Das Bild Walthers von der Vogelweide [Reprint 2020 ed.] 9783111554327, 9783111184661


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German Pages 28 [36] Year 1930

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Das Bild Walthers von der Vogelweide [Reprint 2020 ed.]
 9783111554327, 9783111184661

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Die am 6. Juli 1906 gegründete S t r a ß b u r g e r W i s s e n s c h a f t liche G e s e l l s c h a f t , die 1919 ihren Sitz nach Heidelberg und 1929 nach Frankfurt a. M. verlegt hat und Vertreter aller Zweige der Wissenschaft umfaßt, veröffentlicht wissenschaftliche Arbeiten verschiedenen Inhalts und Umfangs, die in zwangloser Folge erscheinen und einzeln käuflich sind. Eine Zusammenfassung in Bänden ist nicht beabsichtigt. Von der ersten Reihe dieser Schriften sind 37 Hefte erschienen; im Jahre 1920 ist eine neue Folge begonnen worden.

Schriften der Straß burger Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Universität Frankfurt a. M. Neue Folge 12. Heft

Das Bild Walthers von der Vogelweide von

Hans Naumann

1930 WALTER DE GRUYTER & CO. VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — KARL J . TRÜBNER — VEIT & COMP.

BERLIN UND LEIPZIG

Das Bild Walthers von der Vogelweide von

Hans Naumann

1930 WALTER DE GRUYTER & CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE V E R L A G S H A N D L U N G — J. GUTTENTAG, V E R L A G S BUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — K A R L J. TRÜBNER — V E I T & COMP.

BERLIN UND LEIPZIG

Das Bild Walthers von der Vogelweide1). Motto: als iemen soll

Dreimal, davon zweimal kurz hintereinander, wird Walther von der Vogelweide mit größter Wahrscheinlichkeit sichtbar in Frankfurt am Main, einmal früher auch im Räume von Worms und Mainz. Daß er selbst mit dem staufischen Hof auch im Elsaß war, in Hagenau oder in Straßburg, geht aus seiner Dichtung nicht hervor, ist aber wohl möglich. Daß dorther jedoch ein Teil seiner staufischen Form-, Musik- und Wortkunst stammt, durch Reinmar von Hagenau nach Wien vermittelt, wo der etwas jüngere Walther in sie hineinwuchs wie in eine Selbstverständlichkeit, ist wohl bekannt. Schicksal oder bewußter Wille haben ihn, als es ihn zu den Staufern trieb, gewissermaßen zurück zu den Ursprüngen seiner Kunst getragen2). Wir finden denn also den Dichter 1198 zuerst im staufischen Raum, bei Philipp von Schwaben, in Worms und Mainz; vermutlich mit dem Babenberger Leopold VI., dem ihm weniger geneigten Bruder Herzog Friedrichs, seines verstorbenen bisherigen Herrn, war der noch ganz Jugendliche aus Wien gekommen und trennte sich hier von ihm. Wir finden ihn 14 Jahre später zum 18. März 1212 auf dem Frankfurter Reichstag des gekrönt und gebannt zugleich aus Italien heimkehrenden Otto; hier erhebt er sich zu der gewaltigen Größe seiner drei Kaiser- und seiner drei Papstsprüche im Ottenton und hier vollzieht er vielleicht, nach kurzer Abwesenheit noch im selben Jahre zurückgekehrt im Gefolge des Markgrafen von Meißen, den scheinbar so widerspruchsvollen Übergang zu dem jugendlichen Friedrich II., dem -puer Apuliae, der auf seinem kampflosen Siegeszug langsatn vom Bodensee über das Elsaß, über Straßburg und Hagenau nach Frankfurt gekommen war zu seiner erneuten Königswahl. Und hier finden wir ihn dann, wieder acht Jahre später, im April 1220 auf Friedrichs Reichstag wieder, wo sie zusammen, der Dichter in Anspielung, der Kaiser heimlich, die Königswahl Heinrichs VII. betreiben 3 ) und wo der Dichter als Lohn dafür endlich das lang erwartete Lehen empfängt — einen ersten Frankfurter Dichterpreis! Füglich hat Walther damit in die alte, seit Stauferzeit wieder neue kaiserliche Landschaft am Rhein, die von Straßburg und Hagenau über Mainz und Frankfurt nach Aachen und Nymwegen reichte, die Kunst, die er einst von hier durch Reinmar empfing, nur zurückgetragen. Er hat durch seine Erscheinung den kaiserlichen Kulturraum, der ja zugleich die Wiege deutscher höfischer Kirnst in Poesie und Plastik und eines neuen höfischen Lebensgefühls war, noch sichtbarer gemacht als er so schon erschien.



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Für ihn selber ergab sich daraus, soweit wir sehen können, die starke Wendung zum Politischen, denn eben seine politische oder besser „staatliche" Verskunst ist es, welche die Zuweisung in den staufischen Raum überhaupt ermöglicht. Die Fragestellung „Staufer oder Weife" war soeben überraschend wieder aufgetaucht und hatte sich nunmehr mit der noch größeren „Kaiser oder Papst" verknüpft. Alses sich früher um die kleinere Frage allein gehandelt hatte, war der deutschsprachigen Dichtung im staufischen Raum wenig Neigung für das Politische inne gewesen. Die Weifenfrage schien längst erledigt, niemand hatte voraussehen können, daß der Sohn Heinrichs des Löwen noch einmal der Rivale des Barbarossasohnes im Caesarenamte werden möchte. Aber Heinrichs VI. plötzlich auf der Höhe fast unwahrscheinlich großer Macht erfolgter Tod, der die atembenommene Welt vor ein Chaos zu stellen schien, löste nun beide Fragen zugleich wieder aus, rief den „herrschbegabtesten" 4 ) Papst mit dem Kaiseranspruch sowie den Weifen mit dem Kaiseranspruch zugleich auf die Bühne, ja verband sie vorläufig miteinander. Nun bedurfte auch die d e u t s c h s p r a c h i g e staufische Dichtung des politischen Ingeniums, damit es die gefährdeten imperialistischen Ansprüche seiner Herren so vertrete, wie sie einst zur Barbarossazeit die l a t e i n i s c h e staufische Dichtung vertreten hatte 5 ), und sie fand es in Walther. Der Kölner Mönch Gottfried erzählt in seinen Annalen die unheimliche Sage, wie in eben jenen Tagen der riesige Geist König Dietrichs von Bern auf schwarzem Rosse Spaziergängern an der Mosel erschien, vor Unglück und nahem Leid das römische Imperium warnend5). Es ist fast, als ob dies bange Vorgefühl, welches also das Volk der staufischen Landschaft durchzitterte, um sich in der Vision jener großen donauländischen Heldengestalt zu verdichten, auch unseren österreichischen Jüngling ergriffen und zu der riesigen klagenden, warnenden Erscheinung ausgeformt hätte, die er alsbald bedeuten sollte. Bedeuten sollte nicht indessen nur für das staufische Imperium, sondern für die gesamte, ihm damit eng verknüpfte höfische Kultur. Denn fortab durchdringen sich Politik und Kultur, geschichtlich spezialisiert in Kaiseridee und höfischem Rittertum, den beiden bewegenden Mächten der Zeit, gegenseitig in ihm, und diese gegenseitige Durchdringung wird zu einem Waltherschen Wesenszug. In diesem Individuum ist der objektive Geist der Stauferzeit nach beiden Richtungen hin seiner bewußter geworden als in den meisten seiner Zeitgenossen. Ja, in ihm hat er fast ein adäquates, mindestens aber ein repräsentierendes Bewußtsein erhalten. Freilich wissen wir ja auch, daß, wenn eine solche Erscheinung auftritt und der objektive Geist einer Epoche sich das große Individuum zu seiner Repräsentation endlich erliest, daß dann seine stärkste Kraft allemal schon im Schwinden ist und jegliche Klage, Warnung, Beschwörung zu spät kommt und notwendig verhallt. *

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Eine geheime Anziehungskraft verbindet Walthers Namen und die große Politik auch im 19. Jhdt. immer wieder, verbindet sie noch in unseren Tagen



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im Zusammenhang mit Südtirol. Aber das allgemeine moderne Waltherbild will dazu wenig passen. Düsseldorfer Romantik schuf 1889 Natters biedermeierisch weiches weißes Marmordenkmal des süß-verträumten, holdumlockten, wenig markanten Geigers von Bozen, dem man nicht zutrauen mag, daß er sich „des schavphen sanges ouch genieten" konnte. Die Standbilder zu Innsbruck 1877, zu Würzburg auf dem Frankoniabrunnen 1894 von F. v. Miller, zu Dux in Böhmen 1911 von Scholz, der Brendelsche Holzschnitt eines reitenden fiedelnden Wandervogels (1915), die Erdmannsche Radierung eines reitenden fiedelnden Pagen (1928), reizend sie alle in sich, waren doch nicht treffender als das Bozener Bild und blieben diesem geistig verwandt, trafen aber sicherlich das allgemeine moderne Waltherbild 7 ). Denn man sah ihn so unter dem Einfluß jener Jahre von 1822—1833, die seine wissenschaftliche Entdeckung, seine erste Biographie, seine erste Edition, seine erste Übersetzung rasch nacheinander brachten 8 ). Das 14. Jahrh. hatte ihn einst wohl treffender gesehen, als es ihn im Anschluß an die berühmte Eingangszeile des 1. Reichstonspruchs sitzend auf einem Stein mit der Gebärde tiefster Versonnenheit dargestellt hatte 9 ). Klug, sehr klug hatte noch Goldast zu Beginn des 17. Jahrh. den optimus vitiorum censor ac morum castigator acerrimus in Walther erkannt 10 ) und ein wahrerer Hauch seines Geistes hatte aus Goldasts Minnesingerproben noch Martin Opitz angeweht, obwohl er unseren Dichter lediglich mit „Keyser Philipses geheimen rahte" bezeichnete 11 ). Das hohe Mittelalter hatte ihn freilich auch im Bilde der Singschulen und der Meister als den Stifter der edlen Singkunst gesehen, an der Spitze der zwölf hingegangenen großen Sangesmeister, aus deren Garten man sich Blümlein lesen möge, um sie selber anzupflanzen, als den berühmten Streiter im Sängerkrieg auf der Wartburg. Und dies an sich schon biedermeierische Bild lebte nun neu bei Uhland, Walthers erstem Biographen, und seinen Zeitgenossen auf 12 ). Wir bedienen uns in den jetzt folgenden Sätzen a u s s c h l i e ß l i c h und d u r c h a u s Uhlandscher Wendungen, um das gangbare Waltherbild damit zu zeichnen13). Da ist Walther der fahrende Sänger mit der Geige, mit dem weichen milden ängstlichen zartfühlenden Innern, behutsam und rührend, der seine farbenglänzenden und anmutigen Lieder, seine wohllautenden Gesänge mit den schönen und mannigfaltigen Formen zu Hof und an der Straße ertönen läßt, der im Betrieb der Höfe und im begehrlichen Werben nach Gunst und Gabe doch das Höhere nicht aus den Augen setzt, sich freien Blick und würdigen Sinn erhält. Frühzeitig lenkt er den Sinn auf die Nichtigkeit der irdischen Dinge und gelangt mit vorrückendem Alter immer mehr in das Gebiet ernster und frommer Betrachtung. Seine gedrückte Lage hat ihn eingeschüchtert und er lebt sein wahrstes Leben nur in der Einsamkeit und Heimlichkeit des Gemütes. Schließlich aber r ü h r e n s e i n e L i e d e r des K ö n i g s H e r z , so daß er ihm seinen Wunsch erfüllt, aber zuletzt schwindet ihm das Irdische, „wie beim Sinken der Sonne die Täler sich in Schatten hüllen und bald nur noch die höchsten Gipfel beleuchtet stehen". Sagt Uhland — oder sollten wir nicht meinen, der Freiherr von Riesach aus Stifters „Nach-



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sommer", äußerster und feinster Exponent der Biedermeierzeit, wie wir seit kurzem wissen, selber spräche so ? Ist nicht Wortlaut wie Vorstellung gleich biedermeierisch, wenn Uhland den Frohsinn Walthers und seinen Satz „Niemand taugt ohne Freude" ableiten will aus der w o h l g e o r d n e t e n Bes c h a f f e n h e i t des G e m ü t e s ? Oder ist es wieder der Freiherr von Riesach, der sich dahin äußert, daß Walther das jugendlich spielende Lied zu edler Männlichkeit gekräftigt habe; auch habe er von der Minne im allgemeinen einen hohen Begriff, wiewohl r e c h t m u t w i l l i g e Lieder daneben stünden. Und ist es nicht der Uhlandsche Liberalismus, der immer wieder Walthers „freimütige Äußerungen gegen die Priesterherrschaft" hervorzieht, worin er sich mit Friedrich finde, auf dessen Seite sonst nicht eben das Banner der Freiheit wehe, weil er zum Beispiel die aufstrebende Kraft der oberitalischen Freistaaten bekämpfte; wenn er Walthern zu Friedrichs a u f g e k l ä r t e n Anhängern rechnet, die ihn dennoch im W a h n der Zeit zum Kreuzzug drängten; wenn er die frommen Wendungen der Engelbertstropfen ironisch versteht; wenn er mit dem „seltsamen" Angriff auf die trägen Engel nichts anzufangen weiß und wenn er die imperiale staufische Haltung Walthers so stark mit der vaterländischen verwechselt? Die Vaterlandsliebe sei die Seele eines bedeutenden Teiles seiner Dichtungen und sie sei das edle Gefühl, das ihn zu der lebhaftsten Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten überall erregte. Ihm gebühre unter den altdeutschen Sängern vorzugsweise der Name des Vaterländischen14). — Hier ist es, wo Uhland vor allem im Bilde Walthers sein eigenes sah15). Die schöne Legende von Walthers testamentarischer Bestimmung, an seinem Grabe im Lusam- oder Lorenzgärtlein zu Würzburg den Vögeln Weizenkorn und Trank zu geben, beschließt Uhlands Waltherbiographie. Sie eben rührte wiederum so recht das hegende, pflegende, sammelnde Herz der Biedermeierzeit und eben sie ist es auch, die — im Verein mit dem Bilde „Walther und die kleinen Vöglein" überhaupt — in schier zahllosen lyrischen Gedichten von Joh. Gabr. Seidl 1843, Paul Friedrich Walther 1843, G. J. Keller 1843, Christ. Schneller 1849, J. F. Freiholz 1850, Aug. Langbein 1853, A. Kaufmann 1853, Aug. Stöber 1853, Jos. Vict. v. Scheffel 1865, F. A. Muth 1870, Felix Dahn, Edw. Samhaber, Herrn. Rollet, Karl Zettel (diese in den 80er Jahren) bis zu Longfellow hinüber, dessen Gedicht wiederum Justinus Kerner ins Deutsche übersetzte, fortdauernd die poetische Verklärung des 19. Jahrh. fand16). Indem Konrad Burdach auf das Geschichtliche drang, hat er die Bahn zu einem neuen Waltherbild freigemacht. Er verwarf hauptsächlich jene mythischen Vorstellungen, die Walthers vermeintlich national-amtliche und reformatorisch-freigeistige Haltung betrafen und welche sich offenbar zur Zeit von Bismarcks Kulturkampf aus den Uhlandschen Keimen mehr und mehr herausgebildet hatten, aber er verdrängte im Grunde das geistige, biedermeierisch-pseudoromantische Waltherbild nicht, die Vorstellung vom sonnigen Temperament, vom sonntäglichen Mensch —• es sind wohlgemerkt jetzt Burdachsche Wendungen, die wir hier gebrauchen17) —, vom neckischen Humor



