Einführung in das Werk Walthers von der Vogelweide 353420770X, 9783534207701

Walther von der Vogelweide gilt als der bekannteste deutschsprachige Lied-Dichter des Mittelalters. Diese Einführung mac

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German Pages [143] Year 2008

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Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
I. Epoche und Literatur
1. Das Rittertum und die Kultur des Hofes
2. Dichten, Dienen und die Verschwiegenheit des Textes
3. Der Ritter, die Dame, die höfische Liebe
4. Minnelied, Sangspruch, Strophe
5. Autor und Textinstanz
II. Forschungsbericht
1. Swer dez vergæze – Walther im Mittelalter
2. Von den Anfängen ins 19. Jahrhundert und Lachmanns Wirkung
3. Der Weg in die Gegenwart
4. Bibliografien und Sammelbände
5. Waltherbilder aus dem Zeitgeist
III. Der Autor und sein Werk
1. Die Überlieferung
2. Walther – ein Erwerbsleben
3. Höfe und Geschichte – Daten eines Wanderlebens
4. Walthers Heimat
5. Walther – ein Bild
IV. Walther und die Höfe – die Sangsprüche
1. Bauformen und Melodien – zur Einführung
2. Die einzelnen Töne
3. Zwei herausragende landesherrliche Höfe
V. Zwischen Religion und Politik: Der Kreuzzug
1. Zur Geschichte der Kreuzzugsbewegung
2. AlrÞrst lebe ich mir werde
3. OwÞ, wâr sint verswunden alle mîne jâr
VI. Der Hof und die Minne – die mehrstrophigen Lieder
1. Höfisches Spiel
2. Die höfische Liebe – Saget mir ieman, waz ist minne
3. Die höfische Dame – Si wunder wol gemachet wîb
4. Walther und Reimar – Sterbet si mich, sô ist si tôt
5. Die höfische Natur – Sô die bluomen ûz dem grase dringent
6. Drei herausragende Lieder
7. Missklänge – OwÞ, hovelîchez singen
Bibliografie
Konkordanz – Strophenzahlen nach Lachmann
Register der zitierten Strophen in normalisiertem Mittelhochdeutsch
Sachregister
Personenregister
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Einführung in das Werk Walthers von der Vogelweide
 353420770X, 9783534207701

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Einführungen Germanistik Herausgegeben von Gunter E. Grimm und Klaus-Michael Bogdal

Otfrid Ehrismann

Einführung in das Werk Walthers von der Vogelweide

Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Einbandgestaltung: Peter Lohse, Büttelborn Abbildung: Symbolische Darstellung der Durchbrechung des mittelalterlichen Weltbildes, 1888. Aus: Camille Flammarion: L’atmosphère, et la météorologie populaire, Paris 1888. i akg-images.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2008 by WGB (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe dieses Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de

ISBN 978-3-534-20770-1

Inhalt Vorwort

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Epoche und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Rittertum und die Kultur des Hofes . . . . . . . . 2. Dichten, Dienen und die Verschwiegenheit des Textes 3. Der Ritter, die Dame, die höfische Liebe . . . . . . . . 4. Minnelied, Sangspruch, Strophe . . . . . . . . . . . . 5. Autor und Textinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Forschungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Swer dez vergæze – Walther im Mittelalter . . . . . . 2. Von den Anfängen ins 19. Jahrhundert und Lachmanns Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Weg in die Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bibliografien und Sammelbände . . . . . . . . . . . . 5. Waltherbilder aus dem Zeitgeist . . . . . . . . . . . .

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III. Der Autor und sein Werk . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Walther – ein Erwerbsleben . . . . . . . . . . . . 3. Höfe und Geschichte – Daten eines Wanderlebens 4. Walthers Heimat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Walther – ein Bild . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Walther und die Höfe – die Sangsprüche . . . 1. Bauformen und Melodien – zur Einführung 2. Die einzelnen Töne . . . . . . . . . . . . 3. Zwei herausragende landesherrliche Höfe

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V. Zwischen Religion und Politik: Der Kreuzzug 1. Zur Geschichte der Kreuzzugsbewegung 2. AlrÞrst lebe ich mir werde . . . . . . . . 3. OwÞ, wâr sint verswunden alle mîne jâr .

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VI. Der Hof und die Minne – die mehrstrophigen Lieder . . . . . . 1. Höfisches Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die höfische Liebe – Saget mir ieman, waz ist minne . . . . 3. Die höfische Dame – Si wunder wol gemachet wîb . . . . . 4. Walther und Reimar – Sterbet si mich, sô ist si tôt . . . . . . 5. Die höfische Natur – Sô die bluomen ûz dem grase dringent 6. Drei herausragende Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Missklänge – OwÞ, hovelîchez singen . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Bibliografie

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Konkordanz – Strophenzahlen nach Lachmann . . . . . . . . . . . .

131

Register der zitierten Strophen in normalisiertem Mittelhochdeutsch

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Sachregister

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort Der vorliegende Band führt in die Texte des bedeutendsten deutschen Liederdichters des Mittelalters, Walther von der Vogelweide, ein, der bis heute eine für einen mittelalterlichen Autor beachtliche Medienpräsenz besitzt. Ziel ist es, für ein historisches und methodisch reflektiertes Lesen zu werben. Dabei wird besonderer Wert gelegt auf: – eine übersichtliche, kompakte und leicht lesbare Darstellung unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes; – eine umfangreiche Textdokumentation (in mittelhochdeutscher Sprache und Übersetzung), die zu eigenen Stellungnahmen hinsichtlich der angebotenen Analysen befähigt; – die sozial- und kulturgeschichtliche Einbettung der Texte, die ein historisches Lesen erst ermöglicht; – die besondere und kulturgeschichtlich gebundene Semantik zentraler mittelhochdeutscher Begriffe; – einen methodisch reflektierten Zugriff auf die Lieder, der zur Distanz gegenüber ,naiven‘ Analysen ermuntert; – Einzelanalysen mit Hinweisen zur weiteren Vertiefung durch die Forschungsliteratur; – die Konstruktion eines instabilen (,unfesten‘) Autor-Bildes, das sich naiver Psychologie ebenso verweigert wie der spekulativen Rekonstruktion einer geschlossenen Biografie. Dies ist ein schwieriges Unterfangen, denn es gilt nicht nur, eine Bresche in eine überbordende wissenschaftliche Diskussion zu schlagen, sondern auch, sich über die Textgrundlage selbst zu verständigen. Es gibt ja keine Ausgabe letzter Hand des Dichters, und die sogenannten kritischen Ausgaben greifen z. T. beachtlich in die komplexe handschriftliche Überlieferung ein. Im Sinne einer möglichst authentischen Annäherung wurde deshalb entschieden, die Texte Walthers auf der Grundlage derjenigen Handschrift zu interpretieren, die die meisten seiner Lieder enthält, der berühmten „Großen Heidelberger (Manessischen) Liederhandschrift“. Finden sich in anderen Überlieferungsträgern zusätzliche wichtige Texte oder interessante Varianten, so werden sie natürlich berücksichtigt. Die Nummern der einzelnen Texte werden nach der neuesten kritischen Ausgabe (W; s. Bibliografie 1) zitiert. Verzichtet wurde u. a.: – auf die Diskussion einiger schwieriger Textstellen, weil dies den Band gesprengt hätte; – auf die Diskussion metrischer und musikalischer Probleme, weil sie für eine einführende, auf die Inhalte fokussierte Darstellung weniger relevant ist; – auf eine Analyse von Walthers Leich mit seinen komplexen formalen Strukturen; er wird nur als Beleg für die Kirchenkritik herangezogen (s. S. 52 f.);

Ziele

Hauptquelle

Einschränkungen

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Vorwort

– auf den Versuch thematischer Gruppenbildungen, der die ältere WaltherPhilologie lange in Atem gehalten hat; – auf die ausführliche Diskussion der Zuordnung der Texte zur Biografie Walthers, die sehr strittig geführt wird und deren Ergebnisse immer wieder anzuzweifeln sind; – in Zusammenhang damit auf zu enge Textdatierungen zugunsten eines relativ weiten Datierungsrahmens. Um Oberflächlichkeit zu vermeiden, wurde die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der Waltherlieder nur punktuell anhand einiger Beispiele behandelt. Eine umfassende Darstellung würde eine ausführliche geschichtliche Kontextualisierung und eine Einbettung in die komplexe Geschichte der Mittelalterrezeption (s. Ehrismann 1999) verlangen und den Rahmen des Bandes sprengen. sprachliche Gestaltung

