verordnung vor und es kommt Art. 25 Rom I-VO zum Tragen, vgl. Kleinschmidt, RabelsZ 75 (2011), 497 (511). 236 So Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (532). Soweit nicht alle Vertragsstaaten das EVÜ kündigen, verlängert es sich gemäß seinem Art. 30 stillschweigend um jeweils 5 Jahre, sodass es weiterhin gültig ist, vgl. Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1690) Fn. 13. 237 Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-62). Das Vereinigte Königreich und Irland haben dagegen von ihrer opt in-Möglichkeit Gebrauch gemacht und sich an der Rom IVerordnung beteiligt, Francq, Clunet 136 (2009), 41 (48 f.) m. w. N. 238 Zwar sind die europäischen Vertragsstaaten untereinander, also auch gegenüber Dänemark, eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Anwendung des EVÜ-Kollisionsrechts eingegangen, jedoch lässt sich aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten des Art. 4 Abs. 3 EUV schließen (siehe dazu oben § 2 – B.III.2.a)), dass VONichtmitglieder die Anwendung der Verordnung nicht derartig stören dürfen, siehe Martiny, RIW 2009, 737 (739 f.). Ebenso Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1689 f.); Pfeiffer,

44

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

b) Ausnahme nach Art. 25 Abs. 2 Rom I-VO Die Regel des Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO, wonach bestehende Übereinkommen der Mitgliedstaaten von der Rom I-Verordnung unberührt bleiben, erfährt eine Einschränkung in Abs. 2, wenn ein Übereinkommen „ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten“ im Sinne von Art. 1 Abs. 4 Rom I-VO geschlossen wurde. Sofern keine Drittstaaten an bi- oder multilateralen Abkommen der Mitgliedstaaten beteiligt sind und dementsprechend auch keine zu beachtenden externen völkerrechtlichen Verpflichtungen bestehen,239 genießen die Bestimmungen der Rom I-Verordnung Vorrang gegenüber den völkervertraglichen Kollisionsnormen.240 Eine zu berücksichtigende völkerrechtliche Verpflichtung besteht allerdings auch dann, wenn im konkreten Sachverhalt gar kein Bezug zu Drittstaaten vorliegt, sondern ein innergemeinschaftlicher Fall gegeben ist. Auch dann geht die Konventionsnorm nach Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO vor.241 2. Nach dem 17. Juni 2008 geschlossene mitgliedstaatliche Übereinkommen Die retrospektive Fassung der Rechtsfolge in Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO wirft die Frage auf, wie sich zukünftig geschlossene kollisionsrechtliche Staatsverträge auf die Rom I-Verordnung auswirken. Die Tatsache, dass die Vorschrift explizit nur die Anwendung von „bestehenden internationalen Übereinkommen“ unberührt lässt, ließe den Umkehrschluss zu, dass zukünftige Übereinkommen der Mitgliedstaaten gegenüber der Rom I-Verordnung nachrangig wären, so dass sie nur als Bestandteil der durch die Rom I-Verordnung berufenen nationalen Rechtsordnung Bedeutung erlangen könnten.242 Nach dieser EuZW 2008, 622 (623); Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (532); a. A. OLG Koblenz IHR 2014, 65; PWW/Brödermann/Wegen, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2; Staudinger, AnwBl 2008, 8 (9); ders./Steinrötter, JA 2011, 241 (242). Ausführlich zum Kollisionsrecht im deutschdänischen Rechtsverkehr und kritisch zu der Entscheidung des OLG Koblenz W.-H. Roth, IPRax 2015, 222 ff. 239 Siehe oben § 2 – B.III.2.a). Im Hinblick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bestand zu der jetzigen Ausgestaltung von Art. 25 Abs. 1 und 2 Rom IVO für den Unionsgesetzgeber keine Alternative, vgl. Bischoff, S. 327 f. 240 MünchKommBGB/Martiny, Art. 25 Rom I-VO Rn. 10; PWW/Wegen/Brödermann, Art. 25 Rom I-VO Rn. 1. Die im Zusammenhang mit Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO genannten Haager Übereinkommen fallen wegen bestehender drittstaatlicher Ratifizierungen nicht unter Abs. 2 und gehen der Rom I-Verordnung damit vor. 241 Vgl. Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227 (233 f.), der allerdings für eine eher zurückhaltende Anwendung des Art. 25 Abs. 1 plädiert. In diese Richtung geht auch Kreuzer, in: FS Kropholler, S. 129 (144), der es als zweckmäßig ansieht, wenn die Rom IVerordnung im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander Vorrang vor allen konkurrierenden Übereinkünften haben würde, denen die Mitgliedstaaten angehören. 242 Die völkerrechtlichen Übereinkommen werden durch die Ratifizierung schließlich in die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen inkorporiert, siehe oben § 2 – B.I.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

45

Deutung wären zukünftige Kollisionsrechtsübereinkommen im Ergebnis aber gegenstandslos, weil die Verweisungen der Rom I-Verordnung laut Art. 20 Sachnormverweisungen darstellen und das sekundärrechtliche IPR sämtliches Kollisionsrecht des berufenen Vertragsstatuts, inklusive jeglichen Staatsvertrags-IPR, ausschließt. Die konkrete Referenz auf bestehende Übereinkommen in Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO, der insoweit von der Vorgängerregelung in Art. 21 EVÜ abweicht,243 muss folglich einen anderen Grund haben: Sie ist Ausdruck der gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten hinsichtlich der Außenkompetenz für den Abschluss völkerrechtlicher Staatsverträge, die nunmehr ihre Verankerung im AEUV erfahren hat und maßgeblich auf der AETR-Rechtsprechung des EuGH beruht.244 Diese primärrechtlichen Vorgaben wirken sich auf die gesamte Ebene des Sekundärrechts aus, insbesondere auf die Auslegung von Art. 25 Rom I-VO. a) Die völkerrechtliche Vertragsschlusskompetenz der EU aufgrund von Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV Durch den Lissabonner Vertrag sollte unter anderem eine Vereinfachung der Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten erreicht werden.245 Maßgeblich für die Abgrenzung der Zuständigkeiten ist weiterhin das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, welches in Art. 5 Abs. 1 S. 1 EUV ausdrücklich verankert wurde, sowie für ihre Ausübung die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 EUV.246 Neu ist, dass in den Art. 2 ff. AEUV konkrete Kompetenzkategorien primärrechtlich definiert und diesen bestimmte Tätigkeitsbereiche zugeordnet werden.247 Nach der Konzeption des Lissabonner Vertrags, die aus dem Verfassungsentwurf übernommen wurde,248 sind die der Union durch die Gründungsverträge verliehenen Kompetenzen in ausschließliche und geteilte Zuständigkeiten einzuteilen, vgl. Art. 2 AEUV.249 In Art. 216 Abs. 1 AEUV wird der Europäischen Union neuerdings primärrechtlich eine allgemeine Ermächtigung zum Abschluss internationaler Übereinkünfte eingeräumt,250 „wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist oder wenn der Abschluss einer Übereinkunft im Rahmen der Politik der Union entweder zur Verwirklichung eines der in den Verträgen Danach blieben noch Übereinkommen unberührt, „denen ein Vertragsstaat angehört oder angehören wird“. 244 Brière, Clunet 136 (2009), 791 (799); Hobe, Europarecht, 7. Aufl. 2012, § 6 Rn. 47. 245 Vgl. Pache/Rösch, NVwZ 2008, 473 (478). 246 Hatje/Kindt, NJW 2008, 1761 (1762). 247 Pache/Rösch, NVwZ 2008, 473 (478). 248 Vgl. insoweit die Art. I-12 ff. des Verfassungsentwurfs. 249 Terhechte, EuR 2008, 143 (156). 250 Siehe dazu Obwexer, EuR 2012, Beiheft 2, S. 49 (56 ff.). 243

46

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

festgesetzten Ziele erforderlich oder in einem verbindlichen Rechtsakt der Union vorgesehen ist oder aber gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte“.

Im Zusammenhang mit dieser Frage nach der Verbandskompetenz steht Art. 3 Abs. 2 AEUV, der diese gemeinschaftsrechtliche Unionszuständigkeit unter ähnlichen, aber nicht vollständig deckungsgleichen Voraussetzungen als ausschließlich ausweist.251 Damit ist es den Mitgliedstaaten, sofern eine Verbandskompetenz der Union besteht, nicht mehr erlaubt, Übereinkünfte mit Drittstaaten zu schließen, es sei denn, sie werden von der Union dazu ermächtigt (Art. 2 Abs. 1 AEUV).252 aa) Kodifizierung der AETR-Rechtsprechung des EuGH Diese neu in den AEUV implementierten Regelungen basieren auf der vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kasuistik zur Außenkompetenz der Europäischen Gemeinschaft,253 sodass diese Rechtsprechung für Auslegungsund Zweifelsfragen heranzuziehen ist.254 Der Grundgedanke der AETRRechtsprechung des EuGH255 ist, dass die Union, sofern sie nicht schon wie z. B. in Art. 207 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 133 EGV) oder Art. 217 AEUV (exArt. 310 EGV) primärrechtlich explizit dazu ermächtigt ist, 256 auch für solche Bereiche eine implizite völkerrechtliche Vertragsschlusskompetenz hat, für die sie eine Innenkompetenz besitzt, insbesondere wenn die Union bereits Sekundärrechtsakte wirksam erlassen hat.257 Der sachliche Umfang der so begründeten Außenkompetenz beurteilt sich somit stets am sachlichen Umfang der internen Rechtssetzungskompetenz.258

251 Terhechte, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 216 AEUV Rn. 3; Calliess/Ruffert/ Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 1 f. 252 Dort, wo die Union keinerlei Rechtssetzungskompetenz besitzt, sind die Mitgliedstaaten nach außen hin zuständig, vgl. Vranes, JBl. 133 (2011), 11 (14). 253 Epiney, in: Liber Amicorum Wolfrum, 2012, S. 1909 (1911); Terhechte, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 216 AEUV Rn. 6; Vgl. zur Regelung im Verfassungsvertrag Cremona, CMLR 2003, 1347 (1362). 254 Vgl. Calliess/Ruffert, Verfassung der Europäischen Union, 2006, Art. I-13 Rn. 17. 255 EuGH, 31.3.1971 – Rs. 22/70 [AETR], Slg. 1971, 263 = EuR 1971, 242 Rn. 17; EuGH, 26.4.1977 – Gutachten 1/76 [Stillegungsfonds], Slg. 1977, 741 Rn. 3; EuGH, 19.3.1993 – Gutachten 2/91 [ILO], Slg. 1993, I-1061 Rn. 7; EuGH, 15.11.1994 – Gutachten 1/94 [WTO], Slg. 1994, I-5267 = EuZW 1995, 210 Rn. 76 f.; EuGH, 7.2.2006 – Gutachten 1/03 [Lugano-Übereinkommen], Slg. 2006, I-1145 Rn. 116; siehe zuletzt EuGH, Rs. C-533/08 (Fn. 212), Rn. 38. Ausführlich zur AETR-Rechtsprechung Bischoff, S. 139 ff. 256 Siehe die Darstellung der expliziten Vertragsschlusskompetenzen bei Obwexer, EuR 2012, Beiheft 2, S. 49 (52 ff.). 257 Vgl. Bischoff, S. 157; Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 10 f. 258 Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 12.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

47

bb) Die Beeinträchtigung von Unionsrecht durch den Abschluss von mitgliedstaatlichen Übereinkommen mit Drittstaaten i. S. v. Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV Von den in Art. 216 Abs. 1 AEUV genannten Konstellationen ist besonders die vierte Alternative bedeutsam, wonach der Union eine Außenkompetenz zukommt, sofern gemeinsame Vorschriften beeinträchtigt werden könnten. In Anbetracht der großen Menge an sekundärem Unionsrecht handelt es sich dabei um eine sehr praxisrelevante Vorschrift, die insbesondere im Zusammenhang mit der Rom I-Verordnung Bedeutung erlangt. Ausgangspunkt der Regelung des Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV ist, dass der Abschluss eines Staatsvertrages mit Drittstaaten durch Mitgliedstaaten die europaweit einheitliche Anwendung des Unionsrechts beeinträchtigen könnte. Würden die Mitgliedstaaten innerhalb eines von der Union regulierten Bereichs eigenständig Übereinkommen mit Drittstaaten abschließen können, wäre es schließlich denkbar, dass der Mitgliedstaat in Erfüllung seiner völkerrechtlichen Verpflichtung zur Konventionsrechtsanwendung das Unionsrecht unangewendet lässt. Um eine solche Beeinträchtigung des Unionsrechts von vornherein auszuschließen, muss der Union in diesem Fall die ausschließliche (Art. 3 Abs. 2 AEUV) Zuständigkeit zukommen, Verträge mit nicht EU-Staaten einzugehen.259 Dann stellt sich aber die Frage, wann genau eine Beeinträchtigung gemäß Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV vorliegt. Laut EuGH, ist dies dann der Fall, „wenn die völkerrechtlichen Verpflichtungen in den Anwendungsbereich der gemeinsamen [europäischen] Rechtsnormen fallen oder jedenfalls ein Gebiet erfassen, das bereits weitgehend von solchen Rechtsnormen erfasst ist“.260 Dabei kommt es auf einen konkreten Normwiderspruch zwischen den staatsvertraglichen und Sekundärrechtsakten nicht an.261 Für eine Beeinträchtigung von Unionsrecht im Sinne von Art. 216 Abs. 1 AEUV ist bereits ausreichend, dass eine völkerrechtliche Norm in den personellen und sachlichen Anwendungsbereich von bestehendem Sekundärrecht fällt.262 Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn sowohl das Unionsrecht als auch das völkerrechtliche Abkommen lediglich Mindestvorschriften enthalten, mit der Folge, dass ein Widerspruch der Verpflichtungen nicht auftreten kann.263

259 Vgl. Obwexer, EuR 2012, Beiheft 2, S. 49 (59). Nur die Union ist in der Position, im Bereich des Sekundärrechts völkerrechtliche Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten mit Wirkung für die gesamte Unionsrechtsordnung zu übernehmen und zu erfüllen, EuGH, 5.11.2002 – Rs. C-467/98 [Kommission/Dänemark], Slg. 2002, I-9519 Rn. 77. 260 EuGH, Rs. C-467/98 (Fn. 259), Rn. 82; EuGH, Gutachten 2/91 (Fn. 255), Rn. 25 f. 261 Vgl. Vedder, EuR 2007, Beiheft 3, S. 57 (62); Bischoff, EuZW 2006, 295 (297). 262 Vöneky/Beylage-Haarmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 216 AEUV Rn. 18. 263 EuGH, Gutachten 2/91 (Fn. 255), Rn. 18.

48

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

cc) Konsequenzen der Kompetenzordnung für das Handeln nach Außen In Konsequenz der nunmehr primärrechtlich verankerten Kompetenzordnung ist die Union für Materien innerhalb des Anwendungsbereiches des von ihr gesetzten Sekundärrechts gleichzeitig ausschließlich zuständig für den Abschluss von Staatsverträgen mit Drittstaaten.264 Die Befugnis zur Ausübung einer derart bestehenden Außenkompetenz ist aber an das Erfordernis eines vorher erlassenen Binnenrechtsakts geknüpft.265 Solange dies noch nicht geschehen ist, könnten die Mitgliedstaaten grundsätzlich mit Drittstaaten Übereinkommen schließen. Allerdings sind sie schon vor dem endgültigen Verlust ihrer Außenkompetenz aufgrund des Prinzips der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt.266 Schließen die Mitgliedstaaten in einem Bereich, in dem die Union eine grundsätzlich bestehende (geteilte) interne Rechtssetzungskompetenz noch nicht wahrgenommen hat, einen Staatsvertrag mit Drittstaaten, sind sie nur übergangsweise außenzuständig und dürfen deshalb nur als „Sachwalter eines gemeinsamen Interesses“267 tätig werden. Deshalb trifft sie in diesem Zeitraum eine gewisse Kooperationspflicht.268 Mit Erlass des Sekundärrechtsaktes hat die Union dann die ausschließliche Außenzuständigkeit inne. Für die Ausübung dieser Kompetenz ist allerdings notwendig, dass die Union völkerrechtlich als Vertragspartei überhaupt zugelassen ist.269 Andernfalls müssen die Mitgliedstaaten von der EU ermächtigt werden, im Interesse der Union zu unterzeichnen.270 Der Verlust der Zuständigkeit für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge stellt für die EU-Mitgliedstaaten eine erhebliche Einschränkung ihrer äußeren Souveränität dar.271 Zwar wirkt sich die innergemeinschaftliche Kompetenzordnung grundsätzlich nicht auf deren völkerrechtliches Können aus, weil ein Mitgliedstaats-Abkommen, das gegen die europäische Zuständigkeitsverteilung verstößt, völkerrechtlich grundsätzlich wirksam bleibt.272 Nichtsdestotrotz wäre ein derartig zustande gekommener Rechtsakt primärrechtswidrig, mit der Folge, dass der betroffene Mitgliedstaat zunächst aus Art. 4 Abs. 3 EUV und nach entsprechender Feststellung des EuGH nach Art. 260 Abs. 1 AEUV zur Herstellung des unionskonformen Zustands verZu der Frage, welche EU-Organe diese Kompetenzen sodann im Einzelnen wahrnehmen siehe Obwexer, EuR 2012, Beiheft 2, S. 49 (61 ff.). 265 Bischoff, S. 157. 266 Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 22; Bischoff, S. 157. 267 EuGH, 5.5.1981 – Rs. 804/79 [Kommission/Vereinigtes Königreich], Slg. 1981, 1045 = NJW 1983, 506 Rn. 30. 268 Siehe Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 216 AEUV Rn. 22 m. w. N. 269 Dazu Basedow, in: FS Schlechtriem, S. 165 (175 ff.). 270 Vgl. Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 1 (18) m. w. N. 271 Bischoff, EuZW 2006, 295 (297). 272 Vgl. Art. 46 Abs. 1 WVK. 264

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

49

pflichtet wäre.273 Nach Erlass eines entsprechenden Urteils durch den Gerichtshof wäre es den mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten zudem verwehrt, das unionsrechtswidrige Staatsvertragsrecht anzuwenden.274 Letztlich bliebe dem betroffenen Mitgliedstaat nur die Vertragsbeendigung, um den unionskonformen Zustand wieder herzustellen.275 Der Zuständigkeitsverlust der Mitgliedstaaten nach Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV hat jedoch nicht zur Folge, dass diese ihre internationale Entscheidungshoheit vollends verlieren. Wegen der Verknüpfung der Außenkompetenz der Union mit der internen Rechtsetzungskompetenz erlangt die Union trotz des Artikels 216 Abs. 1 AEUV keine umfassende, sondern lediglich eine beschränkte Vertragsschlusskompetenz, weil das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 EUV n. F.) spiegelbildlich auch für die Außenbeziehungen maßgeblich ist. Deshalb ist die Union weiterhin für die Regulierung vieler Materien intern wie extern unzuständig. Für den Fall, dass der Regelungsgegenstand eines Übereinkommens weiter greift als die sachlich begrenzte Rechtssetzungskompetenz der Union, kann diese die Konvention nicht etwa eigenmächtig abschließen, sondern stattdessen muss der Staatsvertrag unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten als „gemischtes Übereinkommen“ geschlossen werden.276 b) Übergang der Außenkompetenz für den Bereich des vertraglichen IPR Aus der dargestellten Kompetenzverteilung innerhalb der Union ergeben sich auch für das internationale Vertragsrecht konkrete Folgen. Durch den Amsterdamer Vertrag vollzog sich mit Schaffung der Art. 61 lit. c, 65 EGV (siehe nunmehr Art. 81 AEUV) eine grundsätzliche Kompetenzverlagerung zugunsten der Europäischen Gemeinschaft, wodurch der EG eine spiegelbildliche Außenkompetenz im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zugefallen ist.277 Das hatte bereits sichtbare Auswirkungen auf die Praxis der internationalen Rechtsvereinheitlichung, wie der Beitritt der EG zur Haager Konferenz vom 3. April 2007 beweist.278 Diesem unmittelbar voraus ging ein Vgl. Pache/Bielitz, EuR 2006, 316 (337). Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 260 AEUV Rn. 6 m. w. N. 275 Pache/Bielitz, EuR 2006, 316 (337), die einen weiteren Ausweg darin sehen, dass der Mitgliedstaat den Beitritt der Union zum jeweiligen Vertrag unterstützt. 276 Im Einzelfall kann die genaue Kompetenzabgrenzung zwischen Union und Mitgliedstaaten unklar sein. Um dies für die völkerrechtlichen Vertragspartner transparent zu gestalten, werden mitunter besondere Zuständigkeitserklärungen abgegeben, siehe dazu oben § 2 – B.III.1.b) und Bischoff, S. 243 ff. 277 Vedder, EuR 2007, Beiheft 3, S. 57 (67). Ausführlich dazu Dohrn, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft im Internationalen Privatrecht, 2004, S. 161 ff. 278 ABl. 2006 L 297, 1. Zum Problem der völkervertragsrechtlichen Zulassung der EG als Vertragspartei internationaler Rechtsvereinheitlichungsübereinkommen siehe Basedow, in: FS Schlechtriem, S. 165 (175 ff.). Siehe auch den Überblick dazu, wie die EU ihre Au273 274

50

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Gutachten des EuGH, in welchem der Gerichtshof aufgrund der Existenz der EuGVVO der Gemeinschaft ausdrücklich die Kompetenz zum Abschluss eines neuen Lugano-Übereinkommens attestierte.279 Dieser Effekt ist nun auch innerhalb des Anwendungsbereichs der Rom I-Verordnung eingetreten. Mit deren Erlass erlangte die Union innerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung die ausschließliche Vertragsschlusskompetenz für Übereinkünfte mit Drittstaaten, gemäß Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV.280 Insoweit besteht die potentielle Gefahr, dass das darin gesetzte sekundäre Kollisionsrecht durch Übereinkommen der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten beeinträchtigt wird, denn der Anwendungsbereich der Rom IVerordnung ist prinzipiell universell ausgestaltet, sodass diese jegliche, insbesondere drittstaatliche, Sachverhalte erfasst.281 Die vom EuGH begutachtete Situation des Luganer Übereinkommens zeigt überdies, dass diese besondere Außenkompetenz der Union nicht bloß auf Neuabschlüsse von Übereinkommen beschränkt ist, sondern zudem für Staatsverträge gilt, die bestehendes Konventionsrecht ändern. Den Mitgliedstaaten ist es folglich verwehrt, ihre bisherigen, in den Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung fallenden, Staatsverträge eigenmächtig zu ändern. c) Schlussfolgerungen für die Auslegung von Art. 25 Rom I-VO Alldem trägt Art. 25 Rom I-VO Rechnung.282 Aus diesem wird deutlich, dass im Hinblick auf die Rom I-Verordnung Kollisionsrechtsübereinkünfte der Mitgliedstaaten nach deren Annahme am 17. Juni 2008 (mit anderen Worten seit dem 18. Juni 2008) EU-kompetenzrechtlich grundsätzlich nicht vorgesehen sind.283 Lediglich in Einzel- und Ausnahmefällen können Mitgliedstaaten noch in eigenem Namen neue „Übereinkünfte mit Drittländern über sektorspezifische Fragen aushandeln und abschließen […], die Bestimmungen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht enthalten“.284 ßenkompetenz im Bereich der Kollisionsrechtsvereinheitlichung wahrnimmt, bei Mansel/ Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1 (8 f.). 279 EuGH, Gutachten 1/03 (Fn. 255). 280 Siehe auch MünchKommBGB/Martiny, Art. 25 Rom I-VO Rn. 8; Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1705); Francq, Clunet 136 (2009), 41 (43). So allgemein Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 81 AEUV Rn. 18. Vgl. Grünbuch vom 14.1.2003 über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, KOM(2002) 654 endg., S. 24. 281 Siehe dazu unten § 10 – A.III. 282 So schon allgemein Grünbuch (Fn. 280), S. 24. Siehe auch Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1324 f.). 283 Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 26 Rom I-VO Rn. 2; Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 10 ff; Brière, Clunet 136 (2009), 791 (805). 284 Erwägungsgrund (42) Rom I-VO.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

51

Eine dementsprechende Verordnung (EG) Nr. 662/2009, die Regeln für das Verfahren für die Aushandlung und den Abschluss enthält, ist am 13. Juli 2009 verabschiedet worden, betrifft allerdings lediglich bilaterale Abkommen.285 Allgemeine multilaterale Kollisionsrechtsübereinkünfte mit Drittstaaten, die sachlich in den Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung fallen, werden in Zukunft ausschließlich von der Europäischen Union abgeschlossen werden.286 Im Hinblick auf bestehende Staatsverträge der Mitgliedstaaten ist festzustellen, dass diese zwar durch Art. 25 Rom I-VO perpetuiert wurden. Dies hat aus mitgliedstaatlicher Sicht jedoch zwei Seiten: Zwar ist der mitgliedstaatliche Konventionsbesitzstand geschützt, allerdings kann dieser durch die Mitgliedstaaten nicht mehr eigenmächtig modifiziert werden. Sofern die bestehende Regelung aus nationaler Sicht nicht mehr überzeugt, bleibt als Alternative folglich lediglich die Kündigung des entsprechenden Staatsvertrages. 3. Kollisionsrechtsübereinkommen der Europäischen Union Wie gezeigt, hat die Europäische Union die Verbandskompetenz für den Abschluss von Übereinkommen mit Drittstaaten im Anwendungsbereich der europäischen IPR-Verordnungen erworben.287 Würde die Union diese Kompetenz nutzen, wäre ein danach geschlossener Staatsvertrag der Union gegenüber den sekundärrechtlichen Bestimmungen der Rom I-Verordnung kraft primärrechtlicher Anordnung vorrangig, vgl. Art. 216 Abs. 2 AEUV.288 Daher ist es überflüssig, diese Tatsache im Rahmen von Art. 25 Rom I-VO zu erwähnen, was die Beschränkung des Wortlauts der Vorschrift auf Staatsverträge der Mitgliedstaaten erklärt. Kollisionsrechtsvereinheitlichende Übereinkommen der Union existieren zwar noch nicht, wären aber für die Zukunft vorstellbar, etwa um die Regeln der Rom I-Verordnung auch im Verhältnis zu Drittstaaten zu etablieren, ähnlich wie das Luganer Übereinkommen die Regeln der EuGVVO auf den EFTA-Raum erstreckt,289 oder für den Fall eines Vertrags-IPR-Projekts der Haager Konferenz. Im Hinblick auf gemischte Übereinkommen, denen neben der EU gleichzeitig „mehrere Mitgliedstaaten angehören“, ist jedenfalls nach seinem Wortlaut Art. 25 Rom I-VO anwendbar. Allerdings ist in diesem Fall etwaiges, mit Bestimmungen der Rom I-Verordnung kollidierendes Staatsvertragsrecht nach

Dazu ausführlich Bischoff, ZEuP 2010, 321 ff. Siehe Kreuzer, in: FS Kropholler, S. 129 (132). 287 Siehe oben A.I.2.b). 288 Siehe oben § 2 – B.III.1.a). Ebenso Wagner, TranspR 2009, 103 (109). 289 Möglicherweise wird ein solches Abkommen mit Dänemark geschlossen werden, um die einheitlichen Kollisionsregeln der Rom I-Verordnung auch dort in Kraft zu setzen, siehe Magnus, IPRax 2010, 27 (28). 285 286

52

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Art. 216 Abs. 2 AEUV, also bereits kraft Primärrecht, vorrangig.290 Auf dem Gebiet des (Transport-)Vertragsrechts scheinen gemischte Kollisionsrechtsübereinkommen von Union und Mitgliedstaaten mit Drittstaaten allerdings eher unwahrscheinlich zu sein, da der sachliche Regelungsbereich der Rom IVerordnung sehr umfangreich ist und die Union im gleichen Umfang die ausschließliche Vertragsschlusskompetenz erworben hat. Überschneidungen mit Außenkompetenzen der Mitgliedstaaten sind jedoch bei Staatsverträgen denkbar, die grundsätzlich einen materiell-rechtlichen Regelungsansatz verfolgen und vereinzelte Kollisionsnormen enthalten. 291 4. Ergebnis Kollisionsrechtsvereinheitlichende Staatsverträge gehen den Bestimmungen der Rom I-Verordnungen vor. Für bestehende Übereinkommen (der Mitgliedstaaten) ordnet dies Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO deklaratorisch an. Zukünftige Kollisionsrechtsübereinkommen bzw. Änderungen bestehender Konventionen, die den Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung tangieren, werden von der Union geschlossen werden und sind daher bereits nach Art. 216 Abs. 2 AEUV vorrangig. Etwas anderes gilt nur für bestehende Übereinkünfte, an denen keine Dritt-, sondern ausschließlich Mitgliedstaaten beteiligt sind. Gegenüber diesen setzt sich die Rom I-Verordnung laut Art. 25 Abs. 2 durch. II. Unionskollisionsrecht Ausgehend davon, dass die Existenz von schuldvertraglichen Kollisionsnormen im europäischen Primärrecht zwar denkbar, aber auch in Zukunft höchst unwahrscheinlich ist,292 ist in dieser Hinsicht nicht von im Vergleich zur Rom I-Verordnung ranghöherem Unionskollisionsrecht auszugehen.293 Rechtsakte des sekundären Unionsrechts sind dagegen untereinander normhierarchisch gleichberechtigt, mit der Folge dass bei einer möglichen Konkurrenz von Rom I-Vorschriften mit anderen sekundärrechtlichen Kollisionsnormen grundsätzlich die allgemeinen lex specialis und lex posterior Prinzipien zur

Siehe oben § 2 – B.III.1.b). Dabei stellt sich aber die Frage, inwieweit die Rom I-Verordnungen möglicherweise für diesen Fall Vertragsschlusskompetenzen impliziert. Siehe dazu unten B.I.2. 292 Vgl. Brödermann, in: Brödermann/Iversen, Rn. 76. Zu Stand und Perspektiven des Europäischen Internationalen Privatrechts siehe allgemein Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 1. 293 Wahrscheinlicher ist dagegen das Auftreten von Verweisungsnormen in von der Union mit Drittstaaten geschlossenen kollisionsrechtsvereinheitlichenden Staatsverträgen (vgl. oben A.I.3.), welche genau genommen supranationale Rechtssetzungshandlungen der Unionsorgane darstellen (vgl. Vedder, EuR 2007, Beiheft 3, S. 57 [85]; ebenso Nettesheim, EuR 2006, 737 [761 f.] m. w. N). Sie stehen im Rang über dem Sekundärrecht, also auch über der Rom I-Verordnung (siehe oben § 2 – B.III.1.). 290 291

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

53

Anwendung kommen.294 Folglich ist auch der ebenjenes Verhältnis betreffende Art. 23 Rom I-VO lediglich deklaratorisch,295 wenn er den Spezialvorrang von „Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten“ statuiert.296 Diese Vorschrift kann im konkreten Fall allenfalls das Urteil darüber erleichtern, welche unter den konkurrierenden Verweisungsregelungen die allgemeine und welche die spezielle ist, indem sie ausdrücklich den Nachrang der Rom I-Verordnung anordnet.297 1. Richtlinienkollisionsnormen Supranationale Kollisionsnormen kommen vereinzelt in materiell-rechtlichen Richtlinien vor,298 namentlich in den Verbraucherschutzrichtlinien der zweiten Generation.299 Bei solchem Richtlinienkollisionsrecht handelt es sich jedoch nicht um unmittelbar anwendbare Kollisionsnormen, sondern lediglich um kollisionsrechtliche Rechtssetzungsaufträge an die Mitgliedstaaten, sodass diese gegebenenfalls nicht direkt, sondern in Gestalt des Umsetzungsaktes der jeweiligen lex fori anwendbar sind.300 Dennoch werden auch diese nationalen Kollisionsnormen europäischen Ursprungs von Art. 23 Rom I-VO bedauerlicherweise301 erfasst, mit der Folge, dass die Verordnung diese Normen unberührt lässt.302 Dementsprechend könnte die kollisionsrechtliche Anknüpfung der Rom I-Verordnung insbesondere durch die deutsche Umsetzungsnorm dieser Richtlinien, Art. 46b EGBGB, überlagert werden. Dies ist insbesondere in transportvertraglichen Konstellationen möglich.303 Wie der 294 Siehe oben § 2 – A.I. Vgl. Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227 (232). Beachte aber die verschiedenen Ansätze zu einer hierarchischen Ordnung des Sekundärrechts von Nettesheim, EuR 2006, 737 (762 ff.). 295 Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, 2008, S. 1 (49). 296 Wagner, TranspR 2009, 103 (106); MünchKommBGB/Martiny, Art. 23 Rom I-VO Rn. 8; PWW/Brödermann/Wegen, Art. 23 Rom I-VO Rn. 1. 297 Eine besondere Bezugnahme der Verordnung auf den lex posterior Grundsatz ist indes nicht erfolgt. Bedeutend ist in diesen Zusammenhang lediglich festzulegen, ab wann der jüngere Rechtsakt anzuwenden ist. Dazu MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 152. 298 Siehe die Einzelnachweise bei MünchKommBGB/Martiny, Art. 23 Rom I-VO Rn. 15 ff. Zur Behandlung des Richtlinienkollisionsrechts in der Rom I-Verordnung siehe Hoffmann, EWS 2009, 254 ff.; Schilling, ZEuP 2014, 843 (854 ff.). 299 Dazu Hoffmann, EWS 2009, 254. 300 Vgl. Hoffmann, EWS 2009, 254. 301 Dazu im Einzelnen Hoffmann, EWS 2009, 254 (260 f.); Ferrari/Kieninger, Art. 23 Rom I-VO Rn. 9. 302 MünchKommBGB/Martiny, Art. 23 Rom I-VO Rn. 10 m. w. N. 303 Beispielhalft für einen entsprechenden transportvertraglichen Anwendungsfall siehe LG München I, IPRspr. 2011, Nr. 25: Das LG wendete bezüglich einer in den Allgemeinen

54

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

neuen Verbraucherrechterichtlinie304 entnommen werden kann, scheint der europäische Gesetzgeber aber dazu überzugehen, dieses unsystematische Richtlinienkollisionsrecht nach und nach aufzuheben.305 2. Verordnungskollisionsrecht a) Rom II-VO Sekundärrechtliches Kollisionsrecht enthält insbesondere die Rom II-Verordnung. Zu dieser steht die Rom I-Verordnung in einem besonderen Verhältnis, schließlich sind die Sekundärrechtsakte miteinander verwandt. Gewissermaßen als Einheit normieren sie das europäische Internationale Privatrecht der Schuldverhältnisse.306 Konkurrenzen zwischen den jeweiligen Kollisionsnormen sind jedoch tatbestandlich ausgeschlossen. Denn die Anwendungsbereiche der beiden Rechtsinstrumente sind komplementär ausgestaltet und können sich daher nicht überschneiden.307 Während die Rom I-Verordnung für vertragliche Schuldverhältnisse maßgeblich ist, erlangt die Rom II-Verordnung für außervertragliche Schuldverhältnisse Bedeutung. Die Abgrenzung Beförderungsbedingungen einer Fluggesellschaft aus einem arabischen Emirat getroffenen Rechtswahl zugunsten des Rechts der VAE die Vorschrift des Art. 46b EGBGB an. Weil die Fluggesellschaft in dem konkreten Fall ihre Leistungen in Deutschland anbot und eine Zweigstelle in München unterhielt, sei gemäß Art. 46b Abs. 2 EGBGB ein enger Zusammenhang mit dem Gebiet von Deutschland zu bejahen, sodass die deutschen Vorschriften der Umsetzung der Klauselrichtlinie, namentlich §§ 309 Nr. 1 und 307 BGB anzuwenden seien [der hier zusammengefasste Entscheidungsteil ist nicht in der IPRspr. abgedruckt, sondern nur über Juris abrufbar]. 304 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. 2011 L 304, 64. Dazu Schwab/Giesemann, EuZW 2012, 253; ausführlich Hall/Howells/Watson, ERCL 2012, 139 ff; Unger, ZEuP 2012, 270 ff. Zur Umsetzung der neuen Richtlinie im deutschen Recht Tonner, VuR 2014, 23 ff. 305 So wird durch die neue Verbraucherrechterichtlinie RL 2011/83/EU (vorige Fn.) Art. 12 Abs. 2 der ehemaligen Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG (2. Kapitel Fn. 169) ersatzlos gestrichen und stattdessen durch Erwägungsgrund (58) angeordnet, dass sich die kollisionsrechtliche Abwahl des Richtlinienrechts nunmehr nach der Rom I-Verordnung richtet. In dem Vorschlag der Kommission (KOM(2008) 614 endg.) sollte diese Regelung auch hinsichtlich des – von der endgültigen Richtlinie nicht mehr betroffenen – Rechts der Klausel- wie auch der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gelten, vgl. Hoffmann, EWS 2009, 254 (258). Deren Art. 6 Abs. 2 bzw. Art. 7 Abs. 2 bestehen somit bis auf Weiteres fort. Vgl. auch PWW/Remien, Art. 46b EGBGB Rn. 2, der dem Richtlinienkollisionsrecht und Art. 46b EGBGB eine „ungewisse“ Zukunft attestiert. 306 Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (41 f.). Daraus resultiert ein gewisser Auslegungszusammenhang, siehe unten § 5 – B.I. 307 Vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 23 Rom I-VO Rn. 13.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

55

zwischen den Rom-Verordnungen vollzieht sich somit anhand des Begriffes des vertraglichen Schuldverhältnisses.308 Dieser ist weit auszulegen, um keine Lücken zwischen den Anwendungsbereichen entstehen zu lassen.309 Da es sich bei den Vorschriften der Rom II-Verordnung nicht um vertragliche Kollisionsnormen handelt, fallen diese somit auch nicht unter Art. 23 Rom I-VO. Trotz der grundsätzlichen Trennung der Anwendungsbereiche besteht ein gewisser inhaltlicher Gleichlauf von Rom I- und Rom II-Verordnung. So ordnet Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO an, dass die Anknüpfung eines außervertraglichen Schuldverhältnisses akzessorisch gegenüber der Anknüpfung eines gegebenenfalls vorliegenden Vertragsverhältnisses ist.310 Liegt einem transportrechtlichen Sachverhalt – wie so häufig – ein Beförderungsvertrag zugrunde, kann somit auch hinsichtlich deliktisch zu qualifizierender Ansprüche Art. 5 Rom I-VO relevant werden. b) Besondere Vorschriften der Kabotage-Verordnungen Im europäischen Sekundärrecht lassen sich auf dem Gebiet des Transportrechts weitere Verordnungsvorschriften ausmachen, die sich möglicherweise unmittelbar auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts auswirken. Verschiedene Rechtsakte, die den von einem ausländischen Beförderer durchgeführten Transport im Inland (sog. Kabotage) betreffen, enthalten einen Passus, wonach „die Durchführung der Kabotage den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats [unterliegt]“ und zwar namentlich „für den Beförderungsvertrag geltende Bedingungen“. Derartige Vorschriften lassen sich im Bereich des Güterkraft- (Art. 9 Abs. 1 lit. a VO 1072/2009)311, des Personenkraft- (Art. 16 Abs. 1 lit. a VO 1073/2009)312 und des Binnen-

Vgl. Ferrari/Kieninger, Art. 1 Rom I-VO Rn. 5. Ausführlich zum Vertragsbegriff Reiher, S. 22 ff. 309 Rauscher/v. Hein, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7. 310 Näher dazu Czepelak, JPIL 2011, 393 (405 ff.). 311 Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, ABl. 2009 L 300, 72. Durch diese Verordnung wurde insbesondere Art. 6 Abs. 1 lit. a Verordnung (EWG) Nr. 3118/93 vom 25.10.1993 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. 1993 L 279, 1, aufgehoben. Siehe dazu Knorre, TranspR 2011, 353 (355 f.). 312 Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, ABl. 2009 L 300, 88. Durch diese Verordnung ist Art. 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 12/98 vom 11.12.1997 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Personenkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. 1998 L 4, 10 abgelöst worden. 308

56

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

schiffsverkehrs (Art. 3 Abs. 1 lit. a VO 3921/91)313 finden.314 Nunmehr stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis diese Normen zu den kollisionsrechtlichen Vorschriften der Rom I-Verordnung stehen.315 Ausgehend vom Wortlaut der genannten Kabotagebestimmungen könnte angenommen werden, dass es sich dabei um eine umfassende Verweisung handelt, wonach im Rahmen eines Kabotagebeförderungsvertrages – anstatt des grundsätzlich über das allgemeine IPR (sprich Art. 5 Rom I-VO) zu bestimmenden Vertragsstatuts – das materielle Transportvertragsrecht des Aufnahmestaates zur Anwendung kommen soll.316 Nach dieser Lesart müssten beispielsweise auf einen Vertrag, der einen in Deutschland durchzuführenden Kabotagetransport betrifft, die §§ 407 ff. HGB zur Anwendung kommen. aa) Wettbewerbsspezifischer Hintergrund des europäischen Kabotagerechts Bei der Ermittlung des kollisionsrechtlichen Gehalts der besonderen Kabotagebestimmungen ist der eigentliche Zweck des europäischen Kabotagerechts zu berücksichtigen. Bei diesem besonderen Sekundärrecht handelt es sich um Maßnahmen der Europäischen Union, die den Wettbewerb auf den Kabotagemärkten von nationalen Beschränkungen befreien sollen.317 Bis zum Tätigwerden des europäischen Gesetzgebers bestanden in den jeweiligen Verkehrssektoren nationalstaatliche Begrenzungen, durch welche ausländischen Beförderern der Zugang zum inländischen Beförderungsmarkt verwehrt wurde.318 Um einen funktionierenden europäischen Binnenmarkt für Verkehrsdienstleistungen zu gewährleisten, sollten die Kabotagemärkte liberalisiert und auch für ausländische (mitgliedstaatliche) Beförderer geöffnet werden. Die europäischen Kabotageverordnungen hatten daher prinzipiell eine marktöffnende Funktion. Sie dienen der Herstellung eines freien Wettbewerbs auf 313 Verordnung (EWG) Nr. 3921/91 vom 16.12.1991 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. 1991 L 373, 1. 314 Dagegen enthält die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage), ABl. 1992 L 364, 7, keinen entsprechenden Verweis auf das Recht des Aufnahmestaates, vgl. Basedow, TranspR 1994, 85 (90). 315 Zum (laut MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 53 bisher ungeklärten) Verhältnis der im Zusammenhang mit den Kabotageverordnungen erlassenen Normen der §§ 449 Abs. 3, 451h Abs. 3, 466 Abs. 4 HGB und Art. 5 Rom I-VO siehe unten § 8 – D.III.2.a). 316 Vgl. Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (426). 317 Siehe stellvertretend die Erwägungsgründe (4) bis (6) der VO 1072/2009. 318 Vgl. zum deutschen Recht Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (414 f.). Ausführlich zu der damaligen, auf den Verkehrsmärkten bestehenden Wettbewerbssituation Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, 1989, insbes. S. 39 ff. und S. 157 ff. Zum aktuellen Stand der europäischen Verkehrspolitik nach Inkrafttreten des AEUV siehe den Überblick bei Frenz, TranspR 2010, 419 ff.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

57

den Verkehrsmärkten und somit der Durchsetzung der primärrechtlichen Grundfreiheiten.319 bb) Die Funktion des Verweises auf die Vorschriften des Aufnahmestaates Vor diesem wettbewerbsrechtlichen Hintergrund ist auch der in den genannten Kabotageverordnungen enthaltene Verweis auf die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmestaates zu verstehen. Durch die entsprechenden Vorschriften soll sichergestellt werden, dass im Rahmen eines Kabotagetransports sowohl für den inländischen als auch den – nunmehr zugelassenen – ausländischen Beförderer die gleichen Rahmenbedingungen gelten, um eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Zulassungsortes zu vermeiden.320 Alle Marktteilnehmer sollen dem gleichen Ordnungsrahmen unterworfen werden, sodass ein fairer Wettbewerb für inner-mitgliedstaatliche Beförderungen herrschen kann.321 Wie die genannten Vorschriften selbst ausführen, setzt sich dieser Ordnungsrahmen indes nicht nur aus zivil-, sondern zudem aus verwaltungsrechtlichen Bestimmungen (Lenk- und Ruhezeiten, technische Vorgaben, etc.) zusammen.322 Der Verweis, dass die Kabotage den Vorschriften des Aufnahmestaates unterliegt, hat daher primär eine (wettbewerbs-)ordnungspolitische Funktion.323 Dies gilt insbesondere, soweit auf die „für den Beförderungsvertrag geltenden Bedingungen“ verwiesen wird.324 cc) International-privatrechtliche Einordnung der Kabotageregelungen Aus diesem Grund wird der hinsichtlich der Transportvertragsbedingungen getroffene Verweis auf die Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates einhellig dahingehend verstanden, dass er nur ordnungspolitische Vorschriften, sprich jene mit zwingendem Geltungsanspruch, erfasst.325 Durch die sekundärrechtlichen Kabotagevorschriften kann somit nicht das Beförderungsvertragsstatut in seiner Gesamtheit verdrängt, sondern allein dem unabdingbaren Transportvertragsrecht des Aufnahmestaates Geltung verschafft werden.326 Bei Art. 9 Abs. 1 lit. a VO 1072/2009, Art. 16 Abs. 1 lit. a VO 1073/2009 und Art. 3 319 Vgl. Gronemeyer, EuZW 1994, 523 (524); Staudinger, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, § 22 Rn. 112 ff. 320 So ausdrücklich Art. 6 Abs. 3 VO 3118/93, vgl. auch Gronemeyer, TranspR 1994, 267 (271). Siehe nunmehr Art. 9 Abs. 2 VO 1072/2009. 321 Brandt, TranspR 2011, 1 (7); MünchKommHGB/Jesser-Huß, Einl. CMR Rn. 49; ausführlich Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (427 f.). 322 Siehe lit. b bis e der genannten Vorschriften der Kabotage-Verordnungen. 323 Brandt, TranspR 2011, 1 (7). 324 Vgl. Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (429 f.). 325 Siehe nur Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (427 ff.); Staudinger, IPRax 2001, 183 (184); Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2727. 326 Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (427).

58

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Abs. 1 lit. a VO 3921/91 handelt es sich daher in systematischer Hinsicht um allseitige Sonderanknüpfungen zwingenden Rechts, also um – sachlich auf Kabotagekonstellationen beschränkte – Öffnungsklauseln ähnlich Art. 7 Abs. 2 EVÜ bzw. Art. 9 Rom I-VO.327 Nach diesen ist es ausdrücklich zulässig, wenn ein Mitgliedstaat die Geltung seines (grundsätzlich nur intern) zwingenden materiellen Transportvertragsrechts auch auf die Kabotagesituation erstrecken will.328 Insoweit kann dann das ansonsten durch das IPR berufene Beförderungsvertragsstatut durchbrochen werden. Die aufgrund der Kabotage-Regelungen mögliche Sonderanknüpfung geht dabei noch weiter als die durch Art. 7 EVÜ bzw. Art. 9 Rom I-VO eröffnete. Denn fremdes Eingriffsrecht ist nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur unter gewissen Umständen vom Forum zu beachten,329 wohingegen das zwingende nationale Kabotagerecht nicht nur vor einem inländischen, sondern ebenso von allen mitgliedstaatlichen Gerichten definitiv berücksichtigt werden muss.330 Aufgrund ihrer inhaltlich engeren Ausgestaltung sind die in den KabotageVerordnungen enthaltenen Öffnungsklauseln dabei als leges speciales gegenüber Art. 9 Rom I-VO anzusehen. Innerhalb ihres Anwendungsbereiches treten sie an die Stelle des in der Rom I-Verordnung enthaltenen Eingriffsnormvorbehalts.331 Obgleich es sich dabei im Vergleich zu den ursprünglichen Kabotageverordnungen um die jüngere Vorschrift handelt, führt Art. 9 Rom I-VO zu keiner Verdrängung der Kabotage-Regelungen.332 Ungenau ist es jedoch, den Vorrang letzterer mit Art. 23 Rom I-VO zu begründen.333 Denn bei diesem speziellen sekundärrechtlichen Vorschriften handelt es sich streng genommen nicht um Normen des Internationalen Privat-, sondern des 327 Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (427); Staudinger, IPRax 2001, 183 (184); ders., in: Schule/Zuleeg/Kadelbach, § 22 Rn. 112 ff. A.A. dagegen Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2728. 328 Siehe dazu auch unten § 8 – D.III.2.a). 329 Siehe PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 30 ff.; vertiefend Günther, Die Anwendbarkeit ausländischer Eingriffsnormen im Lichte der Rom I- und Rom II-Verordnungen, 2011, S. 121 ff.; Köhler, Eingriffsnormen – Der „unfertige Teil“ des europäischen IPR, 2013, S. 168 ff.; Hauser, Eingriffsnormen in der Rom I-Verordnung, 2012, S. 52 ff. Vgl. hierzu auch unten § 8 – D.II. 330 Vgl. Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (427); Staudinger, IPRax 2001, 183 (184); MünchKommHGB/Jesser-Huß, Einl. CMR Rn. 51. Mit diesem Unterschied lässt sich indes auch das Nebeneinanderbestehen dieser beiden sehr ähnlichen Regime rechtfertigen. Denn wäre die Rechtsfolge der Kabotage-Öffnungsklauseln deckungsgleich mit jener von Art. 7 EVÜ bzw. Art. 9 Rom I-VO, wären erstere im Grunde überflüssig. 331 So schon Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (427). 332 Ein entsprechender Wille des europäischen Gesetzgebers kann nicht festgestellt werden, da die entsprechenden Vorschriften der Kabotageverordnungen auch nach deren Reform 2009, also nach Erlass der Rom I-Verordnung, beibehalten worden sind. 333 So aber Reithmann/Martiny/Mankowksi, Rn. 2727 f.; Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (32) Rn. 102 f.; Staudinger, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, § 22 Rn. 112.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

59

Wirtschaftskollisionsrechts.334 Daher stellen sie keine Kollisionsnormen im Sinne von Art. 23 Rom I-VO dar.335 Vielmehr gehen die spezielleren Kabotage-Öffnungsklauseln Art. 9 Rom I-VO infolge des allgemeinen, im Sekundärrecht geltenden336 Spezialitätsgrundsatzes vor. Die eigentlichen Verweisungsnormen der Rom I-Verordnung, namentlich Art. 5, werden dagegen im Rahmen der Sonderanknüpfung verdrängt. B. Verhältnis zu materiellem transnationalem Einheitstransportrecht Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit ist, das Verhältnis des neuen Transportvertragskollisionsrechts der Rom I-Verordnung zu den materiellen Einheitstransportrechtsakten zu klären. Die grundsätzliche Konkurrenz zwischen transnational vereinheitlichtem Sachrecht und dem Vertrags-IPR resultiert daraus, dass beide Normkategorien im Ergebnis die Feststellung des auf internationale Transportverträge anwendbaren materiellen Rechts betreffen.337 An dieser Stelle soll nun aufgezeigt werden, wie die verschiedenen staatsvertraglichen (I.) und supranationalen (II.) sachrechtsvereinheitlichenden Rechtsinstrumente von der Rom I-Verordnung berücksichtigt werden. Nicht näher eingegangen werden soll dagegen auf die Beziehung des europäischen Vertragskollisionsrechts zu materiell-rechtlichem soft-law, also nicht-staatlichem Sonderrecht wie z. B. jenem der lex mercatoria, der PECL oder des DCFR.338 I.

International (staatsvertraglich) vereinheitlichtes Sachrecht

Im Rahmen des staatsvertraglichen Römer Schuldvertragsübereinkommens wurde die Beziehung zu materiellen Vertragsrechtskonventionen aus dessen Art. 21 abgeleitet, wonach das Übereinkommen „nicht die Anwendung interSiehe Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (427). Unzutreffend daher Sendmeyer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, § 34 Rn. 23. Ausführlich zum Kollisionsnormbegriff der Rom I-Verordnung unten § 3 – B.I.3.a)bb). Auch die Öffnungsklausel des Art. 9 Rom I-VO stellt selbst keine Kollisionsnorm dar, sondern gibt lediglich einen Hinweis auf die das Vertragsstatut durchbrechenden Eingriffsnormen (PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 6). 336 Siehe oben § 2 – A.I. 337 Näher dazu bzgl. der entsprechenden Problematik bei internationalen Kaufverträgen Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, § 5 Rn. 119 ff. 338 Jenes Soft-law bleibt im Rahmen der Rom I-Verordnung grundsätzlich unberücksichtigt. Die Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 des Rom I-VO-V, wonach die Parteien im Rahmen ihrer Rechtswahl auch nicht-staatliches Recht hätten wählen können, wurde nicht in die endgültige Verordnung übernommen. Zwar sind die Parteien gemäß Erwägungsgrund (13) Rom I-VO nicht daran gehindert, in ihrem Vertrag auf ein nicht-staatliches Regelwerk Bezug zu nehmen. Jedoch handelt es sich bei einer solchen Bezugnahme nicht um eine kollisionsrechtliche, sondern lediglich um eine rein materiell-rechtliche Rechtswahl. Dazu ausführlich Mankowski, Interessenpolitik, S. 27 ff.; Leible, S. 27 ff.; Reimann, in: Verschraegen (Hrsg.), Rechtswahl, 2010, S. 1 (13 ff.). 334 335

60

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

nationaler Übereinkommen, denen ein Vertragsstaat angehört oder angehören wird“ berührt. Diese Vorschrift ist dahingehend verstanden worden, dass sie sowohl Rechtsakte der Kollisions-, als auch der Sachrechtsvereinheitlichung erfasst und somit den Vorrang der internationalen Sachrechtsakte gegenüber dem Kollisionsrecht des EVÜ begründet.339 Das Spannungsverhältnis zwischen vereinheitlichtem staatsvertraglichen Sachrecht und dem Vertrags-IPR, anders ausgedrückt zwischen dem unmittelbar anwendbaren Entscheidungsrecht für internationale Sachverhalte und dem Verweisungsrecht, konnte also mittels des konventionalen Vereinbarkeitsrechts selbst gelöst werden. Dies war möglich, weil es sich bei dieser Frage seiner Natur nach um einen Konventionskonflikt handelte.340 Mit der Transformation des EVÜ in die Rom IVerordnung hat sich jedoch die Natur der Konkurrenzsituation verändert: Insoweit besteht nun ein vertikaler Konflikt zwischen der supranationalen Rom I-Verordnung und sachrechtlichen Staatsverträgen. Dies muss nun bei der Bestimmung des Verhältnisses von Vertragskollisionsrecht zu internationalem Sachrecht berücksichtigt werden. 1. Rangkollisionsrechtliche Vorgaben für die Überprüfung der Wechselbeziehung Daher müssen zunächst die bereits herausgearbeiteten allgemeinen rangkollisionsrechtlichen Grundsätze auf diese konkrete Fragestellung angewendet werden.341 Diese Prinzipien bilden einen beschränkenden Rahmen auch für die Wechselbeziehung zwischen Rom I-Verordnung und sachrechtlichen Staatsverträgen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sowohl Mitgliedstaaten als auch Union an der internationalen staatsvertraglichen Sachrechtsvereinheitlichung teilhaben können. Deshalb muss diesbezüglich zwischen Übereinkommen der Mitgliedstaaten und Unionsübereinkommen differenziert werden.

339 MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl. 2006, Vor Art. 27 EGBGB Rn. 29; Helmberg, in: Czernich/Heiss Art. 21 Rn. 2; Ferrari, in: Schlechtriem/Schwenzer, Vor Art. 1–6 Rn. 34 m. w. N. auch aus der internationalen Rechtsprechung. 340 Dieser Umstand fand in Deutschland, wo das EVÜ nicht unmittelbar, sondern in Form des EGBGB anwendbar war (siehe oben § 1 – A.II.), nicht immer entsprechende Beachtung. Hinzu kam, dass der deutsche Gesetzgeber seiner Zeit Art. 21 EVÜ nicht in das EGBGB übernommen hatte, weil nach dessen Ansicht diese Bestimmung allgemeiner Praxis entsprochen habe, vgl. den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts, BT-Drs. 10/504, S. 36. Aus diesem Grund war in Deutschland der Vorrang des materiellen Einheitsrechts vor den Art. 27 ff. EGBGB allgemein auf Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB zurückgeführt worden (siehe Spickhoff, in: Bamberger/Roth, 2. Aufl. 2008, Art. 27 EGBGB Rn. 4; Ferrari, in: Schlechtriem/Schwenzer, Vor Art. 1–6 Rn. 34). 341 Dazu oben § 2 – B.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

61

a) Sachrechtsübereinkommen der Union stets vorrangig Bezüglich der Unionsübereinkommen ist das Verhältnis zur Rom I-Verordnung positiv primärrechtlich geklärt. So differenziert Art. 216 Abs. 2 AEUV nicht nach dem Regelungsinhalt der Unionsübereinkommen. Folglich umfasst diese Vorschrift nicht nur kollisionsrechtliche Staatsverträge mit Drittstaaten, sondern zudem auch Rechtsakte der Sachrechtsvereinheitlichung. Soweit sachrechtliche Unionsübereinkommen auf Gebieten des Vertragsrechts existieren, gehen sie also gem. Art. 216 Abs. 2 AEUV jeglichem Sekundärrecht vor.342 Dementsprechend muss insoweit auch das Verweisungsrecht der Rom I-Verordnung stets nachrangig sein.343 Lange Zeit einziges Beispiel für ein solches vertragsrechtliches Unionsübereinkommen war das MÜ, welches am 28. Juni 2004 für die Europäische Gemeinschaft in Kraft getreten ist.344 Unterdesssen ist die EU jedoch außerdem der COTIF345 sowie dem Athener Übereinkommen346 beigetreten. b) Bestandsschutz für materiell-rechtliche Altübereinkommen der Mitgliedstaaten Was mitgliedstaatliches Staatsvertragsrecht betrifft, muss indes zeitlich unterschieden werden. Fest steht, dass (spätestens) durch die Rom I-Verordnung eine Verschiebung der Außenkompetenzen im Vertragskollisionsrecht eingetreten ist.347 Unabhängig davon wie weitreichend diese Verschiebung genau ist,348 müssen infolge des Loyalitätsgebots des Art. 4 Abs. 3 EUV innerhalb der EU jegliche bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden völkervertraglichen Bindungen der Mitgliedstaaten davon unangetastet bleiben.349 Dabei ist der Näher dazu oben § 2 – B.III.1. Ungenau (Vorrang über Art. 23 Rom I-VO) daher Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (54) Rn. 3.17. 343 Ebenso Wagner, TranspR 2009, 103 (109). 344 Beschluss des Rates 2001/539/EG vom 5.4.2001, ABl. 2001 L 194, 38. 345 Siehe die Mitteilung in ABl. 2011 L 183, 1. Vgl. auch den Vorschlag vom 31.8.2009 für einen Beschluss des Rates über den Abschluss der Vereinbarung über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9.5.1980 in der Fassung des Änderungsprotokolls von Vilnius vom 3.6.1999 durch die Europäische Gemeinschaft, KOM(2009) 441 endg. 346 Siehe den Beschluss des Rates 2012/22/EU vom 12.12.2011 über den Beitritt der Europäischen Union zum Protokoll von 2002 zum Athener Übereinkommen von 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See, mit Ausnahme der Artikel 10 und 11, ABl. 2012 L 8, 1 und den Beschluss 2012/23/EU vom 12.12.2011 über den Beitritt der Europäischen Union zum Protokoll von 2002 zum Athener Übereinkommen von 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See in Bezug auf Art. 10 und 11, ABl. 2012 L 8, 13. 347 Siehe oben A.I.2.a). 348 Dazu sogleich unten B.I.2. 349 Siehe oben § 2 – B.III.2. Vgl. insoweit auch Erwägungsgrund (41) Rom I-VO. 342

62

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Zeitpunkt des Eintritts der völkerrechtlichen Verbindlichkeit für den Mitgliedstaat maßgeblich, sprich der Moment der Ratifikation, Annahme, Genehmigung, Beitritt, etc.350 Daraus folgt, dass durch die Rom I-Verordnung die Anwendung insbesondere von sachrechtlichen Übereinkommen, denen der Mitgliedstaat vor der Bekanntmachung der Rom I-Verordnung völkerrechtlich verbindlich zugestimmt hat, nicht beeinträchtigt werden darf. Dieses staatsvertragliche Sachrecht muss demnach in jedem Falle vorrangig gegenüber dem IPR der Rom I-Verordnung angewendet werden. Folglich sind alle ausschließlich von den Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommen, wie etwa CMR, WA und CMNI,351 gegenüber dem neuen sekundärrechtlichen Schuldvertragskollisionsrecht vorrangig. c) Zwischenergebnis: Eigentliche Fragestellung auf zukünftiges Einheitsrecht der Mitgliedstaaten begrenzt Danach bleibt festzuhalten, dass das Verhältnis der Rom I-Verordnung zu jeglichen Staatsverträgen der Union sowie zu Altübereinkommen der Mitgliedstaaten im Grunde bereits durch höherrangige primärrechtliche Grundsätze zugunsten des Sachrechts geklärt ist. Fraglich ist damit nur, wie sich das Kollisionsrecht der Rom I-Verordnung im Hinblick auf neue Sachrechtsübereinkommen der Mitgliedstaaten verhält. Um eine derartige, im Vergleich zur Rom I-Verordnung jüngere, Konvention handelt es sich beispielsweise bei den bereits unterzeichneten Rotterdam-Regeln. Außerdem wären dazu zukünftige Protokolle oder Nachfolgeabkommen zu den bereits existierenden (Transportrechts-)Konventionen, wie z. B. der CMR,352 zu zählen. 2. Die Zukunft der mitgliedstaatlichen Sachrechtsvereinheitlichung nach Erlass der Rom I-Verordnung Die Frage nach dem Verhältnis der Rom I-Verordnung zu Neuübereinkommen der Mitgliedstaaten stellt sich allerdings nur dann, wenn diesen eine Kompetenz zum Abschluss von sachrechtlichen Staatsverträgen mit Drittstaaten in Zukunft überhaupt zukommt. Ursprünglich war die staatsvertragliche Vertragsrechtsvereinheitlichung zwar eine zwischenstaatliche Angelegenheit.353 Doch auch der Europäischen Union kommt mittlerweile diesbe350 Vgl. insoweit Art. 11 WVK. Dazu vertiefend Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl. 2004, § 10 Rn. 8. 351 Zu den verschiedenen Übereinkommen oben § 1 – B. 352 Da das Einheitsrecht für den Straßengütertransport bereits weit über 50 Jahre alt ist, wird die CMR zunehmend als reformbedürftig angesehen. Vgl. etwa Haak, TranspR 2006, 325 ff. 353 Motor und Forum für eine Rechtsvereinheitlichung waren gleichwohl zwischenstaatliche Organisationen, die rechtsvereinheitlichende Texte ausarbeiteten, welche dann

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

63

züglich in gewissem Umfang eine Verbandskompetenz zu. Gemäß der in den AEUV übernommenen AETR-Doktrin ist die EU schließlich insoweit für den Abschluss von Staatsverträgen mit Drittstaaten zuständig, wie sie eine entsprechende, ihr intern zustehende Rechtssetzungskompetenz ausgeübt hat.354 Infolgedessen könnte durch den Erlass der Rom I-Verordnung die staatsvertragliche Sachrechtsvereinheitlichung der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten möglicherweise grundlegend infrage gestellt worden sein.355 a) Allgemeine Unionskompetenz zum Abschluss von Sachrechtsübereinkommen mit Drittstaaten infolge des Erlasses des sekundärrechtlichen Schuldvertrags-IPR? So erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 ganz allgemein auf „vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen“.356 In konsequenter Anwendung von Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV müsste daraus eine deckungsgleiche Außenkompetenz der Union erwachsen.357 Da materielles internationales Vertragsrecht – insbesondere das Transportrecht – regelmäßig an grenzüberschreitende Rechtsgeschäfte anknüpft und damit Sachverhalte bzw. Schuldverhältnisse mit Auslandsbeziehung voraussetzt,358 scheinen insofern solche materiell-rechtlichen Konventionen stets „in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Rechtsnormen“359 der Rom I-Verordnung zu fallen und diese damit zu beeinträchtigen.360 Für eine Beeinträchtigung der Rom IVerordnung spräche außerdem die dogmatische Einordnung der in räumlich beschränkten Einheitsrechtsakten enthaltenen Rechtsanwendungsnormen.361 auf nationaler Ebene (der in der Organisation assoziierten Staaten) umgesetzt wurde. Näher dazu Kropholler, IER, S. 43 ff. 354 Siehe oben A.I.2.a). 355 Vgl. Bischoff, S. 183 f. 356 Anders dagegen die anderen Sprachfassungen die insoweit etwa einen „conflict of laws“ bzw. einen „conflit des lois” voraussetzen. Siehe dazu unten B.I.3.b). 357 So wohl Rauscher/v. Hein, Art. 25 Rom I-VO Rn. 8; Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (23) Rn. 20. Die Annahme eines solchen Außenkompetenzübergangs läge insbesondere dann nahe, sofern man einen etwaigen Vorrang des internationalen Einheitsrechts gegenüber der Rom I-Verordnung aus Art. 25 Rom I-VO herleiten wollte (siehe unten B.I.3.a)). Denn das würde bedeuten, dass sich die Anwendungsbereiche grundsätzlich überschneiden und infolgedessen die Rom I-Verordnung durch das materielle Einheitsrecht potenziell beeinträchtigt werden könnte. 358 Siehe unten § 10 – A.I. Ziel des Einheitsrechts ist es gerade, den internationalen, grenzüberschreitenden Warenaustausch zu fördern. 359 Siehe EuGH, Rs. C-467/98 (Fn. 259), Rn. 82; EuGH, Gutachten 2/91 (Fn. 255), Rn. 25 f. 360 Zu den Voraussetzungen einer solchen Beeinträchtigung siehe oben A.I.2.a)bb). 361 Zur Terminologie Drobnig, in: FS v. Overbeck, S. 15 (19 f.).

64

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Nach überwiegender Ansicht stellen diese, den räumlichen Anwendungsbereich des Sachrechts definierenden, Normen, wie z. B. Art. 1 Abs. 1 CMR oder auch Art. 1 CISG,362 einseitige Kollisionsnormen dar, welche die Sachrechtsordnung des sie inkorporierenden Vertragsstaats als die für den Sachverhalt maßgebliche Rechtsordnung berufen.363 Außerdem gehen sie als speziellere Normen den allgemeinen Verweisungsregeln des IPR vor und schließen dessen Vorschaltung aus.364 Insofern kann also der Eindruck entstehen, dass derartige Rechtsanwendungsnormen und damit internationales Sachrecht generell geeignet sind, die Anwendung der allgemeinen und allseitigen Verweisungsregeln der Rom I-Verordnung erheblich zu beeinträchtigen. Infolgedessen müsste der Union insoweit die Zuständigkeit für internationale Sachrechtsvereinheitlichung nach Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV zukommen. Wäre dem so, dürften sämtliche materiell-rechtlichen Neu-Übereinkommen, wie beispielsweise die Nachfolgeabkommen zur CMR, zur CMNI aber auch die Rotterdam-Regeln nunmehr nur noch von der Union geschlossen werden.365 aa) Widerspruch zur bestehenden primärrechtlichen Kompetenzverteilung Einer solchen Annahme stehen jedoch grundsätzliche primärrechtliche Wertungen entgegen: So ist die interne Rechtssetzungskompetenz der Union auf dem Gebiet des internationalen Vertragsrechts eng begrenzt. Nach dem der Rom I-Verordnung zugrunde liegenden Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV (exArt. 65 EGV) kann die Union lediglich die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen sicherstellen. Eine allgemeine Ermächtigung zum Erlass von materiellem supranationalen (Vertrags-)Recht kann daraus jedoch nicht hergeleitet werden.366 Auch aus anderen potentiell in Betracht kommenden, primärrechtlichen Rechtsgrundlagen, wie Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) oder Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV), lässt sich 362 Art. 1 Abs. 1 CMR lautet: „Dieses Übereinkommen gilt für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrage angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragstaat ist.“ 363 Vgl. nur v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 57 ff.; v. Hoffmann/Thorn, § 1 Rn. 65; Kropholler, IPR, § 12 I 1 a, S. 98; a. A. dagegen Kegel, in: FS Ehrenzweig, S. 51 (66). Zur problematischen rechtlichen Einordnung solcher Normen siehe Czerwenka, S. 29 ff. 364 Kropholler, IER S. 190 f.; so auch BGHZ 96, 313 (318) = NJW 1986, 1429 (1430). 365 Vgl. auch Hartenstein, TranspR 2008, 143 (149). 366 Siehe nur Remien EuR 2005, 699 (706 f.); W.-H. Roth, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 2009, S. 13 (27); Streinz/Leible, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 44. Daran hat auch die Änderung im Wortlaut von Art. 65 EGV durch den Lissaboner Vertrag nichts geändert, vgl. Remien, in: FS Scheuing, S. 639 (645 f.). A.A. dagegen etwa Basedow, in: FS Schlechtriem, S. 165 (171 ff.).

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

65

keine Kompetenz der Union für die Schaffung einer allgemeinen verbindlichen Vertragsrechtskodifikation entnehmen.367 Diesem Umstand scheint sich – trotz aller ursprünglichen politischen Ambition – letztlich auch die Kommission im Zusammenhang mit dem Erlass eines europäischen Vertragsrechts gebeugt zu haben. So zeichnete sich der von ihr am 12. Oktober 2011 veröffentlichte Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht368 durch die Besonderheit aus, dass dieses als optionales Instrument ausgestaltet war.369 Danach sollte das so vereinheitlichte Sachrecht nicht obligatorisch, sondern nur im Falle einer Willensbetätigung der Parteien zur Anwendung gelangen.370 Da sich auch nach dem Vertrag von Lissabon aus dem Primärrecht keine generelle Kompetenz der Union herleiten lässt, folgt aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung des Art. 4 Abs. 1 EUV, dass die vertragsrechtliche Sachrechtssetzung grundsätzlich in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleibt. Letztere sind somit spiegelbildlich nach außen gegenüber Drittstaaten zum Abschluss sachrechtsvereinheitlichender Übereinkommen berechtigt. Daran ändert auch ein – primärrechtlich möglicherweise zulässiger371 – Erlass eines optionalen Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts nichts. Bei diesem handelt es sich schließlich nicht um einen verbindlichen Rechtsakt, der den Anwendungsvorrang des Unionsrechts beansprucht. Das mitgliedstaatliche Sachrecht soll dadurch nicht verdrängt, sondern lediglich ein optionales, „zweites“ Regime geschaffen werden. Eine derartig fakultative interne Gesetzgebung der Union führt deshalb gerade nicht zu einer entsprechenden

367 Herresthal, in: Langenbucher, § 2 Rn. 27 ff.; Schmidt-Kessel, in: Hdwb. EuPR, Europäisches Zivilgesetzbuch, S. 554; Hähnchen, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Der gemeinsame Referenzrahmen, 2009, S. 147 (161 ff.). Zu den Kompetenzen der EU im Bereich des Privatrechts insbesondere nach dem Vertrag von Lissabon, siehe ausführlich Remien, in: FS Scheuing, S. 639 ff. Zur Frage der Rechtsgrundlage von fakultativem Unionsprivatrecht siehe Basedow, in: FS Säcker, S. 29 (35 ff.). 368 Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endg. 369 Zur entsprechenden Intention der Kommission siehe Moser, in: Remien/Herrler/ Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 7 (10 f.). Kritisch bezüglich der von der Kommission gewählten Kompetenzgrundlage für das GEK statt aller Grigoleit, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 67 (75 ff.). 370 Dafür plädierten zuvor bereits Leible, BB 2008, 1469 (1474 f.) und Hähnchen, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Der gemeinsame Referenzrahmen, 2009, S. 147 (168) m. w. N. 371 Diesbezüglich wäre jedoch richtigerweise wohl Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) heranzuziehen, vgl. Leible, BB 2008, 1469 (1474 f.) und Hähnchen, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Der gemeinsame Referenzrahmen, 2009, S. 147 (168) m. w. N. In Übereinstimmung mit der Auffassung der Kommission stattdessen Art. 114 AEUV als zulässige Rechtsgrundlage erachtend, Micklitz/Reich, EWS 2011, 113 (114 f.).

66

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

impliziten Außenkompetenz.372 Folglich sind auch weiterhin allein die Mitgliedstaaten zum Abschluss staatsvertraglicher Sachrechtsakte zuständig. bb) Keine Beeinträchtigung des sekundärrechtlichen IPR durch Rechtsanwendungsnormen des beschränkten materiellen Einheitsrechts Nicht zuletzt muss auch eine Beeinträchtigung des Kollisionsrechts der Rom IVerordnung durch Rechtsanwendungsnormen materiell-rechtlicher Staatsverträge abgelehnt werden. Ohne solche Vorschriften sind einheitliche Sachvorschriften für grenzüberschreitende Geschäfte schlichtweg nicht möglich, weil sie die räumliche Abgrenzung zu den nicht zu berührenden nationalen Binnensachverhalten vornehmen.373 Sie sind damit notwendige Voraussetzung für die primärrechtlich zulässige Sachrechtsvereinheitlichung durch die Mitgliedstaaten374 und können daher nicht als Argumentationsgrundlage gegen ebenjene dienen. Zudem ist der international-privatrechtliche Gehalt von Rechtsanwendungsnormen geprägt vom sachrechtlichen Regelungsgehalt: Sie bestimmen abstrakt den international-räumlichen Anwendungsbereich einer jeden im Übereinkommen enthaltenen Sachnorm, sodass sie in gewisser Weise ein Fragment der einzelnen Sachnormen darstellen.375 Bei Rechtsanwendungsnormen handelt es sich daher jedenfalls nicht um Verweisungsnormen im engeren Sinne, sondern um Normen mit kollisions- und sachrechtlichem Doppelcharakter.376 Im Vordergrund steht dabei aber die Raumabgrenzungsfunktion für das (zu vereinheitlichende) Sachrecht.377 Eine unmittelbare „Beeinträchtigung“ des europäischen Schuldvertrags-IPR durch in sachrechtlichen Bischoff, S. 173. Ohne solche Rechtsanwendungsnormen könnte die räumliche Begrenzung auf internationale Fälle sonst gar nicht gelingen, siehe v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 58. 374 Bei der Schaffung von so genanntem unbeschränktem Einheitssachrecht wäre eine räumliche Abgrenzungsnorm nicht nötig, da solches sowohl internationale als auch interne Fälle umfassen und somit das nationale materielle Recht vollständig verdrängen soll. Diese Form der Rechtsvereinheitlichung ist aus rechtspolitischen Gründen jedoch selten und nicht die gängige Praxis, siehe dazu unten § 10 – A.I. 375 In diesem Sinne schon Kegel, in: FS Ehrenzweig, S. 51 (64); Czerwenka, S. 31; Wendehorst, in: Langenbucher (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 8 Rn. 6. 376 So v. Bar/Mankowski, § 4 Rn. 7 ff.; vgl. auch Kropholler, IER S. 190. Ausführlich zur Rechtsnatur von Anwendungsnormen in auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränktem und diesbezüglich unbeschränktem und Einheitsrecht Drobnig, in: FS v. Overbeck, S. 15 (20 ff.). 377 Daher werden die Rechtsanwendungsnormen auch als statutistische Kollisionsnormen bezeichnet, vgl. Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 1 (46); Wagner, TranspR 2009, 103 (107). Lange Zeit war auch das nationalstaatliche IPR von dieser Raumabgrenzungsfunktion geprägt, vgl. Siehr, RabelsZ 37 (1973), 466 (475). Zur geschichtlichen Entwicklung des deutschen IPR der Schuldverhältnisse siehe auch den kompakten Überblick bei MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl. 2006, Vor Art. 27 EGBGB Rn. 1. 372 373

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

67

Staatsverträgen enthaltene Rechtsanwendungsnormen im Sinne der AETRRechtsprechung des EuGH kann daraus aber nicht geschlussfolgert werden.378 cc) Ergebnis Durch die Verabschiedung der Rom I-Verordnung ist der Europäischen Union keine allgemeine ausschließliche Außenkompetenz zum Abschluss von sachrechtsvereinheitlichenden Staatsverträgen mit Drittstaaten erwachsen. Weder besteht für die materiell-rechtliche (Außen-)Rechtssetzung auf dem Gebiet des Vertragsrechts eine notwendige spiegelbildliche Innenkompetenz der Union noch stellt die Verabschiedung von staatsvertraglichen Sachrechtsakten durch die Mitgliedstaaten per se eine Beeinträchtigung des Verweisungsrechts der Rom I-Verordnung dar. b) Punktuelle Außenkompetenz der Union aufgrund einer möglichen Beeinträchtigung der Rom I-Verordnung Auch wenn das sekundärrechtliche IPR nicht generell durch die staatsvertragliche Sachrechtsvereinheitlichung beeinträchtigt wird, könnte es dennoch konkret durch zukünftige materiell-rechtliche Rechtsakte tangiert werden. Bereits dann, wenn ein Sachrechtsakt auch nur eine einzige vertragsrechtliche Norm enthält, die eine eigenständige international-privatrechtliche Verweisung vornimmt, läge nämlich eine Beeinträchtigung der Rom I-Verordnung vor. Das hat gemäß Art. 216 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV zur Folge, dass hinsichtlich jener Norm die Union die ausschließliche Kompetenz zum Abschluss des Staatsvertrages gegenüber Drittstaaten inne hätte.379 Da für den sachrechtsvereinheitlichenden Teil die Mitgliedstaaten zuständig sind, könnte der Staatsvertrag dann nur von Union und Mitgliedstaaten zusammen als gemischtes Übereinkommen geschlossen werden. aa) Sachrechtsergänzende Normen Die meisten bestehenden Vertragsrechtskonventionen weisen neben den Rechtsanwendungsnormen, die wie gezeigt einen Sonderfall bilden, noch weitere Vorschriften auf, die jedenfalls kein materielles Entscheidungsrecht darstellen. Gerade transportrechtliche Sachrechtskonventionen enthalten mitunter eine Fülle von speziellen Bestimmungen, die insbesondere auf das Recht

Ein „echtes Konkurrenzverhältnis“ ebenfalls verneinend Wagner, TranspR 2009, 103 (107). 379 Eine derartige punktuelle Außenkompetenz der Union besteht im Übrigen neben denjenigen Außenkomptenzen, die der EU aus internen Zuständigkeiten hinsichtlich der Setzung von materiellen Recht (zu den entsprechenden Kompetenzgrundlagen der Union siehe oben § 1 – A.III.) erwachsen. 378

68

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

des angerufenen Gerichts verweisen.380 Diese das Sachrecht ergänzenden Vorschriften sollen der Rechtsklarheit dienen.381 Der Regelungsgehalt solch spezieller Normen, für die im Übrigen die gleichen räumlich-internationalen Voraussetzungen wie für das Sachrecht gelten, beschränkt sich indes darauf, für einen Kreis im Einheitsrecht nicht geregelter Materien eine nationale Rechtsordnung zu berufen.382 Sie beziehen sich in der Regel auf einen sehr begrenzten Fragenkomplex oder gar nur auf eine einzige Rechtsfrage, z. B. ob eine Verschuldensform existiert, die dem Vorsatz gleichsteht (vgl. Art. 29 Abs. 1, 32 Abs. 1 S. 1 CMR; Art. 25 WA) oder inwieweit ein Mitverschulden des Geschädigten zum Ausschluss der Haftung führt (Art. 21 WA, Art. 6 AÜ). Allerdings sind solche Vorschriften nicht unbedingt vertragsrechtlichen Inhalts, sondern betreffen beispielsweise allgemeine Form- (Art. 5 Abs. 1 CMR: Frachtbrief; Art. 11 Abs. 2 S. 3 CMNI: Unterschrift), sachenrechtliche (Art. 16 Abs. 5 CMR: Verkauf des Frachtguts, Art. 20 Abs. 4 CMR: Verfügungen über das Frachtgut)383 oder zivilprozessuale (Art. 33 Abs. 4 MÜ: anwendbares Verfahrensrecht, Art. 35 Abs. 2 MÜ: Fristberechnung) Fragen. Ein gängiges Beispiel für eine derartig „ausgeklammerte“ Materie ist außerdem die allgemeine Frage der Hemmung und Unterbrechung der Verjährung (vgl. Art. 32 Abs. 3 CMR; Art. 22 Abs. 4 CVR; Art. 60 § 6 CIV; Art. 48 § 5 CIM oder Art. 16 Abs. 3 AÜ).384 Technisch sind diese ergänzenden Vorschriften häufig als Sachnorm-, mitunter aber auch als Gesamtverweisungen, die das jeweilige IPR der lex fori mit einschließen, ausgestaltet.385 Soweit nun zukünftige Sachrechtsakte solche ergänzenden Normen enthalten, stellt sich die Frage, inwieweit dies als Beeinträchtigung der Rom I-Verordnung im Sinne von Art. 216 Abs. 1 AEUV anzusehen ist.386

Siehe nur Ramming, TranspR 2007, 279 (287). Kropholler, IER, S. 198. 382 Vgl. Wendehorst, in: FS Heldrich, S. 1071 (1078 f.). 383 Diese Normen verweisen indes nicht auf die lex fori sondern auf die lex rei sitae. 384 Weitergehend dazu Kropholler, IER, S. 200 ff. 385 Dies ist im Einzelnen bisweilen strittig. Namentlich im Rahmen der CMR, die diesbezüglich keine Aussage enthält, ist unklar, ob es sich bei den genannten Normen um Sachoder Gesamtverweisungen handelt (für ersteres Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2723; a. A. dagegen MünchKommHGB/Jesser-Huß, Einl. CMR Rn. 40). Reuschle, Präambel Rn. 56 hält die entsprechenden Bestimmungen des MÜ für Sachnormverweisungen; wohl a. A. dagegen MünchKommHGB/Ruhwedel, Einl. MÜ Rn. 60. Bei den Vorschriften der CMNI handelt es sich laut Art. 1 Nr. 9 explizit um Sachnormverweisungen. Anderes gilt für die ergänzenden Vorschriften der CIV und CIM, die laut Art. 8 § 3 COTIF Gesamtverweisungen darstellen (vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 95). 386 Hinsichtlich der genannten Bestimmungen stellt sich dagegen die Frage, inwieweit diese als Kollisionsnormen im Sinne der Rom I-Verordnung anzusehen sind, dazu unten § 3 – B.I.3.a)bb). 380 381

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

69

bb) Keine Beeinträchtigung bei engem funktionellen Zusammenhang zu materiell-rechtlicher Regelung Eine Beeinträchtigung könnte dadurch gegeben sein, dass der Anknüpfungsgegenstand einer derartigen „verweisenden“ Ergänzungsnorm eine, wenn auch im Regelfall sehr kleine, Teilmenge des durch die Rom I-Verordnung zu berufenden Vertragsstatuts darstellt.387 Denn durch eine eigenständige Anknüpfung wird der praktische Wirkungsbereich der Verordnung, mit anderen Worten der Anwendungsbereich des Unionsrechts, beschnitten. Allerdings würde eine solche Sichtweise den funktionellen Zusammenhang der ergänzenden Vorschriften zu dem ansonsten geregelten Sachrecht gänzlich unberücksichtigt lassen. Diese stellen häufig einen politischen Kompromiss im Ringen um internationale Privatrechtsvereinheitlichung dar: Gelingt den Staatsvertragsparteien keine Einigung über eine konkrete materiell-rechtliche Frage, so kann in dem Einheitsrechtsakt dadurch wenigstens die Bestimmung der dafür maßgeblichen Rechtsordnung geklärt werden.388 Bei einem derartigen Minimalkonsens handelt es sich deshalb quasi um eine Vorstufe zur eigentlich angestrebten materiell-rechtlichen Regelung. Insoweit könnte a maiore ad minus argumentiert werden, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie schon gemäß der primärrechtlichen Kompetenzverteilung eine materiell-rechtliche Regelung auf internationaler Ebene treffen können, 389 diesbezüglich auch eine punktuelle verweisende (Hilfs-)Lösung schaffen dürfen müssen. Zudem ist der damit für die Anwendung der Rom I-Verordnung einhergehende einschränkende Effekt in beiden Fällen der gleiche, schließlich wird auch durch die Schaffung einheitlicher Sachnormen das Vertragsstatut „beschnitten“. Eine Bestimmung eines internationalen Sachrechtsakts, die einen sachlich eng begrenzten Ausschnitt einer ansonsten vereinheitlichten Sachmaterie an die lex fori verweist, ist daher nicht als Beeinträchtigung der Rom I-Verordnung, sondern als Vorstufe oder als zulässiger Annex der materiellen Rechtsvereinheitlichung anzusehen. Die staatsvertragliche Vereinbarung einer solchen ergänzenden Verweisungsnorm liegt innerhalb des den Mitgliedstaaten primärrechtlich zugewiesenen Handlungsspielraums zur internationalen Sachrechtsvereinheitlichung.390

387 Verweisungen mit sachenrechtlichem oder zivilprozessualem Anknüpfungsgegenstand wären jedenfalls im Hinblick auf die vertragsrechtliche Rom I-Verordnung unproblematisch. Zum inhaltlichen Umfang des Vertragsstatuts siehe unten § 11. 388 Vgl. Kropholler, IER, S. 198. 389 Siehe oben B.I.2.a)aa). 390 Würde man dies strenger bewerten, hätte dies zur Folge, dass schon hinsichtlich solch punktueller ergänzender Normen stets die Union an einem Vertragsrechtsübereinkommen zu beteiligen wäre.

70

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

cc) Ausnahme: Vorschrift nimmt eigenständigen Ausgleich von Rechtsanwendungsinteressen vor Dies gilt jedoch nur, solange der Schwerpunkt einer ergänzenden Vorschrift nicht in dem Ausgleich international-privatrechtlicher Rechtsanwendungsinteressen liegt. Weist dagegen eine Norm einen „gewichtigen kollisionsrechtlichen Gerechtigkeitsgehalt“391 auf, kann sie jedenfalls nicht als Annex zum vereinheitlichten materiellen Recht angesehen werden. Das ist dann der Fall, wenn eine Regelung am Prozess der Anknüpfung selbst ansetzt und dabei (verweisungs-)rechtspolitische Wertungen verwirklicht. Ein starkes Indiz dafür ist, wenn bei der Zuordnung des jeweiligen Verweisungsgegenstands einzelne oder die Kombination mehrerer Anknüpfungsmaximen, wie etwa des Prinzips der Rechtswahlfreiheit, der charakteristischen Leistung oder der engsten Verbindung, zum Tragen kommen. Eine derartige Regelung dient eindeutig dem Ausgleich kollisionsrechtlicher Rechtsanwendungsinteressen und würde die entsprechenden, im sekundärrechtlichen IPR getroffenen Abwägungsentscheidungen des europäischen Gesetzgebers beeinträchtigen.392 Vor diesem Hintergrund erscheint die pauschale Verweisung vereinzelter Randfragen an die lex fori in Instrumenten der Sachrechtsvereinheitlichung durchaus vertretbar.393 Ein spezielles Bestreben des konventionalen Gesetzgebers nach Schaffung kollisionsrechtlicher Gerechtigkeit ist in solchen Vorschriften jedenfalls nicht erkennbar. Anders verhält es sich dagegen bei Normen nach Art von Art. 29 CMNI.394 Diese Vorschrift des Budapester Übereinkommens schafft eine mehrstufige allseitige Kollisionsregel „soweit dieses Übereinkommen keine Bestimmungen enthält“.395 Danach findet primär diejenige Rechtsordnung ergänzend Anwendung, die von den Parteien gewählt wurde (Abs. 1). Sofern eine solche Rechtswahl nicht getroffen wurde, kommt das Recht des Staates zum Tragen, mit dem der Frachtvertrag die engsten Verbindungen aufweist (Abs. 2), wofür spezielle Vermutungen aufgestellt werden (Abs. 3.). Es handelt sich um eine Kollisionsnorm für von der Konvention nicht gelöste Restfragen. Allerdings betrifft diese nur Fragen, die in den Anwendungsbereich der CMNI fallen – also interne Lücken –,396 weil auch Art. 29 CMNI nur dann eingreifen kann, wenn die allgemeinen VorausSo Kropholler, IER, S. 200. Nur eine derartige Regelung entspräche letztlich dem Typus einer Kollisionsnorm im europäischen Sinne, dazu unten § 3 – B.I.3.a)bb). 393 Vgl. Kropholler, IER, S. 200. Problematisch könnte insofern ein Verweis auf die lex rei sitae wie in den Art. 16 Abs. 5 und 20 Abs. 4 CMR sein. Allerdings sind diese, die Verfügung über das Frachtgut betreffenden, Normen wohl ohnehin als sachenrechtlich einzuschätzen (vgl. MünchKommHGB/Jesser-Huß, Einl. CMR Rn. 39) und daher ohnehin nicht geeignet, das Vertragsrechts-IPR der Rom I-Verordnung zu beeinträchtigen. 394 Mankowski, TranspR 2008, 177 (178). 395 Mankowski, TranspR 2008, 177 (179). 391 392

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

71

setzungen der Anwendungsnorm des Einheitsrechtsakts gegeben sind.397 Im Unterschied zu den eben vorgestellten sachrechtsergänzenden Normen hat eine solche abstrakte Auffangkollisionsnorm, in den von der allgemeinen Rechtsanwendungsnorm gestellten Grenzen, einen prinzipiell umfassenden sachlichen Anwendungsbereich. Der abgedeckte Bereich umfasst somit einen erheblichen Teil des Vertragsstatuts, im Falle von Art. 29 CMNI konkret das (Rest-)Binnenschiffgüterbeförderungsvertragsstatut. Mit dem umfassenden sachlichen Anwendungsbereich geht eine ausführliche Regelung der eigentlichen Anknüpfung einher, die auf den Prinzipien der Rechtswahlfreiheit und der engsten Verbindung beruht.398 Art. 29 CMNI nimmt somit einen Ausgleich international-privatrechtlicher Rechtsanwendungsinteressen vor. Die Vorschrift hat eindeutig einen verweisungsrechtlichen Schwerpunkt und konkurriert damit unmittelbar mit dem Unions-Kollisionsrecht.399 Entsprechend würde eine zeitlich nach der Annahme der Rom I-Verordnung liegende, mitgliedstaatliche Ratifikation einer Vertragsrechtskonvention, die eine derartige Auffangkollisionsnorm aufweist, das supranationale IPR abstrakt beeinträchtigen.400 Wie hoch dabei die Wahrscheinlichkeit für eine konkrete Beeinträchtigung der Anwendung der allgemeinen europäischen Verweisungsregeln wäre, zeigt bereits das Beispiel von Art. 29 CMNI: Obwohl dieser ausdrücklich den grundsätzlich maßgeblichen Art. 3 und 4 EVÜ entsprechen sollte,401 weicht Art. 29 CMNI im Detail von den allgemeinen Verweisungsregeln ab, sodass insoweit merkliche Rechtsunterschiede auftraten.402 Um solche Diskrepanzen hinsichtlich des IPR der Rom I-Verordnung auszuschließen, ist in Zukunft für die Schaffung einer solchen abstrakten Kollisionsnorm für Restfragen auf internationaler Ebene nach Art. 216 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV die Union ausschließlich zuständig. 396 So v. Waldstein/Holland, BinSchR, Art. 29 CMNI Rn. 2. Reithmann/Martiny/ Mankowski Rn. 3028 schlägt jedoch vor, die Vorschrift als universelle Kollisionsnorm für alle Verträge über Güterbeförderung per Binnenschiff zu verwenden. 397 Kropholler, IER, S. 199. 398 Näher zu dem in dieser Vorschrift geregelten Anknüpfungssystem Reithmann/ Martiny/Mankowski Rn. 3025 ff.; Ramming, TranspR 2006, 373 (378 f.); Hartenstein/ Reuschle/Trost, Kap. 15 Rn.14 ff. 399 Zu dessen Wesensmerkmalen ausführlich unten § 3 – B.I.3.a)bb). 400 Daher stellt die Ratifikation der CMNI durch Belgien vom 5.8.2008 genau genommen eine Verletzung der primärrechtlichen Kompetenzordnung dar. Dass die Europäische Union aus diesem Grund gegen das Königreich Belgien ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengen wird, ist jedoch mehr als unwahrscheinlich. Nicht zuletzt erfolgte die Ratifikation der CMNI auch auf Anraten europäischer Gremien, vgl. die Stellungnahme des EWSA vom 24.9.2003, ABl. 2004 C 10, 49 (57). 401 Vgl. Czerwenka, TranspR 2001, 277 (283), die als deutsche Vertreterin an der Ausfertigung der Konvention beteiligt war. 402 Siehe insoweit die ausführliche Analyse durch Hartenstein, TranspR 2007, 385 (390 f.).

72

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

c) Fazit Sofern die primärrechtliche Kompetenzverteilung nicht durch Änderungsverträge verändert wird, haben auf dem Gebiet des Vertragsrechts grundsätzlich die Mitgliedstaaten die Kompetenz für den Abschluss von Sachrechtskonventionen mit Drittstaaten. Diese primärrechtlich determinierte Kompetenzverteilung bleibt von der Rom I-Verordnung grundsätzlich unangetastet; insbesondere wird letztere von kollisionsrechtlich wirkenden Rechtsanwendungsnormen sachrechtlicher Staatsverträge nicht beeinträchtigt. Folglich können die Mitgliedstaaten ohne Herbeiziehung der Union Sachrechtskonventionen mit Drittstaaten abschließen. Gleichwohl ist dabei der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten beschränkt. So dürfte es wohl weiterhin – als Mittel des politischen Kompromisses – zulässig sein, in mitgliedstaatlichen Konventionen sachlich begrenzte Randfragen nicht direkt zu regeln, sondern pauschal an die lex fori zu verweisen. Ist dagegen absehbar, dass eine Rechtsanwendungsinteressen ausgleichende Kollisionsnorm, etwa nach Art von Art. 29 CMNI, Bestandteil eines Sachrechtsübereinkommens werden soll, kann dieses nur als gemischtes Übereinkommen von Union und Mitgliedstaaten gemeinsam geschlossen werden. Denn darin wäre eine abstrakte Beeinträchtigung des Sekundärrechts der Rom I-Verordnung gemäß Art. 216 Abs. 1 i.V.m Art. 3 Abs. 2 AEUV zu sehen. Wollen die Staatsvertragsparteien keine Einmischung durch die Europäische Union riskieren, wäre es folglich ratsam, in Sachrechtskonventionen gänzlich auf Verweisungsnormen zu verzichten. Möglicherweise führt eine „drohende“ Beteiligung der Union ja zu einer erhöhten Bereitschaft von Mitglieds- und Drittstaaten, sich auch in schwierigen Fragen auf eine materiell-rechtliche Regelung zu einigen. Dass dies prinzipiell auch in vertraglichen Sachrechtskonventionen möglich ist, beweist nicht zuletzt das UN-Kaufrecht CISG, welches ausschließlich materielles Einheitsrecht setzt und dabei ohne jegliche ergänzende Verweisungen auskommt. 403 3. Die praktische Berücksichtigung von staatsvertraglichem Einheitsrecht durch die Rom I-Verordnung Ist die eher unionsverfassungsrechtliche Frage nach der Zukunft mitgliedstaatlicher internationaler Sachrechtsvereinheitlichung damit grundsätzlich positiv beantwortet, wirft dies auf der Ebene der Rechtsanwendung die Frage auf, wie das Verhältnis von (zukünftigem) staatsvertraglichem Sachrecht und dem Kollisionsrecht der Rom I-Verordnung konkret gelöst werden kann.

403 Vgl. MünchKommBGB/Westermann, Vor Art. 1 CISG Rn. 6; Ferrari, IHR 2012, 89 (94) m. w. N.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

73

a) Weiterführung des im Rahmen des EVÜ vertretenen Ansatzes über Art. 25 Rom I-VO nicht statthaft In Fortführung der bisherigen Auffassung zum EVÜ404 wird diesbezüglich überwiegend auf Art. 25 Rom I-VO abgestellt, der das Verhältnis zu internationalen Übereinkommen betrifft:405 So wird vertreten, dass diese Vorschrift der Rom I-Verordnung neben reinen Kollisionsrechts- auch Sachrechtsübereinkommen erfasst, weil letztere in ihren Rechtsanwendungsnormen wie etwa Art. 1 CMR oder Art. 1 MÜ zumindest eine – einseitige – Kollisionsnorm enthalten und damit aufgrund der Anordnung des Art. 25 von der Verordnung „unberührt“ bleiben.406 Dieser Begründungsansatz weiß jedoch aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen: aa) Vorschrift behandelt lediglich bestehende Übereinkommen So ist die Vorschrift bereits nach ihrem Wortlaut nicht geeignet, das Verhältnis der Verordnung zu den verschiedenen Formen von Sachrechtsübereinkommen zu definieren. Weniger ins Gewicht fällt dabei, dass Art. 25 Rom IVO die Übereinkommen der Union unberücksichtigt lässt.407 Jedoch bleibt danach die im Rahmen der Rom I-Verordnung einzig offene systematische Frage unbeantwortet,408 wie sich das supranationale Verweisungsrecht im Hinblick auf zukünftige Sachrechtsübereinkommen der Mitgliedstaaten verhält. Denn Art. 25 Rom I-VO betrifft lediglich bestehende Übereinkommen. Im Hinblick auf in der Zukunft geschlossene mitgliedstaatliche Sachrechtskonventionen, die weiterhin möglich sind,409 trifft die Vorschrift nach ihrem Siehe oben B.I.vor 1. und die entsprechenden Nachweise in Fn. 339. Siehe dazu auch oben A.I. 406 So Palandt/Thorn, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 26 Rom I-VO Rn. 2; Reithmann/Martiny/Martiny, Rn. 78; Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I61 (I-65) Rn. 26; Ferrari/Schulze, Art. 25 Rom I-VO Rn. 4; Ramming, Rn. 684 ff.; ders., HmbSchRZ 2009, 21 (23) Rn. 18; Jayme/Nordmeier, IPRax 2008, 503 (507 f.); Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (624); Hk-BGB/Staudinger, Art. 25 Rom I-VO Rn. 1; Schmidt-Kessel, ZEuP 2008, 605 (612); Mansel, WM 2012, 1253 (1262); Thode, NZBau 2011, 449 (452); Rudolf, ÖJZ 2011, 149 (150) Fn. 22; ebenso wohl OGH TranspR 2013, 344 (346); NKBGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 10; Erman/Hohloch, Art. 25 Rom I-VO Rn. 1; Koller, vor Art. 1 CMR Rn. 3; Wenner, Internationales Vertragsrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 20 f.; Staudinger/Steinrötter, JA 2011, 241 (243 f.); Sendmeyer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, § 34 Rn. 9; Pfeiffer/Weller/Nordmeier, in: Spindler/Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, Art. 5 Rom I-VO Rn. 1; Güllemann, Internationales Vertragsrecht, 2011, S. 46. Für eine weite Auslegung von Art. 25 Rom I-VO ebenfalls Rauscher/v. Hein, Art. 25 Rom I-VO Rn. 8. 407 Denn insoweit ist bereits höherrangiges Primärrecht in Gestalt von Art. 216 Abs. 2 AEUV einschlägig, siehe oben B.I.1.a). 408 Vgl. oben B.I.1.c). 409 Siehe oben B.I.2. 404 405

74

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Wortlaut keine Aussage.410 Somit käme diesbezüglich allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht, der jedoch entgegensteht, dass insoweit gerade keine Regelungslücke vorliegt. Wie gezeigt,411 beruht die retrospektive Formulierung des Art. 25 Rom I-VO auf dem Kompetenzübergang nach Art. 216 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV, wonach im Hinblick auf die Kollisionsrechtsvereinheitlichung mit Drittstaaten seit dem 17. Juni 2008 die Union ausschließlich zuständig ist. Auf dem Gebiet der internationalen Sachrechtsvereinheitlichung ist dies jedoch nicht der Fall,412 sodass die zeitliche Differenzierung und damit Art. 25 Rom I-VO als solcher im Hinblick auf Sachrechtsübereinkommen untauglich ist.413 bb) Rechtsanwendungsnormen stellen keine „Kollisionsnormen“ im Sinne von Art. 25 Rom I-VO dar Gegen den Begründungsansatz der wohl h. M. lässt sich überdies einwenden, dass die Rechtsanwendungsnormen von Sachrechtsübereinkommen keine „Kollisionsnormen“ im Sinne von Art. 25 Rom I-VO darstellen.414 Dabei handelt es sich nunmehr um einen autonomen Begriff, dessen konkrete Ausfüllung im primär- und sekundärrechtlichen Kontext zu erfolgen hat. (1) Die Herausbildung des europäischen Kollisionsnormbegriffes Dieser Kontext ist mittlerweile sehr ergiebig. Immerhin wurden mit dem Amsterdamer Vertrag auf die damalige Europäische Gemeinschaft konkrete Rechtssetzungsbefugnisse im Bereich des Internationalen Privatrechts übertragen. Zwar wurde bereits davor in verschiedenen Bereichen Kollisionsrecht auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene geschaffen.415 Seit der Implementierung von Art. 65 lit. b Alt. 1 EGV (nunmehr Art. 81 Abs. 2 lit. c Alt. 1 AEUV) in das Primärrecht hat die Gemeinschaft respektive Union jedoch unter dem Titel der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die ausdrückliche Kompetenz, Maßnahmen „zur Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitglied410 Schilling, EuZW 2011, 776 (778); in dieselbe Richtung Ancel, Yb. PIL X (2008), 221 (229 f.). 411 Siehe oben A.I.2. 412 Siehe oben B.I.2.a). 413 Ebenso Wagner, TranspR 2009, 103 (107). A.A. Rauscher/v. Hein, Art. 25 Rom IVO Rn. 8. 414 So schon Schilling, EuZW 2011, 776 (778 f.); Franzina, NLCC 2009, 935 (938 ff.). Vgl. auch MünchKommBGB/Westermann, Vor Art. 1 CISG Rn. 6, der den Lösungsansatz über Art. 25 Rom I-VO im Hinblick auf das CISG bezweifelt, da dieses keinerlei Kollisionsnormen enthalte. 415 Siehe etwa die Studie von Brödermann, in: Brödermann/Iversen, § 4 und 5 oder die detailierte Analyse von Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl. 1999, S. 457 ff.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

75

staaten geltenden Kollisionsnormen“ zu treffen.416 Diese Zuständigkeit ist in den letzten Jahren in ausgiebiger Weise genutzt worden, mitunter in Verbindung mit dem Erlass von „Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten“ im Sinne von Art. 81 Abs. 2 lit. c Alt. 2 AEUV, sprich von Normen über die internationale Zuständigkeit. Abgesehen von der hier im Mittelpunkt stehenden Rom I-Verordnung aus dem Jahr 2008 wurden auf Grundlage von Art. 81 Abs. 2 lit. c Alt. 1 AEUV (ex-Art. 65 lit. b Alt. 1 EGV), beginnend mit der Rom II-Verordnung im Jahr 2007, die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen417 und die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts418 erlassen (Rom III-VO). Weiterhin existieren mittlerweile die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses419 sowie aktuelle Verordnungsvorschläge, die unter anderem eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts im internationalen Güterrecht der Ehe420 bzw. der eingetragenen Lebenspartnerschaft421 betreffen. Diese Fülle an Rechtsakten zeigt, dass die sekundärrechtliche Vereinheitlichung von IPR mittlerweile einen Rechtssetzungsschwerpunkt der Europäischen Union darstellt.422 Manche sehen in diesen Verordnungen bereits das Fundament für eine umfassende europäische IPR-Kodifikation.423 Ausführlich zu dem durch den Amsterdamer Vertrag in den EGV eingeführten Kompetenztitel zum Erlass von europäischem Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht Remien, CMLR 2001, 53 (55 ff.). Zu den durch den Lissaboner Vertrag daran vorgenommenen marginalen Veränderung Dutta, EuZW 2010, 530 (531). 417 ABl. 2009 L 7, 1. 418 ABl. 2010 L 343, 10. 419 ABl. 2012 L 201, 107. 420 Vorschlag für eine Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM(2011) 126 endg. 421 Vorschlag für eine Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften, KOM(2011) 127 endg. 422 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 81 AEUV Rn. 43. 423 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2009, 1 (2). Kritischer dagegen Dutta, EuZW 2010, 530 (534) nach dessen Einschätzung das sekundärrechtliche IPR eher eklektizistischen Charakters ist und zumindest bisher keinen systematisierenden Anspruch verfolgt. Siehe zu dieser Frage auch den Tagungsband von Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0Verordnung, 2013. 416

76

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Vollzieht man die genannten aus Art. 81 Abs. 2 lit. c Alt. 1 AEUV (exArt. 65 lit. b Alt. 1 EGV) abgeleiteten Rechtsakte einer Analyse hinsichtlich der darin enthaltenen Normen, fällt eine prägende Gemeinsamkeit auf: Sowohl den schuldrechtlichen als auch den nach dem besonderen Verfahren nach Art. 81 Abs. 3 AEUV erlassenen Verordnungen des Familienrechts ist gemein, dass die das anwendbare Recht betreffenden Vorschriften durchweg „klassische“ Verweisungsnormen darstellen.424 Dabei wird ein konkreter Anknüpfungsgegenstand mittels eines bestimmten (Anknüpfungs-)Merkmals einer bestimmten Rechtsordnung zugewiesen.425 Weiterhin sind die europarechtlich vereinheitlichten Verweisungsnormen allseitig gefasst, sie berufen also nicht nur eine einzige zur Anwendung kommende Rechtsordnung.426 Damit greift das supranationale Kollisionsrecht die Savigny’sche Konzeption von Internationalem Privatrecht auf.427 Einseitige Kollisionsnormen kommen in den genannten Rechtsakten hingegen nicht vor. Insbesondere tritt bei den supranationalen Normen die subsidiäre Funktion von IPR, materielles (Sach-) Recht räumlich abzugrenzen,428 weiter zurück. Dies erklärt sich daraus, dass das korrespondierende, zur Anwendung berufene Sachrecht überwiegend nicht auf der Ebene des Unionsrechts geregelt ist.429 Stattdessen ist die materielle Privatrechtssetzung auch nach dem Vertrag von Lissabon grundsätzlich Angelegenheit der Mitgliedstaaten.430 Daher kann es – jedenfalls bisher – nicht Zielsetzung des Unionskollisionsrechts sein, speziell den räumlichen Anwendungsbereich des jeweiligen mitgliedstaatlichen materiellen Privatrechts zu definieren.431 Dies geschieht durch die supranationalen AnknüpVgl. Schilling, EuZW 2011, 776 (778 f.). Die Unterhalts-VO 4/2009 selbst enthält keine eigenständigen Kollisionsnormen, sondern verweist in ihrem Art. 15 hinsichtlich der Fragen des anwendbaren Rechts auf das Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, ABl. 2009 L 331, 19. 425 Zum Aufbau einer Kollisionsnorm Kropholler, IPR, S. 104 ff.; Kegel/Schurig, S. 310 ff. Siehe auch den Versuch einer europarechtlichen Definition bei Nehne, S. 19 ff. 426 W.-H. Roth, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 11 (29); Kroll-Ludwigs, S. 41; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 81 AEUV Rn. 43. 427 Vgl. Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227 (236); Kroll-Ludwigs, S. 41. 428 Zu dieser Funktion des IPR Müller-Freienfels, in: Festskrift Hellner, 1984, S. 369 (371 f.) m. w. N.; vgl. Siehr, RabelsZ 37 (1973), 466 (475); ders., RabelsZ 46 (1982), 357 (361 ff.). 429 Vgl. Siehr, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, 2008, S. 77 (85). 430 Siehe oben B.I.2.a)aa). 431 Vgl. Basedow, RabelsZ 73 (2009), 455 (459); ders., in: Liber Amicorum Borrás, S. 175 (181 f.), der die Union eher als ein Schiedsrichter über die „Rechtsanwendungsansprüche der einzelnen Mitgliedstaaten“ ansieht. In dieser Neutralität wird gerade ein Vorzug des europäischen IPR gesehen, so Siehr, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, 2008, S. 77 (85). Lediglich hinsichtlich materiellen Unionsprivatrechts könnte man der Union ein derartiges Abgrenzungsintersse zusprechen. 424

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

77

fungsregeln allenfalls mittelbar. Deren wesentlicher Zweck besteht vielmehr darin, einen – gegebenenfalls wirtschafts- oder sozialpolitisch geprägten – 432 Ausgleich der Rechtsanwendungsinteressen der Parteien bei Sachverhalten mit internationalen Bezügen herbeizuführen. (2) Bestätigung durch die eDate-Entscheidung des EuGH Ein derartiges europäisches Verständnis von Kollisionsrecht kam jüngst auch in einer Entscheidung des EuGH zum Ausdruck. Diesem oblag es, in seinem eDate-Urteil433 den kollisionsrechtlichen Gehalt einer Norm des sekundären Unionsrechts, genauer von Art. 3 e-Commerce-Richtlinie (ECRL),434 zu bewerten. Vorgelegt vom BGH435 hatte der Europäische Gerichtshof die Frage zu entscheiden, inwieweit es sich bei der darin enthaltenen Regelung um eine an das Herkunftslandprinzip anknüpfende Kollisionsnorm handelt bzw. um eine Regelung, die die Schaffung einer solchen Norm durch die Mitgliedstaaten verlangt.436 Darüber war vor allem in der deutschen Rechtswissenschaft eine rege Diskussion entbrannt.437 Der EuGH rief in seiner Entscheidung zunächst Art. 1 Abs. 4 ECRL in Erinnerung, laut dem die Richtlinie keine zusätzlichen Regeln im Bereich des Internationalen Privatrechts hinsichtlich des anwendbaren Rechts schafft.438 Sodann führte er aus, dass auch eine Auslegung der Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 ECRL dahin, dass sie zu einer Anwendung des im Sitzmtitgliedstaat geltenden Sachrechts führe, nicht ihre Einordnung als Regel im Bereich des Internationalen Privatrechts nach sich zöge.439 Aufschlussreich ist die Begründung, die der EuGH diesbezüglich anführte: Laut diesem würde nämlich eine so geartete Verpflichtung nicht die Merkmale einer Kollisionsregel aufweisen, da eine solche dazu bestimmt wäre, „einen spezifischen Konflikt zwischen mehreren zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen zu lösen“.440 Daraus wird ersichtlich, dass auch der Europäische Gerichtshof von sekundärrechtlichem Kollisionsrecht als „klassischem“ Verweisungsrecht ausgeht. Vgl. Lehmann, in: FS Spellenberg, S. 245 (256). EuGH, 25.10.2011 – Rs. C-509/09 u. a. [eDate], Slg. 2011, I-10269 = NJW 2012, 137 = GRUR 2012, 300. Dazu Heinze, EuZW 2011, 947 ff.; Hess, JZ 2012, 189 ff.; Spindler, AfP 2012, 114 ff.; W.-H. Roth, IPRax 2013, 215 ff. 434 Richtlinie 2000/31/EG vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. 2000 L 178, 1. 435 Der Vorlagebeschluss ist abgedruckt in IPRspr. 2009 Nr. 31. 436 Richtlinien selbst können keine Kollisionsnormen enthalten, sondern lediglich Rechtssetzungaufträge an die Mitgliedstaaten, siehe oben A.II.1. 437 Siehe im Einzelnen die Nachweise bei Sack, EWS 2010, 70 (71 ff.). 438 EuGH (Fn. 433) Rn. 60. 439 EuGH (Fn. 433) Rn. 61. 440 EuGH (Fn. 433) Rn. 61. 432 433

78

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

(3) Schlussfolgerung Letztlich lässt sich festhalten, dass sich nunmehr ein konkreter europäischer Kollisionsnormbegriff herauskristallisiert hat, der der sekundärrechtlichen Gesetzgebung, insbesondere der Rom I-Verordnung, innewohnt.441 Dafür spricht auch, dass der europäische Gesetzgeber atypische Normen mit fragwürdigem kollisionsrechtlichem Gehalt nach und nach zu eliminieren scheint.442 Bei Kollisionsnormen im europäisch-autonomen Sinne handelt es sich um klassisches IPR, um allseitige Verweisungsnormen also, die dazu bestimmt sind, einen spezifischen Konflikt zwischen mehreren zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen zu lösen. Diesen Charakter weisen die Rechtsanwendungsnormen der Sachrechtsübereinkommen nicht auf. Letztere entsprechen hinsichtlich Zweck und Funktionsweise nicht dem europarechtlichen Verständnis von Kollisionsnormen. Denn der international-privatrechtliche Aussagegehalt der doppelfunktionalen Rechtsanwendungsnormen beschränkt sich darauf, das vereinheitlichte Sachrecht räumlich-persönlich abzugrenzen.443 Im heutigen supranationalen IPR tritt diese Funktion dagegen zurück, jedenfalls im Hinblick auf das mitgliedstaatliche Sachrecht.444 Prägend für europäische Kollisionsnormen ist vielmehr die verweisungsrechtliche Methode, mit deren Hilfe das der Sache angemessene, dem privaten Rechtsanwendungsinteresse der Beteiligten am nächsten stehende, Entscheidungsrecht für den Sachverhalt berufen wird und gegebenenfalls mit Hilfe der verschiedenen Anknüpfungen bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Interessen berücksichtigt werden. Konzeption und Zielsetzung von Kollisionsnormen im Sinne der Rom I-Verordnung und staatsvertraglicher Rechtsanwendungsnormen sind somit grundverschieden. Letztere können folglich nicht unter Art. 25 Rom I-VO subsumiert werden.445 cc) Widerspruch gegen die primärrechtliche Kompetenzverteilung Weiterhin steht einer Lösung des Konkurrenzverhältnisses zwischen materiellrechtlichen Übereinkommen und der Rom I-Verordnung über Art. 25 Rom I441 So im Ansatz MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 12; Nehne, S. 19 ff. Bei Unions-IPR handelt es sich um eine Unterkategorie des „integrierten Kollisionsrechts“ im Sinne von Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl. 1999, S. 457 (473 ff.). 442 Namentlich wurde dazu übergegangen, die punktuellen kollisionsrechtlichen Vorschriften in speziellen Verbraucherrichtlinien aufzuheben, siehe oben A.II.1. 443 Siehe oben B.I.3.a)bb). Ebenso Kuipers, RabelsZ 76 (2012), 562 (582); ähnlich Wagner, TranspR 2009, 103 (107 f.); Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (54 f.) Rn. 3.19. 444 Basedow, in: Hdwb. EuPR, Internationales Privatrecht, S. 906; ders. in: Liber Amicorum Borrás, S. 175 (181 f.). 445 Siehe auch Schilling, EuZW 2011, 776 (778 f.). Zum selben Ergebnis kommend de Meyer, REDC 2009, 631 (653).

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

79

VO die primärrechtliche Außenkompetenzverteilung zwischen Europäischer Union und ihren Mitgliedstaaten entgegen. Wäre Art. 25 Rom I-VO derart weit auszulegen, dass dieser aufgrund der in ihnen enthaltenen Rechtsanwendungsnormen stets auch Sachrechtsübereinkommen erfasst, würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass staatsvertraglich vereinheitlichtes Sachrecht generell in den Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung fällt. Würde sich die Rom IVerordnung aber auch auf transnationales materielles Vertragsrecht erstrecken,446 müsste dies gemäß Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 AEUV zur Folge haben, dass nunmehr bezüglich der materiellen Vertragsrechtsvereinheitlichung die Europäische Union außenzuständig wäre.447 Dies ist jedoch nicht der Fall,448 weshalb ein Vorrang des internationalen Sachrechts nicht aus der Rom I-Verordnung selbst hergeleitet werden kann. dd) Indizwirkung des Verzeichnis nach Art. 26 Rom I-VO Gegen eine weite Auslegung von Art. 25 Rom I-VO spricht außerdem das aufgrund von Art. 26 Rom I-VO veröffentlichte Verzeichnis der Übereinkommen.449 Darin erfasst sind laut Art. 26 Rom I-VO all diejenigen internationalen Übereinkommen der Mitgliedstaaten, die Gegenstand von Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO bilden. Wäre die Prämisse der h. M. zutreffend, dass die Rechtsakte des materiellen internationalen Einheitsrechts stets eine (Rechtsanwendungs-)Kollisionsnorm enthalten und infolgedessen unter Art. 25 Rom I-VO fallen, müssten in diesem Verzeichnis alle von den Mitgliedstaaten ratifizierten Sachrechtsübereinkommen aufgeführt sein.450 Entsprechend müssten sich darin die vom überwiegenden Teil der Mitgliedstaaten ratifizierte CMR451 oder, um das bekannteste Beispiel aus dem Kaufrecht zu nennen, das CISG452 finden lassen. Dem ist jedoch offensichtlich nicht so. In dem Verzeichnis sind die meisten transportrechtlichen Sachrechtsübereinkommen der Mitgliedstaaten nicht aufgeführt. Weder die CMR noch das WA noch das Athener Übereinkommen So wie es der deutsche Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO durchaus nahelegen könnte. 447 Näher dazu oben A.I.2.a). Siehe auch zur vergleichbaren Problematik im Rahmen der Rom II-Verordnung Ramming, RdTW 2014, 129 (145). 448 Siehe ausführlich oben B.I.2.a). 449 ABl. 2010 C 343, 3. 450 Vgl. Schilling, EuZW 2011, 776 (779). 451 Zum Ratifikationsstand der CMR siehe oben § 1 – B.I.1. 452 Folgende 23 EU-Staaten, in denen die Rom I-Verordnung gilt, hatten zuvor das CISG ratifiziert (Ratifikationsstand nach : Österreich, Belgien, Bulgarien, Zypern, Tschechien, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden. 446

80

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

1976453 werden genannt. Auch das CISG wurde von keinem einzigen Mitgliedstaat an die Kommission übermittelt. Daraus wird deutlich, dass es sich bei diesen Konventionen aus Sicht der Mitgliedstaaten nicht um Übereinkommen handelt, die in den Anwendungsbereich von Art. 25 Rom I-VO fallen. Allerdings ist festzustellen, dass die genaue Beurteilung des eigenen Besitzstandes an Übereinkommen i. S. d. Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO den Mitgliedstaaten anscheinend einige Schwierigkeiten bereitete. So wurde das Verzeichnis erst ein Jahr später als von Art. 26 Rom I-VO vorhergesehen – statt bis zum 17. Dezember 2009 erst im Amtsblatt vom 17. Dezember 2010 – veröffentlicht. Zudem treten innerhalb des Verzeichnisses einige Widersprüche zwischen den jeweiligen Mitteilungen der Mitgliedstaaten auf: So werden zwar vereinzelt Instrumente der Sachrechtsvereinheitlichung aufgeführt, jedoch nicht von allen Vertragsstaaten aus dem Kreise der EU-Mitgliedstaaten. Dies trifft zum einen auf die CMNI zu, die mit ihrem Art. 29 eindeutig eine besondere Kollisionsnorm aufweist, 454 und daher zu Recht überwiegend als Übereinkommen i. S. v. Art. 25 Rom I-VO aufgelistet wird. Allerdings wird das Budapester Übereinkommen nur von acht der zehn der Union damals angehörenden Vertragsstaaten genannt.455 Nicht aufgeführt wurde es vom Königreich Belgien, für welches das Übereinkommen jedoch erst nach dem Stichtag des Art. 26 Rom I-VO in Kraft getreten ist, nämlich zum 1. Dezember 2008,456 sowie von Rumänien, für welches die Konvention bereits am 1. April 2005 Wirksamkeit erlangte.457 Das andere Sachrechtsübereinkommen, das in dem Verzeichnis nach Art. 26 Rom I-VO nicht von allen EU-Vertragsstaaten aufgelistet wurde, ist das Übereinkommen über den Vertrag über die internationale Beförderung von Personen und Gepäck auf der Straße von 1973.458 Die CVR wurde ledig-

Zwar ist die Union dem Protokoll von 2002 beigetreten, dieses ist jedoch völkerrechtlich erst 2014 in Kraft getreten und zudem erfolgte der Beschluss erst mehr als drei Jahre nach dem Stichdatum des Art. 26 Rom I-VO (siehe die Nachweise oben § 1 – B.V.2.). 454 Siehe oben B.I.2.b)cc). 455 Insofern ungenau Schilling, EuZW 2011, 776 (779) Fn. 46. Bei den Vertragsstaaten aus der EU handelt es sich um Bulgarien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik und Ungarn, siehe Fundstellennachweis B (2014), S. 912. Der CMNI-Vertragsstaat Kroatien trat der Europäischen Union freilich erst nach der Erstellung des aus dem Jahr 2010 stammenden Verzeichnisses bei, nämlich im Jahr 2013. 456 Siehe BGBl. 2009 II, 822. 457 Siehe BGBl. 2007 II, 1390. Die Rechtsauffassung Rumäniens ist nur schwerlich nachzuvollziehen. So wird nicht nur die eindeutig unter Art. 25 Rom I-VO fallende CMNI nicht genannt, sondern umgekehrt werden die Eisenbahnkonventionen CIV und CIM 1961 samt Zusatzübereinkommen und -protokollen gelistet, die aber keine vertraglichen, sondern ausschließlich zivilprozedurale Verweisungsnormen aufweisen. 458 Zum Ratifikationsstand siehe oben § 1 – B.I.2. 453

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

81

lich von den Vertragsstaaten Lettland und der Tschechischen Republik genannt, nicht aber von der Slowakei.459 Diese Ungereimtheiten460 legen nahe, dass selbst unter den Mitgliedstaaten die kollisionsrechtliche Relevanz von Sachrechtsübereinkommen unterschiedlich eingeschätzt wird. Auf mitgliedstaatlicher Ebene besteht somit keine vollständige Einigkeit darüber, wann genau eine Kollisionsnorm im Sinne von Art. 25 Rom I-VO vorliegt.461 Dennoch lässt sich aus dem Verzeichnis nach Art. 26 Rom I-VO zumindest eine negative Schlussfolgerung ziehen: So wird daraus deutlich, dass Sachrechtsübereinkommen nicht allein schon wegen ihrer Rechtsanwendungsnormen unter Art. 25 Rom I-VO fallen.462 Insoweit stimmen schließlich alle mitgliedstaatlichen Mitteilungen überein. b) Vorzugswürdige Anwendungsbereichslösung Der Ansatz für die Lösung des Spannungsverhältnisses von einheitlichem Sachrecht und der verweisungsrechtlichen Rom I-Verordnung muss besonderen primärrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen, namentlich dem Respekt vor sachrechtlichen Altübereinkommen und der Kompetenzverteilung bezüglich des Außenhandelns gegenüber Drittstaaten. aa) Anwendung der Rom I-Verordnung setzt „Konflikt der Rechte“ voraus Dem wird eher eine beschränkende Auslegung des in Art. 1 Abs. 1 definierten Anwendungsbereichs der Rom I-Verordnung gerecht, wonach diese nur dann anwendbar ist, wenn ein Konflikt divergierender (Sach-)Rechtsordnungen bzw. ein conflict of laws oder conflit de lois vorliegt.463 Der Wortlaut 459 Die CVR enthält in ihren Artikeln 13 Abs. 1 und 22 Abs. 4 zwar das Sachrecht ergänzende Verweisungsnormen. Dies allein dürfte jedoch eine Aufnahme in das Verzeichnis nach Art. 26 Rom I-VO nicht rechtfertigen, da ansonsten auch alle anderen Transportrechtsübereinkommen aufgeführt werden müssten, die ebenfalls solche ergänzenden Normen enthalten, siehe oben B.I.2.b)aa) und bb). 460 Vgl. insoweit auch Martiny, ZEuP 2013, 838 (861). 461 Siehe dazu oben B.I.3.a)bb). 462 Vgl. Schilling, EuZW 2011, 776 (779). 463 Schilling, EuZW 2011, 776 (779 f.); Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 402 (417); Lüttringhaus, in: Ferrari (Hrsg.), Rome I Regulation, 2015, Art. 1 Rn. 39; Nehne, S. 118, 160; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 13; Brödermann/Rosengarten, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht (IPR/IZVR), 7. Aufl. 2015, Rn. 290; PWW/Wegen/ Brödermann, Art. 1 Rom I-VO Rn. 8 f.; Bischoff, S. 184; Basedow, in: Liber Amicorum Wolfrum, S. 1869 (1880 f.); Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (54 f.) Rn. 3.19.; Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 4; ebenso wohl Wagner, TranspR 2009, 103 (108); Hoeks, S. 127 ff.; Calliess/Calliess/Hoffmann, Art. 25 Rome I Rn. 4; Pauknerová, in: Liber Amicorum Borrás, S. 671 (676). Vgl. auch Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (469) Fn. 29, wonach die in den Übereinkommen enthaltenen materiellen Vorschriften „necessa-

82

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

der meisten Sprachfassungen und das Ziel der Verordnung legen nahe, dass ein solcher Rechtskonflikt die Bedingung für die Anwendung des Unionskollisionsrechts ist.464 Auch der EuGH hat jüngst festgestellt, dass die Lösung eines solchen Rechtskonflikts das charakteristische Anliegen des europäischen Kollisionsrechts ist.465 Die deutsche Sprachfassung des Anwendungsbereichs der Rom I-Verordnung („Verbindung zum Recht verschiedener Staaten“) ist daher irreführend und wohl ein Ergebnis einer sprachlichen Referenz zur IPR-Definition im deutschen Art. 3 EGBGB.466 bb) „Rechtskonflikt“ bei Anwendbarkeit von vereinheitlichtem Sachrecht nicht gegeben Solche von Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO vorausgesetzten „Rechtskonflikte“ liegen im Anwendungsbereich einer international vereinheitlichten Sachnorm nicht vor.467 Das völkervertragliche Sachrecht, das aufgrund des innerstaatlichen Anwendungsbefehls in der lex fori Wirkung entfaltet,468 berührt somit das supranationale Verweisungsrecht der Rom I-Verordnung nicht und wird von ihr unabhängig vom Gericht angewendet.469 Dabei spielt es keine Rolle, ob tatsächlich eine materielle Rechtseinheit aller im Sachverhalt betroffenen Rechtsordnungen eingetreten ist, indem das Einheitsrecht umfassend ratifiziert wurde. Entscheidend ist einzig, dass das internationale Sachrecht in der lex fori verbindlich und konkret, sprich räumlich-persönlich, sachlich und zeitlich, anwendbar ist, weil dann zumindest aus Sicht des beurteilenden

rily apply irrespective of the Regulation“. Ähnlich (Vorrang von internationalem Sachrecht gegenüber IPR aufgrund dessen Spezialität) Ferrari, IHR 2012, 89 (90); ders., in: Schlechtriem/Schwenzer, Vor Art. 1–6 Rn. 34 m. w. N. aus der italienischen Rspr. 464 Siehe im Einzelnen Basedow, RabelsZ 128 (2010), 118 (128); ders., in: Liber Amicorum Wolfrum, S. 1869 (1880 f.) für die insofern übereinstimmende Rom II-Verordnung. 465 EuGH, Rs. C-509/09 (Fn. 433), NJW 2012, 137 Rn. 61. Näher dazu oben B.I.3.a) bb)(2). 466 PWW/Wegen/Brödermann, Art. 1 Rom I-VO Rn. 8; Basedow, RabelsZ 128 (2010), 118 (128). 467 So schon Zweigert/Drobnig, RabelsZ 29 (1965), 146 (148): „Ohne Rechtskollisionen kein Kollisionsrecht“. Siehe auch v. Caemmerer, in: FS Hallstein, S. 63 (65). Ähnlich drückt dies Siehr, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, 2004, S. 69 (74) aus, laut dem IPR dort überflüssig sei, wo das „Chaos“ der Verschiedenheit der materiellen Sachrechte infolge internationaler Sachrechtsvereinheitlichung nicht mehr besteht. Dieser Grundgedanke lag im Übrigen bereits dem EVÜ zugrunde, vgl. Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 42. 468 Siehe oben § 2 – B.I.1. 469 Gegenüber den autonomen Kollisions- und Sachnormen geht das internationale Sachrecht wegen seines völkervertraglichen Ursprungs vor. In Deutschland ergibt sich dies aus Art. 3 Nr. 2 EGBGB, vgl. Brödermann/Rosengarten, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht (IPR/IZVR), 7. Aufl. 2015, Rn. 290.

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

83

Gerichts kein conflict of laws besteht.470 Innerhalb des Anwendungsbereichs einer einschlägigen, staatsvertraglich vereinheitlichten Sachnorm ist somit die Rom I-Verordnung nicht anwendbar. Weil in diesem Fall gerade keine inhaltliche Überschneidung mit dem Kollisionsrecht der Rom I-Verordnung vorliegt, ist die Anwendung von staatsvertraglichem Sachrecht grundsätzlich auch nicht geeignet, Grundsätze zu beeinträchtigen, „auf denen die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen in der Union beruht“. 471 cc) Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung hinsichtlich materiellrechtlich nicht vereinheitlichter Bereiche eröffnet Die Anwendung der Rom I-Verordnung ist dennoch nicht pauschal im gesamten durch die Rechtsanwendungsnorm räumlich-sachlich abgesteckten Anwendungsbereich einer Sachrechtskonvention ausgeschlossen. Nur soweit das Übereinkommen materielle Aussagen denn auch tatsächlich trifft, besteht kein „Konflikt der Rechte“. Es kommt somit entscheidend auf die Regelungsdichte des Übereinkommens an. Die Reichweite des „konfliktbereinigten“ Raums wird damit nicht nur begrenzt durch den von der Rechtsanwendungsnorm vor die Klammer gezogenen abstrakten räumlich-sachlichen Anwendungsbereich der Konvention, 472 sondern zudem durch den inhaltlichen Grad der jeweiligen Sachrechtsvereinheitlichung. Je mehr materiellrechtliche Fragestellungen ein Übereinkommen selbst löst, desto mehr Rechtskonflikte werden beseitigt. Dazu tragen im weiteren Sinne auch das Sachrecht ergänzende Normen bei, da auch für deren (stets sachlich begrenzten) Gegenstand jedenfalls die maßgebliche materiell-rechtliche Rechtsordnung feststeht.473 Dagegen bleiben hinsichtlich solcher Materien, die vollständig ausgeklammert und von dem Sachrechtsakt überhaupt nicht behandelt Die rechtskonfliktbereinigende Wirkung ist jedoch bei einer lediglich materiellrechtlichen Übernahme einheitsrechtlicher Vorschriften ins nationale Recht ohne gleichzeitige Ratifikation des Staatsvertrages nicht gegeben, wie im Fall des AÜ 1974, dessen Vorschriften als Anhang zu § 664 HGB a. F. ins deutsche Recht überführt worden waren. Denn ohne einen überlagernden völkerrechtlichen Anwendungsbefehl und das damit einhergehende Gebot zur autonomen Auslegung (siehe oben oben § 1 – A.II.) besteht weiterhin Raum für nationale Einzelgänge bei der Rechtsanwendung. Da so keine Rechtseinheit gewährleistet werden kann, ist in dieser Konstellation deshalb von einem weiterhin bestehenden conflict of laws auszugehen. 471 Vgl. EuGH, Rs. C-533/08 (1. Kapitel Fn. 212), NJW 2010, 1736 Rn. 49. Siehe dazu oben § 2 – B.III.2.b). Eine solche Beeinträchtigung könnte sich allenfalls aus im Sachrecht enthaltenen Kollisionsnormen ergeben, siehe sogleich B.I.3.b)cc). 472 Dieses passende Bild verwenden etwa Kegel, in: FS Ehrenzweig, S. 51 (64 f.); Czerwenka, S. 31 und Wendehorst, in: Langenbucher (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 8 Rn. 6. 473 Im Ergebnis wohl ebenso Basedow, RabelsZ 128 (2010), 118 (128). Zu diesen sachrechtsergänzenden Normen siehe oben B.I.2.b)aa). 470

84

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

werden, also im Bereich von (in- sowie externen) Regelungslücken, Rechtskonflikte weiterhin bestehen. Davon zeugen nicht zuletzt abstrakte Auffangkollisionsnormen wie Art. 29 CMNI, die solche (Rest-)Konflikte ja gerade verweisungsrechtlich zu lösen versuchen.474 Derartige im Sachrechtsakt enthaltene Kollisionsnormen treten damit in direkte Konkurrenz zum IPR der Rom I-Verordnung, deren Anwendungsbereich insoweit – weil ja gerade keine internationale materielle Rechtseinheit besteht – prinzipiell eröffnet ist. Das daraus resultierende Spannungsverhältnis wird für bestehende Übereinkommen über Art. 25 Rom I-VO gelöst. Danach tritt die Rom I-Verordnung hinsichtlich einer spezielleren staatsvertraglichen Kollisionsnorm, allen voran Art. 29 CMNI,475 zurück.476 Was zukünftige Sachrechtsübereinkommen der Mitgliedstaaten angeht, dürfte eine Konkurrenz indes nicht mehr auftreten, weil die Mitgliedstaaten nur noch im Hinblick auf die Vereinheitlichung materiell-rechtlicher Normen gegenüber Drittstaaten kompetent sind. Vertragsrechtlich relevante Kollisionsnormen dürfen auf internationaler Ebene in Zukunft direkt von der Union geschaffen werden,477 die gegenüber der Rom IVerordnung dann bereits gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV vorgehen.478 4. Ergebnis Bei der Berücksichtigung von internationalem Sachrecht muss im Rahmen der Rom I-Verordnung zwischen Unions- und mitgliedstaatlichen Übereinkommen unterschieden werden. Erstere sind bereits aufgrund von Art. 216 Abs. 2 AEUV vorrangig. Das in letzteren enthaltene Sachrecht berührt dagegen nicht den Anwendungsbereich der Verordnung und kommt von ihr unabhängig zur Anwendung. Lediglich hinsichtlich darin enthaltener Kollisionsnormen (nicht aber Rechtsanwendungsnormen) können überhaupt Kollisionen mit der verweisungsrechtlichen Rom I-Verordnung auftreten. Sind erstere in sachrechtlichen Altverträgen enthalten, greift insoweit Art. 25 Rom I-VO ein und ordnet deren Vorrang an. In Konventionen, die nach Verabschiedung der Rom I-Verordnung durch die Mitgliedstaaten abgeschlossen werden, sind solche Normen kompetenzrechtlich nicht vorgesehen, sodass insoweit ebenfalls kein Konflikt entstehen sollte. Siehe oben B.I.2.b)cc). Nach Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 10 und 32 ff. tritt einzig Art. 29 CMNI in Konkurrenz zu dem Verweisungsrecht des Art. 5 Rom I-VO. 476 Die Anwendung von Art. 29 CMNI beeinträchtigt im Übrigen weder den prozessualen noch den kollisionsrechtlichen Kern der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen (siehe oben § 2 – B.III.2.b)). Da die Vorschrift den Artikeln 3 und 4 EVÜ nachgebildet ist und somit weitgehend den Regeln der Rom I-Verordnung entspricht, werden durch diese Norm unionskollisionsrechtliche Grundsätze wie Rechtswahlfreiheit und Prinzip der engsten Verbindung beachtet. 477 Siehe oben A.I.2.b). 478 Siehe oben § 2 – B.III.1. 474 475

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

85

II. Regional (supranational) harmonisiertes bzw. vereinheitlichtes Sachrecht Wie gezeigt, verfolgt das supranationale Kollisionsrecht jedenfalls nicht primär das Ziel, den räumlichen Anwendungsbereich des nationalen materiellen Rechts der EU-Mitgliedstaaten zu definieren.479 Möglicherweise könnte die Rom I-Verordnung eine derartige Funktion aber hinsichtlich des materiellen Rechts der Union wahrnehmen. Schließlich muss auch unmittelbares europäisches Privatrecht ex- oder implizit angeben, auf welche Sachverhalte es in international-räumlicher Hinsicht angewendet werden will.480 Damit ist Voraussetzung ein jeder EU-rechtlicher Sachnorm eine Rechtsanwendungsnorm, der die räumlichen Kriterien ihrer Anwendbarkeit zu entnehmen sind.481 Bei der Rom I-Verordnung könnte es sich nun um ein allgemeines Rechtsinstrument zur Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs von bisher lediglich fragmentarisch auftretendem, 482 vertraglichen Sekundärsachrecht handeln. Dies führt zu der Frage, inwieweit das Verweisungsrecht der Rom I-Verordnung dem materiellen Unionsvertragsrecht vorgeschaltet ist: Ist beispielsweise der Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach Art. 7 der FluggastrechteVO von einem mitgliedstaatlichen Gericht ohne Rücksicht auf das Unions-IPR anzuwenden oder nur dann, wenn die von der Rom I-Verordnung bestimmte lex causae eine mitgliedstaatliche Rechtsordnung ist? 483 Bei dieser Fragestellung ist zu beachten, dass entsprechend den primärrechtlich vorgegebenen Handlungsmöglichkeiten des europäischen Gesetzgebers verschiedene supranationale Rechtsakttypen zu unterscheiden sind, die materielles Vertragsrecht setzen können: Neben sachrechtlichen Staatsverträgen der Union, die bereits im Rang über der Rom I-Verordnung stehen und daher hier außer Acht gelassen werden sollen,484 kann materielles europäisches Vertragsrecht nicht nur durch Verordnungen, sondern auch durch Richtlinien normiert werden. 1. Richtlinienrecht als Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung der Rom I-Verordnung nachgeschaltet Bei Richtlinienrecht handelt es sich allerdings gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV lediglich um ein Instrument indirekter europäischer Rechtsetzung.485 Danach enthält die Richtlinie zwar verbindliche Vorgaben hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, „überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“. Die Richtlinienbestimmungen selbst zielen grundsätzVgl. oben B.I.3.a)bb)(1). Wendehorst, in: FS Heldrich, S. 1071 (1078). 481 Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3 (6). 482 Dazu Basedow, AcP 210 (2010), 158 (167). 483 Diese Frage aufwerfend Boening/Maxian Rusche/Kotthaus, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Art. 90 AEUV Rn. 16. 484 Siehe oben § 2 – B.III.1. 485 Calliess/Ruffert/Ruffert, Art. 288 AEUV Rn. 23. 479 480

86

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

lich nicht darauf ab, in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen unmittelbar geltendes Recht zu schaffen.486 Richtlinienrecht bedarf somit eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes, um überhaupt zwischen den Parteien Wirkung zu entfalten.487 Das derart umgesetzte Recht ist als Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung anzusehen und hat folglich nationalen Charakter.488 Vertragliches Richtliniensachrecht, das nunmehr auch für Transportverträge relevant werden kann,489 ist deshalb kollisionsrechtlich dem nationalen Recht gleichzustellen, mit der Folge, dass es nur dann zur Anwendung kommt, wenn es Bestandteil der durch die Rom I-Verordnung bestimmten lex causae ist. Sofern Richtlinien keine besondere kollisionsrechtliche Regelung enthalten, kann für sie im Übrigen auch nicht Art. 23 Rom I-VO herangezogen werden.490 Gleichwohl wird durch Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO sogar direkt eine Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs von Richtlinienrecht vorgenommen und zwar für die spezielle Konstellation einer kollisionsrechtlichen Abwahl der sekundärrechtlichen Bestimmungen in einem reinen Binnenmarktsachverhalt.491 2. Verordnungsvertragsrecht Unmittelbar – zwischen den Vertragsparteien – anwendbares europäisches Sachrecht tritt nur in Verordnungen auf, sodass sich die Frage einer Kollision mit dem Unions-IPR im Grunde nur in diesem Fall stellt. 492 Supranationales Einheitsprivatrecht ist in den letzten Jahren im Vormarsch inbegriffen, insbesondere auf dem Gebiet des Transportrechts:493 Hier wurden zahlreiche Rechtsakte geschaffen, die eine privatrechtliche Haftung bzw. Pflichten des Beförderers europaweit einheitlich normieren.494 Dabei wurde mitunter origiVgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 124 f. Siehe oben § 1 – A.III. 488 MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 359. 489 Namentlich für solche Transportverträge, an denen Verbraucher beteiligt sind. So bestimmt Erwägungsgrund (27) S. 3 der neuen Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU (Fn. 304), dass – obwohl die Personenbeförderung vom Geltungsbereich der Richtlinie grundsätzlich ausgeschlossen ist – die in der Richtlinie enthaltenen Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers gegen überhöhte Entgelte für die Verwendung bestimmter Zahlungsmittel oder gegen versteckte Kosten auch auf Personenbeförderungsverträge Anwendung finden sollten. Gemäß S. 4 sollen zudem Verbraucher auch „in Bezug auf die Beförderung von Gütern“ von dem durch die Richtlinie gewährten Schutz profitieren. 490 MünchKommBGB/Martiny, Art. 23 Rom I-VO Rn. 10; ebenso Kuipers, RabelsZ 76 (2012), 562 (581) m. w. N. 491 Näher dazu Hoffmann, EWS 2009, 254 (260). 492 Schon Kropholler, IER, S. 184 Fn. 5, hat diese Frage nach dem Verhältnis von Kollisionsrecht und von EG-Verordnungen gesetztem materiellen Einheitsrecht aufgeworfen. 493 Von einer Ausnahmeerscheinung (so noch MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 360) kann jedenfalls nicht mehr die Rede sein. 494 Siehe den Überblick oben § 1 – B. 486 487

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

87

näres europäisches Sachrecht gesetzt, etwa im Fall der VO 2027/97 oder der Fahrgastrechteverordnungen;495 andere europäische Rechtsakte übernehmen dagegen Bestimmungen bestehenden staatsvertraglichen Einheitsrechts und/ oder erweitern dessen Anwendungsbereich auf innergemeinschaftliche Vorgänge. Wäre das Unionskollisionsrecht der Rom-Verordnungen dem materiellen Sekundärrecht generell vorgeschaltet, würde ihr IPR über die internationale Anwendung auch dieses europäischen Transportrechts bestimmen. a) Verordnungen mit eigener Definition des internationalen Anwendungsbereichs Ein solcher grundsätzlicher Vorrang des allgemeinen Unions-IPR kann allerdings nicht angenommen werden, sofern materiell-rechtliche Verordnungen ihrerseits Normen enthalten, die die Voraussetzungen für ihre räumliche Anwendung selbst regeln. Solche Vorschriften, wie etwa Art. 3 VO 261/2004, die sich auch in den anderen Fahrgastrechteverordnungen befinden,496 bestimmen eigenständig den internationalen Anwendungsbereich des supranationalen Sachrechts.497 Diese würden durch eine pauschale Vorschaltung der Rom IVerordnung missachtet werden. Gegenüber solch speziellen Angaben des europäischen Gesetzgebers zur räumlichen Abgrenzung von bestimmtem Unionssachrecht muss die abstrakte Rom I-Verordnung daher zurücktreten. Dies kann jedoch nicht über eine Anwendung von Art. 23 Rom I-VO erklärt werden,498 da die Vertragsrechtsverordnungen lediglich unmittelbares Entscheidungsrecht enthalten und es sich auch bei den Rechtsanwendungsnormen der Sachrechtsverordnungen nicht um „Kollisionsnormen“ im Sinne dieser Vorschrift handelt. Zwar betreffen letztere die „statutistische Frage nach der räumlichen Reichweite bestimmter gemeinschaftsrechtlicher Sachnormkomplexe“.499 Doch auch bei supranationalen Rechtsanwendungsnormen ist der Über-

495 Insbesondere auf dem Gebiet der Flugbeförderung wurde die Union eigenständig tätig, obwohl bereits internationale Rechtsvereinheitlichung in Form des WA (bzw. später des MÜ) bestand. Der Grund dafür bestand darin, notwendige Reformen, die international nicht schnell genug geleistet wurden, zumindest unionsintern vorzunehmen, vgl. Tonner, NJW 2006, 1854 f. 496 Auch der internationale Anwendungsbereich der VO 2027/97 ergibt sich aus dieser selbst. So wird insbesondere aus Art. 1 S. 2 deutlich, dass das Haftungsregime nicht nur für alle grenzüberschreitenden An- und Abflüge von mitgliedstaatlichen Flughäfen, sondern zudem für alle innermitgliedstaatlichen Lufttransporte gelten soll. 497 MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rn. 131 f.; Mankowski, TranspR 2008, 177 (180); Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (502). Ebenso BGH NJW 2011, 2056 (2058) Rn. 33, der feststellt, dass die in der VO 261/2004 geregelten Mindestrechte des Fluggastes „unabhängig vom Vertragsstatut einheitlich ausgestaltet“ wurden. 498 Dafür aber wohl Hk-BGB/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 4; Mankowski, RRa 2014, 118 (123). Zu Art. 23 Rom I-VO oben A.II.

88

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

gang zu dem ihnen nachstehenden Sachrecht fließend.500 Ihre hauptsächliche Funktion liegt in der einseitigen Berufung von Unionssachrecht, nicht dagegen in einer Verweisung an eine bestimmte nationale Rechtsordnung.501 Diese Bestimmungen fallen daher – ebenso wie die Rechtsanwendungsnormen von staatsvertraglichen internationalen Übereinkommen – nicht unter den der Rom I-Verordnung zugrundeliegenden europäischen Kollisionsnormbegriff. 502 Der Vorrang von materiellen Unionsrechtsakten gegenüber der Rom IVerordnung lässt sich folglich nicht aus Art. 23 Rom I-VO herleiten.503 Ein solcher ergibt sich vielmehr aus dem allgemeinen europäischen Spezialitätsgrundsatz, wonach sachnäheres supranationales Schuldvertragsrecht gegenüber abstraktem Unionskollisionsrecht vorgeht.504 Infolgedessen besteht, sofern der internationale Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, ein Anspruch aus der Fluggastrechte-VO auch dann, wenn die subjektive oder objektive Anknüpfung nach der Rom I-Verordnung das Recht eines nicht EUMitgliedstaats als lex causae beruft.505 Soweit derartiges einheitliches europäisches Sachrecht eingreift, braucht daher auf nationales Recht verweisendes Vertragskollisionsrecht nicht mehr herangezogen zu werden, außer für von der jeweiligen Verordnung offen gelassene Fragen.506

So Kreuzer/Wagner, in: Dauses, Kap. R (31. EL 2012) Rn. 34. Entsprechend werden sie auch als Kollisionsnormen bezeichnet, beispielsweise von Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401 (411); PWW/Remien, Art. 6 Rom I-VO Rn. 28; W.-H. Roth, EWS 2011, 314 (321). 500 Wendehorst, in: Langenbucher (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 8 Rn. 37. 501 So für die Fluggastrechteverordnung W.-H. Roth, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 1 (29). 502 Siehe dazu oben B.I.3.a)bb). 503 Vgl. Schilling, EuZW 2011, 776 (780 f.). A.A. dagegen – im Rahmen eines Plädoyers für Rechtsanwendungsnormen im GEK – Leible, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 21 (23 f.); von Hein, in: FS Martiny, S. 365 (375). 504 Schilling, EuZW 2011, 776 (781); Ferrari/Kieninger, Art. 23 Rom I-VO Rn. 3; ähnlich Führich, § 34 Rn. 21. A.A. Schollmeyer, IPRax 2004, 78 (82) Fn. 41, der die vorrangige Anwendung des europäischen Sachrechts damit begründet, dass es sich dabei um Eingriffsrecht handelte (siehe dazu auch unten § 8 – D.III.1.). Nach Iversen, in: Brödermann/Iversen, Rn. 563 ff. könnte ein Richter, sofern eine Verordnungsregelung einschlägig ist, unter Umständen auch gänzlich die „Rechtswahl offenlassen“. Dies wäre aber nur möglich, wenn ausschließlich Mitgliedstaaten in dem Sachverhalt betroffen sind, weil nur dann alle involvierten Rechtsordnungen materiell zu dem gleichen Ergebnis kämen. 505 So im Ergebnis LG Frankfurt/Main NJW-RR 1998, 1589 = EuZW 1998, 479 = TranspR 1998, 400; Siehr, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, 2004, S. 69 (74 f.); Basedow, in: FS Sonnenberger, S. 291 (302). 506 MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 28; Führich, § 34 Rn. 22. 499

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

89

b) In räumlicher Hinsicht unspezifisches Verordnungsvertragsrecht Anders verhält es sich jedoch, wenn der europäische Gesetzgeber beim Erlass eines materiell-rechtlichen Rechtsakts von einer speziellen Regelung des internationalen Anwendungsbereiches absieht. Soweit ein europäischer Sachrechtsakt seinen räumlich-internationalen Anwendungsbereich nicht selbst bestimmen sollte, könnte diese Funktion (ausdrücklich oder stillschweigend) den Verweisungsregeln der Rom I-Verordnung übertragen werden.507 Dies würde hinsichtlich der Bestimmung seines internationalen Anwendungsbereichs dann zu einem Gleichlauf von Unions- und mitgliedstaatlichem Sachrecht führen. Ein Beispiel für eine derartige Handlungsweise des Unionsgesetzgebers stellte der umstrittene Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (GEK) vom 11. Oktober 2011 dar, der europäisches materielles Einheitsrecht für grenzüberschreitende Kauf- und Dienstleistungsverträge enthielt.508 Das vorgeschlagene – optionale und nicht zwingende – Rechtsinstrument betraf in sachlicher Hinsicht zwar nicht speziell Transportvertragsrecht.509 Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass in Zukunft vertragsrechtliche Materien mittels dieser Methode europäisch vereinheitlicht werden.510 Laut der Begründung sollte das vorgeschlagene europäische Vertragsrecht dem Kollisionsrecht der Rom I-Verordnung nachgeschaltet sein.511 Danach sollte das GEK nur dann zur Anwendung kommen, wenn zuvor das IPR der lex fori (im Falle der Mitgliedstaaten also das sekundärrechtliche IPR) auf das Recht eines Mitgliedstaates verwiesen hat.512 Faktisch wäre so ein neben dem mitgliedstaatlichen Kauf- und Dienstleistungsvertragsrecht bestehendes „zweites“ Regime speziell für grenzüberschreitende Verträge entstanden. Hinsichtlich des genauen internationalen Anwendungsbereichs dieses europäischen Kaufrechts traf die von der Kommission entworfene Rahmenverordnung jedoch keine Aussage, sondern überließ diese Frage dem allgemeinen sekundärrechtlichen IPR.513 Die Rom I-Verordnung hätte demzuDahingehend Hoffmann, EWS 2009, 254 (260). KOM(2011) 635 endg. 509 Der vorgeschlagene Rechtsakt enthält zwar neben den kauf- und dienstleistungsvertraglichen Bestimmungen auch solche über verbundene Dienstleistungen, vgl. Art. 147 ff. Die Vorschriften des fünften Teiles sind jedoch gerade auf Transportverträge nicht anwendbar, da solche laut Art. 3 lit. m (i) keine „verbundenen Dienstleistungen“ darstellen. Hinsichtlich solcher ausgeschlossenen Transportleistungen ist der Verordnungsvorschlag jedoch mitunter mehrdeutig, siehe Mansel, WM 2012, 1253 (1258). 510 Vgl. Mansel, WM 2012, 1253 (1261 ff.); Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 401 (405 f.). 511 Erwägungsgrund (9) sowie Begründung S. 6 f. 512 Die Kommission folgt damit einer Vorschaltlösung, siehe statt aller Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 401 (416 ff.); Leible, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 21 (24). 513 Dazu ausführlich Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 401 (419 f.); v. Hein, in: FS Martiny, S. 365 (367 ff.). 507 508

90

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

folge für das fakultative gemeinsame europäische Kaufrecht die räumliche Abgrenzung vorgenommen und bestimmt, in welchen grenzüberschreitenden Sachverhalten dieses konkret zur Anwendung kommen sollte. Die im Vorschlag zum GEK gewählte kollisionsrechtliche Vorschaltlösung war freilich höchst kompliziert.514 Systematisch weitaus überzeugender wäre es gewesen, wenn das europäische Kaufrecht – ähnlich dem europäischen Transportrecht – seinen räumlichen Anwendungsbereich selbst bestimmt hätte und folglich gegenüber der Rom I-Verordnung vorrangig gewesen wäre.515 3. Ergebnis Abschließend ist festzustellen, dass der Rom I-Verordnung hinsichtlich des materiellen Unionsvertragsrechts bisweilen eine räumliche Abgrenzungsfunktion mit der Folge zukommt, dass solches Sekundärrecht dem supranationalen Kollisionsrecht nachgelagert ist. So nimmt sie diese Funktion mittelbar für das ins mitgliedstaatliche Recht umgesetzte Richtliniensachrecht wahr. Sofern materiell-rechtliche Verordnungen diesbezüglich keine eigenen Aussagen enthalten sollten, kann zudem auf die Rom I-Verordnung zurückgegriffen werden, um den internationalen Anwendungsbereich zu definieren. Weisen letztere dagegen – wie bisher üblich – eigene Rechtsanwendungsnormen auf, kommt das supranationale Sachrecht unabhängig vom europäischen Kollisionsrecht zur Anwendung und ist diesem insoweit vorgelagert. So verhält es sich insbesondere mit den sehr praxisrelevanten Fahrgastrechteverordnungen. III. Fazit Die hier vorgenommene Analyse zeigt auf, dass international vereinheitlichtem Sachrecht auch gegenüber dem (Beförderungs-)Vertragskollisionsrecht der Rom I-Verordnung im Ergebnis generell Vorrang zukommt. Ersteres ist somit von jedem Gericht seiner Vertragsstaaten unabhängig von der IPRPrüfung anzuwenden. Insoweit ergibt sich durch die Transformation des Internationalen Privatrechts für Schuldverträge von der staatsvertraglichen auf die supranationale Ebene keine Veränderung in der praktischen Rechtsanwendung. Dies ist aus rechtspolitischer Sicht auch absolut geboten. Denn ein allgemeiner Vorrang des supranationalen Kollisionsrechts gegenüber staatsvertraglich vereinheitlichtem Sachrecht – wie er vereinzelt irrtümlich angenommen wurde – 516 würde bedeuten, dass die staatsvertraglichen Regeln nur Stadler, AcP 212 (2012), 473 (483). Siehe nur Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 401 (431); MPI, RabelsZ 75 (2011), 371 (401 f.); Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269 (275). Ebenso Leible, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, 2012, S. 21 (23 f.), der allerdings – entgegen der hier vertretenenen Ansicht (siehe oben B.II.2.a)) einen Vorrang des GEK über Art. 23 Rom I-VO herleiten will. 516 Siehe Kampf, RIW 2009, 297 (299). 514 515

§ 3 Das internationale Transportvertragsrecht aus Sicht der Rom I-VO

91

dann zur Anwendung kämen, wenn eine vertragsstaatliche Rechtsordnung vom IPR als lex causae berufen werden würde. Damit wäre aber der Wirkungsgrad der internationalen Sachrechtsvereinheitlichung in erheblicher Weise beschränkt und deren Nutzen erheblich vermindert. Im Ergebnis könnte dies dazu führen, dass sich das Bestreben der Völkerrechtssubjekte, einheitlich geltende materielle Rechtsregeln zu schaffen, verringern würde. Das würde die internationale materielle Rechtsvereinheitlichung an sich infrage stellen. Ein dem supranationalen IPR eingeräumter Vorrang würde außerdem die völkerrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten missachten. Wenngleich hinsichtlich des praktischen Ergebnisses Kontinuität besteht, haben sich durch den Erlass der Rom I-Verordnung gleichwohl die Rahmenbedingungen für die dogmatische Herleitung des Vorrangs von materiellem Einheitsrecht gegenüber dem Schuldvertrags-IPR geändert. So zog die Transformation von letzterem in supranationales Recht eine Verschiebung der Beurteilungsperspektive nach sich: Die Frage des Verhältnisses zwischen Verweisungsrecht und staatsvertraglichem Sachrecht stellt nun keinen Konventionskonflikt mehr dar, sondern es kollidieren nun völkerrechtliche Bestimmungen mit sekundärem Europarecht.517 Die Folge ist, dass der diesbezüglich unter dem EVÜ häufig vertretene Begründungsansatz im neuen System des europäischen internationalen Vertragsrechts nicht mehr trägt. Der Vorrang von Einheitsrechtsakten gegenüber dem Vertrags-IPR kann nicht mehr nur aus den Vereinbarkeitsvorschriften des Verweisungsrechtsinstruments selbst erklärt werden.518 Insbesondere missachtet dieser Ansatz die europarechtlichen Implikationen, namentlich die primärrechtliche Kompetenzordnung, denen der supranationale Kollisionsrechtsakt unterliegt.519 Dem wird dagegen die Lösung über eine beschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs der Rom I-Verordnung gerecht.520 Nur so werden alle unionsund völkerrechtlichen Vorgaben521 berücksichtigt. Im Vergleich dazu gestaltet sich die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Schuldvertrags-IPR und europäisch vereinheitlichtem Sachrecht in normhierarchischer Hinsicht unVgl. auch Mariani, JPIL 2012, 17 (22) die zur vergleichbaren Problematik auf dem Felde der internationalen Zuständigkeit anmerkt, dass nach der Transformation des EuGVÜ in die EuGVVO die Frage des Verhältnisses zu Art. 31 CMR im Grunde zum Problemkreis der Normenhierarchie innerhalb des Unionsrechtssystems zu zählen ist. Allgemein zum Rechtsquellenkonflikt im internationalen Transportprozessrecht Legros, Clunet 134 (2007), S. 799 ff. 518 So die Herleitung der in Fn. 406 zitierten h. M. 519 Siehe oben B.I.3.a) und Schilling, EuZW 2011, 776 (779). 520 Siehe oben B.I.3.b). Gleichwohl ist dieser Lösungsansatz keineswegs neu. Vielmehr fand er schon im Rahmen des Römer Schuldvertragsübereinkommens Erwähnung, vgl. Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 42 („Kollision zwischen zwei oder mehr Rechtssystemen“), und wurde bereits vor dessen Geltung vertreten, siehe nur v. Caemmerer, in: FS Hallstein, S. 63 (65). 521 Siehe oben B.I.1. und 2. 517

92

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

komplizierter. Schließlich treten insoweit nun Konkurrenzen auf derselben Regulierungsebene auf, nämlich zwischen Rechtsakten des Sekundärrechts. Diese können zum überwiegenden Teil nach dem Grundsatz lex specialis derogat lex generalis gelöst werden.522

§ 4 Prüfungsreihenfolge für die Bestimmung des auf einen internationalen Transportvertrag anwendbaren Rechts

§ 4 Prüfungsreihenfolge Solange keine Konsolidierung des internationalen Transportvertragsrechts erfolgt,523 bleibt die Rechtsquellensituation in diesem Rechtsgebiet unübersichtlich. Dies macht im konkreten Fall die Bestimmung des maßgeblichen Vertragsstatuts kompliziert. Denn dabei sind insbesondere vertikale Normkonkurrenzen zwischen Kollisions- und Sachrechtsakten zu berücksichtigen. Um der Verschiedenartigkeit der Rechtsakte und den daraus resultierenden Vorgaben für ihr Verhältnis untereinander gerecht zu werden, sollte bei der Prüfung des auf einen Vertrag anwendbaren Rechts eine konkrete Reihenfolge beachtet werden.524 Ganz besonders gilt dies für die Beurteilung internationaler Transportverträge. Die dafür maßgebliche Prüfungsabfolge folgt letztlich aus den oben in § 2 und § 3 gewonnenen Erkenntnissen. Gleichwohl handelt es sich dabei lediglich um eine Orientierungshilfe, die für den Einzelfall jedenfalls keine absolute Gültigkeit beansprucht. Das hier präsentierte Schema unterliegt indes verschiedenen Prämissen: So wird davon ausgegangen, dass ein vertraglicher Sachverhalt von einem mitgliedstaatlichen Gericht beurteilt wird, denn dann beansprucht das im Zentrum dieser Arbeit stehende IPR der Rom I-Verordnung in jedem Fall (außer in Dänemark)Geltung.525 Die – nicht unbedeutende – Frage der internationalen Zuständigkeit ist also zugunsten eines Unions-Forums entschieden. Weiterhin wird generell von der Einschlägigkeit eines jeden hier genannten Rechtsakts in territorialer sowie in inthaltlicher Hinsicht ausgegangen. Vorausgesetzt wird also sowohl eine etwaige völkerrechtliche Geltung in der lex fori 526 als auch die sachliche, räumlich-persönliche sowie zeitliche Anwendbarkeit des jeweiligen Rechtsinstruments im konkreten Fall. Denn andernfalls Siehe oben B.II. Siehe dazu unten § 13. 524 Für ein allgemeines Prüfungsschema, welches nicht nur die Feststellung des anwendbaren Rechts betrifft, sondern alle Prüfungsschritte zur Lösung eines Sachverhalts mit internationalen Bezügen umfasst, siehe Lorenz, in: Bamberger/Roth, Einl. IPR Rn. 94. 525 Das sekundärrechtliche IPR kann gleichwohl auch von drittstaatlichen Gerichten angewendet werden, beispielsweise wenn das drittstaatliche IPR eine Gesamtverweisung, also eine Verweisung auch auf das IPR, vornimmt. 526 Siehe die insoweit zu prüfenden Punkten bei MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Art. 3 EGBGB Rn. 6. 522 523

§ 4 Prüfungsreihenfolge

93

käme es gar nicht zu einem Konflikt der Rechtsakte.527 In der Darstellung wird überdies nicht näher auf mögliche horizontale Konkurrenzen, also zwischen Rechtsakten innerhalb derselben Regulierungsebene, eingegangen.528 A. Sachrechtskonventionen der Mitgliedstaaten/Union Bei der Beurteilung eines internationalen Sachverhalts ist zunächst zu prüfen, ob möglicherweise sektorielles staatsvertragliches Einheitssachrecht einschlägig ist. Dabei spielt es für die Rechtsanwendung im Ergebnis keine Rolle, ob das staatsvertragliche Sachrecht durch die Mitgliedstaaten (z. B. WA, CMNI, CMR oder auch CISG) oder sogar durch die Union selbst (MÜ, COTIF, AÜ) vereinheitlicht wurde. Denn im Anwendungsbereich materiell-rechtlicher Konventionen ist die Anwendbarkeit des sekundärrechtlichen Kollisionsrechts der Rom I-Verordnung tatbestandlich ausgeschlossen. 529 Zudem ist das staatsvertragliche Sachrecht gegenüber sekundärrechtlichem materiellen Recht vorrangig. Für Unionsübereinkommen ergibt sich dies bereits aus Art. 216 Abs. 2 AEUV; hinsichtlich der bestehenden Übereinkommen der Mitgliedstaaten folgt dies aus dem primärrechtlichen Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV.530 Für den Abschluss neuer materiell-rechtlicher Staatsverträge (wie etwa der Rotterdam-Regeln) kommt auch in Zukunft grundsätzlich den Mitgliedstaaten die Abschlusskompetenz zu; aufgrund verschiedener punktueller Zuständigkeiten kann jedoch ebenso die Union Sachrechtsübereinkommen selbständig oder gemeinsam mit den Mitgliedstaaten schließen.531 B. Sekundärrechtliches Sachrecht Sofern im konkreten Fall europäisches Sekundärsachrecht ausgemacht werden kann, das seinen räumlichen Anwendungsbereich selbst bestimmt (insbesondere die Fahrgastrechteverordnungen 261/2004, 1371/2007, 1177/2010 und 181/2011; sowie die Verordnungen 2027/97 und 392/2009), ist dieses ebenfalls privilegiert anwendbar. Normhierarchisch sind die materiell-rechtlichen Verordnungen unter den Staatsverträgen von Union und der Mitgliedstaaten (wegen Art. 216 Abs. 2 AEUV bzw. des Loyalitätsgebots von Art. 4 Abs. EUV) anzusiedeln. So müssen die Bestimmungen der Fluggastrechteverordnung konform zu den Regelungen des MÜ ausgelegt werden.532 Entsprechend stellt beispielsweise die VO 392/2009 in ihrem Art. 5 Abs. 1 aus-

527 528 529 530 531 532

Siehe beispielsweise unten § 9 – A. und B. Zu deren Lösung siehe oben § 2 – A. Siehe oben § 3 – B.I.3.b). Siehe oben § 2 – B.III. Siehe oben § 3 – B.I.2. EuGH, Rs. C-344/04 (1. Kapitel Fn. 124), Rn. 35 ff.

94

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

drücklich fest, dass sie die Regelungen des LLMC unberührt lässt.533 Gegenüber dem allgemeinen sekundären Vertragskollisionsrecht der Rom I-Verordnung kommt dem europäischen Sachrecht hingegen aufgrund größerer Spezialität Vorrang zu.534 C. Drittstaatliche Kollisionsrechtsübereinkommen der Mitgliedstaaten Sofern kein vorrangig anwendbares transnationales Sachrecht einschlägig ist, ist die maßgebliche nationale auf das Vertragsverhältnis anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen. Andernfalls kommt diese gegebenenfalls ergänzend zur Anwendung. Zunächst muss insoweit geprüft werden, ob diesbezüglich vertragliche Kollisionsrechtsübereinkommen eingreifen, die die Mitgliedstaaten – vor Inkrafttreten der Rom I-Verordnung – mit Drittstaaten geschlossen haben. Diese staatsvertraglichen Regelungen gehen dem Kollisionsrecht der Union vor, da letztere die völkervertraglichen Bindungen der Mitgliedstaaten respektieren muss. Für die Rom I-Verordnung ordnet daher Art. 25 Abs. 1 den Vorrang der mitgliedstaatlichen Alt-Kollisionsrechtskonventionen ausdrücklich an.535 Auf dem Gebiet des Transportrechts bestehen allerdings keine derartigen mitgliedstaatlichen Übereinkommen. Hinsichtlich Kaufverträgen sind jedoch einige Mitgliedstaaten durch das Haager Kaufrechts-IPRÜbereinkommen von 1955 gebunden.536 Deren Gerichte müssen für die Bestimmung des Kaufvertragsstatuts vorrangig das konventionale – nicht dagegen supranationales – IPR heranziehen.537 D. (Assoziierende) Kollisionsrechtsübereinkommen der EU Da ihr seit Inkraftreten der Rom I-Verordnung nun insoweit die Außenkompetenz zukommt, ist die Union nun auch für eine etwaige internationale Kollisionsrechtsvereinheitlichung zuständig.538 Ein zukünftiger, das Vertrags-IPR überregional vereinheitlichender Staatsvertrag (etwa mit Dänemark, den EFTA- oder Drittstaaten) stünde dann gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV im Rang Die Konformität mit dem ebenfalls vorrangigen Athener Übereinkommen wird indes dadurch sichergestellt, dass die Verordnung inhaltlich auf dessen Bestimmungen verweist. 534 Siehe oben § 3 – B.II.2.a). 535 Siehe oben § 3 – A.I.1.a). 536 Siehe oben § 3 – A.I.1.a) m. w. N. 537 Dies gilt im Übrigen auch für den Fall, dass das IPR der Anwendung international vereinheitlichten materiellen Kaufrechts vorgeschaltet ist. So ist das Haager Kaufrechtsübereinkommen zum einen im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG heranzuziehen. Zum anderen kommt das staatsvertragliche Kollisionsrecht aber auch im Rahmen des GEK zum Tragen. Letzerers ist zwar explizit dem Verweisungsrecht der Rom I-Verordnung nachgeschaltet (siehe oben § 3 – B.II.2.b)), das sekundärrechtliche IPR tritt jedoch wiederum gegenüber dem Haager Kaufrechtsübereinkommen zurück. 538 Siehe oben § 3 – A.I.2.b). 533

§ 4 Prüfungsreihenfolge

95

über jeglicher sekundärrechtlicher wie auch mitgliedstaatlicher Regelung. Gleichwohl müsste auch ein derartiger Rechtsakt der Union die völkerrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten respektieren und Rücksicht auf deren staatsvertragliches Alt-Kollisionsrecht nehmen. Ausgehend von einem assoziierenden, sprich die Geltung der Rom I-Verordnung auf nicht Unionsstaaten erweiternden, Kollisionsrechtsübereinkommen der Union, würde dieses das staatsvertragliche Sachrecht nicht berühren, da auch dessen Kollisionsrecht nur soweit eingreift, wie ein Rechtskonflikt besteht. 539 Das materielle Sekundärrecht wäre dagegen vom Rang her dem Unionsübereinkommen prinzipiell nachgeschaltet. Wäre dies vom europäischen Gesetzgeber nicht gewünscht, müsste er daher in den Staatsvertrag eine Vorschrift aufnehmen, die die Unantastbarkeit des europäischen Sachrechts anordnet.540 Gegenüber dem niederrangigen Sekundärrecht der Rom I-Verordnung sollte ein assoziierendes Übereinkommen indes keine Widersprüche enthalten. E. Besonderes sekundärrechtliches Kollisionsrecht Sofern sich spezielle kollisionsrechtliche Anordnungen in besonderen Bereichen des Sekundärrechts finden lassen, sind solche noch vor der Rom I-Verordnung zu prüfen. Denn derartige Bestimmungen gehen dem allgemeinen sekundärrechtlichen IPR vor, vgl. Art. 23 Rom I-VO. Derartiges besonderes Sekundärkollisionsrecht ist zurzeit (noch)541 in der Klausel-, in der Verbrauchsgüterkauf-, der Finanzdienstleistungsfernabsatz-, der Timesharing- und der Verbraucherkreditrichtlinie enthalten. Die entsprechenden nationalen Umsetzungsbestimmungen wie z. B. der deutsche Art. 46b EGBGB werden von den Vorschriften der Rom I-Verordnungen nicht berührt.542 Indes ist anzumerken, dass diese besonderen sekundärrechtliche Normen nur in einem sehr begrenzten Rahmen die Anwendung des ansonsten nach den allgemeinen Regeln zu bestimmenden Vertragsstatuts einschränken. F. Allgemeines europäisches Kollisionsrecht des Art. 5 Rom I-VO Erst nach den vorher genannten Prüfungspunkten kommt das sekundärrechtliche Verweisungsrecht der Rom I-Verordnung zum Zuge. Das europäische 539 Die Rechtskonflikte werden durch international vereinheitlichtes Sachrecht aber bereinigt (siehe oben § 3 – B.I.3.b)). 540 Ebenso müsste dies der Gesetzgeber verfahren, wollte er – was sehr unwahrscheinlich ist (siehe oben § 3 – A.II.1.) – die speziellen Richtlinienkollisionsnormen vorgehen lassen. 541 Zum diesbezüglichen, begrüßenswerten Kurswechsel des europäischen Gesetzgebers siehe oben § 3 – A.II.1. 542 Das gleiche würde für die besonderen Bestimmungen der Kabotage-Verordnungen gelten, würde man ihnen – was aber nicht der Fall ist (siehe oben § 3 – A.II.2.b)) – einen eigenständigen kollisionsrechtlichen Gehalt zusprechen können.