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des anmutigen, schalkhaften, ganzen vollen warmen Menschen, dem die Zunge oft durchgeht mit der Besonnenheit (!), vom naiven Naturkind der Poesie (!), das ganz und gar nichts Dämonisches oder Titanisches an sich habe; das ebenso beliebte wie peinliche Bild vom fröhlichen Vagant und ritterlichen Konzertsänger verdrängte Burdach nicht. Aber indem doch Burdach das Staufertum selbst, mit dem er Walthern richtiger verband als mit dem Vaterlande, nicht mehr in der Düsseldorfisch-Giesebrechtschen biedermeierischen Romantik des 19. Jahrh. sah, sondern in jenem klaren großen einfachen Glänze, der ihm zukommt, fiel davon auch auf Walther selber ein gebührender Teil, der in Friedrich Neumanns wiederholten Arbeiten über Walther womöglich noch sichtbarer ward. Aus der philologisch-historischen Einzelinterpretation Burdachs, Wilmanns', Michels', Ehrismanns, Karls v. Kraus, Neumanns, Halbachs 18 ) erwachte allmählich eine neue Gestalt. Und eine höhere Formgebung war damit auch für dieses Thema angebahnt 19 ). Lassen Sie sie uns zusammen hier versuchen! •

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Eine neue Deutung von Walthers geistiger Struktur, die sowohl den ungeheuren ideellen und staatlichen Spannungen seiner Zeit wie der großen geistigen Restauration gemäß ist, in der wir uns nach Hofmannsthals Vermächtnis heute wieder befinden, möge da einsetzen, wo sein größtes menschliches Erlebnis liegen muß: bei seinem Eindringen in den kaiserlichen Raum, in die staufische Sphäre, in den Machtkreis der Kaiseridee, bei der unmittelbaren Berührung mit den drei nächsten Herren des Imperiums selbst: Philipp, Otto, Friedrich, kurzum bei der persönlichen Berührung mit dem „Kaiser". Hiermit verbindet sich ihm die Erfindung und die jedesmal erneute Beschwörung jener geheimnisvollen Figur, die er seinen Klausner nennt. Hier sind wir jedenfalls nahe am Zentrum seines Erlebens und Wesens, denn hier stoßen wir auf eine in ihm fortan nun immer wache Spannung und Sorge, welche das Kaisererlebnis in ihm ausgelöst und zu jener heiligen und beruhigenden Gestalt verdichtet hat. Hatte der Jüngling bisher schon im Wiener Minnelied der höfischen Idee gedient als der k u l t u r e l l e n Signatur seiner Zeit, die eine religiös kirchliche Spannung a l l e i n nicht mehr hervorrufen konnte, weil sie völlig mit Religion und Kirche ausgesöhnt war, so ordnet sich dem schneller Reifenden nun diese höfische Idee leicht und glatt ein in die h i s t o r i s c h - p o l i t i s c h e Zeitsignatur. Dem aus dem wünneclichen Wiener Idyll plötzlich an den Pulsschlag der Welt Entführten verbinden sich höfische Idee und staufisches Kaisertum auf drei Jahrzehnte unlösbar und eben diese Verbindung gibt seiner Dichtung fortab ihr besonderes Gepräge, aber sie eben verursacht ihm auch, wegen der Spannung zwischen Kirche und Kaisertum, jene niemals ganz beschwichtigte Beunruhigung über die Vereinbarkeit mit der kirchlichchristlichen Idee. Und aus dieser Beunruhigung gebar sich ihm die Figur des Klausners, der ihm die arme, heilige Kirche verkörpert, die Urkirche, wie sie vor der konstantinischen Schenkung war, unberührt von dem Irdischen und von



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den politischen Händeln der Welt. Und nur in solcher idealen, fast franziskanischen Form erscheint ihm dann auch die Kirche vereinbar mit der großen Synthesis von höfischer Idee und staufischem Kaisertum. Eben mit diesem Gesamterlebnis wendet sich sein Minnelied zum Zeitgedicht, das ihm alsbald die Aufnahme in die familia des Königs Philipp bescheerte20). Denn in den Dichter hatte sich nun ein tiefes Verantwortungsgefühl für die Vereinbarkeit der drei großen Mächte eingesenkt. Von einem frühen und in Deutschland überhaupt seltenen Beispiel wahrhafter Politisierung des Geistes kann fortab bei ihm gesprochen werden. Die ideelle Energie des Staufertums, die beim Betreten des staufischen Raumes in ihm lebendig ward, schlug aus ihm das Zeitgedicht hervor und stellte es neben sein Minnelied. Bis zu einem erstaunlichen und fast mythischen Grade von Realität verdichtete sich ihm und, wie wir aus der Art des Wiederzitierens schließen können, auch seinem Publikum jene dreimal beschworene Gestalt des Klausners. Kein anderes Erlebnis, keine andere Begegnung, keine andere Sorge hat einen solchen Mythos aus ihm geboren. Es war ein Vorgarg, dem vergleichbar, der jenen Spaziergängern an der Mosel das Gesicht Dietrichs von Bern heraufbeschwor und ihnen alten Mythos dergestalt neu objektivierte, nur daß unserem Dichter mit der Hartnäckigkeit eines öfter geträumten Traumes sein neuer Mythos, das Gesicht des Klausners, immer wieder und wieder erschien. Den Kampf sieht der ritterliche Dichter zwar einbezogen in den Plan der Welt, sämtliche Reiche der Natur kennen ihn, aber sie haben ihren einen Herrn, ihre Gliederung, ihr starkes Gericht. Nur im Römischen Reich deutscher Nation fehlt die feste gottgewollte Ordnung der Dinge. Die fremden abendländischen Vasallenkönige sind zu kühn. Philipp allein soll Träger der Weltmacht, Ordnung und Gliederung sein21). — Philipp allein besitzt die echten Insignia des Reichs, die uralte Krone, die sich seinem prädestinierten Haupte wundersam fügt. Wer das Symbol besitzt, besitzt auch das Charisma und die Würde. Die deutschen Fürsten mögen wissen, es sitze ein Stein in der Krone, der Waise, der schon einmal einen des Reiches irregehenden Fürsten, Herzogen Ernst, zurückgeleitet hat von gefährlicher Bahn. — Das Bild des königlichen Kirchganges vom Magdeburger Weihnachtsfest 1199 soll man wie einen sakralen Akt empfangen und er fängt es in Verse von unübertrefflich feierlicher religiösester Weihe ein. In König Philipp, Kaisers Bruder, Kaisers Sohn und in der jungen Königin aus Griechenland soll man symbolhaft die göttliche Trinität mitsamt der Himmelskönigin einherziehen sehen. In fast priesterlicher Haltung hält er allen Zögernden und Zaudernden dies Bild vor Augen: Philipp ist von Gott gewollt, in ihm dem einen offenbart sich die heilige Dreiheit. Die Fürsten dienen wie Ministranten bei der Messe und zum Dienst verpflichtet. Walther hilft früh, über das staufische Haus, die caesarea stirps, den sakralen Glanz jener göttlichen Erlauchtheit zu breiten, die freilich schon Barbarossa begünstigte, in die es dann aber vor allem Freidrich II. fast frevelhaft erhob22). — Aber mit der schönen erlauchten Erscheinung allein ist der schlimmen Welt nicht genüge getan. Bürgerkrieg tobt, „Friede und Recht", die nach-



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her geradezu göttlich verehrten, personifizierten Grundlagen der staatlichen Ordnung liegen wund, Untreue herrscht heimlich, offen Gewalt. Die höfische Kultur ist aufs schwerste bedroht in der erprobten Dreiheit, ihres Grundes: Gottes Huld, ritterliche Ehre, irdisches Gut 23 ). Mehr als nur politisch ist der Dichter in all diesen Sprüchen, mehr als auch nur deutsch; sie reichen weit über diese Grenzen hinaus und wenden sich an die gesamte höfische Welt des Abendlandes, ihr die Augen darüber zu öffnen, daß ihre Existenz zugleich mit der des Reiches auf dem Spiele steht. Wo aber ist der Quell alles Übels ? — Wer derart das Charisma beim staufischen Kaisertum sieht, erteilt die Antwort im Sinne der staufischen Reichskanzlei, und doch greift Walthers Antwort geistig und kulturell zugleich wieder tiefer. Rom und die Kirche mischen sich zu Unrecht in die Händel der Welt. Mit der konstantmischen Schenkung ist ein Gift auf die Kirche gefallen, nun greift sie frech in die Kaiserwahl. Der allzu junge Papst will selber der Caesar und Dominus mundi sein. Die frei erfundene Gestalt jenes Klausners zum erstenmal, die verkörperte Urkirche, dazu die legendäre Gestalt eines Engels werden beschworen und rufen ihr klagendes Wehe hinter der alten idealen Christenheit her, die sie bedeuten 24 ). Aber der erzieherische Wille des jungen Dichters macht nicht halt vor den Vasallenkönigen und vor dem Papst, er begnügt sich nicht mit den deutschen Fürsten. Das edel-archaische laute prassende Starostentreiben des Thüringer Landgrafenhofes bekommt nach erstem Besuch eine teils erstaunte, teils mutwillige, teils unwillige Rüge, die sich schärfer alsbald anderen Höfen gegenüber wiederholt. In Kärnten werden Verleumder unter den Höflingen scharf angegriffen; österreichischer Adel wird hart angefaßt; der von Katzenellenbogen muß erfahren was sich geziemt; den Markgrafen von Meißen wird der Dichter später schroff und kühl als Lügner und Betrüger fallen lassen; so nennt er Leopold seinen höfischen Trost und gibt seinem Verhalten beispielhafte Bedeutung, um dann den Wiener Hof, einst künec Artüses hof, zu tadeln wegen Verfalls und entschwundener Freude 15 ). Einmal wendet er sich an die Fürsten mit einem Spruch, der ihnen die 17 Tugenden, die sie haben sollen, einschmiedet mit unerhörter Erziehungsgewalt, ernsthafter und befehlender als sonstige mittelalterliche Fürstenspiegel 26 ). Das betrifft die Fürsten: — aber nun eben wagt sich der erzieherische Wille auch an die erlauchte und begnadete Erscheinung selbst heran, er erzieht den König, er lehrt ihn königliche milte — vermutlich die vom Gegenkönig versprochenen Schenkungen und Lehen zu gewähren —, die hochherzige Freigebigkeit Saladins, Richards, Alexanders, jene Herrentugend, die bis zum Grade der Verschwendung seit Stauferzeit und im Sinne der höfischen Idee wieder zum Bilde vollkommener Königswürde gehörte 27 ). Da er sich über die Fürsten erhebt, hat er nun längst den Landgrafen hervorgezogen und als Vorbild steter unentwegter fürstlicher milte aufgestellt; denn so erschien ihm bei erneutem Besuch, was er früher an ihm seine große Lebensart genannt hat. Das Getriebe des Thüringer Hofes selbst tadelt der feiner



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gebildete Süddeutsche weiter; er lehrt den Fürsten, den er mit einem Gärtner vergleicht, er tadelt die Gecken, er führt Krieg mit einzelnen der Gecken und steigert sich dabei bis ins Grobe und Derbe 28 ). Er wechselt damit nicht die Partei, er verläßt nicht Philipp, wenn er zu Hermann geht; vielmehr ist dieser zu Philipp hinübergewechselt. Der erzieherische Wille setzt gegenüber Philipp nicht aus. Der Dichter ist kaiserlicher als der König selbst. Er wird schonungslos und fast seherisch in der Kritik und kümmert sich nicht im geringsten um des Königs etwa verletztes Gefühl 29 ). Und als der erzieherische Wille hier offenbar scheitert, erkalten die Beziehungen Walthers zu Philipp so rasch, wie sie aufgeglüht sind, und so völlig, daß bei des Königs Ermordung 1208, die er unwillentlich seherisch vorwegnahm, indem er auf das gleiche Schicksal des byzantinischen Kaisers wies, auch nicht ein Vers über seine Lippen kommt. Er wechselte auch die Partei des Kaisers nicht, wenn er nach Philipps Tod in Otto das Heil sah. Der Weife selber wechselte die Partei. Staufischer als bei den Staufern selbst ward alsbald die Reichspolitik des Weifen. Um so überlebensgroßer wird das Kaiserbild, in das Walther den von Rom Heimkehrenden einfügen will. Er will den drohenden Verrat der Fürsten nicht sehen; zwar nicht im Einklang mit dem wirklichen Sachverhalt, aber dennoch nicht in bewußter Unwahrheit, sondern eine Norm aufstellend, will er die Fürsten 4

mit seinen Versen gleichsam zwingen, engelrein und mit Züchten des Kaisers gewartet zu haben. Ein Herrentum mit schonungsloser Wiederherstellung der Ordnung daheim, des Friedens in der Welt, des Kreuzzuges, der mitte, der Kraft fordert er vom Kaiser. Ja, der Dichter sieht sich in völlig unerhörten Versen selbst als den Boten Gottes; unmittelbar von Gott, aber durch ihn den Dichter, empfängt der Kaiser die Botschaft von der Weltvogtei, so etwa wie mit Kaiser Karl einst der himmlische Bote Gottes verkehrte 30 ). Mit Hohn, Geist, Wissen wird rücksichtslos der zweizüngige, boshafte, trügerische, gewinnsüchtige, prassende, unlogische Papst verworfen, der sich und die Welt zugrunde richtet, den Unglauben mehrt, Kreuzfahrerfrömmigkeit heuchelt, Abbild fast des Antichrist, ein zweiter Simon Magus, ein zweiter Zauberer Gerbert, ein neuer Judas. Maßlos scharf leidenschaftlich blind formt Walther ein Zerrbild aus Innozenz III., der ja in Wirklichkeit vielmehr mit höchster Weihe und Würde, dem Dichter geistig keineswegs unverwandt, die Idee des Caesarenamtes, freilich für sich selbst, vielmehr für den „Papst", im Sinne eines kirchlichen Universalismus verfocht. Weil er ihn niemals selber gesehen hat, kann sich Walther dies Zerrbild formen; Thomasin von Zirclaria trifft schon das rechte, wenn er sagt: der in nie gesach, spricht über al / daz im der bäbst nicht wol gevall und warnt dar umbe tiuwerre sin. Walthers Ungerechtigkeit — nerrescheit nennt es Thomasin — ist zweifellos, aber wichtiger ist für uns allein die erzieherische Vehemenz, die sich — wie auch Thomasin erkennt •— unter eigenem Gesetze weiß und der ganzen Welt das Gesetz des eigenen Willens aufzwingen möchte, ja sich geradezu berufen glaubt, das Papsttum als Institution vor dem unpäpstlichen Papst in Schutz zu nehmen 31 ).