Zur Authentizität, die man zwar nicht erreichen, die annähernd zu erreichen man sich aber bemühen muss, gehört auch die sprachliche Gestaltung der Überlieferung. Deshalb wurde die Graphie der Texte der in einer alemannischen Sprachvarietät um 1300 verfassten „Manessischen Liederhandschrift“ nur behutsam und nicht im Sinne eines normalisierten Mittelhochdeutschs, das ohnehin nur eine virtuelle Größe der Grammatiker ist, geändert. Die folgenden Eingriffe sollen jedoch im Interesse der weniger geschulten Leserinnen und Leser die Lautung einiger Schreibungen durchsichtiger machen: – Vokalische Längen werden, wie auch in den kritischen Ausgaben üblich, mit einem Apex (^) bezeichnet. – Die Handschrift unterscheidet in der Schreibung nicht zwischen stimmhaften und stimmlosen /s/-Lauten, die sie in der Regel als < >, seltener als wiedergibt. Hier wurden im Interesse einer besseren Erkennbarkeit die Schreibungen der mittelhochdeutschen Grammatik verwendet: Für das stimmlose /s/ steht das Zeichen ; statt z. B. das wird also daz (lies /dass/), statt wasser wazzer (lies /wasser/) geschrieben. – Dagegen wurden die Geminaten nach Langvokalen beibehalten, weil sie für die rhythmische Realisierung der Texte entscheidend sind. Statt masse steht daher mâzze (lies /ma:s’se/), d. h. die vokalische Länge wird unter Mithilfe der gesprochenen Doppelkonsonanz realisiert. – Statt (= /Þ/), sofern es einen Umlaut vertritt, steht die Ligatur (z. B. closenere e clôsenære; were e wære). – , werden nach den entsprechenden Lautungen transkribiert (houeliche e hovelîche; vnde e unde). – Eine Vereinheitlichung der Graphie wurde nicht angestrebt. So findet man z. B. im Abstand von wenigen Versen die Schreibungen riter und ritter oder die Reime /, lîb/wîp. Hier markierte der Schreiber die Auslautverhärtung /k/ beziehungsweise /p/ zwar in tac und wîp, in mag und lîb jedoch nicht, obwohl sie auch dort gesprochen wurde. – Kürzel sind aufgelöst: dc e je nach Textzusammenhang das oder daz ; ds e der; statt vn¯/un¯ steht dabei stets und, unabhängig davon, dass es aus metrischen Gründen auch manchmal als unde aufgelöst werden müsste/könnte; unde steht nur, wenn es auch der Schreiber ausgeschrieben hat. Ausge-

Vorwort

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schrieben sind auch und , sofern sie als Striche, meist über den vorangehenden Vokalen, angedeutet sind (vo¯ e von; gebe¯ e geben; de¯ e den oder dem, je nach Kontext). Überschreibungen werden nebeneinander geschrieben ( e ; über e œ). Die Partikel ze ,zu‘ ist vielfach an das folgende Wort angeschrieben (z. B. zeguote, zemasse); hier wurde der Deutlichkeit halber gewöhnlich getrennt (ze guote, ze mâzze). Die Negationspartikel en, wurde, sofern sie isoliert stand, proklitisch dem folgenden Verb angefügt (en mag e enmag). Die Handschrift setzt gelegentlich (sprich /ü/) und gleich; hier wurde nach den Gepflogenheiten der mittelhochdeutschen Grammatik differenziert. Das Graphem vertritt in der Handschrift die Laute /i/ und /j/; hier wurde vor Vokalen eingesetzt. Die alemannische Handschrift gehört einer Sprachregion an, die weniger Diphthonge realisiert als die nördlicheren Varietäten. Dies fällt besonders bei dem aus dem normalisierten Mittelhochdeutsch bekannten auf. Es steht also z. B. suezzen statt (normalisiert) süezen, mueste statt (normalisiert) müeste; hier wurde der vertrautere Umlaut /üe/ gewählt.

Den Studierenden meiner Walther-Vorlesungen und -Seminare danke ich für Geduld und Mitarbeit, meiner langjährigen Mitarbeiterin Isabelle Hardt für hilfreiche Anmerkungen und Korrekturen, den Herausgebern und dem Verlag für die Aufnahme des Bandes in die Reihe „Einführung Germanistik“.

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I. Epoche und Literatur 1. Das Rittertum und die Kultur des Hofes Ritter

Visualisierung/ fiktionale Welten

Die Geschichte der deutschen Sprache und Literatur war um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert eng mit der Geschichte des Rittertums verbunden, das die tragende Säule der damaligen höfischen Kultur bildete (s. Bumke 51990; Ehrismann 1990; Ehlers 2006). Seit dem 11. Jahrhundert war das Ansehen der Reiterkrieger stetig gewachsen, die römische Kirche nahm sie gegen die muslimischen Araber in ihren Dienst und stützte sich auf den miles christianus, den ,Gotteskrieger‘. Durch die Verbindung mit den christlichen Tugenden erhielt die Ehre des Ritters eine neue Weihe. Im 12. Jahrhundert konnte der Ritterbegriff auch auf die höheren Dienstleute (= Ministerialen, ministeriales) übergehen. Unter maßgeblicher Beteiligung französischer Kathedralschulen entstand vor allem durch sie ein Leitbild des Ritters, das von einem eigenen und anspruchsvollen Tugendkanon (s. Eifler 1970) und eigenen ,höfischen‘, d. h. an den Adelshof gebundenen Lebensformen geprägt war: „An der Wiege der europäischen Ritterschaft standen Bischöfe, Mönche und Priester, stand die gregorianische Kirchenreform [des 11. Jahrhunderts] mit ihrer neu belebten Idee des heiligen Krieges.“ (Ehlers 2006, 24) Die Ministerialität drang damals langsam in den Niederen Adel vor, allerdings verharrten die alteingesessenen Adligen (nobiles) und die ministeriales im wirklichen Leben noch lange in getrennten und stark abgestuften sozialen Rängen. Nicht zuletzt unter dem Einfluss des französischen chevalier-Begriffs strahlte das neue Leitbild des Ritters weit über die berittenen Krieger selbst hinaus und erfasste die gesamte Aristokratie. Diese, bemüht, die Strukturen ihrer Herrschaft zu verdichten und zu verstetigen, entfernte sich durch die Rezeption und Weiterentwicklung der neuen (modischen) Hofkultur des französischen Westens als ,Festkultur‘ mehr und mehr von den Kulturen des Alltags. Der neue zivilisatorische Schub zielte nicht nur auf ein bequemeres und angenehmeres Leben, er diente auch der Visualisierung der Herrschaft und war deshalb getragen von einer aufwändigen und prunkvollen Lebensführung. Je mehr Reichtum eine Dynastie zur Schau stellen konnte, so die Auffassung, desto nachhaltiger konnte es seinen Anspruch auf Herrschaft bekräftigen. Die Pracht, die rîchheit der Adelshäuser und ihrer Mitglieder spielte in den fiktionalen Beschreibungen des höfischen Lebens eine bedeutende Rolle, und zwar nicht vorrangig um ihrer selbst willen, d. h. zur Ergötzung des Publikums, sondern als ,Zeichen‘, d. h. um ihrer Funktionalität willen. In einer Zeit, in der „jede Einzelheit und jedes Detail aristokratischer Selbstdarstellung […] dem Ziel untergeordnet werden [sollte], eine harmonische Figuration höfischer Ordnung darzustellen“ (Wenzel 1995, 25), fiel den Autoren die Aufgabe zu, mithilfe ihrer Geschichten und Lieder eine neue adelige Identität zu stiften. Die phantasievollen Erzählungen und Lieder aus der Welt des Adels standen, zumal sie gewöhnlich in einer Performance (und nicht als

1. Das Rittertum und die Kultur des Hofes

Lektüre) rezipiert wurden, ihrem Publikum näher als die heutigen, über das Buch aufgebauten Erzählwelten. (Kompakte Einführungen in die mittelhochdeutsche Sprache und Literatur liefern Ehrismann/Hardt 2007a/b.) Das Ansehen des adligen Menschen beruhte auf seiner Ehre (Þre; s. Ehrismann 1995b), die durch ein sozialgefälliges Handeln erworben und gesteigert wurde. Êre unde lîp (,Ehre und Leben‘) standen auf gleicher Höhe, ihre Verletzung wurde als Bedrohung und Herausforderung erfahren, die zur Wahrung der Ehre eine Gegenherausforderung, die Rache, verlangte. Auch Walthers Textproduktion ist ohne das Leitbild der Ehre, deren Steigerung eine Voraussetzung für soziale Mobilität war, nicht zu denken. Die neue Kultur der rîchheit strahlte auch auf den Kanon der ritterlichen Tugenden aus, der die Distanz der Menschen untereinander förderte. Jetzt gehörte die plurale Anrede ir zu den verbindlichen ,höflichen‘ Umgangsformen. In der Tradition der antiken und z. T. auch benediktinischen Ethik spielten theoretische und fiktionale Texte den Vorteil eines harmonischen und emotionskontrollierten Handelns aus, das die Extreme meiden und sich dem ,rechten Maß‘ verpflichten sollte (s. Ehrismann/Fritsch-Rößler 1995). Dieses Maß, die mâze (sprich /ma:ße/), siedelte in dem weiten Raum der schœne (,Schönheit‘), die vom Göttlichen her definiert, also nicht als sinnlich Erfahrbares wahrgenommen wurde. Die philosophisch-theologische Spekulation des Mittelalters beerbte hier die antike Idee der Kalokagathie (jakojacahi´a ,Schöngutheit‘) und entwickelte einen ontologischen, damit also objektiven und transzendenten Schönheitsbegriff, in den neben dem Schönen auch das Gute und Wahre eingeschlossen waren. Der Kunst als Verwalterin der Schönheit fiel mithin die Aufgabe zu, die Harmonie des Kosmos, die Ordnung (lat. ordo) der Schöpfung, in das kollektive Bewusstsein zu heben. Der Dichter wurde – Walthers Sangsprüche sind ein beredtes Beispiel dafür – zum Bewahrer traditioneller Werte, sein Vers spiegelte einen transparenten, auf das Gute und Wahre verpflichteten Schönheitsbegriff.