96

1. Kapitel: Das Zusammenspiel von IPR und Einheitsrecht

Kollisionsrecht bestimmt dann das jeweilige Vertragstatut, indem es eine konkrete nationale Rechtsordnung zur Anwendung beruft. Für Güter- wie Personenbeförderungsverträge ist insoweit Art. 5 Rom I-VO maßgeblich.543 Verweist die Rom I-Verordnung auf einen Mitgliedstaat der Union, könnte aber – wenn die weiteren Voraussetzungen gegeben sind – statt des nationalen Rechts auch das Sekundärrecht des GEK als „zweites Regime“ zur Anwendung gelangen.544 G. Inter-mitgliedstaatliche Kollisionsrechtsübereinkommen Innerhalb des Anwendungsbereichs der Rom I-Verordnung finden ausschließlich zwischen Mitgliedstaaten geschlossene Kollisionsrechtsübereinkommen keine Berücksichtigung mehr, vgl. Art. 25 Abs. 2 Rom I-VO. Kollisionsnormen derartiger Übereinkommen, die keine völkerrechtliche Bindungen gegenüber Drittstaaten aufweisen, werden nun von der Rom I-Verordnung verdrängt. Vor deren Inkrafttreten haben entsprechende bi- oder multilaterale inter-mitgliedstaatliche Konventionen das nationale Kollisionsrecht prinzipiell ausgeschaltet (vgl. in Deutschland Art. 3 EGBGB)545 und waren kraft Art. 21 EVÜ auch dem Europäischen Schuldvertragsübereinkommen gegenüber vorrangig.546 H. Nationales Kollisionsrecht Für die Anwendung von nationalem Kollisionsrecht bleibt im Rahmen der Rom I-Verordnung, wie im übrigen auch schon unter dem EVÜ, kein Spielraum. Das autonome IPR wird aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts verdrängt.547 Lediglich etwaige ins nationale Recht umgesetzte Richtlinienkollisionsnormen können ausnahmsweise berücksichtigt werden.548 I.

Durchbrechung des Vertragsstatuts auf Ebene der Rechtsanwendung

Wegen der praktischen Irrelevanz der letzten beiden Prüfungspunkte, die hier lediglich der Vollständigkeit halber aufgeführt sind, ist der Prozess der Rechtsfindung im Grunde mit der von der Rom I-Verordnung vorgenommenen Verweisung des Vertragsverhältnisses an eine nationale Rechtsordnung abgeschlossen. Gleichwohl kann das danach bestimmte Vertragsstatut auf der Zur Transportvertragskollisionsnorm sogleich im 2. Kapitel. Siehe oben § 3 – B.II.2.b). 545 Dazu näher oben § 2 – B.I. 546 Insoweit auftretende Konventionskonflikte sind also durch das im EVÜ enthaltene Vereinbarkeitsrecht selbst gelöst worden (dazu näher oben § 2 – A.II.). 547 Dazu oben § 2 – B.II. 548 Siehe oben E. und § 3 – A.II.1. 543 544

§ 4 Prüfungsreihenfolge

97

Ebene der (Fremd-)Rechtsanwendung noch durchbrochen werden. So kann sich gegebenenfalls nationales Eingriffsrecht der lex fori oder auch anderer Staaten durchsetzen, vgl. Art. 9 Rom I-VO.549 Zudem unterliegt auch die Beurteilung internationaler vertraglicher Sachverhalte einer ordre publicKontrolle, durch welche untragbare Ergebnisse der Fremdrechtsanwendung unter Rückgriff auf die entsprechende Regelung der lex fori korrigiert werden können, vgl. Art. 21 Rom I-VO.550 J.

Resümee

Wie aus diesem Schema hervorgeht, sind im Rahmen der Prüfung des auf einen internationalen Transportvertrag anwendbaren Rechts zunächst etwaig anwendbare transnationale Sachrechtsakte zu prüfen. Da das vorrangige Einheitsrecht sachlich häufig einen sektoriellen Ansatzpunkt verfolgt,551 ist es für den Rechtsanwender essentiell, die in jedem Sektor bestehende Einheitsrechtssituation genau zu kennen. Erst dann kommt das neue vertragliche Verweisungsrecht der Rom I-Verordnung zum Zuge, welches im folgenden Kapitel vorgestellt werden soll.

549 550 551

Näher dazu unten § 8 – D. Siehe dazu Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (121 ff.). Näher dazu unten § 10 – A.I.

2. Kapitel

Die neue europäische Kollisionsnorm für Beförderungsverträge – Art. 5 Rom I-VO 2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO Gegenstand des folgenden Kapitels ist das neue kollisionsrechtliche Regelwerk für Beförderungsverträge, wie es sich aus der Rom I-Verordnung ergibt. Auffällig ist dabei, dass den Beförderungsverträgen in dem europäischen Vertrags-IPR-Instrument eine eigene Vorschrift – Art. 5 Rom I-VO – gewidmet ist. 1 Dadurch wurden die Transportverträge, im Vergleich zu den meisten anderen Vertragstypen, die gar nicht oder lediglich in dem Katalog des Art. 4 Rom I-VO aufgeführt werden, legislatorisch aufgewertet.2 Desweiteren bezieht sich die neue Kollisionsnorm nicht nur auf Güterbeförderungs-, sondern darüber hinaus auch auf Personenbeförderungsverträge. Unter dem Regime des EVÜ existierte dagegen nur für erstere eine Sonderregel.3 Die nun in Art. 5 Rom I-VO kodifizierten Anknüpfungsregeln für Güter- sowie Personenbeförderungsverträge sollen im Folgenden ausführlich analysiert und vorgestellt werden. Bevor das sekundärrechtliche IPR untersucht wird, wird jedoch kurz auf die dafür maßgebliche Methodik eingegangen. Denn bei der Auslegung dieses speziellen supranationalen Rechts sind transportrechtsspezifische Implikationen zu beachten (§ 5). Abgesehen davon bleiben jedoch Fragestellungen des allgemeinen europäischen Internationalen Privatrechts, wie etwa die Behandlung von Vorfragen im europäischen Kollisionsrecht,4 hier außen vor. Denn insoweit ergeben sich im Rahmen der Anwendung des Transportvertragskollisionsrechts keine Besonderheiten. Insbesondere beanDies deutete sich im Gesetzgebungsverlauf erstmals im Kompromisspaket des Vorsitzes vom 30.3.2007, Dok. 8022/07 JUSTCIV 73 CODEC 306, an, der auf S. 8 mit Art. 4a einen Platzhalter für Beförderungsverträge enthielt. 2 Wagner, TranspR 2008, 211 (222). Zu Beginn des Reformprozesses ist hingegen noch diskutiert worden, Beförderungsverträge vom Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung auszunehmen, vgl. Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (101) Fn. 12. 3 Schon im Verordnungsvorschlag der Kommission, KOM(2005) 650 endg., war jedoch eine spezielle Regelung vorgesehen, die sowohl Güter- als auch Personenbeförderung umfasste, vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-V. 4 Ausführlich dazu Bernitt, Die Anknüpfung von Vorfragen im Europäischen Kollisionsrecht, 2010; Nehne, S. 197 ff.; Gössl, JPIL 2012, 63 ff.; Mäsch, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung, 2013, S. 201 ff.; vgl. auch Solomon, in: FS Spellenberg, S. 355 ff. 1

100

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

spruchen auch für die Verweisungsnorm des Art. 5 Rom I-VO die allgemeinen Regeln der Art. 20, 21 und 22 Rom I-VO Geltung, die die Fragen der Rück- bzw. Weiterverweisung, des ordre public und der Behandlung von Mehrrechtsstaaten betreffen.5 Auf diese allgemeinen Aspekte, die systematisch der Rechtsfolgenseite der Verweisungsnorm bzw. der Ebene der Anwendung fremden (ausländischen) Rechts zugeordnet werden können, soll daher bei der Untersuchung des europäischen Transportvertrags-IPR nicht näher eingegangen werden.6 Die Analyse von Art. 5 Rom I-VO orientiert sich an der Struktur der neuen Vorschrift: Zuerst werden die Kollisionsregeln für Gütertransportverträge vorgestellt (§ 6). Anschließend wird das komplett neue kollisionsrechtliche Regelwerk für Verträge über die Beförderung von Personen präsentiert (§ 7). Weiterhin soll in einem weiteren Abschnitt die Stellung der Beförderungsvertragskollisionsnorm im System der Rom IVerordnung verdeutlicht werden, indem das Verhältnis zu anderen Verordnungsbestimmungen geklärt wird (§ 8).

§ 5 Die Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR

§ 5 Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR Die Transformation des Schuldvertrags-IPR in eine europäische Verordnung hat neben den – im ersten Kapitel behandelten – Änderungen im Verhältnis zu anderen Rechtsquellen des internationalen Vertragsrechts auch Konsequenzen für allgemeine Aspekte der Kollisionsrechtsanwendung. Durch den nunmehr supranationalen Charakter des Verweisungsrechts werden Fragen des allgemeinen Teils des IPR beeinflusst. Auch bei jenen Themenkomplexen, die „Allgemeinrelevanz“ besitzen und damit grundsätzlich bei der Anwendung jeder besonderen Kollisionsnorm relevant werden (können),7 ist durch die Vergemeinschaftung des IPR nunmehr auch eine europäische Dimension zu beachten. Weil es sich bei der hier zu untersuchenden besonderen Kollisionsnorm für Beförderungsverträge um eine solche supranationale Kollisionsnorm handelt, können bei ihrer Auslegung nicht einfach nationale, sondern müssen europäische Maßstäbe angesetzt werden. Insoweit sind die entsprechenden Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 29 f.; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom IVO Rn. 5 f. 6 Zu diesen Fragen des allgemeinen Teils siehe etwa Nehne, S. 307 ff.; Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227 (239 ff.); Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (115 ff.). Speziell zum renvoi im europäischen Kollisionsrecht vgl. v. Hein, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013, S. 341 ff. (367 ff.); zum ordre public Wurmnest, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013, S. 445 ff. und zur Fremdrechtsermittlung Kieninger, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013, S. 479 ff.; Corneloup, RabelsZ 78 (2014), 844 ff. 7 Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, 2008, S. 1 (3). 5

§ 5 Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR

101

europäisierten Auslegungsmethoden zu beachten (A.). Entsprechend kann insbesondere der systematische Zusammenhang der auszulegenden Norm Berücksichtigung finden. Wie bereits im ersten Kapitel deutlich wurde, ordnet sich gerade Art. 5 Rom I-VO in ein starkes Geflecht aus internationaler Regulierung ein. Daher drängt sich die Frage auf, inwieweit eine Vorschrift der Rom I-Verordnung im Einklang mit bestehenden, insbesondere materiellrechtlichen Rechtsakten ausgelegt werden kann oder sogar muss (B.).8 Möglicherweise wird sich in Zukunft der EuGH mit dieser methodischen Frage befassen, da dieser für die Klärung aller die Rom I-Verordnung betreffenden Auslegungsfragen zuständig ist (C.). Damit unterliegen seinem Urteil letztlich auch solche Zweifelsfragen, die im Zuge der international-privatrechtlichen Qualifikation von materiell-rechtlichen Rechtsbegriffen auftreten (D.). A. Allgemeine Auslegungsmethoden Die Auslegung von Privatrechtsakten der Europäischen Union im Allgemeinen und der Rom I-Verordnung im Besonderen erfolgt europäisch-autonom.9 Das bedeutet, dass Rechtsbegriffe nicht etwa aus nationaler Sichtweise interpretiert werden können, sondern dass die Begriffsbildung aus europäischer Perspektive anhand der Ziele und der Systematik des jeweiligen Rechtsakts und der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, erfolgen muss.10 Dem liegt der Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten zugrunde.11 Die konkreten für das sekundäre Unionsrecht entwickelten Auslegungsmethoden, die sich bei allen Versuchen der Kategorisierung regelmäßig überschneiden, entsprechen in weiten Teilen den herkömmlichen Methoden in anderen Rechtsbereichen, sind aber den Erfordernissen und Besonderheiten des Unionsrechts angepasst.12 Das zeigt sich schon bei der grammatikalischen Auslegung des Wortlauts. Durch diese soll der gewöhnliche oder natürliche Wortsinn eines Begriffs ermittelt werden.13 Allerdings muss bei Sekundärrechtsakten der Union berücksichtigt werden, dass alle Sprachfassungen als gleichrangig authentisch anzusehen sind. Daher ist im Hinblick auf den Wortlaut stets auf verschiedene Textversionen zurückzugreifen.14 Bei Widersprüchen ist ein Vergleich der Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 33. Magnus, IPRax 2010, 27 (28). Siehe auch Henninger, Europäisches Privatrecht und Methode, 2009, S. 280 f. m. w. N. 10 EuGH, 27.11.2007 – Rs. C-435/06, Slg. 2007, I-10141 = FamRZ 2008, 125 Rn. 40. 11 Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 4 Rn. 3. 12 Kropholler, in: FS 75 Jahre MPI, S. 583 (588 f.). Ausführlich zur Auslegung des EURechts allgemein Schroeder, JuS 2004, 180 ff. und des europäischen Privat- und Schuldvertragsrechts Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529 ff. 13 Hobe, Europarecht, 7. Aufl. 2012, § 10 Rn. 46. 14 Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 4 Rn. 4. 8 9

102

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

verschiedenen Fassungen unter Berücksichtigung des allgemeinen Aufbaus und des Zwecks der Regelungen notwendig,15 welchen letztlich am besten der EuGH vornehmen kann.16 Neben dem Wortlaut kann sich auch im Falle des Sekundärrechts am Willen des Normgebers orientiert werden.17 Für diese historische Auslegung sind die Erwägungsgründe sowie die Dokumente im Gesetzgebungsverfahren heranzuziehen, soweit diese zugänglich sind. Für die Rom I-Verordnung gibt neben dem Kommissionsvorschlag und den institutionellen Beratungsdokumenten18 auch ein vorbereitendes Grünbuch Aufschluss über die Motive des europäischen Gesetzgebers.19 Sofern die Rom IVerordnung eine Kollisionsregel des EVÜ fortführt, könnte gegebenenfalls der zum Schuldvertragsübereinkommen verfasste Erläuterungsbericht von Giuliano/Lagarde Bedeutung erlangen.20 Die überragende Bedeutung kommt im Europarecht indes der teleologischen Auslegung zu, die sich an Sinn und Zweck einer Norm orientiert.21 Dabei wird auf die objektiven Ziele und Zwecke der Vorschrift und eine sachgerechte Regelung des betroffenen Bereichs abgestellt.22 In diesem Zusammenhang kommt auch der so genannte effet utile, also die nützliche oder praktische Wirkung von Unionsnormen,23 zum Tragen.24 Für den maßgeblichen Zweck der Kollisionsnormen geben mitunter ebenfalls die Erwägungsgründe Aufschluss.25 B. Insbesondere: Der systematische Zusammenhang der Rom I-Verordnung mit anderen Rechtsakten Ein weiteres wichtiges Mittel für die Ermittlung des Regelungsgehalts von europäischen Normen ist die systematische Auslegung.26 Dabei geht es darum, die Stellung einer Rechtsvorschrift in Zusammenhang mit anderen NorEuGH, 27.10.1977 – Rs. 30/77 [Bouchereau], Slg. 1977, 1999 Nr. 13/14. Ausführlich zu den Besonderheiten der grammatikalischen Auslegung des Unionsrechts Weiler, ZEuP 2010, 861 ff. 16 Kropholler, in: FS 75 Jahre MPI, S. 583 (590 f.). Zu den widersprüchlichen Fassungen von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO siehe unten § 6 – E.III.2.a). 17 Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 4 Rn. 5. Nach Hobe, Europarecht, 7. Aufl. 2012, § 10 Rn. 48 ist dies jedoch nur von „geringerer Bedeutung“. 18 Siehe unten § 6 – A.I. 19 Grünbuch (1. Kapitel Fn. 280), KOM(2002) 654 endg. 20 Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (110) Fn. 37. 21 So der EuGH in seinem Grundsatzurteil, 5.2.1963 – Rs. C-26/62 [van Gend & Loos], Slg. 1963, 1 (27), wo er den „Geist“ der Regelung seiner Aufzählung von Auslegungsmethoden voranstellte. Siehe auch Schroeder, JuS 2004, 180 (183). 22 Kropholler, in: FS 75 Jahre MPI, S. 583 (592). 23 Siehe nur EuGH, 3.9.2009 – Rs. C-489/07 [Messner], Slg. 2009, I-7315 = NJW 2009, 3015 Rn. 24. 24 Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 4 Rn. 7. 25 Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (111). 26 Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 4 Rn. 6. 15

§ 5 Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR

103

men oder im Gesamtzusammenhang mit der Struktur eines Gesetzestextes zu untersuchen.27 Ebenso muss jedoch auch auf den Kontext anderer Rechtsakte geachtet, sprich rechtsaktübergreifend ausgelegt werden.28 Für die Auslegung speziell der Rom I-Verordnung sind deshalb zunächst einmal die mit ihr verwandten Rom II-Verordnung und Brüssel I-Verordnung (EuGVVO) heranzuziehen (I.). Doch auch andere Rechtsakte des Unionsgesetzgebers können dabei gegebenenfalls Berücksichtigung finden (II.). Fraglich ist jedoch, inwieweit auch internationale Konventionen der Mitgliedstaaten für die Auslegung der Rom I-Verordnung, speziell Art. 5 Rom I-VO, relevant werden können (III.). I.

Enge Verbindung zu Rom II-Verordnung und EuGVVO

In der Rom I-Verordnung selbst wird ausdrücklich auf einen systematischen Zusammenhang mit anderen Rechtsakten der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, die ebenfalls auf Grundlage von Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV (exArt. 61 lit. c i. V. m. ex-Art. 65 lit. b EGV) erlassen worden sind, hingewiesen.29 Erwägungsgrund (7) stellt insoweit fest: „Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (‚Brüssel I‘) und der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (‚Rom II‘) im Einklang stehen.“30

Dass insbesondere die beiden kollisionsrechtlichen Rom I- und II-Verordnungen in einem engen Verhältnis stehen, zeigen bereits die vielen, vor allem allgemeinen Formulierungen, die jeweils inhaltlich übereinstimmen. 31 Das Schroeder, JuS 2004, 180 (182). Kropholler, in: FS 75 Jahre MPI, S. 583 (591); zur Berücksichtigung von internationalen Konventionen bei der Auslegung siehe Plender/Wilderspin, Rn. 1-114 ff. 29 Dies trifft genau genommen jedoch nur auf die Zuständigkeitsvorschriften des zweiten Kapitels der EuGVVO zu, die ihren Ursprung in Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV (ex-Art. 65 lit. b EGV) haben, weil es sich dabei um „Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten“ handelt. Das dritte Kapitel der Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung beruht hingegen auf Art. 81 Abs. 2 lit. a AEUV (ex-Art. 65 lit. a Spiegelstrich 3 EGV). Erwägungsgrund (5) EuGVVO spricht freilich lediglich von Art. 81 AEUV als Gesetzgrundlage. Zum Stand der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen siehe Frenz, JR 2011, 277 ff. 30 Zum Zusammenhang der Rechtsakte siehe auch Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102 ff.; Lein, in: YPIL X (2008), S. 177 ff.; dies. in: Cashin Ritaine/Bonomi (Hrsg.), Le nouveau règlement européen „Rome I“ relatif à la loi applicable aux obligations contractuelles, 2008, S. 27 ff.; Haftel, Clunet 137 (2010), 761 ff. 31 So beispielsweise Art. 2 Rom I-VO/Art. 3 Rom II-VO, Art. 20, 21, 22, 23, 25 Rom IVO/Art. 24, 26, 25, 27, 28 Rom II-VO. Ebenso wird dies aus Erwägungsgrund (15) deutlich, wonach die Regelung von Art. 3 Rom I-VO so weit wie möglich an Art. 14 Rom II-VO 27 28

104

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

liegt daran, dass die beiden Rechtsakte komplementär das europäische Schuldrechts-IPR bilden, welches konzeptionell, abgesehen von den sachlichen Ausnahmetatbeständen, jedes denkbare zivil- oder handelsrechtliche Schuldverhältnis erfasst.32 Diese kollisionsrechtliche Einheit soll den zivilprozessualen Zuständigkeitsregeln der Brüssel I-Verordnung entsprechen.33 Allerdings decken sich die addierten Anwendungsbereiche der Rom-Verordnungen nicht ganz mit dem der EuGVVO, welcher umfassender ausgestaltet ist.34 Außerdem bestehen sowohl teleologische als auch konzeptionelle Unterschiede zwischen Internationalem Privat- und Zivilprozessrecht, so dass keine pauschale Begriffseinheit bestehen kann.35 Das wird schon allein aus dem Umstand deutlich, dass das Ziel des IPR die Bestimmung genau einer Zielrechtsordnung ist, während im IZVR eine Mehrfach- bzw. Alternativzuständigkeit möglich ist. Es kann daher nicht von einer allgemeinen Vermutung ausgegangen werden, alle gleichen oder vergleichbaren Begriffe müssten einheitlich ausgelegt werden, sondern diese Frage ist immer auf den Einzelfall bezogen zu prüfen.36 Ein Gleichlauf der Begrifflichkeiten ist allerdings dann zu vermuten, wenn kollisions- und zivilverfahrensrechtlichen Vorschriften diesselben Schutzziele verfolgen.37 Zudem lassen sich konkrete Parallelen zwischen Begriffen der Rom IVerordnung und der EuGVVO ausmachen. So sind etwa die kollisionsrechtlichen Begriffe „Erbringung von Dienstleistungen“, „Verkauf beweglicher Sachen“ (Art. 4 Abs. 1 lit. a und b Rom I-VO) und das „Ausrichten einer Tätigkeit“ im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen (Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom I-VO) entsprechend ihrer Bedeutung in der EuGVVO auszulegen.38 Ein solch gegenständlicher Auslegungszusammenhang zwischen den Rechtsakten der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ist auch von der Rechtspre-

angeglichen werden sollte. Der enge Interpretationszusammenhang ergibt sich zudem daraus, dass beide Verordnungen gleichartige Ziele verfolgen (Plender/Wilderspin, Rn. 1-108). 32 Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (41); Freitag, in: FS Spellenberg, S. 169 m. w. N. 33 Leible, S. 43. 34 Freitag, in: FS Spellenberg, S. 169 (172). 35 Ausführlich Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102 (106 ff.) m.w.N; siehe auch Mankowski, in: FS Heldrich, S. 867 (868 ff.); Lüttringhaus/Weber, RIW 2010, 45 (49). 36 So treffend GA Trstenjak, in den Schlussanträgen vom 16.12.2010 in der Rs. C-29/ 10 Rn. 83. 37 Lüttringhaus, VersR 2010, 183 (189) m. w. N. 38 Siehe die Erwägungsgründe (17) und (24) der Rom I-VO. Ausführlich zu diesen „besonderen Konkordanzgeboten“ Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102 (118 ff.); Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (47 ff., 57 f.). Dieser Grundsatz gilt im Übrigen wechselseitig (PWW/ Brödermann/Wegen, Art. 4 Rom I-VO Rn. 11). Zum Auslegungszusammenhang speziell zwischen Rom I- und Brüssel I-VO Bitter, IPRax 2008, 96 ff.; Pocar, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 343 ff.; siehe auch Kindler, EuLF 2010, I-252 (I-254 ff.) und Rühl, GPR 2013, 122 ff.

§ 5 Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR

105

chung bereits berücksichtigt worden.39 Die Rom-Verordnungen sowie die EuGVVO bilden eine Einheit und müssen dementsprechend einheitlich ausgelegt werden.40 Da es sich bei Erwägungsgrund (7) um eine Soll-Bestimmung (engl. should, franz. devraient) handelt, scheint die Pflicht zur einheitlichen Auslegung indes nicht absoluter Natur zu sein. Gleichwohl müsste eine Abweichung zumindest durch einen besonderen Grund gerechtfertigt werden.41 II. Unionsrecht im Allgemeinen Die Rom I-Verordnung ist aber nicht nur im Einklang mit diesen ihr unmittelbar verwandten Rechtsakten der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zu interpretieren. Vielmehr sind bei ihrer Auslegung generell die sonstigen Rechtsakte des europäischen Gesetzgebers zu berücksichtigen.42 Denn die Rom IVerordnung ist nicht bloß europäisch-autonom, sondern unionskonform auszulegen, sodass sie nicht nur im Lichte des sonstigen Unionsrecht interpretiert werden kann, sondern sogar muss.43 Dies verlangt nicht zuletzt der Effektivitätsgrundsatz, denn für eine wirklich sichere und damit effektive Anwendung des supranationalen Rechts muss dieses ein Mindestmaß an Kohärenz aufweisen.44 Aufgrund des Gebots der unionskonformen Auslegung sind im Rahmen der Interpretation der Rom I-Verordnung daher jegliche Rechtsinstrumente europäischer Gesetzgebung zu berücksichtigen.45 Neben sonstigen Sekundärrechtsakten46 sind also auch gegebenenfalls die Staatsverträge der Union, die

39 Allen voran durch den EuGH, 7.12.2010 – verb. Rs. C-585/08 [Pammer] und C-144/ 09 [Hotel Alpenhof], Slg. 2010, I-12527 = NJW 2011, 505 = EuZW 2011, 98 Anm. Clausnitzer = RIW 2011, 241 Anm. Berg = EWiR 2011, 111 Anm. Mankowski, Rn. 41 ff. Ebenso verfuhr der BGH NJW 2009, 298, der ein Ausrichten der gewerblichen Tätigkeit i. S. v. Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO mit dem Vertragsschluss verknüpfte, wie es sich zwar nicht aus der EuGVVO ergibt, dagegen aber aus Erwägungsgrund (25) zu Art. 6 Rom I-VO (dazu Leible, S. 45 f.). 40 Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102 (124). 41 Leible, S. 47; Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102 (124). 42 Zum systematischen Zusammenhang zwischen den verschieden(rangig)en Rechtsakten des Unionsrechts Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882 (892 ff.). Kritischer hinsichtlich einer rechtsaktsübergreifenden Auslegung im Unionsrecht Herresthal, in: Arnold (Hrsg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2013, S. 49 (75 f.). 43 Magnus, in: FS Kühne, S. 779 (780 f.). 44 Aufgrund der lediglich punktuellen Rechtssetzungskompetenzen der EU ist dem europäischen Gesetzgeber keine umfassende, kohärente Ausgestaltung des Unionsrechts möglich, siehe Herresthal, in: Arnold (Hrsg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2013, S. 49 (68 f.). 45 Vgl. Rauscher/v. Hein, Einl. Rom I-VO Rn. 59. 46 Siehe beispielsweise die in den Erwägungsgründen (26) und (30) der Rom I-VO aufgeführten Rechtsakte.

106

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

ebenfalls Teil der Unionsrechtsordnung sind,47 heranzuziehen.48 Für die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO kommt insbesondere ein Rückgriff auf die materiell-rechtlichen Fahrgastrechteverordnungen in Betracht. Dafür spricht nicht zuletzt, dass diese Regelungen allesamt innerhalb eines kurzen Zeitraums geschaffen wurden.49 Auch die materiell-rechtlichen Konventionen wie MÜ, COTIF und AÜ könnten im Übrigen Bedeutung erlangen. Allerdings ist bei einer solchen Vorgehensweise generell Vorsicht geboten, denn auch auf europäischer Ebene herrscht eine gewisse Autonomie des IPR gegenüber dem Sachrecht.50 Kollisionsrechtliche Begriffe stimmen nicht notwendigerweise mit den materiell-rechtlichen Begriffen derselben Rechtsordnung überein, sondern gehen häufig darüber hinaus. 51 Auch hier ist folglich eine pauschale Übertragung von Begrifflichkeiten unangebracht. Insoweit sind einer rechtsaktübergreifenden Auslegung also Grenzen gesetzt. III. (Sachrechts-)Konventionen der Mitgliedstaaten Ist ein innergemeinschaftlicher Auslegungszusammenhang zweifellos anzuerkennen, 52 kann in einem weiteren Schritt die Frage gestellt werden, inwieweit für die Interpretation der Rom I-Verordnung auch staatsvertragliches Recht der Mitgliedstaaten heranzuziehen ist. Dies spielt gerade im Hinblick auf Art. 5 Rom I-VO eine besondere Rolle, da auf dem Gebiet des Transportrechts eine Vielzahl an internationalen (mitgliedstaatlichen) Konventionen gegeben ist.53 Unstreitig kann jedenfalls das Europäische Schuldvertragsübereinkommen von 1980 gegebenenfalls für die Auslegung der Rom I-Verordnung herangezogen werden.54 Allerdings stellt das EVÜ einen Sonderfall dar, schließlich löst die Rom I-Verordnung diesen mitgliedstaatlichen Kollisionsrechtsstaatsvertrag ab und tritt an dessen Stelle, vgl. Art. 24 Rom I-VO.55

Siehe oben § 2 – B.III.1. Überdies ist auch die Rom I-Verordnung selbstverständlich grundsätzlich primärrechtskonform auszulegen. 49 Wie hier von einem Zusammenhang zwischen den europäischen Fahrgastregelungen und Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ausgehend Karsten, in: Yearbook of Consumer Law 2009, 333 (339). 50 Siehe Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (32 f.). 51 Dazu allgemein Kropholler, IPR, S. 124 f. 52 Kropholler, in: FS 75 Jahre MPI, S. 583 (591); Staudinger/Magnus, Einl. Rom I-VO Rn. 62; Rauscher/v. Hein, Einl. Rom I-VO Rn. 59; Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (34 f.). 53 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 33. Siehe die dazu infrage kommenden Konventionen im Überblick oben § 1 – B. 54 MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 25; Magnus, IPRax 2010, 27 (28). 47 48

§ 5 Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR

107

Eine Verallgemeinerung dieser Praxis begegnet aber grundsätzlichen Bedenken, denn ein systematischer Zusammenhang kann ohne Weiteres nur zwischen Rechtsakten desselben Gesetzgebers angenommen werden, da nur dann von einer vom Gesetzgeber gewollten Wechselbezüglichkeit der Normen ausgegangen werden kann.56 Dennoch wird auch eine rechtsaktsübergreifende Interpretation zwischen Rom I-Verordnung und materiell-rechtlichen Konventionen der Mitgliedstaaten gefordert,57 insbesondere im Rahmen von Art. 5 Rom I-VO.58 Dies wird dogmatisch damit begründet, dass die Rom IVerordnung nicht nur für unionsinterne Sachverhalte, sondern universal anwendbar sei.59 Außerdem diene dafür die jüngere Rechtsprechung des EuGH als Vorbild,60 der in der Rechtssache Car Trim für die Auslegung der EuGVVO das mitgliedstaatliche CISG heranzog.61 Entscheidendes Kriterium für die Annahme eines rechtsordnungsübergreifenden systematischen Zusammenhangs ist der gesetzgeberische Wille: Nur dort, wo der Gesetzgeber es vorsieht, kann eine auszulegende Norm wechselseitig im Lichte einer fremden Referenznorm interpretiert werden.62 Ein derartiger Wille des Unionsgesetzgebers kann bei entsprechenden Bezugnahmen festgestellt werden: Demnach besteht ein konventionsübergreifender systematischer Zusammenhang etwa zwischen der VO 2027/97 und dem Montrealer Übereinkommen;63 der VO 392/2009 und dem Athener Übereinkommen;64 sowie zwischen der VO 1371/2007 und der COTIF65.66 Desweiteren hat das CISG Referenzcharakter für die Bestimmungen der Verbrauchsgüterkaufricht55 Die Kontinuität von Regelungen des EVÜ wird ausdrücklich in den Erwägungsgründen (15) und (22) der Rom I-Verordnung angeordnet. Insoweit hätte ein systematischer Rückgriff auf das EVÜ gleichzeitig eine historische Dimension. 56 Vgl. Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882 (904 ff.). 57 Staudinger/Magnus, Einl Rom I-VO Rn. 62; dahingehend auch Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882 (926 f.). Für eine konventionsübergreifende kohärente Auslegung von Außenabgrenzungsnormen, namentlich der Begriffe „Wechsel“ und „Scheck“ in Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO im Lichte der Genfer Übereinkommen (Abkommen vom 7.6.1930 über Bestimmungen auf dem Gebiete des internationalen Wechselprivatrechts, RGBl. 1933 II, 444; Abkommen vom 19.3.1931 über Bestimmungen auf dem Gebiete des internationalen Scheckprivatrechts, RGBl. 1933 II, 594), Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (43). 58 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 33. 59 Magnus, in: FS Kühne, S. 779 (781). 60 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 33. 61 EuGH, 25.2.2010 – Rs. C-381/08 [Car Trim], Slg 2010, I-1255 = EuZW 2010, 301 Anm. Leible = NJW 2010, 1059 Anm. Piltz = ZEuP 2011, 669 Anm. Gsell Rn. 36 f. 62 Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882 (904) m. w. N. 63 Vgl. Art. 1 S. 1 der VO. 64 Siehe Art. 1 Abs. 1 der VO. 65 Erwägungsgrund (6) der VO. 66 Freilich sind die genannten Konventionen, dadurch, dass ihnen die Union beigetreten ist, mittlerweile selbst unmittelbar Teil der Unionsrechtsordnung geworden, siehe die Nachweise oben unter § 1 – B.

108

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

linie67, schließlich diente das UN-Kaufrecht bei der Schaffung der Richtlinie als Modell.68 Dieser systematische Zusammenhang ist es übrigens auch, der in der besagten Car Trim-Entscheidung zum Ausdruck kommt. Die Annahme eines direkten systematischen Zusammenhangs zwischen EuGVVO und CISG ist daraus nicht unbedingt zu schließen. Vielmehr fällt auf, dass der EuGH für die Auslegung der EuGVVO zunächst die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie heranzog und erst im Anschluss daran das wiederum dieser zugrundeliegende internationale Einheitsrecht.69 Die Berücksichtigung des CISG erfolgte somit allenfalls mittelbar. Ausgangspunkt der systematischen Interpretation war letztlich also doch eine andere Bestimmung des Sekundärrechts. Aus dieser Entscheidung kann daher nicht geschlussfolgert werden, dass internationales Einheitsrecht stets im Rahmen der Auslegung von Unionsrecht zu beachten wäre. Zudem spricht gegen eine derartige Berücksichtigung von Einheitsrecht im Rahmen der Rom I-Verordnung, insbesondere der Transportrechtskonventionen im Rahmen von Art. 5 Rom I-VO, ein wichtiger international-privatrechtlicher Grundsatz: Kollisionsrechtliche Begrifflichkeiten orientieren sich nicht zwingend an materiell-rechtlichen Rechtsinstituten. In ihrer Eigenschaft als IPR haben sie einen grundsätzlich umfassenderen Anwendungsbereich als ähnlich lautende materiell-rechtliche Bestimmungen nationaler oder auch internationaler Herkunft. Denn gegebenenfalls sind unter die Kollisionsnormen auch unbekannte ausländische Rechtsinstitute zu subsumieren. Dass insbesondere Art. 5 Rom I-VO einen weitergehenden Bedeutungsanspruch als das korrespondierende materielle Einheitsrecht hat, zeigt sich beispielsweise daran, dass die europäische Kollisionsnorm einen deutlich weiteren sachlichen Anwendungsbereich als die materiell-rechtlichen (mitgliedstaatlichen) Transportrechtskonventionen aufweist: So erfasst Art. 5 Rom I-VO beispielsweise jegliche Formen multimodaler Verträge, wohingegen die sektoralen Staatsverträge solche grundsätzlich nicht abdecken.70 Daher erscheint eine konventionskonforme Auslegung der europäischen Kollisionsnorm für Beförderungsverträge nicht angebracht.71

67 Richtlinie 1999/44/EG vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. 1999 L 171, 12. 68 Vgl. Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882 (927). Zur Vorbildfunktion des CISG vgl. die Begründung des Richtlinienvorschlages KOM(95) 520 endg., S. 6. Siehe dazu auch Staudenmayer, NJW 1999, 2393 f.; Grundmann, AcP 202 (2002), 40 ff. 69 EuGH (Fn. 61), Rn. 35. 70 Näher dazu unten § 10 – C. 71 Wie hier Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (57 f.) Rn. 3.27. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen für solche materiell-rechtlichen Übereinkommen, die unmittelbarer Bestandteil der Unionsrechtsordnung geworden sind.

§ 5 Auslegung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR

109

C. Der EuGH als oberste Auslegungsinstanz Eine unmittelbare Folge der Transformation des Schuldvertrags-IPR in eine sekundärrechtliche Form ist, dass der EuGH direkt für die Auslegung des nunmehr supranationalen Kollisionsrechts zuständig ist. 72 Eine entsprechende Lösung war zwar auch bereits von den Vertragsparteien des Römer Schuldvertragsübereinkommens vorgesehen, allerdings zog sich deren Umsetzung erheblich in die Länge,73 mit der Folge, dass sich der EuGH zum ersten Mal zum EVÜ äußern konnte, als dessen supranationaler Nachfolgerechtsakt bereits auf den Weg gebracht war.74 Außerdem konnten Auslegungsfragen zum EVÜ nur von den obersten nationalen Gerichtshöfen vorgelegt werden, wohingegen nun bezüglich der Rom I-Verordnung eine Vorlagepflicht besteht und zwar aller Gerichte, sofern sie im konkreten Fall als letzte Instanz entscheiden, vgl. Art. 267 AEUV.75 Mit der jüngsten Europäisierung des Internationalen Privatrechts wird daher eine verstärkte Judikatur durch den Gerichtshof in Luxemburg einhergehen.76 D. Die Qualifikation materiell-rechtlicher Rechtsinstitute Eng mit der Auslegung einer Kollisionsnorm verbunden ist die Qualifikationsproblematik, die primär die Subsumtion eines konkreten Gegenstandes unter den Tatbestand einer Kollisionsnorm betrifft.77 Dabei stellt sich die Frage, welche materiell-rechtlichen Systembegriffe von welcher Verweisungsnorm beurteilt werden. Im Grunde werden dadurch die Grenzen des sachlichen Anwendungsbereichs der einzelnen Kollisionsnorm determiniert.78 Für das nationale IPR gilt, dass der Maßstab der Qualifikation grundsätzlich der Rechtsordnung zu entnehmen ist, unter dessen Norm eine Rechtsfrage subsumiert werden soll. Soweit ein Gericht sein eigenes Kollisionsrecht anwendet, muss die Qualifikation grundsätzlich also nach der lex fori erfolgen,79 und zwar funktionell nach dem Zweck des in der Kollisionsnorm verwendePfeiffer, EuZW 2008, 622; Magnus, IPRax 2010, 27 (28). Die Auslegungsprotokolle zum EVÜ (BGBl. 1995 II, 916 bzw. 923), welche dem EuGH die entsprechende Kompetenz übertrugen, sind erst zum 1.8.2004 in Kraft getreten (siehe BGBl. 2005 II, 147 f.). 74 Zu dieser Entscheidung unten Fn. 121. 75 Siehe auch Magnus, IPRax 2010, 27 (28). 76 Aus diesem Grund die Schaffung eines Fachgerichts für zivil- und international-privatrechtliche Angelegenheiten gemäß Art. 257 AEUV anregend Sonnenberger, IPRax 2011, 325 (335); Kieninger, in: FS Scheuing, S. 110 (126). Beachte auch die ausführliche Abwägung des Für und Wider eines europäischen Fachgerichts für Privatrecht von Riehm, in: Gsell/Hau (Hrsg.), Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches Justizsystem, 2012, S. 203 (204 ff). 77 Näher dazu Kropholler, IPR, S. 113 ff. 78 v. Bar/Mankowski, § 7 Rn. 138. 79 Kropholler, IPR, S. 121. 72 73

110

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

ten Verweisungsbegriffs.80 Im Hinblick auf die Rom I-Verordnung, die supranationales Recht darstellt, gelten jedoch insofern Besonderheiten: Weil auch die Auslegung des Sekundärkollisionsrechts europäisch-autonom erfolgt,81 muss dies auch für die von einem nationalen Richter vorzunehmende Qualifikation von Systembegriffen gelten.82 Insbesondere kann das Gericht bei kollisionsrechtlichen Abgrenzungsfragen nicht ohne Weiteres auf die ihm bekannte Systematik seines Heimatsachrechts abstellen.83 In den Problemkreis der Qualifikation fällt nicht zuletzt die Frage, wie eine etwaige – auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene statuierte – Befördererhaftung systematisch (als vertraglich oder außervertraglich) einzuordnen ist.84

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen durch Art. 5 Rom I-VO

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen Nach Klärung der methodischen Fragen ist dieser Abschnitt dem konkreten Kollisionsrecht für Güterbeförderungsverträge der Rom I-Verordnung gewidmet. Da sich dieses, obwohl nunmehr in einer einzigen Vorschrift geregelt, in vielerlei Hinsicht von jenem für Personenbeförderungsverträge unterscheidet, werden die beiden IPR-Regime hier thematisch getrennt behandelt.85 Im Hinblick auf Güterbeförderungsverträge bestimmt Art. 5 Rom I-VO: (1) 1Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern keine Rechtswahl nach Artikel 3 getroffen haben, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. 2Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates des von den Parteien vereinbarten Ablieferungsorts anzuwenden. […] Kropholler, IPR, S. 126 ff. Ausführlich zur Qualifikationsproblematik und den verschiedenen Lösungsansätzen, v. Bar/Mankowski, § 7 Rn. 138 ff. m. w. N. 81 Siehe oben A. 82 Vgl. v. Bar/Mankowski, § 7 Rn. 171 und Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (108 f.) m. w. N., der zutreffend feststellt, dass man aufgrund der systematischen und teleologischen Auslegung auch auf europäischer Ebene von einer Qualifikation anhand der lex fori sprechen kann, sofern man als lex fori die Unionsrechtsordnung begreift (S. 111). Ebenso äußern sich Reiher, S. 39 und Heiss/Kaufmann-Mohi, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013, S. 181 (192 f.). Ausführlich zur Qualifikationsproblematik im europäischen IPR Nehne, S. 170 ff. 83 Insofern sollte (innerhalb der lex fori) grundsätzlich von einer Autonomie zwischen IPR und materiellem Recht ausgegangen werden, vgl. Kropholler, IPR, S. 124 f. Deshalb wäre es systematisch fragwürdig, beispielsweise die kollisionsrechtliche Qualifikation von speditionellen Verträgen anhand der Zuordnung im deutschen materiellen Recht (§§ 458 ff. HGB) vorzunehmen (näher dazu unten § 6 – B.III.3.). 84 Näher dazu unten § 9 – C.III.4. 85 Zu den Personenbeförderungsverträgen siehe unten § 7. 80

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

111

(3) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag im Falle fehlender Rechtswahl eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Absatz 1 […] bestimmten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

Am Anfang der Analyse von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO soll in einem ersten Schritt auf den historischen Kontext der Norm eingegangen werden, um – möglicherweise – mit dessen Hilfe den Zweck der besonderen Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge bestimmen zu können (A.). Erst danach kann die inhaltliche Untersuchung der Vorschrift beginnen. Im Zuge dessen ist zunächst zu klären, was unter dem Begriff „Vertrag über die Beförderung von Gütern“ im Sinne der Rom I-Verordnung zu verstehen ist (B.). Das sich dadurch ergebende Bild vom sachlichen Anwendungsbereich wird sodann ergänzt durch Ausführungen zu den räumlichen und persönlichen Anforderungen für die Anwendung der Vorschrift (C.). Steht damit fest, unter welchen Voraussetzungen diese einschlägig ist, soll auf das konkrete, durch die Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm normierte Anknüpfungssystem eingegangen werden: Dazu wird zunächst die Möglichkeit einer Rechtswahl der Parteien beleuchtet, weil diese im Regime des Art. 5 Rom I-VO vorrangig zu beachten ist (D.). Daran schließt sich die ausführliche Betrachtung der differenzierten objektiven Anknüpfung an, welche sich nach Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO im Zusammenspiel mit Abs. 3 beurteilt (E.). Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge in einer Gegenüberstellung mit dem Anknüpfungssystem der Vorgängervorschrift des Art. 4 Abs. 4 EVÜ zusammengefasst (F.). A. Der historische Kontext: Evolution des europäischen Güterbeförderungsvertrags-IPR I.

Von Art. 4 Abs. 4 EVÜ zu Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO

Auf europäischer Ebene besteht eine gewisse Tradition für europäisches Transportvertragskollisionsrecht. Wenngleich anfänglich erwogen wurde, Beförderungsverträge von seinem Anwendungsbereich auszunehmen, 86 enthielt schon das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen von 1980 in seinem Art. 4 Abs. 4 eine besondere Bestimmung für Güterbeförderungsverträge.87 Grundsätzlich war nach dem EVÜ ein Vertrag objektiv an das Recht des Staates anzuknüpfen, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EVÜ). Gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 1 EVÜ wurde allgemein vermutet, dass dies der Staat sei, in dem die charakteristisch leistende Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies galt gemäß Art. 4 Abs. 4 S. 1 EVÜ jedoch nicht für Güterbeförderungsverträge. Für diese wurde laut S. 2 stattdessen Vgl. Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 53. Siehe dazu Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (102 ff.); MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl. 2006, Art. 28 EGBGB Rn. 64 ff. m. w. N. 86 87

112

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

unterstellt, „dass sie mit dem Staat die engsten Verbindungen aufweisen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort oder der Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders befindet“. Allerdings war nicht ausdrücklich geregelt und dementsprechend umstritten, wie zu verfahren ist, wenn die Voraussetzungen des letzten Halbsatzes nicht gegeben sind.88 Hinsichtlich der subjektiven Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen sah das EVÜ keine besondere Regelung vor. Die Systematik des EVÜ sollte – obwohl das Grünbuch bezüglich der Behandlung von Transportverträgen keine speziellen Änderungen anregte – zu Beginn des Reformprozesses modifiziert werden.89 So sah Art. 4 Abs. 1 lit. c des Verordnungsvorschlags der Kommission vom 15. Dezember 2005 für Güterbeförderungsverträge – ebenso wie Personenbeförderungsverträge – eine starre objektive Anknüpfung an den Aufenthaltsstaat des Beförderers vor. Nachdem die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 13. September 2006 diesbezüglich schwieg,90 vollzogen sich im Rat der Europäischen Union jedoch erhebliche Änderungen an der vorgeschlagenen transportvertaglichen Kollisionsnorm. Konkret wurde im Rat infrage gestellt, ob die unflexible Lösung des Art. 4 lit. c Rom I-VO-V auch ausreichend Einzelfallgerechtigkeit gewährleisten könne.91 Im weiteren Verordnungsgebungsverfahren wurde deshalb vom Vorschlag der Kommission abgerückt und die Beförderungsvertragskollisionsnorm wieder Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ nachgebildet.92 Zudem wurde diese durch eine – im EVÜ fehlende – Sekundärregel ergänzt.93 Da der Rechtsausschuss des Parlaments

Dies führte zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. So wurde diesbezüglich die Anwendung sowohl von Art. 4 Abs. 2 (OLG Bremen VersR 1996, 868; OLG Frankfurt/ Main NJW-RR 1993, 809) als auch von Art. 4 Abs. 1 EVÜ (OLG München NJW-RR 1998, 549) vertreten, obwohl sich in der Denkschrift zum EVÜ, BT-Drs. 10/503, S. 25 eindeutig für letzteres ausgesprochen wurde. Siehe zu dieser Frage zuletzt auch OLG Brandenburg IPRspr. 2009, Nr. 36. Der EuGH (Fn. 122) Rn. 33 ff. hat diesen Streit im Jahr 2014 zugunsten der zweiten Ansicht entschieden. 89 Zum Reformprozess im Zuge der Europäisierung siehe auch Mankowski, TranspR 2008, 339 (345 f.); McParland, Rn. 11.97 ff. und 11.132 ff. 90 ABl. 2006 C 318, 56. 91 Siehe den Vermerk der deutschen Delegation für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 27.9.2006, Dok. 13035/06 JUSTCIV 196 CODEC 948, S. 5. 92 Siehe den Vermerk des (finnischen) Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 12.10.2006, Dok. 13853/06 JUSTCIV 224 CODEC 1085, S. 6 Fn. 1. 93 So erstmals im Vermerk des deutschen und portugiesischen Ratsvorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 25.6.2007, Dok. 11150/07 JUSTCIV 175 CODEC 716, S. 8. 88

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

113

keine weiteren Änderungen vorschlug,94 ist die Vorschrift letztlich in dieser Form durch das Europäische Parlament in erster Lesung angenommen worden.95 Aus dem Verlauf und dem Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens wird deutlich, dass Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO die Tradition von Art. 4 Abs. 4 EVÜ grundsätzlich fortführt. Besonders die Kollisionsregel des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO orientiert sich ganz offensichtlich an Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ. Zudem entspricht der sachliche Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom IVO dem von Art. 4 Abs. 4 EVÜ, vgl. Erwägungsgrund (22).96 Das IPR der Güterbeförderungsverträge wurde im Zuge seiner Europäisierung somit nicht revolutionär, sondern evolutionär weiterentwickelt. Dieser enge Zusammenhang zu seiner Vorgängerregelung muss bei der Interpretation und Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO berücksichtigt werden. II. Der Zweck der europäischen Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm Ein Rückgriff auf die Regelung im EVÜ ist insbesondere notwendig, um den Zweck der besonderen Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO näher zu bestimmen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien zur Rom I-Verordnung ergibt sich insoweit nämlich nur, dass durch die in Art. 5 Rom I-VO getroffene Lösung die „Rechtssicherheit gefördert“ werden soll.97 Näheres geht weder aus der Begründung des Kommissionsvorschlags noch aus dem Grünbuch oder sonstigen Ratsdokumenten hervor. Deshalb könnten möglicherweise die Materialien zur Vorgängerregelung des EVÜ Aufschluss bieten. Gleichwohl wurden auch im Rahmen des Schuldvertragsübereinkommens die Motive für die Schaffung der Sonderregelung für Güterbeförderungsverträge nicht offen gelegt. Als Grund dafür wurden lediglich die „Besonderheiten der Güterbeförderung“98 aufgeführt. 1. Förderung der Rechtssicherheit Das im Parlamentsbericht zum Ausdruck kommende Ziel, durch Art. 5 Rom I-VO die Rechtssicherheit fördern zu wollen, ist von eher allgemeiner Natur. Dieser Anspruch ist nämlich nicht nur an die besondere Kollisionsnorm für Beförderungsverträge zu stellen, sondern grundsätzlich an alle VerSiehe Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) vom 21.11.2007 (A6-0450/2007), S. 29 Änderungsantrag 44. 95 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29.11.2007, C6-0441/ 2005 –2005/0261 (COD). 96 Ebenso Morse, in: Beale (Hrsg.), Chitty on Contracts, 31. Aufl. 2012, Rn. 30-213. Näher zum sachlichen Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO unten B. 97 So der Parlamentsbericht (Fn. 94) S. 31. 98 Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 53. 94

114

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

weisungsnormen der Rom I-Verordnung.99 So besagt Erwägungsgrund (16) der Rom I-Verordnung, dass die Anknüpfungsregeln ein hohes Maß an Berechenbarkeit aufweisen sollten, „um zum allgemeinen Ziel dieser Verordnung, nämlich zur Rechtssicherheit im europäischen Rechtsraum, beizutragen“. Desweiteren spricht Erwägungsgrund (6) davon, „den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten vorhersehbarer zu machen und die Sicherheit in Bezug auf das anwendbare Recht […] zu fördern“. Um dies sicherzustellen ist mit der Rom I-Verordnung ein entscheidender methodischer Wechsel vollzogen worden: So fußt die objektive Anknüpfung der Schuldverhältnisse nicht mehr wie im EVÜ auf Vermutungen, sondern richtet sich nun nach starren Anknüpfungsregeln.100 Ein richterliches Ermessen besteht diesbezüglich nur noch in sehr beschränktem Maße.101 Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit sind indes nicht nur prägende Motive des europäischen IPR, sondern zudem des IZVR.102 Mehr noch wird das Bestreben, Rechtssicherheit zu gewährleisten, schon durch das Primärrecht vorgegeben. So handelt es sich um ein Kernziel der Union, „seinen Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen“ zu gewähren, Art. 3 Abs. 2 EUV. Bei der Rechtsicherheit handelt es sich um eine der von jenem Raum des Rechts verfolgten Maximen.103 Gleichzeitig wird dadurch der Binnemarkt gefördert, weil Rechtssicherheit kostensenkend wirkt und grenzüberschreitende Transaktionen erleichtert.104 Anhand dieser primärrechtlichen Vorgaben ist letztlich auch die sekundärrechtliche Vorschrift des Art. 5 Rom I-VO zu messen. Allerdings lässt sich daraus nicht ableiten, warum Güterbeförderungsverträge Gegenstand einer eigenständigen Kollisionsnorm sind. 2. Die international-privatrechtliche Besonderheit der Güterbeförderung Gerade der Passus im Giuliano/Lagarde-Bericht wirft die Frage auf, welche international-privatrechtliche Besonderheit internationale Güterbeförderungsverträge gegenüber anderen internationalen Verträgen aufweisen, sodass diese einer Sonderregel in Art. 4 Abs. 4 EVÜ bzw. nunmehr in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO bedürfen.105 Die entsprechende Eigenheit jener Verträge kann Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339 (345). Azzi, D. 2008, 2169. Siehe dazu Ferrari, RabelsZ 73 (2009), 750 (761 f.) m. w. N. 101 M.-P. Weller, IPRax 2011, 429 (434). Vgl. auch Magnus, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 27 (29). 102 Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (41); Zu der Maxime der Rechtssicherheit in der zivilprozessualen Rechtsprechung des EuGH Kieninger, in: FS Scheuing, 2011, S. 110 (116 f.). 103 M.-P. Weller, IPRax 2011, 429 (434). 104 M.-P. Weller, IPRax 2011, 429 (434); Siehr, in: FS Firsching, 1985, S. 269 (280). 105 Die Notwendigkeit einer Sonderregelung dagegen grundsätzlich ablehnend Mankowski, TranspR 2008, 339 (342 ff.). 99

100

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

115

darin gesehen werden, dass bei diesen im Regelfall bereits die geschuldete Tätigkeit selbst einen internationalen Bezug herstellt. Der Idealtypus des internationalen Güterbeförderungsvertrages – der grenzüberschreitende Transportvertrag, auf welchen auch die Transportrechtskonventionen ausgerichtet sind106 – zeichnet sich dadurch aus, dass ein bestimmtes Gut von einem Ort in Staat A zu einem anderen Ort in einem anderen Staat B befördert werden soll. Dabei ist also schon die vertraglich geschuldete (Beförderungs-) Leistung an sich grenzüberschreitend und somit international. Im Allgemeinen ist das internationale Element von Verträgen dagegen häufig eine Konsequenz aus der – von den europäischen Grundfreiheiten geförderten – Mobilität der Parteien, sprich von Leistungserbringer und/oder -empfänger. Meist überschreitet entweder der eine oder der andere im Zuge des jeweiligen Rechtsgeschäfts eine staatliche Grenze. Gleichwohl wird die geschuldete Leistung in der Regel innerhalb eines Staates erbracht, nämlich am Sitz des Leistenden. Dies gilt insbesondere bei grenzüberschreitenden Kaufverträgen, die eine Lieferpflicht des Verkäufers enthalten.107 Die Erbringung einer Beförderungsleistung erfolgt dagegen nicht vornehmlich am Sitz des Beförderers, sondern vollzieht sich vielmehr zwischen dem Übernahme- und dem Ablieferungsort. Internationale (grenzüberschreitende) Beförderungsverträge weisen deshalb häufig keinen räumlichen Bezug zum gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers auf.108 Dies erklärt – wie es nunmehr auch der Europäische Gerichtshof ausdrücklich anerkannt hat –109 die vom allgemeinen Prinzip der charakteristischen Leistung abweichende Sonderregelung für Güterbeförderungsverträge.110 Dagegen lässt sich eine gesonderte Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen nicht damit begründen, dass der Vertragspartner des

Vgl. auch unten B.II. Im Gegensatz zu den Konventionen erfasst Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO aber zusätzlich auch andere Konstellationen, die einen Güterbeförderungsvertrag internationalisieren, siehe dazu unten C.I. 107 Bei grenzüberschreitenden Kaufverträgen, die eine Pflicht des Verkäufers zur (grenzüberschreitenden) Lieferung der Kaufsache vorsehen, wird der Verkäufer die – regelmäßig eine Nebenpflicht darstellende (siehe unten B.III.5.) – Lieferung im absoluten Regelfall nicht selbst durchführen, sondern insoweit einen Frachtführer oder Spediteur beauftragen. Damit vollzieht er letztlich alle erforderlichen Handlungen zur Erfüllung seiner kaufvertraglichen Pflichten (insbesondere Übereignung des Kaufgegenstands) an seinem Wohnsitz. Der mit der Transportperson geschlossene Vertrag stellt hingegen einen internationalen Beförderungsvertrag dar. 108 Vgl. Rammeloo, IPRax 2010, 215 (217); Legros (Fn. 121) 188 m. w. N. 109 EuGH (Fn. 122), RdTW 2014, 437 Rn. 22. 110 Dagegen geht die einer Sonderregel wie Art. 4 Abs. 4 EVÜ kritisch gegenüber stehende Stellungnahme des MPI, RabelsZ 68 (2004), 1 (45) davon aus, dass die Gefahr des fehlenden räumlichen Zusammenhangs nur in Einzelfällen bestehe, weshalb dieses Problem eher über die Anwendung der Ausweichklausel zu korrigieren sei. 106

116

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Güterbeförderers als schwächere Vertragspartei anzusehen sei.111 Ein derartiges Ungleichgewicht ist im internationalen Gütertransport nicht die Regel, weshalb sich auch der den Schwächerenschutz ins Spiel bringende Erwägungsgrund (32) Rom I-VO nur auf „zu befördernde Personen“ bezieht.112 3. Ergebnis Die besondere Kollisionsnorm des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO rechtfertigt sich aus der international-privatrechtlichen Eigenheit von Güterbeförderungsverträgen. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass internationale Beförderungsverträge regelmäßig keinen Bezug zum gewöhnlichen Aufenthalt der die charakteristische Leistung erbringenden Partei aufweisen. Deshalb hat der europäische Gesetzgeber Güterbeförderungsverträge nicht den allgemeinen Anknüpfungsregeln unterworfen. B. Sachlicher Anwendungsbereich: „Vertrag über die Beförderung von Gütern“ In sachlicher Hinsicht setzt Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO einen „Vertrag über die Beförderung von Gütern“ voraus. Wie so häufig im europäischen Sekundärrecht wird dieser Begriff allerdings durch die Verordnung selbst nicht ausdrücklich definiert. Lediglich in Erwägungsgrund (22) wird dazu Stellung genommen: „1In Bezug auf die Auslegung von ‚Güterbeförderungsverträgen‘ ist keine inhaltliche Abweichung von Artikel 4 Absatz 4 Satz 3 des Übereinkommens von Rom beabsichtigt. 2 Folglich sollten als Güterbeförderungsverträge auch Charterverträge für eine einzige Reise und andere Verträge gelten, die in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen. 3Für die Zwecke dieser Verordnung sollten der Begriff „Absender“ eine Person bezeichnen, die mit dem Beförderer einen Beförderungsvertrag abschließt, und der Begriff „Beförderer“ die Vertragspartei, die sich zur Beförderung der Güter verpflichtet, unabhängig davon, ob sie die Beförderung selbst durchführt.“

Der inhaltliche Aussagehalt dieser Passage ist überschaubar: So wird verbindlich klargestellt,113 dass trotz der Nichtübernahme von Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ in den konkreten Normtext von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO die bisher erfassten Verträge auch weiterhin kollisionsrechtlich als Güterbeförderungsverträge zu behandeln sind.114 Doch selbst wenn man aufgrund dieser Erwägungen davon 111 In diese Richtung aber Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2 und J. Schmidt, JURA 2011, 117 (120). 112 Dazu ausführlich unten § 7 – A.I. 113 Zum rechtlichen Charakter der Erwägungsgründe in der Präambel Lemaire, D. 2008, 2157 ff. 114 Allerdings kann man sich fragen, warum dieser Umweg gewählt wurde und die Bezugnahme nicht bereits in Art. 5 erfolgte (so Plender/Wilderspin, Rn. 8-013 Fn. 20). Möglicherweise sollte der Verordnungstext nicht überladen werden. Aus dem Wortlaut von

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

117

ausgeht, dass der sachliche Anwendungsbereich von Art. 5 Rom I-VO ganz und gar identisch mit jenem von Art. 4 Abs. 4 EVÜ ist,115 wird dadurch noch immer nicht deutlich, welche konkreten Vertragsgestaltungen als Güterbeförderungsverträge angesehen werden können. Abgesehen von den aufgeführten „Charterverträgen für eine einzige Reise“ war dies schließlich auch schon unter dem EVÜ im Einzelnen unklar. Aus diesem Grund soll der nun von der Rom I-Verordnung verwendete und damit europäisch-autonom auszulegende116 Terminus im Folgenden weiter konkretisiert werden (I.). Ein grobes Raster dafür lässt sich Erwägungsgrund (22) der Verordnung entnehmen, in welchem die Begriffe „Güterbeförderungsvertrag“ und „Verträge, die in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen“ gleichgestellt werden. Dementsprechend soll hier versucht werden, unter diese Kategorien typische transportrechtliche Vertragsgestaltungen zu subsumieren (II. und III.). Eigens betrachtet werden soll allerdings eine vor allem im Seeverkehr auftretende Besonderheit, nämlich die Frage der sachlichen Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO im Hinblick auf Konnossemente (IV.), bevor ein abschließendes Fazit zum sachlichen Anwendungsbereich erfolgt (V.). I.

Begriffsbestimmung

Für die Ausfüllung juristischer Termini bietet sich ein Rückgriff auf durch andere Rechtsakte vorgenommene Konkretisierungen an. Dabei muss aber beachtet werden, dass für die Auslegung eines supranationalen Begriffes der Rom I-Verordnung insbesondere mitgliedstaatliche Rechtsakte nicht ohne Weiteres herangezogen werden können.117 Folglich ist ein Rückgriff auf allein von Mitgliedstaaten ratifizierte Transportrechtskonventionen für die Ausfüllung des Güterbeförderungsvertragsbegriffs von Art. 5 Abs. 1 Rom IVO höchst fragwürdig. Dafür kämen eher die unmittelbar in das Unionsrecht überführten Übereinkommen in Betracht, doch enthalten weder das Montrealer Übereinkommen noch Anhang B der COTIF (CIM) eine brauchbare Definition des Güterbeförderungsvertrages. Auch im sonstigen europäischen UniErwägungsgrund (22) wird indes klar, dass dieser nur „die Auslegung von ‚Güterbeförderungsverträgen‘“ betrifft und somit nicht beabsichtigt, die Kontinuität des kompletten Anknüpfungssystems des EVÜ zu perpetuieren (so aber die Prämisse von Mankowski, TranspR 2008, 339 [347]). 115 In diesem Sinne Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (487 f.). Dies kann jedoch möglicherweise in Hinblick auf S. 3 von Erwägungsgrund (22) fraglich sein, da dessen Konkretisierung im Konventionstext des EVÜ nicht enthalten war. Allerdings entspringt dieser in weiten Teilen dem Giuliano/Lagarde-Bericht und lag damit faktisch ebenfalls dem EVÜ zugrunde (lediglich die Definition des Absenders ist neuartig, siehe unten E.I.2.c)aa)). Zur möglichen Bedeutung von Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO für den sachlichen Anwendungsbereich siehe unten B.III.3. 116 Siehe oben § 5 – A. 117 Näher dazu oben § 5 – B.III.

118

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

onsrecht ist der Begriff des Güterbeförderungsvertrags bisher nicht verwendet worden, sodass insoweit keine Basis für dessen Auslegung im Rahmen der Rom I-Verordnung besteht.118 Folglich kann einzig Erwägungsgrund (22) der Rom I-Verordnung Anhaltspunkte für die Definition des europäischen Güterbeförderungsvertragsbegriffs entnommen werden:119 Dort wird klargestellt, dass von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO sowohl Charterverträge für eine einzige Reise und andere Verträge erfasst werden sollen, „die in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen“. Dies entspricht wiederum wörtlich der Regelung in Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ.120 Genau jene Bestimmung war Gegenstand zweier der wenigen zum EVÜ getroffenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, dem ICF-Urteil vom 6. Oktober 2009121 und dem Urteil in der Rechtssache Haeger & Schmidt vom 23. Oktober 2014122, welche auch im Rahmen der Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO zu berücksichtigen sind (1.) und den Maßstab für dessen Anwendung bestimmen (2.). Danach ist die Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm sachlich einschlägig, sofern ein Vertrag (4.) hauptsächlich eine Güterbeförderung (3.) zum Gegenstand hat. 1. Heranziehung der EuGH-Entscheidungen ICF und Haeger & Schmidt Das vom niederländischen Hoge Raad vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen in der Sache ICF betraf (unter anderem) die Frage, wann ein Vertrag als Beförderungsvertrag im Sinne von Art. 4 Abs. 4 EVÜ zu qualifizieren ist. Konkret ging es um einen grenzüberschreitenden Chartervertrag, weshalb die Aussagen des Gerichtshofs grundsätzlich diese spezielle vertragliche Konstellation betreffen. Allerdings bezog sich der zu beurteilende Chartervertrag gerade nicht auf eine einzige Reise im Sinne von Art. 4 Abs. 4 S. 3 Alt. 1 EVÜ,123 weshalb sich der EuGH letztlich beispielhaft mit den Voraussetzungen von

118 Anders verhält es sich beim Personenbeförderungsvertrag, auf den sich verschiedene Sekundärrechtsakte beziehen, vgl. unten § 7 – B.I.1. Auch für die Güterbeförderung können daraus mitunter Rückschlüsse gezogen werden, siehe unten B.I.3.a). 119 Vgl. Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (760) Fn. 101. 120 Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1706) Fn. 79. 121 EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08 [ICF], Slg. 2009, I-9710 = NJW 2009, 3778 = TranspR 2009, 491 Anm. Mankowski = GWR 2009, 452 Anm. Zarth = LMK 2009 II, 120 Anm. Looschelders = RD transp. 11/2009 Anm. Grard = Rev. crit. DIP 99 (2010), 199 Anm. Lagarde = Clunet 137 (2010), 183 Anm. Legros = D. 2010, 236 Anm. Jault-Seseke; besprochen von Delebecque, RTDcom. 2010, 455; siehe dazu auch Re, Riv. dir. int. priv. proc. 46 (2010), 406 ff. 122 EuGH, 23.10.2014 – Rs. C-305/13 23 [Haeger & Schmidt], RdTW 2014, 437 = TranspR 2015, 17 = Rev. crit. DIP 2015, 221 Anm. Legros; besprochen von Delebecque, RD transp. 4/2014, 33; ders./Lévy, D. 2015, 136. 123 Vgl. EuGH (Fn. 121) Rn. 31.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

119

Alt. 2 befasste.124 Die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen sind daher allgemein auf alle „anderen Verträge“ anwendbar. Auch das von der französischen cour de cassation eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren Haeger & Schmidt betraf explizit die Frage, wann andere Verträge „als Güterbeförderungsverträge gelten“.125 Die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ wurden hier im Hinblick darauf geprüft, ob auch ein Speditionsvertrag kollisionsrechtlich als Güterbeförderungsvertrag angesehen werden kann. Aufgrund der ausdrücklichen Anordnung von Erwägungsgrund (22) S. 1 Rom I-VO behält die durch den EuGH vorgenommene inhaltliche Konkretisierung von Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ auch unter dem Regime der Rom IVerordnung weiterhin Gültigkeit und kann für die Ausfüllung des Güterbeförderungsvertragsbegriffs von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO herangezogen werden.126 2. Maßgebliches Beurteilungskriterium: Hauptgegenstand des jeweiligen Vertrags Aus der Formulierung in Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ bzw. Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO („und andere“) ergibt sich, dass Charterverträge für eine einzige Reise als ein Beispiel für solche Verträge aufgeführt werden, die in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen.127 Folglich handelt es sich bei dem letzten Halbsatz um das wesentliche Beurteilungskriterium für eine Einordnung als Güterbeförderungsvertrag. Als Güterbeförderungsvertrag im kollisionsrechtlichen Sinne kann nur ein solcher Vertrag qualifiziert werden, der Im zugrundeliegenden Sachverhalt lag die von Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ geforderte Kumulation von Anknüpfungspunkten nicht vor, sodass die Entscheidungserheblichkeit der Qualifikation des Vertrages überhaupt nicht gegeben zu sein schien (so GA Bot in seinen Schlussanträgen vom 19.5.2009, Rn. 103 f.). Die Relevanz ergab sich jedoch im Hinblick auf die subsidiäre Anknüpfungsregel: Hätte der Vertrag einen Güterbeförderungsvertrag dargestellt, wäre Art. 4 Abs. 1 EVÜ einschlägig gewesen und nicht, wie allgemein, Art. 4 Abs. 2 EVÜ, vgl. Lagarde (Fn. 121) 211 f. 125 EuGH (Fn. 122) Rn. 25. 126 Die vom EuGH in der ICF-Entscheidung zur ersten Vorlagefrage aufgestellten Erwägungen, die den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 4 EVÜ betreffen, sind auch für die Rom I-Verordnung gültig (ebenso Looschelders [Fn. 121] 121; Delebecque [Fn. 121] 456; Rudolf, ZfRV 2010, 18 [21]; Rauscher/Papst, GPR 2011, 41 [42] Fn. 13; Verschraegen, Internationales Privatrecht, 2012, Rn. 425; insoweit aber skeptisch Rammeloo, IPRax 2010, 215 [219]). Dagegen sind die Ausführungen zur Handhabung der Vermutungen von Art. 4 EVÜ nicht ohne Weiteres übertragbar (vgl. Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 [494]). Die Ausführungen in der Rechtssache Haeger & Schmidt lassen sich ebenfalls auf die Rom I-Verordnung übertragen, vgl. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1 (29 f.). Allerdings hat sich die zweite Vorlagefrage (bzgl. der Problematik bei Nichtvorliegen der Anknüpfungsmomentskumulation, siehe oben Fn. 88) aufgrund der Einführung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO erledigt (zu dieser Vorschrift ausführlich unten E.II.). 127 Vgl. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2954. 124

120

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

in der Hauptsache der Güterbeförderung dient. Das Vorliegen einer „Reise“ spielt dafür hingegen keine Rolle.128 Anders als der deutsche Übereinkommens- bzw. Verordnungstext stellt der EuGH in seinen Entscheidungen zu Art. 4 Abs. 4 EVÜ jedoch sprachlich nicht auf die „Hauptsache“ eines Vertrages ab, sondern auf dessen „Hauptgegenstand“, der „die Beförderung der Güter im eigentlichen Sinn“ sein muss.129 a) Bestimmung des Vertragsgegenstands Steht dadurch der jeweilige Vertragsgegenstand als das entscheidende Kriterium für die Beurteilung eines Vertrags fest, stellt sich immer noch die Frage, wie der Hauptgegenstand des Vertrages zu ermitteln ist. Soweit es den in Art. 4 Abs. 2 der Klauselrichtlinie130 verwendeten Begriff betrifft, sind laut EuGH unter Hauptgegenstand des Vertrags „diejenigen Klauseln zu fassen, die seine Hauptleistungen festlegen und ihn als solchen charakterisieren“.131 Im Rahmen des EVÜ versteht der Gerichtshof dies jedoch weiter, indem er ausführt, dass bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung „der Vertragszweck und mithin die Gesamtheit der Verpflichtungen der Partei, die die charakteristische Leistung erbringt, zu berücksichtigen“ sind.132 Folglich sind dafür nicht nur die Vertragspflichten, sondern zudem das wirtschaftliche Interesse, welches den Vertragszweck vorgibt, maßgeblich. Dadurch wird wiederum deutlich, dass auf das konkret infrage stehende Vertragswerk abzustellen ist. Es geht um dessen Zweck und demzufolge muss es auch gerade auf die daraus hervorgehenden Pflichten ankommen.133 Entscheidend ist damit letztlich die Sichtweise der Parteien, die über das jeweilige Rechtsverhältnis bestimmen.134 Die möglichDazu näher unten B.III.1.a)aa). Siehe EuGH (Fn. 121) Rn. 37 und EuGH (Fn. 122) Rn. 26. Die deutsche Übersetzung der Entscheidungen greift damit einen Begriff aus der Klauselrichtlinie 93/13/EWG (1. Kapitel Fn. 40) auf, die vom Hauptgegenstand in ihrem Erwägungsgrund (19) sowie Art. 4 Abs. 2 spricht. In der französischen Version der Urteile ist von objet principal, in der englischen von main purpose die Rede, was in diesen Sprachen mit dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ übereinstimmt. 130 Siehe 1. Kapitel Fn. 40. 131 EuGH, 23.4.2015 – Rs. C-96/14 [Van Hove/CNP Assurances SA], NJW 2015, 1811 = VersR 2015, 605 Rn. 33. 132 EuGH (Fn. 121) Rn. 34 sowie (Fn. 122) Rn. 26. 133 Vgl. Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (295); Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom IVO Rn. 199; McParland, Rn. 11.59 sowie MünchKommHGB/Bydlinski, § 453 Rn. 204 a. E. Dies spielt vor allem im Zusammenhang mit der kollisionsrechtlichen Abgrenzung von Speditions- und Güterbeförderungsvertrag eine Rolle (siehe unten B.III.3.d)). Die Ansicht der tschechischen Regierung in der Rs. C-133/08 (Fn. 121 Rn. 29), wonach es auf den mittelbaren Gegenstand, also auf die hinter dem Vertrag stehende Rechtsbeziehung der Parteien, ankommt, wurde vom EuGH augenscheinlich nicht aufgegriffen. 134 Dies kann aber praktisch nur aus der Perspektive eines Dritten beurteilt werden, auch wenn der EuGH offen gelassen hat, ob der Vertragszweck subjektiv oder objektiv zu 128 129

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

121

erweise erst durch das (nationale) Sachrecht angeordneten schuldrechtlichen Pflichten oder Vermutungen treten insoweit zunächst zurück. 135 Denn der EuGH betont richtigerweise, dass die Beurteilung des jeweiligen Vertrages im nationalen Recht für die kollisionsrechtliche Qualifikation im EVÜ gerade keine Rolle spielt,136 was im Rahmen der Rom I-Verordnung erst Recht zu gelten hat.137 Werden die jeweiligen Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht ersichtlich, muss sie der Richter im Einzelfall feststellen. 138 Dabei hat das vorlegende Gericht alle Umstände des Sachverhalts zu würdigen, insbesondere die „Vertragsklauseln, in denen sich die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der zwischen den Parteien bestehenden Beziehungen widerspiegelt“.139 Dabei weist der Gerichtshof die Abwägungsentscheidung der Tatsacheninstanz zu, weil diese den Sachverhalt gegebenenfalls weiter aufklären kann. b) Schwerpunktsuche bei mehreren Vertragsgegenständen (gemischte Verträge) Unproblematisch ist die Bestimmung des Gegenstands, wenn der infrage stehende Vertrag ausschließlich die Güterbeförderung betrifft und daraus keine wesentlichen, andersartigen Pflichten hervorgehen. Unwesentliche Elemente in Verträgen, welche die Hauptpflichten ergänzen, ändern die Zuordnung zu einem der in der Rom I-Verordnung spezifizierten Verträge nicht.140 Als bestimmen ist, vgl. Martiny, GPR 2011, 48 (49); d’Avout/Perreau-Saussine, J.C.P. 50/ 2009, 36 (38). Zumindest ist die von den Parteien verwendete Bezeichnung für den geschlossenen Vertrag nicht verbindlich, vgl. Plender/Wilderspin, Rn. 8-013. 135 Materiell-rechtliche Wertungen, wie z. B. in den §§ 458 ff. HGB, die spezielle Konstellationen von Speditionsverträgen als frachtvertraglich einstufen, erlangen erst bei der Sachrechtsanwendung Bedeutung. Ein Vorgriff auf die in der lex causae herrschende Abgrenzung im Rahmen der kollisionsrechtlichen Qualifikation ist problematisch, denn diese muss ja erst bestimmt werden und die betroffenen Rechtsordnungen können insoweit unterschiedliche Maßstäbe aufweisen (das ist die Ursache der Probleme von Legros [Fn. 121] 193 f. Rn. 16). 136 EuGH (Fn. 121) Rn. 34. Übereinstimmungen mit nationalen, materiell-rechtlichen Begriffen haben daher keine verbindliche Aussagekraft (siehe auch oben § 5 – B.III.). Dementsprechend unzutreffend ist der Hinweis von Legros, RD transp. 2/2009, 12 (14) Rn. 6, dass der sachliche Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 4 EVÜ dem französischen Sachrecht entspreche. 137 Vgl. Mankowski (Fn. 121), 497. 138 Vgl. EuGH (Fn. 122) Rn. 31. Dies kann bei der Unterscheidung von Fracht- und Speditionsverträgen schwierig werden, nämlich insoweit festgestellt werden muss, ob die Beförderung selbst oder nur eine Organisation des Transports geschuldet wird. Dazu unten B.III.3.d). Denkbar ist aber auch, dass der Hauptgegenstand des Vertrags in einer speziellen Klausel eigens beschrieben wird. Von einem solchen Fall ging beispielsweise die Klauselrichtlinie 93/13/EWG (§ 1 Fn. 40) aus. 139 Vgl. EuGH (Fn. 122) Rn. 31. 140 So allgemein zu Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (291).

122

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

solche Nebenpflichten könnten bei Transportverträgen beispielsweise Verwahrung, Einlagerung, Besorgungen des Warenumschlags oder Dienstleistungen auftreten.141 Denkbar wären etwa auch die Überlassung eines Containers durch den Beförderer142 oder eine Verladungs- oder Verzollungspflicht. Aus dem Gegenschluss der Formulierung von Erwägungsgrund (22) S. 2 folgt, dass es sich bei entsprechend ausgestalteten Verträgen um die unmittelbar von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erfassten Güterbeförderungsverträge im engeren Sinne handelt.143 Klar ist weiterhin, dass Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO nicht einschlägig sein kann, wenn die Beförderung nur eine vertragliche Nebenpflicht darstellt.144 Schwieriger ist die Beurteilung dagegen, wenn der konkrete Vertrag abgesehen von der Güterbeförderung noch anderen, eigenständigen Zwecken dient und dementsprechend weitere Hauptpflichten enthält, so dass mehrere Gegenstände festgestellt werden können. Bei beförderungsbezogenen Rechtsgeschäften bestehen solche häufig in Dienstleistungen, etwa dem Zurverfügungstellen von Transportmitteln.145 In diesem Fall muss durch Abwägung festgestellt werden, welcher dieser Gegenstände überwiegt. Stellt die Güterbeförderung nur einen nebenrangigen Teil des Vertrages dar, liegt kein Vertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO vor.146 Das folgt aus Erwägungsgrund (22) S. 2, da dieser verlangt, dass der Hauptgegenstand der Güterbeförderung dienen muss.147

141 Darin liegt die „schillernde Eigenart“ von Transportverträgen (Basedow, in: Hdwb. EuPR, Transportvertrag, S. 1493). Zur rechtlichen Handhabung solcher beförderungsbezogener, typengemischter Verträge siehe Temme, TranspR 2008, 374 ff. 142 Siehe etwa OLG Hamburg TranspR 2011, 112. 143 Erwägungsgrund (22) S. 2 betrifft schließlich solche Verträge, die andersartige Gegenstände aufweisen und stellt diese unter bestimmten Umständen mit Güterbeförderungsverträgen im engeren Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO gleich. 144 Gar nicht erst zu einer Abwägung im Rahmen von Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom IVO kommt man daher bei Kaufverträgen mit Bringverpflichtung. Auf diese findet stattdessen Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO Anwendung, vgl. Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (291). 145 Insbesondere Charter- und Speditionsverträge weisen häufig substantiierte Dienstleistungselemente auf, siehe unten B.III. 146 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2571. 147 Vgl. EuGH (Fn. 121) Rn. 34 f. und (Fn. 122) Rn. 26. Dies aus Erwägungsgrund (19) S. 3 herzuleiten (so Mankowski [Fn. 121] 498) erscheint indes unpassend, da dieser den Fall betrifft, in dem mehrere Vertragsparteien potentiell vertragscharakteristische Leistungen erbringen und es daher nicht eindeutig ist, auf wen es insoweit ankommt. Das wird aus dem Aufbau von Erwägungsgrund (19) deutlich, der in S. 2 zunächst auf die charakteristische Leistung abstellt und in S. 3 bestimmt, wie diese in einem vertraglichen „Bündel von Rechten und Verpflichtungen“ identifiziert werden kann (vgl. auch Tang, Modern Law Review 2008, 785 [795]). Letzteres wird aber bei Transportverträgen in der Regel kein Problem darstellen, weil die die charakteristische Leistung erbringende Partei klar diejenige ist, die sich gegen Entgelt verpflichtet.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

123

aa) Verdrängung von Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 durch Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO In diesem Zusammenhang scheint zudem Erwägungsgrund (19) S. 2 Rom IVO Bedeutung zu erlangen, sofern sich die verschiedenen Gegenstände des Vertrages mehreren Kollisionsregeln der Rom I-Verordnung zuordnen lassen: Bei derartig gemischten (Typenkombinations-) 148 Verträgen stößt die in der Rom I-Verordnung verfolgte Vertragstypenlehre, die die charakteristische Verpflichtung zum vertragstypischen Anknüpfungsmerkmal erhebt und danach spezielle Kollisionsnormen bildet,149 an ihre Grenzen, sodass es einer Auffangregel bedarf. Dementsprechend bestimmen Art. 4 Abs. 2 Alt. 2 Rom I-VO bzw. allgemein Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 für den Fall fehlender Rechtswahl, dass, sofern die Bestandteile eines Vertrags durch mehr als eine der spezifizierten Vertragsarten abgedeckt werden, der Vertrag dem Recht des Staates unterliegt, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.150 Dies wird allerdings nur dann gelten, wenn die verschiedenen einschlägigen Kollisionsregeln nicht alle auf dieselbe Rechtsordnung verweisen.151 Dennoch rückt damit das Prinzip der charakteristischen Leistung in den Vordergrund, ohne dass es auf die Gewichtung innerhalb des Vertragswerkes ankäme.152 Wegen der starken Ausdifferenzierung des Katalogs besonderer Anknüpfungsregeln innerhalb der Rom I-Verordnung, welcher gegenüber dem EVÜ noch vergrößert wurde,153 werden Art. 4 Abs. 2 Alt. 2 bzw. Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO wohl den überwiegenden Teil gemischter Verträge abdecken, weil die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass auf einen Vertrag gleichzeitig verschiedene spezielle Kollisionsnormen der Rom IVerordnung einschlägig sind. Das hätte auch zur Folge, dass, sobald ein Teil eines Vertrags eine besondere Kollisionsnorm der Rom I-Verordnung erfüllt, ein sonstiger Beförderungsschwerpunkt des Vertrages hinfällig wäre. Weil Zu den verschiedenen Arten gemischter Verträge Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (286 f.). 149 MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 173 ff.; Reithmann/Martiny/ Martiny, Rn. 155. 150 Art. 4 Abs. 2 Alt. 2 Rom I-VO erfasst nur diejenigen Fälle, in denen mehrere Anknüpfungsregeln aus Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO gleichzeitig vorliegen. Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 erweitert diesen Grundsatz dagegen auf alle vertragsspezifizierten Anknüpfungsnormen der Rom I-Verordnung. 151 Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 5 Rom I-VO Rn. 52. 152 Daran ändert indes auch Erwägungsgrund (19) S. 3 nichts. Denn die darin angeordnete Schwerpunktsuche bezieht sich nur auf den Fall, wenn mehrere Parteien potentiell vertragscharakteristische Leistungen erbringen (siehe Fn. 147). 153 Magnus, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 27 (31 ff.); Mankowski (Fn. 121) 498. 148

124

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

komplexe transportrechtliche Verträge häufig andere, namentlich dienstvertragliche Elemente im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO, aufweisen,154 wäre dadurch in einer Vielzahl der Fälle die von Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO vorausgesetzte Schwerpunktprüfung versperrt. Das liefe dessen Zweck, den Anwendungsbereich der Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge auszuweiten,155 zuwider. Deshalb muss der in Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 aufgestellte Grundsatz entsprechend beschränkt werden.156 Bei gemischten Verträgen, die einen Beförderungs- sowie einen weiteren Vertragsgegenstand aufweisen, der unter eine besondere Kollisionsnorm der Rom I-Verordnung subsumiert werden kann, wird folglich nicht gemäß Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 pauschal auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der die charakteristische Leistung erbringenden Partei abgestellt, sondern es findet eine Schwerpunktprüfung im Sinne von Erwägungsgrund (22) S. 2 statt. Ergibt diese, dass die Beförderung den Hauptgegenstand des Vertrages darstellt, findet Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO Anwendung. bb) Keine objektive dépeçage bei autonomen Vertragsgegenständen Die eben beschriebene Problematik bei gemischten Verträgen ließe sich theoretisch auch dadurch lösen, die verschiedenen Vertragsteile bzw. -gegenstände aufzuspalten und getrennt zu behandeln. Diese Möglichkeit der objektiven dépeçage erkannte der EuGH in der ICF-Entscheidung noch ausdrücklich an, unter der Bedingung, dass die Vertragsteile in Bezug auf den Rest des Vertrags als autonom anzusehen sind.157 Da der Passus des Art. 4 Abs. 1 S. 2 EVÜ, der diese ausdrücklich in Ausnahmefällen ermöglichte, vom europäischen Gesetzgeber in den Verordnungstext nicht übernommen wurde, ist eine objektive Vertragsspaltung unter dem Regime der Rom I-Verordnung allerdings für die Zukunft grundsätzlich ausgeschlossen.158 Die Ausführungen des 154 Etwa die entsprechend schwierig kollisionsrechtlich zu qualifizierenden Charterund Speditionsverträge, siehe dazu unten B.III.1. und 3. 155 So für Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ ausdrücklich EuGH (Fn. 121) Rn. 34 und (Fn. 122) Rn. 26. 156 Vgl. auch Magnus, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 27 (47), der eine solche Beschränkung nicht nur im Hinblick auf Güterbeförderungsverträge, sondern generell für geboten hält. Zweifelnd, ob der Eignung eines generellen Rückgriffs auf das Prinzips der charakteristischen Leistung im Falle gemischter Verträge Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (297 ff.). 157 EuGH (Fn. 121) Rn. 46 ff. Die Voraussetzungen für eine derartige Autonomie erläuterte der Gerichtshof allerdings nicht. Dies bedauernd Rudolf, ZfRV 2010, 18 (20 f.). 158 Ebenso Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (536); PWW/Wegen/Brödermann, Art. 4 Rom I-VO Rn. 6; Lagarde (Fn. 121) 213; Jault-Seseke (Fn. 121) 237; Looschelders (Fn. 121) 121; Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (489). Legros (Fn. 121) 196; ausführlich Nourissat, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 205 (208 ff.). Dagegen will

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

125

EuGH zur Vertragsspaltung sind daher auf die Rom I-Verordnung nicht übertragbar. Für letztere gilt, dass ein Vertrag selbst dann objektiv einheitlich angeknüpft werden kann bzw. muss, wenn er verschiedene, sich zueinander autonom verhaltende Gegenstände aufweist. Bildet dabei die Güterbeförderung den Schwerpunkt, wird der gesamte Vertrag nach Art. 5 Abs. 1 Rom IVO beurteilt. Eine Ausnahme von der einheitlichen Anknüpfung des Vertrags besteht nur für den Fall, dass die Parteien für die jeweiligen Vertragsteile eine eigenständige Rechtswahl treffen, denn eine solche subjektive Vertragsspaltung ist nach Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO möglich.159 Für die Rechtswahl enthält Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO aber keine besonderen Bestimmungen.160 cc) Abwägungskriterien Wie der Schwerpunkt eines Vertrags ermittelt werden kann, hat der EuGH nicht näher konkretisiert. Anhaltspunkt für die Schwerpunktbildung muss aber das nach außen erkennbare wirtschaftliche und durch den Vertrag verwirklichte Interesse der Parteien sein.161 Wie einzelne Vertragsteile demgemäß zu gewichten sind, lässt sich letztlich nur anhand der Preisbildung quantifizieren, die ökonomisch die subjektive Wertschätzung der Parteien ausdrückt.162 Maßgeblich für die Beurteilung des Schwerpunkts des Vertrags sind somit bezifferbare Preise für die Einzelleistungen. Damit der Vertrag in der Hauptsache der Güterbeförderung dient, muss diese letztlich die anderen im Raum stehenden Interessen zumindest relativ dominieren, wobei diese Schwelle in jedem Fall erreicht ist, wenn die Güterbeförderung wichtiger ist, als alle anderen Posten zusammen, sie also mehr als 50 % der Kosten beträgt.163 Des Weiteren könnten aber auch kollisionsrechtliche Erwägungen in die Abwägung einfließen:164 So könnte diesbezüglich möglicherweise berücksichtigt werden, dass ein bestimmter Teil des Vertrages erst den internationalen Bezug des Gesamtvertrags herstellt. Außerdem sollten kollisionsrechtliche Schutzzwecke berücksichtigt werden. So ist in Zweifelsfällen die den kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz durchsetzende Verweisungsnorm zur Mankowski, IHR 2010, 89 (90); ders., in: FS Spellenberg, S. 261 (276 ff.) eine objektive Vertragsspaltung im Rahmen der Ausweichklausel zulassen. Laut Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 39 zeige Art. 7 Abs. 5 Rom I-VO, dass auch in der Rom IVerordnung eine objektive Vertragsspaltung prinzipiell möglich sei. Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (474) hält dies prinzipiell bei gemischten Verträgen für möglich. 159 D’Avout/Perreau-Saussine, J.C.P. 50/2009, 36 (39). Siehe auch MünchKommBGB/ Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 67 f. 160 Siehe unten D. 161 Vgl. Magnus, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 27 (47). 162 Mankowksi, IHR 2010, 89 (91). 163 Mankowski (Fn. 121) 498 f. 164 Vgl. auch Magnus, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 27 (47).

126

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Anwendung zu bringen.165 Unberücksichtigt bei der Schwerpunktsuche bleiben hingegen (materiell-)rechtliche Wertungen des nationalen Gesetzgebers.166 dd) Rückgriff auf Erwägungsgrund (19) S. 2 Rom I-VO wenn Güterbeförderung nicht Schwerpunkt Für den Fall, dass die von Erwägungsgrund (22) S. 2 verlangte Schwelle nicht erreicht wird, liegt kein Güterbeförderungsvertrag im (weiteren) Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO vor und es kommt im Ergebnis Erwägungsgrund (19) S. 2 zum Tragen: Sofern die Elemente des Vertrags mehrere spezifizierte Kollisionsregeln erfüllen, der Schwerpunkt aber nicht in der Güterbeförderung liegt, ist dessen zweite Alternative erfüllt,167 so dass der Vertrag an das Recht des charakteristisch Leistenden anzuknüpfen ist. Lässt sich dagegen der abgesehen von der (nicht überwiegenden) Güterbeförderung bestehende Vertragsgegenstand unter keine sonstige Kollisionsregel der Rom IVerordnung subsumieren, „kann der Vertrag nicht einer der spezifizierten Vertragsarten zugeordnet werden“, sodass Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 1 Rom I-VO greift. Folglich wird der Vertrag auch bei einer erfolglosen Schwerpunktsuche im Ergebnis objektiv an das Recht des Staates angeknüpft, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 3. Güterbeförderung im eigentlichen Sinn Kann ein Hauptgegenstand des Vertrags wie eben beschrieben ermittelt werden, kommt es darauf an, ob dieser sachlich als Güterbeförderung anzusehen ist.168 Damit steht und fällt letztlich der sachliche Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO. Doch auch dieser Begriff wurde in der Rechtsprechung des EuGH bisher nicht wesentlich ausgefüllt. So hat der Gerichtshof in einer Entscheidung zur Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG169 zwar festgestellt, dass der Ausdruck Beförderungsvertrag „die Beförderung von Passagieren und Waren durch einen Beförderer umfasst“.170 Was genau eine solche Beförderung ausmacht, wird daraus aber auch nicht deutlich.171

Siehe unten § 7 – A.II. So können etwa die §§ 458 ff. HGB nicht auf die kollisionsrechtliche Beurteilung von Speditionsverträgen herangezogen werden. Dazu unten B.III.3.d). 167 Entsprechend für Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (293 f.). 168 Siehe EuGH (Fn. 121) Rn. 34 f. 169 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. 1997 L 144, 19. 170 EuGH, 10.3.2005 – Rs. C-336/03 [easyCar], Slg. 2005, I-1947 = NJW 2005, 3055 Rn. 23. 165 166

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

127

a) Besonderer Fall der Dienstleistung Näheres lässt sich aus der Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG172 schließen: Wie aus deren Art. 2 Nr. 1 hervorgeht, handelt es sich bei der Beförderung um eine Dienstleistung.173 Diesen Umstand griff auch der EuGH in einer Entscheidung auf.174 Auch wenn sich diese konkrete Feststellung speziell auf die – in der Pauschalreiserichtlinie ausschließlich behandelte – Personenbeförderung bezieht, ist diese Aussage grundsätzlich für die Beförderung im Allgemeinen und damit auch für die Güterbeförderung zutreffend. Dies stellte nicht zuletzt der Europäische Gerichtshof (im Zusammenhang mit einem CMR-Güterbeförderungsvertrag) ausdrücklich klar.175 Bei der Beförderung von Gütern bzw. Personen handelt es sich damit um Sonderfälle der Dienstleistung.176 Zu diesem Oberbegriff besteht wiederum eine ausführlichere Judikatur des EuGH. Im Rahmen der Auslegung der EuGVVO, welche insofern auch für die Rom I-Verordnung maßgeblich ist (vgl. Erwägungsgrund (17) Rom I-VO),177 hat der Gerichtshof für die Dienstleistung festgestellt, dass „die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt“.178 Dienstleistungsverträge im Sinne der Rom I-Verordnung (insbesondere Art. 4 Abs. 1 lit. b) sind demzufolge auf eine entgeltliche tätigkeitsbezogene Leistung gerichtet.179 b) Pflicht zur Ortsveränderung Es stellt sich die Frage, was genau die für Güterbeförderungsverträge charakteristische Dienstleistung ausmacht. Im Rahmen der ICF-Entscheidung betonte der Gerichtshof, dass es bei Güterbeförderungsverträgen gerade nicht um Allerdings lässt sich aus dieser Entscheidung entnehmen, dass jedenfalls Verträge zur Anmietung eines Fahrzeugs keine Beförderungsverträge darstellen, siehe unten B.III.5. 172 Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13.6.1990 über Pauschalreisen, ABl. 1990 L 158, 59. 173 So wird die Beförderung ausdrücklich in einer Aufzählung von Dienstleistungen genannt. 174 EuGH, 30.4.2002 – Rs. C-400/00 [Club-Tour], Slg. 2002, I-4051 = TranspR 2002, 250 = EuZW 2002, 402 Anm. Tonner Rn. 13. 175 EuGH (1. Kapitel Fn. 216) Rn. 40. 176 Vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 48; Calliess/Schulze, Art. 5 Rome I Rn. 9. Ausführlich dazu auch Mankowski, Neues aus Europa, Rn. 9 ff. 177 Näher dazu oben § 5 – B.I. 178 So der EuGH, 23.4.2009 – Rs. C-533/07 [Falco Privatstiftung], Slg 2009, I-3327 = NJW 2009, 1865 Rn. 29 zu Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO (Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO a. F.). 179 MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 42; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO Rn. 35; a. A. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO Rn. 40, laut dem der Begriff der Dienstleistung auch unentgeltliche Leistungen erfassen kann. Zur Entgeltlichkeit siehe sogleich B.I.3.d) und bezüglich der Personenbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO unten § 7 – B.I.2.e). 171

128

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

die „bloße Zurverfügungstellung eines Beförderungsmittels“ ginge, sondern um die „Beförderung der Güter im eigentlichen Sinn“.180 Diese Feststellung lässt darauf schließen, dass es dabei auf den Transport an sich ankommen muss und nicht auf eine damit noch so eng zusammenhängende Tätigkeit. Das wird bestätigt durch die Haeger & Schmidt-Entscheidung, in welcher der EuGH feststellt, dass der Hauptgegenstand eines Vertrages über die Organisation einer Güterbeförderung gerade nicht „die Güterbeförderung als solche“ ist.181 Folglich kann davon ausgegangen werden, dass eine Beförderung der Güter im eigentlichen Sinn mit einer konkreten Pflicht, die Güter von einem Ort zum anderen zu verbringen, einhergehen muss.182 Noch deutlicher bringt dies der Wortlaut von Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO zum Ausdruck, indem er von dem Beförderer als derjenigen Vertragspartei spricht, „die sich zur Beförderung der Güter verpflichtet“.183 Das Ausmaß der Beförderungspflicht, die sich aber aus dem Vertrag selbst ergeben muss,184 ist grundsätzlich unerheblich, denn schon die Bewältigung kürzester Strecken kann per Vertrag einem Beförderer überlassen werden.185 Ihre Feststellung kann sich im Einzelfall aber als sehr schwierig herausstellen.186 Mindestvoraussetzung für eine derartige Pflicht ist, dass dem mutmaßlichen Beförderer nach dem Vertrag überhaupt möglich ist, die Beförderung in eigener Verantwortung durchzuführen. Das ist indes nicht gegeben, wenn dieser keinerlei operative Kontrolle über die Durchführung der Beförderung hat,187 etwa weil er der anderen Partei das Transportmittel mitsamt Mannschaft zur Verfügung stellen soll.188 Dann kann offensichtlich keine Verpflichtung zu einer Ortsveränderung angenommen werden.

180 EuGH (Fn. 121) Rn. 37. Im Englischen heißt es insoweit „actual carriage of goods“; im Französischen „transport proprement dit des marchandises“. 181 EuGH (Fn. 122) Rn. 27. 182 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2571; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 20; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12; siehe auch Fischer, TranspR 2007, 145 (148) m. w. N. in Fn. 72. 183 Ebenso Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 37 Rn. 54; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 203 und – im Hinblick auf den wortgleichen Passus im Giuliano/ Lagarde-Bericht (S. 54) – Fischer, TranspR 2007, 145 (148). Zu Sinn und Zweck von Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO siehe unten B.III.3.b). 184 Siehe oben B.I.2.a). 185 Ausführlich Basedow, S. 35. 186 Das ist ein großes Problem bei der Abgrenzung von Beförderungs- zu Speditionsverträgen. Siehe dazu unten B.III.3. 187 Lagarde (Fn. 121) 211. 188 So namentlich beim bei einem Chartervertrag mit Employment-Klausel, nach welcher dem Charterer die Weisungsbefugnis gegenüber der Besatzung zukommt und dieser damit die Einzelheiten der Beförderung bestimmen kann, siehe unten B.III.1.a)aa).

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

129

c) Güter Maßgebliches Transportobjekt in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO sind Güter („goods“ bzw. „marchandises“) in Abgrenzung zu Personen, deren Beförderung von Abs. 2 erfasst wird. Wegen dieser systematischen Unterscheidung sind Reisegepäckstücke nicht als Güter anzusehen, denn ihr Transport stellt lediglich eine Nebenleistung von Personenbeförderungsverträgen dar und unterfällt damit den Kollisionsregeln des Abs. 2.189 In Abs. 1 wird auf den physischen Transport von körperlichen Sachen oder Waren abgestellt.190 Dabei ist unerheblich, in welcher Hülle oder Verpackung letztere transportiert werden, sodass insbesondere Containertransporte von der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge erfasst werden. Unter die Vorschrift fallen zudem grundsätzlich auch Brief- und Paketbeförderungen.191 Als Güter können auch Flüssigkeiten oder Gase zählen, sofern diese mittels besonderer Transportmittel befördert werden. Deren Transfer über Leitungssysteme ist allerdings nicht erfasst, ebensowenig wie derjenige von elektrischem Strom. Denn dies stellt keinen „körperlichen“ Transport dar, sodass sich insbesondere ein konkreter Übernahme bzw. Ablieferungsort nur schwerlich ausmachen ließe.192 Eine Beförderung immaterieller Güter ist unmöglich.193 Auch Daten stellen keine Güter im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO dar, weil es sich dabei nicht um einen körperlichen Gegenstand handelt.194 d) Entgeltlichkeit Steht die Beförderungspflicht in Bezug auf Güter als wesentliches Merkmal eines Güterbeförderungsvertrags fest, ist ferner zu klären, inwieweit die damit verknüpfte Gegenleistung für die Qualifikation eine Rolle spielt. So ist fraglich, ob für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ein vertraglich vereinbartes Beförderungsentgelt Voraussetzung ist. Aus dem Wortlaut der Kol189 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2573; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom IVO Rn. 9. Dazu unten § 7 – B.I.2.c). 190 MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 8. 191 Nach deutschem Sachrecht werden diese als allgemeine Frachtverträge behandelt (vgl. BGH BGHZ 167, 64 = TranspR 2006, 254; BGH TranspR 2006, 348; BGH TranspR 2007, 464). Allerdings wird bei grenzüberschreitenden Postbeförderungen Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO kaum Bedeutung erlangen, weil dafür die Haftungsregelungen des Weltpostvertrages (BGBl. 2002 II, 1446) vorrangig gelten (siehe BGH BGHZ 153, 327 [331]; BGH TranspR 2005, 307; BGH TranspR 2006, 468). 192 Damit wären dementsprechende Verträge nicht kompatibel mit dem Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO zu Grunde gelegten Leitbild (dazu sogleich B.II.2.). Zu international-privatrechtlichen Fragen bei Gaslieferungsverträgen Leible, in: GYIL 52 (2009), S. 327 ff. 193 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2571. 194 Nordmeier, in: Spindler/Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, Art. 5 Rom I-VO Rn. 1; Dornis, in: Ferrari (Hrsg.), Rome I Regulation, 2015, Art. 5 Rn. 6. Dagegen können Datenträger Gegenstand eines Güterbeförderungsvertrages sein.

130

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

lisionsnorm für Güterbeförderungsverträge ergibt sich eine solche Anforderung jedenfalls nicht. Die Vorschrift ist offen formuliert und stellt nicht auf eine Entgeltlichkeit des jeweiligen Vertrages ab. Daher wird vertreten, dass es darauf für das Vorliegen eines Güterbeförderungsvertrages überhaupt nicht ankomme, weshalb von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auch unentgeltliche Verträge erfasst seien.195 Diese Argumentation ist zwar hinsichtlich der sonstigen Modalitäten des Transportvertrages grundsätzlich zutreffend,196 für die Frage der Entgeltlichkeit muss allerdings die Verwandtschaft der Vorschrift mit Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO besonders berücksichtigt werden. Wie gezeigt, handelt es sich bei den Güterbeförderungsverträgen um einen Unterfall der Dienstleistungsverträge, welche der EuGH in der Rechtssache Falco Privatstiftung ausdrücklich über die Entgeltlichkeit definierte.197 Dass der Gerichtshof für den privatrechtlichen Dienstleistungsbegriff gerade auf dieses Kriterium abgestellt hat, ist bereits durch das zivilprozessuale Schrifttum kritisiert worden.198 Auch im Rahmen der Rom I-Verordnung wird nun bezweifelt, dass die Entgeltlichkeit eine – ebenfalls ungeschriebene – Voraussetzung für Dienstleistungsverträge im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b sei.199 Letztlich ist diese Frage bei der Anwendung von Art. 4 Rom I-VO aber eher von theoretischer Bedeutung. Denn selbst wenn von der speziellen Kollisionsnorm für Dienstleistungsverträge nur entgeltliche Verträge erfasst sein sollten, würden unentgeltliche Vereinbarungen im Ergebnis genau gleich angeknüpft werden. Denn für diese wäre Art. 4 Abs. 2 Alt. 1 Rom I-VO einschlägig, welcher ebenfalls zum Recht des charakteristisch Leistenden führt. Für das Erfordernis der Entgeltlichkeit im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO spricht allerdings ein systematischer Gedanke: Je großzügiger der Dienstleistungsvertragsbegriff im Sinne dieser Vorschrift ausgelegt wird, desto mehr würde dieser zu einer Art Auffangvertragstyp, der die eigentliche Auffangnorm des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO leer laufen ließe.200 Diese Struktur von Art. 4 Rom I-VO spricht dafür, den sachlichen Anwendungsbereich von Abs. 1 lit. b Rom I-VO nicht endlos auszuweiten. In dieser Hinsicht hätte die 195 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 22; Hk-BGB/Staudinger, Art. 5 Rom IVO Rn. 2; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 13; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2. 196 Siehe unten B.I.3.e). 197 EuGH (Fn. 174) Rn. 13. Siehe oben B.I.3.a). 198 Gegen die Entgeltlichkeit als Merkmal der Dienstleistung im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO statt aller Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im internationalen Zivilverfahrensrecht, 2011, S. 318 ff. 199 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO Rn. 40; Palandt/Thorn, Art. 4 Rom I-VO Rn. 8. 200 Vgl. Bonomi, in: YPIL X (2008), S. 169 (175); ebenso Spickhoff, in: Bamberger/ Roth, Art. 4 Rom I-VO Rn. 10, der diesen Gedanken aber wohl gerade nicht auf das Merkmal der Entgeltlichkeit bezieht.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

131

vom EuGH vorgenommene Einschränkung des Dienstleistungsbegriffs also durchaus einen positiven Effekt. Einer Übertragung der Falco-Rechtsprechung zu Art. 7 Nr. 1 lit. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO auf die Rom I-Verordnung steht daher jedenfalls kein besonderer Grund entgegen.201 Deshalb sollten gemäß Erwägungsgrund (17) Rom I-VO die dieszbezüglichen Aussagen des Europäischen Gerichtshofs auch für die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO maßgeblich sein. Dementsprechend ist auch für einen Dienstleistungsvertrag im kollisionsrechtlichen Sinn die Entgeltlichkeit der Tätigkeit prägend.202 Ist diese als charakteristisches Merkmal der allgemeinen Gattung ausgemacht worden, muss sie logischerweise auch für die besondere Unterkategorie der Güterbeförderungsverträge gelten. Deren Besonderheit gegenüber den allgemeinen Dienstleistungsverträgen ergibt sich nämlich nicht aus der Seite der Gegenleistung, sondern vielmehr daraus, dass die fragliche Dienstleistung selbst regelmäßig transnational ist.203 Auch ein Güterbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ist daher nur bei Entgeltlichkeit der vereinbarten Beförderung gegeben.204 Unentgeltliche Gütertransporte sind dagegen nicht von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erfasst, sondern nach Art. 4 Rom I-VO zu beurteilen. Da sie eben keine Dienstleistungsverträge darstellen, ist für sie Art. 4 Abs. 2 Alt. 1 Rom I-VO maßgeblich. e) Unerheblichkeit des konkreten Transportmodus Im Gegensatz zu den existierenden Transportrechtskonventionen handelt es sich bei Art. 5 Rom I-VO um eine verkehrsträgerübergreifende Norm. Diese bezieht sich nicht auf ein konkretes Transportmittel, sondern gilt umfassend für alle Transportmodi.205 Für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ist somit egal, ob der Gütertransport per LKW, Bahn, Flugzeug, Binnen- oder Hochseeschiff erfolgt.206 Selbst eine vertragliche Pflicht zur Beförderung per Fahrrad,207 Brieftaube oder Ähnlichem wäre theoretisch abgedeckt. Ebenso spielt es keine Rolle, ob die betroffene Beförderung mono- oder multimodal, also durch Kombination verschiedener Verkehrsträger, durchgeführt wird.208 Zum Auslegungszusammenhang siehe oben § 5 – B.I. MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 42; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO Rn. 35. 203 Siehe oben A.II.2. 204 Im Ergebnis ebenso PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 3. 205 Darüber hinaus sind auch exotischere Transportmittel wie z. B. Helikopter oder Luftkissenboot erfasst, die aber für den Wirtschaftsverkehr nur eine untergeordnete Rolle spielen. 206 Vgl. PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 3. 207 Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (53) Rn. 3.14. 208 MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 8. Vgl. auch OLG München RdTW 2014, 28 (29) [Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auf einen Multimodal201 202

132

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Infolgedessen stellen auch der Roll-on/Roll-off- (RoRo-) oder der Huckepackverkehr zumindest hinsichtlich der beförderungsvertraglichen Qualifikation im Sinne der Rom I-Verordnung keine Problemfälle dar. Das der Beförderung zugrundeliegende Transportmittel hat daher letztlich nur für die sachrechtliche Ebene Bedeutung: entweder vorgeschaltet, für die Bestimmung der jeweilig anwendbaren internationalen Transportrechtskonvention oder nachgeschaltet, im durch Art. 5 Rom I-VO berufenen, materiellen Transportrecht der lex causae. Abgesehen vom konkreten Transportmittel ist auch die Länge der Transportstrecke für eine Qualifikation als Güterbeförderungsvertrag unerheblich. Sogar Bewegungen innerhalb eines Gebäudes oder auf demselben Grundstück wären theoretisch von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erfasst.209 In sachlicher Hinsicht ist somit einzig entscheidend, dass eine vertragliche Güterbeförderungsverpflichtung vorliegt. Durch seine abstrakte Formulierung ohne das Abstellen auf konkrete Merkmale hat Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO somit einen prinzipiell weiten Anwendungsbereich. 4. Vertragsbegriff Begrenzt wird der sachliche Anwendungsbereich von Art. 5 (Abs. 1) Rom IVO allerdings in allgemeiner Hinsicht durch den der gesamten Verordnung zugrundeliegenden Vertragsbegriff. Dieser europäisch-autonome Begriff,210 anhand dessen zugleich die Abgrenzung zur Rom II-Verordnung vollzogen wird,211 ist grundsätzlich im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 1 und 3 EuGVÜ/EuGVVO a. F. bzw. Art. 7 Nr. 1 und 3 EuGVVO auszulegen.212 Entsprechend ist ein Vertrag im Sinne der Rom I-Verordnung dann gegeben, wenn eine Partei gegenüber einer anderen eine freiwillige Verpflichtung eingeht.213 Diese Voraussetzung liegt bei zweiseitigen Rechtsverhältnissen, bei denen sich die Parteien zum gegenseitigen Leistungsaustausch verpflichten, unproblematisch vor.214 Da der Vertragsbegriff prinzitransportvertrag von Deutschland nach Libyen]; sowie BGH TranspR 2013, 437 (438) Rn. 19 und BGH TranspR 2014, 80 (81) Rn. 16 [Anwendung von Art. 28 Abs. 4 EGBGB auf multimodale Frachtverträge]. 209 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2571. Vgl. allgemein Basedow, S. 35. 210 Dazu ausführlich Reiher, 2010, S. 84 ff. 211 Siehe oben § 3 – A.II.2.a). 212 MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7; Rauscher/v. Hein, Art. 1 Rom I-VO Rn. 5. 213 Vgl. EuGH, 17.6.1992 – Rs. C-26/91 [Handte], Slg. 1992, I-3967 = JZ 1995, 90 Rdnr. 15; EuGH, 27.10.1998 – Rs. C-51/97 [Réunion européenne], Slg. 1998, I-6511 = EuZW 1999, 59 Rdnr. 17; EuGH, 17.9.2002 – Rs. C-334/00 [HWS], Slg. 2002, I-7357 = NJW 2002, 3159 Rn. 23; EuGH, 14.5.2009 – Rs. C-180/06 [Ilsinger], Slg. 2009, I-3998 = EuZW 2009, 489 Rn. 54 f. 214 Ferrari/Kieninger, Art. 1 Rom I-VO Rn. 6. Zu den Problemfällen vertiefend MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7 ff.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

133

piell weit auszulegen ist, können aber auch einseitige Verpflichtungen in den Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung fallen.215 In Bezug auf Beförderungsverträge erscheint fraglich, wie im Rahmen der europäischen Vertragsdefinition ein etwaiger Kontrahierungszwang zu beurteilen ist. So könnte bezweifelt werden, ob das dafür zentrale Freiwilligkeitserfordernis erfüllt ist, sofern, wie etwa im Fluglinienverkehr durch Art. 21 Abs. 2 S. 3 LuftVG, die Eingehung einer Beförderungsverpflichtung bereits durch den Gesetzgeber zwingend angeordnet wird.216 Gleichwohl ist auch in einer derartigen Konstellation in kollisionsrechtlicher Hinsicht vom Bestehen eines Vertrages auszugehen. Auch wenn aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur Eingehung eines Beförderungsvertrages möglicherweise das Momentum der Freiwilligkeit in den Hintergrund tritt, liegt im Ergebnis gleichwohl eine vertragliche Sonderbeziehung vor.217 Diese ist typischerweise sogar synallagmatisch, da gesetzliche Beförderungspflichten in der Regel an die Einhaltung von Beförderungsbedingungen und -tarifen geknüpft sind.218 Jedenfalls ist darin kein außervertragliches Schuldverhältnis zu sehen, welches den Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung eröffnen würde. 5. Fazit Pauschale Verallgemeinerungen sind bei der Beurteilung des Vorliegens eines Güterbeförderungsvertrags im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO kaum möglich. Denn dem supranationalen Begriff liegt weniger eine juristische als eine ökonomische Konzeption zugrunde.219 Insbesondere Wertungen oder Kategorisierungen des nationalen Gesetzgebers haben insoweit keine bindende Wirkung für das Sekundärkollisionsrecht. Nicht die gesetzliche Bezeichnung, sondern die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Vertragswerks ist für die Qualifikation als Güterbeförderungsvertrag entscheidend.220 Dementsprechend muss ein jeder Vertrag anhand der eben aufgestellten Kriterien – Hauptgegenstand ist die Güterbeförderung, was eine konkrete Beförderungsverpflichtung voraussetzt – beurteilt werden. Um einen grundsätzlichen Überblick zu verschaffen, sollen dennoch im Folgenden verschiedene Kategorien von beförderungsbezogenen Vertragskonstellationen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO überprüft werden.

215 Rauscher/v. Hein, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7. Vgl. EuGH, Rs. C-180/06 (Fn. 213) Rn. 51. 216 Siehe für die Personenbeförderung per Bus und Straßenbahn § 22 PBefG. Ausführlich zum transportrechtlichen Abschlusszwang Basedow, S. 193 ff. 217 Ebenso Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 34. 218 Vgl. Basedow, S. 202 f. 219 Lagarde (Fn. 121) 211. 220 Mankowski (Fn. 121) 497; Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (487).

134

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

II. Güterbeförderungsverträge im engeren Sinn Bei den direkt von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erfassten Verträgen handelt es sich um solche, die ausschließlich der Beförderung von Gütern dienen und keine anderen wesentlichen Gegenstände aufweisen; abgesehen von der Beförderungspflicht können diese Verträge allenfalls untergeordnete Nebenpflichten enthalten.221 1. Objektbezogene Transportverträge Diese Umschreibung der kollisionsrechtlichen Güterbeförderungsverträge im engeren Sinn trifft typischerweise auf solche Verträge zu, deren Ansatzpunkt ein bestimmtes Objekt bzw. eine konkret (z. B. nach Gewicht) bezeichnete Ladung ist, welches von einem Ort zu einem anderen verbracht werden soll. Denn sofern ein konkreter, zu transportierender Gegenstand – wobei es sich insbesondere um Container handeln kann – Anlass für die vertragliche Rechtsbeziehung ist, ist es unwahrscheinlich, dass die Abrede weitere wesentliche Hauptpflichten aufweist. Im Fokus der Parteien steht dann die sichere und plankonforme Beförderung des Transportguts von A nach B. Unmittelbar unter Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO fallen daher die im deutschen Recht von den §§ 407 ff. HGB abgedeckten Frachtverträge sowie unter § 481 Abs. 1 HGB222 fallende seerechtliche Stückgutverträge.223 Auch ein mit diesen vergleichbarer contrat de transport im Sinne von Art. L 133-1 franz. CCom.224, contratto di trasporto gem. Art. 1678 ital. C.Civ. oder umowa przewozu i. S. d. Art. 774 Kodeks Cywilny (pol. ZGB) wäre kollisionsrechtlich als Güterbeförderungsvertrag im engeren Sinne zu qualifizieren. 2. Leitbild für die Qualifikation Derartige – objektbezogene – Transportverträge stellen den Prototyp des Güterbeförderungsvertrags im Sinne der Rom I-Verordnung dar. Diese Konzeption ist der Ausgestaltung der objektiven Anknüpfung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO zu Grunde gelegt. Das lässt sich anhand der Struktur seiner Verweisungsregeln erkennen: So gehen diese – wie selbstverständlich – von einer geographischen (Mindest-)Determinierung des Güterbeförderungsvertrages aus, namentlich, dass für die fragliche Beförderung der näher bezeichneten Siehe oben B.I.2.b). Näher zur gesetzlichen Ausgestaltung des Stückgutfrachtvertrags infolge des Referentenentwurfs zur Reform des Seehandelsrechts, Czerwenka, TranspR 2011, 249 (251 ff.). 223 Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (27) Rn. 59. 224 Zentral ist für diesen die Beförderungspflicht, vgl. Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2008, Kap. VI Rn. 108. Ausführlich zum Transportvertrag nach französischem Recht siehe Delebecque/Germain, Droit Commercial, Tome 2, 17. Aufl. 2004, S. 689 ff. (beachte insbesondere die Definition auf S. 697 f.). 221 222

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

135

Güter ein Ausgangs- und Bestimmungsort festgelegt worden ist.225 Weiterhin kann aus der Anknüpfungssystematik des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO gefolgert werden, dass ein Güterbeförderungsvertrag im Sinne der Verordnung nur genau einen (zusammenhängenden) Beförderungsvorgang zum Gegenstand haben darf.226 Dies wird weiterhin aus Erwägungsgrund (22) S. 2 deutlich, der in gleicher Weise auf „eine“ Reise abstellt.227 Sofern ein Vertrag eines dieser Merkmale nicht aufweist, also beispielsweise nicht geographisch determiniert ist228 oder mehrere vollständig voneinander unabhängige Beförderungen umfasst (z. B. je eine von Staat A nach B und von Staat C nach D), kann Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO nicht adäquat angewendet werden, weil sich dann die für die Anknüpfung notwendigen räumlichen Bezugspunkte nicht bestimmen lassen.229 Vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Rom IVerordnung eine objektive dépeçage nicht möglich ist,230 und dies wohl auch nicht dem Willen der Parteien entspräche, kommt diesbezüglich eine Aufspaltung des Vertrages, genauer des Beförderungsvorgangs, nicht in Betracht. Dieser Umstand muss auch bei der Frage, ob ein Güterbeförderungsvertrag überhaupt in sachlicher Hinsicht gegeben ist, berücksichtigt werden. Denn es wäre sinn- und zweckwidrig, solche vertraglichen Konstellationen mittels Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anknüpfen zu wollen, für welche die Norm ganz offensichtlich gar nicht ausgelegt ist. Die Folgen einer solchen Verfahrensweise wären vorprogrammierte Probleme bei der Kollisionsrechtsanwendung mit dem Ergebnis, dass die besonderen Anknüpfungsregeln des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO regelmäßig leer liefen. Das widerspräche jedoch dem Willen des Gesetzgebers. Insbesondere würde dies dem zentralen Bestreben der Vorschrift nach Rechtssicherheit zuwiderlaufen.231 Deshalb können auch als Güterbeförderungsverträge im weiteren Sinne von Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO nur solche Verträge angesehen werden, die in ihrer Grundstruktur den Güterbeförderungsverträgen im engeren Sinne zumindest ähneln. Weist ein Vertrag hingegen grundlegende konzeptionelle Unterschiede zu dem in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO zum Ausdruck kommenden Leitbild auf, ist schon tatbestandlich kein Güterbeförderungsvertrag im Sinne der Rom I-VerordNäher zu den Anknüpfungsregeln unten E.I. und II. So ist es in der Regel bei sich auf eine konkrete Fracht beziehenden, objektbezogenen Transportverträgen. Der Beförderungsvorgang muss indes nicht direkt, sondern kann auch in Etappen erfolgen, siehe unten B.III.1.a)bb). 227 Siehe auch unten B.III.1.a)aa). 228 Namentlich bei Verträgen, die nicht auf eine konkrete Beförderung, sondern auf eine Zeitspanne abstellen, siehe unten B.III.1.b.). Denkbar wäre dies auch, wenn die Parteien hinsichtlich mehrerer Beförderungen einem Rahmenvertrag abschließen (siehe dazu unten unten B.III.4.). 229 Zu den räumlichen Anküpfungsmomenten unten E.I. und II. 230 Siehe oben B.I.2.b)bb). 231 Siehe oben A.II.1. 225 226

136

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

nung gegeben, sodass auf solche „atypischen“ Beförderungsverträge stattdessen die allgemeinen Anknüpfungsregeln Anwendung finden.232 Dadurch kann erheblichen Anwendungsschwierigkeiten bereits auf der Qualifikationsebene begegnet werden. Solche Probleme würden aber mit Sicherheit auftreten, würde man den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO denkbar weit verstehen und beförderungsbezogene Verträge schlechthin erfassen wollen.233 Zwar könnte für das dann vorprogrammierte Szenario, dass die objektive Anknüpfung des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO zu keinem Ergebnis führt, daran gedacht werden, hilfsweise Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO analog (engste Verbindung) anzuwenden.234 Gegen diesen Ansatz ist jedoch einzuwenden, dass sie für die im Grunde atypischen (Beförderungs-)Verträge das in der Rom I-Verordnung vorrangige (vgl. Erwägungsgründe (19) und (21)) Prinzip der der charakteristischen Leistung ausschließt. Wird der Güterbeförderungsvertragsbegriff dagegen – wie hier vorgeschlagen – bereits tatbestandlich begrenzt, wäre Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO bei atypischen Beförderungsverträgen von vornherein nicht einschlägig und könnte insoweit auch keine Sperrwirkung gegenüber dem Rechtsgedanken des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO entfalten. Einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der die charakteristische Leistung erbringenden Partei stünde folglich nichts im Wege. III. Andere Verträge, die in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen Abgesehen von den relativ unproblematisch zuzuordnenden frachtvertraglichen Gestaltungen sind andere transportrechtliche Vertragskonstruktionen des Wirtschaftsverkehrs kollisionsrechtlich erheblich schwieriger zu beurteilen. Ausgehend vom klassischen Beförderungsvertrag, welcher anfänglich durch die Einheit der Reise von Fahrzeug und Ladung sowie durch die Identität von Fahrzeughalter und Transportunternehmer gekennzeichnet war,235 hat sich in der Transportpraxis im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl von verschiedenartigen beförderungsbezogenen Rechtsgeschäften herausgebildet, die sich in Zielrichtung und konkretem Geschäftszweck unterscheiden.236 Im Folgenden soll aufgezeigt werden, inwieweit derartige Vertragsgestaltungen als

Ein Vertrag der mehrere Beförderungen umfasst, wäre daher, auch wenn sein Hauptgegenstand die Beförderung ist, als Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO zu behandeln. Gleiches wird in der Regel auch für geographisch nicht determinierte Verträge gelten (vgl. auch unten B.III.1.b)). 233 Dafür aber Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (25); ders. RdTW 2013, 333 (344). 234 So Ramming, a. a. O. 235 Basedow, S. 93. 236 Zur Entwicklung des Beförderungsvertrages und dessen Ausdifferenzierung in der Vertragspraxis siehe Basedow, § 5, insbesondere III. 232

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

137

Güterbeförderungsverträge im (weiteren) Sinne des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO qualifiziert werden können. 1. Charterverträge Von höchster praktischer Bedeutung im Transportwesen sind die so genannten Charterverträge, bei welchen die Überlassung eines Transportmittels im Vordergrund steht und nicht, wie bei den Frachtverträgen, ein konkret zu transportierendes Objekt.237 Wenn solche Verträge aber im Hinblick auf eine Beförderung geschlossen werden und diese bezwecken sollen,238 liegt zwischen diesen beiden Vertragstypen gedanklich „kein unüberbrückbarer Graben“.239 Deshalb variieren die Wechselwirkungen zwischen Charter- und Frachtverträgen von einer Sachrechtsordnung zur anderen.240 Abgesehen von dem charakteristischen Merkmal der Gebrauchsüberlassung können die unterschiedlichen Ausprägungen von Charterverträgen erheblich divergieren, weshalb eine abstrakte Aussage über deren Rechtsnatur nur in Bezug auf die jeweilige Vertragsgestaltung möglich ist.241 Regelmäßig weisen diese nicht nur Miet-, sondern auch Transportvertragselemente auf und haben dementsprechend Hybridcharakter.242 Im Einzelnen ist daher sowohl in materieller als auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht unklar, inwieweit Charterverträge als Beförderungsverträge angesehen werden können. Davon zeugt nicht zuletzt Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO, der sich im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ausdrücklich mit Charterverträgen befasst. Auch die ICF-Entscheidung des EuGH zu Art. 4 Abs. 4 EVÜ betraf letztlich die Qualifikation eines derartigen Vertrages. Dieses Urteil zeigt zudem, dass sich das Abgrenzungsproblem nicht nur im Bereich der Schiff- oder Luftfahrt stellt, wo die Charter besonders verbreitet ist. Derartige Verträge werden auch im Hinblick auf andere Verkehrsmittel geschlossen, beispielsweise LKW oder Eisenbahnen, wie im vom EuGH entschiedenen Fall. Deshalb darf insbesondere bei der kollisionsrechtlichen Abgrenzung von Beförderungs- und Chartervertrag nicht nur die seerechtliche Perspektive berücksichtigt werden. Da Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO für alle Verkehrsträger gilt, muss eine entsprechende Grenzziehung für alle Verkehrsmittel praktikabel sein. Gleichwohl orientiert sich dieser Überblick an der seerechtlichen Ausdifferenzierung, weil sich dort Trümper, in: Hdwb. EuPR, Chartervertrag, S. 248. Der Zweck von Charterverträgen ist gleichwohl nicht immer die Ermöglichung einer Beförderung, vgl. Legros (Fn. 121) 191 Rn. 12. Ein Schiff kann beispielsweise auch für Fischfang, Forschung oder Tiefseebergbau oder etwa für Montage- oder Rettungsaufgaben gechartert werden (vgl. auch Basedow, S. 112). 239 Basedow, S. 112. 240 Legros (Fn. 121) 193 Rn. 16. Siehe dazu auch Basedow, S. 111 ff. 241 Trümper, in: Hdwb. EuPR, Chartervertrag, S. 249. 242 Legros (Fn. 121) 189 Rn. 9. 237 238

138

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

verschiedene Grundformen etabliert haben, namentlich Reise-, Zeit- und Bareboat-Charterverträge.243 Daneben bestehen infolge der Ausnutzung der Vertragsfreiheit der Parteien selbstverständlich noch andere Erscheinungsformen, z. B. die Cross- und Demise-Charter,244 die aber in der Realität deutlich seltener auftreten.245 Im Luftverkehrsrecht wird der Ausdruck Charter dagegen relativ uneinheitlich verwendet.246 Die dort gängigen Vertragskonstellationen weisen allerdings häufig Ähnlichkeiten zu den seerechtlichen Chartertypen auf und sind daher mitunter in kollisionsrechtlicher Hinsicht mit diesen vergleichbar. a) Reisecharter Als Beispiel für Verträge, die die Güterbeförderung als Hauptgegenstand haben und damit als Güterbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anzusehen sind, nennt Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO die Charterverträge über eine einzige Reise. Dabei scheint es sich um ein eher seerechtliches Exempel zu handeln, da in der Schifffahrt sogenannte Reisecharterverträge (engl.: voyage charter; franz.: affrètement au voyage) gebräuchlich sind.247 Als solche werden jene Verträge bezeichnet, bei denen der Verfrachter Güter als Voll- oder Teilladung eines bestimmten Schiffes auf einer oder mehreren Reisen zu befördern hat.248 Im Containerverkehr firmiert dies als so genannte Slot-Charter, wo für eine oder mehrere bestimmte Reisen Container-Stellplätze zur Verfügung gestellt werden.249 Vertraglicher Bezugspunkt von Reisecharterverträgen ist das Transportmittel, nicht die La-

Dementsprechend sind diese drei Typen vom Vorschlag zur Seehandelsrechtsreform aufgegriffen und nunmehr als „Reisefrachtvertrag“ in § 527 HGB, „Zeitchartervertrag“ in § 557 HGB und „Schiffsmietvertrag“ in § 553 HGB nunmehr gesetzlich verankert worden. 244 Die Cross-Charter ist gekennzeichnet durch einen anteilsmäßigen Austausch von Containerstellplätzen unter Mitgliedern eines Container-Konsortiums; bei der DemiseCharter gehen die Besitzrechte und die direkten Anordnungsbefugnisse hinsichtlich der Bord bleibenden Besatzung auf den Charterer über. Zu diesen speziellen Sonderformen Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2956 und 2961 m. w. N. 245 Stahl, TranspR 2010, 258 (259). 246 Vgl. Schwenk, BB 1970, 282; Schmid, TranspR 1983, 113 m. w. N.; Kretschmer, S. 78. 247 Diese Referenz ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass die Sonderkollisionsregel für Güterbeförderungsverträge in Art. 4 Abs. 4 EVÜ speziell im Hinblick auf Seefrachtverträge eingeführt wurde, vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339 (342 f.). 248 Vgl. Mankowski, S. 98. In der Praxis werden Raumfrachtverträge heute fast ausnahmslos über Schiffe im Ganzen beschlossen, vgl. Abschlussbericht der Sachverständigengruppe zur Reform des Seehandelsrecht (abrufbar über www.transportrecht.org) S. 144. 249 Vgl. Mankowski, Neues aus Europa, Rn. 42. Ausführlich zur Slot-Charter Ramming, RdTW 2014, 221 ff. 243

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

139

dung selbst.250 Gleichwohl lässt sich solchen Verträgen im Allgemeinen eine Güterbeförderungspflicht entnehmen; ihr Hauptgegenstand liegt jedenfalls eindeutig in der Beförderung der Ladung, sprich der Güter.251 Vergleichbar mit der Reisecharter sind die in der Luftfahrt gängigen Transportcharterverträge. Statt für eine Reise wird dem Charterer dort ein Luftfahrzeug (bzw. Frachtraum) für eine bestimmte Anzahl von Flügen vom Vercharterer zur Verfügung stellt, wobei letzteren ebenfalls eine Beförderungspflicht trifft.252 aa) Chartervertrag über eine einzige Reise Wird ein Reisechartervertrag über eine einzige Reise geschlossen, stellen diese Verträge gemäß Erwägungsgrund (22) S. 2 Alt. 1 Rom I-VO Güterbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO dar. Aus der ausdrücklichen Nennung von Charterverträgen über eine einzige Reise könnte allerdings geschlussfolgert werden, dass die Ausweitung des Güterbeförderungsvertragsbegriffs hinsichtlich Reisecharterverträgen, wenn nicht gar Charterverträgen im Allgemeinen, abschließend sei.253 Dieser Sichtweise erteilte jedoch der EuGH richtigerweise eine deutliche Abfuhr.254 Denn aus einem Beispiel kann methodisch kein den offenen Obertatbestand begrenzender Umkehrschluss gebildet werden.255 Dass Charterverträge über eine einzige Reise in Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ bzw. Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom IVO explizit genannt werden, hat seinen Grund darin, dass derartige Verträge die in Alt. 2 verlangten Voraussetzungen erfüllen, sie also in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen.256 Weiterhin ist bei dieser Konstellation sichergestellt, dass nur je ein Abgangs- und Bestimmungsort besteht. Solche Verträge ähneln daher strukturell den objektbezogenen Güterbeförderungsverträgen im engeren Sinne, sodass die Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge sinnvoll angewendet werden kann.257 Das Merkmal der einzigen Reise

Abschlussbericht (Fn. 248) S. 144. Vgl. Mankowski, S. 98 m. w. N. 252 Schwenk, BB 1970, 282 (284); Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 3. Aufl. 2005, S. 353 f.; Scheuch, S. 23. Der Vercharterer behält bei der Transportcharter die operative Kontrolle, vgl. Kretschmer, S. 80 f. 253 Siehe die erste Vorlagefrage des Hoge Raad (Fn. 121) Rn. 19. Vgl. auch Soergel/ v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 421; Kretschmer, S. 72. 254 EuGH (Fn. 121) Rn. 37. Gleichwohl kritisiert Legros (Fn. 121) 188, die Lösung des EuGH sei wenig „explicative“. Die Ursache dafür ist nach Meinung von Lagarde (Fn. 121) 211 allerdings in der unkonkreten Fragestellung des Hoge Raad zu sehen. 255 Reitmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2954; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 15. 256 Siehe oben B.I.2. 257 Sie entsprechen damit dem Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO inhärenten Leitbild, siehe oben B.II.2. 250 251

140

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

hat für sich aber keinerlei konstitutive Wirkung.258 Folglich können auch andere Charterverträge prinzipiell Güterbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO darstellen.259 bb) Chartervertrag über mehrere Reisen Das gilt insbesondere für Reisecharterverträge, die nicht über eine einzige, sondern über mehrere Reisen geschlossen werden, sofern auch deren Hauptgegenstand die Beförderung von Gütern ist.260 Dass diese nicht in einem Mal, sondern in mehreren Schritten erfolgt, ändert schließlich nichts an dem Schwerpunkt des Vertrags.261 Da der Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO grundsätzlich weit auszulegen ist,262 sollten auch solche Verträge, soweit wie möglich als Güterbeförderungsverträge behandelt werden. Entscheidend für die Qualifikation von mehrgliedrigen Reisecharterverträgen ist aber, inwieweit die einzelnen Reisen noch als ein Beförderungsvorgang angesehen werden können.263 Denn letzteres ist zentrales Wesensmerkmal von Güterbeförderungsverträgen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO.264 Folglich können nicht schlichtweg alle Konstellationen der Reisecharter als Güterbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO angesehen werden.265 Insofern ist auch unerheblich, dass nach der Systematik des Referentenentwurfs zur Reform des Seehandelsrechts Reisecharterverträge (bzw. „Reisefrachtverträge“ im Sinne von § 527 HGB) stets Beförderungsverträge

258 Dagegen stellt wohl für Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2847 f. und 2954 ff. die Vergleichbarkeit mit der Single Voyage Charter das für die kollisionsrechtliche Zuordnung zentrale Abgrenzungsmerkmal dar. 259 Siehe auch Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (494); McParland, Rn. 11.41 f. Dagegen sollten laut PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 3 andere als Reisecharterverträge nicht unter den Beförderungsvertrag fallen. 260 Ebenso Dicey/Morris/Collins, Rn. 33-094. 261 Vgl. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2954; Plender/Wilderspin, Rn. 8-013 Fn. 21. 262 Dafür spricht die Schaffung des den Anwendungsbereich erweiternden Erwägungsgrunds (22) S. 2. Vgl. auch EuGH (Fn. 121) Rn. 34 für den insoweit entsprechenden Art. 4 Abs. 4 S. 3 EVÜ. Dagegen plädieren Dicey/Morris/Collins, Rn. 33-094 für eine weite Auslegung des Beförderungsvertragsbegriffs, damit die Vorschrift den tatsächlichen Verhältnissen in der Praxis gerecht werden kann. 263 Ähnlich Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2953 f. 264 Siehe oben B.II.2. 265 Dafür aber Stahl, TranspR 2010, 258 (259); Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (106) und Delebecque, in: Scritti in onore di Francesco Berlingieri, 2010, S. 431 (437). Auch MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 131 sowie Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (28) Rn. 61 ff. differenzieren insoweit nicht näher.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

141

darstellen.266 Weiterhin wären auch luftrechtliche Transportcharterverträge entsprechend zu differenzieren.267 Damit das Vorliegen eines einzigen Beförderungsvorgangs bejaht werden kann, müssen die vertraglich vereinbarten Reisen in einem gewissen Zusammenhang stehen. Völlig voneinander unabhängige Transportvorgänge (Transport von Container 1 von A nach B, Container 2 von C nach D, etc.) können nicht als eine Beförderung angesehen werden. Umfasst der Reisechartervertrag dagegen mehrere Reisen in einer Kette, bspw. von A nach B nach C nach D, kann dies einen einzigen Beförderungsvorgang darstellen. Insofern treten zwar Probleme im Zuge der Anknüpfung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auf, jedoch lassen sich diese systematisch innerhalb der Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm lösen.268 Auch bei einer Rundfahrt von eigenständigen Reisen (voyage à rotation),269 etwa von A nach B, B nach C, C nach A, kann eine einzige Beförderung angenommen werden.270 Dann wäre der für Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO maßgebliche Abgangsort gleichzeitig der Bestimmungsort.271 Ebenso läge der Fall bei einer Reisecharter über eine Hin- und Rückreise (Combined Voyage Charter).272 Erfolgt entweder die Hin- oder die Rückreise in Ballast, sprich leer, stellt diese lediglich einen Annex der unter Ladung erfolgenden Reise dar,273 sodass letztere für die räumlichen Bezugspunkte im Rahmen der Anknüpfung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO maßgeblich ist. Auch bei einer Consecutive Voyage Charter, bei der die Beförderung in mehreren Tranchen durchgeführt wird und somit nur jeweils ein (wiederkehrender) vertraglicher Ausgangs- und Bestimmungsort besteht, kann das Vorliegen nur einer einzigen Beförderung angenommen werden.274 Schließlich ist die Anzahl der Reisen bedingt durch die Kapazität des Schiffes, sodass der

Dies ergibt sich daraus, dass die Reisefrachtverträge im zweiten Abschnitt des neuen Seehandelsrechts des HGB mit dem Titel „Beförderungsverträge“ geregelt sind. Siehe dazu Czerwenka, TranspR 2011, 249 f. Siehe zur Reform auch Paschke/Ramming, RdTW 2013, 1 f. 267 Dagegen stellt nach Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 184 die Transportcharter stets einen Güterbeförderungsvertrag dar. Nach anderer Ansicht ist das nur dann der Fall, wenn sich ein solcher Vertrag auf eine einzige Reise bezieht (so Reithmann/ Martiny/Mankowski, Rn. 2847; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 90). 268 Siehe dazu unten E.IV.1. 269 Dazu Mankowski, S. 106 f. 270 Im Ergebnis ebenso Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2953. 271 Näher dazu unten E.IV.1.b). 272 Ebenso Reithmann/Martiny/Mankowski Rn. 2953. 273 Vgl. Mankowski, S. 107. 274 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2954; Plender/Wilderspin, Rn. 8-013 Fn. 21; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 15; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 103 m. w. N. 266

142

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Transport theoretisch auch in einer einzigen Etappe möglich wäre, wenn nur ein entsprechend großes Schiff verwendet werden würde.275 b) Zeitcharter Die kollisionsrechtliche Beurteilung von Zeitcharterverträgen ist schwierig. Bei derartigen Verträgen stellt der Vercharterer dem Charterer ein bemanntes Transportmittel zum Zweck einer Beförderung zur Verfügung, wobei nicht auf eine bestimmte Anzahl von Reisen Bezug genommen wird, sondern auf eine konkrete Zeitspanne.276 Zeitcharterverträge können im Luftverkehr auch unter der Bezeichnung Mietcharter firmieren.277 Im Einzelfall kann dabei fraglich sein, inwieweit die Beförderung den Hauptgegenstand des Zeitchartervertrags bildet und ob die Kollisionsregel des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO für die Anknüpfung solcher Verträge überhaupt geeignet ist. aa) Hauptgegenstand liegt in der Regel in der Gebrauchsüberlassung Bei Zeitcharterverträgen ist der Hauptgegenstand nur schwer auszumachen. Deshalb war beispielsweise im deutschen Recht materiell-rechtlich die Rechtsnatur solcher Verträge umstritten.278 Nach der Begründung im Referentenentwurf zur Reform des Seehandelsrechts handelt es sich bei dem nunmehr in §§ 557 ff. HGB ausdrücklich erwähnten Zeitchartervertrag um einen Vertrag sui generis.279 Nach der neu geschaffenen Definition in § 557 Abs. 1 HGB wird durch einen Zeitchartervertrag der Zeitvercharterer verpflichtet, dem Zeitcharterer zu dessen Verwendung ein bestimmtes Seeschiff mit Besatzung auf Zeit zu überlassen und mit diesem Schiff Güter oder Personen zu befördern oder andere vereinbarte Leistungen zu erbringen.280 Daraus wird deutlich, dass die Beförderung von Gütern zumeist den zugrundeliegenden Zweck von Zeitcharterverträgen darstellt. Daher wird vertreten, seerechtliche Zeitcharterverträge kollisionsrechtlich als Güterbeförderungsverträge im Sinne der Rom I-Verordnung zu qualifizieren, weil darin der wirtschaftliche Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2954. Athanassopoulou, S. 150 ff.; Ramming, in: Lagoni/Paschke (Hrsg.), 20 Jahre Seerechtswissenschaft an der Universität Hamburg, 2005, S. 67. 277 Scheuch, S. 20. Auf die Parallele zwischen see- und luftrechtlicher Charter hinweisend Delebecque/Germain, Droit Commercial, Tome 2, 17. Aufl. 2004, S. 769 hin. 278 Vgl. zur seerechtlichen Zeitcharter Herber, S. 349; Frommelt, Die Rechtsnatur der Zeitcharter, 1975; Ramming, in: Lagoni/Paschke (Hrsg.), 20 Jahre Seerechtswissenschaft an der Universität Hamburg, 2005, S. 67 ff. Auch die schuldrechtliche Einordnung der luftrechtlichen Mietcharter ist problematisch, siehe nur Scheuch, S. 20 ff. 279 Siehe die Begründung im Referentenentwurf, S. 200; vgl. auch Wesemann, TranspR 2012, 327 (328). Anders dagegen Trappe, TranspR 2011, 332 (333 f); Paschke/Ramming, RdTW 2013, 1 (8 f.). 280 Zur Neuausgestaltung des Zeitcharterrechts ausführlich Ramming, RdTW 2013, 333 ff. 275 276

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

143

Schwerpunkt des Vertrages liege und sich darauf die Verpflichtungen des Vercharterers bezögen.281 Es ist aber bei Zeitcharterverträgen im Einzelnen fraglich, inwieweit überhaupt eine Beförderungspflicht des Vercharterers besteht und dieser einen Transporterfolg schuldet.282 Wesentliches Merkmal ist wohl eher die Gebrauchsüberlassung von Transportmittel und Besatzung.283 Dabei vermittelt, soweit es sich nicht schon aus dem Chartervertrag selbst ergibt, im Seerecht eine so genannte Employment-Klausel dem Charterer Weisungsbefugnis gegenüber der Mannschaft.284 Diesem unterliegt damit die Kontrolle darüber, welche Reisen durchgeführt und welche Güter befördert werden.285 Beim Vercharterer verbleibt dann lediglich eine technischnautische Verantwortung.286 Damit hat der Zeitvercharterer keine operativen Gestaltungsmöglichkeiten, stattdessen werden dem Charterer die Befugnisse zur Bestimmung der Einzelheiten der Beförderung eingeräumt.287 Deshalb kann in dieser Konstellation wohl nicht von einer eigenverantwortlichen Beförderung „im eigentlichen Sinn“ durch den Vercharterer gesprochen werden.288 Der Schwerpunkt des Vertrags besteht eher in dessen Dienstleistung, Transportmittel und Mannschaft zur Verfügung zu stellen, weshalb an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalt des Vercharterers anzuknüpfen ist (Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO).289 Das Gleiche gilt besonders für Demise-Char281 Stahl, TranspR 2010, 258 (260); Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (28) Rn. 67; ders. RdTW 2013, 333 (343 f.); Dicey/Morris/Collins, Rn. 33-094 und wohl Trappe, TranspR 2011, 332 (334). In diese Richtung ebenfalls – wenngleich sehr pauschal – Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (106). 282 Dafür aber (Einordnung als Raumfrachtvertrag) Würdinger, MDR 1957, 257 ff.; Trappe, Neuere Entwicklungen im Charterrecht des Seeverkehrs, 1975, S. 10 f. Laut Zarth (Fn. 121) 452 würde jedenfalls § 537 Abs. 1 HGB in Gestalt des Vorschlags der Sachverständigengruppe dem Zeitvercharterer eine Beförderungspflicht auferlegen. 283 Siehe Athanassopoulou, S. 155 ff. Ein Zeichen dafür ist, dass bei der Zeitcharter der Charterer den Vercharterer vergüten muss, unabhängig davon, wie oder gar ob er die Dienste des Transportmittels genutzt hat, siehe Mankowski (Fn. 121) 498. 284 Ramming, TranspR 1993, 267 (268). Laut Mankowski, S. 96 werden durch die Employment-Klausel die Dienstverschaffungselemente noch verstärkt. 285 Herber, S. 348. 286 Rabe, § 556 Rn. 10. Dementsprechend bleibt der Vercharterer im Besitz des Schiffes (Mankowski, S. 90 f. m. w. N). Bei einer Demise-Charter geht dieses Besitzrecht dagegen auf den Charterer über (vgl. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2961). 287 Ramming, TranspR 1993, 267 (268). Für die Mietcharter ausdrücklich Scheuch, S. 20. 288 Vgl. Delebecque (Fn. 121) 455 f. Siehe auch oben B.I.3.b.). 289 So bereits zum EVÜ Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 438; Kretschmer, S. 79. Ebenso Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 100 f.; MünchKommBGB/ Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 133, der den Zeitchartervertrag nach Art. 4 Abs. 2 Rom IVO anknüpfen will. Wenn aber eine Beförderung im eigentlichen Sinne zu verneinen ist, und diese somit auch keinen Gegenstand der Zeitcharter bildet, liegt insoweit kein gemischter, nach Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO zu beur-

144

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

terverträge290 und entsprechend für luftrechtliche Mietcharterverträge.291 Dagegen könnte man auf eine Zeitcharterregelung, laut der der Eigentümer die Kontrolle über das Schiff behält, die Crew beschäftigt und damit selbst die Beförderung ausführt, Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anwenden.292 bb) Bezugspunkt der Zeitcharterverträge häufig nicht mit der streckenbezogenen Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge vereinbar Der Hauptgrund für die kollisionsrechtlichen Schwierigkeiten bei der Qualifikation von Zeitcharterverträgen hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ist, abgesehen von der schwierigen Bestimmung des Vertragsgegenstands, dass bei der Zeitcharter eine zeitliche Komponente im Vordergrund steht. Die Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge der Rom I-Verordnung ist dagegen auf Verträge ausgelegt, die vor allem geographisch determiniert sind.293 Das ist beispielsweise bei an konkrete Reisen anknüpfenden Charterverträgen grundsätzlich gegeben, bei der Zeitcharter allerdings regelmäßig nicht.294 Bei letzterer steht das Transportmittel über einen gewissen Zeitraum zur Verfügung des Charterers, ohne dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf konkrete Beförderungen oder einzelne Bestimmungsorte abgestellt werden würde. Die Anknüpfungsregel von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ist für diese Fälle deshalb schlichtweg nicht geeignet.295 Deren Anwendung würde dem Charterer stattdessen sogar die Möglichkeit eines einseitigen Statutenwechsels eröffnen: Aufgrund seines umfassenden, im Chartervertrag oder in teilender (siehe oben B.I.2.b)dd)), Vertrag vor, sondern ein reiner Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO. Im Ergebnis führt diese Differenzierung in diesem Fall zu keinem Unterschied, da jeweils auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der die charakteristische Leistung erbringenden Partei abgestellt wird. 290 Plender/Wilderspin, Rn. 8-013; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 135; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 15; Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 1961 m. w. N. 291 Auch bei solchen Verträgen trifft den Vercharterer keine Beförderungspflicht, da dem Charterer die operationelle Kontrolle zukommt (vgl. Schwenk, BB 1970, 282 [283]; Scheuch, S. 20). Deshalb ist die Mietcharter kollisionsrechtlich nicht als Güterbeförderungsvertrag anzusehen, vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 89; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 185; Scheuch, S. 61. Ebenso Reithmann/Martiny/ Mankowski, Rn. 2848, der allerdings ausnahmsweise Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anwenden will, wenn es sich um eine Charter für eine einzige Reise handelt. 292 So Stone, EU Private International Law, 3. Aufl. 2014, S. 317. 293 Siehe oben B.II.2. 294 Zarth (Fn. 121) 452. Auch Zeitcharterverträge können aber über eine oder mehrere Reisen geschlossen werden, vgl. Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (28). Namentlich ist dies bei der uneigentlichen Zeitcharter der Fall, bei der ein Schiff für eine oder mehrere Reisen gechartert, die Fracht aber nach Zeiteinheiten berechnet wird (Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 438). 295 Ebenso Legros (Fn. 121) 193 f.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

145

der Employment-Klausel verankerten Gestaltungsrechts während der Nutzungsperiode könnte der Charterer den Transport und damit den Abgangsund Bestimmungsort eigenmächtig konkretisieren.296 Für den Vercharterer wird also regelmäßig vorab gar nicht feststehen, von und zu welchem Standort die Beförderung letztlich erfolgen wird, sodass für ihn auch nicht vorhersehbar ist, welchem Recht der Vertrag letztlich unterliegt.297 Eine Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO kann ihm deshalb nicht zugemutet werden. Sofern aber bei einer Zeitcharter bereits im Vertrag ein räumlicher Bezug hergestellt wird, der nicht variabel ausgestaltet ist, wie etwa bei Linienzeitcharterverträgen, stünden der Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO zumindest keine grundsätzlichen konzeptionellen Probleme entgegen.298 Das gleiche trifft auf eine kurzfristige Zeitcharter zu, die nach Gestellungs- und Zielort nur eine einzige Reise auf der Strecke zulässt.299 Sofern dann der Hauptgegenstand die Güterbeförderung ist, entsprechen derartige Verträge dem Leitbild der Rom I-Verordnung für Güterbeförderungsverträge. Das wird aber wohl in der Praxis die Ausnahme darstellen. So lag beispielsweise der ICF-Entscheidung ein Zeitchartervertrag zugrunde,300 bei dem diese notwendige räumliche Konkretisierung zwar gegeben war, weil die Beförderungen nur zwischen zwei Bahnhöfen vollzogen wurden.301 Allerdings traf den Vercharterer auch in diesem Fall wohl keine unmittelbare Beförderungspflicht.302 Erfüllen Zeitcharterverträge aber ausnahmsweise sowohl die räumlichen als auch die sachlichen Anforderungen, können auch sie als Güterbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO qualifiziert werden. Freilich kommt es im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auf die vertraglich festgelegten Orte an, siehe unten E.I.2.b)bb). Allerdings könnte argumentiert werden, dass es sich in der hier gebildeten Beispielskonstellation wegen des vertraglich zugestandenen Konkretisierungsrechts auch um „vertragliche“ Orte handelt. 297 Dem Übernahme- und Ablieferungsort kommen für die objektive Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO entscheidende Bedeutung zu, gerade wenn Charterer und Vercharterer ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem gleichen Staat haben. Vgl. zur objektiven Anknüpfung unten E. 298 Vgl. Legros (Fn. 121) 193. Siehe oben B.II.2. Ebenso sind bei der Hybridform Trip Chartered Time Charter der Ausgangs- und Bestimmungshafen genau bezeichnet (vgl. Mankowski, S. 96 f. m. w. N). 299 Mankowski (Fn. 121) erhebt dies zum allgemeinen Abgrenzungskriterium für Zeitcharterverträge, weil derartige Verträge funktionell mit einer Single Voyage Charter vergleichbar sind. Dadurch wird jedoch dem Merkmal der „Reise“ übermäßige Bedeutung zugemessen, siehe oben B.III.1.a)aa.). 300 Zarth (Fn. 121) 452; a. A. Claringbould, NIPR 2009, 426 (428 f.). 301 Das stellt Legros (Fn. 121) 193 zutreffend fest. 302 Laut dem Sachverhalt (EuGH, Fn. 121 Rn. 6) war der Charterer MIC für den gesamten operativen Teil der Beförderung der betreffenden Güter verantwortlich. Der EuGH hat zwar offen gelassen, ob er die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ durch den konkreten Vertrag als erfüllt ansah. Die Entscheidung deutet jedoch darauf hin, dass dem nicht so war, ebenso Delebecque (Fn. 121) 455 f.; Martiny, GPR 2011, 48 (50). 296

146

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

c) „Nackte“ Charter des Transportmittels Soweit sich Charterverträge rein auf die Bereitstellung eines konkreten, unbemannten Beförderungsmittels beziehen, ist im Seerecht von Bareboat-303 und im Luftrecht von Barehull-Charterverträgen304 die Rede. Im Gegensatz zu den eben behandelten Zeitcharterverträgen, bei denen der Vercharterer zusätzlich die Besatzung stellt, soll bei den „nackten“ Charterverträgen nur das Transportmittel zur Verfügung gestellt werden, worauf der Charterer eine eigene Besatzung einsetzen kann, um gegebenenfalls Güter zu befördern.305 Letztlich steht bei solchen Verträgen daher keine konkrete Beförderung des Vercharterers im Raum. Es handelt sich bei der „nackten“ Charter stattdessen um einen auf das Transportmittel bezogenen Mietvertrag, auf welchen Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO anzuwenden ist.306 2. Mengenvertrag So genannte Mengenverträge vereinen in sich verschiedene Elemente von Zeit- oder Reisecharterverträgen, allerdings steht bei diesen gerade nicht die Überlassung eines bestimmten Transportmittels im Vordergrund.307 Stattdessen wird vertraglich an ein zu transportierendes Etwas angeknüpft, welches durch seine Quantität definiert wird. Charakteristisch für Mengenverträge ist die Pflicht des Verfrachters, eine festgelegte Menge von Gütern zu transportieren.308 Dementsprechend liegt der Hauptgegenstand solcher Verträge regelmäßig in der Güterbeförderung im Sinne von Erwägungsgrund (22) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO.309 Sofern auch der Ort der Übernahme und der Ablieferung

Dazu vertiefend Athanassopoulou, S. 105 ff. Zu diesen, im Französischen als l’affrètment coque-nue bezeichneten, Verträgen siehe auch Jacquet/Delebecque/Corneloup, Droit du commerce international, 2. Aufl. 2010, Rn. 616. 304 Scheuch, S. 17 ff. Diese wird auch als dry lease bezeichnet, siehe Schwenk, BB 1970, 282 (283). 305 Vgl. zur Bareboat-Charter Mankowski, S. 116 ff.; für die Barehull-Charter siehe Scheuch, S. 17 ff. 306 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2849, 2962; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 88, 121. Für die Bareboat-Charter Stahl, TranspR 2010, 258 (259); Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (28). Zur Barehull-Charter Kretschmer, S. 78 f. 307 Laudien, Der Mengenvertrag im Deutschen Seefrachtrecht, 1992, S. 43. 308 Mankowski, S. 111; Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (28); mit umfangreichen Ausführungen zu den Vertragspflichten Laudien, Der Mengenvertrag im Deutschen Seefrachtrecht, 1992, S. 97 ff. A.A. Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 438, der den Schwerpunkt eher in der Überlassung des Schiffes sieht und Mengenverträge daher wie die Zeitcharter behandeln will. 309 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2963. Für eine Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO daher Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (106); Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (28) Rn. 74; Mankowski, Neues aus Europa, Rn. 48; Stau303

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

147

vertraglich gleichbleibend fixiert sind,310 erfüllen Mengenverträge somit das Leitbild von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO.311 Probleme treten jedoch dann auf, wenn die ausfüllenden Transporte nicht auf einer einzigen Route erfolgen sollen, sondern die Ausgangs- und Bestimmungsorte für die einzelnen Transporte divergieren.312 Im Ergebnis sind Mengenverträge kollisionsrechtlich daher wie die Consecutive Voyage Charter zu beurteilen.313 3. Speditionsverträge Abgesehen von den Charterverträgen wirft noch eine andere im Transportwesen gebräuchliche Vertragskategorie erhebliche Qualifikationsprobleme auf. So war schon unter dem EVÜ umstritten, ob die sich auf die Organisation einer Beförderung beziehende Spedition kollisionsrechtlich als Güterbeförderungsvertrag anzusehen ist,314 weshalb insoweit der EuGH in seiner Haeger & Schmidt-Entscheidung dazu Stellung beziehen musste.315 Der Grund für die schwierige Abgrenzung ist, dass die wirtschaftliche Interessenlage bei Speditions- und Beförderungsverträgen häufig ähnlich ist, weil das Rechtsgeschäft letztlich einen Transport von Gütern von A nach B bezweckt.316 Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Vertragsformen ergibt sich zumeist erst aus ihrer Bewertung durch die jeweilige Sachrechtsordnung, die damit unterschiedliche Rechte und Pflichten verknüpft: So lässt sich allgemein sagen, dass der Spediteur keinen konkreten Transporterfolg, sondern nur die Organisation einer Beförderung schuldet;317 allerdings werden von dieser Abgrenzungsregel in den europäischen Rechtsordnungen verschiedentlich Ausnahmen angeordnet.318 Doch selbst wenn Güterbeförderungs- und Speditionsverdinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 102; Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (59) Rn. 3.30. Offen gelassen von MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 132. 310 Das ist bei Mengenverträgen typischerweise der Fall, vgl. Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (28). 311 Zum Leitbild oben B.II.2. Ebenso wohl Plender/Wilderspin, Rn. 8-013. Dagegen beurteilte Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 438, Mengenverträge nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB. Insoweit unentschieden MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 132. 312 Vgl. auch Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2963. 313 Ebenso Mankowski, Neues aus Europa, Rn. 48. Siehe oben B.III.1.a)bb). 314 Für eine zwingende Qualifikation als Güterbeförderungsvertrag siehe Rugullis, TranspR 2006, 380 ff.; repräsentativ für die Gegenansicht Fischer, TranspR 2007, 145 ff. 315 EuGH (Fn. 122) Rn. 17 ff. 316 Auch beim Speditionsvertrag ist der wirtschaftliche Wunsch des Gläubigers, „Güter sicher, schnell und kostengünstig von einem Ort an einen anderen zu verbringen“ (MünchKommHGB/Bydlinski, § 453 Rn. 9). 317 So auch die Charakterisierung des Speditionsvertrags durch den EuGH (Fn. 122) Rn. 27. 318 In der deutschen Rechtsordnung werden durch die §§ 458–460 HGB bestimmte speditionelle Sonderformen dem Frachtrecht unterstellt. Im französischen Recht haftet der

148

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

träge materiell-rechtlich eindeutig voneinander trennbar sind, ist häufig auf tatsächlicher Ebene nicht klar, ob der Vertrag eine Beförderung oder nur eine Transportorganisation umfassen soll.319 Diese Gemengelage hat ebenfalls Auswirkungen auf die international-privatrechtliche Beurteilung. So ist auch im Hinblick auf die Rom I-Verordnung fraglich, ob Speditionsverträge als Güterbeförderungsverträge anzusehen sind. a) Einführung von Erwägungsgrund (22) S. 3 kein Indiz für Erfassung von Speditionsverträgen im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO Als Hauptargument für die Bejahung dieser Frage wird neuerdings Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO angeführt: Weil nach dessen Wortlaut eine Partei „unabhängig davon, ob sie die Beförderung selbst durchführt“ als „Beförderer“ angesehen werden kann, sollen auch transportvermittelnde Speditionsverträge prinzipiell Güterbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO darstellen.320 Diese Argumentation trägt jedoch nicht. Auch wenn eine solche Regelung im Text des EVÜ nicht enthalten war, kann aus der Einführung dieses Passus in die Rom I-Verordnung nicht geschlussfolgert werden, dass der europäische Gesetzgeber damit den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auf Speditionsverträge erweitern wollte. Die in Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO vorgenommene Konkretisierung des Befördererbegriffs entspricht schließlich wörtlich einer Erwägung aus dem Giuliano/Lagarde-Bericht,321 sodass insoweit letztlich keine Veränderung der Rechtslage gegenüber dem EVÜ gegeben ist. Zudem stünde die Annahme eines dementsprechenden Reformwillens des europäischen Gesetzgebers in Widerspruch zu Erwägungsgrund (22) S. 1 Rom I-VO, laut dem die sachliSpediteur im Rahmen einer commission de transport dagegen generell für im Zuge der Beförderung auftretende Verlust- oder Verspätungsschäden (siehe Jacquet/Delebecque/ Corneloup, Droit du commerce international, 2. Aufl. 2010, Rn. 619; Delebecque/ Germain, Rn. 2789-11 m. w. N.; Delebecque/Germain, D. 2015, 136 ff.; vgl. auch Sonnenberger/Dammann, Rn. VI 120 ff.). Siehe auch die rechtsvergleichende Übersicht bei Basedow, S. 47 ff. 319 Vgl. MünchKommHGB/Bydlinski, § 453 Rn. 46 ff., insbesondere die dort dargestellten Indizien, die von der deutschen Rechtsprechung zur Abgrenzung von Fracht- und Speditionsvertrag gebildet wurden. 320 Clausnitzer/Woopen, BB 2008, 1798 (1800) Fn. 21; Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1336); Palandt/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 6. Im Ergebnis ebenso Ramming, Rn. 726; ders., HmbSchRZ 2009, 21 (24); Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 52; Rudolf, ÖJZ 2011, 149 (154) Fn. 108, die die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO allerdings damit begründen, dass Speditionsverträge in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen. Unentschieden MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 43; ders., ZEuP 2010, 747 (761 f.). 321 Siehe dort S. 54. Auf diesen Ursprung ebenfalls hinweisend Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-70); Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1706) Fn. 79 sowie Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 14.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

149

chen Anwendungsbereiche von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 4 Abs. 4 EVÜ deckungsgleich sein sollen. b) Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO setzt unmittelbare Beförderungspflicht des mutmaßlichen Beförderers voraus Wenngleich nicht die Einführung für sich als Argument für die Subsumtion von Speditionsverträgen unter Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO herangezogen werden kann, könnte gleichwohl der Inhalt von Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO (bzw. des Giuliano/Lagarde-Berichts) dafür sprechen. Dass es danach für die Eigenschaft des Beförderers nicht auf die selbstständige Durchführung der Beförderung ankommt, könnte dahingehend verstanden werden, dass auch derjenige unter die Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge fällt, der nur die Besorgung bzw. die Organisation einer Beförderung schuldet.322 Eine solche Sichtweise missachtet allerdings den Kontext von Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO. So setzt dieser in der ersten Hälfte seiner Definition ausdrücklich voraus, dass es sich beim Beförderer um die Vertragspartei handelt, „die sich zur Beförderung der Güter verpflichtet“. Danach wird also gerade eine, für Güterbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO typische,323 Beförderungspflicht verlangt.324 Die sich daran anschließende Ergänzung, dass es unerheblich sei, ob selbst befördert werde, zielt daher wohl nicht auf eine speditionsvertragliche Grundsituation ab (wo zumeist gerade keine solche Pflicht bestehen soll), sondern darauf, dass sich der vertragliche Beförderer eines ausführenden Beförderers bedient.325 Dass durch den Passus diese Konstellation abdeckt werden soll, wird auch durch den Blick auf Art. 1 Nr. 1 lit. a des Athener Übereinkommens gestärkt, welches Teil der Unionsrechtsordnung ist und damit zur systematischen Auslegung des ebenfalls supranationalen Art. 5 Rom I-VO herangezogen werden kann:326 So wird dort der Beförderer als „eine Person, durch […] die ein Be-

So Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 14; Güllemann, Internationales Vertragsrecht, 2011, S. 47. Für Art. 4 Abs. 4 EVÜ Rugullis, TranspR 2006, 380 (382) m. w. N. 323 Dafür spricht neben dem eindeutigen Wortlaut von Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO auch die Formulierung des EuGH in den Entscheidungen ICF und Haeger & Schmidt, wonach es bei kollisionsrechtlichen Güterbeförderungsverträgen auf eine „Beförderung im eigentlichen Sinn“ ankomme, siehe oben B.I.3.b). 324 Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 37 Rn. 54; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 203; Mankowski, TranspR 2015, 17 (18 f.). So bereits für Art. 4 Abs. 4 EVÜ Fischer, TranspR 2007, 145 (148) m. w. N. 325 Ebenso Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (486) und Mankowski, TranspR 2015, 17 (19); sowie schon im Hinblick auf die Formulierung im Giuliano/ Lagarde-Bericht Fischer, TranspR 2007, 145 (148). 326 Siehe oben § 5 – B.II. Das Athener Übereinkommen in Form des Protokolls von 2002 ist mittlerweile – insbesondere für die EU – in Kraft getreten (siehe oben § 1 – B.V.2.). 322