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Die Wiederbeschwörung des Klausners setzt dabei voraus, daß diese Figur inzwischen zu Ruhm und Wirkung gelangt ist; er zitiert ihn fortab wie einen, den jedermann kennt. Aber wie Walther den Papst verkennt, verkennt er den Kaiser. Denn dies Kaiserbild, für das er die stolzen und sakralen Maße gleichsam von Heinrich VI. und von Friedrich Barbarossa entleiht, weil er mit ihnen aufgewachsen war, in deren einem er die weltumspannende Weite des Reichs, in deren anderem er die lebendige Einheit von Kaisertum und höfischem Sinn miterlebt hatte, weswegen sich eben diese Sphären in seinem Bewußtsein unzertrennlich verbanden, — dies Kaiserbild war zu erhaben und zu mythisch groß, als daß es Otto ausfüllen konnte, ein Riesenbild an Kaiserherrlichkeit: Gottes Weltvogtei, Löwensinn und Adler-milte seinen kaiserlichen Wappentieren gemäß, Weltfriede, Versühnung der ganzen Christenheit. Der P a p s t hatte gerade in diesen Punkten das Versagen Ottos gesehen, wo Walther das Erfüllen nicht sah, sondern sehen w o l l t e . Aber der Name Ottos ist bei dieser Idee vom grenzenlosen Cäsarentum fast belanglos geworden. Walther feiert überhaupt nur noch die Idee, nicht mehr die Person. Die Person wird er fallen lassen, höhnisch und gnadenlos, sobald auch er sehen wird, daß sie, wortbrüchig und miltelos, den Begriff nicht erfüllt 32 ). Aber in genau so unerhörte Höhe rückt er sich selbst, seherisch, erzengelhaft: ich bin der Bote des Herrn: Her kaiser, ich bin fronebote und bring iu boteschaft von gote: ir habt die erde, er hdt daz himelriche . . . . Hinter allem steht die beständige Sorge um Reich und Kultur, Religion und Kirche. Böse bitter schonungslos grausam ist der Spott, mit dem er den als unzulänglich erkannten Weltvogt verwirft. In schier unchristlicher Beichte gibt dieser neue Erzpoet eine offene, ehrliche Begründung seines Abfalls. Seinem Wesen und seiner Idee blieb er treu und hat nur beides wie in Besessenheit gesteigert, — bis ihm sein Glück die realisierte Idee, das Angesicht des wahren Kaisers in Friedrich II. bescheerte, der ihm seinerseits seine lange gestellten Forderungen und Ansprüche erfüllte und sich eben damit dem Dichter für immer als wahren Kaiser bewies33). Es bereitet Genugtuung und Freude, zu wissen, daß diese zwei großen Söhne unserer größten Zeit, der Kosmokrator und sein erzengelhafter Wegbereiter, einig waren und sich in solcher Einigkeit persönlich berührten; daß sich Walther unter die amici Caesaris rechnen darf, daß der Kaiser noch aus Italien diesen seinen besonderen Lehnsmann mit einem kostbaren Geschenk bedenkt; und noch immer besteht ja auch die Möglichkeit, daß Walther mit auf Friedrichs Kreuzzug war und so die „letzte Stufe der Weltherrschaft" mit ihm beschritt 34 ). Auch dieser neue Erzpoet hat sein besonderes Vertrauensverhältnis zum Kölner Erzbischof und Reichsverweser des Kaisers, zu Engelbert, wie es einst der alte Erzpoet zu Reinald von Dassel, dem Archicancellarius Friderici Caesaris Barbarossas und Electus Coloniae, hatte. Strenges Gericht und milte bleiben es, was er von den Fürsten fordert, was er an Engelbert findet. Kaisers



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Ehrentrost, Fürstenmeister nennt er den gestrengen Kanzler, den er zugleich in frommem Ernst als drier künege und einlif tüsent megde kamercere feiert. Drohungen seiner Neider schlage dieser echte starke gubernator regni getrost in den Wind. — Aber diese Drohungen, die Walther nicht hören oder die er mit seiner Richtschnur, seiner Normgebung erdrosseln wollte, waren nicht leer gewesen, und als der Mord des Kölners, welchen er also unwillentlich preisgab, erfolgte, da findet er jetzt zwar die schaudernden und furchtbaren Worte, die ihm bei Philipps Ermordung versagt gewesen, aber in ihnen zugleich nicht die Strafart, die schrecklich genug wäre, das Verbrechen zu sühnen. Mit diesem seit der Heptade gegen Innozenz glutvollsten Spruch mag er die Erregung gegen den Mörder, Friedrich von Isenburg, sicherlich auf höchste gesteigert haben. Fast allzu grausig möchte es erscheinen, daß in der Tat beinahe alle Strafen, die Walther ohne Genüge zu finden aufzählt, nach Jahr und Tag an dem unseligen Grafen vollzogen wurden 35 ). Zum dritten Male beschwört er den Klausner gegen die reiche, mächtige, verweltlichte Kirche und den feindlichen Papst, und der Klausner erhebt hier geradezu, sehr viel späteren Gedanken der kaiserlichen Kanzlei früh vorausgreifend, die Forderung nach Säkularisation der Kirche, die abermals mit ihren Mitteln Wirrnis in der Weltlichkeit stifte; er heischt vom Kaiser Sonderung der Reichstreuen unter den Klerikern von den feindlich Gesinnten. Jetzt war offenbar die einprägsame Gestalt des Klausners so berühmt geworden, daß bei der bloßen Nennung schon die Wirkung auf die Hörer sicher stand. 38 ) Wieder fordert er den Kreuzzug und die Krone Jerusalems als letzte höchste Weihe für den christlichen Weltkaiser 37 ). Den jungen Landgrafen Ludwig, den Gemahl Elisabeths, sendet er auf die tödliche Fahrt und zerstört damit eine Ehe, die zu den zartesten Erscheinungen der Zeit gehört hatte, indem sie Eheliebe und hohe Minne verband; er veranlaßte damit einen Abschied, dessen rührende Schmerzlichkeit Chronik und volkstümliches Lied noch lange festgehalten haben 38 ). Über Heinrich VII., den zuchtlosen Jüngling, den selbwachsenen Knaben, schwingt er die Rute, bricht er den Stab in zornig-unerhörten Versen, jagt ihn sicherlich damit nur weiter auf die abschüssige Bahn 39 ). Genau drei Jahrzehnte sind es jetzt her, daß der Dichter diese grandiose und unerbittliche Haltung inne gehabt hat. Sie war das stählerne Gerüst seines Lebens, Wesens, Dichtens geworden. Und indem ein paar Jahre später der abschiednehmende Greis zurückgreift über die Philippszeit auf seine Lehrund Jugendjahre in Wien, rechnet er selbst gar v i e r Jahrzehnte seines Dichtens, vielmehr seiner erzieherischen Haltung im Dichten heraus, selber diese einbeziehend mit den Worten: wol vierzec jär hab ich gesungen oder me von minnen und als iemen sol (66, 27). Um Kirche, Kultur, Gesellschaft und Welt wie um der höfischen Ideen große Gegenstände wird er schließlich sein Kämpfen als vergeblich empfinden; desto sakraler leuchtet ihm das Imperium und dessen erhabener, trotz Bannfluch ihm fest bewiesener Caesar. Nationalgefühl, eben um diese Zeit im Abend-



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lande langsam erwachend, trägt in den Imperialismus dieses Sensitiven freilich schon ein Spannungsmoment, allerdings nur ein ganz leichtes, hinein. Das Sittliche ist es wieder, worin er auch das Nationale in erster Linie begreift: tiuschiu zuht gdt vor in allen. Er ist nicht der Dichter des Vaterlands, er ist der Dichter des Reichs. Wie kann er der Dichter eines Begriffs sein, den es noch gar nicht voll gibt und an dessen Heraufführung ihm nicht gelegen sein konnte ? Er ist der Dichter des K a i s e r s , — vorausgesetzt freilich, daß der Kaiser ein Deutscher war40). *

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Aber so sinnbeschwert, so von Grund auf erzieherisch ist auch, er sagt es selbst, von Anfang an all seine übrige Dichtung — erzieherischer als die an sich schon fast ganz auf Erziehung eingestellte höfische Dichtung überhaupt —, so sinnbeschwert, daß es uns Nachfahren Mühe bereitet, einzusehen, wie neben solcher Sinnbeschwerung die melodisch-musikalische Form noch zur Geltung kam oder umgekehrt neben der Musik der Form noch der Sinn. Indessen zu jener uns fremden Zeit einer reinen Formkultur bedingten sich Inhalt und Form, gelangten in-, an- und durcheinander erst zu Dasein und Leben, und so also mußte, je höher Walthers Dichtung in Form und Musik stand, desto erzieherisch-einprägsamer ihr Sinn sein. Wollte man etwa einen Dichter wie Hartmann von Aue mit Walther auf ihre erzieherische Substanz hin vergleichen, so möchte man zunächst vielleicht glauben, daß Hartmann viel erzieherischer und begrifflicher in seiner Lyrik als Walther sei. Aber das ließe sich so, bei genauerem Zusehen, überraschenderweise schwerlich halten und wir wollen dies mit einer kleinen Probe belegen. Sie haben beide in jungen Jahren ein Gedicht über die Beständigkeit, die sittliche Festigkeit und Beharrlichkeit in der Minne verfaßt, ein siceie-Spiel. Wir wollen daran untersuchen, wie es sich mit der Verteilung des Erzieherischen zwischen beiden in Wirklichkeit verhält. Der Gedankengang von Hartmanns Lied ist so: Was geschehen soll, geschieht ; aber man soll nicht aufhören, das Beste zu hoffen. Durch eigene Schuld, weil ich unstet war, habe ich das Glück in der Liebe einer steten Frau verscherzt. Aber durch erneute unverbrüchliche meisterhafte Stete werde ich es wiedergewinnen; es tut mir gut, daß ich dies endlich lerne (MF. 211, 27). Lehrhaft und beispielhaft gewiß genug! Der junge Walther singt so: Stete, wenn nicht die Liebe hinzukommt, ist Mühsal und Not. Bewahrt sie ein Erhörter, das ist keine Kunst. Unerhört, wie ich bisher, stet zu sein, will eher etwas heißen. Erhöre mich, damit ich nicht mit meiner Stete der Spott der falschen Minner werde. Ich habe alles auf dich gesetzt und trage den langen Kummer. Laß mich also dessen genießen, daß ich so richtig höfisch dir diene (L. 96, 25). Die Worte dieses geradezu romanhaften Gedankenganges könnten manchem höfischen Romanheld, wie etwa Moriz von Craun, in den Mund gelegt werden. Paradigmata wahrer Stete sind beide Gedichte, aber wieviel beispielhafter und wirkender ist das Walthersche. Der Liebende hat alle Formen erfüllt in langem treuen Dienst. Die Dame steht in keiner anderen als nur ihrer eigenen Tugendhut. Höfisch muß sich zu höfisch finden und erfüllen. Wie mit einer



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leichten Wendung gegen Hartmann betont Walther seine ununterbrochene Stete, ununterbrochen auch wenn der Lohn ausbleibt (mit dem Hartmann so hoffnungsfreudig offenbar rechnet), wenn sie nichts als Mühsal und Arbeit ist, vielleicht kein honestum, jedenfalls kein reines Glück. Hartmann hält sie unproblematisch für beides. Ihm brachte nur die Unstete schlimme Tage; nimmt er erneut Stete an, so wird sich automatisch auch die Gnade wieder einstellen wie Inhalt zu Form. Hartmann klingt lehrhafter, ist pedantischer, scheint ganz persönliche Erfahrung zu behandeln, ein Erlebnis seiner Unstete, der er letzte tiefe Beispielhaftigkeit doch nicht zu geben vermag. Er beleuchtet nur das eigene Innere; es ist und bleibt nur ein Stück Autobiographie, das ein Lehrer etwas allzu deutlich zu einem Schulbeispiel benutzt. — Waithern mußte dies Hartmannsche Lied schon primitiv und unhöfisch erscheinen. Walther klingt liedhafter, läßt sich nahezu unpersönlich erscheinen und gibt geradezu unmerkbar seine programmatischen Aufstellungen für die ihm schon komplizierter sich darstellende höfische Welt. In Wahrheit ist er der Lehrer, der seinem Übungsstück ein scholastisches Geschmäcklein gibt, indem er (von dem ganz unmöglichen) Gegensatz ausgeht, daß nämlich Stete überhaupt kein honestum sei, sondern nur „ein angest und ein not". Das aber war eine unmittelbar vom Gegenteil überzeugenden These. „Bewahrt sie ein Erhörter, das ist keine Kunst" hebt mehr als Hartmanns vorübergehende Unstete, die hier überhaupt nicht mehr in Frage kommt, die zentrale Lehre in den Versen „dem an stcete nie getane, ob man den in stcete siht, seht, des stcete ist lüter gar" heraus. Und zu viel erzieherischerer Wirkung gießt er sein Lehrstück in die viel liedhaftere Form. Sinn und Wille dieser seiner Lyrik kreisen fast ausschließlich um die Erziehung zu den höfischen Idealen, zu der feineren Ethik des Standes. Sie kreisen um den ganzen geistigen Bereich ritterlich höfischen Lebens mit dem gleich heftigen Willen zur Normgebung hier wie auf politischem Gebiet. So wird er zum Zuchtmeister, der das Leben der Höfe mit unbestechlichem Sinn ohne Einräumungen prüft. Aber der Dichter hat die drei Jahrzehnte hindurch in kurzen Sprüchen auch Tafeln aus Erz errichtet, auf denen er auch die groben Regeln elementarster Gesittung eingrub, spervogelhaft, die gröbere Ethik des Rittertums in einem Kampf gegen das Untere, wo das Ungesittete noch immer und immer wieder bedenklich nahe lag. Wie mit Keulenschlägen lehrt er über Maße und Unmaße das Gröbste am Beispiel des Trunks, das Gröbste im Verhältnis von Seele zu Welt, von Armut und Reichtum. Wie granitne Blöcke stellt er Sprüche über Selbstbeherrschung, Selbstüberschätzung, Feilheit, gleißnerisches Lachen, Treue und Falschheit,Trügerischkeit der Herren, gewissen Freund und erprobtes Schwert in seine so fein sich dünkende Zeit. Wie die Sechs im Würfelspiele keine Sieben sein soll, so soll man die verbindlich gesetzte Ordnung der Geschlechter, Stände, Lebensalter achten; Mannweiber und weibische Männer, pfäffische Ritter und streitbare Pfaffen, Junge, die sich wie Alte gebärden, Alte, die mit Gewalt jung sein wollen, scheucht er in ihre Schranken zurück, d. h. Leute, die in einem falschen Gemütszustand leben,



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der ihrem Genus, Gradus oder Alter nicht entspricht 41 ). Kühn und freigebig, stark und gütig, charakterfest und unentwegt im Ziel sei der Mann und ins Innere soll er lernen zu sehen, äußere Schönheit macht männliche Ehre nicht aus. Die nackten Verbrechen der groben Sündenklagen Mord, Brand, Wucher, Neid, Haß, Gier setzt der Dichter wie Ächter und Wegelagerer an die Straße der Seele zum Jenseits. Und so wird er nicht müde, gegen den Ansturm von unten der tumben Welt auch immer wieder das Elementarste zu sagen, damit die Grundlage bleibe42). Messen wir ihn aber an den feineren Tugenden und Idealen des höfischen Systems, dem er unablässig dient, um es auszubilden, zu retten und zu erhalten ! Gottes Huld, ritterliche Ehre und irdische Glücksgüter, die drei Wertgebiete, auf deren stoischer Vereinbarkeit alles beruht, nennt gerade er in klassischen und viel zitierten Versen mehrfach untrennbar in e i n e m Atemzug. Aber er sieht sie in ihrer Geltung und Möglichkeit bedroht in den Zeiten der politischen Wirrnis. Stets erschaut er diese ständisch-höfischen Ideale in engster Beziehung zum Bestände des Reichs, worin seine Eigentümlichkeit beruht. Kaisers höchster Ratgeber darf sein, wer diese drei Wertgebiete zu besitzen lehrt. Den irdischen Glücksgütern, dem Utile, darf man sich natürlich nur insoweit verpflichten, als die beiden höheren Wertgebiete nicht beeinträchtigt werden; sie gehen über Leben und selbst über WTeib und Kind. Und hier begegnet uns des Dichters große unbedingte Geste, die nach der fast erschreckenden, rücksichtslos fordernden Formel Christi greift: der wise minnet niht só sére, alsam die gotes hulde und ere: sin selbes Up, wip unde kint, diu lät er é er disiu zwei Verliese, die äußerste, rücksichtsloseste und zugleich religiöseste Formulierung, die Schildesamt und höfische Kultur für ihre beiden obersten, von Heim und Scholle wegziehenden Pflichten je gefunden haben. Und wie der Religionsstifter erklärt, daß ein reicher Mann nicht in das Himmelreich komme, so erklärt Walther, daß ein reicher Mann, der nicht nach den beiden oberen Wertgebieten, dem summum bonum und dem honestum, ringe, nichts tauge. So kann denn in dieser Trias der Wertgebiete sich das Utile in den wünneclichen Wiener Hof verwandeln, das Honestum sich in sein Korrelat, die hohe Minne; für Gott aber ist ein Korrelat nicht möglich, denn seine Gnade ist das unwandelbare höchste Gut, der zweier überguide*3). Doch sieht er den süßen, höfischen Gott als den himmlischen Kaiser, dessen getreuer Kämmerer, Hirte, Richter der Papst sein sollte, der statt dessen das schwarze Buch des Höllenmoors liest. Maria ist ganz hochgelobte süße gnädige Dame, Königin der Engel, deren kleiner feiner Leib einst mit süßer Keuschheit den Leib des Herrn umfing. In fürstlichem Hofhalt sieht er den Herrn und seine Mutter, und so kann er auch diesen Hof dem Urteil unterwerfen, das er über fürstliche Höfe sich anmaßt und so eben greift sein erzieherisch fordernder Zorn selbst die Erzengel wie träge Vasallen an, die sich um Heidenkampf und heiliges Land nicht kümmern, ohne Ironie und in ernstem Zorn, wo doch ihm und seiner Welt die Engel kein dichterisches Spielwerk bedeuteten sondern eine große Realität, an die mit strengem Wort sich zu H a n s N a u m a n n , Das Bild Walthers von der Vogelweide