Ehre

mâze, schœne

2. Dichten, Dienen und die Verschwiegenheit des Textes Dichten und Dienen Der Dienstgedanke beherrschte das soziale Gefüge des Mittelalters. Mit ihm verband sich auch das literarische Schaffen, das nicht primär als ein geniales, schöpferisches Tun, sondern als ein Machen (poi´griy), als eine Technik angesehen wurde. Die Kunst – so schon die Mimesis-Theorie der Antike – diente dazu, die von Gott geschaffene Natur nachzuahmen und zu vollenden. Ein ambitionierter Autor, und nur von ihm soll hier die Rede sein, spürte gleichsam die Spuren Gottes in der Natur auf. Erst die Künstler der Renaissance werden die Natur selbst vergöttern und die Welt als die entfaltete Gottheit interpretieren. Dann erst wird die ,Erfindung‘ (inventio) gleichrangig neben die li´lgriy (,Nachahmung‘) treten und der die Natur nachbildende Künstler das Göttliche selbst ergreifen. Hiervon jedoch ist Walthers Zeit noch weit entfernt. Die Autoren, die sich an den Höfen um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert ihr Brot verdienten, sahen sich nicht nur der Verstetigung des ordo

Mimesis

öffentliche Wirkung

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I. Epoche und Literatur

verpflichtet, sondern in diesem Zusammenhang auch der Etablierung eines idealisierten Leitbildes des ritterlich-höfischen Lebens. Ihre Narrative und Gesänge, seien sie unterhaltend, belehrend oder auch ein Spiegel eigener Emotionalität und eigener Reflexion, waren auf eine öffentliche Wirkung hin konzipiert. Sie waren in ihrer sozialen Transparenz funktional ausgerichtet. Die Erzählungen eines Heinrich von Veldeke, Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Ulrich von Zatzikhofen, Herbort von Fritzlar oder Wirnt von Grafenberg nach antiken und arthurischen Sagen, die neue Aneignung der germanischen Sagenwelt durch den Dichter des „Nibelungenliedes“, die Gesänge eines Friedrich von Hausen, Rudolf von Neuenburg, Albrecht von Johansdorf, Heinrich von Morungen, Reimar (weniger korrekt: Reinmar) von Hagenau, Otto von Botenlauben, Walther von der Vogelweide, Neidhart von Reuental und vieler anderer dienten einem aristokratischen Publikum und stifteten jenseits aller sozialen Differenzen eine eigene ,ritterliche Identität‘.

Naturalisieren

Kontextwissen

Die Verschwiegenheit des Textes Wer aber waren diese virtuellen Ritter und Damen der Narrative und Gesänge? Wie kann man sie in sich beim Hören oder Lesen zum Bild werden lassen, sie sich ,ein-bilden‘? Sie, wie es die Erzähltheorie nennt (s. z. B. Fludernik 2006), ,naturalisieren‘? Das Verstehen eines poetischen Textes verlangt nämlich auch, ihm „das zu entnehmen, was dieser nicht sagt (aber voraussetzt, anspricht, beinhaltet und miteinbezieht), und dabei Leerräume aufzufüllen und das, was sich im Text befindet, mit dem intertextuellen Gewebe zu verknüpfen, aus dem der Text entstanden ist und mit dem er sich wieder verbinden wird.“ (Eco 31998, 5) Ein Kennzeichen von Dichtung ist also ihre ,Verschwiegenheit‘ (z. B. gegenüber zeitgenössischen Selbstverständlichkeiten wie den höfischen Lebensformen), und deshalb verlangt sie eine schöpferische Mitarbeit der Hörenden und Lesenden. Durch die Leerstände werden die Lesenden als Interpretierende und Sinnstiftende in den Text aufgenommen. Sie reichern diesen durch ihr ,Weltwissen‘ an; Eco (31998, 94 ff.) nennt diese Fähigkeit ihre „enzyklopädische Kompetenz“. Die kulturhistorisch orientierte Lektüre, die für Walthers Texte versucht werden soll, benötigt also ein historisches Kontextwissen. Dieses sollte z. B. ermöglichen, die Ritter, die höfischen Damen, den Fürstenhof oder auch das Ich, das in den Texten spricht, auf historischem Grund zu naturalisieren. Mehr als skizzenhafte Umrisse, sensibel aus den Quellen rekonstruiert, werden sich freilich kaum erreichen lassen. Aber es ist schon etwas gewonnen, wenn man zu den Rittern der heutigen Mittelaltermärkte Distanz gewinnt, für die das Rittersein ein schönes nostalgisches Spiel und keine Lebensform mehr ist mit dem Ziel, Ehre zu gewinnen und zu steigern.

3. Der Ritter, die Dame, die höfische Liebe Ritterideal

Der Ritter Das idealisierte Ritterbild, das man bei der Rezeption der Gesänge als Bildprogramm im Hintergrund mitlaufen lassen sollte, diente, wie gesagt, der Stiftung einer kollektiven adligen Identität, ohne dabei die verschiedenen

3. Der Ritter, die Dame, die höfische Liebe

Ränge innerhalb der Adelsgesellschaft zu nivellieren. Walthers Liedkorpus enthält eine knappe Äußerung über die Bedingungen des Rittertums in der Form eines Palindroms (zu griech. paki´mdqoloy ,rückwärtslaufend‘), d. h. eines Textes, dessen Verse spiegelbildlich wiederholt werden. Es ist übrigens auch unter dem Namen des jüngeren Spruchdichters Freidank überliefert; solche Mehrfachzuschreibungen von Texten waren im Mittelalter nicht ganz ungewöhnlich: Nieman riter wesen mag drîzzec jâr und einen tag, im gebreste muotes, lîbes alder guotes, Lîbes alder guotes, im gebreste muotes, drîzzec jâr und einen tac nieman ritter wesen mac. (W 58/VI)

Niemand kann über dreißig Jahre (= jemals) Ritter sein, wenn ihm Mut und Gesinnung, Persönlichkeit und Gut fehlen. Fehlen jemandem Persönlichkeit und Gut, Gesinnung und Mut über dreißig Jahre, so kann er nicht Ritter sein.

Diese drei Bedingungen – muot, lîp, guot – nennt z. B. auch der wieder zu Verstand gekommene Iwein in Hartmanns von Aue gleichnamiger Geschichte (Iwein 3580–83; s. Wolf 2007, 86). Das mittelhochdeutsche muot ist schwer wiederzugeben, denn es referiert auf die breite Palette der geistigen und seelischen Kräfte des Menschen, auch, je nach Kontext, auf die Tapferkeit (s. Ehrismann/Dick 1995a), und lîp konnte, wie die Übersetzung zeigt, umfassender als das heutige ,Leib‘ gebraucht werden. Eines der anschaulichsten Ritterbilder, eingetaucht in das Licht der Ehre, findet sich in Hartmanns kleiner Erzählung „Der arme Heinrich“, die den Protagonisten wie folgt beschreibt (47–74; s. Wolf 2007, 110):

muot, lîp, guot

In seinem Herzen hatte er ehrlosem / und bäurischem Benehmen (dörperheit) abgeschworen, / und er hielt an diesem Eid stets / bis an sein Ende fest. / Ohne jeglichen Tadel waren / seine Ehre (Þre) und sein Leben. / An weltlichem Ansehen (werltlîchen Þren) besaß er, / was man sich nur wünschen konnte. / Dieses verstand er durch vielfältige / herrliche Eigenschaften gut zu mehren. / Er war eine Blüte der Jugend, / ein Spiegel weltlicher Freude, / ein Diamant fester Treue (triuwe), / die absolute Krönung höfischer Bildung (zuht). / Er war die Zuflucht der Bedürftigen, / seinen Verwandten ein Schutzschild, / eine gerechte Waage der Freigebigkeit (milte). / Er besaß weder zu viel noch zu wenig. / Er trug auf dem Rücken die / beschwerliche Last der Ehre (Þre). / Er war ein Mann des Ausgleichs / und sang sehr schön von der Liebe (von minnen). / So konnte er gesellschaftliche / Anerkennung und Ruhm (der werlte lop unde prîs) erlangen. / Er war höfisch und gebildet (hövesch unde wîs).

Die höfische Dame und die höfische Liebe Die Autoren der Walther-Zeit entwarfen ,ritterliche‘, also männliche Welten, die auch dann männlich überformt blieben, wenn sie eine Frau zu Wort kommen ließen und eine weibliche Perspektive vorspielten. Im Sinne der Kalokagathie zeichneten sie gerne ein Traumbild der höfischen Dame (frouwe), das sie in die kräftigen Farben der Schönheit (schœne), Sittsamkeit (tugent) und höfischen Bildung (zuht) tauchten. Walther bildete keine Ausnahme, in seinen Gesängen ahmte er nicht die Wirklichkeit der weiblichen Aristokratie nach, die ihm und seiner Arbeit an dem facettenreichen Thema der höfischen Liebe (minne) wohl gerne lauschte. Dieses Thema wurde dabei nicht mithilfe einer konsistenten Theorie entfaltet, sondern im Rahmen

frouwe, schœne, tugent, zuht

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I. Epoche und Literatur

minne

einer unterhaltsamen und geistreichen Debatte über die Höflichkeit, wie nämlich die Beziehung der Geschlechter in der Öffentlichkeit zu gestalten sei. Nur am Rande sei bemerkt, dass dies alles unter den missbilligenden Augen der strengen Geistlichkeit geschah. Wenn man von der ,höfischen Liebe‘ (minne) spricht, naturalisiert man auch die Gestalt eines edlen Ritters, der begehrlichen Blicks eine schöne Frau verehrt, die ihn, wenn überhaupt, unter vornehmer Zurückhaltung anhört, ohne ihn zu er-hören. Dieser Ritus wurde nach einem Modell entwickelt, das von Frankreich ausging, ein literarisches Konstrukt war und sich hauptsächlich im Lied, dem ,Minnelied‘, wiederfindet. Im Zentrum stand die höfische Dame (lat. domina ,Herrin‘; mhd. frouwe, allgemeiner wîp), es referierte auf die beherrschende Stellung einer in der Regel verheirateten Aristokratin: Ein Mann, ein ,Junggeselle‘ (jeune), erblickt sie. Das, was er von ihrem Gesicht sieht, was er von ihrem von der Haube verdeckten Haar und ihrem von erlesener Kleidung verhüllten Körper ahnt, betört ihn. Alles beginnt mit einem Blick. Es ist die Metapher eines Pfeils, der durch die Augen bis zum Herzen vordringt, es versengt und das Feuer der Begierde in ihm entzündet. (Duby 2006, 265)