150

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

förderungsvertrag geschlossen wurde, unabhängig davon, ob die Beförderung tatsächlich von dieser Person oder von einem ausführenden Beförderer durchgeführt wird“ definiert. Die im letzten Halbsatz vorgenommene Verdeutlichung betrifft damit ebenfalls die Frage, ob der Beförderer die Beförderung selbst durchführt, bezieht dies aber deutlich auf die Konstellation ausführender/vertraglicher Beförderer. Zwar vereinheitlicht das Athener Übereinkommen das materielle Recht des Personen- und nicht des Gütertransports, jedoch ist die Ähnlichkeit der genannten mit der Formulierung in Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO nicht von der Hand zu weisen. Eine dementsprechende Klarstellung würde auch im Hinblick auf die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO Sinn ergeben, weil dadurch deutlich werden würde, dass im Fall eines zwischengeschalteten, ausführenden Beförderers dennoch der Vertragspartner des Absenders als Beförderer aufzufassen ist und es somit im Rahmen der Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm auf dessen gewöhnlichen Aufenthalt – und nicht etwa den des ausführenden Frachtführers – ankommt. 327 Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO ausdrücklich eine Beförderungsverpflichtung des Beförderers voraussetzt und den Fall der Unterfrachtführung abdecken soll. Aus dieser Bestimmung kann deshalb nicht gefolgert werden, dass Speditionsverträge kollisionsrechtlich mit den Güterbeförderungsverträgen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO gleichzusetzen wären. c) Reine Speditionsverträge = Dienstleistungsverträge i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO Gegen eine solch pauschale kollisionsrechtliche Gleichsetzung von speditionsartigen und Güterbeförderungsverträgen sprechen zudem grundsätzliche Wertungen innerhalb des Anknüpfungssystems der Rom I-Verordnung. Diese werden dann deutlich, wenn man sich den international-privatrechtlichen Unterschied von allgemeinen Dienstleistungs- und den Güterbeförderungsverträgen vor Augen führt. Die objektive Anknüpfung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO weicht von der Anknüpfung für allgemeine Dienstleistungsverträge nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO dahingehend ab, dass bei Güterbeförderungsverträgen auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalt der die charakteristischen Leistung erbringenden Partei nicht stets, sondern nur dann abgestellt wird, wenn zusätzliche Anknüpfungsmerkmale eine Verbindung zu dieser Rechtsordnung herstellen.328 Der Zweck dieser Regelung ist, sicherzustellen, dass der Bezug des fraglichen Vertrags zum anwendbaren Recht auch Bereits vorher sind die Regeln des Athener Übereinkommens durch die VO 392/2009 ins Unionsrecht überführt worden (siehe oben § 1 – B.V.4.). 327 Siehe dazu auch unten E.I.1.a)aa). 328 Zur objektiven Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen unten E.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

151

wirklich substanziell ist.329 Die Eigenheit von Güterbeförderungsverträgen liegt nämlich – wie nunmehr auch der EuGH ausdrücklich betont hat – 330 darin, dass die geschuldete Dienstleistung (die Beförderung) nicht am Geschäftssitz des Beförderers, sondern zwischen Übernahme- und Ablieferungsort durchgeführt wird.331 Deshalb weist bei internationalen Transportgeschäften der Vertrag sehr häufig keine objektive Verbindung zum gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers auf.332 Güterbeförderungsverträge strikt an diese Rechtsordnung anzuknüpfen, liefe daher dem Prinzip der engsten Verbindung entgegen.333 Umfasst die vertragliche geschuldete Tätigkeit dagegen nicht die Beförderung von Gütern, sondern ausschließlich die Organisation einer solchen, ist die Situation aber eine andere. Die typischen speditionellen Leistungen, wie Auswahl der Strecke bzw. der jeweiligen Frachtführer und Abschluss der nötigen Ausführungsgeschäfte, werden in der Regel ausschließlich am Geschäftssitz des Spediteurs erbracht. Ein reiner Speditionsvertrag ist daher objektiv meist nur mit dem Ort der Niederlassung des Spediteurs verbunden, nicht jedoch mit dem Übernahme- oder Ablieferungsort des eigentlichen Transports. Auf diesen Fall zielt die besondere Kollisionsregel in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO mit ihrer Kumulation von Anknüpfungsmomenten demzufolge gerade nicht ab. Ihre Anwendung wäre dementsprechend unsachgerecht. Vor allem würde ein „reiner“ Spediteur aber durch die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO, welcher an das Recht des Ablieferungsortes anknüpft, benachteiligt werden. Denn damit wäre im Ergebnis für den Vertrag eine Rechtsordnung maßgeblich, die weder zu seinem Sitz als dem Zentrum seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch zur tatsächlichen Erbringung der Leistungen in Ausführung des konkreten Vertrages einen Bezug aufweist. Aus diesem Grund verbietet sich die kollisionsrechtliche Gleichschaltung von Güterbeförderungs- und Speditionsverträgen durch pauschale Anwendung von Art. 5 Rom I-VO. Solche Speditionsverträge, die keine unmittelbare Beförderungsverpflichtung enthalten, stellen daher keine Güterbeförderungs-, sondern allgemeine Dienstleistungsverträge im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO dar.334 329 Näher dazu unten E.I.2.a). Vgl. auch Wagner, TranspR 2008, 211 (223). So schon die Begründung für Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ im Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 53 f. 330 EuGH (Fn. 122) Rn. 22. 331 Siehe auch oben A.II.2. 332 Vgl. Rammeloo, IPRax 2010, 215 (217); siehe auch die Schlussanträge des GA Bot in der Rs. C-133/08 Rn. 53. 333 Das soll letztlich durch die kumulativen Voraussetzungen in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO verhindert werden, siehe unten E.I.2. 334 Ebenso Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 4080, 4083 und sich diesem anschließend Plender/Wilderspin, Rn. 8-014 f.; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 14; Koller, § 453 HGB Rn. 64; McParland, Rn. 11.61; Legros, Rev. crit. DIP 2015, 221 ff. In diesem Sinne auch für Art. 28 Abs. 4 EGBGB: Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 251 ff.;

152

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

d) Grauzone zwischen Speditions- und Güterbeförderungsverträgen Es wäre dennoch verfehlt, speditionelle Verträge schlechthin vom Anwendungsbereich der Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm ausschließen zu wollen.335 Dies wird auch aus der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 4 EVÜ deutlich. So kann laut Europäischem Gerichtshof ein Speditionsvertrag durchaus „einen Bezug zu der Besonderheit eines Beförderungsvertrags […] aufweisen, wenn er in der Hauptsache der Beförderung des Gutes als solcher dient.“336 Damit berücksichtigt der EuGH bezüglich der kollisionsrechtlichen Beurteilung von Speditionsverträgen richtigerweise, dass in der Praxis die Grenzen zwischen Spedition und Beförderung fließend sind.337 Häufig tritt der Fall auf, dass der Vertragspartner des Versenders sowohl organisatorische als auch Beförderungsleistungen durchführt. Auch bei der international-privatrechtlichen Behandlung solcher Grenzfälle ist zu beachten, dass materiell-rechtliche Wertungen des nationalen Gesetzgebers dafür nicht ausschlaggebend sein können.338 Deshalb wäre es systematisch verkehrt, speditionsvertragliche Sonderformen in dem Umfang kollisionsrechtlich als Güterbeförderungsverträge anzusehen, wie diesen durch die §§ 458–460 HGB frachtvertraglicher Charakter verliehen wird.339 Das liefe im Ergebnis auf eine Qualifikation nach der materiell-rechtlichen lex fori hinaus, wie sie sich für die Anwendung der Rom I-Verordnung verbietet.340 Aber auch der umgekehrte Ansatz, nämlich auf die Abgrenzung innerhalb des hypothetischen Güterbeförderungsvertragssta-

Fischer, TranspR 2007, 145 (149 f.); MünchKommHGB/Bydlinsky, § 453 Rn. 203 m. w. N. Zu dem gleichen Ergebnis kommt ebenfalls Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 200 ff., der allerdings zur Begründung anführt, dass der Güterbeförderungsvertragsbegriff der Rom I-Verordnung mit dem der internationalen Transportrechtskonventionen übereinstimme, die den reinen Speditionsvertrag nicht einschließen (sich diesem anschließend Erman/Hohloch, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12). Ein solcher Rückgriff auf die transportrechtlichen Staatsverträge der Mitgliedstaaten ist für die Auslegung des europäischen Internationalen Privatrechts der Rom I-Verordnung nicht zulässig, siehe oben § 5 – B.III. 335 Dafür aber wohl Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 37 Rn. 54; Hk-BGB/ Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 5; so im Rahmen von Art. 28 Abs. 4 EGBGB E/B/J/S/ Rinkler, § 453 Rn. 143 f. 336 EuGH (Fn. 122) Rn. 28. Diese Besonderheit besteht darin, dass bei Beförderungsverträgen der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers keine objektive Verbindung mit dem Vertrag aufweiset, siehe oben A.II.2. 337 Vgl. Jesser-Huß, in: Hdwb. EuPR, Speditionsvertrag, S. 1427. 338 Zutreffend darauf hinweisend MünchKommHGB/Bydlinski, § 453 Rn. 204 a. E., siehe allgemein oben B.I.2.a). 339 Dennoch wohl darauf abstellend Koller, § 453 HGB Rn. 64. Auch Fischer, TranspR 2007, 145 (149 f.) scheint materiell-rechtliche Wertungen des Sachrechtsgesetzgebers seiner kollisionsrechtlichen Analyse zugrunde zu legen. 340 Vgl. oben § 5 – D.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

153

tuts abzustellen,341 ist systematisch fragwürdig, denn dabei handelte es sich um nichts anderes als eine Qualifikation nach der lex causae.342 Vielmehr müssen Problemfälle an der Grenze zwischen Speditions- und Beförderungsverträgen autonom, anhand der oben gebildeten Kriterien differenziert beurteilt werden.343 Dabei ist es laut EuGH Sache des vorlegenden Gerichts, „im Rahmen einer Würdigung aller Umstände des Ausgangsrechtsstreits – d. h. der Vertragsklauseln, in denen sich die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der zwischen den Parteien bestehenden Beziehungen widerspiegelt, und des Zwecks [der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge] – zu prüfen, ob und inwieweit Hauptgegenstand des in Rede stehenden Speditionsvertrags die eigentliche Beförderung des in Rede stehenden Gutes ist.“344 Weil damit die Abwägungsentscheidung nicht der Revisions-, sondern der Tatsacheninstanz obliegt, hat der EuGH in seiner Haeger & Schmidt-Entscheidung auch keine eigene Qualifikation des streitgegenständlichen Vertrages, der „die gesamte Organisation der Beförderung und nicht die bloße rechtliche Vertretung des Auftraggebers“ betraf, vorgenommen; stattdessen stellte er insoweit lediglich fest, dass das vorlegende Gericht diesen Vertrag als Speditionsvertrag eingestuft hat.345 Bei der vom Richter vorzunehmenden Beurteilung der Frage, ob der Hauptgegenstand des fraglichen „Speditionsvertrags“ die eigentliche Beförderung des in Rede stehenden Guts ist, kommt es letztlich insbesondere darauf an, ob sich eine Beförderungspflicht bereits aus der vertraglichen Vereinbarung selbst ergibt.346 aa) Gemischte Verträge, die voneinander trennbare Speditions- und Beförderungsleistungen umfassen Zumindest letzteres ist dann relativ unproblematisch, wenn in dem fraglichen Vertrag sowohl eine Speditions- als auch eine davon trennbare Beförderungsverpflichtung ausgemacht werden kann, etwa wenn der organisierende Spediteur einen Teil (oder die Gesamtheit) der Güterbeförderung selbst übernimmt und damit gleichzeitig als Beförderer auftritt. Dann liegt im Ergebnis ein gemischter Vertrag mit mehreren Gegenständen vor, für den der Schwerpunkt

Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 4082. Eine solche grundsätzlich ablehnend v. Bar/Mankowski, § 7 Rn. 148. 343 Vgl. auch EuGH (Fn. 122) Rn. 25. Diesbezüglich jedoch zweifelnd Mansel/Thorn/ Wagner, IPRax 2015, 1 (30). MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 44 spricht insofern etwas undeutlich davon, dass der Spediteur „selbst als Beförderer anzusehen ist”. 344 EuGH (Fn. 122) Rn. 31. 345 EuGH (Fn. 122) Rn. 29 f. 346 Siehe oben B.I.2.a) und B.I.3.b). Ebenso Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 199. Darauf bereits im Rahmen von Art. 28 Abs. 4 EGBGB abstellend Fischer, TranspR 2007, 145 (149); MünchKommHGB/Bydlinski, § 453 Rn. 204. 341 342

154

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

bestimmt werden muss.347 Bildet die Güterbeförderung den Hauptgegenstand, ist für den Vertrag Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO maßgeblich. Ausgangspunkt für die Abwägung sind in erster Linie die ausgewiesenen Preise für die Einzelleistungen, also Geschäftsbesorgung und Transport.348 Vom Versender zu erstattende Aufwendungen des Spediteurs für von diesem beauftragte Frachtführer sind dabei allerdings nicht zu berücksichtigen, denn dabei handelt es sich nicht um ein Entgelt für eigene Leistungen. 349 Insoweit kommt es daher nur auf die Provisionen des Spediteurs an. Davon ausgehend, dass die eigentlichen Beförderungskosten weit höher als die Provisionen für Organisation und Vermittlung liegen, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass bei einem gemischten Vertrag, bei dem der Spediteur sowohl speditionelle Leistungen als auch selbst eine Teilstreckenbeförderung vornimmt, letztere den wirtschaftlichen Schwerpunkt bilden wird. Findet folglich Art. 5 Abs. 1 Rom IVO Anwendung, muss auch auf den Übernahme- und Ablieferungsort der durch den Spediteur selbst vorgenommenen Beförderung abgestellt werden. Abgangs- und Bestimmungsort der vom Spediteur organisierten (bzw. besorgten) Gesamttour sind dagegen mit dem (laut Abwägung) untergeordneten speditionellen Gegenstand des Vertrags verbunden, sodass es darauf im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO nicht mehr ankommen kann.350 Eine so zu behandelnde, gemischte Vertragskonstellation läge etwa im Fall eines Selbsteintritts des Spediteurs vor.351 Ist bereits im Vertrag festgelegt, dass der Spediteur selbst (regelmäßig auf einer Teilstrecke) befördert, resultiert daraus eine, neben der eigentlich geschuldeten Geschäftsbesorgung bestehende, vertragliche Beförderungspflicht. Ist eine letztere zwar nicht explizit festgeschrieben, wird aber im Vertrag zumindest die Möglichkeit eines Selbsteintritts des Spediteurs eingeräumt, kann – selbst wenn der Spediteur diese Möglichkeit nicht wahrnimmt – auch von einer im Vertrag verankerten Beförderungspflicht des Spediteurs ausgegangen werden.352 Schließlich besteht insoweit eine vertragliche Grundlage. Auf eine gesetzliche Anordnung Dazu oben B.I.2.b). Insbesondere greift in diesem Fall Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO nicht ein (oben B.I.2.b)aa)). 348 Zu dem gesetzlichen Sonder- aber praktischen Regelfall der Spedition zu fixen Kosten siehe sogleich unten B.III.3.d)bb). 349 In diesem Sinne wird im deutschen Recht das eigentliche Speditionsentgelt von einem Aufwendungsersatzanspruch des Spediteurs gegen den Versender unterschieden, dazu MünchKommHGB/Bydlinski, § 456 Rn. 51, 55 ff. m. w. N. 350 Sofern man Speditionsverträge pauschal unter Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO subsumieren wollte (vgl. Nachweise oben in Fn. 320), stellte sich die Frage, ob bei dessen Anwendung auf die Orte der Teilbeförderung des Spediteurs oder auf diejenigen der Gesamtbeförderung abzustellen wäre. 351 Im Ergebnis ebenfalls Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auf die Fälle des Selbsteintritts anwendenden NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 14; Mankowski, TranspR 2015, 17, 19 f. und Delebecque/Lévy, D. 2015, 136 (139); vgl. auch McParland, Rn. 11.61. 347

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

155

einer Beförderungspflicht wie in § 458 S. 2 HGB oder vergleichbaren Normen kommt es für den im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO festzustellenden beförderungsbezogenen Vertragsgegenstand dagegen nicht an. Dementsprechend hat auch die gesetzliche Anordnung einer Beförderungspflicht für den Fall der Sammelladungsspedition, bei welcher der Spediteur die Güter des Absenders zusammen mit dem Gut eines anderen Versenders transportieren lässt, durch § 460 Abs. 2 HGB keine kollisionsrechtliche Bedeutung.353 Entscheidend ist vielmehr, dass die darin geregelte Sammelversendung lediglich eine besondere Art und Weise der Durchführung der Transportorganisation und damit nur eine Sonderform für die Ausführung des Speditionsvertrags darstellt.354 Aus dem Vertrag selbst geht bei einer solchen Konstellation jedenfalls keine konkrete Beförderungsverpflichtung hervor.355 Deshalb besteht bei der Sammelladungsspedition originär kein in der Beförderung liegender Vertragsgegenstand, sodass eine Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO insoweit von vornherein ausscheidet.356 bb) Fälle, bei denen nicht feststellbar ist, ob Beförderung oder Organisation geschuldet werden soll Ein besonderes Problem besteht jedoch dann, wenn der Gegenstand des Vertrags gar nicht festgestellt werden kann. So liegen in der Praxis die Erwartungen des Versenders oftmals schlicht darin, dass der Vertragspartner dafür Sorge trägt, dass das zu versendende Gut unbeschädigt, vollständig und pünktlich den Empfänger erreicht, die durchgehende Verantwortung trägt und im Schadensfall haftet; entsprechend treten Spediteure ihrerseits häufig als umfassende Logistikdienstleister auf.357 Infolgedessen kann der Fall eintreten, dass in einem Rechtsgeschäft nicht Bezug auf eine konkrete Beförderungsoder Organisationspflicht genommen wird, weil ein dahingehender Wille der Parteien nicht feststellbar ist. Die oben herausgebildeten rechtlichen Kriterien wären dann für eine kollisionsrechtliche Beurteilung nicht ausreichend, weil eine danach maßgebliche charakteristische Vertragspflicht ja gerade nicht festgestellt werden kann. Es stellt sich daher die Frage, wie solche Problemfälle an der Grenze zwischen Speditions- und Beförderungsverträgen international-privatrechtlich zu lösen sind. Zustimmend Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 4082, laut dem aus einem Selbsteintritt des Spediteurs aber generell eine Beförderungspflicht aus dem Vertrag folgt. Ähnlich Fischer, TranspR 2007, 145 (149 f.). 353 Ebenso MünchKommHGB/Bydlinski, § 453 Rn. 204. 354 E/B/J/S/Rinkler, § 460 Rn. 7. 355 Vgl. MünchKommHGB/Bydlinsky, § 460 Rn. 8. 356 A.A. Fischer, TranspR 2007, 145 (149 f.). 357 Jesser-Huß, in: Hdwb. EuPR, Speditionsvertrag, S. 1428; vgl. auch Delebecque, RD transp. 4/2014, 33, 34. 352

156

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Vorbild dafür könnte die Anwendungspraxis der internationalen Transportrechtskonventionen sein, wo das Abgrenzungsproblem zwischen Beförderungsvertrag im engeren Sinn und Speditionsvertrag ebenfalls besteht. Weil die Übereinkommen regelmäßig nur auf Transportverträge sachlich anwendbar sind,358 müssen auch in diesem Zusammenhang die Gerichte der Vertragsstaaten einzelne äußere Umstände des Vertrages danach bewerten, ob ein Beförderungs- oder Speditionsvertrag vorliegt. Im Rahmen der CMR wird dabei vertreten, dass ein strittiger Vertrag im Zweifel als Transportvertrag zu qualifizieren ist.359 Zur Begründung dafür wird angeführt, dass dadurch der Rechtsunsicherheit begegnet werde und dass diese konventionsfreundliche, großzügige Interpretation des Anwendungsbereichs des vereinheitlichten Rechts im Sinne der Vertragsparteien sein dürfte.360 Zwar scheint zumindest letztere Argumentation im Hinblick auf die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO nicht übertragbar, denn an dem Güterbeförderungsvertragsbegriff der Rom I-Verordnung hängt nicht die Anwendbarkeit der Verordnung schlechthin.361 Gleichwohl kann eine entsprechende Vermutung auch für die Rom I-Verordnung aufgestellt werden: Wie oben bereits festgestellt wurde, führt Erwägungsgrund (22) Rom I-VO zu einer Erweiterung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO.362 Der darin enthaltene Anknüpfungsgegenstand des Güterbeförderungsvertrags ist demzufolge nicht wörtlich, sondern prinzipiell großzügig auszulegen.363 Der sachliche Anwendungsbereich der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge soll dadurch all diejenigen vertraglichen Konstellationen erfassen, die wertungsmäßig den Güterbeförderungsverträgen im engeren Sinn entsprechen. Insofern liegt Art. 5 Abs. 1 Rom IVO eher ein wirtschaftlicher als ein juristischer Begriff zugrunde.364 Deshalb scheint es angemessen diesen auch auf solche Fälle anzuwenden, die zwar die Güterbeförderung bezwecken, bei denen aber im Detail unklar ist, ob eine Beförderungs- oder Speditionsverpflichtung besteht. Infolge der gebotenen, tendenziell extensiven Auslegung des Anwendungsbereichs von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ist in einem derartigen Zweifelsfall vom Vorliegen eines Güterbeförderungsvertrags auszugehen. Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 200 m. w. N. MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 1 CMR Rn. 5 m. w. N. 360 MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 1 CMR Rn. 5. 361 Sollte Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO nicht gegeben sein, greift eine andere Kollisionsnorm der Rom I-Verordnung, im Fall der Speditionsverträge wohl Art. 4 Abs. 1 lit. b (siehe oben B.III.3.c)), ein. 362 Siehe oben B.I. 363 Ähnlich Hasche, TranspR 2014, 349 (350), der unter Berufung auf Erwägungsgrund (22) eine auf den Transport von Containern bezogene Spedition nach Art. 5 Rom IVO anknüpfen will. Für eine weite Auslegung des entsprechenden Begriffs im EVÜ Fischer, TranspR 2007, 145 (150). 364 So stellt es Lagarde (Fn. 121) 211 treffend fest. 358 359

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

157

Ein solcher liegt beispielsweise auch dann vor, wenn im Vertrag nicht nach Organisation oder Beförderung unterschieden wird, weil ein unaufgeschlüsselter Preis für die Spedition vereinbart ist. Aus einem solchen Fixkostenspeditionsvertrag sind einzelne unterschiedlich Leistungen des Spediteurs gar nicht erkennbar.365 Darauf kommt es den Parteien letztlich auch nicht an, weil für sie das fest vereinbarte Entgelt im Vordergrund steht. Deswegen ist in solchen Fällen unklar, inwieweit Beförderungs- oder Speditionspflichten aus dem Vertrag selbst hervorgehen.366 Zumindest wirtschaftlich steht der Fixkostenspediteur aber einem Beförderer gleich, insbesondere weil er auf eigene Rechnung handelt und die organisatorische Verfügungsgewalt über den Transport hat.367 Deshalb erscheint es gerechtfertigt, auch im praktischen Regelfall368 der Fixkostenspedition von einem Güterbeförderungsvertrag im Sinne der Rom I-Verordnung und damit von der Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auszugehen.369 e) Keine präjudizielle Wirkung der kollisionsrechtlichen Zuordnung auf materiell-rechtliche Behandlung in der lex causae Abschließend sei nochmals betont, dass die kollisionsrechtliche Zuordnung des fraglichen Vertrages dessen materiell-rechtliche Beurteilung durch das letztlich anwendbare Sachrecht nicht vorweg nimmt.370 Eine dementsprechende präjudizielle Wirkung des Verweisungsrechts besteht nicht. Selbst Vgl. E/B/J/S/Rinkler, § 459 Rn. 2. Vgl. MünchKommHGB/Bydlinski, § 459 Rn. 8. Auf die gesetzliche Anordnung einer Beförderungspflicht, wie sie etwa im deutschen § 459 S. 1 HGB vorgenommen wird, kommt es für die kollisionsrechtliche Beurteilung nicht an (siehe oben B.III.3.d) vor aa)). Selbst wenn man eine solche dem Vertrag zugrunde legen würde und davon ausginge, dass der Fixkostenspediteur neben der Organisation auch Teile der Beförderung selbst durchführt, gäbe es für eine kollisionsrechtliche Abwägung aber kaum Anhaltspunkte, da Preise für die Einzelleistungen gerade nicht ausgewiesen werden, siehe oben B.III.3.d)aa.). Nach Koller, § 459 HGB Rn. 5 ist aber bereits Tatbestandsvoraussetzung von § 459 S. 1 HGB, dass eine Beförderungspflicht des Spediteurs gerade nicht besteht. 367 Vgl. Basedow, S. 44 f.; MünchKommHGB/Bydlinsky, § 459 Rn. 24 f.; MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 1 CMR Rn. 8. Vgl. auch BGH TranspR 2008, 323 (Erstreckung der CMR auf Fixkostenspeditionsverträge). 368 MünchKommHGB/Bydlinski, § 459 Rn. 1; E/B/J/S/Rinkler, § 459 Rn. 4. 369 Im Ergebnis ebenso (zu Art. 28 Abs. 4 EGBGB): Fischer, TranspR 2007, 145 (149 f.), der aber – trotz seiner eigenen Warnung vor einer lex fori Qualifikation des Güterbeförderungsvertragsbegriffs – die kollisionsrechtliche Beurteilung mit sachrechtlichen Wertungen zu vermischen scheint; sowie ohne nähere Begründung BGH TranspR 2013, 437 (438) Rn. 19 und TranspR 2014, 80 (81) Rn. 16; OLG München TranspR 1997, 33 (34); OLG Hamburg TranspR 1998, 252 (253 f.) und RdTW 2014, 239 (243) Anm. Ramming. Andere Ansicht MünchKommHGB/Bydlinski, § 453 Rn. 204. 370 Vorbildlich auf die Trennung von kollisions- und sachrechtlicher Beurteilungsebene hinweisend MünchKommHGB/Bydlinski, § 453 Rn. 204. 365 366

158

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

wenn ein konkreter Vertrag also nach der Rom I-Verordnung als Güterbeförderungsvertrag zu behandeln ist, kann dies nach der durch das Verweisungsrecht bestimmten lex causae in sachrechtlicher Hinsicht gänzlich anders beurteilt werden. Erst bei der Anwendung des Sachrechts der Zielrechtsordnung sind besondere Wertungen des Gesetzgebers, wie die der §§ 458 ff. HGB, zu beachten. Von den zwischen Versender und Spediteur geschlossenen Verträgen müssen überdies diejenigen Rechtsgeschäfte gedanklich unterschieden werden, die letzterer zur Ausführung der Geschäftsbesorgung mit Dritten (Unterspediteuren oder Frachtführern) abschließt. Diese sind eigenständig anzuknüpfen und können gegebenenfalls ebenso Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO unterliegen.371 4. Rahmenverträge Rahmenverträge ohne konkrete Leistungspflichten, die Gegenstand noch zu schließender Einzelverträge sind, sind nicht nach Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anzuknüpfen.372 Ist ein Rahmenvertrag aber explizit über die Durchführung von allerdings noch nicht näher bestimmten Beförderungen geschlossen, hinge die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO davon ab, ob der Vertrag hinlänglich geographisch determiniert ist.373 Wird in dem Rahmenvertrag dagegen bereits ein einheitlicher Übernahme- und ein Ablieferungsort bestimmt, kann die besondere Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge prinzipiell Anwendung finden.374 5. Weitere Vertragsgestaltungen Aufgrund des offenen Tatbestands von Erwägungsgrund (22) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO können unzählige vertragliche Konstellationen unter den erweiterten Güterbeförderungsvertragbegriff von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO subsumiert MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 44. Vgl. Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (28) der diese objektiv nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO anknüpfen will. 373 Ausführlich zu diesem Erfordernis oben B.II. Sofern in dem Rahmenvertrag jedoch eine gültige Rechtswahl getroffen wurde, spielt die genaue Qualifikation des Vertrages im Ergebnis keine Rolle, da Art. 5 Abs. 1 insoweit auf die allgemeinen Regeln des Art. 3 Rom I-VO verweist (siehe unten D.). Die Zuordnung zu einem konkreten Vertragstyp der Rom I-Verordnung kann dann offen bleiben. Entsprechend musste sich der BGH in seiner Entscheidung vom 9.10.2013 (BGH TranspR 2013, 433) auch nicht dazu äußern, ob der vorliegende Rahmenvertrag über die Durchführung von Transporten einen Güterbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 28 Abs. 4 EGBGB darstellte. Sofern aber keine Rechtswahl vorliegt oder diese unwirksam ist, etwa weil eine entsprechende AGB-Klausel nicht einbezogen wurde (siehe unten D.I.1.b)), und es somit auf die objektive Anknüpfung ankommt, wird die Unterscheidung relevant. 374 In diesem Fall wäre der Vertrag wie eine Consecutive Voyage Charter zu behandeln, siehe oben B.III.1.a)bb). 371 372

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

159

werden. Abgesehen von bestimmten, hier näher behandelten und in der Praxis bedeutsamen Charter-, Mengen- und Speditionsverträgen können folglich noch weitere beförderungsbezogene Rechtsgeschäfte in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO fallen. Namentlich zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang Umzugsverträge mit weitergehenden Verpflichtungen des Umzugsunternehmers.375 Nicht als Güterbeförderungsverträge im Verordnungssinne aufzufassen sind mangels Beförderungspflicht dagegen Mietverträge über Beförderungsmittel,376 transportbezogene Leasingverträge377 oder Bergungsverträge.378 Da Schub- und Schleppverträge lediglich der Unterstützung eines Transports dienen, kommt insoweit eine Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO eher nicht in Betracht.379 Auch die die Verwahrung von (Transport-)Gütern betreffenden Lagerverträge fallen nicht unter die Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm der Rom I-Verordnung.380 Gleiches gilt für Kaufverträge mit Lieferverpflichtung, da bei diesen die Beförderung nur eine Nebenpflicht darstellt und nicht den Hauptgegenstand des Vertrages bildet.381 Ebenso verhält es sich bei der Beförderung von Reisegepäck, die als Nebenpflicht zur Personenbeförderung anzusehen ist.382 6. Fazit Die hier vorgenommene Zuordnung ist lediglich eine beispielhafte Veranschaulichung. In der Praxis kommt es für die sachliche Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO darauf an, ob der infrage stehende Vertrag die von Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO verlangten Kriterien erfüllt, also sein 375 Vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12. Im Ergebnis spielt es keine Rolle ob Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auf Umzugsverträge direkt anwendbar ist oder ob man dahin erst über Erwägungsgrund (22) gelangt (vgl. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2572). Anders als beim Güterbeförderungsvertrags-IPR sind dagegen vom Anwendungsbereich der CMR nach deren Art. 1 Abs. 4 lit. c Verträge über Umzugsgut ausdrücklich ausgeschlossen. 376 Bei diesen steht die Gebrauchsüberlassung im Vordergrund. So hat der EuGH, Rs. C-336/03 (Fn. 170), Rn. 22 die Automobilmiete zwar als „Vertrag über Dienstleistungen im Bereich der Beförderung“ im Sinne der Fernabsatzrichtlinie (Fn. 169) anerkannt, diesen Begriff aber ausdrücklich weiter als den des Beförderungsvertrags angesehen, vgl. PWW/ Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 3. 377 Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (491). 378 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 122. Dazu ausführlich Bahnsen, TranspR 2010, 317 ff. 379 In diese Richtung wohl auch P. Schmidt, VersR 2013, 418 (424). 380 Lagerverträge werden nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Lagerhalters angeknüpft, siehe PWW/Brödermann/Wegen, Art. 4 Rom I-VO Rn. 40; MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 85. 381 Siehe oben B.I.2.b). Ebenso Basedow, S. 34; Staub/Helm, § 425 HGB Rn. 79, 99. 382 Siehe dazu oben B.I.3.c) und ausführlich unten § 7 – B.I.2.c). Ebenso MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 9; Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2573.

160

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Hauptgegenstand in der Beförderung liegt und er geographisch hinlänglich konkretisiert ist.383 Dies muss von Fall zu Fall anhand des konkreten Vertragswerks geprüft werden.384 Wegen der strukturellen Ähnlichkeit mit den Frachtverträgen werden in der Regel auch Reisecharterverträge als Güterbeförderungsverträge im weiteren Sinn zu behandeln sein. Ein Abstellen auf eine (einzige) Reise ist allerdings gerade nicht zwingend für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO, sodass im Grunde auch andere Charterformen darunter subsumiert werden können. Die sachrechtliche Zuordnung des jeweiligen Vertrags spielt aber insoweit gerade keine Rolle. Das ist auch bei der weiterhin schwierigen kollisionsrechtlichen Beurteilung von speditionellen Verträgen zu beachten. Diese werden auch unter dem Regime der Rom I-Verordnung nicht automatisch mit Güterbeförderungsverträgen gleichgesetzt. Stattdessen werden reine Speditionsverträge von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO abgedeckt, da diesbezüglich die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO und die damit einhergehende Abweichung vom Prinzip der charakteristischen Leistung nicht sachgerecht wäre. Ist allerdings nicht feststellbar, ob eine Spedition oder eine Beförderung vertraglich vereinbart worden ist, ist im Zweifel Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anzuwenden. IV. Besonderheit in der Schifffahrt: Abgrenzung des Güterbeförderungsvertrags zum Konnossement Da Art. 5 Rom I-VO grundsätzlich jegliche Verkehrsträger erfasst, soll an dieser Stelle auf eine im Seeverkehr vorherrschende Besonderheit eingegangen werden: Neben den Fracht- oder Charterverträgen spielt in der Schifffahrt das Konnossement (engl.: bill of lading; franz.: lettre de transport bzw. connaissement) eine tragende Rolle.385 Dabei handelt es sich um eine Urkunde, die den Empfang der zur Beförderung übernommenen Güter bestätigt und die als Beweismittel für den Inhalt des eigentlichen Frachtvertrags dient.386 Abgesehen von dieser Beweisfunktion verbrieft das Konnossement zudem bestimmte Ansprüche gegenüber dem Beförderer, primär den auf Auslieferung der Güter im Bestimmungshafen, und berechtigt den legitimierten Inhaber zudem bereits während des Transports über die Güter zu verfügen, weshalb das Konnossement ein Wert- und Traditionspapier darstellt.387 Das durch das Konnossement begründete Rechtsverhältnis wird, trotz des engen Bezugs zu dem zugrundeliegenden Seefrachtvertrag, materiell-rechtlich als von letzte-

Siehe oben B.I. Vgl. Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 22. 385 Laut Mankowski, TranspR 2008, 417 gar eine dominante Rolle. 386 Mankowski, S. 124 f. 387 Beispielhaft für das deutsche Schrifttum: Rabe, Vor § 642 Rn. 4 f. Zu den Dokumentenfunktionen im Gütertransport allgemein Basedow, S. 348 f. 383 384

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

161

rem unabhängig angesehen.388 Dem muss die kollisionsrechtliche Behandlung allerdings nicht zwingend entsprechen, zumal die Qualifikation unter der Rom I-Verordnung nunmehr aus supranationaler Perspektive zu erfolgen hat.389 Deshalb soll im Folgenden geklärt werden, inwieweit die Rom IVerordnung für die Anknüpfung von Konnossementen heranzuziehen ist und insbesondere ob solche möglicherweise von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO sachlich erfasst werden (1.). Weiterhin soll überprüft werden, ob sich der Erlass der Rom I-Verordnung auf den deutschen Art. 6 EGHGB auswirkt (2.). Schließlich wird noch der Frage nachgegangen, inwieweit die zuvor zu den Konnossementen herausgearbeiteten Grundsätze auch auf andere frachtrechtliche Wertpapiere übertragbar sind (3.). 1. Anwendbarkeit der Rom I-Verordnung auf Konnossemente: Der Umfang der Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO Für die Maßgeblichkeit der Rom I-Verordnung für die Anknüpfung von Konnossementen spräche grundsätzlich, dass die durch sie begründeten Rechtsverhältnisse schuldvertraglicher Natur sind,390 beruhen sie schließlich auf einer freiwilligen Verpflichtung einer Partei gegenüber einer anderen.391 Dennoch birgt die Anwendung der Rom I-Verordnung im Hinblick auf Konnossemente Schwierigkeiten, denn Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO ordnet an, dass vom Anwendungsbereich ausgenommen sind: „Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, soweit die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen“.

Diese Bereichsausnahme stimmt wörtlich mit Art. 1 Abs. 2 lit. c EVÜ überein, sodass insoweit von einer gewissen Kontinuität ausgegangen werden kann. Dass darunter auch Konnossemente fallen, wird jedoch erst durch Er-

So BGH BGHZ 73, 4 (6 f.); BGH TranspR 1992, 106 (108). Vgl. auch die §§ 642– 663a HGB, die für Konnossemente eigene Vorschriften enthalten. Dieses Verständnis des Konnossements wird international weitgehend geteilt, siehe die ausführlichen Nachweise zu ausländischer Rechtsprechung und Doktrin bei Mankowski, S. 124 f. Auf die international-privatrechtliche Trennung von Konnossements- und Beförderungsvertragsverhältnis deutet nunmehr Erwägungsgrund (9) Rom I-VO hin, der von „Schuldverhältnissen aus dem Konnossement“ spricht. 389 Siehe oben § 5 – D. 390 Nach deutscher Auffassung wird zeitgleich mit Ausstellung des Konnossements ein sogenannter „Konnossementsbegebungsvertrag“ geschlossen, der die schuldrechtliche Grundlage bildet, vgl. BGH NJW 1987, 588. Kritisch dazu Spanjaart, TranspR 2011, 335 ff. 391 Zum Vertragsbegriff der Rom I-Verordnung MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7, siehe auch oben B.I.4. 388

162

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

wägungsgrund (9) der Rom I-Verordnung explizit deutlich gemacht,392 welcher bestimmt: „Unter Schuldverhältnisse aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren sollten auch Konnossemente fallen, soweit die Schuldverhältnisse aus dem Konnossement aus dessen Handelbarkeit entstehen.“

Die Erwägungsgründe stellen zwar keine verbindlichen Normen, sondern lediglich Interpretationshilfen für die Auslegung dar, jedoch kann von ihnen nur bei Vorliegen besonderer Gründe abgewichen werden. Dafür sind hier aber keine Anzeichen gegeben.393 Einen solchen Grund kann auch nicht die Diskrepanz im Wortlaut bieten, wonach die Bereichsausnahme in Art. 1 Rom I-VO an „Verpflichtungen“ anknüpft, während im Erwägungsgrund von „Schuldverhältnissen“ die Rede ist. Denn dabei handelt es sich wohl um einen Fehler in der deutschen Fassung, da die anderen Sprachfassungen auch im Erwägungsgrund einheitlich auf „Obligationen“ abstellen.394 Folglich ist Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO so zu lesen, dass vom sachlichen Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung Verpflichtungen aus Konnossement, die aus dessen Handelbarkeit entstehen, ausgeschlossen sind. a) Konnossement Was konkret ein Konnossement ausmacht, wird durch die Verordnung nicht näher bestimmt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei nunmehr um einen autonom auszulegenden Begriff des Unionsrechts handelt, sodass insoweit nationale Begriffskategorien in den Hintergrund treten.395 Auch ein Rückgriff auf bestehendes internationales Einheitsrecht ist, erst recht solange die Union nicht selbst Vertragspartei desselben ist, höchst spekulativ.396 Fest steht nur, dass Erwägungsgrund (9) der Rom I-Verordnung nicht zwischen verschiedenen Konnossementformen unterscheidet, sodass 392 Im Text des EVÜ fehlte eine dem Erwägungsgrund (9) ähnliche Konkretisierung, sodass unklar war, ob Konnossemente unter den Ausschlussgrund fielen. Allerdings wies der Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 43 darauf hin, dass darunter auch Konnossemente fallen könnten, soweit diese handelbar wären. Unter Berufung auf das englische Verständnis, dass Konnossemente keine „negotiable instruments“ seien, wurde allerdings vertreten, dass Konnossemente im Allgemeinen in den Anwendungsbereich des EVÜ fielen, siehe insofern die Nachweise bei Mankowski, TranspR 2008, 417. 393 Mankowski, TranspR 2008, 417 (418). 394 So jedenfalls die englische, französische, italienische, spanische, portugiesische und die niederländische. 395 Mankowski, TranspR 2008, 417 (418 f.); Paschke, TranspR 2010, 268 (271). Siehe allgemein oben § 5 – A. 396 Siehe oben § 5 – C.III. Dafür aber Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (29) Rn. 81. Mankowski, TranspR 2008, 417 (418) geht mangels europarechtlichen Vorgaben von einem prägenden seehandelsrechtlichen Vorverständnis aus; sich ähnlich äußernd Paschke, TranspR 2010, 268 (270).

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

163

zumindest nicht bestimmte Typen von vornherein ausgeschlossen sind.397 Daher sollte insoweit die Wertpapierfunktion des seerechtlichen Transportdokuments im weiteren Sinne398 maßgeblich sein. Immer dann, wenn dieses nicht nur als einfache Beweisurkunde fungiert, sondern ein besonderes Rechtsverhältnis verkörpert und einen gegen Vorlage des Dokuments zu realisierenden Herausgabeanspruch verbrieft, liegt ein Konnossement im Verordnungssinne vor.399 Dementsprechend fallen darunter nicht die immer häufiger verbreiteten400 Seefrachtbriefe (Sea Waybills), die lediglich mit Beweisfunktion ausgestaltet sind und mit denen gerade kein Herausgabeanspruch verbrieft wird.401 b) Verpflichtungen aus der Handelbarkeit aa) Jegliche von dem kausalen Rechtsverhältnis abstrakten, sich aus dem Wertpapier eigenständig ergebenden Verpflichtungen Die Handelbarkeit wird regelmäßig als maßgebliches Beurteilungskriterium für die Frage der Anwendbarkeit des internationalen Vertragskollisionsrechts angesehen. Handelbar ist ein Wertpapier dann, wenn es als solches Gegenstand des Rechtsverkehrs ist und grundsätzlich eigenständig übertragen werden kann. 402 Entscheidend muss hierbei die grundsätzliche Fähigkeit sein; ein Ausschluss der Übertragbarkeit durch Parteivereinbarung wäre insoweit irrelevant. Auch spielt der konkrete Übertragungsmodus keine Rolle, denn ob bei der Übertragung die verbriefte Forderung dem Papier folgt oder umgekehrt,403 ist letztlich nur eine Frage der Art und Weise der ansonsten möglichen Handelbarkeit. In beiden Konstellationen sind Urkunde und die durch sie verbrieften Ansprüche miteinander verknüpft, werden gemeinsam übertragen 397 Paschke, TranspR 2010, 268 (272). Anders schien dies die deutsche Umsetzungsnorm zu Art. 1 Abs. 2 lit. c EVÜ, Art. 37 Nr. 1 EGBGB, vorzuschreiben, der sich auf Inhaber- und Orderpapiere beschränkte, was Diskussionen hinsichtlich der Erfassung von Namens- bzw. Rektakonnossementen verursachte, vgl. Mankowski, S. 128 ff. Nach dem Wortlaut ist auch möglich, Binnenschiffkonnossemente unter den Begriff zu subsumieren (dies jedoch ohne Begründung ablehnend Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 [35]). 398 Siehe dazu Herber, S. 301 f. 399 Ähnlich Paschke, TranspR 2010, 268 (272). Zur entscheidenden Frage, nach welcher Rechtsordnung sich dies beurteilt, siehe sogleich. 400 Vgl. Abschlussbericht (Fn. 248), S. 10, der deshalb für diese eine einfachgesetzliche Regelung vorschlägt, S. 75. 401 Ebenso Paschke, TranspR 2010, 268 (272); Mankowski, TranspR 2008, 417 (419 f.); Häußer, TranspR 2010, 246. 402 Vgl. den Ansatz von v. Bar, in: FS Werner Lorenz, S. 273 (285), der diesen allerdings im Hinblick auf Art. 37 Nr. 1 EGBGB a. F. nur für Inhaber- und Orderpapiere gebildet hat. 403 Zu den Übertragungsmodalitäten der verschiedenen Konnossementsformen nach deutschem Seefrachtrecht Herber, S. 298 ff.

164

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

und bilden damit so gesehen komplementär das „Handelsgut“. Maßgebliches Kriterium für die Handelbarkeit des Wertpapiers ist daher nicht, dass die verbriefte Forderung automatisch einer Übertragung des Wertpapiers folgt,404 sondern ihre Eigenständigkeit gegenüber dem Frachtvertrag.405 Dies wird schließlich durch das Adjektiv „handelbar“ betont, indem es schon begrifflich die rechtliche Abstraktion zu dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis unterstellt. Damit wird die für den Konnossementsbegriff wesentliche Wertpapiereigenschaft nochmals hervorgehoben. Dementsprechend muss auch die Formulierung „Verpflichtungen, die aus der Handelbarkeit entstehen“ verstanden werden, die allein wörtlich keinen Sinn ergibt.406 So ist unter besonderer Berücksichtigung des französischen Wortlauts (derivent de leur caractère négotiable) davon auszugehen, dass damit diejenigen Verpflichtungen gemeint sind, die durch das Wertpapier verbrieft werden und infolgedessen einen abstrakten Charakter erlangen.407 Deshalb werden nach Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO nicht nur Verpflichtungen aus Inhaber- und Orderkonnossementen vom Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung ausgeschlossen, inklusive aller aus den spezifisch wertpapierrechtlichen Funktionen dieser Papiere folgenden obligatorischen Auswirkungen, namentlich dem Erwerb So aber die herrschende Ansicht zum EVÜ, wonach nur diejenigen Wertpapiere von Art. 1 Abs. 2 lit. c EVÜ erfasst wurden, bei denen die verbriefte Forderung mit der Übertragung des Papiers übergeht, namentlich Order- und Inhaberkonnossemente, vgl. Staudinger/ Magnus (2002), Art. 37 EGBGB Rn. 44; Nemeth, in: Czernich/Heiss, Art. 1 Rn. 33; MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl. 2006, Art. 37 EGBGB Rn. 38; Mankowski, S. 129 f.; v. Bar, in: FS Werner Lorenz, S. 273 (285 f.). 405 Als solches erkennen dies wohl auch Mankowski, TranspR 2008, 417 (422), Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2887 grundsätzlich an. Ablehnend Häußer, TranspR 2010, 246 (247 f.). 406 Aus der Handelbarkeit an sich können keine konkreten Verpflichtungen entstehen. Die Funktion dieser Formulierung ist daher, bestimmte Verpflichtungen unter einem juristischen Kriterium zusammenzufassen. Vgl. v. Bar, in: FS Werner Lorenz, S. 273 (285); Mankowski, S. 140. Der BGH legte in BGHZ 99, 207 = NJW 1987, 1145 Rn. 4 diesen Passus so aus, dass darunter „alle schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Wertpapier zu verstehen [sind], die im Interesse seiner Verkehrsfähigkeit besonders ausgestaltet sind, etwa die durch Übertragung des Papiers zustande kommenden Verpflichtungen sowie der weitgehende Ausschluss von Einwendungen“ und konkretisierte, dass für Orderkonnossemente jene Verpflichtungen dazu gehören, „die aus der Übertragungsfunktion des Indossaments eines Orderkonnossements folgen, wie die Verpflichtung des Verfrachters zur Herausgabe der Güter oder zur Leistung von Schadensersatz gemäß § 606 HGB wegen Verlustes oder Beschädigung der Güter“. Infolge der Transformation in das Unionsrecht ist es allerdings unwahrscheinlich, dass diese durch den Bundesgerichtshof vorgenommene Interpretation, die zudem maßgeblich auf der Regierungsbegründung zu dem entgegen des EVÜ einzig auf Inhaber- und Orderpapiere abstellenden Art. 37 EGBGB beruhte, auch für die Rom I-Verordnung Berücksichtigung finden wird (ebenso skeptisch Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 [29] Rn. 83; Häußer, TranspR 2010, 246). 407 v. Bar, in: FS Werner Lorenz, S. 273 (285 f.). 404

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

165

vom Nichtberechtigten, der Rechtsscheinshaftung und dem Einwendungsausschluss,408 sondern zudem auch jene aus Namenskonnossementen,409 sofern diese Primär- und gegebenenfalls daraus abgeleitete Sekundäransprüche410 aus dem Konnossement vom Kausalverhältnis abstrakt sind. bb) Konnossementstatut bestimmt über die Abstraktion der Verpflichtung Ob dies der Fall ist, hängt jedoch von der materiell-rechtlichen Abgrenzung von Wertpapier- und Beweiswirkung der Urkunde ab. So ist in internationaler Hinsicht davon auszugehen, dass der im Konnossement verbriefte Herausgabeanspruch des Berechtigten gegenüber dem Frachtführer als von dem gleichlautenden Anspruch aus dem kausalen Frachtvertrag rechtlich unabhängig erachtet wird.411 Inwieweit dies für konkrete Ansprüche zutrifft, kann sich jedoch je nach Sachrechtsordnung unterschiedlich beurteilen. So ist beispielsweise schon innerhalb der deutschen Sachrechtsordnung umstritten, ob sich auch Ansprüche des Verfrachters gegen den Ladungsinteressenten aus dem Konnossement selbst oder nur aus dem Frachtvertrag ergeben.412 In einem Sachverhalt mit mehreren berührten Rechtsordnungen muss deshalb in einer international-privatrechtlichen Vorabprüfung festgestellt werden, welches konkrete Sachrecht diesbezüglich heranzuziehen ist.413 Der Versuch dafür allgemein gültige, abstrakte Kriterien zu bilden muss insoweit fehl laufen, denn dabei wird stets sachrechtliche und damit nationale Privatrechtsdogmatik in den Vordergrund gestellt.414 Die folglich kollisionsrechtliche Frage, inwieweit Verpflichtungen sich abstrakt von dem zugrundeliegenden Kausalverhältnis aus der Urkunde selbst ergeben, ist, obschon das FrachtverMünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 57; so auch die Begründung zum damaligen Art. 37 EGBGB, BT-Drs. 10/504, S. 84. 409 Im Ergebnis ebenso Paschke, TranspR 2010, 268 (272 f.) und Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (30) Rn. 86, allerdings in Anwendung der vom BGH gebildeten Formel. 410 Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 417 (422). 411 Siehe dazu im Einzelnen die Nachweise bei Mankowski, S. 125. Die Verbriefung dieses Anspruchs grenzt das Konnossement von anderen Transportdokumenten ab, siehe oben B.IV.1.a). 412 So sieht Rabe, Vor § 556 Rn. 126 auch die Verpflichtung zur Frachtzahlung als vom Konnossement verbrieft an; dagegen hält Mankowski, S. 142 ff; Reithmann/Martiny/ Mankowski, Rn. 2889 f. dies für eine Verpflichtung aus dem Frachtvertrag. 413 Dies andeutetend Paschke, TranspR 2010, 268 (273) an, indem er bzgl. der Ansprüche der Ladungsinteressenten erkennt, dass die Reichweite der Bereichsausnahme von der Beurteilung der Abstraktion der einzelnen Ansprüche abhängt. 414 Dementsprechend ist der Vorwurf von Häußer, TranspR 2010, 246 (247 f.), dass bei der in Deutschland herrschenden Meinung zu Art. 1 Abs. 2 lit. c EVÜ und Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO „deutschrechtliche Akzente“ zutage treten, durchaus berechtigt. Allerdings unterläuft Häußer, a. a. O. derselbe systematische Fehler, indem er sein Lösungsmodell auf englischer Sachrechtsdoktrin aufbaut. 408

166

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

tragsstatut für die Beweiswirkung des Konnossements im Hinblick auf den Frachtvertrag verantwortlich ist,415 und dieses ja gerade aufgrund des Frachtvertrags erstellt wird,416 wertpapierrechtlich zu qualifizieren. Bei der (Nicht-) Akzessorietät geht es schließlich im Kern um die Wertpapiereigenschaft des Konnossements. Da das dafür heranzuziehende allgemeine Wertpapierkollisionsrecht weder international noch europäisch vereinheitlicht ist,417 richtet sich die Beurteilung der Eigenständigkeit des Anspruchs, so wie bereits unter dem EVÜ,418 im Ergebnis nach dem IPR des jeweiligen Forumstaates.419 Nach dem deutschen Wertpapierkollisionsrecht entscheidet das Statut des verbrieften Rechts darüber, ob eine Urkunde die Rechtsqualität eines Wertpapiers besitzt.420 Da der hier infrage stehende verbriefte (Herausgabe- oder davon abgeleitete) Anspruch aus dem Konnossement schuldrechtlicher Natur ist – Entstehungsgrund ist nach deutscher Auffassung der sogenannte Konnossementbegebungsvertrag421 –, wäre insoweit dessen Schuldstatut zu berufen, wofür in den EU-Mitgliedstaaten die Rom I-Verordnung verantwortlich ist, über deren generelle Anwendbarkeit hier aber gerade entschieden werden soll. Der so entstehende Zirkel lässt sich unter Rückgriff auf einen allgemeinen Rechtsgedanken lösen, der auch in Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO zum Ausdruck kommt: Danach beurteilt sich bei Abhängigkeit der Anwendung eines Rechts vom Vorliegen eines rechtlich determinierten Merkmals das Vorliegen eben dieses Merkmals nach dem Recht, das bei Vorliegen des Merkmals anwendbar wäre.422 Sofern die hier infrage stehende Nichtakzessorietät der konkreten Verpflichtung gegenüber dem Frachtvertrag bejaht werden würde, wäre die Anwendung der Rom I-Verordnung diesbezüglich ausgeschlossen, mit der Folge dass insoweit das nationale IPR zur Anwendung käme. Da der deutsche Gesetzgeber keine speziellen gesetzlichen Kollisionsregeln geschaffen hat, gilt für Konnossemente gewohnheitsrechtlich gebildetes Verweisungsrecht.423 Dieses deutsche Konnossement-IPR berücksichtigt eine vorrangige Rechtswahl und knüpft objektiv an das Recht des Bestimmungshafens an.424 Das danach berufene Konnossementstatut befindet dann letztlich Reithmann/Martiny/Mankowski Rn. 2887. So schon Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 43. 417 Abgesehen von den Genfer Scheck- und Wechselrechtkonventionen (Fn. 57). Siehe auch dazu Morawitz, Das internationale Wechselrecht, 1991. 418 Vgl. Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 43. 419 Vgl. Ringe, in: Juris-PK, Art. 1 Rom I-VO Rn. 31, der sich insoweit auf den Giuliano-Lagarde-Bericht zum EVÜ beruft. 420 MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB Rn. 194 f. m. w. N. 421 Vgl. Mankowski, S. 145; ders., TranspR 2008, 417 (425). 422 Mankowksi, TranspR 2008, 417 (425). 423 Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 417 (423); Paschke, TranspR 2010, 268 (273). 424 Paschke, TranspR 2010, 268 (273 f.); Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (31); vertiefend Mankowski, S. 149 ff. 415 416

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

167

darüber, ob ein Anspruch aus dem Konnossement selbständigen Charakter besitzt und damit „aus dessen Handelbarkeit entsteht“. Das führt dazu, dass dieselbe Sachrechtsordnung, die über den Anwendungsausschluss der Rom IVerordnung entscheidet, auch stets in materiell-rechtlicher Hinsicht für die gegebenenfalls ausgeschlossene Verpflichtung verantwortlich ist. Dadurch sind kollisionsrechtliche Anpassungsprobleme bei Auseinanderfallen von Beförderungsvertrags- und Konnossementstatut so gut wie ausgeschlossen. cc) Ausschluss aller schuldrechtlichen Verpflichtungen aus Konnossement Nach der hier vertretenen Auffassung kommt dem Begriff der Handelbarkeit des Konnossements im Endeffekt keine eigenständige Bedeutung zu, denn schlechthin alle Primär- und Sekundärverpflichtungen aus Inhaber-, Order sowie Rektakonnossementen sind – so sie sich nach dem Konnossementstatut aus diesem selbst ergeben – vom Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung ausgeschlossen.425 Gegenüber dieser weitreichenden Interpretation der Bereichsausnahme ließe sich einwenden, dass in diesem Fall der Verordnungsgeber im Zuge der Reform für Konnossemente auf das Erfordernis der Handelbarkeit hätte verzichten können.426 Dem lässt sich jedoch entgegnen, dass diese Formulierung durchaus eine klarstellende Funktion zukommt, indem sie sprachlich betont, dass andere auf der Urkunde eventuell vermerkte Verpflichtungen, die jedoch nicht in ihr verbrieft werden, vom Ausschluss nicht erfasst werden.427 c) Ergebnis: Strikte kollisionsrechtliche Trennung von Konnossement und Frachtvertrag Eine derart extensive Auslegung von Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO i. V. m. Erwägungsgrund (9) hat den Effekt, dass alle schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Konnossement gänzlich aus dem Anwendungsbereich der Rom IVerordnung fallen und einem einheitlichen – nicht durch die Rom I-Verordnung bestimmten – Statut unterstehen. Da die praktisch wohl einfachste Lösung für die kollisionsrechtliche Abgrenzung von Konnossement und zugrundeliegendem Beförderungsvertrag, nämlich die Gleichschaltung der Anknüpfung beider Rechtsverhältnisse, aufgrund des Wortlauts und der Systematik im Rahmen der Rom I-Verordnung nicht möglich ist, 428 ist diese strikte verwei425 Für eine Anwendung der Rom I-Verordnung auf die vertragliche Seite von Konnossementen dagegen Claringbould, NIPR 2009, 426 (432 f.). 426 Häußer, TranspR 2010, 246 (248). 427 So schon zum EVÜ Soergel/v. Hoffmann, Art. 37 EGBGB Rn. 37. 428 Wie gezeigt, sollen nach Erwägungsgrund (9) Verpflichtungen aus Konnossementen nicht der Verordnung unterliegen, sodass diese sachlich nicht unter Art. 5 Abs. 1 Rom IVO fallen können (dafür plädierend Hartenstein, TranspR 2008, 143 [160]; für eine indirekte Anwendung von Art. 5 Rom I-VO Rugullis, TranspR 2008, 102 [106 f.]; wie hier

168

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

sungsrechtliche Trennung der schuldrechtlichen Verpflichtungen aus Konnossement und Frachtvertrag der praktikabelste Ansatz,429 der zudem der regelmäßig auftretenden Parteiverschiedenheit bei Fracht- und Konnossementrechtsverhältnis Rechnung trägt.430 Im Ergebnis fallen damit Ansprüche, die originär aus einem Konnossement entstehen, nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO, sondern werden nach dem nationalen Konnossement-IPR angeknüpft. Das danach berufene Konnossementstatut beantwortet alle schuldrechtlichen Fragen, die aus dem Konnossementrechtsverhältnis folgen, also auch etwaige, zwischen Konnossementberechtigten und Verfrachter bestehende, Schutz- und Rücksichtnahmepflichten.431 2. Auswirkungen der Rom I-Verordnung auf den deutschen Art. 6 EGHGB Es bleibt aus deutscher Sicht die Frage, inwieweit die Rom I-Verordnung möglicherweise Folgen für die Anwendung von Art. 6 EGHGB haben kann. Dieser gestaltet in Abs. 1 S. 1 den internationalen Anwendungsbereich der darin aufgezählten Vorschriften des materiellen deutschen Seehandels- bzw. Konnossementsrechts zwingend aus und beruht auf den Rechtsanwendungsnormen der Haager und der Visby-Regeln.432 Da die genannten Konventionen ausschließlich Sachrecht umfassen, ist ein Rechtsquellenkonflikt derselben mit dem Verweisungsrecht der Rom I-Verordnung jedoch grundsätzlich ausgeschlossen.433 Zudem fällt die von diesen völkerrechtlichen Übereinkommen geregelte Materie vollständig in die Bereichsausnahme von Art. 1 Abs. 2 lit. d

ablehnend Mankowski, TranspR 2008, 417 [425]). Als andere Möglichkeit für einen Gleichlauf käme allenfalls in Betracht, die Anknüpfung des zugrundeliegenden Seefrachtvertrags zwingend der außerhalb der Verordnung liegenden Konnossementanknüpfung folgen zu lassen (so für das EVÜ Basedow, IPRax 1987, 333 [340]). Für eine derartige Aushöhlung des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung allgemein und insbesondere von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO, der gerade als alle Verkehrsträger umfassende Kollisionsnorm konzipiert ist, lassen sich aber keine Anzeichen erkennen. Vielmehr ist wie im EVÜ (siehe Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 43) davon auszugehen, dass sich der Anwendungsbereichsausschluss nicht auf den zugrundeliegenden Frachtvertrag erstreckt (ebenso Häußer, TranspR 2010, 246 [249]; dagegen für den Stückgutfrachtvertrag offen gelassen durch Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 [27]). 429 In diesem Sinne zum EVÜ Staudinger/Magnus (2002), Art. 37 EGBGB Rn. 47, Soergel/v. Hoffmann, Art. 37 EGBGB Rn. 37; Nemeth, in: Czernich/Heiss, Art. 1 Rn. 34. 430 Dies lässt sich als Hauptargument gegen eine Gleichschaltung der Anknüpfung von Konnossement und Frachtvertrag anbringen, vgl. Mankowski, TranspR 2008, 417 (424). 431 Anderer Ansicht Paschke, TranspR 2010, 268 (274). 432 Vgl. Rabe, § 662 Rn. 10 ff., Basedow, IPRax 1987, 333 (338). 433 Siehe oben § 3 – B.I.3.b). Im Ergebnis ebenso Häußer, TranspR 2010, 246 (248), der allerdings ungenau auf Art. 25 Rom I-VO abstellt.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

169

Rom I-VO.434 Daher wird auch die sich darauf beziehende Vorschrift des Art. 6 EGHGB von der Rom I-Verordnung in keiner Weise berührt.435 Im Übrigen wird in Art. 6 EGHGB die objektive Anknüpfung eines Konnossementrechtsverhältnisses nicht geregelt und bleibt daher weiterhin unkodifiziert.436 So bringt Art. 6 Abs. 1 S. 1 EGHGB lediglich zum Ausdruck, dass bei Anwendung eines kraft objektiver Anknüpfung zur Wirkung gelangten ausländischen Konnossementstatuts dennoch die in Abs. 1 S. 1 aufgezählten Vorschriften des deutschen HGB zwingend Beachtung finden müssen. Diese „Kollisionsregel“ des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EGHGB geht dabei der Anwendung des – ansonsten ungeschriebenen – nationalen Konnossementkollisionsrechts vor, sodass letztlich das in das HGB umgesetzte, internationale Konnossementsachrecht vor deutschen Gerichten stets Anwendung findet.437 434 Mankowski, TranspR 2008, 417 (427 f.); zu Art. 37 Nr. 1 Alt. 3 EGBGB ders., S. 317 m. w. N.; siehe auch Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (30). Etwas anderes würde hingegen für die Rotterdam-Regeln gelten, sollten diese in Kraft treten und von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert werden. Denn dieses neue Übereinkommen knüpft nicht mehr an die Ausstellung eines Konnossements, sondern an einen grenzüberschreitenden Seebeförderungsvertrag als solchen an, vgl. Art. 5 Abs. 1. Im Rahmen der Rotterdam-Regeln wird die Trennung zwischen Konnossements- und Frachtvertragsverhältnis nicht aufrecht erhalten. Stattdessen wurden die beiden Komplexe rechtlich miteinander verknüpft, mit der Folge, dass die Konvention insbesondere beförderungsvertragliche Regeln enthält, vgl. nur Art. 47 Abs. 2 lit. b RR. Gleichwohl gingen die ratifizierten RotterdamRegeln in ihrer Eigenschaft als staatsvertragliches Sachrecht dem IPR der Rom IVerordnung vor (siehe oben § 3 – B.I.3.b)). 435 Anders wäre dies, würde die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO enger interpretiert werden, denn dann könnte die einseitige Anordnung deutschen Konnossementsachrechts durch Art. 6 EGHGB möglicherweise der Anwendung der sekundärrechtlichen Kollisionsregeln der Rom I-Verordnung entgegenstehen. Hinsichtlich der von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Haager Regeln wäre der Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung jedenfalls nicht eröffnet (siehe oben § 3 – B.I.3.b)) bzw. würde nach anderer Ansicht zumindest Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO greifen (vgl. Mankowski, TranspR 2008, 417 [427]). Im Hinblick auf die Durchsetzung der Haag-Visby Regeln könnte Art. 6 EGHGB wohl allenfalls als eingriffsrechtliche Rechtsanwendungsregel aufgefasst werden, welche die räumlichen Voraussetzungen für die Anwendung von § 662 HGB als Eingriffsnorm über Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO festlegt (in diesem Sinne zu Art. 34 EGBGB Klingsporn, NJW 1987, 3042 [3043]). Allerdings ist fraglich, ob das Konnossementhaftungsrecht den sonstigen rechtspolitischen Anforderungen von Art. 9 Rom I-VO genügt (kritisch Paschke, TranspR 2010, 268 [271] m. w. N). Siehe auch den Überblick über die Erklärungsansätze zu Art. 6 EGHGB bei MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 120 f. 436 Objektiv werden Konnossementrechtsverhältnisse nach dem deutschen Konnossements-IPR an das Recht des Bestimmungshafens angeknüpft, siehe oben B.IV.1.b)bb) und die Nachweise in Fn. 424. 437 Hinsichtlich des Teils, der sich auf Vorschriften bezieht, die die ratifizierten Haager Regeln umsetzen, ergibt sich der Vorrang von Art. 6 EGHGB gegenüber dem sonstigen deutschen Konnossementkollisionsrecht aus Art. 3 Nr. 2 EGBGB. Hinsichtlich des anderen

170

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Soweit der neue Art. 6 Abs. 1 S. 2 EGHGB vorsieht, dass hinsichtlich der von S. 1 erfassten Konnossemente das Recht der Parteien, eine Rechtswahl zu treffen, „unberührt“ bleibt, wird dadurch jedoch nicht konstitutiv die kollisionsrechtliche Rechtswahlfreiheit gewährt, sondern die Möglichkeit der Rechtswahl nur für den Fall vorbehalten, dass eine solche anderweitig durch das jeweils maßgebliche IPR begründet worden ist.438 Allerdings wird, wie schon der Wortlaut zeigt, durch S. 2 nicht etwa die Anwendung der zwingenden Vorschriften im Sinne von S. 1 durchbrochen,439 sondern eine Rechtswahl soll danach nur soweit zum Tragen kommen können, soweit dies S. 1 nicht entgegensteht.440 Auch wenn aufgrund der Bereichsausnahme von Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom IVO keine konkreten Abgrenzungsprobleme zu Art. 6 EGHGB auftreten, hätte der deutsche Gesetzgeber dennoch die Empfehlung der Sachverständigengruppe zur Reform des Seehandelsrecht aufgreifen und die Haager Regeln kündigen sollen.441 Dies hätte ihm die Möglichkeit eröffnet, die unglückliche Vorschrift des Art. 6 EGHGB aufzuheben und das international-privatrechtliche Durcheinander auf diesem Gebiet zu beseitigen. Diesen Weg hat der deutsche Gesetzgeber jedoch nicht gewählt,442 sondern hat Art. 6 EGHGB stattdessen neu gefasst und sogar noch weiter verkompliziert.443 3. Übertragbarkeit der Grundsätze auf andere handelsrechtliche Wertpapiere Auch wenn eingangs von einer Besonderheit der Schifffahrt die Rede war, können auch außerhalb des Seeverkehrs Transportdokumente wertpapierrechtlich ausgestattet sein, so z. B. im deutschen Frachtrecht der Ladeschein nach § 444 HGB. Dann sind zwar keine Konnossemente im Verordnungssinn gegeben, weil es sich dabei um einen Schifffahrtsbegriff handelt, gleichwohl können solche Dokumente unter den allgemeinen Wertpapierbegriff von

Teils, der sich auf die ins HGB eingearbeiteten, aber nicht ratifizierten Haag-Visby Regeln bezieht, folgt der Vorrang aus dem lex specialis Grundsatz. 438 Siehe Mankowksi, TranspR 2014, 268 (271 f.). 439 Dies so auffassend Ramming, RdTW 2013, 173 (183); Paschke, RdTW 2013, 457 (462). 440 Herber, TranspR 2013, 368 (369) Fn. 13; Rabe, TranspR 2014, 309 (314 f.). 441 Abschlussbericht (Fn. 248), S. 75. 442 Dies ist auf vor allem auf den Nachdruck des deutschen Vereins für Internationales Seerecht hin nicht geschen, siehe Herber, TranspR 2013, 368 f. 443 Kritisch zur neuen Norm Ramming, RdTW 2013, 173 ff.; sowie Paschke, RdTW 2013, 457 (459 ff.) und Mankowski, TranspR 2014, 268 (272 ff.), die in der konkreten Ausgestaltung der Vorschrift einen Verstoß gegen das vorrangige Völkerrecht der Haager Regeln sehen; wohlwollender dagegen Herber, TranspR 2013, 368 ff. und Rabe, TranspR 2014, 309 (312).

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

171

Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO subsumiert werden.444 Die Beurteilungskriterien dafür sind dieselben, wie die für das Konnossement dargestellten. Vom Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung ausgeschlossen sind demzufolge alle in dem handelsrechtlichen Transportdokument verbrieften Verpflichtungen, die gegenüber dem zugrunde liegenden Frachtvertrag abstrakt sind. Ob das der Fall ist, richtet sich nach der Sachrechtsordnung, die das IPR der lex fori bei Unanwendbarkeit der Rom I-Verordnung berufen würde. Im deutschen IPR wäre insoweit zunächst eine Rechtswahl beachtlich und objektiv könnte die verbriefte Forderung, ähnlich wie bei Konnossementen, an das Recht des Bestimmungsorts des Ladescheins angeknüpft werden.445 V. Summe Bezüglich des sachlichen Anwendungsbereichs sind durch Art. 5 Abs. 1 Rom IVO im Vergleich zu Art. 4 Abs. 4 EVÜ keine Änderungen eingetreten. Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen eines Güterbeförderungsvertrags ist weiterhin, dass der Hauptgegenstand des Vertrags in der Güterbeförderung liegt (oben B.I.2.). Dafür ist zwingend, dass der jeweilige – entgeltliche – Vertrag eine konkrete Beförderungsverpflichtung aufweist (B.I.3.b)). Der konkrete Transportmodus ist im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO unerheblich, sodass sowohl unimodale als auch Multimodaltransporte von der Vorschrift erfasst werden (B.I.3.e)). Der Prototyp des kollisionsrechtlichen Güterbeförderungsvertrags ist der objektbezogene Frachtvertrag, der einen konkret vereinbarten Übernahme- und Ablieferungsort aufweist. Dieser Vertragstyp dient daher als Leitbild für die kollisionsrechtliche Qualifikation von beförderungsbezogenenen Verträgen unter Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO (B.II.). Wegen der strukturellen Ähnlichkeit mit den Frachtverträgen werden in der Regel auch Reisecharterverträge als Güterbeförderungsverträge im kollisionsrechtlichen Sinn zu behandeln sein, wobei ein Abstellen auf eine (einzige) Reise dafür gerade nicht erforderlich ist (B.III.1.a)). Zeitcharterverträge sind dagegen in den meisten Fällen nicht als Güterbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anzusehen (B.III.1.b)). Speditionelle Verträge sind auch unter dem Regime der Rom I-Verordnung nicht automatisch mit Güterbeförderungsverträgen gleichzusetzen. Stattdessen werden reine Speditionsverträge von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO abgedeckt (B.III.3.c)). Allerdings ist bei Zweifeln darüber, ob lediglich die Organisation oder die Durchführung einer Beförderung vertraglich geschuldet ist, Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anzuwenden (B.III.3.d)). Dagegen ist die besondere supranationale Kollisionsnorm für Güterbeförde444 Deshalb spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob auch Binnenschiffkonnossemente als Konnossemente im Sinne von Erwägungsgrund (9) gelten (siehe Fn. 397), da sie zumindest als handelbare Wertpapiere i. S. v. Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO angesehen werden können. 445 Vgl. Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (35) Rn. 140, der insoweit vom deutschen „internationalen Ladescheinrecht“ spricht.

172

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

rungsverträge für sich aus einem Konnossement ergebende schuldrechtliche Ansprüche jeglicher Art nicht einschlägig (B.IV.1.). C. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Nachdem der sachliche Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erläutert wurde, ist zu klären, welche Voraussetzungen für dessen Anwendbarkeit in räumlicher bzw. persönlicher Hinsicht vorliegen müssen.446 I.

Internationales Element des Beförderungsvertrags

Für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO bestehen in räumlicher Hinsicht keine anderen Anforderungen als für die anderen Kollisionsnormen der Verordnung. Insofern gilt die Regel von Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO, wonach das vertragliche Schuldverhältnis „eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten“ aufweisen muss.447 Der sachlich vorausgesetzte Güterbeförderungsvertrag (im weiten Sinn) muss daher ein internationales Element enthalten. 448 In der Regel ergibt sich dies daraus, dass ein grenzüberschreitender Transport vorliegt und somit Abgangs- und Bestimmungsort in zwei verschiedenen Staaten liegen.449 Allerdings kann auch allein der gewöhnliche Aufenthalt einer Partei im Ausland den internationalen Bezug des Vertrages herstellen.450 Bedeutung hat dies unter anderem für so genannte Kabotagetransporte,451 bei denen der Beförderer eine Inlandsbeförderung im Aufenthaltsstaat des Absenders durchführt und die auch von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erfasst werden. Unklar ist allerdings, ob für dessen räumliche Anwendbarkeit ausreicht, dass ein Vertragspartner eine ausländische Staatsangehörigkeit Davon zu trennen ist der räumliche Geltungsbereich der besonderen Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm: Wie die Verordnung im Allgemeinen wird auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO von Gerichten in Dänemark nicht angewendet, siehe unten § 9 – A.III. Zum räumlichen Geltungsbereich der Rom I-Verordnung vgl. auch Pfeiffer, EuZW 2008, 622 f. 447 Ausführlich zu diesem Kriterium Nehne, S. 115 ff. 448 Man könnte die Voraussetzung der Internationalität auch dem sachlichen Anwendungsbereich zuordnen (so etwa Magnus, in: FS Kühne, S. 779 [789 f.] und Nehne, S. 115 ff. im Hinblick auf die Anwendung der Rom I-Verordnung im Allgemeinen), indem man schon in sachlicher Hinsicht einen internationalen Güterbeförderungsvertrag verlangt. Der Klarheit halber wird diese Voraussetzung hier in einem eigenständigen Gliederungspunkt vorgestellt. 449 Dies ist auch die räumliche Anwendungsvoraussetzung für die meisten der internationalen Transportrechtskonventionen, siehe unten § 10 – A.I. 450 Hat jedoch der im Ausland ansässige Beförderer im Inland eine Niederlassung gegründet, kommt es, soweit diese Niederlassung den Vertrag durchführt, für die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts auf diese Niederlassung an, vgl. Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO (dazu ausführlich unten E.I.1.b)cc)), sodass möglicherweise ein Inlandsfall vorliegen kann. 451 Hierzu Basedow, ZHR 156 (1992), 413 (423 f.). 446

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

173

besitzt.452 Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO findet im Übrigen auch dann Anwendung, wenn der Vertrag Berührungspunkte zu Dänemark aufweist.453 Ganz allgemein ist die Anwendung der Rom I-Verordnung sogar bei reinen Inlandsfällen geboten, wenn in dem Beförderungsvertrag das Recht eines anderen Staates gewählt oder dieser auch nur in ausländischer Sprache abgefasst wurde, denn dann kommen deren Vorschriften über die Rechtswahl zum Zuge.454 Nach ihrem Art. 2 steht im Übrigen nach wie vor fest, dass die Rom IVerordnung und damit auch Art. 5 Abs. 1 universell anwendbar ist, also auch dann, wenn das nach der Verordnung bestimmte Recht nicht das eines Mitgliedstaats (im Sinne von Art. 1 Abs. 4 Rom I-VO) sein sollte. Damit sind prinzipiell auch Drittstaatensachverhalte erfasst.455 II. Vorliegen eines „Konflikts der Rechte“ Ist ein tatsächlicher internationaler Bezug des transportvertraglichen Sachverhalts gegeben, ergibt sich jedoch eine weitere Voraussetzung für die Anwendung der Rom I-Verordnung. Diese ist nur dann anwendbar, wenn ein Rechtskonflikt bzw. „conflict of laws“ in der Form vorliegt, dass die konkrete Rechtsfrage nicht durch im konkreten Fall anwendbares internationales Einheitssachrecht umfassend abgedeckt wird.456 Die Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO findet folglich nur in dem Maße 452 Die Frage, ob die Staatsangehörigkeit ein Element des Sachverhalts ist, stellt sich insbesondere im Rahmen von Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO. Siehe insoweit Hoffmann, EWS 2009, 254; MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 92 f. Für die EuGVVO hat der EuGH festgestellt, dass die ausländische Staatsangehörigkeit unter Umständen einen ausreichenden internationalen Bezug herstellen kann (EuGH, 17.11.2011 – Rs. C327/10 [Lindner], Slg. 2011, I-11582 = NJW 2012, 1199 Rn. 32 ff.). 453 Siehe oben § 3 – A.I.1.a), insbesondere Fn. 238. 454 Magnus, in: FS Kühne, S. 779 (789 f.). In der ersten Konstellation greift Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO ein, vgl. auch Czernich, ZfRV 2013,157 (166). Ist der Vertrag in ausländischer Sprache verfasst, stellt sich die Frage, inwieweit es sich dabei um eine stillschweigende Rechtswahl im Sinne von Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO handelt. A.A. dagegen Koch, RRa 2013, 173 (174), laut dem sich die Prüfung kollisionsrechtlicher Normen erübrigt, wenn der Sachverhalt zwar ausländische Elemente enthält, die jedoch keinen unmittelbar normrelevanten Bezug zu den Parteien, ihrem Verhalten oder zum Streitgegenstand haben. 455 Deshalb wird bezweifelt, ob eine derartige Regulierung notwendig zum Funktionieren des europäischen Binnenmarkts und damit von der Kompetenzeröffnung des Art. 81 AEUV (ex-Art. 65 EGV) abgedeckt ist. Vgl. Plender/Wilderspin, Rn. 4-016 ff., die eine universelle Anwendung aber nicht zuletzt aus Praktikabilitätsgründen für gerechtfertigt halten (ebenso MünchKommBGB/Martiny, Art. 2 Rom I-VO Rn. 3). Diese Problematik ist jedoch durch den Lissaboner Vertrag relativiert worden. Denn Art. 65 EGV wurde dahingehend geändert, dass Art. 81 Abs. 2 AEUV einen Binnenmarktbezug nun nicht mehr strikt fordert, sondern diesen nur noch als Regelbeispiel aufführt, vgl. Remien, in: FS Scheuing, S. 639 (645 f.); ausführlich W.-H. Roth, EWS 2011, 314 (317 f.). 456 Siehe oben § 3 – B.I.3.b).

174

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Anwendung, wie internationale Transportrechtskonventionen nicht einschlägig sind. Deshalb ist bei transportbezogenen international-privatrechtlichen Fällen stets eine obligatorische Vorprüfung durchzuführen, inwieweit gegebenenfalls der Anwendungsbereich vorrangigen Einheitssachrechts eröffnet ist. Für die davon nicht geregelten Materien besteht weiterhin ein Rechtskonflikt, für dessen Lösung Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO maßgeblich ist.457 III. Persönliche Anwendungsvoraussetzungen In persönlicher Hinsicht sind an die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO keine besonderen Anforderungen zu stellen. Auch die Definitionen der Begriffe „Beförderer“ und „Absender“ in Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO errichten keine speziellen Hürden. Dort werden diese beiden Personen lediglich als die Parteien des Beförderungsvertrags ausgewiesen, auf die es im Rahmen der objektiven Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ankommt. Dies dient der Klarstellung für die Konstellationen, in denen zusätzliche Dritte, z. B. Unterfrachtführer oder Empfänger, in den Transport involviert sind.458 Anzeichen dafür, dass ein gewerbliches Handeln des Beförderers für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO vonnöten ist, lassen sich daraus nicht entnehmen. 459 Nach ihrer insoweit offenen Formulierung unterfallen der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge deshalb sowohl Verträge zwischen professionalisierten Vertragsparteien als auch Verträge zwischen Privatpersonen. Auch die Konstellation, dass eine Partei gewerbsmäßig und die andere zu privaten Zwecken handelt, ist von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erfasst. Eine inhaltliche Überschneidung mit Art. 6 Rom I-VO ist dennoch wegen dessen Abs. 4 lit. b ausgeschlossen.460 Auch solche gütertransportbezogenen Verbraucherverträge werden prinzipiell über Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO angeknüpft. D. Vorrangige subjektive Anknüpfung entsprechend Art. 3 Rom I-VO Die freie Rechtswahl wird durch Erwägungsgrund (11) Rom I-VO zu einem „der Ecksteine des Systems der Kollisionsnormen im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse“ erhoben.461 Dementsprechend ist auch die Verweisungsnorm für Güterbeförderungsverträge ausgestaltet, indem eine subjektive Rechtswahl der Parteien der objektiven Anknüpfung vorgeschaltet ist. Das folgt aus dem ersten Halbsatz von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO, der insoweit auf eine vorrangige „Rechtswahl nach Art. 3“ verweist. Für GüterbefördeSiehe im Einzelnen dazu unten § 10 und § 11. Zu den Begriffen siehe unten E.I. 459 Vgl. NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 13. 460 Ausführlich dazu unten § 8 – B. 461 Zur rechtstheoretischen Begründung der Rechtswahl Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32 ff. Siehe auch die kostenbezogene ökonomische Analyse der Rechtswahlfreiheit bei Rühl, RabelsZ 71 (2007), 559 ff. 457 458

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

175

rungsverträge ergeben sich deshalb gegenüber anderen Verträgen keine Besonderheiten hinsichtlich der subjektiven Anknüpfung,462 vielmehr gelten die allgemeinen Regeln: Die Rechtswahl erfolgt durch – ausdrücklich oder stillschweigend geschlossenen (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO) – Verweisungsvertrag der Parteien.463 Dabei handelt es sich um ein vom Hauptvertrag eigenständiges Rechtsgeschäft, vgl. Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO.464 Dieses kann gem. Art. 3 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO auch nachträglich geändert werden. Von dieser Änderung bleiben allerdings gegebenenfalls bereits nach dem zuvor gewählten Recht entstandene Rechtspositionen des Empfängers unberührt, vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO.465 Aus der Möglichkeit der nachträglichen Rechtswahl lässt sich weiterhin schließen, dass ein Verweisungsvertrag – wie in der Gütertransportpraxis häufig – auch mittels floating choice of law clauses, also unter aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen, geschlossen werden kann.466 Überdies ist die Rechtswahl auch hinsichtlich einzelner Vertragsteile möglich, vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO. Was die Grenzen der Parteiautonomie betrifft, sind im Hinblick auf Güterbeförderungsverträge lediglich die in Art. 3 Abs. 3 und Abs. 4 Rom I-VO enthaltenen, allgemeinen

462 Vgl. Wagner, TranspR 2008, 221 (223); Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (52) Rn. 3.08. 463 Stillschweigend kann eine Rechtswahl beispielsweise durch Vereinbarung eines Gerichtsstands erfolgen oder dadurch, dass sich die Parteien während des Prozesses übereinstimmend auf eine bestimmte Rechtsordnung berufen, vgl. ausführlich MünchKommBGB/ Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 45 ff. Nach Morse, in: Liber Amicorum Siehr, 463 (470), ist infolge von Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO aber eine höhere Ausdrucksschwelle für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl erforderlich als im EVÜ. Im Bereich der Schifffahrt kann eine Rechtswahl insbesondere dadurch erfolgen, dass der Frachtvertrag auf ein auszustellendes Konnossement Bezug nimmt, welches seinerseits eine Rechtswahlklausel enthält, siehe Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 93. 464 Ausführlich Czernich, ZfRV 2013, 157 (161 ff.). Vgl. auch Thüsing/Kroh, ZGS 2010, 346. 465 Sofern ursprünglich deutsches Frachtrecht gewählt wurde, beurteilen sich die Rechtspositionen der am Vertrag beteiligten Parteien nach den §§ 407 ff. HGB. Danach erwirbt der Empfänger ab dem Moment der Ankunft des Gutes ein transportrechtliches Verfügungsrecht (§ 418 Abs. 2 S. 2 HGB) sowie weitere (u. a. Schadenersatz-)Ansprüche (§ 421 Abs. 1 HGB), weswegen der deutsche Frachtvertrag einen Vertrag zugunsten Dritter darstellt (zur Rechtsnatur siehe MünchKommHGB/Thume, § 407 Rn. 90 ff. m. w. N). Hat der Empfänger des Güterbeförderungsvertrags diese Rechtspositionen erworben, können ihm diese nicht durch eine nachträgliche Rechtswahlvereinbarung zwischen Beförderer und Absender entzogen werden. Davor schützt das Verschlechterungsverbot des Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO, vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 83 f. 466 MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 18; Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO Rn. 72. Detailliert zu „floating choice of law clauses“ Plender/Wilderspin, Rn. 6-018 ff.; Mankowski, in: FS Martiny, S. 449 (452 ff.).

176

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Regeln zu beachten.467 Allerdings wird Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO im Rahmen eines internationalen Güterbeförderungsvertrages nicht zur Anwendung kommen, weil zwingendes Transportrecht in den davon abgedeckten Richtlinien der Union nicht vorkommt.468 Besondere Beschränkungen der Rechtswahlfreiheit, wie sie sich für Verbraucherverträge aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 oder für Personenbeförderungsverträge aus Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO ergeben, existieren für Güterbeförderungsverträge nicht. Entsprechend können die Parteien sogar eine Rechtsordnung wählen, die keinerlei substantiierte Verbindung zu ihnen oder dem Güterbeförderungsvertrag aufweist.469 In der Gütertransportpraxis ist die Verwendung von standardisierten Rechtswahlklauseln die Regel. Deshalb soll an dieser Stelle auf diese transportrechtliche Gepflogenheit näher eingegangen werden (I.), insbesondere auf die so genannten Paramount-Klauseln (II.). I.

Rechtswahl durch standardisierte Vertragsklauseln

Die Rechtswirklichkeit der Beförderungsverträge wird entscheidend von Vertragsformularen und allgemeinen Geschäftsbedingungen geprägt.470 In der Regel wird in Güterbeförderungsverträgen auf solche (nichtstaatlichen) Klauselwerke Bezug genommen, weshalb diesen in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zukommt. Das gilt insbesondere auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht, weil die von Verbänden oder anderen Interessenorganisationen erstellten Regelwerke ihrerseits häufig Rechtswahlklauseln enthalten, so exemplarisch die Allgemeinen Deutschen Spediteursbedingungen (ADSp.) in Ziff. 30.3.471 Häufig erfolgt eine ausdrückliche Rechtswahl bei (internationalen) Güterbeförderungsverträgen nicht zuletzt durch Verwendung solcher standardisierter

467 Vgl. Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (105); Wagner, TranspR 2008, 221 (223). Siehe zu Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO Maultzsch, RabelsZ 75 (2011), 60 (65 ff.) und zu Abs. 4 Hoffmann, EWS 2009, 254 ff. Abgesehen von den in Art. 3 genannten Konstellationen ist eine weitere Beschränkung der Rechtswahl in der Durchsetzung von Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO zu sehen, vgl. Maultzsch, a. a. O., 81 ff. 468 Bisher wird nur Richtlinienrecht von Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO erfasst, siehe Hoffmann, EWS 2009, 254 (256). 469 Delebecque, in: Scritti in onore di Francesco Berlingieri, 2010, S. 431 (433). Anders ist dies jedoch bei der Personenbeförderung, siehe unten § 7 – E.II.3. 470 Vgl. Basedow, S. 75 ff. 471 In der Fassung vom 1.1.2003. Siehe weiterhin beispielsweise § 42 der Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer i. d. F. vom 27.1.2003 (VBGL) und Ziff. 13.2 der Allgemeine Leistungsbedingungen der Bahnen i. d. F. vom 1.11.2008 (ALB), abgeduckt im Anhang zum 1. Teil. Allgemeine Geschäftsbedingungen im MünchKommHGB.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

177

und vorformulierter Rechtswahlklauseln.472 Hier sollen deshalb die wichtigsten Schranken dargestellt werden, die dabei relevant werden können. 1. Überprüfbarkeit von Rechtswahlklauseln Es ist allgemein anerkannt, dass im europäischen internationalen Vertragsrecht eine derartige Rechtswahl per AGB grundsätzlich zulässig ist.473 Als Rechtsgrundlage dafür wurde einst Art. 3 Abs. 1 S. 1 EVÜ herangezogen und dient nunmehr Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO.474 Auch wenn damit die Möglichkeit der Verwendung von Rechtswahlklauseln prinzipiell besteht, muss sich diese gleichwohl an verschiedenen rechtlichen Vorgaben messen lassen. So thematisiert Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO speziell „das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Einigung der Parteien über das anwendbare Recht“ und bestimmt, dass dafür die Art. 10, 11 und 13 Rom I-VO Anwendung finden. a) Statut der Rechtswahlvereinbarung Insbesondere aus der Formulierung „Einigung der Parteien“ geht hervor, dass es sich bei der Rechtswahl grundsätzlich um einen vom Hauptvertrag unabhängigen, kollisionsrechtlichen Verweisungsvertrag handelt.475 Gleichwohl bewirkt die Verweisung in Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO, dass für das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung das auf den Hauptvertrag anwendbare Recht maßgeblich ist.476 Insoweit wird die Gültigkeit der getroffenen Rechtswahl unterstellt.477 Dies gilt gleichermaßen für den Fall, dass die ausdrückliche Rechtswahl nicht durch individuelle Abrede, sondern

Die Verwendung von typischen Formularen oder AGB an sich wird bereits als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen, siehe die Nachweise bei Reithmann/ Martiny/Martiny, Rn. 127. Zur Möglichkeit der Rechtswahl durch ein Konnossement Shariatmadari, TranspR 2010, 275 (276 ff.). 473 So ausdrücklich für die Rom I-Verordnung MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 42; PWW/Brödermann/Wegen, Art. 3 Rom I-VO Rn. 8; Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 37 Rn. 26. Vgl. zum EVÜ etwa BGH BGHZ 123, 380 (383); Soergel/v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 33; C. Rühl, S. 46 m. w. N. 474 Siehe die ausführliche Analyse von Art. 3 Abs. 1 S. 1 EVÜ bei C. Rühl, S. 46 ff. Vgl. zur Rom I-Verordnung MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 13. 475 AGB-Klauselwerke/Graf v. Westphalen/Thüsing, Rechtswahlklauseln Rn. 4; PWW/ Brödermann/Wegen, Art. 3 Rom I-VO Rn. 29; MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom IVO Rn. 104. Ist der Verweisungsvertrag ungültig, etwa weil das maßgebliche AGB-Recht missachtet wurde, kann der Hauptvertrag objektiv angeknüpft werden und dennoch wirksam sein. 476 Mankowski, IHR 2008, 133 (134). 477 Vgl. Mankowski, IHR 2008, 133 (134); MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom IVO Rn. 105 bezeichnet dies als „Vorgriff“. Siehe auch BGH BGHZ 123, 380 = NJW 1994, 262 zu Art. 27 EGBGB. 472

178

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

durch eine vorformulierte Klausel getroffen wird.478 Die genauen Anforderungen an das Zustandekommen und die Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel gibt folglich die in ihr bezeichnete Rechtsordnung vor.479 Allerdings gilt hinsichtlich der Form die Erleichterung von Art. 11 Abs. 1 und 2 Rom I-VO.480 b) Einbeziehung in den Hauptvertrag Die entscheidende Hürde für die Wirksamkeit der Rechtswahlklausel ist, dass sie nach den Regeln des Rechtswahlvereinbarungsstatuts, sprich des mutmaßlichen Vertragsstatuts, wirksam in den Hauptvertrag einbezogen worden ist.481 Die Einbeziehung von AGB entspricht damit dem in Art. 10 Rom I-VO für Verträge verwendeten Begriff des „Zustandekommens“ und betrifft den äußeren Konsens der Parteien.482 Im Zuge dessen wird geprüft, wie der Verwender allgemeine Geschäftsbedingungen in den Hauptvertrag einführen kann, etwa ob dafür eine ausdrückliche Bezugnahme nötig ist oder die Formularbedingungen zugänglich gemacht werden müssen und inwieweit eine Annahmeerklärung der anderen Vertragspartei erforderlich ist.483 Allerdings ist für eine Rechtswahl überdies der kollisionsrechtliche Maßstab von Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO zu beachten, der verlangt, dass sich eine solche „eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles“ ergibt.484 Hinsichtlich einer in AGB enthaltenen Rechtswahlklausel gelten daher unter Umständen höhere Hürden als für den Rest des Klauselwerks. Selbst wenn nach dem (hypothetischen) Vertragsstatut die materiellen Bestimmungen ohne besondere Hinweise stillschweigend in einen Vertrag einbezogen werden könnten,485 genügt dies dem Eindeutigkeitserfordernis von Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO nicht, sodass ein Verweisungsvertrag durch die Rechtswahlklausel nicht zustande kommen würde.486 Ebenso ist zu urteiPalandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO Rn. 9. Siehe den rechtsvergleichenden Überblick bei Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996, S. 325 ff. Davon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob eine Rechtswahl generell zulässig oder im konkreten Fall ausgeschlossen ist. Diese grundlegende Entscheidung trifft die lex fori, vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 104. 480 MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 157. 481 AGB-Klauselwerke/Graf v. Westphalen/Thüsing, Rechtswahlklauseln Rn. 6. 482 C. Rühl, S. 104 f. 483 MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 142 f. 484 Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO Rn. 9; MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom IVO Rn. 45 ff. 485 Im deutschen Recht ist die stillschweigende Einbeziehung der ADSp. umstritten, vgl. die Nachweise bei MünchKommHGB/Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 12. 486 Vgl. hinsichtlich Ziff. 30.3 ADSp. Koller, Ziff. 30 ADSp Rn. 6, der allerdings Vor Ziff. 1 ADSp Rn. 13 zu dem Ergebnis gelangt, dass die ADSp. auch gegenüber ausländischen Kunden stillschweigend zum Tragen kommen, wenn diese mit den deutschen Gepflogenheiten hinreichend vertraut sind (dem sich anschließend Reithmann/Martiny/Man478 479

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

179

len, wenn die Rechtswahl im Klauselwerk so versteckt ist, dass sie als solche nicht zu erkennen war.487 Davon abgesehen unterliegt der Einbeziehungskontrolle durch die lex causae bei Rechtswahlklauseln auch die Frage, ob letztere im Rahmen des Vertragsschlusses als überraschend einzustufen sind.488 Bei der diesbezüglichen Bewertung ist bei internationalen Schuldverträgen aber eher Zurückhaltung geboten. Schließlich muss ein Kunde, der sich auf ein internationales Geschäft einlässt, in der Praxis damit rechnen, dass die AGB eine Rechtswahlklausel enthalten können.489 Überdies wird selbst bei reinen Inlands- oder Binnenmarktsachverhalten, bei denen der Vertragspartner eine Wahl fremden Rechts nicht unbedingt zu erwarten hat, eine solche durch Art. 3 Abs. 3 bzw. 4 Rom I-VO für zulässig erklärt.490 c) Keine Inhaltskontrolle von Rechtswahlklauseln Nach positiver Feststellung der Einbeziehung einer Rechtswahlklausel in den Hauptvertrag (mit anderen Worten: ihrem Zustandekommen) stellt sich weitergehend die Frage, inwieweit eine solche auch hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung überprüft werden kann. In Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO ist von „Wirksamkeit“ der Vereinbarung die Rede, weshalb auch hinsichtlich AGB von einer Inhaltskontrolle anhand der Regeln des Rechtswahlstatuts ausgegangen werden kann.491 Im Hinblick auf Rechtswahlklauseln ist eine solche Kontrolle allerdings ausgeschlossen.492 Inhaltlich umfassen Rechtskowski, Rn. 4079; dagegen wohl besondere Einbeziehungshinweise verlangend MünchKommHGB/Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 14). Sofern man davon ausgeht, dass die Rechtswahl nicht wirksam ist, richtet sich die Einbeziehung der restlichen Klauseln nach dem objektiv zu bestimmenden Vertragsstatut. 487 Vgl. MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 162. Laut Jayme, in: FS Werner Lorenz, S. 435 (437 f.) umfasste bereits die etwas schwächer formulierte („mit hinreichender Sicherheit“) Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ eine Transparenzkontrolle. Ansonsten könnten – falls das Vertragsstatut eine solche Kontrolle vorsieht – derart versteckte Rechtswahlklauseln auch als überraschend gelten und gegebenenfalls unwirksam sein. 488 Vgl. im Rahmen des EVÜ C. Rühl, S. 124 ff., 208 f.; Staudinger/Hausmann (2002), Art. 31 EGBGB Rn. 89. 489 MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 162. Diese Frage kann jedoch von den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich bewertet werden und hängt damit von der jeweiligen lex causae ab. 490 Eines solche wird stattdessen lediglich in ihren Wirkungen beschränkt, siehe dazu Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (534). 491 C. Rühl, S. 104 f. 492 Vgl. MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 161; AGBKlauselwerke/Graf v. Westphalen/Thüsing, Rechtswahlklauseln Rn. 23. So bereits für das EVÜ: Jayme, in: FS Werner Lorenz, S. 435 (437 ff.); Staudinger/Hausmann (2002), Art. 31 EGBGB Rn. 85; C. Rühl, S. 198 ff. A.A. Heiss, RabelsZ 65 (2001), 634 ff.; Wolf, ZHR 153 (1989), 300 (301 f.); für eine Inhaltskontrolle von Rechtswahlklauseln anhand unionsrechtlicher Maßstäbe Pfütze, ZEuS 2011, 35 ff.

180

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

wahlklauseln lediglich die Auswahl der konkreten Rechtsordnung, welche gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO in jeglicher Hinsicht frei ist. Nur im Rahmen besonderer Verträge (vgl. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 und 7 Abs. 3 Rom I-VO) wird diese Wahl inhaltlich beschränkt.493 Dagegen eröffnet der für alle Güterbeförderungsverträge maßgebliche Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO die Möglichkeit – innerhalb der von Art. 3 Abs. 3 und 4 gesetzten Grenzen – jede beliebige Rechtsordnung zu wählen, selbst wenn diese keine Verbindung zum vorliegenden Vertrag haben sollte.494 Somit ist bereits auf der Ebene des IPR verankert, dass der Inhalt der Rechtswahl in Güterbeförderungsverträgen per se nicht unbillig sein kann. Dementsprechend ist eine Rechtswahlklausel wie Ziff. 30.3 ADSp. inhaltlich unbedenklich.495 2. Das Problem der kollidierenden Rechtswahlklauseln Ein entscheidendes Problem im Hinblick auf die Verwendung von Rechtswahlklauseln kann auftreten, wenn beide Parteien dem Vertrag jeweils ihre eigenen AGB zugrunde legen und die darin enthaltenen Rechtswahlbestimmungen einander widersprechen.496 Aufgrund der Besonderheiten des Logistikgewerbes, namentlich der globalen Ausrichtung der Akteure sowie der verbreiteten Verwendung von AGB, sind Transportverträge für diese problematische Konstellation geradezu prädestiniert. Dann ist bereits fraglich, nach welchem Statut sich das Zustandekommen der Rechtswahl beurteilt. Diesbezüglich existieren verschiedene Lösungsvorschläge: Nach einer Ansicht ist in diesem Fall die Rechtswahl immer ausgeschlossen, da es insoweit an einer Einigung der Parteien nach Art. 3 Rom I-VO fehlt.497 In der Folge kann der Hauptvertrag lediglich objektiv angeknüpft werden. Nach einer anderen Auffassung hat dagegen eine separate Prüfung jeder der einander widersprechenden Rechtswahlklauseln anhand der jeweils berufenen Rechtsordnung zu erfolgen.498 Danach ist im Ergebnis die Rechtswahl immerhin in der Konstellation möglich, dass die eine Rechtswahlklausel nach dem in ihr bezeichneten Siehe dazu unten § 7 – D. Zudem gelten für Verbrauchergüterbeförderungsverträge die Beschränkungen des Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO nicht, siehe oben C.III. 495 So für diese Bestimmung MünchKommHGB/Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 282; E/ B/J/S/ders., ADSp. 30 Rn. 9; Koller, Ziff. 30 ADSp. Rn. 6; AGB-Klauselwerke/Vogt, Transportrecht Rn. 268; Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 4073; vgl. aus der Rspr. OLG Köln TranspR 2005, 263. 496 Dazu ausführlich Dutta, ZVglRWiss 104 (2005), 461 ff.; Möll, Kollidierende Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im internationalen Vertragsrecht, 2012, S. 188 ff. 497 Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO Rn. 9; C. Rühl, S. 76 f.; Staudinger/Hausmann (2002), Art. 31 EGBGB Rn. 32 m. w. N. 498 Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO Rn. 174 m. w. N.; Meyer-Sparenberg, RIW 1989, 347 (348); Tiedemann, IPRax 1991, 424 (425 f.). 493 494

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

181

Recht als wirksam und die andere nach ihrem Recht als unwirksam angesehen wird.499 Ein neuerdings vertretener Lösungsansatz will über das Prinzip der engsten Verbindung stets ein einheitliches Rechtswahlstatut bestimmen.500 Bisher wurden kollidierende Rechtswahlklauseln in der Rechtsprechung kaum thematisiert,501 in der Praxis dürften diese jedoch häufiger vorkommen.502 Daher könnte dieses Problem in absehbarer Zeit dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt werden. Bis dahin wird die Handhabung kollidierender Rechtswahlklauseln umstritten bleiben. Praktikabilitätsgründe sprechen allerdings grundsätzlich dafür, das Vorliegen einer Rechtswahl in diesem Fall abzulehnen.503 Zudem kann man bei kollidierenden Klauseln jedenfalls nicht von einer eindeutig in den Bestimmungen des Vertrags getroffenen (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO) Rechtswahl sprechen. Gegen diese strenge Lösung lässt sich auch nicht anführen, dass durch die Annahme kollisionsrechtlicher Mindestanforderungen an den Konsens der Parteien der Verweisung auf das Rechtswahlstatut hinsichtlich des Zustandekommens der Rechtswahl widersprochen werde.504 Eine solche Ausstrahlungswirkung des Kollisionsrechts ist schließlich auch im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung einer Rechtswahlklausel allgemein anerkannt, wo aufgrund der kollisionsrechtlichen Vorgabe eine Inhaltskontrolle durch das Rechtswahlstatut ausgeschlossen ist. II. Kollisionsrechtliche Einordnung von Paramount-Klauseln Eine Besonderheit in der (See-)Transportpraxis ist die Verwendung von so genannten Paramount-Klauseln.505 Darin wird von den Parteien für den Vertrag explizit die Geltung eines internationalen Übereinkommens (im Speziellen die Haager bzw. Visby-Regeln) selbst oder in der in einem bestimmten Staat geltenden Fassung vereinbart, auch wenn im Übrigen ein anderes Recht

Vgl. MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 Rn. 232. Dutta, ZVglRWiss 104 (2005), 461 (471 ff.); sich diesem anschließend MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 Rn. 232. 501 Vgl. nur OGH IPRax 1991, 419. Siehe auch die Nachweise bei Dutta, ZVglRWiss 104 (2005), 461 (463 f.) 502 MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 164. 503 Vgl. C. Rühl, S. 77. So oder so erlangt nach allen Lösungsansätzen die objektive Anknüpfung des Hauptvertrages eine größere Bedeutung. 504 So das Gegenargument von Dutta, ZVglRWiss 104 (2005), 461 (465). 505 Dazu ausführlich Mankowski, S. 199 ff. m. w. N. aus ausländischer Rspr. und Schrifttum. Siehe auch Wesemann, TranspR 2012, 327 ff. Solche Klauseln werden mitunter in Charterverträgen verwendet (vgl. Rabe, Vor § 556 Rn. 127). Soweit diese, wie häufig, aber in Konnossementen vorkommen, richtet sich ihre kollisionsrechtliche Beurteilung nicht direkt nach der Rom I-Verordnung, da Konnossemente nicht in deren Anwendungsbereich fallen, siehe oben B.IV.1. 499 500

182

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

gewählt worden sein sollte.506 Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Anwendungsbereich des vereinheitlichten Rechts in sachlicher, räumlicher oder persönlicher Hinsicht nicht gegeben ist.507 Bezieht sich die Klausel auf das Übereinkommen selbst, handelt es sich lediglich um eine materiell-rechtliche Verweisung.508 Eine derartige Möglichkeit der Parteien auf Vorschriften eines – im Forumstaat nicht anwendbaren – Übereinkommens zu verweisen, sieht Erwägungsgrund (13) Rom I-VO vor.509 Infolgedessen findet das durch die Konvention vereinheitlichte Sachrecht auf den Vertrag Anwendung, soweit dies den (intern) zwingenden Vorschriften des ansonsten maßgeblichen Vertragsstatuts nicht widerspricht.510 Wird in der Paramount-Klausel dagegen auf eine konkrete Umsetzungsrechtsordnung Bezug genommen, liegt eine kollisionsrechtliche Teilrechtswahl vor.511 Das hat zur Folge, dass sich das Staatsvertragsrecht auch gegenüber möglicherweise entgegenstehenden zwingenden Bestimmungen der für die anderen Vertragsteile verantwortlichen lex causae durchsetzt.512 Haben die Parteien für den Vertrag abgesehen von der Paramount-Klausel kein Recht gewählt, ist letztere gleichwohl nur als Teilrechtswahl aufzufassen.513 E. Das objektive Anknüpfungssystem für Güterbeförderungsverträge Obwohl Gütertransportverträge in den meisten Fällen eine Rechtswahlklausel enthalten, ist deren objektive kollisionsrechtliche Anknüpfung keinesfalls unbedeutend.514 Diese wird relevant, falls der Vertrag doch einmal keine Vereinbarung der Parteien über das auf ihn anwendbare Recht enthalten oder sich eine solche – zum Beispiel aus den soeben näher beschriebenen Gründen – als unwirksam herausstellen sollte. Für diesen Fall hält Art. 5 Rom I-VO Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2899. MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 31. 508 MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 124; Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (23); Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2901; ders., S. 223 ff.; Rauscher/ Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12; Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 434; siehe schon OLG Hamburg IPRspr. 1982 Nr. 38. A.A. (kollisionsrechtliche Teilrechtswahl) Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2000, Rn. 498. 509 MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 32. So ausdrücklich für Paramount-Klauseln Legros, RD transp. 2/2009, 12 (13) Rn. 3. 510 Vgl. Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (533). 511 MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 124; Reithmann/Martiny/ Mankowski, Rn. 2901; ders., S. 214 ff. (mit Einschränkungen S. 218 ff.); Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 434. 512 Vgl. Staudinger/Magnus (2002), Art. 27 EGBGB Rn. 96 f. Unberrührt von dieser Rechtswahl bliebe allerdings etwaiges Eingriffsrecht im Sinne von Art. 9 Rom I-VO. 513 Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 434. 514 Die insbesondere hinsichtlich Charterverträgen vorgetragene Kritik von Stahl, TranspR 2010, 258, wonach es sich bei der Frage nach dem objektiven IPR lediglich um einen „akademischen Klimmzug“ handele, ist daher überzogen. 506 507

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

183

verschiedene Regeln bereit, nach denen der Güterbeförderungsvertrag objektiv anzuknüpfen ist. So wird in Abs. 1 eine primäre Verweisungsregel (I.) mit einer sekundären Kollisionsnorm (II.) kombiniert: Sind die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO nicht gegeben, vollzieht sich die objektive Anknüpfung nach S. 2. Ergänzt wird dieses stufenweise Vorgehen durch eine Ausweichklausel in Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO (III.). Hinsichtlich des objektiven Verweisungssystems von Art. 5 Rom I-VO ist generell anzumerken, dass die objektive Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen nicht mithilfe von Vermutungen (wie im EVÜ), sondern durch strikte Kollisionsregeln erfolgt.515 Aufgrund dieses eher starren Regelungsansatzes können in bestimmten beförderungsvertraglichen Konstellationen mitunter Schwierigkeiten im Zuge der objektiven Anknüpfung auftreten (IV.). I.

Die Primärregel von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO

Die Grundstruktur der primären Anknüpfungsregel von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ist zunächst relativ simpel: Im ersten Teil von S. 1 wird der Anknüpfungsgegenstand „Vertrag über die Beförderung von Gütern“ dem Anknüpfungsmoment „gewöhnlicher Aufenthalt des Beförderers“ zugeordnet.516 Voraussetzung dafür ist einerseits positiv das Vorliegen eines internationalen Güterbeförderungsvertrages und andererseits negativ das Nichtvorliegen einer Rechtswahl der Parteien.517 Die Komplexität der objektiven Anknüpfung ergibt sich erst aus dem letzten Halbsatz von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO, der zusätzlich verlangt, dass mit dem Befördereraufenthalt entweder der Übernahmeort, der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders zusammenfallen muss. Eine Anknüpfung des Güterbeförderungsvertrages an den gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers erfolgt damit nur unter der Bedingung, dass in dieser Rechtsordnung mindestens zwei Anknüpfungsmomente zusammentreffen.518 Damit übernimmt die Bestimmung im Grunde das Prinzip aus Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ. Wegen der starken Ähnlichkeit in Aufbau und Wortlaut ist die Regelung des Römer Schuldvertragsübereinkommens auch bei der Auslegung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO besonders zu berücksichtigen. Aus dessen Struktur ergibt sich eine konkrete Prüfungsreihenfolge für die objektive Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen: Bevor das von Art. 5 Abs. 1 S. 1 letzter HS. geforderte Vorhandensein weiterer Anknüpfungsmomente im Staat des Befördereraufenthalts ge515 Vgl. Legros, RD transp. 2/2009, 12 (13). Dies jedoch verkennend OLG Naumburg TranspR 2013, 235 Rn. 30. Dabei handelt es sich um eine prinzipielle systematische Veränderung gegenüber dem EVÜ, die für alle Anknüpfungsregeln vollzogen wurde, siehe dazu Azzi, D. 2008, 2169. Vgl. dazu unten auch Abschnitt F. 516 Zum Aufbau einer Kollisionsnorm allgemein v. Bar/Mankowski, § 7 Rn. 3 ff. 517 Zu ersterem siehe oben Abschnitte B. und C. und zu letzterem Abschnitt D. 518 Corneloup, J.C.P. 44/2008, 21 (24).

184

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

prüft werden kann, muss zuerst diese konkrete Rechtsordnung genau bestimmt werden. Dementsprechend ist im Rahmen der objektiven Anknüpfung – nachdem ein internationaler Güterbeförderungsvertrag bejaht und eine Rechtswahl der Parteien verneint worden ist – zunächst festzustellen, wo genau der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 1. Verweisungsziel: Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers a) Person des Beförderers Dazu muss geklärt werden, wer überhaupt als Beförderer im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anzusehen ist. Dies kann bei Güterbeförderungsverträgen durchaus schwer zu beurteilen sein, da an der Erfüllung häufig mehrere (Unter-)Frachtführer beteiligt sind.519 Insofern gibt Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO etwas Aufschluss, indem er bestimmt, dass es sich beim Beförderer um die Vertragspartei handelt, „die sich zur Beförderung der Güter verpflichtet, unabhängig davon, ob sie die Beförderung selbst durchführt“. 520 Wie auch aus dem ersten Teil von S. 3 hervorgeht, ist der Beförderer direkt am Abschluss des Güterbeförderungsvertrags mit dem Absender beteiligt. Falls fraglich sein sollte, ob der Beförderer beim Vertragsschluss wirksam durch eine andere Person vertreten worden ist, bestimmt sich dies nach dem Vollmachtsstatut, welches jedoch nicht durch die Rom I-Verordnung, vgl. nur Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I-VO,521 sondern durch das autonome IPR der lex fori berufen wird.522 aa) Maßgeblichkeit des vertraglichen, nicht des ausführenden Beförderers Durch Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO wird deutlich, dass es für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auf den vertraglichen und nicht etwa auf einen ausführenden Beförderer ankommt. 523 Das ergibt insofern Sinn, als 519 Zu verschiedenen Konstellationen und damit (vor allem nach deutschem Recht) verbundenen Begrifflichkeiten siehe Neumann, TranspR 2006, 384 f. 520 In diesem Sinne ist der Befördererbegriff bereits im Rahmen des EVÜ verstanden worden, vgl. Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 54. 521 Danach ist nur die Frage, ob und wieweit ein Vertreter die Person, für deren Rechnung er zu handeln vorgibt, Dritten gegenüber verpflichten kann – also nur ein Teilaspekt aus dem Verhältnis zwischen Vertretenem und dem Dritten – vom Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung ausgenommen. Dieser Ausschluss betrifft letztlich die Frage der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht, sodass die vertraglichen Beziehungen unter den Parteien (insbesondere das Grundverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem) nach den Regeln der Rom I-Verordnung anzuknüpfen sind, vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 72 f. 522 Dazu ausführlich Reithmann/Martiny/Hausmann, Rn. 5421 ff. 523 Ebenso Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (486); Hk-BGB/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

185

ersterer originär mit dem anzuknüpfenden Beförderungsvertrag verbunden ist. Eine Anknüpfung des Vertrages an dessen Aufenthaltsrecht ist damit auch für die andere vertragsschließende Partei in ausreichendem Maße vorhersehbar. Würde stattdessen auf einen – möglicherweise noch gar nicht feststehenden – vom vertraglichen Beförderer mit der tatsächlichen Durchführung des Transports beauftragten Dritten abgestellt werden, wäre die für den Beförderungsvertrag maßgebliche Rechtsordnung für den Absender nicht erkennbar, denn zwischen diesen beiden Personen besteht keine direkte Verbindung. Das aber liefe dem in Erwägungsgrund (16) Rom I-VO genannten Verordnungsziel entgegen, wonach die Kollisionsnormen ein hohes Maß an Berechenbarkeit aufweisen sollten, um die Rechtssicherheit zu erhöhen. Es kann für die objektive Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO daher nur auf den vertragsschließenden Beförderer ankommen, der sich gegenüber dem Absender zur Beförderung verpflichtet hat. Ein möglicherweise tatsächlich befördernder Dritter ist insoweit irrelevant. 524 Dessen Vertragsverhältnis mit dem vertraglichen Beförderer des Hauptvertrags ist eigenständig zu beurteilen,525 kann dabei aber prinzipiell auch Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO unterliegen.526 Auch der Eigentümer des Transportmittels, z. B. der Schiffsreeder, bleibt bei der objektiven Anknüpfung des Güterbeförderungsvertrags außen vor.527 bb) Behandlung von aufeinanderfolgenden Frachtführern Es stellt sich die Frage, ob sich dann Besonderheiten ergeben, wenn in einem einheitlichen Vertrag mehrere Personen nebeneinander für die Ausführung der Beförderung haften. So ordnen beispielsweise Art. 34 CMR und Art. 26 CIM an, dass bei einer Beförderung, die Gegenstand eines einzigen Vertrages ist, auch die aufeinanderfolgenden Frachtführer durch Annahme des Guts und des Frachtbriefs Partei des Güterbeförderungsvertrags werden.528 In solch einem Fall könnte möglicherweise fraglich sein, ob sich diese Entscheidung des vorrangig anwendbaren Einheitsrechts auch auf die kollisionsrechtliche Beurteilung auswirkt. Denkbar wäre, dass dann auch hinsichtlich der Anwen524 MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 17; Reithmann/Martiny/ Mankowski, Rn. 2577; Hk-BGB/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 20. 525 Siehe OLG München RdTW 2014, 28 (29); vgl. auch Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2585. Zur Frage, inwieweit die Situation der Unterfrachtführung im Rahmen der Ausweichklausel zu berücksichtigen ist, siehe unten E.III.2.b)bb). 526 Ob dem so ist, beurteilt sich anhand der konkreten Ausgestaltung des Vertrages. Dagegen stellt laut Biagioni, NLCC 2009, 717 (724) jedweder Untervertrag automatisch einen Beförderungsvertrag dar. 527 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2577. 528 Eine andere Lösung wählt dagegen Art. 36 MÜ: Danach gilt jeder aufeinanderfolgende Luftfrachtführer nur für den Teil der Beförderung, der unter seiner Leitung ausgeführt wird, als Partei des Beförderungsvertrags.

186

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

dung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO alle aufeinanderfolgenden Frachtführer als Beförderer anzusehen wären. Abgesehen davon, dass ihre wirtschaftliche Bedeutung ohnehin gering ist,529 ist die durch Art. 34 CMR erfasste Konstellation kollisionsrechtlich nicht anders zu behandeln als der (Normal-)Fall der Unterfrachtführung.530 Die international-privatrechtliche Interessenlage ist im Grunde die gleiche: Einzig der vertragsschließende (Haupt-)Beförderer wird direkt aus dem Vertrag verpflichtet und ist für den Absender erkennbar. Denn Art. 34 CMR setzt einen einheitlichen Beförderungsvertrag voraus, den der Absender mit dem ihm gegenüber auftretenden Gesamtbeförderer schließt.531 Dass die von letzterem beauftragten, anderen Beförderer als Partei in den Vertrag eintreten, wird dagegen erst durch das materielle Recht angeordnet. Auch wenn dieses in Form eines (normenhierarchisch) höherrangigen Staatsvertrags besteht,532 wird durch diese sachrechtliche Wertung der supranationale Kollisionsrechtsbegriff des Beförderers nicht beeinflusst.533 Dessen Auslegung vollzieht sich gänzlich europäisch-autonom.534 Folglich ist auch bei aufeinanderfolgenden Frachtführern i. S. v. Art. 34 CMR oder Art. 26 CIM im Rahmen der objektiven Anknüpfung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ausschließlich auf den vertraglichen (Haupt-)Beförderer abzustellen.535 Das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts bildet das Güterbeförderungsvertragsstatut und urteilt somit über die weitere Rechtsstellung der aufgrund der Konventionen geschaffenen Gesamtschuldner, beispielsweise ob die aufeinanderfolgenden Frachtführer ihrerseits gegenüber dem Absender Gesamtgläubiger des Vergütungsanspruchs sind.536 Auch wenn der selbständige Transportvertrag zwischen Hauptbeförderer und dem „folgenden“ Frachtführer einem anderen Recht unterliegen sollte (in der Regel dem gewöhnlichen Aufenthalt des Hauptbeförderers), spielt dies Vgl. Koller, Vor Art. 34 CMR Rn. 3; Staub/Helm, Art. 34 CMR Rn. 5. Siehe soeben E.I.1.a)aa). 531 Siehe MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 34 CMR Rn. 8 und 6. 532 Ein inhaltliches Subordinationsverhältnis liegt gerade nicht vor, weil sich Sachrechtskonventionen und die Rom I-Verordnung hinsichtlich ihres Regelungsgegenstandes grundsätzlich nicht überschneiden. Soweit staatsvertraglich vereinheitlichtes Sachrecht auf den Sachverhalt anwendbar ist, ist der Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung nicht eröffnet, siehe oben § 3 – B.I.3.b). 533 Das liegt zum einen an der unterschiedlichen Provenienz der Rechtsakte. Zum anderen sind für die Auslegung des Kollisionsrechts sachrechtliche Wertungen nicht entscheidend, siehe oben § 5 – C.III. 534 Siehe oben § 5 – A. 535 Zwar schließt die Anwendung des internationalen Einheitsrechts das IPR des Art. 5 Rom I-VO grundsätzlich aus, jedoch kann es zu dieser kollisionsrechtlichen Fragestellung beispielsweise kommen, wenn das Einheitsrecht inhaltliche Lücken aufweist, dazu unten § 11. 536 Zur Bedeutung des Vertragsstatuts hinsichtlich der aufeinanderfolgenden Straßenfrachtführung MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 34 CMR Rn. 15. 529 530

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

187

für den übergeordneten Beförderungsvertrag, insbesondere für die Rechtsfolgen hinsichtlich der dabei aufgrund von Art. 34 CMR bestehenden Gesamtschuld, keine Rolle. cc) Bedeutung von Identity of Carrier-Klauseln für Seefrachtverträge Direkt mit der Person des Beförderers befassen sich so genannte Identity of Carrier-Klauseln (IoC-Clauses) der Seeschifffahrt, die besagen, dass nicht der Charterer, sondern der Reeder des Schiffes als Verfrachter (und damit als Beförderer) gelten soll.537 Eine solche Klausel befindet sich in fast allen Konnossementsformularen,538 die in der Regel unter einem Seefrachtvertrag ausgestellt werden. Allerdings sind Konnossement- und Seefrachtvertrag auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht voneinander zu trennen: Das Konnossementsrechtsverhältnis fällt nicht in den sachlichen Anwendungsbereich (von Art. 5 Abs. 1) der Rom I-Verordnung.539 Deshalb verändert eine in einem Konnossement enthaltene IoC-Klausel den Status der Parteien des davon rechtlich unabhängigen, unter Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO fallenden Seefrachtvertrags nicht.540 Die Person des Beförderers des Güterbeförderungsvertrags wird allein anhand dieses Rechtsverhältnisses beurteilt.541 Daher spielt es für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auch keine entscheidende Rolle, ob eine Identity of Carrier-Klausel überhaupt der AGB-Kontrolle durch die auf das Konnossement anwendbare Rechtsordnung standhält.542 b) Gewöhnlicher Aufenthalt Das Anknüpfungsmoment des gewöhnlichen Aufenthalts wird nicht nur in Art. 5 Abs. 1 S. 1, sondern von den meisten Verweisungsnormen der Rom IVerordnung verwendet.543 Für all die darauf abstellenden Bestimmungen Siehe dazu Wodrich/Suhr, VersR 1976, 20 ff. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2893. 539 Dazu näher oben B.IV.1. 540 MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 130. 541 So schon Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 436. 542 Andere Ansicht wohl Plender/Wilderspin, Rn. 8-018 ff., die die Trennung zwischen Konnossement und Frachtvertrag nicht weiter berücksichtigen. Da es sich bei der Identity of Carrier-Klausel nicht um eine Rechtswahlklausel im eigentlichen Sinne handelt, unterliegt sie sowohl Einbeziehungs- als auch Inhaltskontrolle des Konnossementsstatuts. Ist dieses die deutsche Rechtsordnung, wird eine IoC-Klausel aufgrund von § 305b BGB als unwirksam erachtet: Sofern an anderer Stelle des Konnossements ausdrücklich der Charterer als Verfrachter bezeichnet wird, geht diese Individualvereinbarung der IoC-Klausel vor, vgl. BGH NJW 2007, 2036 (2037); BGH TranspR 1990, 163 (164); BGH NJW 1991, 1420. Ähnlich äußert sich auch das britische House of Lords in „The Starsin“ [2003] UKHL 12, [2004] 1 A.C., 715; siehe dazu auch McParland, Rn. 11.71. 543 Namentlich in den Artikeln 4, 5 Abs. 2, 6 und 7 Rom I-VO. Der Rom I-Verordnung liegt das Prinzip der charakteristischen Leistung zugrunde, wonach der Vertrag dem Recht 537 538

188

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

definiert Art. 19 Rom I-VO den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts und konkretisiert ihn sowohl für juristische als auch natürliche Personen. Dabei bestimmt Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO ausdrücklich, dass es für seine Feststellung in zeitlicher Hinsicht auf den Moment des Vertragsschlusses ankommt. Dadurch wird ein Statutenwechsel ausgeschlossen.544 Die jeweilige Person hat somit keine Möglichkeit, durch Verlegung ihres gewöhnlichen Aufenthalts das auf den Vertrag anwendbare Recht einseitig zu verändern. aa) Juristische Personen (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Rom I-VO) Handelt es sich bei dem Beförderer im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom IVO um eine Gesellschaft, einen Verein oder eine juristische Person, ist für die Bestimmung seines gewöhnlichen Aufenthalts Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Rom I-VO heranzuziehen. Genau wie in Art. 23 Abs. 1 UAbs. 1 Rom II-VO ist damit für die Lokalisierung von Personenvereinigungen bzw. Vermögensmassen mit Rechtssubjektscharakter grundsätzlich die Hauptverwaltung maßgeblich. 545 Dabei handelt es sich um den effektiven Verwaltungssitz der Gesellschaft,546 von dem aus die zentralen Leitungs- und Organisationsentscheidungen getroffen werden.547 Auf die Hauptniederlassung, also den tatsächlichen Geschäftsschwerpunkt, kommt es für das europäische Schuldvertrags-IPR im Allgemeinen dagegen nicht an. Das ist im Hinblick auf die objektive Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen insofern erwähnenswert, als im Rahmen von Art. 4 Abs. 4 EVÜ, in Abweichung von den allgemeinen Regeln in Art. 4 Abs. 2 EVÜ, noch auf ebenjene Hauptniederlassung abgestellt wurde.548 Die Hauptniederlassung einer juristischen Person ist für Dritte der charakteristisch leistenden Partei zugeordnet wird, wofür wiederum deren gewöhnlicher Aufenthalt maßgeblich ist, vgl. Erwägungsgrund (19) S. 2 Rom I-VO. 544 Wagner, TranspR 2008, 221 (223) Fn. 28. 545 Beispielhaft zur Heranziehung der Hauptverwaltung des Beförderers im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO OGH ZfRV 2014, 223. Im Gegensatz zur Definition des Wohnsitzes im europäischen internationalen Zivilverfahrensrecht der EuGVVO, wo in Art. 63 wahlweise auf die drei Kriterien Satzungssitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung abgestellt wird, beschränkt sich der im europäischen Schuldrechts-IPR gebrauchte Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts juristischer Personen wegen der Vorhersehbarkeit auf lediglich ein Kriterium (vgl. Erwägungsgrund (39) Rom I-VO). Das IPR verfolgt schließlich – anders als das Zivilverfahrensrecht, wo grundsätzlich problemlos mehrere Gerichtsstände nebeneinander bestehen können – das Ziel, genau eine auf den Sachverhalt anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen. 546 Mankowski, IHR 2008, 133 (139); MünchKommBGB/Martiny, Art. 19 Rom I-VO Rn. 6; Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I-VO Rn. 3. 547 So zu Art. 63 EuGVVO (Art. 60 EuGVVO a. F.) BGH NJW-RR 2008, 551 (552); BAG NJW 2008, 2797 („Ort, an dem die Willensbildung und die eigentliche unternehmerische Leitung der Gesellschaft erfolgt“). 548 Die Hauptniederlassung kann allerdings über Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO berücksichtigt werden, dazu sogleich unten E.I.1.b)cc).

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

189

zwar einfacher erkennbar als deren Hauptverwaltung, jedoch werden diese beiden Orte in den seltensten Fällen auseinanderfallen.549 Wann eine Gesellschaft, ein Verein oder eine juristische Person im Sinne von Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Rom I-VO vorliegt, wird von der Bestimmung selbst nicht näher definiert.550 Die Aufzählung ist jedoch untechnisch und weit zu verstehen: Nach dem Zweck der Vorschrift soll jede Vereinigung und Vermögensmasse erfasst werden, die in einem Mitgliedstaat rechtsfähig ist.551 bb) Natürliche Personen (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 Rom I-VO) Ist in dem nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO anzuknüpfenden Sachverhalt der Beförderer als natürliche Person zu qualifizieren, muss – anders als bei juristischen Personen552 – hinsichtlich der Feststellung seines gewöhnlichen Aufenthalts unterschieden werden, ob er im Rahmen seiner beruflichen oder privaten Tätigkeit gehandelt hat. Nur für den ersten Fall bestimmt Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 Rom I-VO, dass der gewöhnliche Aufenthalt der Ort der Hauptniederlassung ist. Das ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit der Person.553 Unter dem Begriff der beruflichen Tätigkeit ist indes nur die selbständige berufliche Tätigkeit zu verstehen.554 Dies legt nicht zuletzt der Wortlaut der Vorschrift nahe, denn ein unselbständig Beschäftigter hat keine Haupt-, geschweige denn Zweigniederlassungen.555 Soll der gewöhnliche Aufenthalt einer Person bestimmt werden, die im Rahmen ihrer beruflichen Anstellung handelt, ist somit nicht auf ihre Hauptniederlassung abzustellen,

MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (335). Die französische Aufzählung spricht wie die deutsche von „société, association ou personne morale“. Dagegen stellt die englische Version lediglich auf „companies and other bodies, corporate or unincorporated“ ab. 551 MünchKommBGB/Martiny, Art. 19 Rom I-VO Rn. 4; Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 8. 552 Im Rahmen von Art. 4 Abs. 2 EVÜ war die Unterscheidung zwischen privater und gewerblicher Tätigkeit im Rahmen der Lokalisierung der charakteristisch leistenden Partei auch für juristische Personen bedeutend: Während S. 1 die Regel für private Tätigkeiten aufstellte, erfasste S. 2 die gewerblichen, vgl. Staudinger/Magnus (2002), Art. 28 EGBGB Rn. 83 ff. Im Rahmen von Art. 4 Abs. 4 EVÜ kam es darauf allerdings nicht an. 553 Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 21. Hat die natürliche Person mehr als eine Niederlassung, ist die Hauptniederlassung diejenige von der aus die Leitung und Aufsicht erfolgt. 554 Siehe die überzeugende ausführliche Analyse bei Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO Rn. 16. A.A. MünchKommBGB/Martiny, Art. 19 Rom I-VO Rn. 9; Palandt/ Thorn, Art. 19 Rom I-VO Rn. 6; Rauscher/Thorn, Art. 19 Rom I-VO Rn. 10, die den Begriff der beruflichen Tätigkeit untechnisch verstehen, so dass darunter all das fällt, was nicht der Privatsphäre zugerechnet werden kann. 555 Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO Rn. 16. 549 550

190

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

die die entsprechende Niederlassung des Arbeitgebers sein wird; stattdessen kommt es dann auf ihren privaten gewöhnlichen Aufenthalt an.556 Dessen Bestimmung wird allerdings nicht näher durch Art. 19 Rom I-VO geregelt. Handelt eine natürliche Person im Rahmen ihrer privaten Tätigkeit – was beim Güterbeförderer wohl so gut wie ausgeschlossen ist –, ist Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 Rom I-VO nicht einschlägig. Gleichwohl handelt es sich beim gewöhnlichen Aufenthalt auch in dieser Konstellation um einen sekundärrechtlichen Begriff, weshalb auch dieser autonom auszulegen ist.557 Bei privat agierenden natürlichen Personen ist diesbezüglich auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt abzustellen.558 cc) Vorrangigkeit der am Vertrag beteiligten Niederlassung (Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO) Von den in Abs. 1 aufgestellten Grundsätzen macht Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO sogleich eine Ausnahme: Danach ist, sofern der Vertrag „im Rahmen des Betriebs einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung“ geschlossen wird oder eine solche gemäß dem Vertrag für die Erfüllung verantwortlich ist, der Ort dieser Niederlassung als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts anzusehen.559 Im Gegensatz zur Parallelbestimmung für außervertragliche Schuldverhältnisse, Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 Rom II-VO, gilt dies gemäß Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO sowohl für juristische als auch natürliche Personen.560 Damit kommt letztlich der vertragsbetreuenden Niederlassung des Beförderers die entscheidende Bedeutung für die objektive Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen zu.561 Wann eine solche Niederlassung begrifflich gegeben ist, ist im Lichte von Art. 7 Nr. 5 EuGVVO zu beantworten, der für den besonderen Niederlassungsgerichtsstand ebenfalls auf den Betrieb „einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung“ abstellt.562 Damit ist laut EuGH „ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit ge556 557

024 ff.

Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO Rn. 16. PWW/Wegen/Brödermann, Art. 19 Rom I-VO Rn. 5; Plender/Wilderspin, Rn. 3-

558 Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-69); Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I-VO Rn. 6; PWW/Brödermann/Wegen, Art. 19 Rom I-VO Rn. 5. Näher dazu MünchKommBGB/Martiny, Art. 19 Rom I-VO Rn. 12. Siehe auch den vergleichenden Beitrag von Baetge, in: FS Kropholler, S. 77 ff. 559 Etwas deutlicher als die deutsche, die von „gleichstehen“ spricht, drückt dies die französische Fassung aus, wo von „est traité comme résidence habituelle“ die Rede ist, vgl. insoweit auch Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 18. 560 Im Rahmen der Rom II-Verordnung gilt dieser Grundsatz nur für juristische Personen, siehe dazu MünchKommBGB/Junker, Art. 23 Rom II-VO Rn. 6. 561 Vgl. Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 42. 562 Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (472); PWW/Wegen/Brödermann, Art. 19 Rom I-VO Rn. 7; Plender/Wilderspin, Rn. 3-009; Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I-VO Rn. 4.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

191

meint, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist.“563 Liegt eine dementsprechende Organisationsstruktur vor, richtet sich das objektiv anwendbare Recht nach dieser Niederlassung, wenn entweder der Vertrag im Rahmen ihres Betriebs geschlossen wurde (Alt. 1) oder diese für die Erfüllung gemäß dem Vertrag verantwortlich war (Alt. 2). Insofern ist Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO also großzügiger als Art. 4 Abs. 2 S. 2 EVÜ, für den ersteres gerade nicht ausreichend war.564 (1) Berücksichtigung der Hauptniederlassung von juristischen Personen Über Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO kann letztlich auch die Hauptniederlassung einer juristischen Person für deren gewöhnlichen Aufenthalt relevant werden: Sofern diese beim Vertragsschluss oder dessen Erfüllung tätig wird, ist sie als „sonstige Niederlassung“, dem eigentlich maßgeblichen Oberbegriff von Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO,565 zu berücksichtigen.566 Diese Umgehung des lediglich auf die Hauptverwaltung von juristischen Personen abstellenden Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Rom I-VO ist deshalb gerechtfertigt, weil dadurch der Vorhersehbarkeit für die Parteien bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts Rechnung getragen wird.567 In erster Linie ist Art. 19 Abs. 2 Rom IVO jedoch für die Fälle geschaffen worden, in denen Zweigniederlassungen am Vertrag beteiligt sind, die gerade anstelle der Hauptniederlassung handeln. Dann ist für den Absender mitunter unklar, wo sich die Hauptverwaltung bzw. -niederlassung der juristischen Person befindet, sodass er auch nicht mit der Anwendung dieser Rechtsordnung rechnet.568 (2) Beteiligung mehrerer Niederlassungen am Vertrag Es stellt sich allerdings die Frage, wie der gewöhnliche Aufenthalt zu bestimmen ist, wenn mehrere Niederlassungen einer Partei am Vertrag beteiligt EuGH, 22.11.1979 – Rs. C-33/78 [Somafer], Slg. 1978, 2183 = RIW 1979, 56 Rn. 12. Vgl. zu letzterem MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl. 2006, Art. 28 EGBGB Rn. 54. Nach Art. 4 Abs. 2 S. 2 EVÜ wurde nur dann auf eine andere als die Hauptniederlassung abgestellt, wenn die Leistung nach dem Vertrag von dieser „zu erbringen“ war. 565 Mankowski, IHR 2008, 133 (140). Das wird aus der Aufzählung von Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO deutlich, vgl. Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 16. 566 In diese Richtung ebenfalls MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (335). 567 Dieser Gedanke liegt der Bestimmung des Art. 19 Rom I-VO zu Grunde, vgl. Erwägungsgrund (39) Rom I-VO. 568 Vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 19 Rom I-VO Rn. 15. 563 564

192

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

sind. So ist denkbar, dass der Güterbeförderungsvertrag im Rahmen des Betriebs einer Niederlassung geschlossen, aber von einer woanders ansässigen Niederlassung erfüllt wird. Schließt etwa die deutsche Niederlassung eines Logistikunternehmens einen Güterbeförderungsvertrag mit einem deutschen Absender über den Straßentransport von zwei Containern von Lyon nach Madrid, mit dem laut Vertrag die französische Niederlassung betraut werden soll, ist unklar, auf welche dieser Niederlassungen des Beförderers es für dessen gewöhnlichen Aufenthalt ankommt. Dasselbe Problem würde sich indes stellen, falls gemäß dem Vertrag mehrere Niederlassungen für die Erfüllung verantwortlich sein sollten.569 Denkbar wäre, im Rahmen von Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO insoweit auf die (sonstige) Niederlassung abzustellen, die am engsten mit dem Vertragsverhältnis verbunden ist, in der also weitere Anknüpfungsmomente belegen sind, z. B. der gewöhnliche Aufenthalt der anderen Vertragspartei.570 Mag dies für andere Kollisionsnormen, die allein auf den gewöhnlichen Aufenthalt der charakteristisch leistenden Partei abstellen, durchaus interessengerecht sein, erscheint dies jedoch im Hinblick auf die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO unpassend: Im Rahmen der dortigen objektiven Anknüpfung wird das Prinzip der engsten Verbindung schließlich dadurch berücksichtigt, dass zu dem gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers ein weiteres Anknüpfungsmoment hinzutreten muss.571 Eine diesbezügliche Abwägung bereits auf der Ebene der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts würde dieses System in gewisser Weise konterkarieren.572 Zudem wäre dadurch der Vorhersehbarkeit für die Parteien, die durch eine eindeutige Definition durch Art. 19 Rom I-VO gerade verbessert werden soll,573 nicht gedient.574 Statt einer Suche nach der engsten Darauf schon im Rahmen von Art. 4 Abs. 2 S. 2 EVÜ hinweisend Staudinger/ Magnus (2002), Art. 28 EGBGB Rn. 90. Die dort vorgeschlagene Lösung über eine objektive Vertragsspaltung ist allerdings im Rahmen der Rom I-Verordnung nicht mehr möglich (siehe oben B.I.2.b)bb)). 570 Vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 19 Rom I-VO Rn. 6, nach dem es auch im Rahmen von Art. 19 Rom I-VO darum gehe, die engste Verbindung des Vertragsverhältnisses zu ermitteln. 571 Siehe oben E.I.vor 1. 572 Systematisch besteht ein grundlegender Unterschied zwischen der Regelung in Art. 4 Abs. 2 EVÜ und Art. 19 Rom I-VO: Bei ersterem handelte es sich um eine zentrale Kollisionsregel, die direkt das anwendbare Recht bestimmte und das Prinzip der engsten Verbindung manifestierte. Dagegen ist Art. 19 Rom I-VO lediglich eine Hilfsbestimmung (im dritten Kapitel der Verordnung), die die Anwendung der einheitlichen Kollisionsnormen der Rom I-Verordnung erleichtern und damit primär die Rechtssicherheit erhöhen soll. Die eigentlichen kollisionsrechtlichen Wertungsentscheidungen werden im zweiten Kapitel der Rom I-Verordnung getroffen. 573 Vgl. Erwägungsgrund (39) S. 1 Rom I-VO. 574 Bei einer Abwägung könnten leicht Unklarheiten bestehen bleiben. So wäre in dem gebildeten Beispielsfall sowohl eine substantiierte Verbindung für die französische Nieder569

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

193

Verbindung ist bei mehreren in den Vertrag involvierten Niederlassungen schlicht von einer Anwendung von Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO abzusehen. Die Sonderregel ist schließlich nur für den Fall konzipiert, dass sich eine mit dem Vertrag besonders verbundene Niederlassung genau ausmachen lässt, sodass der Vertragspartner mit deren Anwendung rechnen kann. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit ist in diesem Fall für den gewöhnlichen Aufenthalt auf die allgemeinen Regeln von Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO, sprich auf die Hauptverwaltung bzw. -niederlassung, abzustellen. 2. Zusammentreffen mit weiteren Anknüpfungsmomenten Nachdem der gewöhnliche Aufenthalt des Beförderers identifiziert worden ist, muss im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO – wie bereits im Rahmen der Vorgängerregelung des Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ – geprüft werden, ob sich „in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet“. Nur wenn eine dieser Alternativen gegeben ist, tritt die Rechtsfolge der Verweisungsnorm ein und der Güterbeförderungsvertrag wird an das Recht des gewöhnlichen Befördereraufenthalts angeknüpft. a) Funktion des zusätzlichen Erfordernisses Damit kombiniert die Kollisionsregel letztlich das Prinzip der charakteristischen Leistung (Maßgeblichkeit des Aufenthaltsrechts des Beförderers als der charakteristisch leistenden Partei) mit dem Prinzip des engen Zusammenhangs (Vorliegen einer Kumulation von Anknüpfungsmomenten). 575 Innerhalb der im letzten Halbsatz von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO getroffenen Aufzählung von Anknüpfungsmomenten ist indes keinerlei Hierarchie auszumachen.576 Ausreichend ist allein, dass (irgend)eines dieser Kriterien mit dem gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers zusammenfällt. Selbst wenn die beiden nicht mit dem gewöhnlichen Aufenthalt zusammenfallenden Anknüpfungsmomente ihrerseits im selben Staat belegen sind, ist dies für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO unschädlich. Das macht deutlich, dass im Rahmen der primären objektiven Anknüpfungsregel für Güterbeförderungsverträge von einem Prinzip der engen Verbindung gesprochen werden kann, in Abgrenzung zur engsten Verbindung, auf die es gerade nicht lassung, wo auch der Übernahmeort belegen ist, als auch für die deutsche Niederlassung, wo der andere Vertragspartner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gegeben. 575 Damit weicht die endgültige Regelung in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO entscheidend von dem von der Kommission in Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-V vorgeschlagenen Modell ab. Stattdessen hielt man diesbezüglich am System des EVÜ fest. Für Vignal, Droit international privé, 3. Aufl. 2014, S. 267 f. normiert Art. 5 Rom I-VO daher eine Ausnahme vom Prinzip der charakteristischen Leistung. 576 Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (761) Rn. 30.

194

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

ankommt. Die Häufung von Anknüpfungsmomenten soll dabei sicherstellen, dass der Bezug des Sachverhalts zum anwendbaren Recht nicht zufällig, sondern substantiell ist.577 Erst wenn dies gegeben ist, kann dem Vertragspartner des Beförderers die Anwendung von dessen Heimatrecht „zugemutet“ werden.578 Diese Einschränkung ist im Rahmen der Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge deshalb vonnöten, weil bei internationalen Transportgeschäften der gewöhnliche Aufenthalt des Beförderers sehr häufig keine objektive Verbindung zum Vertrag aufweist.579 b) Übernahme- oder Ablieferungsort Eine solche besteht dagegen in der Regel mit dem Ort, an dem der Vertrag realisiert und die charakteristische Leistung erbracht wird. Dort manifestiert sich das grundsätzlich unkörperliche Rechtsverhältnis. Bei Beförderungsverträgen ist ein einheitlicher Erfüllungsort allerdings nur schwer zu bestimmen, weil die geschuldete Dienstleistung mobil und nur schwer zu lokalisieren ist.580 Bei einer Beförderung ist deshalb davon auszugehen, dass diese – sozusagen als Kontinuum581 – zwischen Start- und Ankunftsort erfüllt wird. So argumentierte zumindest der Europäische Gerichtshof in seinem RehderUrteil, laut dem der Ausgangs- und der Bestimmungsort die einzigen Orte seien, die unmittelbar mit der vertraglich zu erbringenden Beförderungsdienstleistung verbunden sind.582 Folglich weisen diese Orte einen engen 577 Wagner, TranspR 2008, 221 (223); Neufang, Internationales Privat- und Prozessrecht für den Fachanwalt im Speditions- und Transportwesen, 2. Aufl. 2011, S. 43. So schon die Begründung zu Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ im Giuliano/Lagarde-Bericht, BT-Drs. 10/503, S. 53 f. Dies geht auch aus den Materialien zum Erlass von Art. 5 Rom I-VO hervor. So wird im Vermerk der deutschen Delegation für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 27.9.2006, Dok. 13035/06 JUSTCIV 196 CODEC 948, S. 5 hinsichtlich der starren Anknüpfung an den Befördereraufenthalt in Art. 4 lit. c Rom I-VO-V kritisch angemerkt, dass der Sitz der Hauptverwaltung des Beförderers oft weit entfernt vom Verlade- bzw. Bestimmungsort selbst liegt. 578 So zur Vorgängerregelung Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 94. Nach diesem ergibt sich die Zumutbarkeit der Anwendung des Befördererrechts daraus, dass der Vertragspartner selbst einen Bezug zu dieser Rechtsordnung hergestellt hat. Entweder, im Fall des Abgangs- oder Bestimmungsort, weil der Absender diese Orte selbst bestimmt oder Kenntnis von ihnen hat, oder weil seine Niederlassung ebenfalls in dieser Rechtsordnung liegt. 579 Rammeloo, IPRax 2010, 215 (217). Siehe auch oben B.III.3.c). 580 Legros, RD transp. 2/2009, 12 (15). 581 Rauscher, NJW 2010, 2251 (2253). 582 EuGH, 9.7.2009 – Rs. C-204/08 [Rehder], Slg. 2009, I-6076 = NJW 2009, 2801 = EuZW 2009, 569 Anm. Leible, Rn. 39 ff. Diese Feststellungen traf der EuGH zwar ausdrücklich nur für die Personenbeförderung mit dem Flugzeug. Sie sind jedoch auf alle Beförderungsverträge übertragbar, siehe Mankowski, Neues aus Europa, Rn. 21 und vgl. auch EuGH, Rs. C-157/13 (1. Kapitel Fn. 216), RdTW 2014, 406 Rn. 40 f. Bei Güterbe-

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

195

Bezug zu dem Beförderungsvertrag als solchen auf.583 Dieser Gedanke liegt auch der Verweisungsregel in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO zugrunde, sofern diese für die notwendige Konzentration von Anknüpfungsmomenten (abgesehen vom Absenderaufenthalt) auf den „Übernahmeort“ (place of receipt; lieu de chargement) und den „Ablieferungsort“ (place of delivery; lieu de livraison) abstellt. aa) Geänderte Begrifflichkeiten gegenüber dem EVÜ Damit folgt Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO im Grunde der Regelung in Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ. Bei einem Vergleich der beiden Vorschriften fällt jedoch auf, dass die im supranationalen IPR verwendeten Begriffe von denen des Römer Schuldvertragsübereinkommens abweichen, wo noch von „Verladeort“ bzw. „Entladeort“ die Rede war. Konkrete Folgen für die Anwendung der Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge sind aus dieser sprachlichen Änderung, die sich auch in anderen Sprachfassungen vollzog,584 wohl aber nicht abzuleiten.585 Wahrscheinlich wurden die neuen Begriffe vom europäischen Gesetzgeber als klarer und eindeutiger erachtet und sollen die Rechtsanwendung vereinfachen.586 Immerhin steht nunmehr für solche Beförderungen, bei denen das Frachtgut umgeladen wird, fest, dass es im Rahförderungsverträgen kann der vertragliche Fokus dagegen durchaus auch auf anderen Dienstleistungen, wie z. B. Lagerung, Obhut, etc., liegen, sodass möglicherweise auch andere Orte eine enge Verbindung zu dem Vertrag aufweisen. Zweifelsohne ist aber auch die Güterbeförderung eng mit dem Ausgangs- und Bestimmungsort verbunden. 583 Vgl. EuGH (Fn. 582) Rn. 44. 584 Beispielsweise wurde im Englischen aus place of loading und place of discharge unter der Rom I-Verordnung place of receipt und place of delivery. Im Italienischen wandelte sich die Formulierung von luogo di carico o di scarico zu luogo di ricerzione o di consegna; im Spanischen von lugar de carga o de descarga zu lugar de recepción bzw. lugar de entrega. Auf Holländisch sprach das EVÜ von plaats van de inlading of lossing wohingegen die Rom I-Verordnung plaats van ontvangst bzw. plaats van aflevering nennt. Im Französischen wurde von Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ dagegen lediglich der Bestimmungsort von lieu de déchargement zu lieu de livraison umformuliert. Das lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass mit der Novellierung der Begriffe eine inhaltliche Änderung einher gehen sollte. 585 Ebenso Plender/Wilderspin, Rn. 8-023; Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 22. 586 Vgl. Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-70). So hält Legros, RD transp. 2/ 2009, 12 (15) den neuen Begriff im französischen Wortlaut für aussagekräftiger. Hoeks, S. 452 sieht die neuen Begrifflichkeiten als Referenz an das internationale Einheitstransportrecht. Kritisch in Bezug auf die deutsche Formulierung der Rom I-Verordnung äußert sich aber Mankowski, TranspR 2008, 339 (346), der die transportrechtlichen Begriffe „Abgangs-“ und „Bestimmungsort“ bevorzugt hätte. Allerdings existieren die in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO verwendeten Begriffe auch im deutschen Frachtrecht, vgl. § 408 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HGB (Übernahme- bzw. Ablieferungsstelle).