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wenden kein müßiges Geschäft bedeutet. Wie Gabriel des heiligen Kindleins in der Krippe und seiner Mutter hütete, so möge Gott seiner, des Dichters, hüten auf der Reise: dieser schöne Segen, den er sich für Ausfahrt und Lebensreise dichtet, enthüllt des Dichters tiefste Hingabe an Gott, der ihm unendlich näher ist als uns und dem er fromm sein ganzes Glück anheimstellt. Sein Gottesbegriff überwölbt und unterbaut sein ganzes Leben so, daß er so souverän und fast überheblich werden kann, wie wir ihn zuweilen treffen 44 ). Das Utile, die wirtschaftliche Gesichertheit, ist an sich auch für ihn, wie für alle seine Zeitgenossen, durchaus erstrebenswert, sie ist die Voraussetzung zur Entwicklung der höfischen Tugenden, des höfischen Lebens, der höfischen Freude. Ein gewisser und ruhiger Besitz hat seinen sittlichen Wert. Seelische Gelähmtheit bei einem reichen Mann erscheint dem Dichter als Unding. Reich, jung, hochgemut identifizieren sich ihm in Sein und Sollen, sie sind die Grundlage jener höfischen Hochstimmung, auf die alles ankommt und die gleichfalls ein sittlicher Wert ist. Sein und Erscheinung, Inhalt und Form fallen zusammen, so verlangt es der höfische Logos. Doch ist ein armer Edler natürlich mehr wert als ein Reicher, der nicht nach dem Honestum strebt. Und hier ergibt sich uns die Möglichkeit, den Dichter in einem scheinbar niedrigen, viel verkannten Zuge richtiger zu verstehen. Zu lange habe man ihn selbst, den Dichter, arm gelassen, allzugroß empfindet er das Mißverhältnis zwischen seiner reichen Kunst und seiner lähmenden Armut; seine Hochstimmung bei seiner unwürdigen Armut will ihm selbst als unbegreiflich erscheinen. Walthers immer wiederholte Forderung nach Lohn und Lehen, sein dringendes Begehren nach wirtschaftlicher Sicherstellung, nach Feuer, Wein und Pfanne, wie er geradeheraus, sachlich und schön mit erdnah klingenden Urbegriffen die Behäblichkeit nennt, empfängt von hier aus besondere Bedeutung, entspringt nicht niederem materialistischem Trieb. Man stellt es immer so hin, als enthülle sich hier der „Fahrende", als hätten überhaupt nur „Fahrende" zu jener Zeit nach Gut und Besitz gestrebt. Aber Feuer, Wein und Pfanne gehören zur Entfaltung der Würde, der Energie, der beschwingenden Stimmung, wie Luft, Wasser und Boden zur Blüte und Blume gehört. Anständigkeit des Erwerbs, seine Vereinbarkeit mit dem Honestum ist Grundvoraussetzung dieser Hochstimmung. Und wie immer sieht auch hier wieder der Dichter die Wahrung des höfischen Ideals in engster Verbundenheit mit dem Bestände des Reiches. So we dir, guot\ wie rcemesch riche stdt. Ganc släfen, hoher muot!43) Hoher Mut und Freude sind lebenerhöhende Güter der höfischen Kultur zur Stauferzeit, sind ritterliche Standespflicht, Gebote höfischer Zucht; hovelichen höhgemuot zu sein, ist der eigentümliche, uns ganz fremde Idealzustand des höfischen Menschen der Stauferzeit überhaupt 46 ). Es handelt sich um eine Gefühlshaltung, durch die sich damals die Welt erneuert hatte und durch die sich das damalige Menschengeschlecht zu seiner Vollendung erhob, um jene klare, harte, ja gefährliche seelische Schwingung, die alle Widerstände besiegt, um eine Überwindung des Materiehaften mit dem Ziel eines stolzen, lächelnden, sieghaften, eigengesetzlich souveränen Schwebens über dem Stoff.



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Daher schließen materialistische Gesinnung und Sündhaftigkeit den hohen Mut aus, wie er sie ausschließt, so lehrt auch Walther. „ Junger man wis hohen muotes" ruft schon der Jüngling von der „Wiener Minneschulbank" seinen jungen Standesgenossen zu und stellt diesen seelischen habitus in die Situation der Minne. Das ist typisch und ändert sich bei ihm natürlich nicht; hoher Mut kommt von hoher Minne und von schönen Frauen; denn die Erscheinung der edlen Frau repräsentiert ihm ohne weiteres diesen idealen Seelenzustand, wie ihn auch die Erscheinung eines edlen Hofstaats hervorruft. Aber härter, schärfer, exklusiver als andere sieht er den hohen Mut als Privileg der jungen reichen Kaloikagathoi, und so identifizieren sich ihm jung, reich, freudig und hochgemut als Forderung, die er der höfischen Gesellschaft unermüdlich vorträgt. Als unabhängige Elementarkraft, als dauernde seelische Anlage nimmt er ihn für sich in Anspruch und besonders der Dichter in ihm, dem höfischer Sang und Freude gleichsinnig sind, sieht sich wie Gottfried, Wolfram und später Rudolf von Ems als den Bringer des hohen Mutes. In heroischer Stilform, wie im Heldenepos, dem Feind gegenüber verlangt er ihn vom Fürst und erhebt sich auch damit über das Übliche: sit gegen friunde senfte, tragt gein vinden höhgemüete. Und aus allen diesen Forderungen und Erkenntnissen nun kommt eben jener Vers zustande, daß niemand ohne Freude taugt, den das biedermeierisch-Uhlandsche Waltherbild aus der wohlgeordneten Beschaffenheit seines Gemütes ableiten wollte (s. o.). Freilich hat gerade die Biedermeierzeit dem staufischen hohen Mute so fern wie nur möglich gestanden 47 ). Regulator der Tugenden, Schöpferin alles dessen was höfische Ehre bringt, „Grundbedingung der moralischen wie gesellschaftlichen Zucht" ist auch für unseren Dichter die mäze, aller werdekeit ein füegerinne, sowohl dieses hohen Mutes wie des Strebens nach dem Utile: Id dir niht ze we sin nach dem guote, la dir ouch niht zunmcere sin. Aber wer zu diesem Regulator erziehen soll, ist die Dame, und damit kommen wir auf die hohe Minne selbst 48 ). Hohe Minne ist natürlich auch für ihn Hort und Schule aller edlen Tugenden und Freuden und der Maße. Unter i h r entsinkt alles Gemeine; Unstete ist ausgeschlossen, desgleichen Ungeduld; Dienst ist erforderlich, der der Dame die Auswahl ermöglicht; sittliche Reife ist nötig, denn die hohe Minne ist kein Kinderspiel. Wer hohe Minne pflegen will, der bedarf der Gesamtheit der Tugenden des höfischen Systems. Ein großer Teil der Minnelieder sind Tafeln der Geduld auch bei ihm, aufgerichtet als Vorbild unentwegten Frauendienstes, der seinen Lohn in sich trägt, ein Kanon der höheren und feineren höfischen Zucht. Und indem er sie so begreift, ist er es, der das berühmte Wort prägen darf, daß auch G o t t e s Huld ohne die Minne niemand gewinnen könne und daß sie die Führerin in den Himmel sei: minne ist ze himel so gefüege, daz ich si dar geleites bite. Die Funktion von Dantes Beatrice, der innerste Sinn der Divina Comedia, dämmert hier also auf. Freilich setzt der Gedanke durchaus wieder den höfisch gesonnenen, ritterlich aufgefaßten Gott voraus 49 ). Mit allen Sinnen und emphatisch bestätigt auch er die schöne Frau in ihrer zentralen Stellung in der höfischen Kultur, alle lebenerhöhenden Werte 2*



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leitet er von ihr ab, die begnadete Erscheinung suchend und findend auch auf diesem Gebiete, ohne daß auch auf diesem Gebiet der begnadeten Erscheinung gegenüber der erzieherische Wille schwiege. Das Lied 45, 37 So die bluomen üz dem grase dringent umschreibt den vorbildlichen Habitus der Dame ohne ausdrückliche didaktische Tendenz, doch so daß allen Frauen damit ein Ziel an den Himmel gesteckt ist, edel, schön, rein, wohl gekleidet, wohl gebunden, hovelichen hohgemuot zu sein. Friundin unde frouwe, Geliebte und Herrin in einer Person zu sein, dazu erzieht er die Dame; wie beseelt diese Formel klingt, drückt sie eben den Sinn des hohen Minnedienstes klassisch aus: Geliebte und Erzieherin zugleich in der Dame zu entwickeln, Erziehung des Geliebten durch die Dame und schließliche Gewährung ihrer Liebe dem Erzogenenen, das muß es sein, was die hohe Minne in sich begreift 50 ). Wendet sich der Herangereifte dann auch zu einer nichthöfischen, freieren, sogen, niederen Minne, so muß man sagen, daß sie gerade bei ihm in gewissem Sinn keine niedere bleibt. Denn das durch keine Gesellschaft geschützte Mädchen hebt er empor, die idealen Güter und die Termini der hohen Minne verknüpft er mit ihr: frouwe, dienest, triuwe, stcete, mdze und den veredelten, versittlichten Begriff der huote, so sehr, daß die Grenzen beider Liedarten in einander verschwimmen unter der starken Freude an der immer innerlicher gefaßten Schönheit der geliebten Frau. Niedrig bleibt nur der Stand des Mädchens, der ihn indessen nur insoweit kümmert, als er die so Geliebte niemals als Triebfeder des hohen Mutes empfindet. Er, der häufiger als jeder andere das aristokratische Wort „höfisch" und seine Ableitungen im Munde führt, reserviert dies Zentralprivileg durchaus der höfischen Dame. Und natürlich will er auch mit den Gedichten dieser Art Richtschnüre des Gewissens ziehen und Vorbilder edler Haltung zeichnen, will er auch die niedere Minne, wiewohl gerade sie es ist, der das erzieherische Mittel fehlt im Gegensatz zur hohen Minne, in die Ordnung der großen Gesetze heben, über die er waltet 51 ). *

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So hat sich denn unser Dichter offenbar auch in all diesen Dingen als den geheiligten Boten des Herrn gesehen, als großen Erzieher, als Nomothet, als wachsten Wächter und innersten Verwalter des Reiches, als lebendiges Gewissen der höfischen Kultur, worin seine Grenze und zugleich seine Größe liegt, — seine Grenze in der einmaligen Zeitbestimmtheit jener Kultur, seine Größe in der Auffassung des Dichtertums als einer erzieherischen Sendung. Der erzieherische Wille erscheint uns als das Moment, durch das wir Walthers Eigenart und Bedeutung allein zu fassen vermögen, er erklärt seine Wendung zum Zeitgedicht. Aus diesem Gefühl der Sendung heraus erhob der Aristokrat sein Dichten zu Amt und Beruf, das bisher unter seinen Standesgenossen und überhaupt in Deutschland nur Spiel und edle Liebhaberei gewesen war. Gewiß, auch die Freiherren von Aue werden ihrem Ministerialen Hartmann alle anderen Berufspflichten möglichst erspart haben, um den Dichter zu fördern. Aber bei Walther bringt die leidenschaftlichere ernstere Auffassung dieses Berufes nun



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den Wechsel der Herren, Höfe, Mäzene, die auf das Reich ausgedehnte „Not des Wandertums" mit, so sehr, daß es aussieht, als habe das selber ewig umherziehende Kaiseramt auf seine , Lebensform abgefärbt. Jedenfalls schafft er mit diesem wandernden Berufsdichtertum, für das die Gestalt Hergers ein geringer Vorläufer war, nun eine Lebensform, die das ganze 13. Jahrh. nachgeahmt hat. Wenn gerade Friedrich in Frankfurt ihm schließlich das (Würzburger) Lehen verlieh und ihn damit eben doch gewissermaßen zum dichtenden Reichslehnsmann erhob, so muß man sich erinnern, daß dieser Kaiser auch sonst in seinen Reichen den ärmeren niederen Adel zu Diensten heranzog. Jedenfalls liegt über Walther ein Hauch jenes Beamtentums, dessen Schöpfung gerade ein Werk des staufischen Hauses ist und dem ein ununterbrochenes Herumreisen Pflicht war. Das kaiserliche Lehen an den Dichter vergleicht sich dem Lehen, das zum Beispiel auch der Philosoph und Magister Theodor vom Kaiser empfing; eine kaiserliche Aufmerksamkeit, wie das Geschenk aus Italien, ist nichts Ungewöhnliches im Kreise der gelehrten, künstlerischen und politischen amici Caesaris gewesen. Wie weit Walther objektiv von unmittelbar politischem Einfluß war, könnte uns gleichgültig sein, wenn eine breite Wirkung und ein weithin geltendes Wort nicht zur innersten Anlage seiner Gedichte gehörten. Aber wir wissen ja auch ohnedies, über wie weite Flächen sein Wort gehallt ist, aus dem Zeugnis des papstfreundlichen Thomasin von Zirclaria, der neben aller warmen Anerkennung für Walthers dichterisches Werk sich tief beklagt, daß der „guote kneht" Tausende durch seine gefährlichen Sprüche dem Papst entwendet habe 52 ). Aus der „naiven" Aufrichtigkeit von Walthers Dichtungsart, aus ihrer unleugbaren Wirklichkeitsbezogenheit müssen wir schließen, daß die immerfort verlangte breite Flächenwirkung nicht auf einer dauernden krankhaften Illusion beruht. Es ist bei der inneren Anlage von Walthers Dichtungsart unmöglich, daß er mit unsäglich selbstbewußter und beiseiteschiebender Geste erklärt: allez daz ir habt vernomen, das ist gar ein wint: nü frdget michl (56,16), wenn er nicht wüßte, daß man ihn w i r k l i c h fragte. Diese „naive" Aufrichtigkeit belügt uns nicht, macht uns nichts vor, eröffnet uns überall Einblick. Aber wer so mit immer gleich schonungsloser Offenheit, ja Rücksichtslosigkeit gegen Fürsten, Höfe, Krone, Kirche, Kaiser, Päpste, Reichsministerialen, Kardinallegaten, Jugend und Alter, Ritter und Dame, Welt und Gesellschaft auftritt, wer so aggressiv der Mitwelt gegenüber sein hartes und schroffes Gesicht zeigt, wer so aktiv den Willen zur ausschlaggebenden Kraft seines Seelenlebens erhebt, der bedarf jenes außerordentlich starken Ichgefühls, jener Selbstherrlichkeit in seiner Kunst, die denn Walther auch unentwegt zur Schau trägt (s. o.) 53 ). Der weiß auch, daß ihn die Lebensgenossen wie einen Quälgeist empfinden müssen, daß er ein Ungetüm ist, böse und beißend, ein Hagelschauer vom heiteren Himmel und ein Gift im Honig, wenn wir hier kühn ein bis jetzt dunkles Gedicht als ingrimmiges Selbstporträt deuten dürfen, und der kann wie Walther schließlich auch den Vers von sich sprechen: ich was so volle scheltens daz min äten stanc (62,2). 54 ). Mag er sich selbst auch