Hin-Gabe

der Körper der Dame

Ein männliches Spiel beginnt, in dem der Ritter die Dame, die er wie eine feindliche Burg belagert, ,erobern‘ will. Listig unterwirft und demütigt er sich, erniedrigt sich zum dienenden Vasallen der Herrin – eine vollkommene Hin-Gabe: sô gar bin ich ir undertân, / daz ich unsanfte ûz ir genâden mohte komen (DL 131/53: ,So vollständig bin ich ihr untergeben, dass ich ihre Gunst nur unter Schmerzen verlieren könnte‘), erklärt das Ich in einem Lied Reimars. Der Dienst gilt ausschließlich dieser Dame. Was immer der wankelmütige lîp rät: sô will iedoch das herze niender wan dar (DL 131/24: ,so strebt jedoch das Herz nur dorthin‘). Die Dame besitzt die Macht, den Ritter anzunehmen oder abzulehnen: Si ist mir liep, und dunket mich, / wie ich ir volleclîch gar unmære sî, / waz darumbe? Daz lîde ich (DL 131/41–3: ,Ich liebe sie, und scheint es mir auch, dass ich ihr vollkommen gleichgültig bin, was soll’s? Ich ertrage es‘). Solches Leiden gilt als süeze arbeit (DL 131/ 26: ,süße Qual‘), denn die Hin-Gabe verlangt nach der archaischen Logik der Zeit, wie jede Gabe, eine Gegen-Gabe. Ihr materieller Wert ist von einem ideellen überlagert. Die Dame muss den Ritter erhören, und so ist guot gebite (DL 132/66: ,geduldiges Warten‘) verlangt. Die höfische Liebe mag platonisch bleiben, ihrem Wesen nach ist sie es nicht. Spielerisch nennt Reimars Lied-Ich sein Ziel: ichn gelige herzeliebe bî, / ez hât an mînen fröiden nieman niht (DL 134/18: ,Wenn ich nicht bei der Liebsten liege, hat niemand Freude an mir‘). Die Dame beherrschte den, der ihr diente. Aber sie konnte über ihren Körper nicht frei verfügen, sei es nach der gerade skizzierten Modellsituation, dass sie verheiratet war, denn dann gehörte dieser ihrem Mann, sei es, dass sie noch Jungfrau war, dann gehörte ihr Körper dem Vater oder den Brüdern. Ihr Körper stand unter der Wachsamkeit (huote) des Hofes und war ein Teil von dessen Ehre (Þre). Eine Verletzung dieser Ehre würde schwerste Strafen nach sich ziehen, und so blieb, auch dies war ein Teil des ritualisierten Spiels, der verehrende Ritter in steter Erwartung, quälte sich hoffend und lernte dabei/sollte dabei lernen, seinen Körper und seine Emo-

3. Der Ritter, die Dame, die höfische Liebe

tionen zu kontrollieren und – hier entstand eine frühe psychologische Kompetenz – zu beobachten: Das Vergnügen gipfelte in der Begierde. Und hier zeigt die höfische Liebe ihre wahre Natur: Sie ist ein Traum. Sie gestand der Frau eine gewisse Macht zu. Aber sie begrenzte diese Macht innerhalb eines genau definierten Bereichs, dem der Phantasie und des Spiels. (Duby 2006, 267)

In diesem Spiel gewann der Liebende/Minnende „sein neues Selbstverständnis nicht ,neuzeitlich‘ aus sich selbst […], sondern aus der totalen Ausrichtung auf einen anderen, Höheren, Vollkommenen: die Minnepartnerin.“ (Hahn 1989, 96) So mochte die ,Erzählebene‘ der Lieder der Spiegel der einen oder anderen männlichen Disziplinierung und Selbstdarstellung sein, eine allgemeine Kultivierung der Höfe bewirkte sie allerdings nicht. Die höfische Liebe referierte nicht auf die Ehe. Das Recht auf Glück und die enge Bindung der Ehe an die Liebe, heute in der Regel selbstverständlich, leiteten den Alltag der mittelalterlichen Aristokratie nicht. Den Bund von Ehe und Liebe zu stiften, war das genuine Terrain der großen Narrative mit ihren virtuellen Welten; die Lieder dagegen loteten intensiv das Potenzial der höfischen Liebe aus.

Ehe

4. Minnelied, Sangspruch, Strophe Das Minnelied Die gereimten Kurztexte kann man als ,Lieder‘ oder ,Gesänge‘ (songs) bezeichnen. Sie dienten dem Erwerbsleben ihrer Autoren. In dieser Einführung wird (gegen den Trend) nicht von ,Lyrik‘, mit der heute gerne die Kategorien der Intimität und Subjektivität verbunden werden, gesprochen und auch nicht von ,Gedichten‘, denn die Songs des Mittelalters sehen nur in der Verschriftung wie Gedichte aus. Sie wurden gewöhnlich nicht für das stille Lesen, sondern für eine Performance, den musikalischen Vortrag, konzipiert und zielten auf öffentliche Wirkung. Das nicht-professionelle Lesen volkssprachiger Texte begann erst langsam während der Frühen Neuzeit, als die Alphabetisierung der Bevölkerung allmählich zunahm. Die Gesänge der Walther-Zeit waren Genres von eigener Qualität, die man mit heutigen ähnlichen Genres zwar vergleichen, aber nicht gleichsetzen kann. Die Verschwiegenheit der Lieder ist wegen des geringen Raums für die Beschreibungsebene verhältnismäßig hoch, die Naturalisierungskompetenz trifft daher auf relativ grobmaschige frames wie ,Ritter‘ oder ,Dame‘, aber auch ,Linde‘, ,Heide‘ oder ,Sommer‘ usw. Erheblich geringer als in den Narrativen ist auch die Zahl der die Lied-Erzählung umgebenden und ihre Rezeption steuernden Begleittexte (Paratexte), wie z. B. die Einführung des Autors in Vor- oder Nachworten. Zudem kannte das mittelalterliche Lied im Allgemeinen auch keine Überschriften. Es wird deshalb am besten nach dem ersten Vers zitiert. Die meisten Walther-Ausgaben wählen allerdings mehr oder weniger phantasievolle, aber eben auch rezeptionssteuernde Überschriften wie „Lindenlied“ oder gar „Reichsklage“. Walthers Lieder folgen thematisch cum grano salis zwei Schwerpunkten: Sie referieren einerseits auf das politische und religiöse Leben mit allen sei-

Lied, Gesang

Paratexte

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I. Epoche und Literatur

Subgenres

nen Facetten sowie auf allgemeine Lebensweisheiten, andererseits (direkt und indirekt) auf die höfische Dame und die höfische Liebe. Der ersten Bezugnahme gilt – auch hier wieder bedarf es der Einschränkung cum grano salis – die (gewöhnlich) einstrophige Sangspruchdichtung, der zweiten das (gewöhnlich) mehrstrophige Minnelied. Das ,Minnelied‘ (s. Schweikle 1989b) begann seine Karriere während des mittleren und späteren 12. Jahrhunderts an den kulturell interessierten Adelshöfen und begegnet während der Walther-Zeit in verschiedenen Untergruppen (Subgenres) als: – Minnelied im engeren Sinne, d. h. als ein auf die ritterlich-höfische Kultur bezogenes Genre, das die mehr oder weniger schwierige Beziehung zwischen einem Ritter und einer Dame erzählt; – Wechsel, d. h. als eine Intergenderkommunikation, bei der Mann und Frau Strophen im Wechsel zugeordnet sind, wobei das Paar monologisch agiert, d. h. nur indirekt miteinander kommuniziert; eine Untergruppe bildete das Botenlied, in dem die Kommunikation der Geschlechter über einen Boten hergestellt wird; – Tagelied, in dem sich die beiden Liebenden nach gemeinsam verbrachter Nacht traurig trennen; eine Untergruppe bildete das Wächterlied, in dem ein Wächter über die Liebenden wacht und am Morgen zum Aufbruch drängt; – Kreuz(zugs)lied, einer (im vorliegenden Zusammenhang) dem Minnelied im engeren Sinne angenäherten Form, in der der liebende Ritter zum Kreuzzug aufgerufen ist und nach quälendem Nachdenken den Gottesdienst dem Minnedienst vorzieht. Nicht zu den Minneliedern wird man die Pastourelle (oder Pastorelle; nach provenzalisch pastorea ,Schäferlied‘, ,Hirtenlied‘) zählen, ein besonders in den romanischen Ländern gepflegtes Lied, das die Verführung eines einfachen Mädchens (meist) durch einen listigen Scholaren oder Hirten erzählt und thematisch aus drei Bauteilen besteht: dem Natureingang als locus amœnus (,lieblicher Ort‘: eine mithilfe stereotyper Komponenten, z. B. Heide, Baum, Quelle, Vöglein, gezeichnete virtuelle Landschaft), dem Verführungsgespräch und der gelingenden Verführung des Mädchens.

Rollen

milte Gnomik

Der Sangspruch Während im Lied, dessen Ich sich als Liebender inszenierte, die selbstreflektierende Rede vorherrschte, schlüpfte das Ich im Sangspruch in verschiedene Rollen, z. B. Lehrer der Weisheit und Prophet, Lobredner, Fahrender, Mahner, disziplinierender Sittenrichter oder Tadler. Der ,Sangspruch‘ (s. Tervooren 1995) war hauptsächlich in der mittellateinischen, jedoch auch in der provenzalischen und altfranzösischen Literatur bekannt, kaum in der mittelhochdeutschen. Zu den traditionellen Themen gehörten die Bitte um Freigebigkeit (milte,) und die Gnomik im weitesten Sinne. Unter ,Gnomik‘ ´ lg ,Einsicht‘, ,Erkenntnis‘, ,Rat‘) versteht man das spruchhafte (zu griech. cmx Verkünden von Lebensweisheiten und -erfahrungen aller Art durch Überzeugung, nicht Überredung (s. Baltzer 1991). Dabei schmückte der Gnomiker die Sinnsprüche mit anschaulichen und treffenden Bildern, die die Aufmerksamkeit des Publikums für den oft abstrakten Gegenstand garantierten.