196

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

men von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den letzten Entladeort, nämlich den Ablieferungsort, ankommt.587 Dies ist etwa für multimodale Transporte oder so genannte Durchbeförderungen relevant, wo die Beförderung in mehreren Abschnitten mittels verschieden- bzw. gleichartiger Transportmittel erfolgt.588 bb) Maßgeblichkeit der Parteivereinbarung auch in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO Fraglich dagegen ist, ob es für Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den vertraglich vereinbarten oder den tatsächlichen Übernahme- bzw. Ablieferungsort ankommt, für den Fall, dass der Beförderer von der vertraglichen Festlegung eigenmächtig abweicht. 589 Da im Rahmen der subsidiären Kollisionsregel des S. 2 ausdrücklich auf den „vereinbarten“ Ablieferungsort abgestellt wird, könnte dies im Umkehrschluss bedeuten, dass für S. 1, der diese Ergänzung nicht enthält, der tatsächliche Übernahme- und Ablieferungsort maßgeblich ist. Dafür würde sprechen, dass es sich dabei um Kriterien innerhalb der objektiven, und damit vom Parteiwillen unabhängigen, Anknüpfung handelt.590 Dieser Ansicht ist allerdings nicht zu folgen. Auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO kommt es auf den vertraglichen Übernahme- bzw. Ablieferungsort an.591 (1) Historische Auslegung: Vertragliche Vereinbarung auch in Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ entscheidend So kann das letztgenannte Argument bereits mit Blick auf die subsidiäre Regel in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO entkräftet werden: Daraus geht hervor, dass in der Rom I-Verordnung auch für die objektive Anknüpfung grundsätzlich auf ein vom Parteiwillen abhängiges Anknüpfungsmoment abgestellt werden kann, in diesem Fall auf den vereinbarten Ablieferungsort. Zudem war dieser Grundsatz bereits im EVÜ anerkannt, wo es – wie aus dem Giuliano/Lagarde-Bericht deutlich wird – bei der objektiven Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 4 S. 2 ebenfalls auf den vertraglichen Verlade- bzw. Entladeort

Vgl. Legros, RD transp. 2/2009, 12 (15). Vgl. Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (26) Rn. 45 f. 589 Denn in diesem Fall fallen die vertraglich vereinbarten und die tatsächlichen Orte auseinander. 590 So die Argumentation von Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (762). 591 Ebenso Mankowski, TranspR 2008, 339 (346 f.); Plender/Wilderspin, Rn. 8-024; Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (24); Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 41; Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 23; Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (471); Rudolf, ÖJZ 2011, 149 (154). Unentschieden MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 21; PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2. 587 588

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

197

ankommen sollte.592 Vor allem dieser historische Aspekt spricht letztlich dafür, auch im Rahmen des im Wortlaut kaum veränderten Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO von der Maßgeblichkeit des vertraglich vereinbarten Ortes auszugehen.593 Eine diesbezügliche Änderungsabsicht des Verordnungsgebers ist aus den Materialien zur Rom I-Verordnung nicht zu entnehmen.594 Dass in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO ausdrücklich auf den vertraglichen Ort abgestellt wird, ist wohl eher als Klarstellung aufzufassen, die anlässlich der Einführung der neuen sekundären Anknüpfungsregel getroffen wurde. Ein Umkehrschluss für S. 1 ist daraus nicht herzuleiten.595 Vielmehr ist der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Rom I-VO genannte Ablieferungsort konzeptionell gleich zu verstehen.596 (2) Teleologische Auslegung Für diese Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO sprechen zudem weitere systematische Argumente: So stellt Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO sowohl hinsichtlich des Beförderer- als auch des Absenderbegriffs auf den jeweiligen Vertrag ab. Insofern scheint es folgerichtig, auch hinsichtlich der anderen Anknüpfungsmomente von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den konkreten Vertrag abzustellen.597 Dafür spricht zudem die bessere Vorhersehbarkeit und infolgedessen die höhere Rechtssicherheit für die Parteien. Beides sind Ziele, die der Verordnungsgeber für die Anwendung der Rom I-Verordnung ausdrücklich vorgegeben hat598 und die insbesondere die Vorschrift des Art. 5 So Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 54. Siehe auch die weiteren Nachweise zum EVÜ bei Mankowski, TranspR 2008, 339 (346). 593 Zur Entwicklung des europäischen Güterbeförderungsvertragskollisionsrechts siehe oben A.I. 594 Zu dem gleichen Urteil kommt Mankowski, TranspR 2008, 339 (346 f.). Allerdings ist dessen Rückgriff auf Erwägungsgrund (22) S. 1 Rom I-VO nicht überzeugend: Denn dieser bezieht sich nicht auf die Auslegung der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge schlechthin, sondern ausschließlich auf den Begriff des „Güterbeförderungsvertrags“ und damit auf den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO (siehe oben Fn. 114). 595 A.A. Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 32; Hk-BGB/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 9. 596 Ebenso Plender/Wilderspin, Rn. 8-025; Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (65 f.) Rn. 3.45. Laut Mankowski, TranspR 2008, 339 (347) würde alles andere „der Rechtfertigung harren“. 597 Mankowski, TranspR 2008, 339 (346 f.). 598 Siehe nur Erwägungsgrund (39) Rom I-VO für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts. Dem trägt insbesondere die Regelung in Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO Rechnung, der für den gewöhnlichen Aufenthalt auf die am Vertrag beteiligte Niederlassung abstellt (siehe oben E.I.1.b)cc)). Überdies kommt es in dessen zweiter Alternative ebenfalls auf die „gemäß dem Vertrag“ für die Erfüllung beauftragte Zweigniederlassung an. Die Rechtssicherheit wird in den verschiedenen Rechtsgebieten des IPR unterschiedlich stark bewertet. 592

198

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

verwirklichen soll.599 Denn die vertraglich vereinbarten Orte sind in der Regel leicht bestimmbar, ergeben sie sich schließlich eindeutig aus den jeweiligen Transportdokumenten.600 Käme es für Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO dagegen auf die tatsächlichen Orte an, so könnte der Beförderer einseitig die objektive Anknüpfung des Vertrages beeinflussen, indem er zum Beispiel das Gut in einem anderen als dem vereinbarten Staat abliefert. Ein weiteres Indiz für die Berücksichtigung des vertraglichen Übernahme- bzw. Ablieferungsorts im Zuge von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ist die Rechtslage im verwandten Internationalen Zivilprozessrecht:601 Dort ist im Zuge der Bestimmung des für eine vertragliche Streitigkeit international zuständigen Gerichts nach der autonomen Definition des Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ebenfalls der vertraglich vereinbarte Erfüllungsort maßgeblich.602 Nach dessen Vorbild sollte es bei etwaiger Nichtdurchführung des Beförderungsvertrages ebenfalls auf die Orte ankommen, an denen die Übernahme bzw. die Ablieferung nach der Vereinbarung hätte stattfinden sollen. Zur Begründung der hier vertretenen Auslegung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO lässt sich dagegen nicht Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO anführen.603 Zwar verweist dieser für den gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls auf den Vertragsschluss, allerdings ausschließlich in zeitlicher Hinsicht zur Bestimmung des Beurteilungszeitpunkts.604 Die eigentliche Begriffsausfüllung des gewöhnlichen Aufenthalts durch Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO erfolgt schließlich anhand tatsächlicher Kriterien.605 (3) Beurteilungszeitpunkt Wird im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den vereinbarten Übernahme- bzw. Ablieferungsort abgestellt, bedeutet das letztlich, dass diese Anknüpfungsmomente von dem Willen der Vertragsparteien abhängig sind. Eine Willensänderung der Parteien kann somit dazu führen, dass die im Im Bereich des Schuldrechts hat diese jedenfalls einen hohen Stellenwert, vgl. Kropholler, IPR, S. 30 f. 599 Siehe oben A.II.1. 600 Vgl. Legros, RD transp. 2/2009, 12 (15); Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2587. 601 Zum Auslegungszusammenhang zwischen Rom I-Verordnung und EuGVVO siehe oben § 5 – B.I. 602 Für die Dienstleistungsverträge, wie auch Güterbeförderungsverträge welche sind (siehe oben B.I.3.a)), legt dies Art. 7 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich EuGVVO fest, dazu etwa EuGH, 11.3.2010 – Rs. C-19/09 [Wood Floor], Slg 2010, I-2121 = EuZW 2010, 378 Anm. Leible. 603 So aber Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (24) Rn. 31. 604 Siehe sogleich der folgende Abschnitt. 605 Siehe oben E.I.1.b). Allerdings kommt an anderer Stelle von Art. 19 Rom I-VO, nämlich in Abs. 2, das allgemeine Prinzip der Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts zum Ausdruck, welches, wie gezeigt, im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ebenfalls für Maßgeblichkeit der vertraglichen Orte spricht.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

199

Vertrag genannten Orte nachträglich geändert werden.606 Dementsprechend wird vertreten, dass es dann auch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom IVO auf die spätere Vereinbarung der Parteien ankomme.607 Dagegen spricht allerdings, dass im Rahmen von Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ für den Verlade- und Entladeort der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend war.608 Davon, dass dies auch in der Rom I-Verordnung gelten soll, zeugt Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO, wonach es auch im Rahmen der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts auf Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt. 609 Zwar wird durch Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO vor allem eine einseitige Beeinflussung des anwendbaren Rechts verhindert,610 was bei bei einer nachträglichen Vereinbarung über den Übernahme- oder Bestimmungsort nicht droht, weil insoweit eine Einigung der Parteien vorläge. In der Praxis wird die nachträgliche Änderung vor allem des Bestimmungsortes eines Transports aber regelmäßig einseitig erfolgen, vor dem Hintergrund eines typischerweise eingreifenden, materiell-frachtrechtlichen Weisungsrechts des Absenders.611 Dem Beförderer wäre bei Befolgung dieses „Wunschs“ des Absenders wohl kaum bewusst, dass er damit die Veränderung eines international-privatrechtlichen Anknüpfungsmoments bewirken und infolgedessen möglicherweise das Statut seines Beförderungsvertrags ändern würde. Bei einer derartigen Änderung der Anknüpfungsmomente Übernahme- und Ablieferungsort könnte von einer Vorhersehbarkeit der Parteien hinsichtlich der Bestimmung des anwendbaren Rechts keine Rede mehr sein.612 Für die Vertragsschließenden ist es schließlich nicht zumutbar, dass nachträgliche Änderungen der Parameter der Beförderung, die im schnelllebigen Wirtschaftverkehr notwendig sind, sich auf das anwendbare Recht auswirken können. Dies würde zu einer ganz erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Daher ist für die Bestimmung des Übernahme-

Auch wenn man von der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Übernahme- bzw. Ablieferungsorts ausginge, wäre die Bestimmung der Orte von den Handlungen der Parteien und damit letztendlich von ihrem Willen abhängig. Allerdings wären die einmal lokalisierten Orte dann nicht mehr wandelbar. 607 Vgl. Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (24 f., 27); Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (471); Calliess/Schulze, Art. 5 Rome I Rn. 60. Laut MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 21 sollen einvernehmliche Änderungen möglich sein. 608 Siehe Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 54. Die Auslegung von Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ ist auch für Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ein sehr starkes Indiz, siehe oben E.I.vor 1. Allerdings wurde auch damals vertreten, dass einvernehmliche Änderungen der Orte möglich seien, vgl. Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 92, 436; MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl. 2006, Art. 28 EGBGB Rn. 79. 609 So Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (762). 610 Siehe oben E.I.1.b). 611 Ein solches sehen beispielsweise § 418 Abs. 1 S. 2 HGB; Art. 12 Abs. 1 S. 2 CMR; Art. 18 § 1 lit. d CIM vor. 612 Zu diesem Anspruch an die Verweisungsnormanwendung siehe oben E.I.2.b)bb)(2). 606

200

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

und Ablieferungsorts im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.613 cc) Übernahmeort Der jeweilige Übernahmeort im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ergibt sich folglich aus den Bestimmungen des Vertrages bzw. den danach ausgestellten Transportdokumenten. Dabei handelt es sich um den Ort, an dem laut Vertrag der Beförderer (oder die dafür von ihm beauftragte Person) den physischen Besitz an den Gütern erlangt. Das muss nicht notwendigerweise der Ort sein, an dem das Transportmittel beladen wird.614 Die Übernahme vollzieht sich vielmehr dort, wo gemäß der vertraglichen Vereinbarung die Obhut bzw. der Verantwortungsbereich des Beförderers für die Güter beginnt. Im Falle eines Unterfrachtvertrages kommt es diesbezüglich nicht auf den ursprünglichen Abgangsort (des Hauptfrachtvertrages), sondern auf den Ort an, an dem der Unterfrachtführer die Ware übernommen hat.615 An dem Übernahmevorgang muss im Übrigen nicht der Absender selbst, sondern kann auch ein Dritter beteiligt sein, an den der Absender das Frachtgut vorher übergeben hat, wie z. B. im Seerecht der Ablader, der die Ware an Bord des Schiffes liefert, oder der Containerterminalbetreiber. dd) Ablieferungsort Auch der Ablieferungsort im Sinne von Art. 5 Abs. 1 (S. 1 und 2)616 Rom IVO bestimmt sich nach der Vereinbarung zwischen Absender und Beförderer. Er befindet sich an dem Ort, an den der Beförderer die Güter nach dem Vertrag an den Empfänger oder den durch ihn Berechtigten auszuliefern hat.617 Als Spiegelbild zum Übernahmeort steht der Ablieferungsort dem Ort gleich, an dem die Verantwortung des Beförderers für das Frachtgut gemäß dem Güterbeförderungsvertrag endet.618 Dieser Ort kann auch durch Vertragsklauseln oder durch Incoterms näher konkretisiert werden.619 Besonders Ebenso Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (762) Rn. 31. Für den Fall, dass diese Orte zunächst offen bleiben, siehe unten E.IV.2. 614 Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (471). Allerdings werden der Ort der Beladung des Transportmittels und der Ort der Besitzerlangung selten in zwei verschiedenen Staaten liegen. 615 Vgl. insoweit zur CMR BGH NJW-RR 2014, 1064 = TranspR 2014, 370. 616 Der Begriff des Ablieferungsorts ist in Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 gleich zu verstehen, da es sich jeweils um den vertraglichen Ort handelt, siehe oben E.I.2.b)bb). 617 Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (471); Legros, RD transp. 2/2009, 12 (15). 618 Ob dies bei Bereitstellung oder erst bei der letztendlichen Abgabe der Güter der Fall ist (Frage aufgeworfen von Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (762)) entscheidet sich letztlich nach der von den Parteien getroffenen Vereinbarung. 619 Siehe EuGH, 9.6.2011 – Rs. C-87/10 [Electrosteel], EuZW 2011, 603 Anm. Leible = GWR 2011, 307 Anm. Zarth. Näher dazu Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 38. 613

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

201

wenn diese Parteivereinbarung keinen oder mehrere Ablieferungsorte vorsieht, können mitunter diesbezüglich Probleme im Zuge der objektiven Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auftreten.620 Im englisch- und französischsprachigen Schrifttum ist vereinzelt erwogen worden, den Begriff des Ablieferungsorts (place of delivery; lieu de livraison) aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO im Lichte der Color Drack-Entscheidung621 des EuGH zu interpretieren.622 Diese, mittlerweile durch das Car Trim-Urteil623 weiterentwickelte, Rechtsprechung des Gerichtshofs erhebt den Begriff des „Lieferorts“ zum selbständigen Anknüpfungskritierium im Rahmen von Art. 7 Nr. 1 lit. b erster Gedankenstrich EuGVVO,624 und definiert diesen letztendlich als den Ort, „der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen“625. In der englischen und französischen (place of delivery bzw. lieu de livraison) sowie weiteren Sprachfassungen der Urteile626 stimmt dieser im Grunde erst durch den EuGH geschaffene627 Begriff mit dem in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO verwendeten überein. Insofern liegt es nahe, diese durch die Rechtsprechung geschaffene Definition der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge zugrunde zu legen. Dennoch kann diese Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für die Ausfüllung des Ablieferungsortsbegriffs im Sinne der Rom I-Verordnung nicht herangezogen werden. Dafür sind bereits die terminologischen Unterschiede im Deutschen (Ablieferungsort im Gegensatz zu Lieferort) ein starkes Indiz, handelte es sich dabei doch in beiden Entscheidungen um die jeweilige Ver-

Siehe dazu unten E.IV. EuGH, 3.5.2007 – Rs. C-386/05 [Color Drack], Slg. 2009, I-6076 = EuZW 2007, 370 Anm. Leible/Reinert. 622 Vgl. Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (472) Fn. 56 und Francq, Clunet 136 (2009), 41 (61) Fn. 77. Offen dagegen McParland, Rn. 11.96. 623 EuGH, Rs. C-381/08 (Fn. 61), EuZW 2010, 301. 624 EuGH, Rs. C-386/05 (Fn. 621) Rn. 26 bzw. Rs. C-381/08 (Fn. 61) Rn. 50. 625 So der EuGH in Car Trim (Fn. 61) Rn. 62. Dieses objektive Kriterium kommt zur Bestimmung des Erfüllungsortsgerichtsstands des Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO jedoch nur dann zum Tragen, wenn die Parteien weder einen eigenständigen „Erfüllungsort“ des Vertrages vereinbart haben, noch spezielle Abmachungen (etwa durch die Geltung von Incoterms, siehe EuGH, Rs. C-87/10 [Fn. 619]) zum Lieferort bestehen. Dies stellt einen zweistufigen Vorbehalt zugunsten der Parteiautonomie dar, siehe Haas/Vogel, NZG 2011, 766 (767 f.). 626 So auch beispielsweise im Italienischen (luogo di consegna); Spanischen (lugar de entrega); Dänischen (leveringsstedet). 627 In Art. 7 Nr. 1 lit. b erster Gedankenstrich EuGVVO selbst ist von einem „Lieferort“ keine Rede. Darüber scheint sich der EuGH in Car Trim auch im Klaren zu sein, vgl. (Fn. 61) Rn. 51. 620 621

202

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

fahrenssprache.628 Überdies lassen sich solche Abweichungen auch in anderen Sprachen ausmachen.629 Davon abgesehen spricht zudem eine systematische Analyse entscheidend gegen eine Übertragung dieser Rechtsprechung: So wird der Begriff des „Lieferortes“ vom EuGH ausschließlich im Rahmen von Art. 7 Nr. 1 lit. b erster Gedankenstrich EuGVVO verwendet. Dieser regelt jedoch die autonome Definition des Erfüllungsorts für Verträge über den Kauf beweglicher Sachen, weshalb in der oben zitierten Entscheidung auch von „Käufer“ und „Verkaufsvorgang“ die Rede ist. Das vom EuGH als „Lieferort“ bezeichnete Anknüpfungsmoment ist daher prinzipiell für (Versendungs-)Kaufverträge konkretisiert worden. Bei Beförderungsverträgen handelt es sich hingegen um Dienstleistungsverträge.630 Für diese wird der Erfüllungsort in Art. 7 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich EuGVVO aber eigenständig definiert. Schon innerhalb des Regimes der EuGVVO ist der „Lieferort“ also nicht für Güterbeförderungsverträge maßgeblich. Darüber hinaus treten bei der Beurteilung der Anknüpfungskritierien Lieferort und Ablieferungsort deutliche Wertungsunterschiede zwischen internationalem Zivilverfahrens- und Privatrecht zutage. So betreffen die zu Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ergangenen Entscheidungen Zweifelsfragen im Hinblick auf den besonderen internationalen Gerichtsstand des Erfüllungsorts, der bei vertraglichen Streitigkeiten den grundsätzlichen Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten ergänzen soll.631 Auf den Erfüllungsort wird dabei deshalb abgestellt, weil dies dem Ziel der räumlichen Nähe entspricht und so eine enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht sichergestellt wird.632 Im Ergebnis ist es für die zivilprozessualen Zwecke aber auch ausreichend, wenn eine solche Verbindung zu mehreren Orten gleichzeitig gegeben ist, weil dann einfach mehrere Gerichtsstände wahlweise nebeneinander bestehen.633 Aufgrund dieser Prämisse müssen der Erfüllungsort und die zu dessen Konkretisierung von der EuGVVO angeführten Kriterien (wie der Lieferort) nicht zwingend endgültig bestimmt werden. 628 So kam in Color Drack (Fn. 621) das Vorabentscheidungsersuchen vom österreichischen OGH und in Car Trim (Fn. 61) vom deutschen BGH, siehe dessen Vorlagebeschluss in IPRspr. 2008, Nr. 112. 629 Namentlich im Niederländischen, wo Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO von plaats van aflevering spricht, der Begriff aus den Urteilen dagegen mit plaats van levering übersetzt wurde. Auch im Portugisischen besteht eine Diskrepanz insoweit, als in der Rom I-Verordnung von local de entrega und in den Entscheidungen von lugar de entrega die Rede ist. 630 Siehe oben B.I.3.a). 631 EuGH, Rs. C-19/09 (Fn. 602) Rn. 22 m. w. N. 632 EuGH, Rs. C-19/09 (Fn. 602) Rn. 22. Damit ist auch im Rahmen der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit das Prinzip der engsten Verbindung bedeutsam. 633 So das Ergebnis im Color Drack-Urteil (Fn. 621) Rn. 42, auch wenn dies zunächst nur für den Fall gilt, dass mehrere Lieferorte in demselben Mitgliedstaaten liegen und insoweit einer Entscheidung für den Fall nicht vorgegriffen werden sollte, dass mehrere Lieferorte in verschiedenen Mitgliedstaaten gegeben sind, vgl. Rn. 16.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

203

Bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts kommt es hingegen darauf an, genau eine auf den Vertrag anwendbare Rechtsordnung zu finden. Deshalb müssen die einzelnen Anknüpfungsmerkmale im IPR im Allgemeinen und in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO im Besonderen in der Regel genau fixiert werden.634 Die Ausgangslage für die Beurteilung von Anknüpfungskriterien im IPR und IZVR ist folglich grundverschieden. Aus diesem und den zuvor genannten Gründen kann der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO genannte kollisionsrechtliche Begriff des „Ablieferungsortes“ nicht wie der zivilprozessuale Begriff des „Lieferortes“ definiert werden, sondern bestimmt sich nach den eingangs genannten Kriterien. c) Gewöhnlicher Aufenthalt des Absenders Neben dem Übernahme- und Ablieferungsort nennt Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom IVO den gewöhnlichen Aufenthalt des Absenders als weiteres mögliches, kumulatives Anknüpfungsmerkmal. aa) Person des Absenders Nach alter Rechtslage war die genaue Person des Absenders im Sinne von Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ bzw. 28 Abs. 4 S. 2 EGBGB umstritten. Grund dafür war ein Passus des Giuliano/Lagarde-Berichts, wonach darunter „alle Personen, die dem Beförderer die Güter zuliefern (afzender, aflader, verzender, mittente, caricatore usw.)“ zu verstehen seien.635 Unter Berufung auf diese Definition wurde auch derjenige als Absender angesehen, der dem Beförderer die Güter lediglich faktisch überbrachte.636 Nach der wohl überwiegend vertretenen Auffassung war eine solche Person dagegen nur erfasst, wenn sie zugleich als Vertragspartner anzusehen war.637 Durch die Rom I-Verordnung scheint diese Unklarheit im Absenderbegriff im Sinne der herrschenden Meinung beseitigt worden zu sein: So soll nunmehr nach Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO „der Begriff ‚Absender‛ eine Person bezeichnen, die mit dem Beförderer einen Beförderungsvertrags abschließt“. Die vom Absender möglicherweise mit der Zulieferung betrauten Personen haben danach für die

Diese Funktion kommt dem Ablieferungsort vor allem in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom IVO zu, wo er das exklusive Anknüpfungsmerkmal ist. Da in S. 1 und 2 der Ablieferungsortbegriff identisch ist (siehe unten E.II.), muss bereits im Rahmen von S. 1 der Ablieferungsort genau eine einzige Rechtsordnung bezeichnen. 635 Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 54. 636 Dafür Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 436. 637 MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl. 2006, Art. 28 EGBGB Rn. 80; Staudinger/ Magnus (2002), Art. 28 EGBGB Rn. 28; umfassende Begründung bei Mankowski, S. 64 f. m. w. N. 634

204

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

objektive Anknüpfung in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO keine Bedeutung.638 Dafür ist allein der Vertragspartner des Beförderers maßgeblich. Diese Lösung ist auch unter dem Aspekt der kollisionsrechtlichen Vorhersehbarkeit gerechtfertigt. Würde für die objektive Anknüpfung auf den ihm möglicherweise unbekannten Zulieferer abgestellt werden, wäre für den Beförderer die Bestimmung des auf den Güterbeförderungsvertrag anwendbaren Rechts unvorhersehbar.639 Im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO kommt es demzufolge lediglich auf den Absender als Vertragspartner des Beförderers an. Sofern dieser nicht zugleich Empfänger der beförderten Güter ist, wird an dem Transportvorgang in der Regel ein Dritter beteiligt sein. Über dessen rechtliche Stellung entscheidet die auf den Güterbeförderungsvertrag anwendbare Rechtsordnung. Selbst wenn das materielle Recht besondere vertragliche Rechte des Empfängers vorsehen sollte,640 spielt die Person des Empfängers für die vorgeschaltete kollisionsrechtliche Anknüpfung des Güterbeförderungsvertrags keine Rolle. bb) Unklarheit von Art. 19 Abs. 2 Alt. 2 Rom I-VO im Hinblick auf den gewöhnlichen Absenderaufenthalt Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der als Absender identifizierten Person richtet sich nach Art. 19 Rom I-VO.641 Bei der Anwendung dieser Vorschrift auf den Absender in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ergibt sich jedoch eine Besonderheit: Da nicht der Absender, sondern der Beförderer für die Erfüllung der charakteristischen Leistung des Güterbeförderungsvertrags verantwortlich ist, ist die Bedeutung von Art. 19 Abs. 2 Alt. 2 Rom I-VO, laut dem der gewöhnliche Aufenthalt der den Vertrag erfüllenden Niederlassung folgt, bezüglich der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des gerade nicht befördernden Absenders unklar. So ist fraglich, was im Hinblick auf den Absender mit „Erfüllung des Vertrages“ gemeint ist. So könnte dies dahingehend verstanden werden, dass es insoweit auf die Niederlassung ankommt, die an der Durchführung der Beförderung beteiligt ist, indem sie die So namentlich für den seefrachtrechtlichen Ablader Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (24) Rn. 30; Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2583; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 23. 639 So schon zu Art. 28 Abs. 4 S. 2 EGBGB Mankowski, S. 65. 640 So ist etwa der deutsche Frachtvertrag im Sinne des § 407 HGB wegen der Empfängerrechte in § 418 Abs. 2 S. 2 und § 421 Abs. 1 HGB als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet (zur Rechtsnatur des Frachtvertrags vgl. MünchKommHGB/Thume, § 407 Rn. 90 ff.). Dagegen kannte beispielsweise das englische Recht dieses Rechtsinstitut bis zum Erlass des Contracts (Rights of Third Parties) Act aus dem Jahr 1999 nicht, siehe dazu Rösch, Vertragliche Ansprüche Dritter in England und Deutschland, 2006. 641 Siehe dazu oben E.I.1.b). 638

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

205

Güter dem Beförderer bereitstellt bzw. anliefert. Andererseits könnte damit aber auch die Niederlassung gemeint sein, die die Gegenleistung erbringt. Die Ursache für diese Unklarheit liegt darin, dass die zweite Alternative von Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO auf Art. 4 Abs. 2 S. 2 EVÜ beruht,642 welcher ausschließlich auf den charakteristisch leistenden Schuldner ausgelegt war. In der Rom I-Verordnung wurde die darin enthaltene Regel abstrahiert, welche nun über Art. 19 Rom I-VO allgemein für alle Normen der Rom I-Verordnung anwendbar ist. Von diesen weist Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO allerdings dahingehend eine Besonderheit auf, dass er das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts nicht nur für den Schuldner, sondern auch für den Gläubiger der charakteristischen Leistung des Vertrages, den Absender, verwendet. Dies war im Übrigen auch schon unter Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ der Fall, allerdings war auf diesen die Vermutung des Art. 4 Abs. 2 EVÜ wegen Art. 4 Abs. 4 S. 1 EVÜ nicht anwendbar, weshalb im Schuldvertragsübereinkommen kein Problem auftreten konnte. Vor diesem Hintergrund erscheint die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Alt. 2 Rom I-VO im Hinblick auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Absenders im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO als Redaktionsversehen. Da diese spezielle Alternative des Art. 19 Rom I-VO hinsichtlich des Begünstigten der charakteristischen Leistung unpassend ist, sollte sie in Bezug auf den Absender unberücksichtigt bleiben und nicht angewendet werden. II. Die sekundäre Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO: Recht des vertraglichen Ablieferungsortes Sofern der gewöhnliche Aufenthalt des Beförderers nicht, wie von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO gefordert, mit weiteren Anknüpfungsmomenten zusammen trifft, kommt die subsidiäre Verweisungsnorm des S. 2 zum Tragen. Trotz ihres Nachranges ist diese Vorschrift von nicht unbedeutender praktischer Relevanz, da die von S. 1 geforderte Kumulation der Anknüpfungsmomente häufig nicht vorliegt.643 Entsprechend schlug sich Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO bereits in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nieder.644 Werden jedoch auf Seiten des Beförderers sowie auf Seiten des Absenders Zweigniederlassungen tätig, haben beide Vertragsparteien infolge von Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO645 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im gleichen Staat, sodass das Kumulationserfordernis von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO gegeben ist. Siehe oben E.I.1.b)cc). Siehe Legros (Fn. 121) 188 m. w. N. 644 OGH TranspR 2013, 344: Auf einen zwischen einem in Österreich ansässigen Beförderer und einer deutschen Absenderin über den Transport eines Windradrotorblatts von Dänemark nach Italien geschlossenen Frachtvertrag fand in Ergänzung der CMR italienisches Recht Anwendung. 645 Siehe oben E.I.1.b)cc). 642 643

206

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Wenn dem jedoch nicht so ist, ist nach der sekundären Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm auf den Vertrag das Recht des Staates des von den Parteien vereinbarten Ablieferungsorts anzuwenden. Damit hat der europäische Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO das Prinzip der charakteristischen Leistung durchbrochen.646 Ebenso steht das Prinzip der engsten Verbindung im Rahmen dieser Vorschrift nicht mehr im Vordergrund.647 Auch wenn man dies in gewisser Weise als „Systembruch“ bezeichnen könnte,648 ist die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO vorgegebene hilfsweise Anknüpfung für Güterbeförderungsverträge angemessen. Schließlich werden durch die einfache Lösung die Interessen der Parteien ausreichend berücksichtigt.649 So ist das in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO verwendete Anknüpfungskriterium für diese gut vorhersehbar,650 weil sich der Ablieferungsort zumeist eindeutig aus dem Vertrag und nicht zuletzt aus den Transportdokumenten ergibt.651 Deshalb ist eine darauf beruhende international-privatrechtliche Zuordnung des Vertrages den Parteien zumutbar. Weiterhin weist der Ablieferungsort eine substantielle Verbindung zu dem Vertrag auf, schließlich vollzieht sich die Erfüllung der vertraglichen Pflichten (unter anderem) an diesem Ort.652 Hinzukommt, dass diese Lösung auch die prozessrechtlichen Rahmenbedingungen aufgreift: So werden die Parteien oftmals am Ablieferungsort prozessieren, wo sich regelmäßig auch die transportierte Ware befindet, die dort auf transportbedingte Schädigungen untersucht werden kann.653 Insoweit entsteht durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO ein Gleichlauf von anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit.654 646 Mankowski, TranspR 2008, 339 (347). Die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO normierte Verweisungsregel ist erst im Zuge der Verhandlungen im Rat entwickelt worden und wurde erstmals im Vermerk der deutschen Delegation für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 27.9.2006, Dok. 13035/06 JUSTCIV 196 CODEC 948, S. 5 erwogen. 647 Vgl. Legros, RD transp. 2/2009, 12 (15); Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I70). Dies offenbar verkennend Vyvers, NZV 2013, 224 (225). Allerdings ist insoweit anzumerken, dass der Ablieferungsort, als Bestandteil des zweigliedrigen Erfüllungsortes der beförderungsvertraglichen Verpflichtung (siehe oben E.I.2.b)), eine enge Verbindung zum Vertrag aufweist. 648 Mankowksi, TranspR 2008, 336 (352); ders., EuZ 2009, 2 (6). Sich diesem anschließend Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 45. 649 Vgl. Corneloup, J.C.P. 44/2008, 21 (25 f.). 650 Ebenso Martiny, GPR 2011, 48 (50); Kenfack, Clunet 136 (2009), 3 (25). 651 Delebecque, in: Scritti in onore di Francesco Berlingieri, 2010, S. 431 (438). Vgl. auch oben E.I.2.b)bb)(2). 652 Vgl. EuGH, Rs. C-204/08 (Fn. 582). 653 So auch die Einschätzung von Mankowski, TranspR 2008, 339 (347); Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (106); Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-70). Zur Frage der internationalen Zuständigkeit bei Beförderungsverträgen siehe nur Egler, Seeprivatrechtliche Streitigkeiten unter der EuGVVO, 2011, S. 15 ff. 654 Legros, RD transp. 2/2009, 12 (15) Rn. 12.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

207

Der Begriff des Ablieferungsorts ist in beiden Sätzen des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO deckungsgleich. Dabei ist immer der vertragliche Ort gemeint,655 sodass insoweit inhaltlich keine Unterschiede bestehen.656 Insbesondere kommt es auch in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO für den Ablieferungsort in zeitlicher Hinsicht auf den Moment des Vertragsschlusses an.657 Unabhängig von dieser begrifflichen Übereinstimmung differiert aber die Bedeutung des Anknüpfungskritieriums für die jeweilige Kollisionsregel erheblich. So stellt der Ablieferungsort in S. 1 lediglich eines von mehreren Kontrollmomenten dar, welches eine enge Verbindung des anwendbaren Rechts zum Sachverhalt gewährleisten soll.658 Dagegen ist in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO der Ablieferungsort als einziges Anknüpfungskriterium allein für die Bestimmung des Verweisungsziels maßgeblich. Etwaige Probleme bei seiner Lokalisierung wirken sich deshalb in der Sekundärregel besonders gravierend aus.659 III. Die Ausweichklausel des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO Als letzter Schritt bei der objektiven Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen ist Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO zu beachten. Dieser enthält eine besondere Ausweichklausel, laut der die zuvor durch Abs. 1 bestimmte Rechtsordnung außer Acht zu lassen und das Recht des Staates anzuwenden ist, welcher eine offensichtlich engere Verbindung zum Vertrag aufweist. Die Bestimmung stimmt im Wortlaut mit Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO überein und beruht auf dessen Grundkonzept.660 1. Wirkung Mit Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO wird dem Prinzip der engsten Verbindung auch für die Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen eine besondere Geltung verschafft. Die Ausweichklausel fungiert dabei als Korrektiv der eigentlichen Hauptanknüpfung.661 Bei ihrer Anwendung kommt es somit zur Kollision Siehe oben E.I.2.b)bb). Siehe deshalb zur Ausfüllung des Begriffs oben E.I.2.b)dd). 657 Siehe oben E.I.2.b)bb)(3). 658 Siehe oben E.I.2.a). 659 Siehe dazu unten E.IV. 660 Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1707); Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (626); NKBGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 25. Mit der Entscheidung der Rom I-Verordnung zur Beibehaltung von Ausweichklauseln und der Ausgliederung von Transportverträgen aus der allgemeinen Verweisungsnorm des Art. 4, musste auch eine besondere Ausweichklausel in Art. 5 geschaffen werden, näher dazu Mankowski, TranspR 2008, 339 (351). 661 Vgl. Magnus, IPRax 2010, 27 (38); Remien, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013, S. 223 (229). Dabei handelt es sich um den sogenannten sekundären Anwendungsbereich des Prinzips der engsten Verbindung. Der primäre Bereich, die Auffangfunktion für nicht durch spezielle Verweisungsnormen abgedeckte 655 656

208

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

zweier entscheidender Prinzipien: Die durch die Ausweichklausel verwirklichte Flexibilität und Einzelfallgerechtigkeit führen zu einer Verminderung der Rechtssicherheit, weil die eigentliche Anknüpfungsregel durchbrochen wird.662 Dies soll in der Rom I-Verordnung dadurch abgefedert werden, dass eine vorrangige engere Verbindung nunmehr „offensichtlich“ sein muss.663 Damit hat der europäische Gesetzgeber die Bedeutung der Ausweichklausel in der Rom I-Verordnung im Vergleich zum EVÜ deutlich reduziert.664 Im Rahmen des Römer Schuldvertragsübereinkommens bildete die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 ein Gegengewicht zu den jeweiligen Vermutungen, was laut EuGH dem mit der Sache befassten Richter erlauben sollte, in jeder Fallkonstellation das am engsten mit dem Vertrag verbundene Kriterium anzuwenden.665 Diese Grundsätze sind aber nicht auf die Rom I-Verordnung übertragbar, weil die Ausweichklausel darin restriktiver ausgestaltet worden ist.666 Außerdem ist das System der Vermutungen aus dem EVÜ nicht übernommen worden, sondern stattdessen bestehen nunmehr strikte Kollisionsregeln.667 Gleichwohl führt die Existenz von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO letztlich dazu, dass die zwingenden Verweisungsregeln des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO am Ende praktisch doch nur Vermutungen darstellen.668

Verträge, wird nicht von speziellen Ausweichklauseln erfüllt, sondern von Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO, vgl. dazu MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 308 f. 662 Vgl. EuGH (Fn. 121) Rn. 59; Mankowski, TranspR 2008, 339 (351); Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (473). 663 So neben Art. 5 Abs. 3 auch die allgemeine Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 und die für Versicherungsverträge in Art. 7 Abs. 2 UAbs. 2 S. 2 Rom I-VO. Keine solche Schwelle enthält dagegen die Ausweichklausel des Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO. Dies solle den Richtern mehr Spielraum für die Beurteilung von Arbeitsverträgen ermöglichen, bei denen spezielle Interessen zu berücksichtigen seien (Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 [I76]). Dennoch wird auch für Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO das Vorliegen einer wesentlich engeren Verbindung gefordert, so Wurmnest, EuZA 2009, 481 (490) Fn. 66; Magnus, IPRax 2010, 27 (41); Palandt/Thorn, Art. 8 Rom I-VO Rn. 13. 664 Martiny, GPR 2011, 48 (50 f.). Nach Art. 4 Abs. 5 EVÜ war jegliche engere Verbindung mit einem anderen Staat ausreichend. 665 EuGH (Fn. 121) Rn. 59 f. Diese Aussage des EuGH ist dahingehend interpretiert worden, dass im EVÜ ein Gleichgewicht von Vermutungen und Ausweichklausel bestehe (Looschelders [Fn. 121] 121; insoweit kritisch Legros [Fn. 121] 198 Rn. 26). 666 Looschelders (Fn. 121) 121; Rudolf, ZfRV 2010, 18 (22). Dementsprechend wurde der EuGH dafür kritisiert, dass er diese legislativen Neuerungen nicht ausreichend berücksichtigt habe, vgl. Jault-Seseke (Fn. 121), 238 f.; Lagarde (Fn. 121) 213. 667 Vgl. Remien, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung, 2013, S. 223 (233). 668 Vgl. Stahl, TranspR 2010, 258 (259). Hasche, TranspR 2010, 282 (283) bezeichnet Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO deshalb als „Aufweichklausel“.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

209

2. Voraussetzungen im Einzelnen Allerdings ist die Ausweichklausel restriktiv zu handhaben669 mit der Folge, dass nur in Ausnahmefällen von der strikten Kollisionsregel abgewichen werden kann. Für die Anwendung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO müssen konkrete Voraussetzungen vorliegen. a) Fehlende Rechtswahl Die Ausweichklausel kommt nur „im Falle fehlender Rechtswahl“ zur Anwendung, also dann, wenn die Parteien keine wirksame Rechtswahlvereinbarung getroffen haben.670 Aus dem französischen Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 Rom IVO geht diese Voraussetzung zwar nicht hervor.671 Ein Vergleich mit anderen Sprachfassungen ergibt jedoch,672 dass es sich dabei um einen redaktionellen Fehler handeln muss.673 Ginge man davon aus, dass durch die Ausweichklausel auch die Rechtswahl der Parteien antastbar wäre,674 würde dies in erheblicher Weise die Parteiautonomie und damit letztendlich die Rechtssicherheit beeinträchtigen.675 Das wiederum widerspräche den erklärten Zielen des Verordnungsgebers.676 Zweifellos kann nach Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO nur die objektive Anknüpfung von Beförderungsverträgen durchbrochen werden.677 b) Engere Verbindung Um eine engere Verbindung festzustellen, muss die objektiv nach Abs. 1 (bzw. bei Personenbeförderungsverträgen nach Abs. 2) bestimmte Rechtsordnung im Hinblick auf ihre Nähebeziehung zum angeknüpften Vertrag mit den Mankowksi, TranspR 2008, 336 (351). PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 8; Kindler, Einführung in das neue IPR des Wirtschaftsverkehrs, 2009, S. 40. Zu möglichen Unwirksamkeitsgründen der Rechtswahl siehe oben D. 671 Dieser lautet: „S’il résulte de l’ensemble des circonstances de la cause que le contrat présente des liens manifestement plus étroits avec un pays autre que celui visé au paragraphe 1 ou 2, la loi de cet autre pays s’applique.“ 672 Namentlich wurden der englische, italienische, niederländische, spanische, portugiesische, dänische, schwedische und der maltesische Wortlaut überprüft. 673 Ebenso PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 8. 674 Zu diesem Schluss kommen aufgrund des französischen Wortlauts Azzi, D. 2008, 2169 (2174) und wohl auch Francq, Clunet 136 (2009), 41 (62). Dagegen sieht d’Avout, RLDA 2008, 69 (70 f.) die Rechtswahl der Parteien nur bei Personenbeförderungsverträgen durch Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO beeinträchtigt. 675 Corneloup, J.C.P. 44/2008, 21 (25) Fn. 25. Dementsprechend negativ ist daher das Urteil von Azzi, D. 2008, 2169 (2174); d’Avout, RLDA 2008, 69 (70) und Legros, RD transp. 2/2009, 12 (16). 676 Siehe oben A.II. Ebenso Corneloup, J.C.P. 44/2008, 21 (25) Fn. 25. 677 Ausweichklauseln lassen im Allgemeinen die Rechtswahl unberührt, siehe Remien, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013, S. 223 (231 f.). 669 670

210

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

anderen, durch den Sachverhalt berührten Rechtsordnungen verglichen werden. Nur so kann bestimmt werden, ob ein anderer Staat eine offensichtlich engere Verbindung aufweist, so dass dessen Recht auf den Vertrag anwendbar ist. Eine Voraussetzung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO ist damit, dass die ursprünglich objektive Anknüpfung überhaupt erfolgreich war. Blieb die Anwendung der in Abs. 1 (und 2) aufgestellten Verweisungsregel ohne Ergebnis, ist Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO zumindest nicht direkt einschlägig.678 Das ist dem Umstand geschuldet, dass die Ausweichklausel in erster Linie eine korrigierende Funktion hat.679 aa) Gegebenenfalls beachtliche Anknüpfungsmomente Im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO muss der Sachverhalt dahingehend ausgewertet werden, ob der Vertrag zu irgendeinem anderen als dem nach Abs. 1 bestimmten Staat eine engere Verbindung aufweist. Für diese Abwägung ist die „Gesamtheit der Umstände“ zu berücksichtigen. Dementsprechend können neben den in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO genannten Anknüpfungsmomenten (gewöhnlicher Aufenthalt des Beförderers, des Absenders – gegebenenfalls der gemeinsame gewöhnlichen Aufenthalt – sowie Übernahme- und Ablieferungsort) im Zuge von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO weitere Faktoren Bedeutung erlangen: Zu denken wäre etwa an den Vertragsschlussort oder den Ort der Aushändigung der Ladungspapiere.680 Ersterer ist allerdings nur von geringer Aussagekraft, weil er leicht beeinflussbar und häufig rein zufällig ist.681 Im Seerecht kämen zudem der Ausstellungsort von Konnossementen sowie Flagge bzw. Heimathafen des Schiffes in Betracht.682 Im Zusammenhang mit Flugzeugen könnte möglicherweise auch der Registrierungsort Bedeutung erlangen.683 Der Beurteilungszeitpunkt für die jeweiligen Umstände ist grundsätzlich derjenige des Vertragsschlusses, allerdings sollten auch Änderungen der für die Regelanknüpfung maßgeblichen Faktoren beachtet werden.684 Dementsprechend könnte im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 Für die Problemfälle kommt daher allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht, siehe dazu unten E.IV. 679 Vgl. oben E.III.1. m. w. N. in Fn. 661. 680 Diese Orte bezog der EuGH in seine Überlegungen zum Rehder-Urteil mit ein (Fn. 582) Rn. 39. Da dies einen Personenbeförderungsvertrag betraf, war dort aber vom Beförderungsschein die Rede. 681 MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 327. 682 Dafür Calliess/Schulze, Art. 5 Rome I Rn. 74; Reithmann/Martiny/Mankowski Rn. 2964 ff. m. w. N. A. A. dagegen MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 337. Zur Rolle der Flagge als kollisionsrechtliches Anknüpfungsmoment allgemein Thorn, in: K. Schmidt (Hrsg.), Begegnungen im Recht, 2011, S. 131 ff. 683 Dagegen jedoch Scheuch, S. 46 f.; MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 337. 684 MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 305. 678

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

211

Rom I-VO auch ein nachträglich vereinbarter Bestimmungsort als Umstand berücksichtigt werden.685 In die Abwägung könnten möglicherweise auch spätere Änderungen des gewöhnlichen Aufenthalts der Beteiligten einfließen, ebenso wie für dessen Bestimmung wegen Art. 19 Abs. 1 und 2 Rom I-VO nicht direkt maßgebliche Merkmale, wie z. B. die Hauptniederlassung einer juristischen Person.686 Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass die Anwendung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO nicht zu zufälligen und einseitig begünstigenden Ergebnissen führt. bb) Berücksichtigung von nach- oder vorgelagerten Beförderungs- bzw. Rahmenverträgen? Als besondere, im Zuge der Ausweichklausel zu berücksichtigende, Umstände kommen möglicherweise auch andere Vertragsverhältnisse in Betracht, die im (engen) Zusammenhang mit der Beförderung stehen. Weil in der transportrechtlichen Praxis die Beförderung häufig vom Frachtführer an Subunternehmer delegiert wird, stellt sich insbesondere die Frage, ob auch ein derartiger Unterfrachtvertrag bei der Suche nach der „engeren Verbindung“ des Hauptbeförderungsvertrages herangezogen werden kann bzw. muss. Dafür, dass im Zuge der Ausweichklausel auch ein derartiger nachgeschalteter Beförderungsvertrag Berücksichtigung findet, lässt sich die neuere Rechtsprechung des EuGH anführen: Danach hat das Gericht insoweit „sämtliche objektiven Gesichtspunkte, die das Vertragsverhältnis kennzeichnen, umfassend zu würdigen und auf den oder die Gesichtspunkte einzugehen, die seiner Ansicht nach am bedeutsamsten sind […], insbesondere das Vorhandensein enger Verbindungen zwischen dem betreffenden Vertrag und einem oder mehreren anderen Verträgen, die gegebenenfalls Glieder derselben Kette von Verträgen sind, und der Ablieferungsort der Güter“.687 Dafür, dass diese Auslegung von Art. 4 EVÜ auch für die Rom I-Verordnung maßgeblich ist, spricht der Umstand, dass der Gerichtshof zur Begründung explizit deren Erwägungsgrund (20) herangezogen hat.688 Nach diesem Erwägungsgrund sollte bei der Anknüpfung an eine offensichtlich engere Verbindung im Rahmen von Art. 4 Rom I-VO unter anderem berücksichtigt werden, „ob der betreffende Vertrag in einer sehr engen Verbindung zu einem oder mehreren anderen Verträgen steht.“ Allerdings ist fraglich, ob diese Ausführungen des Gerichtshofs auch für die spezielle Ausweichklausel des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO gelten. So stellt der Gerichtshof ausdrücklich klar, dass diese Ausführungen zu Art. 4 EVÜ nur für den Fall gelten, dass der „in Rede stehende Vertrag nicht mit einem 685 686 687 688

Vgl. Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (473) Rn. 62. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts siehe oben E.I.1.b). EuGH (Fn. 122) Rn. 49. EuGH (Fn. 122) Rn. 50.

212

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Beförderungsvertrag gleichgesetzt werden kann“.689 Denn die Prämisse der konkreten Vorlagefrage war gerade, dass der streitgegenständliche Speditionsvertrag nicht der besonderen Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge (Art. 4 Abs. 4 EVÜ) unterfällt, sondern Art. 4 Abs. 2 EVÜ.690 Das bedeutet, dass die vom EuGH aufgestellten Grundsätze zunächst nur in Bezug auf die allgemeine Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO, auf welche sich im Übrigen auch Erwägungsgrund (22) bezieht, anwendbar sind. Sie werden nur für solche Verträge relevant, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO fallen, also etwa für „reine“ Speditionsverträge, die Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO unterliegen. 691 Neben diesem eher formalen Argument spricht gegen eine Berücksichtigung etwaiger Unterbeförderungsverträge bei der Anknüpfung des Hauptbeförderungsvertrags im Wege des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO, dass bei einer solchen Vorgehensweise für den Vertragspartner des Hauptbeförderers das anwendbare Recht kaum vorhersehbar wäre. So ist es für den Absender nicht ersichtlich, ob und gegebenenfalls welcher Personen sich der vertragliche Beförderer bedient. Ein derartiger Rückgriff auf Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO würde ihn daher unangemessen benachteiligen und liefe zudem Erwägungsgrund (16) Rom I-VO entgegen, wonach die Kollisionsnormen ein hohes Maß an Berechenbarkeit aufweisen sollten, um die Rechtssicherheit zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund käme allenfalls bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung des nachgeschalteten Beförderungsvertrags (zwischen vertraglichem und ausführenden Beförderer) eine Berücksichtigung des Hauptvertrags im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO in Betracht, jedenfalls dann, wenn dem ausführenden Beförderer das übergeordnete Vertragsverhältnis durch den vertraglichen Beförderer offengelegt wurde. Vergleichbar damit ist außerdem die Situation, dass dieselben Vertragsparteien einen vorgelagerten Rahmenvertrag – unabhängig davon, wie ebenjener im Einzelnen kollisionsrechtlich zu qualifizieren ist –692 geschlossen haben. Dann nämlich hätte der (ausführende) Beförderer Kenntnis aller für die Anknüpfung möglicherweise relevanter Tatsachen, insbesondere des Hauptvertrages, sodass die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit gewährleistet wären. So lag auch der Haeger & Schmidt-Entscheidung des EuGH genau diese Konstellation zugrunde: Der EuGH (Fn. 122) Rn. 43. Siehe die dritte Vorlagefrage EuGH (Fn. 122) Rn. 16. Soweit schließlich ein Güterbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 4 Abs. 4 EVÜ vorliegt, kommt nämlich, so die ausdrückliche Antwort des EuGH auf die zweite Vorlagefrage in Rn. 42, bei Nichtgegebenheit der Voraussetzung von Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ (Kumulation der Anknüpfungsmomente) die Kollisionsregel des Art. 4 Abs. 1 EVÜ zum Zuge. Dann bestimmt sich das Vertragsstatut aber ohnehin nach engsten Verbindung, sodass es eines Rückgriffs auf die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 EVÜ nicht mehr bedarf. 691 Siehe oben B.III.3.c). 692 Dazu oben B.III.4. 689 690

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

213

streitgegenständliche, darin anzuknüpfende (Speditions-)Vertrag war nicht etwa der Hauptvertrag zwischen Absender und Hauptspediteur, sondern jener zwischen erstem und zweitem Spediteur. Im Rahmen der objektiven Anknüpfung ebenjenes Unter(speditions-)vertrages stellte sich die Frage, ob dieser Vertrag (ggf. über die Ausweichklausel) auch an den Ort der Niederlassung des Hauptspediteurs angeknüpft werden konnte.693 Selbst wenn danach die grundsätzliche Möglichkeit bestehen sollte, im Zuge auch der speziellen Ausweichklausel des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO einen vorgelagerten Beförderungs- bzw. Rahmenvertrag zu berücksichtigen, ist jedoch zu bedenken, dass durch die Kollisionsregeln des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO bereits eine enge Verbindung des anwendbaren Rechts zum Sachverhalt sichergestellt wird.694 Deshalb ist es eher unwahrscheinlich, dass ein etwaiger, im Zuge von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO zu berücksichtigender, Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen, als dem nach Abs. 1 ermittelten, Staat herstellt.695 c) Schwelle der Offensichtlichkeit Als entscheidende Voraussetzung für das Abweichen von dem eigentlich bestimmten Recht verlangt die Ausweichklausel für Beförderungsverträge, dass die Verbindung des Vertrages zu einem anderen Staat offensichtlich sein muss. Durch das neu eingefügte Erfordernis der Offensichtlichkeit wird der Ausnahmecharkter der Vorschrift betont.696 Es verhindert einen extensiven Gebrauch der Ausweichklausel durch die mitgliedstaatlichen Gerichte.697 Damit ist die Schwelle für ihre Anwendung derart hoch, dass ein deutliches Überwiegen der gegenläufigen Momente notwendig ist.698 Offensichtlich ist eine engere Verbindung dann, wenn sie manifest, evident und sozusagen mit Händen zu greifen ist.699 Wenngleich im Rahmen des EVÜ ein Rückgriff auf die Ausweichklausel keine „Offensichtlichkeit“ erforderte, sondern laut Art. 4 Abs. 5 S. 2 schon eine „engere Verbindung“ ausreichte, war auch im Römer Schuldvertragsübereinkommen die Schwelle für die Anwendung der Ausweichklausel nicht unerheblich. So stellte der EuGH in seiner ICFEntscheidung fest, dass die Anwendung von Art. 4 Abs. 5 EVÜ nur dann in Betracht kommt, wenn sich „klar aus der Gesamtheit der Umstände“ eine EuGH (Fn. 122) Rn. 44. Siehe oben E.I.2.a). 695 Ausfürlich dazu unten E.III.3. 696 Vgl. Kenfack, Clunet 136 (2009), 3 (27) zu Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO. 697 Siehe Legros, RD transp. 2/2009, 12 (13) mit Nachweisen aus der französischen Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 5 EVÜ. 698 Mankowski, TranspR 2008, 339 (351); Staudinger/Steinrötter, JA 2011, 241 (245). Vgl. auch Neubert, EWS 2011, 369 (379), der insoweit eine Parallele zum ordre publicVorbehalt sieht. 699 Mankowski, IHR 2008, 133 (137); ders., TranspR 2008, 339 (351); ebenso Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 42. 693 694

214

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

engere Verbindung zu einem anderen, als dem eigentlich berufenen, Staat ergibt.700 Andernfalls hat der Richter „immer das anwendbare Recht auf der Grundlage der genannten Vermutungen zu bestimmen“, weil diese „dem allgemeinen Erfordernis der Vorhersehbarkeit des Rechts und der Rechtssicherheit in den Vertragsbeziehungen Rechnung tragen.“701 Letzteres gilt im Rahmen des Anknüpfungssystem der Rom I-Verordnung umso mehr, als der europäische Gesetzgeber die Prinzipien der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit noch gestärkt hat, indem er die allgemeinen Anknüpfungsregeln nicht nur als Vermutungen, sondern nunmehr als starre Verweisungen ausgestaltet hat.702 3. Szenarien für die Anwendung der Ausweichklausel bei Güterbeförderungsverträgen Dass die hohe Hürde der auch von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO verlangten Offensichtlichkeit bei Güterbeförderungsverträgen je überschritten wird, scheint indes relativ unwahrscheinlich zu sein.703 Denn für deren objektive Anknüpfung werden in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO und indirekt auch im diesem nachgeschalteten S. 2 bereits sehr starke beförderungsvertragliche Anknüpfungsmomente berücksichtigt. So ist für eine erfolgreiche Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ein Zusammentreffen des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers mit mindestens einem der drei Anknüpfungsmomente gewöhnlicher Aufenthalt des Absenders, Übernahme- oder Ablieferungsort erforderlich, so dass bei der primären Kollisionsregel für Güterbeförderungsverträge das Verweisungsziel stets eine enge Verbindung mit dem Vertrag aufweist.704 Selbst in dem Fall, dass die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO genannten Kriterien, die nicht mit dem gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers zusammenfallen, ihrerseits in ein und demselben Staat belegen sein sollten, ist dieser Staat jedenfalls nicht enger mit dem Vertrag verbunden als das eigentliche Verweisungsziel von S. 1. Doch auch wenn zudem weitere der oben705 genannten „Umstände“ in diesem Staat vorliegen würden,706 ist es EuGH (Fn. 121) NJW 2009, 3778, Rn. 63 f. EuGH (Fn. 121) Rn. 62. 702 Siehe unten F. 703 Vgl. Shariatmadari, TranspR 2010, 275 (279). So schon zu der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 EVÜ im Hinblick auf die Durchbrechung des Art. 4 Abs. 4 EVÜ Mankowski, TranspR 2008, 339 (341); A.A. die niederländische und die tschechische Regierung im ICF-Urteil des EuGH (Fn. 121) Rn. 50 f. 704 Siehe oben E.I.2.a). 705 E.III.2.b). 706 Beispielsweise im Falle einer mehrgliedrigen Beförderung im Zuge des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO nicht berücksichtigte (siehe unten E.IV.1.b)) Ablieferungs- oder Übernahmeorte. 700 701

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

215

dennoch schwer vorstellbar, dass diese abweichende Verbindung so viel enger ist, dass sie als offensichtlich bezeichnet werden könnte. Wenn überhaupt, scheint Art. 5 Abs. 3 allenfalls Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom IVO, also die subsidiäre Anknüpfung an den vereinbarten Ablieferungsort, durchbrechen zu können.707 Allerdings ist auch dabei für das Vorliegen der grundsätzlichen Voraussetzung der Ausweichklausel, der abweichend offensichtlich engeren Verbindung,708 eine ganz bestimmte räumliche Verteilung der vier in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO genannten Hauptanknüpfungsmomente (gewöhnlicher Aufenthalt des Beförderers, des Absenders, Übernahmeort und Ablieferungsort) notwendig. Damit eine offensichtlich engere Verbindung bejaht werden kann, darf kein weiteres dieser Anknüpfungsmerkmale mit dem vereinbarten Ablieferungsort zusammenfallen, da ansonsten bereits dessen Verbindung zum Vertrag – wie eben für die Konstellation des S. 1 gezeigt – so stark wäre, dass sie kaum mehr durchbrochen werden kann. Deshalb wird die Ausweichklausel auch nicht für Kabotagetransporte besondere Bedeutung erlangen, weil sich bei diesen sowohl Übernahme- als auch Ablieferungsort im gleichen Staat befinden.709 Ferner darf eine solche Häufung der Kriterien nicht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers vorliegen, weil dann nämlich nicht Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO, sondern S. 1 einschlägig wäre. Daher sind im Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO letztlich nur zwei Kombinationen der vier Hauptanknüpfungsmomente denkbar, die überhaupt Spielraum für eine abweichend engere Verbindung ließen:710 Zum einen, wenn sowohl der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders als auch der Übernahmeort im gleichen Staat liegen (A) und sich der gewöhnliche Aufenthalt des Beförderers und der Ablieferungsort in davon abweichenden, voneinander verschiedenen Staaten befinden (B und C). Dann hätte Staat A eine engere Beziehung zum Vertrag als der Staat des Ablieferungsortes (C), sodass Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO theoretisch eingreifen 707 Gleichwohl ist zu bemerken, dass der Ablieferungsort, wie der EuGH in seiner Rehder-Entscheidung (Fn. 582), Rn. 40 f. feststellte, komplementär mit dem Ausgangsort den Erfüllungsort eines Beförderungsvertrages bildet und somit eine sehr starke Nähe zum Sachverhalt aufweist. 708 Siehe oben E.III.2.b). 709 Dies verkennend Kindler, Einführung in das neue IPR des Wirtschaftsverkehrs, 2009, S. 40. Selbst wenn in einem Kabotagefall ein ausländischer Beförderer den Transport für einen im selben Staat ansässigen Absender durchführen würde, wäre fraglich, ob die Verbindung zum Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts offensichtlich enger wäre, als zum Kabotagestaat. 710 Die Bildung dieser Szenarien steht unter der Prämisse, dass keine Vielzahl von Ablieferungs- oder Übernahmeorten besteht. Diejenigen Orte, die nicht als Anknüpfungsmoment im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 bzw. 2 Rom I-VO zum Tragen kommen (dies ist jeweils nur der Start- bzw. der Zielort der Beförderung, vgl. unten E.IV.1.b)), könnten möglicherweise im Rahmen der Abwägung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO berücksichtigt werden.

216

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

könnte. Zum anderen wäre dies möglich, wenn alle vier Hauptanknüpfungsmerkmale in verschiedenen Staaten belegen wären (A, B, C und D) und weitere Umstände des Sachverhalts auf einen Staat hinweisen, in dem sich nicht der Ablieferungsort befindet.711 Doch selbst in diesen beiden Konstellationen wäre immer noch fraglich, ob die ermittelte engere Verbindung die Schwelle der Offensichtlichkeit überschreitet.712 Insbesondere in dem zweiten Szenario ist zweifelhaft, dass allein das Vorliegen relativ schwacher anderer Umstände ein Abweichen von der Anknüpfung an den Ablieferungsort rechtfertigen kann. In diesem Fall muss das Prinzip der Rechtssicherheit schwerer wiegen, außer wenn wirklich alle weiteren Umstände auf den anderen Staat hinweisen sollten.713 Auch in der ersten Konstellation sollte die Offensichtlichkeit erst dann bejaht werden, wenn zu dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Absenders und dem Übernahmeort noch weitere Umstände, wie z. B. ein nachträglich vereinbarter Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Hauptbeförderers,714 hinzutreten. Abschließend muss daher festgestellt werden, dass die objektive Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen nach Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO nur in den seltensten Fällen durch die Anwendung der Ausweichklausel korrigiert werden wird. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der ICF-Entscheidung715 des EuGH ableiten. Selbst wenn man diese dahingehend verstünde, dass sie eine flexible Durchbrechung der in Art. 4 EVÜ statuierten Vermutungen durch den Richter grundsätzlich ermöglicht, ist eine großzügige Handhabung der Ausweichklausel unter der Geltung der Rom I-Verordnung nicht mehr möglich.716 So hat der europäische Gesetzgeber in der Verordnung nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass dem Prinzip der Vorhersehbarkeit ein noch höherer Stellenwert als zuvor beigemessen wird. Dies zeigt zum einen die Abkehr vom System der Vermutungen hin zu festen Anknüpfungsregeln.717 Zum anderen wird dies durch das in den Ausweichklauseln eingefüg711 Vgl. die Sachverhaltskonstellation in OGH TranspR 2013, 344 (Fn. 644), in welcher der Gerichtshof jedoch keinerlei Anhaltspunkte für die Anwendung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO sah. 712 Diese wäre zwar sicherlich dann gegeben, wenn drei der vier Hauptanknüpfungskriterien in einen Staat zusammenfallen, allerdings ist dieser dann entweder das Verweisungsziel von Art. 5 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 Rom I-VO. 713 Der Stellenwert der Rechtssicherheit im Rahmen der Anwendung der Ausweichklausel hat der EuGH bereits in seiner Entscheidung zu Art. 4 Abs. 5 EVÜ (Fn. 121) in Rn. 62 ausdrücklich hervorgehoben. Die Rechtssicherheit hat überdies im Rahmen der Rom I-Verordnung noch an Bedeutung gewonnen, siehe oben E.III.2.c). 714 Siehe oben E.III.2.b)bb). 715 EuGH (Fn. 121) NJW 2009, 3778. 716 Ebenso gegen eine Übertragbarkeit des Teils der Entscheidung, welcher die Handhabung der Ausweichklausel betrifft, Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (494). 717 Siehe oben A.II.1.

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

217

te Erfordernis der „Offensichtlichkeit“ deutlich. 718 Dadurch wird eine Durchbrechung der starren Anknüpfungsregeln, insbesondere jener des Art. 5 Rom I-VO, erheblich erschwert. Gleichwohl sind gerade transportvertragliche Sachverhalte – nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl an Beteiligten (bspw. Unterfrachtführer) – mitunter kompliziert gelagert, sodass es keinesfalls ausgeschlossen ist, dass Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO zum Tragen kommen wird. IV. Problemfälle bei der objektiven Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen Bei bestimmten Erscheinungsformen der Güterbeförderungsverträge können Probleme im Zusammenhang mit ihrer objektiven Anknüpfung auftreten. Der Grund dafür ist, dass die Verweisungsregeln in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auf einen linearen Beförderungsvorgang ausgelegt sind, der genau einen Übernahme- und einen Ablieferungsort vorsieht.719 In der Transportpraxis sind jedoch auch komplexere beförderungsvertragliche Gestaltungen nötig. Zwar fallen solche Verträge, die hinsichtlich der Lokalisierung von Übernahmeund Ablieferungsort ein strukturelles Defizit aufweisen, bereits nicht unter den Güterbeförderungsvertragsbegriff und somit nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO.720 Jedoch kann auch bei tatbestandlich erfassten Güterbeförderungsverträgen unter Umständen die Bestimmung des für die Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Rom I-VO maßgeblichen Übernahme- bzw. Ablieferungsortes Schwierigkeiten bereiten. Dies ist jedenfalls dann problematisch, wenn der gewöhnliche Befördererund Absenderaufenthalt nicht zusammenfallen. 721 Für solche Fälle kann auch auf Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO zumindest nicht direkt zurückgegriffen werden, weil dieser eine erfolgreiche Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO voraussetzt.722 Außerdem sollte das durch die Ausweichklausel verwirklichte Prinzip der engsten Verbindung zurückhaltend zur Geltung gebracht werden.723 An dieser Stelle soll aufgezeigt werden, wie bestimmte problematische Vertragskonstellationen dennoch gelöst werden können.

Dazu oben E.III.2.a). Zu diesem Leitbild siehe oben B.II.2. 720 Siehe oben B.II.2. 721 In diesem Fall wäre die Kumulationsvoraussetzung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom IVO erfüllt, sodass es auf eine Bestimmung des Ablieferungs- und Übernahmeortes nicht mehr zwingend ankäme. 722 Siehe oben E.III.2.b). A.A. dagegen Magnus, IPRax 2010, 27 (38); Verschraegen, Internationales Privatrecht, 2012, Rn. 429. 723 Vgl. Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (762) Rn. 31. 718 719

218

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

1. Güterbeförderung in mehreren Etappen Eine derartige Konstellation ist gegeben, wenn der Güterbeförderungsvertrag mehrere Übernahme- bzw. Ablieferungsorte in verschiedenen Staaten aufweist. Denkbar ist dies etwa, wenn eine zusammenhängende Beförderung dergestalt vereinbart wird, dass der Beförderer die Fracht in Staat A zu übernehmen, einen Teil in Staat B und den Rest der Güter in Staat C (usw.) abzuliefern hat.724 Dann bestünden mehrere Ablieferungsorte (in Staat B und C). Falls der Beförderer laut dem Vertrag in Staat B weitere Güter aufnehmen sollte, wären zudem mehrere Übernahmeorte gegeben (in Staat A und B). Bei einem derartig ausgestalteten Güterbeförderungsvertrag, bei dem eine zusammenhängende Beförderung mehrere Abschnitte aufweist, ist auf den ersten Blick nicht klar, welcher der vereinbarten Orte für die objektive Anknüpfung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO herangezogen werden soll.725 a) Unzureichende Lösungsvorschläge Ein Lösungsvorschlag für dieses Problem ist, für jeden Abschnitt der Beförderung das anwendbare Recht getrennt zu bestimmen und dafür den jeweiligen Übernahme- und Ablieferungsort zu berücksichtigen.726 Allerdings ist eine derartige objektive dépeçage im Rahmen der Rom I-Verordnung nicht mehr erlaubt.727 Eine weitere Möglichkeit wäre, mittels einer Schwerpunktprüfung den bedeutendsten Abschnitt der Beförderung zu bestimmen und dessen Rahmenpunkte für die objektive Anknüpfung heranzuziehen. Jedoch scheint eine solche wirtschaftliche Abwägung überaus kompliziert, insbesondere bei mehreren Be- und Entladevorgängen verschiedener Teile der Ladung, und ist nur schwer vorhersehbar für die Parteien. Aus demselben Grund ist auch einer allgemeinen Schwerpunktsuche durch eine direkte Anwendung des Prinzips der engsten Verbindung mit Zurückhaltung zu begegnen.728 Der Rechtssicherheit eher genügen würde dagegen der Vorschlag, den Vertrag an Etwa, wenn in Hamburg (Staat A) 50 Container übernommen werden und 25 Container in Rotterdam (B) und die weiteren 25 in Buenos Aires (C) abgeliefert werden. 725 Kein diesbezügliches Problem besteht dagegen, wenn die Beförderung zwar in mehreren Etappen erfolgt, aber wiederkehrend zwischen den gleichbleibenden Übernahme- und Ablieferungsorten (mehrmals von Staat A nach B) befördert wird, wie z. B. bei der Consecutive Voyage Charter (oben B.III.1.a)bb)) oder dem Mengenvertrag (oben B.III.2.). 726 Vgl. Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (106 f). 727 Siehe oben B.I.2.b)bb). Deshalb empfiehlt Nielsen a. a. O. eine Rechtswahl der Parteien, da eine subjektive Vertragsspaltung weiterhin möglich ist. Laut Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 39, zeige Art. 7 Abs. 5 Rom I-VO, dass eine objektive Vertragsspaltung auch im sekundärrechtlichen Kollisionsrecht weiterhin möglich sei. 728 Dafür aber Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (25) Rn. 33, 38 ff., der für den Fall mehrerer Ablieferungsorte Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO für nicht einschlägig hält und deshalb Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO analog anwenden möchte. 724

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

219

den gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers anzuknüpfen.729 Dafür wird vorgetragen, dass dies der Wertung bei Personenbeförderungsverträgen entspreche, vgl. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO. Diese Argumentation ist allerdings nicht überzeugend, weil sich das Anknüpfungssystem von Personenbeförderungsverträgen erheblich von dem für Güterbeförderungsverträgen unterscheidet und Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO andere Zwecke verfolgt.730 Für einen Rückgriff auf das Prinzip der charakteristischen Leistung ließe sich weiterhin anführen, dass dies im Ergebnis der Rechtsprechung des EuGH für die Bestimmung des Erfüllungsorts für in unterschiedlichen Staaten erbrachte Dienstleistungsverträge im Rahmen von Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO entspräche. Allerdings beruht diese, wie gezeigt, auf zivilprozessualen Prämissen, die sich nicht ohne Weiteres auf das IPR übertragen lassen.731 b) Bestimmung der Anknüpfungsmomente unter Berücksichtigung ihrer Funktion in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO Diese genannten Lösungsvorschläge für das Problem mehrerer infrage kommender Übernahme- und/oder Ablieferungsorte sind im Ergebnis nicht überzeugend, weil sie nicht ausreichend die Funktion der Anknüpfungsmomente für die objektive Anknüpfung in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO berücksichtigen. Diese dienen in der Primärverweisungsregel des S. 1 dazu, eine enge Verbindung der Zielrechtsordnung mit dem Güterbeförderungsvertrag zu vermitteln.732 Übernahme- und Ablieferungsort sind dafür deshalb geeignet, weil zwischen diesen Orten die Beförderungsdienstleistung vollzogen wird und sich der Vertrag zumindest dort materialisiert.733 Finden im Zuge der Beförderung nun weitere Übernahme- oder Ablieferungsvorgänge statt, manifestiert sich der Güterbeförderungsvertrag auch dort. Übertragen auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO würde also jeder vertraglich vereinbarte Übernahmeund Ablieferungsort die Funktion des kumulativen Anknüpfungskriteriums erfüllen. Sofern der gewöhnliche Aufenthalt des Beförderers mit einem dieser Orte zusammenfällt, ist ein substantieller Bezug dieser Rechtsordnung zum Güterbeförderungsvertrag gegeben. Folglich könnte allein für die Anknüpfung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO alternativ jeder der vertraglichen Übernahme- und Ablieferungsorte berücksichtigt werden. Eine solche Lösung stünde allerdings im Widerspruch zu der Funktion des Anknüpfungsmoments des Ablieferungsorts in der sekundären Verweisungsnorm des Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO, wonach sich das auf den Vertrag 729

(38).

730 731 732 733

Dafür – über den Umweg von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO – Magnus, IPRax 2010, 27 Dazu im Speziellen unten § 7 – A.I. Siehe oben E.I.2.b)dd). Siehe oben E.I.2.a). Siehe oben E.I.2.b) vor aa).

220

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

anwendbare Recht allein nach diesem Kriterium bestimmt. Dadurch soll für den Fall, dass die Primäranknüpfung des S. 1 scheitert, eine einfache und rechtssichere Bestimmung des Vertragsstatuts gewährleistet werden.734 Wegen der Identität des Ablieferungsortbegriffs innerhalb beider Sätze von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO müssen an dessen Bestimmung aber jeweils die gleichen Maßstäbe angelegt werden. So wäre es widersprüchlich, wenn in S. 1 der Begriff derart offen wäre, dass alle Ablieferungsorte berücksichtigt werden könnten, während dies in S. 2 ausgeschlossen ist. Auch für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO muss daher genau ein Übernahme- und insbesondere genau ein Ablieferungsort bestimmt werden.735 Bleibt die Frage, welcher der verschiedenen vertraglichen Orte dafür am ehesten geeignet scheint. Führt man sich wiederum die Eigenheit der Beförderungsdienstleistung vor Augen, nämlich dass diese kontinuierlich zwischen Startund Zielort erbracht wird, spricht viel dafür, auch für die kollisionsrechtliche Anknüpfung auf diese Orte abzustellen. Denn zwischen dem laut Vertrag ersten Übernahme- und dem letzten Ablieferungsort wird das Rechtsverhältnis realisiert. Auch wenn während des Beförderungsprozesses Teile der Güter ab- oder hinzugeladen werden, beginnt die geschuldete Dienstleistung am ersten Ort der Übernahme und endet am endgültigen Ablieferungsort. Folglich sind diese beiden Orte für die maßgebliche Beförderungsdienstleistung und damit auch für den Güterbeförderungsvertrag selbst von entscheidender Bedeutung. Dies sollte auch bei der objektiven Anknüpfung des Vertrages berücksichtigt werden. Deshalb ist im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 oder 2 Rom I-VO im Falle mehrerer Übernahme- und/oder Ablieferungsorte auf den ersten Übernahme- und den letzten Ablieferungsort abzustellen.736 Diese Lösung ermöglicht eine unkomplizierte Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom IVO und stärkt damit die Rechtssicherheit der Parteien im Hinblick auf die Bestimmung des auf den Güterbeförderungsvertrag anwendbaren Rechts. 2. Noch kein Ablieferungsort vereinbart Die andere Konstellation, bei der Schwierigkeiten im Hinblick auf die objektive Anknüpfung auftreten, ist spiegelbildlich zur ersten Kategorie gegeben, wenn kein Übernahme- und/oder Ablieferungsort der Güterbeförderung vereinbart wurde. Da diese Orte für die vertraglich geschuldete Beförderung elementar sind, wird ein solcher Fall aber relativ selten auftreten. Möglich ist dies beispielsweise, wenn der Beförderer seine Beförderungsleistung pauschalisiert nach Regionen anbietet und der genaue Ablieferungsort erst später Siehe oben E.II. Vgl. auch Mankowski, Neues aus Europa, Rn. 73. 736 Ebenso Ramming, Rn. 729. Zur parallelen Problematik im Rahmen der Personenbeförderung unten § 7 – C.I.2.b). 734 735

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

221

festgelegt wird.737 Wird dieser in der vertraglichen Vereinbarung zunächst offen gelassen, lässt sich das gleichlautende Anknüpfungskriterium in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO nicht bestimmen. Dies ist solange unproblematisch, wie die Primäranknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO unter Rückgriff auf die anderen Anknüpfungsmomente erfolgreich durchgeführt werden kann. Im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO ist eine fehlende Vereinbarung über den Ablieferungsort jedoch kritisch. Kommt in diesem Fall die Sekundärregel zum Tragen, kann das Güterbeförderungsvertragsstatut nicht bestimmt werden. Dennoch wäre es verfehlt, zur Lösung auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers abzustellen.738 Denn dies würde die Wertungen der Verweisungsregeln in Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Rom I-VO konterkarieren, nach denen das Prinzip der charakteristischen Leistung gerade nicht uneingeschränkt zur Geltung gelangen soll.739 Systemgemäßer wäre im Falle eines (noch) nicht vereinbarten Ablieferungsortes deshalb, das Prinzip der engsten Verbindung anzuwenden.740 Dies kann jedoch nicht direkt über Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO geschehen, weil diese Norm eine erfolgreiche Anknüpfung nach Abs. 1 voraussetzt.741 Deswegen ist die besondere Ausweichklausel des Art. 5 in diesem Fall analog anzuwenden.742 Somit kommt immer dann, wenn noch kein Ablieferungsort vereinbart ist, das Prinzip der engsten Verbindung über Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO analog zum Tragen. Da das Prinzip der engsten Verbindung im Rahmen der Anwendung von Art. 5 Rom I-VO nur im Ausnahmefall zur Geltung kommen soll,743 sollte eine offene Schwerpunktsuche für das anwendbare Recht aber erst dann stattfinden, wenn sich ein von den Parteien vereinbarter Übernahme- und/oder Ablieferungsort in keinerlei Weise bestimmen lässt. Schweigt der geschlossene Vertrag diesbezüglich, ist für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom IVO hilfsweise auf den tatsächlichen Übernahme- bzw. Ablieferungsort abzustellen, sofern dies nicht dem aus dem Vertrag hervorgehenden Parteiwillen widerspricht.744 Denn die nicht beanstandete tatsächliche Durchführung der Beförderung kann in diesem Fall als eine konkludente Konkretisierung des Gänzlich unbestimmte Rahmenverträge fallen bereits nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO, siehe oben B.III.4. 738 Dafür aber Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (107). 739 Siehe oben E.I.2.a) und E.II. In der Begründung ähnlich Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (25). 740 Palandt/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 7 m. w. N.; Dahingehend wohl auch Lagarde/ Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (762), die davon ausgehen, dass der Richter dann Art. 5 Abs. 3 anwenden wird. 741 Siehe oben E.III.2.b). 742 A.A. Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (25), NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 24 die die allgemeine Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO analog anwenden wollen. Im Ergebnis führt dies aber zu keinem Unterschied. Jedoch erscheint es überzeugender, die Anwendung des Prinzips der engsten Verbindung aus Art. 5 Rom I-VO selbst herzuleiten. 743 Siehe oben E.III.2.c). 737

222

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

insoweit offen gelassenen Vertrages angesehen werden. Damit wird in den allermeisten Fällen ein Übernahme- und Ablieferungsort für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Rom I-VO bestimmbar sein. Ein Rückgriff auf Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO analog ist daher nur dann vonnöten, sofern ein wie hier beschriebener, unbestimmter Güterbeförderungsvertrag zwar geschlossen aber noch nicht durchgeführt wurde. Würde in diesem Stadium der Vertragsbeziehung ein Gericht zur Klärung einer auf den Vertrag bezogenen Rechtsfrage angerufen werden, könnte auch ein tatsächlicher Übernahme- bzw. Ablieferungsort nicht bestimmt werden. F. Zusammenfassung: Änderungen gegenüber Art. 4 Abs. 4 EVÜ Abschließend soll nun die Untersuchung des sekundärrechtlichen Güterbeförderungsvertrags-IPR durch die Hervorhebung der Änderungen, die durch den Erlass von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO eingetreten sind, zusammengefasst werden. Wie bereits ausgeführt, setzt die supranationale Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm die Tradition von Art. 4 Abs. 4 EVÜ grundsätzlich fort.745 Die im Zuge der Transformation des EVÜ eingetretenen Änderungen sind daher größtenteils auf der Detailebene eingetreten:746 Zunächst können allgemeine systematische Neuerungen festgestellt werden: So ist Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO nun unionskonform auszulegen im Gegensatz zum konventionsautonom auszulegenden Art. 4 Abs. 4 EVÜ.747 Weiterhin sind die objektiven Anknüpfungsregeln nicht mehr als Vermutungen ausgestaltet, sondern als starre Verweisungen.748 Das flexible System des EVÜ wurde ersetzt durch ein System von strikten Regeln und einer engen Ausweichklausel,749 wodurch sich Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit erhöhen sollen.750 Im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs der Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm herrscht dagegen Kontinuität, vgl. Erwägungsgrund (22) S. 1 Rom I-VO.751 Insbesondere gibt es keine Änderungen hinsichtlich der Qualifikation von Speditionsverträgen.752 Allerdings Ähnlich bestimmt der EuGH (Fn. 602) Rn. 40 im Rahmen von Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO den Erfüllungsort. 745 Siehe oben A.I. 746 Vgl. auch Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-70); Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (760) Rn. 29. 747 Siehe oben § 5. 748 Dies offenbar verkennend OLG Naumburg TranspR 2013, 235, welches die in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO normierte Kollisionsnorm als „widerlegbare Vermutung“ bezeichnet (Rn. 30). 749 Legros, RD transp. 2/2009, 12 (13) Rn. 4; Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (106). 750 Näher dazu oben A.II.1. 751 Dazu ausführlich oben B. 752 Siehe oben B.III.3.a) und b). 744

§ 6 Die kollisionsrechtliche Behandlung von Güterbeförderungsverträgen

223

wird nun durch Erwägungsgrund (9) ausdrücklich klargestellt, dass Konnossemente nicht in den Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung fallen.753 Auch die konkreten Anknüpfungsregeln entsprechen im Wesentlichen jenen aus Art. 4 Abs. 4 EVÜ. Die wichtigste Neuerung im Zusammenhang mit Art. 5 Rom I-VO stellt die Schaffung einer Sekundärregel für den Fall dar, dass die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO geforderte Kumulation von Anknüpfungsmomenten nicht gegeben ist. Die Einführung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO bedeutet im Vergleich zur zuvor bestehenden Rechtslage eine Abkehr von einer offenen Schwerpunktsuche hin zu größerer Vorhersehbarkeit.754 Gleichzeitig wurde die Schwelle für eine Anwendung der Ausweichklausel erhöht, auf die nun nur noch in „offensichtlichen“ Fällen zurückgegriffen werden kann.755 Hinsichtlich der einzelnen in der Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm verwendeten Anknüpfungsmomente ergeben sich punktuell geringfügige Änderungen. So führt Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO gegenüber Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ bezüglich der räumlichen Merkmale (Abgangsund Bestimmungsort) eine neue Terminologie ein.756 Auch werden die Begriffe des Beförderers und des Absenders durch Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO nun legal definiert.757 Außerdem wird im Rahmen der Rom IVerordnung der gewöhnliche Aufenthalt der maßgeblichen Personen nun durch Art. 19 Rom I-VO abstrakt konkretisiert. Insoweit besteht ein ausdifferenziertes System für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts.758 Im Gegensatz zu Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ wird allerdings nicht mehr hauptsächlich auf die Hauptniederlassung abgestellt, sondern es kommt auf die Hauptverwaltung an. Weiterhin kommt es aufgrund der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO zu einem Bedeutungszuwachs für die Zweig- zulasten der Hauptniederlassungen.759 Dies könnte dazu führen, dass das Kumulationserfordernis des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO häufiger erfüllt sein wird.760 Abschließend lässt sich festhalten, dass sich im Rahmen der Schaffung von Art. 5 Rom I-VO, abgesehen von der Sekundärregel es Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO, keine fundamentalen Neuerungen im IPR der Güterbeförderungsverträge ergeben haben. Gleichwohl ist die Summe der detailierten Modifikationen nicht unbeachtlich. Siehe oben B.IV.1. Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (106). Siehe auch oben E.II. 755 Siehe oben E.III.2.c). 756 Siehe oben E.I.2.b)aa). 757 Gleichwohl ergeben sich hinsichtlich der Definition des Absenders Neuerungen gegenüber dem EVÜ (siehe oben E.I.2.c)aa)). Die Umschreibung der Beförderers in Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO ist dagegen dem Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 54 entlehnt. 758 Siehe oben E.I.1.b). 759 Siehe oben E.I.1.b)cc). 760 Siehe oben E.II. 753 754

224

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge Während die Rom I-Verordnung das Güterbeförderungsvertrags-IPR des EVÜ eher im Detail reformiert hat, sind die Neuerungen für das Kollisionsrecht der Personenbeförderungsverträge grundlegender Art.761 Da die besondere Kollisionsnorm des Art. 4 Abs. 4 EVÜ ausschließlich für Güterbeförderungsverträge galt,762 beurteilte sich unter dem Römer Schuldvertragsübereinkommen das auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen anzuwendende Recht objektiv nach den allgemeinen Regeln des Art. 4 Abs. 1 und 2, so dass ein solcher regelmäßig an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers als charakteristisch leistender Vertragspartei angeknüpft wurde. Auch die subjektive Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen vollzog sich nach den allgemeinen Bestimmungen von Art. 3 EVÜ. Schon zu Beginn des Reformprozesses war jedoch absehbar, dass im neuen IPR-Sekundärrechtsakt auch Personenbeförderungsverträge Gegenstand einer besonderen Verweisungsnorm sein sollten. So sah der Verordnungsvorschlag der Kommission vor, den Anwendungsbereich der bereits bestehenden besonderen Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge auf Personenbeförderungsverträge auszuweiten, allerdings sollte dabei stets das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers maßgeblich sein.763 Zu Beginn der Beratungen im Rat sollten Beförderungsverträge wiederum entsprechend der Regel des Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ angeknüpft werden.764 Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch von einem kollisionsrechtlichen Gleichlauf von Güter- und Personentransport abgesehen.765 Stattdessen sind eigene Verweisungsregeln für Personenbeförderungsverträge geschaffen worden, die – weil für sie eben kein Vorbild im EVÜ existierte – Gegenstand ausführlicher Verhandlungen waren.766 Dabei standen zunächst drei Optionen für die kolli-

761 Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, 14. Aufl. 2008, S. 727 sprechen insofern von einer „radikalen“ Neuerung. 762 Da sich in den Verhandlungen zum EVÜ ein entsprechender Ansatz nicht durchsetzen konnte, war Art. 4 Abs. 4 EVÜ allein auf den Transport von Gütern anwendbar und galt nicht für Verträge über die Personenbeförderung, siehe Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 54. 763 Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-V. 764 Vgl. den Vermerk des (finnischen) Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 12.10.2006, Dok. 13853/06 JUSTCIV 224 CODEC 1085, S. 6. 765 So erstmals im Vermerk des Ratsvorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 25.6.2007, Dok. 11150/07 JUSTCIV 175 CODEC 716, S. 8 f. 766 Siehe Wagner, TranspR 2008, 221 (222) Fn. 17.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

225

sionsrechtliche Behandlung von Personenbeförderungsverträgen im Raum:767 Laut dem ersten Vorschlag sollten Personenbeförderungsverträge objektiv stets an den Befördereraufenthalt angeknüpft werden. Die zweite Alternative sah eine Primärverweisung an den Befördereraufenthalt vor, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangs- oder Bestimmungsort befindet; subsidiär sollte auf das Recht mit den engsten Verbindungen abgestellt werden. Die dritte Alternative war letztlich diejenige, die in Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO Einzug fand.768 Nunmehr ist das europäische IPR für Verträge über die Beförderung von Personen im endgültigen Art. 5 Rom I-VO wie folgt ausgestaltet: (2) 1Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen keine Rechtswahl nach Unterabsatz 2 getroffen haben, ist das anzuwendende Recht das Recht des Staates, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. 2Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Als auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen anzuwendendes Recht können die Parteien im Einklang mit Artikel 3 nur das Recht des Staates wählen, a) in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder b) in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder c) in dem der Beförderer seine Hauptverwaltung hat oder d) in dem sich der Abgangsort befindet oder e) in dem sich der Bestimmungsort befindet. (3) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag im Falle fehlender Rechtswahl eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Absatz […] 2 bestimmten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

Die neue Kollisionsregel für Personenbeförderungsverträge ähnelt in ihrer Struktur derjenigen für die Güterbeförderung. Vorrangig ist die subjektive Anknüpfung durch eine Rechtswahl der Parteien zu beachten, für die allerdings besondere Voraussetzungen bestehen (D.). Nur wenn eine solche nicht vorliegt, kommt das objektive Anknüpfungssystem von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 zum Tragen, welches hier – dem Aufbau von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO folgend769 – zuerst vorgestellt werden soll (C.). Bevor auf diese speziellen Anknüpfungsregeln und die aus ihnen möglicherweise resultierende kollisionsrechtliche Privilegierung des Passagiers (E.) näher eingegangen wird, sollen aber zunächst die Funktion (A.) und der Anwendungsbereich (B.) der neuen Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge vorgestellt werden.

767 Siehe den Vermerk des Ratsvorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 25.6.2007, Dok. 11150/07 JUSTCIV 175 CODEC 716, S. 8 f. 768 Dies sah bereits der Vermerk vom 4.10.2007, Dok. 13441/07 JUSTCIV 249 CODEC 1018, S. 18 vor. 769 Diesen als unlogisch bemängelnd Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1337).

226

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

A. Die Ratio von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO In den Gesetzgebungsmaterialien findet sich hinsichtlich Art. 5 Rom I-VO nur der allgemeine Hinweis, dass die Vorschrift eine Erhöhung der Rechtssicherheit herbeiführen soll.770 Insofern muss sich also auch die besondere Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge in Abs. 2 daran messen lassen, die Bestimmung des anwendbaren Rechts zu erleichtern und vorhersehbare Ergebnisse herbeizuführen.771 Darüber hinaus hat Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO allerdings eine ganz bestimmte rechtspolitische Funktion, deren Umsetzung letztlich der Grund für die umfangreichen Beratungen innerhalb der verordnungsgebenden Gremien war. So wurde vor allem im Rat diskutiert, ob im Rahmen der Kollisionsnormen für Personenbeförderungsverträge eher den Rechtsanwendungsinteressen des Beförderers oder denen der zu befördernden Person Vorrang einzuräumen sei.772 Bei der endgültigen Regelung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO handelt es sich deshalb letztlich um einen Kompromiss,773 der versucht eine Balance zwischen diesen gegensätzlichen Interessen herzustellen.774 I.

Kollisionsrechtlicher Schutz der zu befördernden Person

Wessen Rechtsanwendungsinteressen im Ergebnis als höherwertig erachtet wurden, macht Erwägungsgrund (32) S. 1 Rom I-VO deutlich: Danach „sollten besondere Vorschriften ein angemessenes Schutzniveau für zu befördernde Personen […] gewährleisten“. Damit wird die schützenswerte Position des Passagiers ausdrücklich anerkannt und läuft letztlich auch die konkrete Ausgestaltung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO auf dessen international-privatrechtliche Privilegierung hinaus.775 Daraus lässt sich schließen, dass die Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge vorrangig den Schutz der zu befördernden Person bezweckt.776 Sie reiht sich damit ein in eine Kategorie von Normen, die den kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz verwirkliSiehe Parlamentsbericht (Fn. 94), S. 29 ff. Näher dazu auch oben § 6 – A.II.1. 772 So die Aussage von Wagner, TranspR 2008, 221 (222), der als deutscher Repräsentant in der Arbeitsgruppe vertreten war. 773 Wagner, TranspR 2008, 221 (222). 774 Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-71); Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 76. 775 Dazu ausführlich unten C. und D., sowie die Bewertung dieser Regelung im Hinblick auf diesen Aspekt unter E. 776 Ebenso Corneloup, J.C.P. 44/2008, 21 (25); Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (763) Rn. 32; Delebecque, in: Scritti in onore di Francesco Berlingieri, 2010, S. 431 (439); vgl. auch Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2, der jedoch die Feststellung in Erwägungsgrund (32) – irrtümlich – auch auf Güterbeförderungsverträge bezieht. 770 771

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

227

chen,777 namentlich die Verbraucher- bzw. Arbeitnehmerschutzvorschriften der Art. 6 und 8 Rom I-VO sowie die ebenfalls neu geschaffene Norm zugunsten der Versicherungsnehmer in Art. 7 Rom I-VO. 1. Das Prinzip des Schwächerenschutzes im IPR für Schuldverträge Die genannten Vorschriften der Rom I-Verordnungen eint, dass sie für verschiedene vertragliche Konstellationen von den allgemeinen Kollisionsregeln abweichende Regeln enthalten und damit im Ergebnis bestimmte Personengruppen international-privatrechtlich begünstigen. a) Aufgreifen sozialer Wertungen des materiellen Vertragsrechts durch das IPR Mit diesem Sonder-IPR führt die Rom I-Verordnung den Ansatz des Schuldvertragsübereinkommens fort, sozialpolitische Wertungen direkt in das Kollisionsrecht einfließen zu lassen.778 Bis zu dessen Schaffung war unklar, inwieweit solche Wertungen des (nationalen) materiellen Privatrechts in internationaler Hinsicht Wirkung erlangen sollen.779 Der Ansatz, dieses nationale Sonderrecht allgemein direkt international anzuwenden, 780 hat sich in Europa legislatorisch jedoch nicht durchgesetzt. Heute gilt, dass auch soziales Vertragsrecht, welches intern die Vertragsfreiheit zugunsten eines schwächeren Marktteilnehmers einschränkt,781 wie zum Beispiel zwingende Verbraucherregelungen des BGB, das Wohnraummietrecht der §§ 549 ff. BGB oder die Handelsvertretervorschriften der §§ 84 ff. HGB,782 in einem internationalen Sachverhalt nicht automatisch Geltung beansprucht, sondern der IPRVgl. Staudinger/Magnus, Einl zur Rom I-VO Rn. 71. Entsprechend werden die Personenbeförderungsverträge von Stone, EU Private International Law, 3. Aufl. 2014, S. 343 ff. (350) der Klasse der „protected contracts“ zugeordnet. Gleichwohl wird die Zugehörigkeit von Art. 5 Rom I-VO zur Riege der Normen des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes in der Literatur häufig verschwiegen, so etwa von Boskovic, D. 2008, 2175 ff.; M.-P. Weller, IPRax 2011, 429 (434 ff.). 778 Vgl. M.-P. Weller, IPRax 2011, 429 (435 f.). Allgemein zur Entwicklung des Schwächerenschutzes im IPR Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364 (365 f.). 779 Vor der Umsetzung des EVÜ in das Recht der Vertragsstaaten war die Übertragung sozialer Wertungen des materiellen Rechts in das Kollisionsrecht keineswegs selbstverständlich, vgl. Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 435 ff. Siehe auch die Nachweise bei W.-H. Roth, EWS 2011, 314 (322). 780 Für einen internationalen Schutz der schwächeren Vertragspartei über die internationale Anwendung zwingender (in- oder ausländischer) Sachnormen v. Hoffmann, RabelsZ 38 (1974), 396 (400 ff.). 781 Vgl. Keller, in: FS Vischer, S. 175 f. Vertiefend dazu Kathrein, in: FS Barta, S. 27 ff. 782 Siehe insoweit den rechtsvergleichenden Überblick bei Uebersax, Der Schutz der schwächeren Partei im internationalen Vertragsrecht, 1976, S. 26 ff. 777

228

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Anknüpfung nachgelagert ist.783 Stattdessen wird seit dem EVÜ eine ungleiche Machtverteilung zwischen den Vertragsparteien durch das IPR selbst, nämlich durch spezielle Verweisungsnormen, berücksichtigt.784 Aus der stetig steigenden Anzahl solcher international-privatrechtlichen Schutznormen lässt sich ableiten, dass im internationalen Vertragsrecht nunmehr der Grundsatz des „kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes“ gilt.785 Wie Erwägungsgrund (23) Rom I-VO deutlich macht, handelt es sich dabei um ein zentrales Anliegen des neuen europäischen Schuldvertragskollisionsrechts. b) Besondere Nachteile für die schwächere Partei bei internationalen Verträgen Das Bedürfnis für den Schutz einer schwächeren Vertragspartei in internationaler Hinsicht ergibt sich daraus, dass Machtungleichgewichte bei einem grenzüberschreitenden ebenso wie bei einem rein internen Sachverhalt bestehen können. Sofern eine Partei durch ihre Erfahrung oder ihre Verhandlungsposition überlegen ist, bleibt sie dies in gleichem Maße, wenn der Vertrag internationalen Charakter hat. Wohl deshalb enthält das IPR selbst kaum Erläuterungen, die die Schutzwürdigkeit des jeweilig kollisionsrechtlich privilegierten Personenkreises näher begründen. Tatsache ist, dass sich in einem internationalen Sachverhalt die grundsätzliche Überlegenheit einer Vertragspartei sogar noch negativer für die schwächere Partei auswirken kann, als in einem rein innerstaatlichen Sachverhalt. Während in letzerem Fall die Vertragsfreiheit durch vom nationalen Gesetzgeber gesetztes, zwingendes – soziales – Vertragsrecht beschränkt ist, kann bei einem grenzüberschreitenden Vertrag ein solches materiell-rechtliches Schutzregime ausgehebelt werden, sobald das IPR eine andere Rechtsordnung für das Rechtsverhältnis beruft. Das ist sogar relativ wahrscheinlich, denn aufgrund der im internationalen Vertragsrecht geltenden Parteiautonomie besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Rechtswahl. 786 Mit deren Hilfe kann eine erfahrene Partei ebenjenes zwingende Sachrecht umgehen, indem sie die Geltung einer für sich günstigeren, weil weniger regulierten, Sach783 Nationales Sachrecht kann aber ausnahmsweise zur Anwendung kommen, wenn es die Voraussetzungen einer Eingriffsnorm erfüllt, vgl. Art. 9 Rom I-VO. 784 Sich schon davor für ein System des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz aussprechend Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634 ff. (655 ff.). Zu diesem, für damalige Verhältnisse neuartigen, kollisionsrechtlichen Lösungsansatz Kroeger, Der Schutz der „marktschwächeren“ Partei im Internationalen Vertragsrecht, 1984, S. 154 ff. m. w. N. 785 Staudinger/Magnus, Einl zur Rom I-VO Rn. 71 bezeichnet diesen sogar als „Eckpfeiler des Europäischen Internationalen Vertragsrechts“. Mithin lässt sich im europäischen IPR ganz allgemein eine „Tendenz zur Materialisierung der Anknüpfungsregeln“ feststellen (M.-P. Weller, IPRax 2011, 429 [435 f.]; ähnlich äußert sich Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 [478 f.]). 786 Vgl. Erwägungsgrund (11) Rom I-VO.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

229

rechtsordnung durchsetzt. Ebenso kann die objektive Anknüpfung des Vertrages dazu führen, dass eine fremde Rechtsordnung zur Anwendung kommt und somit bestimmte interne Schutznormen nicht gelten. Aus Sicht der schwächeren Vertragspartei birgt ein internationaler Vertrag folglich die Gefahr, dass sie unter Umständen einem ihr unbekannten materiell-rechtlichen Vertragsrechtsregime unterworfen wird, welches prinzipiell ein geringeres Schutzniveau als ihr Heimatrecht aufweist.787 Insbesondere die Fragen, inwieweit der Vertrag als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist und welche Konsequenzen dies nach sich zieht, können sich so nach einem anderen als dem Heimatrecht der schwächeren Partei beurteilen und wären dementsprechend für diese nur schwerlich zu beantworten. Dies kann zu einer ungerechten Verteilung von Informationslasten und -risiken führen.788 Obwohl das Kollisionsrecht keine materielle Entscheidung der Sache, sondern nur die Bestimmung des anwendbaren Sachrechts betrifft, kann seine Anwendung also dennoch eine schwächere Vertragspartei erheblich benachteiligen. Dem soll letztlich durch einen international-privatrechtlichen Schwächerenschutz entgegengewirkt werden.789 c) Verwirklichung des Schwächerenschutzes in der Rom I-Verordnung durch mehrere eigenständige Regime Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen universellen, auf sämtliche Sachverhalte anwendbaren, Grundsatz.790 Weil induktiv aus der Gesamtheit der privilegierenden Verweisungsnormen hergeleitet, wird der kollisionsrechtliche Schwächerenschutz lediglich punktuell verwirklicht. Schwächere Parteien werden kollisionsrechtlich nur in den ausdrücklich durch das Gesetz geregelten Fällen geschützt. Insoweit kann man auch von einer Art Typenzwang sprechen. Unter der Rom I-Verordnung genießen ausschließlich Verbraucher (durch Art. 6), Arbeitnehmer (Art. 8), bestimmte Versicherungsnehmer (Art. 7 Abs. 3) und beförderte Personen (Art. 5 Abs. 2) kollisionsrechtlichen Schutz.791 Für Franchisenehmer und Vertriebshändler können zwar ebenfalls begünstigende Verweisungsregeln ausgemacht werden, dies Vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 6 Rom I-VO Rn. 1. W.-H. Roth, in: FS Sonnenberger, S. 591 (606 f.). Siehe dazu auch Valdini, S. 263 ff., laut dem die besonderen kollisionsrechtlichen Regime „die berechtigten Erwartungen“ der schwächeren Partei schützen. 789 Die Rechtsdurchsetzung kann in einem internationalen Fall überdies auch zivilprozessual erschwert werden, nämlich dann, wenn ein fremder Gerichtsstand zum Tragen kommt und die schwächere Partei nur im Ausland klagen kann. Deshalb ist auch im IZVR ein eigener Schwächerenschutz anerkannt, siehe sogleich A.I.2. 790 Vgl. Reithmann/Martiny/Martiny, Rn. 86. 791 Vgl. Bariatti, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 325 (326 f.); Clavel, Droit international privé, 2. Aufl. 2010, Rn. 933 f. 787 788

230

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

jedoch nur im Rahmen des allgemeinen Katalogs von Art. 4 Rom I-VO und deshalb nur hinsichtlich der objektiven, nicht aber der subjektiven Anknüpfung, vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. e und f Rom I-VO.792 Dadurch, dass sich die verschiedenen Spezialnormen in ihrer konkreten Ausgestaltung mitunter erheblich voneinander unterscheiden, variiert auch das jeweilig etablierte Schutzniveau.793 Das hat zur Folge, dass unter der Rom I-Verordnung nicht eines, sondern mehrere (genauer vier)794 kollisionsrechtliche Schutzregime nebeneinander bestehen.795 Diese verfolgen dabei allesamt denselben rollenspezifischen Ansatz, der auch für das materielle soziale Vertragsrecht typisch ist: So verknüpfen die besonderen Verweisungsnormen ihre begünstigende Regelung abstrakt mit der Zugehörigkeit zu einer als schützenswert erachteten Gruppe, sodass die tatsächliche Schwäche der Vertragspartei im konkreten Fall keine Rolle spielt.796 2. Erstmalige Privilegierung der Personengruppe der Passagiere in einem Rechtsakt der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen Im Vergleich zu den anderen von der Rom I-Verordnung begünstigten Personengruppen besteht für den Reisenden dabei jedoch die deutlich kürzeste international-privatrechtliche Schutztradition: So werden Verbraucher und Arbeitnehmer seit dem Römer Schuldvertragsübereinkommen aus dem Jahr 1980 durch spezielle Kollisionsnormen geschützt, nämlich Art. 5 bzw. Art. 6

Diese Normen gleichwohl als Ausdruck des Schwächerenschutzes erachtend Lehmann, in: FS Spellenberg, S. 245 (255); M.-P. Weller, IPRax 2011, 429 (435) und Tang, Modern Law Review 2008, 785 (789). Ausführlich dazu Valdini, S. 315 ff. Diese Auffassung wird gestärkt durch den Verordnungsvorschlag, in dem Kommission die Spezialanknüpfungen damit begründete, „dass das materielle Gemeinschaftsrecht den Franchisenehmer und Vertriebshändler als schwächere Partei ansieht“ (Rom I-VO-V S. 6). Gleichwohl ist anzumerken, dass diese Erwägungen keinen Einzug in die endgültige Verordnung fanden, vgl. auch Boskovic, D. 2008, 2175. Allgemein zum IPR der Franchise- und Vertriebsverträge Winkler von Mohrenfels, ZVertriebsR 2014, 281 ff. 793 Diesbezüglich kritisch Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364 (371 f.). 794 Vgl. Crawford/Carruthers, International Private Law, 3. Aufl. 2010, S. 452; Clavel, Droit international privé, 2. Aufl. 2010, Rn. 934. 795 Einen allgemeinen, nicht personenbezogenen, Ansatz verfolgen dagegen Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO: Diese bewirken, dass bei reinen Inlands- bzw. Binnenmarktfällen intern zwingende (Sach-)Normen, die im Ergebnis dem materiell-rechtlichen Schwächerenschutz dienen, nicht durch Rechtswahl umgangen werden dürfen, siehe dazu Hoffmann, EWS 2009, 254 ff. 796 Kritisch gegenüber diesem Ansatz daher Westermann, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. III, Verbraucherschutz, 1983, S. 79 f.; Nach Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 23. Aufl. 2011, Rn. 324 stünde es jedoch der Verkehrssicherheit entgegen, wenn die Schwäche für jedes einzelne Schuldverhältnis individuell festgestellt werden müsste. 792

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

231

EVÜ.797 Noch davor fand eine entsprechende Privilegierung bestimmter Personengruppen im internationalen Zivilprozessrecht statt. Das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27. September 1968 (EuGVÜ)798 enthielt bereits besondere verbraucher- und arbeitnehmerbegünstigende Zuständigkeitsregelungen, außerdem wurde der Versicherungsnehmer zivilprozessual privilegiert.799 Dieser Kontext zeigt, dass die Neuschaffung einer die zu befördernde Person privilegierenden Kollisionsnorm in 5 Abs. 2 Rom I-VO rechtspolitisch hoch einzuordnen ist. Denn im Gegensatz zu Art. 7 Rom I-VO, der mit seinen besonderen Regeln für den Versicherungsnehmer lediglich eine seit Jahrzehnten im IZVR bestehende Tatsache im Kollisionsrecht nachvollzieht,800 wird durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ein ganz neuer Personenkreis in die Riege der schützenswerten, grenzüberschreitend agierenden Marktteilnehmer erhoben. 3. Die spezielle „Schwäche“ der zu befördernden Person Warum gerade die Interessen der zu befördernden Person kollisionsrechtlich schutzbedürftig sind, geht aus dem IPR der Rom I-Verordnung gleichwohl nicht hervor. Zur Begründung der besonderen Regelungen zum Schutze der zu befördernden Person wird in Erwägungsgrund (32) S. 1 Rom I-VO lediglich auf die „Besonderheit von Beförderungsverträgen“ hingewiesen. Worin diese aber im Einzelnen besteht, bleibt unklar.801 Es soll daher an dieser Stelle der Frage nachgegangen werden, weshalb der Reisende vom europäischen Kollisionsrecht überhaupt als schützenswert erachtet wird.

Dabei ist anzumerken, dass der Verbraucherschutz bei Beförderungsverträgen gerade nicht galt, vgl. Art. 5 Abs. 4 lit. a EVÜ. Für Versicherungsnehmer bestand unter dem EVÜ noch keine Sonderregel. Zu der Frage, inwieweit der Versicherungsnehmer bereits unter dessen Geltung kollisionsrechtlichen Schutz genoss Looschelders, in: FS Egon Lorenz, S. 441 (454 ff.). 798 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968, ABl. 1972 L 299, 32. 799 Vgl. Art. 14 (Verbraucher), Art. 5 Nr. 1 (Arbeitnehmer) sowie Art. 8 Nr. 2 und Art. 11 Abs. 1 (Versicherungsnehmer) EuGVÜ. Im heute geltenden europäischen internationalen Zivilverfahrensrecht werden Versicherungsnehmer, Verbraucher und Arbeitnehmer mittlerweile wie selbstverständlich als schwächere Vertragspartei angesehen und dementsprechend durch besondere Zuständigkeitsvorschriften (Art. 10 ff.; 17 ff. bzw. 20 ff. EuGVVO) geschützt, vgl. Erwägungsgrund (18) EuGVVO. 800 Vgl. Boskovic, D. 2008, 2175. 801 Ähnlich Bariatti, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 325 (328 f.); Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364 (372). 797

232

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

a) Anerkennung der Schwäche des Reisenden durch das materielle europäische Vertragsrecht Zieht man diesbezüglich das materielle europäische Vertragsrecht heran,802 stellt man zunächst fest, dass auch dort der Reisende durch verschiedene Vorschriften sachrechtlich privilegiert wird. So legte bereits die Verordnung (EWG) Nr. 295/91803 besondere – zwingende – Ausgleichsleistungen für Fluggäste fest. Nachdem diese Fluggastrechte durch die Verordnung (EG) Nr. 261/ 2004 erheblich ausgeweitet wurden, erließ der europäische Gesetzgeber vergleichbare Fahrgastrechte sukzessive im Eisenbahn-, Schiffs- und Busverkehr.804 Darüber hinaus trat die Europäische Union dem Montrealer Übereinkommen, der COTIF sowie dem Athener Übereinkommen bei, sodass dieses zwingende konventionale Personenbeförderungsvertragsrecht nun innerhalb aller Mitgliedstaaten unmittelbar gilt.805 Damit gewährt das heutige Sekundärrecht dem Reisenden für alle wichtigen Verkehrsträger gewisse Mindestrechte, was im Ergebnis auf nichts anderes als eine Einschränkung der Vertragsfreiheit zugunsten des Passagiers hinausläuft. Folglich wird mittlerweile nicht mehr nur allein die Personengruppe der Verbraucher, sondern zudem auch die der Passagiere durch europäisches Vertragsrecht geschützt.806 Dieses besondere materiell-rechtliche Schutzregime wird in den modernen Fahrgastrechteverordnungen ausdrücklich damit gerechtfertigt, dass es sich bei dem Fahrgast grundsätzlich um die „schwächere Partei des Beförderungsvertrags“ handelt.807 802 Zum systematischen Zusammenhang zwischen der Rom I-Verordnung und dem materiellen Unionsrecht siehe oben § 5 – B.II. 803 Verordnung (EWG) Nr. 295/91 des Rates vom 4.2.1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr, ABl. 1991 L 36, 5. 804 Siehe oben im Überblick von § 1 – B. Vgl. auch die von der Kommission im Weißbuch vom 18.3.2011, KOM(2011) 144 endg., S. 27 aufgestellte Agenda für die weitere Entwicklung der Passagierrechte. Dazu Karsten, VuR 2011, 215 ff. 805 Siehe oben § 1 – B.II.1., § 1 – B.III.2 und § 1 – B.V.2. 806 Vgl. auch Lindner/Tonner, GPR 2011, 86 (93 f.); Karsten, in: Yearbook of Consumer Law 2009, S. 333 (338 f.). Laut Tonner, RRa 2012, 162 sind die Passagierrechteverordnungen nicht der europäischen Verbraucher-, sondern vielmehr der Verkehrspolitik zuzuordnen. A.A. Keiler/Binder, RRa 2009, 210 (211) Fn. 18, die in den Fahrgastrechteverordnungen nur ein weiteres Verbraucherschutzinstrument zu sehen scheinen und deshalb deren Ausgestaltung des persönlichen Anwendungsbereichs im Hinblick auf den sonst im europäischen Privatrecht üblichen Verbraucherbegriff Inkohärenz attestieren. Dies ist jedoch deshalb unzutreffend, weil Fahrgastrechteverordnungen in Ausübung der Art. 90 ff. AEUV erlassen worden sind und nicht etwa im Zuge des Verbraucherschutzes gemäß Art. 169 AEUV. Zu den rechtspolitischen Motiven des europäischen Gesetzgebers für die Schaffung der Passagierrechte siehe die Mitteilung der Kommission vom 19.12.2011, KOM(2011) 898, S. 4 ff. 807 Siehe Erwägungsgrund (3) VO 1371/2007; Erwägungsgrund (1) und (2) VO 1177/ 2010; Erwägungsgrund (2) VO 181/2011; dahin gehend ist wohl auch schon Erwägungs-

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

233

Eine nähere Begründung bleiben jedoch auch die materiellen Transportrechtsverordnungen schuldig. Gleichwohl scheint der EuGH – jedenfalls bisher – keinen Anlass dafür zu sehen, diese Feststellungen weiter zu konkretisieren.808 b) Wirtschaftlich-intellektuelle Unterlegenheit des Reisenden? Das Bedürfnis, die Vertragsfreiheit durch zwingendes Recht einzuschränken, besteht im Allgemeinen immer dann, wenn zwischen den Vertragsparteien Machtunterschiede in intellektueller, psychologischer oder marktmäßiger Hinsicht auftreten, denn in solch einer Konstellation ist die schwächere Partei potentiell in ihrer rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt.809 Dementsprechend ist Ausgangspunkt etwa der materiellen – nationalen und europäischen – Verbraucherschutzregime, dass der Verbraucher in der Regel weitaus weniger Erfahrung und wirtschaftliches Gewicht aufweist als sein gewerblich handelnder Vertragspartner.810 Dieses strukturelle, wirtschaftlichintellektuelle Defizit wird gleichzeitig für die Begründung des internationalprivatrechtlichen Schutzes des Verbrauchers durch Art. 6 Rom I-VO herangezogen.811 grund (1) VO 261/2004 zu verstehen. Bisweilen werden die in diesen Verordnungen geregelten Passagierrechte sogar als „Grundrechte“ bezeichnet (so beispielsweise Grard, RD transp. 4/2011, 11 [12] „droits fondamentaux“), was zumindest im Hinblick auf die für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität gewährten Rechte, die letztlich eine privatrechtliche Maßnahme zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbots darstellen, zutreffend erscheint (dagegen kritisch hinsichtlich dieser Bezeichnung Karsten, VuR 2011, 215 [223]). 808 Siehe etwa EuGH, 22.11.2012 – Rs. C-136/11 [Westbahn], RRa 2013, 36 Rn. 34 zu Sinn und Zweck der Eisenbahnfahrgastrechteverordnung. 809 Uebersax, Der Schutz der schwächeren Partei im internationalen Vertragsrecht, 1976, S. 18 f. 810 Zu den verschiedenen Begründungsansätzen für das zwischen Verbraucher und Unternehmer bestehende Kräfteungleichgewicht MünchKommBGB/Micklitz, Vor. §§ 13, 14 Rn. 67 ff.; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, S. 15 ff. m. w. N. 811 Garcimartín Alférez, in: Liber Amicorum Borrás, S. 445 f.; Staudinger/Magnus, Art. 6 Rom I-VO Rn. 1; Palandt/Thorn, Art. 6 Rom I-VO Rn. 1; Staudinger/Steinrötter, EWS 2011, 70; so zur Regelung im EVÜ Staudenmeyer, in: Lando/Magnus/Novak-Stief (Hrsg.), Angleichung des materiellen und des internationalen Privatrechts in der EU, 2003, S. 57 (59 ff.). Ausführlich zur Begründung des Verbrauchervertrags-IPR Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge zwischen Römer EVÜ und EGRichtlinien, 2002, S. 23 ff. m. w. N. Für eine spezielle Verbraucherkollisionsnorm lassen sich nicht zuletzt ökonomische Erwägungen anführen: So soll die kollisionsrechtliche Absicherung des materiellen sekundärrechtlichen Verbraucherrechts auch bewirken, dass der Verbraucher ganz allgemein Vertrauen in grenzüberschreitende Geschäfte gewinnt (vgl. Rauscher/Heiderhoff, Art. 6 Rom I-VO Rn. 2). Nach Erwägungsgrund (24) Rom IVO soll Art. 6 Rom I-VO zudem dazu beitragen, die Kosten für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zu senken.

234

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Eine ähnliche strukturelle Unterlegenheit wird auch dem Versicherungsnehmer zugeschrieben und dient als Rechtfertigung für die neue Schutznorm des Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO dient.812 So hat der EuGH für das IZPR ausdrücklich festgestellt, dass der Versicherungsnehmer bei den detailliert vorformulierten Standardverträgen regelmäßig keinen Verhandlungsspielraum hat und auch regelmäßig die wirtschaftlich schwächere Partei darstellt.813 Allerdings ist nicht jedweder Versicherungsnehmer – entgegen dem Wortlaut von Art. 10 EuGVVO – als schutzbedürftig anzusehen. Insbesondere bei Groß- und Rückversicherungsverträgen, die von potenten Unternehmen geschlossen werden, erscheint die Annahme einer wirtschaftlichen Unterlegenheit des Versicherungsnehmers widersinnig. 814 Folgerichtig differenziert das neuere kollisionsrechtliche Schutzregime stärker als das bisher bestehende IZPR: So gelten für Versicherungsverträge über Großrisiken und Rückversicherungsverträge im Wesentlichen die allgemeinen Kollisionsregeln und die Sonderregeln des Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO kommen nur bei Versicherungsverträgen über Massenrisiken zum Tragen, die in den meisten Fällen von wirtschaftlich unterlegenen Versicherungsnehmern abgeschlossen werden. Die Rechtfertigung für den kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz durch die Art. 6 und 7 Abs. 3 Rom I-VO lässt sich somit vereinfacht in folgender Formel darstellen: Aufgrund eines grundsätzlichen Wissens- bzw. Erfahrungsdefizits und/oder eines prinzipiell geringeren wirtschaftlichen Gewichts als der andere Vertragspartner haben Verbraucher und Versicherungsnehmer einen eingeschränkten Verhandlungsspielraum, der die grundlegende Gefahr einer für sie nachteiligen Vertragsgestaltung mit sich bringt, weshalb diese Personengruppen auch international zu schützen sind. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Gleichung auch für die durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO abgedeckten Personenbeförderungsverträge Geltung beansprucht.

Palandt/Thorn, Art. 7 Rom I-VO Rn. 1; Kroll-Ludwigs, S. 463. EuGH, 14.7.1983 – Rs. C-201/82 [Gerling], Slg. 1983, 2503 = NJW 1984, 2760 Rdnr. 17; EuGH, 13.7.2000 – Rs. C-412/98 [Group Josi], Slg. 2000, I-5925 = NJW 2000, 3121 Rn. 64. 814 Gleichwohl fallen auch Großversicherungsverträge nach herrschender Meinung in den Anwendungsbereich der Art. 10 ff. EuGVVO (vgl. Schlosser-Bericht zum EuGVÜ, ABl. 1979 C 59, 114 Rn. 140; Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, vor Art. 8 EuGVO Rn. 6; Rauscher/Staudinger, Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 15). Dagegen sind Rückversicherungsverträge von der Anwendung dieser Vorschriften ausgeschlossen, weil diese zwischen zwei Versicherungsgesellschaften geschlossen werden und dem Versicherungsnehmer somit das Schutzbedürfnis fehlt, so der EuGH, Rs. C-412/98 (Fn. 813), Rn. 66 f. und schon der Schlosser-Bericht, S. 71 Rn. 151. Für eine Anwendung der Art. 10 ff. EuGVVO lediglich auf „private“ Versicherungsnehmer dagegen etwa Fricke, VersR 2009, 429 (430 f.); Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2010, Art. 8 EuGVVO Rn. 4. 812 813

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

235

aa) Wirtschaftliches Übergewicht des Beförderers Bei Beförderungsverträgen im öffentlichen Personenverkehr wird in der Regel der Beförderer die wirtschaftlich stärkere Partei darstellen. Ein einzelner Passagier kann es an Verhandlungsstärke nicht mit international agierenden, mitunter milliardenschweren Luft-, Schifffahrt- oder Eisenbahnunternehmen aufnehmen. Das gilt besonders dann, wenn ein Beförderungsbetrieb faktisch eine Monopolstellung inne hat und somit als einziger die gewünschte Beförderungsleistung anbieten kann, wie es heute noch bei vielen europäischen (ex-)Staatseisenbahnen der Fall ist.815 Insbesondere aufgrund der Verkehrspolitik der Union fallen diese Monopole allerdings sukzessive,816 so dass in Zukunft auch bei internationalen (wie auch inländischen) Bahn- oder Busreisen potentiell verschiedene Anbieter miteinander konkurrieren können, wodurch die Marktmacht der ehemals staatseigenen Beförderungsunternehmen sinken wird. Da aber allein schon die Bereitstellung eines grenzüberschreitenden Linienverkehrs durch die Beschaffung, den Unterhalt und den Betrieb teurer und komplexer Verkehrsmittel wie Flugzeug, Zug oder Schiff eine erhebliche ökonomische Hubkraft voraussetzt, wird die wirtschaftliche Stärke eines Anbieters solcher Dienste dennoch in der Regel die des einzelnen Nachfragenden bei weitem übersteigen. Ein Ausdruck dieser wirtschaftlichen Überlegenheit ist, dass der Beförderer in der Regel – insbesondere im internationalen Linienverkehr – die wesentlichen Bedingungen des Transportvertrages diktiert. So wird beispielsweise die Gegenleistung so gut wie nie frei zwischen den Parteien ausgehandelt, sondern einseitig vom Beförderer vorgegeben. Im absoluten Regelfall hat dieser einen oder mehrere feste Tarife zu denen er pauschal befördert und der von der jeweiligen Strecke abhängig ist.817 Abgesehen vom Entgelt werden in der Regel auch die sonstigen Vertragsbedingungen durch den Beförderer in speziellen Klauselwerken einseitig festgelegt,818 welche häufig von entsprechenden Befördererverbänden ausgearbeitet werden.819 Wenn die RahZu Entwicklung und Stand der Deregulierung des Eisenbahnverkehrs durch die Europäische Union Burmeister, Der Wettbewerb der Eisenbahnen im europäischen Binnenmarkt, 2001 sowie Hafner, Entflechtung und Wettbewerb im Eisenbahnwesen, 2011. 816 Zur Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik Epiney/Heuck/Schleiss, in: Dauses, Kap. L Rn. 226 ff. 817 Dieser Tarif wird jedoch gegebenenfalls vom nationalen Gesetzgeber kontrolliert oder sogar selbst vorgeschrieben, vgl. § 45 i. V. m. § 39 PBefG; § 11 EVO. Zur staatlichen Regulierung der Preise auf den Verkehrsmärkten Basedow, S. 141 ff. und S. 172 ff. 818 Siehe dazu Basedow, S. 75 f. 819 Siehe beispielsweise die von den Fluggesellschaften verwendeten Beförderungsbedingungen der IATA (dazu AGB-Klauselwerke/Vogt, Transportrecht Rn. 100; speziell zu deren Vewendung im Luftfrachtverkehr Gran, TranspR 1999, 173 ff. und im Personenverkehr Giemulla/Schmid, NJW 1999, 1057 ff.). Im Eisenbahnverkehr gibt das internationale Eisenbahntransportkomitee CIT die ABB-CIM, die allgemeine Beförderungsbedingungen 815

236

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

menbedingungen derart vorgegeben sind, bleibt dem Reisenden im Grunde keinerlei Freiheit hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung seines konkreten Beförderungsvertrags. Tatsächlich gibt es beim Vertragsschluss deshalb auch keine nennenswerte Verhandlungsphase. Vielmehr gibt der Reisende bei einer Verkaufsstelle, im Reisebüro oder im Internet die genauen Parameter der Beförderung vor (Start-, Zielort, Reisedauer, Umsteigeaufwand, Komfortklasse, etc.) und kann sich nach Erhalt der Preiskalkulation des jeweiligen Beförderers nur entscheiden, ob er den Vertrag zu dessen allgemeinen Bedingungen abschließt oder nicht.820 Folglich stellt in den meisten Fällen einzig die Auswahl des Beförderers – so denn überhaupt mehrere Anbieter existieren – eine Möglichkeit des Reisenden dar, Einfluss auf die Gestaltung des Vertrags zu nehmen. Bei einem funktionierenden Preiswettbewerb kann der Passagier so immerhin die für ihn günstigste Beförderung wählen. Die wirtschaftliche Übermacht der Beförderer war letztlich auch der Hauptgrund für die Schaffung von zwingendem Beförderungsvertragsrecht durch die nationalen Gesetzgeber. Diese sahen sich wegen der monopolartigen Marktmacht der Beförderer veranlasst, die Vertragsfreiheit einzuschränken, „um die Verkehrsnutzer vor dem einseitigen Vertragsdiktat der Beförderer zu schützen“.821 Dazu wurden in Deutschland etwa eine staatliche Kontrolle der Tarife eingeführt sowie zwingende gesetzliche Haftungsregelungen installiert.822 Außerdem wurden mitunter Genehmigungsvorbehalte bezüglich der vom Beförderer gestellten allgemeinen Beförderungsbedingungen geschaffen.823 bb) Kein nennenswertes Wissens- bzw. Erfahrungsdefizit des Passgiers Ein grundsätzliches Wissens- oder Erfahrungsdefizit des Passagiers lässt sich dagegen nicht ausmachen. Bei der Verwendung von festen Tarifen und allfür den grenzüberschreitenden Eisenbahngüterverkehr, heraus (abgedruckt in Anhang Nr. 5 zur Kommentierung des Internationalen Eisenbahnrechts im MünchKommHGB). 820 Linder/Tonner, GPR 2011, 86 (93). Vgl. auch Lienhard, GPR 2004, 259 (261), der für diese Konstellation im Flugverkehr den Begriff des „asymmetrisch standardisierten Vertragsschlusses“ verwendet. 821 Basedow, S. 273 und vertiefend S. 247 ff. m. w. N. Gleichwohl sind die Nationalstaaten für diese überragende Marktmacht der Beförderer mitverantwortlich, indem sie durch eine protektionistische Regulierung der Verkehrsmärkte den Wettbewerb behindern. Zur Entwicklung der Eingriffe durch den deutschen Staat in die einzelnen Verkehrsmärkte siehe Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, 1989, S. 53 ff. 822 Basedow, S. 257 f. 823 So im Luftverkehr durch § 21 Abs. 2 LuftVG und im Schienenpersonenverkehr durch § 12 Abs. 3 AEG. Für den Personenverkehr auf der Straße enthält das PBefG in § 39 Abs. 6 und § 41 Abs. 3 entsprechende Vorbehalte. Dort hat der deutsche Gesetzgeber allerdings allgemeine Beförderungsbedingungen in einer Rechtsverordnung selbst vorgeschrieben, vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 5 PBefG i. V. m. der BefBedV, der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.2.1970, BGBl. 1970 I, 230.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

237

gemeinen Beförderungsbedingungswerken durch den Beförderer und der damit einhergehenden vorvertraglichen Festlegung der Modalitäten des Vertrages ist der Spielraum des Beförderers seine etwaige Überlegenheit beim Vertragsschluss auszunutzen ohnehin gering. Überdies handelt es sich bei einer vertraglichen Personenbeförderung um eine relativ überschaubare Materie. Der Passagier strebt seine Ortsveränderung von A nach B an, legt sich dafür auf ein bestimmtes Verkehrsmittel und eine entsprechende Reiseroute fest und entrichtet dafür den vom Beförderer veranschlagten Tarif. Die wesentliche Primärleistung des Beförderers ist für den Fahrgast sehr gut erfassund kontrollierbar und nicht an komplexe Bedingungen oder Voraussetzungen geknüpft, wie dies etwa bei einem Versicherungsvertrag der Fall ist. Zwar ist es – trotz eines etwa bestehenden Genehmigungsvorbehalts824 – durchaus möglich, dass der Beförderer missbräuchliche AGB verwendet, die zudem von der Gegenpartei in der Regel nicht in ihrer Gesamtheit erfasst werden. Dagegen wird der Fahrgast – sofern nicht ohnehin zwingendes Recht eingreift – jedoch zumeist durch eine nationale Klauselkontrolle geschützt.825 Er ist insoweit zumindest keinem höheren Risiko ausgesetzt als andere Teilnehmer am Rechtsverkehr in anderen Bereichen. Was sich im Transportrecht ausmachen lässt, ist allenfalls ein gewisses Motivationsgefälle zwischen den Parteien des Beförderungsvertrages hinsichtlich der Befassung mit später auftretenden Haftungsfragen.826 Von einem besonderen intellektuellen Defizit des Passagiers bei Vertragsschluss kann aber nicht die Rede sein. Ähnliches gilt auch hinsichtlich der Erfahrung der Beförderungsvertragsparteien. Zwar haben sicherlich gerade gewerblich agierende Beförderer eine größere Routine beim Abschluss von Transportverträgen,827 allerdings ist auch der durchschnittliche Passagier insoweit nicht vollkommen unerfahren. 824 Das zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass auch genehmigte AGB grundsätzlich der AGB-Kontrolle unterliegen, vgl. BGH BGHZ 86, 284 (291) = NJW 1983, 1322 (1324). 825 Ausführlich zur Klauselkontrolle von Allgemeinen Beförderungsbedingungen (mit Nachweisen aus der Rechtsprechung) Kappus, RRa 2010, 160 ff. Effektiv ist der Schutz des Reisenden durch die AGB-Missbrauchskontrolle jedoch nur dann, wenn diese nicht auf Verbraucherverträge beschränkt ist, wie es in Deutschland der Fall ist. Beispielsweise wurden im Luftverkehr verwendete Klauseln, aufgrund derer bei Zahlung mit Kredit- oder Zahlkarten eine besondere Gebühr erhoben wird (BGH NJW 2010, 2719), oder eine Bestimmung, nach der bei Nichtvorlage der Kredit- oder Debitkarte, mit der das Ticket bezahlt wurde, der Flug nicht angetreten werden kann, sondern ein neues Ticket erworben werden muss (OLG Frankfurt MDR 2011, 1343), zuletzt von der Rechtsprechung als missbräuchlich angesehen. 826 Siehe Basedow, S. 273 f.: Während für den Beförderer Haftungsfragen von großer Bedeutung sind, die er folglich in den AGB regeln wird, besteht für den Verkehrsnutzer kaum ein Anreiz sich vorab damit zu befassen. Denn ihm wird es eher um die ordnungsgemäße Abwicklung des Vertrages gehen, also um die primären Leistungspflichten. 827 Die Gewerblichkeit des Beförderers ist für die Anwendung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO keine Voraussetzung, siehe unten B.II.3.

238

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Denn mittlerweile handelt es sich bei der Inanspruchnahme von Transportdienstleistungen um ein Geschäft des täglichen Lebens, sodass der Fahrgast ebenfalls über einen gewissen Erfahrungsschatz verfügt und insbesondere das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einzuschätzen vermag. Dies zeigt sich daran, dass jedenfalls dort, wo ein Wettbewerb besteht, immer häufiger Passagiere ihre Reise unter Zuhilfenahme von Vergleichsportalen buchen. Indem sie so für eine bestimmte Flug- oder auch eine Schiffsverbindung den Beförderer mit dem günstigsten Preis ausfindig machen,828 nutzen die Fahrgäste die einzige sich ihnen bietende Gestaltungsmöglichkeit – nämlich die Minimierung der Kosten für die Beförderung durch die Wahl des Anbieters. cc) Zwischenergebnis: Stark eingeschränkte rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Reisenden Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass für den Reisenden beim Abschluss eines Personenbeförderungsvertrages kein rechtsgeschäftlicher Verhandlungsspielraum besteht.829 Dies liegt indes weniger an einem speziellen Wissensdefizit des Fahrgasts, als an der wirtschaftlichen Dominanz des Beförderers. Insoweit, dass der Passagier „meist mit einem vorformulierten und in seinen Einzelnheiten nicht mehr verhandelbaren Vertrag konfrontiert wird“830, ist seine Situation also durchaus mit der des Versicherungsnehmers vergleichbar. Möglicherweise ist dies also die „Besonderheit“ im Sinne von Erwägungsgrund (32) Rom I-VO, aufgrund derer die beförderte Person international-privatrechtlich privilegiert wurde. c) Widersprechender Ansatzpunkt des europäischen Passagier(schutz)rechts Dagegen lässt sich jedoch der deutsche Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anführen: Danach kommt nicht etwa der Vertragspartner des Beförderers in denGenuss der kollisionsrechtlichen Privilegierung der Personenbeförderungsvertragskollisionsnorm, sondern die „zu befördernde Person“.831 Wenn durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO aber gar nicht die Partei des Beförderungsvertrags

In diesem Zusammenhang spielt Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft vom 24.9.2008, ABl. 2008 L 293, 3 eine wichtige Rolle. Dieser schützt vor einer unseriösen Preisauszeichnung – wie sie vor allem von Billigfluglinien zur Kundengewinnung betrieben wurde – indem er vorschreibt, dass der Flugpreis inklusive aller etwaiger Flughafen- oder sonstiger Gebühren und Steuern als einheitlicher Endpreis ausgewiesen werden muss. Siehe dazu Ernst, GPR 2009, 18 f. 829 Zum gleichen Ergebnis kommend Lindner/Tonner, GPR 2011, 86 (93). 830 So die Formel des EuGH (Fn. 813) zur Begründung der zivilverfahrensrechtlichen Privilegierung des Versicherungsnehmers. 831 Siehe dazu auch unten C.I.1.a)bb). 828

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

239

begünstigt wird, scheint der Grund für die Regelung auch nicht in einer Einschränkung der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit zu liegen. Diese Einschätzung wird im Übrigen durch einen Blick auf das materielle europäische Passagierrecht bekräftigt, welchem für die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO eine besondere Relevanz zukommt.832 Die neueren vom europäischen Gesetzgeber geschaffenen Bestimmungen zum Fahrgastschutz setzen nämlich ebenfalls nicht an der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit der beförderten Person an.833 Dies wird deutlich, wenn man sich die Wirkung der in den neuen Verordnungen normierten Fahrgastrechte (bzw. die Pflichten des Beförderers) vor Augen führt:834 Zwar knüpfen auch die in den Fahrgastrechteverordnungen geschaffenen Ansprüche des Passagiers an eine Störung der Beförderung (etwa Nichtbeförderung, Annulierung, Verspätung) als der Primärleistung an. Die Rechtsfolgen, die damit verbunden werden, beziehen sich jedoch nicht auf eine Haftung des Beförderers gegenüber seinem Vertragspartner in Form einer finanziellen ad hoc-Kompensation. Stattdessen sollen die Fahrgastrechte vor allem die Situation des Passagiers bereits während der Reise verbessern:835 So hat er bei einer nach Fahrtantritt auftretenden Störung im Beförderungsablauf nun einen ausdrücklichen Anspruch auf anderweitige Beförderung.836 Tritt die Störung noch vor Fahrtantritt auf, kann der Reisende von der Reise Abstand nehmen und sich den Fahrpreis erstatten lassen.837 Zudem wird der Beförderer zu gewissen Betreuungsleistungen wie Verpflegung und Unterbringung verpflichtet.838 Sogar der auf Geldzahlung gerichtete Ausgleichsanspruch839 dient in erster Linie der Ver832

(339).

Siehe oben § 5 – B.II. Vgl. auch Karsten, in: Yearbook of Consumer Law 2009, 333

A.A. Lindner/Tonner, GPR 2011, 86 (93), die in den Fahrgastrechteverordnungen eine Reaktion des europäischen Gesetzgebers auf die schlechtere Marktposition des Passagiers sehen. Dies mag dagegen eher für das internationale Einheitsrecht gelten, welchem die Union beigetreten ist. So enthalten namentlich das MÜ und die COTIF zwingende Haftungsregeln, die einer einseitigen Gestaltung des Vertrages durch den Beförderer entgegen wirken sollen. Dies trifft auch auf die VO 2027/97 als Rechtsakt originären Unionsrechts zu. Allerdings wurde auch diese Verordnung im Hinblick auf das internationale Recht des Warschauer Abkommens erlassen. 834 Siehe dazu auch unten § 11 – B. 835 Vgl. AG Bremen VuR 2007, 235 Rn. 31 f. 836 Art. 8 Abs. 1 lit. b und c VO 261/2004; Art. 16 lit. b und c VO 1371/2007; Art. 18 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 VO 1177/2010; Art. 19 Abs. 1 lit. a VO 181/2011. 837 Art. 8 Abs. 1 lit. a VO 261/2004; Art. 16 lit. a VO 1371/2007; Art. 18 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 VO 1177/2010; Art. 19 Abs. 1 lit. b VO 181/2011. 838 Art. 9 VO 261/2004; Art. 18 VO 1371/2007; Art. 17 VO 1177/2010; Art. 21 VO 181/2011. Näher zu dem Betreuungsanspruch bei Flugreisen siehe auch EuGH, 31.1.2013 – Rs. C-12/11 [Mc Donagh/Ryanair Ltd.], NJW 2013, 921. 839 Art. 7 VO 261/2004; Art. 17 VO 1371/2007; Art. 19 VO 1177/2010; Art. 19 Abs. 2 VO 181/2011. 833

240

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

besserung der Lage des Passagiers während der Beförderung. Zwar deutet die weitreichende Ausgestaltung in der Eisenbahn- und Schifffahrtsverordnung (anteilige Erstattung des Fahrpreises auch bei Verspätung von über einer Stunde) darauf hin,840 dass es sich dabei wohl um eine Art pauschalisierten Schadensersatzanspruch wegen einer Schlechtleistung des Beförderers handelt.841 Gleichwohl sollen mittels dieses Anspruchs gerade keine kausalen Schäden des Passagiers, sondern die mit dem Zeitverlust infolge der Verspätung eingetretenen Unannehmlichkeiten ausgeglichen werden.842 Daraus wird deutlich, dass die primäre Funktion des pauschalen Ausgleichsanspruches ist, dem Beförderer einen wirtschaftlichen Anreiz zur Vermeidung von Störungen des Fahrplans zu geben, um so letztlich die Beeinträchtigungen von Passagieren zu vermeiden, vgl. ausdrücklich Erwägungsgrund (13) VO 1371/2007.843 Bei dieser Haftungsregelung steht somit die Präventionswirkung im Vordergrund.844 Das wird ganz besonders deutlich im Rahmen der Busfahrgastrechte-VO 181/2011, wo der Ausgleichsanspruch eine Art Sanktion für den Fall darstellt, dass der Beförderer dem Reisenden den Beförderungs- oder Betreuungsanspruch verwehrt, vgl. Art. 19 Abs. 2. Nach dieser Gesamtschau lässt sich festhalten, dass von den europäischen Fahrgastrechteverordnungen offensichtlich nicht der Vertragsschluss als der maßgebliche Moment erachtet wird, an dem sich die Schwäche des Passagiers manifestiert. Die durchaus bestehende eingeschränkte rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Reisenden kann somit nicht der Grund für die Schaffung der speziellen europäischen Passagierrechte sein. Diese zielen 840 Im Rahmen der Fluggastrechteverordnung wird ein Ausgleichsanspruch dagegen nach dem Wortlaut nur bei Nichtbeförderung und Annulierung gewährt, vgl. Art. 7 i. V. m. Art. 4 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 lit. c. 841 Vgl. zum Erstattungsanspruch der Eisenbahnrechte-VO EuGH, 26.9.2013 – Rs. C509/11 [ÖBB-Personenverkehr AG], NJW 2013, 3429 = EuZW 2013, 906 Anm. Staudinger Rn. 38 (besprochen von Pavliha/Hojnik, ETL 2014, 5 ff.). So auch Hausmann, S. 357 ff. m. w. N. zur Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs der Fluggastrechteverordnung. Für eine Einordnung dieses Anspruchs als Haftung wegen Schuldnerverzug und immaterieller Schadenersatz für den erlittenen Zeitverlust dagegen Lindemann, TranspR 2011, 10 (13). 842 Siehe EuGH (§ 2 Fn. 124) NJW 2013, 671 Rn. 49 ff. So bereits Tonner, RRa 2012, 162 (165). 843 Ähnlich für die VO 261/2004 Führich, Sonderbeilage MDR 7/2007, S. 1 (8); Schmid, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, 2012, S. 321 (329); AG Bremen NJW-RR 2011, 380. Die Abschreckungsfunktion des Ausgleichsanspruchs der Fluggastrechteverordnung ebenfalls anerkennend Remien, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, 2012, S. 359 (369). 844 Ebenso Staudinger, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 133 (148). Zur Schadensprävention von transportrechtlichen Haftungsandrohungen allgemein Basedow, S. 487 ff.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

241

stattdessen auf die besondere Situation des Passagiers während der Durchführung des Personenbeförderungsvertrages ab. d) Schutzbedürftigkeit des Reisenden aufgrund faktischer Abhängigkeit während der Durchführung der Beförderung In der Phase der Beförderung, also zwischen Abfahrt und Ankunft, ist der Passagier in mehrfacher Hinsicht dem Beförderer ausgeliefert. Das beginnt schon damit, dass der Reisende, indem er sich in ein Transportmittel des Beförderers begibt, seine körperliche Unversehrtheit ein Stück weit zu dessen Disposition stellt. Wohl und Wehe des Reisenden hängen dann nämlich unmittelbar von der Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen, aber auch von einer ordnungsgemäßen Steuerung des Fahrzeugs ab.845 Ein etwaiges Fehlverhalten des Beförderers in diesen Punkten könnte fatale Auswirkungen auf Leib und Leben des Fahrgasts haben. Dadurch hat der Beförderer während der Beförderung einen besonderen Zugriff auf die allerhöchsten Rechtsgüter des Passagiers. Dieses Ausgeliefertsein hat nunmehr auch der EuGH ausdrücklich den Regelungen der Fluggastrechteverordnung zugrundegelegt: So besteht nach dem Gerichtshof die besondere Situation der Fluggäste nämlich darin, dass sie sich „während des Fluges […] nach Weisungen und unter der Kontrolle des Luftfahrtunternehmens in einem geschlossenen Raum aufzuhalten [haben].“846 Im Rahmen einer Beförderung ist die Integrität des Passagiers jedoch nicht nur der statistisch eher geringen Gefahr eines Unfalls ausgesetzt. Diese kann vielmehr auch infolge von Störungen im Reiseablauf auftreten. Im Gegensatz zum Individualverkehr mit seinem eigenen Fahrzeug hat der Reisende während der Beförderung im öffentlichen Personenverkehr keine Kontrolle über den konkreten Reiseverlauf. Stattdessen hat er sich „in die Hände“ des einen, von ihm ausgewählten, Beförderers begeben und kann sodann nur hoffen, dass alles plangemäß abläuft. Treten bei der Reise aber unvorhergesehene Störungen auf, hat der Fahrgast selbst keine Einflussmöglichkeiten auf den weiteren Verlauf, denn er kann nicht über das konkrete Transportmittel verfügen. Das kann insbesondere bei mehrgliedrigen Beförderungen, die einen oder mehrere Umsteigevorgänge vorsehen, zu einer erheblichen Beschränkung der räumlichen Freiheit des Passagiers führen: Wenn im Laufe der Reise ein Anschluss nicht erreicht wird oder ausfällt oder das benutzte Transportmittel liegen bleibt, wird der betroffene Reisende zu einem ungewünschten Aufenthalt gezwungen. Gerade bei überregionalen (namentlich: grenzüberschreitenden) Beförderungen, insbesondere bei Flug- oder Zugreisen, kann der Fahrgast diesen Missstand selbst aber kaum beheben. Denn je weiter Vgl. Staudinger/Magnus, Einl. zur Rom I-VO Rn. 71. EuGH, 4.9.2014 – Rs. C-452/13 [Germanwings/Henning], NJW 2015, 221, Rn. 20. Zu dieser Entscheidung Keiler, GPR 2014, 258 ff. 845 846

242

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

er von seinem Ausgangs- bzw. Bestimmungsort entfernt ist, desto eher ist er für die Fortsetzung oder die Rückfahrt auf das Organisationssystem des Beförderers angewiesen.847 In diesem Fall ist der Passagier somit faktisch von einem Entgegenkommen des Beförderers abhängig, was diesen in eine außerordentliche Position der Stärke versetzt. Denn der Reisende wird häufig zu Zugeständnissen bereit sein, um den unerwünschten Zwischenstopp so kurz wie möglich zu halten.848 Dabei muss es dem Fahrgast nicht nur darum gehen, Unannehmlichkeiten zu vermeiden, die direkt aufgrund der Verlängerung der Reisezeit auftreten.849 Insoweit ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Beförderung in der Regel nicht zum bloßen Selbstzweck, sondern im Hinblick auf die Einhaltung eines bestimmten Terminplans des Passagiers erfolgt. Denn hinter der Personenbeförderung steht meist eine sich mehr oder weniger unmittelbar daran anschließende berufliche oder private Aktivität. Mit der Buchung der konkreten Beförderung und der sich daraus ergebenden Verbindlichkeit macht der Reisende die Erfüllung seines bestehenden Zeitplans von dem Beförderer abhängig. Denn dann ist die Beförderungsleistung entscheidend dafür, dass der Reisende die für ihn wichtigen Termine (z. B. Besprechungen oder auch Urlaubsaktivitäten) wahrnehmen kann. Insofern besteht also eine zeitliche bzw. terminliche Abhängigkeit des Passagiers von dem Beförderer.850 Bei Störungen im Reiseverlauf erhöht sich der Zeitdruck des Reisenden beträchtlich, was in dieser Situation wiederum seine Position gegenüber dem Beförderer erheblich schwächt. Der Grund für die Abhängigkeit des Passagiers während der Beförderung liegt letztlich in dem Umstand begründet, dass er sich für die Durchführung der Reise quasi in die „Obhut“ des Beförderers und damit in dessen Machtbereich begibt. Um an sein Ziel zu gelangen, schränkt der Fahrgast seine Bewegungs- und Handlungsfreiheit ein und delegiert im Gegenzug die Kontrolle über seinen Standort an den Beförderer. Durch diese ihm fehlende Facette der 847 Ein Rückgriff auf andere Wettbewerber des gewählten Beförderers ist – so denn überhaupt welche auf der maßgeblichen Strecke existieren – wegen der Kurzfristigkeit der Buchung mitunter mit hohen Kosten verbunden und damit abschreckend. Mögliche alternative individuelle Fortbewegungsmittel wie Taxi oder Mietwagen sind bei größeren Distanzen in der Regel wirtschaftlich oder auch zeitlich unrentabel. 848 Dies zeigt ein absurdes, aber gleichwohl reales Beispiel aus dem Flugverkehr: So ließen sich die Passagiere eines Comtel-Air-Fluges von Amritsar nach Birmingham bei einem Zwischenstop in Wien dazu nötigen, insgesamt 20.000 Pfund Benzingeld für den Heimflug zu zahlen. Fluggäste ohne ausreichend Bargeld mussten aussteigen und Geld abheben (ausführlicher Artikel vom 17.11.2011 abrufbar unter: ). 849 Gleichwohl ist es ausdrückliches Ziel der Fahrgastrechteverordnungen diese Unannehmlichkeiten des Reisenden zu minimieren. 850 Siehe Basedow, S. 218, der dies auch als fehlende Zeitelastizität der Nachfrage bezeichnet.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

243

Selbstbestimmung ist der Reisende verwundbar. Es könnte daraus nämlich durchaus die Situation entstehen, dass er sich in der Lage eines „Ausgesetzten“ befindet.851 Dies etwa, wenn der Fluggast den letzten Anschlussflug verpasst, er deshalb nicht zeitnah weiterbefördert werden kann und somit über Nacht oder mehrere Tage auf einem Flughafen – eventuell in der ausländischen Provinz – verbringen muss. Ein anderes Beispiel, dass diesen Umstand verdeutlicht, ist der in einer Winternacht auf einem Unterwegsbahnhof des Zuges verwiesene Fahrgast. In diesen Fällen wäre die Integrität des betroffenen Passagiers – möglicherweise sogar aufgrund schuldhaften Verhaltens des Beförderers – ganz erheblich beeinträchtigt. Somit hängt das körperliche Wohlbefinden des betroffenen Passagiers maßgeblich davon ab, dass der Beförderer seine Obhutspflichten ordnungsgemäß erfüllt. Dieses „sichAusliefern“ und die daraus folgende tatsächliche Abhängigkeit ist letztlich die eigentliche Schwäche des Reisenden. Dessen körperliche Integrität ist schutzbedürftig.852 Dazu tritt die angesprochene zeitliche Abhängigkeit des Passagiers, der auf die termingerechte Beförderung angewiesen ist. Dies führt dazu, dass die beförderte Person im Vergleich zum Beförderer die schwächere Vertragspartei darstellt.853 4. Ergebnis: Eigenständiger Schutzgrund Die konkrete Schutzbedürftigkeit der beförderten Person im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO resultiert aus ihrer besonderen Abhängigkeit, die während der Durchführung des Personenbeförderungsvertrags besteht.854 Die von den Fahrgastrechteverordnungen und auch von Erwägungsgrund (32) Rom I-VO angesprochene Schwäche des Passagiers ist damit nicht auf ein intellektuelles oder – in der Tat bestehendes – wirtschaftliches Defizit zurückzuführen, weshalb sich der Passagier etwa von Verbraucher und Versicherungsnehmer unterscheidet. Hinsichtlich des Bestehens dieser besonderen Abhängigkeitssituation ist der Personenbeförderungsvertrag am ehesten mit der Situation beim Arbeitsvertrag vergleichbar.855 Allerdings folgt bei letzterem die international-privatrechtliche (ebenso wie die materiell-rechtliche) Schützwürdigkeit des Arbeitnehmers nicht aus einer faktischen, sondern aus einer sozialen Abhängigkeit, welche sich daraus ergibt, dass der Arbeitnehmer seinen Le851 Genau an diesem Punkt setzen letztlich die Fahrgastrechteverordnungen an, indem sie einen Anspruch auf anderweitige Beförderung und einen Anspruch auf Betreuungsleistungen schaffen. 852 Der Schutz der körperlichen Integrität kann im Übrigen auch ein Anliegen von speziellem Verbraucherschutzrecht sein, vgl. Schmidt-Kessel, VuR 2012, 350 (352). 853 Diese genaue Herausarbeitung der eigentlichen Schwäche des Passagiers wird kollisionsrechtlich vor allem bei der Frage relevant, auf welche Person im Rahmen der Anknüpfung des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO abzustellen ist, siehe unten C.I.1.a)bb). 854 Ebenso Staudinger/Magnus, Einl zur Rom I-VO Rn. 71. 855 In diese Richtung auch Legros, RD transp. 2/2009, 12 (16) Rn. 18.

244

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

bensunterhalt aus dem arbeitsvertraglichen Entgelt bestreitet und somit auf den Arbeitgeber angewiesen ist.856 Der international-privatrechtlichen Privilegierung der beförderten Person durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO liegt damit ein im Vergleich zu den anderen Vorschriften des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz eigenständiger Schutzgrund zugrunde.857 Sie erfüllt einen eigenen rechtspolitischen Zweck.858 Insbesondere ist die Vorschrift nicht als spezielle Regelung des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes anzusehen.859 Dafür spricht bereits ein systematisches Argument: Wäre die Intention des europäischen Gesetzgebers wirklich gewesen, den kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz auf Personenbeförderungsverträge auszuweiten, hätte er dafür mit Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO keine neue Norm schaffen, sondern nur den in Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO geregelten Ausnahmebereich auf Güterbeförderungsverträge beschränken müssen.860 II. Folgen für die Auslegung der Personenbeförderungsvertragskollisionsnorm Wie gezeigt, handelt es sich bei dem Grundsatz des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes nicht um ein universelles, allgemeingültiges Prinzip, sondern lediglich um eine Beschreibung für die Summe aus unterschiedlichen Schutzregimen innerhalb der Rom I-Verordnung.861 Übergreifende systematische Aussagen oder Regeln können daher grundsätzlich nicht pauschal getroffen werden. Allerdings hat der EuGH in seiner Entscheidung der Rechtssache Koelzsch mit dem Prinzip des Schwächerenschutzes als solchen eine abstrakte Konsequenz verknüpft:862 856 Vgl. Staundinger/Magnus, Art. 8 Rom I-VO Rn. 1. So schon Giuliano/LagardeBericht, S. 57 zu Art. 6 EVÜ. 857 Ebenso wohl Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 77, der allerdings etwas ungenau darauf abstellt, dass die zu befördernde Person als die strukturell schwächere Vertragspartei anzusehen ist. 858 Ob dieser in befriedigender Weise durch die Regelung des Art. 5 Rom I-VO auch erfüllt wird, steht auf einem anderen Blatt, siehe dazu unten E. 859 Wie hier Calliess/Schulze, Art. 5 Rome I Rn. 2. A.A. Mankowski, Neues aus Europa, Rn. 121. Feststeht allerdings, dass der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz des Art. 6 Rom I-VO durch das Regime des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO faktisch ergänzt wird, vgl. unten § 8 – B.III. Siehe auch Magnus, IPRax 2010, 27 (38) der insofern von einem „begrenzten eigenständigen Verbraucherschutz“ spricht. Delebecque, in: Scritti in onore di Francesco Berlingieri, 2010, S. 431 (436) beschreibt dies mit den Worten „le droit des passagers entre dans l’orbite du droit de la consommation“. 860 Dies ebenfalls erkennend, jedoch anders bewertend Mankowski, TranspR 2008, 339 (350). 861 Siehe oben A.I.1.c). 862 EuGH, 15.3.2011 – Rs. C-29/10 [Koelzsch], Slg. 2011, I-1634 = EuZW 2011, 302 = IPRax 2011, 582 = ArbR 2011, 192 Anm. Arnold = Rev. crit. DIP 2011, 447 Anm. JaultSeseke. Dazu Mankowski/Knöfel, EuZA 2011, 521 ff.; Lüttringhaus, IPRax 2011, 554 ff.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

245

Zwar betrifft das Urteil im Wesentlichen die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 lit. a des EVÜ,863 gleichwohl kommt ihm auch Bedeutung für die Anwendung der Rom I-Verordnung zu.864 Dies zunächst einmal in arbeitsrechtlicher Hinsicht, denn der EuGH bezieht in der Entscheidung in einem obiter dictum Stellung zu der neuen arbeitnehmerschützenden Kollisionsnorm in Art. 8 Rom I-VO.865 Diesbezüglich stellt er fest, dass „sich die Auslegung dieser Bestimmung, wie in Erwägungsgrund (23) dieser Verordnung ausgeführt, nach den Grundsätzen des favor laboratoris richten [muss], da die schwächere Partei eines Vertrags ‚durch Kollisionsnormen geschützt werden [muss], die für sie günstiger sind‘.“866

Das hat zur Folge, dass die Kollisionsnorm für Arbeitsverträge in ihrer Eigenschaft als Norm des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes im Zweifel arbeitnehmerfreundlich auszulegen ist. Aus der Argumentation des EuGH ergibt sich darüber hinaus aber noch eine allgemeine Konsequenz für die Rom I-Verordnung, die sich auch auf Art. 5 Rom I-VO auswirkt: Obwohl der Gerichtshof seine Aussage ausdrücklich im Hinblick auf Art. 8 Rom I-VO trifft, stützt er diese ganz allgemein auf Erwägungsgrund (23) der Verordnung. 867 Dieser Umstand legt es nahe, anzunehmen, dass der zitierte Ausspruch des EuGH auf alle Vorschriften, die einen kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz verwirklichen, übertragen werden kann. Folglich muss einjede derartige Norm der Rom I-Verordnung grundsätzlich nach dem „favor protectionis“ ausgelegt werden. Da nunmehr eine besondere Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge existiert, die laut Erwägungsgrund (32) ein „angemessenes Schutzniveau für zu beför863 Das Urteil befasst sich mit einer Frage zu dem bei grenzüberschreitender Tätigkeit anzuwendende Arbeitsrecht. Ein LKW-Fahrer mit Wohnsitz in Osnabrück wurde von einer luxemburgischen Transportfirma für grenzüberschreitende Fahrten eingestellt, wobei sich die Lieferziele in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten befanden. Laut Arbeitsvertrag war die luxemburgische Gerichtsbarkeit zuständig. Daraufhin klagte er nachdem er gekündigt worden war in Luxemburg, wo über mehrere Instanzen entschieden wurde, dass nur luxemburgisches Recht anwendbar sei. Der Kläger wollte jedoch auf Grund seiner Betriebsrats zugehörigkeit deutsches Arbeitsrecht angewendet sehen, nach dem seine Kündigung unwirksam gewesen wäre. Er verklagte deshalb den Staat Luxemburg wegen fehlerhafter Anwendung des Übereinkommens von Rom auf Schadensersatz. 864 Ebenso Arnold (Fn. 862) 192; Lüttringhaus, IPRax 2011, 554 (555). A.A. Wagner, NJW 2011, 1404 (1407) Fn. 58. 865 Vgl. Jault-Seseke (Fn. 862) 458. 866 EuGH (Fn. 862) Rn. 46. 867 Aus der konkreten Argumentation des EuGH geht hervor, dass nicht die konkrete Ausgestaltung der Schutznorm, namentlich der bei Arbeitsverträgen in Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO normierte Günstigkeitsvergleich, der favor laboratoris, für die arbeitnehmerfreundliche Auslegung notwendig ist. Vielmehr ergibt sich dies bereits aus der Tatsache, dass es sich bei Art. 8 Rom I-VO überhaupt um eine Vorschrift des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes handelt.

246

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

dernde Personen“ gewährleisten soll, ist unter der Rom I-Verordnung neuerdings auch die beförderte Person in den Kreis der kollisionsrechtlich schützenswerten Personengruppen aufgestiegen.868 Dementsprechend ist der dafür verantwortliche Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO im Zweifelsfall869 passagierfreundlich auszulegen.870 B. Anwendungsbereich Nachdem der Zweck von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO herausgearbeitet wurde, ist für die Rechtsanwendung entscheidend, in welchen sachlichen (I.) und räumlich-persönlichen (II.) Grenzen die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge der Rom I-Verordnung anwendbar ist. I.

Personenbeförderungsvertrag

In sachlicher Hinsicht setzt Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO einen „Vertrag über die Beförderung von Personen“ voraus. Dabei handelt es sich um einen neu von der Rom I-Verordnung eingeführten Begriff, der so im EVÜ nicht auftrat. Im Gegensatz zum Güterbeförderungsvertragsbegriff des Art. 5 Abs. 1 Rom IVO kann daher zu dessen Ausfüllung nicht auf Materialien oder Rechtsprechung zum Römer Schuldvertragsübereinkommen zurückgegriffen werden.871 1. Rückgriff auf Definitionen des materiellen Unionsrechts? Allerdings existiert auf dem Gebiet des Personentransportrechts eine Vielzahl an europäischen Sachrechtsakten, die aufgrund der Art. 91 ff. AEUV (ex-Art. 71 ff. EGV) im Zuge der europäischen Verkehrspolitik erlassen wurden, und wovon einige spezielle Definitionen des „Beförderungsvertrags“ enthalten. Auch wenn dabei nicht explizit vom Personenbeförderungsvertrag die Rede ist, beziehen sich diese eindeutig auf den Transport von Personen. Das gilt insbesondere für die in den jüngeren Fahrgastrechteverordnungen enthaltenen Begriffsbestimmungen, namentlich in Art. 3 Nr. 8 VO 1371/2007872, in Art. 3 lit. m VO 1177/2010873 und in Art. 3 lit. c VO 181/2011874. Im ZusammenSiehe oben A.I. Vgl. unten B.I.2.d)cc), unten B.I.2.e), unten B.II.3. und unten C.I.2.c). 870 Für eine generelle passagierfreundliche Auslegung jeglicher internationaler, supranationaler und nationaler Rechtsakte des Personenbeförderungsrechts Pavliha, ETL 2013, 229 (245). 871 Vgl. im Gegensatz dazu oben § 6 – B.I. 872 „Vertrag über die entgeltliche oder unentgeltliche Beförderung zwischen einem Eisenbahnunternehmen oder einem Fahrkartenverkäufer und dem Fahrgast über die Durchführung einer oder mehrerer Beförderungsleistungen“. 873 „Vertrag zwischen einem Beförderer und einem Fahrgast über die Erbringung eines oder mehrerer Personenverkehrsdienste oder von Kreuzfahrten“. 868 869

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

247

hang mit den Fahrgastrechteverordnungen ist auch die Definition in Art. 2 lit. b der VO 2111/2005 zu sehen,875 da diese den sachlichen Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung VO 261/2004 ausweitet.876 An etwas versteckterer Stelle finden sich die in das Unionsrecht inhaltlich übernommenen staatsvertraglichen Definitionen der CIV bzw. des Athener Übereinkommens, nämlich in Art. 6 Abs. 1 des Anhangs I der VO 1371/2007877 und in Art. 1 Nr. 2 in Anhang I von VO 392/2009 über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See878. Auch wenn ein Rückgriff auf das materielle europäische Transportrecht für die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO methodisch grundsätzlich möglich wäre,879 haben die sachrechtlichen Definitionen des materiellen Sekundärrechts nur einen sehr begrenzten Wert für die Ausfüllung des kollisionsrechtlichen Personenbeförderungsvertragsbegriffs. Denn wie ein Blick auf die einzelnen Bestimmungen zeigt, besteht im europäischen Transportrecht eben keine einheitliche Definition des Beförderungsvertrags, die für das Kollisionsrecht herangezogen werden könnte. Vielmehr unterscheiden sich die jeweiligen Bestimmungen im Detail. Zwar könnten die beinahe wortgleichen Definitionen aus den neueren Verordnungen zum Bus- und Schiffsverkehr möglicherweise als ein Versuch des Europäischen Gesetzgebers gesehen werden, diesbezüglich eine gewisse Kohärenz herzustellen.880 Dass eine solche aber nicht einmal im Rahmen der miteinander verwandten Fahrgastrechteverordnungen besteht, zeigt jedoch die abweichende Definition in der Verordnung zum Eisenbahnrecht und der Umstand, dass in dem Urtypus dieser Verordnungen, der Fluggastrechte-VO 261/2004, überhaupt keine Definition des Beförderungsvertrags vorgenommen wird. Statt einer kohärenten Begriffsbildung erfolgte diese in den genannten Rechtsakten, wie so häufig durch den europäischen Gesetzgeber, primär im Hinblick auf das jeweilige „Vertrag zwischen einem Beförderer und einem Fahrgast über die Erbringung eines oder mehrerer Linien- oder Gelegenheitsverkehrsdienste“. 875 „Vertrag über Luftverkehrsdienste oder einen solche Dienste umfassenden Vertrag; die Beförderung kann zwei oder mehr Flüge umfassen, die von demselben oder von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden“. 876 Vgl. Art. 12 der Verordnung. 877 „Durch den Beförderungsvertrag wird der Beförderer verpflichtet, den Reisenden sowie gegebenenfalls Reisegepäck und Fahrzeuge zum Bestimmungsort zu befördern und das Reisegepäck und die Fahrzeuge am Bestimmungsort auszuliefern.“ 878 „‚Beförderungsvertrag‛ bedeutet einen durch oder für einen Beförderer geschlossenen Vertrag über die Beförderung eines Reisenden oder über die Beförderung eines Reisenden und seines Gepäcks auf See“. 879 Siehe oben § 5 – B.II. 880 Mittelfristig ist geplant, dass eine einzige Rahmenverordnung die Passagierrechte für alle Verkehrsträger regeln wird, siehe das Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ vom 28.3.2011, KOM(2011) 144 endg., S. 27. 874

248

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Rechtsinstrument und dessen eigenen Regelungsbereich. Ausdruck dessen ist, dass sich der Beförderungsvertragsbegriff in den verkehrsträgerbezogenen Fahrgastrechteverordnungen nur auf das jeweils betroffene Transportmittel bezieht. Dagegen umfasst der Personenbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO aber alle Beförderungsarten.881 Eine Übernahme der Definitionen des europäischen Transportrechts für den kollisionsrechtlichen Personenbeförderungsvertragsbegriff scheint daher nicht angebracht. Solange die geplante Systematisierung des materiellen Unionspassagierrechts noch nicht erfolgt ist,882 kann darauf somit allenfalls im Hinblick auf konkrete Einzelfragen zurückgegriffen werden.883 2. Ausfüllung des Begriffs Eine allgemeine Aussage lässt sich den aufgeführten Bestimmungen des europäischen Transportrechts dennoch entnehmen: So wird insbesondere in den Fahrgastrechteverordnungen deutlich, dass der Gegenstand des dort definierten Beförderungsvertrags eine „Beförderungsleistung“ (Art. 3 Nr. 8 VO 1371/2007) bzw. ein „Verkehrsdienst“ (Art. 2 lit. b VO 2111/2005; Art. 3 lit. m VO 1177/2010; Art. 3 lit. c VO 181/2011) ist. Das bestätigt wiederum die Aussage in Art. 2 Nr. 1 der Pauschalreiserichtlinie und zeigt, dass im materiellen Sekundärrecht die Beförderung von Personen eine besondere Dienstleistung darstellt.884 Das gilt grundsätzlich auch für die kollisionsrechtliche Ebene, weshalb Personenbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO wie auch die Güterbeförderungsverträge nach Abs. 1 einen eigenständig geregelten Sonderfall von Dienstleistungsverträgen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO darstellen.885 Was charakterisiert nun einen Personenbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO? a) Grundsätzlich einheitlicher Beförderungsvertragsbegriff in Art. 5 Abs. 1 und 2 Rom I-VO Hinsichtlich der genauen inhaltlichen Anforderungen sollte dieser Begriff grundsätzlich ebenso verstanden werden wie der Güterbeförderungsvertrag in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO.886 Weil beide Vertragstypen gemeinsam in ein und derselben Vorschrift geregelt sind, ist von einem einheitlichen Beförderungsvertragsbegriff im Rahmen von Art. 5 Rom I-VO auszugehen. Dass lediglich Siehe unten B.I.2.b). Dazu Tonner, RRa 2012, 162 ff.; Karsten/Schuster-Wolf, VuR 2012, 463 ff. 883 Namentlich die des Reisegepäcks oder die der Entgeltlichkeit, siehe unten B.I.2.c) und e). 884 Vgl. insoweit auch EuGH, Rs. C-400/00 (Fn. 174), EuZW 2002, 402. 885 Siehe dazu auch oben § 6 – B.I.3.a). 886 So ausdrücklich PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 6; ebenso Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 20. 881 882

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

249

dem Güter- und nicht auch dem Personenbeförderungsvertrag ein eigener, konkretisierender Erwägungsgrund gewidmet ist, lässt insoweit nichts anderes vermuten. Denn abgesehen von dem charakteristischen Unterschied bezüglich des zu transportierenden Gegenstands – Personen auf der einen, Güter auf der anderen Seite – sind Personen- und Güterbeförderung ihrem Wesen nach gleich. Aus diesem einen Unterschied können sich jedoch Abweichungen in der Ausfüllung der Begriffe ergeben. Denn die Verordnung erachtet die zu befördernde Person als schutzbedürftig mit der Folge, dass dieser ein kollisionsrechtlicher Schwächerenschutz zugute kommt.887 Diese Privilegierung ist auch im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zu berücksichtigen. Dieser sollte prinzipiell passagierfreundlich888 und damit weit ausgelegt werden. b) Hauptgegenstand: Beförderung einer oder mehrerer Personen (mittels eines Beförderungsvorgangs) Infolge der Einheitlichkeit des Beförderungsvertragsbegriffs sind die oben zu Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO gewonnenen Ergebnisse auch auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zu übertragen.889 Einen Personenbeförderungsvertrag kennzeichnet folglich, dass sein Hauptgegenstand im Personentransport liegt. Dabei ist „Person“ als ein lebendiger Mensch, gleich welchen Alters, zu verstehen.890 Weist der Vertrag mehrere Gegenstände auf, ist durch Abwägung festzustellen, in welchem Bereich der Schwerpunkt liegt und dementsprechend zu qualifizieren. Bei einem Personenbeförderungsvertrag muss folglich eine konkrete Pflicht zur Ortsveränderung einer oder mehrerer Personen im Vordergrund stehen.891 Gleichwohl darf auch ein Vertrag im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO nur einen Beförderungsvorgang umfassen, da andernfalls eine Anwendung der Verweisungsregeln nicht möglich wäre.892 Allerdings spielt es dabei keine Rolle, wie die vertraglich geschuldete Beförderung zu erfolgen hat. Erfasst sind sämtliche Transporte per Bus, Zug, Flugzeug und Binnen- sowie Hochseeschiff. Auch RoRo-Verkehr, wie er ebenso im Bereich der internationalen Personenbeförderung vorkommt,893 ist erfasst. In den sachlichen AnwenSiehe oben A.I. Nicht besonders geschützt wird dagegen der Vertragspartner des Güterbeförderers (so aber Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2). 888 Dazu oben A.II. 889 Siehe dazu oben § 6 – B.I. 890 Leichen sind nicht schutzbedürftig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO, sodass ihr Transport gegebenenfalls Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO unterfällt. 891 Ebenso NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 33; McParland, Rn. 11.118. Vgl. entsprechend zum Güterbeförderungsvertrag oben § 6 – B.I.3.b). 892 Vgl. oben § 6 – B.II.2. 893 Ein Fall des Roll on/Roll off-Verkehrs liegt typischerweise vor, wenn ein Reisebus auf ein Schiff verladen wird. Weiterhin tritt dieser Fall aber auch im internationalen Schie887

250

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

dungsbereich fallen ebenfalls alle anderen Transportmittel, wie z. B. Taxi, Seilbahn oder auch Skilift894. Das bloße Führen oder Anleiten einer Person, etwa bei Wanderungen, Kanufahrten, Safaritouren oder Gleitschirmflügen, reicht allerdings für die Annahme eines Personenbeförderungsvertrags nicht aus, denn dabei besteht der Hauptzweck eher in dem Erlebnis bzw. der Ausbildung.895 Auch so genannte Butterfahrten erfüllen, selbst wenn im Zuge der Fahrt das Zollgebiet verlassen werden soll, allenfalls einen nachrangigen Beförderungszweck, da sie vorrangig der Unterhaltung bzw. dem günstigen Erwerb von Gegenständen dienen.896 c) Beförderung von Reisegepäck = typische Nebenpflicht Solange die Beförderungspflicht den Hauptgegenstand des Vertrages ausmacht, ist es für eine Qualifikation als Personenbeförderungsvertrag unschädlich, wenn abgesehen von der Beförderung weitere Nebenpflichten des Beförderers vereinbart worden sind. Als solche sind zum Beispiel Mahlzeiten im Flugzeug sowie Aufenthaltsräume oder Kabinen auf Fährfahrten anzusehen.897 Im Regelfall umfasst ein Personenbeförderungsvertrag die Nebenpflicht zur Beförderung des Reisegepäcks. Dies stellt keine eigenständige Güterbeförderung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO dar, sondern erfolgt typischerweise nur im Hinblick auf die Personenbeförderung und ist demgegenüber als eine Nebenleistung anzusehen.898 Im Rahmen der Personenbeförderungsverträge im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO wird daher die Reisegepäckbeförderung mit umfasst.899 Gleiches gilt für den Transport mitreisender Haustiere.900 d) Beurteilung gemischter Verträge Die Zuordnung eines Vertrags zu einer bestimmten Kategorie gestaltet sich nur solange unproblematisch, wie sich ein vertraglicher Schwerpunkt eindeunenverkehr auf, bspw. auf der Strecke Hamburg-Puttgarden-Kopenhagen, wo seit 2007 täglich ICE-Züge auf einer Fähre den Fehmarnbelt überqueren. 894 Siehe etwa OGH, 14.7.2011 – Az. 2 Ob 143/10 h, ZfRV 2011, 233. Dieser Entscheidung (noch zum EVÜ) lag die Beförderung einer britischen Staatsangehörigen mit einem Schlepplift, der von einem österreichischen Seilbahnunternehmen betrieben wurde, zugrunde. 895 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 20. 896 Mankowski, TranspR 2011, 70 (73). 897 Mankowski, TranspR 2011, 70 (73). Bei den Fährfahrten kann die Abgrenzung zu Reiseverträgen mitunter problematisch sein, siehe auch unten B.I.4.a)bb). 898 Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 30. 899 MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 9; Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2621; Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (478). 900 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2621; Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 73.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

251

tig bestimmen lässt. Qualifikationsprobleme können insbesondere dann entstehen, wenn unklar ist, ob es sich bei einer von der Beförderung unabhängigen Pflicht um eine Neben- oder um eine weitere Hauptpflicht handelt. Dann kann sich die Beurteilung schwierig gestalten, denn die Grenzen sind mitunter fließend. aa) Insbesondere gemischter Personen-/Güterbeförderungsvertrag Wie soeben gezeigt, stellt die Gepäckbeförderung typischerweise eine Nebenpflicht des Personenbeförderungsvertrags dar. Aber auch das Gegenteil ist vorstellbar, nämlich Güterbeförderungsverträge, bei denen die Personenbeförderung lediglich Nebenpflicht ist, etwa bei dem Transport wertvoller Güter (Oldtimer-Auto, Rennpferd, etc.), der durch den mitreisenden Eigentümer überwacht wird. Zwischen diesen Extremen sind allerdings Konstellationen möglich, in denen fraglich ist, ob neben der Personenbeförderung noch eine Reisegepäck- oder schon eine eigenständige Gepäckbeförderung vorliegt. Dieses Abgrenzungsproblem stellt sich etwa bei einer Fahrt mit einer Fähre oder dem Zug, bei der das Auto mitbefördert wird. Dabei ist der Transportaufwand für Person und Fahrzeug ähnlich hoch, sodass dessen Transport wohl nicht mehr nur als Nebenpflicht angesehen werden kann – zumindest kann das Auto nicht mehr als „Reisegepäck“ bezeichnet werden.901 Auch der Transport eines Tieres, welches kein Haustier ist, beispielsweise ein Zirkuselefant, könnte mit einem derart hohen Aufwand verbunden sein, dass diese Beförderung nicht mehr nur als Nebenpflicht des Vertrages erscheint. In diesen Fällen stellt sich die Frage, wie Art. 5 Rom I-VO anzuwenden ist. Denn ein solch gemischter (insbesondere Personen-/Güterbeförderungs-)Vertrag ist im Rahmen der Kollisionsnorm für Beförderungsverträge nicht vorgesehen.902 bb) Grundsätzliche Einschlägigkeit von Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO Weist ein Vertrag verschiedene Bestandteile auf, die jeweils eine spezielle Kollisionsregel der Rom I-Verordnung erfüllen, wird dieser grundsätzlich pauschal an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der charakteristisch leistenden Vertragspartei angeknüpft, vgl. Art. 4 Abs. 2 Alt. 2 Rom I-VO. 903 Da dieser Grundsatz aufgrund der Verallgemeinerung durch Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO nicht nur innerhalb von Art. 4, sondern für 901 Eine andere Wertung enthält allerdings Art. 25 CIV, der die Fahrzeugbeförderung der Reisegepäckbeförderung rechtlich im Wesentlichen gleichstellt. Gemäß Art. 47 CIV richtet sich die Haftung des Beförderers für Schäden an mittransportierten Fahrzeugen nach der in den Artt. 36 ff. geregelten Haftung für Reisegepäck, vgl. BGH TranspR 2014, 157 Rn. 8 ff. 902 Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (763) Rn. 32. 903 Siehe oben § 6 – B.I.2.b)aa).

252

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

alle speziellen Anknüpfungsregeln der Rom I-Verordnung gilt,904 wäre grundsätzlich auch ein gemischter Personen-/Güterbeförderungsvertrag innerhalb von Art. 5 Rom I-VO derart zu behandeln. Dagegen können die einzelnen Verpflichtungen solch gemischter Verträge nicht getrennt voneinander angeknüpft werden, selbst wenn sie unabhängig voneinander sind,905 da eine objektive Vertragsspaltung unter der Rom I-Verordnung nicht mehr möglich ist.906 cc) Aber: Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO auf Verträge, deren Schwerpunkt in der Personenbeförderung liegt Die Kollisionsnorm für Beförderungsverträge nimmt allerdings gegenüber den allgemeinen Anknüpfungen des Art. 4 Rom I-VO eine Sonderstellung ein. So geht aus Erwägungsgrund (22) hervor, dass typengemischte Verträge, bei denen ein Teil eine Güterbeförderung darstellt, nicht pauschal nach der charakteristischen Leistung anzuknüpfen sind, wenn der Schwerpunkt des Vertrages in der Güterbeförderung liegt.907 Hinsichtlich Verträgen über die Beförderung von Personen spricht indes der Aspekt des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes gegen eine Anwendung von Erwägungsgrund (19) S. 2 Alt. 2 Rom I-VO. Denn würde bei gemischten Verträgen, die eine Personenbeförderung mitumfassen, pauschal das Prinzip der charakteristischen Leistung eingreifen, wäre der Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO derart stark eingeschränkt, dass er seine Schutzfunktion nicht adäquat erfüllen könnte.908 Deshalb sollte auch hier eine Abwägung vorgenommen und immer dann nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO angeknüpft werden, wenn der Schwerpunkt des gemischten Vertrages in der Personenbeförderung liegt. Diese Lesart wird von der Formulierung des Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO gestützt. Daraus geht hervor, dass (beförderungsenthaltende)909 Pauschalreiseverträge, die stets aus mehreren kombinierten Teilleistungen bestehen, grundsätzlich eine Teilmenge der Beförderungsverträge bilden. Danach können auch Verträge, in denen neben die Beförderungspflicht entweder eine Unterbringung oder eine andere touristische Dienstleistung tritt, die nicht nur Nebenleistung der Beförderung ist, sondern einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmacht,910 grundsätzlich unter den Beförderungsvertragsbegriff des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO fallen. Das beweist, dass diese Norm nicht nur auf reine Personenbeförderungsverträge anwendbar ist, sondern Siehe bereits oben § 6 – B.I.2.b)aa), insbesondere Fn. 150. Dafür Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (478). 906 Siehe oben § 6 – B.I.2.b)bb). 907 Siehe oben § 6 – B.I.2.b)aa). 908 Zum Zweck von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO siehe oben A.I. 909 Vgl. Mankowski, TranspR 2011, 70 (72). 910 Beachte die Definition einer Pauschalreise durch Art. 2 Nr. 1 RL 90/314/EWG, siehe auch unten § 8 – B.II. 904 905

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

253

auch auf gemischte Verträge, die darüber hinaus weitere Hauptpflichten enthalten. Voraussetzung dafür sollte jedoch – entsprechend dem in Erwägungsgrund (22) geäußerten Grundgedanken für Güterbeförderungsverträge – sein, dass die Beförderung den Schwerpunkt des Vertrages bildet. Dabei ist in Zweifels- oder Grenzfällen bei der Abwägung eher von einer Anwendbarkeit der Norm des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes auszugehen. Denn solche Vorschriften sind grundsätzlich im Sinne der schwächeren Vertragspartei auszulegen.911 Dementsprechend ist auch ein gemischter Personen-/ Güterbeförderungsvertrag zu beurteilen.912 Ein Vertrag über eine Fährfahrt, bei der sowohl eine Person, als auch ein Fahrzeug befördert wird, sollte daher nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO angeknüpft werden. e) Entgeltlichkeit Wie bereits mehrfach betont, stellen die von Art. 5 Rom I-VO erfassten Beförderungsverträge einen besonderen Fall der Dienstleistungsverträge dar.913 Aus diesem Grund ist eine Voraussetzung für die sachliche Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO, dass die Beförderung von Gütern gegen Entgelt erfolgt.914 Wegen des einheitlichen Beförderungsvertragsbegriffs in Art. 5 Rom I-VO würde es nahe liegen, dieses Kriterium auch für die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zu verlangen. Dies wäre jedoch mit dem Schutzzweck der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge nicht vereinbar. Denn diese ist als Norm des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes grundsätzlich im Sinne des geschützten Passagiers auszulegen.915 Würde die Entgeltlichkeit des Vertrages ein Anwendungskriterium von Art. 5 Abs. 2 darstellen, fielen unentgeltliche Beförderungen per se nicht in den Anwendungsbereich der Norm. Im Hinblick auf die mittlerweile weit verbreiteten Frei-, Bonus- oder Rabattfahrten – man denke nur an Freiflüge im Zuge eines Bonusmeilenprogramms – wäre dies aber besonders ungünstig. Denn bei diesen für ihn nicht lukrativen „Freifahrten“ mag die Bereitschaft des Beförderers, die Beförderung ordnungsgemäß durchzuführen, noch geringer ausgeprägt sein als bei gewinnbringenden Beförderungen. Gerade bei solchen Sonderaktionen sollte daher der kollisionsrechtliche Schutz der schwächeren Vertragspartei gewährleistet werden, ebenso wie dies mitunter auch auf der Ebene des materiellen europäischen Transportrechts der Fall ist. Namentlich werden etwa von der Fahrgastrechteverordnung im Eisenbahnverkehr aus-

911 912 913 914 915

Siehe oben A.II. Wie hier Dicey/Morris/Collins, Rn. 33-073. Vgl. oben B.I.2. und § 6 – B.I.3.a). Siehe oben § 6 – B.I.3.d). Siehe oben A.II.

254

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

drücklich auch unentgeltliche Fahrten erfasst.916 In gleicher Weise sollte auch der Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ausgelegt werden, sodass auch für unentgeltliche Personbeförderungsverträge der kollisionsrechtliche Passagierschutz greift. 3. Inhaltliche Schranke des Personenbeförderungsvertragsbegriffs: Das den Anknüpfungsregeln des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO inhärente Leitbild Die Begrenzung des Tatbestands von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO bildet, wie auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO,917 das in den besonderen Verweisungsregeln zum Ausdruck kommende Leitbild eines Personenbeförderungsvertrags. So ist nur sinnvoll, eine vertragliche Abrede kollisionsrechtlich als Personenbeförderungsvertrag zu qualifizieren, wenn auf ebenjene die Verweisungsregeln des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO überhaupt adäquat angewendet werden können. Etwas anderes kann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, da dies zu unvermeidlichen Anwendungsproblemen führen würde. Sofern ein Vertrag grundlegende struktuelle Unterschiede zu der in Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO verkörperten Konzeption von Personenbeförderungsverträgen aufweist, ist die Norm daher bereits tatbestandlich nicht einschlägig. Ein für die Qualifikation maßgebliches Leitbild lässt sich aus der Beschaffenheit der objektiven Anknüpfungsregeln ableiten: So wird aus Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO deutlich, dass auch ein Vertrag über die Beförderung von Personen einen räumlichen Bezugspunkt aufweisen muss, da für dessen objektive Anknüpfung wiederum ein konkreter Abgangs- und Bestimmungsort notwendig ist.918 Noch stärker als im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom IVO kommt es weiterhin auf das zu befördernde Etwas an. So steht im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO die zu befördernde Person ganz und gar im Zentrum der Anknüpfung, schließlich bildet ihr gewöhnlicher Aufenthalt das maßgebliche Anknüpfungskriterium.919 Ein Personenbeförderungsvertrag muss folglich einen entsprechenden Bezugspunkt aufweisen. Solche Verträge, die nicht auf einen konkreten Reisenden abstellen und diesen nicht näher konkretisieren, können somit nicht als Verträge im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO angesehen werden.920 Die Anknüpfung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO ist prinzipiell auf solche Verträge aus916 Siehe auch Art. 3 Nr. 8 VO 1371/2007, wonach ein Beförderungsvertrag auch bei einer unentgeltlichen Beförderung vorliegt. Dagegen findet die Fluggastrechte-VO auf unentgeltliche Beförderungen keine Anwendung, vgl. Art. 3 Abs. 3 VO 261/2004. Dementsprechend kann ein kostenlos mitreisendes Kleinkind keinen Entschädigungsanspruch nach der Verordnung beanspruchen, siehe BGH MDR 2015, 577. 917 Vgl. dazu oben § 6 – B.II.2. 918 Ausführlich dazu unten C.I.2. 919 Näher dazu unten C.I.1. 920 So beispielsweise Charterverträge zum Zwecke der Personenbeförderung oder die Fahrzeugmiete, siehe unten B.I.4.b)bb) und B.I.4.c).