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unter dem unmittelbaren Gesetz einer höheren Sendung begreifen, mag er betonen, daß man ihn stets nur bei den Alleredelsten finde, man begreift, wie er l e i d e t und wie auch er von sich sagen kann, er sei niemals auch nur einen halben Tag lang wahrhaft glücklich gewesen: ich bin einer der nie halben tac mit ganzen froiden hat vertriben (42,7). Der Herzog Leopold verwünscht den Unerträglichen an ungemach, und so ist der strenge Forderer auf die Dauer den meisten, mit denen er zusammen kam, unausstehlich geworden55). Es sieht nur oberflächlichem Blick so aus, als trüge dieser Dichter die öffentliche Meinung und als trüge sie ihn; er ist das Gegenteil von öffentlicher Meinung gewesen, denn er war niemals verantwortungslos. Auch durch seine krampfhaft haltenden Hände nämlich rollte die Zeit unerbittlich fort wie Sand, und es ging so vergeblicher Wille sicherlich oft über Menschenkraft. Schließlich hatte das Schicksal den Dichter ja nicht auf die Morgen-, sondern auf die Abendseite seiner Epoche gestellt. Wie sich das Staufertum neigte, neigte sich auch die höfische Kultur. Auch diesen Kaiser, dessen spätere strahlende aber vergebliche Taten und Erfolge Walther ja nicht mehr erlebte, ereilte wieder der ewige Bannbrief aus Rom, und der peinliche Zwist mit dem eigenen Sohne zerriß zeitweilig die Deutschen. Ewig also tobt der Kampf um das caesarische Amt, nie wird Friede, Ruhe, Ordnung, Freude, Sicherung sein. Zu freudig weltlicher Hochstimmung ist schließlich wahrhaftig kein Grund mehr56). Diu weit ist allenthalben ungenäden vol, fragwürdig ist alles in ihr geworden. Jene drei, vier Jahrzehnte sind ihm entschwunden wie ein Schlag ins Meer. Und so löst sich dem Greis denn die edle Spannung zwischen Gott und Welt, in der er die höfische Kultur sich schwingen lassen, in der er sie halten wollte, auf in der berühmten Elegie, die wir mit diesen Worten hier eben anklingen ließen (124, 1). Aber selbst hier schweigt der Wille zur Normgebung nicht. Müssen höfische Freude und hoher Mut in Trauern verlöschen, so bleibt für die Ritterlichkeit nun eben die überbetonte christliche Seite: Kreuzfahrt und Gottesrittertum. Für Klerus und Kirche hatte er ja schon längst nur den armen mönchischen jenseitigen Zustand als Ideal gesehen. Und so näherten sich ihm denn zuletzt, als er schon jenseits der höfischen Ebene stand, die er nicht mehr behaupten konnte, die beiden getrennten Formen mittelalterlich-adligen Daseins, Mönch und Ritter, in eins; eine Wendung, die schließlich dem neunten Buche von Wolframs großem Roman sich entgegenspannt: Parzival nähert sich Trevrizent. Nur scheinbar ist er müde, in Wirklichkeit über allem Verzicht nur noch strenger geworden. Niemals wird dieser Dichter müde, herber wird er nur. Niemals schließt er seinen Frieden mit der Welt; kann er nichts anderes mehr in seinem Zorn, so verwirft er sie. Und so ruft denn aus seinem verhallenden Werke, in welchem die dunklere Glocke allmählich lauter als sonst in höfischer Dichtung schwingt, noch zuletzt mit heroischer Intonierung, eingehüllt in die Nibelungenzeile, der gewaltige Imperativ hervor, der die Ritterschaft zu einem Ziel hinweist, bei dem mit dem irdischen zugleich das himmlische Jerusalem zu verdienen ist. *

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Sicherlich dürfen wir uns diesen Dichter nicht länger unter dem allzu leichten holden biedermeierischen Bilde Uhlands aneignen. Wir haben hier aus seinem u n e r s c h ö p f l i c h e n Antlitz andere und bedeutendere Züge herausgestellt. Fester umrissen wird es nur dem, dem aus einem großen und klaren Antlitz der G e g e n w a r t sich unverkennbar ähnliche Züge überwältigend aufgeschlossen haben. Nehmen wir Stefan George als Charakter und Typ, wie ihn die Zeit uns glücklicherweise gerade bietet, übergehen wir alle noch so großen Unterschiede, die dem ersten Blick ja klar zutage liegen57), und halten wir neben Walthers Bild das des Dichters vom Siebenten Ring, vom Stern des Bundes, vom Neuen Reich; denn der George des bloßen l'art pour l'art — wenn anders es je ihn gab — war freilich bei aller gleichwertigen Wort- und Formkunst niemals in Walther gewesen. Sondern der unwirsche und herrische Hüter der Zucht, Ordnung und Tradition. Hier liegen die verwandten Strukturen. „Ich bin nicht neu", ruft Walther seiner Zeit zu und würde nicht zugegeben haben, daß doch gerade er selber hundertfältig der Wegebereiter neuer Generationen und der Entfeßler jüngeren Geistes war, der das Höfische überwuchs; „Was ich unter Tugend verstehe, schadet heute sehr; mag es schaden." „Herr soll wieder Herr sein, Zucht wiederum Zucht und Großes wieder groß", fordern beide aus einem Sinn58). Tiefste Erkenntnis von der Notwendigkeit der Erhaltung der Würde und bestehenden heiligen Ordnung und Form erfüllt sie beide und der Zorn über ein entseeltes Geschlecht. Wir sahen, wie sich auch aus Walther Geste und Formel des Heilands heraushob und wie auch bei ihm in den Dingen, die ihn stark bewegten, Führertum und Persönliches sich eng verbanden. Dichter sie beide, die ausschließlich in der Form der Lyrik längst getrennte Lebensformen, in mythischen Vorzeiten eins, wieder vereinigen: Priester und Herrscher, Dichter, Richter und Prophet. Denen Dichten ein Amt ist und ein Führertum und denen die Kunst ein Mittel zu Macht und Herrschaft ist, eine Herrschaft, die aber im Grunde Dienst bedeutet, Dienst eines ersten Dieners. Die die Erscheinung des Dichters, aus der Unterhaltungssphäre hoch erhoben, in das Zentrum des Kulturlebens rücken. Nur der Mensch Walther kennt als höchstes Ziel, Lehnsmann des Reiches zu sein; der Dichter Walther erkennt wie George keinen über sich Stehenden an. Das Gesetz der Mitte, die nicht überschritten werden darf, tragen sie beide in sich; genuoc in miner mäze ho, „ich selber mir selber das Maß meiner Höhe", nennt es Walther; das Gleichgewicht der ungeheuren Wage, die nicht ungestraft ins Schwanken versetzt werden darf, sie fühlen es in sich. Identifizieren sich beide irgendwann einmal mit der breiten Masse •— „verschmolzen mit der tausendköpfigen Menge, die schön wird, wenn das Wunder sie ergreift", bekennt sich der eine; durch die Hute bin ich frö, sagt von sich der andere —, sich in ihr und sie in sich zu spiegeln, beziehen sie sich einmal ein in ihr Fühlen und Denken und ihres in das Ihrige, so geschieht auch dies aus selbstbewußtem Herrscherwillen heraus. Und so kann im Juli 1219, als Herzog Leopold VI. vom Kreuzzug heimkehrt, Walther den Fürsten geradezu wie ein Fürst im Plural der Majestät empfangen 59 ). Ihre Gedichte, „so zart im Einzelwort wie weit in der Gebärde", sind den-



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noch Taten, geformt aus Wille und Geist, Taten die fordern und verbessern, ringend und gestaltend eingreifen in die Welt, Schäden aufweisen und überall in geschmiedetem Wort- und Formmaterial sichtbar machen des Dichters eigene unbeugsame Gestalt. Sie beide geben sich wie Herz und Gewissen ihrer Zeit in einer politischen Dichtung größten Stils, einer strengen, würdigen, bis zur Unbarmherzigkeit verantwortungsbewußten Dichtung, mit der gleichen entschieden aristokratischen Haltung und der gleichen seherhaften Wendung zu Gegenwart und Reich, in Zeitgedichten und Sprüchen wie Tafeln von Erz, die mit ihrer Wirkung weit außerhalb der Grenzen liegen, die sonst dichterischem Schaffen gezogen sind. Man übersehe nicht, daß auch George den „hohen Ton des staatlichen Gedichtes" gefunden hat, Reichsgefühl und Staatsgefühl zu wecken. Angespannt sehen wir sie immer beide, die formulierten Formmulierungen wie Sendbriefe Gottes in die Welt ergehen zu lassen. Staatliche Dichter sie beide im vornehmsten Range des Wortes, so gut wie die einzigen übrigens, die wir in Deutschland haben. Georges Absonderung von Welt und Leben sollten wir heute nicht mehr falsch einschätzen; sie ist der Zurückhaltung eines Herrschers, nicht der Einsamkeit eines Einsiedlers vergleichbar, und sie berührt sich also mit dem stolzen Selbstgefühl, das auch Walthern zur Absonderung von der Menge zwingt. Walthers Weltzugewandtheit und Georges Weitabgewandtheit entspringen dergleichen Welthaltung und sind nur verschiedene Artikulationsarten des gleichen Wirkens, der gleichen peinlichen Überwachung, der gleichen äußersten Interessiertheit am Verlauf der Welt. Walther kompensiert seine Weltzugewandtheit mit der Figur des Klausners, man mag dabei an das Verhältnis von Dante zu Virgil, von George zu dem Engel aus dem Vorspiel denken. Neben dem Wollen, dem Halten-wollen in sonderbar gleichem Kräfteparallelogramm bei beiden die Schau, der magische Glaube an die begnadete Gestalt, die seiende große ruhige Erscheinung mit dem Charisma und der göttlichen Bestimmung, sei es Engel sei es Klausner, Maximin oder die „frouwe", Papst oder Kaiser, immer doch „das Wunder der wahren Majestät und göttlicher Verwaltung". Sorgend und bangend sie beide um das heilige Reich u n d seine Vögte; Könige weihend und Kaiser verwerfend in Spruch und Lied, beide kraft der nach heimlichem Gesetz erwachsenen Autorität und Würde. Und mit dem energischen Wollen, dem erzieherischen Trieb, dem unbändigen Drang nach dem immer wieder Größeren, der die Idee vielleicht besser trägt und erfüllt — denn Zuwendung bedeutet auch für Walther kein dauerndes Urteil —, ist immer das rasche, enttäuschte Erkalten, Verwerfen und grausame Fallenlassen der Beziehimg verknüpft, sowie die ewige Not des Wandertums, wie der gleichfalls „fahrende" George selber das nennt 6 0 ). Wird der strenge Zügel einmal lockerer, so erscheint die edle Klage und die Weltuntergangsstimmung. Selbst über diese ist dann noch eine ewige Festtäglichkeit gebreitet . . .

Anmerkungen. 1) Dieser Versuch, dem eine Rede zugrunde liegt, die am 16. Nov. 1929 bei der ersten Frankfurter Festsitzung unserer Gesellschaft gehalten wurde, strebt nach dem Anschluß an meine Abhandlungen über „Höfische Kultur" (Buchreihe zur Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Bd. 17, 1929) und bildet besonders die Fortsetzung zu dem dortigen letzten Kapitel „Aufstieg im staufischen Raum". — Dem Interesse und Eifer meiner Schüler Arnold, Korn, Pauly, Perst, Hilde Sporn, Bertha Schwarz und anderer, bekundet in Seminarreferaten und privaten Arbeiten, verdanke ich Einzelheiten, die ich gern verwertet habe. 2) Den sogen. 2. Reichstonspruch L ( = Lachmann) 8,4 Ich hörte ein wazzer diezen denkt man sich gemeiniglich an Philipps Hof, der sich damals in Worms befand, Ende Juni 1198 gedichtet; damals war auch der Babenberger Leopold von Wien dort eingetroffen. Den Spruch 18, 29 im ersten Philippston „Diu kröne ist elter dan der künec Philippes sî" bezieht man auf Philipps Krönung am 8. Sept. 1198 in Mainz und des Dichters Anwesenheit daselbst. — Die 3 Her keiser-Sprüche im Ottenton 11, 30; 12, 6; 12, 18 erklären sich aus Walthers Anwesenheit bei Ottos IV. Hoftag in Frankfurt im März 1212; die drei Papstsprüche im gleichen Ton 11, 6; 11, 18; 12, 30 sind natürlich ebenfalls bei dieser Gelegenheit entstanden. Nicht so wahrscheinlich ist, ob er im Herbst desselben Jahres etwa im Gefolge des Markgrafen Dietrich von Meissen nach Frankfurt an den Hof des inzwischen eingetroffenen Friedrich II. zurückgekehrt ist und daselbst die Sprüche der Lösung von Otto und des Übergangs zu Friedrich gedichtet habe (26, 23; 26, 33; 26,3). — Die Sprüche 28, 1 Von Rome ein voget, von Pulle ein künec, 28, 31 Ich hân min lêhen und 29, 15 Ir fürsten, die des küneges gerne wœren âne sind wahrscheinlich auf Friedrichs II. Frankfurter Reichstag vom April 1220 gedichtet und vorgetragen. 3) Eben der Spruch 29, 15, der die Fürsten bedeutet, sie könnten den Kaiser leicht loswerden, wenn sie ihm seine Wünsche (nämlich die Wahl des jungen Heinrich) erfüllen, wird sicherlich mit Recht so interpretiert. Aber man darf ihn nicht humoristischer fassen als er gemeint ist. Der Ernst der Verse „Der helt wil Kristes reise varn: swer in des irret, der hat wider got und al die kristenheit getân" übertönt allen Scherz. Hier ist es auch, wo der Dichter sich mit dem Wort „uns friunden" zu den amici Caesaris rechnet. Den subjektiven Ernst, mit dem er hier über seinen Einfluß auf den Kaiser spricht, unterschätze man nicht. 4) H a m p e , Deutsche Kaisergeschichte S. 195. 5) Der Ludus de Antichristo, der Erzpoet. 6) Wilh. Grimm, Deutsche Heldensage Nr. 35. Theodoricum quondam regem, Veronae se nominat et diversas calamitates et miserias superventuras Romano imperio denuntiat. 7) Reproduktionen dieser Bilder sind jetzt bequem veröffentlicht in Walther Stoltzing, Lusamrosen auf das Grab Herrn Walthers von der Vogelweide, Würzburg, H. Stürtz Verlag, o. J . (1929). Hofmanns Rankenfresko aus der Sängerlaube auf der Wartburg (1857) gibt unserem Dichter Frisur und Züge eines Gelehrten aus dem 19. Jhdt. ; Schwind umwirft ihn in seinem „Sängerstreit" mit einer wilden, dunklen Theatralik (links im Vordergrund), aber wie Echters Trauerprunkgeleite im Feuerbachschen Stil (Fresko von 1855 im Münchner alten Nationalmuseum) findet er wenigstens den Ausdruck edler Erhabenheit, der sonst verloren war.