4. Minnelied, Sangspruch, Strophe

Wollte er als Ratgeber, überhaupt als Sangspruchdichter, erfolgreich sein, musste er, so verlangte es das mittelalterliche Publikum, einen möglichst angesehenen sozialen Rang einnehmen und sich eine Kompetenz hinsichtlich der behandelten Sache und der Kunst des Überzeugens erwerben. Dadurch baute er sich eine persönliche Autorität auf, die seine Vertrauenswürdigkeit steigerte, was schließlich seinem Erwerbsleben zugutekam. Walther, dies sei vorweggenommen, gelang diese Steigerung der Autorität (werdekeit, Þre), wobei er in seinen Sprüchen einen hohen ethischen Anspruch vertrat und sie in einem konservativen Weltbild verankerte. Durch ihn blühte die Gattung des Sangspruchs in der Volkssprache auf. Die Kanzone Während der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war die Langzeilenstrophe des frühen Minnesangs mit Mittelzäsur (z. B. Ich zôch mir einen valken || mÞre danne ein jâr; DL 15/I1) von der durchgereimten Kurzzeilenstrophe abgelöst, variationsreiche Weisen/Melodien (wîsen, dœne) waren entwickelt worden. Die klassisch gewordene Strophenform wurde die ,Kanzone‘ (italien. canzone ,Lied‘) oder ,Stollenstrophe‘ der provenzalischen Trobadors. Es ist eine dreigliedrige Strophe, in der zwei formal gleichen, thematisch antithetischen Teilen – dem ,Stollen‘ und dem ,Gegenstollen‘ – ein dritter Teil mit eigenem Gewicht folgt. Die beiden Stollen bilden den ,Aufgesang‘, dem sich der ,Abgesang‘ anschließt. Das folgende Beispiel stammt aus Walthers Liedkorpus: Sumer und winter beide sint guotes mannes trôst, der trôstes gert. er ist rehter frœide gar ein kint, der ir niht von wîbe wirt gewert. dâ von sol man wizzen daz, daz man elliu wîb sol Þren, und iedoch die besten baz. (W 68/I)

H jStollen h HGegenjstollen h

klassische Strophenform

H f f jAufgesang f f h H jAbgesang h

In diesem Beispiel werden die drei Glieder formal durch das Reimband in der Abfolge a b / a b // c d c markiert; den alleinstehenden Versschluss (d) bezeichnet man als ,Waise‘. Die Kanzone ist in ihrer formalen (z. B. Reimband, Umfang der einzelnen Teile) und inhaltlichen Gestaltung sehr variabel. Geschichte der Musik Die Melodien der Gesänge lassen sich heute nur noch unvollkommen rekonstruieren. Die Musikgeschichte des Mittelalters war bis in dessen Spätzeit hinein überwiegend eine Geschichte der geistlichen Musik. Um die Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert wurde im Reich Karls des Großen über die Kloster- und Domschulen der Gregorianische Gesang der römischen Kirche eingeführt, der sich unter Einschluss regionaler Singweisen weiterentwickelte. Als ,Gregorianischen Gesang‘, benannt nach Papst Gregor I. (590–604), bezeichnet man den chorisch und solistisch einstimmigen liturgischen Gesang der römischen Kirche, der in der Liturgie von Messe und Stundengebet verwendet wurde. Während die chorischen Gesänge einer

Gregorianischer Gesang

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I. Epoche und Literatur

Neumen

höfischer Gesang

schlichten Melodie folgten, waren die solistischen melodisch reich verziert. Die Aufzeichnung der Melodien erfolgte zunächst durch linienlose Neumen, d. h. Symbolzeichen für melodische Bewegungen, später in einer Notenschrift, die auf Linien in römischer Quadrat- oder gotischer Hufnagelnotation den Melodienverlauf und die Notenverteilung auf Textsilben festlegte. Der tägliche Umgang mit den liturgischen Gesängen führte bald zu eigener Kreativität und zur Entwicklung neuer Arten von Messegesängen, z. B. lyrischen Strophenliedern, Sequenzen, die aus der Endsilbe ia des gregorianischen Alleluia entwickelt wurden, und Tropen, d. h. Erweiterungen und Umformungen auf der Grundlage vorhandener Choralmelodien. Im 12. Jahrhundert wurde nach französischem Vorbild der einstimmige, von Instrumenten begleitete höfische Kunstgesang der Minnesänger mit z. T. kunstvollen polyphonen Vokalwerken und ausdrucksvollen Liedsätzen entwickelt, den dann die Meistersänger des 15. Jahrhunderts als lehrbare Techniken in feste Regeln fassten. Die musikalische Überlieferung lag in den Händen der Oberschicht und hier mehrheitlich bei der Geistlichkeit, sodass nur ein kleiner Teil des musikalischen Lebens des Mittelalters den Weg aufs Pergament fand.

5. Autor und Textinstanz Fahrende

Instrumente

Vaganten

textuelle Ebene

Die sozialen Verhältnisse der meisten Liederdichter der Walther-Zeit kennt man nicht. Wer diese Lebensform ergriff, mochte er auch Ritter und/oder Ministeriale sein, gehörte gewöhnlich zu denen, die in der eigenen Familie kein Auskommen mehr fanden. Die Autoren des 12. und 13. Jahrhunderts sind nicht als geschlossene soziale Gruppe zu definieren; es waren überwiegend Musiker und Sänger, die an einem Hof lebten oder von Hof zu Hof zogen und von der Gunst der dortigen Gönner und Mäzene abhängig waren. Der Hof, später das Patriziat der Städte, engagierte sie, um in anspruchsvoller Unterhaltung und Umgebung einen attraktiven Kulturbetrieb zur Schau stellen zu können. Etwas besser kennt man, durch Illustrationen und Berichte, die Aufführungen dieser Spielleute und ihre zahlreichen Instrumente: z. B. Fiedel, Harfe, Laute, Drehleier, Flöte, Schalmei, Sackpfeife, Horn, Trompete, Trommel, Glockenspiel oder Portativ, d. i. eine kleine tragbare Orgel. Die Künstler und Künstlerinnen waren vielfältig talentiert (s. Schubert 1995): Manche konnten musizieren und erzählen, manche waren darüber hinaus Puppenspieler und Gaukler, bisweilen Akrobaten und Tierbändiger in einem. Juristisch blieben sie allerdings weithin rechtlos, wenn auch einige seit dem 13. Jahrhundert als geachtete Berufsmusiker an den Höfen zu Ansehen gelangten. Eine eigene Gruppe bildeten die Vaganten (zu lat. vagare ,umherschweifen‘), lateinisch gebildete Fahrende. Die literarischen Aussagen über die Befindlichkeiten der Autoren lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer auf die jeweiligen biografischen Wirklichkeiten beziehen, wenn auch nicht auszuschließen ist, dass sie dies tun. Die textuelle Ebene bildet per definitionem die pragmatische nicht ungebrochen ab, abgesehen davon, dass man die Dichte der Beziehung zwischen dem Autor und dem Ich in seinen Texten ohnehin nicht kennt. Wer vor

5. Autor und Textinstanz

einem ritterlich-höfischen Publikum von den Höhen und Tiefen der Liebe zu (s)einer Dame sang, nahm aus Erwerbszwecken, wie angedeutet, an einem ,Gesellschaftsspiel‘ mit dem Ziel teil, die Erwartungen des Publikums zu erfüllen und damit die eigene Beliebtheit, das eigene Ansehen, zu steigern. Er musste wohl mit einer gewissen Bereitschaft des Publikums rechnen, sich am Entwurf virtueller Welten zu erfreuen, Fiktionalisierungen als solche zu erkennen und zu akzeptieren. Stellte er auch ein Erleben zur Schau, so trug er doch keine ,Erlebnislyrik‘ (im wissenschaftlichen Wortsinne) vor, und man sollte das Ich der Texte nicht mit dem zwar schönen, aber sehr unbestimmten Ausdruck ,lyrisches Ich‘ belegen. In den mittelalterlichen Liedern schlüpfte der Performer, d. i. der Autor oder ein anderer, der dessen Texte vortrug, in ein eigenes Ich, in dem er hinsichtlich der Text-Aussagen aufrichtig war oder sich verstellte. Die zeitgenössischen Zuhörer, die ihn gut kannten, konnten die Wahrheit vielleicht erkennen; heute kann man dies im Grunde nicht mehr. Man weiß auch nicht, wie häufig ein Lied, selbst wenn es für eine zunächst einmalige Situation, etwa die Werbung um die Herrin eines besonderen Hofes, komponiert war, zu Gehör gebracht wurde und wie ortsgebunden der Vortrag blieb. Man vergleicht den Liedvortrag heute gerne mit der – damals allerdings noch wenig entwickelten – Welt des Theaters und spricht von einer ,Rolle‘ oder ,Maske‘, hinter der sich der Performer versteckte. Die Diskussion über den Rollencharakter der Minnelieder ist seit einigen Jahren in vollem Gange. Sie wird kontrovers geführt, kann hier jedoch nicht entfaltet werden (s. grundlegend Haferland 2000). Wenn in der vorliegenden Einführung nicht von ,Rollenlyrik‘ gesprochen wird und die problematischen Begriffe ,Rolle‘ und ,Lyrik‘ vermieden werden, so deshalb, weil dieser Terminus die Komplexität der ,Ich-Ebenen‘ eines verschrifteten Textes verdeckt; auch verdeckt, dass in den Liedern sehr wohl das eigene Erleben des Dichters ,verarbeitet‘ sein konnte. Die Lied-Aussage Ich hân lande vil gesehen (W 32/III1) wird man wohl auf die Biografie des Autors beziehen dürfen, zumal wenn andere seiner Texte eine rege Reisetätigkeit nahelegen. Welche Kraft besäße z. B. auch die These über die Weiblichkeit: Wîb muoz iemer sîn der wîbe hôhste name (,Frau‘ wird [statt ,Dame‘] immer der höchste Begriff für die Frauen sein‘, W 25/IV), wenn das sie vertretende Ich nicht die Stimme des Autors wäre? Bei der folgenden Ich-Kette handelt es sich um eine heuristische Darstellung, die einer leichtfertigen Verortung des Dichters im Leben anhand seiner Texte einen Riegel vorschieben möchte, und nicht darum, sich vom Autor zu verabschieden oder ihn gar in drei oder vier Teile zu spalten – worüber sich wohlfeil zu erheitern wäre. Ein Liedvortrag generiert (e) mindestens zwei Ich-Ebenen nach folgendem Muster: IchA