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

255

gelegt, die eine konkrete Beförderung eines einzelnen Passagiers zum Gegenstand haben. Ebenso werden auch Mehr-Personen-Konstellationen erfasst, sofern ein zusammenhängender Beförderungsvorgang gegeben ist.921 Entsprechend kann ein Vertrag, der auf eine Mehrzahl von voneinander unabhängigen (Einzel-)Beförderungen abzielt, nicht nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO angeknüpft werden. 4. Abgrenzung beförderungsbezogener Vertragsgestaltungen Nachdem der Begriff des Personenbeförderungsvertrags näher konkretisiert wurde, sollen unter diesen nun typische beförderungsbezogene Vertragsgestaltungen subsumiert werden, so dass ein genaueres Bild des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO gezeichnet werden kann. a) Reisevertrag Die Beförderung von Personen ist regelmäßig Gegenstand von Reiseverträgen im Sinne der §§ 651a ff. BGB. Solche Verträge zeichnen sich durch die Erbringung einer „Gesamtheit von Reiseleistungen“ aus (§ 651a Abs. 1 S. 1 BGB), welche typischerweise in der Bündelung einer Beförderung mit einer Unterbringung besteht,922 oder in einer Kombination dieser Reiseleistungen mit weiteren Teilleistungen, wie z. B. Sport-, Hobby- oder Sprachkursen, Ausflügen oder der Bereitstellung eines Mietwagens. 923 Sofern ein solcher Reisevertrag eine Personenbeförderung mitumfasst, wirft dies die Frage auf, ob dieser in international-privatrechtlicher Hinsicht möglicherweise als Personenbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anzuknüpfen ist.924 aa) Enges Anwendungsfeld von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO im Rahmen der Anknüpfung von Reiseverträgen Prinzipiell wäre dies möglich, denn die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge ist auch auf (gemischte) Verträge anwendbar, die neben der Beförderung noch weitere (Haupt-)Pflichten enthalten. 925 Dass dies gerade im Hinblick auf Pauschalreisen gilt, wird im Umkehrschluss aus Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO deutlich. In erster Linie stellt diese Vorschrift jedoch klar, dass für die kollisionsrechtliche Beurteilung auch von beförderungsbezogeSiehe dazu unten C.I.1.a). MünchKommBGB/Tonner, § 651a Rn. 13. 923 Vgl. PWW/Deppenkemper, § 651a Rn. 3 m. w. N. Ein Reisevertrag nach deutschem Recht liegt auch dann vor, wenn der Vertrag weder eine Beförderung noch eine Unterbringung aufweist, sondern lediglich aus einer Kombination anderer Reiseleistungen besteht, vgl. MünchKommBGB/Tonner, § 651a Rn. 13. 924 Beachte dazu auch die Ausführungen unten § 8 – B.II. 925 Siehe oben B.I.2.d)cc). 921 922

256

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

nen Pauschalreisen Art. 6 und nicht etwa Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO maßgeblich ist.926 Deshalb bestimmt sich auch die Anknüpfung von § 651a BGB unterfallenden Reiseverträgen in der Regel nach der Kollisionsnorm für Verbraucherverträge. Hat der Reisevertrag seinen Schwerpunkt in der Beförderung, kann die Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge aber ergänzend Anwendung finden: Dies liegt zum einen darin begründet, dass besagter Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO den Pauschalreisebegriff der Richtlinie 90/314/EWG aufgreift. Dieser ist aber nicht zwingend deckungsgleich mit den nationalen, die Pauschalreiserichtlinie umsetzenden Rechtsinstituten, insbesondere dann, wenn der mitgliedstaatliche Gesetzgeber Schutzverstärkungen vorgenommen hat.927 Weil auch der sachliche Anwendungsbereich von § 651a BGB prinzipiell weiter als jener von Art. 2 Nr. 1 der Pauschalreiserichtlinie ist, können insoweit also Diskrepanzen auftreten. Denn nur, wenn ein Reisevertrag alle Voraussetzungen der Pauschalreisedefinition aus Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 90/314/EWG erfüllt, beurteilt sich das auf ihn anwendbare Recht nach Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom I-VO; ist dies aber nicht der Fall, etwa weil die Reiseleistung nicht länger als 24 Stunden dauert, kommt dagegen Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zum Zuge.928 Zum anderen resultiert das Anwendungsfeld der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge daraus, dass der Pauschalreiserichtlinie und demzufolge auch den nationalen Umsetzungen ein anderer Verbraucherbegriff zugrunde liegt als dem sonstigen europäischen Privatrecht und insbesondere Art. 6 Rom I-VO.929 Letzterer ist nur auf einen Vertrag anwendbar, den ein Verbraucher zu privaten Zwecken mit einem Unternehmer schließt.930 Dagegen kann ein Pauschalreisevertrag im Sinne der Richtlinie sowie auch ein Reisevertrag nach deutschem Recht auch bei gewerblichen Reisen vorliegen.931 Auf einen derartigen Vertrag, der den persönlichen oder auch den situativen Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 nicht genügt, kann deshalb ergänzend Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO Anwendung finden.932 Für die kollisionsrechtliche Anknüpfung von Reiseverträgen im Sinne von § 651a BGB können daher sowohl Art. 6 als auch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO maßgeblich sein. Prinzipiell lässt sich jedoch festhalten, dass sich das auf einen Reisevertrag anwendare Recht in den meisten Fällen nach der VerweiDazu ausführlich unten § 8 – B.II. Vgl. Staudinger, AnwBl 2011, 327 (329). Allgemein zur überschießenden Umsetzung zivilrechtlicher europäischer Richtlinien, siehe Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, 2006. 928 Siehe unten § 8 – B.II.1. 929 Keiler/Binder, RRa 2009, 210 (211). 930 Zu den persönlichen Anwendungsvoraussetzungen von Art. 6 Rom I-VO Staudinger/ Magnus, Art. 6 Rom I-VO Rn. 38 ff. 931 MünchKommBGB/Tonner, Vor § 651a Rn. 26. 932 Dazu unten § 8 – B.II.3. 926 927

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

257

sungsnorm für Verbraucherverträge bestimmt, sodass die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge nicht zum Zuge kommt. bb) Abgrenzungsfälle Typisches Beispiel für unter Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO fallende Pauschalreisen sind Kreuzfahrten.933 Abgesehen von der Beförderung zu den einzelnen Reisezielen sind diese durch die touristischen Leistungen auf dem Schiff geprägt. Dazu gehört neben der Unterbringung und Verpflegung vor allem das Unterhaltungsangebot an Bord.934 Folglich werden Verträge über Kreuzfahrten gemäß Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO über die Kollisionsnorm für Verbraucherverträge angeknüpft.935 Das trifft auch auf internationale Flussfahrten zu, die insoweit den Kreuzfahrten gleich stehen.936 Auch wenn eine Beförderungsleistung mit einem Sportkurs oder einem Mietwagen am Zielort kombiniert wird, findet prinzipiell die Kollisionsnorm für Verbraucherverträge Anwendung.937 Die Bereitstellung eines Liege- oder Schlafwagenplatzes bei einer Bahnreise über Nacht ist dagegen nur als Nebenpflicht anzusehen. Für den Reisenden steht dabei die Beförderung von A nach B im Vordergrund. Bei einem entsprechenden Vertrag handelt sich folglich nicht um eine Pauschalreise, so dass die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge zur Anwendung kommt.938 Gleiches gilt grundsätzlich auch für Überfahrten mit Fähren, wo gleichzeitig Verpflegung und eine Kabine bereit gestellt werden,939 die deshalb nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anzuknüpfen sind.940 Solche Leistungen stellen aber dann keine gegenüber der Beförderung nachrangige Pflicht mehr dar, wenn längere Fahrten unternommen werden, bei denen der Aufenthalt an Bord samt Unterbringung den Hauptzweck bildet.941 So ist es etwa bei Fracht933 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2675. Zum Charakter der Kreuzfahrten als Pauschalreisen ausführlich Tonner, RRa 2013, 206 ff. 934 Zu letzteren gehören insbesondere Ausflüge, Animation, Vorträge, Wellness- und Sportangebote sowie Einkaufsmöglichkeiten, vgl. Hasche, TranspR 2010, 282 (283). Siehe auch die Definition des Kreuzfahrtbegriffs durch Art. 3 lit. t VO 1177/2010, wonach der Aufenthalt auf dem Schiff mehr als zwei Übernachtungen betragen muss. 935 Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (500); Damar, VuR 2012, 287 (289); Hoffmann/Tüngler/Kirchner, EuZW 2013, 3323 (333 f.); Tonner, RRa 2013, 206 (210 f.). 936 Hasche, TranspR 2010, 282 f. 937 Vgl. Keiler/Binder, RRa 2009, 210 (214). Beachte dazu auch unten § 8 – B.II. 938 PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 6; Mankowski, TranspR 2011, 70 (72). 939 Vgl. Hasche, Grenzfragen zwischen See- und Reiserecht, 1990, S. 5; Karsten, VuR 2011, 215 (217 f.); Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2675. 940 Hasche, TranspR 2010, 282 (283); PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 6; Staudinger/ Magnus, Art. 6 Rom I-VO Rn. 80; MünchKommBGB/Martiny, Art. 6 Rom I-VO Rn. 22. 941 Mankowski, TranspR 2011, 70 (73). Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 74 sieht dies gegeben, „soweit die Unterbringung einen Eigenwert hat und für die transportierte Person von Bedeutung ist“. Nach Karsten, VuR 2011, 215 (217) ist das der Fall, wenn

258

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

schiffreisen, die dann ebenfalls Pauschalreisen im Sinne von Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO darstellen.942 Ebenso verhält es sich bei einer Nostalgiefahrt im Orientexpress.943 b) Chartervertrag zum Zwecke der Beförderung von Personen Ähnlich wie bei Art. 5 Abs. 1944 stellt sich auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO die Frage, ob die Kollisionsnorm für die Personenbeförderung auch auf solche Verträge anzuwenden ist, nach denen ein konkretes Transportmittel inklusive Besatzung im Hinblick auf die Beförderung von Personen gechartert wird. Typisch sind solche Charterverträge für den Luftverkehr, wo Reiseveranstalter ein ganzes Flugzeug bzw. eine bestimmte Anzahl von Sitzplätzen auf einer konkreten Flugstrecke ordern,945 oder kleinere Verkehrsmaschinen an Geschäftsreisende verchartert werden. Denkbar ist aber auch, dass beispielsweise eine Schulklasse für ihre Klassenfahrt einen Bus (mitsamt Fahrer) „chartert“. aa) Übertragbarkeit des Grundgedankens von Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO? Unter Berufung auf Erwägungsgrund (22) S. 2 wird in der Literatur vertreten, Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO auch auf solche Verträge zur Anwendung kommen zu lassen, in denen ein Transportmittel für eine spezifische Tour gechartert wird.946 Dieser Erwägungsgrund bestimmt ausdrücklich, dass die Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge auch auf Charterverträge über eine einzige Reise anzuwenden ist.947 Dafür, dass dies entsprechend für die Kollisionsnorm der Personenbeförderung zu gelten hat, würde sprechen, dass Art. 5 Rom I-VO grundsätzlich ein einheitlicher Beförderungsvertragsbegriff zugrunde liegt.948 Um einen Chartervertrag als Personenbeförderungsvertrag im Sinne der Rom I-Verordnung behandeln zu können, wäre gleichwohl zunächst grundlegende Voraussetzung, dass dessen zentraler Gegenstand in mindestens zwei Übernachtungen an Bord vorgesehen sind. Vgl. auch die einzelnen Kriterien, die Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2677; ders., TranspR 2011, 70 (73 f.) für das Vorliegen einer Pauschalreise aufgestellt hat. 942 EuGH (Fn. 39) Rn. 45; Pabst, GPR 2011, 298. 943 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2675; Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (500) spricht insoweit von „rail cruises“. 944 Dazu oben § 6 – B.III.1. 945 Siehe Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2623. Ähnlich wird dies bei Kreuzfahrtschiffen gehandhabt, wobei allerdings diese Kreuzfahrten in der Regel in den Anwendungsbereich von Art. 6 Rom I-VO fallen. 946 So jedenfalls für die Reisebus- oder Flugzeugcharter PWW/Remien, Art. 5 Rom IVO Rn. 6. 947 Siehe oben § 6 – B.III.1.a). 948 Siehe oben B.I.2.a).

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

259

einer Beförderung von Personen liegt und mithin eine konkrete Beförderungpflicht besteht.949 Letzteres ist beispielsweise nicht gegeben, wenn Wohnmobile oder Boote „gechartert“ werden, deren Steuerung der Reisende selbst übernimmt.950 Derartige Charterverträge sind daher wohl eher als Gebrauchsüberlassung durch den Vercharterer aber keinesfalls als Personbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anzusehen.951 bb) Maßgebliches Kriterium: Chartervertrag entspricht Leitbild des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO Aber selbst wenn sich aus einem Chartervertrag eine konkrete Pflicht zur Ortsveränderung von Personen ergibt, kann dieser jedenfalls nicht pauschal nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO angeknüpft werden. Dagegen spricht bereits, dass das Vorliegen der kollisionsrechtlichen Schutzbedürftigkeit höchst fraglich ist, sofern ein gewerbsmäßiger Reiseveranstalter ein Transportmittel chartert. Denn dieser steht – da er nicht selbst befördert wird – nicht in dem, oben näher beschriebenen, spezifischen Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Vercharterer.952 Überdies stellt er nicht einmal notwendigerweise die wirtschaftlich schwächere Partei dar.953 Anders könnte dies möglicherweise in den Fällen der „Charter“ zu privaten Zwecken (etwa der Schulklasse oder einer größeren privaten Reisegruppe) bewertet werden. Ähnlich wie im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO sollten aber nur solche Verträge als Personenbeförderungsvertrag i. S. v. Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO qualifiziert werden, die dem sich aus der Anknüpfung ergebenden Leitbild der Norm entsprechen.954 Dies wird in der Regel bei Charterverträgen jedoch nicht gegeben sein. Denn diesen immanent ist der Bezug zum jeweiligen Beförderungsmittel. Selbst wenn die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs im Hinblick auf eine Personenbeförderung von A nach B zu einem konkreten Zeitpunkt erfolgen sollte (namentlich, wenn sich der Charterer Sitzplätze in Linienflügen einkauft), geht ein solcher Vertrag so gut wie nie von einem einzelnen Reisenden aus, sondern von einer nicht näher konkretisierten Mehrzahl von Personen, welche durch die Kapazität des Transportmittels determiniert wird. Wenn der zwischen Charterer und Vercharterer geschlossene Chartervertrag aber über die konkreten zu befördernden Personen keine Informationen enthält, ließe sich bei einer unterstellten Maßgeblichkeit von Art. 5 Abs. 2 Siehe oben B.I.2.b). Im Ergebnis ebenso Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (509). 951 Zu Fahrzeugmietverträgen siehe sogleich B.I.4.c). 952 Siehe oben A.I.3.d). 953 Große Reiseveranstalter etwa, die Sitzplatzkontigente auf bestimmten Flügen „einkaufen“, haben gegenüber den Luftfahrtgesellschaften eine erheblich bessere Verhandlungsposition als einzelne Fluggäste. 954 Siehe oben B.I.3. 949 950

260

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO schlicht kein Verweisungsziel ausmachen. Auf wessen gewöhnlichen Aufenthalt sollte es dann schließlich ankommen? Meist wird die Identität der Passagiere bei Schluss des Chartervertrags noch gar nicht bekannt sein, weil die Charter des Transportmittels (oder eines Teiles desselben) regelmäßig erst die Voraussetzung für das konkrete Leistungsangebot des Charterers für den Endkunden und damit für seine Akquise der zukünftigen Reisegäste sein wird. Nicht zuletzt für den Vercharterer wäre bei einer Anwendung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO das anwendbare Recht so kaum vorhersehbar. Doch selbst wenn die genaue Identität der Passagiere bei Vertragsschluss bereits feststehen sollte, wäre es verfehlt, auf solch einen Chartervertrag Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anzuwenden. Denn die wirtschaftliche Kalkulation des Vercharterers, mithin sein Leistungsangebot gegenüber dem Charterer, richtet sich in der Regel allein nach der Anzahl der zu befördernden Passagiere, nicht aber nach deren gewöhnlichen Aufenthalt. Wieso sollte es für das auf den Vertrag anwendbare Recht aber darauf ankommen? Dafür besteht im Vertragsverhältnis Vercharterer-Charterer kein Anlass. Eine derartige kollisionsrechtliche Privilegierung ist erst im Rahmen der Vertragsverhältnisse mit dem Endkunden, sprich zwischen Charterer und den jeweiligen zu befördernden Personen, sinnvoll.955 Ein Durchgriff dieser protegierenden Kollisionsregel auf den diesen zugrundeliegenden Chartervertrag ist dagegen nicht zielführend und unpraktikabel. Naheliegender wäre es, einen solchen Chartervertrag direkt nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO anzuknüpfen. Eine Anwendung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO auf Charterverträge käme allenfalls dann in Betracht, wenn das Transportmittel zur Beförderung genau einer Person oder Personengruppe gechartert wird, was wohl in den seltensten Fällen gegeben sein wird.956 cc) Ergebnis: Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO nicht im gleichen Maße auf Charterverträge anwendbar wie Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO Hinsichtlich ihrer Anwendung auf Charterverträge ist die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge weit weniger geeignet als jene für Güterbeförderungsverträge. Da letztere im Rahmen der objektiven Anknüpfung auf die In einer ähnlichen Konstellation im Rahmen des Anwendungsbereichs des Warschauer Abkommens hat der BGH NJW 1969, 2008 den Charterer im Verhältnis zu den transportierten Personen als Luftfrachtführer, sprich Beförderer, angesehen. 956 Denkbar wäre die Anwendung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO also etwa auf die Charter von Kleinflugzeugen für die Beförderung eines Geschäfts- oder vermögenden Reisenden. Wenn der Passagier – wie in dieser Preisklasse wohl üblich – mit einem Stab von weiteren Personen unterwegs ist, könnte der Chartervertrag möglicherweise als Gruppenbeförderungsvertrag behandelt werden (zu kollisionsrechtlichen Behandlung letzterer siehe unten C.I.1.a)cc)). 955

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

261

Anknüpfungsmomente Befördereraufenthalt bzw. Bestimmungsort abstellt, lassen sich auch transportmittelbezogene Charterverträge – sofern sie die notwendige räumliche Konkretisierung aufweisen – prinzipiell nach Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO beurteilen.957 Insoweit ist es folgerichtig, dass Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO dessen Anwendungsbereich auf diejenigen Charterverträge erweitert, die mit den direkt von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erfassten objektbezogenen Güterbeförderungsverträgen im engeren Sinne vergleichbar sind.958 Der Grundgedanke von Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom IVO ist allerdings nicht auf die Beförderung von Personen übertragbar.959 Dies hat seine Ursache darin, dass die objektive Primäranknüpfung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO – in Erfüllung des Passagierschutzzweckes der Norm960 – auf den gewöhnlichen Aufenthalt der (einzelnen) zu befördernden Person abstellt. Da der einzelne Reisende jedoch regelmäßig nicht Gegenstand der personenbeförderungsbezogenen Charterverträge ist, ließe sich für solch einen Vertrag im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO das Verweisungsziel der Anknüpfung grundsätzlich nicht bestimmen. Aufgrund eines solchen strukturellen Unterschieds können entsprechende Verträge nicht als Personenbeförderungsvertrag i. S. v. Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO qualifiziert werden.961 In dieser Hinsicht ist der Zuschnitt des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO also enger als jener von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO. c) Fahrzeugmiete Auch für Verträge, die das Zurverfügungstellen eines Fahrzeugs zum Zweck einer konkreten Personenbeförderung betreffen, könnte eine Anwendung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zumindest in Betracht gezogen werden.962 Dies ist aber noch entschiedener als bei den verwandten, weil ebenfalls transportmittelbezogenen, Charterverträgen abzulehnen. Denn im Gegensatz zu letzteren ist die Anmietung von Individualtransportmitteln, wie PKW oder Zweirädern, allein auf die Gebrauchsüberlassung gerichtet, ohne dass zugleich die Dienste einer Besatzung mitverschafft werden.963 Die Steuerung des Transportmittels übernimmt vielmehr der Anmietende selbst, sodass dem Vermieter keinerlei operative Kontrolle zukommt. Eine konkrete Beförderungspflicht des Ver-

Siehe oben § 6 – B.III.1. Vgl. oben § 6 – B.II.2. 959 A.A. Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (509). 960 Vgl. oben B.I.2.a). 961 Vgl. oben B.I.3. 962 Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (502). 963 Zu dem Fall des Charterns eines Kleinflugzeugs mitsamt Besatzung siehe oben Fn. 956. 957 958

262

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

mieters kann bei solchen Verträgen folglich nicht angenommen werden,964 sodass eine Anwendung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ausscheidet.965 Sofern der Reisende das Beförderungsmittel selbst führt, ist auch gar nicht die typische „Auslieferungssituation“ gegenüber einem Beförderer gegeben, die dem kollisionsrechtlichen Schutz durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zugrunde liegt.966 Die Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge ist daher auf Fahrzeugmietverträge nicht anwendbar. Für Mietverträge beweglicher Sachen ist vielmehr Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO maßgeblich, sodass in der Regel das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Vermieters zur Anwendung kommt.967 Gegebenenfalls könnte aber auch Art. 6 Rom I-VO einschlägig sein.968 d) Reisevermittlungsvertrag Ähnlich wie in der Güterbeförderung gibt es auch im Bereich der Personenbeförderung Verträge, die auf Vermittlung einer Beförderung ausgelegt sind.969 Solange der Reisevermittler, typischerweise ein Reisebüro,970 aber nur den erfolgreichen Abschluss eines mit einem Dritten geschlossenen Hauptvertrages und keine eigene Beförderung schuldet, fallen „Reisevermittlungsverträge“971 nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 Rom IVO.972 Dies deckt sich mit der Wertung des materiellen europäischen Passagierrechts.973 Bietet der Vermittler aber keine fremden, sondern eigene Beförderungsleistungen an, z. B. weil das Reisebüro einen Busbetrieb besitzt oder eigene Reisen veranstaltet,974 wäre ein Personenbeförderungsvertrag im Sinne der Rom I-Verordnung grundsätzlich tatbestandlich gegeben. Für die AnwenSiehe oben § 6 – B.I.3.b). Ebenso PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 3 und 6; ders., in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (503). 966 Siehe oben A.I.3.d). 967 MünchKommBGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 210; PWW/Brödermann/Wegen, Anh. Art. 4 Rom I-VO Rn. 48. 968 Dabei kann fraglich sein, inwieweit der Ausnahmetatbestand von Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO eingreift, dazu ausführlich Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (503 f.). 969 Zu der kollisionsrechltichen Behandlung von Speditionsverträgen siehe oben § 6 – B.III.3. 970 MünchKommBGB/Tonner, § 651a Rn. 43. 971 Im Gegensatz zu seinem güterbeförderungsvertraglichen Pendant des Speditionsvertrags stellt der Reisevermittlungsvertrag im deutschen Recht keinen eigenständigen Vertragstyp dar, vgl. Basedow, S. 54. Zur Rechtsnatur des Reisevermittlungsvertrags nach deutschem Recht siehe PWW/Deppenkemper, § 651a Rn. 20; Führich, § 27 Rn. 8 m. w. N. 972 Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 5 Rom I-VO Rn. 15; Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 73; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 50; Reithmann/Martiny/ Mankowski, Rn. 2622; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 25. 973 Siehe dazu unten C.II.1. 974 Vgl. Führich, § 27 Rn. 24. Zur materiell-rechtlichen Abgrenzung zwischen Reisevermittlung und -veranstaltung durch ein Reisebüro siehe BGH NJW 2011, 599. 964 965

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

263

dung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO käme es dann darauf an, inwieweit der Vertrag eine einzelne Beförderung oder eine Bündelung von verschiedenartigen Reiseleistungen umfasst. Ist letzteres der Fall, wäre nämlich prinzipiell Art. 6 Rom I-VO anwendbar.975 II. Räumlich-persönliche Voraussetzungen Hinsichtlich des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge bestehen weitgehend Parallelen zu Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO.976 Insbesondere setzt auch ihre Anwendung voraus, dass überhaupt ein „Konflikt der Rechte“ gegeben ist, also kein international vereinheitlichtes Sachrecht umfassend und abschließend eingreift.977 1. Internationales Element des Vertrags Ist in sachlicher Hinsicht ein Vertrag über die Beförderung von Personen gegeben, muss, um zur Anwendung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zu gelangen, dieser Vertrag ein internationales Element bzw. „eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten“ (Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO) aufweisen. Diese Internationalität des Vertrages wird – wie auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO – üblicherweise dadurch vermittelt, dass im Zuge des Personentransports eine Staatsgrenze überschritten wird, sodass Abgangs- und Bestimmungsort der Beförderung in zwei verschiedenen Staaten liegen.978 Ein typischer Anwendungsfall von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO wäre daher beispielsweise der von einem Europaabgeordneten geschlossene Luftbeförderungsvertrag über einen Flug von Straßburg nach Brüssel. Allerdings ist die Überschreitung einer Grenze keine zwingende Voraussetzung. So ist die Anwendbarkeit der Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge auch dann gegeben, wenn alle Elemente des Sachverhalts (insbesondere Abgangsund Bestimmungsort der Reise) in einem Staat belegen sind und lediglich eine der Vertragsparteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Handelt es sich dabei um den Beförderer, spricht man insoweit von „Kabotagetransporten“. Diese waren bisher aufgrund nationalstaatlicher Zugangsbeschränkungen im Verkehrssektor kaum möglich, werden aufgrund der Liberalisierungsmaßnahmen der Europäischen Union aber auch im Personenverkehr sukzessive häufiger auftreten.979 Um einen derartigen Transport handelt es sich beispielsweise, wenn sich ein belgischer Europaabgeordneter nach der Sitzung seiner Fraktion in Brüssel von der Deutschen Bahn mit dem ICE nach 975 976 977 978 979

Siehe oben B.I.4.a) und unten § 8 – B.II. Vgl. dazu oben § 6 – C. Siehe oben § 3 – B.I.3.b). Siehe oben § 6 – C.I. Zu den Kabotageverordnungen siehe auch oben § 3 – A.II.2.b).

264

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Lüttich befördern lässt. Auch in diesem Fall der Personenkabotage kommt Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zur Anwendung. Das gilt ebenso für Beförderungsverträge, deren einziger internationaler Bezug der ausländische gewöhnliche Aufenthalt des Passagiers ist. Auch bei der innerstaatlichen Beförderung von ausländischen Fahrgästen ist grundsätzlich zunächst das anwendbare Recht mithilfe der Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge festzustellen.980 Folglich kann Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO prinzipiell auch auf Beförderungen im Personennahverkehr Anwendung finden, etwa wenn ein deutscher Europaabgeordneter die Straßburger Straßenbahn benutzt.981 Dadurch eröffnet sich der Verweisungsnorm theoretisch ein enorm großes Anwendungsfeld, bedenkt man die Millionen von Geschäftsreisenden oder Touristen, die jährlich das Ausland besuchen und vor Ort Beförderungsdienstleistungen nutzen.982 2. Sowohl beruflich als auch privat Reisende werden von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO erfasst Für die Anwendung der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge spielt es außerdem keine Rolle, ob die Beförderung zu privaten oder beruflichen Zwecken erfolgt. Die Vorschrift knüpft ihre Anwendung nicht an besondere persönliche Voraussetzungen und unterscheidet insbesondere nicht zwischen gewerblich und privat Reisenden.983 Folglich ist es für Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO unerheblich, ob es sich bei der beförderten Person um einen Geschäftsreisenden oder einen Verbraucher handelt. Die Vorschrift ist somit kein Bestandteil des Verbraucher-Sonderprivatrechts. Vielmehr greift die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge die Regelungstechnik der Fahrgastrechte-Verordnungen wie auch der Pauschalreiserichtlinie auf, die ebenfalls nicht auf die Verbrauchereigenschaft, sondern auf den Passagier als solchen abstellen.984 Hinsichtlich Verbraucherpersonenbeförderungsverträgen verdrängt Art. 5 Abs. 2 die Verweisungsregeln des Art. 6 Rom I-VO.985 980 Siehe nur beispielhaft OGH (Fn. 894), ZfRV 2011, 233 (Anwendung von Art. 4 Abs. 4 EVÜ auf eine Schleppliftbeförderung in einem österreichischem Skigebiet). 981 Sollte die Straßburger Tram tatsächlich nach Kehl expandieren (zu den Planungen und deren weiterer rechtlicher Implikationen Frey, RdTW 2014, 92 ff.), wäre insoweit sogar grenzüberschreitender Tram- bzw. Personennahverkehr möglich, auf welchen wiederum Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO Anwendung fände. 982 Inwieweit sich dies aber tatsächlich in der Rechtsprechungspraxis niederschlagen wird, bleibt abzuwarten. 983 Wagner, TranspR 2008, 221 (223); Mankowski, TranspR 2008, 339 (348); Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 74. 984 Vgl. Karsten, VuR 2008, 201 (207). Siehe auch unten C.I.1.a)bb)(1). 985 Siehe unten § 8 – B.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

265

3. Keine Gewerblichkeit des Beförderers notwendig Nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO werden nicht nur an die Passagier-, sondern auch an die Befördererseite keine besonderen persönlichen Anforderungen gestellt. Die Formulierung der Vorschrift legt daher – so wie auch bei Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO986 – nahe, dass die Verweisungsregel nicht nur auf gewerblich handelnde, sondern zudem auch auf den einmaligen Beförderer anwendbar ist. Im Rahmen der Kollisionsnorm für Personbeförderungsverträge könnte jedoch eine andere Auslegung geboten sein, weil es sich dabei um eine Vorschrift handelt, die ausdrücklich einen Beteiligten, nämlich die zu befördernde Person, begünstigt.987 Denn dies hat zwangsläufig eine spiegelbildliche Belastung des Beförderers im Zuge der international-privatrechtlichen Anknüpfung zur Folge. Das wiederum führt zu der Wertungsfrage, ob diese Last wirklich jedem Beförderer aufgebürdet werden sollte oder ob dies nicht nur im Hinblick auf jene Beförderer rechtspoltisch gerechtfertigt ist, die gewerblich handeln. Für letzteres spräche die VO 1177/2010, aus deren Vorschriften hervorgeht, dass deren materielle passagierbegünstigende Regelungen nur bei gewerblichen Personenbeförderungen zum Tragen kommen sollen.988 Gleichwohl ist Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO auch auf nicht-gewerbliche Beförderungen anzuwenden. So ist die Indizwirkung der Verordnung über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr als eher gering einzuschätzen, da die anderen Fahrgastrechteverordnungen nicht auf das Kriterium der Gewerblichkeit abstellen. Dass es auf eine solche auch im Rahmen der Personenbeförderungsvertrags-Kollisionsnorm der Rom I-Verordnung nicht ankommt, lässt sich zudem mit der Schutzfunktion der Vorschrift begründen. So beruht die Schutzbedürftigkeit des Fahrgasts gerade nicht auf einem etwaigen Wissens- oder Erfahrungsdefizit, welches substantiell nur gegenüber gewerblichen Beförderern bestünde. Vielmehr ist der Grund für seine internationaprivatrechtliche Privilegierung die tatsächliche Abhängigkeit des Passagiers gegenüber dem Beförderer während der Beförderung, welche prinzipiell auch bei einem einmaligen Transport gegeben ist.989 Deshalb ist es gerechtfertigt, die passagierschützenden Verweisungsregeln des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO auch auf nicht-gewerbliche Beförderer anzuwenden.990 Eine solche, tendenziVgl. oben § 6 – C.III. Zur Frage, inwieweit die Verweisungsregeln des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO den Passagier tatsächlich kollisionsrechtlich begünstigen, siehe unten E. 988 Vgl. Art. 3 lit. f der VO, wonach der für die Anwendung der Verordnung zentrale Begriff des Personenverkehrsdienstes stets einen „gewerblichen Verkehrsdienst zur Personenbeförderung“ voraussetzt. 989 Siehe oben A.I.3.d). 990 Beispielsweise auf grenzüberschreitende Fahrgemeinschaften oder Mitfahrgelegenheiten. 986 987

266

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

ell weite Auslegung des Anwendungsbereichs ist im Übrigen auch im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm geboten.991 C. Objektive Anknüpfung In der Rom I-Verordnung ist ein neuartiges objektives Anknüpfungssystem für Personenbeförderungsverträge geschaffen worden, welches – im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO – nicht zum Großteil auf eine Vorgängerregelung im EVÜ zurückzuführen ist. Der neue Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom IVO greift dabei allerdings die Systematik der Verweisungsnorm für Güterbeförderungsverträge auf, indem er eine Primär- (I.) mit einer Sekundäranknüpfungsregel (II.) kombiniert. Letztere greift dann ein, wenn die Voraussetzung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO nicht gegeben sind. Eine entsprechend S. 1 oder 2 vorgenommene objektive Anknüpfung des Vertrages kann jedoch unter Umständen mit Hilfe der Ausweichklausel des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO durchbrochen werden (III.). Dieses objektive Anknüpfungssystem kommt jedoch laut Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 S. 1 HS. 1 Rom I-VO überhaupt nur dann zur Geltung, sofern die Parteien „keine Rechtswahl nach Unterabsatz 2 getroffen haben“.992 Eine subjektive Anknüpfung des Personenbeförderungsvertrages geht folglich dessen objektiver Anknüpfung vor. Da im grenzüberschreitenden Personenverkehr die Anbieter von Beförderungsdienstleistungen so gut wie immer mit Rechtswahlklauseln arbeiten, ist das Anwendungsfeld der objektiven Verweisungsregeln des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO stark eingeschränkt. Jene werden deshalb in der Praxis vor allem dann Bedeutung erlangen, wenn eine Rechtswahl unwirksam ist.993 Denkbare Ursachen dafür wären beispielsweise, dass die AGB insgesamt nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wurden,994 insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs,995 oder dass die Rechtswahl nicht die Voraussetzungen des UAbs. 2 erfüllt.996

Siehe oben A.II. Dazu im Einzelnen unten D. 993 Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (536). 994 Hasche, TranspR 2010, 282 (283). 995 Vgl. Staudinger, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, § 22 Rn. 18. Einen praktischen Beispielsfall dafür bietet die Entscheidung des LG München I, IPRspr. 2011, Nr. 25: Nach der durch das Gericht vorgenommenen Auslegung bezog sich die von einem OnlineTicketverkäufer verwendete Rechtswahlklausel nur auf die Nutzungsbedinungen für die Webseite, nicht aber auf die infolgedessen geschlossenen Beförderungsverträge, sodass hinsichtlich letzterer die objektive Anknüpfung maßgeblich wurde. 996 Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-71). 991 992

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

I.

267

Die Hauptanknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO

Nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO werden Personenbeförderungsverträge neuerdings primär an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der beförderten Person angeknüpft, jedoch nur unter der besonderen Voraussetzung, dass sich in diesem Staat entweder der Abgangs- oder der Bestimmungsort der Beförderung befindet. In ihrer Konstruktion ähnelt die Hauptanknüpfung für Personenbeförderungsverträge damit sehr stark derjenigen für Verträge über die Beförderung von Gütern.997 Im Gegensatz dazu wird im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO aber nicht an die charakteristische Leistung, sondern umgekehrt an den Aufenthalt desjenigen angeknüpft, der die Leistung in Anspruch nimmt. Vor allem in dieser passagierbegünstigenden Regelung manifestiert sich der in Erwägungsgrund (32) angesprochene kollisionsrechtliche Schwächerenschutz.998 Zugleich ist jedoch zu betonen, dass dieser im Rahmen der Personenbeförderungsverträge nicht uneingeschränkt gilt. Denn auf das Heimatrecht des Passagieres wird nur dann abgestellt, wenn der Vertrag einen starken Bezug zu dieser Rechtsordnung in Form des Abgangs- oder Bestimmungsorts aufweist.999 Im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO wurde das Prinzip des Schwächerenschutzes also mit dem Prinzip der engsten Verbindung kombiniert.1000 Ein bedingungsloses Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt der zu befördernden Person sollte dem Beförderer offenbar nicht zugemutet werden.1001 1. Maßgeblichkeit des Rechts am gewöhnlichen Passagieraufenthalt Während das Schuldvertragsübereinkommen für das auf den Personenbeförderungsvertrag anwendbare Recht in der Regel zum Heimatrecht des Beförderers führte, ist das Verweisungsziel der Regelanknüpfung der Rom IVerordnung nun das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt der „zu befördernden Person“. a) Die „zu befördernde Person“ Ebenjene „zu befördernde Person“ ist damit grundsätzlich bestimmend für das Personenbeförderungsvertragsstatut. Im Einklang mit den meisten andeSiehe dazu oben § 6 – E. Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339 (348); Wagner, TranspR 2008, 221 (223); Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 80. 999 Wagner, TranspR 2008, 221 (223). In seiner Rechtsprechung zum Erfüllungsortgerichtsstand des Art. 7 Nr. 3 EuGVVO sieht der EuGH Abgangs- und Bestimmungsort sogar als die „engste“ Verbindung zu einem Luftbeförderungsvertrag an, vgl. EuGH, Rs. C-204/ 08 (Fn. 582) Rn. 38 ff., siehe auch unten C.I.3.b). 1000 Vgl. Legros, RD transp. 2/2009, 12 (16) Rn. 18. 1001 So Wagner, TranspR 2008, 221 (223). 997 998

268

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

ren Sprachfassungen der Rom I-Verordnung wäre es indes treffender, diese als „Passagier“ (the passenger; le passager; il passeggero; el pasajero; o passagiero; de passagier, usw.) zu bezeichnen. Dabei handelt es sich begrifflich um die Person, die die Transportleistung des Beförderers in Anspruch nimmt, also schlichtweg diejenige, die befördert wird. Die genaue Identität dieser Person kann bereits im Vertrag festgelegt werden.1002 aa) Grundkonstellation von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO: Passagier ist alleiniger Vertragspartner des Beförderers Die Grundannahme der Verweisungsregel in Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO scheint indes zu sein, dass es sich bei dem Passagier zugleich um den Vertragspartner des (vertraglichen) Beförderers handelt. Schließlich enthält die Vorschrift keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass neben der zu befördernden Person und dem Beförderer auch noch weitere Personen in den Personenbeförderungsvertrag involviert sein könnten. Außerdem wurde auf eine konkrete Benennung der Vertragsparteien, wie sie in Erwägungsgrund (22) S. 3 für die Güterbeförderung vorgenommen wurde, im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO verzichtet. Folglich scheint der europäische Gesetzgeber bezüglich des der Personenbeförderung zugrundeliegenden Vertrags grundsätzlich von einem ZweiPersonen-Verhältnis auszugehen, an dem ausschließlich der Beförderer und der Passagier beteiligt sind.1003 Dafür sprächen zudem die Erwägungsgründe der Fahrgastrechteverordnungen, wo der Fahrgast als die schwächere Partei des Beförderungsvertrags bezeichnet wird.1004 Bei dieser Prämisse kollidiert Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO aber in bestimmten Situationen mit der Wirklichkeit. Denn in der Praxis kann einem Personenbeförderungsvertrag mitunter eine Drei- oder Mehr-Personen-Konstellation zugrunde liegen. In solchen Fällen ist dann fraglich, wer genau als die „zu befördernde Person“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anzusehen und insbesondere wie im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO das Verweisungsziel zu bestimmen ist. bb) Nicht-Identität von Befördertem und Vertragsschließendem Eine derartige, problematische Mehr-Personen-Konstellation ist zum einen dann gegeben, wenn die zu befördernde Person und die Person des Vertragspartners des Beförderers divergieren. Dafür lassen sich verschiedene Beispiele bilden: Denkbar ist dies etwa im Falle von Geschäftsreisen, bei denen der Vgl. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2626. Ebenso Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 40; für die Luftbeförderung im Rahmen der VO 261/2004 Schmid, RRa 2010, 137. Eine andere Frage ist, ob an der Durchführung dieses Vertrages andere Personen beteiligt sind. Dies ist auch laut dem europäischen Luftrecht der Regelfall, richtet sich der dortige Anspruch gegen den ausführenden Luftbeförderer, siehe auch unten C.II.1.a). 1004 Siehe die Nachweise oben A.I.3.a). 1002 1003

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

269

Arbeitgeber einen Personenbeförderungsvertrag für seinen Angestellten schließt. Praktischer Anreiz dafür können besondere Rahmenvereinbarungen zwischen dem beschäftigenden Unternehmen und einem Beförderer sein, wie z. B. Großkundenabonnements oder auch unternehmenseigene Bonuskonten.1005 Möglich ist auch, dass ein Reiseveranstalter für die Durchführung einer von ihm angebotenen Pauschalreise bei einem Beförderer für seine Kunden im eigenen Namen die Buchung der Beförderungen vornimmt.1006 Ein weiteres Beispiel ist, dass ein Unternehmen einen Vortragenden einlädt und im Zuge dessen vorab dessen Reise bucht. All diesen Fällen ist gemein, dass derjenige, der den Beförderungsvertrag im eigenen Namen schließt und damit als Vertragspartei des Beförderers anzusehen ist, die Beförderungsleistung nicht selbst in Anspruch nimmt, sondern diese stattdessen einem Dritten (dem eigentlichen Passagier) zukommt. Infolgedessen sind die zu befördernde Person und der Vertragspartner des Beförderers nicht personenidentisch, sodass sich im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO die Frage aufdrängt, auf welche Person konkret abzustellen ist. Soll es für die objektive Anknüpfung des Personenbeförderungsvertrages dann auf den Vertragspartner des Beförderers oder auf den tatsächlichen Passagier ankommen?1007 (1) Handhabung des Problems durch das materielle europäische Passagierrecht Zur Klärung dieser kollisionsrechtlichen Frage könnte wiederum der Blick in das materielle Sekundärrecht hilfreich sein. Allerdings ist festzustellen, dass insoweit auch das europäische Personenbeförderungsvertragsrecht wenig Aufschluss bietet. So behandeln die Fahrgastrechteverordnungen die Situation eines Auseinanderfallens von Vertragspartner und Befördertem nicht.1008 Stattdessen ist in solch einem Fall unklar, wer konkret Inhaber der Fahrgastrechte sein soll.1009 Das hatte bereits eine zweifelhafte untergerichtliche Rechtsprechung zur Folge,1010 die sich aber kaum als Referenz zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO eignet.1011 1005 Siehe Mankowski, TranspR 2008, 339 (348). Diesbezüglich ist allerdings anzumerken, dass der Angestellte seine Dienstreise häufig selbständig bucht und diese nachträglich über den Arbeitgeber abrechnet. In diesem gängigen Fall entstehen keine Probleme im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO. 1006 Vgl. den OLG Frankfurt NJW-RR 2012, 374 zugrundeliegenden Sachverhalt. 1007 Diese Frage aufwerfend PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 4; Plender/ Wilderspin, Rn. 8-035. 1008 Anders wird dagegen auf Seiten des Anspruchsgegners zwischen vertraglichem und ausführendem Beförderer differenziert, siehe auch unten C.II.1.a) und 3. Kapitel Fn. 54. 1009 Dazu im Zusammenhang mit der Fluggastrechteverordnung Brecke, ZLW 2012, 358 ff. 1010 So differenziert das AG Emden, RRa 2010, 135 danach, dass die Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 der VO 261/2004 dem Fluggast, hingegen der Ausgleichsanspruch

270

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Im Gegensatz zum europäischen Passagierrecht ist das Auseinanderfallen von Vertragspartner und Leistungsempfänger in der Richtlinie 90/314/EWG zumindest bekannt: Begrifflich wird dort nach Art. 2 Nr. 4 nämlich zwischen dem „Hauptkontrahenten“ und den „übrigen Begünstigten“ unterschieden. Gleichwohl werden beide Personengruppen von der Richtlinie gleich behandelt, weil beide unter den darin verwendeten Verbraucherbegriff fallen. Im Ergebnis stehen somit sowohl dem Vertragspartner als auch den Mitreisenden die nach der Pauschalreiserichtlinie gewährten Rechte zu, ersterem auch dann, wenn er die Reiseleistungen selbst nicht in Anspruch nimmt. 1012 Dieser im Pauschalreiserecht zum Tragen kommende Ansatz der alternativen Aktivlegitimation lässt sich indes nicht auf Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO übertragen, weil dabei nur genau eine anwendbare Rechtsordnung maßgeblich sein kann. Der kollisionsrechtliche Begriff der „zu befördernden Person“ lässt sich somit anhand des materiellen europäischen Passagier- bzw. Reiserechts nicht näher konkretisieren. (2) Maßgeblichkeit des tatsächlich beförderten Passagiers Folglich muss hinsichtlich der Frage, ob es bei der Anknüpfung im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den Vertragspartner oder den tatsächlichen Passagier ankommt, auf andere Auslegungsmethoden zurückgegriffen werden. Stellt man insoweit auf den deutschen Wortlaut der Vorschrift ab, ist bereits eine gewisse Tendenz erkennbar. Denn dabei ist nicht allgemein von dem Vertragspartner oder Ähnlichem die Rede, sondern konkret von der „zu befördernden Person“. Diese Umschreibung mittels eines passivischen Verbaladjektivs stellt einen direkten Bezug der betreffenden Person zur Beförderungsleistung her. 1013 Dies lässt sich durchaus so interpretieren, dass es im Rahmen der Anknüpfung gerade auf denjenigen ankommen soll, der tatsächlich die Transportdienstleistung in Anspruch nimmt und nicht auf denjenigen, der möglicherweise davon abweichend den Vertrag schließt.1014 Zwar wird nach Art. 7 und der Anspruch auf Erstattung nach Art. 8 dem den Flug buchenden Vertragspartner des Beförderers zustehen. Das AG Leipzig hat in einem Urteil vom 7.7.2010, 109 C 7651/09 (abrufbar unter juris) festgestellt, dass der Ausgleichsanspruch des Art. 7 auch dem buchenden Unternehmen zustehen kann. 1011 Vgl. Brecke, ZLW 2012, 358 (364). Richtigerweise ist mit der h. M. in der Literatur davon auszugehen, dass Anspruchsinhaber der Fluggastrechte der eigentliche Passagier und nicht der Vertragspartner ist (Schmid, RRa 2010, 137; Schmid/Schürmann, ZLW 2012, 229 [231]; ebenso wohl Weise/Schubert, TranspR 2006, 340 [341]; Peterhoff, TranspR 2007, 103 [105]). Dies legt bereits die Schutzrichtung der Passagierrechte nahe, siehe oben A.I.3.c). 1012 BGH NJW 2002, 2238 (2239 f.). 1013 So dient die in der deutschen Fassung verwendete, aus dem Lateinischen stammende, grammatische Konstruktion des Gerundivum dazu, eine notwendige, mögliche oder zukünftige Handlung zu beschreiben.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

271

diese Lesart nicht unbedingt durch die anderen Sprachfassungen gestützt, die abweichend einhellig auf den „Passagier“ abstellen. Jedoch spricht für eine derartige Interpetation der Schutzzweck der Norm. Wie oben herausgearbeitet wurde, ergibt sich nämlich die spezielle Schwäche des von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO geschützten Personenkreises aus einer während der Beförderung bestehenden Abhängigkeit:1015 Der Passagier begibt sich in die Obhut des Beförderers und ist diesem in mehrfacher Hinsicht ausgeliefert. Die kollisionsrechtliche Schutzwürdigkeit folgt somit aus einem tatsächlichen Umstand und nicht aus der rechtlichen Vertragspartei-Eigenschaft. Die Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge soll folglich den tatsächlich Beförderten schützen.1016 Ist dieser nicht personenidentisch mit dem Vertragspartner des Beförderers, sollte deshalb die in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO vorgesehene kollisionsrechtliche Begünstigung, nämlich die Anwendung von dessen Heimatrecht, dem tatsächlich zu befördernden Passagier zu Gute kommen. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil es letztlich der tatsächliche Passagier ist, der von Problemen bei der Durchführung des Beförderungsvertrages betroffen und daher eher derjenige sein wird, der einen Prozess und somit die Frage der kollisionsrechtlichen Anknüpfung des Beförderungsvertrages anstrengen wird.1017 Folglich sollte bei der Bestimmung des Personenbeförderungsvertragsstatuts auf seinen gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt werden und nicht auf den des Vertragspartners des Beförderers.1018 (3) Wahrung der Vorhersehbarkeit der auf den Vertrag anwendbaren Rechtsordnung Gegen diese Lösung wird jedoch eingewandt, dass dadurch für die Anknüpfung des Personenbeförderungsvertrages prinzipienwidrig auf ein außerhalb Vgl. Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 40. So noch MünchKommBGB/Martiny, 5. Aufl. 2010, Art. 5 Rom I-VO Rn. 32. 1015 Näher dazu oben A.I.3.d). 1016 Dies ebenfalls zugestehend Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 25; dahingehend ist möglicherweise auch Vignal, Droit international privé, 3. Aufl. 2014, S. 267 f. zu verstehen, soweit er den Zweck von Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO in dem Schutz der „personnes transportées“ sieht. 1017 Dabei kann der tatsächlich beförderte Fluggast zumindest die sekundärrechtlichen Ansprüche aus der Fluggastrechte-VO (siehe oben Fn. 1011) und aus dem Montrealer Übereinkommen (siehe Janköster, Fluggastrechte im internationalen Luftverkehr, 2009, S. 67 f. m. w. N) geltend machen. Ob der tatsächlich Beförderte darüber hinaus als Nichtvertragspartner weitere Ansprüche gegen den Beförderer geltend machen kann, richtet sich nach dem jeweils anwendbaren Recht. 1018 Zu diesem Ergebnis kommen ebenfalls Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 40; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 5 Rom I-VO Rn. 17, McParland, Rn. 11.120 und wohl auch Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 73 (deutlicher im Zusammenhang mit Abs. 2 UAbs. 2 in Rn. 76). 1014

272

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

des Vertrages stehendes Merkmal abgestellt werde.1019 Dieser Einwand betrifft im Kern einen Eckpunkt der Rom I-Verordnung und ist daher schwerwiegend: Das supranationale Kollisionsrechtsinstrument erhebt nämlich als zentralen Anspruch an seine Verweisungsregeln, dass diese „ein hohes Maß an Berechenbarkeit aufweisen, um zum allgemeinen Ziel dieser Verordnung, nämlich zur Rechtssicherheit im europäischen Rechtsraum, beizutragen“, vgl. Erwägungsgrund (17) S. 1. Infolgedessen hat die Anknüpfung von Verträgen anhand solcher Merkmale zu erfolgen, die für die maßgeblich daran Beteiligten – sprich die Vertragsparteien – auch erkennbar sind. Auch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO muss sich daran messen lassen, dass durch ihn die Vorhersehbarkeit der letztlich auf den Vertrag anwendbaren Rechtsordnung gewährleistet wird.1020 Im Folgenden kann jedoch aufgezeigt werden, dass das Abstellen auf den tatsächlich Beförderten im Rahmen der Anknüpfung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO entgegen der in Teilen der Literatur geäußerten Bedenken den Anforderungen an die Vorhersehbarkeit genügt. Schließlich kann der Vorwurf, dass es sich bei dem tatsächlich Beförderten um einen außerhalb des Vertrages stehenden Umstand handelt, grundlegend entkräftet werden. Denn regelmäßig (vor allem im internationalen Flugverkehr) wird schon bei Vertragsschluss die zu befördernde Person genau benannt und somit in den Vertrag einbezogen. Von einem mangelnden Bezug dieser Person zum anzuknüpfenden Vertrag kann dann nicht die Rede sein. Für den Fall, dass der Beförderer ausnahmsweise keine detailierten Angaben zur Identität des eigentlichen Passagiers verlangt, wird ihm aber in der Regel die Identität seines Vertragspartners genauso wenig bekannt sein. Denn soweit der Beförderer unpersonalisierte Fahrkarten gegen sofortige Bezahlung herausgibt, etwa an Fahrkartenschaltern am Abreiseort im Zug- oder auch Fernbusverkehr, interessiert ihn letztlich die Person des jeweiligen Ticketkäufers (bzw. des Vertragspartners) nicht. Er hat somit in dieser Konstellation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder Kenntnis von der Identität (geschweige denn des gewöhnlichen Aufenthalts) des Beförderten noch von der des Vertragsschließenden.1021 Vor diesem Hintergrund lässt sich die Aussage, 1019 Namentlich von Mankowski, TranspR 2008, 339 (348); Reithmann/Martiny/ Mankowski, Rn. 2626 ff.; ders., Neues aus Europa, Rn. 119 und sich diesem anschließend Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 25; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 50; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 34; Rudolf, ÖJZ 2011, 149 (154); NKBGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 39; Dornis, in: Ferrari (Hrsg.), Rome I Regulation, 2015, Art. 5 Rn. 27. 1020 Siehe oben A.vor I. 1021 Etwas anderes wird wohl für die angesprochenen Rahmenvereinbarungen zwischen Unternehmen und Beförderern gelten, denn bei diesen wird dem Beförderer durchaus bewusst sein, mit wem er kontrahiert. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen Personenbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO. Letztere werden vielmehr erst später, unter Berücksichtigung der Rahmenvereinbarung geschlossen.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

273

dass der Beförderer eher seinen Vertragspartner als den eigentlichen Beförderten kennen werde,1022 kaum aufrecht erhalten.1023 Auch das Argument, dass gerade dem Vertragspartner des Beförderers die vertraglichen Ansprüche zustehen,1024 weshalb es auch in international-privatrechtlicher Hinsicht auf ihn ankommen solle, ist so nicht zutreffend. Denn letztlich entscheidet erst das materielle Recht, wer Ansprüche aus einem Personenbeförderungsvertrag geltend machen kann. So bestimmt das Vertragsstatut nicht nur darüber, ob der begünstigte Dritte eigene vertragliche Rechte gegenüber dem Beförderer hat (so etwa bei sachrechtlicher Ausgestaltung des Personenbeförderungsvertrags als Vertrag zugunsten Dritter), sondern auch darüber, wer überhaupt Vertragspartner des Beförderers geworden ist.1025 Auch dies kann bei Mehrpersonenverhältnissen durchaus strittig sein, insbesondere wenn Fragen der Stellvertretung auftreten, z. B. weil unklar ist, ob im eigenen oder fremden Namen kontrahtiert wurde. Hinsichtlich der Durchführung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO bietet ein Abstellen auf die Person des Vertragspartners somit keine größere Rechtssicherheit. Im Gegenteil ist das Abstellen auf den tatsächlichen Passagier sogar praktikabler, wenn es – wie im Regelfall – nach Abschluss der Beförderung zu einem Rechtsstreit kommt, der die Anknüpfung des Rechtsverhältnisses notwendig macht. Denn dann ist das Merkmal der beförderten Person einfach bestimmbar, weil es sich dabei um eine relativ einfach festzustellende Tatsache handelt. Dagegen ist die Vertragspartner-Eigenschaft eine Rechtsfrage, die im Zweifel erst durch das hypothetische Vertragsstatut geklärt werden müsste.1026 Abgesehen von diesen materiell-rechtlichen Erwägungen zeigt zudem die ganzheitliche Analyse der Norm, dass ein Abstellen auf den tatsächlich Beförderten im Rahmen der Anknüpfung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom IVO dem Beförderer ohne Weiteres zumutbar ist. Bei der hier zu klärenden Frage nach dem genauen Verweisungsziel der Vorschrift muss auch ihr Tatbestand ausreichend berücksichtigt werden. Aus diesem ergibt sich nämlich, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Passagiers nur dann das Vertragsverhältnis regiert, wenn dieser zugleich mit dem Abgangs- oder dem Bestimmungsort identisch ist.1027 Aufgrund von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom IStaudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 25. Anders mag dies jedoch im Falle solcher Gruppenbuchung sein, bei denen gegenüber dem Beförderer nur die buchende Person auftritt und die beförderten Gruppenmitglieder nicht näher benannt werden, dazu sogleich C.I.1.a)cc). 1024 Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2627. 1025 Vgl. Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 59. Siehe auch unten § 11 – C.I. und C.III. 1026 So Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2630; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 59. 1027 Dazu unten C.I.3.b). 1022 1023

274

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

VO kann im Ergebnis somit lediglich entweder das Recht des Abgangs- oder das Recht des Bestimmungsortes zur Anwendung kommen. Bei einem Wechsel der Betrachtungsebene – weg vom einzelnen Vertragsverhältnis mit dem jeweiligen Passagier hin zu dem Beförderungsvorgang des Transportmittels als solchem – wird ferner deutlich, dass der Beförderer bezogen auf alle mit dem Beförderungsmittel durchgeführten Beförderungen in international-privatrechtlicher Hinsicht lediglich mit der Anwendbarkeit derjenigen Rechtsordnungen zu rechnen braucht, in denen das Transportmittel Passagiere aufnimmt bzw. abliefert.1028 Aus Sicht des Beförderers spielt es deshalb praktisch keine Rolle, ob es bei der Anknüpfung des einzelnen Vertragsverhältnisses letztlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt des tatsächlich Beförderten oder des Vertragspartners ankommt. Letzteres entscheidet dann zwar, ob konkret auf das Recht des Abgangs- oder des Bestimmungsortes abzustellen ist bzw. ob die Verweisungsregel fehlschlägt und infolgedessen gemäß der Sekundäranknüpfung von S. 2 das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers maßgeblich ist. In der Gesamtbetrachtung des Beförderungsvorgangs muss der Beförderer jedoch ohnehin mit der Maßgeblichkeit einjeder dieser Rechtsordnungen rechnen.1029 Im Hinblick auf sein Interesse an Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit kann ihm daher durchaus zugemutet werden, dass im Rahmen der Anknüpfung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom IVO auf die tatsächlich zu befördernde Person abgestellt wird. Gleiches gilt im Übrigen für den Vertragspartner des Beförderers. Dieser hat schließlich Kenntnis desjenigen, der als Begünstigter des Personenbeförderungsvertrages vorgesehen ist. Hat der Reisende tatsächlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Aufenthaltsstaat des Vertragsschließenden, ist dies am ehesten dem Vertragspartner des Beförderers bekannt, sodass es für ihn zumindest nicht völlig überraschend ist, wenn sich der von ihm zu schließende Beförderungsvertrag möglicherweise nach dem Recht des begünstigten Dritten beurteilt.1030 Im Ergebnis ist es somit allen VertragsbeteiSiehe unten C.I.3.b). Gerade bei den üblichen Massentransportmitteln, die dutzende oder hunderte Personen zeitgleich befördern, wie Flugzeug, Eisenbahn, Fähre, etc., ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Passagiere sowohl mit gewöhnlichen Aufenthalt am Ausgangs- als auch solche mit gewöhnlichem Aufenthalt am Bestimmungsort befördert werden. Für die privatrechtliche Beurteilung der mit einem Beförderungsvorgang verbundenen Vertragsverhältnisse hat der Beförderer deshalb davon auszugehen, dass in der Summe sowohl das Recht des Abgangs- als auch des Bestimmungsorts maßgeblich sein wird. 1029 Ausführlich unten C.I.3.b). 1030 Mit der Anwendbarkeit einer für ihn fremden Rechtsordnung wird der Vertragspartner des Beförderers indes ohnehin im Rahmen seines Rechtsverhältnisses mit dem durch den Beförderungsvertrag begünstigten Dritten, welches dem Abschluss des Vertrages zugrunde liegt (möglicherweise Auftrag, Geschäftsbesorgung, etc.), konfrontiert. Denn möglicherweise unterliegt bereits dieses Innenverhältnis dem Heimatrecht der zu befördernden Person. Danach können sich im Übrigen möglicherweise auftretende Fragen der 1028

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

275

ligten, insbesondere den Vertragsparteien, im Hinblick auf das Prinzip der Vorhersehbarkeit zumutbar, einen Personenbeförderungsvertrag an den gewöhnlichen Aufenthalt der tatsächlich beförderten Person anzuknüpfen. (4) Rechtfertigung des Wertungsunterschiedes gegenüber Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO Abgesehen von dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit wird gegen ein Abstellen auf die tatsächlich zu befördernde Person im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO das Leitbild des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO vorgebracht: Schließlich könne Erwägungsgrund (22) der Gedanke entnommen werden, dass es im Rahmen von Art. 5 Rom I-VO allein auf die förmliche Position als Vertragspartei, nicht aber auf die tatsächliche Beförderung, ankomme. 1031 Zudem wird für ein Abstellen auf den Vertragspartners des Beförderers angeführt, dass dadurch ein Gleichlauf mit Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO hergestellt werde.1032 Diese Argumente können jedoch unter Hinweis darauf entkräftet werden, dass im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO die Verweisungsnormen von Abs. 2 maßgeblich durch das Prinzip des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes geprägt sind.1033 Mögliche Wertungsunterschiede innerhalb der beiden Anknüpfungsregime des Art. 5 können daher, wie hier, gerechtfertigt, wenn nicht sogar geboten sein.1034 Ein Gleichlauf der Regelungen von Art. 5 Abs. 1 und 2 Rom I-VO ist daher nicht in jedem Falle erstrebenswert. Insbesondere lässt sich der Gedanke von Erwägungsgrund (22) S. 3 der Rom I-Verordnung nicht auf Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO übertragen, da dieser speziell auf die Güterbeförderungsverträge zugeschnitten ist.1035 (5) Ergebnis Für den Ausnahmefall, dass die tatsächlich beförderte Person nicht mit dem Vertragspartner des Beförderers identisch ist, sollte im Rahmen der Anknüpfung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den eigentlichen Passagier abgestellt werden.1036 Dadurch, dass sein gewöhnlicher Aufenthalt nur Rückabwicklung (von Aufwendungen oder gegenüber dem Beförderer geltend gemachten Schadensersatz, etc.) richten. 1031 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 25. 1032 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 25; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 50. 1033 Siehe oben A.I. 1034 Siehe oben B.I.2.a). 1035 So auch Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 39. Im Übrigen ist auch eine Übertragung des Gedankens von Erwägungsgrund (22) S. 2 hinsichtlich der Beurteilung von personenbezogenen Charterverträgen nicht möglich, siehe oben B.I.4.b). 1036 Ebenso Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 40; Spickhoff, in: Bamberger/ Roth, Art. 5 Rom I-VO Rn. 17 und wohl auch Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 73.

276

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

dann für die Bestimmung des Vertragsstatuts maßgeblich wird, wenn er zugleich mit dem Ausgangs- oder Bestimmungsort der Beförderung zusammenfällt, wird auch bei dieser Lösung der Vorhersehbarkeit für die Vertragsbeteiligten ausreichend Rechnung getragen. Insbesondere die Rechtsanwendungsinteressen des Beförderers werden gewahrt, denn dieser muss sich – bezogen auf den gesamten Beförderungsvorgang – ohnehin auf die Anwendbarkeit aller von ihm angefahrenen Rechtsordnungen einstellen.1037 Daher spielt es aus seiner Sicht im Grunde keine Rolle, ob es bei der Anknüpfung eines konkreten Beförderungsvertrages auf die Person des Vertragspartners oder des tatsächlichen Beförderten ankommt. Im Einklang mit dem deutschen Wortlaut sollte in solch einem Fall auf die real zu befördernde Person abgestellt werden, denn dadurch wird der Schutzgedanke von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO am ehesten verwirklicht. cc) Die kollisionsrechtliche Behandlung von Gruppenbeförderungen Eine weitere Konstellation, für die die Kollisionsregel des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO im Grunde nicht ausgelegt ist, ist die der Gruppenbuchungen. Immer dann, wenn nach dem Beförderungsvertrag nicht nur eine, sondern mehrere Personen transportiert werden sollen, lässt sich die objektive Anknüpfung nach dieser Vorschrift nicht ohne Weiteres durchführen. Dann ist wiederum unklar, wer in dieser Mehr-Personen-Konstellation als die „zu befördernde Person“ im Sinne der Verweisungsnorm anzusehen ist.1038 Solche Fälle können in der Praxis relativ häufig auftreten, etwa wenn ein Familienvater für sich, seine Ehefrau und seinen Sohn einen Flug bucht. Weitere Beispiele dafür, dass sich eine Personenmehrheit geschlossen auf eine gemeinsame Reise begibt, wären der Universitätschor, der auf Konzertreise geht oder auch die Schulklasse auf Klassenfahrt. Probleme hinsichtlich der Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO bereiten diese Fälle dann, wenn die Gruppenmitglieder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in unterschiedlichen Staaten haben.1039 A.A. Mankowski, TranspR 2008, 339 (348); Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2626 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 25; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 50; Dornis, in: Ferrari (Hrsg.), Rome I Regulation, 2015, Art. 5 Rn. 27; Neufang, Internationales Privat- und Prozessrecht für den Fachanwalt im Speditions- und Transportwesen, 2. Aufl. 2011, S. 46. Offen gelassen von PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 4. 1037 Dazu unten C.I.3.b). 1038 Vgl. auch McParland, Rn. 11.120. 1039 Bei den angeführten Beispielen wäre dies etwa der Fall, wenn die Ehegatten in einer transnationalen Fernbeziehung leben oder wenn der Unichor bzw. die Schulklasse Austauschstudenten bzw. -schüler umfassen würden. Dabei wäre davon auszugehen, dass Austauschschüler bzw. -studenten nicht den Willen haben, im Austauschland einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, sodass letzter weiterhin im Heimatland besteht. Zu

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

277

(1) Determinierung des Anküpfungsgegenstandes Bevor jedoch bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Gruppenbeförderungsverträgen das Merkmal der „zu befördernden Person“ relevant wird, muss zunächst der genaue Anknüpfungsgegenstand ermittelt werden. Denn bei Gruppenbuchungskonstellationen, bei denen ein Besteller eine Buchung für sich und weitere Mitreisende vorgenommen hat, stellt sich prinzipiell die Frage, ob daraus ein einziger Vertrag resultiert oder doch eine Summe von Einzelverträgen. Läge dem international-privatrechtlich zu beurteilenden Sachverhalt nicht ein einzelner Gruppen-, sondern eine Vielzahl eigenständiger Einzelpersonenbeförderungsverträge zugrunde, bestünden im Ergebnis mehrere Anknüpfungsgegenstände nebeneinander, die auch kollisionsrechtlich eigenständig zu beurteilen wären. Vor einer Anwendung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO auf eine Gruppenbuchung muss diese folglich erst dahingehend überprüft werden, ob sie als ein einheitlicher oder als mehrere separate Personenbeförderungsverträge anzusehen ist.1040 Das Zustandekommen von Verträgen beurteilt sich grundsätzlich nach dem (hypothetischen) Vertragsstatut, vgl. Art. 10 Rom I-VO. Im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens entweder eines oder mehrerer Verträge hilft dies jedoch nur bedingt weiter, da in letzterem Fall ja gerade eine Vielzahl von hypothetischen Vertragsstatuten herangezogen werden müsste. Praktikabler ist es daher, die Voraussetzungen dafür, ob nur ein einziger Vertrag oder eine Mehrzahl von Verträgen vorliegt, soweit wie möglich autonom zu bestimmen.1041 So könnten bereits auf der Ebene des supranationalen Verweisungsrechts bestimmte Anforderungen an das Vorliegen eines Vertrages als dem maßgeblichen Anknüpfungsgegenstand gestellt werden. Insbesondere Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO gilt schließlich nur für „einen“ Vertrag über die Beförderung von Personen. Entscheidendes Kriterium für das Vorliegen eines einzigen Vertrages im Sinne der Rom I-Verordnung sollte sein, dass die einzelnen Verpflichtungen mitereinander verknüpft und aufeinander bezogen sind.1042 Übertragen auf die Beurteilung von Gruppenbuchungen bedeutet dies, dass ein einziger Vertrag nur dann vorliegt, wenn die einzelnen Beförderungen (der Gruppenmitglieder) in einem gewissen Zusammenhang stehen. Bei einer Mehrpersonenbeförderung kann ein solch notwendiger Zusammenhang in der Regel angenommen werden, wenn dieser eine einzige Budiesem Willenselement der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts Rauscher/Thorn, Art. 19 Rom I-VO Rn. 15. 1040 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO Rn. 96. Dies prüfen Reithmann/ Martiny/Mankowski, Rn. 2630 sowie Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 59 inzident, wenn sie für die Anknüpfung von Gruppenbuchungen den Vertragspartner des Beförderers maßgeblich sein lassen wollen. 1041 Dafür Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (289). 1042 Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (289).

278

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

chung vorausgeht. Denn wenn die Transportdienstleistung im Zuge eines einheitlichen Vorgangs bestellt wird, ist davon auszugehen, dass die vereinbarten (Einzel-)Personenbeförderungen nicht unabhängig voneinander, sondern im Hinblick auf eine gemeinsame Reise der jeweiligen Personen erfolgen sollen. Bei einer gemeinsamen Buchung ist schließlich selbstverständlich, dass eine getrennte Beförderung der einzelnen Personen zum Zielort nicht gewünscht ist. Gerade bei einer größeren Anzahl von Reisenden steht zudem nicht mehr unbedingt das einzelne Individuum im Vordergrund des Vertrages, sondern die jeweilige Gruppe. So gelten bei einer Beförderung ab einer gewissen Gruppenstärke mitunter besondere Tarif- und Fahrscheinmodalitäten, die der Buchung zugrunde liegen. Zudem wird häufig ein Gruppenmitglied als Ansprechpartner für den Beförderer bestimmt, welches in der Regel zugleich die Reiseleitung inne hat. Nicht zuletzt eine derartige strukturelle Organisation der zu befördernden Personengruppe spricht dafür, dass die einzelnen Beförderungen in einem engen Zusammenhang stehen. Gegen eine solche Konnexität spräche, wenn sich die Modalitäten der einzelnen Beförderungen, beispielsweise bzgl. der Komfortklasse, unterscheiden, weil dann nicht mehr von einer gemeinsamen Reise ausgegangen werden könnte. Ebenso wäre zu urteilen, wenn die einzelnen Gruppenmitglieder zu verschiedenen Abgangs- und Bestimmungsorten befördert werden sollen. Freilich wäre dann auch kein einheitlicher Beförderungsvorgang gegeben, sodass schon ein dem Leitbild des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO entsprechender Personenbeförderungsvertrag nicht vorläge.1043 Von einem einheitlichen Gruppen- bzw. Mehrpersonenbeförderungsvertrag kann außerdem nicht ausgegangen werden, soweit der Buchende wirksam im Namen seiner Mitreisenden gehandelt hat, denn in diesem Fall lägen mehrere Vertragsverhältnisse vor. Ob dem so ist und ein von einem Vertreter vorgenommener Vertrag gültig ist, beurteilt sich nach dem hypothetischen Vertragsstatut.1044 Tritt der Buchende im Namen mehrerer Mitreisender auf, müsste folglich das hypothetische Statut für jeden infrage kommenden Beförderungsvertrag (zwischen jeweiligem Mitreisenden und Beförderer) befragt werden.1045 Kommt diese – Siehe oben B.I.3. Dazu ausführlich Reithmann/Martiny/Hausmann, Rn. 5531 ff. Für die Bestimmung des Vertragsstatuts des vom Vertreter vorgenommenen Hauptgeschäfts kann die Rom IVerordnung herangezogen werden, da sich der Ausschlusstatbestand von Art. 1 lit. g Rom I-VO nicht auf diese Frage bezieht, vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom IVO Rn. 73; Ferrari/Kieninger, Art. 1 Rom I-VO Rn. 23. 1045 Diese Verfahrensweise soll anhand des Beispiels verdeutlicht werden: Der in Hamburg wohnende A bucht für sich, seine mit ihm zusammenlebende Frau B sowie für den in Paris wohnhaften C bei der schwedischen Schifffahrsgesellschaft D eine Fährfahrt von Kiel nach Göteborg. Die Frage, ob die einzelnen durch den Vertreter geschlossenen Verträge wirksam sind, ist anhand des jeweiligen hypothetischen Vertragsstatuts zu beurteilen. Angenommen, es läge eine wirksame Stellvertretung vor, fände auf das den potentiellen 1043 1044

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

279

bei zunehmender Gruppenstärke mitunter aufwendige – Untersuchung zu dem Ergebnis, dass mehrere Einzelpersonenbeförderungsverträge vorliegen, sind diese unabhängig voneinander nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anzuknüpfen. Möglicherweise könnten die verschiedenen Einzelpersonenbeförderungsverträge aber im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO wieder gemeinsam angeknüpft werden. 1046 (2) Anknüpfung des einheitlichen Gruppenbeförderungsvertrages an das Heimatrecht des Bestellers Erst wenn die Vorprüfung ergibt, dass ein einheitlicher Gruppenbeförderungsvertrag vorliegt, stellt sich im Hinblick auf die Anwendung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO überhaupt die Frage, wer als die maßgebliche „zu befördernde Person“ anzusehen ist. Um diese bei einer Mehrheit von Personen zu bestimmen, käme wiederum eine entsprechende Anwendung der im Zusammenhang mit der Pluralität von Bestimmungsorten genannten Lösungsvorschläge in Betracht, die aber aus den bereits genannten Gründen auch hier abzulehnen sind.1047 Am ehesten könnte noch an eine Art objektive dépeçage gedacht werden, wonach die Gruppenbeförderungskonstellationen kollisionsrechtlich in die Einzelbeförderungen aufzuspalten sind. Dies ließe sich möglicherweise mit dem Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO innewohnenden favor protectionis1048 begründen, weil jedes einzelne Gruppenmitglied so die Möglichkeit der Anwendung seines Heimatrechts hätte. Allerdings ist eine derartige Aufspaltung des Vertrages innerhalb der Rom I-Verordnung unzulässig und würde zudem zu Widersprüchen auf der Ebene der Sachrechtsanwendung führen.1049 Personenbeförderungsvertrag B-D gem. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO deutsches Recht Anwendung. Nach deutschem Recht wäre in dieser familiären Konstellation, da die beiden Reisenden ein besonderes Näheverhältnis aufweisen, grundsätzlich keine Vertretungssituation anzunehmen, sondern A als alleiniger Vertragspartner anzusehen (siehe Führich, § 5 Rn. 77 m. w. N. aus der deutschen Rspr.). Somit wäre auch im Rahmen von Art. 5 Rom I-VO insoweit eine Gruppenbeförderung anzunehmen. Für den Vertrag C-D würde sich dies dagegen gem. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO nach schwedischem Recht beurteilen. 1046 So im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO verfahrend Martiny, in: FS v. Hoffmann, S. 283 (294 f.). 1047 Siehe oben § 6 – E.IV.1.a). Beispielsweise könnte – gleich einer quantitativen Schwerpunktsuche – auf den Staat abgestellt werden, in dem die meisten Gruppenmitglieder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. 1048 Siehe oben A.II. 1049 Zu ersterem siehe oben § 6 – B.I.2.b)bb). Aufgrund der Vorprüfung der Anknüpfungsgegenstände stellt sich die Gruppenbeförderungsvertragsproblematik nur in solchen Fällen, wo das (zu diesem Zeitpunkt noch) hypothetische Vertragsstatut gerade nicht von einer wirksamen Vertretung, sondern von einem einheitlichen Mehr-Personen-Vertrag

280

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Vieles spricht daher dafür, den Gruppenbeförderungsvertrag an das Aufenthaltsrecht des Bestellers anzuknüpfen. Schließlich wird der Buchende – im Unterschied zu der oben behandelten Fallgruppe – als Teil der Gruppe selbst befördert und zählt damit grundsätzlich zu dem von der Vorschrift geschützten Personenkreis.1050 In dem Fall, dass der die Gruppenbuchung Vornehmende nicht selbst befördert wird, wird sich die hier beschriebene Anknüpfungsproblematik nicht stellen, weil der Buchende dann regelmäßig die Rolle eines Vertreters inne hat, der im Namen der Gruppenmitglieder mehrere Einzelbeförderungsverträge abschließt. Dass es aber im Rahmen der Anknüpfung von einheitlichen Gruppenbeförderungsverträgen auf den (mitreisenden!) Besteller allein und nicht auf ein anderes Gruppenmitglied ankommen sollte, lässt sich schließlich aus Gründen der Praktikabilität und der Vorhersehbarkeit rechtfertigen. Denn durch das Abstellen auf Besteller wird dem Rechtssicherheitsbedürfnis des Beförderers am ehesten Rechnung getragen, schließlich wird diesem gerade bei größeren Gruppen zumeist allein derjenige, der die Buchung vornimmt und dabei seine Daten angeben muss, bekannt sein.1051 Gleichzeitig ist dies auch gegenüber den anderen Reisegruppenmitgliedern vertretbar, denn sie haben ebenso Kenntnis von der Person des Bestellers und diesen mit der Buchung beauftragt. Allen am Vertrag beteiligten Personen kann daher zugemutet werden, dass sich der gemeinsame Gruppenbeförderungsvertrag nach dem Heimatrecht des die Buchung vornehmenden Gruppenmitglieds beurteilt. Diese Grundsätze sollten im Übrigen auch dann gelten, wenn der einheitliche Personenbeförderungsvertrag ausnahmsweise im Namen der Personenmehrheit selbst geschlossen sein sollte. Selbst wenn die Personengesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit besäße und tatsächlich Vertragspartner des Gruppenbeförderers geworden wäre, könnte das im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO maßgebliche Anknüpfungsmerkmal, nämlich ausgeht (siehe Fn. 1045). Nach der Aufspaltungslösung würde an diese Rechtsordnung dann jedoch der jeweilige Vertrag als Einzelbeförderungsvertrag verwiesen werden. 1050 Unzutreffend wäre es daher, dies damit zu begründen, dass es sich bei dem Besteller um den Vertragspartner handele (auf diesen Umstand abstellend Reithmann/Martiny/ Mankowski, Rn. 2630 ff.; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 51, 59). Denn der eigentliche Adressat des von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO gewährten Schutzes ist die tatsächlich beförderte Person (siehe oben A.I.3.d) und C.I.1.a)bb)(2)), sodass bei Mehr-PersonenKonstellationen die Vertragspartnereigenschaft gerade nicht als Argument herangezogen werden sollte. 1051 Auch hier sei hinsichtlich des Rechtssicherheitinteresses des Beförderers angemerkt, dass im Rahmen der Hauptanknüpfungsregel des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom IVO die konkrete maßgebliche Person – sei es der Vertragspartner oder auch der tatsächlich Beförderte – nur eine sekundäre Rolle spielt, da die Anknüpfungsregel entweder zum Recht des Abgangs- oder Bestimmungsort führt (siehe oben C.I.1.a)bb)(3). sowie unten C.I.3.b)).

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

281

der tatsächlich beförderte Passagier,1052 aufgrund der Mehrzahl der beförderten Personen dennoch nicht festgestellt werden.1053 Im Zuge der objektiven Anknüpfung auch eines solchen Gruppenbeförderungsvertrags sollte es daher kollisionsrechtlich auf den Mitreisenden ankommen, der gegenüber dem Beförderer aufgetreten ist und die Buchung vorgenommen hat. Das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts würde dann das Gruppenbeförderungsvertragsstatut bilden.1054 (3) Ergebnis Wie die Analyse zeigt, ist die kollisionsrechtliche Behandlung internationaler Gruppenbeförderungsverträge mitunter mit erheblichem Aufwand verbunden. Insbesondere die Bestimmung der genauen Anzahl von Anknüpfungsgegenständen erfordert mitunter eine genauere Prüfung. Liegt ein einheitlicher Gruppenbeförderungsvertrag vor, sollte es für dessen objektive Anknüpfung im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den gewöhnlichen Aufenthalts der buchenden Person ankommen. b) Gewöhnlicher Aufenthalt Da es sich bei der „zu befördernden Person“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO stets um den tatsächlich beförderten Passagier und gerade nicht um den Vertragspartner des Beförderers handelt,1055 wird dieses Anknüpfungsmerkmal zwingend von einer natürlichen Person ausgefüllt. Tritt der Passagier die Beförderung im Hinblick auf die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit an, ist der gewöhnliche Aufenthalt am Ort seiner Hauptniederlassung entscheidend, vgl. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 Rom I-VO.1056 Möglicherweise könnte dann auch Art. 19 Abs. 2 Alt. 1 Rom I-VO einschlägig Siehe dazu oben C.I.1.a)bb)(2). Weil es bei dem Merkmal des Passagiers gerade nicht auf den Vertragspartner ankommt, wäre es unnötig, in diesem Fall das Gesellschaftsstatut zu bestimmen, um zu klären, ob die Gruppe möglicherweise mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist (so aber Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2632, der das Gesellschaftsstatut über Art. 7 EGBGB bestimmen will; ebenso Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 59, der allerdings insoweit auf das ungeschriebene internationale Gesellschaftsrecht abstellt). 1054 Es sei jedoch angemerkt, dass dieses Ergebnis grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Anwendung der Ausweichklausel steht. Denn sofern die Analyse des konkreten Sachverhalts ergibt, dass der Gruppenbeförderungsvertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalt des Bestellers aufweist, ist gemäß Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO der Vertrag abweichend von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO an diese Rechtsordnung anzuknüpfen, siehe unten C.III. 1055 Siehe oben C.I.1.a). 1056 Siehe MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 34; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 49. Beachte auch den anschaulichen Beispielsfall bei Plender/ Wilderspin, Rn. 8-036. 1052 1053

282

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

sein.1057 Die zweite Alternative dieser Vorschrift erscheint jedoch auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO unpassend.1058 Unter den Begriff der beruflichen Tätigkeit fällt indes nur eine selbständige berufliche Tätigkeit.1059 Begibt sich etwa ein grenzpendelnder Arbeitnehmer auf dienstliche Geschäftsreise, bestimmt sich sein für Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO maßgeblicher gewöhnlicher Aufenthalt nicht nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 Rom I-VO. Für seinen gewöhnlichen Aufenthalt kommt es dann nicht auf den beruflichen Arbeitsort jenseits der Grenze, sondern auf seinen heimatlichen Wohnsitz an.1060 Sofern sich der Passagier – wie in den überwiegenden Fällen – nämlich ohne (frei-)beruflichen Hintergrund befördern lässt, ist die allgemeine Vorschrift des Art. 19 Rom I-VO nicht einschlägig und stattdessen der tatsächliche Lebensmittelpunkt der zu befördernden Person heranzuziehen.1061 2. Voraussetzung: Identität mit dem Abgangs- oder Bestimmungsort Die Anknüpfung eines Personenbeförderungsvertrages an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Passagiers erfolgt im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO keineswegs automatisch. Stattdessen verknüpft die primäre Verweisungsregel den Eintritt ihrer passagierbegünstigenden Rechtsfolge an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Abgesehen von der allgemeinen Bedingung, dass keine vorrangige Rechtswahl der Parteien vorliegen darf,1062 bestimmt sich das Personenbeförderungsvertragsstatut nur dann nach dem Heimatrecht der zu befördernden Person, „sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet“. Folglich setzt die Hauptanknüpfungsregel für Personenbeförderungsverträge, ähnlich wie auch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO, eine Häufung von Anknüpfungsmerkmalen voraus.1063 Dadurch wird wiederum sichergestellt, dass ein enger Bezug zwischen der anwendbaren Rechtsordnung und dem Sachverhalt besteht.1064 Wie der EuGH in seiner Rehder-Entscheidung feststellte, handelt es Zu dieser Bestimmung siehe oben § 6 – E.I.1.b)cc). Und zwar aus demselben Grund wie im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts des Absenders, näher dazu oben § 6 – E.I.2.c)bb). 1059 Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO Rn. 15 ff. Siehe oben § 6 – E.I.1.b)bb). 1060 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO Rn. 16. 1061 Siehe oben § 6 – E.I.1.b)bb). Vgl. auch MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom IVO Rn. 34; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 49. 1062 Näher dazu unten D. 1063 Die Idee einer Kombination von Anknüpfungsmerkmalen im Rahmen der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge ist keineswegs neu. Vielmehr wurde sich für eine solche Lösung bereits in den Verhandlungen zum EVÜ ausgesprochen. Dies war jedoch damals nicht mehrheitsfähig, sodass die Personenbeförderungsverträge der allgemeinen Vermutungsregel des Art. 4 Abs. 2 EVÜ unterworfen wurden, siehe Giuliano/LagardeBericht, S. 54. 1064 Vgl. Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 56. 1057 1058

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

283

sich bei dem Abgangs- und Bestimmungsort um diejenigen Orte, zwischen denen die geschuldete Dienstleistung erfüllt wird und die infolgedessen einen engen Bezug zum Personenbeförderungsvertrag aufweisen.1065 Da die Aufzählung in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 letzter HS. Rom I-VO alternativ ist, sind die beiden Anknüpfungsmerkmale insoweit – wie im Übrigen auch im Rahmen der internationalen Zuständigkeit –1066 gleichwertig. a) Terminologie Auch wenn Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO in seinem Aufbau die Regelung von Abs. 1 aufgreift, weicht die Vorschrift terminologisch von der Verweisungsnorm für Güterbeförderungsverträge ab. Ist in Abs. 1 von Übernahme- bzw. Ablieferungsort die Rede, stellt Abs. 2 im Unterschied dazu auf den Abgangs- bzw. Bestimmungsort ab. Bei dieser Divergenz muss es sich nicht zwingend um einen Mangel an Kohärenz handeln, 1067 sondern dies könnte als eine sprachliche Hervorhebung der Eigenständigkeit der in Art. 5 Rom I-VO enthaltenen Verweisungsregeln verstanden werden. Übernahme- bzw. Ablieferung sind für den Transport von Gütern geeignete Begriffe,1068 wohingegen Abgangs- und Bestimmungsort in Bezug auf die Beförderung von Personen als selbstbestimmte menschliche Subjekte angemessener erscheinen. Im Übrigen ist dieses Begriffspaar auch im materiellen europäischen Personenbeförderungsrecht gebräuchlich,1069 was die Verwendung auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO nahe legt. Hinsichtlich der inhaltlichen Tragweite entsprechen jedoch die in der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge verwendeten Begriffe ihren Pendants in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO.1070 b) Bezugspunkt der Orte Allerdings könnte im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO die Frage nach dem Bezugspunkt von Abgangs- und Bestimmungsort aufgeworEuGH, Rs. C-204/08 (Fn. 582) Rn. 40 f. So kann der Kläger gemäß von Art. 7 Nr. 1 lit. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO nach seiner Wahl am Ausgangs- oder Bestimmungsort klagen, vgl. EuGH, Rs. C-204/08 (Fn. 582) Rn. 44. 1067 So der Vorwurf von Mankowski, TranspR 2008, 339 (348). 1068 Siehe oben § 6 – E.I.2.b)aa). 1069 Der Begriff des Bestimmungsortes findet sich bereits in Art. 3 Abs. 1 lit. a der Pauschalreiserichtlinie (Fn. 172), in Art. 3a VO 2027/97 und im Anhang I von VO 1371/2007. Zudem liegt er auch neueren, nach Erlass der Rom I-Verordnung ergangen Verordnungen zugrunde, vgl. Art. 2 lit. c VO 392/2009 und Art. 10 Abs. 3 lit. b VO 181/2011. In Art. 2 lit. c der Verordnung über die Unfallhaftung von Reisenden auf See wird ebenfalls der Begriff des Abgangsortes verwendet. 1070 Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 82. 1065 1066

284

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

fen werden. So wird aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig klar, ob sich die Orte auf das Verkehrsmittel oder die konkrete Reise des Fahrgasts beziehen.1071 Das Gebot der Vorhersehbarkeit der Anknüpfung gibt insoweit jedoch eine eindeutige Entscheidung vor: Da im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ein Vertrag über eine konkrete Personenbeförderung einer Rechtsordnung zugewiesen werden soll,1072 können auch nur sich auf diese Beförderung beziehende Merkmale für die Anknüpfung herangezogen werden. Denn der zentrale Gegenstand des anzuknüpfenden Vertrages, der die konkret vereinbarte Beförderungsdienstleistung umfasst, hat nichts mit dem Start- bzw. Zielpunkt des Verkehrsmittels als solchem zu tun. 1073 Folglich kann der einzelne Passagier nicht damit rechnen, dass es für das auf seinen individuellen Transportvertrag anwendbare Recht auf eine dieser Rechtsordnungen ankommen soll. Sofern die Abgangs- und Bestimmungsorte des fraglichen Beförderungsvertrags und des Verkehrsmittels in verschiedenen Staaten liegen, sind für Anknüpfung nacht Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO somit die Orte der konkreten Beförderung maßgeblich.1074 Entsprechend der Problematik im Zusammenhang mit der Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen kann auch im Rahmen der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge gefragt werden, ob sich die Merkmale des Abgangs- und Bestimmungsortes auf die vertraglich vereinbarten oder auf die letztendlich tatsächlich angefahrenen Orte beziehen.1075 Auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO kommt insoweit wiederum dem Argument der Vorhersehbarkeit die entscheidende Bedeutung zu: Würde es auf die tatsächlichen Orte ankommen, könnte der Beförderer durch Abänderung der eigentlichen Beförderungsparameter die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts einseitig beeinflussen, ohne dass der Passagier vorab damit rechnen konnte.1076 Dies würde außerdem den Grundgedanken des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes ad absurdum führen, denn so könnte der Beförderer die ausdrücklich passagierschützende Anknüpfungsregel des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO theoretisch mithilfe seiner überlegenen Gestaltungs1071 So Clausnitzer/Woopen, BB 2008, 1798 (1800), laut denen in der Ratsarbeitsgruppe dafür keine Lösung gefunden werden konnte (a. a. O. Fn. 22). 1072 Siehe oben B.I.2. 1073 Vgl. Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 54 f. 1074 Ebenso Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-71); Plender/Wilderspin, Rn. 8038; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 33; PWW/Remien, Art. 5 Rom IVO Rn. 4; Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 37 Rn. 58; ausführlich Ferrari/ Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 54 f. 1075 Zu dieser Problematik im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO siehe oben § 6 – E.I.2.b)bb). 1076 Vgl. entsprechend oben § 6 – E.I.2.b)bb)(2). Überdies könnte im Gegenzug auch der Passagier durch vorzeitiges Aussteigen die Bestimmung des anwendbaren Rechts beeinflussen.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

285

macht, die ja gerade den Anlass für den Schutz durch Art. 5 Abs. 2 Rom IVO darstellt,1077 aushebeln. Aus diesen Gründen muss es für den Abgangsund Bestimmungsort im Sinne der Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge grundsätzlich auf die vertraglich vereinbarten Orte ankommen.1078 In zeitlicher Hinsicht ist insoweit ausschließlich auf den Moment des Vertragsschlusses abzustellen, denn die Annahme, dass eine nachträgliche Änderung des vertraglich bestimmten Abgangs- und/oder Bestimmungsort einvernehmlich erfolgt, ist aufgrund der besonderen Abhängigkeit des Passagiers grundlegenden Zweifeln ausgesetzt.1079 Eine Berücksichtigung des tatsächlichen Abgangs- bzw. Bestimmungsorts im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn dies in dem konkreten Fall zu einem günstigeren Ergebnis für den Passagier – sprich zur Anwendung seines Heimatrechts – führen würde.1080 Dies wäre vom Schutzzweck der Norm prinzipiell abgedeckt.1081 c) Keine Berücksichtigung von transportbedingten Zwischenhalten Umfasst die konkrete Beförderung mehrere Etappen, beispielsweise weil der Passagier umsteigt, sind allein der Start- und Endpunkt der vereinbarten Beförderung als der kollisionsrechtliche Abgangs- bzw. Bestimmungsort anzusehen.1082 Zwischenhalte sind im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO unbeachtlich. Dies vermeidet eine zufällige Lokalisierung des Vertragsverhältnisses.1083 Dies gilt uneingeschränkt jedoch nur für kürzere, Siehe oben A.I.3.d). Mankowski, TranspR 2008, 339 (348); Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2635 f.; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 35 f.; A.A. wohl Ferrari/ Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 57. 1079 Gerade bei nachträglichen Änderungen des Bestimmungsortes steht der Passagier unter Druck ein Alternativangebot des Beförderers „anzunehmen“, weil er die Sorge haben muss, ansonsten gar nicht befördert zu werden. In der Annahme eines solchen Angebots kann daher kaum eine nachträgliche Änderung des ursprünglichen Bestimmungsortes gesehen werden. Zur Abhängigkeit des Passagiers bei der Beförderung oben A.I.3.d). 1080 Siehe Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 57, der dies allerdings weniger restriktiv formuliert. Eine solche Konstellation wäre beispielsweise gegeben, wenn erst ein tatsächlicher Ort die in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO geforderte Kumulation herbeiführt, sodass es zur Anwendung des Heimatrechts des Passagiers käme. 1081 Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 57. Da dies dem favor protectionis entsprechen würde, wäre eine solche Auslegung der Norm möglicherweise sogar zwingend geboten, siehe oben A.II. 1082 Ebenso BGH NJW 2013, 378 Rn. 30; Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-71); PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 4; Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2636; Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 82. Insoweit ist im Rahmen von Abs. 2 im Ergebnis wie bei der vergleichbaren Problematik im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO zu verfahren, vgl. oben § 6 – E.IV.1. 1083 Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (764) Rn. 32. 1077 1078

286

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

transportbedingte Zwischenstopps.1084 Bei längeren Aufenthalten, die auf Wunsch des Kunden eingelegt werden, ist dagegen fraglich, ob dies noch als einheitliche Beförderung angesehen werden kann oder ob nicht stattdessen mehrere Beförderungsverträge und somit separate Anknüpfungsgegenstände vorliegen.1085 Eine Besonderheit besteht jedoch in dem Fall, dass ein Vertrag gleichzeitig sowohl die Hin- als auch Rückfahrt umfasst, so wie er häufig im Flug- oder auch Zugverkehr auftritt. In der Gesamtbetrachtung bildet bei dieser Vertragsgestaltung der Start- gleichzeitig den Endort.1086 Dennoch sollten bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung eines solchen Vertrages im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO sowohl Abgangs- und Bestimmungsort von Hin- wie auch Rückfahrt berücksichtigt werden.1087 Denn auch wenn er im Grunde zwei eigenständige Beförderungen umfasst, zwischen denen in der Regel auch noch ein erheblicher Aufenthalt liegen wird, berührt der Gesamtvertrag im gleichen Maße die mit Hin- und Rückfahrt berührten Rechtsordnungen. Schließlich werden die beiden zu erbringenden Beförderungsdienstleistungen zwischen denselben Orten, nur in umgekehrter Richtung erbracht. Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO besteht zwischen einem solchen Hin- und Rückbeförderungsvertrag somit kein Wertungsunterschied zu einem Vertrag über die einfache Strecke, denn für die Anknüpfung ist es gleichgültig, welches genau der Start- bzw. der Zielort ist.1088 Deshalb sollten im Interesse des Passagiers sowohl Abgangs- als auch Bestimmungsort von Hin- bzw. Rückfahrt berücksichtigt werden, wenn erst dadurch das Kumulationserfordernis der Vorschrift erfüllt wird.1089

1084 Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 37 Rn. 59; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 55 Fn. 171. 1085 Diese Frage müsste anhand des jeweiligen hypothetischen Vertragsstatuts eines jeden einzelnen Beförderungsabschnittes beurteilt werden. 1086 Vgl. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2637. 1087 A.A. wohl Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2637. Wie hier (jedenfalls für Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO) Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 55. 1088 Formal würde dies dagegen im Rahmen der subjektiven Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO eine Rolle spielen, weil sich danach entscheidet, ob lit. d oder lit. e einschlägig ist. Praktisch kommt es darauf jedoch ebenfalls nicht an, weil im Ergebnis die Wahl beider Orte zulässig ist. 1089 Darauf wird es freilich nur in dem – unwahrscheinlichen – Fall ankommen, dass ein in Staat A wohnhafter Passagier eine Reise von Staat B nach A und wieder zurück nach B bucht. Würde man ausschließlich Staat B in diesem Fall sowohl als Abgangs- als auch Bestimmungsort der Beförderung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO ansehen, dann wäre die Kumulationsvoraussetzung der Primäranknüpfung nicht gegeben. Im Sinne des Passagiers sollten deshalb beide Orte bei der objektiven Anknüpfung berücksichtigt werden.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

287

3. Schlussfolgerungen a) Keine Privilegierung des „aktiven“ Passagiers Infolge der Formulierung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO rückt der Passagier in den Vordergrund der Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen. Dadurch erweckt die Vorschrift den Eindruck, dass es sich um eine rechtspolitisch motivierte Regelung handelt, die allein den kollisionsrechtlichen Schutz des Passagiers umsetzt. Dies wird jedoch erheblich durch das Kumulationserfordernis im zweiten Halbsatz der Norm relativiert. Denn letzteres hat zur Folge, dass nur ein solcher Passagier in den Genuss der Anwendung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO kommt, der von seinem Heimatland weg oder zu diesem hin befördert wird. Im Übrigen trifft dies ebenfalls auf denjenigen zu, der innerhalb seines Heimatlandes durch einen ausländischen Anbieter befördert wird. Damit werden von der Hauptanknüpfungsregel für Personenbeförderungsverträge die meisten Beförderungen zu privaten Zwecken erfasst.1090 Ähnlich wie in Art. 6 Rom I-VO1091 wird durch die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge allerdings ein „aktiver“ Passagier, der die Beförderungsdienstleistung ausschließlich im Ausland konsumiert, nicht geschützt.1092 Dies erscheint kollisionsrechtlich gerechtfertigt, weil auch ein Passagier, der sich außerhalb seiner Heimat befördern lässt, nicht zwingend mit der Anwendung seines Heimatrechts rechnen kann.1093 Gleichwohl würde der Schutz auch dieses aktiven, auf ausländischen Märkten nachfragenden Konsumenten die Freizügigkeit dieser Person anregen, die wiederum ein ureigenes Interesse des Unionsrechts darstellt.1094 Die Analyse von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO zeigt, dass es sich bei dieser Vorschrift keineswegs um eine unbedingte Schutznorm handelt. Denn abgesehen von dem ersten Eindruck, den die Formulierung der Rechtsfolge erweckt, führt die Voraussetzung in HS. 2 dazu, dass die Primäranknüpfungsregel für PersoMankowski, TranspR 2008, 339 (349); Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 83. Dort ergibt sich dies aus der Formulierung des situativen Anwendungsbereiches von Art. 6 Abs. 1 lit. a und lit. b Rom I-VO, vgl. PWW/Remien, Art. 6 Rom I-VO Rn. 12 ff.; Ferrari/Staudinger, Art. 6 Rom I-VO Rn. 44 ff. 1092 Ebenso Valdini, S. 301. 1093 Vgl. Basedow, in: FS Jayme, Bd. I, S. 3 (10). Ebenfalls in diese Richtung argumentierend Karsten, VuR 2009, 213 (224). 1094 Siehe dazu Klauer, S. 89 ff. Ziel des europäischen Binnenmarkts ist es gerade, dass sich der Konsum von Dienstleistungen nicht nur auf das Heimatland beschränkt, sondern auch auf die anderen Mitgliedstaaten erstreckt. Demgegenüber besteht jedoch ein Wertungswiderspruch, wenn das europäische Sekundärrecht den in Freiburg lebenden Passagier bei seinem Luftbeförderungsvertrag nach Mallorca kollisionsrechtlich nur dann schützt, wenn er diesen vom Flughafen Baden-Baden aus antritt, nicht aber, wenn er vom näher gelegenen Flughafen Basel-Mulhouse in Frankreich abfliegt. Siehe auch das Beispiel bei Bĕlohlávek, Rome Convention, Rome I Regulation, 2010, Rn. 05.42. 1090 1091

288

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

nenbeförderungsverträge im Grunde das Prinzip der eng(st)en Verbindung zur Geltung bringt. Als Ergebnis der Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO kann ausschließlich entweder das Recht des Abgangs- oder das Recht des Bestimmungsorts zur Anwendung gelangen, eine jener Rechtsordnungen also, die laut der Rehder-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sehr eng mit einem Personenbeförderungsvertrag verbunden sind.1095 b) Beurteilung der Anknüpfung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO aus Sicht der Beförderer Die Abkehr vom Prinzip der charakteristischen Leistung im Zusammenhang mit Personenbeförderungsverträgen durch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom IVO hat für die Beförderer eine entscheidende praktische Konsequenz: Während sie als Leistende unter Geltung des EVÜ noch generell von der Anwendbarkeit ihres Heimatrechts ausgehen konnten, wird aufgrund der Verlagerung der Anknüpfung hin zum Passagier kollisionsrechtlich nunmehr jedes einzelne Vertragsverhältnis gesondert betrachtet. Das führt dazu, dass ein aus der Perspektive des Beförderers wirtschaftlich einheitlich zu betrachtender Mehr-Personen-Transportvorgang, wie z. B. die Bewegung eines Flugzeugs oder Schiffes, in international-privatrechtlicher Hinsicht gedanklich in seine Einzelbestandteile aufgespalten werden muss und möglicherweise unterschiedlichen Rechtsordnungen untersteht. Aufgrund von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO müssen international agierende Personenbeförderer – für den Fall, dass sie nicht von einer Rechtswahl Gebrauch machen oder dass diese unwirksam ist – bei ihrer Vertragsgestaltung nun grundsätzlich verschiedene Passagierrechtsordnungen beachten.1096 Dies mag im ersten Moment als immenser Nachteil für die Anbieter von internationalen Beförderungsdienstleistungen erscheinen.1097 Gerade im Rahmen der üblichen Massenbeförderungen, wo per Zug, Flugzeug oder Schiff hunderte Passagiere gleichzeitig transportiert werden, glaubt man den Beförderer so prinzipiell hunderter möglicher Vertragsstatute auszusetzen. Trotz dieses ersten Impulses sind die negativen Auswirkungen der neuen Kollisionsregel für die Beförderer aber eher gering. Denn wie soeben klargestellt, kann es sich bei dem nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den So der EuGH, Rs. C-204/08 (Fn. 582) Rn. 39 ff., zur Fluggastrechte-VO 261/2004 für aufgrund eines Flugbeförderungsvertrags zu erbringende Dienstleistungen. Näher dazu auch oben § 6 – E.I.2.a) und b). 1096 So Clausnitzer/Woopen, BB 2008, 1798 (1800). 1097 Dies war bereits ein Argument gegen die Schaffung einer besonderen Personenbeförderungsvertragskollisionsnorm im Rahmen der Verhandlungen des EVÜ, vgl. Giuliano/ Lagarde-Bericht, S. 54. Außerdem wird so die Bereichsausnahme des Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO gerechtfertigt, der die Beförderungsverträge vom Anwendungsbereich der Verbraucherkollisionsnorm ausschließt (siehe unten § 8 – B.I.). 1095

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

289

einzelnen Personenbeförderungsvertrag anwendbaren Recht stets nur um das Recht des Abgangs- oder das Recht des Bestimmungsortes handeln. Für die Beurteilung des gesamten Transportvorgangs als die Summe aller einzelnen Personenbeförderungsverträge hat dies zur Folge, dass der Beförderer in international-privatrechtlicher Hinsicht ausschließlich mit der Anwendung derjenigen Rechtsordnungen zu rechnen braucht, in denen das von ihm bewegte Verkehrsmittel hält und Passagiere zu- und aussteigen lässt. Da der Beförderer die Route der von ihm betriebenen Verkehrsmittel selbst festlegt, obliegt ihm also letztlich auch die Kontrolle darüber, welchen ausländischen Privatrechtsordnungen er sich im Rahmen der objektiven Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO aussetzen will. Je mehr unterschiedliche Staaten ein Beförderer anfährt, desto mehr Privatrechtsordnungen hat er somit potentiell zu beachten. 1098 Dieses Resultat mutet indes völlig gerechtfertigt an, denn sofern sich ein Beförderer auf einen ausländischen Markt begibt, um dort Dienstleistungen anzubieten, muss er nicht nur mit der Anwendung der öffentlich-rechtlichen (Sicherheits-)Vorschriften des „Empfangslandes“ rechnen, sondern auch damit, dass die dortige Privatrechtsordnung für die Rechtsverhältnisse mit seinen Passagieren relevant werden könnte. II. Subsidiäranknüpfung: Wiederaufleben des Prinzips der charakteristischen Leistung Für den Fall, dass die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO nicht vorliegen, weil die Beförderung weder von noch zum gewöhnlichen Aufenthalt der zu befördernden Person erfolgt, hat der europäische Gesetzgeber in S. 2 eine ausdrückliche Auffangverweisungsnorm geschaffen. Dies entspricht in der Regelungstechnik der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge. Auch im Rahmen der Personenbeförderung besteht im Falle des Scheiterns der Hauptanknüpfung somit eine eindeutige Subsidiärregel, sodass eine Schwerpunktsuche nicht vorgenommen werden muss.1099 Stattdessen bestimmt Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO, dass bei Scheitern der Anknüpfung nach S. 1 der Personenbeförderungsvertrag an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers anzuknüpfen ist. Das maßgebliche Anknüpfungskriterium ist folglich ein anderes, als das in

In Zukunft muss also die Deutsche Bahn AG, wenn sie die Zugverbindung BerlinBrüssel durch den Eurotunnel nach London ausweiten will, infolge von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO nicht nur mit der Anwendung des deutschen und belgischen Personentransportrechts rechnen, sondern könnte zudem mit dem englischen materiellen Recht konfrontiert werden. 1099 Vgl. Legros, RD transp. 2/2009, 12 (16) Rn. 19. 1098

290

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO gewählte.1100 Durch diese konkrete Lösung kommt im Zusammenhang mit Personenbeförderungsverträgen letztlich doch das Prinzip der charakteristischen Leistung zum Tragen.1101 Dadurch werden die Anknüpfungsregel des S. 1 und der darin verwirklichte kollisionsrechtliche Passagierschutz als solcher scheinbar konterkariert.1102 1. Die Person des Beförderers Hinsichtlich der inhaltlichen Ausfüllung des in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO maßgeblichen Anknüpfungsmerkmals bestehen keine entscheidenden Unterschiede zu Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO.1103 Vielmehr liegt der Kollisionsnorm für Beförderungsverträge ein einheitlicher Befördererbegriff zugrunde.1104 Im Bereich der Personenbeförderung ist gleichwohl ein Blick in das materielle europäische Passagierrecht erhellend, wo der Terminus des „Beförderers“ an mehreren Stellen gebraucht wird: Namentlich in den neueren Fahrgastrechteverordnungen wird der Beförderer definiert als der Anbieter von Personenbeförderungsdiensten, vgl. Art. 3 Nr. 2 VO 1371/2007, Art. 3 lit. d VO 1077/2010 sowie Art. 3 lit. e VO 181/2011.1105 Aufschlussreich ist dabei insbesondere der Umstand, dass der Beförderer in den genannten Vorschriften begrifflich vom Reisevermittler, Fahrscheinverkäufer und Reiseveranstalter abgegrenzt wird. Dies zeigt wiederum, dass derjenige, der einen Personentransport lediglich vermittelt, vom materiellen europäischen Passagierrecht nicht als Beförderer angesehen wird. Für die Abgrenzung zum Reiseveranstalter kommt es indes darauf an, ob dieser die Voraussetzungen in Art. 2 Nr. 2 bzw. 3 der Richtlinie 90/314/EWG erfüllt. Der Anbieter von Pauschalreisen gilt im materiellen Sekundärrecht somit nicht als Beförderer. Diese Wertungen des materiellen Sekundärrechts spiegeln sich auch im europäischen Personenbeförderungskollisionsrecht wider. So wurde bereits festgestellt, dass Voraussetzung für das Vorliegen eines Personenbeförderungsvertrags im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO die Verpflichtung zur

1100 Ein subsidiäres Abstellen auf den Bestimmungsort im Rahmen der Personenbeförderungsverträge wäre allerdings auch nicht praktikabel, vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339 (349). 1101 Vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 37; Mankowski, TranspR 2008, 339 (349). 1102 Entsprechend erntet die Regelung in der Literatur mitunter herbe Kritik, namentlich von Mankowski, TranspR 2008, 339 (349); Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1337); Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 83. Zur Bewertung dieser Regelung siehe unten § 14 – B.II. 1103 Dazu oben § 6 – E.I.1.a). 1104 Vgl. Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (475) Fn. 71. 1105 In der Fluggastrechteverordnung wird hingegen noch der Begriff des Luftfahrtunternehmens gebraucht.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

291

Personenbeförderung ist.1106 Folglich können Vermittler einer Beförderung, insbesondere Fahrscheinverkäufer und Reisevermittler, nicht als Beförderer im Sinne der Vorschrift angesehen werden. Denn letzterer kann nur derjenige sein, der sich in dem Vertrag zum Transport des Passagiers verpflichtet.1107 Dies könnte zwar prinzipiell auch auf einen Reiseveranstalter zutreffen, sofern er eine Beförderungsdienstleistung selbst anbietet. Allerdings nur dann, wenn diese Dienstleistung keine Gesamtheit von Reiseleistungen darstellt,1108 weil ansonsten ein Pauschalreisevertrag vorläge, der die Anwendung von Art. 5 Rom I-VO generell ausschließen würde.1109 a) Maßgeblichkeit des vertraglichen Beförderers Eine weitere Information, die aus den Definitionskatalogen der genannten Fahrgastrechteverordnungen entnommen werden kann, ist, dass im materiellen Sekundärrecht der Beförderer von dem ausführenden Beförderer zu unterschieden ist.1110 Diese Wertung des europäischen Sachrechts ist wiederum ein starkes Indiz dafür, den ausführenden Beförderer auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO nicht als Beförderer anzusehen. Dass unter diesen Begriff nur der vertragliche Beförderer fällt, ergibt sich darüber hinaus aus dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit. So wird der Vertragspartner dem Reisenden kaum darlegen, welchen Subunternehmers er sich zu bedienen gedenkt. Folglich wäre es für den Passagier unzumutbar, wenn sich das auf den Personenbeförderungsvertrag anwendbare Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt einer ihm unbekannten Person richten würde.1111 Deshalb muss es sich bei dem Beförderer im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO, wie auch im Sinne von Abs. 1,1112 um denjenigen handeln, der sich in dem Vertrag mit dem Passagier zur Beförderung verpflichtet.1113 Siehe oben B.I.2.b) und B.I.4.d). Bei Fährfahrten wäre dies beispielsweise der Reeder des Schiffes, vgl. Hasche, TranspR 2010, 282. 1108 Denkbar ist dies etwa im Falle von Reiseveranstaltern, die freie Restplätze des von ihnen gecharterten Verkehrsmittels isoliert anbieten. 1109 Siehe oben B.I.4.a) und unten § 8 – B.II. 1110 So auch in Art. 1 Nr. 1 AÜ, welcher als Anhang I zur VO 392/2009 ebenfalls Bestandteil des Unionsrechts ist. Darin wird der Beförderer ganz ausdrücklich als „eine Person, durch […] die ein Beförderungsvertrag geschlossen wurde, unabhängig davon, ob die Beförderung tatsächlich von dieser Person oder von einem ausführenden Beförderer durchgeführt wird“ definiert. 1111 Anders als für den Beförderer im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom IVO. Diesem kann durchaus zugemutet werden, bei Anwendung der objektiven Hauptverweisungsregel auf den tatsächlich zu befördernden Reisenden abzustellen, siehe oben C.I.1.a)bb)(3). 1112 Dazu oben § 6 – E.I.1.a). 1113 Ebenso Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2634; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 37; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 60. 1106 1107

292

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

b) Beförderermehrheit Schwierigkeiten bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom IVO ergeben sich aber dann, wenn auf Schuldnerseite eine Personenmehrheit stehen sollte. Denn dann wäre fraglich, welche dieser Personen als Beförderer im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anzusehen ist. Die Situation, dass sich ein Passagier mehreren Vertragspartnern gegenüber sieht, wird in der Praxis gleichwohl eher selten auftreten. Denn ein Passagier wird in der Regel seinen Vertrag mit einem einzigen Beförderungsunternehmen abschließen, sodass auch nur ein vertraglicher Beförderer existiert.1114 Überdies besteht in international-privatrechtlicher Hinsicht auch nur dann ein Problem, wenn diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben.1115 Falls dieser Fall dennoch eintreten sollte, müsste geprüft werden, inwieweit es sich bei der anzuknüpfenden Vereinbarung um einen einheitlichen Beförderungsvertrag handelt. Schließlich wäre wiederum möglich, dass im Grunde zwei separate Verträge gegeben sind, die eigenständig anzuknüpfen wären. Um dies auszuschließen, müssten die hypothetischen Vertragsstatute bestimmt und danach befragt werden, inwieweit ein eigenständiger Vertrag mit dem jeweiligen Beförderer zustandegekommen ist.1116 Ergibt diese Vorprüfung aber, dass die Beförderungsleistung im Zuge eines einheitlichen Vertrages tatsächlich gemeinsam geschuldet wird, verbietet sich zugleich eine Aufspaltung dieses Vertrags im Rahmen der objektiven Anknüpfung.1117 Auch die Möglichkeit einer Schwerpunktsuche nach dem dominierenden Beförderer scheidet aus, weil dies durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO nicht vorgesehen ist und dies auch nur schwer mit dem Gebot der Vorhersehbarkeit vereinbar wäre.1118 Stattdessen sollte in solch einem unwahrscheinlichen Fall das Prinzip der engsten Verbindung zum Tragen kommen. Dies folgt aus dem allgemeinen Rechtsgedanken von Erwägungsgrund (21) S. 1 Rom I-VO, da bei bestehender Beför1114 Denkbar wäre etwa folgender Fall: Sofern ein Fahrgast eine Bahnfahrt von Frankfurt/Main nach Lausanne (mit Umsteigen in Basel SBB oder Bern) über die Deutsche Bahn bucht, wird dieser von zwei in verschiedenen Staaten ansässigen Beförderern (DB und SBB) durchgeführt. Allerdings hat der Reisende in diesem Fall lediglich einen Vertragspartner, nämlich die Deutsche Bahn, mit der er einen einheitlichen (grenzüberschreitenden) Beförderungsvertrag zu einem einheitlichen Preis (ca. 130 € ohne Ermäßigung [Stand: Mai 2014]) abschließt. Zur Frage, inwieweit dem Reisenden ein Entschädigungsanspruch gemäß der VO 1371/2007 wegen einer in der Schweiz eingetretenen Verspätung gegen die DB zusteht siehe unten 3. Kapitel Fn. 111. 1115 Vgl. Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 61. 1116 Dies entspricht der Verfahrensweise zur Lösung der parallelen Fragestellung im Rahmen des Anknüpfungsmerkmals der zu befördernden Personen, siehe oben C.I.1.a)cc). 1117 Eine objektive dépeçage ist unter der Rom I-Verordnung nicht mehr möglich, siehe oben § 6 – B.I.2.b)bb). A.A. Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 61. 1118 Anders Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 61, der eine Schwerpunktsuche für möglich hält.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

293

derermehrheit das auf den Personenbeförderungsvertrag anzuwendende Recht nicht nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO bestimmt werden kann und auch ein Rückgriff auf das Prinzip der charakteristischen Leistung nicht möglich ist.1119 2. Gewöhnlicher Aufenthalt Hinsichtlich der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers ergeben sich bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO keine Besonderheiten. Insbesondere kann es sich bei dieser Person – anders als bei dem Passagier1120 – sowohl um eine juristische als auch eine natürliche Person handeln. Entsprechend kommt die allgemeine Regelung des Art. 19 Rom I-VO zum Tragen.1121 3. Anwendungsfeld von S. 2 Wie sich bereits aus der Struktur von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO ergibt, handelt es sich bei der Anknüpfungsregel des S. 2 um eine Auffangregel, die nur dann zur Geltung kommt, wenn die Voraussetzungen der Hauptanknüpfung nicht vorliegen. Das konkrete Anwendungsfeld der Subsidiärregel ist dementsprechend negativ determiniert. Da von S. 1 die Reisen von und zum Staat des Wohnortes abgedeckt sind, kann S. 2 also nur für solche Beförderungen Bedeutung erlangen, die der („aktive“) Passagier ausschließlich im Ausland in Anspruch nimmt. Dafür lassen sich typische Konstellationen bilden: Während für beruflich Reisende durchaus vorstellbar ist, dass sie sich von einem ausländischen Staat zu einem anderen transportieren lassen, möglicherweise von einem wiederum in einem anderen Staat ansässigen Beförderer, ist dies bei privaten Beförderungen relativ unwahrscheinlich.1122 Dennoch spielt auch für letztere Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO eine bedeutende Rolle. Immer dann nämlich, wenn ein Passagier in einen fremden Staat verbracht worden ist (etwa durch eine S. 1 unterliegende Beförderung) und sich dann später dort weiter – etwa in einen Drittstaat – fortbewegt, kommt S. 2 zum Tragen. Auch wenn der Passagier an seinem Zielort lokalen Personenverkehr nutzt, beispielsweise der in Japan wohnhafte Deutschlandbesucher, der sich mit der Münchener U-Bahn oder einem Taxi zum Oktoberfest auf die Theresienwiese oder mit der Deutschen Bahn von München nach Nürnberg 1119 Im Ergebnis ebenso Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 61, der dies aber pauschal über Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO begründet. Da diese Vorschrift allerdings – zumindest nicht direkt – auf die besonderen Verweisungsregeln in Art. 5 Rom I-VO anwendbar ist, erscheint es passender, sich für die Herleitung des Prinzips der engsten Verbindung auf den in Erwägungsgrund (21) S. 1 allgemein formulierten Grundsatz zu berufen. 1120 Siehe oben C.I.1.b). 1121 Näher dazu oben § 6 – E.I.1.b). 1122 Vgl. Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 83.

294

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

befördern lässt, beurteilt sich das zugrundeliegende Vertragsverhältnis kollisionsrechtlich nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO. Da der gewöhnliche Aufenthalt des Passagiers weder mit dem Abgangs- noch mit dem Bestimmungsort der Beförderung zusammenfällt, ist schließlich S. 1 für den – gleichwohl internationalen – 1123 Beförderungsvertrag nicht einschlägig. Deshalb fällt die Inanspruchnahme inländischer Beförderungsdienstleistungen durch ausländische Urlauber allein in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO. Vor dem Hintergrund der Millionen von Touristen, die jährlich Ziele im Ausland besuchen, wird dies wohl das Hauptanwendungsfeld der objektiven Nebenanknüpfung für Personenbeförderungsverträge ausmachen.1124 Diese praktische Bedeutung wird zudem noch dadurch gesteigert, dass in dem beschriebenen Hauptanwendungsfall in der Regel auch keine vorrangige Rechtswahl gem. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO durch die Beförderer vorliegen wird. So enthalten die allgemeinen Beförderungsbedingungen der hiesigen Bahnunternehmen und der regionalen Verkehrsverbünde zwar mitunter eine Gerichtsstandklausel, aber eben keine Bestimmung über das anwendbare Recht.1125 Die Ursache für das Fehlen einer entsprechenden Klausel bildet eine Lücke des vom Gesetzgeber vorgegebenen Rechtsrahmens, den die Verkehrsunternehmen in ihren AGB lediglich aufgreifen.1126 So sind in den zwingenden Bedingungen der EVO bzw. in der nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 PBefG erlassenen Beförderungsbedingungenverordnung (BefBedV)1127, an denen sich die Klauselwerke der Beförderer orientieren, ebenfalls keine Rechtswahlklauseln vorgesehen.1128 Folglich wird in dem neuen kollisionsrechtlichen Regime der Personenbeförderung erst durch die Regelung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO sichergestellt,1129 dass lokale BefördeZum internationalen Element des Personenbeförderungsvertrages siehe oben B.II.1. Dieser Anwendungsfall wird auch ausdrücklich genannt bei Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 57. 1125 Siehe exemplarisch die Allgemeinen Verkehrsbedingungen des Hamburger Verkehrsverbundes HVV, des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg, des Münchener Verkehrsverbundes MVV, des Rhein-Main-Verkehrsverbundes oder auch des österreichischen Verkehrsverbundes Ost-Region der Hauptstadt Wien (Stand Juli 2012). 1126 Dazu allgemein Hilpert, NZV 2007, 288. 1127 Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahnund Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.2.1970, BGBl. 1970 I, 230. 1128 Gleiches gilt für das österreichische Eisenbahnbeförderungsgesetz (EBG), öBGBl. 1988, 1833. 1129 Da nach alter Rechtslage im Rahmen der Personenbeförderung das Prinzip der charakteristischen Leistung galt, stellte sich für die Beförderer die Frage nach dem anwendbaren Privatrecht im Grunde nicht. Denn unter dem EVÜ beurteilte sich jedwede Beförderung, gleich ob sie grenzüberschreitend oder ausschließlich im Inland erfolgte, ohnehin nach dem Recht des Beförderers. Anders nach dem Paradigmenwechsel durch die Rom I1123 1124

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

295

rer im Falle einer (Inlands-)Beförderung ausländischer Passagiere weiterhin mit der Anwendung ihres Heimatrechts rechnen können.1130 Überdies wird die Kollisionsnorm in diesem Fall auch nicht durch vorrangige internationale Sachrechtskonventionen überlagert,1131 da der Anwendungsbereich dieser Einheitsrechtsakte in der Regel auf grenzüberschreitende Beförderungen beschränkt ist.1132 Die praktische Bedeutung der Sekundäranknüpfung für Personenbeförderungsverträge in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO ist somit keineswegs unerheblich. III. Die Relevanz der Ausweichklausel bei der objektiven Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen Die objektiven Anknüpfungsregeln in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO stehen – wie auch diejenigen des Abs. 1 – grundsätzlich unter dem Vorbehalt des Eingreifens von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO. Ergibt eine Gesamtbetrachtung, dass der Vertrag zu einem anderen als dem durch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO bestimmten Staat eine offensichtlich engere Verbindung aufweist, muss infolge der Ausweichklausel dessen Recht zur Anwendung kommen. Durch diese Regelung sollen die kollisionsrechtlichen Bedürfnisse nach Rechtssicherheit und Flexibilität miteinander ausgeglichen werden.1133 Die Anwendung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO unterscheidet sich indes nicht darin, ob die Anknüpfung für Güter- oder diejenige für Personenbeförderungsverträge durchbrochen wird. Voraussetzungen und Wirkung der Ausweichklausel sind für beide Kollisionsnormen innerhalb von Art. 5 Rom I-VO identisch.1134 Auch bei der Schwerpunktsuche im Rahmen der Anknüpfung von Verordnung, wonach grundsätzlich auf das Aufenthaltsrecht des Passagiers abgestellt wird. Insofern sichert Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO also eine gewisse Kontinuität ab. 1130 Würde in diesem Fall stattdessen auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Passagiers abgestellt werden, müssten sich die Beförderer auf eine unübersichtliche Vielzahl von zu beachtenden Rechtsordnungen einstellen. Diese wären dann unter anderem für die konkreten Anforderungen an die Verkehrssicherungs- bzw. Schutzpflichten maßgeblich. Siehe nur um das Beispiel aus BGH BGHZ 193, 60 = NJW 2012, 1083, wonach zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Eisenbahnverkehrsunternehmens gemäß § 241 Abs. 2 BGB auch die Pflicht gehört, für einen sicheren Zu- und Abgang des Fahrgastes zum Bahnsteig zu sorgen. 1131 Allgemein dazu oben § 3 – B.I. 1132 Siehe unten § 10 – A.I. Etwas anderes gilt jedoch für das europäische Sekundärsachrecht. So erfassen insbesondere die Passagierverordnungen nicht nur grenzüberschreitende, sondern zugleich auch inländische Beförderungen. Somit kann auch ein ausländischer Tourist für seine Fahrt von München nach Nürnberg die sekundärrechtlichen Fahrgastrechte beanspruchen, beispielsweise auf Fahrpreisentschädigung nach Art. 17 VO 1371/2007. 1133 Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (477). 1134 Zu den einzelnen Voraussetzungen und der Wirkung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO näher oben § 6 – E.III.

296

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Personenbeförderungsvertägen können somit, abgesehen von den in Abs. 2 UAbs. 1 genannten Anknüpfungsmerkmalen, insbesondere der Vertragsschlussort oder der Ort der Aushändigung des Beförderungsscheins als andere Umstände zu berücksichtigen sein.1135 Weiterhin könnte die Flagge eines Schiffes Beachtung finden.1136 Fraglich ist, ob auch der Passagierschutz als solcher als Umstand im Sinne der Ausweichklausel berücksichtigt werden könnte.1137 Dagegen spräche, dass der europäische Gesetzgeber den kollisionsrechtlichen Passagierschutz in Gestalt der Anknüpfungsregeln des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO konkretisiert und dabei ausdrücklich die Möglichkeit offen gelassen hat, das Anknüpfungssystem durch Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO außer Kraft zu setzen. Für eine Berücksichtigung des Passagierschutzaspekts bei der Schwerpunktsuche im Rahmen der Anwendung der Ausweichklausel ließe sich allerdings anführen, dass die Vorschrift grundsätzlich passagierfreundlich auszulegen ist.1138 Zumindest darf das Prinzip des Passagierschutzes durch Art. 5 Abs. 3 Rom IVO nicht konterkariert werden. 1. Kein nennenswerter Anwendungsspielraum im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO Sofern die objektive Anknüpfung des Personenbeförderungsvertrages nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO erfolgt, ist die Vornahme einer Gesamtbetrachtung nach Abs. 3 praktisch zwecklos. Denn wenn die in der Primäranknüpfungsregel geforderte Kumulation von gewöhnlichem Aufenthalt des Passagiers mit wahlweise dem Abgangs- oder dem Bestimmungsort gegeben ist, ist kaum vorstellbar, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist.1139 Dafür müsste der SachverSo EuGH, Rs. C-204/08 (Fn. 582) Rn. 39. In Zeiten der zunehmenden Buchung von Beförderungen über das Internet wird indes der Ort des Vertragsschlusses im Rahmen der Ausweichklausel des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO nur eine geringe Rolle spielen. 1136 Allgemein zur Schiffsflagge als Anknüpfungsmoment Thorn, in: K. Schmidt (Hrsg.), Begegnungen im Recht, 2011, S. 131 ff. 1137 Keine Berücksichtigung im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO kann dagegen der Verbraucherschutz als solcher finden. Dies folgt aus dem Umstand, dass der europäische Gesetzgeber den kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz für Beförderungsverträge weiterhin ausdrücklich ausschließt, vgl. Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO (dazu unten § 8 – B.), und darüber hinaus nunmehr eine eigenständige passagierbezogene Regelung getroffen hat. Auch im Rahmen des EVÜ ist eine Berücksichtigung des Verbraucherschutzes im Rahmen der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 wegen Art. 5 Abs. 4 lit. b als unstatthaft erachtet worden, vgl. BGH NJW 2009, 3371 Rn. 38 f., kritisch hiergegen Führich, § 34 Rn. 24. 1138 Siehe oben A.II. 1139 Zu demselben Schluss kommend Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (764). Eine Durchbrechung der Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Befördereraufenthalt und der komplementä1135

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

297

halt schon sehr außergewöhnlich gelagert sein.1140 Überdies ist der in der Primäranknüpfung zum Ausdruck gebrachte Gedanke des kollisionsrechtlichen Passagierschutzes auch im Rahmen der Schwerpunktsuche nach Abs. 3 entsprechend zu berücksichtigen. Im Ergebnis ist daher die Anwendung der Ausweichklausel auf eine Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO in fast allen Fällen ausgeschlossen. Es besteht folglich keine nennenswerte Gefahr, dass die in der Hauptanknüpfung vorgenommene Abkehr vom Prinzip der charakteristischen Leistung durch die Ausweichklausel „aufgeweicht“ wird.1141 2. Durchbrechung der Subsidiäranknüpfungsregel Dagegen käme ein Eingreifen der Ausweichklausel bei Anwendung der Sekundärverweisungsregel eher in Betracht. Sofern der Beförderer jedoch auf seinem Heimatmarkt operiert, ist eine Anwendung von Art. 5 Abs. 3 Rom IVO auf Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 ebenfalls praktisch ausgeschlossen. Wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Beförderers mit dem Abgangs- oder Bestimmungsort der Beförderung zusammenfällt, ist eine offensichtlich engere Verbindung des Vertrages zu einer anderen Rechtsordnung kaum vorstellbar. Etwas anderes gilt dagegen für den Fall, dass im Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO keine Kumulation der Hauptanknüpfungsmerkmale vorliegt, weil der Beförderer seinen Heimatmarkt verlassen hat und Dienstleistungen im Ausland anbietet,1142 die wiederum von einem re Abflugs- bzw. Bestimmungsort zusammenfallen sollten. Siehe zur ähnlich gelagerten Situation im Rahmen der Anknüpfung von Güterbeförderungsverträgen oben § 6 – E.III.3. 1140 Denkbar wäre dies etwa bei Gruppenbeförderungen, wo mehrere beförderte Personen existieren, siehe oben C.I.1.a)cc)(2). 1141 Diesen Vorwurf erhebend Hasche, TranspR 2010, 282 (283), der Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO deshalb als „Aufweichklausel“ bezeichnet. 1142 Voraussetzung ist dabei jedoch, dass das ausländische Verkehrsunternehmen nicht durch eine inländische Tochtergesellschaft handelt. Denn sofern letztere als vertraglicher Beförderer eines Beförderungsvertrages auftritt, ist diese eigenständige juristische Person als im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO anzusehen, mit der Folge, dass sich der gem. Art. 19 Rom I-VO zu bestimmende gewöhnliche Befördereraufenthalt regelmäßig im Inland befände. Dass Beförderer ohne Zwischenschaltung von Tochtergesellschaften aus ihrer Sicht ausländische Strecken bedienen, ist heute schon im Luftverkehr gegeben, wo beispielsweise die irische Billigfluglinie Ryanair Beförderungen zwischen anderen Mitgliedstaaten anbietet. Im Schienenverkehr gründen die ausländischen Eisenbahngesellschaften für die Erbringung von Nahverkehrsdienstleistungen hingegen in der Regel inländische Tochtergesellschaften, soweit sie hiesige (regionale) Strecken betreiben. So agiert der französische Transdev-Konzern (vormals Veolia) auf dem deutschen Markt durch die Transdev GmbH, die wiederum die Mehrheit an verschiedenen lokalen Eisenbahnunternehmen hält. Auch die italienischen und französischen Staatsbahnen FS bzw. SNCF sind im hiesigen Personennahverkehr durch Tochterfirmen (Netinera GmbH bzw. Keolis Deutschland GmbH & Co. KG) aktiv. Die Leistungen im grenzüberschreitenden Hochge-

298

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

„aktiven“ Passagier1143 wahrgenommen werden: Eine solche Konstellation wäre beispielsweise gegeben, wenn in Zukunft die Deutsche Bahn AG einen Passagier mit gewöhnlichem Aufenthalt in Lille von Brüssel nach London transportiert oder ein Bewohner Stuttgarts von einer britischen Fluggesellschaft vom Euro-Airport Basel-Moulhouse nach Barcelona befördert wird.1144 In diesen Fällen scheint die Anwendung der Ausweichklausel eher möglich zu sein. Jedoch muss dies auch in solchen Situationen prinzipiell zurückhaltend gehandhabt werden. Denn die durch den Gesetzgeber festgeschriebene Anknüpfungsregel des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO darf nicht durch eine extensive Anwendung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO in Frage gestellt werden. Um die Rechtssicherheit nicht zu gefährden, kann die Ausweichklausel nur in absoluten Ausnahmefällen zum Tragen kommen. Es stellt sich aber die Frage, ob ein solcher nicht stets bei Kabotagetransporten anzunehmen ist, bei denen keine Inländer transportiert werden.1145 Wenn beispielsweise ein in Italien wohnhafter Passagier von einer irischen Airline von Marseille nach Nantes befördert wird, liegt eine Kumulation wesentlicher, in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO genannter, Anknüpfungsmomente vor, die dem Heimatrecht des Beförderers gegenüber steht. Hinzukommt, dass die Ausführung der vertraglich geschuldeten Beförderungsdienstleistung in dieser Konstellation nur innerhalb eines Staates erfolgt, mit der Folge, dass dort der Erfüllungsort liegt, der wiederum eine sehr starke Verbindung zum Vertrag aufweist.1146 Dennoch bleibt offen, ob dies allein ausreicht, um eine offensichtlich engere Verbindung bejahen zu können. Im Hinblick auf die gebotene restriktive Handhabung der Ausweichklausel wird in dem zu beurteilenden Sachverhalt wohl ein Hinzutreten weiterer Umstände erforderlich sein müssen.

schwindigkeitsfernverkehr werden hingegen nicht von Tochtergesellschaften, sondern von den Staatskonzernen selbst (DB AG, SNCF) oder speziellen Betreibergesellschaften (Thalys International Genossenschaft mit beschränkter Haftung belgischen Rechts, Eurostar International Ltd.) erbracht. 1143 Vgl. dazu auch oben C.I.3. und C.II.3. 1144 Zwar mögen diese Beispiele zurzeit noch Ausnahmecharakter haben, allerdings dürften solche Situationen aufgrund der stetig wachsenden Mobilität der Unionsbürger und -beförderungsunternehmen in Zukunft häufiger auftreten. 1145 Bei Beförderungen von Passagieren innerhalb des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts durch einen ausländischen Beförderer kommt die Primäranknüpfung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO zum Tragen. 1146 Vgl. BGH NJW 2009, 3371 (3374) Rn. 37, der im Zuge der Anknüpfung eines Personenbeförderungsvertrages den Ort der tatsächlichen Leistungserbringung grundsätzlich als einen für die Prüfung der Ausweichklausel relevanten Umstand erachtete.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

299

3. Ergebnis Im Rahmen der objektiven Primäranknüpfung von Personenbeförderungsverträgen ist eine Anwendung der Ausweichklausel im Grunde ausgeschlossen. Die durch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO geforderte Kumulation von Anknüpfungsmomenten sowie der Grundsatz des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes stellen für eine vom gewöhnlichen Aufenthalt des Passagiers abweichende Anknüpfung nahezu unüberwindbare Hürden dar. Dagegen scheint für eine Anwendung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO bei nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO objektiv anzuknüpfenden Verträgen unter Umständen Raum zu bestehen. D. Die beschränkte Rechtswahl gemäß Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO Auch im Rahmen von Personenbeförderungsverträgen gilt, dass das auf den Vertrag anwendbare Recht grundsätzlich der Wahl der Parteien unterliegt. Schließlich ist die Parteiautonomie „einer der Ecksteine“1147 des internationalen Vertragsrechts der Rom I-Verordnung. Die soeben vorgestellten Regeln über die objektive Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen kommen laut Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO nur dann zum Tragen, „soweit die Parteien keine Rechtswahl […] getroffen haben“. Eine subjektive Anknüpfung des Vertrages durch die Parteien ist somit stets vorrangig. Für eine solche enthält nun Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO eine besondere Regelung, die ein Novum im europäischen internationalen Vertragsrecht darstellt: Unter dem Hinweis auf die allgemeine Vorschrift des Art. 3 Rom I-VO (I.) beschränkt Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO den Kreis der von den Parteien wählbaren Rechtsordnungen auf die in den lit. a bis e aufgeführten Alternativen (II.). Dabei stellt sich die Frage, welche Wirkung dieser neuartigen Rechtswahlbeschränkung konkret zukommt (III.) und inwieweit dadurch ein kollisionsrechtlicher Schutz des Passagiers tatsächlich bewirkt werden kann.1148 I.

Geltung der allgemeinen Grundsätze

Zunächst macht Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO deutlich, dass die Rechtswahl der Parteien eines Personenbeförderungsvertrages „im Einklang mit Artikel 3“ zu erfolgen hat. Dabei handelt es sich um einen Hinweis, dass auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO die allgemeinen Grundsätze hinsichtlich der subjektiven Anknüpfung von Verträgen Geltung beanspruchen.1149 Entsprechend kann auch bei Verträgen über die Beförderung von Personen eine Rechtswahl ausdrücklich (namentlich in allgemeinen Beförde1147 1148 1149

Rn. 7.

So Erwägungsgrund (11). Siehe sogleich die Gesamtbetrachtung unten E.II. Vgl. Wagner, TranspR 2008, 221 (222); Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO

300

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

rungsbedingungen)1150 oder konkludent geschlossen oder nachträglich geändert werden, vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 S. 1 Rom I-VO.1151 Entgegen der Auffassung des AG Frankfurt/Main ist eine konkludente Rechtswahl jedoch nicht schon dann zu bejahen, wenn der Passagier eines Flugs ins Ausland (Bolivien) das Flugticket vom vertraglichen Beförderer im Inland erwirbt und der Abflughafen ebenfalls im Inland liegt.1152 Denn diese vagen Umstände allein, die wohl bei den meisten Flügen aus Deutschland gegeben sein werden, sind wenig aussagekräftig und weisen noch nicht auf einen entsprechenden Rechtswahlwillen der Parteien hin. Sofern die Rechtswahl durch eine AGB-Klausel erfolgt, unterliegt diese gegebenenfalls einer Einbeziehungskontrolle nach den Regelungen des mutmaßlichen Vertragsstatuts.1153 Weiterhin muss auch die subjektive Verweisung im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO prinzipiell den Ansprüchen von Art. 3 genügen.1154 Dies gilt insbesondere für die durch das Kollisionsrecht vorgegebenen Anforderungen an die Auslegung einer hinsichtlich ihres Inhalts oder ihres Umfangs mehrdeutigen Rechtswahlklausel.1155 Gleichwohl ist im Rahmen der Personenbeförderung die Geltung der Inlands- sowie der Binnenmarktklausel des Art. 3 Abs. 3 bzw. 4 Rom I-VO

1150 Siehe etwa Ziffer 14.3 der vom Internationalen Eisenbahntransportkomitee CIT herausgegebenen und unter anderem von der Deutschen Bahn AG verwendeten Allgemeinen Beförderungsbedingungen für die Eisenbahnbeförderung von Personen (GCC-CIV/ PRR), abrufbar unter (abgerufen am 15.5.2013). Danach gilt für den Fall, dass mehrere Landesrechte anwendbar sind, „das Recht des Staates, in dem der Berechtigte seinen Anspruch geltend macht, einschließlich der Kollisionsnormen“. Inhaltlich handelt es sich dabei um eine Wiederholung von Art. 8 § 3 COTIF. 1151 Zu den allgemeinen Grundsätzen siehe oben § 6 – D.vor I. m. w. N. 1152 Siehe AG Frankfurt/Main, RRa 2014, 148. 1153 Ausführlich dazu oben § 6 – D.I.1.b). Da es sich bei den Passagieren in der Regel um Verbraucher handelt, werden hinsichtlich der Einbeziehung in der Regel höhere Anforderungen als bei Güterbeförderungsverträgen gelten. Bei Anwendbarkeit des deutschen Rechts wäre insoweit § 305 Abs. 2 BGB zu beachten. Näher zur Einbeziehung von AGB bei Schuldverträgen mit Auslandsbezug Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer (Hrsg.), AGBRecht, 6. Aufl. 2013, IntGV Rn. 34 ff. 1154 Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1707); Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (104). 1155 Die Frage, ob eine Vereinbarung überhaupt als Rechtswahlvereinbarung zu verstehen ist, richtet sich nicht nach der lex causae gemäß Art. 3 Abs. 5 i. V. m. Art. 10 Rom IVO, sondern ist anhand von autonomen Auslegungsmaßstäben zu beurteilen (so Staudinger/ Magnus, Art. 3 Rom I-VO Rn. 66; Ferrari/Ferarri, Art. 3 Rom I-VO Rn. 25; MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 44; ausführlich Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO Rn. 9 m. w. N.; a. A. [Anwendung der Maßstäbe der lex fori] LG München I, IPRspr. 2011, Nr. 25; [Anwendung der lex causae] PWW/Brödermann/Wegen, Art. 3 Rom I-VO Rn. 8).

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

301

ausgeschlossen.1156 Denn sofern die Anwendungsvoraussetzung von Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO erfüllt ist, sprich alle Sachverhaltselemente in einem anderen Staat belegen sind, als demjenigen dessen Recht gewählt wurde, ist die Rechtswahl schon nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO unzulässig. Schließlich wird in einem reinen Inlandsfall der Auslandsbezug des Vertrages allein durch die Wahl eines fremden Rechts hergestellt, wohingegen alle anderen Anknüpfungsmomente – inklusive der in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. a bis e aufgeführten – in einem einzigen Staat belegen sind, sodass gemäß der Rechtswahlbeschränkung für Personenbeförderungsverträge die Wahl des Rechts eines anderen Staates ausgeschlossen ist.1157 Ebenso verhält es sich bei Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO. Auch bei von diesem vorausgesetzten reinen Binnenmarktsachverhalten sind alle nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO wählbaren Anknüpfungsmomente innerhalb eines oder mehrerer Mitgliedstaaten belegen, nicht aber in dem Drittstaat, dessen Recht von den Parteien gewählt wurde.1158 Auch in diesem Fall wäre die Rechtswahl folglich bereits nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO unzulässig.1159 Überdies spricht gegen eine Anwendbarkeit der Binnenmarktklausel des Art. 3 Rom I-VO im Bereich der Personenbeförderung, dass das europäische Transportvertragsrecht bisher nur in Verordnungen geregelt ist, die ihren internationalen Anwendungsbereich eigenständig definieren und somit nicht unter die Rom I-Verordnung im Allgemeinen und Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO im Besonderen fallen.1160 II. Wählbare Rechtsordnungen Nach dem Hinweis auf die allgemeinen Vorschriften in Art. 3 Rom I-VO folgt die eigentliche Kernaussage in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO: So wird die grundsätzlich gewährte Rechtswahlfreiheit dadurch eingeschränkt bzw. „eingerahmt“1161, dass die Parteien auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen lediglich das Recht eines der sich aus den lit. a bis e ergebenden Staaten wählen können. Wie aus dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig hervorgeht („nur“), handelt es sich dabei um eine abschließende Aufzäh1156 Dies vermutend Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 54; ebenso Ferrari/ Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 7. Vgl. auch Bariatti, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 325 (336). Unzutreffenderweise hält dagegen Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (476 f.) eine Anwendung von Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO grundsätzlich für möglich. 1157 Ausführlich dazu sogleich unter II. und III. 1158 Zu den von Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO erfassten Konstellationen, siehe Hoffmann, EWS 2009, 254 (255 f.). 1159 Zum gleichen Ergebnis gelangend Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 7. 1160 Siehe oben § 3 – B.II.2.a). Zu Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO im Einzelnen Hoffmann, EWS 2009, 254 (256). 1161 Kenfack, Clunet 136 (2009), 3 (25).

302

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

lung.1162 Zwischen den einzeln aufgeführten Wahlmöglichkeiten besteht kein Rangverhältnis oder irgendeine Form von Hierarchie. Folglich ist gemäß Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO auf einen Personenbeförderungsvertrag alternativ das Recht eines jeden Staates wählbar, auf den eines der in lit. a bis e genannten Anknüpfungsmomente verweist. Dabei greift der europäische Gesetzgeber zum überwiegenden Großteil auf die schon bei der objektiven Anknüpfung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO verwendeten Merkmale zurück.1163 Gemein haben die laut UAbs. 2 als zulässig erachteten Alternativen allesamt, dass sie entweder objektive Verbindungen zu dem Vertrag oder den Parteien aufweisen.1164 1. Gewöhnlicher Aufenthalt des Passagiers So wird als erste Alternative in lit. a der Staat genannt, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.1165 Bei einem Auseinanderfallen von tatsächlich befördertem Passagier und dem Vertragspartner des Beförderers ist insoweit wiederum auf den gewöhnlichen Aufenthalt von ersterem abzustellen.1166 Die Wahlmöglichkeit in lit. a ist aufgrund der Zielsetzung der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge unentbehrlich. Wäre das Aufenthaltsrecht des Passagiers bei einem internationalen Personenbeförderungsvertrag nicht wählbar, würde dies dem durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO angestrebten kollisionsrechtlichen Schutz des Passagiers vollkommen zuwider laufen.1167 2. Gewöhnlicher Aufenthalt oder Hauptverwaltung des Beförderers Weiterhin ist nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. b Rom I-VO das Recht des Staates wählbar, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.1168 Mit Wahrnehmung dieser Rechtswahlmöglichkeit kann ein Beförderer die für ihn nachteilige Konsequenz der Regelanknüpfung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO, die potentielle Anwendbarkeit des Vertragsrechts aller angefahrenen Staaten,1169 umgehen, da er alle mit einem Transportvorgang zusammenhängenden Personenbeförderungsverträge dem Recht seines gewöhnGarcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-71). Beachte daher die entsprechenden Ausführungen zu den einzelnen Anknüpfungsmerkmalen oben unter C.I. und II. 1164 Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339 (349); Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 76. 1165 Siehe dazu oben C.I.1. 1166 Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 76. Siehe ausführlich oben C.I.1.a)bb). 1167 Trotzdem führt auch die bestehende Regelung in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO nicht zu einer wirklichen Privilegierung des Passagiers, siehe unten E.II. 1168 Zu den Begrifflichkeiten siehe oben C.II. 1169 Siehe oben C.I.3. 1162 1163

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

303

lichen Aufenthalts unterstellen kann.1170 Als Beförderer kommt allerdings nur die Person in Betracht, die sich im Vertrag zum Transport verpflichtet – die Wahl des Aufenthaltsrechts eines ausführenden Beförderers wäre somit nicht zulässig.1171 Statt des gewöhnlichen Aufenthalts kann nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. c Rom I-VO außerdem das Recht des Staates gewählt werden, in dem sich die Hauptverwaltung des Beförderers befindet.1172 Dies mag im Hinblick auf lit. b im ersten Moment überflüssig erscheinen, da laut Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Rom I-VO der Beförderer schließlich am Ort der Hauptverwaltung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Allerdings lässt sich ein eigenständiger Wirkungsbereich von lit. c ausmachen, sofern sich der gewöhnliche Aufenthalt des Beförderers nach Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO bestimmt.1173 Schließt oder erfüllt der Beförderer den Vertrag beispielsweise durch eine Zweigniederlassung, ist diese gemäß Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Beförderers i. S. v. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. b Rom I-VO maßgeblich. In solch einer Konstellation würde lit. c eine zusätzliche Rechtswahlmöglichkeit eröffnen. Diese ist besonders für Beförderer von Vorteil, die mehrere Zweigniederlassungen in verschiedenen Staaten betreiben. Denn diese könnten infolge von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. c Rom I-VO alle von ihnen durchgeführten Beförderungen ein und derselben Rechtsordnung unterwerfen, und zwar dem Statut am Ort ihrer Hauptverwaltung. 1174 3. Abgangs- oder Bestimmungsort Als weitere Wahlmöglichkeiten sehen Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. d und e Rom I-VO das Recht am Abgangs- bzw. am Bestimmungsort vor.1175 Dabei handelt es sich um die vertraglich festgelegten Orte,1176 die somit relativ einfach feststellbar sind. Die Termini Abgangs- und Bestimmungsort beziehen sich dabei auf die konkrete Reise des Fahrgasts, nicht aber auf die Transportroute des Verkehrsmittels; Umsteige- und Zwischenhalte sind insoweit irrelevant.1177 Da die in lit. d und e genannten Anknüpfungsmerkmale komplementär den Erfüllungsort eines Personenbeförderungsvertrages bilden, weisen sie eine enge Beziehung zum Vertrag auf.1178 Vgl. Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 78. Siehe dazu oben C.II.1.a). 1172 Zum Begriff der Hauptverwaltung siehe oben § 6 – E.I.1.b)aa). 1173 Mankowski, TranspR 2008, 339 (350); ders. RRa 2014, 118 (120); Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-71); PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 4. 1174 Vgl. Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 53. 1175 Dazu ausführlich oben C.I.2. 1176 Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 5 Rom I-VO Rn. 16. Siehe auch ausführlich oben C.I.2.b). 1177 Siehe oben C.I.2. 1178 Vgl. EuGH, Rs. C-204/08 (Fn. 582), Rn. 40 f. 1170 1171

304

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

III. Folgen der Auswahlbeschränkung 1. Unwirksamkeit der Wahl einer nicht aufgeführten Rechtsordnung Durch die Rechtswahlregelung in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO werden die Auswahlmöglichkeiten der Parteien begrenzt. Die Existenz eines abschließenden Kanons konkret wählbarer Rechtsordnungen hat in erster Linie die negative Wirkung, dass die Wahl einer anderen Rechtsordnung unwirksam ist.1179 Die Parteien eines internationalen Personenbeförderungsvertrages können somit kein beliebiges Recht wählen. Dementsprechend ist, anders als nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß Art. 3 Rom I-VO (wie auch im Rahmen der Art. 6 und 8 Rom I-VO), die Wahl eines „neutralen Rechtes“, welches die Parteien möglicherweise am geeignetsten erachten und das keine objektive Beziehung zum Vertragsverhältnis aufzuweisen braucht,1180 nicht möglich.1181 In quantitativer Hinsicht hat die Auswahlbeschränkung zur Folge, dass im Extremfall – alle in Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO genannten Anknüpfungsmomente verteilen sich auf unterschiedliche Staaten – für einen Personenbeförderungsvertrag maximal fünf verschiedene Rechtsordnungen zur Auswahl stehen. 2. Inhaltskontrolle einer mit UAbs. 2 konformen Rechtswahl nicht statthaft Gleichzeitig kommt der Auswahlbeschränkung eine positive Wirkung zu. Mit der Schaffung des Katalogs in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO macht der europäische Kollisionsrechtsgeber deutlich, dass er die Wahl jeder der in lit. a bis e explizit aufgeführten Rechtsordnungen per se als zulässig erachtet. Eine mit den genannten Alternativen konforme Rechtswahlentscheidung der Parteien ist folglich nicht mehr angreifbar. Diese Vorgabe auf der Ebene des Kollisionsrechts kann auch nicht durch eine Regelung des Sachrechts angetastet werden, denn allein das IPR entscheidet, in welchem Umfang eine subjektive Anknüpfung möglich ist. Deshalb ist die inhaltliche Kontrolle einer nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO zulässigen Rechtswahlentscheidung

Magnus, IPRax 2010, 27 (38); Bariatti, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 325 (331); Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 46. 1180 Siehe dazu MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 22. 1181 Gleichwohl ist anzumerken, dass bei Personenbeförderungsverträgen die bewusste Einigung auf ein neutrales Recht wegen der ungleichen Machtverteilung ohnehin nur theoretisch bestünde. In der Praxis hat der einzelne Passagier im Grunde keine Verhandlungsmacht und kann den Inhalt der vom Beförderer gestellten allgemeinen Beförderungsbedinungen inklusive einer etwaigen Rechtswahlklausel nicht beeinflussen (siehe oben A.I.3.b)aa)). Die Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeiten trifft daher im Endeffekt allein den Beförderer (siehe unten E.II.2.). 1179

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

305

weder durch die lex causae noch durch die lex fori möglich.1182 Wird die Wahl einer der in lit. a bis lit. e aufgeführten Rechtsordnungen mittels vorformulierter Klauseln vorgenommen, kann diese Auswahlentscheidung somit auch nicht durch eine AGB-Inhaltskontrolle überprüft werden.1183 Selbst wenn dem nicht so wäre, könnte im Rahmen einer Inhaltskontrolle aber nicht gerügt werden, dass eine nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO zulässige Rechtswahl der Wertung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO widerspräche.1184 Denn wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig ergibt,1185 gilt auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO der allgemeine Grundsatz des internationalen Vertragsrechts, wonach eine subjektive Anknüpfung der Parteien gegenüber den objektiven Anknüpfungsregeln vorgeht. Aus der im Kollisionsrecht getroffenen Entscheidung für die grundsätzliche Zulässigkeit der Rechtswahl folgt im Übrigen, dass eine Ausnutzung der gewährleisteten Rechtswahlfreiheit, beispielsweise durch eine in den AGB „versteckte“ Rechtswahlklausel zugunsten ausländischen Rechts, welche den Buchungen über eine deutschsprachige Internetseite eines ausländischen Beförderungsunternehmens zugrundegelegt werden, in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht nicht irreführend und damit auch nicht unlauter sein kann. 1186 E. Die kollisionsrechtliche Privilegierung des Passagiers durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO Wie zuvor bereits dargestellt,1187 bezweckt die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge speziell den Schutz des Passagiers. Deshalb soll an dieser Stelle aufgezeigt werden, inwieweit das Anknüpfungssystem in Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO tatsächlich eine kollisionsrechtliche Begünstigung der zu befördernden Person bewirkt (III.). Hierzu werden die Verweisungsregeln für die objektive (I.) und für die subjektive (II.) Anknüpfung speziell aus dem Blickwinkel des Passagiers betrachtet. Dabei wird auch berücksichtigt, inwiefern sich die Situation des Passagiers gegenüber dem Verweisungsrechtsregime des EVÜ verbessert hat. 1182 Mankowski, Interessenpolitik, S. 50 f.; ders. RRa 2014, 118 (121); MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 27. Siehe auch oben § 6 – D.I.1. 1183 Mankowski, TranspR 2008, 339 (350). 1184 Dafür aber wohl Woitkewitsch, MDR 2012, 193 und sich diesem anschließend AG Bremen NJW 2013, 705 (706). 1185 Siehe oben C.vor I. und D.vor I. 1186 Siehe KG MMR 2013, 591 [592], wonach eine in den AGB einer irischen Fluggesellschaft enthaltene Rechtswahlklausel zugunsten irischen Rechts, welche dem deutschsprachigen Internetbuchungsangebot der Airline zugrundegelegt werden, nicht zu beanstanden ist, selbst wenn diese am Ende der AGB steht. Vgl. dazu auch Mankowski, RRa 2014, 118 (123). 1187 Siehe oben A.I.

306 I.

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Passagiergünstige objektive Regelanknüpfung

Nach den allgemeinen Regeln der Rom I-Verordnung richtet sich die objektive Anknüpfung nicht spezifizierter Vertragstypen grundsätzlich nach dem Prinzip der charakteristischen Leistung, vgl. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO bzw. Erwägungsgrund (19) S. 2, welches jedoch unter dem Vorbehalt des Prinzips der engsten Verbindung steht, vgl. Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO bzw. Erwägungsgrund (20). Für Personenbeförderungsverträge weicht die Rom I-Verordnung von dieser Regel ab: So ist nach der Hauptanknüpfung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO nicht etwa das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des charakteristisch leistenden Beförderers maßgeblich, sondern es kommt insoweit stattdessen auf die zu befördernde Person an. Diese Anknüpfung kann zudem praktisch nicht durch die Anwendung der Ausweichklausel durchbrochen werden.1188 Aus Sicht des Passagiers stellt dies eine erhebliche Besserstellung gegenüber den allgemeinen Verweisungsregeln dar. Schließlich ist ihm die Anwendung seines Heimatrechts am ehesten vertraut. Folglich wird ihm dadurch der Zugang zum für den Beförderungsvertrag maßgeblichen Sachrecht erleichtert. Darüber hinaus minimiert dies für den Passagier die Kosten einer etwaigen Rechtsberatung. Denn im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO besteht am gewöhnlichen Aufenthalt des Passagiers das größte Angebot an juristischer Expertise im Hinblick auf das konkrete Beförderungsvertragsstatut. Diese Privilegierung des Passagiers kommt allerdings nur bei bestimmten Personenbeförderungsvertragskonstellationen zum Zuge: So ist das Recht des Aufenthaltsstaates des Passagiers nur dann anzuwenden, wenn in diesem Staat gleichzeitig entweder der Abgangs- oder der Bestimmungsort der vertraglich vereinbarten Beförderung liegt.1189 Somit kommt nur der „heimatverbundene“ Konsument von Beförderungsdienstleistungen in den Genuss seiner Heimatrechtsanwendung.1190 Liegt eine von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO geforderte Kumulation der Anknüpfungsmomente nicht vor, findet gemäß der Ausfallregel von S. 2 dagegen das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers Anwendung, was der objektiven Regelanknüpfung von Personenbeförderungsverträgen im Rahmen des EVÜ entspricht. Im Rahmen der objektiven Anknüpfung ist der durch Art. 5 Abs. 2 Rom IVO etablierte kollisionsrechtliche Schutz des Passagieres mit dem durch Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO statuierten vergleichbar. So werden Verbraucherverträge ebenfalls an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der geschützten Person angeknüpft, was jedoch ebenfalls nur für bestimmte Konstellationen gilt. Im Vergleich zu Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO geht die Beschränkung des Verbraucherschutzbereiches formal sogar noch weiter, da die Anwendung 1188 1189 1190

Näher dazu oben C.III.1. Näher dazu oben C.I.2. Siehe oben C.I.3.a).

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

307

von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO an das Vorliegen sowohl persönlicher als auch situativer Voraussetzungen geknüpft ist.1191 Somit bleibt festzuhalten, dass eine kollisionsrechtliche Privilegierung von Passagieren im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO durchaus ausgemacht werden kann. Dies gilt zwar nur für solche Reisende, die von oder zu ihrem gewöhnlichen Aufenthalt befördert werden. Im Vergleich zum EVÜ, welches stets auf das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers abstellte, stellt dies aber aus Sicht der Passagiere bereits einen Fortschritt dar.1192 II. Spezieller Schutz des Passagiers durch die neuartige Rechtswahlbeschränkung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO? Unter dem Regime des EVÜ galten für die subjektive Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen lediglich die allgemeinen Regeln, sodass uneingeschränkte Rechtswahlfreiheit herrschte. Dagegen weicht das sekundärrechtliche Kollisionsrecht hinsichtlich der Rechtswahl von den allgemeinen Regeln des Art. 3 Rom I-VO ab. Es fragt sich daher, inwieweit die neuartige Regelung in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO den Passagier im Rahmen der subjektiven Anknüpfung begünstigt. 1. Keine Internationalisierung materiell-rechtlicher Schutzstandards a) Uneingeschränkte Wirkung der Rechtswahl Zunächst einmal fällt auf, dass durch die Rechtswahlbeschränkung in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO kein Bezug auf materiell-rechtliche Passagierschutzregeln genommen wird. Anders als in den speziellen kollisionsrechtlichen Verbraucher- oder auch Arbeitnehmerregeln findet durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO eine internationale Absicherung intern zwingender Schwächerenschutznormen gerade nicht statt. So bestimmen Art. 6 Abs. 2 S. 2 bzw. Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO, dass eine subjektive Anknüpfung nicht dazu führen darf, dass dem Verbraucher bzw. dem Arbeitnehmer „der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das […] mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann“. Demnach wird dort die Rechtswahl von den zwingenden Schutznormen des objektiv anwendbaren Rechts überlagert.1193 Dagegen ist bei internationalen Personenbeförderungsverträgen die Wirkung der Rechtswahl gänzlich uneingeschränkt. Die von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO normierte Beschränkung limitiert nur die Menge der 1191 Ebenso Valdini, S. 301 f. Dazu im Einzelnen PWW/Remien, Art. 6 Rom I-VO Rn. 3 ff.; Rühl, GPR 2013, 122 (123 ff.). 1192 Dies ebenfalls grundsätzlich anerkennend Karsten, in: Yearbook of Consumer Law 2009, S. 333 (339). 1193 Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364 (369).

308

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

möglichen wählbaren Rechtsordnungen. Entsprechend können die Parteien über sämtliche intern zwingende Bestimmungen frei disponieren und diese abwählen. Das bedeutet, dass etwaiges, den Passagier schützendes Sachrecht nicht internationalisiert wird. Auf nationaler Ebene bestehende sachrechtliche Passagierschutzstandards werden von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO folglich nicht vor einer Abwahl geschützt. Eine mit derjenigen für Verbraucher oder Arbeitnehmer vergleichbare materiell-rechtliche Begünstigung des Passagiers besteht somit nicht. Allerdings ist fraglich, ob eine entsprechende Ausgestaltung der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge überhaupt zielführend wäre, da das nationale materiell-rechtliche Passagierschutzniveau bei Weitem nicht die Regelungsdichte entsprechenden Verbraucherbzw. Arbeitnehmerprivatrechts erreicht. b) Allein europäische Passagierrechte „rechtswahlfest“ Echtes auf Passagiere bezogenes Schwächerenschutzrecht wurde erst in jüngster Zeit und zwar auf europäischer Ebene in den Fahrgastrechteverordnungen gesetzt. Dieser sekundärrechtliche Mindeststandard wird aber auch von einer uneingeschränkt wirkenden Rechtswahl nicht beeinträchtigt. Denn diese Verordnungen enthalten eigenständige Regelungen ihres internationalen Anwendungsbereichs und sind dem sekundärrechtlichen Kollisionsrecht vorgeschaltet.1194 Die Parteien können somit trotz der prinzipiell unbeschränkten Wirkung einer Rechtswahl nicht durch Vereinbarung von den sekundärrechtlichen Passagierrechten abweichen, selbst wenn sie das Recht eines Drittstaates vereinbaren würden. Auch in diesem Fall ist das Verordnungsrecht innerhalb seines Geltungsbereichts, d. h. vor den Gerichten der Mitgliedstaaten der EU, zwingend anzuwenden. Daher bedürfen die Passagierrechteverordnungen insbesondere keines Schutzes über Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO.1195 c) Zwischenergebnis Durch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO werden materiell-rechtliche Schutzbestimmungen nicht gegen eine Rechtswahl der Parteien geschützt. Nationales Passagierschutzrecht kann vollständig von den Parteien kollisionsrechtlich abgewählt werden. Lediglich die europäischen Passagierrechte in den Fahrgastrechteverordnungen sind rechtswahlfest. Die internationale Geltung des sekundärrechtlichen Mindeststandards ist jedoch keiner Folge der Rechtswahlbeschränkung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO, sondern dies ergibt sich bereits aus dem Geltungsgrund der Verordnungen selbst. Durch die Siehe oben § 3 – B.II.2.a). Dazu Hoffmann, EWS 2009, 254 (256). Zur fraglichen Einordnung der Fahrgastrechteverordnung als Eingriffsrecht im Sinne von Art. 9 Rom I-VO näher unten § 8 – D.III.1. 1194 1195

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

309

Rechtswahlbeschränkung in der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge werden somit weder nationale noch europäische materiell-rechtliche Passagierschutzvorschriften internationalisiert. 2. Keine privilegierte Anwendung des Passagierheimatrechts Wenn auch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO keine internationale Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Schutzregimes bewirkt, könnte der Passagier möglicherweise dadurch international-privatrechtlich begünstigt werden, dass die Vorschrift dessen Heimatrecht bevorzugt zur Anwendung bringt.1196 Rein formal scheint eine derartige Begünstigung des Passagiers durch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO durchaus feststellbar zu sein: So wird die Menge der wählbaren Rechtsordnungen auf die maximale Anzahl von fünf beschränkt,1197 inklusive des Aufenthaltsrechts des Passagiers. Statistisch gesehen, ist die Wahrscheinlichkeit der Wahl des Passagierheimatrechts somit größer als wenn jede Rechtsordnung der Welt wählbar wäre, schließlich hat dieses im Höchstfall lediglich vier weitere Konkurrenzrechtsordnungen im Vergleich zu ansonsten Hunderten. Eine derart theoretische Betrachtungsweise wird jedoch der Rechtswirklichkeit nicht gerecht. Sie setzt nämlich voraus, dass die Rechtswahlentscheidung unvoreingenommen getroffen wird. Das ist jedoch gerade auf dem Gebiet der Personenbeförderung nicht der Fall, wo ein erhebliches Machtungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien zugunsten des Beförderers besteht.1198 Dieses wirkt sich insbesondere auf den Vorgang der Rechtswahl aus, denn wie bei jedem anderen Aspekt der Vertragsgestaltung nutzt die stärkere Vertragspartei den ihr gegebenen Handlungsspielraum zur Durchsetzung der für sie günstigsten Ergebnisse. Auch ein Verweisungsvertrag nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO wird deshalb so gut wie immer von der stärkeren Vertragspartei diktiert, was den Begriff der Rechtswahl erheblich relativiert.1199 Der als schwächer einzuschätzende Passagier hat dagegen kaum eine Möglichkeit, die Rechtswahl zu beeinflussen.1200 Es ist daher mehr als unwahrscheinlich, dass das Heimatrecht des Passagiers von den Parteien eines Personenbeförderungsvertrages gewählt werden wird. Denn die konkrete Ausgestaltung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO gibt dem übermächtigen Beförderer aus seiner Sicht viel attraktivere Wahlmöglichkeiten, nämlich das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts bzw. das seiner Hauptverwaltung (lit. b bzw. lit. c.). Damit wird 1196 Zum für den Passagier positiven Effekt der Anwendung seines Heimatrechts vgl. oben E.I. 1197 Siehe oben D.III.1. 1198 Siehe oben A.I.3.b)aa). 1199 Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1337). 1200 Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 (502); Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom IVO Rn. 76.

310

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

dem Beförderer durch das europäische Personenbeförderungsvertragskollisionsrecht die Gelegenheit eingeräumt, sein eigenes Heimatrecht zu wählen.1201 Es ist praktisch ausgeschlossen, dass ein Beförderer diesen Freiraum nicht ausnutzen wird.1202 Warum sollte er in einer faktisch von ihm vorgegebenen – etwa in den AGB enthaltenen1203 – Rechtswahlvereinbarung das Beförderungsvertragsverhältnis dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Passagiers unterstellen und nicht sein Heimatrecht wählen? Dies wäre für den Beförderer betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll,1204 zumal durch letzteres sichergestellt wird, dass eine Beförderung durch mehrere Staaten, in denen fortlaufend Reisende zu- und aussteigen demselben Recht unterliegt.1205 Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO führt daher keineswegs zu einer häufigeren Anwendung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Passagiers, sodass eine dementsprechende Privilegierung des Passagiers nicht stattfindet.1206 Die Auswahlalternativen des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. b und c Rom I-VO haben in Anbetracht der tatsächlich bestehenden überragenden Verhandlungsstärke des Beförderers stattdessen zur Folge, dass bei Personenbeförderungsverträgen über die subjektive Anknüpfung das Heimatrecht des Beförderers zur Anwendung kommen wird. Durch die Rechtswahlbeschränkung werden die Beförderer nicht beeinträchtigt, da für sie in der Praxis die Wahl einer anderen als der in lit. b oder lit. c genannten Rechtsordnungen ohnehin nur höchst selten von Interesse wäre.1207 In der von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO getroffenen Auswahl an wählbaren Rechtsordnungen spielgelt sich somit kein spezifischer Passagierschutz wider. Um einen solchen zu gewährleisten, müsste der Katalog restriktiver ausgestaltet sein. 1208 3. Verhinderung einer „überraschenden“ Rechtswahl des Beförderers Ausgehend von dem typischerweise bestehenden Machtungleichgewicht zwischen den Personenbeförderungsvertragsparteien lässt sich für Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO letztlich doch eine gewisse, wenngleich rudimentäre Schutzwirkung ausmachen. Wie soeben verdeutlicht, ist es einem Beför1201 Mankowski, TranspR 2008, 339 (350); Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1337). Laut Francq, Clunet 136 (2009), 41 (62) wird der Beförderer dazu geradewegs „angestachelt“. 1202 Vgl. Hasche, TranspR 2010, 282 (283); Steennot, in: Liber Amicorum Erauw, S. 175 (177). 1203 Magnus, IPRax 2010, 27 (38). 1204 Hasche, TranspR 2010, 282 (283). 1205 Wagner, TranspR 2008, 221 (222 f.). 1206 Ebenso Bariatti, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 325 (331). 1207 Azzi, D. 2008, 2169 (2172). 1208 Vgl. Kenfack, Clunet 136 (2009), 3 (25) Rn. 34; Biagioni, NLCC 2009, 717 (726). Beachte insoweit den Lösungsvorschlag unten § 14 – B.IV.

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

311

derer aufgrund seiner Verhandlungsstärke im Rahmen der Rechtswahl grundsätzlich möglich, das anwendbare Recht nach eigenem Ermessen zu bestimmen. Auch wenn die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO zwar nicht verhindert, dass der Beförderer sein Heimatrecht wählen kann, wird durch die Auswahlbeschränkung immerhin ausgeschlossen, dass der Beförderer die Rechtswahl besonders nachteilig für den Passagier gestaltet. Denn der Katalog des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO verwehrt es dem Beförderer, ein ausgewiesen schutzschwaches Recht zu wählen.1209 Somit können Anbieter von Personenbeförderungsdienstleistungen nicht in eine besonders passagierunfreundliche, keine Verbindung zum Beförderungsvertrag aufweisende, Rechtsordnung fliehen, wie dies etwa die Anbieter von Teilzeitwohnimmobilien eine Zeit lang zu tun pflegten.1210 Eine entsprechende Motivation der Beförderer könnte beispielsweise sein, eine Rechtsordnung mit keiner oder nur einer schwachen AGB-Inhaltskontrolle auszuwählen.1211 Dadurch, dass die nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO als zulässig erklärten Alternativen stets entweder eine objektive Verbindung zu den Parteien oder dem Vertrag auszeichnet,1212 wird folglich sichergestellt, dass der Passagier nicht der Anwendung eines Rechts ausgesetzt wird, welches keinen Bezug zum Sachverhalt hat und deshalb für ihn überraschend ist.1213 Dies erhöht zugleich die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts.1214 Somit gilt bei Personenbeförderungsverträgen der Grundsatz nicht, wonach allein die Wahl ausländischen bzw. drittstaatlichen Rechts einen Auslands- bzw. Drittstaatsbezug herstellen kann.1215 Insofern bewirkt die Auswahlbeschränkung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO also einen gewissen Mindestschutz.

Bariatti, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 325 (330 f.). 1210 So in den typischen Gran-Canaria- bzw. Isle-of-Man-Fällen, dazu Rauscher, EuZW 1996, 650 ff. 1211 Allerdings ist dabei anzumerken, dass insoweit ein spezieller kollisionsrechtlicher Schutz durch Art. 6 Abs. 2 der Klauselrichtlinie 93/13/EWG (1. Kapitel Fn. 40) gewährt wird. Diese, in Deutschland durch Art. 46b EGBGB umgesetzte, Vorschrift (zur deutschen Umsetzungsnorm im Einzelnen PWW/Remien, Art. 46b EGBGB Rn. 1 ff.) besagt, dass der unionsrechtlich vorgegebene Schutzstandard in Fällen, in denen ein enger Bezug zur Union besteht, nicht durch die Wahl des Rechts eines Drittlandes umgangen werden kann. Zu dem Verhältnis derartigen Richtlinienkollisionsrechts zur Rom I-Verordnung siehe Hoffmann, EWS 2009, 254 ff. 1212 Vgl. oben D.II. 1213 Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 76. 1214 Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 76. 1215 Dies ist nach den allgemeinen Rechtswahlregeln, wie nicht zuletzt aus Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO deutlich wird, zulässig, vgl. Bonomi, in: YPIL X (2008), S. 165 (169 f.). 1209

312

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

4. Ergebnis Abschließend bleibt festzustellen, dass durch die besondere Beschränkung der Rechtswahl durch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO ein international-privatrechtlicher Passagierschutz nur in sehr geringem Maße bewirkt wird. Der einzige schützende Effekt, der der Rechtswahlbeschränkung angerechnet werden kann, ist, dass sie dem Beförderer verwehrt, ein mit dem Sachverhalt nicht verbundenes besonders schutzschwaches Recht zu wählen. Dadurch wird der Passagier vor einer, wenngleich unüblichen, „überraschenden“ Rechtswahl des Beförderers geschützt. Im Vergleich zu anderen Teilnehmern am Rechtsverkehr, auf die die allgemeinen Regeln des Art. 3 Rom I-VO Anwendung finden, wird der Passagier also nur unwesentlich privilegiert. Somit hat sich das Schutzniveau im Rahmen der subjektiven Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO gegenüber dem im EVÜ herrschenden Regime allenfalls geringfügig erhöht. III. Fazit Wie die Analyse zeigt, gleicht der Schutz des Passagiers im Rahmen der objektiven Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen im Wesentlichen dem kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz. Dagegen ist jedoch das durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO etablierte Schutzniveau hinsichtlich der subjektiven Anknüpfung deutlich geringer als jenes bei Verbraucher- oder Arbeitnehmerverträgen. So schränkt Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO die Parteiautonomie allenfalls marginal ein. Die Beförderer werden durch die Regelung in ihrem Gestaltungsspielraum kaum beeinträchtigt; umgekehrt werden die Passagiere nicht nennenswert privilegiert. Insbesondere wird kein kollisionsrechtlicher Schwächerenschutz nach Art der Art. 6 und 8 Rom I-VO etabliert, wo eine materiell-rechtliche Überlagerung der Rechtswahl durch intern zwingende Schutznormen stattfindet. Im Vergleich zum EVÜ lässt sich somit nur eine marginale Steigerung des kollisionsrechtlichen Passagierschutzniveaus ausmachen. Entsprechend zurückhaltend fällt das Gesamturteil hinsichtlich der passagierschützenden Wirkung von Art. 5 Abs. 2 aus.1216 Denn die durchaus auszumachende Privilegierung des Passagiers im Rahmen der objektiven Anknüpfung kann mittels einer – in der Regel vorliegenden – Rechtswahl des Beförderers ausgehebelt werden. Im Rahmen der subjektiven Anknüpfung wird ein Schutz der zu befördernde Person durch die Auswahlbeschränkung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 aber nicht effektiv gewährleistet.1217 Stattdessen 1216 Eine ausführliche Bewertung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO erfolgt im letzten Kapitel, siehe § 14 – B. 1217 So schon Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634 (647 f.), der feststellte, dass eine Rechtswahlbeschränkung auf bestimmte typische Rechtsordnung keinen ausreichenden

§ 7 Das sekundärrechtliche IPR für Personenbeförderungsverträge

313

kommt dieser nur eine Funktion dahingehend zu, dass sie einen Mindestbezug zwischen dem gewählten anwendbaren Recht und dem Vertrag sicherstellt.1218 Schließlich weist jede einzelne der nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO wählbaren Rechtsordnungen einen objektiven Bezug zum Vertrag auf. Mit diesem – auch im Bereich der Versicherungsverträge verwendeten – Regelungsmodell der Auswahlbeschränkung folgt der europäische Kollisionsgesetzgeber im Ansatz dem US-amerikanischen internationalen Verbraucherschutzrecht: So ist nach Art. 1-301 (e) (1) Uniform Commercial Code bei Verbraucherverträgen die Rechtswahl der Parteien unwirksam, sofern nicht die gewählte Rechtsordnung zum Vertrag „a reasonable relation“ hat.1219 Im Ergebnis bleibt aber das durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO etablierte Schutzniveau deutlich hinter jenem der Art. 6 und Art. 8 Rom I-VO zurück.1220 Aber auch gegenüber dem ebenfalls neuen Art. 7 Rom I-VO fällt der kollisionsrechtliche Passagierschutz ab. So ist es selbst im internationalen Versicherungsvertragsrecht den Versicherungsunternehmen nicht möglich, die Geltung des Rechts an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt zu erkontrahieren, vgl. Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO.1221 Im Vergleich mit den anderen Schwächerenschutzregimen, insbesondere jenen für Verbraucher und Arbeitnehmer, statuiert die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge somit lediglich einen „kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz zweiten Grades“1222.