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8) Uhland 1822 die Biographie, L a c h m a n n 1827 die Ausgabe, S i m r o c k 1833 die Ubersetzung. 9) In den Miniaturen der Weingartner und der Pariser Handschrift, denen freilich auch das Würzburger und das Duxer Standbild nachahmen, desgleichen Hofmanns Fresko. 10) Wilmanns-Michels, Walther von der Vogelweide I I , S. 4. 11) Im 4. Kapitel des Buchs von der deutschen Poeterei, ed. Braune S. 18. 12) Wir verstehen hier und im folgenden „biedermeierisch" als Stilbegriff, nicht als Schmähwort, so wie ihn uns die Frankfurter Dissertation von Günther Weydt über Stifter und Annette, 1929, erschlossen hat. Uhland zu schelten liegt uns natürlich fern, wir versuchen nur, ihn zu berichtigen aus u n s e r m Menschenalter und unserer Sittenwelt heraus. 13) Uhlands Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage, Bd. 5, 1870, S. 1—109, Walther von der Vogelweide, ein altdeutscher Dichter. Man findet die zu obigem Summarium benutzten ausschließlich Uhlandschen Wendungen auf den SS. 16, 28, 31, 37, 40, 41, 46, 48, 49, 52, 68, 71, 78, 81, 83, 92, 93, 95, 100, 106, 107. 14) „Seiner Lieder Gegenstand war weniger die Minne als der Ruhm des Deutschen Vaterlandes" ließ infolgedessen König Ludwig auf Walthers Gedächtnistafel in der Walhalla setzen, während er ihm, den Gedanken noch steigernd, auf den Gedenkstein an der Außenwand des Neumünsters zu Würzburg schrieb: „Das Leben erzog ihn, aus dem Leben sang er; nicht Minne, nur Vaterlandsliebe beseelte meistens seine Lieder; teutscher war kein Sänger!" 15) Vgl. dazu Hermann Schneider, Uhland, Leben, Dichtung, Forschung 1920, S. 300. 16) Diese sowie weitere Dichtungen, die Walther zum Gegenstande haben, findet man jetzt gleichfalls in den „Lusamrosen" (s. Anm. 7) bequem vereint. 17) Man findet diese heut unbegreiflichen Wendungen im „Mythischen und geschichtlichen Walther" von 1902 (jetzt Vorspiel I S. 338, 339, 347, auch 334); S. 339 daselbst der rasch wieder verworfene Vergleich Walthers mit Goethe, wir hoffen, daß unsere „historische Analogie" allerdings etwas überzeugender sei. •— „Die strenge Übereinkunft in Sitte, Maass, Stil und Form bis ins letzte Verhalten der Seele" schließt die Anwendbarkeit des Begriffes „Naturkind" völlig aus; oder wäre es denkbar, daß Burdach den Ausdruck vom naiven Naturkind im Sinne der Kantischen Urteilskraft gebraucht hat, wo sich die Naivität bestimmt als Ausbruch der der Menschheit ursprünglich natürlichen Aufrichtigkeit wider die zur anderen Natur gewordene Verstellungskunst? 18) B u r d a c h , Reinmar der Alte und Walther v. d. Vogelweide, jetzt mit ergänzenden Aufsätzen 1928 (früher 1880); ders., Walther v. d. Vogelweide I, Philol. und hist. Forschungen 1900; ders., Der myth. u. der gesch. Walther s. o. Anm. 17; W . W i l m a n n s , Leben und Dichten Walthers v. d. Vogelweide, 2 Bde, 4. Aufl., besorgt von V i c t o r M i c h e l s 1916 und 1924; G. E h r i s m a n n über Walthers Ethik in Zeitschr. f. d. Altertum 56, 152ff.; K a r l v. K r a u s , Die Lieder Reimars des Alten, I I I . Teil Reimar und Walther, Abhandlungen der Bayer. Akad. der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse X X X , 7. Abh., 1919; ders., Walther v. d. V. als Liebesdichter, Münchner Univ.-Reden Heft 3, 1925; F r i e d r . N e u m a n n , W . v. d. V. und das Reich, Deutsche Vierteljahrsschrift für Lit.-Wissenschaft und Geistesgesch. I I , 1923, S. 503ff.; ders., W . v. d. V., Göttinger Festrede zum 18. I. 1929; K u r t H a l b a c h , W . v. d. V. und die Dichter von Minnesangs Frühling, Tübing. germanist. Arbeiten I I I , 1927; ders., W . v. d. V., Heinrich v. Rugge und „Pseudo-Reimar", Zeitschr. f. deutsch. Altertum 65, 1928, S. 145ff. 19) Die Flächenhaftigkeit von W i l m a n n s ' systematisch-vollständiger Ausbreitung des gesamten Materials ließ aus sich kein neues Waltherbild aufsteigen und erschwerte schließlich jede lebendige Erfassung fast ganz. S c h ö n b a c h s heute nur noch peinlich wirkendem Waltherbuch (zuerst 1889) hat in der von ihm neu bearbeiteten 4. Auflage erst H e r m a n n S c h n e i d e r einen richtigeren Aspekt gegeben. Wir heben zum Beispiel folgende Sätze aus: „Walther ist die ausgesprochenste Aristokratennatur gewesen, die man sich denken kann; nicht nur in der Kunst, . . . sondern auch im Leben" (S. 150 gegen den Ver-



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dacht „bürgerlicher" Freiheit und Würde). „Der so spricht" [nämlioh höfisch-aristokratisch], „ist der wahre Walther, und mancher möchte ihn heute mit größeren Rechten aktuell finden als damals Uhland den vermeinten Demokraten. . . . Es kommt hier nur auf die Eigenart Walthers an. Und da zeigt auch der Politiker den Mann, der . . . sich voll ausgab, wo er eine Sache ergriffen hatte; nicht wie Uhland meinte, aus stiller Zurückhaltung, sondern aus stolzem Selbstgefühl sich von der Menge absonderte, und seinen Platz ganz oben in der menschlichen Rangordnung beanspruchte" (S. 151). •— Und unvergessen sollen folgende zwei Sätze E h r i s m a n n s sein (aao. S. 159 und 163): „Ihm ist das Leben überhaupt eine sittliche Aufgabe; des Lebens Vorgänge sieht er von dem ethischen Standpunkt aus und e r weiß es als seinen Beruf, Lehrer der Idee des Sittlichen zu sein." — „Grade viele L i e d e r Walthers haben einen lehrhaften Gehalt, sind gleichsam Beispiele für das Verhalten in Minneangelegenheiten." — Die Vorstellung vom „Konzertsänger" ging indessen soweit, daß man sich ihn mit fremdem Gut im Repertoire reisend vorstellen konnte (Schönbach S. 48). 20) Ich bin wol ze fiure komen, mich hat daz rtche und ouch diu kröne an sich genomen L . 19, 35. 21) Man weiß, daß dieses Zeitgedicht (der 2. Reichstonspruch 8, 28 Ich horte ein wazzer diezen) sich an das abendländische Ausland wendet, während sich der im folgenden zunächst angezogene Spruch 18, 29 des 1. Philippstons (Diu kröne ist elter danne der künec Phüippes st) an das deutsche Inland wendet. In dem Worte leitesterne der letzten Zeile ist die ganze Herzog Ernst-Legende einbeschlossen. (Vgl. Anm. 40). 2 2 ) ' 1 9 , 5 der Spruch vom Magdeburger Weihnachtsfest; schon Barbarossa begünstigte die Wendungen vom sacrurn Imperium, von der sacra majestas und die Auffassung der Herrscher als der divi. Für Walther kommt der, unter Friedrich I I . sich verstärkende a n t i k e Einschlag in diesem sacrurn nicht in Betracht, bei ihm handelt es sich lediglich um die christliche Atmosphäre. 23) Diese Sätze beziehen sich natürlich auf den 1. Reichstonspruch: Ich saz uf eime Meine. Die staatliche Formel -pax et justitia, die Philipp selbst im gleichen Zusammenhang wie Walther in einem Schreiben gebraucht (mortuo imperatore mortua est simul justitia et pax imperii) und die später Vinter Friedrich I I . eine solche Bedeutung gewinnt, daß sie in Kantorowicz' schönem Friedrichbuch eine große Rolle spielt, beschäftigt unsern Dichter auch sonst. Recht ist geschwunden 22, 1; von Otto verlangt er Frieden und strenges Gericht 12, 18; der Papst hat den Unfrieden in Deutschland genährt 9, 16; 34, 7; Engelbert, der strenge Wiederhersteller von Friede und Recht, wird von ihm gefeiert, der Nürnberger Hoftag desgleichen, weil er ein ,,guot gerihie" schuf (84, 17). Die Formel empfängt ihr rechtes Licht von der Zweistaatentheorie Augustins her. Friede ist das Kriterium des wahrhaft christlichen Herrschers, des rex iustus, pax und iustitia sind die vornehmsten Regentenpflichten; discordia und iniustitia sind Kriterien der Teufelsgemeinschaft, des gottlosen Herrschers, des Tyrannen. Daher drängt Walther zur Schaffung von Friede und Recht, steht mit ihrer Verletzung ihm die höfische Kultur in Frage, erscheint ihm der Zwietracht säende Papst als der Antichrist. Vgl. E . Bernheim, Politische Begriffe des Mittelalters im Lichte der Anschauungen Augustins, Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft N F . 1, 1897, S. 1—23, bes. S. 12f., S. 14; Burdach, W. v. d. V. 1900, S. 261ff.; Ehrismann a. a. O. S. 157, Anm. 24) Diese Sätze beziehen sich auf 9, 16 (den 3. Reichstonspruch Ich sach mit minen ougen) und auf 25, 11 (Künc Constantin), worin es heißt: Zehant der engel lute schre, owe, owi, zern dritten we! e stuont diu kristenheit mit zühten schone. 25) Thüringen 20, 4 ; Kärnten 32,27; Österreichischer Adel 36, 1; Katzenellenbogen 80, 2 7 ; Meißen 105, 2 7 ; 106, 3; 105, 13; Leopold 32, 16; 34, 37; 25, 26; 24, 33. 26) Der Fürstenspruch 36, 11, an dessen Echtheit wir mit Ehrismann S. 158, Schönbach S . 149 nicht zweifeln. 27) Wir beziehen uns auf die Philippssprüche 19, 17 und 16, 36, beide mit Philippe(s) künec beginnend. Der sehr gegenwartsfreudige Dichter weist auf Saladin und König Richard



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er weist auf Alexander, weil mit ihm die Reihe der Weltherrscher beginnt und er also in besonderer staufischer Perspektive steht, auch weil die Bibel ihn ausführlich behandelt I. Makkab. 1-—8; er zieht die romantische Artus-sphäre nur in Verbindung mit dem früheren Wiener Hof heran (25, 1). Die einzige Beziehung auf die antike Sage findet sich in dem Jugendlied 118, 24 (darin Eline und Dijäne 119, 10), das stark unter fremden Einflüssen steht. Dazu kommt, bekanntlich veranlaßt durch seinen eigenen Namen, aus der german. Heldensage Hiltegunde 74, 19; ohne Namensnennung die Herzog Ernst-Sage (s. o. Anm. 21); die Papstlegende mit der Zitierung des zouberceres Gerbreht (32, 22) = Papst Silvester II. Wenn Walther bei seinem eigenen Namen an Hiltegunde dachte, so kann bei der Zitierung Alexanders auch Philipps Name selber mitgespielt haben. 28) Lob des Landgrafen 35, 7; sin höhiu fuor 20, 13; wir beziehen uns hier des weiteren auf 103, 13; 103, 29; 104, 7; 82, 11; 18,1. 29) Der Spruch vom Spießbraten und den knauserigen Köchen 17, 11; die boshafte Anspielung auf die griechischen Verhältnisse mit der Ermordung des Kaisers Alexios, Philipps Schwager, enthält zu aller unerhörten Grobheit und dem verwegenen Vergleich der Reichsministerialen mit Köchen unbewußt die Prophetie von Philipps Ermordung. 30) Wir beziehen uns auf die 3 Kaisersprüche im Ottenton (Her keiser s. Anm. 2) I I , 30; 12, 18; 12,6. Gemäß dem mit Uhland beginnenden Liberalismus las das ganze 19. Jahrhdt. über die wahrhaft unerhörten Verse Her keiser, ich bin fronebote und bring iu boteschaft von gole: ir habt die erde, er hat daz himelriche hinweg. Aber gerade in diesen Versen, die übrigens den Intentionen Friedrichs II. angemessener gewesen wären als denen des plumpen, langen, verblendeten, aber keineswegs unsympathischen Weifen, sind wir dem Zentrum Walthers nahe. 31) Mit Burdach, W. v. d. V. S. XVI beziehen wir schon diese Verse aus Thomasins Welschem Gast 11119ff. auf Walther, nicht erst die folgenden von 11163 an. Walthers Urteile über Innozenz und sein Regime s. L. 11, 6; 11, 18; 12, 30; 33, 11; 33, 21; 33, 1; 33, 31; 34, 24; 34, 14; 34, 4, die Triade und die Heptade, vermutlich das Gewaltigste, was je ein Dichter gegen den Papst gesagt hat. 32) In den Sprüchen 26, 23 Ich hän hern Otten triuwe und 26, 33 Ich wolt hern Otten milte nach der lenge mezzen. Die im folgenden erwähnte Begründung des Abfalls im Spruch 26, 3, der mit den Versen schließt: wie solt ich den geminnen der mir übele tuol? mir muoz der iemer lieber sin der mir ist guot. vergib mir anders mine schulde, ich wil noch haben den muot! 33) 28, 1; 28, 30 (Ich hdn min Wien)-, 84, 30 der Kaiser denkt noch in Italien an ihn und sendet ihm von dort ein kostbares Geschenk. — Von der ethischen Begründung solcher Forderungen und Ansprüche wird nachher oben die Rede sein. 34) Vgl. Anm. 3 und Anm. 33; zu „Amici Caesaris" und „letzte Stufe der Weltherrschaft" vgl. E. Kantorowicz, Kaiser Friedrich II. S. 319 und S. 154ff. 35) Zu diesem Absatz vgl. die Engelbertstrophen 84, 22, die ein enges Verhältnis zum Kanzler sowohl in poetischen wie politischen Dingen zeigen (nü hilf mir, edeler küneges rat, da enzwischen dringen daz wir als i ein ungehazzet litt zesamene bringen); 84, 14 Nürnberger Hoftag; 85,1 gegen die Drohungen der Neider, man darf das Wort vom „Kämmerer der Heiligen Drei Könige und der 11000 Jungfrauen" heute natürlich auch nicht im mindesten mehr scherzhaft nehmen; indem es die Titel Fürstenmeister, Königspfleger, Kaisers Ehrentrost krönt, zeigt es wiederum die christliche, nicht antikisierende Substanz in Walthers Kaiseridee, wodurch sich freilich Friedrich II. und seine Kanzlei zunehmend von ihm unterscheiden (s. Anm. 22); 85, 9 da Eichenstrang, Verbrennung, Vierteilen, Schinden, Rädern und Aufsradflechten nicht genügen, hofft er, die Hölle werde den Mörder lebendig verschlingen, auch dies keine leere Redensart, was sie heute wäre, sondern aufs äußerste mit Realität und Substanz gefüllt. 36) Die Sprüche 10, 32 (Min alter klosencere, ton dem ich so sanc), 10, 25; 10, 17 (Bot,