e

IchP

e

IchT1/IchT2[…]/IchT1‘

A = Autor/Performer; P = Rolle/Performanz; T = Autortext; textinterne(s) Ich(s)

Das hinterste Glied dieser Kette (IchT) ist (z. B. in einem Dialoglied) für mehrere Ichs offen, und es kann von weiteren Ichs (IchT1‘), z. B. der Dame, dem personifizierten Hof oder der personifizierten Minne, mit denen es

Rolle, Maske

Ich-Kette

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I. Epoche und Literatur

kommuniziert hat, erzählen, sogar, in raffinierter Wendung, Walther, den Autor, selbst ansprechen (s. W 91/V1: Hœrâ, walther, wie ez mir stât [,wie es um mich steht‘] / mîn trûtgeselle von der vogelweide). Das Schlussglied, das die Textinstanz enthält, ist allerdings nur durch Verschriftung, also durch spätere Überlieferung, zugänglich, und „schriftlich fixierte, von der unmittelbaren Sprechsituation und von einer sichernden Vermittlung abgelöste Äußerungen werden dichter und vieldeutiger, weil aus dem Text nun gewonnen werden muß, was an bedeutungssichernden Kontexten fehlt.“ (Kurz 1999, 104) Die Kette ist also um ein viertes Glied zu erweitern: IchA

e

IchP

e

IchT

e

IchV

V = verschrifteter/überlieferter Text (eventuell mehrere Fassungen)

Kontextualität

Walthers Charakter

Den Äußerungen der Textinstanz (= Rede-, Sprech-, Liedinstanz) T kann man sich mithilfe einer historisch geschulten Rekonstruktionskompetenz annähern, die die Produktions- und Rezeptionsbedingungen der Texte mit einbezieht, die zur Walther-Zeit wesentlich außengesteuert waren. Sie waren abhängig von den Bedürfnissen des Erwerbslebens des Dichters und seinem Streben nach sozialer Mobilität, von den Wünschen der Auftraggeber und Gönner sowie der exklusiven Atmosphäre des Festes. Wird man also nur in einer ,naiven‘ Rezeption IchA mit IchT gleichsetzen, so wird man andererseits eine solche Gleichsetzung nach gründlicher kontextueller Vorklärung nicht grundsätzlich ausschließen und einer welt- und lebensfremden Interpretation das Wort reden. Der Gebrauch des Ichs in einem poetischen Text dient einem Autor nicht vorrangig dazu, die eigene Biografie ins Licht zu rücken, sondern dazu, der Zuhörerschaft eine individuelle Bewertung eines Ereignisses oder eine Neufassung traditioneller Geschichten, Thesen und Motive, auch Wünsche, vorzutragen. Das Personalpronomen stellt die Verknüpfung zu den aktuellen Diskursen der Zeit her, in die es eingreift, und es verpflichtet die Zuhörerschaft durch Interpretationsarbeit, die Differenz zu diesen Diskursen kritisch verstehend zu kommentieren, um auf diese Weise den Prozess der Innovation, den der Autor anstrebt, nachzuvollziehen. Dieses Ich ist keine vorgegebene Größe; es entsteht durch die Diskursivität des Textes (vgl. Combe 2007). Es ist aber, dies sei für die Lieder des Mittelalters nochmals hervorgehoben, auch keine Größe ohne Autorbezug. Autoren und Zuhörer bewohnten gemeinsam einen „intentionale[n] Raum“ und bestückten ihn „mit Liedformen, […] über deren Verwendung beide Seiten gemeinsame Vorstellungen teilen.“ (Haferland 2000, 13) Die ältere wissenschaftsgeschichtliche Position vertrat repräsentativ Mundhenk 1963, der die Frage der Echtheit der Waltherlieder mithilfe einer umfassenden Charakteristik des Dichters klären wollte. Er entnahm den Liedern ein Selbstbewusstsein, das sich aus dem Wissen um das eigene Können und den Erfolg gespeist und auch keine „soziale Empfindlichkeit“ (S. 70) gekannt habe. Von Walthers Selbstbewusstsein sprechen viele Autoren, weniger übrigens von seiner Frömmigkeit, die etwa die Verse: Mit sælden (,Gottes Segen‘) müezze ich hiute ûf stÞn, / got, herre, in dîner huote

5. Autor und Textinstanz

(,unter deinem Schutz‘) gÞn (W 10/XI1 f.) offenbaren könnten. Ein Vers wie: Her keiser, ich bin vrônebotte (,Herr Kaiser, ich bin der Bote des Herrn‘, W 4/IV), in dem die Textinstanz in der Maske eines Engels den Kaiser zum Kreuzzug auffordert, mag ein Selbstbewusstsein bezeugen; doch dieses bezieht sich nur auf das Ich des Textes, das in der Bringschuld des Fahrenden für die Unterhaltung der Höfe steht. Das selbstbewusste Ich der Texte ist ein Produkt der künstlerischen Selbstdarstellung des Autors, ein Moment seiner Selbstinszenierung, seiner Selbststilisierung und Memoria-Bildung, und es sagt nichts direkt über die tatsächliche Befindlichkeit des Autors aus. Die dialektische Psychologie legt angesichts einer solchen Inszenierung eher die Abwehr eigener Kleinheitsgefühle nahe. Walthers ,Werk‘ lässt sich nicht mehr als ein geschlossenes rekonstruieren. Es gibt einen in der handschriftlichen Überlieferung unstrittigen Kernbereich und einen Rand, an dem mehrere Autoren teilhaben. Darüber hinaus können für einen Text unterschiedliche Überlieferungen (z. B. in der Strophenzahl und -folge, in einzelnen Aussagen) vorliegen. Diese ,Textvarianz‘ kann auf den Autor selbst oder auf spätere Bearbeiter zurückgehen. Auf dieses schwierige philologische Terrain kann im Rahmen der vorliegenden Einführung nur gelegentlich an Ort und Stelle, nicht systematisch, eingegangen werden. Aufgrund dieser literaturtheoretischen Vorklärungen wird in der folgenden Einführung deshalb kein Walther-Bild entworfen, das sich an (s)einer Biografie orientiert, sondern eines der Instabilität (,Unfestigkeit‘). Diese Instabilität entsteht nicht nur durch die gelegentliche Textvarianz, die man, vielleicht ähnlich wie die Schreibvarianz, im Mittelalter möglicherweise gar nicht so wichtig nahm wie heute, sondern vor allem auch durch die Sinnvarianz (= der Text ist für verschiedene Sinnstiftungen offen), sodass sich bei der Annäherung an den Dichter Strukturen eines Palimpsests ergeben, das man heute nur noch in schwachen und undeutlichen Umrissen erkennen kann und dessen Beschriftung noch vielfach rätselhaft bleibt.

instabiles Waltherbild

Palimpsest

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II. Forschungsbericht Plan

Im Folgenden werden die wichtigsten Positionen der ausführlich aufgearbeiteten und durch die Bibliografien von Manfred Günter Scholz (Scholz 1969, 2004) leicht zu ermittelnden Walther-Forschung seit ihren Anfängen skizziert. Die außergewöhnlich große Wirkung der Lachmann-Edition (seit 1827) wird geschlossen zusammengefasst. Die wissenschaftliche Arbeit am Text ist immer in die Kulturgeschichte ihrer Zeit mit ihren komplexen Interessenlagen verwoben und auf solche Weise auch ein Spiegel dieser Zeit. Deshalb finden sich hier auch einige deutliche Berührungspunkte zu einer umfassenderen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte (vertiefend z. B. Gerstmeyer 1934; Czaplinski 1969; Richter 1988). Begonnen wird jedoch, weil diese Geschichte hier nicht systematisch behandelt werden kann, mit einem viel zitierten Hinweis aus der Walther-Erinnerung des Mittelalters, eines frühen Zeugen einer ganz eigenen Forschungskultur.