Schutz der schwächeren Vertragspartei bietet. Ebenso auf die allgemeine Untauglichkeit dieser Methode hinweisend Pocar, RdC, 1984-V, 349 (376); Bariatti, in: Corneloup/ Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 325 (331). 1218 Zu demselben Ergebnis kommend Solomon, Tul. L. Rev. 82 (2008), 1709 (1730) Fn. 97; de Meyer, REDC 2009, 631 (654). 1219 Siehe dazu auch Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2006, S. 155 ff.; Möll, Kollidierende Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im internationalen Vertragsrecht, 2012, S.47 ff. 1220 Vgl. Boskovic, D. 2008, 2175 (2177) Fn. 17. Folglich wird derjenige, der ausschließlich eine Beförderung bucht, weniger geschützt als ein Pauschalreisender (so Remien, in: Liber Amicorum Siehr, S. 497 [502]), denn letzterer kann sich gemäß Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO auf das Verbraucherschutzregime berufen (dazu unten § 8 – B.II.). 1221 Zu den Schutzwirkungen des Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO ausführlich Böttger, VersR 2012, 156 (160 ff.). 1222 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 31. Gleichwohl wird das bestehende Verbraucherschutzregime durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ergänzt, vgl. § 8 – B.III. Zur Bewertung des IPR-Regimes für Personenbeförderungsverträge siehe unten § 14 – B.

314

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

§ 8 Das Verhältnis von Art. 5 Rom I-VO zu anderen Bestimmungen der Rom I-Verordnung

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO Das europäische Beförderungsvertrags-IPR ist keineswegs eine abgeschlossene, isoliert zu betrachtende Materie. Als Bestandteil der Rom I-Verordnung tritt Art. 5 mit anderen Bestimmungen dieses Rechtsinstruments in Wechselwirkung. Deshalb muss Art. 5 Rom I-VO in einem größeren Kontext gesehen werden. Um dies zu erreichen, soll das Verhältnis der Kollisionsnorm für Beförderungsverträge zu den allgemeinen (A.) sowie zu anderen besonderen Kollisionsrechtsregimen (B. und C.) der Rom I-Verordnung aufgezeigt werden. Zudem soll auf die Beziehung zu transportrechtlichen Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO eingegangen werden (D.). A. Vorrang gegenüber den allgemeinen Vorschriften Bei Art. 5 Rom I-VO handelt es sich um eine besondere Kollisionsnorm für Beförderungsverträge. Die darin enthaltenen Anknüpfungen sind speziell auf diesen Typ von Verträgen zugeschnitten und gehen daher den allgemeinen Vorschriften der Art. 3 und 4 Rom I-VO als lex specialis vor.1223 Diesen Vorrang von Art. 5 Rom I-VO hat der europäische Gesetzgeber dadurch deutlich gemacht, dass er die objektive Anknüpfung für Beförderungsverträge rechtstechnisch in eine eigene Norm ausgelagert und nicht in den Katalog von Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO aufgenommen hat. Überdies besagt letzterer ausdrücklich, dass er die Anwendung auch von Art. 5 Rom I-VO „unbeschadet“ lässt. Dadurch sind Zweifel daran ausgeschlossen, dass die besondere Verweisungsnorm für Beförderungsverträge, welche eine Unterkategorie der Dienstleistungsverträge darstellen,1224 ebenfalls die allgemeine Anknüpfung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO verdrängt. Soweit Art. 5 besondere Regelungen zur Rechtswahl enthält, namentlich in Abs. 2,1225 gehen diese den allgemeinen Bestimmungen in Art. 3 Rom I-VO vor. Ansonsten richten sich die Modalitäten der subjektiven Anknüpfung von Güter- und Personenbeförderungsverträgen aber nach den dort normierten Regeln. Insbesondere gelten die besonderen Beschränkungen der Rechtswahl bei reinen Inlands- bzw. Binnenmarktsachverhalten durch Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO grundsätzlich auch im Hinblick auf Art. 5 Rom I-VO.1226 Zu einem Anwendungsfall von Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO wird es im Rahmen der Ebenso Magnus, IPRax 2010, 27 (38). Siehe oben § 6 – B.I.3.a) und § 7 – B.I.2. 1225 Dieser enthält eine Beschränkung der durch Art. 3 Abs. 1 S. 1 postulierten Rechtswahlfreiheit, siehe oben § 7 – D. 1226 Vgl. Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (S. 105); Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 7. 1223 1224

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

315

Anknüpfung eines Güter- oder Personenbeförderungsvertrages indes kaum kommen.1227 B. Beziehung zum Verbraucherkollisionsrecht Deutlich komplexer ist dagegen die Frage, wie sich das Beförderungsvertrags- und das Verbraucherkollisionsrecht der Rom I-Verordnung zueinander verhalten. Insofern sind Überschneidungen vorprogrammiert, weil die Umreißung des jeweiligen Anwendungsbereichs beider Verweisungsnormen anhand unterschiedlicher Kriterien erfolgt: So knüpft Art. 5 Rom I-VO seine Anwendung an einen in sachlicher Hinsicht (Schwerpunkt = Beförderungspflicht) besonders definierten Vertrag, also an einen besonderen Vertragsinhalt, wohingegen die Anwendung von Art. 6 Rom I-VO nicht zuletzt von in den Vertragsparteien liegenden, also persönlichen, Voraussetzungen abhängt. Da letzterer nach der Reform nicht mehr in sachlicher Hinsicht auf Kauf- und Dienstleistungsverträge beschränkt ist (vgl. noch Art. 5 Abs. 1 EVÜ), gilt er nunmehr prinzipiell für alle Vertragstypen, also theoretisch auch für Beförderungsverträge. Das so bestehende Spannungsverhältnis ist vom europäischen Gesetzgeber grundsätzlich zugunsten von Art. 5 Rom I-VO gelöst worden (I.), allerdings mit einer Ausnahme (II.). Im Rahmen von Beförderungsverträgen findet daher ein besonderer kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz nicht statt. Für den Bereich der Personenbeförderung stellt sich gleichwohl die Frage, inwieweit Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO möglicherweise diese Funktion übernehmen soll (III.). I. Innerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 5 grundsätzlich keine Anwendung von Art. 6 Rom I-VO An mehreren Stellen in der Rom I-Verordnung wird deutlich, dass die Kollisionsnorm für Beförderungsverträge gegenüber jener für Verbraucherverträge vorrangig ist.1228 Das lässt sich bereits aus der Formulierung von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO schließen, dessen besondere Verweisungsregel mit den Worten „unbeschadet der Artikel 5 und 7“ eingeleitet wird. Dieser Eindruck wird endgültig durch Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO bestätigt: Danach gelten die besonderen Verweisungsregeln der Absätze 1 und 2 – mit Ausnahme von Pauschalreiseverträgen – nicht für Beförderungsverträge.1229 Diese werden Siehe oben § 6 – D. und § 7 – D.I. Vgl. Staudinger/Steinrötter, JA 2011, 241 (246). Magnus, IPRax 2010, 27 (38). 1229 Da in Abs. 4 eine ausdrückliche Bereichsausnahme für Versicherungsverträge fehlt, stellt sich die Frage, ob die diesbezügliche Nichtanwendung von Art. 6 Rom I-VO allein aus der Formulierung in Abs. 1 hergeleitet werden kann mit der Folge, dass sich Versicherungsverbraucherverträge allein nach Art. 7 Rom I-VO beurteilen. Dafür Staudinger/ Magnus, Art. 6 Rom I-VO Rn. 28; MünchKommBGB/Martiny, Art. 6 Rom I-VO Rn. 15; Palandt/Thorn, Art. 6 Rom I-VO Rn. 4; Rauscher/Heiderhoff, Art. 6 Rom I-VO Rn. 35. 1227 1228

316

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

damit ausdrücklich vom sachlichen Anwendungsbereich der Verbraucherkollisionsnorm ausgenommen.1230 Eine derartige Bereichsausnahme existierte bereits in der Vorgängervorschrift des Art. 5 Abs. 4 lit. a EVÜ und entspricht der zuständigkeitsrechtlichen Regelung in Art. 17 Abs. 3 EuGVVO.1231 Begründet wird dieser Ausschluss der Beförderungsverträge vom internationalen Verbraucherschutz damit, dass dies die komplizierte Anwendung verschiedener materieller Verbraucherschutzregime auf verschiedene Reisende vermeidet.1232 Außerdem soll dadurch auf geltendes internationales Einheitsrecht Rücksicht genommen werden.1233 Unabhängig davon könnte diese Bereichsausnahme vom Verbraucherschutz aber auch lediglich auf eine wirksame politische Intervention der betroffenen Befördererbranche zurückzuführen sein.1234 Fest steht, dass durch Art. 6 Abs. 4 lit. b faktisch keine Überschneidung mit Art. 5 Rom I-VO auftreten kann. Denn dieser bewirkt, dass bei Vorliegen eines Beförderungsvertrages und damit bei Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 5 (Abs. 1 oder 2) die Kollisionsnorm für Verbraucherverträge sachlich nicht einschlägig ist. Das Nichtvorliegen eines Beförderungsvertrags ist somit eine negative Voraussetzung für die Anwendung von Art. 6 Rom I-VO. Folglich beurteilen sich auch Verbrauchergüter- sowie Verbraucherpersonenbeförderungsverträge, also solche Beförderungsverträge die zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen werden, nicht nach Art. 6, sondern grundsätzlich nach Art. 5 Rom I-VO. Die Konsequenz daraus ist eine Verdrängung von Art. 6 Rom I-VO. Dies wollte der Verordnungsgeber speziell im Hinblick auf Verträge über die Beförderung von Personen erreichen, vgl. Erwägungsgrund (32) S. 2. 1230 Siehe insoweit auch den EuGH, verb. Rs. C-585/08 und C-144/09 (Fn. 39), NJW 2011, 505 Rn. 40, nach dem durch Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO die Beförderungsverträge „vom Begriff des Verbrauchervertrags […] ausgeschlossen“ werden. 1231 Vgl. auch Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (626); Keiler/Binder, RRa 2009, 210 (212 f.). 1232 Staudinger/Magnus, Art. 6 Rom I-VO Rn. 78; PWW/Remien, Art. 6 Rn. 28; dagegen Mankowski, Interessenpolitik, S. 49 f. 1233 So Heiss, in: Czernich/Heiss, Art. 5 Rn. 21. Dieses Argument vermag indes nicht zu überzeugen, da das materielle Einheitsrecht der kollisionsrechtlichen Anknüpfung bereits hierarchisch vorgelagert ist, siehe dazu im Einzelnen oben § 3 – B. Ebenso Mankowski, in: Cashin Ritaine/Bonomi (Hrsg.), Le nouveau règlement européen „Rome I“ relatif à la loi applicable aux obligations contractuelles, 2008, S. 121 (153 f.); ders., Interessenpolitik, S. 49. Zur Rechtfertigung dieser Bereichsausnahme siehe auch unten § 14 – B.I. 1234 So vermuten dies Boskovic, D. 2008, 2175 (2177) Fn. 17 und Ragno, in: Ferrari/ Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 129 (141). Zu diesem Schluss kommt mit überzeugenden Argumenten auch Mankowski, IHR 2008, 133 (142 f.); ders., Interessenpolitik, S. 49 f. m. w. N., der die Bereichsausnahme entsprechend scharf kritisiert („Ausnahme entbehrt überzeugender Ratio“). Gegen die Notwendigkeit einer derartigen Bereichsausnahme ebenfalls Sachse, Der Verbrauchervertrag im internationalen Privat- und Prozessrecht, 2006, S. 217 m. w. N.

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

317

II. Ausnahme: Anwendbarkeit von Art. 6 Rom I-VO bei beförderungsbezogenen Pauschalreiseverträgen Für den eben ausgeführten Grundsatz besteht jedoch eine spezielle Ausnahme für Pauschalreiseverträge, da für jene Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO eine Rückausnahme vorsieht. Danach gilt die von ihm normierte Anwendungsbereichsausnahme nicht für Pauschalreiseverträge im Sinne der Richtlinie 90/314/EWG.1235 Positiv formuliert besagt Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO, dass die Absätze 1 und 2 von Art. 6 Rom I-VO für Pauschalreiseverträge gelten, auch wenn diese zugleich als Beförderungsvertrag anzusehen sind.1236 Damit ein solcher aber tatbestandlich überhaupt vorliegt, muss die Beförderung den Schwerpunkt des Vertrages bilden.1237 Das ist eher unwahrscheinlich, wenn die Beförderung mit einer längeren Unterbringungsleistung gebündelt wird (z. B. Flug und zweiwöchige Übernachtung im Hotel oder Kreuzfahrt), da letztere im Regelfall so schwer wiegt, dass die Personenbeförderung jedenfalls nicht den Hauptgegenstand des Vertrages bilden wird.1238 Dagegen ist eher vorstellbar, dass die Beförderung die Pauschalreise dominiert, wenn sie mit einer anderen touristischen Dienstleistung kombiniert wird, beispielsweise wenn Freizeitaktivitäten, wie ein Konzert- oder Stadionbesuch, und die dazugehörige (weite) Anreise miteinander vertraglich verknüpft werden. In diesem Fall würde der Pauschalreisevertrag in sachlicher Hinsicht einen Personenbeförderungsvertrag im Sinne der Rom I-Verordnung darstellen. Für einen kleinen Ausschnitt aus dem Bereich der Personenbeförderungsverträge behält Art. 6 Rom I-VO somit also doch Relevanz. Dadurch relativiert der Verordnungsgeber sein in Erwägungsgrund (32) S. 2 formuliertes Anliegen, wonach Art. 6 Rom I-VO eben nicht im Zusammenhang mit Verträgen über die Beförderung von Personen gelten sollte. Das hat zur Folge, dass mitunter eine Überschneidung der Art. 5 und 6 Rom I-VO auftreten kann, die Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO aber löst. 1. Vorliegen einer Pauschalreise im Sinne der Richtlinie 90/314/EWG Voraussetzung für die Rückausnahme ist, dass es sich bei dem infragestehenden Vertrag, der seinen Schwerpunkt in der Personenbeförderung hat, um einen Pauschalreisevertrag im Sinne der Richtlinie 90/314/EWG handelt. Allerdings kommt es insoweit nur auf die sachlichen Maßstäbe der Richtlinie Siehe Fn. 172. Vgl. Keiler/Binder, RRa 2009, 210 (213). 1237 Dazu oben § 6 – B.I.2.b). Ebenso Plender/Wilderspin, Rn. 8-033 f.; de Meyer, REDC 2009, 631 (654). 1238 Insoweit kommt es auf die Abwägung der Vertragsgegenstände im Einzelfall an. In Zweifelsfällen ist dabei allerdings eher von einer Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 2 Rom IVO auszugehen, siehe oben § 7 – B.I.2.d)cc). 1235 1236

318

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

an. Das nationale Umsetzungsrecht spielt dafür keine Rolle.1239 Auch eine konkrete Geltung des Richtlinienrechts ist nicht notwendig.1240 Nach Art. 2 Nr. 1 der Pauschalreiserichtlinie zeichnet sich eine Pauschalreise dadurch aus, dass sie mehrere, zu einem Gesamtpreis verkaufte, touristische Dienstleistungen verbindet (namentlich eine Beförderung [lit. a], eine Unterbringung [lit. b] oder andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen [lit. c]), wobei eine Pauschalreise in diesem Sinne aber nur dann gegeben ist, wenn die Leistung länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt.1241 Als andere touristischen Dienstleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 lit. c RL 90/314/EWG, die mit einer Beförderung kombiniert werden könnten, kommen etwa Sport-, Hobby- und Sprachkurse, Ausflüge oder die Bereitstellung eines Mietwagens in Betracht.1242 Nach der Definition der Richtlinie handelt es sich bei der (Personen-)Beförderung neben der Unterbringung also um einen Kernbestandteil von Pauschalreisen. Sind aber nicht alle von Art. 2 Nr. 1 der Pauschalreiserichtlinie vorgeschriebenen Voraussetzungen kumulativ erfüllt, liegt kein Pauschalreisevertrag im Sinne von Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO vor, sodass dessen Rückausnahme nicht eingreift. Dass dieser Umstand durchaus von Bedeutung ist, zeigt folgendes Beispiel: Verknüpft ein Vertrag etwa eine Beförderung mit einem Konzertbesuch, liegt tatbestandlich ein Reisevertrag im Sinne der §§ 651a ff. BGB vor.1243 Ist der Vertrag so ausgestaltet, dass die Beförderung den Schwerpunkt bildet, ist er im Sinne der Rom I-Verordnung grundsätzlich als Personenbeförderungsvertrag zu qualifizieren,1244 sodass sich eine mögliche Anwendung von Art. 6 Rom I-VO nach dessen Abs. 4 lit. b beurteilt. Dauert die vertraglich vereinbarte Reiseleistung aber weniger als 24 Stunden, erfüllt der Vertrag eine Voraussetzung von Art. 2 Nr. 1 der Pauschalreiserichtlinie nicht, die der deutsche Gesetzgeber – überschießend – nicht in das deutsche Reiserecht 1239 Ebenso Staudinger/Staudinger, Vorbem zu §§ 651a-m Rn. 121; ders., AnwBl 2011, 327 (329). 1240 Ebenso Mankowski, TranspR 2011, 70 (71). Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO wäre auch dann einschlägig, wenn das Richtlinienrecht nicht zur Anwendung kommt, weil eine drittstaatliche Rechtsordnung als Vertragsstatut berufen ist, die die europäische Pauschalreiserichtlinie nicht umgesetzt hat. 1241 Zum Pauschalreisebegriff vgl. EuGH in den Rs. Club-Tour, Rs. C-400/00 (Fn. 174), EuZW 2002, 402 Rn. 13 und Pammer, verb. Rs. C-585/08 und C-144/09 (Fn. 39), NJW 2011, 505 Rn. 37. 1242 Tonner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Bd. IV, Sekundärrecht, A 12 (Richtlinie 90/ 314/EWG), Art. 2 Rn. 6. 1243 Nach deutschem Recht wird für das Vorliegen eines Reisevertrags lediglich die Bündelung von zwei einzelnen Reiseleistungen verlangt, vgl. Staudinger/Staudinger, § 651a Rn. 12 ff. m. w. N. 1244 Siehe oben § 7 – B.I.2.b).

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

319

umgesetzt hat.1245 Infolgedessen greift die Rückausnahme von Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO nicht ein. Die Anwendung der Verbraucherkollisionsnorm ist somit ausgeschlossen und stattdessen könnte Art. 5 Abs. 2 Rom IVO zum Tragen kommen. 2. Konsequenz: Alleinige Anwendung von Art. 6 Rom I-VO Liegt ein beförderungsbezogener Pauschalreisevertrag vor, der auch alle Voraussetzungen von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 90/314/EWG erfüllt, stellt sich die Frage, was die genaue Konsequenz der Rückausnahme des Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO ist. Denn dieser besagt lediglich, dass die Absätze 1 und 2 des Art. 6 Rom I-VO für Pauschalreiseverträge gelten. Dort, genauer in Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO, wird aber festgelegt, dass die Anknüpfung für Verbraucherverträge die Anwendung von Art. 5 Rom I-VO „unbeschadet“ lässt. Hat dies zur Folge, dass auf bestimmte Pauschalreisen Art. 5 in Kombination mit Art. 6 Rom I-VO Anwendung fände? Davon ist nicht auszugehen. Denn eine wechselseitige Anwendung der Art. 5 und 6 wäre äußerst kompliziert und würde zudem zu widersprüchlichen Ergebnissen führen.1246 Deshalb ist in diesem Fall von einer allzu wörtlichen Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO abzusehen. Vielmehr ist anzunehmen, dass Abs. 1 und Abs. 4 einen einheitlichen Anwendungsbereich von Art. 6 Rom I-VO definieren und folglich im Einklang anzuwenden sind. Soweit Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO also die Ausnahme von Beförderungsverträgen aus dem sachlichen Anwendungsbereichs der Verbraucherkollisionsnorm einschränkt, gilt dies im gleichen Maße auch für Abs. 1. Diese Bestimmungen sollten folglich dahingehend verstanden werden, dass sich – entgegen dem allgemeinen Vorrang von Art. 5 Rom I-VO – auch befördeVgl. Tonner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Bd. IV, Sekundärrecht, A 12 (RL 90/314/ EWG), Art. 2 Rn. 5. Siehe aber § 651k Abs. 6 BGB. 1246 Magnus, IPRax 2010, 27 (38) Fn. 156. Zwar erschiene eine Kombination der Rechtswahlbeschränkung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 mit Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO noch möglich. Danach wären ausschließlich die in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. a bis e wählbaren Rechtsordnungen wählbar und zugleich würde der Schutz der zwingenden Bestimmungen nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO gewährleistet werden. Eine Kombination der objektiven Anknüpfungen könnte nur dergestalt erfolgen, dass an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalt des Pauschalreisenden ausschließlich dann angeknüpft werden würde, wenn sowohl die persönlichen und situativen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 als auch die räumlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO hinsichtlich Abgangs- und Bestimmungsort erfüllt wären. Wäre dies nicht gegeben, müsste das Prinzip der charakteristischen Leistung zum Tragen kommen. Dieses Ergebnis wäre aber höchst fragwürdig, denn warum sollten gerade an den kollisionsrechtlichen Schutz des Pauschalreisenden derart hohe Anforderungen gestellt werden? Dieser käme schließlich weder in Genuss des Schutzes von Art. 5 noch von Art. 6 Rom I-VO, selbst wenn der Vertrag nur die Voraussetzungen von einer dieser Normen nicht erfüllt. 1245

320

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

rungsbezogene Pauschalreiseverträge allein nach der Kollisionsnorm für Verbraucherverträge beurteilen.1247 Für Pauschalreiseverträge, die kein Beförderungselement enthalten, steht dies ohnehin außer Zweifel.1248 3. Keine Sperrwirkung von Art. 6 gegenüber Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO Spricht man der Kollisionsnorm für Verbraucherverträge hinsichtlich beförderungsbezogenen Pauschalreiseverträgen den Vorrang gegenüber Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO zu, muss auch die Frage nach dessen Reichweite geklärt werden. Denn auch wenn Art. 6 Abs. 1 und 2 infolge von Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO zwar grundsätzlich Anwendung finden, bleibt offen, wie zu verfahren ist, wenn der Vertrag den weiteren tatbestandlichen Anforderungen der Kollisionsnorm für Verbraucherverträge nicht entspricht, etwa weil die Pauschalreise beruflichen Zwecken dient oder der Reiseunternehmer seine Tätigkeit nicht auf den Aufenthaltsstaat des Pauschalreisenden ausrichtet.1249 Insoweit wäre denkbar, dass aus dem durch Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. Rom I-VO entstehenden Vorrang eine Sperrwirkung gegenüber der Anwendung des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO erwächst. Würde eine solche bestehen, könnte Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO selbst dann nicht auf einen beförderungsbezogenen Pauschalreisevertrag angewendet werden, wenn dieser die persönlichen und/oder situativen Anforderungen (lit. a und b) von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO nicht erfüllt. Stattdessen müssten dann die allgemeinen Vorschriften der Art. 3 und 4 Rom I-VO zur Anwendung kommen. Für die Annahme einer solchen Sperrwirkung ließe sich Art. 6 Abs. 3 Rom I-VO anführen, der für den Fall, dass die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 lit. a oder b Rom I-VO nicht gegeben sind, die Anwendung der Art. 3 und 4 Rom I-VO anordnet. Entsprechend wird dafür plädiert, dass in dieser Konstellation ein Rückgriff auf Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ausgeschlossen sei.1250 Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass sich Art. 6 Abs. 3 Rom I-VO ausschließlich auf die situativen, nicht aber auf die persönlichen Anforderungen bezieht. Gegen die Annahme einer derartigen Sperrwirkung lassen sich allerdings entscheidende Argumente vorbringen: Zunächst mutet es inkonsequent an, die Anwendung von Art. 5 nur bei Nichtvorliegen der situativen Voraussetzungen auszuschließen, nicht aber im Falle des Nichtvorliegens der persönliEbenso Magnus, IPRax 2010, 27 (38). Führich, § 4 Rn. 36; MünchKommBGB/Tonner, Vor §§ 651a bis 651m Rn. 67; Staudinger/Staudinger, Vorbem zu §§ 651a-m Rn. 121 ff. A.A. Thüsing/Kroh, ZGS 2010, 346 (348), die ohne weitere Begründung davon ausgehen, dass Pauschalreisen von Art. 6 Rom I-VO ausgenommen seien. 1249 Anders dagegen MünchKommBGB/Martiny, Art. 6 Rom I-VO Rn. 22, der es als Voraussetzung für das Eingreifen von Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO erachtet, dass die Pauschalreise die Bedingungen des Abs. 1 lit. a und b erfüllt. 1250 So Staudinger/Staudinger, Vorbem zu §§ 651a-m Rn. 145; Hk-BGB/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 13. 1247 1248

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

321

chen Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO.1251 Denn gerade Pauschalreisen im Sinne der Pauschalreiserichtlinie zeichnet aus, dass sie auch von Geschäftsreisenden geschlossen werden können.1252 Die Annahme einer allgemeinen Sperrwirkung würde zudem zu einer empflindlichen Einschränkung des Passagierschutzes führen. Denn danach wäre dem Pauschalreisenden, der nicht vom Schutz des Art. 6 profitieren kann, auch der Schutz nach Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO verwehrt. Damit würden zwei Schutzregime gegeneinander ausgespielt werden, was letztlich der Zielsetzung der Rom IVerordnung, die schwächere Vertragspartei kollisionsrechtlich zu schützen,1253 nicht entsprechen kann. Stattdessen intendiert der Grundsatz des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes, dass die entsprechenden Schutznormen zugunsten des Schwächeren auszulegen sind.1254 Die Anwendungsbereiche der Art. 5 und 6 Rom I-VO müssen folglich so aufeinander abgestimmt werden, dass möglichst keine Schutzlücken entstehen. Dahingehend ist letztlich auch die Formulierung von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO zu verstehen, wonach dieser – auch im Anwendungsfall von Art. 6 Abs. 4 lit. b a. E. – die Anwendung von Art. 5 Rom I-VO „unbeschadet“ lässt. Eine Sperrwirkung von Art. 6 Rom I-VO gegenüber Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO hinsichtlich beförderungsbezogener Pauschalreiseverträge ist daher abzulehnen.1255 III. Ergänzung des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes auf dem Gebiet der Personenbeförderung durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO Die Regelung des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO steht in engem Zusammenhang zum verbraucherschützenden Art. 6 Rom I-VO.1256 Diese Nähebeziehung wird bereits aus dem verordnungsvorbereitenden Dokumenten ersichtlich: Daraus geht hervor, dass die besondere Kollisionsnorm für Beförderungsverträge speziell im Hinblick auf die Bereichsausnahme entsprechender Verträge im Rahmen der Kollisionsnorm für Verbraucherverträge entwickelt wurde.1257 1251 Stattdessen ist doch eher von einer Gleichwertigkeit der Tatbestandsmerkmale auszugehen. 1252 Vgl. MünchKommBGB/Tonner, Vor §§ 651a bis 651m Rn. 26. Dadurch besteht eine Inkohärenz gegenüber dem in den sonstigen europäischen Privatrechtsakten bestehenden Verbraucherbegriff, vgl. Keiler/Binder, RRa 2009, 210 (211). Diese Diskrepanz soll im Zuge der angestrebten Reform der nunmehr mehr als 20 Jahre alten Pauschalreiserichtlinie (Fn. 172) beseitigt werden, siehe zu diesem Reformvorhaben Karsten/Schuster-Wolf, VuR 2013, 6 (10). 1253 Vgl. Erwägungsgrund (23). Näher dazu oben § 7 – A.I. 1254 Siehe oben § 7 – A.II. 1255 In diese Richtung PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 6. 1256 Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339 (348). 1257 Dies wird aus dem Vermerk des (finnischen) Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Rom I) vom 12.10.2006, Dok. 13853/06 JUSTCIV 224 CODEC 1085, S. 6 Fn. 1 deutlich.

322

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

Dass diese Normen zusammenspielen, erschließt sich schon aus dem jeweiligen Zuschnitt des Anwendungsbereichs. So deckt Art. 5 Rom I-VO jenen Regelungsbereich ab, der aufgrund von Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO von der Anwendung der Verbraucherkollisionsnorm ausgenommen ist.1258 Zwar ist der persönliche Anwendungsbereich der Beförderungsvertragskollisionsnorm grundsätzlich weit gefasst, sodass auch nur zwischen Unternehmern bzw. Verbrauchern geschlossene Verträge erfasst werden.1259 Im Gegensatz zum Bereich des Gütertransports bilden aber im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO Verbraucherbeförderungsverträge zwischen einem gewerblichen Beförderer und einem privat Reisenden die Regel. Auch wenn durch die Vorschrift grundsätzlich beruflich reisende Passagiere geschützt werden,1260 wird das durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO neu geschaffene (begrenzt wirkende)1261 Schutzregime somit in den meisten Fällen zu befördernden Verbrauchern zu Gute kommen. Insofern ließe sich der Passagier daher auch mit dem „consommateur de transport“1262 gleichsetzen. Im Endeffekt tritt Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO damit neben das durch Art. 6 Rom I-VO statuierte kollisionsrechtliche Verbraucherschutzregime und ergänzt selbiges. So gesehen bewirkt die Personenbeförderungsvertragskollisionsnorm faktisch einen „begrenzten eigenständigen Verbraucherschutz“.1263 Dennoch sei nochmals betont, dass die Regelung des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO auf einem eigenständigen Schutzgrund beruht.1264 Die Vorschrift schafft ein gesondertes Schutzregime, welches in seiner Intensität deutlich hinter jenem für Verbraucher abfällt und lediglich einen Minimalstandard etabliert.1265 Trotzdem gebührt Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ein eigenständiges schutzpolitisches Verdienst. So gewährleistet jedenfalls die objektive Hauptanknüpfung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO einen adäquaten Ausgleich zwischen den Interessen des Passagiers und des Beförderers, wie er so im Rahmen des Anknüpfungssystems von Art. 6 Rom I-VO nicht möglich wäre: Danach findet in angemessener Weise das Heimatrecht des Passagiers Anwendung, ohne dass sich der Beförderer – wie bei einer unterstellten Anwendung von Art. 6 Rom I-VO – gleichzeitig mit einer unübersichtlichen Anzahl von anwendbaren Rechtsordnungen konfrontiert sähe.1266 1258 Kritisch bzgl. dieser Bereichsausnahme der Verbraucherkollisionsnorm Mankowski, TranspR 2011, 70. Siehe auch die Nachweise in Fn. 1234. 1259 Näher dazu oben § 6 – C.III. und § 7 – B.II. 1260 Siehe oben § 7 – B.II.2. 1261 Ausführlich oben § 7 – E. 1262 Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1337). 1263 Magnus, IPRax 2010, 27 (38). 1264 Siehe oben § 7 – A.I. 1265 Näher dazu oben § 7 – E. 1266 So kommt nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO im Ergebnis entweder das Recht des Ausgangs- oder des Bestimmungsort zur Anwendung, vgl. oben § 7 – C.I.3. Würde dagegen Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO auf Personenbeförderungsverträge Anwendung

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

323

C. Transportversicherungs-IPR Im Rahmen von Beförderungsgeschäften spielt die Frage nach der Versicherung eine tragende Rolle. Abgesehen davon, dass mitunter eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss eines Transportversicherungsvertrages besteht (z. B. § 7a GüKG1267, § 50 LuftVG1268 oder § 1 EBHaftPflV1269), ergibt sich eine solche regelmäßig auch aus dem Beförderungsvertrag selbst. So sehen etwa Ziffer 29 ADSp. oder § 33 VBGL, die als allgemeine Vertragsbedingungen einen Bestandteil des Transportvertrags bilden können, vor, dass der Spediteur bzw. Frachtführer eine Haftpflichtversicherung hinsichtlich seiner etwaigen verkehrsvertraglichen Haftung abzuschließen hat. Bei solchen Verkehrshaftungsversicherungen, die das vertragliche und gesetzliche Haftungsrisiko der Verkehrsträger abdecken sollen,1270 handelt es sich dabei nicht einmal um die bedeutendste Sparte der Transportversicherungen.1271 Dies ist vielmehr die Güterversicherung, die als Sachversicherung „das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Eigentümers des transportierten Gutes“1272 erfasst und in Ziffer 21 ADSp. bzw. § 34 VBGL angesprochen wird. Wenn aber der Abschluss einer Transportversicherung im eigentlichen Beförderungsvertrag angeordnet werden kann, muss in internationaler Hinsicht geklärt werden, inwieweit das nach Art. 5 Rom I-VO zu bestimmende Beförderungsvertragsstatut auch für den Versicherungsvertrag maßgeblich ist. Diesbezüglich sei angemerkt, dass auch auf international-privatrechtlicher Ebene die einzelnen Vertragsverhältnisse zu unterscheiden sind. Zwar beurteilt sich nach dem Beförderungsvertragsstatut die Frage, ob und für wen der Transportvertrag eine Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrages begründet und inwieweit diese Pflicht ordnungsgemäß erfüllt wurde.1273 Das dann zwischen einer der Beförderungsvertragsparteien und dem Versicherer finden, würden diese objektiv an den gewöhnlichen Aufenthalt eines jeden Passagieres angeknüpft werden. Ein mehrere hundert Passagiere umfassender Beförderungsvorgang wäre so für den Beförderer rechtlich nur schwer zu beurteilen. Dieses Argument wurde seit jeher gegen eine kollisionsrechtliche Sonderlösung für Personenbeförderungsverträge angeführt, vgl. oben B.I. 1267 Näher dazu Reiff, TranspR 2006, 15 (16 ff.). 1268 Diese Norm im europäischen Kontext erläuternd Müller-Rostin, TranspR 2006, 49 ff. 1269 Ausführlich dazu Freise, TranspR 2006, 45 (47 ff.). 1270 Vgl. Thume, TranspR 2006, 1 (4). 1271 Vgl. die Zahlen für den deutschen Versicherungsmarkt bei Ehlers, TranspR 2006, 7 (9). Eine weitere Hauptsparte der Transportversicherung bilden die Kaskoversicherungen, die Schäden am Transportmittel abdecken. Vgl. diesbezüglich auch den einführenden Überblick von Thume, TranspR 2006, 1 (2 ff.). 1272 BGH TranspR 2003, 320. 1273 Dabei geht es um den konkreten Inhalt der (beförderungs)vertraglichen Verpflichtungen, weshalb dafür das Beförderungsvertragsstatut maßgeblich ist.

324

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

bestehende Versicherungsvertragsverhältnis1274 als solches wird allerdings kollisionsrechtlich eigenständig behandelt und ist separat vom Beförderungsvertrag anzuknüpfen. Dafür ist seit der Einführung der Rom I-Verordnung mit Art. 7 eine besondere Kollisionsnorm maßgeblich. Transportversicherungsverträge unterliegen danach subjektiv dem von den Parteien gewählten Recht und objektiv dem Recht des Staates, in dem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, soweit nicht der Vertrag eine offensichtlich engere Beziehung zu einem anderen Staat aufweist, vgl. Art. 7 Abs. 2 Rom I-VO. Denn bei Transportversicherungsverträgen handelt es sich um Verträge über Großrisiken im Sinne des – seinerseits auf das europäische Versicherungsrichtlinienrecht Bezug nehmenden – Art. 7 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO.1275 Für die eigentliche Transportversicherung (Güterversicherung) folgt dies aus Art. 5 lit. d i) i. V. m. Anhang A Nr. 7 RL 73/239/EWG.1276 Sofern ein Mitgliedstaat bezüglich des versicherten Risikos allerdings eine Versicherungspflicht gesetzlich vorschreibt, kommen bei der Bestimmung des Versicherungsvertragsstatuts zusätzlich die Verweisungsregelungen in Art. 7 Abs. 4 lit. a und b Rom I-VO zur Anwendung.1277 D. Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO Die Bestimmung der auf einen Beförderungsvertrag anwendbaren Rechtsnormen erfolgt wie gezeigt grundsätzlich durch Art. 5 Rom I-VO. Gleichwohl kann in diesem Zusammenhang eine weitere Bestimmung der Rom I-VerTransportversicherungen stellen häufig Dreiecksverhältnisse dar. Schließt etwa der Frachtführer oder Spediteur eine Güterversicherung ab, versichert er ein fremdes Interesse, nämlich das des Eigentümers bzw. des Berechtigten an den Gütern. Dann liegt eine so genannte Versicherung für fremde Rechnung i. S. d. § 43 Abs. 1 VVG vor, bei der es sich um eine besondere Form des Vertrags zugunsten Dritter handelt (Römer/Langheid/ Rixecker, Versicherungsvertragsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 43 Rn. 5 m. w. N). Von den eigentlichen Vertragsparteien Versicherungsnehmer und Versicherer ist dann der begünstigte Versicherte zu unterscheiden, der möglicherweise als Absender oder Empfänger wiederum am Beförderungsvertrag beteiligt ist. 1275 Vgl. auch Junker, in: JurisPK-BGB, Art. 7 Rom I-VO Rn. 64 ff. 1276 Für Luftfahrzeugs- sowie See-, Binnensee- und Flussschiffahrtshaftpflichtversicherungsverträge ergibt sich dies aus Art. 5 lit. d i) i. V. m. Anhang A Nr. 11 und 12 RL 73/ 239/EWG (Richtlinie vom 24.7.1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung [mit Ausnahme der Lebensversicherung], ABl. 1973 L 228, 3). Landfahrzeugshaftpflichtversicherungen gelten dagegen nur dann als Verträge über Großrisiken, sofern bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, vgl. Art. 5 lit. d ii) i. V. m. Anhang A Nr. 10 RL 73/ 239/EWG. Auch die verschiedenen Fahrzeug-Kasko-Versicherungen sind in Art. 5 lit. d RL 73/239/EWG aufgeführt. Bezüglich der ersten Versicherungsrichtlinie beachte nunmehr RL 2009/138/EG vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. 2009 L 335, 1. 1277 Näher Junker, in: JurisPK-BGB, Art. 7 Rom I-VO Rn. 124 ff. 1274

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

325

ordnung Bedeutung erlangen: Nach Art. 9 Rom I-VO können schließlich Eingriffsnormen das Vertragsstatut durchbrechen und unabhängig von der eigentlichen verwiesenen Rechtsordnung zur Anwendung kommen. Auch für die Beurteilung von internationalen Beförderungsverträgen spielt es daher eine Rolle, wann derartige Eingriffsnormen begrifflich vorliegen (I.) und unter welchen Umständen sie vom angerufenen Gericht zu berücksichtigen sind (II.). Konkret stellt sich die Frage, welche Vorschriften als Art. 5 Rom IVO verdrängende, transportrechtliche Eingriffsnormen in Betracht kommen können (III.). I.

Begriff

Im Zuge der Europäisierung des Schuldvertrags-IPR ist in die Rom IVerordnung eine Definition der Eingriffsnormen (mandatory provisions; lois de police) eingefügt worden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH1278 bestimmt nun Art. 9 Rom I-VO, dass eine Eingriffsnorm „eine zwingende Vorschrift [ist], deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen.“

Auch wenn durch diese Beschreibung ein europäischer Eingriffsnormbegriff positiviert worden ist, entscheidet nicht etwa die Rom I-Verordnung, sondern der erlassende Staat darüber, ob eine Norm als Eingriffsnorm anzusehen ist.1279 Denn die drei in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO genannten Anforderungen an eine Eingriffsnorm beurteilen sich aus der Sicht des jeweiligen Normgesetzgebers:1280 So unterliegt es allein seiner Entscheidungshoheit, inwieweit er die infragestehende Vorschrift zwingend ausgestaltet, er mit dieser übergeordnete staatliche Zwecke verfolgt und diese mit unbedingtem internationalen Anwendungswillen ausstattet. Denkbar ist allenfalls, dass infolge der Verankerung der Eingriffsnormdefinition in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO der EuGH eine gewisse begriffliche Rahmenkontrolle ausüben kann.1281

1278 EuGH, 23.11.1999 – verb. Rs. C-369/96 und C-76/96 [Arblade], Slg. 1999, I-8453 = RIW 2000, 221. Vgl. Hoffmann, EWS 2009, 254 (259); Bonomi, in: YPIL X (2008), S. 285 (287 ff.) m. w. N. 1279 PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 2; ders., in: FS v. Hoffmann, S. 334 (335). Vgl. auch Kühne, in: FS Wegen, S. 451 (460). 1280 Zu den Voraussetzungen im Einzelnen Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 45 ff.; Francq/Jault-Seseke, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le réglement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, 2011, S. 357 (362 ff.). 1281 PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 2; Bonomi, in: Cashin Ritaine/Bonomi (Hrsg.), Le nouveau règlement Rome 1, 2008, S. 217 (227 f.).

326

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

II. Berücksichtigung durch das angerufene Gericht Nicht alle Normen, die die genannten Anforderungen erfüllen, führen zu einer Durchbrechung des kraft Verweisungsrecht zur Anwendung berufenen Vertragsstatuts. Dies hängt vielmehr außerdem davon ab, wer aus der Sicht des angerufenen Gerichts als Urheber der infragestehenden Eingriffsnorm anzusehen ist.1282 Weil ein internationaler (transportvertraglicher) Sachverhalt Bezüge zu verschiedenen Staaten aufweist, stünden potentiell die Eingriffsnormen aller beteiligten Rechtsordnungen im Raum. Gemäß Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO sind jedoch allein die Eingriffsnormen des Forumstaates vollumfänglich zu berücksichtigen.1283 Findet ein Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht statt, könnte folglich deutsches Eingriffsrecht durchgesetzt werden. Die Beachtung der Eingriffsnormen anderer Staaten ist hingegen nur unter erheblichen Einschränkungen möglich.1284 1. Drittstaatliche Eingriffsnormen Bereits im EVÜ war in Art. 7 Abs. 1 eine begrenzte Beachtlichkeit ausländischer Eingriffsnormen vorgesehen. Allerdings bot Art. 22 Abs. 1 lit. a den Vertragsstaaten des Römer Übereinkommens die Möglichkeit, gegenüber dieser Norm einen Vorbehalt zu erklären, wovon insbesondere Deutschland Gebrauch machte.1285 Demgegenüber schreibt nun Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO für alle EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark) verbindlich vor, dass vor Gericht unter gewissen Voraussetzungen auch drittstaatliche Eingriffsnormen zu beachten sind.1286 a) Eingriffsnormen des Erfüllungsortes Möglich ist dies allerdings nur für Eingriffsnormen des Staates, „in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder

Siehe MünchKommBGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 26 ff. Vgl. Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (337). 1284 Nach der Auffassung von W.-H. Roth, in: FS Dauses, S. 315 (334 f.) verstoßen die von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO vorgenommenen Einschränkungen hinsichtlich der Anwendung von Eingriffsrecht anderer EU-Mitgliedstaaten gegen das primärrechtliche Gebot der loyalen Zusammenarbeit. Entsprechend ist die Frage, ob die aus Art. 4 Abs. 3 AEUV resultierende Pflicht die Anwendung von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO beeinflusst, prompt dem Europäischen Gerichtshof vom BAG vorgelegt worden (siehe Fn. 1287). 1285 Siehe hierzu MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl. 2006, Art. 34 EGBGB Rn. 58. 1286 Siehe auch Wagner, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, 2012, S. 51 (71 f.), der den Kompromisscharakter dieser Vorschrift betont. Diesbezüglich jedoch a. A. Schacherreiter, in: Verschraegen (Hrsg.), Rechtswahl, 2010, S. 69 (80). 1282 1283

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

327

erfüllt worden sind“.1287 Fraglich ist dabei allerdings, wie der in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO angesprochene Erfüllungsort zu bestimmen ist. 1288 In der Literatur ist derweil angedacht worden, diesbezüglich auf die in Art. 7 Nr. 1 EuGVVO vorgenommene Konkretisierung abzustellen.1289 Dafür spräche zwar prinzipiell das Bestreben nach systematischer Kohärenz im europäischen Sekundärrecht. Allerdings wäre eine strikte Übertragung der Aussagen der zuständigkeitsrechtlichen Vorschrift der EuGVVO auf Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, insbesondere hinsichtlich nicht in Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO aufgeführter Verträge, nur begrenzt hilfreich und im Ergebnis daher unpraktikabel.1290 Auch eine kollisionsrechtliche Ermittlung des Erfüllungsorts (durch Abstellen auf die lex causae, die lex fori oder das Eingriffsrecht) weist entscheidende praktische Nachteile auf, denn so könnte ein grundsätzlich erstrebenswerter Gleichlauf mit Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO nur unzureichend hergestellt werden.1291 Daher spricht viel dafür, es im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht auf ein rechtstechnisches, sondern auf ein tatsächliches Bestimmungskriterium ankommen zu lassen. Danach sollte als Erfüllungsort derjenige Ort angesehen werden, der tatsächliche Berührungspunkte mit dem Leistungsvorgang aufweist.1292 Im Hinblick auf die in einem Beförderungsvertrag maßgebliche Transportverpflichtung kämen, da letztere zwischen Abgangs- und Erfüllungsort vollzogen wird,1293 folglich diese beiden Orte als Erfüllungsort im Sinne von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO in Betracht. Dies würde sich zugleich mit der entsprechenden Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO decken.1294 Da in transportvertraglichen Konstellationen so mehrere Orte ausgemacht werden können, die tatsächliche Berührungspunkte zur Erfüllung aufweisen, sollten im Ergebnis die Eingriffsnormen beider Staaten berück-

1287 Das BAG hat dem EuGH die überaus interessante Frage vorgelegt, ob aus dieser Formulierung eine Sperrwirkung dahingehend folgt, dass Eingriffsnormen anderer ausländischer Staaten (als jenem des Erfüllungsorts) auch nicht mittelbar berücksicht werden dürfen, siehe BAG RIW 2015, 313. 1288 Ausführlich zu dieser Frage Harris, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 269 (315 ff.). 1289 Siehe Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 9 Rom I-VO Rn. 29. 1290 Siehe Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (343); Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom IVO Rn. 101; Freitag, IPRax 2009, 109 (113 f.). 1291 Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 102 m. w. N. 1292 So PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 35; ders. in: FS v. Hoffmann, S. 334 (343); Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 104; Rauscher/Thorn, Art. 9 Rom I-VO Rn. 64; Reithmann/Martiny/Freitag, Rn. 643. 1293 Vgl. oben § 6 – E.I.2.b). 1294 So für einen Luftpersonenbeförderungsvertrag EuGH, Rs. C-204/08 (Fn. 582), Rn. 39 ff.

328

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

sichtigt werden können.1295 Weiterhin könnte man argumentieren, dass auch die im Zuge der Beförderung durchquerten Transitstaaten einen faktischen Bezug zur Leistungserfüllung aufweisen, so dass man auch deren Eingriffsrecht über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO zur Anwendung kommen lassen könnte. Eine derart extensive Auslegung erscheint jedoch unstatthaft, schließlich könnte so – je nach Gestaltung des Streckenverlaufs – die eigentliche Anknüpfung beinahe uneingeschränkt durchbrochen werden. b) Verbotsnormen Eine weitere Voraussetzung für die Durchsetzung von drittstaatlichen Eingriffsnormen ist laut Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO, dass die Eingriffsnormen des Erfüllungsortes „die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen“. Daraus wird in der Literatur überwiegend gefolgert, dass über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur solche Normen berücksichtigt werden können, die in ihrer Rechtsfolge die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts anordnen.1296 Vorschriften die die Rechtmäßigkeit des Vertrags nicht berühren, etwa Preisbestimmungen, Ausgleichsansprüche, Stundungen und Widerrufsrechte,1297 würden dagegen nicht erfasst werden. Entsprechend wären in Transportvertragskonstellationen über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO beispielsweise Ein- und Ausfuhrverbote, die zur Unwirksamkeit des Vertrages führen können,1298 zu berücksichtigen, wohingegen etwaiges international zwingendes, häufig lediglich Haftungsregeln modifizierendes, Transportvertragsrecht des Erfüllungsortes keine Beachtung fände.1299 Diese Lesart von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO wird allerdings, da sie im Ergebnis zu einer sachlichen Einschränkung der Eingriffsnormdefinition des Abs. 1 führt, massiv angezweifelt.1300

1295

Rn. 64.

Freitag, IPRax 2009, 109 (114); vgl. auch Rauscher/Thorn, Art. 9 Rom I-VO

1296 Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 111 ff.; MünchKommBGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 117; Freitag, IPRax 2009, 109 (112 f.). Kritisch diesbezüglich Sonnenberger, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung, 2013, S. 429 (439 ff.). 1297 Vgl. Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (344) m. w. N. 1298 Beachte etwa § 31 AWG, siehe hierzu MünchKommBGB/Martiny, Art. 9 Rom IVO Rn. 65. 1299 Nach dieser Ansicht wäre beispielsweise eine Berücksichtigung von internationalen Transportkonventionen, welche nicht vom Forumstaat, aber vom Staat des Erfüllungsorts ratifiziert wurden, im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO (so für die Hamburg Regeln Legros, RD transp. 2/2009, 12 [17] Rn. 22) nicht möglich, da das zwingende Einheitsrecht in der Regel nicht die Unwirksamkeit des Vertrages bewirkt. 1300 Namentlich von Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (344); Bonomi, in: Cashin Ritaine/Bonomi (Hrsg.), Le nouveau règlement européen „Rome I” relatif à la loi applicable aux obligations contractuelles, 2008, S. 217 (234).

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

329

c) Wirkungsverleihung Was die Rechtsfolge betrifft, so besagt Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO, dass den Eingriffsnormen des Erfüllungsortes „Wirkung verliehen werden [kann], soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen.“ Weiterhin bestimmt S. 2: „Bei der Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, werden Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen berücksichtigt, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden.“ Damit räumt die Vorschrift dem sie anwendenden Gericht ein gewisses Ermessen bezüglich der Beachtung der drittstaatlichen Eingriffsnormen ein.1301 Hinsichtlich der in S. 2 genannten Kriterien ist das angerufene Gericht jedoch in seiner Ermessensentscheidung gebunden.1302 Aus dem Normtext wird abgeleitet, dass das Gericht bei der Entscheidung über das „ob“ der Berücksichtigung einer ausländischen Eingriffsnorm die in S. 2 genannten Kriterien zwingend zu beachten hat, während es über ein weites Ermessen hinsichtlich der Verträglichkeit der Norm mit inländischen Wertungen verfügt.1303 Dabei sind bei dem zweiten Schritt insbesondere einer Anwendung entgegenstehende unionsrechtliche Wertungen zu berücksichtigen.1304 Die genaue Rechtsfolge von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ist indes unklar. So kann der Passus der „Wirkungsverleihung“ sowohl dahingehend verstanden werden, dass die ausländische Vorschrift (durch den inländischen Richter) direkt – also so wie es der ausländische Richter tun würde – oder nur indirekt anzuwenden ist, sodass sie nur materiell-rechtlich im Rahmen des Vertragsstatuts zu berücksichtigen wäre.1305 Vorzugswürdig ist wohl die erste Variante einer echten Sonderanknüpfung, da dadurch das Verhältnis zwischen Voraussetzungen und Rechtsfolge der Eingriffsnorm gewahrt wird.1306 2. Eingriffsnormen des Schuldstatuts Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen häufig diskutiert wird auch die Frage, inwieweit die Eingriffsnormen des Schuldstatuts, also der lex causae, anzuwenden sind.1307 Art. 9 Rom I-VO enthält diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung. So wird weiterhin angeVgl. Reithmann/Martiny/Freitag, Rn. 647; Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 115 m. w. N. 1302 PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 44; Hauser, S. 117. 1303 Freitag, IPRax 2009, 109 (111); Reithmann/Martiny/ders., Rn. 647; Spickhoff, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, 2012, S. 117 (134); vgl. auch MünchKommBGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 119 f. 1304 Hauser, S. 119; Freitag, IPRax 2009, 109 (111). 1305 Vgl. Freitag, IPRax 2009, 109 (114 f.). 1306 Siehe Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 122. Dafür ebenso Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (345); Freitag, IPRax 2009, 109 (114 f.); Hauser, S. 109 ff. 1307 Vgl. Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (341 f.). 1301

330

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

nommen, dass die Eingriffsnormen Teil des Schuldstatuts und daher stets zu berücksichtigen seien.1308 Allerdings führt diese Schuldstatutstheorie insbesondere hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Eingriffsnormen mitunter zu zufälligen Ergebnissen.1309 Daher sollten im Einklang mit dem Aufbau von Art. 9 Rom I-VO forumsfremde Eingriffsnormen nur im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 berücksichtigt werden. Auch die Eingriffsnormen des Vertragsstatuts kommen daher nur dann zur Anwendung, soweit die besonderen Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gegeben sind.1310 III. Transportrechtliche Eingriffsnormen des deutschen Rechts Wie gezeigt, sind laut Art. 9 Rom I-VO vor Gericht in erster Linie die Eingriffsnormen des Forumstaates zu berücksichtigen. Entsprechend ist für deutsche Gerichte im Wesentlichen deutsches Eingriffsrecht beachtlich. Deshalb soll hier aufgezeigt werden, welche Vorschriften der hiesigen Rechtsordnung sich gegebenenfalls gegenüber dem nach Art. 5 Rom I-VO zu ermitteltenden, fremden Beförderungsvertragsstatut durchsetzen können. Auf potentiell eingreifendes ausländisches Transportrecht kann hier nicht eingegangen werden.1311 1. Vorschriften transnationalen Ursprungs Umstritten ist, inwieweit Vorschriften europäischen Ursprungs im Rahmen von Art. 9 Rom I-VO zu berücksichtigen sind. In der Definition von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO ist jedenfalls nur von staatlichen Vorschriften die Rede. Allerdings ist das Unionsrecht Teil einer jeden mitgliedstaatlichen Rechtsordnung, mit der Folge, dass die Gerichte dieses zu beachten haben.1312 Deshalb können über Art. 9 Rom I-VO grundsätzlich auch Eingriffsnormen des

1308 Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1719); W.-H. Roth, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, 2012, S. 11 (34 f.); Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 9 Rom I-VO Rn. 41. 1309 Näher dazu Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (341). 1310 Reithmann/Martiny/Freitag, Rn. 646; PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 30; Palandt/Thorn, Art. 9 Rom I-VO Rn. 15; MünchKommBGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 43. 1311 Insoweit sei lediglich erwähnt, dass der in Frankreich als Eingriffsnorm diskutierte Art. 16 des Gesetzes vom 18.6.1966 über Charter- und maritime Transportverträge (siehe dazu Legros, RD transp. 2/2009, 12 (16) Rn. 21) durch Verordnung Nr. 2010-1307 vom 28.10.2010 aufgehoben worden ist. Hinsichtlich des Art. L 132-8 C.com. hat dagegen die cour de cassation entsprechende Diskussionen (vgl. Legros, a. a. O.) beendet, indem sie mit Urteil vom 13.7.2010 (Clunet 138 [2011], 91) festgestellt hat, dass der Direktanspruch des Frachtführers nicht als Eingriffsrecht anzusehen ist (siehe Klötgen/Mansuy, GPR 2011, 69; Martiny, ZEuP 2013, 838 [856]). 1312 Siehe oben § 2 – B.II.

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

331

EU-Rechts durchgesetzt werden.1313 Dies gilt vor allem für (in räumlicher Hinsicht nicht näher spezifiziertes) unmittelbar anwendbares Unionsrecht, wie etwa das Kartellverbot des Art. 101 AEUV oder auch sekundärrechtliche Verordnungen.1314 Europäisches Richtlinienrecht kommt dagegen gemäß Art. 281 Abs. 3 AEUV lediglich mittelbar vor mitgliedstaatlichen Gerichten zur Anwendung. Gleichwohl wird die Möglichkeit der Berücksichtigung von Richtliniensachrecht im Rahmen von Art. 9 Rom I-VO weithin aus der Ingmar-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hergeleitet.1315 Infolge der Einführung des Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO kann aber erheblich bezweifelt werden, dass diese Rechtsprechung des EuGH weiterhin Bestand hat und Richtlinienrecht als Eingriffsrecht qualifiziert werden kann.1316 Aus transportrechtlicher Sicht spielt dieses Problem indes nur eine nachrangige Rolle, schließlich existiert bisher kein spezifisches, zwingendes Richtlinientransportrecht.1317 Anders verhält es sich dagegen auf der Verordnungsebene, wo eine Vielzahl an materiellem Transportrecht geregelt ist.1318 Da dieses zwingende Sachrecht, wie etwa jenes der Fluggastrechteverordnung, unabhängig vom jeweiligen Beförderungsvertragsstatut zur Anwendung kommt, wird es mitunter als Eingriffsrecht bezeichnet und in Verbindung mit Art. 9 Rom I-VO gebracht.1319 Dies liegt insofern nahe, als die Bestimmung des internationalen Anwendungsbereichs des materiellen Verordnungsrechts grundsätzlich der Ausgestaltung des internationalen Geltungswillens von nationalen Vorschriften durch den nationalen Gesetzgebers entspricht. Zudem ähnelt die praktische Anwendung des Verordnungssachrechts derjenigen von nationalem Eingriffsrecht, da es sich gegenüber dem Vertragsstatut im Ergebnis durchsetzt. Gleichwohl handelt es sich bei diesem zwingenden europäischen Se-

PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 34. A.A. Monfort RLDA 2008, 82 f. 1314 Vgl. PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 27. 1315 Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (338); Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 39 ff.; Rauscher/Thorn, Art. 9 Rom I-VO Rn. 19; siehe auch die Nachweise bei MünchKommBGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 29. 1316 Siehe Hoffmann, EWS 2009, 254 (259 f.); Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO Rn. 132; Sonnenberger, in: FS Kropholler, 2008, S. 227 (232 f.); ders., in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung, 2013, S. 429 (435). Ausführlich zu dieser Frage Schilling, ZEuP 2014, 843 (845 ff.) und Kramer, in: Stone/Farah (Hrsg.), Research Handbook on EU Private International Law, 2015, S. 248 (279 ff.). 1317 Allerdings kann das Verbraucherrichtlinienrecht nunmehr auch für Transportverträge relevant werden, siehe oben § 3 – B.II.1. Fn. 489. 1318 Siehe hierzu den Überblick oben § 1 – B. 1319 Vgl. Schollmeyer, IPRax 2004, 78 (82) Fn. 41; PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 29; Staudinger/Sturm/Sturm, Einl zum IPR Rn 128; Steennot, in: Liber Amicorum Erauw, S. 175 (180). 1313

332

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

kundärrecht nicht um Eingriffsrecht im Sinne von Art. 9 Rom I-VO.1320 So bedürfen die materiell-rechtlichen Verordnungen schlichtweg dieser international-privatrechtlichen Öffnungsklausel nicht, da sie bereits aus eigenem Geltungsgrund zum Zuge kommen und schon aus systematischen Gründen Vorrang gegenüber dem Verweisungsrecht der Rom I-Verordnung genießen.1321 Durch diese Vorschriften wird deshalb das durch Art. 5 Rom I-VO bestimmte Beförderungsvertragsstatut nicht „durchbrochen“. Bildlich gesprochen, handelt es sich dabei somit nicht um „Eingriffsrecht“ im Sinne von Recht, welches (nachträglich) in das eigentlich maßgebliche Vertragsstatut „eingreift“,1322 sondern um vorgeschaltetes Recht (also gewissermaßen „Vorgriffsrecht“), welches zur Anwendung kommt, bevor das Vertragsstatut überhaupt mittels des sekundärrechtlichen IPR bestimmt wird.1323 Deshalb können sich gegenüber dem Verordnungstransportrecht auch keine nationalen Eingriffsnormen durchsetzen.1324 Abgesehen von diesem systematischen Aspekt spricht gegen eine Einordnung der Vorschriften der materiellen Transportrechtsverordnungen als Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO, dass erstere, namentlich die europäischen Fahrgastrechteverordnungen, vornehmlich dem privatrechtlichen Interessenausgleich dienen und keine übergeordneten öffentlichen Interessen verfolgen. Weiterhin stellen auch die Vorschriften über den räumlichen Anwendungsbereich keine Eingriffsnormen dar. Diese sind kein Mittel zur Durchsetzung staatlicher Interessen, sondern sollen lediglich die Parteiautonomie dort unterbinden, wo diese als privatrechtlich unverhältnismäßig angesehen wird.1325 Aus diesen Gründen ist zwingendes vom Gericht unmittelbar anzuwendendes Staatsvertragsrecht nicht als Eingriffsrecht im Sinne von Art. 9 Rom I-VO anzusehen.1326 Auch die im Inland geltenden Transportrechtskonventionen gehen bereits systematisch dem IPR der Rom I-Verordnung vor.1327 Das zwingende Transportrecht etwa der CMR oder des MÜ findet somit grundsätzlich unabhängig von der Öffnungsklausel des Art. 9 Rom I-VO Berücksichtigung.

Ebenso Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 169; MünchKommBGB/ Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 82. 1321 Näher dazu oben § 3 – B.II.2.a). Ebenso Führich, Sonderbeilage MDR 7/2007, S. 1 (14). 1322 Zum Ursprung des Begriffs „Eingriffsnorm“ siehe Siehr, RabelsZ 54 (1988), 41 f. 1323 Siehe oben § 3 – B.II.2.a). 1324 Zutreffend Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 169. 1325 Kuipers, RabelsZ 76 (2012), 562 (582). 1326 Dafür aber Dicey/Morris/Collins, Rn. 33-080 und 33-110; Legros, RD transp. 2/ 2009, 12 (16). Wie hier dagegen Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 169. 1327 Näher dazu oben § 3 – B.I.3.b). 1320

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

333

2. Zwingendes Transportvertragsrecht Im deutschen Transportvertragsrecht existieren mehrere Bestimmungen, die möglicherweise einen international zwingenden Geltungsanspruch haben und so gegenüber ausländischem Transportvertragsrecht durchgesetzt werden können. a) §§ 449 Abs. 3, 451h Abs. 3, 466 Abs. 4 HGB Zunächst wären insoweit die Vorschriften der §§ 449 Abs. 3, 451h Abs. 3 sowie 466 Abs. 4 HGB zu nennen. Diese schreiben vor, dass die zwingenden Normen des deutschen Frachtrechts auch dann anzuwenden sind, wenn der Fracht- bzw. Umzugs- bzw. Speditionsvertrag ausländischem Recht unterliegt, sich jedoch der Übernahme- und der Ablieferungsort des Gutes im Inland befinden. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass der deutsche Gesetzgeber das jeweils davon abgedeckte Beförderungsvertragsrecht als international zwingend ausgestalten wollte.1328 Entsprechend wird das deutsche Gütertransportvertragsrecht als Eingriffsrecht im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO angesehen.1329 Aus den §§ 449 Abs. 3, 451h Abs. 3 sowie 466 Abs. 4 HGB wird indes deutlich, dass sich der darin manifestierte internationale Anwendungsbefehl nicht nur auf die Verbraucherkonstellation bezieht, sondern auch auf das für Kaufleute geltende Verbot formularmäßiger Haftungsausschlüsse.1330 Dagegen wird davon nicht die Vorschrift des § 439 Abs. 4 HGB erfasst, sodass diese im Kabotagefall nicht zwingend international anzuwenden ist. Gegen die Einordnung der genannten frachtrechtlichen Bestimmungen als Eingriffsrecht werden allerdings systematische Einwände erhoben.1331 Zutreffend daran ist, dass diese Normen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Kabotage-Verordnungen fallen.1332 Streng genommen bilden sie somit keinen Anwendungsfall von Art. 9 Rom I-VO, sondern von den vorrangigen Öffnungsklauseln der Kabotage-Verordnungen.1333 Gleichwohl stehen die jeweils von diesen Öffnungsklauseln abgedeckten Rechtsnormen in keinem BT-Drs. 13/8445, S. 88, 98, 116. OLG Köln IPRspr. 2004, Nr. 43; Reithmann/Martiny/Freitag, Rn. 617; Staudinger/ Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 170; PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 17; Staudinger/ Sturm/Sturm, Einl zum IPR Rn. 648; Oetker/Paschke, § 449 Rn. 20; Hartenstein/Reuschle/ Völker, Kap. 11 Rn. 59; Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (32). A.A. wohl Reithmann/ Martiny/Mankowksi, Rn. 2728 ff. Nach Erman/Hohloch, Art. 5 Rom I-VO Rn. 13 sei in Kabotage-Fällen das inländische Recht schon über Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO anzuwenden, sodass es einer Heranziehung von Art. 9 Rom I-VO nicht mehr bedürfe. 1330 Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 170. 1331 Reithmann/Martiny/Mankowksi, Rn. 2728 ff.; Martiny, RIW 2009, 737 (748). 1332 Siehe dazu oben § 3 – A.II.2.b). 1333 Vgl. Staudinger, IPRax 2001, 183 (184). 1328 1329

334

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

strikten Ausschlussverhältnis. So bleibt es den Mitgliedstaaten unbelassen, den durch die Kabotage-Verordnungen gewährten Regelungsspielraum durch die Schaffung von Eingriffsrecht auszunutzen.1334 Sofern der Staat sein eigenes Kabotagerecht als entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO ansieht, sind die Grenzen fließend. Dass dem – wie im Falle Deutschlands – so ist, liegt sogar nahe, denn die Wirkungserstreckung von inländischem Transportvertragsrecht auf den ausländischen Kabotagebeförderer erfolgt vor einem wettbewerbsrechtlichen Hintergrund.1335 Die charakteristische Besonderheit, die dieses spezielle (Kabotage-)Eingriffsrecht gegenüber allgemeinem Eingriffsrecht auszeichnet, ist allein, dass es von allen mitgliedstaatlichen Gerichten zwingend zu beachten ist. Denn insofern verdrängen die sekundärrechtlichen Kabotage-Öffnungsklauseln aufgrund ihrer Spezialität die Regelung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO.1336 Die Verabschiedung der Rom I-Verordnung, insbesondere des neuen Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, führt dagegen nicht zu einer Verdrängung der §§ 449 Abs. 3, 451h Abs. 3 und 466 Abs. 4 HGB.1337 b) §§ 452 ff. HGB Auch im deutschen Recht des Multimodaltransportvertrages finden sich Vorschriften mit international-privatrechtlichen Bezügen. Von ihnen ist § 452d Abs. 3 HGB als Beispiel für eine Eingriffsnorm im Sinne von Art. 9 Rom IVO genannt worden, weil dieser die Unwirksamkeit von Vereinbarungen, die die Anwendung der für eine Teilstrecke zwingend geltenden Bestimmungen eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen internationalen Übereinkommens ausschließen, anordnet.1338 Diese Einschätzung ist jedoch unzutreffend. Denn bei der in dieser Norm getroffenen Anordnung handelt es sich lediglich um eine klarstellende und im Grunde überflüssige Aussage.1339 Eine Konvention entscheidet schließlich selbst darüber, in welchen Grenzen ihre Vorschriften durch die Parteien abdingbar sind.1340 Da das staatsvertragliche Sachrecht zudem dem sekundärrechtlichen IPR vorgeschaltet ist,1341 1334 Vgl. Staudinger, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, § 22 Rn. 113. Ähnlich Rauscher/ Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 45 laut dem es dahinstehen kann, ob es sich bei den HGBVorschriften um Eingriffsnormen handelt. 1335 Siehe oben § 3 – A.II.2.b)bb). A.A. Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2728; Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 60. 1336 Siehe oben § 3 – A.II.2.b)cc). 1337 Diese Frage aufwerfend MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 53. 1338 Reithmann/Martiny/Freitag, Rn. 618; Rauscher/Thorn, Art. 9 Rom I-VO Rn. 56; Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 23. 1339 Siehe Bydlinsky, TranspR 2009, 389 ff. m. w. N.; Ramming, Rn. 748. 1340 Ramming, Rn. 748. 1341 Siehe oben § 3 – B.I.3.

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

335

kann von einer etwaig zwingend ausgestalteten Konventionsregelung auch nicht kraft einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl abgewichen werden. Bei § 452d Abs. 3 HGB handelt es sich daher keineswegs um eine Eingriffsnorm im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO. Weiterhin sei an dieser Stelle festgestellt, dass auch § 452a HGB kein eingriffsrechtlicher Charakter zukommt.1342 Bei dieser Norm ist seit jeher umstritten, inwieweit es sich um eine Regelung des Internationalen Privatrechts handelt.1343 Allerdings geht es bei dieser Diskussion gerade nicht um den internationalen Geltungsanspruch des deutschen materiellen Rechts.1344 Infolge der Verabschiedung von Art. 5 Rom I-VO wird nunmehr vertreten, dass § 452a HGB durch das sekundärrechtliche IPR, welches im Gegensatz zum internationalen Einheitsrecht auch auf Multimodaltransportverträge grundsätzlich anwendbar ist,1345 verdrängt werde.1346 Dies ist allerdings nicht der Fall. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine deutsche Sachnorm, die hinsichtlich der Haftung des Multimodalfrachtführers auf das jeweilige Teilstreckenrecht abstellt und dafür eine hypothetische Anknüpfung vornimmt.1347 Dabei unterscheidet sich der hypothetisch-sachrechtliche von dem kollisionsrechtlichen Anknüpfungsgegenstand, denn während sich die kollisionsrechtliche Vorprüfung des anwendbaren (Sach-)Rechts auf den Multimodaltransportvertrag als solches bezieht, wird im Rahmen der Verweisung des § 452a HGB ein (hypothetischer) unimodaler Teilstreckenvertrag angeknüpft. Somit liegt hinsichtlich des eigentlich über Art. 5 Rom I-VO angeknüpften Multimodalvertrages auch keine unzulässige Rück- bzw. Weiterverweisung vor.1348 Mithin handelt es sich bei § 452a HGB nicht um eine Kollisionsnorm im Sinne der Rom I-Verordnung,1349 da sie keinen Konflikt der Rechte, sprich verschiedener, um Anwendung konkurrierender nationaler Rechtsordnungen,

Dies dagegen andeutend Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Fn. 237. Siehe etwa Drews, TranspR 2003, 12 ff.; Hartenstein, TranspR 2005, 9 ff.; Herber, TranspR 2005, 59 (61 f.); ders. TranspR 2006, 435 ff. Siehe den Überblick zu den verschiedenen Ansätzen bei Shariatmadari, TranspR 2010, 275 (279). 1344 Eher umgekehrt geht es um die Frage, inwieweit im Rahmen des § 452a HGB für die Bestimmung des hypothetischen Teilstreckenrechts eine kollisionsrechtliche Vorprüfung zu erfolgen hat und somit ausländische Sachnormen in die inländische Rechtsordnung zu integrieren wären. 1345 Siehe oben § 6 – B.I.3.e) und unten § 10 – C. 1346 Jayme/Nordmeier, IPRax 2008, 503 (507); Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 37 Rn. 53; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 75 Fn. 237. 1347 Dabei handelt es sich quasi um eine Art materiell-rechtlicher Vorfrage, welche anhand des jeweils geltenden IPR (sprich nunmehr Art. 5 Rom I-VO) geklärt wird, siehe MünchKommHGB/Herber, § 452a Rn. 29; Shariatmadari, TranspR 2010, 275 (279 f.); ausführlich Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 3068 ff. m. w. N. 1348 So das Argument von Jayme/Nordmeier, IPRax 2008, 503 (507). 1349 So aber Jayme/Nordmeier, IPRax 2008, 503 (507). 1342 1343

336

2. Kapitel: Die neue europäische Kollisionsnorm – Art. 5 Rom I-VO

beseitigen will.1350 Die Prämisse von § 452a HGB ist vielmehr, dass bereits eine international-privatrechtliche Anknüpfung des Multimodaltransportvertrages erfolgte und zwar mit dem Ergebnis, dass deutsches Sachrecht anwendbar ist. Diese Vorschrift des deutschen Multimodaltransportvertragsrechts wird daher von Art. 5 Rom I-VO nicht verdrängt.1351 c) Art. 6 EGHGB? Auch Art. 6 EGHGB ist mitunter als Eingriffsnorm (i. S. v. Art. 34 EGBGB) bezeichnet worden.1352 Allerdings ist diese Vorschrift, wie auch schon zu Zeiten des EVÜ,1353 nicht als international zwingende Regelung im Sinne von Art. 9 Rom I-VO anzusehen.1354 Hinsichtlich der Vorschriften der Haager Regeln stellt Art. 6 EGHGB lediglich eine ins nationale Recht integrierte Rechtsanwendungsnorm dar, die den Anwendungsbereich für internationales Einheitsrecht konkretisiert, welches bereits aus eigenem Geltungsgrund den Regeln der Rom I-Verordnung vorgeht.1355 Eine Anwendung von Art. 9 Rom I-VO stünde somit allenfalls hinsichtlich der von § 662 HGB abgedeckten und von Deutschland nicht ratifizierten Haag-Visby-Regeln im Raum, allerdings erfüllt das durch Art. 6 EGHGB erfasste Konnossementshaftungsrecht wohl kaum die rechtspolitischen Anforderungen an Eingriffsrecht.1356 3. Ein- und Ausfuhrbestimmungen Neben diesen Bestimmungen des Transportvertragsrechts können im Zusammenhang mit einem internationalen Beförderungsvertrag auch die Bestimmungen des Außenwirtschaftsrechts Bedeutung erlangen. So stellen spezielle Ein- und Ausfuhrverbote, wie sich aus dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG)1357 oder der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)1358 ergeben, Eingriffsnormen

1350 Ausführlich zu dem der Rom I-Verordnung zugrundeliegenden europäischen Kollisionsnormbegriff oben § 3 – B.I.3.a)bb). 1351 Ebenso Martiny, RIW 2009, 737 (748); Reithmann/Martiny/Mankowski Rn. 3068 f.; Koller, § 452a HGB Rn. 1. Dahingehend auch Drews, TranspR 2010, 327 (335 f.). 1352 Klingsporn, NJW 1987, 3042 (3043); ebenso wohl Soergel/v. Hoffmann, Art. 34 EGBGB Rn. 74. Siehe jüngst auch Herber, TranspR 2013, 368 (369). 1353 Vgl. nur Staudinger/Magnus (2002), Art. 34 EGBGB Rn. 97 m. w. N. 1354 Ebenso Staudinger/Magnus, Art. 9 Rom I-VO Rn. 170; Reithmann/Martiny/Freitag, Rn. 618; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 121; Staudinger/Sturm/Sturm, Einl zum IPR Rn. 648. 1355 Vgl. oben D.III.1. 1356 Siehe oben Fn. 435 m. w. N. 1357 BGBl. 1961 I, 481, i.d. F. vom 27.5.2009 (BGBl. 2009 I, 1150). 1358 BGBl. 1986 I, 2671, i. d. F. vom 22.11.1993 (BGBl. 1993 I, 2493).

§ 8 Verhältnis zu anderen Bestimmungen der Rom I-VO

337

im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO dar.1359 Daneben enthält das europäische Unionsrecht außenwirtschaftliche Bestimmungen, etwa in der VO 428/ 20091360, die ebenfalls durch das Gericht beachtet werden müssen.1361 Ebenso ergeben sich mitunter aus dem Kulturgüterschutz Ausfuhrverbote, die als international zwingend anzusehen sind.1362 Derartige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen können insbesondere auf internationale Beförderungsverträge durchschlagen.1363 Überdies könnten entsprechende ausländische Bestimmungen gegebenenfalls aufgrund von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO beachtlich sein.1364

1359 Siehe PWW/Remien, Art. 9 Rom I-VO Rn. 11; MünchKommBGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 65. Ausführlich zum Eingriffsnormcharakter des Außenwirtschaftsrechts Remien, RabelsZ 54 (1990), 431 ff. 1360 Verordnung (EG) Nr. 428/2009 vom 5.5.2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, ABl. 2009 L 134, 1. 1361 Näher dazu MünchKommBGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 62 f. 1362 Reithmann/Martiny/Freitag, Rn. 585 f. m. w. N. 1363 Siehe beispielhaft die bei Remien, in: FS v. Hoffmann, S. 334 (343 f.) m. w. N. besprochenen Entscheidungen, insbesondere die der französischen cour de cassation zu einem ghanaischen Rindfleischembargo. 1364 Vgl. oben D.II.1.

3. Kapitel

Die praktische Bedeutung der supranationalen Beförderungsvertragskollisionsnorm 3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO Dieses Kapitel ist der praktischen Relevanz des sekundärrechtlichen Beförderungsvertrags-IPR gewidmet. Vor dem Hintergrund des mannigfaltig existierenden Einheitstransportrechts stellt sich schließlich die grundlegende Frage, inwiefern Art. 5 Rom I-VO überhaupt praktische Bedeutung erlangen wird. Denn wie im ersten Kapitel festgestellt wurde, wird das IPR der Rom IVerordnung durch staatsvertraglich und sekundärrechtlich vereinheitlichtes Sachrecht grundsätzlich verdrängt.1 Daraus folgt für Art. 5 Rom I-VO, dass die Vorschrift nur insoweit Bedeutung erlangen kann, wie materielles Einheitstransportrecht nicht eingreift. Angesichts der Vielzahl an transportrechtlichen Einheitsrechtsakten wird deshalb weithin angenommen, dass die neue Beförderungsvertragskollisionsnorm kaum zur Anwendung kommen werde.2 Dabei handelt es sich jedoch um eine pauschale Prognose, die es zu überprüfen und zu konkretisieren gilt. Deshalb soll im Folgenden das praktische Anwendungsfeld von Art. 5 Rom I-VO genauer untersucht werden. Das praktische Anwendungsfeld von Art. 5 Rom I-VO wird durch das vorrangige internationale Einheitsrecht negativ determiniert. Da das internationale Transportrecht jedoch keine homogene Masse, sondern eine Summe von Einzelrechtsakten darstellt, muss bei der Bestimmung der konkreten praktischen Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsinstrumente berücksichtigt werden. Für ein exaktes Bild müssten der Geltungs- und Anwendungsbereich sowie der konkrete Regelungsgehalt eines jeden konkurrierenden, materiellen Transportrechtsaktes erschöpfend analysiert und festgestellt werden. Eine entsprechend umfassende Untersuchung sprengt jedoch den Rahmen einer einzelnen Arbeit und kann deshalb hier nicht vorgenommen werden. Stattdessen verfolgt die Analyse in diesem Kapitel einen stärker abstrahierenden Ansatz. So sollen hier zunächst diejenigen Konstellationen herausgearbeitet werden, in denen insbesondere im Hinblick auf bestehendes materielles Einheitstransportrecht dennoch Raum für eine Anwendung des Kollisionsrechts des Art. 5 Rom I-VO bestehen kann (§ 9). Dazu im Detail oben § 3 – B. Siehe nur Mankowski, IHR 2008, 133 (140); ders. EuZ 2009, 2 (6); PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 1; Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12. 1 2

340

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

Der sich daraus ergebende Anwendungsspielraum, soll sodann weiter veranschaulicht werden. Zum einen werden dafür die verschiedenen Regelungsansätze des internationalen Transportrechts systematisiert und jenen von Art. 5 Rom I-VO gegenüber gestellt (§ 10). Zum anderen soll aufgezeigt werden, wie bedeutsam das Beförderungsvertrags-IPR für die Füllung inhaltlicher Lücken des internationalen Sachrechts ist (§ 11). Mithilfe dieser Feststellungen lässt sich abschließend der praktische Anwendungsbereich der europäischen Kollisionsnorm für Beförderungsverträge positiv formulieren und damit ihre tatsächliche Bedeutung konkreter umreißen (§ 12).

§ 9 Anwendungskonstellationen für Art. 5 Rom I-VO im Hinblick auf konkurrierendes vorrangiges Einheitstransportrecht

§ 9 Anwendungskollisionen Bevor die Konkretisierung des praktischen Anwendungsbereichs von Art. 5 Rom I-VO in Angriff genommen werden kann, muss zunächst bestimmt werden, was in diesem Zusammenhang überhaupt unter „Anwendung“ zu verstehen ist. Denn je nachdem wie weit dieser Begriff gefasst wird, vergrößert bzw. verringert sich der konkrete Wirkungsbereich der Vorschrift erheblich. Im Folgenden soll unter „Anwendung“ von Art. 5 Rom I-VO ausschließlich der Rückgriff auf die Vorschrift in der Phase der Rechtsfindung, also der Bestimmung des anwendbaren Sachrechts, verstanden werden. Denn dies ist der eigentliche und wesenstypische Funktionsbereich des supranationalen Verweisungsrechts.3 Soweit letzteres (von einem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber) darüber hinaus für andere Zwecke herangezogen wird, etwa für die Begründung der (autonomen) internationalen Zuständigkeit4 oder beispielsweise im Rahmen von § 452a HGB5, bleibt dies hier unberücksichtigt. Welche Anwendungsszenarien lassen sich nun – in der Phase der Bestimmung des anwendbaren Sachrechts – für Art. 5 Rom I-VO im Hinblick auf bestehendes vorrangiges Einheitstransportrecht ausmachen?6

Vgl. Erwägungsgrund (6) a. E. Es wäre zumindest denkbar, dass ein Mitgliedstaat die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte an die Ergebnisse der kollisionsrechtlichen Anknüpfung koppelt. Ein solcher Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbaren Recht findet jedoch im europäischen sowie jedenfalls im autonomen deutschen internationalen Vertragsprozessrecht nicht statt (vgl. nur Kropholler, IPR, S. 612 f.). Insoweit erlangt Art. 5 Rom I-VO also keine weitere praktische Bedeutung. Dagegen sieht Legros, RD transp. 2/2009, 12 darin ein Anwendungsfeld der supranationalen Beförderungsvertragskollisionsnorm. 5 Das deutsche Sachrecht für Multimodalfrachtverträge greift in § 452a HGB auf das Internationale Privatrecht des Art. 5 Rom I-VO zurück. Dabei handelt es sich um eine Art materiell-rechtlicher Vorfrage (näher hierzu oben § 8 – D.III.2.b)). 3 4

§ 9 Anwendungskollisionen

341

Eine Anwendung von Art. 5 Rom I-VO kommt dabei zunächst dort in Betracht, wo etwaiges konkurrierendes Transportrecht vor Gericht nicht zu beachten ist, weil dieses seine Wirkung überhaupt nicht auf den (europäischen) Forumstaat erstreckt. Das europäische IPR wird somit grundsätzlich dann relevant, wenn das Forum außerhalb des Geltungsbereichs des jeweiligen materiellen Einheitsrechtsaktes liegt (A.). Eine weitere grundlegende Anwendungskonstellation für Art. 5 Rom I-VO ist darin zu sehen, dass der transnationale Transportrechtsakt im Gerichtsstaat zwar prinzipiell territorial anwendbar, jedoch im konkreten Sachverhalt (mindestens) eine durch das Einheitsrecht selbst definierte Anwendungsvoraussetzung nicht gegeben ist (B.). Mit anderen Worten erlangt das supranationale Beförderungsvertragskollisionsrecht dann Bedeutung, wenn materielles Einheitstransportrecht im konkreten Fall grundsätzlich nicht zur Anwendung kommt. Doch selbst in dem Fall, dass sowohl der jeweilige Geltungs- als auch Anwendungsbereich eines internationalen Sachrechtsaktes gegeben ist,7 kann das supranationale Kollisionsrecht unter Umständen Bedeutung erlangen (C.). Im Ergebnis können somit verschiedene praxisrelevante Anwendungskonstellationen für Art. 5 Rom I-VO bestimmt werden (D.). A. Formelle Unwirksamkeit des transnationalen Transportrechtsaktes im Forumstaat Hinsichtlich ihrer formellen (Un-)Wirksamkeit im Forumstaat müssen transnationale Einheitsrechtsakte nach ihrer Provenienz unterschieden werden. Denn während staatsvertragliches Transportrecht diesbezüglich völkerrechtlichen Vorgaben unterworfen ist (I.), gelten für supranationales Beförderungsvertragsrecht insoweit europarechtliche Maßstäbe (II.). Deshalb ist auch die Bestimmung des Geltungsbereichs des Einheitstransportrechts (als Ganzem) entscheidend von dieser Kategorisierung geprägt (III.). I.

Staatsvertragsrecht

Die Wirksamkeit von staatsvertraglichem Transportrecht im Forumstaat unterliegt im Wesentlichen zwei formellen Voraussetzungen:8 Damit es von einem staatlichen Gericht berücksichtigt werden muss, ist einerseits notwendig, dass das völkervertragliche Recht in die innerstaatliche Rechtsordnung, 6 Siehe auch, wenngleich anders bzw. weniger stark differenzierend, Legros, RD transp. 2/2009, 12; Delebecque, in: Scritti in onore di Francesco Berlingieri, 2010, S. 431 (432); Paschke/Furnell, Rn. 239. 7 Zum Begriff des Geltungs- in Abgrenzung zum Anwendungsbereich Drobnig, in: FS v. Overbeck, S. 15 (17); Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, 2. Aufl. 1976, S. 182. 8 Vgl. in diesem Zusammenhang auch MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Art. 3 EGBGB Rn. 6.

342

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

etwa per Ratifikation, integriert wurde.9 Hat ein Staat hingegen eine Konvention nicht ratifiziert, sind die dort ansässigen Gerichte auch nicht an das Konventionsrecht gebunden. Zusätzlich zu dieser verfassungsrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzung, ist andrerseits nötig, dass das staatsvertragliche Rechtsinstrument zwischen den Vertragsparteien in Kraft getreten ist, was in der Regel mit einer bestimmten Anzahl von Ratifikationen verbunden ist.10 Ist diese Mindestanzahl hingegen nicht gegeben, wie aktuell etwa im Fall der RR,11 ist eine entsprechende Konvention auch für solche Gerichte, die in einem Ratifikationsstaat ansässig sind, nicht verbindlich. Umgekehrt bedeutet das für den Anwendungsspielraum von Art. 5 Rom IVO, dass die Vorschrift einerseits dann nicht verdrängt wird, wenn ein etwaiges konkurrierendes Transportrechtsübereinkommen vom Forumstaat (noch) nicht formal ratifiziert wurde. Insbesondere bleibt das supranationale Kollisionsrecht auch dann relevant, wenn ein Mitgliedstaat einschlägiges Staatsvertragsrecht ohne Ratifikation nur materiell in sein nationales Recht überführt hat. Entsprechend wäre Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO vor deutschen Gerichten auch vor den Bestimmungen der Anlange zu § 664 HGB a. F. zum Zuge gekommen, mit denen die Regelungen des AÜ 1974 ins deutsche Recht inhaltlich übernommen worden waren.12 Andrerseits besteht ein Spielraum für eine Anwendung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR, solange ein infragekommender Staatsvertrag mangels der erforderlichen Mindestanzahl an Ratifikationen (noch) nicht in Kraft ist. II. Unionsrecht Im Gegensatz zum Staatsvertragsrecht gilt das gegenüber Art. 5 Rom I-VO vorrangige sekundärrechtliche Transportrecht prinzipiell in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es des Zwischenschrittes eines besonderen Inkorporationsaktes bedarf. Schließlich handelt es sich dabei ausschließlich um Verordnungen im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV,13 die auch nicht aus einer verstärkten Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gemäß der Art. 326 ff.

Siehe oben § 2 – B.I.1. Bspw. fünf Ratifikationen im Falle der CMR (Art. 43 Abs. 1) und der CMNI (Art. 34 Abs. 1); hingegen 30 im Falle des MÜ (Art. 53 Abs. 6 S. 1). 11 Nach Art. 94 Abs. 1 RR sind für das Inkrafttreten 10, nach 20 Ratifikationen notwendig. 12 Die Anwendung der Rom I-Verordnung ist in diesem Fall nicht ausgeschlossen, weil aus Sicht des deutschen Gerichts weiterhin ein conflict of laws besteht, siehe oben § 3 – B.I.3.b)bb), insbesondere Fn. 470. 13 Europäisches Richtlinienrecht ist als Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht gegenüber Art. 5 Rom I-VO vorrangig, siehe oben § 3 – B.II.1. 9

10

§ 9 Anwendungskollisionen

343

AEUV hervorgegangen sind.14 Das hat zur Folge, dass das europäische Transportrecht grundsätzlich innerhalb des Gebietes der Union flächendeckend Geltung beansprucht. Es ist damit per se für die Gerichte aller EUMitgliedstaaten verbindlich.15 Dementsprechend hängt seine Gültigkeit auch nicht – wie bei Staatsverträgen üblich – von einer bestimmten Ratifikationsquote ab. Die Unwirksamkeit eines supranationalen Rechtsakts kann sich somit allenfalls daraus ergeben, dass der EuGH dessen Nichtigkeit gemäß Art. 263 f. AEUV feststellt. Dass dies jedoch im Bereich des europäischen Transportvertragsrechts geschieht, ist sehr unwahrscheinlich. Folglich ist davon auszugehen, dass das supranationale Transportrecht auch in Zukunft von den mitgliedstaatlichen Gerichten als verbindlich zu berücksichtigen ist, sodass sich zumindest aus diesem Grund kaum ein Anwendungsspielraum für Art. 5 Rom I-VO ergeben wird. III. Vergleich der Geltungsbereiche von Transportvertrags-IPR und materiellem Einheitsrecht Vergleicht man nun den Geltungsbereich des bestehenden transnationalen Transportrechts mit jenem von Art. 5 Rom I-VO, werden mehrere Aspekte deutlich: So ist zunächst festzuhalten, dass die Rom I-Verordnung wie auch das materiell-rechtliche Unionsrecht grundsätzlich unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten. Da das europäische Vertragskollisionsrecht allerdings der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen i. S. d. Art. 81 AEUV (ex-Art. 65 EGV) entspringt, kommt es nicht in Dänemark zur Geltung, vgl. Erwägungsgrund (46) Rom I-VO.16 Infolgedessen ist der räumliche Geltungsbereich des supranationalen Transportvertrags-IPR verglichen mit jenem des Sachrechts gleicher Provenienz etwas kleiner. Das bedeutet, dass sich im Hinblick auf materielles europäisches Transportvertragsrecht im Grunde kein exklusiver territorialer Anwendungsspielraum für Art. 5 Rom IVO ergeben kann. Die Situation, dass sich für Art. 5 Rom I-VO ein Anwendungsfenster öffnet, weil ein materieller Transportrechtsakt im Forumstaat formell nicht wirksam ist, kann somit allenfalls im Zusammenhang mit staatsvertraglichem Einheitsrecht auftreten. Insoweit muss der Geltungsbereich für jede einzelne infragekommende Konvention separat bestimmt und insbesondere deren jeweiliger Ratifikationsstand berücksichtigt werden. Im 14 An diesen Rechtsakten, wie z. B. der Rom III-Verordnung (siehe oben § 3 – B.I.3.a)bb)(1)), beteiligt sich nur ein Teil der Mitgliedstaaten mit der Folge, dass dieses supranationale Recht nicht im gesamten Unionsgebiet verbindlich ist. 15 Siehe auch oben § 2 – B.II. 16 Dänemark beteiligt sich grundsätzlich nicht an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, vgl. das 5. Protokoll über die Position Dänemarks im Anhang zum Amsterdamer Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Folglich ist auch die Rom I-Verordnung in Dänemark nicht anwendbar.

344

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

Vergleich zum Staatsvertragsrecht wird dabei aber tendenziell Art. 5 Rom IVO der größere Geltungsbereich zukommen, schließlich decken viele Konventionen das Territorium der Europäischen Union lediglich partiell ab.17 Dies gilt jedoch nicht für solche internationalen Übereinkommen, denen die Union selbst beigetreten ist oder die sie mittelbar in die Unionsrechtsordnung inkorporiert hat, denn diese beanspruchen dann ebenfalls unionsweit Geltung.18 Infolge dieser regen Aktivität der EU vergrößert sich die Schnittmenge zwischen dem Geltungsbereich des supranationalen BeförderungsvertragsIPR und jenem des materiellen Einheitstransportrechts (als Summe aller Rechtsakte) zunehmend. Dadurch verringert sich umgekehrt in territorialer Hinsicht das praktische Anwendungsfeld von Art. 5 Rom I-VO. B. Unanwendbarkeit des materiellen Einheitsrechts auf den konkreten Sachverhalt Auch wenn ein Einheitsrechtsakt prinzipiell im Forumstaat institutionell wirksam ist, also territorial Anwendung findet, heißt das nicht, dass das von ihm gesetzte Recht in jedem Fall vor Gericht Anwendung findet und somit das IPR verdrängt. Vielmehr knüpfen die Rechtsinstrumente des Einheitsrechts selbst ihre Anwendung an das Vorliegen verschiedener Voraussetzungen. Die einheitsrechtlichen Regelungen beanspruchen somit nur innerhalb eines bestimmten Anwendungsbereiches Geltung. Dies gilt auch für die Rechtsakte des transnationalen Transportrechts, die ebenfalls, zumeist in den einleitenden Vorschriften, eine entsprechende Definition aufweisen.19 Aus diesem Umstand ergibt sich wiederum ein potentieller Anwendungsspielraum für Art. 5 Rom I-VO: Überall dort, wo das materielle Einheitstransportrecht in zeitlicher, räumlicher, persönlicher oder sachlicher Hinsicht in seiner Anwendung beschränkt ist, könnte – sofern es seinerseits einen größeren Bereich abdeckt – das europäische Beförderungsvertrags-IPR zum Tragen kommen. Um zu ermitteln, wann derartige „externe Lücken“ des transnationalen Transportrechts durch Art. 5 Rom I-VO ausgefüllt werden können, ist ein spezifischer Vergleich der Anwendungsbereiche des transnationalen Transportrechts und des Kollisionsrechts notwendig.20

Hierzu genauer auch unten § 12 – A. Namentlich ist die Union dem MÜ, der COTIF und dem AÜ beigetreten. Letzteres hatte die Union vorab teilweise durch die VO 392/2009 inkorporiert und damit die Wirksamkeit der Regelungen auf das Unionsgebiet erstreckt. 19 Zum kollisionsrechtlichen Gehalt dieser „Rechtsanwendungsnormen“ siehe oben das 1. Kapitel, namentlich § 3 – B.I.3.a)bb). 20 Siehe dazu sogleich § 10. 17 18

§ 9 Anwendungskollisionen

345

C. Spielräume für Art. 5 Rom I-VO trotz Einschlägigkeit des materiellen Einheitsrechts Ein praktisches Anwendungsfeld von Art. 5 Rom I-VO kann sich im Hinblick auf prinzipiell vorrangiges transnationales Transportrecht auch dann ergeben, wenn letzteres im Forumstaat verbindlich gilt und im konkreten Fall einschlägig und somit grundsätzlich anwendbar ist. So wäre dies zum einen möglich, sofern das materielle Einheitsrecht selbst das europäische Beförderungsvertrags-IPR vorschalten würde (I.). Zum anderen könnte Art. 5 Rom I-VO theoretisch in der Konstellation Anwendung finden, dass die Parteien – das grundsätzlich im Forumstaat sowie im konkreten Fall anwendbare – materielle Einheitsrecht abwählen (II.). Weiterhin kommt eine Anwendung des europäischen Beförderungsvertrags-IPR im Rahmen von internen Lücken des transnationalen Transportrechts in Betracht, also dann, wenn letzteres den konkreten Sachverhalt nicht abschließend regelt (III.). I.

Vorschaltung von IPR für die Einheitsrechtsanwendung

Ein Rückgriff auf Art. 5 Rom I-VO trotz grundsätzlicher Einschlägigkeit von transnationalem Transportrecht käme theoretisch dann in Betracht, wenn letzteres dies im Rahmen seiner Anwendungsbereichsbestimmung selbst vorsähe. Ein Beispiel für eine derartige Vorschaltung von IPR enthält das CISG, dessen Art. 1 Abs. 1 lit. b bestimmt, dass das Übereinkommen zur Anwendung kommt, sofern das Kollisionsrecht (des Forumstaats) auf einen Vertragsstaat des Übereinkommens verweist. Dabei wird das IPR im Rahmen der Anwendung des Einheitsrechtsaktes herangezogen. Allerdings weist das internationale Transportrecht – zumindest das bisherige – eine derartige Vorschaltlösung nicht auf. Die transportrechtlichen Rechtsakte definieren stattdessen ihren internationalen Anwendungsbereich ausschließlich anhand räumlicher Kriterien und lassen kollisionsrechtliche Erwägungen prinzipiell außen vor.21 II. Abwählbarkeit des Einheitsrechts durch Parteivereinbarung In der Literatur wird vereinzelt angemerkt, dass Art. 5 Rom I-VO zur Anwendung kommen werde, sofern die Parteien den konkurrierenden materiellen Einheitsrechtsakt durch Parteivereinbarung abwählten.22 Eine solche Abwahlmöglichkeit ist wiederum aus dem internationalen Kaufrecht bekannt, Im Rahmen von Art. 1 § 2 CIM ist zwar die Anwendung des vereinheitlichten Eisenbahnfrachtrechts auch für den Fall einer ausdrücklichen Wahl durch die Beförderungsvertragsparteien vorgesehen. Allerdings ist auch dies nur möglich, wenn ein räumlicher Bezug zu einem Vertragsstaat gegeben ist. Zu den räumlichen Anknüpfungspunkten des transnationalen Transportrechts im Einzelnen unten § 10 – A. 22 So Paschke/Furnell, Rn. 239; Legros, RD transp. 2/2009, 12 Rn. 1. 21

346

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

wo Art. 6 CISG die Anwendung des – grundsätzlich wirksamen und anwendbaren – Einheitsrechts ausdrücklich zur Disposition der Kaufvertragsparteien stellt. Dagegen zeichnet sich jedoch das staatsvertragliche Transportrecht durch seine zwingende Natur aus. Von den Konventionsregelungen abweichende Vereinbarungen werden dabei allgemein als nichtig erachtet (vgl. Art. 41 CMR; Art. 5 S. 1 CIM; Art. 23 Abs. 1 WA; Art. 26, 47, 49 MÜ; Art. 25 Abs. 1 CMNI; Art. 23 Abs. 1 CVR; Art. 5 S. 1 CIV; Art. 18 AÜ).23 Auch das supranationale Transportrecht ist grundsätzlich zwingend ausgestaltet.24 So darf von den europäischen Fahrgastrechten nicht durch beförderungsvertragliche Parteivereinbarung – jedenfalls zulasten des Passagiers – abgewichen werden (vgl. Art. 15 Abs. 1 VO 261/2004; Art. 6 Abs. 1 VO 1371/2007; Art. 6 VO 1077/2010; Art. 6 Abs. 1 VO 181/2011). Bei dem staatsvertragliches Transportrecht überschießend inkorporierenden Sekundärrecht (namentlich VO 2027/97; VO 1371/2007; VO 392/2009) ergibt sich der zwingende Charakter aus dem Verweis auf die jeweilige – ihrerseits zwingend ausgestaltete – Konvention. Wie aus dieser Gesamtschau deutlich wird, ist das transnationale Transportrecht grundsätzlich nicht-dispositiv ausgestaltet. Folglich kann die Anwendung dieser besonderen materiellen Einheitsrechtsregime auch nicht global durch Verweisung auf ein bestimmtes nationales Sachrecht ausgeschlossen werden. Deshalb lässt sich insoweit kein nennenswertes Anwendungsfeld für das Beförderungsvertrags-Kollisionsrecht des Art. 5 Rom I-VO ausmachen. III. Inhaltliche Lücken des transnationalen Transportrechts Die materielle Rechtsvereinheitlichung, insbesondere auf dem Gebiet des Transportrechts, zeichnet sich dadurch aus, dass sie inhaltlich stets auf bestimmte Regelungsgegenstände beschränkt bleibt.25 Daraus ergibt sich wiederum ein Anwendungsspielraum für Art. 5 Rom I-VO: So kann die Vorschrift dort Bedeutung erlangen, wo das einschlägige, vorrangige materielle Einheitsrecht den Sachverhalt nicht abschließend regelt und somit inhaltliche Lücken aufweist.26 Dieses Anwendungsfeld des supranationalen IPR ist damit in erster Linie abhängig von der Regelungsdichte des jeweiligen konkurrierenden Transportrechtsaktes (siehe dazu § 11). Gleichwohl kann auf Art. 5 Rom I-VO in diesem Fall keineswegs automatisch zurückgegriffen werden. Vielmehr müssen für eine Anwendung des supranationalen Beförderungsvertragskollisionsrechts weitere Bedingungen erfüllt sein. Siehe auch Baddack, S. 118 ff. Zu den Gründen für die Schaffung von zwingendem europäischen Recht Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, S. 147 ff. 25 Näher dazu unten § 11 – A. 26 Siehe nur OGH TranspR 2013, 344 (Bestimmung des Beförderungsvertragsstatuts durch Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO zur Ergänzung der CMR). 23 24

§ 9 Anwendungskollisionen

347

1. Autonomer Lückenschluss nicht möglich Lässt das vereinheitlichte Sachrecht im konkreten Sachverhalt rechtliche Fragen offen, ist zunächst zu überprüfen, ob die sich so ergebende Lücke nicht auf andere Weise auf einheitsrechtlicher Ebene geschlossen werden kann.27 Auch wenn der jeweilige Sachrechtsakt keine ausdrückliche Regelung enthält, könnte sich die Lösung des konkreten Rechtsproblems möglicherweise aus dem systematischen Gesamtzusammenhang ergeben, was eine entsprechende Analyse des Rechtsinstruments erforderlich macht. Kann eine Regelungslücke bereits durch Auslegung des Einheitsrechtsakts geschlossen werden, besteht für eine kollisionsrechtliche Anknüpfung dieser Frage kein Raum mehr. Der methodische Vorrang eines derartigen „autonomen“ Lückenschlusses ist mitunter im materiellen Einheitsrecht selbst festgelegt. So wird etwa in Art. 7 Abs. 2 CISG angeordnet, dass Fragen, die nicht ausdrücklich entschieden werden, soweit wie möglich „nach den allgemeinen Grundsätzen, die diesem Übereinkommen zugrunde liegen“ zu entscheiden sind. Allerdings ist so auch im Rahmen von internationalen Transportrechtsakten, die keine derartige Bestimmung aufweisen, zu verfahren.28 Denn der Rückgriff auf allgemeine autonome Rechtsgrundsätze zur Lückenschließung wird im Allgemeinen am ehesten dem Sinn des Einheitsrechts gerecht.29 Entsprechend ist auch vor einer Anwendung des supranationalen Beförderungsvertragskollisionsrechts sicherzustellen, dass eine interne Lücke im materiellen Transporteinheitsrecht nicht bereits durch Auslegung desselben geschlossen werden kann.30 2. Einheitsrecht nimmt keine eigene Verweisung vor Für den Fall, dass sich eine einheitsrechtliche Regelungslücke nicht auf materiell-rechtlicher Ebene durch allgemeine Grundsätze schließen lässt, ist vor einem Rückgriff auf Art. 5 Rom I-VO weiterhin zu prüfen, ob der jeweilige 27 Hinsichtlich der Feststellung und der Füllung von Lücken im internationalen Einheitstransportrecht bestehen mitunter methodische Divergenzen. Siehe dazu die rechtsvergleichende Studie von Eickelberg, Lückenfüllung im Einheitstransportrecht in Deutschland, England und den USA, 2004, S. 37 ff. und S. 114 ff. 28 Dafür Kadletz/Bürskens, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil E Rn. 8. So etwa für die CMR Staub/Helm, Art. 1 CMR Rn. 65 ff.; für das MÜ Reuschle, Präambel Rn. 49. 29 Kropholler, IER, S. 298 f. Siehe auch Gruber, S. 286 ff. So auch bezüglich der in der Fluggastrechte-VO nicht getroffenen Verjährungsbestimmungen Basedow, ZEuP 2014, 400 (404 ff.). 30 So explizit für den Fall der Ergänzung der CMR mit Hilfe von Art. 5 Rom I-VO OGH TranspR 2013, 344 (346). Vgl. allgemein auch Ferrari/Staudinger, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12; NK-BGB/Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 27. Im Einzelnen zur Auslegung von Instrumenten der Rechtsvereinheitlichung Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005, S. 31 ff.

348

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

Transportrechtsakt für die jeweilige Frage selbst eine anwendbare Ersatzrechtsordnung bestimmt, denn derartige Anordnungen wären gegenüber dem supranationalen IPR vorrangig.31 Diese können etwa in Form von sachrechtsergänzenden Bestimmungen, wie z. B. Art. 29 Abs. 1 CMR,32 oder von umfassenden Verweisungsnormen, wie im Falle von Art. 29 CMNI,33 auftreten. Handelt es sich bei der fraglichen einheitsrechtlichen Bestimmung jedoch um eine Gesamtverweisung,34 so wie es z. B. Art. 8 § 3 COTIF für die entsprechenden Regelungen der CIM und der CIV explizit anordnet, kann Art. 5 Rom I-VO als maßgebliches IPR der mitgliedstaatlichen leges forii Anwendung finden. Bisweilen wird deshalb in derartigen (Gesamt-)Verweisungen des materiellen Einheitsrechts ein eigenständiges Anwendungsfeld für Art. 5 Rom I-VO gesehen.35 3. Keine einheitsrechtliche Sperrwirkung Eine solche autonome Bestimmung einer Ersatzrechtsordnung wird insbesondere hinsichtlich solcher Regelungsgegenstände nicht vorliegen, die zwar prinzipiell in den Anwendungsbereich des materiellen Einheitsrechtsakts fallen, von diesem aber ansonsten vollständig außen vor gelassen werden. In dieser Konstellation stellt sich die grundlegende Frage, ob das positiv formulierte einheitsrechtliche Transportrechtsregime möglicherweise eine Sperrwirkung gegenüber abweichenden oder darüber hinausgehenden (nationalen) Regelungen erhebt. Wenn ein Rückgriff auf nationales Recht durch das Einheitsrecht ausgeschlossen sein würde, bestünde im gleichen Umfang kein Raum für die Anwendung von Verweisungsrecht. Denn dann würde durch das Einheitsrecht faktisch ein generelles Anknüpfungsverbot angeordnet, welches das rechtsquellensystematisch nachrangige supranationale IPR zu respektieren hätte. Namentlich für das Montrealer Übereinkommen wird eine umfassende Sperrwirkung des vereinheitlichten Sachrechts vertreten. So wird angenommen, dass dessen staatsvertragliche Regelungen als lex specialis einen Rückgriff auf jegliche andere Rechtsinstitute ausschließen.36 Ausgangspunkt für diese Rechtsauffassung ist Art. 29 S. 1 MÜ, welcher bestimmt, dass Ebenso (im Falle der CMR) OGH TranspR 2013, 344 (346) und allgemein NK-BGB/ Leible, Art. 5 Rom I-VO Rn. 27. Zum Vorrang des Einheitsrechts siehe oben § 3 – B.I.3.b)cc). Zu der Frage inwieweit es sich bei einer derartigen einheitsrechtlichen Verweisung dann um eine Kollisionsnorm im supranationalen Sinne der Rom I-Verordnung handelt, siehe oben § 3 – B.I.3.a)bb). 32 Weitere Beispiele solcher ergänzenden Normen oben § 3 – B.I.2.b)aa). 33 Dazu oben § 3 – B.I.2.b)cc). 34 Dies ist je nach Konvention mitunter strittig, siehe oben 1. Kapitel Fn. 385. 35 Namentlich von Legros, RD transp. 2/2009, 12. 36 Westwood Wilson/Geraghty, ASL 2000, 62 (72), dahingehend wohl auch Cheng, ZLW 2000, 287 (294). 31

§ 9 Anwendungskollisionen

349

„ein Anspruch auf Schadensersatz, auf welchem Rechtsgrund er auch beruht, sei es dieses Übereinkommen, ein Vertrag, eine unerlaubte Handlung oder ein sonstiger Rechtsgrund, nur unter den Voraussetzungen und mit den Beschränkungen geltend gemacht werden [kann], die in diesem Übereinkommen vorgesehen sind“.

Die genaue Reichweite dieser Vorschrift ist jedoch unklar.37 Im Einklang mit der in Deutschland herrschenden Auffassung38 spricht allerdings viel dafür, dass daraus keine generelle Sperrwirkung gegenüber jeglichem nationalstaatlichem Transportrecht erwächst. Stattdessen ist grundsätzlich von einer Parallelität der Rechtsebenen auszugehen mit der Folge, dass nicht-vereinheitlichte Regelungen nur dann ausgeschlossen sind, wenn alle Haftungsvoraussetzungen des MÜ im konkreten Fall tatsächlich und vollständig gegeben sind.39 Dagegen wird der Rückgriff auf außerhalb des einheitsrechtlich statuierten Haftungssystems liegende, z. B. Erfüllungs-, Ansprüche nicht versperrt.40 Denn dies wird dem Ziel der zitierten konventionalen Absicherungsvorschrift, zu verhindern, dass die einheitliche Regelung und die damit einhergehende Rechtssicherheit durch etwaige nationale Anspruchsgrundlagen ausgehebelt werden, ausreichend gerecht. Dieser Grundgedanke liegt indes jeglicher Rechtsvereinheitlichung zugrunde und findet somit auch in anderen Rechtsakten des transnationalen Transportrechts Ausdruck. Als Prototyp einer entsprechenden Vorschrift ist dabei Art. 28 Abs. 1 CMR zu sehen, welcher besagt, dass auch für sich aus nationalem Recht ergebende, außervertragliche Ansprüche wegen Verlust, Beschädigung oder Überschreitung der Lieferfrist, die Haftungsausschlüsse oder -begrenzungen des Übereinkommens maßgeblich sind. Bezüglich dieser Vorschrift besteht dahingehend Einigkeit, dass sich die einheitsrechtliche Sperre nicht auf Ansprüche bezieht, die aufgrund anderer Leistungsstörungen erhoben werden. 41 Ebenso ist auch das internationale Eisenbahnrecht ausgestaltet. So werden gemäß Art. 41 § 1 CIM nationale Anspruchsgrundlagen nur soweit durch die Regelungen des Übereinkommens überlagert, wie die CIM auf den Haftungsfall anwendbar ist.42 In ähnlicher Weise bezieht sich auch die Anordnung in Art. 22 CMNI Offengelassen in der Denkschrift zum MÜ, BT-Drs. 15/2285, S. 47. Giemulla/Schmid/Giemulla, Art. 29 MÜ Rn. 15; Boettge, VersR 2005, 908 (915); Reuschle, Art. 29 Rn. 5 ff.; MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 29 MÜ Rn. 7; Koller, Art. 29 MÜ Rn. 1; E/B/J/S/Pokrant, Art. 29 MÜ Rn. 9. 39 MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 29 MÜ Rn. 7. 40 Anschaulich ist insoweit auch die Begründung des EuGH (1. Kapitel Fn. 124), NJW 2013, 671, Rn. 41 ff., warum der Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechte-VO wegen großer Verspätung nicht in den Anwendungsbereich von Art. 29 MÜ fällt. Siehe auch weitere Beispiele für mögliche Ansprüche bei MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 29 MÜ Rn. 7. 41 MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 28 CMR Rn. 7; Ferrari/Otte, Art. 28 CMR Rn. 5; Staub/Helm, Art. 28 CMR Rn. 8. 42 MünchKommHGB/Freise, Art. 41 CIM Rn. 4; Koller, Art. 41 CIM Rn. 1. 37 38

350

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

nur auf die in der Binnenschifffahrtskonvention geregelten Haftungstatbestände und lässt Ansprüche aus einem anderen Grund außen vor.43 Vergleichbare Regelungen enthalten etwa Art. 4bis Abs. 1 HVR und Art. 7 Abs. 1 HHR. Auch im internationalen Personenbeförderungsrecht wird die Anwendung von weitergehenden nationalen Bestimmungen nur eingeschränkt, soweit letztere einheitsrechtlich geregelte Haftungstatbestände betreffen, vgl. Art. 52 § 1 CIV, Art. 14 AÜ oder Art. 18 Abs. 1 CVR. Eine allgemeine und vollumfängliche Sperrwirkung des materiellen Staatsvertragsrechts gegenüber nationalem Transportrecht besteht somit nicht. Im Vergleich zum völkervertraglichen Transportrecht ist das europäische materielle Transportrecht liberaler ausgestaltet. So kann gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 1 VO 261/2004 der Fluggast weitergehende Schadensersatzansprüche nationalen Ursprungs neben jenen der Verordnung geltend machen, selbst wenn diese auf einem in der Verordnung geregelten Haftungstatbestand basieren.44 Dabei ist lediglich die in Art. 12 Abs. 1 S. 2 vorgesehene Anrechnung zu berücksichtigen. Entsprechende Regelungen weisen auch die anderen Fahrgastrechteverordnungen auf, vgl. Art. 11 VO 1371/2007, Art. 21 VO 1177/2010 und Art. 22 VO 181/2011. Der Unterschied zu entsprechenden staatsvertraglichen Bestimmungen liegt darin begründet, dass im supranationalen Transportrecht nicht der Rechtsvereinheitlichungsgedanke im Vordergrund steht, sondern jener des Passagierschutzes. Um ein größtmögliches Schutzniveau zu ermöglichen, sind die Fahrgastrechte lediglich als „Mindestrechte“ (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO 261/2004) ausgestaltet. Wie gezeigt, lässt sich zwar vor allem im staatsvertraglichen Transportrecht eine gewisse Sperrwirkung der einheitlichen Haftungsregime feststellen. Diese ist jedoch keineswegs absolut, sodass zum Teil Raum für ergänzende Regelungen derjenigen nationalen Sachrechtsordnung besteht, die das IPR als die im konkreten Fall maßgebliche bestimmt. 4. Vertragliche Qualifikation der Lücke? Sind die zuvor genannten negativen Voraussetzungen gegeben, lässt also das materielle Einheitsrecht im Lückenfall grundsätzlich Raum für die Anwendung von Kollisionsrecht, muss gleichwohl noch eine weitere – positive – Bedingung erfüllt sein, damit Art. 5 Rom I-VO letztendlich praktische Bedeutung erlangen kann. So muss die auf der Ebene der Sachrechtsvereinheitlichung nicht geregelte Frage zudem in den Anwendungsbereich des supranationalen Beförderungsvertrags-IPR fallen. Dies wäre aber dann fraglich, 43 v. Waldstein/Holland, BinSchR, Art. 22 CMNI Rn. 2 f.; MünchKommHGB/Otte, Art. 22 CMNI Rn. 3. 44 Ausführlich zu dieser Norm Bollweg, RRa 2009, 10 ff. Siehe auch die Beispiele für aus deutschem Vertragsrecht resultierende Ansprüche Führich, § 42 Rn. 30 ff.; Staudinger/ Schmidt-Bendun, VersR 2004, 971 (973).

§ 9 Anwendungskollisionen

351

wenn die im Zuge der Anwendung des einheitsrechtlichen Regimes auftretende, aber von diesem nicht geklärte Frage nicht als vertraglich, sondern als außervertraglich zu qualifizieren wäre. Denn in diesem Fall wäre nicht Art. 5 Rom I-VO ergänzend heranzuziehen, sondern stattdessen das entsprechende IPR für außervertragliche Schuldverhältnisse der Rom II-Verordnung anzuwenden. 45 Daher muss für jede Fragestellung im Bereich einer einheitsrechtlichen Lücke geprüft werden, ob diese vertraglicher oder stattdessen außervertraglicher Natur ist. Die genaue systematische Einordnung des gegebenenfalls zu ergänzenden vereinheitlichten Transportrechts, insbesondere der Haftungsvorschriften, ist jedoch mitunter unklar. a) Strittige systematische Einordnung einheitsrechtlicher Haftungsregime Die Ursache für diese Unklarheit liegt darin begründet, dass in der Regel innerhalb des jeweiligen Transportrechtsaktes nicht ausdrücklich zwischen vertraglichen und außervertraglichen Ansprüchen unterschieden wird.46 Aus dem Einheitsrecht selbst lässt sich häufig somit keine – eindeutige – Aussage zu seiner systematischen Einordnung herleiten. Dies liegt möglicherweise darin begründet, dass bei der Schaffung solcher Rechtsakte die divergierenden Rechtssysteme und -konzepte verschiedener beteiligter Staaten zu berücksichtigen sind. Eine ausdrückliche Zuordnung des vereinheitlichten Sachrechts in die Kategorien Vertrags- bzw. Deliktsrecht hätte dabei mitunter erhebliche Folgen für die Anwendung des Einheitsrechts im jeweiligen Vertrags- bzw. Mitgliedstaat,47 weshalb diese Frage auf der Ebene der Sachrechtsvereinheitlichung offen gelassen wird. Gerade daraus resultieren jedoch die vielzähligen Versuche, das transnationale Transportrecht in dem bipolaren System vertraglich/außervertraglich zu verorten. Das Kriterium „vertraglich/außervertraglich“ ist maßgebend für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Rom-Verordnungen. Während vertragliche Schuldverhältnisse von der Rom I-Verordnung erfasst werden, deckt die Rom II-Verordnung das IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse ab (siehe oben § 3 – A.II.2.a)). 46 Vgl. für das WA OLG Frankfurt TranspR 1998, 362 (363). Allerdings enthält Art. 28 Abs. 1 CMR eine Aussage zu weitergehenden außervertraglichen Ansprüchen nationalen Rechts, woraus der Umkehrschluss gezogen wird, dass es sich bei der CMR-Haftung um eine vertragliche Haftung handeln müsse (Staub/Helm, Art. 17 CMR Rn. 3). 47 Wenngleich in Deutschland die Unterscheidung zwischen vertraglichen und außervertraglichen Ansprüchen eher dogmatischer Art ist, hat diese etwa aus der Sicht eines französischen Juristen eine fundamentalere Bedeutung: So gilt im franzöischen Recht der Grundsatz des non-cumul, wonach vertragliche Ansprüche deliktische ausschließen (siehe dazu Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, 1972, S. 63 ff. [speziell zur Haftung des Personenbeförderers S. 130 ff.]). In der deutschen und in anderen Rechtsordnungen besteht dagegen zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen eine alternative Konkurrenz, vgl. Schlechtriem, ZHR 133 (1970), 105 ff.; MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 28 CMR Rn. 1 m. w. N. 45

352

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

aa) Staatsvertragliches Transportrecht Dabei wird den staatsvertraglichen Haftungsregimen tendenziell ein vertragsrechtlicher Charakter zugewiesen.48 Dies ist insofern nachvollziehbar, als das Transportrecht einen Beförderungsvertrag voraussetzt oder auf einen solchen Bezug nimmt. Statuieren die einheitsrechtlichen Vorschriften dann eine Haftung der Parteien des Beförderungsvertrags, liegt der Schluss nahe, dass die einzelnen Haftungstatbestände – namentlich Verlust/Beschädigung des Frachtguts (bzw. Gepäck), Verzögerung der Beförderung, Verletzung/Tötung des Passagiers – ihre eigentliche Grundlage letztlich in dem der Beförderung zugrundeliegenden Vertrag haben. Zweifelhaft ist dies jedoch dann, wenn das Haftungsregime auf einen außerhalb des eigentlichen Beförderungsvertrages stehenden Dritten ausgedehnt wird. So haftet gemäß den meisten Transportrechtskonventionen nicht nur der vertragliche, sondern auch der ausführende Beförderer (z. B. ein Unterfrachtführer oder ein Beförderer im Code-Sharing), der gerade in keiner vertraglichen Beziehung zum Ladungsberechtigten bzw. Passagier steht.49 Folglich wird durch eine solche einheitsrechtliche Regelung eine Art Direktanspruch des Geschädigten gegen den ausführenden Beförderer statuiert.50 Diese transportrechtliche Konstruktion weist sowohl deliktische als auch vertragliche Elemente und damit eine Ähnlichkeit etwa zum Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer nach § 115 VVG oder zu der action directe des französischen Rechts auf.51 Wie bei Direktansprüchen üblich, kann sich der Direkthaftende dabei auf die gleichen – sich aus dem Einheitsrecht ergebenden – Einwendungen wie der ursprüngliche Schuldner berufen.52 Aufgrund der starken Konnexität zu dem Beförderungsvertrag zwischen Geschädigtem und vertraglichem Beförderer Beispielhaft für die CMR: Staub/Helm, Art. 17 CMR, Rn. 3; Clarke, International carriage of goods by road, 6. Aufl. 2014, Nr. 54a; vgl. auch Rodière, Droit des transports, 2. Aufl. 1977, Nr. 493. Für das WA/MÜ: Mankiewicz, The Liability Regime of the international air carrier, 1981, S. 92; v. Ziegler, in: Hdwb. EuPR, Luftverkehr (Vertragliche Haftung), S. 1033 ff. Für die CIV: Favre, IZ 1971, 204 (205); Mutz, Die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden im internationalen Eisenbahnpersonenverkehr nach dem Zusatzübereinkommen zur CIV, 1977, S. 82; Schmidt-Bendun, S. 81. a. A. (deliktisch) Wiese, TranspR 1986, 416 (419 f.) m. w. N. zum Meinungsstand. 49 Siehe etwa Art. 39 ff. MÜ; Art. 27 CIM; Art. 4 Abs. 2 CMNI; Art. 26 § 5 und 39 CIV; Art. 4 AÜ. Die CMR kennt dagegen lediglich die Rechtsfigur des aufeinanderfolgenden Beförderers (die auch in anderen Transportrechtskonventionen enthalten ist), vgl. Art. 34 HS. 2. Letztere zeichnet aus, dass sie gemäß dem Einheitsrecht dem Beförderungsvertrag beitreten und somit ebenfalls Vertragspartei werden. 50 Vgl. MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 39 MÜ Rn. 18. 51 Dazu (bzw. zu § 437 HGB, der den Direktanspruch im deutschen materiellen Recht normiert) im Einzelnen Czerwenka, TranspR 2012, 408 ff. m. w. N. Siehe zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung des frachtrechtlichen Direktanspruchs des Absenders gegen den ausführenden Beförderer Martiny, in: FS Magnus, S. 483 (499). 52 Vgl. Art. 40 HS. 2 MÜ; Art. 27 § 2 CIM; Art. 4 Abs. 2 S. 2 CMNI. 48

§ 9 Anwendungskollisionen

353

wird der ausführende Beförderer daher mitunter auch als „Quasi-Vertragspartner“ bezeichnet.53 bb) Supranationales Personenbeförderungsrecht Diese, im Rahmen des staatsvertraglichen Rechts auftretende, Problematik stellt sich in ähnlicher Weise auf der Ebene des supranationalen Transportrechts. Auch die Rechte der Fahrgastrechteverordnungen sind grundsätzlich so ausgestaltet, dass sie auch den ausführenden Beförderer treffen.54 Somit kann Schuldner der Fahrgastrechte nicht nur der Vertragspartner, sondern zugleich ein Dritter sein, der in keinem vertraglichen Verhältnis zu der beförderten Person (sondern nur zum vertraglichen Beförderer) steht. Entsprechend ist auch die Rechtsnatur der unionsrechtlichen Regelungen umstritten. So werden diese, weil sie allein objektiv an das Vorliegen einer (missglückten) Beförderung anknüpfen, als nicht-vertragliche Bestimmungen angesehen.55 Schließlich besteht etwa Anspruch auf Ausgleichszahlung der Fluggastrechteverordnung unabhängig von dem der Beförderung zugrundeliegenden Beförderungsvertrag.56 Nichtsdestotrotz wird auch diesem Anspruch ein vertraglicher Charakter zugesprochen, weil die europäischen Fluggastrechte immerhin grundsätzlich das Bestehen eines Beförderungsvertrages voraussetzen.57 Aus der Verordnung wird außerdem deutlich, dass der ausführende Beförderer an dem Vertragsverhältnis zwischen vertraglichen Beförderer und Passagier keineswegs als unbeteiligt angesehen wird. Schließlich führt er die Beförderung „im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht“ 53 Siehe Ruhwedel, Der Luftbeförderungsvertrag, 3. Aufl. 1998, Rn. 608 u. 621; Reuschle, Art. 40 Rn. 1; E/B/J/S/Pokrant, Art. 40 MÜ Rn. 2; Giemulla/Schmid/DettlingOtt, Art. 40 MÜ Rn. 5. 54 Anspruchsgegner der Fluggastrechte ist ausschließlich das „ausführende Luftfahrtunternehmen“ (siehe Art. 4-6 sowie die Legaldefinition in Art. 2 lit. g), vgl. BGH NJW 2010, 1522 ff. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Flugreisenden am Abflughafen die ihnen zustehenden Rechte (insbesondere die Betreuungsrechte) einfordern können (dazu Hausmann, S. 94 f.). Auch in der VO 1371/2007 binden die Fahrgastrechte pauschal das „Eisenbahnunternehmen“ (vgl. Art. 15 ff.). In den neueren Verordnungen 1177/2010 und 181/2011 wird hingegen ausdrücklich angeordnet (jeweils Art. 5), dass die Haftung sowohl den vertraglichen als auch den ausführenden Beförderer trifft. 55 Tonner, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 15 Rn. 43. 56 Vgl. nur BGH NJW 2011, 2056 Rn. 26; BGH NJW 2010, 1070 Rn. 18; BGH NJW 2009, 2743 Rn. 9. 57 BGH NJW 2011, 2056 Rn. 26; BGH NJW 2010, 1526 Rn. 22; BGH NJW 2010, 1070 Rn. 18, der dies daraus herleitet, dass die Fluggastrechte gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. a und b nur bestehen, wenn der Fluggast über eine Buchung verfügt, die letztlich mit einem Beförderungsvertrag einhergeht, vgl. Art. 2 lit. g. Zuvor bereits für eine vertragliche Einordnung Lienhard, GPR 2004, 259 (261 f.). Siehe zu dieser Frage auch Keiler, GPR 2014, 258 (259) m. w. N.

354

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

(Art. 2 lit. b VO 261/2004) durch. Der ausführende Beförderer hat somit quasi die Rolle eines Erfüllungsgehilfen58 und wird damit von vornherein der Sphäre des Vertragspartners und damit dessen Vertragsverhältnis an sich zugerechnet. Damit geht einher, dass dem ausführenden Beförderer ausdrücklich die Möglichkeit offen gelassen wird, Regress von seinem Vertragspartner zu nehmen, vgl. Art. 13 VO 261/2004, sodass der vertragliche Beförderer über diesen Umweg gegebenenfalls auch wirtschaftlich für die Fahrgastansprüche einzustehen hat. Die Wechselseitigkeit zwischen den beteiligten Akteuren ist ein entscheidender Unterschied zur Situation beim Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer oder bei Kaufvertragsketten. So steht der Versicherer vollständig außerhalb der vertraglichen Rechtsbeziehung von Geschädigtem und Schädiger, wohingegen der ausführende Beförderer schon im Zuge der Durchführung des Vertragsverhältnisses zwischen vertraglichem Beförderer und Passagier aktiv tätig wird.59 Auch der Hersteller einer Sache greift in das Verhältnis zwischen Erst- und Zweiterwerber überhaupt nicht ein. Aufgrund dieses Unterschieds hat die außervertragliche Qualifikation der action directe des Zweiterwerbers gegen den Hersteller durch den EuGH60 keine Präjudizwirkung für die Qualifikation des Ausgleichszahlungsanspruches nach der Fluggastrechteverordnung. Auch sofern sich letzterer allein gegen den faktischen Beförderer richtet, hat er seine Grundlage gleichwohl im Beförderungsvertrag (zwischen Passagier und vertraglichem Beförderer) und ist deshalb vertraglich einzuordnen.61 Der Europäische Gerichtshof stellte jedenfalls für die internationale Zuständigkeit einer auf den Ausgleichsanspruch der Fluggastrechteverordnung gestützten Klage auf den besonderen (vertraglichen) Gerichtsstand des Erfüllungsortes des Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO und nicht etwa auf Art. 7 Nr. 3 EuGVVO ab.62 Allerdings waren in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ausführender und vertraglicher Beförderer identisch. b) Relevanz der Einordnung für die einheitsrechtsergänzende IPRAnwendung Bewegt man sich innerhalb des einheitsrechtlichen Regelungsrahmens, spielt eine systematische Zuordnung zum vertraglichen bzw. außervertraglichen Vgl. auch Mankowski, Neues aus Europa, Rn. 137. Wie Hartenstein, TranspR 2013, 20 (26) treffend feststellt, ist daher der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers stets als außervertraglich im Sinne der Rom II-Verordnung anzusehen, auch wenn das Haftungsverhältnis (zwischen Geschädigten und Schädiger) ein vertragliches ist. 60 EuGH, 17.6.1992 – Rs. C-26/91 [Handte], Slg. 1992, I-3967 = JZ 1995, 90 Rn. 15 ff. 61 A.A. Staudinger, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 133 (146 f.). 62 EuGH, Rs. C-204/08 (2. Kapitel Fn. 582), NJW 2009, 2801 Rn. 47. 58 59

§ 9 Anwendungskollisionen

355

Bereich im Grunde keine Rolle. Denn soweit eine Frage auf der Ebene der Sachrechtsvereinheitlichung abschließend gelöst werden kann, steht diese Regelung über einer entsprechenden Differenzierung des nationalen Sachrechts. Insofern kann also die Qualifikationsfrage offen bleiben und hat dann allenfalls einen dogmatischen Wert.63 Anders verhält es sich aber, wenn das einheitsrechtliche Regime die im konkreten Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen nicht umfassend klärt. Denn das europäische Internationale Privatrecht, welches dann für die Bestimmung der ergänzend heranzuziehenden nationalen Rechtsordnung maßgeblich ist, differenziert seinerseits zwischen vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnissen.64 Dennoch ist die vertragliche bzw. außervertragliche Natur des vereinheitlichten Transportrechts – soweit sich eine solche feststellen lässt – für die nachgeschaltete, lückenfüllende IPR-Anwendung nicht per se als bindend anzusehen. aa) „Supranationale“ Qualifikation von im Einheitsrecht nicht geregelten Fragen So kann eine entsprechende einheitsrechtliche Vorgabe jedenfalls nicht in solchen Bereichen angenommen werden, in denen der Anwendungsbereich des Transportrechtsakts zwar prinzipiell eröffnet ist, sodann aber überhaupt keine einheitsrechtliche Regelung getroffen wird.65 Für derartig vom Einheitsrecht vollständig ausgeklammerte Fragen (bspw. der Anspruch auf Erfüllung im Rahmen einer CMR-Beförderung)66 kann eine etwaige vertragliche respektive außervertragliche Natur des einheitsrechtlichen Rahmenwerkes die verweisungsrechtliche Qualifikation nicht präjudizieren. Im Rahmen derartiger „vollständiger“ Lücken ist das europäische Kollisionsrecht folglich gänzlich unvoreingenommen anzuwenden, sodass sich die Abgrenzung zwischen Rom I- und Rom II-Verordnung allein nach supranationalen Maßstäben beurteilt.67 Beruht das zu qualifizierende Rechtsinstitut auf einer Pflichtverletzung, kommt es für die Anwendung der Rom I-Verordnung folglich darauf So spricht sich etwa Schlechtriem, IZ 1973, 114 (121) bzgl. des CIV dafür aus, diese Frage offen zu lassen. 64 Dies gilt indes nicht nur für das Verweisungsrecht, sondern für das Internationale Privatrecht im weiten Sinne einschließlich des IZVR. Entsprechend spielt die Qualifikation eine entscheidende Rolle für die Frage der Internationalen Gerichtszuständigkeit. So besteht für vertragliche Streitigkeiten ein besonderer Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 am Erfüllungsort, für deliktische Streitigkeiten hingegen derjenige nach Art. 7 Nr. 3 EuGVVO am Ort des Schadenseintritts. 65 A.A. Weise, TranspR 1986, 416 (419). 66 Siehe unten § 11 – C.III.1. 67 Soweit es um die kollisionsrechtliche Qualifikation des beispielhaft genannten Anspruchs auf (Beförderungs-)Erfüllung geht, ist jedoch eindeutig, dass dieser als vertraglich einzustufen ist und er sich daher nach dem gemäß Art. 5 Rom I-VO zu bestimmenden Beförderungsvertragsstatut beurteilt. 63

356

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

an, ob die jeweilige Pflicht, um deren Verletzung es geht, in einem so engen Verhältnis zu einem Vertrag steht, dass sie diesem zugeordnet werden kann, was jedoch nicht ausschließt, dass diese Pflicht, sofern sie sich auch in anderen deliktischen Ansprüchen niederschlägt, gleichzeitig auch deliktsrechtlich qualifiziert werden kann.68 bb) Ergänzung einheitsrechtlicher Rechtsinstitute Soweit es direkt aus dem Einheitsrecht entspringende Ansprüche betrifft, könnte die Qualifikation der Fragestellung jedoch von einer entsprechenden Rechtsnatur des Einheitsrechtsregimes überlagert werden. Muss hinsichtlich eines originären einheitsrechtlichen Anspruchs eine ergänzende Rechtsordnung bestimmt werden, z. B. um zu klären, inwieweit ein Anspruch nach Art. 18 Abs. 1 MÜ zu verzinsen oder ein Anspruch nach Art. 7 VO 261/2004 verjährt ist,69 würde der Charakter dieser Regelung auch die sich daran anschließende Anknüpfung prägen. Allerdings stellt sich hier wiederum ebenjenes Problem, dass die einheitsrechtlichen Haftungsregime keine Aussage über ihre vertragliche oder außervertragliche Natur enthalten. Vielmehr sind die einzelnen transportrechtlichen Haftungsinstitute in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich, namentlich die Ansprüche gegen den vertraglichen im Vergleich zu jenen gegen den ausführenden Beförderer, was eine differenzierte kollisionsrechtliche Qualifikation nahelegen würde. Dementsprechend wäre ein Anspruch des Geschädigten (G) nach Art. 18 Abs. 1 MÜ gegen den vertraglichen Frachtführer (V) vertraglich einzuschätzen, sodass sich die ergänzende Rechtsordnung nach Art. 5 Rom I-VO bestimmen würde, wohingegen sein Anspruch gegen den ausführenden Beförderer (A) nach Art. 18 Abs. 1 i. V. m. Art. 40 MÜ als außervertraglich zu qualifzieren wäre und somit Art. 4 – allerdings gerade nicht Abs. 3 S. 270 – Rom II-VO einschlägig wäre. Einer solchen Vorgehensweise steht jedoch das vereinheitlichte Transportrecht entgegen. Denn wie daraus eindeutig hervorgeht, sollen nach dem internationalen Sachrecht vertraglicher und ausführender Beförderer in gleichem Maße gegenüber dem Geschädigten haften.71 Diese Vorgabe könnte jedoch 68 Vgl. Magnus, in: FS Kühne, S. 779 (784). Vertragliche Schuldverhältnisse können schließlich Pflichten mitumfassen, die zugleich deliktstypisch sind (z. B. das Frachtgut nicht zu beschädigen oder den Reisenden nicht zu verletzen), sodass diese Pflichten kollisionsrechtlich nicht zwingend nur dem Vertrags- oder Deliktsrecht zuzuordnen sind. 69 Zur im europäischen Einheitsrecht auftretenden Problematik bei der Verjährung von fahrgastrechtlichen Ansprüchen vgl. Staudinger, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 133 (146). 70 Voraussetzung für die darin geregelte akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut ist, dass ein solches zwischen den infragestehenden Parteien bestünde. Zwischen dem Geschädigten und dem ausführenden Beförderer besteht jedoch gerade kein Beförderungsvertrag. 71 Siehe die Vorschriften oben in Fn. 49.

§ 9 Anwendungskollisionen

357

nicht erfüllt werden, wenn unterschiedliche Verweisungsregeln und infolgedessen unterschiedliche ergänzende Sachrechtsordnungen auf die jeweiligen Ansprüche anwendbar wären. So erschiene es gerade im Hinblick auf die gewünschte Gleichstellung ungerechtfertigt, wenn die oben genannten Ansprüche in unterschiedlicher Höhe zu verzinsen wären. Entsprechend muss der auf der Ebene der Sachrechtsvereinheitlichung angeordnete Gleichlauf auch für die ergänzende kollisionsrechtliche Anknüpfung bindend sein. Infolgedessen sind diese Haftungsinstitute parallel anzuknüpfen. c) Anwendbarkeit des beförderungsvertraglichen IPR Über welches kollisionsrechtliche Regime dieser Gleichlauf erreicht wird, ist aus Sicht des Einheitsrechts letztendlich unerheblich. Letzteres impliziert weder zwingend die nachgeschaltete Anwendung der Rom I- noch der Rom II-Verordnung. Allerdings sprechen kollisionsrechtsdogmatische Gründe dafür, hinsichtlich sich aus den genannten internationalen Transportrechtsakten ergebender Ansprüche das ergänzende nationale Recht mittels des supranationalen Transportvertrags-IPR zu bestimmen. Zum einen lässt sich innerhalb des Systems der Rom I-Verordnung ein kollisionsrechtlicher Gleichlauf besser gewährleisten. So würden danach beide – insoweit als vertraglich anzusehende – Schuldverhältnisse (G-V und G-A) jeweils nach Art. 5 Rom I-VO angeknüpft werden. Eine Parallelität ließe sich dann dadurch erreichen, dass der unterstellte Beförderungsvertrag G-A über Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO akzessorisch an den zwischen G-V bestehenden Hauptvertrag angeknüpft wird.72 Eine Rechtswahlklausel im Beförderungsvertrag zwischen G und V würde somit auch auf das Verhältnis zwischen G und A durchschlagen. Dies ist dem ausführenden Beförderer auch zumutbar.73 Zwar sieht er sich möglicherweise mit einer für ihn unvorhersehbaren Rechtsordnung konfrontiert,74 dies allerdings nur hinsichtlich Detailfragen, da sich das Haftungsregime im Wesentlichen aus dem Einheitsrecht ergibt, welchem er sich in der Regel schon innerhalb seines (Unter-)Beförderungsvertrags mit

Dafür Staudinger, RRa 2006, 146. Vgl. Staudinger, RRa 2006, 146. 74 Dagegen spricht jedenfalls im Rahmen der Fluggastrechteverordnung bereits, dass der Anspruchsgegner der Fluggastrechte, das „ausführende Luftfahrtunternehmen“, in Art. 2 lit. b als Luftfahrtunternehmen, „das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person [Hervorhebung durch den Verfasser], die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt“, definiert. Dies zeigt, dass der ausführende Beförderer nach der Konzeption der Verordnung bewusst im Rahmen des zwischen dem Passagier und dem vertraglichen Beförderer geschlossenen Beförderungsvertrages tätig wird. 72 73

358

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

dem vertraglichen Beförderer aussetzt.75 Unterstellt man dagegen, dass beide Schuldverhältnisse als außervertraglich anzusehen sind, würden diese bei Anwendung der Rom II-Verordnung der Kollisionsregel des Art. 4 unterfallen, der gemäß Abs. 1 grundsätzlich an das Recht am Ort des Schadenseintritts anknüpft.76 Im Verhältnis G-V wäre aber, da zwischen G und V ein Beförderungsvertrag besteht, Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO einschlägig, 77 sodass im Ergebnis das außervertragliche Schuldverhältnis akzessorisch an das Beförderungsvertragsstatut des Art. 5 Rom I-VO angeknüpft werden würde. Im Verhältnis G-A wäre dies jedoch nicht möglich, da zwischen diesen Parteien gerade kein Vertragsverhältnis besteht.78 Eine Anwendung der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 S. 1 Rom II-VO im Verhältnis zwischen G und A aufgrund anderer Umstände käme indes nur schwerlich in Betracht, da dafür eine offensichtlich engere Verbindung notwendig ist. Eine gleichlaufende Anknüpfung der Schuldverhältnisse G-V und G-A ließe sich im Rahmen der Rom IIVerordnung folglich nur ungenügend gewährleisten. Zum anderen spricht für eine Heranziehung der Rom I-Verordnung zur Bestimmung des ergänzenden nationalen Rechts die bereits erwähnte RehderEntscheidung des EuGH.79 Die Tatsache, dass darin im Zusammenhang mit der Fluggastrechteverordnung auf den Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO a. F. abgestellt wurde, hat – wenngleich im zugrundeliegenden Sachverhalt Identität zwischen ausführendem und vertraglichem Beförderer bestand – ein gewisses Präjudiz-Potential. Der Gerichtshof nahm in diesem Urteil eine Qualifikation der fahrgastrechtlichen Ansprüche innerhalb des europäischen internationalen Zivilverfahrensrechts vor, welches in engem systematischen Zusammenhang zu den Rom-Verordnungen steht. 80 Daran hätte sich die kollisionsrechtliche Qualifikation der europäischen Fahrgastrechte zu orientieren. Da auch das konventionale Transportrecht, wie die europäischen Fahrgastrechte, grundsätzlich vom Bestehen eines Beförderungsvertrages (zwischen Geschädigtem und vertraglichem Beförderer) ausgeht,81 erscheint auch hinsichtlich dieses staatsvertraglichen Einheitsrechts eine vertragliche Qualifikation gerechtfertigt. Infolgedessen müsste auch für internationale Übereinkommen das ergänzend anwendbare nationale Recht über das europäische Vertrags-IPR Zwischen vertraglichem und ausführendem Beförderer wird in der Regel ebenfalls ein Unter-Beförderungsvertrag bestehen, der dem Einheitsrecht unterfällt. 76 Im Rahmen des transportrechtlichen Direktanspruchs könnte möglicherweise an eine Anwendung von Art. 18 Rom II-VO gedacht werden, jedoch gilt diese Vorschrift ausdrücklich nur für Direktansprüche gegen den Haftpflichtversicherer, vgl. Czerwenka, TranspR 2012, 408 (409). 77 Näher zu dieser Akzessorietät Czepelak, JPIL 2011, 393 (405 ff.). 78 Vgl. MünchKommBGB/Junker, Art. 4 Rom II-VO Rn. 50. 79 Siehe 2. Kapitel Fn. 582 (NJW 2009, 2801 ff.). 80 Siehe oben § 5 – B.I. 81 Besonders deutlich wird dies in Art. 6 CIV und CIM zum Ausdruck gebracht. 75

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

359

bestimmt werden. Somit lässt sich festhalten, dass im Rahmen von Lücken des transnational vereinheitlichten Transportrechts, sofern sie nicht eine offensichtlich deliktische Frage betreffen, grundsätzlich das Verweisungsrecht des Art. 5 Rom I-VO zum Zuge kommen kann. D. Ergebnis Nach diesen Ausführungen lassen sich resümierend drei wesentliche Anwendungskonstellationen für Art. 5 Rom I-VO im Hinblick auf vorrangiges transnationales Transportrecht feststellen: So besteht ein Anwendungsfeld des supranationalen Beförderungsvertrags-IPR dann, wenn das konkurrierende materielle Einheitsrecht im Forumstaat nicht wirksam ist. Da sich jedoch der Geltungsbereich des europäischen IPR mit jenem des europäischen Sachrechts deckt, kann diese Anwendungskonstellation lediglich im Hinblick auf staatsvertragliches Sachrecht auftreten (oben A.). Zudem wird Art. 5 Rom IVO vor allem im Rahmen externer sowie interner Lücken des vereinheitlichten Transportrechts relevant, also immer dann, wenn im konkreten Sachverhalt der Anwendungsbereich des materiellen Einheitsrechts nicht eröffnet ist (B.) oder dessen Regelungen keine abschließende Lösung ermöglichen (C.III.).82 Dagegen kommt eine Anwendung des europäischen Beförderungsvertragskollisionsrechts im Zuge einer einheitsrechtlichen Vorschaltlösung (C.I.) oder aufgrund einer Abwahl des Einheitsrechts durch die Parteien nicht in Betracht (C.II.). Ein derartiger IPR-Anwendungsspielraum besteht im internationalen Transportrecht nicht.

§ 10 Die divergierenden Anwendungskriterien von transnationalem Transportrecht und europäischem Beförderungsvertrags-IPR

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR Wie bereits angedeutet, besteht ein wesentlicher Anwendungsspielraum für Art. 5 Rom I-VO dort, wo materiell vereinheitlichtes Transportrecht nicht anwendbar ist.83 Um diesen Bereich genau festzustellen, wäre ein Vergleich der konkreten Anwendungsbereiche von transportvertraglichem Kollisionsund vereinheitlichtem Sachrecht notwendig. Ein solcher gestaltet sich allerdings schwierig, da das internationale Transportrecht keine homogene Masse, sondern vielmehr eine Summe aus vielen Einzelrechtsakten darstellt, deren 82 Zu diesen Begrifflichkeiten Schlechtriem, IPRax 1990, 277 (279 f.); Frigge, Externe Lücken und Internationales Privatrecht nach dem UN-Kaufrecht (Art. 7 Abs. 2), 1994; Basedow, Uniform Law Review 2000, 129 (135). Zur Unterscheidung zwischen dem sachlichen Anwendungsbereich und der internen Lücke siehe auch Gruber, S. 282 ff. 83 Siehe oben § 9 – B.

360

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

Regeln zum Anwendungsbereich keinem einheitlichen Konzept folgen, sondern variieren.84 Deshalb müssen im Folgenden die verschiedenen Regelungsansätze der materiellen Transportrechtsvereinheitlichung zunächst herausgebildet werden, bevor sie sogleich jenen des supranationalen Beförderungsvertrags-IPR gegenübergestellt werden können. Die folgende Systematisierung erhebt jedoch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. So können hier nicht sämtliche Rechtsakte der Transportrechtsvereinheitlichung in allen Details erschöpfend erfasst werden, denn dies würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Stattdessen sollen durch die Herausarbeitung wesentlicher einheitsrechtlicher Strukturen mögliche Anwendungsfelder von Art. 5 Rom I-VO veranschaulicht werden. Dazu werden die räumlichen (A.), persönlichen (B.) und sachlichen (C. und D.) Anwendungsvoraussetzungen des materiellen Einheitsrechts sowie des supranationalen Beförderungsvertragskollisionsrechts analysiert. Auf eine Darstellung der verschiedenen zeitlichen Anwendungsbereiche wird hingegen verzichtet. Die Rom I-Verordnung ist jedenfalls auf solche Verträge anwendbar, die seit dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden. 85 A. Der räumliche Bezug Ein wesentlicher systematischer Unterschied zwischen den Rechtsakten des transnationalen Transportrechts auf der einen und dem BeförderungsvertragsIPR auf der anderen Seite besteht hinsichtlich der Umschreibung des jeweiligen räumlichen Anwendungsbereiches. Während das staatsvertragliche (I.) und das supranationale (II.) materielle Transportrecht diesbezüglich typischerweise eine Beschränkung vorweisen, verfolgt Art. 5 Rom I-VO einen universellen Ansatz (III.). Verlässt man allerdings diese rechtsaktsbezogene Perspektive und betrachtet die konkrete Zuordnung transportvertraglicher Sachverhalte zum jeweils maßgeblichen Sachrecht, stellt man fest, dass diese im Ergebnis im Wesentlichen anhand räumlicher Kriterien erfolgt. Im internationalen Transportvertragsrecht herrscht dementsprechend das Prinzip der Territorialität vor (IV.).

So für das konventionale Transportrecht Paschke/Furnell, Rn. 240. Siehe insoweit die Berichtigung von Art. 28 Rom I-VO, ABl. 2009 L 309, 87. Ursprünglich ordnete dieser an, dass die Verordnung auf Verträge Anwendung findet, die „nach“ dem 17. Dezember, also seit dem 18.12.2009 geschlossen wurden. Damit kollidierte die Vorschrift mit Art. 29 Abs. 2 Rom I-VO, der bestimmt, dass die Verordnung „ab“ dem 17.12.2009 gilt, dazu Pfeiffer, EuZW 2008, 622. Dieser Widerspruch ist mit der Korrektur von Art. 28 Rom I-VO behoben worden. Art. 5 Rom I-VO stellt damit im Vergleich zu den meisten existierenden Transportrechtsakten die jüngere Regelung dar, die folglich einen stärker begrenzten zeitlichen Anwendungsbereich aufweist. 84 85

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

361

I. Grenzüberschreitende Beförderung als prägender Anknüpfungspunkt des Konventionsrechts Charakteristischer räumlicher Bezugspunkt des staatsvertraglichen Transportrechts ist das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Beförderung. So setzen die allermeisten86 Transportrechtsübereinkommen in räumlicher Hinsicht einen Transportvorgang voraus, der das Gebiet zweier verschiedener Staaten berührt und somit mindestens eine Staatsgrenze überschreitet.87 Divergent ist dagegen die notwendige Nähebeziehung, die diese Beförderung zu dem Geltungsbereich des vereinheitlichten Transportrechtsaktes aufweisen muss.88 Namentlich im Eisenbahn- und Luftrecht wird daran die eher strenge Anforderung gestellt, dass sowohl Ausgangs- als auch Bestimmungsort der Beförderung in einem Vertragsstaat des Übereinkommens zu liegen haben, vgl. Art. 1 § 1 S. 1 CIM bzw. CIV sowie Art. 1 Abs. 2 S. 1 WA/MÜ.89 Demgegenüber steht der weit weniger restriktive Ansatz, wonach es ausreicht, dass entweder der Ausgangs- oder der Bestimmungsort der Beförderung in einem Vertragsstaat belegen sein muss, vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 1 CMR, Art. 1 Abs. 1 CVR, Art. 2 Abs. 1 S. 1 CMNI, Art. 1 Nr. 9 i. V. m. Art. 2 Nr. 1 lit. c AÜ, Art. 10 lit. b VR, Art. 2 Abs. 1 lit. a-c HHR, Art. 5 Abs. 1 RR.90 Vor allem das Seerecht sieht darüber hinaus noch weitere Alternativanknüpfungspunkte vor: In Fortführung des Ansatzes der Haager Regeln, die ihre Anwendung ausschließlich an den Ausstellungsort des Konnossements anknüpfen (Art. 10 HR), sind die Haag-Visby- sowie die Hamburger Regeln auch dann anwendbar, wenn ein Konnossement in einem Vertragsstaat ausgestellt wurde (Art. 10 lit. a HVR, Art. 2 Abs. 1 lit. d HHR) oder das Konnossement eine Verweisung der Parteien auf das jeweilige Seerechtsübereinkommen oder eine dieses umsetzende Rechtsordnung enthält (Art. 10 lit. c HVR bzw. Art. 2 86 Von den oben in § 1 – B. genannten Übereinkommen trifft dies lediglich nicht auf die Haager Regeln zu, sowie auf die einen persönlichen Ansatzpunkt verfolgenden Haftungsbeschränkungsübereinkommen LLMC und CLNI. 87 Vereinzelt werden auch Beförderungen erfasst, deren Ausgangs- und Endort im gleichen Staat liegen, sofern dabei ein Zwischenhalt in einem anderen Staat eingelegt wird, vgl. Art. 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 MÜ, Art. 1 Nr. 9 Alt. 2 AÜ. 88 Mit Kronke, in: Liber Amicorum Siehr, S. 57 (63 ff.) kann diesbezüglich eine Entwicklung im staatsvertraglichen Einheitsrecht festgestellt werden. Während ältere Konventionen prinzipiell strenge Anforderungen an ihren räumlichen Anwendungsbereich stellen, sind jüngere Konventionen insoweit tendenziell großzügiger. 89 In Art. 1 § 2 CIM werden diese strengen Anforderungen jedoch etwas aufgelockert, sofern zugleich ein persönliches Anknüpfungsmoment hinzutritt. Danach reicht es aus, dass nur einer der Orte in einem Vertragsstaat belegen ist, wenn die Parteien die Anwendbarkeit des CIM vereinbaren. 90 Hinsichtlich Schiffstransporten wird dabei mitunter zusätzlich noch zwischen Übernahmeort/Ladehafen bzw. Löschhafen/Ablieferungsort differenziert, vgl. Art. 1 CMNI oder Art. 5 Abs. 1 RR. Zum Anwendungsbereich der Rotterdam-Regeln ausführlich Ramming, HmbSchRZ 2009, 414 ff.

362

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

Abs. 1 lit. e HHR). Weiterhin sieht das Athener Übereinkommen seine Anwendung auch für den Fall vor, dass das Schiff in einem Vertragsstaat registriert ist oder der Beförderungsvertrag in einem solchen geschlossen wurde.91 Je weniger streng die Anforderungen an die Nähebeziehung der Beförderung zu dem Gebiet der Vertragsstaaten ausgestaltet sind, oder anders ausgedrückt, je mehr Bezugspunkte das Übereinkommen zu seinem Geltungsbereich für seine Anwendung ausreichen lässt, desto häufiger kann das staatsvertragliche Transportrecht in räumlicher Hinsicht Anwendung finden. Gleichwohl ist letztere maßgeblich dahingehend beschränkt, dass vollständig innerhalb der Grenzen eines einzigen Staates durchgeführte Beförderungen nicht von den Transportrechtsübereinkommen abgedeckt werden. Die Tatsache, dass rein interne Transporte nicht in den Anwendungsbereich des konventionalen Einheitsrechts fallen, kann dabei zum Einen mit einer Eigenheit der internationalen Sachrechtsvereinheitlichung erklärt werden: So umfasst letztere aus politischen Gründen regelmäßig lediglich internationale Fälle.92 Schließlich wird den partizipierenden Staaten dadurch nicht zugemutet, in dem betroffenen Bereich auf ihr nationales Privatrecht, welches immer Ausdruck von Souveränität und kultureller Identität ist, komplett zu verzichten.93 Bei der Beschränkung des Einheitsrechts auf internationale Sachverhalte handelt es sich insoweit um einen Kompromiss, damit überhaupt eine Rechtsvereinheitlichung zustandekommt.94 Zum Anderen ist die Limitierung des staatsvertraglichen Transportrechts auf grenzüberschreitende Beförderungen vor dessen historischem Hintergrund zu sehen. Ausgehend davon, dass ein (praktisches) Bedürfnis für eine Rechtsvereinheitlichung vor allem besteht, wenn ein Sachverhalt Verbindungen zu verschiedenen Rechtsordnungen aufweist,95 bestand die Notwendigkeit zu Beginn der Transportrechtsvereinheitlichung allein im Fall des grenzüberschreitenden Transports. Noch lange über die Zeit hinaus, als die Prototypen der modernen staatsvertraglichen Einheitsrechtsinstrumente verabschiedet wurden,96 waren die nationalen Transportmärkte für ausländische Teilnehmer größtenteils abgeschottet. FolgVgl. Art. 2 Nr. 1 lit. a und lit. b AÜ. Eine Ausnahme bilden insoweit die Genfer Abkommen zum internationalen Wechsel- und Scheckrecht (siehe oben 2. Kapitel Fn. 57), die sowohl das Recht für interne als auch für internationale Sachverhalte vereinheitlichen. 93 Siehe Kronke, in: Liber Amicorum Siehr, S. 57 (67 f.). 94 Vgl. Kegel, in: FS Ehrenzweig, S. 51 (64). 95 So wird die Anwendung des autonomen Rechts auf internationale Sachverhalte vor allem deshalb als kritisch erachtet, weil die nationalen Vorschriften in der Regel nur auf Binnensachverhalte zugeschnitten sind, siehe allgemein Keller/Siehr, S. 94, für den Bereich des internationalen Transports Baddack, S. 74 f. 96 Namentlich die CIM von 1890 (Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14.10.1890, RGBl. 1892, 793), das WA aus dem Jahr 1929 und die CMR aus dem Jahr 1956. 91 92

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

363

lich konnte sich ein internationaler Bezug eines Beförderungsvertrags auch nur durch das Überschreiten einer Staatsgrenze ergeben. Dies änderte sich erst mit der Deregulierung der Transportmärkte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts; erst seitdem ist innerhalb Europas etwa die Kabotage weitgehend möglich, sodass auch ausländische Beförderer interne Beförderungen vornehmen können.97 Infolgedessen kann sich erst seit jüngerer Zeit die Internationalität beförderungsvertraglicher Sachverhalt auch durch andere Umstände ergeben als nur durch einen grenzüberschreitenden Transport. Dennoch wurde der räumliche Regelungsansatz des älteren Transportrechts auch im Rahmen jüngerer Neuübereinkommen bzw. Reformen beibehalten. Schließlich stellt die grenzüberschreitende Beförderung – jedenfalls im Bereich des Gütertransports – wirtschaftlich immer noch den Regelfall des internationalen Transportvertrags dar.98 II. Ansatzpunkt des materiellen Unionsrecht: Transportvorgang mit Binnenmarktbezug Der räumliche Regelungsansatz des europäischen Transportrechts ist ein anderer als jener der staatsvertraglichen Regelungen. So sind im Sekundärrecht ausdrücklich grenzüberschreitende und interne Beförderungen gleichgestellt,99 weil im europäischen Binnenmarkt nicht mehr zwischen grenzüberschreitendem und inländischem Personenverkehr unterschieden wird.100 Ausdruck dessen ist, dass die Union die Anwendung des staatsvertraglichen Transportrechts, welchem sie selbst beigetreten ist, auch auf inner(mitglied)staatliche Personenbeförderungen ausgeweitet hat, vgl. Art. 1 VO 2097/97,101 Art. 2 VO 392/ 2009102 sowie Art. 11 i. V. m. Erwägungsgrund (6) VO 1371/2007103. Konsequenterweise stellt denn auch das originär supranationale Personenbeförde97 Siehe auch oben § 3 – A.II.2.b)aa). Zur – maßgeblich durch die Europäische Gemeinschaft forcierten – Entwicklung des Wettbewerbs auf den Transportmärkten, Epiney/ Heuck/Schleiss, in: Dauses, Kap. L Rn. 226 ff. Speziell zur Lage im Eisenbahnsektor siehe Brandenberg, EuZW 2009, 359 ff. 98 Dem trägt letztlich auch die kollisionsrechtliche Sonderregel für Beförderungsverträge Rechnung, vgl. oben § 6 – A.II.2. 99 Die Regelungskompetenz der Union hinsichtlich interner (Eisenbahn-)Beförderungen grundsätzlich bejahend Schmidt-Bendun, S. 138 ff.; zurückhaltender dagegen Pohar, S. 347 ff. 100 So ausdrücklich Erwägungsgrund (4) VO 2027/97 und Erwägungsgrund (3) VO 392/2009. Vgl. auch Erwägungsgrund (6) VO 1371/2007. 101 Siehe Erwägungsgrund (8) Verordnung (EG) Nr. 889/2002 vom 13.5.2002 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen, ABl. 2002 L 140, 2. 102 Die Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens ist im Bereich der Schifffahrt nicht universell, sondern gilt nur für bestimmte Schiffsklassen, näher dazu Karsten, VuR 2009, 213 (216). 103 Vgl. auch Lindner/Tonner, GPR 2011, 15 (16).

364

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

rungsrecht für seine Anwendung nicht auf einen Grenzübertritt, sondern auf einen Bezug zum Binnenmarkt als solchen ab: So besteht eine Anwendbarkeit der Fahrgastrechte generell dann, wenn die Beförderung ihren Ausgangsort innerhalb eines Mitgliedstaates hat, vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a VO 261/2004, Art. 2 Abs. 1 lit. a VO 1177/2010, Art. 2 Abs. 1 VO 181/2011. Zudem ist dies gegeben, wenn sich der Bestimmungsort innerhalb eines Mitgliedstaates befindet, vgl. Art. 2 Abs. 1 VO 181/2011.104 Im Rahmen von Flug- und Seebeförderungen gilt letzteres jedoch nur unter der Bedingung, dass der Transport von einem Unionsbeförderer, der über eine mitgliedstaatliche Betriebsgenehmigung verfügt und somit in der Union niedergelassen ist,105 durchgeführt wird, vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b VO 261/2004 bzw. Art. 2 Abs. 1 lit. b VO 1177/2010.106 Die Eisenbahnfahrgastrechte-VO knüpft ihre Anwendung sogar vollständig an das Vorliegen dieses Merkmals, vgl. Art. 2 Abs. 1 VO 1371/2007.107 Insoweit wird der Bezug zum Binnenmarkt nicht nur über räumliche, sondern auch über persönliche Anwendungskriterien vermittelt. Der Grund für den Binnenmarktbezug des europäischen Transportrechts ist darin zu sehen, dass dieses Kriterium entscheidend für das Bestehen einer Rechtssetzungskompetenz der Union ist.108 104 Ausführlich zum Anwendungsbereich der Busfahrgastrechte-VO Keiler, in: Binder/ Eichel (Hrsg.), Internationale Dimensionen des Wirtschaftsrechts, 2013, S. 167 (172 ff.). 105 Vgl. Art. 2 lit. c VO 261/2004 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 lit. a VO 1008/2008 (Verordnung [EG] Nr. 1008/2008 vom 24.9.2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft, ABl. 2008 L 293, 3, durch welche die Verordnung [EWG] Nr. 2407/92 vom 23.7.1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen, ABl. 1972 L 240, 7 aufgehoben wurde) bzw. Art. 3 lit. e VO 1177/2010. 106 Im Zusammenhang mit der Fluggastrechteverordnung ist der genaue räumliche Anwendungsbereich im Einzelnen (namentlich bei Zwischenlandung, Umsteigen bzw. Rundflug) strittig, siehe Schmid, NJW 2006, 1841 f.; Müller-Rostin, NZV 2007, 221 ff. Aus der Emirates-Entscheidung des EuGH, 10.7.2008 – Rs. C-137/07 [Emirates], Slg. 2008, I-5252 = NJW 2008, 2697, geht jedoch hervor, dass im Rahmen von Art. 3 VO 261/2004 einzelne Flugabschnitte beachtlich sind, kritisch dazu u. a. Schmid, RRa 2008, 202 (203 ff.); ausführlich dazu Hausmann, S. 127 ff. 107 So gilt die VO 1371/2007 gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 für alle Eisenbahnfahrten, die von einem „genehmigten Eisenbahnunternehmen“ erbracht werden. Diese Vorschrift verweist wiederum auf die Richtlinie 95/18/EG vom 19.6.1995 über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen, ABl. 1995 L 143, 70, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/49/EG vom 29.4.2004, ABl. 2004 L 164, 44. Gemäß Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie kann ein Eisenbahnunternehmen nur in seinem Niederlassungsstaat eine Betriebsgenehmigung beantragen. Im Ergebnis ist die Eisenbahnrechteverordnung somit grundsätzlich sowohl für grenzüberschreitende als auch inländische Beförderungen anwendbar. Allerdings gewährt Art. 2 Abs. 4 der VO den Mitgliedstaaten ein Vorbehaltsrecht bzgl. der Erstreckung der Verordnungsregeln auf inländische Beförderungen, vgl. auch Bollweg, RRa 2010, 106 (109). 108 So setzt nicht nur Art. 114 AEUV einen Binnenmarktbezug voraus. Auch der zur Schaffung des supranationalen Transportrechts herangezogene Kompetenztitel über eine

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

365

Für die räumliche Anwendbarkeit des europäischen Beförderungsrechts gilt entsprechend, dass dieses generell für alle inner-mitgliedstaatlichen sowie alle (grenzüberschreitenden) inner-europäischen Beförderungen maßgeblich ist. Darüber hinaus werden zudem ausdrücklich gewisse drittstaatliche Sachverhalte erfasst.109 Dies jedoch nicht uneingeschränkt. Namentlich im Flugund Schiffsverkehr finden die Fahrgastrechte auf Beförderungen von einem Drittstaat in die Union, die von einem in einem Drittstaat ansässigen Beförderer durchgeführt werden, keine Anwendung.110 Im Eisenbahnverkehr besteht diese Drittstaatenproblematik allerdings so nicht, da im schienengebundenen Verkehr innerhalb des Gebietes der Union nur mitgliedstaatliche Unternehmen eine Betriebsgenehmigung erhalten können.111 Auch das von der Union übernommene staatsvertragliche Personenbeförderungsrecht gilt innerhalb ihres Hoheitsgebietes umfassend. Durch die Erweiterung von dessen Anwendungsbereich auf (binnenmarkt-)interne Beförderungen wird nunmehr originär internationales Recht auf mitgliedstaatliche Inlandssachverhalte angewendet. Insoweit gilt also internationales Recht für nationale Sachverhalte.112 gemeinsame Verkehrspolitik (Art. 90 ff. AEUV) weist Bezüge zum Binnenmarkt auf. Schließlich ist auch der Verkehr ein Bestandteil von letzterem, näher dazu Callies/Ruffert/ Jung, Art. 90 AEUV Rn. 2. 109 Vgl. ausdrücklich Erwägungsgrund (3) VO 1177/2010, wonach der Schutz der Fahrgäste nicht nur zwischen Häfen innerhalb der EU, sondern auch „unter Berücksichtigung des Risikos der Wettbewerbsverzerrungen auf dem Personenverkehrsmarkt“ zwischen mitgliedstaatlichen und drittstaatlichen Häfen gewährleistet werden soll. 110 Siehe Tonner, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 15 Rn. 40. Allerdings ist insoweit zu beachten, dass die Fluggastrechteverordnung in das EWR-Abkommen übernommen wurde und somit auch im Verhältnis zu den EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen gilt; zudem besteht insoweit ein Luftverkehrsabkommen mit der Schweiz, siehe Hausmann, S. 99 ff. 111 Vgl. Art. 4 Abs. 1 RL 95/18/EG. So wird etwa die Schweizer Staatsbahn SBB auf deutschem Staatsgebiet durch ihre deutsche Tochterfirma, die SBB GmbH mit Sitz in Konstanz, tätig. Hinsichtlich der Beförderungen, die ein Unionsunternehmen in Drittstaaten durchführt (bspw. die Deutsche Bahn in der Schweiz im Rahmen der Verbindung Frankfurt-Karlsruhe-Basel-Interlaken), ist die VO 1371/2007 zwar grundsätzlich einschlägig, jedoch hängt ihre Anwendung davon ab, ob der Mitgliedstaat, von dem der Verkehrsdienst in den Drittstaat ausgeht, eine Anwendungsbereichsausnahme gemäß Art. 2 Abs. 6 VO 1371/2007 gewährt hat. Allerdings wird hinsichtlich der Verspätungsentschädigung gemäß Art. 17 Abs. 1 UAbs. 5 eine nachweislich außerhalb des Gebiets der Union eingetretene Verspätung nicht berücksichtigt. Tritt also eine zweistündige Verspätung eines deutschen ICE erst auf Schweizer Gebiet ein, besteht somit kein Entschädigungsanspruch gemäß Art. 17 VO 1371/2007. Diese Regelung erscheint dahingehend gerechtfertigt, dass das Unionsunternehmen in der Regel nicht der Betreiber des ausländischen Netzes sein wird, der jedoch in der Regel für Verspätungsschäden (die nicht im Zug selbst begründet liegen) die Ursache setzt. 112 Dies zeigt, dass „die auf die Internationalität bezogenen Spezifika“ des (auf internationale Sachverhalte) beschränkten internationalen Einheitsrechts schlussendlich nicht besonders ausgeprägt sind, so schon Kropholler, IER, S. 169, wodurch umgekehrt auch die

366

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

Eine derartige Adaption von staatsvertraglichem Recht ist hingegen keineswegs neu. Gerade die CMR wird von vielen ihrer Vertragsstaaten auch auf nationale Transporte angewendet.113 Eine solche Möglichkeit sieht überdies beispielsweise die CMNI ausdrücklich vor, vgl. Art. 31 lit. a CMNI.114 Dadurch, dass diese Erstreckung aber auf supranationaler Ebene geschieht, wird durch die Union gleichzeitig eine regionale Rechtsvereinheitlichung etabliert. Gleichwohl ist auch der räumliche Anwendungsbereich des so inkorporierten konventionalen Transportrechts keineswegs unbeschränkt. So unterliegt dessen Anwendung auf Beförderungen von und zu Drittstaaten den üblichen, oben genannten, räumlichen Voraussetzungen der Übereinkommen. Abschließend lässt sich daher feststellen, dass der räumliche Anwendungsbereich des europäischen Rechts zwar weiter reicht als jener des internationalen Transportrechts, im Endeffekt aber immer noch begrenzter Natur ist. III. Universeller räumlicher Anwendungsbereich des europäischen Beförderungsvertrags-IPR Im Vergleich zu dem transnational vereinheitlichten materiellen Transportrecht verfolgt das supranationale Beförderungsvertrags-IPR einen grundlegend andersgearteten Ansatz. Letzteres stellt nicht auf eine grenzüberschreitende Beförderung oder darauf ab, dass eine solche einen räumlichen Bezug zum Gebiet des europäischen Binnenmarkts hat, vgl. Art. 2 Rom I-VO.115 Stattdessen kommt es für die Anwendung des Kollisionsrechts allein darauf an, dass der beförderungsvertragliche Sachverhalt irgendein internationales Element aufweist. Die so vorausgesetzte Internationalität kann – abgesehen von einer grenzüberschreitenden Beförderung – beispielsweise auch durch den gewöhnlichen Aufenthalt eines Beteiligten oder eine Parteivereinbarung vermittelt werden.116 Entscheidend ist jedoch, dass der räumliche Anwendungsbereich universell ausgestaltet ist und auch solche Sachverhalte erfasst werden, die Anwendung von nationalem Recht auf internationale Sachverhalte (entgegen Fn. 95) wenig problematisch erscheint. 113 Siehe Fischer, TranspR 1994, 365 (368 ff.). 114 Siehe dazu auch Hacksteiner, TranspR 2009, 145 (147 f.). 115 Die Tatsache, dass die Rom I-Verordnung bezüglich der räumlichen Anwendbarkeit nicht auf einen konkreten Binnenmarktbezug abstellt, kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass auch das europäische internationale Privatrecht letztlich der Verwirklichung des Binnenmarktes dient (vgl. Art. 81 Abs. 2 AEUV [deutlicher noch in ex-Art. 65 EGV]), siehe Frenz, JR, 2011, 277; Lagarde, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), European Private Law, 2011, S. 249 (255 f). Diesbezüglich ist anzumerken, dass im Zusammenhang mit exArt. 65 EGV durchaus streitig war, ob dieser die Schaffung von universellen, also nicht auf das EU-Gebiet beschränkten, Kollisionsnormen erlaubt (dafür etwa Basedow, CMLR 2000, 687 (701 ff.), a. A. dagegen Remien, CMLR 2001, 75 ff.). Zu dieser Frage im Hinblick auf die Rom I-Verordnung Ferrari/Ferrari, Art. 2 Rom I-VO Rn. 5. 116 Siehe oben § 6 – C.I. sowie § 7 – B.II.1.