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sage dem heiser). Zu der Säkularisationsforderung aus Friedrichs letzten Jahren vgl. Kantorowicz S. 562f. 37) L. 10, 17; 10, 9; 13, 5—32; 76, 22; 14, 38; 78, 24. 38) L. 85, 17; Zeugnisse (und Reste) des volkstümlichen Liedes de separatione flebili Elyzabet et mariti sui Ludewici lantgravii in terrain sanctam ituri (1227) aus Protokollen von 1233 und aus der Chronik über das „Leben des heiligen Ludwig" von Friedrich Ködiz (zwischen 1315 und 1323) s. bei Alb. Huyskens, Quellenstudien zur Geschichte der hl. Elisabeth S. 224 Nr. 84 (dazu S. 91f.), vgl. ferner Anzeiger für deutsches Altertum 31, S. 207ff. und Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte 3, S. 477 § 2 a. 39) 101, 23 (Selbwahsen kint, dû bist ze krump), 102, 1; 102, 15. 40) Über Friedrich und die „Nationen" vgl. Kantorowicz S. 515. — Walthers sog. „Nationalhymne" (56, 14 Ir suit sprechen willekomen; zu 56, 22 ziehe 58, 34) ist vielmehr ein Preis der höfischen Zucht der Deutschen, vielleicht aus der Hoffnung geboren, die höfische Gesellschaft Deutschlands durch so kühne und imperativische Feststellung höchster Vollkommenheit tatsächlich übersieh selbst hinausheben zu können. — Das späte Lied 116, 33, darin es überraschend heißt : werdent tiusche liute wider guot und trœstet si mich, diu mir leide tuot, so wirde ich aber wider frô, ist natürlich auch nicht im modernen Sinne patriotisch, zeigt aber in dieser Verknüpfung der beiden Dinge, die ihn gleich stark bewegen, wie eng Führertum und Persönliches bei ihm verbunden sind; zugleich vergleicht sich dieser Umstand der Verknüpfung von höfischer Idee und staufischem Kaisertum in ihm. — Der Eingangsvers des Kreuzlieds 13, 5 Owê waz Iren sich eilendet tiuschen landen bezieht sich natürlich auf die geringe Beteiligung der deutschen Ritter, die Walther als deutsche Unehre beklagt. Nur der nationale Liberalismus des 19. Jahrhdts., der sich nach Uhlandscher Art in Walther hineininterpretierte, konnte zu der Übersetzung Riegers gelangen : „Weh was an deutschen Ehren [ergänze: „und Blut"] alles ins Ausland geht." Mehr als alles andere zeigt diese Übersetzung das gründliche zeitbefangene Mißverständnis des Dichters. — Tiuschiu zunge im 2. Reichstonspruch 9, 8 klingt sicherlich am meisten „national", stammt übrigens gerade aus seiner Frühzeit, so daß keinesfalls von einer Steigerung des Nationalgefühls bei ihm die Rede sein könnte, bedeutet aber doch wohl dem Gesamtgehalt der drei Reichstonsprüche zufolge Roemisch Reich deutscher Nation, d. h. das Imperium, dessen Kaiser ein Deutscher ist. Vgl. noch 85, 25. 41) So allein darf pfaflîche ritter, ritterliche pfaffen 80, 21 gedeutet werden. 42) Diese Regeln elementarster Gesittung in 29, 25; 29, 35 (am Beispiel des Trunks); 38,10 (Sôwêdir Welt, er armet ander sile, der dir volget), 81, 23 (ze rieh und zarm diu leschent beide rehten muot); 81, 7 Wer steht den lewen? (ûz der wilde in steeter zühte habe)', 80, 3 (Sich wolle ein ses gesibent hân); Feilheit 81, 15 (Wolveile unwirdet manigen Up); 30,9 (friundes lachen sol sin âne missetât, süeze als der âbentrôt); 30, 19 (die gar getriuwen ûz den valschen suochen); 37, 34 (Oenuoge hêrren sint gelîch den gougelœren) ; 30, 29 (gewissen friunt, versuochtiu swert sol man ze nœten sehen)-, 35, 27 (An wîbe lobe stU wol daz man st heize schcene: manne stU ez übel. .. , küene und milte und daz er dà zuo steete sì, so ist er vil gar gelobt); 26,13 die nackten Verbrechen der groben Sündenklagen; 37, 24 (Tumbiu Werlt, ziueh dînen zoum, wart umbe, sich; minne got, sô maht dû frô belîben; geloube swaz die pfaffen guotes lesen etc.) ; schließlich auch das Gedicht: Nieman kan mit gerten etc. (87, 1). 43) Vgl. 8, 14 diu zwei sint ère und varnde guot, das dritte ist gotes hulde, bedroht von der Wirrnis in 8, 4; 83, 33 frum unde gotes hulde und weltlich ère (vgl. Werner von Elmendorf 85), — wol im der si 1ère! den möht ein keiser nemen wol an sînen hôhsten rät; vgl. ferner 20, 16 (Grenzen in der Bewertung des Utile); der Spruch mit der Formel Christi 22, 17, unsere Kommentatoren lasen über diese zur Beurteilung Walthers zentrale Formel hinweg ; Reicher Mann, zu sehr ze guote verpflihtet, hat auch im Jenseits seinen Lohn dahin 20, 27; 84, 7: gotes hulde und miner frouwen minne, dar umbe sorge ich, daz dritte ist der wünnecltche hof ze Wiene.



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44) süezer got 25, 23; der himelesche kaiser 13, 8, implicite auch in 12, 6; der Papst als Gottes Kämmerer etc. in 33, 21; 33, 7 sin swarzez buoch; der Marienspruch 36, 21 (din kleiner Up mit süezer kiusche in umbevie) ; im Bilde fürstlichen Hofhaltes 78, 24, in dem Angriff auf die Erzengel daselbst werden wir heute nicht mehr mit Wilmanns II, 294 eine „freiere religiöse Anschauung" sehen, sondern ehrliche Entrüstung darüber, daß die obersten Lehnsleute Gottes ihre Pflicht nicht erfüllen dem höchsten Lehnsherrn gegenüber, der eben Gott im Himmel ist; der Reisesegen 24, 18. Vgl. noch 105, 10; 122, 20; 76, 22. 45) Dû lâ dir niht ze wê sîn nach dem guote, lâ dirz ouch niht zunmœre sin 22, 35; die verkehrte Verteilung der seelischen Stimmung und des Reichtums 43, 1 ; armen man mit guoten sinnen soi man für den riehen minnen, ob er Iren niht engerl 20, 22; ich bin ze lange arm gewesen ân minen danc 29, 1 ; daz man mich bî rîcher kunst lât alsus armen 28, 2 ; ich bin wol ze fiure komen 19, 35; gerne wolde ich bi eignem fiure erwärmen 28, 3; so ist min win gelesen und sûset wol min pfanne 34, 35; die letzten Sätze beziehen sich auf den Spruch 31, 13. 46) Interessant zu 6ehen, wie sich gerade in den Staufern dieser Zug wiederspiegelt, in Barbarossa s. Höfische Kultur S. 56, in seinem Enkel s. Kantorowicz S. 301 ; was K. hier schildert, ist der hohe Mut. 47) Zu diesem Abschnitt vgl. die Arbeit meines Schülers A. Arnold, Studien über den hohen Mut, Frankf. Diss. 1930. Walther 31, 16 s. o. Anm. 45; 123, 16 wie soi ein man, der niuwan sünden kan gewinnen höhen muot?; die jugendlichen Wiener Minneregeln von 1196 s. 91, 17; 47, 8 hâhiu minne machet daz der muot nach werder liebe ûf swinget, vgl. 27, 23; 27, 28; die Erscheinung der schönen Frau repräsentiert den idealen Seelenzustand : vgl. Swâ ein edeliu schcene frouwe reine etc. 46, 10; der Hofstaat 103, 20; als Privileg der jungen Kaloikagathoi 91, 17; 42, 31; 45, 5; als dauernde seelische Anlage 41, 30; 60, 23; 52, 26; hövescher sanc und fröide 31, 36; der Dichter als Bringer des hohen Mutes 73, 3; 100,7 (wol mich, das ich in höhen muot mit minem lobe gemachen kan), vgl. 40, 23; 54, 5. Die den Fürsten angeratene großartige Geste des hohen Muts den Feinden gegenüber, nicht mit Großmut zu verwechseln (so Eilhart Tristrant 4014), s. auch Wirnt Wigalois 115"43 den linden traget höhen muot, den friunden sit geselleclich und mille: sô werdet ir lobes rieh (vgl. 3037—9; Gottfried Trist. 5030; Herbort 140ff.) und Bruder Werner HMS. I I 2, 1, 30: gedultic sin gegen friunden und gegen vinden höhgemuot, während es bei Hugo von Montfort nur noch heißt den friunden holt, den vinden gram Wackernell 14, 37; zu Walther vgl. noch 105, 13. Sit daz nieman âne fröide touc 99, 13. 48) Zu diesem Absatz vgl. Ehrisman a. a. O. S. 160f. und Walther 46, 32 (frowe mâze), 61, 36; 44, 7 tragen gemüete ze mâze nider unde ho; 37, 25; 22, 35; 81, 23; 43, 18 an die Dame: nû suit ir mir die mâze geben. 49) Vgl. 14, 8 minne ist aller lugende ein hört, âne minne wirdet niemer herze rehte frö; 47, 8 s. o. Anm. 47; die Lieder 53, 25; 92, 9; 93, 20; 43, 9; 59, 10; swer guotes wibes minn-e hat, der schämt sich aller missetât 93, 17; 70, 31 und 71, 15 (der lâze alselhe unstœtekeit) ; 96, 26 (dâ scheidet si die bœsen von); minn und kintheit sind ein ander gram 102, 8 (Höfische Kultur S. 29f.); Der also guotes wibes gert, wie vil der tugende haben solle 59, 10; unde enkan doch nieman âne sie der gotes hulden niht gewinnen 81, 35, in diesem Gedicht auch die oben im Text zitierte Stelle; das Lied 81, 31 auf die Gottesminne zu beziehen, liegt kein Anlaß vor. 50) Vgl. das Gegenstück zu 45, 37 den Spruch 27, 17 Durchsüezet und geblüemet sint die reinen frouwen; 53, 25 Si wunderwol gemachet wip, — ich setze ir minneclichen Up vil werde in minen höhen sanc-, erzieherisch an die Frau 41, 20; 102, 1; 86, 15 (wie ein wip der Werlte leben soi), 43, 9; 90, 15; friundîn unde frouwe 63, 20;,63, 31; vgl. noch 69, 1. 51) Vgl. 65, 33; 49, 25; 46, 32; 50, 19; 115, 6; 54, 37; hövesch etc. 24, 5; 30, 9; 30, 10; 31, 36; 32, 1 ; 32, 11 ; 32, 16; 34, 37; 36, 4 (wan sol iemer nach dem hove leben!) ; 36, 7; 46, 13; 46, 36; 48, 19; 62, 7; 62, 21; 64, 31; 64, 33; 65, 5; 65, 29; 80, 34 ; 84, 15; 84, 20; 85, 18; 86, 26; 90, 17; 103, 12; 103, 32; 105, 38; (108, 11); 116, 34. — Im Gegensatz zu Walther und sein Reservat des hohen Mutes vgl. etwa Oswald von Wolkenstein: Ain jeterin junk irisch frei fruet die geit mir hohen muet (Schatz 48, l f . ; s. 80, 21).



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52) Nu wie hât sich der guote kneht an im gehandelt âne reht, der dâ sprach durch sinen höhen muot daz der habest wolt mit tiuschem guot vüllen sin welhischez schrin (Welscher Gast 11191 ff. ; vgl. Walther 34, 4 Ahi wie kristenliche nu der habest lachet, swenne er sînen Walhenseit: . . . ir guot ist allez mîn, ir tiuschez silber vert in mînen welschen schrin)',... wan er hât tusent man belœret, daz si habent überhceret gotes und des bäbstes gebot (ebda 11223ff.). 53) 18, 1 der Wicmansçxuch (singt wil) ; 32, 1 ich hân wol und hovelichen her bin ich; 63, 3 getragene wât ich nie genan; lichen gruoz noch volleclîcher bieten an; ich

ir einz, er singet driu; Her Waither singet swaz er gesungen; 53, 2 5 f f . ; 56, 26 der iu mœre bringet, daz 66, 21 ez stêt also daz man mir muoz er und minnechân zer weite manigen Up gemachet jro 67, 21 u. a. m .

54) Min nâhgeburen . . . sehent mich niht mir an in butzen wis als si wilent täten 28, 36 ; innerhalb der Sprüche des König Friedrich-Tons, in denen der Dichter so außerordentlich viel über sich selbst bekenntnishaft aussagt, nimmt sich der umstrittene und ungedeutete Spruch 29, 4 ich hân gesehen in der Werlte ein michel wunder wie ein Selbstporträt aus: zwo zungen habent kalt und warm, die ligent in sime rächen; in sime süezen honge lit ein giftic nagel, sin ivolkenlôsez lachen bringet scharpfen hagel. Etwas von dieser ganzen hier berührten Wesensseite Walthers scheint der Bildhauer Ludwig Sonnleitner seiner fast dämonischkoboldartigen Waltherskulptur im Treppenaufgang der Würzburger Sparkasse (1929) eingehaucht zu haben, die ich allerdings nur von der Photographie in „Lusamrosen" S. 113 her kenne. 55) Ez ist min site, daz man mich iemer hi den tiursten vinde 35, 8 ; sô bin ich doch . . . der werden ein, . . . daz m-üet die nideren 66, 37; vgl. 80, 34. Der leidende D i c h t e r : 60, 34 (al min ungelücke, dar zuo min unsœlikeit) ; 35, 17 die Verwünschung ze walde und an ungemach, mit Recht wird allgemein ein tiefer Ernst hinter der freundlichen Ironie gesehn. 56) Daß die „Zeitklage" bei Walther ein außerordentliches Maß einnimmt, ist bekannt. Die Welt ist ehrlos, freudlos, treulos, zuchtlos geworden; Unfuge ist eingerissen, Unmilte, Unwahrheit, Materialismus sind eingerissen, Weisheit, Adel und Alter sind von ihren Stühlen gestürzt: 21, 1 0 ; 119, 3 5 ; 112, 3 ; 42, 3 1 ; 90, 15; 100, 2 4 ; 124, 1 ; 121, 3 3 ; 59, 3 7 ; 85, 2 5 ; 24, 3 ; 38, 1 0 ; 102, 15; die innere sittliche Zersetzung des Staates richtet auch das äußere Ansehen zugrunde 85, 2 5 ; 31, 13. 57) Man kann die Unterschiede, die wir nicht leugnen, aber einschränken wollen, im Verhältnis der beiden Dichter zum Humor, zur Frau, zur Musik und zu Welt und Öffentlichkeit finden. Man soll aber nicht sagen, daß sich die derbe Spaßhaftigkeit des einen und die Würde des andern etwa wie „ars und mâne" glichen, denn das Kapitel Würde ist, wie wir wohl gezeigt haben, in Walther unendlich viel größer als das recht klägliche Kapitel Spaß und Humor und andererseits ist die Würde bei Stefan George nicht so erkältend, daß Spaß und Humor gänzlich fehlten. Das Kapitel über Walthers Humor bei Schönbach (Wilmanns hat überhaupt keines) leidet an Unterernährung, und der gesammelte Stoff enthält meist nur die Mittelchen zu Walthers boshaft-sarkastischem Witz und seiner ätzenden Ironie. Der Unterschied im Verhältnis zur F r a u hebt sich auf, indem man für beide Dichter die schöne begnadete menschliche Erscheinung setzt, unter welchem Aspekt j a auch der platonische Eros und der hohe Minnedienst eines und dasselbe sind (Höfische Kultur cap. I I ) . Auch der Unterschied im Verhalten zur Musik wird sich auf einer höheren Ebene auflösen lassen; Georges Ablehnung ist lediglich eine zeitbedingte Geste strengster Haltung, die alles Lockernde wegweist, Kennern wird nicht verborgen sein, daß auch seine Gedichte musikdurchrauscht sind. Wie sich der vierte Einwand, die Weltzugewandtheit des einen und die Weitabgewandtheit des andern, verflüchtigt, hoffen wir oben im Text angedeutet zu haben. Das Interesse an den Dingen des Staates und der Öffentlichkeit ist in dem einen Dichter so stark wie in dem andern. Das neue George buch von Friedrich Wolthers vollzieht nun auch sichtbar für alle die Wendimg des Kreises zur Öffentlichkeit. Wie weit man in George den Begründer eines Wahlreiches, eines erst kommenden Weltzustandes, den Stifter eines geistigen Reiches der Zukunft sehen muß, als welchen ihn seine Jünger lehren, steht dahin; damit ergäbe sich freilich ein fünfter, und zwar der einzig tiefgreifende Unterschied. Sichtbar



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und gemeinsam ist, daß sie beide kein Heil von dem herrsehenden Zustand erwarten, daß sie in edler Leidenschaft als Bewahrer einer gefährdeten großen Überlieferung auftreten. Bloßer Sehein hält vor ihnen nicht stand. 58) Herrisch: ich vil hirscher man 49, 18; zwo tilgende hän ich, der si wilent nämen war, schäm, unde triuwe: die schadent nü beide sere. schaden nü also dar! ich bin niht niuwe! 59, 14. Swä der hohe nider gat und ouch der nider an hohen rät gezucket wirt, da ist der hof verirret 83, 14. 59) L. 28, 11; genuoc in miner mäze hö 67, 1. 60) Wolthers S. 16 über George: „Wanderung, die ihn nach kurzem Rasten von Ort zu Ort geführt und bis heute kein Ende gefunden hat."