1. Swer dez vergæze – Walther im Mittelalter Hugo von Trimberg

Die zeitgenössische Rezeption und Wirkung Walthers durch seine Dichterkollegen ist in Schweikle 1970 und 1986b anschaulich durch Texte belegt. Nur eine Stimme soll herausgegriffen werden, die wegen ihrer Prägnanz die Erinnerung an den Dichter stark geprägt hat. Es ist die Stimme des Bamberger Schulmeisters Hugo von Trimberg aus seinem um 1300 verfassten didaktischen Narrativ „Der Renner“. Hugo beklagte, dass die zeitgenössischen Autoren der wîse gar hânt vergezzen, / In der hie vor edel herren sungen (,die Melodie vollkommen vergessen haben, mit der früher die edlen Herren sangen‘; 1182 f.). Dann entfaltete er ein Tableau vorbildlicher älterer Dichter, darunter Walther: Her Walther von der Vogelweide, Swer des vergæze, der tæte mir leide. Alein er wære niht rîch des guotes, Doch was er rîch sinniges muotes. (1187–90)

wîse

Herr Walther von der Vogelweide, wer ihn vergessen würde, der täte mir weh. Zwar war er nicht reich an Gut, doch er war reich an Weisheit.

Obwohl auch der Akkusativ möglich gewesen wäre, gebrauchte der Schulmeister den Genitiv (swer des vergæze), der nun nicht nur auf Walther, sondern auch auf die einst gesungene wîse (1182) referierte, die ihrerseits sowohl ,Weise‘/,Melodie‘ als auch ,Art und Weise‘ bedeutete. Die ,Melodie‘ enthielt die ,Art und Weise‘, sie war keine bloß formale Zugabe, sondern Repräsentant für den Inhalt dessen, das sie begleitete. Des Trimbergers Warnung vor dem Vergessen galt also nicht nur Walthers Sangeskunst, sondern auch den durch sie vermittelten Weisheiten und Werten. Darüber hinaus kolportierte Hugo ein traditionsreiches Autorbild, das die Ehre der Person nicht von ihrem Besitz, wie es beim Adel üblich war, sondern von ihrer In-

1. Swer dez vergæze – Walther im Mittelalter

telligenz abhängig machte. Das Bild von Walthers ,Armut‘ kann richtig sein, Walther hat seine Gesänge auch zu dessen Pflege eingesetzt; ob es allerdings richtig ist, darüber soll später entschieden werden.

2. Von den Anfängen ins 19. Jahrhundert und Lachmanns Wirkung Die Geschichte der Walther-Philologie beginnt mit dem Schweizer Historiker und Juristen Melchior Goldast (* 1578, { 1634; s. Weber 2002), der selbst, wie wohl auch bisweilen Walther, das Wanderleben eines armen Literaten führte. Goldast hielt Walther für einen Landsmann und veröffentlichte (1601, –11) ein Dutzend seiner Strophen aus dem Züricher Manesse-Kodex (s. S. 31). Dabei rühmte er Walther als optimus vitiorum censor ac morum castigator acerrimus (,strengsten Richter der Laster und schärfsten Zuchtmeister der Sitten‘; nach Gerstmeyer 1934, 54). Dieses aus den Sangsprüchen gewonnene Urteil beherrschte das wissenschaftliche Waltherbild bis ins frühe 19. Jahrhundert, es wurde allerdings durch den Züricher Historiker und Literaturkritiker Johann Jakob Bodmer (* 1698, { 1783) auf eine breitere Textgrundlage gestellt. Er publizierte die (damals in Paris verwahrte) Manessische Handschrift (Auszüge 1748, fast vollständige Ausgabe 1758/59) und war sehr daran interessiert, seine der Anakreontik huldigenden Dichterfreunde für den Minnesang Walthers zu gewinnen. Dessen Liedern schrieb er jene Gefühlsechtheit und Naturnähe zu, die er in der zeitgenössischen Lyrik schmerzlich vermisste. Seine Charakteristik Walthers zeigt die typischen Merkmale der Aufklärung und Empfindsamkeit:

Melchior Goldast

Joh. Jakob Bodmer

Er lobete erhaben, er tadelte fein, und er lehrete moralisch. Man erkennt in seiner Poesie einen Mann, der die Welt gesehen, und mit den Grossen gelebet hat. In seinen verliebten Liedern entsteht die Artigkeit so gerne von dem wizigen Einfalle als von der zärtlichen Empfindung. (nach Gerstmeyer 1934, 82)

Das Fundament für das Waltherbild des 19. Jahrhunderts legten Ludwig Uhland (* 1787, { 1862) und Karl Lachmann (* 1793, { 1851), der eine auf dem Gebiet der patriotisch eingefärbten Interpretation, der andere auf dem der kritischen Philologie. Uhland hielt Walther nicht für einen Schweizer, und er zählte ihn, dessen „Wohllaut der Singweise“ (1822, 52) er rühmte, zu den ärmeren Adligen, die das Leben eines fahrenden Sängers führen mussten (s. auch S. 27). Lachmann, von Hause aus klassischer Philologe, übertrug die altphilologische Textkritik auf die Editionen zahlreicher mittelalterlicher Texte, und er gilt daher – obwohl von Anfang an nicht unumstritten – als der Vater des Mainstreams der mediävistischen Textkritik, die, anders als konkurrierende zeitgenössische Unternehmungen, von einem bemerkenswerten Misstrauen gegenüber der handschriftlichen Überlieferung geprägt war. Er versuchte, autornahe Texte zu rekonstruieren und die ,echte‘ von der ,unechten‘ Überlieferung zu trennen. Dabei ging er allerdings von einem Text- und Dichterbild aus, das am Klassizismus seiner Zeit gewonnen war. Seine Waltherausgabe von 1827 (21843; vgl. Holznagel 1999) gilt bis heute als vorbildlich,

Ludwig Uhland

Karl Lachmann

Lachmanns Wirkung

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II. Forschungsbericht

Münchener Schule

Hermann Paul

Günther Schweikle

Kommentierungen, Übersetzungen

und noch immer wird, umständlich genug, gerne nach deren Seiten und Zeilen zitiert. Die beiden folgenden Auflagen (1853, 1864) besorgte Lachmanns Schüler Moritz Haupt, die 5. und 6. (1875, 1891) der streitbare Lachmannianer Karl Müllenhoff. Auf dieser Grundlage und im Anschluss an seine eigene kommentierte Edition (11869; 41924 von Victor Michels überarbeitet) verfasste Wilhelm Wilmanns einen umfangreichen Kommentar zu „Leben und Dichten Walthers von der Vogelweide“ (Wilmanns 1882; 2 1916 von Michels), der das biografisch orientierte Waltherbild bis weit in das 20. Jahrhundert hinein prägte. Die weiteren Auflagen der Lachmann-Edition übernahm die Münchener Schule: Carl von Kraus (71907, 81923, 9/101930, 111950, 121959; dazu Kraus 1935, ein umfänglicher Band „Untersuchungen“), der im Vergleich zu Lachmann „geradezu barbarisch“ (Bein 2004, 79) mit den Handschriften umging, sowie Hugo Kuhn (131965), der wieder den Weg zu Lachmann zurück suchte. Mit der 14. Auflage 1996 ging Christoph Cormeau diesen Weg weiter, indem er die Handschriften als „Zeugen eines schriftliterarischen Traditionsprozesses“ interpretierte und davon ausging, dass sie eindeutige Fehler, aber auch Textvarianten enthalten, „die nicht sicher auf einen handschriftlichen Archetyp zurückzuführen sind, sondern in den Übergangsbereich zwischen mündlicher Variabilität und schriftlicher Fixierung zurückreichen.“ (W, S. XVIII) Unter diesen Prämissen stellt Cormeaus Schüler Thomas Bein eine revidierte 15. Auflage (s. Bein 2005) in Aussicht, von der u. a. eine noch größere Rücksichtnahme auf die Textvarianz zu erwarten ist. Mag man rückblickend die von Lachmann initiierte Form der Textkritik als Irrweg bezeichnen, so wäre doch ohne sie die ,neue Bescheidenheit‘ der gegenwärtigen Philologie, die sich u. a. durch eine zunehmende Nähe zur handschriftlichen Überlieferung und die Akzeptanz eigenständiger Textvarianten auszeichnet, wohl kaum möglich gewesen. Hermann Paul hatte in der „Altdeutschen Textbibliothek“ (1882, 41911) eine eigenständige kritische Ausgabe erarbeitet, die jedoch Albert Leitzmann 1945 Lachmanns Edition anglich. Silvia Ranawake, die heutige Betreuerin der Ausgabe, kehrte mit dem Argument, dass Paul behutsamer mit der Überlieferung umgegangen war, wieder zur 4. Auflage Pauls zurück und bereitet eine neue, kommentierte und die Varianz der Texte übersichtlich darstellende Ausgabe vor (s. Ranawake/Steinmetz 2005). In seiner zweibändigen, mit verlässlicher Kommentierung und hilfreichen Übersetzungen versehenen Walther-Ausgabe (s. Schw. 1 und 2) setzte Günther Schweikle neue Maßstäbe und wandte sich gegen jede Form rekonstruierender Textkritik: „Mir war daran gelegen, einen genuin mittelalterlichen Text in seiner Zeitgebundenheit zu präsentieren.“ (Schw. 1, 7) Allerdings griff er vor allem durch die Rückführung der handschriftlichen (in seinem Fall alemannischen) Varietät auf ein ,normalisiertes‘ Mittelhochdeutsch, das bekanntlich in dieser Form nie existierte, außerordentlich stark in die sprachliche und z. T. auch metrische Gestaltung der Gesänge ein (was aus didaktischen Gründen wohl zu rechtfertigen, für eine kritische Ausgabe aber problematisch ist). Lachmanns Ausgabe wurde zahlreichen kommentierten und auswählenden Editionen zugrunde gelegt (vgl. Ranawake 1999), von denen hier nur die fundiert erarbeiteten Ausgaben von Helmut Protze, Joerg Schaefer und

2. Von den Anfängen ins 19. Jahrhundert

Peter Wapnewski – diese im Kommentar veraltet, jedoch mit z. T. kongenialen Übertragungen – erwähnt werden sollen. Wapnewskis Auswahl ist seit 1999 auf vier CDs, von ihm selbst besprochen, zugänglich. Friedrich Maurers mehrfach in der „Altdeutschen Textbibliothek“ aufgelegte Ausgabe, bald begleitet von einer Übersetzung, entfernte sich durch eine eigenwillige Auffassung der Töne (wîsen) wohl am weitesten von den handschriftlichen Vorgaben (s. Bein 2004, 84–86). Unter den gereimten Übertragungen bilden die zurückhaltenden von Hubert Witt (seit 1978) eine schöne Ausnahme, während die von Peter Rühmkorf, basierend auf Walthers Charakterisierung als „des Reiches genialste Schandschnauze“ (1975, 52), m. E. zu subjektiv und zu forsch sind.