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

367

einen internationalen Bezug nicht zu europäischen Mitglied-, sondern ausschließlich zu Drittstaaten haben.117 Im Gegensatz zum materiellen Einheitsrecht ist das IPR somit auch für solche Transporte maßgeblich, die vollkommen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung stattfinden. Folglich findet das supranationale Beförderungsvertragskollisionsrecht prinzipiell auf sämtliche Beförderungen weltweit Anwendung, die Bezüge zu zwei oder mehr Rechtsordnungen aufweisen. Art. 5 Rom I-VO erhebt somit auch den Anspruch für einen von einem japanischen Transporteur durchgeführten Vertrag über die Beförderung von Singapur nach Perth – vor dem Gericht eines Mitgliedstaates – das anwendbare Recht zu bestimmen. Bei derartigen Drittstaatenkonstellationen könnte jedoch bezweifelt werden, dass das supranationale IPR in der Praxis tatsächlich angewendet werden würde. Schließlich bedarf es dafür grundsätzlich eines mitgliedstaatlichen Forums.118 Die potentiell einschlägigen Gerichtsstände der EuGVVO setzen jedoch allesamt einen Mindestbezug zum Gebiet der europäischen Union voraus.119 Diesem Zweifel ist zu entgegnen, dass eine internationale Zuständigkeit europäischer Gerichte auch dann bestehen kann, wenn weder Kläger noch Beklagter in der Union ansässig sind, nämlich aufgrund des mitgliedstaatlichen Zivilprozessrechts. In solch einem Fall käme eine internationale Zuständigkeit etwa aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung oder aufgrund von im Inland belegenem Vermögen in Betracht, vgl. § 38 Abs. 2 und § 23 ZPO. Soweit in einem rein drittstaatlichen Beförderungssachverhalt nach den autonomen Zuständigkeitsregeln ein mitgliedstaatliches Forum besteht, findet vor diesem Gericht für die Bestimmung des auf den Beförderungsvertrag anwendbaren Rechts Art. 5 Rom I-VO Anwendung. Dessen universeller räumlicher Anwendungsbereich kann somit durchaus eine praktische Bedeutung erlangen. Vgl. Rauscher/v. Hein, Art. 1 Rom I-VO Rn. 20; Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (529); MünchKommBGB/Martiny, Art. 2 Rom I-VO Rn. 3. Diesen Umstand allerdings nicht über die Vorschrift Art. 2 Rom I-VO herleitend Rüßmann/Spohnheimer, in: Meng/ Ress/Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung, 2011, S. 477 (478 ff.). 118 Entsprechend ist das Bestehen eines europäischen Gerichtsstands ist eine grundlegende Prämisse dieser Arbeit, siehe oben § 1 – A. und § 9 – vor A. 119 Prinzipiell ist die EuGVVO gemäß Art. 4 Abs. 1 nur anwendbar, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz innerhalb eines Mitgliedstaates hat, wo sich zugleich sein allgemeiner Gerichtsstand befindet. Diese Voraussetzung könnte hinsichtlich einer Beförderung zwischen Drittstaaten etwa gegeben sein, wenn ein in der Union ansässiger Beförderer (z. B. ein international agierendes Logistikunternehmen) oder ein beteiligter Versicherer verklagt werden. Der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß Art. 7 Nr. 1 könnte dann jedoch nicht einschlägig sein. Der ausschließliche Gerichtsstand kraft Parteivereinbarung nach Art. 25 EuGVVO ist nunmehr bereits dann gegeben, wenn ein mitgliedstaatliches Gericht prorogiert wird. Damit ist nicht länger erforderlich, dass mindestens eine Partei ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat. Zum räumlichen Anwendungsbereich der EuGVVO siehe auch Kreuzer/Wagner, in: Dauses, Kap. Q Rn. 179 ff. 117

368

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

IV. Räumliche Nähebeziehung zwischen Transportvorgang und dem maßgeblichen Sachrecht Die soeben vorgenommene Untersuchung der Regelungstechnik der räumlichen Anwendbarkeitskriterien erfolgte im Hinblick auf die jeweiligen Rechtsinstrumente als solche. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass Art. 5 Rom I-VO im Vergleich zu den Rechtsakten der materiellen Transportrechtsvereinheitlichung einen größeren räumlichen Regelungsanspruch verfolgt, woraus sich ein konkretes praktisches Anwendungsfeld für das europäische IPR ableiten lässt. Verlässt man jedoch diese rechtsaktbezogene Sichtweise und betrachtet das internationale Transportrecht als Ganzes, lassen sich überdies Aussagen zur Beziehung zwischen dem zu beurteilenden Beförderungsvorgang und der im Endeffekt darüber entscheidenden materiellen Rechtsordnung treffen. Versteht man – einmal abgesehen von dem europäischen Gehalt dieses Begriffs –120 die soeben untersuchten Rechtsanwendungsnormen des materiellen Einheitstransportrechts als Kollisionsnormen, die das Einheitsrecht als materielle Rechtsordnung (einseitig) berufen,121 kommt man zu dem Schluss, dass es insoweit hauptsächlich auf einen räumlichen Bezug zwischen dem Sachverhalt und dem anwendbaren Recht ankommt.122 Die Anknüpfung des Einheitsrechts hängt maßgeblich von geographischen Kriterien ab. Zwar knüpfen manche einheitsrechtliche Regime ihre Anwendung auch an persönliche Kriterien, wie z. B. das LLMC und die CLNI an die Person des Schiffseigentümers oder die VOen 261/2004 und 1371/2007, jedoch stellt das materielle Einheitsrecht typischerweise auf eine räumliche Nähebeziehung zwischen dem Beförderungsvorgang und dem Gebiet seines Geltungsbereichs und damit auf eine territoriale Anknüpfung ab.123 Demgegenüber scheint die nach Art. 5 Rom I-VO erfolgende Anknüpfung von persönlichen Kriterien dominiert zu sein. Auf den ersten Blick ist das bestimmende Anknüpfungsmoment in dieser Vorschrift schließlich der gewöhnliche Aufenthalt.124 Tatsächlich wird dieses subjektive Kriterium jedoch im Rahmen der objektiven Hauptanknüpfungen durch räumliche Anknüpfungspunkte ganz erheblich relativiert.125 Zudem stellt Art. 5 Abs. 1 S. 2 Siehe oben § 3 – B.I.3.a)bb). So die weit verbreitete Auffassung, vgl. statt aller Kropholler, IER, S. 189 ff. und die Nachweise im 1. Kapitel Fn. 363. 122 Abgangs- und Bestimmungsort dienen insoweit als Anknüpfungspunkte, vgl. v. Bar/ Mankowski, § 7 Rn. 60. 123 Siehe oben A.I. und II. 124 Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (105). 125 Siehe oben § 6 – E.I.2.a) und § 7 – C.I.3.b). Ausgangs- und Bestimmungsort fungieren im Rahmen der beförderungsvertraglichen Anknüpfung sozusagen als sekundäre Anknüpfungspunkte, die allerdings die Anknüpfung allein nicht tragen können, vgl. v. Bar/ Mankowski, § 7 Rn. 60. 120 121

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

369

Rom I-VO auf das räumliche Kriterium des Ablieferungsortes ab.126 Allein die Verweisungsregel des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO knüpft ausschließlich an ein persönliches Kriterium, namentlich an den gewöhnlichen Aufenthalt des Personenbeförderers, an.127 Allerdings ist anzumerken, dass dieses objektive Anknüpfungssystem generell von einer von dem Willen der Parteien abhängigen Anknüpfung überlagert wird.128 Gleichwohl lässt sich festhalten, dass hinsichtlich beförderungsvertraglicher Sachverhalte der Bezug zum anwendbaren materiellen Recht charakteristischerweise durch räumliche Anknüpfungsmomente hergestellt wird. Da sich sein Anwendungsbereich vornehmlich räumlich definiert, wird das (materielle) Transportrecht folglich durch das Prinzip der Territorialität geprägt.129 Diese territoriale Prägung des Transportrechts dient jedoch keinem Selbstzweck. Stattdessen gibt es dafür verschiedene rechtspolitische Gründe. So soll – wie soeben gezeigt – durch staatsvertragliches Transportrecht die Anwendung der nationalen Rechtsordnungen nicht gänzlich verdrängt werden, was eine räumliche Anknüpfung notwendig macht. Dagegen bedient sich das europäische Sekundärrecht einer solchen, um den die Rechtssetzungskompetenz der Union begründenden Binnenmarktbezug herzustellen.130 Dass auch im allgemeinen Transportvertrags-IPR räumliche Kriterien eine erhebliche Rolle spielen, ist letztlich den Grundsätzen des europäischen Kollisionsrechts geschuldet. So ist es ein allgemeines Bestreben des supranationalen Verweisungsrechts, dass der infragestehende Sachverhalt mit der darauf anwendbaren Rechtsordnung eng verbunden ist.131 Dies gilt insbesondere für die Beurteilung von transportrechtlichen Sachverhalten. Dass im Rahmen von Art. 5 Rom I-VO konkrete Orte für die Bestimmung des anwendbaren Rechts herangezogen werden, ist insoweit nur folgerichtig. Dies gewährleistet die angesprochene Nähebeziehung, weil für (internationale) Beförderungsverträge nunmal die Ortsveränderung wesenstypisch ist.132 B. Persönliche Merkmale In persönlicher Hinsicht verfolgen das materiell vereinheitlichte Transportrecht und Art. 5 Rom I-VO vergleichbare Ansätze. Entgegen dem internationalen Kaufrecht des CISG, welches prinzipiell nur für gewerblich motivierte Kaufverträge anwendbar ist (Gegenschluss aus Art. 2 lit. a CISG), oder auch 126 Siehe dazu oben § 6 – E.II. Da es jedoch dabei auf den „vertraglichen“ Ort ankommt, besteht wiederum auch ein gewisser Bezug zum Willen der Parteien. 127 Siehe oben § 7 – C.II. 128 Siehe oben § 6 – D. und § 7 – D. 129 Zum Prinzip der Territorialität Kropholler, IPR, S. 151 f. 130 Vgl. soeben A.I. und A.II. 131 Vgl. Erwägungsgrund (20) Rom I-VO. 132 Siehe oben § 6 – A.II.2. und § 6 – B.I.3.b).

370

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

dem deutschen Frachtrecht, welches gemäß § 407 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB nur für gewerbliche Beförderungen maßgeblich ist,133 erfährt das internationale Transportrecht kaum derartige Einschränkungen im persönlichen Anwendungsbereich. Allein die VO 1177/2010 erhebt hinsichtlich der Fahrgastrechte im Schiffsverkehr die Gewerblichkeit der betreffenden Personenverkehrsdienste zu einem Anknüpfungskriterium, vgl. Art. 3 lit. f. Dies stellt jedoch die Ausnahme dar. Auch wenn die Mehrheit der unter das internationale Frachtrecht fallenden Transporte gewerblicher Natur sein sollte,134 ist dies dennoch keine formelle Voraussetzung für dessen Anwendung. Ebenso hängt das vereinheitlichte materielle Personenbeförderungsrecht weder von einer Gewerbetreibenden- noch von einer Verbrauchereigenschaft der Beteiligten ab. Da auch Art. 5 Rom I-VO für seine Anwendung keinerlei persönliche Anforderungen an den Sachverhalt stellt,135 ist insoweit der Regelungsansatz von materiellem Einheitsrecht und supranationalem Beförderungsvertrags-IPR nahezu identisch. Diesbezüglich besteht für Art. 5 Rom I-VO also kein spezifisches Anwendungsfeld. C. Transportmodus Ein offen zutage tretender Unterschied im Regelungsansatz des vereinheitlichten Transportrechts und des europäischen Beförderungsvertrags-IPR besteht in sachlicher Hinsicht in Bezug auf den Transportmodus. Während alle Rechtsakte der materiellen Transportrechtsvereinheitlichung unimodal ausgestaltet sind und sich demnach jeweils nur auf ein konkretes Transportmittel beziehen (I.), ist Art. 5 Rom I-VO in dieser Hinsicht gänzlich unbeschränkt (II.) und daher universeller Natur. I. Unimodalität als Charakteristikum des materiellen Einheitstransportrechts Auf internationaler bzw. supranationaler Ebene normiertes materielles Transportrecht zeichnet sich noch immer dadurch aus, dass es nur für einen einzigen Verkehrsträger ausgelegt ist.136 Jedes der betreffenden Rechtsinstrumente ist auf die spezifischen Bedürfnisse eines Verkehrsträgers zugeschnitten, die sich aus den Einsatzmöglichkeiten und der Betriebsweise des jeweiligen VerSiehe Herber, NJW 1998, 3297 (3299 f.). Aufgrund des damit verbundenen Aufwands werden grenzüberschreitende Beförderungsdienstleistungen in der Regel aufgrund eines gewerblichen Interesses vorgenommen werden. 135 Siehe oben § 6 – C.III. und § 7 – B.II. 136 Im deutschen materiellen Transportrecht vollzog sich durch die Transportrechtsreform von 1998 diesbezüglich eine grundlegende Änderung. Das deutsche Frachtrecht der §§ 407 ff. HGB gilt nun unterschiedslos für Straßen-, Luft-, Schienen- und Binnenschifftransporte, vgl. Thume, BB 1998, 2117. 133 134

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

371

kehrsmittels ergeben.137 Entsprechend ist das Einheitstransportrecht sektoriell gegliedert: Es existieren nebeneinander spezielle Regime für den Kraftfahrzeug-, Eisenbahn-, Flug-, Binnenschiff- und Seeschiffsverkehr.138 Charakteristischer Ansatzpunkt dieser Rechtsinstrumente ist ein unimodaler Transportvertrag, also ein Vertrag über die Beförderung mit einem einzigen, genau bestimmten Transportmittel,139 etwa „durch Luftfahrzeuge“ (Art. 1 Abs. 1 S. 1 MÜ),140 „auf der Schiene“ (Art. 1 § 1 S. 1 CIM/CIV) oder mit „Kraftomnibussen“ (Art. 1 VO 181/2011). Zwar existiert ein spezielles UN-Übereinkommen für multimodale Transporte, allerdings ist dieses nicht in Kraft getreten.141 Auch die neuen Rotterdam-Regeln, die grundsätzlich auch Verträge abdecken, die neben einer Seebeförderung die Beförderung mit anderen Verkehrsträgern vorsehen (Art. 1 Nr. 1), sind bisher völkerrechtlich nicht in Kraft.142 Das geltende vereinheitlichte materielle Transportrecht erfasst somit ausschließlich unimodale Beförderungen. Auf Transportvorgänge, bei denen mehrere, verschiedenartige Verkehrsmittel verwendet werden, findet es dagegen grundsätzlich keine Anwendung. Multimodalbeförderungsverträge werden somit vom internationalen Einheitsrecht in der Regel nicht erfasst. Von diesem Grundsatz werden lediglich vereinzelt Ausnahmen gemacht:143 So fällt in den Anwendungsbereich des internationalen Straßengütertransportrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 1 CMR ausdrücklich der Huckepack- bzw. der Roll on/Roll off-Verkehr. In diesen Fällen wird das Kraftfahrzeug mit137 Vgl. EuGH (2. Kapitel Fn. 841), NJW 2013, 3429 Rn. 47; siehe auch Freise, TranspR 2012, 1. 138 Da der Ansatzpunkt der VO 1177/2010 das Verkehrsmittel Schiff ist, gilt diese, anders als das insoweit differenzierende Konventionsrecht, sowohl für den See- als auch den Binnenschiffverkehr, vgl. Art. 3 lit. f. Bezüglich der VO 1371/2007 ist anzumerken, dass diese nur für Eisenbahnfahrten, nicht aber für Straßenbahnen und U-Bahnen gilt, vgl. Tonner, VuR 2010, 209 (213); Filthaut, NZV 2009, 417. 139 Vgl. Basedow, S. 57. 140 Im Rahmen des staatsvertraglichen Luftrechts stellt sich bisweilen die Frage, inwieweit auch eine „Luftfrachtersatzbeförderung“, bei der die Beförderung zwischen zwei Flughäfen nicht mit einem Luftfahrzeug, sondern per LKW durchgeführt wird, in den sachlichen Anwendungsbereich des Einheitsrechts fällt. Dazu Müller-Rostin, TranspR 2012, 14 (16 ff.). 141 United Nations Convention on International Multimodal Transport of Goods vom 24.5.1980, Text und Ratifikationsstand abrufbar unter . Dazu sowie allgemein zu internationalen multimodalen Transportverträgen Basedow, in: FS Herber, 1999, S. 15 (18 ff.). 142 Siehe oben § 1 – B.V.1. Auch für die Zukunft ist ein internationaler Erfolg der Rotterdam-Regeln insbesondere wegen ihres weitreichenden Anwendungsanspruchs eher fraglich, vgl. die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Transportrecht zu dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts, TranspR 2011, 309 f. 143 Dazu Freise, TranspR 2012, 1 ff.; ders. TranspR 2014, 1 (3 ff.); ausführlich Hoeks, Kap. 4–8 (S. 145–349).

372

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

samt der Fracht – ohne dass ein Umladevorgang stattfindet – auf einem anderen Verkehrsmittel transportiert. Auch eine Güterbeförderung, bei der der die Fracht transportierende LKW auf ein Schiff (z. B. eine Fähre), einen Autozug oder in ein Flugzeug verladen wird, kann somit unter die CMR fallen.144 Auch das internationale Eisenbahnrecht ist nur in Spezialfällen auf multimodale Beförderungen anwendbar. So finden dessen Vorschriften auch auf eine sich an eine internationale Eisenbahnbeförderung anschließende innerstaatliche Beförderung auf der Straße oder auf einem Binnengewässer Anwendung, vgl. Art. 1 § 3 CIM145 bzw. Art. 1 § 2 CIV.146 Ebenso deckt das Eisenbahnrecht ergänzende See- bzw. grenzüberschreitende Binnenschiffbeförderungen ab, soweit diese auf Linien durchgeführt werden, die in die in Art. 24 § 1 COTIF vorgesehene Liste eingetragen sind.147 Am weitesten geht bisweilen die Regelung des Montrealer Übereinkommens. Zwar sind dessen Regelungen auch nicht auf einen Multimodalvertrag als solchen anwendbar, allerdings bestimmt Art. 38 Abs. 1 MÜ, dass das vereinheitlichte Luftrecht zumindest für die die Luftbeförderung umfassende Teilstrecke dieses Vertrages gilt. Diese Vorschrift genießt im staatsvertraglichen Transportrecht jedoch eine Alleinstellung – die anderen Konventionen weisen eine solche Klarstellung nicht auf.148 Dementsprechend ist für die CMR umstritten, ob auch sie auf die Land-Teilstrecke eines Multimodalvertrages anwendbar ist.149 Eine Besonderheit des MÜ ist weiterhin, dass dieses Übereinkommen unter Um144 Vgl. nur OLG Hamburg TranspR 2011, 228. Zu den dabei auftretenden Zweifelsfragen Herber, TranspR 1994, 375 ff. Allerdings ordnet Art. 2 Abs. 1 S. 2 CMR unter besonderen Umständen die Anwendung des Haftungsrechts des Trägertransportmittels an, vgl. Bahnsen, TranspR 2012, 400 (401 ff.) m. w. N. aus der deutschen Rspr. 145 Näher dazu BGH TranspR 2013, 433. In dieser Entscheidung scheint der Bundesgerichtshof die CIM jedoch nicht unmittelbar anwenden zu wollen (ebenso Pokrant, TranspR 2014, 51 [55 ff.]), sondern prüft die genauen Voraussetzungen von Art. 1 § 3 CIM nur unter Berufung auf eine Wahl deutschen Rechts gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB und auf den in § 452 S. 1 HGB statuierten Vorbehalt zugunsten internationaler Übereinkommen. Richtigerweise müsste jedoch die CIM bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 1 § 3 CIM direkt, also ohne Vorschaltung des Kollisionsrechts, Anwendung finden (siehe oben § 3 – B.I. und die Prüfungsreihenfolge in § 4). 146 Das internationale Eisenbahnrecht gilt in diesem Fall für den gesamten Multimodaltransport, siehe Freise, TranspR 2013, 426 (427). 147 Diese Liste kann eingesehen werden unter . 148 Siehe Ramming, TranspR 2007, 279 (286); Freise, TranspR 2012, 1 (2 ff.). 149 Dafür – unter Berufung auf eine Entscheidung des engl. Court of Appeal vom 27.3.2002 [Quantum Corporation vs. Plane Trucking], ETL 2004, 535 – etwa Haak/Hoeks, TranspR 2005, 89 (95 ff.); Clarke, TranspR 2005, 182 (183 ff.). Anders dagegen die in Deutschland herrschende Ansicht: BGH BGHZ 117, 309 = NJW 2008, 2782; Koller, TranspR 2003, 45 ff.; Ramming, TranspR 1999, 325 (329 ff.) m. w. N. Dies entsprechend auch für die anderen Übereinkommen ablehnend Rogert, Einheitsrecht und Kollisionsrecht im internationalen multimodalen Gütertransport, 2005, S. 78 ff., 117; Herber, TranspR 2006, 435 (439).

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

373

ständen auch auf – wenngleich ebenfalls nur unimodale – Landtransporte Anwendung finden kann. Wickelt ein Luftfrachtführer den vereinbarten Lufttransport eigenmächtig mit einem LKW ab, haftet er gemäß Art. 18 Abs. 4 S. 3 MÜ nach dem einheitlichen Luftrecht.150 II. Modusunabhängigkeit des IPR Im Gegensatz zum materiellen Einheitsrecht ist die Anwendung des europäischen Beförderungsvertragskollisionsrechts vollkommen unabhängig von den genauen Modalitäten des Transports.151 In Art. 5 Rom I-VO wird lediglich auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern bzw. Personen Bezug genommen, sodass in sachlicher Hinsicht alle denkbaren sowohl uni- als auch multimodalen Beförderungen von der Vorschrift erfasst werden.152 Entsprechend spielt es für die Anwendbarkeit des supranationalen IPR insbesondere keine Rolle, ob ein bestimmter Be- oder Umladungsvorgang noch zu einem bestimmten Transportmodus hinzugerechnet werden kann.153 Die Beförderungsvertragskollisionsnorm ist maßgeblich für den gesamten vertraglich vereinbarten Beförderungsvorgang. Mit seinem modusunabhängigen Ansatz wird Art. 5 Rom I-VO den aktuellen Verhältnissen in der Transportpraxis am ehesten gerecht. Wenngleich Personenbeförderungsverträge in der Regel noch auf einer bewussten Entscheidung für das jeweilige Verkehrsmittel basieren (wegen Komfort und Reisezeiterwägungen), so ist im Güterverkehr für die Nachfrageseite der konkrete Transportmodus immer weniger von Belang.154 Die Festlegung auf ein konkretes Verkehrsmittel steht für den Absender kaum mehr im Vordergrund. Vielmehr liegt sein Interesse in der Einhaltung des terminlichen und preislichen Rahmens. Schon aus Komfort- und Effizienzgründen geht die Tendenz aber zu direkten Haus-zu-Haus-Beförderungen unter Einbeziehung verschiedenartiger Transportmittel.155 Gerade der Siegeszug des Containers führte zu einer Multimodalisierung des Transportgewerbes.156 Weil das materielle Einheitsrecht auf entsprechende Verträge jedoch Ruhwedel, TranspR 2006, 421 (425 f.). Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei letztlich aber um eine unimodale Beförderung. 151 Siehe oben § 6 – B.I.3.e). 152 Vgl. OLG München RdTW 2014, 28 (29). 153 Davon hängt jedoch die Anwendbarkeit der materiellen Transportrechtsübereinkommen maßgeblich ab. Sofern letztere keine Art. 18 Abs. 4 S. 1 und 2 MÜ entsprechenden Klarstellungen aufweisen, besteht diesbezüglich eine erhebliche Rechtsunsicherheit. 154 Dahingehend schon Basedow, S. 57 ff. 155 Basedow, S. 44 spricht insoweit von „Gesamttransporten“. Dabei fungiert der LKW häufig als Transportmittel der „ersten“ bzw. „letzten“ Meile, das den Vor- bzw. Nachlauf zu den Anschlusspunkten an die Schienen-, Luft-, oder Schiffverkehrswege herstellt, siehe Freise, TranspR 2012, 1 (2). 156 Basedow, S. 44 f. Zur Entwicklung des containerbasierten Transports Klein, TranspR 2008, 15 ff. 150

374

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

typischerweise nicht einschlägig ist, eröffnet sich insoweit ein wirtschaftlich immens bedeutendes Anwendungsfeld für Art. 5 Rom I-VO. D. Reichweite des Vertragsbegriffs Abgesehen von der offenkundigen Verschiedenheit bezüglich des Transportmodus stellt sich die Frage, ob das materiell vereinheitlichte Transportrecht und Art. 5 Rom I-VO möglicherweise auch in sonstiger sachlicher Hinsicht divergierende Regelungsansätze verfolgen, woraus ein Anwendungsspielraum für das Beförderungsvertrags-IPR resultieren könnte. Zum einen könnte sich dies hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Güter- und Personenbeförderung ergeben (I.). Weiterhin wäre dies denkbar, wenn der Transportvertragsbegriff des materiellen Einheitsrechts und des europäischen Kollisionsrechts grundlegende Wesensunterschiede aufweisen würde (II.-IV.). Letzteres wäre zwar so gut wie ausgeschlossen, falls man der Auslegung des sachlichen Anwendungsbereich von Art. 5 Rom I-VO von vornherein die einheitsrechtlichen Begrifflichkeiten zugrundelegen wollte.157 Dies ist jedoch zumindest hinsichtlich der ausschließlich mitgliedstaatlichen Konventionen formell nicht möglich.158 Allerdings sind zwischen dem originären supranationalen Personenbeförderungsrecht und Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO kaum grundlegende Unterschiede zu erwarten, da zwischen dem europäischen Transportsach- und -kollisionsrecht ein gewisser systematischer Zusammenhang besteht.159 Allgemein lässt sich sagen, dass Art. 5 Rom I-VO auch hinsichtlich seines sachlichen Anwendungsbereiches grundsätzlich universal ausgestaltet ist.160 I.

Güter- oder Personenbeförderung

Im materiellen Einheitsrecht wird auf Anwendungsbereichsebene überwiegend eine strikte Trennung zwischen Güter- und Personenbeförderung vollzogen. So betreffen die meisten Übereinkommen entweder den Güter- oder den Personentransport. Die einzige Ausnahme stellt insoweit das Luftrecht des WA/MÜ dar, welches Regelungen für beide Bereiche vorsieht.161 Auch das europäische Transportrecht bezieht sich lediglich auf den Personenverkehr.162 Demgegenüber erstreckt sich der Anwendungsbereich von Art. 5 Dafür Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 33. Näher dazu oben § 5 – B.III. 159 Siehe oben § 5 – B.II. und § 7 – A.I.3.c). 160 Dazu oben § 6 – B.I.3. und § 7 – B.I.2. 161 Das materielle Eisenbahnrecht für die Güter- und die Personenbeförderung ergibt sich zwar ebenfalls zusammen aus der einheitlichen Rahmenkonvention COTIF, befindet sich dort jedoch in separaten Anhängen. 162 Einzig das in das Unionsrecht inkorporierte MÜ deckt ebenfalls den Gütertransport ab. Dagegen bezieht sich die die Bestimmung umsetzende VO 2027/97 nur auf den Personenverkehr (vgl. Art. 1). 157 158

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

375

Rom I-VO prinzipiell sowohl auf Güter- als auch auf Personenbeförderungsverträge. Nichtsdestotrotz wird innerhalb dieser Norm inhaltlich zwischen diesen Kategorien unterschieden, was insofern sachgerecht ist, als dass bei Güter- eine andere Interessenlage als bei Personenbeförderungsverträgen herrscht.163 Auch wenn Art. 5 Rom I-VO auch in dieser Hinsicht wiederum den weiterreichenden Regelungsansatz gegenüber den einzelnen Sachrechtsakten verfolgt, entsteht daraus aber nur bedingt ein praktisches Anwendungsfeld. Denn im Endeffekt existiert für die meisten Verkehrssektoren Einheitsrecht sowohl hinsichtlich des Güter- als auch des Personentransports, nur eben in zwei (oder mehr) Rechtsakten – mit jeweils unterschiedlichem Geltungsbereich. Allerdings ist auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt der Personenverkehr staatsvertraglich nicht geregelt, sodass insoweit ausschließlich die europäischen Fahrgastrechte als einheitsrechtliches Regime in Betracht kommen. II. Erfasste vertragliche Konstruktionen Insgesamt ist festzustellen, dass – den Sonderfall des Seerechts außen vor gelassen – sowohl das vereinheitlichte Sachrecht als auch das supranationale Kollisionsrecht grundsätzlich vom objekt- bzw. ladungsbezogenen Transportvertrag als Mustertypus ausgehen.164 Sprachlich ähneln sich die verschiedenen Rechtsinstrumente sehr, indem beispielsweise von „einem Vertrag über die Beförderung“ oder von einem „Frachtvertrag“ die Rede ist. Wie auch im Rahmen von Art. 5 Rom I-VO165 ist daher im Einzelnen unklar, inwieweit das Einheitsrecht über die Beförderungsverträge im engeren Sinne hinaus auch auf andere transportbezogene Rechtsgeschäfte anwendbar ist. Jedenfalls fahrzeugbezogene Reisecharterverträge werden mitunter als vom Anwendungsbereich erfasst erachtet.166 Dagegen sollen Miet- und Zeitcharterverträge nicht den Vorschriften des internationalen Transportrechts unterliegen.167 Eine ähnliche Problematik stellt sich hinsichtlich speditioneller Verträge. Während reine Speditionsverträge nicht vom staatsvertraglichen Frachtrecht erfasst 163 So ist etwa Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO, wie im Übrigen auch das entsprechende materielle Einheitsrecht, vom Gedanken des Passagierschutzes geprägt, vgl, oben § 7 – A.I. 164 Für Art. 5 Rom I-VO siehe oben § 6 – B.II. Für die CMR wird etwa vertreten, dass das entscheidende Kriterium für ihre Anwendung sei, dass der Vertrag ladungs- und nicht fahrzeugbezogen ist, so Cour cass. 5.2.1985, BT 1986, 350; MünchKommHGB/JesserHuß, Art. 1 CMR Rn. 9. A.A. Bracker, TranspR 1999, 7. 165 Siehe dazu im Einzelnen oben § 6 – B.III. 166 Siehe für die CMR MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 1 CMR Rn. 9; für das MÜ Reuschle, Art. 1 Rn. 15, für die CMNI Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (33) Rn. 113. 167 Für die CMR MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 1 CMR Rn. 9; für das MÜ Reuschle, Art. 1 Rn. 14 f. Zur Problematik im Rahmen der CMNI Ramming, HmbSchRZ 2009, 21 (33) Rn. 115, 120.

376

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

sein sollen,168 ist dieses bei Vorliegen eines Fixkostenspeditionsvertrags laut BGH unmittelbar anwendbar.169 Bezüglich des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 5 Rom I-VO und des materiellen Transportrechts stellen sich folglich sehr ähnliche Auslegungsfragen.170 Daher kann jedenfalls insoweit kein wesentlicher struktureller Unterschied zwischen diesen Rechtsebenen ausgemacht werden, aus dem ein nennenswertes Anwendungsfeld des supranationalen Beförderungsvertragskollisionsrechts erwachsen könnte. Ein solches besteht allerdings überall dort, wo bestimmte Gegenstände aus dem sachlichen Anwendungsbereich des materiellen Einheitsrechts explizit ausgenommen sind. So findet beispielsweise die CMR nicht auf den Transport von Leichen (Art. 1 Abs. 4 lit. b) und auf Umzugsverträge (Art. 1 Abs. 4 lit. c) Anwendung. Weil Art. 5 Rom I-VO weder in dieser noch in anderer Hinsicht beschränkt ist,171 findet das Kollisionsrecht auch auf derartige Fragen ohne Weiteres Anwendung. Rechtsaktsübergreifend vom sachlichen Anwendungsbereich des materiellen Einheitsrechts ausgeschlossen sind außerdem Postsendungen, vgl. Art. 1 Abs. 4 lit. a CMR, Art. 2 Abs. 2 WA und Art. 2 Abs. 3 MÜ. Dies würde wiederum ein spezifisches Anwendungsfeld von Art. 5 Rom I-VO nahelegen. Allerdings besteht ein solches nicht, da insoweit das materielle Einheitsrecht des Weltpostvertrag (WPV) eingreift, der eigene staatsvertragliche Haftungsregelungen enthält (vgl. Art. 34 ff. WPV),172 die gegenüber den supranationalen Verweisungsregeln vorrangig sind.173 III. Entgeltlichkeit Auch was das Kriterium der Entgeltlichkeit der Transportleistung angeht, lassen sich weitgehend Parallelen zwischen dem materiellen Einheitsrecht und dem europäischen Beförderungsvertragskollisionsrecht feststellen. ErsteSo für die CMR MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 1 CMR Rn. 5; Koller, Art. 1 CMR Rn. 2. Für die CIM: MünchKommHGB/Freise, Art. 1 CIM Rn. 2. Im Rahmen der CMNI: MünchKommHGB/Otte, Art. 1 CMNI Rn. 18; Koller, Art. 1 CMNI Rn. 1; Ramming, TranspR 2006, 373 (374); Jaegers, TranspR 2007, 141 (144). Für das MÜ: Koller, Art. 1 MÜ Rn. 4 f., sowie Reuschle, Art. 1 Rn. 11 f., laut dem das MÜ auf die Speditionsverträge zwar nicht „ipso iure“ Anwendung findet, jedoch die §§ 458-460 HGB auf nationaler Ebene den Anwendungsbereich des MÜ ausweiten. 169 Siehe BGH TranspR 2008, 323 Rn. 24 für die CMR und anschließend BGH TranspR 2009, 262 = NJW-RR 2009, 1335 Rn. 32 für das WA sowie BGH TranspR 2011, 80 Rn. 26 für das MÜ. 170 Zum sachlichen Anwendungsbereich von Art. 5 Rom I-VO ausführlich oben § 6 – B. 171 Siehe allgemein oben § 6 – B.I. und § 7 – B.I. Leichen sind hingegen nicht als „Personen“ anzusehen, sodass deren Transport unter Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO fällt, siehe oben § 7 – B.I.2.b). 172 Dazu Rode, TranspR 2005, 301 ff.; MünchKommHGB/Schmidt/Herber, Posttransport Rn. 52 ff. 173 Siehe oben § 3 – B.I.3. 168

§ 10 Divergierende Anwendungskriterien von Einheitsrecht und IPR

377

res ist im Bereich des Gütertransports ausdrücklich nur auf entgeltliche Beförderungen anwendbar, siehe Art. 1 CMR, Art. 1 CIM, Art. 1 Abs. 1 S. 1 WA/MÜ, Art. 1 Nr. 1 CMNI, Art. 1 Nr. 1 RR. Dagegen findet das vereinheitlichte Personentransportrecht in weiten Teilen auch auf unentgeltliche Beförderung Anwendung, vgl. Art. 1 CIV, Art. 1 Abs. 2 lit. b CVR, Art. 1 Abs. 1 S. 2 WA/MÜ oder auch Art. 3 Abs. 3 S. 2 VO 261/2004 und Art. 1 Nr. 8 VO 1371/2007. Diese Differenzierung nach Personen- und Güterbeförderung entspricht damit jener von Art. 5 Rom I-VO, auch wenn sich letztere nicht schon aus dem Wortlaut der Verweisungsnorm, sondern erst aus deren systematischen Auslegung ergibt.174 Ist man jedoch – entgegen der hier vertretenen Auffassung – der Ansicht, dass Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO auch auf unentgeltliche Güterbeförderungen Anwendung findet,175 wäre darin ein gewisser eigenständiger Anwendungsspielraum von Art. 5 Rom I-VO gegenüber dem international vereinheitlichten Sachrecht zu sehen. IV. Regelmäßigkeit der angebotenen Transportdienstleistung Ein solch exklusiver Anwendungsbereich von Art. 5 Rom I-VO besteht auch dort, wo das vereinheitlichte Transportrecht die Regelmäßigkeit der Transportleistung – wie etwa in Art. 6 RR – zum Anwendungskriterium erhebt. Auch sind die europäischen Fahrgastrechte im Bus- und im Schiffsverkehr nur auf im Linienverkehr erfolgende Beförderungen anwendbar, vgl. Art. 2 Abs. 3 VO 181/2011 bzw. Art. 2 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 3 lit. f VO 1177/ 10.176 Die Rechte des Passagiers bei Gelegenheitsbeförderungen per Bus oder Schiff bestimmen sich folglich allein nach dem durch Art. 5 Abs. 2 Rom IVO zu ermittelnden Beförderungsvertragsstatut. Das supranationale Verweisungsrecht differenziert nicht nach der Regelmäßigkeit der zu erbringenden Dienstleistung und ist somit sowohl auf jegliche Linien- als auch auf Gelegenheitsbeförderungen anwendbar. Auch hinsichtlich dieses sachlichen Anknüpfungskriteriums ist der Anwendungsbereich von Art. 5 Rom I-VO im Ergebnis somit universeller gefasst als jener der einzelnen materiellen Einheitsrechtsakte.

Siehe oben § 6 – B.I.3.d) und § 7 – B.I.2.e). So insbesondere Staudinger/Magnus, Art. 5 Rom I-VO Rn. 22. Ausführlich dazu oben § 6 – B.I.3.d). 176 Im europäischen Luft- und Eisenbahnrecht ist die Linienbeförderung keine formelle Anwendungsvoraussetzung. Insbesondere die VO 261/2004 kann somit auch auf Gelegenheitsflüge Anwendung finden. Dies wäre zwar formal auch im Eisenbahnverkehr möglich, allerdings setzt der schienengebundene Verkehr wegen der Begrenztheit der Fahrtwege einen fahrplanmäßigen Betrieb voraus. 174 175

378

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

E. Zwischenergebnis Wie aus dieser Gegenüberstellung deutlich wird, lassen sich bezüglich zweier Anknüpfungspunkte erhebliche Divergenzen zwischen materiellem Einheitstransportrecht und dem supranationalen Beförderungsvertrags-IPR ausmachen:177 Während das Einheitsrecht in räumlicher Hinsicht im Wesentlichen auf grenzüberschreitende bzw. EU-bezogene Sachverhalte beschränkt ist, kommt Art. 5 Rom I-VO insoweit universell, also insbesondere auch bei internen Beförderungen oder Drittstaatssachverhalten, zur Anwendung (A.). Ebenso weist das europäische Kollisionsrecht in sachlicher Hinsicht einen größeren Anwendungsspielraum dahingehend auf, dass die Einheitstransportrechtsakte auf unimodale Beförderungen beschränkt sind, während Art. 5 Rom I-VO nicht nur solche, sondern auch Multimodaltransporte erfasst (C.). Dagegen sind die Anwendungsbereiche von vereinheitlichtem Sachrecht und IPR bezüglich persönlicher Merkmale (B.) und dem jeweils zugrunde liegenden Vertragsbegriff (D.) ähnlich ausgestaltet.

§ 11 Die Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich der Schließung inhaltlicher Lücken des materiellen Einheitsrechts

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts Ein wichtiges Anwendungsfeld von Art. 5 Rom I-VO besteht ebenfalls im Bereich interner Lücken des materiellen Einheitsrechts, also immer dann, wenn der Sachverhalt durch eine einschlägige einheitsrechtliche Regelung nicht abschließend gelöst werden kann.178 Dass es sich dabei um eine besonders praxisrelevante Konstellation für die Anwendung des supranationalen Kollisionsrechts handelt, ist wiederum einem grundlegenden strukturellen Unterschied zwischen materiellem Transportrecht und dem vom IPR berufenen Beförderungsvertragsstatut geschuldet, der die inhaltliche Regelungstiefe betrifft (A.). So beschränkt sich das vorrangige transnationale Transportrecht typischerweise auf einzelne konkrete Regelungsgegenstände (B.). Für alle sonstigen Zur Auswertung dieser Divergenzen siehe auch unten § 12 – B. Siehe oben § 9 – C.III. Die inhaltlichen Lücken sind dabei zu unterscheiden von unbestimmten Rechtsbegriffen. Sofern das materielle Einheitsrechts derartige ausfüllungsbedürftige Begriffe aufweist, wie etwa die „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO 261/2004, ist nicht das – über Art. 5 Rom I-VO zu ermittelnde – Beförderungsvertragsstatut ergänzend heranzuziehen. Stattdessen ist eine solche generalisierende einheitsrechtliche Regelung direkt durch Auslegung des materiell-rechtlichen Rechtsinstruments zu konkretisieren. Für im sekundären Europarecht enthaltene unbestimmte Rechtsbegriffe kann dafür letztinstanzlich der EuGH angerufen werden, vgl. Remien, RabelsZ 66 (2002), 503 (517 ff.). Das gleiche gilt für Generalklauseln, die in in das Unionsrecht überführten Sachrechtskonventionen enthalten sind. So füllte der EuGH in seiner Walz-Entscheidung (EuGH, Rs. C-63/09 [1. Kapitel Fn. 179], NJW 2010, 2113 Rn. 24 ff.) den Schadensbegriff des MÜ näher aus. 177 178

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts

379

Fragen, die aus dem transportvertraglichen Rechtsverhältnis erwachsen, ist dagegen das durch das IPR bestimmte Beförderungsvertragsstatut verantwortlich. Wie breit das Spektrum dieser Restmenge ist, für die schließlich Art. 5 Rom I-VO relevant wird, soll anhand ausgewählter, exklusiv unter das Beförderungsvertragsstatut fallender, Materien veranschaulicht werden (C.). A. Pointillismus der Sachrechtsvereinheitlichung versus Universalität des Vertragsstatuts Wesenstypisch für die internationale Sachrechtsvereinheitlichung ist ihr punktueller, fragmentarischer Charakter.179 Nicht nur, dass bereits der Anwendungsbereich der Einheitsrechtsakte mitunter in sachlicher Hinsicht erheblich beschränkt ist,180 erfolgt eine Regulierung auch stets im Hinblick auf einzelne konkrete Gegenstände. Eine umfassende zivilrechtliche Kodifikation konnte – jedenfalls bisher – auf der transnationalen Ebene noch nicht etabliert werden.181 Dies gilt insbesondere auf dem Gebiet des Transportrechts, wo die Einheitsrechtsakte ebenfalls in ihrer inhaltlichen Tiefe stark begrenzt sind und nur bestimmte Ausschnitte des vertraglichen Schuldverhältnisses regeln.182 Dementsprechend lückenhaft stellt sich das vereinheitlichte Transportrecht dar. Diese Eigenheit des materiellen Einheitsrechts hat wiederum politische Gründe: So ist auf völkervertraglicher Ebene kaum denkbar, dass zwischen einer Mehrzahl von Staaten ein Kompromiss über ein umfassendes schuldrechtliches Regelwerk gefunden werden kann.183 Folglich ist schon aus pragmatischen Erwägungen der Gegenstand der zwischenstaatlichen Verhandlungen auf ein (den Rechtsvereinheitlichungs-)Erfolg versprechendes Mindestmaß zu beschränken.184 Dass nicht nur die völkervertragliche, sonKötz, RabelsZ 50 (1986), 1 (3). Dies ausdrücklich für das europäische Privatrecht feststellend Basedow, AcP 210 (2010), 158 (166 ff.). Zu den aus diesem Umstand resultierenden Schwierigkeiten Grigoleit, AcP 210 (2010), 354 (378 ff.). 180 Siehe nur oben § 10 – C. 181 Einer umfassenden einheitsrechtlichen Kodifikation am Nähesten gekommen wäre das Gemeinsame Europäische Kaufrecht (siehe oben § 3 – B.II.2.b)). Allerdings war dieses nicht zwingend ausgestaltet, sondern hätte nur als zweites Regime neben die nationalen Regelungen treten sollen. Zudem war der sachliche Anwendungsbereich dieses Rechtsinstruments im Laufe des Entstehungsprozesses erheblich eingeschränkt worden. 182 Zu typischen Gegenständen siehe sogleich B. 183 Transportrechtliche Sachverhalte weisen Bezüge zu allgemeinen schuld- und privatrechtlichen Fragestellungen auf, insbesondere bei Mehr-Personen-Konstellationen. Hätte man den Anspruch, einen sachrechtsvereinheitlichenden Rechtsakt zu schaffen, der alle auftretenden Fragen regelt, müssten folglich wichtige Fragen des allgemeinen Teils ebenfalls geregelt werden (wie z. B. den Vertrag zugunsten Dritter, als welcher die Frachtverträge in Deutschland charakterisiert werden, siehe oben 2. Kapitel Fn. 465). Eine solch umfassende Vereinheitlichung des Schuldrechts gestaltet sich aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme und nationalstaatlichen Konzeptionen jedoch höchst schwierig. 184 Siehe dazu auch oben § 10 – A.I. 179

380

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

dern auch die supranationale Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Transportrechts pointillistisch ist, hat kompetenzrechtliche Ursachen.185 Da der Union diesbezüglich keine umfassende Rechtssetzungszuständigkeit zukommt, kann sie nur im Rahmen ihrer existierenden, punktuellen, Kompetenzen aktiv werden.186 Im Gegensatz zum vereinheitlichten Sachrecht ist die durch das supranationale Verweisungsrecht berufene nationale Rechtsordnung nahezu umfassend für alle das Vertragsverhältnis betreffende Fragen maßgeblich.187 Dies wird aus den in Art. 10 und Art. 12 Rom I-VO genannten, dem Vertragsstatut unterfallenden Themenkomplexen (Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrages, Auslegung, Erfüllung, Nichterfüllung, Erlöschen, Nichtigkeit) deutlich, sowie aus dem Umstand, dass die Aufzählung in Art. 12 Rom I-VO gerade nicht abschließend ist („insbesondere“).188 Auch etwaige bereicherungsrechtliche oder deliktische Auswirkungen des Vertragsverhältnisses beurteilen sich aufgrund entsprechender Verweisungen in der Rom II-Verordnung im Ergebnis nach dem Vertragsstatut.189 Damit folgt das supranationale IPR dem international-privatrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit des Vertragsstatuts, wonach das vertragliche Rechtsverhältnis im Ganzen nur einer einzigen Rechtsordnung unterfallen soll.190 Dadurch soll dem Ordnungsinteresse nach einer homogenen Anknüpfung eines zusammenhängenden Lebenssachverhaltes Rechnung getragen werden.191 Von diesem Prinzip bestehen zwar vereinzelt Ausnahmen, sodass es in der Praxis zu einer gewissen Vielfalt anwendbarer Rechtsordnungen kommen kann.192 Grundsätzlich erhebt das (BefördeVgl. Leible, NJW 2008, 2558 (2559). Zum fragmentarischen Charakter des europäischen Privatrechts auch Remien, RabelsZ 60 (1996), 1 (8 f.). 186 Siehe oben § 1 – A.III. und § 3 – B.I.2.a)aa). Allerdings gibt es auf europäischer Ebene konkrete Bemühungen, die bestehenden vier sektoriellen Fahrgastrechteverordnungen zu systematisieren, siehe dazu allgemein Tonner, RRa 2012, 162 (163 f.). Beachte auch die allgemeinen Prinzipien, die die Kommission in ihrer Mitteilung vom 19.12.2011, KOM (2011) 898, S. 4, aufgestellt hat (näher dazu Karsten/Schuster-Wolf, VuR 2012, 463 [464]). 187 Vgl. MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 3; Rauscher/Freitag, Art. 12 Rom I-VO Rn. 1; Ferrari/Ferrari, Art. 12 Rom I-VO Rn. 1; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 10 Rom I-VO Rn. 2. 188 Vgl. MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 3. So für die inhaltsgleiche Vorgängervorschrift Art. 10 EVÜ, Giuliano/Lagarde-Bericht, S. 64. 189 Vgl. Art. 4 Abs. 3 S. 2, Art. 10 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Rom II-VO. Siehe dazu auch Rauscher/Freitag, Art. 12 Rom I-VO Rn. 3 ff. Somit beurteilen sich beispielsweise bei einem Unfall, bei dem ein Passagier verletzt wird, etwaige vertragliche wie auch deliktische Schadensersatzansprüche gegen den Beförderer nach der gleichen Rechtsordnung. 190 Rauscher/Freitag, Art. 12 Rom I-VO Rn. 1. Eingehend zur Entstehungsgeschichte der Lehre des Einheitsstatuts, die bereits vom Reichsgericht vertreten wurde, Staudinger/ Hausmann (2002), Art. 31 EGBGB Rn. 1 ff. m. w. N. 191 M.-P. Weller, IPRax 2005, 428 (429). 192 Vgl. etwa Art. 12 Abs. 2 oder Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO. Siehe auch PWW/ Wegen/Brödermann, Art. 12 Rom I-VO Rn. 5. 185

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts

381

rungs-)Vertragstatut aber in sachlicher Hinsicht einen universalen Geltungsanspruch, was auch für die entsprechende, jenes berufende Verweisungsnorm gilt. Folglich lassen sich mithilfe von Art. 5 Rom I-VO jegliche Lücken schließen, die auf der Ebene des vereinheitlichten Transportsachrechts offen gelassen werden. B. Die Haftung des Beförderers als zentraler Regelungsgegenstand des transnationalen Transportrechts Statt alle entsprechenden Lücken im Einzelnen aufzulisten, bietet es sich wegen des fragmentarischen Charakters des materiellen internationalen Transportrechts eher an, umgekehrt konkret diejenigen Gegenstände zu benennen, die typischerweise auf der Ebene der Sachrechtsvereinheitlichung geregelt werden. Unterzieht man das transnationale Transportrecht einer rechtsaktsübergreifenden193 Analyse, kristallisiert sich schließlich ein eindeutiger inhaltlicher Schwerpunkt heraus: die Ebene der Sekundärpflichten.194 Zwar finden sich – in unterschliedlichem Ausmaß – im Einheitsrecht auch Regelungen, die den Vertragsinhalt als solchen betreffen und die primäre Beförderungspflicht näher konkretisieren: Insoweit zu nennen wären etwa die Vorschriften zu den Frachtdokumenten, denen neben ihrer Eigenschaft als Informationsträger regelmäßig eine Beweisfunktion für den Abschluss und Inhalt des Beförderungsvertrages zukommt.195 In den Bereich der Primärebene fällt auch das regelmäßig eingeräumte transportrechtliche Verfügungsrecht, wonach der Frachtvertrag während der Reise, also nachträglich, durch Weisungen des Absenders oder Empfängers einseitig geändert werden kann.196 Mitunter werden sogar ausdrücklich Vertragspflichten definiert, vgl. Art. 6 § 1 CIM/CIV, Art. 3, 5 und 6 CMNI und – hinsichtlich der Beförde193 Wegen seiner Besonderheiten wird das internationale Seefrachtrecht in diesem Abschnitt generell außen vor gelassen. Dagegen wird die CMNI, obwohl sie ihre internen Lücken eigenständig schließt und somit Art. 5 Rom I-VO insoweit keine Bedeutung erlangen kann (siehe oben § 9 – C.III.2.), zur Verdeutlichung der strukturellen Gemeinsamkeiten des internationalen Transportrechts hier berücksichtigt. Der folgende Überblick erhebt indes keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für weitergehende Details sei insoweit auf die einschlägige Spezialliteratur verwiesen. 194 Nach Basedow, S. 258 betrifft jegliches zwingende Transportrecht im Kern die Haftungebene. Zur Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärleistungspflichten Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, 14. Aufl. 1987, § 2 I (S. 8 f.); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 23. Aufl. 2011, Rn. 205. 195 Vgl. Art. 9 Abs. 1 CMR, Art. 6 § 2 S. 1 CIM, Art. 6 § 3 CIV, Art. 11 Abs. 1 MÜ, Art. 11 Abs. 3 CMNI. Aus den im Einheitsrecht verankerten (primären) Dokumentationspflichten erwächst wiederum spiegelbildlich eine (verschuldensunabhängige) Haftung des Absenders für unrichtige oder unvollständige Angaben, vgl. Art. 7 CMR, Art. 8 CIM, Art. 10 MÜ, Art. 8 Abs. 1 lit. a CMNI. 196 Art. 12 CMR, Art. 18 CIM, Art. 12 MÜ, Art. 14 CMNI. Zum transportrechtlichen Verfügungsrecht ausführlich Basedow, S. 292 ff.

382

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

rung behinderter oder in ihrer Mobilität eingeschränkter Passagiere – die Art. 11 VO 261/2004, Art. 19 ff. VO 1371/2007, Art. 7 ff. VO 1177/2010 und Art. 9 ff. VO 181/2011. Der größere und bedeutendere Teil der einheitsrechtlichen Regelungen bezieht sich jedoch auf nach Vertragsschluss eintretende Störungen des Schuldverhältnisses.197 Kennzeichnend für die Instrumente der materiellen Transportrechtsvereinheitlichung ist die inhaltliche Fokussierung auf die Sekundärpflichten des Beförderers, gleich ob diese nun als Haftung oder als Gewährleistung bezeichnet wird.198 Das transnationale Transporrecht regelt dabei verschiedene Aspekte der Haftung des Beförderers (I.–IV.), die in ihrer Gesamtheit ein eigenständiges einheitsrechtliches Haftungssystem ergeben.199 Da diese verschiedenen Einzelgesichtspunkte im Detail aber von Rechtsakt zu Rechtsakt unterschiedlich justiert werden,200 besteht das internationale Transportrecht letztendlich aus einer Vielzahl verschieden ausgestalteter Haftungssysteme. So stellte beispielsweise der EuGH ausdrücklich fest, dass trotz ihrer Ähnlichkeit und ihrer engen Verwandschaft in den Fahrgastrechtrechteverordnungen mitunter unterschiedliche Wertungen zum Tragen kommen, weil die einzelnen Verkehrssektoren hinsichtlich ihrer Funktionsweise, ihrer Zugänglichkeit und der Nutzungsbedingungen nicht miteinander vergleichbar und nicht austauschbar sind.201 I.

Haftungsgründe

Eine grundsätzliche strukturelle Gemeinsamkeit der transnationalen Sachrechtsakte auf dem Gebiet des Transportrechts besteht darin, dass jeweils verschiedene Tatbestände normiert werden, die eine Befördererhaftung auslösen. So lässt sich allgemein festhalten, dass der Frachtführer im Gütertransport für den Verlust und die Beschädigung der Güter haftet.202 In Art. 18 Abs. 1 MÜ ist zusätzlich noch die Zerstörung des Gutes als eigenständiger Haftungsgrund aufgeführt, bei der es sich um eine Substanzverletzung besonders starken Ausmaßes handelt, sodass die Grenze zur Beschädigung im ErDabei handelt es sich schließlich um den für die Praxis bedeutendsten transportrechtlichen Bereich, vgl. Basedow, S. 389. 198 Hinsichtlich des europäischen Personenbeförderungsrechts derartig differenzierend Freise, RdTW 2013, 41 (47 f.); ders., TranspR 2014, 135 (135 f.). 199 Diese Haftungssysteme basieren indes weniger auf Prinzipien als auf enumerativen Aufzählungen (siehe Basedow, S. 400). Aus diesem Grund vermögen diese Systeme auch nicht jegliche Leistungsstörungen abschließend abzudecken (siehe beispielhaft für die CMR Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2724). 200 Siehe auch Baddack, S. 124 ff. 201 EuGH (2. Kapitel Fn. 841), NJW 2013, 3429 Rn. 46 f. Siehe dazu auch Staudinger (2. Kapitel Fn. 841), 909. Kritisch insoweit Freise, TranspR 2014, 135 (138 ff.); Krüger, NJW 2013, 3407 (3408 f.). 202 Siehe Art. 17 Abs. 1 CMR, Art. 18 Abs. 1 MÜ, Art. 23 § 1 CIM, Art. 16 Abs. 1 CMNI. 197

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts

383

gebnis fließend ist.203 Dem stehen im Personentransport der Tod oder eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Reisenden sowie die Beschädigung oder der Verlust von dessen Gepäck gegenüber.204 Diese Haftungsgründe macht sich auch das Europäische Personenbeförderungsrecht zueigen. Im Eisenbahn- (VO 1371/2007), Luft- (VO 2027/97) und Schiffsverkehr (VO 392/2009) geschieht dies durch eine entsprechende sekundärrechtliche Bezugnahme auf die jeweiligen Unionsübereinkommen.205 Im Busverkehr werden sie sogar ausdrücklich und originär in der Fahrgastrechteverordnung erwähnt, vgl. Art. 7 Abs. 1 VO 181/2011.206 Sowohl im transnationalen Personen- als auch im Güterbeförderungsvertragsrecht löst die Verzögerung der Primärpflicht eine Haftung des Beförderers aus.207 Insbesondere ist die Verspätung im supranationalen Transportrecht ein Haftungsgrund.208 Als Ansatzpunkt für die Berechnung der Verzögerung wird im europäischen Fahrgastrecht jedoch im Allgemeinen der Zeitpunkt der Abfahrt angesehen.209 Weiterhin bestehen im europäischen Einheitsrecht die Haftungsgründe der Annullierung210 und im Luftverkehr zudem jener der Nichtbeförderung gegen den Willen des Passagiers, vgl. Art. 4 VO 261/2004.211

Giemulla/Schmid/Müller-Rostin, Art. 18 MÜ Rn. 15. Vgl. Art. 11 Abs. 1 CVR, Art. 26 § 1 CIV, Art. 17 Abs. 1 MÜ, Art. 3 Abs. 1 AÜ bzw. Art. 14 CVR, Art. 36 § 1 und 33 CIV, Art. 17 Abs. 2 MÜ, Art. 3 Abs. 3 und 4 AÜ. Siehe dazu auch den Überblick bei Bollweg, RRa 2010, 106 (109 ff.). 205 Vgl. auch oben § 10 – A.II. 206 Der Grund für diese eigenständige Normierung dieser Haftungsgründe ist sicherlich darin zu sehen, dass die Union selbst der CVR nicht beigetreten ist, sodass diese nur in einigen wenigen Mitgliedstaaten gilt, vgl. Karsten, VuR 2009, 213 (217). 207 Siehe Art. 17 Abs. 1 CMR, Art. 23 § 1 CIM, Art. 19 S. 1 MÜ, Art. 16 Abs. 1 CMNI, Art. 31 § 1 CIV. 208 Beachte die Art. 6 VO 261/2004, Art. 16 ff. VO 1371/2007, Art. 16 ff. VO 1177/ 2010 und Art. 19 ff. VO 181/2011. Siehe dazu auch Karsten/Seidenspinner, ZEuP 2010, 830 (852 ff.) und Bollweg, RRa 2010, 106 (111 ff.). 209 Vom Wortlaut der Fluggastrechte-VO ist unklar, ob es auf eine Abflug- oder auf eine Ankunftsverspätung ankommt. Allerdings wird regelmäßig auf ersteres abgestellt (siehe Hausmann, S. 292 ff. m. w. N), nicht zuletzt um eine Überschneidung mit der – von einer Ankunftsverspätung ausgehenden – Verspätungsregelung des Art. 19 MÜ zu vermeiden (zu diesem Spannungsverhältnis zwischen Verordnung und MÜ Tonner, VuR 2011, 203 [204 ff.]). Die neue VO 181/2011 stellt ebenfalls ausdrücklich auf eine Abfahrtsverspätung ab (Art. 19), vgl. auch Keiler, in: Binder/Eichel (Hrsg.), Internationale Dimensionen des Wirtschaftsrechts, 2013, S. 167 (176 f.). Dagegen geht Art. 19 Abs. 1 VO 1077/2010 von einer Ankunftsverspätung aus. Die VO 1371/2007 scheint widerum in Art. 17 Abs. 1 und 18 Abs. 1 sowohl Abfahrts- als auch Ankunftsverspätungen zu erfassen (ebenso Karsten/ Seidenspinner, ZEuP 2010, 830 [856 f.]). 210 Vgl. Art. 5 VO 261/2004, Art. 16 ff. VO 1177/2010, Art. 19 ff. VO 181/2010. Dagegen enthält die VO 1371/2007 keine eigenständige Regelung für den Ausfall von Zügen, vgl. Kunz, TranspR 2012, 309 (314). Möglicherweise können solche Fälle jedoch durch die 203 204

384

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

Auf ein Verschulden des Beförderers kommt es dabei in der Regel nicht an. Die Befördererhaftung ist – zumindest auf der Ebene der Haftungsbegründung – insoweit verschuldensunabhängig.212 Hinsichtlich vereinzelter Haftungsgründe wird allerdings ein Verschulden vorausgesetzt, vgl. Art. 33 § 2 CIV, Art. 3 Abs. 2 S. 1 AÜ und bisweilen, beispielsweise hinsichtlich Verspätungen, im Rahmen von Art. 19 S. 2 MÜ,213 vermutet. Auch kann sich das Verschulden auf die Höhe der Haftung auswirken.214 Wichtiger für die Begründung der Haftung des Beförderers ist hingegen die jeweilige Zeitspanne, in welcher der Beförderer für auftretende Schäden oder Verletzungen einzustehen hat. Im staatsvertraglichen Frachtrecht ist dies grundsätzlich der Zeitraum zwischen Übernahme und Ablieferung der Güter (so genannte Obhutshaftung).215 Die Personenbeförderungsübereinkommen stellen hingegen auf die Zeit an Bord einschließlich der Ein- und Aussteigevorgänge ab.216 II. Haftungsausschlussgründe Von den genannten Haftungsgründen werden sodann typischerweise katalogartig Ausnahmen statuiert.217 Gängige Tatbestandskategorien, die eine Haftung Verspätungsregeln der Eisenbahnrechteverordnung abgedeckt werden, dazu Bollweg, RRa 2010, 106 (113). 211 Zu letzterem jüngst EuGH, 4.10.2012 – Rs. C-321/11, EuZW 2012, 943 und EuGH, 4.10.2012 – Rs. C-22/11, EuZW 2012, 945. Dazu Schladebach/Mildenstein, EuZW 2012, 940. 212 Vgl. etwa Freise, RRa 2003, 146 (152). Aufgrund des Zusammenspiels von Haftungsbegründungs- und -ausschlusstatbeständen wird aber beispielsweise das Haftungssystem der CMR als Haftung für vermutetes Verschulden mit gesteigertem Sorgfaltsmaßstab angesehen, vgl. OGH TranspR 1991, 422; Staub/Helm, Art. 17 CMR Rn. 27 ff. Ausführlich zu dieser – für die Praxis gleichwohl unerheblichen – Diskussion Thume, in: Thume (Hrsg.), CMR, 3. Aufl. 2013, Art. 17 Rn. 4 ff. Auch die Verspätungshaftung des MÜ wird bisweilen als Haftung für vermutetes Verschulden bezeichnet, siehe Schmid/Müller-Rostin, NJW 2003, 3516 (3522 f.). Zur Frage, ob sich im europäischen Schadensersatzrecht allgemein die Tendenz erkennen lässt, die Haftung losgelöst von einem Verschulden zu statuieren, vgl. Remien, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, 2012, S. 359 (364 f.). 213 Denkschrift MÜ, BT-Drs. 15/2285 S. 35; Ruhwedel, TranspR 2001, 189 (198); Reuschle, Art. 19 Rn. 3. 214 Siehe die Nachweise unten B.III. 215 Siehe Art. 17 Abs. 1 CMR, Art. 23 § 1 S. 1 CIM, Art. 16 Abs. 1 CMNI. Auch wenn in Art. 18 Abs. 1 MÜ ausdrücklich der Zeitraum der „Luftbeförderung“ angesprochen wird, ist damit die Zeitspanne zwischen Übernahme und Ablieferung gemeint (MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 18 MÜ Rn. 35 ff., Koller, Art. 18 MÜ Rn. 4; a. A. Baddack, S. 143). Fragen ergeben sich dabei aber insbesondere bei Umladevorgängen, siehe Kirchhof, TranspR 2010, 321 (322 f.). 216 Art. 17 Abs. 1 MÜ, Art. 26 § 1 CIV, Art. 11 Abs. 1 CVR. Laut AÜ haftet der Beförderer für Schäden, die durch „während der Beförderung eingetretene Ereignisse“ entstanden sind (Art. 3 Abs. 6 S. 1). 217 Siehe auch Baddack, S. 128 ff. Allgemein dazu Basedow, S. 400 ff.

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts

385

des Beförderers (ganz oder teilweise) ausschließen, sind dabei im internationalen Transportrecht beispielsweise Ladungs-, Beladungs- oder Verpackungsmängel218 und allgemein das Mitverschulden des Geschädigten219 oder das Vorliegen von unvermeidbaren Umständen.220 Der letztgenannte Haftungsausschlussgrund findet sich auch im europäischen Personenbeförderungsrecht wieder,221 wo mitunter widrige Wetterbedingungen und Naturkatastrophen gesondert aufgeführt werden.222 Eine systematische Ausnahme bildet aber die Fahrgastrechteverordnung im Eisenbahnverkehr, die keine besonderen Haftungsausschlussgründe vorsieht.223 III. Rechtsfolgenseite Mit der regelmäßig verschuldensunabhängigen Haftung des Beförderers geht im staatsvertraglichen Transportrecht eine Beschränkung der Höhe seiner Haftung einher. Das internationale Einheitsrecht enthält demgemäß ebenfalls detaillierte Regelungen zu den Haftungshöchstgrenzen.224 Dabei statuieren die neueren Übereinkommen tendenziell höhere Maximalbeträge als ältere Staatsverträge, wie z. B. die CMR.225 Diese sind im Personenverkehr gleich218 Vgl. die Aufzählung von Gründen in Art. 17 Abs. 4 CMR, Art. 23 § 3 CIM, Art. 18 Abs. 2 MÜ, Art. 18 Abs. 1 CMNI. 219 Art. 17 Abs. 2 CMR, Art. 23 § 2 CIM, Art. 20 MÜ, Art. 18 Abs. 1 lit. a CMNI, Art. 26 § 2, 32 § 2 lit. b, 36 § 2 CIV, Art. 17 Abs. 1 CVR, Art. 6 AÜ, Art. 20 Abs. 2 letzter HS. VO 1177/2010. 220 Vgl. Art. 17 Abs. 2 letzter HS. CMR, Art. 23 § 2 CIM, Art. 16 Abs. 1 CMNI, Art. 32 § 2 lit. c CIV. 221 Art. 5 Abs. 3 VO 261/2004, Art. 20 Abs. 4 VO 1177/2010. 222 Siehe Art. 23 Abs. 2 VO 181/2011, Art. 20 Abs. 3 VO 1177/2010. 223 Zwar wurde vertreten, dass für die Fahrpreisentschädigung nach Art. 17 der VO 1371/ 2007 die Haftungsausschlussgründe des Art. 32 § 2 CIV gelten (so C. Schmidt, RRa 2008, 154 [159]; Bollweg, RRa 2010, 106 [112]; dahingehend wohl auch Kunz, TranspR 2012, 309 [313 f.]). Allerdings geht aus dem Wortlaut von Art. 15 der Verordnung hervor („vorbehaltlich“), dass das die besonderen Regelungen der Fahrgastrechteverordnung durch den Verweis auf die Bestimmungen der CIV nicht tangiert werden. Dies hat nunmehr der EuGH in seiner ÖBB-Entscheidung (2. Kapitel Fn. 841), Rn. 40 ff. ausdrücklich festgestellt (zustimmend Krüger, NJW 2013, 3407 [3408]; Staudinger/Bauer/Röben, NJW 2013, 3760 [3762]; zuvor bereits ebenso Staudinger, EuZW 2008, 751 [754]; Muzak, ZVR 2008, 583 [586 f.]). 224 Vgl. dazu den Überblick (inkl. des kurzen historischen Abrisses) bei Herber, TranspR 2004, 93 ff. Allerdings wird die Rechtfertigung für Haftungshöchstsummen in der Personenbeförderung grundlegend bezweifelt, siehe Haak, TranspR 2009, 162 (163 ff.). 225 Siehe die Höchstbeträge für Verlust in Art. 30 § 2 CIM (17 SZR pro fehlendes kg Fracht), Art. 22 Abs. 3 MÜ (19 SZR/kg) im Gegensatz zu Art. 23 Abs. 3 CMR (8,33 SZR/kg). Für die Überschreitung der Lieferfrist wird nach CMR nur bis zur Höhe der Fracht gehaftet (Art. 23 Abs. 5 CMR), die CIM setzt die Höchstgrenze dagegen bei dem 4-fachen an (Art. 33 § 1 CIM), im MÜ gilt Art. 22 Abs. 3. Die Haftungshöchstgrenzen des Montrealer Übereinkommens werden gemäß Art. 24 MÜ alle 5 Jahre überprüft, was im Jahr 2009 zu einer Anhebung geführt hat (dazu Bollweg, RRa 2010, 202 [203 f.]). Vor allem wegen ihrer niedrigen

386

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

wohl nur als Mindestregelungen ausgestaltet, die gegenüber etwaig höheren Grenzen nach dem (ergänzend anwendbaren) nationalen Recht zurücktreten.226 Zudem wird generell die Möglichkeit eingeräumt, durch Parteivereinbarung bzw. Wertdeklaration die Haftungssumme noch weiter zu erhöhen.227 Auch ist mitunter ein vollständiger Wegfall der Haftungsbeschränkungen vorgesehen, sofern den Frachtführer bezüglich des Schadens Vorsatz oder ein besonders schweres Verschulden trifft.228 Abgesehen von den Regelungen über die Haftungshöhe finden sich im völkervertraglichen Personentransportrecht auch vereinzelt Vorschriften über den Inhalt und den Umfang des zu ersetzenden Schadens, vgl. Art. 23 Abs. 1 CMR, Art. 30 § 1 CIM. So sind beispielsweise laut Art. 28 CIV die notwendigen Kosten für Heilung und Pflege sowie Vermögensnachteile durch gänzliche oder teilweise Arbeitsunfähigkeit zu erstatten. Art. 29 S. 2 MÜ trifft dagegen die negative Feststellung, dass ein nicht kompensatorischer Schadensersatz ausgeschlossen ist.229 Im Gegensatz zum staatsvertraglichen Einheitsrecht ist das europäische Personenbeförderungsrecht nicht auf finanzielle Ersatzansprüche beschränkt. Zwar ist auch im Sekundärrecht der finanzielle Ausgleichsanspruch, der zugleich sowohl verschuldensunabhängig als auch pauschalisiert und damit faktisch in der Höhe begrenzt ausgestaltet ist,230 von zentraler Bedeutung. Entsprechend besteht gerade zu diesem Rechtsinstitut eine erhebliche Judikatur, nicht zuletzt seitens des Europäischen Gerichtshofs.231 Darüber hinaus sehen die supranationalen Rechtsakte ein Recht auf Erstattung des FahrpreiHaftungshöchstgrenzen wird die CMR als reformbedürftig erachtet, dazu Haak, TranspR 2006, 325 (330) m. w. N. Die Höchstsummen für den Tod oder die Körperverletzung von Reisenden sind entsprechend der Hochwertigkeit der geschützten Rechtsgüter im internationalen Personenbeförderungsrecht noch höher ausgestattet, siehe Art. 21 MÜ (unbegrenzt), Art. 30 § 2 S. 2 CIV (175.000 SZR), Art. 7 Abs. 1 AÜ (400.000 SZR), Art. 13 Abs. 1 S. 1 CVR (250.000 Franken). Für Gepäckschäden bestehen differenzierte Haftungsbeschränkungen, vgl. Art. 22 Abs. 2 MÜ, Art. 34, 40 ff. CIV, Art. 16 Abs. 1 CVR, Art. 8 AÜ. 226 So Art. 30 § 2 CIV, Art. 13 Abs. 1 S. 2 CVR, Art. 7 Abs. 2 AÜ; vgl. Bollweg, RRa 2010, 106 (109 f.). 227 Vgl. Art. 24 CMR, Art. 25 MÜ, Art. 20 Abs. 4 lit. b CMNI, Art. 10 AÜ, Art. 34 CIM. 228 Art. 29 CMR, Art. 36 CIM, Art. 21 CMNI, Art. 22 Abs. 5 MÜ, Art. 13 Abs. 1 AÜ. 229 Für das Haftungsrecht des MÜ hat der EuGH festgestellt, dass der Begriff des Schadensersatz sowohl materielle als auch immaterielle Schäden umfasst, vgl. EuGH, Rs. C-63/09 (1. Kapitel Fn. 179), NJW 2010, 2113 Rn. 24 ff., 29. Siehe dazu Schmid, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, 2012, S. 321 (323 ff.). 230 Siehe Art. 7 VO 261/2004 (250/400/600 €), Art. 17 VO 1371/2007 (25 bzw. 50 % des Fahrpreises), Art. 19 VO 1177/2010 (25 bzw. 50 % des Fahrpreises), Art. 19 Abs. 2 181/2011 (50 % des Fahrpreises). Ausführlich zur Diskussion um die Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs der Fluggastrechteverordnung Hausmann, S. 357 ff. m. w. N. 231 Siehe nur die Rechtsprechungsberichte von Staudinger/Schürmann, NJW 2011, 2769 (2773 f.) und Staudinger/Krüger, NJW 2012, 2853 (2854 ff.); dies., NJW 2013, 913 (915 f.).

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts

387

ses,232 auf anderweitige Beförderung233 sowie Betreuungs- und Unterschützungsleistungen234 vor. Für den Fall von im Zusammenhang mit der Erbringung der Beförderungsleistung auftretenden Störungen ordnet das europäische Sekundärrecht somit verschiedenartige Rechtsfolgen an.235 IV. Annexfragen Abgesehen von den soeben genannten Kernpunkten der Befördererhaftung regelt vor allem das staatsvertragliche Transportrecht häufig zudem allgemeine schuld- bzw. zivilrechtliche Fragen: So finden sich mitunter Regelungen dazu, inwieweit der Beförderer für „seine Leute“ einzustehen hat.236 Auch werden vereinzelt konkrete Beweislastregeln aufgestellt.237 Gemeinhin enthält das staatsvertragliche Transportrecht außerdem spezielle Verjährungsbestimmungen. 238 Anlässlich der im Transportrecht typischen Mehr-PersonenKonstellationen werden zudem vereinzelt Fragen der Aktiv- und Passivlegitimation thematisiert.239 All diese allgemeinen Regelungen beziehen sich allerdings speziell auf die jeweilig normierten Haftungsregeln und sind damit haftungsspezifisch. Aufgrund des abschließenden Charakters240 der einheitsrechtlichen Haftungssysteme können diese Vorschriften auch nicht auf transportrechtliche Rechtsinstitute nationalen Ursprungs übertragen werden. C. Beispiele für nicht im Einheitsrecht geregelte transportvertragliche Materien Wie bereits ausgeführt, erhebt das von Art. 5 Rom I-VO berufene Beförderungsvertragsstatut in inhaltlicher Hinsicht prinzipiell universellen Geltungsanspruch für alle mit dem Transportvertrag zusammenhängende Fragestellun232 Art. 8 Abs. 1 lit. a VO 261/2004, Art. 16 lit. a VO 1371/2007, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 VO 1177/2010, Art. 19 Abs. 1 lit. b VO 181/2011. 233 Art. 8 Abs. 1 lit. b und c VO 261/2004, Art. 16 lit. b und c VO 1371/2007, Art. 18 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 VO 1177/2010, Art. 19 Abs. 1 lit. a VO 181/2011. 234 Art. 9 VO 261/2004, Art. 18 VO 1371/2007, Art. 17 VO 1177/2010, Art. 21 VO 181/2011. 235 Zu dem Zweck dieser Passagierrechte siehe oben § 7 – A.I.3.c). 236 Art. 3 CMR, Art. 40 CIM, Art. 41 MÜ, Art. 17 CMNI, Art. 51 CIV, Art. 3 Abs. 5 lit. b AÜ. 237 Etwa in Art. 18 CMR, 25 CIM, Art. 18 Abs. 2 CMNI, Art. 3 Abs. 2 S. 2 AÜ. Siehe auch Art. 19 S. 2 MÜ. 238 Siehe Art. 32 CMR, Art. 48 CIM, Art. 24 CMNI, Art. 35 MÜ, Art. 22 CVR, Art. 60 CIV, Art. 3 Abs. 2 S. 2, 3 Abs. 6 S. 2, 16 AÜ. 239 Vgl. Art. 44 § 1 und Art. 45 CIM, Art. 56 CIV und Art. 45 MÜ. Beachte auch die Regelungen zum ausführenden (Art. 27 CIM, Art. 40 MÜ, Art. 4 Abs. 2 CMNI, Art. 39 CIV, Art. 4 AÜ) sowie zum aufeinanderfolgenden Beförderer (Art. 34 ff. CMR, Art. 26 CIM, Art. 36 MÜ, Art. 39 CIV). 240 Vgl. oben § 9 – C.III.3.

388

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

gen. Wollte man all diese vom Vertragsstatut abgedeckten Fragen erschöpfend darstellen, würde dies den Rahmen einer einzigen Arbeit sprengen.241 Deswegen werden hier nur ausgewählte Gegenstände vorgestellt, die nicht schon auf der Ebene der Sachrechtsvereinheitlichung geregelt sind und für die deshalb das Beförderungsvertragsstatut und – diesem vorgeschaltet – Art. 5 Rom I-VO heranzuziehen sind. Generell lässt sich festhalten, dass das Beförderungsvertragsstatut vor allem für Fragen des Allgemeinen Teils des Schuld- bzw. Zivilrechts (I.) sowie für Ansprüche gegen den Vertragspartner des Beförderers (II.) relevant wird. Wenngleich die Haftung des Beförderers auf der Ebene des materiellen Einheitsrechts ausführlich geregelt ist, kann das Vertragsstatut ebenfalls im Hinblick auf Ansprüche gegen den Beförderer Bedeutung erlangen (III.). I.

Allgemeine (schuld- bzw. zivilrechtliche) Fragen

Eine grundlegende Prämisse des transnationalen Transportrechts ist das Vorliegen eines (unimodalen) Beförderungsvertrages.242 Nichtsdestotrotz finden sich im materiellen Einheitsrecht selbst keine Bestimmungen zum Vertragsschluss.243 Wirft der konkrete Fall allgemeine Fragen der Rechtsgeschäftslehre auf, beruft sich eine Vertragspartei etwa auf einen Irrtum bzw. Nichtigkeit oder erklärt sie die Anfechtung, den Rücktritt oder Widerruf, ist folglich das Beförderungsvertragsstatut zur Entscheidung heranzuziehen.244 Das gleiche gilt, wenn gegen eine im Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag stehende Forderung aufgerechnet werden soll, vgl. Art. 17 Rom I-VO.245 Auch ist die von Art. 5 Rom I-VO berufene Rechtsordnung gegebenenfalls für die Beurteilung der Wirksamkeit von AGB-Klauseln maßgeblich.246 Weiterhin ist auf die durch Art. 5 Rom I-VO berufene nationale Rechtsordnung abzustellen, wenn in Bezug auf die im Einheitsrecht geregelten Rechtsinstitute allgemeine zivil- bzw. schuldrechtliche Problemstellungen auftreten, die auf der Vgl. nur MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 3. Siehe oben § 9 – C.III.4.c). 243 Ein Beispiel für eine einheitsrechtliche, dem Beförderungsvertrag gewidmete Norm wäre etwa Art. 6 CIV. Dennoch enthält auch die CIV 1999 keine detaillierten Regelungen zum Abschluss oder zum Inhalt des Eisenbahnbeförderungsvertrages, siehe auch Pohar, S. 292 f. Die Bestimmungen der CMR zum Frachtbrief treffen zwar Aussagen zu den Anforderungen an einen infolge des Vertragsschlusses ausgestellten Frachtbriefs, jedoch enthält auch Art. 4 CMR keine Regelung zum Vertragsschluss selbst, vgl. MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 4 CMR Rn. 2 m. w. N. 244 Vgl. für die CMR Reithmann/Martiny/Mankowski, Rn. 2724 f. m. w. N. Hinsichtlich des Rücktrittsrechts beachte auch Art. 9 CMNI. 245 Zur kollisionsrechtlichen Behandlung der Aufrechnung durch die Rom IVerordnung Hellner, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 251 ff.; Lieder, RabelsZ 78 (2014), 809 (817 ff.). 246 Siehe BGH NJW 2010, 1958 Rn. 14 ff.; BGH NJW 2010, 2719 Rn. 18 ff. 241 242

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts

389

Ebene der Sachrechtsvereinheitlichung nicht gelöst werden. Eine derartige Lücke kann sich bereits im Tatbestand einer einheitsrechtlichen Haftungsregelung, also bei der Haftungsbegründung, auftun, beispielsweise hinsichtlich der Frage des Verschuldens. So sind zwar, soweit es überhaupt darauf ankommt, die Maßstäbe für das Verschulden des Beförderers unmittelbar durch das Einheitsrecht vorgegeben.247Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich des haftungsausschließenden Mitverschuldens des Anspruchsberechtigten, sodass sich dieses gegebenenfalls nach dem ergänzenden Beförderungsstatut beurteilt. 248 Des Weiteren kann das Beförderungsvertragsstatut auch bezüglich der Rechtsfolge einheitsrechtlicher Haftungsansprüche bedeutsam werden, namentlich bei Fragen des allgemeinen Schadensrechts wie jener der haftungsausfüllenden Kausalität.249 Da sich auf transnationaler Ebene weiterhin allenfalls rudimentäre Regelungen zum Schadensumfang finden, wäre auch insoweit nötigenfalls auf das ergänzend anwendbare nationale Recht abzustellen. Danach richtet sich dann beispielsweise, ob auch mittelbare Schäden wie der entgangene Gewinn oder seelische Schäden in Form von Schmerzensgeld ausgeglichen werden können.250 Nicht zuletzt ist auf die durch Art. 5 Rom IVO bestimmte Rechtsordnung für Fragen der Durchsetzung der einheitsrechtlichen Ansprüche zurückzugreifen. Da in den europäischen Fahrgastrechteverordnungen – anders als im Staatsvertragsrecht –251 die Frage der Verjährung nicht angesprochen wird, ist diesbezüglich auf die Fristen des ergänzend 247 Vgl. oben B.I. und II. Eine Ausnahme bildet insoweit die Regelung des Art. 29 Abs. 1 CMR. 248 So konkretisiert Art. 17 Abs. 2 Alt. 1 CMR das angesprochene Verschulden nicht näher. Dennoch wird diesbezüglich überwiegend als autonomes Kriterium auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt abgestellt, vgl. BGH TranspR 2000, 409 (412); BGH TranspR 2011, 178 (179); MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 17 CMR Rn. 30; Koller, Art. 17 CMR Rn. 31a. Allerdings wird insoweit vertreten, dass für das Verschulden Dritter, deren sich der Absender oder Empfänger bedient, nationales Recht zur Anwendung komme, vgl. E/B/J/S/Boesche, Art. 17 CMR Rn. 22 m. w. N. Für die Maßgeblichkeit des Landesrechts für die Maßstäbe des Mitverschuldens im Eisenbahnfrachtrecht MünchKommHGB/Freise, Art. 23 CIM Rn. 19; Koller, Art. 23 CIM Rn. 4. Im Luftrecht wird zwar in Art. 20 MÜ auf die Fahrlässigkeit des Geschädigten abgestellt, dennoch soll für die konkreten Anforderungen an diesen Begriff das nationale Recht herangezogen werden können, vgl. MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 20 MÜ Rn. 12; a. A. dagegen Reuschle, Art. 20 Rn. 6; E/B/J/S/ Pokrant, Art. 20 MÜ Rn. 1; Koller, Art. 20 MÜ Rn. 1. 249 Vgl. MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 26 CMR Rn. 11. 250 Zum Schadensbegriff des WA siehe BGH NJW-RR 2004, 1482 (1484) und ebenso für das MÜ Ruhwedel, TranspR 2001, 189 (197); E/B/J/S/Pokrant, Art. 18 MÜ Rn. 36. Obwohl das CIV einzelne Regelungen zum Schadensumfang enthält (siehe oben B.III.), sieht dieses keine Haftung für seelische Schäden vor, sodass sich ein mögliches Schmerzensgeld nur aus dem Vertragsstatut ergeben kann (vgl. Kunz, TranspR 2005, 329 [335]). Ebenso für das MÜ Reuschle, Art. 19 Rn. 56. 251 Siehe oben Fn. 238.

390

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

anwendbaren nationalen252 Vertragsrechts abzustellen.253 Auch für den Fall, dass die Aktiv- oder die Passivlegitimation hinsichtlich transnationaler Transportrechtsinstitute nicht normiert sein sollte, wie dies etwa Art. 29 S. 1 HS. 2 MÜ ausdrücklich feststellt, kommt ein Rückgriff auf das Beförderungsvertragsstatut in Betracht.254 Das gleiche gilt für die Fragestellung, inwieweit aus der Verzögerung bei der Begleichung eines einheitsrechtlichen Haftungsanspruchs eine Zinszahlungspflicht resultiert. So enthalten zwar beispielsweise Art. 27 Abs. 1 CMR sowie Art. 37 § 2 CIM und Art. 49 CIV Bestimmungen zur Verzinsung.255 Trotzdem wird insofern eine Heranziehung des nationalen Rechtes für möglich erachtet.256 Erforderlich ist dies unstreitigerweise jedenfalls dann, wenn das materielle Einheitsrecht bezüglich der Verzinsungsproblematik eine vollständige Lücke aufweist.257 Im Rahmen der Fluggastrechteverordnung ist das neue europäische IPR des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO entsprechend bereits vom BGH ergänzend herangezogen worden.258 252 Dass es hinsichtlich der Frage der Verjährung der supranationalen Ansprüche gerade nicht auf die Ausschlussfristen des staatsvertraglichen Einheitsrechts ankommt, hat der EuGH ausdrücklich festgestellt, vgl. EuGH, 22.11.2012 – Rs. C-139/11 [Cuadrench Moré/ KLM], TranspR 2013, 74 ff. (keine Anwendung der zweijährigen Ausschlussfrist gem. Art. 35 MÜ auf die Ausgleichsansprüche der Fluggastverordnung). 253 So für die Fluggastrechte-VO BGH NJW 2010, 1526 Rn. 20 ff. Kritisch insoweit Basedow, ZEuP 2014, 400 (404 ff.). Einschränkend dagegen Staudinger, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 133 (146 f.), der bei allein gegen den faktischen Beförderer gerichteten Fahrgastansprüchen auf das von der Rom II-Verordnung bestimmte Deliktsstatut abstellen will. 254 Aufgrund der regelmäßig auftretenden Dreiecksverhältnisse ist im internationalen Frachtrecht häufig unklar, wem die Anspruchsberechtigung zukommt. Abgesehen vom Haftungssystem der CIM, das diese Frage ausdrücklich in Art. 44 § 1 regelt, ist im Einzelnen fraglich, ob der Absender und/oder der Empfänger die einheitsrechtlichen Haftungsansprüche geltend machen kann. Siehe dazu den Überblick bei Bugden/Lamont-Black, Goods in Transit, 3. Aufl. 2013, Rn. 16-051 ff. Allerdings ist mitunter strittig, inwieweit die nicht ausdrücklich geregelte Frage der Anspruchsberechtigung bereits aus den Grundsätzen des Einheitsrechts abgeleitet werden kann, sodass ein Rückgriff auf das ergänzend anwendbare Recht ausscheidet. Zu dieser Problematik im Rahmen der CMR MünchKommHGB/JesserHuß, Art. 13 CMR Rn. 18 ff. m. w. N. Hingegen zu Art. 29 S. 1 HS. 2 MÜ siehe die Denkschrift zum MÜ, S. 48; Reuschle, Art. 29 Rn. 14. Siehe diesbezüglich auch Hartenstein, TranspR 2012, 441 (442 f.) zur CMNI. 255 Dagegen enthalten Art. 22 Abs. 6 MÜ und Art. 10 Abs. 2 AÜ nur den Hinweis, dass Zinsen nicht auf die einheitsrechtlichen Haftungshöchstbeträge anzurechnen sind. 256 Dafür im Rahmen der CMR Thume, TranspR 1993, 365 (369). Kritisch dazu Koller, TranspR 1994, 53 ff. m. w. N. 257 Dies für die Fluggastrechteverordnung feststellend BGH NJW 2010, 1070 Rn. 18, vgl. auch Kober-Dehm/Meier-Beck, RRa 2010, 250 (255). Zur gleichen Frage im Rahmen des WA siehe OLG Frankfurt TranspR 2007, 367 (373). 258 BGH NJW 2013, 378 Rn. 29 f. Laut dem Urteil kann die Verzinsung eines Ausgleichsanspruchs nach der Fluggastrechte-VO wegen Verspätung eines Fluges von Mün-

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts

391

II. Ansprüche des Beförderers Während sich die materielle Transportrechtsvereinheitlichung im Wesentlichen auf die Haftung des Beförderers konzentriert, hat es konkrete Ansprüche des Beförderers nur selten zum Gegenstand. Diese Seite des Schuldverhältnisses wird im Einheitsrecht stattdessen größtenteils ausgeblendet. Eine Ausnahme bildet insoweit die im staatsvertraglichen Frachtrecht übergreifend statuierte, verschuldensunabhängige Haftung des Absenders für unrichtige oder unvollständige Angaben im Frachtbrief.259 Auch ist in Art. 10 CMR und Art. 13 § 2 CIM vorgesehen, dass der Absender gegenüber dem Beförderer für Schäden, die sich aus einer mangelhaften Beladung ergeben, haften kann. Für die Beurteilung von anderen Ansprüchen des Beförderers, die nicht auf solchen, sich aus dem Einheitsrecht ergebenden Pflichtverletzungen seines Vertragspartners beruhen, ist hingegen die durch Art. 5 Rom I-VO bezeichnete nationale Rechtsordnung verantwortlich. Gleiches gilt überdies für den Primäranspruch des Beförderers auf Zahlung des vereinbarten Beförderungspreises, da dieser, sieht man einmal von Art. 8 § 1 CIV und Art. 6 Abs. 1 CMNI ab, auf der Ebene des materiellen Einheitsrechts keine Erwähnung findet. Folglich unterliegt der Zahlungsanspruch inklusive der gegebenenfalls damit einhergehenden Fragestellungen (Anspruchsgegner, Verzugszinsen, Verjährung, etc.) dem Beförderungsvertragsstatut.260 III. Ansprüche gegen den Beförderer Wie soeben erläutert, kann das Beförderungsvertragsstatut bereits im Rahmen der Anwendung des materiellen Einheitsrechts Bedeutung erlangen, soweit auf die von Art. 5 Rom I-VO berufene Rechtsordnung hinsichtlich allgemeiner Fragen, die sich im Zusammenhang mit den einheitsrechtlichen Rechtsinstituten stellen, zurückgegriffen werden muss.261 Abgesehen von der Vervollständigung bestehender transnationaler Haftungsregime kann das Beförderungsvertragsstatut bezüglich gegen den Beförderer gerichteter Ansprüche aber noch auf eine andere Weise relevant werden. So besteht trotz der umfangreichen Haftungsregeln des Einheitsrechts daneben immer noch Raum für sich originär aus dem nationalen Recht ergebende Ansprüche.262 Entsprechend können bestimmte Rechtspositionen gegen den Erbringer der Transchen über Amsterdam nach Curaçao nach dem aufgrund von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ergänzend anzuwendenden deutschen Recht als Verzugsschaden geltend gemacht werden. 259 Siehe Art. 7 CMR, Art. 8 CIM, Art. 10 MÜ, Art. 8 Abs. 1 lit. a CMNI. 260 Vgl. für die CMR BG, 30.5.2001, BGE 127 III, S. 365 (370); siehe für das MÜ MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 19 MÜ Rn. 49. Hinsichtlich des Zahlungsanspruchs des Eisenbahnfrachtführers beachte aber Art. 10 § 1 CIM. 261 Oben C.I. 262 Die einheitsrechtlichen Haftungsregime erzeugen keine generelle Sperrwirkung gegenüber andersartigen nationalen Ansprüchen, siehe oben § 9 – C.III.3.

392

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

portleistung exklusiv nach Maßgabe des jeweiligen Beförderungsvertragsstatuts geltend gemacht werden. 1. Erfüllungsanspruch Dies gilt zum einen hinsichtlich des Anspruchs auf Erfüllung der primären Beförderungsverpflichtung. Zwar wird letztere im vereinheitlichten Frachtrecht allgemein dahingehend konkretisiert, dass eine Pflicht zur Ablieferung an den Empfänger besteht, vgl. Art. 13 Abs. 1 S. 1 CMR, Art. 17 CIM, Art. 13 Abs. 1 MÜ, Art. 3 Abs. 1 CMNI. Wie aus den Vorschriften deutlich wird, gilt dies jedoch erst dann, wenn der Ablieferungsort erreicht ist.263 Die sonstigen Modalitäten des Anspruchs auf Durchführung der Beförderung, insbesondere der Anspruchsberechtigung vor Erreichen des Zielortes, richten sich daher nach dem Beförderungsvertragsstatut.264 Allerdings lässt sich im supranationalen Personenbeförderungsrecht insoweit eine besondere Regelung ausmachen, als die supranationalen Fahrgastrechteverordnungen ein Recht auf anderweitige Beförderung, also quasi auf Nacherfüllung, vorsehen.265 2. Rückerstattung des Beförderungsentgelts Weiterhin findet sich im staatsvertraglichen Güterbeförderungsrecht insbesondere keine ausdrückliche Regelung über die Möglichkeit einer teilweisen Rückerstattung bereits gezahlten Frachtlohnes wegen Verzögerung der Beförderung.266 Ein solcher Minderungsanspruch könnte sich daher allenfalls aus dem ergänzend anwendbaren Beförderungsvertragsstatut ergeben. Allerdings ist umstritten, inwieweit das Einheitsrecht einen derartigen Rückgriff auf das nationale Recht überhaupt zulässt.267 In Art. 8 § 2 CIV ist immerhin vorgesehen, dass die Allgemeinen Beförderungsbedingungen die Modalitäten festlegen sollen, unter denen ein Beförderungspreis erstattet werden kann. Demgegenüber wird im europäischen Passagierrecht das Recht auf Erstattung

So für die CMR BGH NJW-RR 1987, 932 (934). Vgl. MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 13 MÜ Rn. 2. 265 Art. 8 Abs. 1 lit. b und c VO 261/2004, Art. 16 lit. b und c VO 1371/2007, Art. 18 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 VO 1177/2010, Art. 19 Abs. 1 lit. a VO 181/2011. 266 Dagegen ist eine Rückerstattungsmöglichkeit des Frachtlohns für den Fall eines vollständigen oder teilweisen Verlusts der Güter in Art. 23 Abs. 4 CMR (siehe dazu BGH NJW-RR 1989, 481) und Art. 30 § 4 CIM vorgesehen. 267 Namentlich für das MÜ ist dies umstritten: Für die Möglichkeit der Geltendmachung eines nationalen Minderungsanspruchs Stefula/Thoß, TranspR 2001, 248 (250); MünchKommHGB/Ruhwedel, Art. 19 MÜ Rn. 50 m. w. N. aus der Rspr.; a. A. (Sperrwirkung des Art. 19 MÜ) Reuschle, Art. 19 Rn. 57; Koller, Art. 19 MÜ Rn. 14. Das Haftungssystem der CMR insoweit als abschließend erachtend OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1120 sowie TranspR 2007, 195. 263 264

§ 11 Relevanz von Art. 5 Rom I-VO bezüglich Lücken des Einheitsrechts

393

des Fahrpreises bei großer Verspätung zwingend vorgeschrieben.268 Auch die nach Art. 17 VO 1371/2007 gewährte Fahrpreisentschädigung dient indes dazu, „den vom Fahrgast als Gegenleistung für eine Dienstleistung, die letztlich nicht im Einklang mit dem Beförderungsvertrag erbracht wurde, gezahlten Preis [zu] kompensieren.“269 3. Ersatz für außerhalb der einheitsrechtlichen Haftungstatbestände liegende Schäden Das transnationale Transportrecht ist gekennzeichnet durch die enumerative Aufzählung von einzelnen Haftungstatbeständen.270 Umgekehrt bedeutet das, dass es Schäden, die auf anderen Ursachen beruhen, nicht abdeckt. Ein auf die Erstattung eines solchen Schadens gerichteter Ersatzanspruch gegen den Beförderer kann infolgedessen allenfalls aus dem ergänzend anwendbaren Beförderungsvertragsstatut resultieren: Nicht vom staatsvertraglichen Einheitsrecht erfasst ist etwa ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung.271 Hat der Beförderer die Güter noch gar nicht aufgenommen, sind die völkervertraglichen Haftungsregeln nicht einschlägig. Etwas anders gilt nur auf der Ebene des supranationalen Personenbeförderungsrechts, wo im Falle der Annullierung der geplanten Beförderung, und damit in einem Sonderfall der Nichtbeförderung, pauschale Entschädigungsansprüche bestehen.272 Abgesehen davon richten sich jedoch – wie auch der BGH zutreffend festgestellt hat – Ansprüche gegen den Beförderer auf Ersatz eines wegen der Nichterfüllung eingetretenen Schadens nach der durch Art. 5 Rom I-VO berufenen Rechtsordnung.273 Das gleiche gilt für den im Frachtrecht denkbaren Fall, dass zwar rechtzeitig abgeliefert wurde, sodass kein einheitsrechtlicher Anspruch auf Verzögerungsentschädigung besteht, jedoch ein Schaden daraus entstanden ist, dass das Gut zu spät übernommen oder zu spät verladen wurde.274 Auch können mitunter Vorprozesskosten gegenüber dem regresspflich268 Art. 6 Abs. 1 iii) i. V. m. Art. 8 Abs. 1 lit. a VO 261/2004, Art. 16 lit. a VO 1371/ 2007, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 VO 1177/2010, Art. 19 Abs. 1 lit. b VO 181/2011. 269 EuGH (2. Kapitel Fn. 841), NJW 2013, 3429 Rn. 38. Dies als „Minderung” verstehend, Freise, TranspR 2014, 135 (137 f.). 270 Siehe oben B. 271 Siehe für die CMR: BGH NJW 1979, 2470, dazu auch Clarke, International carriage of goods by road, 6. Aufl. 2014, Nr. 65. Für das MÜ (Nichtbeförderung von Personen): OLG Koblenz NJW-RR 2006, 1356. Siehe auch die weiteren Beispiele für eine nicht unter das MÜ fallende „Nichterfüllung“ des Luftbeförderungsvertrags bei MünchKommHGB/ Ruhwedel, Art. 19 MÜ Rn. 54. 272 Siehe Art. 5 i. V. m. Art. 7 VO 261/2004, Art. 19 Abs. 1 VO 1177/2010, Art. 19 Abs. 2 VO 181/2011. 273 BGH NJW 2013, 378 Rn. 34. 274 So ausdrücklich OLG Naumburg TranspR 2013, 235 Rn. 27. Vgl. auch MünchKommHGB/Jesser-Huß, Art. 19 CMR Rn. 4 m. w. N.

394

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

tigen Unterfrachtführer als Schaden nach ergänzend anwendbaren nationalem Recht geltend gemacht werden.275 Hinsichtlich solcher Schäden, die aus einer Verletzung von Nebenpflichten, beispielsweise Auskunftspflichten, resultieren, bestimmt sich ebenfalls die Haftung des Beförderers nach dem Beförderungsvertragsstatut.276 Letzteres ist im Übrigen auch hinsichtlich solcher Integritätsschäden an Personen oder Gütern heranzuziehen, welche außerhalb des vom Einheitsrecht abgedeckten Obhutszeitraums eintreten.277

§ 12 Auswertung: Praktische Anwendungsfelder von Art. 5 Rom I-VO

§ 12 Auswertung: Praktische Anwendungsfelder von Art. 5 Rom I-VO Die praktische Bedeutung einer Vorschrift ist generell abhängig von ihrem Geltungsbereich, ihrem Anwendungsbereich sowie von ihrer inhaltlichen Regelungstiefe. Je größer einer dieser Faktoren ist, desto häufiger ist eine Norm anzuwenden. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Art. 5 Rom I-VO überall dort einen bedeutsamen Anwendungsspielraum hat, wo es hinsichtlich der genannten Punkte einen strukturellen Unterschied zum vorrangigen Transporteinheitsrecht aufweist. A. Tendenzielle Abnahme der Divergenzen der Geltungsbereiche von Sachrechtsakten und Art. 5 Rom I-VO Auf der Ebene des Geltungsbereichs ist dies allerdings kaum mehr der Fall. Zum einen deckt sich der Geltungsbereich des supranationalen Personenbeförderungsrechts mit jenem des supranationalen Beförderungsvertragskollisionsrechts.278 Zum anderen gilt nicht zuletzt aufgrund der Aktivität der Union der Großteil des staatsvertraglichen Einheitsrechts in allen Mitgliedstaaten, in denen auch Art. 5 Rom I-VO Anwendung findet. So ist die CMR von allen europäischen Mitgliedstaaten ratifiziert worden.279 Das trifft zwar so nicht auf die CVR zu, jedoch wird deren maßgeblicher Regelungsgehalt über die Mindestregelung des Art. 7 VO 181/2011 gewährleistet. Durch den Beitritt der Union zur COTIF gilt auch das Eisenbahnrecht der CIM und CIV mittlerweile flächendeckend innerhalb ihres Hoheitsgebietes.280 Das gleiche gilt für das durch das MÜ vereinheitlichte Güter- sowie PersonenbefördeDazu Schilling, RdTW 2014, 266 (269 f.). Siehe für die CMR BGH BGHZ 123, 200 = NJW 1993, 2808 (2810). 277 Eine entsprechende Lücke stellt Art. 16 Abs. 2 CMNI ausdrücklich fest. Allerdings wird diese nicht durch Art. 5 Rom I-VO, sondern durch Art. 29 CMNI geschlossen, siehe oben § 9 – C.III.2. Zum Haftungszeitraum des Einheitsrechts siehe oben B.I. 278 Siehe oben § 9 – A.III. 279 Näher dazu oben § 1 – B.I.1. 280 Siehe oben § 1 – B.II.1. 275 276

§ 12 Auswertung: Praktische Anwendungsfelder von Art. 5 Rom I-VO

395

rungsrecht der Luftfahrt.281 Das staatsvertragliche Frachtrecht der Binnenschifffahrt der CMNI ist zwar nicht im gesamten Gebiet der Union wirksam, allerdings beansprucht es Geltung in den mitgliedstaatlichen Anrainern der wichtigsten transeuropäischen Binnengewässer.282 Hinsichtlich des Konnossement-Haftungsrechts in der Hochseeschifffahrt besteht weiterhin ein sehr uneinheitliches Ratifikationsbild,283 jedoch ist eine inhaltliche Überschneidung mit der Rom I-Verordnung ohnehin fraglich.284 Die sich dagegen grundsätzlich mit dem Anwendungsbereich von Art. 5 Rom I-VO überlappenden Rotterdam-Regeln werden zumindest auf absehbare Zeit nicht in Kraft treten. Auch das Athener Übereinkommen in Form des Protokolls von 2002 ist im Gebiet der EU in Kraft. Bereits vorher fand dessen Einheitsrecht aufgrund des sekundärrechtlichen Anwendungsbefehls in VO 392/2009 vor den Gerichten aller europäischen Mitgliedstaaten Anwendung.285 B. Prinzipiell großzügigerer Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung Was den Anwendungsbereich angeht, lässt sich festhalten, dass das supranationale Beförderungsvertragskollisionsrecht prinzipiell universeller ausgestaltet ist, als das materielle Einheitsrecht (oben § 10 – A.). Dies gilt vor allem hinsichtlich des jeweiligen räumlichen Anwendungsbereiches. Richtigerweise ist in der Literatur bereits darauf hingewiesen worden, dass das Einheitsrecht regelmäßig nur grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst, wohingegen Art. 5 schon bei generellem Auslandsbezug anwendbar ist.286 Allerdings muss der erste Teil dieser Aussage relativiert werden. Sie gilt uneingeschränkt nur noch für das staatsvertraglich vereinheitlichte Frachtrecht. Denn auf dem Gebiet der Personenbeförderung ist der Anwendungsbereich des staatsvertraglichen Einheitsrechts im Zuge der Inkorporation in das Unionsrecht ausgeweitet worden (§ 10 – A.II.). Infolgedessen gilt das entsprechende vereinheitlichte Sachrecht nicht nur bei grenzüberschreitenden, sondern – kraft des supranationalen Anwendungsbefehls – auch bei innermitgliedstaatlichen Beförderungen. Gleichwohl ist der räumliche Anwendungsbereich von Art. 5 Rom I-VO immer noch deutlich umfangreicher als jener des materiellen Einheitsrechts. Im Gegensatz zu letzterem stellt das Verweisungsrecht nicht auf eine Nähebeziehung zu seinem Geltungsbereich ab und erfasst somit auch jegliche Drittstaatensachverhalte (§ 10 – A.III.). Die Universalität des supranationalen Kollisionsrechts Siehe oben § 1 – B.III.1. Als die Hauptadern des europäischen Wasserstraßennetzes werden der Rhein und die Donau angesehen, die über den Main und den Main-Donau-Kanal das Schwarze Meer mit der Nordsee verbinden, vgl. Denkschrift CMNI, BT-Drs. 563/06, S. 31. 283 Siehe oben § 1 – B.V.1. 284 Ausführlich oben § 6 – B.IV. 285 Siehe oben § 1 – V.2. und 4. 286 Siehe PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 1. 281 282

396

3. Kapitel: Die praktische Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO

wird überdies im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs deutlich. Zwar stimmt der Art. 5 Rom I-VO zugrundeliegende Transportvertragsbegriff in weiten Teilen mit dem entsprechenden Anwendungskriterium des materiellen Einheitsrechts überein. Ein entscheidender Unterschied besteht jedoch darin, dass die Anwendung des IPR unabhängig von dem jeweilig vereinbarten Transportmodus erfolgt, während das materielle Transporteinheitsrecht prinzipiell durch seine unimodale Ausrichtung gekennzeichnet ist (§ 10 – C.). Somit deckt allein Art. 5 Rom I-VO jegliche Ausprägungen der in der Praxis bedeutsamen multimodalen (Container-)Verträge ab. Aufgrund seines tendenziell universelleren Anwendungsbereiches erwächst dem europäischen Beförderungsvertrags-IPR im Hinblick auf das vorrangige Sachrecht also ein nicht unerheblicher Anwendungsspielraum. C. Inhaltliche Universalität des durch Art. 5 Rom I-VO bestimmten Beförderungsvertragsstatuts Ein solcher resultiert weiterhin aus dem Umstand, dass Art. 5 Rom I-VO in inhaltlicher Hinsicht ein deutlich größeres Bündel an materiell-rechtlichen Fragestellungen abdeckt. Denn im Gegensatz zu dem vom supranationalen Kollisionsrecht berufenen, inhaltlich universalen, Beförderungsvertragsstatut regelt das internationale Sachrecht transportvertragliche Materien nur punktuell (§ 11 – A.). Infolgedessen weist das materielle Einheitsrecht große inhaltliche Lücken auf, zu dessen Schließung das sekundärrechtliche Beförderungsvertrags-IPR heranzuziehen ist. Eine Ausnahme gilt insoweit lediglich im Bereich des Binnenschifffahrtfrachtrechts, wo diese Funktion durch den diesbezüglich umfassenden und im Ergebnis vorrangigen Art. 29 CMNI übernommen wird. 287 In allen anderen Gebieten wird die durch Art. 5 Rom IVO bestimmte Rechtsordnung vor allem hinsichtlich sich stellender allgemeiner schuldrechtlicher Fragen sowie im Zusammenhang mit möglichen Ansprüchen des Beförderers relevant (§ 11 – C.I. und II.). Zudem werden die einheitsrechtlichen, vornehmlich gegen den Beförderer gerichteten, Transportrechtsinstitute durch das Beförderungsvertragsstatut ausgekleidet und ergänzt (§ 11 – C.III.). Allerdings ist auch insoweit festzuhalten, dass auf dem Gebiet der Personenbeförderung dafür tendenziell weniger Raum besteht. Denn durch die Schaffung der Passagierrechte ist die einheitsrechtliche Befördererhaftung inhaltlich erheblich ausdifferenziert worden:288 So haften nun die Beförderer nicht nur für Integritätsschäden des Passagiers (wegen Tod, Verletzung, Schäden am Gepäck) flächendeckend für alle Transportmo-

Vgl. oben § 9 – C.III.2. und § 3 – B.I.3.b)cc). Aufschluss über die entsprechenden Ambitionen des europäischen Gesetzgebers bietet beispielsweise die Mitteilung der Kommission vom 19.12.2011 KOM(2011), 898, S. 4–14. 287 288

§ 12 Auswertung: Praktische Anwendungsfelder von Art. 5 Rom I-VO

397

di,289 sondern sehen sich darüber hinaus mit speziellen Leistungsstörungsrechten konfrontiert, wie Rückerstattungsansprüchen, einem Recht auf anderweitige Beförderung, sowie Erstattungsansprüchen wegen Nichterfüllung oder Verspätung (§ 11 – B.). Diesbezüglich erreicht die Ebene der Sachrechtsvereinheitlichung also bereits eine erhebliche Regelungstiefe. Nichtsdestotrotz weist auch das vereinheitlichte Personenbeförderungsrecht immer noch erhebliche Lücken auf, sodass auch in diesem Bereich ein Rückgriff auf das entsprechende Kollisionsrecht häufig notwendig ist. D. Resümee Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Art. 5 Rom I-VO keineswegs irrelevant ist. Für viele Fragen, die im Zusammenhang mit einer internationalen Beförderung auftreten, ist trotz des Bestehens vorrangigen materiellen Einheitsrechts die Bestimmung des Beförderungsvertragsstatuts notwendig. Im Hinblick auf die stark ausgeprägte transportrechtliche Sachrechtsvereinheitlichung erfüllt das supranationale IPR somit eine wichtige Ergänzungsfunktion.290 Keinesfalls wäre es gerechtfertigt, zu behaupten, dass das Verweisungsrecht durch die Vielzahl an materiellem Einheitsrecht ausgeschaltet werde und somit überflüssig sei.291 Wie bedeutsam Art. 5 Rom I-VO für die Praxis ist, zeigt nicht zuletzt die Menge an gerichtlichen Entscheidungen, in denen das Beförderungsvertragskollisionsrecht herangezogen wird. Dies zeigt eine Analyse der vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg herausgegebenen Sammlung der deutschen Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts: So kam in einem Drittel der im Jahr 2009 im Bereich des internationalen Schuldrechts dokumentierten Verfahren deutsches Beförderungsvertrags-IPR zur Anwendung.292 Im Jahr 2010 lag diese Quote ebenfalls bei über 25 %.293

289 Nur im Binnenschifffahrtsrecht sind – mangels eines entsprechenden Übereinkommens oder einer Bezugnahme durch das sekundäre Unionsrecht – diese Haftungsgründe nicht geregelt (vgl. auch Karsten/Seidenspinner, ZEuP 2010, 830 [847], die deshalb das Tätigwerden des europäischen Gesetzgebers fordern). Allerdings ereignen sich in der Binnenschifffahrt Unfälle mit Passagierschiffen relativ selten (so Hopperdietzel, RRa 2005, 194 f.). 290 Bildlich gesprochen, hält das IPR den durch das materielle Einheitsrecht entstandenden „Flickenteppich“ (Basedow, JuS 2004, 89 [92]) zusammen. 291 Siehe allgemein Schurig, S. 233 f. Fn. 82. Vgl. in Bezug auf das CISG etwa die Nachweise bei Ferrari, IHR 2012, 89 ff. 292 Namentlich in 14 von 42 in der Rubrik „Schuld-, Handels- und Arbeitsrecht“ der IPRspr. 2009 wiedergegebenen Entscheidungen wendeten die deutschen Gerichte das deutsche Beförderungsvertrags-IPR an. 293 Im Jahr 2010 wurde in 13 von 49 aufgeführten Verfahren das deutsche (sowie vereinzelt bereits das zeitlich prinzipiell anwendbare europäische) transportvertragliche Verweisungsrecht angewendet.

4. Kapitel

Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung 4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung In diesem abschließenden Kapitel sollen zunächst in einem Ausblick die Möglichkeiten für eine Konsolidierung des Rechtsquellenlabyrinths des internationalen Transportrechts eruiert werden (§ 13). Anschließend wird das neuartige europäische Beförderungsvertragskollisionsrecht unter Berücksichtigung der in den vorherigen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse einer Bewertung unterzogen (§ 14). Zum Schluss werden die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit thesenartig zusammengefasst (§ 15).

§ 13 Wege zur Konsolidierung der internationalen Transportvertragsrechtsquellen

§ 13 Wege zur Konsolidierung des internationalen Transportrechts Wie die Ausführungen im ersten Kapitel zeigen, hatte der Erlass der Rom IVerordnung keine Auswirkung auf die Fülle der im internationalen Transportvertragsrecht existierenden Rechtsquellen. Durch das sekundärrechtliche IPR-Instrument werden – bis auf das EVÜ – keine bestehenden Rechtsakte angetastet, geschweige denn abgelöst. Stattdessen reiht sich das Kollisionsrecht der Rom I-Verordnung grundsätzlich in das im Internationalen Vertragsrecht bestehende System ein und tritt ergänzend neben die Rechtsakte der internationalen wie regionalen Sachrechtsvereinheitlichung. Das im internationalen Transportrecht vorherrschende (Rechtsquellen-)Labyrinth ist durch den Erlass der Rom I-Verordnung daher keineswegs entwirrt worden. Dadurch bleibt die Frage offen, wie eine Konsolidierung dieses Rechtsgebiets erreicht werden könnte. Welche Schritte wären konkret notwendig, um die Rechtsanwendung im internationalen Transportvertragsrecht auf eine oder wenige Rechtsgrundlagen zu stellen und damit grundlegend zu vereinfachen? Um eine Antwort zu finden, muss man sich zunächst die Ursache für den verkomplizierenden Rechtsquellenpluralismus vor Augen führen: Die bestehende unübersichtliche und damit unbefriedigende Rechtslage ist eine Konsequenz aus dem Umstand, dass in diesem Bereich verschiedenste Normgeber aktiv werden und sachlich-begrenzte, sektorale Regelungen mit jeweils uneinheitlichem Anwendungs- und Geltungsbereich in Kraft setzen. Innerhalb des Gebiets der Europäischen Union treten nicht nur die Union und die Mitgliedstaaten als Handlungsakteure auf, sondern dazu kommen noch verschiedenste kraft staatsvertraglicher Vereinbarung gebildete Interessenge-

400

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

meinschaften (Vertragspartner internationaler Übereinkommen), an denen Mitgliedstaaten oder/und Union beteiligt sind. Hinsichtlich der Aufgabenverteilung für die Regelung internationaler Sachverhalte lässt sich zwischen diesen verschiedenen rechtsschöpfenden Instanzen indes eine inhaltliche Grenzlinie ausmachen. Aufgrund der primärrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Union und ihren Mitgliedstaaten werden die miteinander verzahnten Regelungskomplexe Kollisionsrecht und materielles Vertragsrecht getrennt voneinander auf unterschiedlichen Ebenen reguliert. So hat für ersteres auf dem Gebiet des Vertragsrechts nunmehr die Union die gesetzgeberische (Innen- wie auch Außen-)Kompetenz, wohingegen für letzteres nach wie vor – abgesehen von vereinzelten sektoralen Kompetenzen der Union – die Mitgliedstaaten grundsätzlich zuständig sind.1 Dieser kompetenzrechtliche status quo ist letztlich das entscheindende Hindernis, das einer realen Vereinfachung der Rechtsquellenlage im internationalen (Transport-)Vertragsrecht im Wege steht. Nicht nur, dass in Zukunft wahrscheinlich sowohl auf mitgliedstaatlicher als auch auf sekundärrechtlicher Ebene noch weitere – punktuelle – Rechtsakte geschaffen werden, die die Unübersichtlichkeit noch steigern. Hinzu kommt außerdem, dass infolge dieser primärrechtlichen Zuständigkeitsaufteilung das Kollisionsrecht und das materielle Recht für internationale Sachverhalte voneinander unabhängig und nicht aufeinander abgestimmt weiterentwickelt werden werden. Eine kohärente Gestaltung des europäischen internationalen Vertragsrechts ist so nicht möglich. Um diesen Missstand zu beheben, führt letztlich kein Weg daran vorbei, die Zuständigkeiten für die rechtliche Regelung internationaler, vertraglicher Sachverhalte umfassend auf einer Regulierungsebene zu bündeln. Erst wenn Kollisions- und materielles Recht durch die Hand eines einzigen Gesetzgebers geschaffen und somit koordiniert werden könnten, bestünde die Möglichkeit, die bisher separaten und häufig sektoralen Regelungen der verschiedenen Kollisions- und Sachrechtsakte zu konsolidieren und in einer einheitlichen Kodifikation zusammenzuführen. Die Verbandskompetenz für diese Aufgabe wäre indessen am besten bei der Union zu verorten, denn eine supranationale Regulierung hätte den Vorteil, dass diese für alle Mitgliedstaaten verbindlich wäre und mit dem EuGH eine gemeinsame Auslegungsinstanz bestünde.2 Die Alternative wäre eine Mehrzahl mitgliedstaatlicher Einzellösungen, denn eine erfolgreiche Kooperation aller Mitgliedstaaten abseits des europarechtlichen Rahmens erscheint relativ unwahrscheinlich. Damit die Union umfassend auf dem Rechtsgebiet des internationalen Vertragsrechts tätig werden könnte, bedarf es aber einer primärrechtlichen Legitimation. Die für die Schaffung von Kollisionsrecht bereits bestehende Kompetenz der Siehe oben § 3 – B.I.2. Zur Bedeutung einer einheitlichen Auslegungsinstanz für den Erfolg internationaler Rechtsvereinheitlichung Remien, RabelsZ 66 (2002), 503 (504 f.). 1 2

§ 13 Wege zur Konsolidierung des internationalen Transportrechts

401

Union (Art. 81 Abs. 2 lit. c Alt. 1 AEUV) müsste insoweit also um die Möglichkeit des Erlasses von materiellem Vertragsrecht erweitert werden.3 Dabei wäre es durchaus denkbar, die Zuständigkeit der Union auf die Rechtssetzung von materiellem Vertragsrecht für grenzüberschreitende oder Sachverhalte mit internationalen Bezügen zu beschränken. Fest steht jedoch eines: Je eindeutiger und klarer eine diesbezügliche, in das Primärrecht einzufügende Kompetenznorm gefasst ist, desto größer werden die Erfolgsaussichten und die Akzeptanz für das daraus fließende Sekundärrecht sein.4 Letzeres könnte dann beispielsweise in Gestalt eines einzigen Regelwerks ergehen, welches sowohl das materielle Vertragsrecht umfassend regelt (möglicherweise sogar für Inlandsfälle) als auch das entsprechende Kollisionsrecht enthält. Eine Verbesserung im Vergleich zur aktuellen Rechtsquellenlage würde aber auch die wohl etwas weniger fundamentale Vorgehensweise darstellen, ein – bereits vielfach diskutiertes5 – allgemeines IPR-Gesetzbuch mit einem materiell-rechtlichen Rechtsakt, der umfassende Regelungen für grenzüberschreitende Verträge enthält, zu flankieren.6 Allerdings kann die Schaffung einer wie auch immer gearteteten Unionsregelung allein das Problem der Rechtsquellenvielfalt auf dem Gebiet des (Transport-)Vertragsrechts nicht lösen. Denn nur durch Kodifikation lassen sich die bestehenden vertikalen Normkonflikte nicht bereinigen. 7 Dafür sind vielmehr weitere Maßnahmen notwendig, nämlich dass die Mitgliedstaaten zeitgleich ihre völkerrechtlichen Altverträge kündigen. Erst wenn die gegenüber Drittstaaten bestehenden völkerrechtlichen Bindungen der MitgliedstaaZur Frage der Schaffung einer neuen primärrechtlichen Rechtssetzungsermächtigung für die Union auf dem Gebiet des Privatrechts schon Remien, EuR 2005, 699 (708 ff.). 4 Dies zeigt nicht zuletzt die kontroverse Diskussion um den Erlass eines europäischen Vertragsrechts bzw. des GEK, siehe oben § 3 – B.I.2.a)aa) m. w. N. 5 Allen voran von Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 1 (30 ff.). Siehe auch Siehr, in: Jud/ Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, 2008, S. 77 ff.; Czepelak, ERPL 2010, 705 ff.; Kieninger, in: FS v. Hoffmann, S. 184 ff.; kritisch bzgl. der mittelfristigen Realisierbarkeit eines solchen Projekts Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1 (2); Wagner, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013, S. 52 (77 f.). Zu dem möglichen Inhalt eines europäischen IPR-Gesetzbuchs siehe Wilke, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013, S. 23 ff. sowie die weiteren Beiträge dieses Tagungsbands. Vgl. dazu auch Kreuzer, in: Jud/Rechberger/ Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, 2008, S. 1 ff.; Wilke, GPR 2012, 334 ff.; Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227; Heinze, in: FS Kropholler, S. 105. 6 Die Herausbildung eines einheitlichen Kollisionsrechts sieht Spickhoff, in: H. Roth (Hrsg.), Europäisierung des Rechts, 2010, S. 261 (264 ff.) lediglich als einen Entwicklungsschritt hin zu einer europäischen Sachrechtsvereinheitlichung an. 7 So zutreffend Kieninger, in: FS Kropholler, S. 184 (189). Diesem Umstand trägt etwa Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, 2008, S. 1 (50 ff.) dadurch Rechnung, dass er in seiner Konzeption einer zukünftigen IPRKodifikation eine die Perpetuierung des bestehenden Staatsvertragsrechts anordnende Bestimmung vorsieht. 3

402

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

ten endgültig aufgelöst sind,8 besteht Raum für eine einheitliche umfassende europäische Kodifikation. Ausgehend davon könnte dann möglicherweise sogar ein universelles Rechtsinstrument auf den Weg gebracht werden, welches nicht nur einen regionalen (europäischen), sondern einen globalen Geltungsanspruch verfolgt.9 Ob eine derartige Bereinigung des internationalen Vertragsrechts jemals stattfindet, ist jedoch mehr als fraglich. Schließlich könnte ein derart gewaltiges Projekt nur bei Bestehen eines entsprechend großen politischen Willens verwirklicht werden. Angesichts der aktuellen EU-Skepsis erscheint aber die Möglichkeit einer neuerlichen Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf die Europäische Union unwahrscheinlicher denn je. Gleichwohl lässt sich nicht von der Hand weisen, dass eine derartige Konsolidierung des europäischen internationalen Vertragsrechts – insbesondere in Bezug auf internationale Beförderungen – eine erhebliche Erleichterung in der Praxis bedeuten würde. Eine Reduktion der Rechtsquellen und deren kohärente Ausgestaltung aus der Hand eines einzigen Gesetzgebers könnte die Rechtsanwendung enorm vereinfachen.

§ 14 Bewertung des sekundärrechtlichen Beförderungsvertragskollisionsrechts

§ 14 Bewertung von Art. 5 Rom I-VO Soweit das Internationale Privatrecht des Art. 5 Rom I-VO einer Bewertung zu unterziehen ist, muss inhaltlich differenziert werden. Wie gezeigt, ergeben sich aus der Vorschrift letztendlich zwei eigenständige kollisionsrechtliche Regime für Güter- sowie für Personenbeförderungsverträge. Nicht zuletzt der Umstand, dass diesen verschiedenartige Interessen zugrundeliegen, führt dazu, dass an die jeweiligen Verweisungsregeln mitunter unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe anzulegen sind. Dementsprechend muss die konkrete Ausgestaltung der supranationalen Kollisionsregeln für Beförderungsverträge bisweilen mit unterschiedlichem Maß bewertet werden (A. und B.). Gleichwohl soll die Vorschrift des Art. 5 Rom I-VO abschließend in ihrer Gesamtheit betrachtet werden (C.).

Dies könnte dadurch bewerkstelligt werden, dass sich die Mitgliedstaaten gegenüber der Union (völkerrechtlich) zur Kündigung der entsprechenden Übereinkommmen verpflichten. 9 Für den Abschluss eines (assoziierenden) Staatsvertrages gegenüber Drittstaaten zum Zwecke internationaler Rechtsvereinheitlichung wäre übrigens die Union infolge von Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 i. V. m. Art. 2 Abs. 3 AEUV außenzuständig. 8

§ 14 Bewertung von Art. 5 Rom I-VO

403

A. Gelungene Weiterentwicklung des Güterbeförderungs-IPR Das sekundärrechtliche Güterbeförderungsvertrags-IPR stellt die nächste Entwicklungsstufe des zuvor bereits in Form des Art. 4 Abs. 4 EVÜ existierenden Verweisungsrechts dar. In diesem Bereich bewegen sich die durch die Rom I-Verordnung vorgenommenen Neuerungen eher im Detail.10 Bereits dieser Umstand sieht sich heftiger Kritik ausgesetzt, mit der Begründung, dass eine besondere Verweisungsnorm für Güterbeförderungsverträge ganz grundsätzlich überflüssig sei.11 Für die Existenz einer solchen besonderen Kollisionsnorm sprechen jedoch nachvollziehbare Gründe. Zunächst einmal ist zu betonen, dass trotz der großen Anzahl an materiell vereinheitlichtem Transportrecht gleichwohl nicht nur ein Spielraum, sondern eine Notwendigkeit für Kollisionsrecht besteht.12 Letzteres ist keineswegs in der Praxis irrelevant,13 was nicht zuletzt die Menge an entsprechenden Gerichtsentscheidungen beweist.14 Dass das IPR für Güterbeförderungsverträge sodann im Rahmen der objektiven Anknüpfung nicht den allgemeinen, sondern besonderen Regeln folgt, ist durch ihre kollisionsrechtliche Eigenheit gerechtfertigt. So weist der Sitz des Beförderers nicht notwendigerweise einen räumlichen Bezug zum Beförderungsvertrag auf.15 Ein Abstellen auf das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des charakteristisch Leistenden erschiene so im Hinblick auf das Prinzip der engsten Verbindung unangemessen. Weil das Logistikgewerbe mittlerweile entscheidend durch global agierende Unternehmen geprägt ist, tritt diese besondere Konstellation bei GüterbeförderungsverträSiehe den Überblick dazu oben § 6 – F. Dies bemängelnd Mankowski, IHR 2008, 133 (140); ders., EuZ 2009, 2 (6); ausführlich ders., TranspR 2008, 339 ff.; ebenso Czepelak, in: CYIL I (2010), S. 47 (66) Rn. 3.47. Auch im Zuge des Reformprozesses wurde sich für die ersatzlose Streichung von Art. 4 Abs. 4 EVÜ ausgesprochen, insbesondere von der GEDIP (siehe Deuxième commentaire consolidé des propositions de modification des articles 1er, 3, 4, 5, 6, 7 et 9 de la convention de Rome du 19 juin 1980 sur la loi applicable aux obligations contractuelles, et de l’article 15 du règlement 44/2001 (Bruxelles I). Dixième, onzième et douzième réunions, Rome, 2000, Lund, 2001, Paris, 2002 (abrufbar unter ) Rn. 10-7), dem deutschen Bundesministerium der Justiz (siehe Stellungnahme zum Grünbuch vom 6.10.2003, S. 7 f.) und dem MPI, RabelsZ 68 (2004), 1 (45). Infolgedessen ist im Gesetzgebungsprozess sogar kurzzeitig erwogen worden, im europäischen Vertrags-IPR die besondere Kollisionsnorm für Beförderungsverträge wegfallen zu lassen, so ausdrücklich Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (101) Fn. 12, der Teilnehmer der dänischen Delegation im Rat war. Zum Gesetzgebungsprozess schon oben § 6 – A.I. und § 7 – vor A. 12 Siehe oben das dritte Kapitel. 13 Mit der fehlenden praktischen Bedeutung hatte das BMJ (siehe Fn. 11) seine Streichungsempfehlung begründet. Diesen Vorwurf ebenfalls entkräftend Mankowski, TranspR 2008, 339. 14 Siehe oben § 12 – D., insbesondere die Fn. 292 und 293. 15 Siehe oben § 6 – A.II.2. 10 11

404

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

gen indes nicht nur in Einzelfällen – die möglicherweise über die Anwendung der Ausweichklausel gelöst werden könnten – sondern regelmäßig auf.16 Vor diesem Hintergrund erscheint eine spezielle Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge, die für die Anknüpfung an das Heimatrecht des Beförderers das Hinzutreten weiterer Anknüpfungsmerkmale verlangt, durchaus gerechtfertigt. Außerdem trägt eine solche der enormen praktischen Bedeutung der Transportverträge für den internationalen Wirtschaftsverkehr Rechnung.17 Die bisher in Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ verortete und in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO übernommene Regelung ist im Zuge der Europäisierung des internationalen Vertragsrechts weiterhin in sinnvoller Weise ergänzt worden.18 Durch die Schaffung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO wurde der entscheidende Mangel der EVÜ-Regelung behoben und die Konsistenz des verweisungsrechtlichen Regelwerks gestärkt.19 Bisher war ein Güterbeförderungsvertrag, der die geforderte Kumulation von Anknüpfungsmomenten nicht erfüllt, wohl nach Art. 4 Abs. 1 EVÜ an die Rechtsordnung, zu der er die engsten Verbindungen aufweist, anzuknüpfen.20 Mit der Einführung einer konkreten Ausfallregelung wurde die damit einhergehende Rechtsunsicherheit grundsätzlich beigelegt. Mit der Schaffung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom IVO fand eine methodisch zu begrüßende Abkehr von einer offenen Schwerpunktsuche statt.21 Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage bedeutet dies einen Wechsel von Flexibilität hin zu Vorhersehbarkeit.22 Damit wird der allgemeine Anspruch, ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten,23 erfüllt. Auch die Wahl des Ablieferungsortes als maßgebliches Anknüpfungsmerkmal ist gelungen. Dies entspricht in der Regel den Erwartungen der Parteien, außerdem wird vermutlich an diesem Ort hinsichtlich während des Transports aufgetretener Probleme prozessiert.24 Prinzipiell handelt es sich

Zu dem gleichen Urteil gelangend Legros (2. Kapitel Fn. 121) 188 m. w. N. Das Art. 4 Abs. 4 EVÜ gegenüber negative Urteil des MPI, RabelsZ 68 (2004), 1 (45) beruht maßgeblich auf der Überlegung, dass diese problematische Konstellation nur in Einzelfällen bestehe und sie somit nicht durch eine eigene Sonderregel, sondern besser durch die Anwendung der allgemeinen Ausweichklausel gelöst werden sollte. 17 Kenfack, Clunet 136 (2009), 3 (24) Rn. 34. 18 Zur neuen Sekundäranknüpfung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO ausführlich oben § 6 – E.II. 19 Damit wurde auch dem zentralen Vorwurf der GEDIP (Fn. 11), die Regelung des Art. 4 Abs. 4 EVÜ sei „incomplet“ begegnet. 20 Dies war im Einzelnen strittig, siehe die Nachweise oben § 6 – A.I. 21 Mankowski, TranspR 2008, 339 (347); ders., IHR 2008, 133 (140); d’Avout, RLDA, 69 (70). 22 Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 (106); vgl. auch Kenfack, Clunet 136 (2009), 3 (25) Rn. 34. 23 Siehe oben § 6 – A.II.1. 24 Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-70) Rn. 52; Martiny, GPR 2011, 48 (50). 16

§ 14 Bewertung von Art. 5 Rom I-VO

405

bei der Verweisungsregel des Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO um eine klare und einfache Lösung.25 Der Vorwurf, dass diese möglicherweise zu „befremdlichen Ergebnissen“26 führe, kann dagegen schon unter Hinweis auf die nötigenfalls eingreifende Ausweichklausel entkräftet werden. Die Aufnahme der subsidiären Regel ist daher mit Nachdruck zu begrüßen.27 Was die weitere Ausgestaltung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO betrifft, ist anzumerken, dass vereinzelt Anwendungsprobleme auftreten, namentlich bei mehrgliedrigen Beförderungen, die mehrere Ablieferungsorte aufweisen. Auch die genaue Abgrenzung des Beförderungsvertragsbegriffs hinsichtlich Charter- und speditioneller Verträge ist im Einzelnen unklar. Allerdings können all diese Probleme kraft Auslegung behoben werden.28 Dennoch wäre es wünschenswert gewesen, dass sich die entsprechenden Lösungen bereits im Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Rom I-VO oder in den Erwägungsgründen niedergeschlagen hätten. Insoweit kann man der Vorschrift mangelnde textliche Präzision vorwerfen.29 Insgesamt kann jedoch festgehalten werden, dass die europäische Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge eine befriedigende Lösung darstellt.30 B. Verbesserungsbedarf am neuen supranationalen Kollisionsrecht für Personenbeförderungsverträge Im Gegensatz zum Gütertransport bestand vor dem Erlass der Rom I-Verordnung für den Bereich der Personenbeförderung keine spezielle kollisionsrechtliche Regelung. Insofern war die Ausgangslage also ergebnisoffen und der europäische Gesetzgeber nicht durch eine bereits etablierte spezielle Sondervorschrift voreingenommen. Dennoch lässt sich auch im Bereich der Personenbeförderung eine gewisse Kontinuität dahingehend feststellen, dass der bereits im EVÜ verankerte Passus, wonach Beförderungsverträge vom sachlichen Anwendungsbereich der Verbrauchervertragskollisionsnorm ausgenommen waren (Art. 5 Abs. 4 lit. b EVÜ), auch im Anknüpfungssystem derRom I-Verordnung beibehalten wurde.31

Corneloup, J.C.P. 44/2008, 21 (25); Martiny, ZEuP 2010, 747 (761). Hartenstein/Reuschle/Völker, Kap. 11 Rn. 41. 27 Ebenso Corneloup, J.C.P. 44/2008, 21 (24 f.); Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1335). Siehe auch schon oben § 6 – E.II. 28 Siehe oben § 6 – E.IV. bzw. § 6 – B.III.1. und 3. 29 So hinsichtlich der Ablieferungsortproblematik Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (761). 30 Ebenso Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687 (1706). 31 Näher dazu oben § 8 – B.I. 25 26

406 I.

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

Sonderregelung statt Ausweitung des Verbraucherschutzes

Da die zu befördernde Person häufig gleichzeitig Verbraucher ist, wäre es zumindest vom Verbraucherschutzgedanken her wünschenswert gewesen, diese Bereichsausnahme ersatzlos zu streichen bzw. dahingehend zu modifizieren, dass Personenbeförderungsverträge in den Anwendungsbereich des neuen Art. 6 Rom I-VO fallen.32 Gegen ein derartiges Vorgehen lässt sich jedoch das Argument anführen, dass die Gewährung von kollisionsrechtlichem Verbraucherschutz im Bereich der Personenbeförderung den Beförderungsunternehmer erheblich belasten würde. So müsste bei unterstellter Anwendung von Art. 6 Rom I-VO der Anbieter der Beförderungsleistung prinzipiell eine Vielzahl möglicher Rechtsordnungen beachten.33 Zwar haben international agierende Unternehmer, die Kunden aus verschiedenen Ländern haben, generell unterschiedliche Rechte zu berücksichtigen.34 Jedoch träfe dies den Beförderer ganz besonders, da diese Wirkung des Art. 6 Rom I-VO nicht erst in der Summe sondern bereits bei jeder einzelnen seiner Leistungen einträte. Jede einzelne Beförderung, bei der es sich aus der Sicht des Beförderers um einen einzigen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang handelt, würde sich dann gleichzeitig nach mehreren Rechtsordnungen beurteilen. Beförderer mit einem großen Liniennetz müssten daher potentiell mit der Anwendung hunderter Rechtordnungen rechnen. Diesen für sie nachteiligen Umstand könnten die Beförderungsunternehmer zwar dadurch beschränken, dass sie ihre Tätigkeit nur auf wenige Staaten ausrichten.35 Allerdings ist ja gerade ein Ziel der europäischen Verkehrspolitik, dass die verschiedenen Anbieter von Personentransport auch in anderen Mitgliedstaaten tätig werden, um einen Wettbewerb mit den dort etablierten, einheimischen Beförderern zu schaffen.36 Im Endeffekt geht es dabei ganz allgemein darum, die Mobilität der Unionsbürger innerhalb der Union – vor allem außerhalb ihrer Heimatmitgliedstaaten – zu steigern, um die europäische Integration zu fördern. Für die Bewältigung dieser europäischen Aufgabe bedarf es jedoch Beförderer, die ihre Angebote grundsätzlich über nationale Grenzen hinaus ausrichten. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Tatsache, dass im Bereich der Personenbeförderung kein vollwertiger kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz gewährt Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339 (350 f.); Legros, Rev. crit. DIP 2013, 395 (423). Vgl. PWW/Remien, Art. 6 Rom I-VO Rn. 28; Bĕlohlávek, Rome Convention, Rome I Regulation, Bd. 1, 2010, Rn. 05.46. 34 So das Gegenargument von Mankowski, Interessenpolitik, S. 50; Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364 (376). 35 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des supranationalen IPR-Verbraucherschutzes ist gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a und b Rom I-VO, dass der Unternehmer seine Tätigkeit entweder im Heimatland des Verbrauchers ausübt oder jedenfalls auf diesen Staat ausrichtet. Darunter sind insbesondere der reelle oder der Vertragsschluss per Internet zu verstehen, dazu im Einzelnen PWW/Remien, Art. 6 Rom I-VO Rn. 15 ff. m. w. N. 36 Siehe auch oben § 3 – A.II.2.b)aa). 32 33

§ 14 Bewertung von Art. 5 Rom I-VO

407

wird, durchaus rechtfertigen.37 Entsprechend ist das Bestreben, stattdessen ein besonderes IPR-Regime zu schaffen, welches einen angemessenen Ausgleich zwischen Passagier- und Befördererinteressen gewährleisten will, begrüßenswert. Für eine eigenständige Sonderregel spricht überdies, dass der eigentliche Schutzgrund im Vergleich zum Verbraucherrecht ein anderer ist. So geht es im Passagierrecht eher um den Schutz von Integritätsinteressen und weniger um den Ausgleich von Wissensdefiziten.38 Insofern hat der materiellrechtliche Überbau von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO gegenüber Art. 6 Rom I-VO eine speziellere Zielrichtung. Weiterhin lassen sich für die Aufnahme einer besonderen Verweisungsnorm für Personenbeförderungsverträge die oben im Zusammenhang mit der Güterbeförderungsvertragskollisionsnorm aufgeführten Gründe nennen. 39 Die Schaffung einer speziellen Vorschrift für Personenbeförderungsverträge als solche ist deshalb grundsätzlich nicht negativ zu bewerten. Ein positives Gesamturteil von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO setzt jedoch voraus, dass durch die Sonderregelung das ausdrücklich genannte Ziel verwirklicht und ein angemessenes Schutzniveau des Passagiers tatsächlich etabliert wird. II. Gelungene objektive Anknüpfungsregel Was die Ebene der objektiven Anknüpfung angeht, kann man festhalten, dass diese prinzipiell gut gelungen ist. Zwar stimmt die Primäranknüpfung in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO insofern mit Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO überein, dass auf der Rechtsfolgenseite das Heimatrecht des Passagiers als die anwendbare Rechtsordnung benannt wird. Insofern scheint der kollisionsrechtliche Passagierschutz vollends zum Tragen zu kommen. Allerdings wird dies auf Tatbestandsseite mit einer weiteren Voraussetzung verknüpft, sodass im Ergebnis aufgrund von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO entweder an den Abgangs- oder den Bestimmungsort angeknüpft wird, wodurch letztlich das Prinzip der eng(st)en Verbindung zur Geltung kommt. 40 Dies ist aus Sicht des Beförderers eine gut kalkulierbare und somit zumutbare Lösung.41 Gleichzeitig werden dadurch auch die Interessen des Passagiers ausreichend gewahrt, denn 37 Insoweit ist anzumerken, dass die genannten verkehrspolitischen Erwägungen im Grunde nur für inner-europäische grenzüberschreitende Transporte gelten und daher eine Beschränkung des Verbraucherschutzes gegenüber drittstaatlichen Beförderern dadurch nicht gerechtfertigt ist. Würde man jedoch so differenzieren, müsste man eine spezielle Binnenmarkt-Kollisionsnorm nur für internationale inner-europäische Beförderungen schaffen, was angesichts der Verzahnung von inner-europäischem und globalem Personenverkehr und der universellen Erstreckung des europäischen Kollisionsrechts auf Drittstaatssachverhalte (siehe oben § 9 – A.III.) verfehlt erschiene. 38 Dazu ausführlich oben § 7 – A.I.3. 39 Siehe oben A. 40 Siehe oben § 7 – C.I.3. und § 7 – E.I. 41 Siehe oben § 7 – C.I.3.b).

408

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

nur bei Beförderungen mit Bezug zu seinem Heimatstaat kann er gerechtfertigterweise mit der Anwendung des dort geltenden Rechts rechnen.42 Faktisch besteht damit ein Gleichlauf mit der objektiven Anknüpfung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a Rom I-VO, schließlich übt der Beförderer am gewöhnlichen Aufenthalt des Passagiers seine Tätigkeit aus, wenn in diesem Staat entweder Abgangsoder Bestimmungsort der Beförderung liegt. Weiterhin wird durch die Regelung ein weitgehender Gleichlauf mit der internationalen Zuständigkeit hergestellt.43 Der objektiven Primäranknüpfungsregel für Personenbeförderungsverträge kann somit attestiert werden, dass sie einen angemessenen Ausgleich zwischen Passagier- und Befördererinteressen vornimmt.44 Entgegen dem stellenweise in der Literatur geäußerten Vorwurf wird dieser Erfolg auch durch die Subsidiärregelung in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO nicht einschneidend relativiert.45 Dass darin ersatzweise die Anwendung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers angeordnet wird, ist vielmehr ein Ausdruck des Kompromisscharakters der Personenbeförderungsvertragskollisionsnorm. Bevor man die Auffangregel aber reflexartig als passagierunfreundlich kritisiert, sollte man sich die Alternativen vor Augen führen, die für den Gesetzgeber stattdessen in Betracht gekommen wären: Wie soeben bereits erwähnt, wäre ein striktes Abstellen auf den Passagieraufenthalt dem Beförderer gegenüber unangemessen. Insbesondere hätte letzterer im praktischen Hauptanwendungsfall von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO, der Beförderung von Touristen im Inland,46 zum Zeitpunkt der Beförderung häufig keine Anhaltspunkte für die konkret anwendbare Rechtsordnung. So wird nicht zuletzt im Nahverkehr der gewöhnliche Aufenthalt des Passagiers nicht offengelegt. Entsprechend würde ein striktes Abstellen auf den gewöhnlichen Passagieraufenthalt – gerade im Hinblick darauf, dass es sich beim öffentlichen Nahverkehr um ein Massengeschäft Vgl. oben § 7 – C.I.3.a). Ein vollständiger Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht ist insoweit kaum möglich: So kommen allein im europäischen internationalen Zivilverfahrensrecht mindestens drei Gerichtsstände in Betracht, namentlich am Abgangsund Bestimmungsort nach Art. 7 Nr. 1 lit. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO (siehe EuGH, 2. Kapitel Fn. 582, NJW 2009, 2801) sowie der allgemeine Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten, vgl. Art. 4 EuGVVO. Nichtsdestotrotz greift Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO die im IZPR maßgeblichen Anknüpfungsmerkmale auf. 44 Ebenso Valdini, S. 301 f. und – mit Einschränkungen – Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. DIP 2008, 727 (763 f.). 45 Namentlich Mankowski, TranspR 2008, 339 (349) wirft dem europäischen Gesetzgeber wegen des Rückgriffs in S. 2 auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers Inkohärenz und Inkonsequenz vor. Erman/Hohloch, Art. 5 Rom I-VO Rn. 10 spricht insoweit von einer „Aufgabe der Schutzfunktion“. Ebenfalls kritisch Rauscher/Thorn, Art. 5 Rom I-VO Rn. 83; Legros, Rev. crit. DIP 2013, 395 (423). Siehe auch Deumier/Racine, RDC 2008, 1309 (1337). 46 Siehe oben § 7 – C.II.3. 42 43

§ 14 Bewertung von Art. 5 Rom I-VO

409

handelt und dabei gegebenenfalls sogar eine Beförderungspflicht besteht – zu befremdlichen Ergebnissen führen. So würden sich beispielsweise bezüglich einer Verletzung eines spanischen Touristen in einer Hamburger S-Bahn die konkreten Verkehrssicherungspflichten des Beförderers (etwa hinsichtlich des Winterdienstes am Bahnsteig) oder der Sorgfaltsmaßstab für ein mögliches Mitverschulden des Passagiers nach spanischem Recht beurteilen.47 Dies wäre nicht gerechtfertigt, zumal in diesem Beispielsfall, wie in den meisten der von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO abgedeckten Konstellationen, nicht einmal der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz einschlägig wäre.48 Scheidet also ein Rückgriff auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Passagiers aus, hätte man darüber nachdenken können, in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO die Parallele zu Abs. 1 zu ziehen. Allerdings würde ein pauschales Abstellen auf den Bestimmungsort im Rahmen der Ausfallregel für Personenbeförderungsverträge – nicht zuletzt für den Passagier – zu unbefriedigenden Ergebnissen führen.49 Eine weitere Option des europäischen Gesetzgebers wäre schließlich gewesen, für den Fall, dass die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO nicht vorliegen, ganz allgemein auf die engste Verbindung abzustellen. Vom Anknüpfungsergebnis wäre dies sicherlich sachgemäß, allerdings hätte eine offene Schwerpunktsuche eine erhebliche Einschränkung der Rechtssicherheit zur Folge.50 Außerdem wird dem Prinzip der engsten Verbindung auch durch die nun verbindliche Regelung ausreichend Rechnung getragen, denn diese könnte entsprechend durch Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO durchbrochen werden. Es bleibt somit festzuhalten, dass die möglichen Regelungsalternativen zu einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Befördereraufenthalt in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO nicht zu überzeugen vermögen. Gerade im Hinblick auf den praktischen Hauptanwendungsfall der Ausfallregel ist die vom europäischen Gesetzgeber getroffene Regelung durchaus zweckmäßig. Insgesamt wurde im Rahmen der objektiven Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen eine angemessene Lösung für den Ausgleich zwischen den jeweiligen Interessen von Passagieren und Beförderern gefunden.51 Die konkrete Regelung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1

47 Zur Frage der Verkehrssicherungspflicht des Eisenbahnunternehmers für Bahnsteige siehe etwa BGH NJW 2012, 1083. Dabei ist jedoch zu prüfen, ob dies nicht möglicherweise durch das staatsvertragliche Einheitsrecht der CIV überlagert wird. Zu den Sicherungspflichten eines Straßenbahnfahrgastes siehe dagegen beispielhaft OLG Naumburg NZV 2012, 76 m. w. N. aus der Rspr. Dazu allgemein Filthaut, NZV 2011, 217. 48 Dies eingestehend Mankowski, TranspR 2008, 339 (349). 49 Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339 (349). 50 Deshalb ist auch die Überwindung dieser unter dem EVÜ im Bereich der Güterbeförderung bestehenden Rechtslage einhellig begrüßt worden, siehe die Nachweise oben A. 51 Ebenso Morse, in: Liber Amicorum Siehr, S. 463 (477).

410

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

Rom I-VO bewirkt zudem eine Verbesserung des kollisionsrechtlichen Passagierschutzes im Vergleich zur unter dem EVÜ herrschenden Rechtslage.52 III. Verfehlung des Normziels aufgrund von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO Das in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO Erreichte wird jedoch durch UAbs. 2 entwertet. Denn durch die konkrete Ausgestaltung der neuartigen Rechtswahlbeschränkung, namentlich durch die Alternativen in lit. b und c, ist es dem Beförderer auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO ausdrücklich möglich, sein Heimatrecht zu wählen.53 Aufgrund des wirtschaftlichen Übergewichtes des Beförderers wird von dieser Möglichkeit in aller Regel Gebrauch gemacht werden.54 Wegen der Vorrangigkeit der subjektiven Anknüpfungsregel wird somit auf Personenbeförderungsverträge im Ergebnis das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers Anwendung finden. Infolge dieser Aushöhlung des durchaus gelungenen objektiven Anknüpfungsregimes kommen bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO die Passagierinteressen letztlich kaum zum Zuge. Allenfalls wird durch die Rechtswahlbeschränkung ein Passagierschutz dahingehend bewirkt, dass der Beförderer keine – etwa im Hinblick auf die AGB-Inhaltskontrolle – ausgewiesen schutzschwache nationale Rechtsordnung wählen kann. 55 Sofern ein Beförderer sein Heimatrecht durchsetzt, bleiben dem Passagier aber nur die kollisionsrechtlichen Schutzmechanismen des sektoriellen Richtlinienrechts, 56 wie etwa der Klauselrichtlinie 93/13/EWG.57 Über Art. 46b EGBGB gelten damit gegebenenfalls auch gegenüber drittstaatlichen Beförderern die unionsrechtlichen Standards für eine Klauselkontrolle.58 Dennoch wird das von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO verfolgte Ziel, einen angemessenen Ausgleich zwischen Passagier- und Befördererinteressen herzustellen, aufgrund der konkreten Regelung des UAbs. 2 ver-

52

E.I.

Vgl. Staudinger, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, § 22 Rn. 18. Siehe auch oben § 7 –

Siehe oben § 7 – D.II.2. Siehe oben § 7 – E.II.2. 55 Siehe oben § 7 – E.II.3. 56 Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (626); Steennot, in: Liber Amicorum Erauw, S. 175 (185 f.). 57 Siehe 1. Kapitel Fn. 40. 58 Ist der Passagier ein Verbraucher, kann er sich nach Art. 46b EGBGB auf das Schutzrecht der Klauselrichtlinie (1. Kapitel Fn. 40) berufen, wenn der Vertrag aufgrund einer Rechtswahl nicht dem Recht eines EU-Mitglied- oder EWR-Staates unterliegt und der Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet eines dieser Staaten aufweist. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn der (drittstaatliche) Beförderer seine gewerbliche Tätigkeit in dem Staat des gewöhnlichen Verbraucheraufenthalts ausübt oder darauf ausrichtet, vgl. Art. 46b Abs. 2 Nr. 1 und 2 EGBGB (zu diesen Voraussetzungen PWW/ Remien, Art. 46b EGBGB Rn. 5 ff.). 53 54

§ 14 Bewertung von Art. 5 Rom I-VO

411

fehlt.59 In der Gesamtschau aus UAbs. 1 und 2 besteht innerhalb der Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge stattdessen ein erhebliches Ungleichgewicht zugunsten der Beförderer. Ein veritabler Passagierschutz wird durch die bestehende Vorschrift dagegen nicht gewährleistet. Deshalb ist die Regelung des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO in dieser Form abzulehnen. IV. Vorzugswürdige Lösung für die subjektive Anknüpfung Der europäische Gesetzgeber hätte durch ein Leichtes eine angemessene Lösung auch auf der Ebene der subjektiven Anküpfung etablieren und damit ein insgesamt stimmiges Anknüpfungssystem schaffen können: 1. Vollständiger Ausschluss der Rechtswahl? Fragt man sich nach stärker passagierschutzorientierten Alternativen zu der in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO getroffenen Rechtswahlregelung, käme einem – angesichts der angemessenen objektiven Anknüpfung – zunächst die komplette Unterbindung einer Rechtswahlmöglichkeit in Betracht. Eine solche Maßnahme ist im Verordnungsgebungsprozess z. B. im Zusammenhang mit den Verbraucherverträgen in Erwägung gezogen worden, vgl. Art. 5 Rom I-VO-V. Dafür, dass sich dies nicht im Rahmen des Art. 6 Rom I-VO niedergeschlagen hat und so ebenso wenig in Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO verfahren werden sollte, spricht aber letztlich, dass es sich bei der Rechtswahl um ein zentrales Prinzip des europäischen IPR handelt und auch das internationale Vertragsrecht grundsätzlich einen entsprechenden Parteiwillen berücksichtigen sollte. 2. Überlagerung der Rechtswahl durch zwingende Bestimmungen? Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO hhätte darin bestanden, die Rechtswahl – ähnlich wie in Art. 6 und Art. 8 Rom I-VO – durch die Anwendung von zwingendem materiellen Recht zu überlagern. Allerdings wäre dies im Hinblick auf den Passagierschutz nur bedingt hilfreich, da im Bereich der Personenbeförderung entsprechende Bestimmungen ohnehin auf transnationaler Ebene geregelt sind und das nationale Passagierschutzsachrecht bei weitem keine mit dem Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutzrecht vergleichbare Regelungsdichte erreicht. Allerdings könnte der Passagier bei angeordneter Anwendung jeglicher zwingender Bestimmungen seines Heimatrechts gegebenenfalls auch in den Genuss des 59 Infolgedessen sieht sich die Vorschrift berechtigterweise harrscher Kritik ausgesetzt, im Zuge derer der durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO gesetzte Passagierschutz wahlweise als „Illusion“ (Nielsen, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, 2009, S. 99 [107]), „nur auf dem Papier“ existent (Magnus, IPRax 2010, 27 [38]) oder als „Farce“ (Mankowski, IHR 2008, 133 [140]) bezeichnet wird. Ebenfalls kritisch Valdini, S. 289.

412

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

einschlägigen nationalen Verbraucherschutzrechtes kommen, beispielsweise hinsichtlich der Inhaltskontrolle der allgemeinen Beförderungsbedingungen. Dann wäre jedoch die Ermittlung der konkret einschlägigen materiellrechtlichen Vorschriften für den Beförderer mit ganz erheblichem Aufwand verbunden und würde diesen wiederum erheblich belasten. 3. Streichung von lit. b und c in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO! Am überzeugendsten, und zugleich sehr einfach umzusetzen, wäre daher eine Regelung für die Rechtswahl für Personenbeförderungsverträge, die die in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO gewährte Auswahlmöglichkeit durch Streichung von lit. b und lit. c noch stärker limitieren würde. Durch die Beschränkung der Alternativen auf den Abgangs- oder Bestimmungsort sowie den gewöhnlichen Aufenthalt des Passagiers wären im Rahmen der subjektiven Anknüpfung nur noch die auch von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO aufgegriffenen Rechtsordnungen wählbar. Für den Reisenden würde dies die Wahrscheinlichkeit erheblich erhöhen, dass sein Heimatrecht zur Anwendung käme, besonders wenn er – wie im Regelfall 60 – zu seinem Heimatstaat oder von diesem weg befördert wird. Doch auch wenn das Heimatrecht des Passagiers nicht zur Anwendung käme, wäre die Fremdrechtsanwendung für letzteren sehr gut vorhersehbar. Denn die restlichen wählbaren Alternativen wären entweder das Recht des Abgangs- oder das des Bestimmungsortes und damit jene Rechtsordnungen, in deren Sphäre sich der Beförderte ganz bewusst begibt. Gleichzeitig würde eine Streichung von lit. b und c die Beförderer nicht unangemessen belasten. So könnten diese ohne Weiteres alle Transporte von oder nach ihrem Sitzstaat einheitlich ihrem Heimatrecht unterstellen.61 Eine Möglichkeit dafür wäre beispielsweise, in die allgemeinen Beförderungsbedingungen eine alternativ-bedingte Rechtswahlklausel aufzunehmen, wonach Beförderungen aus dem Beförderer-Heimatstaat heraus dem Recht das Abgangs- und alle in diesem Staat ankommenden Beförderungen dem Recht des Bestimmungsort unterstehen. Eine derartige zweigliedrige Klausel würde zudem gewährleisten, dass die in der Praxis häufig gebuchten Hin- und Rückfahrten ein- und derselben Rechtsordnung unterliegen. Komplizierter wäre die Situation allerdings für Beförderer, die Verbindungen bedienen, die vollständig außerhalb ihrer Sitzstaaten liegen, wie dies etwa im Luftverkehr häufiger der Fall ist.62 In solch einem Szenario könnte der Anbieter der Transportdienstleistung nicht per Rechtswahl sein eigentliches Heimatrecht zur AnwenSiehe oben § 7 – C.I.3.a). Beförderungen innerhalb des Staates, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, beurteilen sich infolge von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO sowieso nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers, sodass aus Sicht letzterer eine Rechtswahl nicht nötig wäre. 62 Näher dazu oben § 7 – C.III.2., insbesondere Fn. 1142. 60 61

§ 14 Bewertung von Art. 5 Rom I-VO

413

dung bringen, sondern allenfalls auf das Recht des Abgangs- oder des Bestimmungsortes abstellen. Dies würde für Beförderungsunternehmen, die ein breit gefächertes Netz an grenzüberschreitenden Verbindungen betreiben, durchaus eine gewisse Herausforderung darstellen. Allerdings kann gerade Beförderern solcher Größenordnung zugemutet werden, dass sie sich auf die Anwendbarkeit der entsprechend tangierten Rechtsordnungen einstellen. Außerdem erscheint es durchaus gerechtfertigt, dass ein Beförderer – ebenso wie im Übrigen ein Passagier – nicht von der Anwendung seines Heimatrechts ausgehen kann, sofern er seinen Heimatmarkt verlässt und ausschließlich innerhalb des Auslands aktiv wird. Zumal er weiterhin, etwa über entsprechende Websites, seine Beförderungsdienstleistungen in verschiedensten Staaten bewerben oder anbieten kann, ohne dass es über Art. 6 Rom I-VO zur Anwendung des dortigen Verbraucherrechts käme. Eine wie hier vorgeschlagene noch stärkere Beschränkung der im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO wählbaren Rechtsordnungen würde folglich weder Passagiere noch Beförderer einseitig begünstigen bzw. belasten und könnte somit zu einem angemessenen Ausgleich der kollisionsrechtlichen Interessen führen. C. Gesamtwürdigung von Art. 5 Rom I-VO Wie die ausführliche Analyse im dritten Kapitel zeigt, besteht trotz der Vielzahl an materiellem Einheitstransportrecht auch auf dem Gebiet des internationalen Beförderungsvertragsrechts ein erhebliches praktisches Bedürfnis für Kollisionsrecht. Dass dieses nicht den allgemeinen Regeln folgt, sondern stattdessen insoweit ein besonderes, in Art. 5 Rom I-VO verankertes Anknüpfungssystem zum Tragen kommt, ist grundsätzlich zu begrüßen. Bei dieser neuartigen europäischen Kollisionsnorm für Beförderungsverträge handelt es sich zweifelsohne um eine komplexe, mitunter komplizierte,63 Vorschrift. Dies gilt insbesondere für die vollständig neuartige Regelung für die Personenbeförderung in Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO.64 Die vorangegangene Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass im Hinblick auf Beförderungsverträge pauschale verweisungsrechtliche Lösungen nicht befriedigend sind. Diesem Umstand ist letztlich das ausdifferenzierte System von Art. 5 Rom I-VO geschuldet, wodurch die Vorschrift erst den notwendigen hohen Grad an Präzision erlangt.65 Auch die allgemeine konzeptionelle Entscheidung, einen Wechsel weg von Vermutungen hin zu starren Anknüpfungsregeln zu vollziehen, ist dem europäischen Gesetzgeber zugute zu halten. Nicht zuletzt im Rahmen vom Art. 5 Rom I-VO Vgl. Mankowski, IHR 2008, 133 (140); Kenfack, Clunet 136 (2009), 3 (24 f.) Rn. 34; Azzi, D. 2008, 2169 (2171). 64 PWW/Remien, Art. 5 Rom I-VO Rn. 4. Hasche, TranspR 2010, 282 geht demgegenüber sogar noch weiter und bezeichnet Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO als „Monster an Regelung“. 65 Den Zusammenhang zwischen Komplexität und Präzision ebenfalls berücksichtigend Francq, Clunet 136 (2009), 41 (61). 63

414

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

wird dadurch für die Gerichte die Rechtsanwendung erheblich vereinfacht.66 Im Hinblick auf die Einzelfallgerechtigkeit ist zu begrüßen, dass den strikten Regeln mit Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO eine flexible Ausweichklausel gegenüber gestellt wurde, wenngleich diese in der Praxis ohnehin nur in außergewöhnlichen Situationen zur Anwendung kommen kann.67 In inhaltlicher Hinsicht lassen sich bezüglich Art. 5 Rom I-VO einige redaktionelle Auffälligkeiten feststellen. Kein Ausdruck mangelnder Kohärenz ist freilich, dass die genaue Terminologie der Orte in Abs. 1 und 2 divergiert.68 Offensichtlich fehlerhaft ist der französische Wortlaut der Ausweichklausel des Abs. 3.69 Weiterhin treten stellenweise Unklarheiten bezüglich des sachlichen Anwendungsbereichs (Charter-, Speditionsverträge) oder bei der Anwendung der Kollisionsregeln (Güterbeförderungsverträge mit mehreren Lieferorten, Mehr-Personen-Konstellationen bei der Personenbeförderung) auf. Diese können jedoch prinzipiell durch Auslegung gelöst und durch eine kohärente Rechtsprechung, nicht zuletzt des Europäischen Gerichtshofs, sukzessiv beseitigt werden. Was die konkrete Ausgestaltung der supranationalen Verweisungsregeln für Güterbeförderungsverträge betrifft, kann Art. 5 Rom I-VO durchaus als gelungen bezeichnet werden – die in Abs. 1 getroffene Regelung ist nicht weiter zu beanstanden. Anders fällt hingegen das Urteil bezüglich des kollisionsrechtlichen Regimes für Personenbeförderungsverträge aus. Man merkt Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO förmlich seinen Kompromisscharakter und das dem zugrundeliegende Bemühen an, einen Ausgleich zwischen Befördererund Passagierinteressen herbeizuführen. Aufgrund der Regelung der subjektiven Anknüpfung wird dieses Ziel jedoch nicht erreicht, denn die Vorschrift weist durch Abs. 2 UAbs. 2 im Ergebnis eine erhebliche Tendenz zugunsten des Beförderers auf. Praktisch wird ein kollisionsrechtlicher Passagierschutz durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO so nicht gewährt. Gleichwohl hat sich durch die gelungene Regelung der objektiven Anknüpfung in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO und die – allerdings lediglich marginale – Schutzwirkung der Rechtswahlbeschränkung die Stellung des Passagiers gegenüber der Rechtslage im EVÜ verbessert. Auch für beförderte Personen, insbesondere beförderte Verbraucher, wird durch die Rom I-Verordnung somit nun ein gewisses Mindestmaß an kollisionsrechtlichem Schutz gewährt. Alles in allem ist deshalb das neuartig in Art. 5 Rom I-VO geregelte, supranationale Beförderungsvertragskollisionsrecht eingeschränkt positiv zu bewerten. 70

Vgl. Pauknerová, in: Liber Amicorum Siehr, S. 481 (491). Siehe oben § 6 – E.III. und § 7 – C.III. 68 So aber Mankowski, TranspR 2008, 339 (348). Näher dazu oben § 7 – C.I.2.a). 69 Siehe oben § 6 – E.III.2.a). 70 Im Ergebnis ebenso Ubertazzi, S. 79 f., 82; Legros, RD transp. 2/2009, 12 (15) Rn. 13. 66 67

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

415

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse A. Erstes Kapitel: Das Zusammenspiel von sekundärrechtlichem Kollisionsrecht und materiellem Einheitstransportrecht

1. Die in dieser Arbeit untersuchte Bestimmung des auf einen internationalen Transportvertrag anwendbaren Sachrechts stellt den Rechtsanwender mitunter vor erhebliche Herausforderungen. Zum einen hat das dafür grundsätzlich maßgebliche Internationale Privatrecht der Beförderungsverträge im Jahr 2009 eine Änderung erfahren und ist seitdem in Art. 5 Rom I-VO neu geregelt. Zum anderen zeichnet sich das internationale Transportrecht durch eine erhebliche Rechtsquellenvielfalt aus, da neben den jeweiligen nationalen Sachrechtsordnungen über 20 völkervertragliche und supranationale Rechtsinstrumente existieren, die spezielles Recht für internationale Transportverträge enthalten. 2. Inhaltliche Konkurrenzen zwischen verschiedenen transnationalen Rechtsakten sind mit Hilfe der Grundsätze lex superior derogat legi inferiori, lex specialis derogat legi generali und lex posterior derogat legi priori zu lösen. Bei vertikalen Normkonflikten, die zwischen Rechtsakten verschiedener Herkunft auftreten, sind zudem rangkollisionsrechtliche Vorgaben zu beachten, namentlich die völkerrechtliche Pflicht zur bevorzugten Anwendung von staatsvertraglich vereinheitlichtem Recht und der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber mitgliedstaatlichen Recht. Für die Lösung eines Konflikts zwischen staatsvertraglichem und supranationalem Recht sind Art. 216 Abs. 2 AEUV und das primärrechtlichen Gebot der loyalen Zusammenarbeit maßgeblich (§ 2). 3. Die Vorschrift des Art. 25 Rom I-VO regelt lediglich das Verhältnis der Rom I-Verordnung zu kollisionsrechtsvereinheitlichenden Alt-Übereinkommen der Mitgliedstaaten, die bis zum 17. Juni 2008 geschlossen wurden (§ 3 – A.I.1.). Mit dem Erlass der Rom I-Verordnung ist die Kompetenz für den Abschluss von vertragsrechtlichen Kollisionsrechtsübereinkünften auf die Union übergegangen und entsprechende Staatsverträge der Mitgliedstaaten sind seitdem EU-kompetenzrechtlich nicht mehr vorgesehen (§ 3 – A.I.2.). Kollisionsrechtsvereinheitlichende Staatsverträge der Union sind hingegen gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV gegenüber dem sekundärrechtlichen IPR der Rom I-Verordnung grundsätzlich vorrangig (§ 3 – A.I.3.). 4. Wegen der wettbewerbsrechtlichen Funktion der Kabotage-Verordnungen stellen die darin mitunter enthaltenen Verweisungen auf die „Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats“ keine Kollisionsnormen im Sinne von Art. 23 Rom I-VO, sondern besondere Öffnungsklauseln

416

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

dar. Durch diese gegenüber dem Eingriffsnormvorbehalt des Art. 9 Rom IVO spezielleren Sonderanknüpfungen können die Verweisungsregeln des Art. 5 Rom I-VO gegebenenfalls durchbrochen werden (§ 3 – A.II.2.b)). 5. Bezüglich des Abschlusses von sachrechtsvereinheitlichenden Staatsverträgen mit Drittstaaten fand durch den Erlass der Rom I-Verordnung keine allgemeine Kompetenzverschiebung zugunsten der Union statt (§ 3 – B.I.2.). Was die praktische Berücksichtigung materiellen Einheits(transport-)rechts durch die Rom I-Verordnung betrifft, ist ein Rückgriff auf Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO nicht überzeugend (§ 3 – B.I.3.a)). Dieser überwiegend vertretene Ansatz missachtet entscheidende Implikationen, die mit der Europäisierung des Schuldvertrags-IPR einhergegangen sind. Insbesondere kann die Herleitung des Vorrangs von materiellen Einheitsrechtsakten gegenüber dem Vertrags-IPR nicht mehr nur aus den Vereinbarkeitsvorschriften des Verweisungsrechtsinstruments selbst erklärt werden, sondern muss die nunmehr bestehenden primärrechtlichen Vorgaben berücksichtigen. Dies wird durch eine einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs der Rom IVerordnung erreicht, wonach diese einen Rechtskonflikt bzw. einen conflict of laws voraussetzt (§ 3 – B.I.3.b)). Demzufolge ist das sekundärrechtliche IPR im Bereich staatsvertraglicher Sachrechtsvereinheitlichung nicht anwendbar, weil durch die völkervertragliche Rechtseinheit ein Konflikt der Rechtsordnungen nicht mehr vorliegt. 6. Auch die materiell-rechtlichen EU-Verordnungen über den Personentransport gehen Art. 5 Rom I-VO vor. Dieser Vorrang folgt indes nicht aus Art. 23 Rom I-VO, sondern aus dem allgemeinen europarechtlichen Spezialitätsgrundsatz, da das materielle sekundärrechtliche Beförderungsvertragsrecht im Vergleich zu dem abstrakten Unionskollisionsrecht der Rom I-Verordnung sachnäher und somit spezieller ist (§ 3 – B.II.). 7. Die Einführung des supranationalen Kompetenztitels des Art. 65 lit. b Alt. 1 EGV (nunmehr Art. 81 Abs. 2 lit. c Alt. 1 AEUV) führte zu einer ausgiebigen sekundärrechtlichen Kollisionsrechtssetzung. Die Analyse dieser Rechtsakte und der Rechtsprechung des EuGH zeigt, dass dem europäischen Recht ein konkreter supranationaler Kollisionsnormbegriff zugrunde liegt. Bei Kollisionsnormen im europäisch-autonomen Sinne handelt es sich um allseitige Verweisungsnormen, die dazu bestimmt sind, einen spezifischen Konflikt zwischen mehreren (nationalen) Rechtsordnungen zu lösen. Charakteristisch ist die verweisungsrechtliche Methode, mittels derer eine Abwägung der Rechtsanwendungsinteressen der Beteiligten vorgenommen wird. Rechtsanwendungsnormen staatsvertraglicher oder supranationaler Sachrechtsakte fallen nicht unter den europäischen Kollisionsnormbegriff, der

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

417

auch der Rom I-Verordnung und insbesondere deren Art. 23 und 25 zugrundeliegt (§ 3 – B.I.3.a)bb)). B. Zweites Kapitel: Das neue europäische Transportvertrags-IPR 8. Bezüglich der Auslegung der supranationalen Verweisungsnorm für Beförderungsverträge kann auch das materiell-rechtliche Unionstransportrecht, insbesondere die materiell-rechtlichen Fahrgastrechteverordnungen, Bedeutung erlangen (§ 5 – B.II.). Dagegen kann ein systematischer Interpretationszusammenhang zwischen den materiell-rechtlichen Transportrechtskonventionen der Mitgliedstaaten und Art. 5 Rom I-VO nicht angenommen werden (§ 5 – B.III.). 9. Internationale Beförderungsverträge kennzeichnet in international-privatrechtlicher Hinsicht die Besonderheit, dass bei diesen bereits die geschuldete Leistung selbst einen internationalen Bezug aufweist und solche Verträge deshalb in der Regel keinen räumlichen Bezug zum gewöhnlichen Aufenthalt des charakteristisch leistenden Beförderer haben (§ 6 – A.II.2.). 10. Ein Güterbeförderungsvertrag im Sinne der Rom I-Verordnung liegt vor, wenn der Hauptgegenstand eines Vertrages die Güterbeförderung ist. Diesbezüglich sind der Vertragszweck und mithin die Gesamtheit der Verpflichtungen der Partei, die die charakteristische Leistung erbringt, zu berücksichtigen. Weist ein Vertrag mehrere Gegenstände auf, ist eine Schwerpunktsuche vorzunehmen und durch Abwägung festzustellen, ob die Güterbeförderung den Hauptgegenstand des Vertrages bildet (§ 6 – B.I.2.). Der Vertrag muss dabei die konkrete Pflicht, Güter von einem Ort zu einem anderen zu verbringen, enthalten (§ 6 – B.I.3.b)). In den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO fallen indes allein entgeltliche Verträge (§ 6 – B.I.3.d). 11. Objektbezogene Transportverträge, wie etwa unter §§ 407 ff. HGB fallende Frachtverträge, stellen Güterbeförderungsverträge im engeren kollisionsrechtlichen Sinne der Rom I-Verordnung dar. Sie bilden den Prototyp der von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO erfassten Verträge und sind maßgeblich der Ausgestaltung der supranationalen Verweisungsregeln zugrundegelegt. Daraus lässt sich ein konkretes Leitbild für die Qualifikation ableiten. Weist ein Vertrag im Vergleich dazu grundlegende konzeptionelle Unterschiede auf, namentlich weil er nicht hinlänglich geographisch determiniert ist oder mehrere voneinander unabhängige Beförderungen zum Gegenstand hat, ist er nicht als Güterbeförderungsvertrag im weiteren kollisionsrechtlichen Sinn anzusehen (§ 6 – B.II.).