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Schriften

LEIPZIG

der Straßbtiryer

Wissenschaftlichen

Gesellschaft:

Heft 1: D e r P a p y r u s L i b b e y . Bin ägyptischer Heiratsvertrag. Von W. Spiegelberg. JIM 1 — Mit drei Tafeln in Lichtdruck. 4°. IV, 12 S. 1907. Heft 2: A r a b i s c h e B e d u i n e n e r z ä h l u n g e n : Arabischer Text. Von Enno Littmann. 4®. VII, 58 S. 1908. JIM 1-— Heft 3: A r a b i s c h e B e d u i n e n e r z ä h l u n g e n : Übersetzung. Von Enno Littmann. Mit 16 Abbildungen im Text. 4°. X I , 57 S. 1908. JIM 1 — Heft 4: D i e g r i e c h i s c h e n M a r t y r i e n . Rede, gehalten bei der ersten Jahresversammlung der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg am 6. Juli 1907. Von Albert Ehrhard. Mit Anhang: 1. Jahresbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft in StraQburg, erstattet bei der ersten Jahresversammlung am 6. Juli 1907 von Adolf Michaelis. Mit dem Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft. 4°. 30 und 8 Seiten. 1907. MM 0 ' 5 0

Heft 5: S t u d i e n z u Q u i n t i l i a n s g r ö ß e r e n D e k l a m a t i o n e n . 4°. IV, 90 S. 1909. Heft 6: Ü b e r d i e p s e u d o a p o s t o l i s c h e n K i r c h e n o r d n u n g e n .

Von R. Reilzenstein. JIM 1-60 Von E. Schwartz.

Mit Anhang: 2. Jahresbericht, erstattet am 4. Juli 1908 von Adolf Michaelis. 3. Jahresbericht, erstattet am 3. Juli 1909 von Theobald Ziegler. Mit dem Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft.

4». IV, 40 und 15 S. 1910. J l j f , 0'70 Heft 7: B u ß s t u f e n u n d K a t e c h u m e n a t s k l a s s e n . Von E. Schwartz. Lex. 8°. IV, 61 S. 1911. , J I M 1-— Heft 8: G r i e c h i s c h e U r k u n d e n des Ä g y p t i s c h e n M u s e u m s z u K a i r o . Von Friedrich Preisigke. Lex. 8°. VIII, 58 S. 1911. JIM 1-— Heft 9: V e n e z i a n i s c h - I s t r i s c h e S t u d i e n . Von Walter Lenel. Mit 3 Tafeln in Lichtdruck. Lex. 8°. XV, 197 S. 1911. JIM 3 — Heft 10: Z u r n o r d a r i s c h e n S p r a c h e u n d L i t e r a t u r . Vorbemerkungen und vier Aufsätze mit Glossar. Von Ernst Leumann. Lex. 8°. VIII, 147 S. 1912. JIM 2"40 Heft 11: D i e j u r i s t i s c h e P e r s ö n l i c h k e i t d e r s t a n d e s h e r r l i c h e n F a m i l i e . Von Hermann Rehm. Lex. 8°. VI, 76 S. 1911. JIM 1 — Heft 12: B u r z ö e s E i n l e i t u n g z u d e m B u c h e K a i i l a wa D i m n a . Von Theodor Nöldeke. Lex. 8°. V, 27 S. 1912. .. JIM 0"50 Heft 13: E i n E r b s t r e i t a u s d e m p t o l e m ä i s c h e n Ä g y p t e n . Von Otto Gradenwitz, Friedrich Preisigke, Wilhelm Spiegelberg. Mit vier Tafeln in Lichtdruck. Lex. 8°. VII, 62 S. 1912. JIM 2-~ Heft 14: D a s t a u s e n d j ä h r i g e J u b i l ä u m d e r d e u t s c h e n S e l b s t ä n d i g k e i t . Rede, gehalten in der Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg am 1. Juli 1911. Von Harry Bresslau. Mit Anhang: 4. und 5. Jahresbericht, erstattet von Theobald Ziegler. Mitglieder der Gesellschaft. Lex. 8°. III, 16 und 17 S. 1912.

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Heft 15: D e r A l e x a n d e r s a r k o p h a g a u s S i d o n . Von Franz Winter. Format 57X 50 cm. 18 Seiten Text und 18 Tafeln in Faksimile-Farben-Lichtdruck. 1912. In Mappe Preis auf Anfrage. Heft 16: D i e s t a n d e s h e r r l i c h e S c h i e d s g e r i c h t s b a r k e i t . I h r e Z u l ä s s i g k e i t u n d i h r e G r e n z e n i m h e u t i g e n R e c h t e . Denkschrift, im Auftrage des Vereins der deutschen Standesherren verfaßt von Hermann Rehm. Lex. 8°. V, 57 S. 1912. JIM 0'80 Heft 17: C h e m i s c h e S t e u e r u n g s v o r g ä n g e i m T i e r k ö r p e r . Rede, gehalten in der Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg am 6. Juli 1912. Von Franz Hofmeister. Mit Anhang: 6. Jahresbericht, erstattet von Harry Bresslau. Mit den Berichten der Herren E. Schwartz, F. Preisigke und O. Gradenwitz über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Gesell-

schaft. Lex. 8». III, 15 und 20 S. 1912. j f j l 025 Heft 18: D e r P a p y r u s c o d e x s a e c . V I — V H d e r P h i l l i p p s b i b l i o t h e k i n C h e l t e n h a m . Koptische theologische Schriften. Herausgegeben und übersetzt von W. E. Crum. Mit einem Beitrag: Zur literarhistorischen und theologischen Würdigung der Texte von A. Ehrhard. Lex. 8°. XVIII, 171 S. und 2 Lichtdrucktafeln. 1915. JIM 3'50 Heft 19: P r i n z - J o a c h i m - O s t r a k a . Griechische und demotische Beisetzungsurkunden für Ibis- und Falkenmumien aus Ombos. Herausgegeben von Friedrich Preisigke und Wilhelm Spiegelberg. Lex. 8». VIII, 69 S. 1914. Mit 4 Tafeln in Lichtdruck. JIM 2 — Heft 20: K o n z i l s t u d i e n . I. Cassian und Nestorius. II. Über echte und unechte Schriften des Bischofs Proklos v. Konstantinopel. Von Eduard Schwartz. Lex.8°. V, 70 S. 1914. JIM 1.25 Heft 21: D a s D e u t s c h e O b s e r v a t o r i u m i n S p i t z b e r g e n . Beobachtungen und Ergebnisse. I. Herausgegeben von H. Hergesell. Lex. 8°. V, 65 S. 1914. Mit 10 Abbild, im Text, 8 Tafeln und 1 Karte. JIM 2.40 Heft 22: D i e B e v ö l k e r u n g M i t t e l a m e r i k a s . Vortrag, gehalten in der Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg am 22. November 1913, nachträglich erweitert und mit Anmerkungen versehen. Von Karl Sapper. Mit Anhang: 7. Jahresbericht, erstattet von Barry Bresslau. der Gesellschaft. Lex. 8°. III, 32 und 10 S. 1914.

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Heft 23: E l s ä s s i s c h e U r k u n d e n , vornehmlich des 13. Jahrhunderts, herausgegeben von Alfred Hessel. Mit einer Tafel in Lichtdruck. Lex. 8°. IV, 73 S. 1915. JIM 1 —

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(Fortsetzung von Seite 3 des Umschlags.)

Heft 24: Die A r t h r i t i s d e f o r m a n s als A l l g e m e i n e r k r a n k u n g . Von 0. Ledderhose aus Straßburg. Lex. 8°. 40 S. 1915. . JIM 0-60 Heft 25: Von Zahlen und Z a h l w o r t e n bei den a l t e n Ä g y p t e r n und was f ü r a n d e r e Völker u n d S p r a c h e n d a r a u s z u l e r n e n ist. Ein Beitrag zur Geschichte von Rechenkunst und Sprache von Kurl Sethe. Mit drei Tafeln. Lex. 8°. VIII, 147 S. 1916. JIM 3 — Heft 26: S p ä t e V e r g e l t u n g . Aus der Geschichte der Theodicee. Vortrag, gehalten in der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg am 20. Nov. 1915. Von Erich Klostermann. Mit Anhang: 8. und 9. Jahresbericht, erstattet von Barry Brettlau. Mitglieder der Gesellschaft. Lex. 8». V, 45 und 16 S. 1910.

Mit dem Verzeichnis der MM 0*75

Heft 27: K a t a l o g d e r g e s c h i c h t l i c h e n V u l k a n a u s b r ü c h e . Von Karl Sapper. Lex. 8°. X, 358 S. 1917. JIM frHeft 28: Die E r g e b n i s s e der geologischen F o r s c h u n g e n i n E l s a ß - L o t h r i n g e n u n d i h r e V e r w e n d u n g z u Kriegszwecken. Vortrag in der Mitgliederversammlung der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg am 19. Februar 1916. Von Leopold van Werveke. Lex. 8°. V, 73 S. 1916. Mit 16 Zeichn. und 1 Tafel. MM 1'20 Heft 29: Die E b e n b ü r t i g k e i t s f r a g e im H a u s e Croy. Von Hermann Rehm. Lex. 8 4 . 30 S. 1916. JIM 0-30 Heft 30:'Die I n s c h r i f t v o n S k a p t o p a r e n e in i h r e r Beziehung zur K a i s e r l i c h e n K a n z l e i in Rom. Von Friedrich Preisigke. Mit einer Schrifttafel. Lex. 8°. V, 79 S. 1917. XM 1'50 Heft 31: Die a l t g r i e c h i s c h e B ü h n e . Von August Frickenhaus. Mit einer Beilage von Eduard Schivarlz. Mit 29 Abbildungen und 3 Tafeln in Lichtdruck. Lex. 8°. VIII, 129 S. 1917. JIM 4-— Heft 32: Der A l m a n a e h p e r p e t u u m des A b r a h a m Zacuto. Ein Beitrag zur Geschichte der Astronomie im Mittelalter von Berthold Cohn. Lex. 8°. V, 48 S. 1918. JIM 0'75 Heft 33: Zur P a t h o l o g i e und P h y s i o l o g i e des D u r s t e s . Von Erich Meyer. Mit Anhang: 10. und 11. Jahresbericht, erstattet von Harry Brettlau. Mitglieder der Oesellschaft. Lex. 8*. 23 und 24 S. 1918.

Mit dem Verzeichnis der MM 0"40

Heft 34: Zur E n t s t e h u n g der Ilias. Von Eduard Schwartz. Lex. 8°. V, 40 S. 1918. MM0-60 Heft 35: Das neue k i r c h l i c h e G e s e t z b u c h — Codex J u r i s Canonici — seine Geschichte und E i g e n a r t . Mit einem Anhang: Sammlung einschlägiger Aktenstücke. Von August Knecht. Lex. 8°. IV, 71 S. 1918. JIM 1"20 Heft 36: Über die P h a r m a k a i n der Ilias u n d Odyssee. Von Oswald Schmiedeberg. Lex. 8°. 29 S. 1918. JIM 0*50 Heft 37: P r o v e n z a l i s c h e S t u d i e n I. Von Oskar Schultz-Gora. Lex. 8°. VIII, 103 S. 1919. _T JIM 1-20 l?ene Folge Heft 1: Die H a r m o n i e in der E n t w i c k l u n g der Organismen. Rede, gehalten in der zwölften Jahresversammlung der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, Samstag, 13. Juli 1918. Von Franz Keibel. Mit 8 Abbildungen. Lex. 8°. IV, 18 S. 1920. MM0-40 Heft 2: P r o v e n z a l i s c h e S t u d i e n II. Von Oskar Schullz-Qora. Lex. 8°. VI, S. 105—153. 1921. JIM 0-80 Heft 3: Die E r k e n n t n i s l e h r e des J o h a n n e s E r i u g e n a im Rahmen ihrer metaphysischen und anthropologischen Voraussetzungen nach den Quellen dargestellt von Artur Schneider. 1. Teil. Lex. 8». VIII, 68 S. 1921. MM 110 Heft 4: S t e i n v e r e h r u n g bei den I s r a e l i t e n . Ein Beitrag zur semitischen und allgemeinen Religionsgeschichte von Georg Beer. Lex. 8°. VI, 22 S. 1921. MM 0*40 Heft 5: Das a m e r i k a n i s c h e R e g i e r u n g s s y s t e m . Rede, gehalten bei der Jahresversammlung der Wissenschaftlichen Gesellschaft am 1. Oktober 1921. Von Otto Lenel. Mit Anhang: 14. Jahresbericht, erstattet von Harry Breslau.

Lex. 8». IV, 29 S. 1922. MM. 0"30

Heft 6: S t e i m a r im S t r a ß b u r g e r M ü n s t e r . Ein Beitrag zur Geschichte des Naturalismus im 13. Jahrhundert von Franz Schultz. Mit einer Tafel in Lichtdruck. Lex. 8°. VI, 15 S. 1922. JIM 0-50 Heft 7: Die E r k e n n t n i s l e h r e d e s J o h a n n e s E r i u g e n a im Rahmen ihrer metaphysischen und anthropologischen Voraussetzungen nach den Quellen dargestellt von Arlur Schneider. 2. Teil. Lex. 8°. VIII, 58 S. 1923. MM 1"20 Heft 8: Der K a i s e r als M a r s c h a l l des P a p s t e s . Eine Untersuchung zur Geschichte der Beziehungen zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter von Robert Holtzmann. Lex. 8°. X, 50 S. 1928. JIM 1-50 Heft 9: S t r a ß b u r g e r K e i l s c h r i f t t e x t e i n s u m e r i s c h e r u n d b a b y l o n i s c h e r Sprache. Herausgegeben von C. Frank. Lex. 8°. 36 S. u. 20 Tafeln. 1929. MM 3 — Heft 10: Drei U n t e r s u c h u n g e n zur G e s c h i c h t e der M a t h e m a t i k . Herausgegeben von K. Bopp. Lex. 8°. 66 S. und 2 Tafeln. 1929. MM 8 — Heft 11: A u f b a u und Sinn des C h o r f i n a l e s in B e e t h o v e n s n e u n t e r Symphonie. Von Otto Ilaeiisch. Lex. 8°. 1930. Weimar. — Druck von R. Wagner Sohn.