418

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

12. Eine strukturelle Ähnlichkeit zu den Frachtverträgen können insbesondere Charterverträge aufweisen, wie Erwägungsgrund (22) S. 2 Alt. 1 Rom IVO deutlich macht. Das Merkmal der einzigen Reise ist indes kein zwingendes Anwendungskriterium für die Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge. Unter Umständen können daher auch Charterverträge über mehrere Reisen Verträge im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO darstellen (§ 6 – B.III.1.a)). Wenn der Hauptgegenstand von Zeitcharterverträgen – wie in der Regel – in der Gebrauchsüberlassung liegt oder ein solcher Vertrag in geographischer Hinsicht nicht hinlänglich bestimmt ist, ist eine Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO ausgeschlossen (§ 6 – B.III.1.b)). 13. Trotz Erwägungsgrund (22) S. 3 Rom I-VO sind Speditionsverträge nicht schlechthin als Güterbeförderungsverträge i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anzusehen. Stattdessen stellen reine Speditionsverträge, nach denen ausschließlich die Organisation einer Beförderung geschuldet wird, Dienstleistungsverträge im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO dar (§ 6 – B.III.3.c)). Weist ein Vertrag sowohl speditionelle als auch konkrete Beförderungspflichten auf, ist Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO einschlägig, wenn die Beförderungsverpflichtung den Schwerpunkt des Vertrages bildet. Ist nicht feststellbar, ob der Hauptgegenstand eines Vertrages in einer Beförderungs- oder Speditionsleistung besteht, ist im Zweifel Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO anzuwenden (§ 6 – B.III.3.d)). 14. Die konkrete Ausgestaltung der Anknüpfungsregeln für Güterbeförderungsverträge in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO stellt eine evolutionäre Weiterentwicklung des Systems von Art. 4 Abs. 4 EVÜ dar. Bezüglich der objektiven Primärregel in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO ist zu beachten, dass es bei Mehr-Personen-Verträgen für die Anknüpfungsmerkmale des Beförderers und des Absenders auf denjenigen ankommt, der am Vertragsschluss beteiligt war (§ 6 – E.I.1.a) bzw. § 6 – E.I.2.c)aa)). Hinsichtlich der kumulativen Anknüpfungsmomente Übernahme- und Ablieferungsort ist in Zweifelsfällen auf die vertraglichen, nicht auf die tatsächlichen Orte abzustellen (§ 6 – E.I.2.b)bb)). Für die Ausfüllung des Begriffs des Ablieferungsortes gemäß Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO kann die Rechtsprechung des EuGH zum „Lieferort“ im Sinne des Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO nicht herangezogen werden (§ 6 – E.I.2.b)dd)). 15. Die wichtigste mit der Europäisierung einhergehende Neuerung ist die Schaffung einer Sekundärregel für den Fall, dass die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO (früher Art. 4 Abs. 4 S. 2 EVÜ) geforderte Kumulation von Anknüpfungsmomenten im gewöhnlichen Befördereraufenthalt nicht gegeben ist. Bei der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO gewählten Anknüpfung an den vertraglichen Ablieferungsort handelt es sich um eine für die Parteien ange-

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

419

messene Lösung (§ 6 – E.II.). Weiterhin wurde die Schwelle für die Anwendung der Ausweichklausel des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO erhöht. Dass diese hohe Hürde des Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO je überschritten wird, ist jedoch unwahrscheinlich (§ 6 – E.III.). 16. Trotz des ausdifferenzierten Verweisungssystems des Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO treten bei bestimmten vertraglichen Konstellationen Schwierigkeiten bei der Anwendung der objektiven Anknüpfungsregeln auf. Sieht ein Güterbeförderungsvertrag eine mehrgliedrige Beförderung vor, muss es auf den ersten Übernahme- und den letzten Ablieferungsort ankommen (§ 6 – E.IV.1.). In Fällen, wo im Beförderungsvertrag (noch) kein Ablieferungsort vereinbart worden ist, sollte auf den tatsächlichen Ort abgestellt oder hilfsweise Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO analog angewendet werden (§ 6 – E.IV.2.). 17. Entgegen der Kollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge ist die supranationale Verweisungsnorm für die Personenbeförderung des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO vollkommen neuartig. Bei der Vorschrift handelt es sich nicht um eine Regelung des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes, sondern ihr liegt ein eigenständiger Normzweck zugrunde, nämlich der Schutz der zu befördernden Person (§ 7 – A.I.). Die spezielle Schutzbedürftigkeit der zu befördernden Person resultiert dabei aus ihrer faktischen Abhängigkeit während des Zeitraums der Beförderung, wo sie sich in die Obhut des Beförderers begibt und diesem in gewisser Weise ausgeliefert ist (§ 7 – A.I.3.d)). Weil Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO gemäß Erwägungsgrund (32) S. 1 eine Norm des kollisionsrechtlichen Schwächerenschutzes darstellt, muss sie im Zweifelsfall passagierfreundlich ausgelegt werden (§ 7 – A.II.). 18. Grundsätzlich liegt Art. 5 Rom I-VO ein einheitlicher Beförderungsvertragsbegriff zugrunde. Abweichungen zwischen Abs. 1 und Abs. 2 können sich jedoch aus dem speziellen Schutzzweck der Personenbeförderungsvertragskollisionsnorm ergeben (§ 7 – B.I.2.a)). Beispielsweise werden lediglich von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO unentgeltliche Beförderungen erfasst (§ 7 – B.I.2.e)). Ist bei einem Vertrag fraglich, ob die Personenbeförderung den Schwerpunkt bildet (z. B. bei gemischten Personen-/Güterbeförderungsverträgen), ist im Rahmen der Abwägung im Zweifel nach Art. 5 Abs. 2 Rom IVO anzuknüpfen (§ 7 – B.I.2.d)). 19. Was den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO angeht, können auch Reiseverträge im Sinne von § 651a BGB prinzipiell Personenbeförderungsverträge darstellen, soweit ihr Schwerpunkt in der Beförderung liegt. Solche Verträge werden allerdings aufgrund von Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO prinzipiell von der Verbraucherkollisionsnorm des Art. 6 Rom I-VO abgedeckt. Gleichwohl kann Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO dies-

420

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

bezüglich ergänzend Anwendung finden (§ 7 – B.I.4.a)). Verträge, mittels derer ein Verkehrsmittel zum Zweck der Personenbeförderungen gechartert wird, fallen hingegen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO. Der Grundgedanke von Erwägungsgrund (22) S. 2 Rom I-VO ist nicht auf Personencharterverträge übertragbar (§ 7 – B.I.4.b)). 20. In der Rom I-Verordnung ist ein neuartiges objektives Anknüpfungssystem für Personenbeförderungsverträge geschaffen worden, welches die Systematik der Verweisungsnorm für Güterbeförderungsverträge mit Primär- und Sekundärregel aufgreift. Nach der Hauptregel des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO werden nunmehr Personenbeförderungsverträge primär an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der beförderten Person angeknüpft, sofern sich in diesem Staat zusätzlich entweder der Abgangs- oder der Bestimmungsort der Beförderung befindet (§ 7 – C.I.). Hinsichtlich der kumulativen Voraussetzung kommt es auf den vertraglichen Abgangs- und Bestimmungsort an, wobei transportbedingte Zwischenhalte nicht berücksichtigt werden (§ 7 – C.I.2.). Sind die Voraussetzungen der Primärregel nicht gegeben, ordnet die Sekundärregel des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO die Maßgeblichkeit des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers an, wobei wiederum der vertragliche, nicht ein etwaiger ausführender Beförderer maßgeblich ist (§ 7 – C.II.1.). 21. Bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO treten Probleme auf, wenn die zu befördernde Person nicht mit demjenigen identisch ist, der den Beförderungsvertrag geschlossen hat: Fallen der Vertragspartner des Beförderers und die tatsächlich beförderte Person auseinander, ist im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den eigentlichen Passagier abzustellen. Dadurch wird der Schutzgedanke der Personenbeförderungsvertragskollisionsnorm adäquat verwirklicht und auch der Vorhersehbarkeit der Anknüpfung für die Parteien ausreichend Rechnung getragen (§ 7 – C.I.1.a)bb)). Im Falle eines einheitlichen Gruppenbeförderungsvertrages sollte es im Rahmen der objektiven Anknüpfung nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO auf den gewöhnlichen Aufenthalt der die Buchung tätigenden Person ankommen (§ 7 – C.I.1.a)cc)). 22. Durch den an den gewöhnlichen Passagieraufenthalt anknüpfenden Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Rom I-VO werden die Beförderer nicht entscheidend benachteiligt, denn bei dem infolge dieser Vorschrift anwendbaren Recht kann es sich stets nur um das Recht des Abgangs- oder das Recht des Bestimmungsortes handeln. Ein Beförderer muss daher in international-privatrechtlicher Hinsicht ausschließlich mit der Anwendung derjenigen Rechtsordnungen rechnen, in denen er das von ihm gesteuerte Verkehrsmittel halten und Passagiere zu- und aussteigen lässt (§ 7 – C.I.3.).

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

421

23. Die Sekundärregel des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO kommt nur für solche Beförderungen zum Tragen, die ein „aktiver“ Passagier außerhalb seines Aufenthaltsstaats vornimmt. Dies ist denkbar, wenn er sich von einem ausländischen Staat zu einem anderen bewegt. Das Hauptanwendungsfeld der Sekundärregel bildet jedoch der Fall, dass sich ein Tourist innerhalb des von ihm besuchten Ziellandes befördern lässt. In dieser Konstellation wird indes meistens keine vorrangige Rechtswahl vorliegen, da die allgemeinen Beförderungsbedingungen der regionalen Bahn- und Nahverkehrsunternehmen keine Rechtswahlklausel enthalten. Die praktische Bedeutung von Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom I-VO ist somit erheblich (§ 7 – C.II.3.). 24. Im Rahmen der objektiven Primäranknüpfung von Personenbeförderungsverträgen ist eine Anwendung von Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO im Grunde ausgeschlossen. Dagegen besteht bei nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Rom IVO objektiv anzuknüpfenden Verträgen Raum für die Anwendung der Ausweichklausel (§ 7 – C.III.). 25. Bezüglich der subjektiven Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen statuiert Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO eine Rechtswahlbeschränkung. Bei den gemäß lit. a bis lit. e aufgeführten Rechtsordnungen handelt es sich um eine abschließende Aufzählung. Gemein haben die danach für die Parteien ausschließlich wählbaren Alternativen, dass sie entweder objektive Verbindungen zu dem Vertrag oder zu den Parteien aufweisen (§ 7 – D.II.). Eine Rechtswahlvereinbarung der Parteien, die Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO zuwider läuft, ist unwirksam; umgekehrt ist die Wahl einer der in lit. a bis lit. e genannten Rechtsordnungen nicht mehr angreifbar, auch nicht im Wege einer AGB-Inhaltskontrolle (§ 7 – D.III.). 26. Der Schutz des Passagiers im Rahmen der objektiven Anknüpfung ist qualitativ mit dem kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz vergleichbar (§ 7 – E.I.). Insgesamt ist das kollisionsrechtliche Schutzniveau des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO jedoch als gering einzustufen, da die Privilegierung des Passagiers im Zuge der objektiven Anknüpfung durch die Regelung der vorrangigen Rechtswahl in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO ausgehebelt wird. In Anbetracht des Umstands, dass es danach dem Beförderer möglich ist, sein Heimatrecht vertraglich durchzusetzen, gewährleistet Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO keinen effektiven international-privatrechtlichen Schutz der zu befördernden Person. Eine solche Funktion kommt der Auswahlbeschränkung lediglich dahingehend zu, dass sie die Wahl einer überraschenden Rechtsordnung ausschließt, indem sie einen Mindestbezug zwischen dem gewählten anwendbaren Recht und dem Vertrag sicherstellt (§ 7 – E.II.). Im Ergebnis folgt Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO damit dem Regelungsmodell des US-

422

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

amerikanischen internationalen Verbraucherschutzrechts nach Art. 1-301 (e) (1) Uniform Commercial Code (§ 7 – E.III.). 27. Art. 5 Rom I-VO geht den allgemeinen Verweisungsvorschriften der Rom I-Verordnung als lex specialis vor (§ 8 – A.). Von den grundsätzlich auch im Rahmen der Verweisungsnorm für Beförderungsverträge anwendbaren allgemeinen Regeln über die Rechtswahl erlangt indes die Vorschrift des Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO in Bezug auf Art. 5 Rom I-VO keine Bedeutung (§ 6 – D. und § 7 – D.I.). Auch gegenüber Art. 6 Rom I-VO ist die Beförderungsvertragskollisionsnorm vorrangig, da gemäß Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO Beförderungsverträge von der Verbraucherkollisionsnorm ausgenommen werden (§ 8 – B.I.). Dies gilt allerdings nicht für Pauschalreiseverträge. Soweit ein eine Beförderung mitumfassender Pauschalreisevertrag den weiteren tatbestandlichen Anforderung von Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom I-VO nicht genügt, sodass die Verbraucherkollisionsnorm nicht einschlägig ist, ist eine Anwendung von Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO prinzipiell möglich. Eine Sperrwirkung von Art. 6 gegenüber Art. 5 Rom I-VO besteht nicht (§ 8 – B.II.3.). 28. Durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO wird der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz zwar nicht eins zu eins auf das Gebiet der Personenbeförderung ausgeweitet. Gleichwohl wird im Ergebnis das Regime des Art. 6 Rom I-VO durch die Kollisionsnorm für Personenbeförderungsverträge ergänzt. 29. Das durch Art. 5 Rom I-VO bestimmte Beförderungsstatut kann gemäß Art. 9 Rom I-VO von Eingriffsnormen durchbrochen werden. Das zwingende Transportrecht der europäischen Fahrgastrechteverordnungen sowie der geltenden Transportrechtskonventionen stellt allerdings kein Eingriffsrecht im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO dar (§ 8 – D.III.1.). Das deutschte Transportrecht weist in den §§ 449 Abs. 3, 451h Abs. 3 und 466 Abs. 4 HGB Eingriffsnormen auf (§ 8 – D.III.2.a)). Den multimodalvertraglichen Vorschriften der §§ 452a und 452d Abs. 3 HGB kommt hingegen kein eingriffsrechtlicher Charakter zu (§ 8 – D.III.2.b)). Auch Art. 6 EGHGB ist nicht als zwingende Vorschrift im Sinne von Art. 9 Rom I-VO anzusehen (§ 8 – D.III.2.c)). C. Drittes Kapitel: Das praktische Anwendungsfeld von Art. 5 Rom I-VO 30. Im Hinblick auf das vorrangige Einheitsrecht lassen sich im Wesentlichen drei Anwendungskonstellationen für Art. 5 Rom I-VO ausmachen: So besteht Raum für das supranationale Kollisionsrecht immer dann, wenn: 1. der etwaige Einheitsrechtsakt im mitgliedstaatlichen Forum formell (noch) nicht wirksam ist (§ 9 – A.), 2. das materielle Einheitsrecht im konkreten Fall nicht einschlägig ist (§ 9 – B.), oder 3. zwar anwendbar, aber inhaltlich lückenhaft ist (§ 9 – C.III.). Dabei hat Art. 5 Rom I-VO einen besonderes gro-

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

423

ßen Anwendungsspielraum überall dort, wo die Verweisungsnorm einen strukturellen Unterschied zu dem vorrangigen einheitsrechtlichen Sachrecht aufweisen kann. 31. Die Bedeutung der ersten Konstellation ist tendenziell abnehmend, da sich der Geltungsbereich des supranationalen Kollisionsrechts mit dem supranationalen und staatsvertraglichen Einheitsrecht zunehmend deckt (§ 9 – A.III. und § 12 – A.). 32. Bezüglich des jeweiligen Anwendungsbereiches ist das supranationale Beförderungsvertragskollisionsrecht prinzipiell universeller ausgestaltet als das materielle Einheitsrecht (§ 12 – B.). Dies gilt vor allem hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereiches, da Art. 5 Rom I-VO nicht nur jegliche grenzüberschreitende, sondern auch jegliche interne Beförderungen mit internationalem Bezug erfasst (§ 10 – A.III.). Allerdings ist auf dem Gebiet der Personenbeförderung die Tendenz festzustellen, dass der räumliche Anwendungsbereich des staatsvertraglichen Einheitsrechts im Zuge der Inkorporation in das Unionsrecht ausgeweitet wird (§ 10 – A.II.). Im Übrigen ist auch der sachliche Anwendungsbereich des Transportvertrags-IPR tendenziell weiter gefasst als jener des materiellen Einheitsrechts. Insbesondere erfasst Art. 5 Rom I-VO jegliche Formen multimodaler Verträge (§ 10 – C. und D.). 33. Ein Großteil der praktischen Bedeutung von Art. 5 Rom I-VO resultiert daraus, dass das von der Verweisungsnorm berufene Beförderungsvertragsstatut materiell-rechtliche Fragestellungen umfassend abdeckt, wohingegen das internationale Sachrecht transportvertragliche Materien nur fragmentarisch regelt (§ 12 – C.). Der Universalität des Vertragsstatuts steht der Pointillismus der Sachrechtsvereinheitlichung gegenüber (§ 11 – A.). Das internationale Einheitsrecht behandelt vorrangig die Haftungsebene, insbesondere Haftungs-, Haftungsausschlussgründe oder die Reichweite der Haftung des Beförderers (§ 11 – B.). Dagegen ist das über Art. 5 Rom I-VO bestimmte Beförderungsvertragsstatut für alle Fragen aus dem Beförderungsvertragsverhältnis maßgeblich, namentlich für allgemeine zivil- oder schuldrechtliche Fragen, Ansprüche des Beförderers, aber auch für gewisse Ansprüche gegen den Beförderer (§ 11 – C.). 34. Für die Ausfüllung inhaltlicher Lücken der gängigen Transportrechtskonventionen und des supranationalen Personenbeförderungsrechts ist allgemein Art. 5 Rom I-VO verantwortlich. Auch soweit das transnationale Einheitsrecht Ansprüche gegen einen ausführenden Beförderer statuiert, mit dem der Passagier den Beförderungsvertrag nicht geschlossen hat, hat die Bestimmung der ergänzend anwendbaren nationalen Rechtsordnung durch das transportvertragliche Kollisionsrecht der Rom I-Verordnung und nicht durch

424

4. Kapitel: Ausblick, Bewertung und Zusammenfassung

das IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse der Rom II-Verordnung zu erfolgen (§ 9 – C.III.4.). 35. Alles in allem ist die praktische Bedeutung der besonderen Kollisionsnorm für Beförderungsverträge des Art. 5 Rom I-VO für die Rechtsanwendungspraxis erheblich. Sie erfüllt im Zusammenspiel mit dem bestehenden und zukünftigen materiellen Einheitsrecht eine wichtige Ergänzungsfunktion (§ 12 – D.). D. Viertes Kapitel: Ausblick und Bewertung 36. Um den Rechtsquellenpluralismus im internationalen Transportvertragsrecht grundlegend zu lösen, wäre eine Bündelung der Rechtssetzungskompetenzen bezüglich internationaler vertraglicher Sachverhalte, am besten bei der EU, nötig. Erst wenn das entsprechende Kollisions- und Sachrecht in der Hand eines zentralen Gesetzgebers liegt, könnten die verschiedenen Kollisions- und Sachrechtsakte in einer einheitlichen Kodifikation zusammengeführt werden. Für eine tatsächliche Bereinigung der im Bereich des internationalen Transportrechts bestehenden vertikalen Normenkonflikte müssten zudem die Mitgliedstaaten ihre völkerrechtlichen Altverträge kündigen (§ 13). 37. Mit Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO wurde das Verweisungsrecht für Güterbeförderungsverträge in gelungener Weise weiterentwickelt (§ 14 – A.). Zwar liegen die diesbezüglich durch die Rom I-Verordnung im Vergleich zu Art. 4 Abs. 4 EVÜ vorgenommenen Änderungen eher im Detail (§ 6 – F.). Durch die Schaffung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO wurde jedoch eine entscheidende Rechtsunsicherheit in der Regelung des EVÜ ausgeräumt. Auch die Existenz einer Sonderkollisionsnorm für Güterbeförderungsverträge ist gerechtfertigt. 38. Dass bezüglich der kollisionsrechtlichen Behandlung von Personenbeförderungsverträgen eine Sonderregel geschaffen und die Verbraucherschutzkollisionsnorm des Art. 6 Rom I-VO nicht ausgeweitet wurde, ist an sich gerechtfertigt, sofern die Vorschrift ein angemessenes Schutzniveau für Passagiere auch tatsächlich etabliert (§ 14 – B.I.). 39. Hinsichtlich der objektiven Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen ist die Verweisungsnorm des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I-VO prinzipiell begrüßenswert. Durch die Vorschrift wird sowohl den Interessen des Passagiers als auch denen des Beförderers in angemessener Weise Rechnung getragen. Letztlich wird dadurch im Vergleich zur unter dem EVÜ herrschenden Rechtslage der kollisionsrechtliche Passagierschutz verbessert (§ 14 – B.II.).

§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

425

40. Der Normzweck des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO wird jedoch aufgrund der konkreten Ausgestaltung der subjektiven Anknüpfung für Personenbeförderungsverträge verfehlt. Wegen der Vorrangigkeit der subjektiven Anknüpfungsregel wird auf Personenbeförderungsverträge in der Regel im Ergebnis das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers Anwendung finden. In der Gesamtschau besteht innerhalb der Kollisionsnorm für die Personenbeförderung deshalb ein erhebliches Ungleichgewicht zugunsten der Beförderer. Ein angemessener Ausgleich der Passagier- und Befördererinteressen wird durch Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO somit nicht vorgenommen (§ 14 – B.III.). 41. Eine vorzugswürdige Lösung für die unbefriedigende subjektive Anknüpfung von Personenbeförderungsverträgen wäre, die in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO gewährte Auswahlmöglichkeit durch Streichung von lit. b und lit. c noch stärker zu limitieren. Eine auf das Recht am Abgangs-, am Bestimmungsort oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Passagiers beschränkte Rechtswahl würde den Passagier ausreichend Schutz gewähren und den Beförderer nicht unangemessen belasten (§ 14 – B.IV.).

Literaturverzeichnis Alle in dieser Arbeit verwendeten Internetadressen wurden, soweit nicht anders vermerkt, zuletzt am 26.6.2015 abgerufen. Ancel, Marie-Elodie: The Rome I Regulation and Distribution Contracts, in: YPIL X (2008), S. 221–231. Antomo, Jennifer: Anmerkung zu EuGH, 19.12.2013 – Rs. C-452/12, EuZW 222–223. Arnold, Christian: Anmerkung zu EuGH, 15.3.2011 – Rs. C-29/10, ArbR 2011, 192. Athanassopoulou, Victoria: Schiffsunternehmen und Schiffsüberlassungsverträge, Tübingen 2005. d’Avout, Louis: Le nouveau droit des contrats internationaux: le règlement (CE) n° 593/2008 sur la loi applicable aux obligations contractuelles – Art. 5 (Contrats de transport), RLDA 2008, 69–71. –/Perreau-Saussine, Louis: Droit international des contrats: la CJCE n’auriat-elle pas déjà un train de retard ?, JCP 50/2009, 36–39. Azzi, Tristan: La loi applicable à défaut de choix selon les articles 4 et 5 du règlement Rome I, D. 2008, 2169–2174. Baatz, Yvonne (Hrsg.): The Rotterdam Rules, London 2009. Baddack, Frank: Allgemeine Grundsätze im internationalen Einheitstransportrecht, Frankfurt am Main 2008; zitiert: Baddack, S. Baetge, Dietmar: Auf dem Weg zu einem gemeinsamen europäischen Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts. Ein Beitrag zur Europäisierung des Internationalen Privatund Verfahrensrechts, in: FS Kropholler, 2008, S. 77–88. Bahnsen, Kay Uwe: Art. 2 CMR und die UND ADRIYATIK, TranspR 2012, 400–407. –: Das internationale Bergungsrecht, TranspR 2010, 317–321. Bamberger, Heinz-Georg/Roth, Herbert (Hrsg.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 3, 3. Aufl., München 2012; zitiert: Bearbeiter, in: Bamberger/Roth, Art. Rn. –/– (Hrsg.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 3, 2. Aufl., München 2008; zitiert: Bearbeiter, in: Bamberger/Roth, 2. Aufl. 2008, Art. Rn. v. Bar, Christian: Wertpapiere im deutschen Internationalen Privatrecht, in: FS Werner Lorenz, 1991, S. 273–296. –/Mankowski, Peter: Internationales Privatrecht, Bd. I, Allgemeine Lehren, 2. Aufl., München 2003; zitiert: v. Bar/Mankowski, § Rn. Bariatti, Stefania: Les limites au choix de la loi applicable dans les contrats impliquant une partie faible, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, Paris 2011, S. 325–339. Basedow, Jürgen: Über Lücken in privatrechtlichen EU-Verordnungen, ZEuP 2014, 400– 409. –: 15 Years of European Private International Law – Achievments, Conceptualization and Outlook, in: Liber Amicorum Borrás, 2013, S. 175–183. –: Die private Haftung aus Seedelikten zwischen Völkerrecht und internationalem Privatrecht, in: Liber Amicorum Wolfrum, 2012, S. 1869–1895.

428

Literaturverzeichnis

–: Fakultatives Unionsprivatrecht oder: Grundlagen des 28. Modells, in: FS Säcker, 2011, S. 29–44. –: Theorie der Rechtswahl oder Parteiautonomie als Grundlage des Internationalen Privatrechts, RabelsZ 75 (2011), 32–59. –: Der Europäische Gerichtshof und das Privatrecht, AcP 210 (2010), 158–195. –: Rome II at Sea – General Aspects of Maritime Torts, RabelsZ 74 (2010), 118–138. –: The Communitarisation of Private International Law, RabelsZ 73 (2009), 455–460. –: Die Verselbständigung des europäischen ordre public, in: FS Sonnenberger, 2004, S. 291–319. –: Grundlagen des europäischen Privatrechts, JuS 2004, 89–96. –: Grundlagen der Privatrechtsharmonisierung, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, Baden-Baden 2004, S. 101– 122. –: Internationales Verbrauchervertragsrecht – Erfahrungen, Prinzipien und Europäische Reform, in: FS Jayme, Bd. I, 2004, S. 3–24. –: Die Europäische Gemeinschaft als Partei von Übereinkommen des einheitlichen Privatrechts, in: FS Schlechtriem, 2003, S. 165–187. –: The Communitarisation of the Conflict of Laws under the Treaty of Amsterdam, CMLR 2000, 687–708. –: Uniform law conventions and the UNIDROIT principles of international commercial contracts, Uniform Law Review 2000, 129–139. –: Internationale multimodale Gütertransporte. Rechtsvergleichung, Einheitsrecht, Kollisionsrecht, in: FS Herber, 1999, 15–44. –: Europäische Seeverkehrspolitik, Dienstleistungsfreiheit und Seekabotage, TranspR 1994, 85–91. –: Seefrachtrecht: Die Hamburger Regeln sind in Kraft, ZEuP 1993, 100–119. –: Zulässigkeit und Vertragsstatut der Kabotagetransporte, ZHR 156 (1992), 413–442. –: Der Transportvertrag, Tübingen 1987; zitiert: Basedow, S. –: Kollisionsrechtliche Aspekte der Seerechtsreform von 1986, IPRax 1987, 333–341. –/Hopt, Klaus J./Zimmermann, Reinhard (Hrsg.): Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Tübingen 2009; zitiert: Bearbeiter, in: Hdwb. EuPR, Stichwort, S. Beale, Hugh (Hrsg.): Chitty on Contracts, Volume I, General Principles, 31. Aufl., London 2012. Bĕlohlávek, Alexander: Rome Convention, Rome I Regulation, Bd. 1, Huntington 2010. Berg, Daniel F.: Anmerkung zu EuGH, 7.12.2010 – verb. Rs. C-585/08, C-144/09, RIW 2011, 248–250. Bernitt, Carmen Christina: Die Anknüpfung von Vorfragen im Europäischen Kollisionsrecht, Tübingen 2010. Biagioni, Giacomo: Regolamento CE n. 593 del Parlamento europeo e del Consiglio del 17 giugno 2008 sulla legge applicabile alle obbligazioni contrattuali („Roma I“) – Art. 5 (Contratti di trasporto), NLCC 2009, 717–726. Bischoff, Jan Asmus: Die Europäische Gemeinschaft und die Konventionen des einheitlichen Privatrechts, Tübingen 2010; zitiert: Bischoff, S. –: Notwendige Flexibilisierung oder Ausverkauf von Kompetenzen? – Zur Rückübertragung von Außenkompetenzen der EG für privatrechtliche Abkommen durch die Verordnungen (EG) Nr. 662/2009 und Nr. 664/2009, ZEuP 2010, 321–337. –: Besprechung des Gutachtens 1/03 des EuGH vom 7.2.2006, EuZW 2006, 295–301. Bitter, Anna-Kristina: Auslegungszusammenhang zwischen der Brüssel I-Verordnung und der künftigen Rom I-Verordnung, IPRax 2008, 96–101.

Literaturverzeichnis

429

Boettge, Jochen: Das Luftfrachtrecht nach dem Montrealer Übereinkommen, VersR 2005, 908–917. Bollweg, Hans-Georg: Die Kundenrechte des Flug-, Bahn- und Busverkehrs im Vergleich, RRa 2010, 106–116. –: Luftverkehrsrechtliche Ausgleichsleistungen und reisevertragliche Gewährleistung, RRa 2009, 10–17. Bonomi, Andrea: Le régime des règles impératives et des lois de police dans le Règlement „Rome I” sur la loi applicable aux contrats, in: Cashin Ritaine/Bonomi (Hrsg.), Le nouveau règlement européen „Rome I” relatif à la loi applicable aux obligations contractuelles, Genf et al. 2008, S. 217–237. –: Overriding Mandatory Provisions in the Rome I Regulation on the Law Applicable to Contracts, in: YPIL X (2008), S. 285–300. –: Rome I Regulation on the Law Applicable to Contractual Obligations, in: YPIL X (2008), S. 165–176. Boskovic, Olivera: La protection de la partie faible dans le règlement Rome I, D. 2008, 2175–2179. Böttger, Frank: Verbraucherversicherungsverträge – Vergleich der beiden Anknüpfungsregime nach Art. 6 und Art. 7 Rom-I-Verordnung und Vorschlag für eine zukünftige einheitliche Anknüpfung, VersR 2012, 156–164. Bracker, Jacobus: Aktuelle Entwicklungen im Recht des internationalen Straßengütertransports, TranspR 1999, 7–16. Brandenberg, Alexandra: Entwicklungen in der Eisenbahnregulierung aus europäischer Sicht, EuZW 2009, 359–363. Brandt, Eberhard: Kabotage im europäischen Straßengüterverkehr, TranspR 2011, 1–9. Brecke, Katja Helen: Der Begriff des "Fluggastes" im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, ZLW 2012, 358–364. Brière, Carine: Le droit international privé européen des contrats et la coordination des sources, Clunet 136 (2009), 791–807. Brödermann, Eckart: Paradigmenwechsel im Internationalen Privatrecht, NJW 2010, 807– 813. –/Iversen, Holger: Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, Tübingen 1994; zitiert: Brödermann, in: Brödermann/Iversen, Rn. –/Rosengarten, Joachim: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht (IPR/IZVR), 7. Aufl. 2015. Bugden, Paul/Lamont-Black, Simone: Goods in Transit, 3. Aufl., London 2013. Burmeister, Corinna: Der Wettbewerb der Eisenbahnen im europäischen Binnenmarkt, Baden-Baden 2001. Bydlinsky, Peter: Multimodaltransport, bekannter Schadensort und § 452 d Abs. 3 HGB, TranspR 2009, 389–393. v. Caemmerer, Ernst: Rechtsvereinheitlichung und internationales Privatrecht, in: FS Hallstein, 1966, S. 63–95. Calliess, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.): EUV/AEUV, 4. Aufl., München 2011; zitiert: Calliess/Bearbeiter, Art. Rn. –/–: Verfassung der Europäischen Union, München, Wien 2006. Calliess, Gralf-Peter (Hrsg.): Rome Regulations, 2. Aufl., Alphen aan den Rijn 2015; zitiert: Calliess/Bearbeiter, Art. Rn. –: Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, Tübingen 2006.

430

Literaturverzeichnis

Cheng, Bin: The 1999 Montreal Convention on International Carriage by Air Concluded on the Seventieth Anniversary of the Warsaw Convention (Part I), ZLW 2000, 287– 307. Cheshire, Geoffrey/Fawcett, James/Carruthers, Janeen: Private International Law, 14. Aufl., Oxford 2008. Claringbould, Maarten: Artikel 5 Rome I en vervoerovereenkomsten, NIPR 2009, 426– 436. Clarke, Malcolm: International carriage of goods by road, 6. Aufl., London et al. 2014. –: Carriers’ Liability in Cross-Border Air Cargo Substitute Transportation, TranspR 2005, 182–185. Clausnitzer, Jochen: Anmerkung zu EuGH, 7.12.2010 – verb. Rs. C-585/08, C-144/09, EuZW 2011, 104–105. –/Woopen, Herbert: Internationale Vertragsgestaltung – Die neue EG-Verordnung für grenzüberschreitende Verträge (Rom I-VO), BB 2008, 1798–1807. Clavel, Sandrine: Droit international privé, 2. Aufl., Paris 2010. Corneloup, Sabine: Rechtsermittlung im Internationalen Privatrecht der EU: Überlegungen aus Frankreich, RabelsZ 78 (2014), 844–862. –: La loi applicable aux obligations contractuelles, J.C.P. 44/2008, 21–26. Crawford, Elizabeth/Caruthers, Janeen: International Private Law, 3. Aufl., Edinburgh 2010. Cremona, Marise: The Draft Constitutional Treaty: External relations and external action, CMLR 2003, 1347–1366. Czepelak, Marcin: Concurrent Causes of Action in the Rome I and II Regulations, JPIL 2011, 393–410. –: The Law Applicable to the Contract of Carriage under the Rom I Regulation, in: CYIL I (2010), S. 47–68. –: Would We Like to Have a European Code of Private International Law?, ERPL 2010, 705–728. Czernich, Dietmar: Die Rechtswahl im österreichischen internationalen Vertragsrecht, ZfRV 2013, 157–172. –/Heiss, Helmut (Hrsg.): EVÜ Das europäische Schuldvertragsübereinkommen, Wien 1999; zitiert: Bearbeiter, in: Czernich/Heiss, Art. Rn. Czerwenka, Beate: Haftung für Personen- und Gepäckschäden bei Schiffsreisen, DAR 2014, 242–248. –: Die Anwendung des § 437 HGB bei grenzüberschreitenden Transporten, TranspR 2012, 408–413. –: Der Referentenentwurf zur Reform des Seehandelsrechts, TranspR 2011, 249–262. –: Globale Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt – Empfiehlt sich eine Revision der CLNI?, TranspR 2005, 133–138. –: Das Protokoll von 2002 zum Athener Übereinkommen von 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See, RRa 2003, 158–161. –: Das Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschiffahrt (CMNI), TranspR 2001, 277–284. –: Rechtsanwendungsprobleme im internationalen Kaufrecht, Berlin 1988; zitiert: Czerwenka, S. Dahm, Georg/Delbrück, Jost/Wolfrum, Rüdiger: Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl., Berlin 1989; Bd. I/2, 2. Aufl.; Berlin 2002; Bd. I/3, 2. Aufl., Berlin 2002; zitiert: Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Bd., S.

Literaturverzeichnis

431

Damar, Duygu: Die „Costa Concordia“ ist auf den Felsen aufgelaufen – auch das Recht auf Haftungsbeschränkung?, VuR 2012, 287–294. Dauses, Manfred A. (Hrsg.): Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 35. EL, München 2014; zitiert: Bearbeiter, in: Dauses, Kap. Rn. Delebecque, Philippe: Anmerkung zu EuGH, 23.10.2014 – Rs. C-305/13, RD transp. 4/2014, 33–34. –: Anmerkung zu EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08, RTDcom. 2010, 455–456. –: Le règlement Rome I sur la loi applicable aux obligations contractuelles: quelles incidences sur les contrats maritimes?, in: Scritti in onore di Francesco Berlingieri, Bd. 1, 2010, S. 431–441. –/Germain, Michel: Traité de droit commercial, Tome 2, Effets de commerce, banque, contrats commerciaux, procédures collectives, 17. Aufl., Paris 2004. –/Lévy, Jean Arié: Quelle est la loi applicable à la commission de transport?, D. 2015, 136–139. Dempsey, Stephen/Johansson, Svante O.: Montreal v. Brussels: The Conflict of Laws on the Issue of Delay in International Air Carriage, ASL 2010, 207–224. Deumier, Pascale/Racine, Jean-Baptiste: Règlement Rome I : le mariage entre la logique communautaire et la logique conflictuelle, RDC 2008, 1309–1347. Dicey, Albert Venn/Morris, John/Collins, Lawrence: Dicey, Morris and Collins on the conflict of laws, Bd. 2, 15. Aufl., London 2012; zitiert: Dicey/Morris/Collins, Rn. Dohrn, Heike: Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft im Internationalen Privatrecht, Tübingen 2004. Dörfelt, Felix: Das internationale Privatrecht und internationale Zivilverfahrensrecht der beschränkten Haftung auf See, VersR 2010, 1547–1554. Drews, Kai Holger: Der multimodale Transport – eine Bestandsaufnahme, TranspR 2010, 327–337. –: Zum anwendbaren Recht beim multimodalen Transport, TranspR 2003, 12–19. Drobnig, Ulrich: Anwendungsnormen in Übereinkommen zur Vereinheitlichung des Privatrechts, in: FS v. Overbeck, 1990, S. 15–30. Dutta, Anatol: Europäische Integration und nationales Privatrecht nach dem Vertrag von Lissabon: die Rolle des Internationalen Privatrechts, EuZW 2010, 530–534. –: Kollidierende Rechtswahlklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, ZVglRWiss 104 (2005), 461–478. Ebenroth, Carsten Thomas/Boujong, Karlheinz/Joost, Detlev/Strohn, Lutz (Hrsg.): Handelsgesetzbuch, Bd. 2, 2. Aufl., München 2009; zitiert: E/J/B/S/Bearbeiter, § Rn. Egler, Philipp: Seeprivatrechtliche Streitigkeiten unter der EuGVVO, Berlin et al. 2011. Ehlers, Henning: Transportversicherung – Güterversicherung – Versicherung politischer Gefahren, TranspR 2006, 7–15. Eickelberg, Jan Martin: Lückenfüllung im Einheitstransportrecht in Deutschland, England und den USA, Heidelberg 2004. Eidenmüller, Horst/Jansen, Nils/Kieninger, Eva-Maria/Wagner, Gerhard/Zimmermann, Reinhard: Der Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, JZ 2012, 269–289. Engisch, Karl: Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl., Stuttgart et al. 1983. Epiney, Astrid: Zu den Implikationen der EU-Mitgliedschaft für die Stellung und Anwendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Bereich, in: Liber Amicorum Wolfrum, 2012, S. 1909–1934. –: Zur Stellung des Völkerrechts in der EU, EuZW 1999, 5–11.

432

Literaturverzeichnis

Ernst, Stefan: Transparenz bei Flugpreisen nach der EU-Verordnung Nr.1008/2008, GPR 2009, 18–19. Fäßler, Peter E.: Globalisierung, Stuttgart 2007. Favre, John: Was ist ein Unfall im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb im Sinne des Zusatzübereinkommens zur CIV?, IZ 1971, 204–216. Ferrari, Franco (Hrsg.): Rome I Regulation, München 2015. –: PIL and CISG: Friends or Foes?, IHR 2012, 89–113. –: From Rome to Rome via Brussels: Remarks on the Law Applicable to Contractual Obligations Absent a Choice by the Parties (Art. 4 of the Rome I Regulation), RabelsZ 73 (2009), 750–769. –/Kieninger, Eva-Maria/Mankowski, Peter/Otte, Karsten/Saenger, Ingo/Schulze, Götz/ Staudinger/Ansgar: Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl., München 2012; zitiert: Ferrari/Bearbeiter, Art. Rn. Filthaut, Werner: Die neuere Rechtsprechung zur Bahnhaftung, NZV 2011, 217–223. –: Neues Haftungsrecht für Unfälle von Eisenbahnfahrgästen, NZV 2009, 417–425. Fischer, Franz: Ist der Speditionsvertrag ein Güterbeförderungsvertrag im Sinne des Art. 4 Abs. 4 EVÜ/Art. 28 Abs. 4 EGBGB?, TranspR 2007, 145–160. –: Die CMR auf dem Vormarsch in Europa, TranspR 1994, 365–375. Fornasier, Matteo: „28.“ versus „2. Regime“ – Kollisionsrechtliche Aspekte eines optionalen europäischen Vertragsrechts, RabelsZ 76 (2012), 401–442. Francq, Stéphanie: Le règlement „Rome I“ sur la loi applicable aux obligations contractuelles, Clunet 136 (2009), 41–69. –/Jault-Seseke, Fabienne: Les lois de police, une approche de droit comparé, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, Paris 2011, S. 357–393. Franzina, Pietro: Regolamento CE n. 593 del Parlamento europeo e del Consiglio del 17 giugno 2008 sulla legge applicabile alle obbligazioni contrattuali („Roma I“) – Art. 25 (Relazioni con convenzioni internazionali in vigore), Art. 26 (Elenco delle convenzioni), NLCC 2009, 935–946. Freise, Rainer: Grenzen der Fahrpreisentschädigung bei Zugverspätung, TranspR 2014, 135–140. –: Das Zusammentreffen von deutschem Multimodalrecht mit internationalem Einheitsrecht bei der Güterbeförderung, TranspR 2014, 1–9. –: Das internationale Eisenbahnfrachtrecht als Einheitsrecht für bestimmte Multimodalverkehre, TranspR 2013, 426–428. –: Das Transportrecht – Stand und Entwicklungslinien, RdTW 2013, 41–49. –: Unimodale transportrechtliche Übereinkommen und multimodale Beförderungen, TranspR 2012, 1–13. –: Versicherungen des gewerblichen Eisenbahnverkehrs, TranspR 2006, 45–49. –: Auswirkungen der Bahnreform auf das Eisenbahnbeförderungsrecht und die Beförderungsbedingungen der Eisenbahn, RRa 2003, 146–158. Freitag, Robert: Rom I, Rom II – tertium est datur im Kollisionsrecht der Schuldverhältnisse!, in: FS Spellenberg, 2010, S. 169–176. –: Die kollisionsrechtliche Behandlung ausländischer Eingriffsnormen nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, IPRax 2009, 109–116. Frenz, Walter: Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (JZZ), JR 2011, 277–283. –: Die europäische Verkehrspolitik nach dem AEUV, TranspR 2010, 419–426. Frey, Michael: Die Straßburger Tram kommt wieder nach Kehl, RdTW 2014, 92–99.

Literaturverzeichnis

433

Fricke, Martin: Der Abschnitt über Versicherungssachen (Art. 8–14) in der Revision der EuGVVO, VersR 2009, 429–436. Frigge, Bettina: Externe Lücken und Internationales Privatrecht nach dem UN-Kaufrecht (Art. 7 Abs. 2), Frankfurt am Main et al. 1994. Frommelt, Jürgen: Die Rechtsnatur der Zeitcharter, Frankfurt am Main 1979. Führich, Ernst: Reiserecht, 7. Aufl., München 2015; zitiert: Führich, § Rn. –: Die Fluggastrechte der VO (EG) Nr.261/2004 in der Praxis, Sonderbeilage MDR 7/2007, S. 1–14. Garcimartín Alférez, Francisco: Consumer Protection from a Conflict-of-Laws Perspective: The Rome I Regulation Approach, in: Liber Amicorum Borrás, 2013, S. 445–462. –: The Rome I Regulation: Much ado about nothing?, EuLF 2008, I-61 – I-79. Gebauer, Martin/Wiedmann, Thomas (Hrsg.): Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl., Stuttgart et al. 2010; zitiert: Bearbeiter, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. Rn. Geiger, Rudolf: Grundgesetz und Völkerrecht, 5. Aufl., München 2010. Geimer, Reinhold/Schütze, Rolf. A.: Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., München 2010. Giemulla, Elmar/Schmid, Ronald (Hrsg.): Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Bd. 3, Montrealer Übereinkommen, 37. EL, Neuwied 2012; zitiert: Giemulla/Schmid/ Bearbeiter, Art. Rn. –/–: Die Einbeziehung von Allgemeinen Beförderungsbedingungen in Luftbeförderungsverträge im Rahmen von Passagierflügen, NJW 1999, 1057–1063. Giuliano, Mario/Lagarde, Paul: Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BT-Drs. 10/503, S. 33–79; zitiert: Giuliano/Lagarde-Bericht, S. Gosda, Peter (Hrsg.): Polnische Verwaltungsgesetze und die Verfassung der Republik Polen, Köln et al. 2004. Gössl, Susanne: Preliminary Questions in EU Private International Law, JPIL 2012, 63–76. Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard/Nettesheim, Martin (Hrsg.): Das Recht der Europäischen Union, EUV/AEUV, 52. EL, München 2014; zitiert: Bearbeiter, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Art. Rn. Gran, Andreas: Die Beförderungsbedingungen im Luftfrachtverkehr, TranspR 1999, 173– 188. Grard, Loïc: La protection européenne des droits des passagers: au tour des bus et des cars, RD transp. 4/2011, 11–13. –: Anmerkung zu EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08, RD transp. 11/2009, 15–16. Grigoleit, Hans Christoph: Der Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht: Funktionsbedingungen, EU-Kompetenz und Perspektiven, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, München 2012, S. 67–85. –: Der Verbraucheracquis und die Entwicklung des Europäischen Privatrechts, AcP 210 (2010), 354–423. Gronemeyer, Nils: Die Entwicklung des EU-Kabotage-Rechts bis zur neuen KabotageVerordnung (EWG) Nr. 3118/93, TranspR 1994, 267–271. –: Die neue EU-Kabotage-Verordnung und ihre Auswirkungen auf das deutsche Güterkraftverkehrsrecht, EuZW 1994, 523–528. Gruber, Urs Peter: Methoden des internationalen Einheitsrechts, Tübingen 2004; zitiert: Gruber, S. Grundmann, Stefan: „Inter-Instrumental-Interpretation“, RabelsZ 75 (2011), 882–932.

434

Literaturverzeichnis

–: Verbraucherrecht, Unternehmensrecht, Privatrecht – warum sind sich UN-Kaufrecht und EU-Kaufrechts-Richtlinie so ähnlich?, AcP 202 (2002), 40–71. –/Riesenhuber, Karl: Auslegung von Gemeinschaftsrecht – besonders Schuldvertragsrecht, JuS 2001, 529–536. Gsell, Beate: Anmerkung zu EuGH, 25.2.2010 – Rs. C-381/08, ZEuP 2011, 675–683. Güllemann, Dirk: Internationales Vertragsrecht, München 2011. Günther, Lisa: Die Anwendbarkeit ausländischer Eingriffsnormen im Lichte der Rom Iund Rom II-Verordnungen, Saarbrücken 2011. Haak, Krijn: Haftung bei der Personenbeförderung, TranspR 2009, 162–169. –: Revision der CMR?, TranspR 2006, 325–336. –/Hoeks, Marian: Intermodal transport under unimodal arrangements, TranspR 2005, 89– 102. Haanappel, P. P. C.: The New EU Denied Boarding Compensation Regulation of 2004, ZLW 2005, 22–31. Haas, Ulrich/Vogel, Oliver: Zum Erfüllungsortsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO im europäischen Warenhandelsverkehr, NZG 2011, 766–771. Hacksteiner, Theresia K.: Implementation des Budapester Übereinkommens über den Vertrag für die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI), TranspR 2009, 145– 149. Hafner, Philipp: Entflechtung und Wettbewerb im Eisenbahnwesen, Hamburg 2011. Haftel, Bernard: Entre „Rome II“ et „Bruxelles I“: l'interprétation communautaire uniforme du règlement „Rome I“, Clunet 137 (2010), 761–788. Hähnchen, Susanne: Die Rechtsform des CFR und die Frage nach der Kompetenz, in: Schmidt-Kessel (Hrsg.), Der gemeinsame Referenzrahmen, München 2009, S. 147–172. Hall, Elizabeth/Howells, Geraint/Watson, Jonathon: The Consumer Rights Directive – An Assessment of its Contribution to the Development of European Consumer Contract Law, ERCL 2012, 139–166. Harris, Jonathan: Mandatory Rules and Public Policy under the Rome I Regulation, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, München 2009, S. 269–342. Hartenstein, Olaf: Rechtshängigkeit und Rechtskraft – Neues vom EuGH zur negativen Feststellungsklage im Anwendungsbereich der CMR, TranspR 2014, 61–65. –: Gerichtsstand und anwendbares Recht bei Direktansprüchen gegen Versicherer, TranspR 2013, 20–27. –: Haftungsfragen im Budapester Binnenschifffahrtsübereinkommen (CMNI), TranspR 2012, 441–447. –: Rom I-Entwurf und Rom II-Verordnung: Zur Bedeutung zukünftiger Änderungen im internationalen Privatrecht für das Seerecht, TranspR 2008, 143–161. –: Grenzüberschreitende Transporte in der Binnenschiffahrt, TranspR 2007, 385–393. –: Die Bestimmung des Teilstreckenrechts im Multimodaltransportvertrag, TranspR 2005, 9–17. –/Reuschle, Fabian (Hrsg.): Handbuch des Fachanwalts Transport- und Speditionsrecht, 3. Aufl., Köln 2015; zitiert: Hartenstein/Reuschle/Bearbeiter, Kap. Rn. Hasche, Christoph: Die Haftungsgrundlagen – insbesondere Haftung für das Verschulden Dritter, TranspR 2014, 349–352. –: Das IPR der Passagierbeförderung, TranspR 2010, 282–284. –: Grenzfragen zwischen See- und Reiserecht, Hamburg 1990. Hatje, Armin: Loyalität als Rechtsprinzip in der Europäischen Union, Baden-Baden 2001.

Literaturverzeichnis

435

–/Kindt, Anne: Der Vertrag von Lissabon – Europa endlich in guter Verfassung?, NJW 2008, 1761–1768. Hau, Wolfgang: Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Köln 2011. Hauser, Paul: Eingriffsnormen in der Rom I-Verordnung, Tübingen 2012. Hausmann, Ludwig: Europäische Fluggastrechte im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung und großer Verspätung von Flügen, Jena 2012; zitiert: Hausmann, S. Häußer, Markus: Das IPR des Stückgutfrachtvertrags, TranspR 2010, 246–258. Heiderhoff, Bettina: Europäisches Privatrecht, 3. Aufl., Heidelberg et al. 2012; zitiert: Heiderhoff, Rn. v. Hein, Jan: Der Renvoi im europäischen Kollisionsrecht, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, Jena 2013, S. 341–396. –: Einheitsrechtliche Anwendungsnormen und Internationales Vertragsrecht, in: FS Martiny, 2014, S. 365–390. Heinze, Christian: Surf global, sue local! Der europäische Klägergerichtsstand bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, EuZW 2011, 947–950. –: Bausteine eines Allgemeinen Teils des europäischen Internationalen Privatrechts, in: FS Kropholler, 2008, S. 105–127. Heiss, Helmut: Inhaltskontrolle von Rechtswahlklauseln in AGB nach europäischem Internationalem Privatrecht?, RabelsZ 65 (2001), 634–653. –/Kaufmann-Mohi, Emese: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, Jena 2013, S. 181–199. Hellner, Michael: Set-off, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, München 2009, S. 251–267. Henninger, Thomas: Europäisches Privatrecht und Methode, Tübingen 2009. Herber, Rolf: Artikel 6 EGHGB – Eine Erwiderung, TranspR 2013, 368–371. –: Die Reform des deutschen Seehandelsrechts, TranspR 2012, 269–276. –: Neue Entwicklungen im Recht des Multimodaltransports, TranspR 2006, 435–439. –: Nochmals: Multimodalvertrag, Güterumschlag und anwendbares Recht, TranspR 2005, 59–63. –: Das Verhältnis des CISG zu anderen Übereinkommen und Rechtsnormen, insbesondere zum Gemeinschaftsrecht der EU, IHR 2004, 89–94. –: Überblick über die gesetzlichen Regelungen in Deutschland und in internationalen Übereinkommen, TranspR 2004, 93–99. –: Seehandelsrecht, Berlin et al. 1999; zitiert: Herber, S. –: Die Neureglung des deutschen Transportrechts, NJW 1998, 3297–3308. –: Haftung beim Ro/Ro-Verkehr, TranspR 1994, 375–382. –: Gedanken zum Inkrafttreten der Hamburg-Regeln, TranspR 1992, 381–390. Herberger, Maximilian/Martinek, Michael/Rüßmann, Helmut/Weth, Stephan (Hrsg.): juris Praxiskommentar BGB, Bd. 6, 7. Aufl., Saarbrücken 2014; zitiert: Bearbeiter, in: JurisPK-BGB, Art. Rn. Herresthal, Carsten: Die Rechtsgewinnung in einer fragmentarischen supranationalen Rechtsordnung, in: Arnold (Hrsg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, München 2014, S. 49–78. Hess, Burkhard: Der Schutz der Privatsphäre im Europäischen Zivilverfahrensrecht, JZ 2012, 189–193. Hilpert, Thomas: Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr nach der neuen Verordnung (EG) Nr.1371/2007, MDR 2008, 597–601. –: Beförderungsbedingungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs als Rechtsproblem, NZV 2007, 288–290.

436

Literaturverzeichnis

Hobe, Stephan: Europarecht, 7. Aufl., Köln 2012. –/v. Ruckteschell, Nicolai (Hrsg.): Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 3, Wirtschaftliche Aspekte des Luftverkehrs, Köln 2010. Hoeks, Marian: Multimodal Transport Law, Alphen aan den Rijn et al. 2010; zitiert: Hoeks, S. v. Hoffmann, Bernd: Über den Schutz des Schwächeren bei internationalen Schuldverträgen, RabelsZ 38 (1974), 396–420. –/Thorn, Karsten: Internationales Privatrecht, 9. Aufl., München 2007; zitiert: v. Hoffmann/Thorn, § Rn. Hoffmann, Jan Martin/Tüngler, Grit/Kirchner, Stefan: Europarechtliche Unfallhaftung und Versicherungspflicht der Anbieter von Seereisen, EuZW 2013, 332–335. Hoffmann, Johannes: Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO – Das Ende des Quellenpluralismus im europäischen internationalen Vertragsrecht?, EWS 2009, 254–261. Hopperdietzel, Holger: Die Haftung bei der Veranstaltung von See- und Flussreisen, RRa 2005, 194–199. Hüßtege, Rainer/Mansel, Heinz-Peter (Hrsg.): NomosKommentar BGB, Band 6, RomVerordnungen, Baden-Baden 2014; zitiert: NK-BGB/Bearbeiter, Art. Rn. Immenga, Ulrich/Mestmäcker, Ernst-Joachim (Hrsg.): Wettbewerbsrecht, Bd. 1, 4. Aufl., München 2007. Ipsen, Knut: Völkerrecht, 5. Aufl., München 2004. Jacquet, Jean-Michel/Delebecque, Philippe/Corneloup, Sabine: Droit du commerce international, 2. Aufl., Paris 2010. Jaegers, Markus: Zum Inkrafttreten der CMNI, TranspR 2007, 141–145. Jäger, Torsten: Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, Baden-Baden 2006. Janköster, Jens Peter: Fluggastrechte im internationalen Luftverkehr, Tübingen 2009. Jault-Seseke, Fabienne: Anmerkung zu EuGH, 15.3.2011 – Rs. C-29/10, Rev. crit. DIP 2011, 455–461. –: Anmerkung zu EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08, D. 2010, 236–239. Jayme, Erik: Inhaltskontrolle von Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in: FS Werner Lorenz, 1991, S. 435–440. –/Kohler, Christian: Europäisches Kollisionsrecht 1999 – Die Abendstunde der Staatsverträge, IPRax 1999, 401–413. –/Nordmeier, Carl Friedrich: Multimodaler Transport: Zur Anknüpfung an den hypothetischen Teilstreckenvertrag im Internationalen Transportrecht – Ist § 452a HGB Kollisions- oder Sachnorm?, IPRax 2008, 503–508. Junker, Abbo: Internationales Zivilprozessrecht, München 2012. Kaiser, Anne Friederike: Haftung für Gefahrguttransporte in Europa, Göttingen 2010. Kampf, Achim: UN-Kaufrecht und Kollisionsrecht, RIW 2009, 297–301. Kappus, Andreas: Konturen der Inhaltskontrolle zu ABB-Flugpassage – ein „déjà vu“?, RRa 2010, 160–163. Karsten, Jens: Das Weißbuch zur Verkehrspolitik und die Konsolidierung des EU-Passagierrechts, VuR 2011, 215–223. –: EC Passenger Law Running on Track – The Regulation on Rail Passengers' Rights and Obligations, in: Yearbook of Consumer Law 2009, S. 333–343. –: Im Fahrwasser der Athener Verordnung zu Seereisenden: Neuere Entwicklungen des europäischen Passagierrechts, VuR 2009, 213–225.

Literaturverzeichnis

437

–: European Passenger Law for Sea and Inland Waterway Transport, in: Yearbook of Consumer Law 2008, S. 201–232. –: Passagierrechte und Passagierbegriff im Gemeinschaftsrecht und die Überarbeitung des Gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherrecht, VuR 2008, 201–210. –/Schuster-Wolf, Christian: Entwicklungen im EU-Passagierrecht 2011/2012, VuR 2012, 463–469, VuR 2013, 6–12. –/Seidenspinner, Angela: „Zum Vorteile des Verkehrsnutzers“ – Zwanzig Jahre EU-Passagierrecht im Spannungsfeld zwischen international governance und europäischen Nutzerrechten, ZEuP 2010, 830–860. Kathrein, Georg: Vom Sozialen im Zivilrecht, in: FS Barta, 2009, S. 27–36. Kegel, Gerhard: Die selbstgerechte Sachnorm, in: FS Ehrenzweig, 1976, S. 51–87. –/Schurig, Klaus: Internationales Privatrecht, 9. Aufl., München 2004; zitiert: Kegel/ Schurig, S. Keiler, Stephan: Angekommen oder noch nicht? Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung der „Ankunftsverspätung“ im Rahmen eines Flugbeförderungsvertrags, GPR 2014, 258–268. –: Ansprüche von Fahrgästen im Kraftomnibusverkehr bei Verspätung und Annullierung im Konzept der Europäischen Passagierrechte, in: Binder/Eichel (Hrsg.), Internationale Dimensionen des Wirtschaftsrechts, Baden-Baden 2013, S. 167–185. –: Der Vorschlag für eine Änderung der Fluggastrechte-VO – Eine Analyse aus wissenschaftlicher Sicht, RRa 2013, 163–173. –/Binder, Kathrin: Reisen nach Brüssel, Rom und Luxemburg, RRa 2009, 210–218. Keller, Max: Schutz des Schwächeren im Internationalen Vertragsrecht, in: FS Vischer, 1983, S. 175–188. –/Siehr, Kurt: Allgemeine Lehren des Internationalen Privatrechts, Zürich 1986; zitiert: Keller/Siehr, S. Kenfack, Hugues: Le règlement (CE) n° 593/2008 du 17 juin 2008 sur la loi applicable aux obligations contractuelles („Rome I“), navire stable aux instruments efficaces de navigation ?, Clunet 136 (2009), 3–39. Kieninger, Eva-Maria: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, Jena 2013, S. 479–501. –: Die Rolle des EuGH nach Inkrafttreten der „Rom“-Verordnungen, in: FS Scheuing, 2011, S. 110–126. –: Brussels I and the Principles of Autonomous Interpretation of EU Law, EuLF 2010, I252 – I-256. Kindler, Peter: Einführung in das neue IPR des Wirtschaftsverkehrs, Frankfurt am Main 2009. Kirchhof, Günter: Wo endet die „Luft“ im Sinne des Montrealer Übereinkommens?, TranspR 2010, 321–327. Klauer, Stefan: Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge zwischen Römer EVÜ und EG-Richtlinien, Tübingen 2002. Klein, Hermann J.: Containerschifffahrt – Wachstum ohne Ende?, TranspR 2008, 15–18. Kleinschmidt, Jens: Stellvertretung, IPR und ein optionales Instrument für ein europäisches Vertragsrecht, RabelsZ 75 (2011), 497–540. Klingsporn, Burkhard: Zum international zwingenden Anwendungsbereich des neuen deutschen Seefrachtrechts, NJW 1987, 3042–3045. Klinke, Ulrich: Kollisionsnormen und Gemeinschaftsrecht – Zur Architektur des europäischen Vaterhauses, in: Liber Amicorum Gerhard Kegel, 2002, S. 1–32.

438

Literaturverzeichnis

Klötgen, Paul/Mansuy, Francine: Französische Rechtsprechung zum Gemeinschaftsprivatrecht, GPR 2011, 69–73. Knorre, Jürgen: Neue Entwicklungen im Güterkraftverkehrsrecht, TranspR 2011, 353– 365. Kober-Dehm, Helga/Meier-Beck, Peter: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Personenbeförderungs- und Reiserecht in den Jahren 2009 und 2010, RRa 2010, 250– 262. Koch, Harald: Internationale Zuständigkeit und Auslandsbezug, RRa 2013, 173–176. Köhler, Andreas: Eingriffsnormen – Der „unfertige Teil“ des europäischen IPR, Tübingen 2013. Kohlhase, Christian: Die Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 – die „Schwarze Liste“ in der EU und transparentere Informationen für Fluggäste, ZLW 2005, 22–33. Koller, Ingo: Transportrecht, 8. Aufl., München 2013; zitiert: Koller, §/Art. Rn. –: Quantum Corporation Inc. v. Plane Trucking Limited und die Anwendbarkeit der CMR auf die Beförderung mit verschiedenartigen Transportmitteln, TranspR 2003, 45–50. –: Verzugszins und die Auslegung der CMR, TranspR 1994, 53–56. Kötz, Hein: Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), 1–17. Kramer, Xandra: The interaction between Rome I and mandatory EU private rules – EPIL and EPL: communicating vessels?, in: Stone/Farah (Hrsg.), Research Handbook on EU Private International Law, Cheltenham et al. 2015, S. 248–284. Kretschmer, Natalie: Das Internationale Privatrecht der zivilen Verkehrsluftfahrt, Frankfurt am Main et al. 2003; zitiert: Kretschmer, S. Kreuzer, Karl: Gemeinschaftskollisionsrecht und universales Kollisionsrecht, in: FS Kropholler, 2008, S. 129–150. Kreuzer, Karl: Was gehört in den Allgemeinen Teil eines Europäischen Kollisionsrechts, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, Wien 2008, S. 1–62. –: Zu Stand und Perspektiven des Europäischen Internationalen Privatrechts, RabelsZ 70 (2006), 1–88. –: Schlussworte, in: Kieninger (Hrsg.), Denationalisierung des Privatrechts?, Tübingen 2005, S. 69–72. –: Die Europäisierung des Internationalen Privatrechts, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl., Baden-Baden 1999, S. 457–542. Kroeger, Helga Elizabeth: Der Schutz der „marktschwächeren“ Partei im internationalen Vertragsrecht, Frankfurt am Main 1984. Kröger, Martin: Die Passagierbeförderung auf See, Berlin 2009. Kroll-Ludwigs, Kathrin: Die Rolle der Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, Tübingen 2013; zitiert: Kroll-Ludwigs, S. Kronke, Herbert: Connecting Fachtors and Internationality in Conflict of Laws and Transnational Commercial Law, in: Liber Amicorum Siehr, 2010, S. 57–70. –/Melis, Werner/Schnyder, Anton K. (Hrsg.): Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Köln 2005. Kropholler, Jan: Internationales Privatrecht, 6. Aufl., Tübingen 2006; zitiert: Kropholler, IPR, S. –: Die Auslegung von EG-Verordnungen zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, in: FS 75 Jahre MPI, 2001, S. 583–594.

Literaturverzeichnis

439

–: Das kollisionsrechtliche System des Schutzes der schwächeren Vertragspartei, RabelsZ 42 (1978), 634–661. –: Internationales Einheitsrecht, Tübingen 1975; zitiert: Kropholler, IER, S. –/v. Hein, Jan: Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Frankfurt am Main 2011. Krüger, Markus: Die strenge Haftung für Verspätungen im Bahnverkehr und ihre Bewertung, NJW 2013, 3407–3409. Kühne, Günther: Rechtswahl und Eingriffsnormen in der Rechtsprechung des EuGH, in: FS Wegen, 2015, S. 451–462. Kuijper, Pieter Jan: The Changing Status of Private International Law Treaties of the Member States in Relation to Regulation No. 44/2001, LIEI 38 (2011), 89–104. Kuipers, Jan-Jaap: Bridging the Gap – The Impact of the EU on the Law Applicable to Contractual Obligations, RabelsZ 76 (2012), 562–596. Kumin, Andreas/Bittner, Philip: Die „gemischten“ Abkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dritten Völkerrechtssubjekten andererseits, EuR 2012, Beiheft 2, S. 75–88. Kunz, Wolfgang: Kollisionslage im europäischen und internationalen Eisenbahnrecht, TranspR 2012, 309–320. –: Das Eisenbahnrecht – eine Rechtsmaterie?, TranspR 2006, 274–296. –: Das neue Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr, TranspR 2005, 329–345. Lagarde, Paul: Droit international privé, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), European Private Law, München 2011, S. 249–262. –: Anmerkung zu EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08, Rev. crit. DIP 2010, 210–213 –/Tenenbaum, Aline: De la convention de Rome au règlement Rome I, Rev. crit. DIP 2008, 727–780. Lagoni, Nicolai: Die Haftung des Beförderers von Reisenden auf See und im Binnenschiffsverkehr und das Gemeinschaftsrecht – Die EG auf Konfrontationskurs mit dem Völkerrecht, ZEuP 2007, 1079–1096. Lando, Ole/Nielsen, Peter Arnt: The Rome I Regulation, CMLR 2008, 1687–1725. Langenbucher, Katja (Hrsg.): Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., BadenBaden 2013; zitiert: Bearbeiter, in: Langenbucher, § Rn. – (Hrsg.): Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl., Baden-Baden 2008. Larenz, Karl: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Berlin et al. 1991. –: Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, 14. Aufl., München 1987. –/Canaris, Claus-Wilhelm: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., Berlin et al. 1995. Laudien, Bernd: Der Mengenvertrag im Deutschen Seefrachtrecht, Neuwied et al. 1992. Legros, Cécile: Loi applicable au contrat de commission de transport, Rev. crit. DIP 2015, 221–244. –: A propos de l’affaire du Costa Concordia : les méandres des sources applicables à la responsabilité civile contractuelle du transporteur de passagers par voie maritime, Rev. crit. DIP 2013, 395–423„ –: Anmerkung zu EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08, Clunet 137 (2010), 185–198. –: Loi applicable au contrat de transport : commentaire du règlement du 17 juin 2008 sur la loi applicable aux obligations contractuelles dit „Rome I“ RD transp. 2/2009, 12-17. –: Les Conflits de normes en matière de contrats de transport internationaux de marchandises, Clunet 134 (2007), 799–836.

440

Literaturverzeichnis

Lehmann, Matthias: Auf der Suche nach dem Sitz des Rechtsverhältnisses: Savigny und die Rom I-Verordnung, in: FS Spellenberg, 2010, S. 245–260. Leible, Stefan: Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, München 2012, S. 21–33. –: Anmerkung zu EuGH, 9.6.2011 – Rs. C-87/10, EuZW 2011, 604–606. –: Anmerkung zu EuGH, 25.2.2010 – Rs. C-381/08, EuZW 2010, 303–305. –: Anmerkung zu EuGH, 11.3.2010 – Rs. C-19/09, EuZW 2010, 380–382. –: Anmerkung zu EuGH, 9.7.2009 – Rs. C-204/08, EuZW 2009, 571–573. –: Private International Law: Contracts for the Delivery of Gas, in: GYIL 52 (2009), S. 327–340. –: Rom I und Rom II: neue Perspektiven im europäischen Kollisionsrecht, Bonn 2009; zitiert: Leible, S. –: Europäisches Privatrecht am Scheideweg, NJW 2008, 2558–2562. –: Was tun mit dem Gemeinsamen Referenzrahmen für das Europäische Vertragsrecht? – Plädoyer für ein optionales Instrument, BB 2008, 1469–1475. –/Lehmann, Matthias: Die Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), RIW 2008, 528–544. –/Reinert, Christian: Anmerkung zu EuGH, 3.5.2007 – Rs. C-386/05, EuZW 2007, 372– 373. Lein, Eva: La nouvelle synergie Rome I / Rome II / Bruxelles I, in: Cashin Ritaine/Bonomi (Hrsg.), Le nouveau règlement européen „Rome I“ relatif à la loi applicable aux obligations contractuelles, Genf et al. 2008, S. 27–47. –: The New Rome I / Rome II / Brussels I Synergy, in: YPIL X (2008), S. 177–198. Lemaire, Sophie: Interrogations sur la portée juridique du préambule du règlement Rome I, D. 2008, 2157–2161. Lieder, Jan: Die Aufrechnung im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, RabelsZ 78 (2014), 809–843. Lienhard, Ulrich: Europäisches Schuldrecht für den Flugverkehr, GPR 2004, 259–266. Lindemann, Henrik: Neue Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr, TranspR 2011, 10–16. Lindner, Beatrix: Die Pflicht zur Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens, RRa 2006, 58–64. –/Tonner, Klaus: Fahrgastrechte als Verbraucherrechte auf mehreren Ebenen, GPR 2011, 15–19, 86–94. Linhart, Karin: Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, Tübingen 2005. Looschelders, Dirk: Anmerkung zu EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08, LMK 2009 II, 120– 121. –: Der Schutz von Verbrauchern und Versicherungsnehmern im Internationalen Privatrecht, in: FS Egon Lorenz, 2004, S. 441–460. Lüttringhaus, Jan D.: Übergreifende Begrifflichkeiten im europäischen Zivilverfahrensund Kollisionsrecht, RabelsZ 77 (2013), 31–68. –: Vorboten des internationalen Arbeitsrechts unter Rom I: Das bei „mobilen Arbeitsplätzen“ anwendbare Recht und der Auslegungszusammenhang zwischen IPR und IZVR, IPRax 2011, 554–558. –: Der Direktanspruch im vergemeinschafteten IZVR und IPR nach der Entscheidung EuGH VersR 2009, 1512 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), VersR 2010, 183–190. –/Weber, Johannes Christian: Aussonderungsklagen an der Schnittstelle von EuGVVO und EuInsVO, RIW 2010, 45–51.

Literaturverzeichnis

441

Magnus, Ulrich: Die Rom-I-Verordnung, IPRax 2010, 27–44. –: Anmerkungen zum sachlichen Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung, in: FS Kühne, 2009, S. 779–793. –: Article 4 Rome I Regulation: The Applicable Law in the Absence of Choice, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, München 2009, S. 27–50. Majoros, Ferenc: Konflikte zwischen Staatsverträgen auf dem Gebiete des Privatrechts, RabelsZ 46 (1982), 84–117. Mankiewicz, René H.: The Liability Regime of the international air carrier, Deventer et al. 1981. Mankowski, Peter: Speditionsverträge im Internationalen Privatrecht, TranspR 2015, 17– 21. –: Besondere Arten der Rechtswahl in Verträgen, in: FS Martiny, 2014, S. 449–473. –: Die Neufassung des Art. 6 EGHGB im System des Internationalen Privatrechts, TranspR 2014, 268–282. –: Rechtswahlklauseln in Luftbeförderungs-AGB auf dem Prüfstand, RRa 2014, 118–123. –: EuGVVO, Brüssel I a-VO und Spezialübereinkommen, TranspR 2014, 129–135. –: Interessenpolitik und europäisches Kollisionsrecht, Baden-Baden 2011; zitiert: Mankowski, Interessenpolitik, S. –: Neues aus Europa zum Internationalen Privat- und Prozessrecht der seerechtlichen Beförderungsverträge, Hamburg 2011; zitiert: Mankowski, Neues aus Europa, Rn. –: Pauschalreisen und europäisches Internationales Verbraucherschutzrecht, TranspR 2011, 70–74. –: Rom I-VO und Schiedsverfahren, RIW 2011, 30–44. –: Anmerkung zu EuGH, 7.12.2010 – verb. Rs. C-585/08, C-144/09, EWiR 2011, 111– 112. –: Dépecage unter der Rom I-VO, in: FS Spellenberg, 2010, S. 261–281. –: Gemischte Verträge, objektive dépeçage, Handhabung der Ausweichklausel und Auslegungsmethodik im Internationalen Schuldvertragsrecht, IHR 2010, 89–94. –: Anmerkung zu EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08, TranspR 2009, 497–499. –: Die Rom I-Verordnung, EuZ 2009, 2–17. –: Consumer Contracts under Article 6 of the Rome I Regulation, in: Cashin Ritaine/Bonomi (Hrsg.), Le nouveau règlement européen „Rome I“ relatif à la loi applicable aux obligations contractuelles, Genf et al. 2008, S. 121–160. –: Entwicklungen im Internationalen Privat- und Prozessrecht für Transportverträge in Abkommen und speziellen EG-Verordnungen, TranspR 2008, 177–186. –: Konnossemente und die Rom I-VO, TranspR 2008, 417–428. –: Neues aus Europa zum Internationalen Privatrecht für Transportverträge: Art. 5 Rom IVO, TranspR 2008, 339–352. –: Die Rom I-Verordnung – Änderungen im europäischen IPR für Schuldverträge, IHR 2008, 133–152. –: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht – Parallelen und Divergenzen, in: FS Heldrich, 2005, S. 867–897. –: Seerechtliche Vertragsverhältnisse im Internationalen Privatrecht, Tübingen 1995; zitiert: Mankowski, S. –/Knöfel, Oliver: On the Road Again oder: Wo arbeitet ein Fernfahrer? Neues vom europäischen Internationalen Arbeitsvertragsrecht, EuZA 2011, 521–536. Mansel, Heinz-Peter: Der Verordnungsvorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, WM 2012, 1253–1267, 1309–1322.

442

Literaturverzeichnis

–: Staatlichkeit des Internationalen Privatrechts und Völkerrecht, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR, Jena 2006, S. 89–130. –/Thorn, Karsten/Wagner, Rolf: Europäisches Kollisionsrecht 2014: Jahr des Umbruchs, IPRax 2015, 1–32. –/–/–: Europäisches Kollisionsrecht 2013: Atempause im status quo, IPRax 2014, 1–27. –/–/–: Europäisches Kollisionsrecht 2008: Fundamente der Europäischen IPR-Kodifikation, IPRax 2009, 1–23. Mariani, Paola: Recognition and Enforcement of Judgments in Carriage of Goods by Road Matters in the European Union, JPIL 2012, 17–33. Martiny, Dieter: Zur Einordnung und Anknüpfung der Ansprüche und der Haftung Dritter im Internationalen Schuldrecht, in: FS Magnus, 2014, S. 483–500. –: Europäisches Internationales Schuldrecht – Kampf um Kohärenz und Weiterentwicklung, ZEuP 2013, 838–869. –: Die objektive Anknüpfung atypischer und gemischter Schuldverträge, in: FS v. Hoffmann, 2011, S. 283–303. –: Objektive Anknüpfung des Güterbeförderungsvertrages – Anmerkung zu EuGH 6.10.2009, Rs. C-133/08 (Intercontainer Interfrigo SC [ICF]/Balkenende Oosthuizen BV, MIC Operations BV), GPR 2011, 48-51. –: Neuanfang im Europäischen Internationalen Vertragsrecht mit der Rom I-Verordnung, ZEuP 2010, 747–782. –: Neues deutsches internationales Vertragsrecht, RIW 2009, 737–752. Mäsch, Gerald: Zur Vorfrage im europäischen IPR, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, Jena 2013, S. 201–221. Maultzsch, Felix: Rechtswahl und ius cogens im Internationalen Schuldvertragsrecht, RabelsZ 75 (2011), 61–101. Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Hrsg.): Grundgesetz, 66. EL, München 2012; zitiert: Bearbeiter, in: Maunz/Dürig, 66. EL 2012, Art. Rn. Max Planck Institute for Comparative and International Private Law: Policy Options for Progress Towards a European Contract Law, RabelsZ 75 (2011), 371–438. –: Comments on the European Commission’s Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction, applicable law, recognition and enforcement of decisions and authentic instruments in matters of succession and the creation of a European Certificate of Succession, RabelsZ 74 (2010), 522–720. –: Comments on the European Commission’s Proposal for a Regulation of the European Parliament and the Council on the law applicable to contractual obligations (Rome I), RabelsZ 71 (2007), 225–344. –: Comments on the European Commission's Green Paper on the conversion of the Rome Convention of 1980 on the law applicable to contractual obligations into a Community instrument and its modernization, RabelsZ 68 (2004), 1–118. McGuire, Mary-Rose: Grenzen der Rechtswahlfreiheit im Schiedsverfahrensrecht? – Über das Verhältnis zwischen der Rom-I-VO und § 1051 ZPO, SchiedsVZ 2011, 257–267. McParland, Michael: The Rome I Regulation on the Law Applicable to Contractual Obligations, Oxford 2015; zitiert: McParland, Rn. Medicus, Dieter/Petersen, Jens: Bürgerliches Recht, 23. Aufl., München 2011. Meessen, Karl Matthias: Kollisionsrecht als Bestandteil des Allgemeinen Völkerrechts: Völkerrechtliches Minimum und kollisionsrechtliches Optimum, in: FS Mann, 1977, S. 227–240. de Meyer, Jan: International jurisdiction and conflict of law rules for consumer claims: a survey of European legislation, REDC 2009, 631–673.

Literaturverzeichnis

443

Meyer-Sparenberg, Wolfgang: Rechtswahlvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, RIW 1989, 347–351. –: Staatsvertragliche Kollisionsnormen, Berlin 1989. Möll, Lisa: Kollidierende Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im internationalen Vertragsrecht, Frankfurt am Main et al. 2012. Monfort, Cédric: Le nouveau droit des contrats internationaux: le règlement (CE) n° 593/2008 sur la loi applicable aux obligations contractuelles – Art. 9 (Lois de police), Art. 21 (Ordre public du for), RLDA 2008, 82–83. Morawitz, Gabriele: Das internationale Wechselrecht, Tübingen 1991. Morse, Robin: Contracts of Carriage and the Conflict of Laws, in: Liber Amicorum Siehr, 2010, S. 463–479. Moser, Claudia: Der Kommissionsvorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, in: Remien/Herrler/Limmer (Hrsg.), Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, München 2012, S. 7–13. Müller-Freienfels, Wolfram: Internationales Privatrecht in der Normenhierarchie, in: Festskrift till Jan Hellner, 1984, S. 369–389. Müller-Rostin, Wolf: Änderungsverordnung mit Änderungsbedarf, TranspR 2013, 329– 336. –: Keine haftungseinschränkende Wirkung des Art. 38 Abs. 1 MÜ, TranspR 2012, 324– 325. –: Rechtliche Unsicherheiten bei der Neuregelung von Fluggastrechten – eine kritische Würdigung der Verordnung (EG) 261/2004 und zugleich eine Erwiderung zu Schmid in NJW 2006, 1841, NZV 2007, 221–225. –: Versicherungen des gewerblichen Luftverkehrs, TranspR 2006, 49–55. –/Schmid, Ronald: Yin und Yang ade? Zu den Versuchen, die Passagierhaftung im Warschauer Abkommen zu reformieren, in: FS Guldimann, 1997, S. 169–200. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Franz Jürgen Säcker und Roland Rixecker, zitiert: MünchKommBGB/Bearbeiter, §/Art. Rn. – Bd. 1, §§ 1–240, 6. Aufl. München 2012. – Bd. 2, §§ 241–432, 6. Aufl. München 2012. – Bd. 4, §§ 611–704, 6. Aufl. München 2012. – Bd. 10, Internationales Privatrecht I, 6. Aufl. 2015. – Bd. 11, Internationales Privatrecht II, 6. Aufl. 2015. Münchenener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Franz Jürgen Säcker und Roland Rixecker, Bd. 10, 5. Aufl., München 2010; zitiert: MünchKommBGB/ Bearbeiter, 5. Aufl. 2010, Art. Rn Münchenener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Franz Jürgen Säcker und Roland Rixecker, Bd. 10, 4. Aufl., München 2006; zitiert: MünchKommBGB/Bearbeiter, 4. Aufl. 2006, Art. Rn. Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, hrsg. von Karsten Schmidt, Bd. 7, 3. Aufl. 2014; zitiert: MünchKommHGB/Bearbeiter, §/Art. Rn. Mutz, Gerfried: Die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden im internationalen Eisenbahnpersonenverkehr nach dem Zusatzübereinkommen zur CIV, Wien 1977. Muzak, Gerhard: Die EG-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr und das österreichische Eisenbahnbeförderungsrecht, ZVR 2008, 583–587.

444

Literaturverzeichnis

Nehne, Timo: Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts, Tübingen 2012; zitiert: Nehne, S. Nettesheim, Martin: Normenhierarchien im EU-Recht, EuR 2006, 737–772. Neubert, Carl-Wendelin: Die objektiven Anknüpfungen von Schuldverträgen gem. Art. 4 Rom I-Verordnung – Vergleich zur vormals geltenden Regelung des Art. 28 EGBGB a.F., EWS 2011, 369–380. Neufang, Michael: Internationales Privat- und Prozessrecht für den Fachanwalt im Speditions- und Transportwesen, 2. Aufl., Berlin 2011. Neuhaus, Paul Heinrich: Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, 2. Aufl., Tübingen 1976. –/Kropholler, Jan: Rechtsvereinheitlichung – Rechtsverbesserung?, RabelsZ 45 (1981), 73–90. Neumann, Hilmar: Der Spediteur-Frachtführer als aufeinanderfolgender Frachtführer, TranspR 2006, 384–388. Nielsen, Peter Arnt: The Rome I Regulation and Contracts of Carriage, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, München 2009, S. 99–108. Nourissat, Cyril: Le dépeçage, in: Corneloup/Joubert (Hrsg.), Le règlement communautaire „Rome I“ et le choix de loi dans les contrats internationaux, Paris 2011, S. 205– 219. Obwexer, Walter: Die Vertragsschlusskompetenzen und die vertragsschlussbefugten Organe der Europäischen Union, EuR 2012, Beiheft 2, S. 49–73. Oetker, Hartmut (Hrsg.): Kommentar zum Handelsgesetzbuch (HGB), 3. Aufl., München 2013; zitiert: Oetker/Bearbeiter, § Rn. Pabst, Steffen: Entwicklungen im europäischen und völkervertraglichen Kollisionsrecht 2010–2011, GPR 2011, 298–303. Pache, Eckhard/Bielitz, Joachim: Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen ihrer Mitgliedstaaten, EuR 2006, 316–339. –/Rösch, Franziska: Der Vertrag von Lissabon, NVwZ 2008, 473–480. Palandt, Otto (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage, München 2015; zitiert: Palandt/Bearbeiter, § Rn. Paschke, Marian: Wie hältst Du’s mit dem internationalen Seehandelsrecht?, RdTW 2013, 457–464. –: Das internationale Konnossementsrecht, TranspR 2010, 268–274. –/Furnell, Winfried: Transportrecht, München 2011; zitiert: Paschke/Furnell, Rn. –/Ramming, Klaus: Reform des deutschen Seehandelsrechts, RdTW 2013, 1–10. Pauknerová, Monika: EU Regulations and International Conventions – Shifts in Time, in: Liber Amicorum Borrás, 2013, S. 671–684. –: Presumptions, Escape Clauses and International Carriage of Goods Contracts, in: Liber Amicorum Siehr, 2010, S. 481–495. Paulin, Christophe: Règlement relatif aux droits et obligations des voyageurs ferroviaires, RD transp. 3/2008, 20–22. Pavliha, Marko: Enlightenment of the European Attitude Towards Passenger Rights: In dubio pro consumatore, ETL 2013, 229–245. –/Hojnik, Janja: Rail passengers’ right to compensation with no force majeure derogation: The case of ÖBB-Personenverkehr AG, ETL 2014, 5–11. Peterhoff, Wolf: Die Rechte des Flugreisenden im Überblick, TranspR 2007, 103–110.

Literaturverzeichnis

445

Pfeiffer, Thomas: Neues Internationales Vertragsrecht – Zur Rom I-Verordnung, EuZW 2008, 622–629. Pfütze, Alexander: Die Inhaltskontrolle von Rechtswahlvereinbarungen im Rahmen der Verordnungen ROM I bis III, ZEuS 2011, 35–85. Piltz, Burghard: Anmerkung zu EuGH, 25.2.2010 – Rs. C-381/08, NJW 2010, 1061–1062. Plender, Richard/Wilderspin, Michael: The European Private International Law of Obligations, 4. Aufl., London 2015; zitiert: Plender/Wilderspin, Rn. Pocar, Fausto: Some Remarks on the Relationship between the Rome I and Brussels I Regulation, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, München 2009, S. 343–348. –: Le rôle du droit international privé dans la protection des parties faibles, RdC 1984-V, 349–417. Pohar, Mihael Alexander: Rechtsbeziehungen zwischen Fahrgast und Eisenbahn, Jena 2006; zitiert: Pohar, S. Pokrant, Günter: Höchstrichterliche Rechtsprechung zum nationalen und internationalen Gütertransportrecht, TranspR 2014, 51–56. Polakiewicz, Jörg: Völkervertragsrecht und Landesrecht in Portugal, ZaöRV 47 (1987), 265–278. Prütting, Hans/Wegen, Gerhard/Weinreich, Gerd (Hrsg.): BGB, 10. Aufl., Köln 2015; zitiert: PWW/Bearbeiter, Art. Rn. Rabe, Dieter: Das Seehandelsrechtsreformgesetz in der Kritik – einige wesentliche Aspekte, TranspR 2014, 309–315. Rabe, Dieter: Seehandelsrecht, 4. Aufl., München 2000; zitiert: Rabe, § Rn. Ragno, Francesca: The Law Applicable to Consumer Contracts under the Rome I Regulation, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, München 2009, S. 129–170. Rammeloo, Stephan: Chartervertrag cum annexis – Art. 4 Abs. 2, 4 und 5 EVÜ, IPRax 2010, 215–219. Ramming, Klaus: Anmerkung zu OLG Hamburg, 5.12.2013 – 6 U 194/10, RdTW 2014, 245–251. –: Die Beschränkung der Haftung durch den Slot-Charterer, RdTW 2014, 221–225. –: Das Wrackbeseitigungsübereinkommen und seine Umsetzung im deutschen Recht, RdTW 2014, 129–146. –: Ausgewählte Fragen zum neuen Recht der Zeitcharter, RdTW 2013, 333–346. –: Der neue Art. 6 EGHGB, RdTW 2013, 173–184. –: Hamburger Handbuch Multimodaler Transport, München 2011; zitiert: Ramming, Rn. –: Internationalprivatrechtliche Fragen der Haftungsbeschränkung, HmbSchRZ 2009, 181–199. –: Die neue Rom-I-Verordnung und die Rechtsverhältnisse der Schifffahrt, HmbSchRZ 2009, 21–36. –: Zum Anwendungsbereich der Rotterdam Regeln, HmbSchRZ 2009, 414–422. –: Internationalprivatrechtliche Fragen des Multimodal-Frachtvertrages und des Multimodal-Ladescheins, TranspR 2007, 279–300. –: Die CMNI – erste Fragen der Rechtsanwendung, TranspR 2006, 373–380. –: Die Rechtsnatur der Zeitcharter, in: 20 Jahre Seerechtswissenschaft an der Universität Hamburg, Berlin 2005, S. 67–87. –: Probleme der Rechtsanwendung im neuen Recht der multimodalen Beförderung, TranspR 1999, 325–345. –: Die Employment-Klausel, TranspR 1993, 267–278.

446

Literaturverzeichnis

Rauscher, Thomas (Hrsg.): Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht; zitiert: Rauscher/Bearbeiter, Art. Rn. – Bd. Brüssel I-VO, LugÜbk 2007, München Bearbeitung 2011. – Bd. Rom I-VO, Rom II-VO, München Bearbeitung 2011. –: Internationaler Gerichtsstand des Erfüllungsorts – Abschied von Tessili und de Bloos, NJW 2010, 2251–2254. –: Gran Canaria – Isle of Man – Was kommt danach?, EuZW 1996, 650–653. –/Pabst, Steffen: Entwicklungen im europäischen und völkervertraglichen Kollisionsrecht 2009–2010, GPR 2011, 41–48. Re, Jacopo: La corte di giustizia e l’art. 4 della convenzione di Roma: il caso ICF, Riv. dir. int. priv. proc. 46 (2010), 406–436. Reich, Norbert: Anmerkung zu EuGH, 10.1.2006 – Rs. C-344/04, EuZW 2006, 120–121. –/Micklitz, Hans W.: Wie „optional“ ist ein „optionales“ EU-Vertragsrecht?, EWS 2011, 113–119. Reiff, Peter: Sinn und Bedeutung von Pflichthaftpflichtversicherungen, TranspR 2006, 15– 22. Reiher, Hannes: Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, BadenBaden 2010; zitiert: Reiher, S. Reimann, Mathias: Was ist wählbares Recht?, in: Verschraegen (Hrsg.), Rechtswahl, Wien 2010, S. 1–31. Reithmann, Christoph/Martiny, Dieter (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl., Köln 2010; zitiert: Reithmann/Martiny/Bearbeiter, Rn. Remien, Oliver: Engste Verbindung und Ausweichklauseln, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, Jena 2013, S. 223–240. –: Schlusswort: Aspekte des Schadensersatzes im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht – Versuch einer Synthese, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, Tübingen 2012, S. 359–378. –: Chancen und Risiken erbrechtlicher Planung und Beratung nach dem Vorschlag einer europäischen Verordnung über das internationale Erbrecht und das europäische Nachlasszeugnis, in: Grziwotz (Hrsg.), Erbrecht und Vermögenssicherung, Würzburg 2011, S. 95–115. –: Supranationales Privatrecht und Privatrechtsangleichung nach dem Vertrag von Lissabon und Integrationsverantwortung nach dem Lissabon-Urteil des BVerfG, in: FS Scheuing, 2011, S. 639–650. –: Tourism, Conflict of Laws and the Rome I Regulation, in: Liber Amicorum Siehr, 2010, S. 497–511. –: Europäisches Privatrecht als Verfassungsfrage, EuR 2005, 699–720. –: Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, Tübingen 2003. –: Die Vorlagepflicht bei Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, RabelsZ 66 (2002), 503–530. –: European Private International Law, the European Community and its Emerging Area of Freedom, Security and Justice, CMLR 2001, 53–86. –: Einheit, Mehrstufigkeit und Flexibilität im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, RabelsZ 62 (1998), 627–647. –: Über den Stil des europäischen Privatrechts, RabelsZ 60 (1996), 1–39. –: Außenwirtschaftsrecht in kollisionsrechtlicher Sicht, RabelsZ 54 (1990), 431–480. Ress, Georg: Der Rang völkerrechtlicher Verträge nach französischem Verfassungsrecht, öRV 35 (1975), 445–501.

Literaturverzeichnis

447

Reuschle, Fabian: Montrealer Übereinkommen, 2. Aufl., Berlin et al. 2011; zitiert: Reuschle, Art. Rn. Riehm, Thomas: Pro und contra Europäisches Fachgericht für Privatrecht, in: Gsell/Hau (Hrsg.), Zivilgerichtsbarkeit und europäisches Justizsystem, Tübingen 2012, S. 203– 226. Rode, Wolfgang: Haftungsrahmen nach dem Weltpostvertrag, TranspR 2005, 301–305. Rodière, René: Droit des transports, 2. Aufl., Paris 1977. Rogert, Marco: Einheitsrecht und Kollisionsrecht im internationalen multimodalen Gütertransport, Berlin 2005. Römer, Wolfgang/Langheid, Theo/Rixecker, Roland: Versicherungsvertragsgesetz, 3. Aufl., München 2012. Rösch, Florian: Vertragliche Ansprüche Dritter in England und Deutschland, Baden-Baden 2006. Røsœg, Erik: The Athens Regulation and International Law, ZEuP 2008, 599–604. Roth, Wulf-Henning: Maßgebliche Kollisionsnormen im deutsch-dänischen Rechtsverkehr, IPRax 2015, 222–225. –: Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in der Europäischen Union und das Internationale Privatrecht, in: FS Dauses, 2014, S. 315–335. –: Persönlichkeitsschutz im Internet: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, IPRax 2013, 215–227. –: Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung: Überblick – Kompetenzen – Grundfragen, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, Baden-Baden 2012, S. 11–51. –: Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, EWS 2011, 314–328. –: Kompetenzen der EG zur vollharmonisierenden Angleichung des Privatrechts, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, Tübingen 2009, S. 13–45. –: Grundfragen im künftigen internationalen Verbrauchervertragsrecht der Gemeinschaft, in: FS Sonnenberger, 2004, S. 591–614. Rudolf, Claudia: Europäisches Kollisionsrecht für vertragliche Schuldverhältnisse – Rom I-VO, ÖJZ 2011, 149–157. –: Erste Vorabentscheidung des EuGH zum EVÜ – Chartervertrag, ZfRV 2010, 18–22. Rugullis, Sven: Die objektive Anknüpfung von Konnossementen, TranspR 2008, 102–107. –: Die objektive Anknüpfung von internationalen Speditionsverträgen, TranspR 2006, 380–384. Rühl, Christiane: Rechtswahlfreiheit und Rechtswahlklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, Baden-Baden 1999; zitiert: C. Rühl, S. Rühl, Giesela: Die rechtsaktübergreifende Auslegung im europäischen Internationalen Privatrecht: Art. 6 der Rom I-VO und die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 15 Brüssel I-VO, GPR 2013, 122–133. –: Der Schutz des „Schwächeren“ im europäischen Kollisionsrecht, in: FS v. Hoffmann, 2011, S. 364–377. –: Die Kosten der Rechtswahlfreiheit: Zur Anwendung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte, RabelsZ 71 (2007), 559–596. Ruhwedel, Edgar: Neue Entwicklungen im Lufttransportrecht vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des Montrealer Übereinkommens, TranspR 2006, 421–428. –: Das Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28.5.1999, TranspR 2001, 189– 202. –: Der Luftbeförderungsvertrag, 3. Aufl., Neuwied et al. 1998.

448

Literaturverzeichnis

Rüßmann, Helmut/Spohnheimer, Frank: Zum Geltungsanspruch europäischer Verordnungen auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts, in: Meng/Ress/Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung, Baden-Baden 2011, S. 477–496. Sachse, Kathrin: Der Verbrauchervertrag im internationalen Privat- und Prozessrecht, Tübingen 2006. Sack, Rolf: Das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie und der Vorlagebeschluss des BGH vom 10.11.2009, EWS 2010, 70–74. Schacherreiter, Judith: Eingriffsnormen in der Rom I-VO zwischen Parteiautonomie und gesellschaftlichen Steuerungsinteressen, in: Verschraegen (Hrsg.), Rechtswahl, Wien 2010, S. 69–84. Schack, Haimo: Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl., München 2014. –: Das IPR – ein Buch mit sieben Siegeln, reif für das moderne Antiquariat?, in: Liber Amicorum Gerhard Kegel, 2002, S. 179–198. Scheuch, Urs: Luftbeförderungs- und Charterverträge unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Privatrechts, Winterthur 1979; zitiert: Scheuch, S. Schilling, Johannes: Eingriffsnormen im europäischen Richtlinienrecht, ZEuP 2014, 843– 860. –: Die Erstattung von im Zuge eines Vorprozesses angefallenen Rechtsverfolgungskosten durch den regresspflichtigen Unterfrachtführer, RdTW 2014, 266–270. –: Die Rechte des Passagiers im maritimen Schiffsverkehr, TranspR 2013, 401–405. –: Materielles Einheitsrecht und Europäisches Schuldvertrags-IPR – Das Verhältnis der Rom I-Verordnung zu internationalen Sachrechtsakten, EuZW 2011, 776–781. Schladebach, Marcus/Mildenstein, Anne-Friederike: Die Konturierung des Nichtbeförderungstatbestands im Fluggastrecht, EuZW 2012, 940–942. Schlechtriem, Peter: Das Wiener Kaufrechtsübereinkommen von 1980 (Convention on the International Sale of Goods), IPRax 1990, 277–283. –: Die Rechtsnatur der Haftung aus dem Zusatzübereinkommen zur CIV, IZ 1973, 114– 122. –: Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, Frankfurt am Main 1972. –: Deliktansprüche und die Sonderordnung der Haftung aus Fracht- und ähnlichen Verträgen, ZHR 133 (1970), 105–148. –/Schwenzer, Ingeborg (Hrsg.): Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl., München 2013; zitiert: Bearbeiter, in: Schlechtriem/Schwenzer, Art. Rn. Schmid, Ronald: Schadensersatz im Europäischen Reiserecht und Luftverkehrsrecht, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, Tübingen 2012, S. 321–330. –: Anmerkung zu AG Emden, 27.1.2010 – 5 C 197/09, RRa 2010, 136–137. –: Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – eine „Sagrada familia“ des Fluggastrechts?, RRa 2008, 202–211. –: Zum Begriff „Chartervertrag“ im Luftverkehrsrecht, TranspR 1983, 113–115. –: Die Bewährung der neuen Fluggastrechte in der Praxis – Ausgewählte Probleme bei der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, NJW 2006, 1841–1845. –: Das Zusammenspiel von internationalen und europäischen Vorschriften zur Haftung für Passagier- und Gepäckschäden im internationalen Luftverkehr, RRa 2004, 198–203. –/Müller-Rostin, Wolf: In-Kraft-Treten des Montrealer Übereinkommens von 1999: Neues Haftungsregime für internationale Lufttransporte, NJW 2003, 3516–3523. –/Schürmann, Dominik: Ausgewählte Rechtsprechung zur Fluggastrechte-Verordnung VO (EG) Nr. 261/2004 in den Jahren 2008 – 2012, ZLW 2012, 229–250.

Literaturverzeichnis

449

Schmidt, Christine: Die neue Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, RRa 2008, 154–160. Schmidt, Jessica: Grundlagen des europäischen Internationalen Privatrechts, JURA 2011, 117–128. Schmidt, Patrick: Grenzfälle frachtvertraglicher Haftung und ihre Versicherbarkeit – insbesondere bei Schub- und Schleppverträgen, VersR 2013, 418–433. Schmidt-Bendun, Rüdiger: Haftung der Eisenbahnverkehrsunternehmen, Jena 2007; zitiert: Schmidt-Bendun, S. Schmidt-Kessel, Martin: Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Wissenschaft auf dem Gebiete des Verbraucherrechts, VuR 2012, 350–355. –: Zur Kollision von Informationspflichten aus EU-Richtlinien im Blick auf die Entwürfe zur Verbraucherrechterichtlinie, GPR 2011, 79–86. –: Anmerkung zur Entscheidung des Hoge Raad (Civiele Kamer) vom 28.1.2005, ZEuP 2008, 605–617. Schnichels, Dominik/Stege, Ulrich: Die Entwicklung des europäischen Zivilprozessrechts im Bereich der EuGVVO im Jahr 2013, EuZW 2014, 808–814. –/–: Die Rechtsprechung des EuGH zur EuGVVO, EuZW 2011, 817–821. Schollmeyer, Eberhard: Die Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr zwischen Warschau, Montreal und Brüssel, IPRax 2004, 78–82. Schroeder, Werner: Die Auslegung des EU-Rechts, JuS 2004, 180–186. Schröter, Ulrich G.: UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, München 2005. Schubert, Susan: Die Haftung für Reisende und ihr Gepäck auf Schiffen, Frankfurt am Main et al. 1981. Schulze, Reiner (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 8. Aufl., BadenBaden 2014; zitiert: Hk-BGB/Bearbeiter, Art. Rn. –/Zuleeg, Manfred/Kadelbach, Stefan (Hrsg.): Europarecht, 2. Aufl., Baden-Baden 2010; zitiert: Bearbeiter, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, § Rn. Schurig, Klaus: Kollisionsnorm und Sachrecht, Berlin 1981; zitiert: Schurig, S. Schwab, Andreas/Giesemann, Amelie: Die Verbraucherrechte-Richtlinie: Ein wichtiger Schritt zur Vollharmonisierung im Binnenmarkt, EuZW 2012, 253–257. Schwab, Karl Heinz/Walter, Gerhard: Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., München 2005. Schwarze, Jürgen (Hrsg.): EU-Kommentar, 3. Aufl., Wien 2012; zitiert: Bearbeiter, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. Rn. Schwenk, Walter: Charterverträge im Luftverkehr, BB 1970, 282–285. –/Giemulla, Elmar: Handbuch des Luftverkehrsrechts, 3. Aufl., Köln 2005. Shariatmadari, Seyed Hesameddin: Das IPR der Multimodal-Beförderung (unter Einschluss einer Seestrecke), TranspR 2010, 275–282. Siehr, Kurt: Die Kodifikation des Europäischen IPR – Hindernisse, Aufgaben, Lösungen, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, Wien 2008, S. 77–95. –: Das Internationale Privatrecht als Instrument europäischer Integration, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, Baden-Baden 2004, S. 69–100. –: Ausländische Eingriffsnormen im inländischen Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 54 (1988), 41–103. –: Ökonomische Analyse des Internationalen Privatrechts, in: FS Firsching, 1985, S. 269– 294. –: Normen mit eigener Bestimmung ihres räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs im Kollisionsrecht der Bundesrepublik Deutschland, RabelsZ 46 (1982), 357–383.

450

Literaturverzeichnis

–: Wechselwirkungen zwischen Kollisionsrecht und Sachrecht, RabelsZ 37 (1973), 466– 484. Soergel, Hans Theodor (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 10, 12. Aufl., Stuttgart 1996; zitiert: Soergel/Bearbeiter, § Rn. Solomon, Dennis: Die Anknüpfung von Vorfragen im Europäischen Internationalen Privatrecht, in: FS Spellenberg, 2010, S. 355–370. –: The Private International Law of Contracts in Europe: Advances and Retreats, Tul. L. Rev. 82 (2008), 1709–1740. Sonnenberger, Hans Jürgen: Eingriffsnormen, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung, Jena 2013, S. 429–444. –: Grenzen der Verweisung durch europäisches internationales Privatrecht, IPRax 2011, 325–335. –: Randbemerkungen zum Allgemeinen Teil eines europäischen IPR, in: FS Kropholler, 2008, S. 227–246. –: Europarecht und Internationales Privatrecht, ZVglRWiss 95 (1996), 3–47. –/Dammann, Reinhard: Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., Frankfurt am Main 2008. Spanjaart, Michiel: The Konnossementsbegebungsvertrag – a suggestion for further reformation, TranspR 2011, 335–337. Spickhoff, Andreas: Die Rechtswahl und ihre Grenzen unter der Rom I-VO, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, Baden-Baden 2012, S. 117–138. –: Das europäisierte Internationale Schuldrecht und die Europäisierung des Zivilrechts, in: H. Roth (Hrsg.): Europäisierung des Rechts, Tübingen 2010, S. 261–276. Spindler, Gerald: Kollisionsrecht und internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet – die eDate-Entscheidung des EuGH, AfP 2012, 114– 121. –/Schuster, Fabian (Hrsg.): Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., München 2011. Stadler, Astrid: Anwendungsvoraussetzungen und Anwendungsbereich des Common European Sales Law, AcP 212 (2012), 473–501. Stahl, Ulrich: Das IPR der Charterverträge (Reise-, Zeit- und Bareboat-Charter), TranspR 2010, 258–261. Staub, Hermann (Begr.): Großkommentar zum Handelsgesetzbuch; zitiert: Staub/Bearbeiter, § Rn. – Bd. 7/1, §§ 425–452, 4. Aufl., Berlin et al. 2004. – Bd. 7/2, Anhang VI nach § 452: CMR, 4. Aufl., Berlin et al. 2002. Staudenmeyer, Dirk: Aktuelle Probleme im Schnittbereich von Verbraucherschutz und Internationalem Privatrecht, in: Lando/Magnus/Novak-Stief (Hrsg.), Angleichung des materiellen und des internationalen Privatrechts in der EU, Frankfurt am Main et al. 2003, S. 57–76. –: Die EG-Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf, NJW 1999, 2393–2397. Staudinger, Ansgar: Anmerkung zu EuGH, 26.9.2013 – Rs. C-509/11, EuZW 2013, 908– 910. –: Personenbeförderungs- und Reiserecht, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, München 2011, S. 133–153. –: Rechtsvereinheitlichung innerhalb Europas: Rom I und Rom II, AnwBl 2008, 8–16. –: Zweifelsfragen der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, EuZW 2008, 751–755.

Literaturverzeichnis

451

–: Internationales Lufttransportrecht, RRa 2006, 146–152. –: Das Transportrechtsreformgesetz und seine Bedeutung für das internationale Privatrecht, IPRax 2001, 183–190. –/Bauer, Christina/Röben, Kristina: Die Entwicklung des Reiserechts im ersten Halbjahr 2013, NJW 2013, 3760–3764. –/Krüger, Markus: Die Entwicklung des Reiserechts im Jahr 2012, NJW 2013, 913–917. –/–: Die Entwicklung des Reiserechts in den Jahren 2011/2012, NJW 2012, 2853–2860. –/Schmidt-Bendun, Rüdiger: Das Zusammenspiel der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste mit völkervertraglichen, europäischen sowie nationalen Vorschriften, VersR 2004, 971–974. –/Schürmann, Dominik: Die Entwicklung des Reiserechts in den Jahren 2010/2011, NJW 2011, 2769–2775. –/Steinrötter, Björn: Europäisches Internationales Privatrecht: Die Rom-Verordnungen, JA 2011, 241–248. –/–: Verfahrens- sowie kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz bei Online-Geschäften, EWS 2011, 70–75. v. Staudinger, J. (Begr.): J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, zitiert: Staudinger/Bearbeiter, §/Art. Rn. – Bd. §§ 651a–651m (Reisevertragsrecht), Berlin Neubearbeitung 2011. – Bd. Internationales Privatrecht (Einleitung zum IPR), Berlin Neubearbeitung 2012. – Bd. Einleitung zur Rom I-VO, Art. 1–10 Rom I-VO (Internationales Vertragsrecht I), Berlin Neubearbeitung 2011. – Bd. Art. 11–29 Rom I-VO, Art. 46b, c EGBGB (Internationales Vertragsrecht II), Berlin Neubearbeitung 2011. –: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Bd. Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche, 13. Bearbeitung, Berlin 2002; zitiert: Staudinger/Bearbeiter (2002), Art. Rn. Steennot, Reinhard: The Protection of Consumers in Cross-Border Contracts of Carriage by Air at the Level of Private International Law, in: Liber Amicorum Erauw, 2014, S. 175–187. Stefula, Martin/Thoß, Axel: Minderungsrecht des Passagiers bei Flugverspätungen?, TranspR 2001, 248–256. Stone, Peter: EU Private International Law, 3. Aufl., Cheltenham et al. 2014. Streinz, Rudolf: Europarecht, 9. Aufl., Heidelberg et al. 2012. – (Hrsg.): EUV/AEUV, 2. Aufl., München 2012; zitiert: Streinz/Bearbeiter, EUV/AEUV, Art. Rn. Tamm, Marina: Verbraucherschutzrecht, Tübingen 2011. Tang, Zheng: Law Applicable in the Absence of Choice – The New Article 4 of the Rome I Regulation, Modern Law Review 2008, 785–800. Temme, Jürgen: Rechtliche Handhabung typengemischter Verträge, TranspR 2008, 374– 380. Terhechte, Phillipp: Der Vertrag von Lissabon – Grundlegende Verfassungsurkunde der europäischen Rechtsgemeinschaft oder technischer Änderungsvertrag?, EuR 2008, 143– 189. Thode, Reinhold: Die Rom I-Verordnung, NZBau 2011, 449–457. Thorn, Karsten: Die Flagge als Anknüpfungsmoment im Internationalen Privatrecht, in: K. Schmidt (Hrsg.), Begegnungen im Recht, Tübingen 2011, S. 131–153. Thume, Karl-Heinz (Hrsg.): CMR, 3. Aufl., Frankfurt am Main 2013.

452

Literaturverzeichnis

–: Versicherungen des Transports – Einführung, TranspR 2006, 1–6. –: Das neue Transportrecht, BB 1998, 2117–2121. –: Art. 27 CMR und Entschädigungsverzug des Frachtführers, TranspR 1993, 365–369. Thüsing, Gregor/Kroh, Julia: Rechtswahlklauseln nach Inkrafttreten der Rom I-VO, ZGS 2010, 346–348. Tiedemann, Stefan: Kollidierende AGB-Rechtswahlklauseln im österreichischen und deutschen IPR, IPRax 1991, 424–427. Tonner, Klaus: Die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie – Auswirkungen der Vollharmonisierung, VuR 2014, 23–27. –: Reiserecht maritim, RRa 2013, 206–212. –: Zur Zukunft der Passagierrechte: Folgerungen aus dem EU-Weißbuch zum einheitlichen europäischen Verkehrsraum, RRa 2012, 162–166. –: Die EU-Fluggastrechte-VO und das Montrealer Übereinkommen, VuR 2011, 203–207. –: Aktuelle Entwicklungen im Flug- und Fahrgastrecht, VuR 2010, 209–215. –: Der Luftbeförderungsvertrag zwischen europäischer und globaler Regulierung, NJW 2006, 1854–1856. –: Anmerkung zu EuGH, 30.4.2002 – Rs. C-400/00, EuZW 2002, 403–404. Tournaye, Cécile: Adoption of the CLNI 2012 – What has changed compared with CLNI 1988?, TranspR 2013, 213–220. –: Revision of the CLNI, TranspR 2009, 156–162. Trappe, Johannes: Problem „Zeitcharter“, TranspR 2011, 332–334. –: Neuere Entwicklungen im Charterrecht des Seeverkehrs, Hamburg 1975. Ubertazzi, Benedetta: Il regolamento Roma I sulla legge applicabile alle obbligazioni contrattuali, Mailand 2008; zitiert: Ubertazzi, S. Uebersax, Hans-Rudolf: Der Schutz der schwächeren Partei im internationalen Vertragsrecht, Basel 1976. Unger, Oliver: Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, ZEuP 2012, 270–304. Unruh, Peter: Die Unionstreue – Anmerkungen zu einem Rechtsgrundsatz der Europäischen Union, EuR 2002, 41–66. Valdini, Daniel: Der Schutz der schwächeren Vertragspartei im Internationalen Vertriebsrecht, Jena 2013; zitiert: Valdini, S. Vedder, Christoph: Die Außenbeziehungen der EU und die Mitgliedstaaten: Kompetenzen, gemischte Abkommen, völkerrechtliche Verantwortlichkeit und Wirkungen des Völkerrechts, EuR 2007, Beiheft 3, S. 57–91. Verdross, Alfred/Simma, Bruno: Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., Berlin 1984. Verschraegen, Bea: Internationales Privatrecht, Wien 2012. Vignal, Thierry: Droit international privé, 3. Aufl., Paris 2014. Vischer, Franz/Huber, Lucius/Oser, David: Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl., Bern 2000. Volken, Paul: Konventionskonflikte im internationalen Privatrecht, Zürich 1977; zitiert: Volken, S. Vranes, Erich: Die EU-Außenkompetenzen im Schnittpunkt von Europarecht, Völkerrecht und nationalem Recht, JBl. 133 (2011), 11–21. –: Gemischte Abkommen und die Zuständigkeit des EuGH – Grundfragen und neuere Entwicklungen in den Außenbeziehungen, EuR 2009, 44–79. Vyvers, Carsten: Änderung der Rechtsprechung durch Artikel 5 Abs. 1 der Rom-I Verordnung?, NZV 2013, 224–226.

Literaturverzeichnis

453

Wagner, Rolf: Das rechtspolitische Umfeld für eine Rom 0-Verordnung, in: Leible/(Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, Jena 2013, S. 51–79. –: Praktische Erfahrungen mit der Rechtsvereinheitlichung in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, Baden-Baden 2012, S. 51–76. –: Aktuelle Entwicklungen in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, NJW 2011, 1404–1408. –: Aktuelle Entwicklungen in der europäischen justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, NJW 2010, 1707–1712. –: Normenkonflikte zwischen den EG-Verordnungen Brüssel I, Rom I und Rom II und transportrechtlichen Rechtsinstrumenten, TranspR 2009, 103–109. –: Neue kollisionsrechtliche Vorschriften für Beförderungsverträge in der Rom I-Verordnung, TranspR 2008, 211–224. v. Waldstein, Thor/Holland, Hubert: Binnenschiffahrtsrecht, 5. Aufl., Berlin 2007; zitiert: v. Waldstein/Holland, BinSchR, § Rn. Wank, Rolf: Die Auslegung von Gesetzen, 5. Aufl., München 2011. Weber, Johannes: Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im internationalen Zivilverfahrensrecht, Tübingen 2011. Weiler, Frank: Grammatikalische Auslegung des vielsprachigen Unionsrechts, ZEuP 2010, 861–880. Weise, Stefanie/Schubert, Andreas: Konkurrenzen der VO (EG) Nr. 261/2004 über Entschädigungsleistungen von Fluggästen bei einer Verspätung, Nichtbeförderung und Annullierung zum deutschen Pauschalreiserecht, TranspR 2006, 340–345. Weller, Marc-Philippe: Anknüpfungsprinzipien im Europäischen Kollisionsrecht: Abschied von der „klassischen“ IPR-Dogmatik?, IPRax 2011, 429–436. –: Stillschweigende Einbeziehung der AGB-Banken im internationalen Geschäftsverkehr?, IPRax 2005, 428–431. Wendehorst, Christiane: Kollisionsnormen im primären Europarecht?, in: FS Heldrich, 2005, S. 1071–1088. Wenner, Christian: Internationales Vertragsrecht, 3. Aufl., Köln 2013. Wesemann, Christian: Die Paramount-Klausel im Rahmen der Zeitcharter, TranspR 2012, 327–329. Westermann, Harm Peter: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. III, Verbraucherschutz, Köln 1983. –/Grunewald, Barbara/Maier-Reimer, Georg (Hrsg.): Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. II, 14. Aufl., Köln 2014; zitiert: Erman/Bearbeiter, § Rn. Graf v. Westphalen, Friedrich/Thüsing, Gregor (Hrsg.): Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 31. EL, München 2012; zitiert: AGB-Klauselwerke/Bearbeiter, Rn. Westwood Wilson, Diana/Geraghty, Joanna L.: The Progeny of Tseng, ASL 2000, 62–75. Wiese, Wolfgang: Der Haftungsgrund bei Tötung und Verletzung von Reisenden und dessen Bedeutung in der CIV, TranspR 1986, 416–420. Wilke, Felix: Einführung, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, Jena 2013, S. 23–31. –: Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, GPR 2012, 334–341. Wilting, Wilhelm Heinrich: Vertragskonkurrenz im Völkerrecht, Köln et al. 1996. Winkler von Mohrenfels, Peter: Franchise- und Vertriebsverträge im internationalen Privatrecht, ZVertriebsR 2014, 281–286. Wodrich, Kurt/Suhr, Axel: Identity of Carrier-Klausel, VersR 1976, 20–25.

454

Literaturverzeichnis

Woitkewitsch, Christopher: Rechte des Fluggasts bei Flugannullierung und -verspätung, MDR 2012, 193–197. Wolf, Manfred: Auslegung und Inhaltskontrolle von AGB im internationalen kaufmännischen Verkehr, ZHR 153 (1989), 300–321. –/Lindacher, Walter/Pfeiffer, Thomas (Hrsg.): AGB-Recht, 6. Aufl., München 2013. Würdinger, Hans: Die Rechtsnatur der Zeitcharter, MDR 1957, 257–260. Würdinger, Markus: Das Prinzip der Einheit der Schuldrechtsverordnungen im Europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, RabelsZ 75 (2011), 102–126. Wurmnest, Wolfgang: Ordre public, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, Jena 2013, S. 445–478. –: Das neue Internationale Arbeitsvertragsrecht der Rom I-Verordnung, EuZA 2009, 481– 499. Zarth, Christoph: Anmerkung zu EuGH, 4.9.2014 – Rs. C-157/13, EWiR 2015, 31–32. –: Anmerkung zu EuGH, 19.12.2013 – Rs. C-452/12, EWiR 2014, 501–502. –: Anmerkung zu EuGH, 9.6.2011 – Rs. C-87/10, GWR 2011, 307. –: Anmerkung zu EuGH, 6.10.2009 – Rs. C-133/08, TranspR 2009, 452. Zippelius, Reinhold: Juristische Methodenlehre, 11. Aufl., München 2012. Zweigert, Konrad: Zur Armut des Internationalen Privatrechts an sozialen Werten, RabelsZ 37 (1973), 435–452. –/Drobnig, Ulrich: Einheitliches Kaufgesetz und Internationales Privatrecht, RabelsZ 29 (1965), 146–165. –/Kötz, Hein: Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., Tübingen 1996.

Sachverzeichnis Abgangsort 282–286, 303, 412–413, 420 − mehrere 135–136, 141–142 Ablader 200, 204 Ablieferungsort 194–203, 205–207, 210– 211, 214–216, 218–222, 283, 368–369, 404–405, 418–419 − Abgrenzung zum Lieferort 201–203 − mehrere 135–136, 141–142 Absender 117, 174–175, 203–204, 210, 223 − gewöhnlicher Aufenthalt 204–205 − Haftung 381, 391 action directe 352, 354 ADSp. 176, 178, 180, 323 AETR-Rechtsprechung (EuGH) 45–47, 63, 66–67 affrètement siehe Chartervertrag Aktivlegitimation 269–270, 387, 390, 392 ALB 176 allgemeine Beförderungsbedingungen 133, 392, siehe auch allgemeine Geschäftsbedingungen − Personenverkehr 235-237, 294-295 − allgemeine Geschäftsbedingungen 176–181, 235–237, 266, 388 − Inhaltskontrolle 237, 304–305, 410 Anfechtung 388 Anknüpfung − objektive − Güterbeförderung 182–222 − Personenbeförderung 266–299, 306– 307 − subjektive siehe Rechtswahl Annullierung 15, 18, 383, 393 Arbeitnehmerschutz 229–231, 245, 307– 308, 312 Arbeitsvertrag 208, 243–245 Athener Übereinkommen siehe auch internationales Transportrecht

− Inkorporierung ins deutsche Recht 29, 342

− Übersicht 21–22

Athen-VO 23, siehe auch europäisches Transportrecht aufeinanderfolgender Beförderer 185–187, 352, 389 Aufrechnung 388 ausführender Beförderer 149–150, 212– 213, siehe auch Unterfrachtführung − als Anspruchsgegner 352–356 − Relevanz für die Anknüpfung 184–185, 291, 303 Ausfuhrverbot 328, 336–337 Ausgleichsanspruch 85, 254, 269, 295, 349, 353–354, 386 − Zweck 239–240 ausländisches Recht − Anwendung 96–97, 100, 329 − Ermittlung 100 Auslegung − von europäischem Sekundärrecht − grammatikalische 101–102 − historische 102 − systematische 102–108, 117, 127, 248, 417 − teleologische 102 − von Normen des Schwächerenschutzes 244–246 − von Verträgen 380 Außenkompetenz der EU 35–36, 84, 400– 401 − für das IPR 45–50 − für das Sachrecht 62–72 außergewöhnliche Umstände 378, 385 Ausweichklausel 223, 421 − Anwendungskonstellationen 214–217, 295–299 − Anwendungsvoraussetzungen 209–214

456

Sachverzeichnis

− Arbeitsvertrag 208 − beachtliche Anknüpfungsmomente

210–211 Bewertung 414 Güterbeförderungsvertrag 207–217 Offensichtlichkeit 208, 213–214 Personenbeförderungsvertrag 295–299 vor- bzw. nachgelagerte Verträge 211– 213 − Wirkung 207–208 Autotransport 251 Autozug 372

− − − − −

Bareboat-Charter siehe Chartervertrag Beförderer 148–149, 174 − Ansprüche 391 − aufeinanderfolgender siehe dort − ausführender siehe dort − Begriff 184–187, 290–293 − gewöhnlicher Aufenthalt 187–193, 293, 302–303 − Gewerblichkeit siehe dort − Haftung siehe Haftung des Beförderers − Hauptverwaltung 302–303 − Identity of Carrier-Klausel siehe dort − Mehrheit 292–293 − Person 184–187, 290–293 − vertraglicher 150, 184–185, 291 Beförderter siehe Passagier Beförderungsbedingungen siehe allgemeine Beförderungsbedingungen Beförderungsentgelt 129–131, 235, 376– 377, 391–393 Beförderungsschein 210, 296 Beförderungsvertrag − Güterbeförderung siehe Güterbeförderungsvertrag − internationales Element 2, 114–115, 172–173 − kollisionsrechtliche Besonderheit 114– 116, 417 − Objektbezug 134 − Personenbeförderung siehe Personenbeförderungsvertrag − Primärleistungsebene 381–382 − Sekundärleistungsebene 381–387 − Statut 57, 165–166, 184, 379–381, 387–397 Befrachter siehe Absender

Beladung 200, siehe auch Übernahmeort Bereicherungsrecht 380 Bergungsvertrag 159 Beschädigung der Ware 349, 352, 382– 383 Bestimmungsort 282–286, 303, 407–409, 412–413, 420 − mehrere 135–136, 141–142 Betreuungsanspruch 239–240, 243, 269, 353, 386–387 Beweislast 387 Bewertung des europäischen Transportvertrags-IPR 402–414 bill of lading siehe Konnossement Binnenmarkt 56, 114, 173, 287, 363–366, 369, 407 Binnenmarktklausel 86, 179, 230, 300– 301, 308, 314–315, 331 Binnenschiffverkehr 19–20, 71, 265, 375, 395 − Konnossement 163, 171 − Übersicht 19–20 Bonusmeilen 253–254 Briefbeförderung 129, 131, 376 Brüssel I-VO siehe EuGVVO Budapester Übereinkommen siehe CMNI Busfahrgastrechte-VO 15, siehe auch europäisches Transportrecht Busverkehr 133, 258, 262, 272, siehe auch Straßenverkehr Butterfahrt 250 Chartervertrag 117–119, 137–146, 375, 414, 418 − Bareboat-Charter 146 − Barehull-Charter 146 − Combined Voyage Charter 141 − Consecutive Voyage Charter 141, 147, 158, 218 − Cross-Charter 138 − Demise-Charter 138, 143–144 − Employment-Klausel siehe dort − Mietcharter 142–144 − Personenbeförderung 258–261 − Paramount-Klausel siehe dort − Reisecharter 138–142, 160 − Slot-Charter 138 − Transportcharter 139, 141 − Trip Chartered Time Charter 146

Sachverzeichnis

− Zeitcharter 142–146

CIM siehe COTIF CISG 9, 72, 79, 94, 107–108, 369–370 − Abwählbarkeit 345–346 CIV siehe COTIF CLNI 19–20, siehe auch internationales Transportrecht CMNI siehe auch internationales Transportrecht − Kollisionsnorm 70–71, 80, 84 − Übersicht 19 CMR siehe auch internationales Transportrecht − Übersicht 14 − Verhältnis zur EuGVVO 38–39 Code-Sharing 352 Container 122, 129, 134, 138, 156, 396 Containerterminalbetreiber 200 COTIF siehe auch internationales Transportrecht − Haftungsausschluss 385 − Übersicht 15–16 CVN 19, siehe auch internationales Transportrecht CVR 14, siehe auch internationales Transportrecht Dänemark

− Anwendung der Rom I-VO 43–44, 173, 343

− justizielle Zusammenarbeit in Zivilsa-

chen 343 Daten 129 DCFR 59 Delikt 22, 351–352, 355–356, 380, siehe auch Rom II-VO − akzessorische Anknüpfung 55, 356, 358 dépeçage 124–125, 135, 218, 252 Deutsche Bahn AG 289, 292, 298, 365 Dienstleistung 2, 127, 130–131 Dienstleistungsvertrag, 130–131, 202, 218 − Anknüpfung 150–151 − Verhältnis zum Beförderungsvertrag 127, 314 Direktanspruch 330, 352–354, 358 Drittstaatensachverhalte 173, 293, 301, 366–367 Durchbeförderung 196

457

e-Commerce-Richtlinie 77 eDate-Entscheidung (EuGH) 77, 82 effet utile 31, 102, 105 EFTA 33, 51, 94, 365 Einfuhrverbot 328, 336–337 Eingriffsnormen 97, 324–337, 422 − Begriff 325–326 − drittstaatliche 326–329 − EGHGB 336 − Ein- und Ausfuhrverbot siehe dort − des Erfüllungsorts 326–329 − Ermessen des Gerichts 329 − Europarecht 330–332 − Kabotage 333–334, 416 − Konnossement 169 − Multimodaltransport 334–336 − Schuldstatut 329–330 − Transportrecht 330–336 Eisenbahn siehe Schienenverkehr Eisenbahnfahrgastrechte-VO siehe auch europäisches Transportrecht − außergewöhnliche Umstände 385 − Erstattungsanspruch 240 − Haftungsausschluss 385 − Übersicht 16 Elektrizität 129 Empfänger 174–175, 204 Employment-Klausel 128, 143–145 Entgangener Gewinn 389 Entgelt siehe Beförderungsentgelt Entladeort siehe Ablieferungsort Entladung siehe Ablieferungsort Entschädigungsanspruch siehe Ausgleichsanspruch Erfüllungsanspruch 349, 355, 380, 392 Erfüllungsort 194, 215, 298 − Eingriffsnormen 326–328 − Gerichtsstand siehe dort − Personenbeförderungsvertrag 303 Erstattungsanspruch siehe Minderung EuGH − AETR siehe dort − eDate 77, 82 − Haeger & Schmidt siehe dort − ICF siehe dort − Koelzsch 244–246 − ÖBB 240, 382, 385 − Rehder siehe dort − TNT 38–39, 83

458

Sachverzeichnis

EuGVVO 49–51, 107 − Auslegungszusammenhang mit den Rom-Verordnungen 103–105 − Dienstleistungsbegriff 127 − Gerichtsstand des Erfüllungsorts siehe dort − Lieferort 201–203 − Verhältnis zur CMR 38–39 Europäische Union 9 − justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen siehe dort − Kompetenzverteilung 11–12, 33–36, 45–50, 62–72, 78–79 − verstärkte Zusammenarbeit 342–343 − Völkerrechtssubjekt 32 europäisches Kollisionsrecht 95–96 − Begriff 58–59, 74–78 − Eingriffsnormen 330–332 − EVÜ siehe dort − Kabotage siehe dort − Rechtsgrundlage 11–12 − Richtlinienkollisionsnormen siehe dort − Rom I-VO siehe dort − Rom II-VO siehe dort − Transformation 100, 109 − Verhältnis zur Rom I-VO 52–59 europäisches Privatrecht 10–11, 93–94 − Binnenmarktbezug 11, siehe auch Binnenmarkt − Eingriffsnormen 330–332 − Kabotage siehe dort − Kaufrecht siehe Gemeinsames Europäisches Kaufrecht − Passagierrechte-Verordnungen siehe dort − Rechtsgrundlage 11 − Transportrecht siehe europäisches Transportrecht − Verhältnis zur Rom I-VO 85–90 europäisches Sachrecht siehe europäisches Privatrecht europäisches Transportrecht 6–23, 93–94, 106, 238–241 − Abwählbarkeit 345–346 − allgemeine Fragen 388–390 − Ansprüche des Beförderers 391 − Anspruchsberechtigung 269–270, siehe auch Aktivlegitimation

− Anspruchsgegner 353–354, siehe auch Passivlegitimation

− Anwendungsbereich 395–396 − persönlich 369–370 − räumlich 363–366 − sachlich 370–378 − Anwendungskriterien 359–378 − Ausgleichsanspruch siehe dort − außergewöhnliche Umstände siehe dort − Beförderer 290 − Betreuungsanspruch siehe dort − Eingriffsnormen 330–332 − Entgelt 253–254 − Entschädigung siehe Ausgleichsanspruch Erfüllungsanspruch siehe dort Geltungsbereich 342–344, 394–395 Gewerblichkeit 265 Haftung des Beförderers siehe dort Kompetenzgrundlage 11 Konsolidierung 399–402 Lücken 346–359, 378–394, 423–424 Minderung 392–393 Personenbeförderungsvertrag 246–248 Rechtsnatur 353–354 Schadensersatz 240 Schutzbedürftigkeit des Passagiers siehe dort − Sperrwirkung 350 − systematische Einordnung 353–354 − Überblick 6–23 − Übereinkommen der Union siehe dort − Vertragsbegriff 246-248 − zwingender Charakter 308 europäisches Unionsrecht − Anwendungsvorrang 31–33, 36 − effet utile siehe dort − Gebot der loyalen Zusammenarbeit siehe dort − Geltungsgrund 31 − Normhierarchie 25 − Primärrecht 10, 25, 36–37, 52, 64–66 − Privatrecht siehe europäisches Privatrecht − Rechtssetzungskompetenz 11–12, 45– 50, 62–66, 78–79 − Richtlinie 12, 53, 85–86 − Übereinkommen der EU siehe Unionsübereinkommen

− − − − − − − − − − − −

Sachverzeichnis

− Verhältnis zum Völkerrecht 32–39 − Verordnung 12, 86–90

EVÜ 9–10, 59–60 − Anwendung in Dänemark 43 − Güterbeförderung 111–113 − Neuerungen durch Rom I-VO 222–224 − Personenbeförderung 224, 282 − Verhältnis zur Rom I-VO 43, 106 EWR 365, 410 Fahrgastrechte-Verordnungen siehe Passagierrechte-Verordnungen Fahrgemeinschaft 265 Fährverkehr 250, 257, 372 Fahrrad 131, 261 Fahrzeugmiete siehe Mietvertrag Fixkostenspedition siehe Spedtionsvertrag Flagge 210, 296 Floating choice of law-Klausel 175 Flüssigkeitstransport 129 Fluggastrechte-VO siehe auch europäisches Transportrecht − Ausgleichsanspruch siehe dort − internationale Zuständigkeit 358, siehe auch Rehder-Entscheidung − Konkurrenz zu anderen Rechtsakten 24 − Übersicht 18 Frachtbrief 68, 185, 388, 391 Frachtführer siehe Beförderer Frachtvertrag 134–137, 160, 204, 333, 417 Frachtzahlungsanspruch siehe Zahlungsanspruch Franchisevertrag 229–230 Frankreich − action directe 352, 354 − commission de transport 147–148 − contrat de transport 134 − Direktanspruch des Frachtführers 330 − non cumul 351 − Rang völkerrechtlicher Staatsverträge 30 Gastransport 129 Gebot der loyalen Zusammenarbeit 35, 37–39, 42–43, 48, 61–62, 93, 326, 415 Gebrauchsüberlassung 137, 142–143, 159, 259, 261, 418, siehe auch Mietvertrag Gefahrgut 13–14

459

Gegenleistung 129–131, 235, 393 Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (GEK) 65–66, 89–90, 94, 96 gemischter Vertrag 121–126, 153, 250– 253 Gepäck 129, 159, 250 Gerichtsstand des Erfüllungsorts 198, 201–203, 219, 327, 355 Gerichtsstandsvereinbarung 175, 294, 367 Gesamtschuld 186–187 Gesamtverweisung 68, 92, 348 Geschäftsreise 258, 264, 268–269, 282, 321 Gesellschaft − gewöhnlicher Aufenthalt 188–189 − Personengesellschaft siehe dort − Regionalgesellschaft siehe dort − Statut 281 − Tochtergesellschaft 297–298 Gewerblichkeit 174, 265, 369–370 gewöhnlicher Aufenthalt 223 − Absender 204–205 − am Vertrag beteiligte Niederlassung 190–193 − Beförderer 187–193, 293, 302–303 − Hauptverwaltung siehe dort − juristische Personen 188–189 − natürliche Personen 189–190 − Niederlassung siehe dort − Passagier 281–282, 302 Globalisierung 2 Grundfreiheiten 2, 10, 56-57, 115 Gruppenbeförderung 255, 260, 273, 275– 281 Güterbeförderungsvertrag (Kollisionsrecht) 110–223 − Ablieferungsort siehe dort − Anwendungsbereich − persönlich 174 − räumlich 172–174 − sachlich 113, 116–172, 217 − Beförderung 126–132, 135 − mehretappig 136, 195–196, 218–220 − Begriff 116–134, 217, 417 − Bewertung 403–405 − Dienstleistung 127 − Entgelt 129–131 − Erfüllung 115, 151, 194–195, 206, 219–220

460 − − − − − − − − − − − − −

− − − − − − − − − − −

Sachverzeichnis

Gegenleistung 129–131 gemischter Vertrag siehe dort Gesetzgebungsverfahren 111–113 Güter 129 Hauptgegenstand 119–126, 153–157 historische Entwicklung 111–113, 222– 223 im engeren Sinn 134–136 im weiteren Sinn 135–159 Leitbild 134–136, 139, 146–147, 417 multimodal siehe Multimodalvertrag Nebenpflichten 121–122, 129, 159, 251 Neuerungen gegenüber EVÜ 222–223 objektive Anknüpfung 182–222 − Ausweichklausel 207–217, 223 − Primäranknüpfung 183–205 − Problemfälle 217–222 − Sekundäranknüpfung 205–207, 223, 418 Pflicht zur Ortsveränderung 127–128, 132, 149–150 Rechtswahl 174–182, 209 Rückgriff auf IPR 340–359 Schwächerenschutz 116 Transportobjekt 129 Übernahmeort siehe dort Unentgeltlichkeit 129–131 Verbrauchervertrag 174 Vertragsbegriff 132–133 Vorrang 314–315 Zweck der Sonderregelung 113–116

Haager Kaufrechtsübereinkommen 42– 43, 94 Haager Regeln 20, 168–170, siehe auch internationales Transportrecht Haager Stellvertretungsübereinkommen 43 Haag-Visby-Regeln 20, 168–170, siehe auch internationales Transportrecht Haeger & Schmidt-Entscheidung (EuGH) 118–126, 147, 152–153, 211–213 Haftpflichtversicherung 323, 352 Haftung des Beförderers 238–241, 381– 387 − Annexfragen 387 − Ausschlussgründe 384–385 − Beschränkung 22, 385–386 − Haftungsgrund 239, 382–384

− − − − − −

Haftungshöchstgrenze 385–386 Personenbeförderung 238–241 Rechtsfolgenseite 239, 385–387 Rechtsnatur 110 Schadensumfang 386 Verschulden siehe dort Haftungsbeschränkung 385-387, 390 Haftungsbeschränkungsübereinkommen s iehe LLMC Hamburger Regeln 20–21– siehe auch internationales Transportrecht Handelsvertreter 227 Hauptverwaltung 188–191, 223, 302–303 Helikopter 131 Herkunftslandprinzip 77 Hin- und Rückfahrt 141, 286, 412–413 Hubschrauber siehe Helikopter Huckepackverkehr 132, 371–372 ICF-Entscheidung (EuGH) 118–126, 137, 145, 213–214, 216–217 Identity of Carrier-Klausel 187 Incoterms 200–201 Inhaltskontrolle siehe Allgemeine Geschäftsbedingungen Inlandssachverhalt 173, 179, 301, 314, 401 internationale Zuständigkeit siehe internationales Zivilverfahrensrecht internationales Einheitsrecht − autonomer Lückenschluss 347 − CISG siehe dort − Erstreckung auf Inlandssachverhalte 365–366 − Kollisionsrecht 41–52 − Konsolidierung 399–402 − materielles Einheitsrecht siehe dort − Transportrecht siehe internationales Transportrecht Internationales Privatrecht siehe europäisches Kollisionsrecht; Kollisionsnorm internationales Transportrecht − Abwählbarkeit 345–346 − allgemeine Fragen 388–390 − Ansprüche des Beförderers 391 − Anwendungsbereich 395–396 − persönlich 369–370 − räumlich 295, 361–363 − sachlich 295, 370–378

Sachverzeichnis

− − − − − − − − − − − − − − − −

Anwendungskriterien 359–378 Eingriffsnormen 332 Erfüllungsanspruch siehe dort Geltungsbereich 341–344, 394–395 Haftung des Beförderers siehe dort Konsolidierung 399–402 Lücken 346–359, 378–394, 423–424 Minderung 392–393 Mitverschulden siehe dort Rechtsnatur 110, 352–353 Referenzcharakter 5 Sperrwirkung 348–350 systematische Einordnung 352–353 Überblick 6–23 Verjährung siehe dort Verschulden siehe dort internationales Zivilverfahrensrecht 7, 33, 198, 340, 367 − Bedeutung für die Auslegung der Rom I-VO 103–105 − Gerichtsstand des Erfüllungsorts siehe dort − Gerichtsstandsvereinbarung siehe dort − Lieferort 201–203 − Schwächerenschutz 231 Internet 236, 296, 305, 406 Italien − contratto di trasporto 134 − Rang völkerrechtlicher Staatsverträge30 juristische Person 293, 297 − gewöhnlicher Aufenthalt 188–189 justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen 38–39, 43, 74–75, 103–105, 230–231, 343 Kabotage 172, 215, 298, 415–416

− Eingriffsnormen 333–334 − IPR-Gehalt der KabotageVerordnungen 55–59

− Personentransport 263–264, 298

Kaufvertrag 115, 122, 159, 202, siehe auch CISG und Haager Kaufrechtsübereinkommen Kausalität 389 Klassenfahrt 258–259, siehe auch Gruppenbeförderung Koelzsch-Entscheidung (EuGH) 244–246 Kollisionsnorm

461

− allseitige 76 − einseitige 64, 76 − im europarechtlichen Sinn 58–59, 74–

78, 88, 416–417 Rechtsanwendungsnorm siehe dort Rechtsfolgenseite 100 Regelungsansatz 5–6, 76, 78, 108, 340 staatsvertragliche 41–52 Tatbestand 109 Konflikt der Rechte 2, 81–82, 173–174, 263, 335, 416 Konkurrenz siehe Normkonkurrenz Konnossement 20–21, 160–172, 187, 222–223, 361 Konsolidierung der Rechtsquellen 399– 402 Kontrahierungszwang 133 Konvention siehe Übereinkommen Konventionskonflikt 25–27, 60, 96 Kreuzfahrt 246, 257–258, 317 Kulturgüterschutz 337 Kumulation von Anknüpfungsmomenten 151, 183, 193–205, 282–287, 297–298, 306 − Bewertung 403–405, 407–410 − Zweck 193–194, 219–220, 282–283

− − − − −

Ladeschein 170–171 Ladevorgang 373, 385 Lagerung 122, 159 Lagervertrag 159 Leasingvertrag 159 Leichenbeförderung 376 lex mercatoria 59 Lieferort 201–202 Liegewagen 257 Linienverkehr 377, siehe auch öffentlicher Nahverkehr LKW 131, 137, 371–373, siehe auch Straßenverkehr LLMC 22 siehe auch internationales Transportrecht Luftverkehr 16–18, 24 Luganer Übereinkommen (LugÜ) 33, 49– 50 materielles Einheitsrecht siehe CISG, europäisches Transportrecht und internationales Transportrecht

462

Sachverzeichnis

− − − − − − −

Eingriffsnormen 330–332 Pointillismus 379–381 Rechtsanwendungsnormen siehe dort Regelungsansatz 5–6 Regelungsdichte 83–84 sachrechtsergänzende Normen 67–68 Verhältnis zur Rom I-VO 59–91, 345 Mehr-Personen-Verhältnis 288–289, 414, 418, 420 − Gruppenbeförderung siehe dort − Vertrag zugunsten Dritter siehe dort Mehrrechtsordnung 100 Mengenvertrag 146–147, 218 Mietvertrag 19, 22, 137, 159, 242, siehe auch Chartervertrag − Anknüpfung 146, 262 − Fahrzeugmiete 127, 261–262 − Mietwagen 255, 257, 261–262 − Wohnraummiete 227–228 − Verbrauchervertrag 262, 318 Minderung 392–393 Mitfahrgelegenheit siehe Fahrgemeinschaft Mitverschulden 68, 385, 389 Monopol 235, siehe auch Wettbewerbsrecht Montrealer Übereinkommen (MÜ) siehe auch internationales Transportrecht − Konkurrenz 24 − Sperrwirkung 348–349 − Übersicht 17 Motorrad 261 Multimodaltransport 131–132, 196, 340, 396 − Eingriffsnormen 334–336 − Einheitsrecht 370–374 Nacherfüllung 392 Nahverkehr siehe öffentlicher Nahverkehr Nationales Recht 8, 24, 36, 96, 342 Nebenpflicht − Beförderung als Nebenpflicht 115, 159 − im Güterbeförderungsvertrag 121–122, 129, 134, 159, 251 − im Personenbeförderungsvertrag 159, 250–252, 257, 295 − Verletzung 394 Nichtbeförderung 18, 232, 239–240, 383, 393

Nichterfüllung 393 nichtstaatliches Recht 59 Niederlassung 151, 188–193, 213, siehe auch gewöhnlicher Aufenthalt − am Vertrag beteiligte 172, 190–193, 197, 208–209 − Hauptniederlassung 112, 188–191, 211, 223, 281 − mehrere 191-193 − Zweigniederlassung siehe dort Normkonkurrenz 24–26 − alternative 351 − vertikale 27–39 ÖBB-Entscheidung (EuGH) 240, 382, 385 Obhutshaftung 200, 384, 394 Objektive Anknüpfung − Chartervertrag siehe dort − Frachtvertrag 134 − Güterbeförderungsvertrag 182–222 − Lagervertrag 159 − Mengenvertrag 146–147 − Personenbeförderungsvertrag 266–299 − Reisevertrag 255–258 − Schleppvertrag 159 − Schubvertrag 159 − Speditionsvertrag siehe dort − starre Anknüpfungsregeln 114, 183, 208, 216, 222 öffentlicher Nahverkehr 264, 293–295, 371 ÖPNV siehe öffentlicher Nahverkehr ordre public 97, 100, 213 Paketbeförderung 129 Paramount-Klausel 181–182 Parteiautonomie 26, 39, 70–71, 209, 299, 332, siehe auch Rechtswahlbeschränkung − Güterbeförderung 175–176 − Personenbeförderung 301–305, 307– 313 − Schwächerenschutz 228–229, 307–313 Passagier 267–281 − Abgrenzung zum Vertragspartner 268– 276 − aktiver 287–288, 421 − Begriff 267–281 − gewöhnlicher Aufenthalt 281–282, 302

Sachverzeichnis

− Gruppenbeförderung siehe dort − kollisionsrechtlicher Schutz siehe Passagierschutz

− Privilegierung 267, 305–313 − Schutzbedürftigkeit siehe dort

Passagierrechte-Verordnungen siehe auch europäisches Transportrecht − Aktivlegitimation 269-270 − Schutzgrund 232-233, 239-240 Passagierschutz 230–244, 271, 305–313, 321–322, 350 − Anwendungsbereich 306–307 − Auswirkung 252–253, 271, 284–285, − Benachteiligung des Beförderers 271– 276, 288–289, 406–407, 420 − Berücksichtigung im Rahmen der Ausweichklausel 296 − historische Entwicklung 230–231 − objektive Anknüpfung 267, 306–307 − Passagierrechte-Verordnungen siehe dort − Rechtswahl 307–315 − Schutzbedürftigkeit siehe dort Passivlegitimation 353–354, 387, 390– 391 Pauschalreise 252, 422 − Anknüpfung 315–321 − Begünstigter 270 − Reiseveranstalter siehe dort − Reisevertrag 255–258 PECL 59 Personenbeförderungsvertrag (Kollisionsrecht) 224–313 − Abgangsort siehe dort − Anwendungsbereich 317–321 − persönlich 264–266 − räumlich 263–264 − sachlich 246–263, 315–321 − Anwendungskonstellationen 340–359 − Auslegung 244–246 − Begriff 246–263 − Benachteiligung des Beförderers 271– 276, 288–289, 406–407, 420 − Bestimmungsort siehe dort − Bewertung 405–413 − Bezugspunkt 254–255 − Dienstleistung 248, 253 − gemischte Verträge 250–253 − Entgelt 253–254

463

− − − − − − − − −

Erfüllungsort 303 Gepäck 250 Gruppenbeförderung siehe dort Hauptgegenstand 249–250 historische Entwicklung 224–225 Integritätsschaden 396–397 Leitbild 254–255, 259–260, 275 Nebenpflichten 250–251, 257 objektive Anknüpfung 266–299 − Ausweichklausel 266, 295–299 − Bewertung 407–410 − Primäranknüpfung 266–289 − Privilegierung des Passagiers siehe Passagierschutz − Sekundäranknüpfung 266, 289–295 − Pauschalreise siehe dort − Person 249 − Pflicht zur Ortsveränderung 249 − Rechtswahl 299–305 − Beschränkung siehe Rechtswahlbeschränkung − Bewertung 407–413 − Schutzniveau 307–312 − Schutz des Passagiers siehe Passagierschutz − Verbraucherschutz 306–307, 321–322 − Verhältnis zum Verbraucherkollisionsrecht 315–322, 406–407, 421–422 − Vorrang 314–315 − Zweck der Sonderregelung 226–246, 406–407 − Zwischenhalt siehe dort Personengesellschaft 188–189, 280–281 Pipeline 129 PKW 261 Polen − Rang völkerrechtlicher Staatsverträge 30 − umowa przewozu (Frachtvertrag) 134 Portugal − Rang völkerrechtlicher Staatsverträge 30 Postsendung 376 Prüfungsreihenfolge 92–97 Qualifikation 109–110, 121 − außer-/vertraglich 350–359 − güterbeförderungsvertragliche Konstellationen 134–160

464

Sachverzeichnis

− Leitbild 134–136, 254–255 − personenbeförderungsvertragliche Konstellationen 255–263

Rahmenvertrag 135, 158, 211–213 Rangkollisionsrecht 27, 60–62 Raumfrachtvertrag 138, siehe auch Chartervertrag Rechtsanwendungsnorm 64, 66–67, 73– 78 Rechtsquellen 6–23 − Konsolidierung 399–402 Rechtsvereinheitlichung 3, 5–6, 8, 32, 379 Rechtswahl − ausdrückliche 175, 299–300 − Beschränkung siehe Rechtswahlbeschränkung − durch AGB 176–181, 266, 299–300, 310 − Einbeziehung 178–179, 300 − Inhaltskontrolle 179–180, 304–305, 311 − Freiheit siehe Parteiautonomie − Gerichtsstandsvereinbarung 175, 294 − Güterbeförderung 174–182, 209 − Inhaltskontrolle 179–180, 304–305 − kollidierende 180–181 − Konnossement 170 − nachträgliche 175, 299–300 − Personenbeförderung 299–305 − Beschränkung siehe Rechtswahlbeschränkung − Bewertung 407–413, 421 − Schutzniveau 307–312 − Statut 177–178 − stillschweigende 175, 299–300 − Teilrechtswahl 175, 182 − überraschende 178–179, 305, 310–312 − Verweisungsvertrag 175, 177 − Wirksamkeit 177–180 − Wirkung 307–309 − Zustandekommen 177–178 Rechtswahlbeschränkung − Güterbeförderung 175–176 − Personenbeförderung 301–305, 410– 411 Reeder 19, 22, 185, 187, 291 Regionalgesellschaft 297–298

Registrierungsort des Flugzeugs 210 Regulierung der Verkehrsmärkte 2, 56– 57, 362–363, siehe auch Wettbewerbsrecht Regulierungsebenen 7–12 Rehder-Entscheidung (EuGH) 194–195, 282–283, 288, 327, 358 Reisebüro 236, 262 Reisebus siehe Busverkehr Reisefrachtvertrag 138, 140–141, siehe auch Chartervertrag Reisegepäck siehe Gepäck Reisender siehe Passagier Reiseveranstalter 290–291 Reisevermittlung 262–263, 290–291 Reisevertrag siehe auch Pauschalreise − Anknüpfung 255–258, 419–420 − Unterschied zur Pauschalreiserichtlinie 318–319 renvoi 100, 335–336 Richterliches Ermessen 114 Richtlinienkollisionsnormen 53–54 Römer Schuldvertragsübereinkommen siehe EVÜ Rom I-VO − Anwendungsbereich 50, 81–84, 87–90, 161–168, 395–396 − persönlich 369–370 − räumlich 366–367 − sachlich 54–55, 373–378 − zeitlich 360 − Auslegungszusammenhang 103–105 − Eingriffsnormen siehe dort − Erwägungsgründe 102, 162 − Geltungsbereich 40, 43–44, 343, 394– 395 − Grünbuch 112 − Güterbeförderungsvertrag siehe dort − international zwingende Normen siehe Eingriffsnormen − Kompetenzverschiebung 49–52, 62–72, 415 − ordre public siehe dort − Personenbeförderungsvertrag siehe dort − Rechtswahl siehe dort − starre Anknüpfungsregeln 114, 183, 208, 216, 222

Sachverzeichnis

− systematischer Zusammenhang 102–

108, 127 − Verhältnis zu − EuGVVO 103–105 − europäischem Kollisionsrecht 52–59, 103–104 − europäischem Sachrecht 85–90 − Rom II-VO 54–55, 351 − staatsvertraglichem Kollisionsrecht 41–52 − staatsvertraglichem Sachrecht 59–84 − Vorschlag der Kommission 99, 112– 113, 193 Rom II-VO siehe auch Delikt − Auslegungszusammenhang 103–105 − außervertragliche Schuldverhältnisse 133, 357–359, 380, 390 − Verhältnis zur Rom I-VO 54–55 Rom III-VO 75 RoRo-Verkehr 132, 250, 371–372 Rotterdam-Regeln 21, 169, siehe auch internationales Transportrecht Rücktritt 388 Rück- und Weiterverweisung 100, 335– 336 Sachnormverweisung 44–45, 68 sachrechtsergänzende Norm 67-68, 81, 83 Sachrechtsvereinheitlichung siehe materielles Einheitsrecht SBB 292, 365 Schaden 386, 393–394 − Ersatz 240 − Umfang 389 Scheck 162 Schiedsgerichtsbarkeit 7 Schienenverkehr 15–16 Schifffahrgastrechte-VO 20, 23, siehe auch europäisches Transportrecht Schiffsmietvertrag siehe Mietvertrag Schlafwagen 257 Schleppvertrag 159 Schmerzensgeld 389 Schubvertrag 159 Schuldverhältnis 104, 132–133 Schutzbedürftigkeit des Passagiers 249, 406–407, 419 − Abhängigkeit des Passagiers 241–243, 271

465

− eigenständiger Schutzgrund 243–244, 322

− Folgen für die Auslegung 249, 271 − im europäischen Transportrecht 232– 233, 238–241

− wirtschaftliche Unterlegenheit 233–236 − Wissensdefizit 236–238

Schutz- und Rücksichtnahmepflichten 168 Schwächerenschutz im IPR 39, 125–126, 226–246 − allgemein 226–231 − Arbeitnehmer siehe Arbeitnehmerschutz − Benachteiligung der schwächeren Vertragspartei 228–229 − Franchisenehmer 229–230 − Güterbeförderung 115–116 − Passagier siehe Passagierschutz − Typenzwang 229–230 − Verbraucher siehe Verbraucherschutz − Versicherungsnehmer 229–231, 234, 313 − Vertriebshändler 229–230 Sea Waybill siehe Seefrachtbrief Seefrachtbrief 163 Seefrachtvertrag 160–161, 165, 187 Seeschifffahrt 20–23, 160–172 Seilbahn 249–250 Skilift 249–250 SNCF 297–298 soft-law 59 Souveränität 8, 31, 48 Spediteur siehe Beförderer Speditionsvertrag, 126, 160, 414, 418 − Änderungen gegenüber EVÜ 148-149, 222 − Anknüpfung 118–119, 147–158, 212– 213 − Eingriffsnormen 333 − Einheitsrecht 375–376 − Fixkostenspedition 156–157, 376 − Sammelladungsspedition 155 − Selbsteintritt 154–155 Sprachkurs 255, 318 Staatsangehörigkeit 57, 172–173 Staatsverträge siehe Übereinkommen Statutenwechsel 144–145, 188, 198–199

466

Sachverzeichnis

Stellvertretung 43, 153, 184, 273, 278– 279 Straßburger Übereinkommen siehe CLNI Straßenbahn 133, 264, 371, 409, siehe auch öffentlicher Nahverkehr Straßenverkehr 14–15 Strom siehe Elektrizität Stückgutvertrag 134 Stundung 328 Subunternehmer siehe Unterfrachtführung Tarife 133, 235–237, 278 Taxi 242, 249–250, 293–294 Territorialität 341, 343–344, 368–369 Tiere 250–251 TNT-Entscheidung (EuGH) 38–39, 83 Tourismus 252, 257, 264, 293–295, 408– 409 transnationales Transportrecht siehe europäisches Transportrecht und internationales Transportrecht Transportdokumente 170–171, 198, 200, 206, 381 siehe auch Konnossement Transportkette siehe Unterfrachtführung Transportmodus 131–132, 370–374, 396 Transportrecht siehe europäisches Transportrecht und internationales Transportrecht − Deutschland 134–146, 154–160, 204, 255–258, 333, 417 − Eingriffsnormen 330–336 − Frankreich 134, 137–148, 330 − Italien 134 − Polen 134 − Verfügungsrecht siehe dort − zwingender Charakter siehe zwingende Bestimmungen Transportrechtsreform 370 Transportvertrag siehe Beförderungsvertrag Transportversicherung 323–324, siehe auch Versicherungsvertrag U-Bahn 293–294, 371, siehe auch öffentlicher Nahverkehr Übereinkommen 8–10 − Altübereinkommen 37–39, 42–44, 51, 61–62 − Autonomie der Vertragsparteien 26

− der EU siehe Unionsübereinkommen − der EU-Mitgliedstaaten 35–39, 61–62,

79–80, 93, 96 gemischte 33–35, 51–52, 67 innerstaatliche Wirkung 9–10, 27–31 Konventionskonflikt 25–27 Prioritätenordnung 26 Rang 29–31 Ratifikation 26, 28, 44, 341–342 Übernahmeort 115, 151, 194–200, 217– 220, 283 − mehrere 135–136, 141–142 Umsteigevorgang 303, 364 Umzugsvertrag 159, 333, 376 unbestimmter Rechtsbegriff 101, 378 unerlaubte Handlung siehe Delikt UN-Kaufrecht siehe CISG Unionskollisionsrecht siehe europäisches Kollisionsrecht Unionsrecht siehe europäisches Unionsrecht Unionsübereinkommen 32–33, 344, siehe auch Athener Übereinkommen, COTIF, Luganer Übereinkommen, Montrealer Übereinkommen − Auslegungszusammenhang 105–106 − Kollisionsrecht 51–52, 94–95 − Sachrecht 61, 93 Unterfrachtführung 150, 174, 352, siehe auch ausführender Beförderer − Anknüpfung 158 − Berücksichtigung im Rahmen der Ausweichklausel 211–213, 217 − maßgeblicher Beförderer 184–187 − Übernahmeort 200 − Vorprozesskosten 393–394

− − − − − −

VBGL 176, 323 Verbraucherrecht 227, 313 Verbraucherschutz 312, 409 − historische Entwicklung 229–231 − Rechtswahl 307–308 − Reichweite 306–307 − Schutzgrund 233-234, 244 − Verhältnis zum Passagierschutz 244, 321–322, 406–407, 422 Verbrauchervertrag (Kollisionsrecht) siehe auch Reisevertrag − Anknüpfung 255–258

Sachverzeichnis

− Anwendungsbereich 306–307, 315–

321, 408–409 − Bereichsausnahme 315–320 − persönlich 174, 264 − situativ 104, 256, 287, 306–307, 319 − Ausrichten 104 − Güterbeförderung 174 − Pauschalreise siehe dort − Personenbeförderung 244, 315–323 − Rechtswahl 176, 307–308 − Verbraucherbegriff 256 − Verbraucherschutz siehe dort − Verhältnis zur Personenbeförderung 315–323 − Sperrwirkung 320–321 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 54, 95, 107–108 Vercharterer siehe Chartervertrag sowie Beförderer Verein 188–189 Vereinigtes Königreich − Vertrag zugunsten Dritter 204 Vereinigte Staaten von Amerika − Verbrauchervertrag 313, 421–422 Verfassung 25, 27–32, 342 Verfrachter siehe Beförderer Verfügungsrecht 68, 70, 160, 175, 381 Verjährung 68, 356, 387, 389–391 Verkehrshaftungsversicherung siehe Transportversicherung Verkehrssicherungspflicht 295, 409 Verladeort siehe Übernahmeort Verladung 122, 393 Verlust der Ware 382–383 Verpackung 129, 385 Verschulden 68, 384, 386, 389 − Mitverschulden siehe dort − qualifiziertes 386 Versicherung siehe Transportversicherung Versicherungsvertrag 208, 234, 237, 313 − Schutz des Versicherungsnehmers 229– 231, 234, 238, 243 Verspätung 383, 393 Vertrag siehe auch Güterbeförderungsvertrag; Personenbeförderungsvertrag − Anfechtung 388 − Aufrechnung 388 − Auslegung 380

467

− − − − − − −

Begriff 132–133 Rücktritt 388 Spaltung siehe dépeçage Statut siehe Vertragsstatut Widerruf 328, 388 zugunsten Dritter siehe dort Zustandekommen 277, 388 Vertragsschlussort 210, 295–296 Vertragsstatut 92 − Durchbrechung 96–97 − Reichweite 379–381 − Universalität 379–381, 387–388, 396– 397 Vertragstypenlehre 123 Vertrag zugunsten Dritter 204, 214, 273, 324, 379 Vertretung siehe Stellvertretung Verwahrung 122, 159 Verweisungsrecht siehe Kollisionsnorm Verzögerung siehe Verspätung Verzollung 122 Vollmacht siehe Stellvertretung Völkerrecht 8–10 − allgemeines 8–9 − Dualismus 28–29 − Geltungsgrund 28–29 − innerstaatliche Wirkung 27–31 − Monismus 28–29 − Staatsverträge siehe Übereinkommen − Stellung innerhalb der Normenhierarchie 29–31 − Verhältnis zum Unionsrecht 32–39 − völkerrechtliche Bindung 9, 27, 37, 42, 44 Vorfrage 99, 335 Vorprozess 393–394 Warenumschlag 122, 195-196 Warschauer Abkommen (WA) siehe auch internationales Transportrecht − Konkurrenz 24 − Übersicht 16–17 Wechsel 162 Weisungsrecht 199–200, 381 Wertdeklaration 386 Wertpapier 160, 162–168, 170–171 Wettbewerbsrecht 2, 56–57, 235–236, 263, 305, 334, 362–363, siehe auch Kabotage

468

Sachverzeichnis

Widerruf 328, 388 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) 26, 37 Wohnraummiete 227 Zahlungsanspruch 391 Zeitcharter siehe Chartervertrag Zinsen 356, 390–391 Zoll 122, 250 Zweigniederlassung 189, 191, 205–206, 223, 303

zwingende Bestimmungen

− einfach 170, 182, 227–229, 233, 307– 308, 319, 411–412

− international siehe Eingriffsnormen − Transportrecht 176, 345–346, 381, 422 − Gütertransport 333–337, 345–346 − Personentransport 232, 236–239,

331–332 Zwischenhalt 285–286, 303, 361, 420