Nachdichtungen

3. Der Weg in die Gegenwart In zahlreichen Monografien und Einzelstudien erarbeitete sich die Germanistik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert jeweils zeittypische, aber auch individuell geprägte Walther-Bilder in kompakten Lexikonartikeln (z. B. Burdach 1896; Bumke 1992; Wesseling 1998; Hahn 1999; Schulze 2002), Literaturgeschichten (z. B. de Boor/Hennig 101979; Wehrli 1980; U. Müller 1990; Johnson 1999) und umfangreichen Monografien (z. B. Schönbach 2 1895; Burdach 1896/1900; Böhm 1949; Halbach 11965, 21968, 31973, 4 1983; Kircher 1973; Ehlert 1980; Hahn 1986; Sievert 1990; Nolte 1991; Nix 1993; BHMS; Marzo-Wilhelm 1998; Scholz 11999, 22005; Willemsen 2006). Es würde zu weit führen, diese (repräsentativen) Studien hier im Einzelnen zu kommentieren und auf die vielfältigen Kontroversen und wichtigen Detailergebnisse gerade auch der kleineren Waltherstudien einzugehen. Einiges wird an Ort und Stelle, der Textsorte ,Einführung‘ angemessen kompakt, zur Sprache kommen. Die doch recht selbstsichere Arbeit an Walthers Persönlichkeit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein wurde durch eine zunehmende Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeiten biografischer und psychologischer Interpretation abgelöst. Wegweisend wies Hugo Kuhn (1968) darauf hin, dass die Vortrags- beziehungsweise Aufführungssituation in die Textanalysen einzubeziehen sei. Formelhaft könnte man daher den Weg der Forschung als eine Abkehr von der Erlebnis-Analyse und Hinwendung zur Performanz-Analyse beschreiben. Auf der Schwelle zu diesem ,neuen Walther‘ steht Theodor Noltes Buch „Höfische Idealität und konkrete Erfahrung“ (1991). Hier sind die ältere Forschung, die sich – vor allem repräsentiert durch die Namen Kurt Herbert Halbach und Friedrich Maurer – u. a. intensiv mit den Fragen der Chronologie und der Gruppierung der Sangspruchstrophen beschäftigt hatte, ebenso kritisch aufgearbeitet wie die damals aktuellen ,linken‘ Lesarten. Nolte gab zwar der Waltherforschung neue Impulse, näherte jedoch noch das AutorIch stark an das Ich der Gesänge an und entwickelte auf diese Weise die These einer zunehmend verzerrenden Wiedergabe der Wirklichkeit durch Walther, einer zunehmenden Flucht ins Imaginäre. Die von Ulrich Müller initiierte Reihe „Litterae“ wurde 1971 mit der „Großen Heidelberger Liederhandschrift“ eröffnet (s. GHL), die den umfänglichsten Textbestand der Waltherlieder enthält (s. S. 31). Im 7. Band der

vom Erlebnis zur Performanz

Theodor Nolte

Akzeptanz der Überlieferung

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II. Forschungsbericht

Interessen der Forschung

Reihe wurde dann die gesamte Überlieferung der Walthertexte und -melodien abgebildet (s. BMS). Doch nur sehr langsam – und bis heute keineswegs selbstverständlich – wandte sich der Blick der Forschung von den gedruckten Ausgaben zur nun leicht zugänglichen handschriftlichen Überlieferung, die man freilich auch schon früher, wenn auch mühsamer, aus den Apparaten der kritischen Editionen und aus älteren Faksimiles hätte zur Kenntnis nehmen können. Wie auch immer, der neue Zugang zur Überlieferung beflügelte die Arbeit an der Textvarianz, d. h. der interpretatorischen Beachtung aller Überlieferungsvarianten (vgl. u. a. den Sammelband von Bein 1999 und die einschlägigen Beiträge in den „Walther-Studien“, namentlich Willemsen 2006). Doch sollte dies nicht, wie es die New Philology nahelegte, zu einer gleichwertigen Würdigung aller überlieferten Textvarianten führen, was nichts anderes als die Inthronisierung mehr oder weniger kompetenter Sammler und Schreiber und den Abschied vom Autor bedeuten würde. An vorderster Stelle des Forschungsinteresses steht heute, wenn ein solches Ranking überhaupt statthaft ist, Walthers Werk, einschließlich des Werkbegriffs überhaupt, ist doch der geschlossene, auf einen Autor bezogene Werkbegriff für das Mittelalter nur bedingt brauchbar. Zurückgetreten, aber weiterhin im Blick, ist das Interesse an der Chronologie der Gesänge und das Interesse an der Biografie, dem Leben, dem sozialen Rang, den Aufenthalten sowie dem Verhältnis zu den Auftraggebern und Gönnern. Auf dem Hintergrund komplexer Textüberlieferung und reflektierter Ich-Analysen könnte sich das Walther-Bild auf eine neue Definition im Sinne eines ,instabilen Bildes‘ zubewegen, das wegen der verschiedenen Überlieferungsträger, der Unfestigkeit vieler Texte und den oft weiten Deutungsspielräumen nur aus einer sehr zarten Textur bestehen kann. Man arbeitet, wie schon erwähnt, an einem Palimpsest, dessen ursprüngliche Beschriftung erst unvollkommen zu erkennen ist.

4. Bibliografien und Sammelbände Die wichtigsten bibliografischen Hilfsmittel sind Scholz 1969 und 2004 (weitere s. Scholz 2004, 17). Wer die digitalen Medien bevorzugt, kann die bibliografische Recherche über das Internetportal ,mediaevum.de/autoren/ walther_vonder_vogelweide.htm‘ beginnen. Der Suchbegriff ,Eppelsheimer‘ öffnet in den einschlägigen Suchmaschinen die „Bibliographie der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft“ von Hanns W. Eppelsheimer und Clemens Köttelwesch; verzeichnet ist die Waltherforschung der letzten 25 Jahre. Hilfreich ist außerdem die „Germanistische Aufsatzrecherche“ des Portals ,mediaevum.de‘. Die Adresse ,mediaevum.de/zeithtm‘ führt über die Angabe von Zeitschriftenartikeln zur älteren Waltherforschung. Letztendlich erschließt das Stichwort ,Walther von der Vogelweide‘ in den gängigen Suchmaschinen ein weites Feld wissenschaftlicher und populärer Beschäftigung mit Walther (s. WS 1 (2002), 277–304; 5 (2007), 109–129). Statt einer kommentierenden Bibliografie empfiehlt sich Scholz 22005. Scholz 2004 ist thematisch gegliedert und ergänzt die Titel durch Hinweise auf die Gesänge, die jeweils behandelt werden.

4. Bibliografien und Sammelbände

Die in der Bibliografie 2 verzeichneten Sammelbände der Reihe „Wege der Forschung“, meist aus den siebziger Jahren, und die Bände von McFarland/Ranawake 1982, Krohn 1995 und Mertens/Müller 2001 geben repräsentative Einblicke in den Minnesang, die Sangspruchdichtung und natürlich die Walther-von-der-Vogelweide-Forschung. Die übrigen Titel enthalten die Beiträge wissenschaftlicher Symposien (Hamburg, Klausen, Amiens, Bonn, Wien) seit den 1989er Jahren. Seit 2002 erscheinen in unregelmäßigen Abständen die „Walther-Studien“ (WS), herausgegeben von Thomas Bein, der in Aachen ein Forschungsarchiv zu Walther betreut.

5. Waltherbilder aus dem Zeitgeist Der ,Zeitgeist‘ ist ein schwer zu fassender Geselle, jedoch unter heuristischer Perspektive brauchbar, denn er beschreibt nach der Definition des Brockhaus multimedial 2008, „die in einer Epoche vorherrschend prägende Ausrichtung der geistigen Haltung, des Stils, der Lebensformen und Ideen.“ Heute messen sogenannte Trendscouts den Puls der Zeit, dem sich, das sollte nicht verschwiegen werden, auch die Wissenschaft nur selten verschließt. Dies wird im Folgenden anhand von sechs Beispielen durch einige kennzeichnende Zitate meist einflussreicher Germanisten belegt. Die auf diese Weise dokumentierte Bewegung der Forschungsgeschichte macht verständlich, warum die in Kapitel I.5 versuchte präzise Positionierung des Ichs der Gesänge für deren angemessene Analyse entscheidend ist. Ich spreche plakativ von: – dem ,vaterländischen Walther‘ des 19. Jahrhunderts (Ludwig Uhland) – dem ,Walther des Seelenadels‘ der Wilhelminischen und der Weimarer Zeit (Konrad Burdach) – dem ,Walther als Erzieher‘ der späteren Weimarer und der nationalsozialistischen Zeit (Hans Naumann) – dem ,menschlichen Walther‘ der frühen Bundesrepublik (Helmut de Boor) – dem ,proletarischen Walther‘ der siebziger Jahre (Alois Kircher) und – dem ,instabilen Walther‘ der Gegenwart Ludwig Uhland Uhland, der politisch engagierte Schwabe, malte in seiner 1822 erschienenen Monografie „Walther von der Vogelweide, ein altdeutscher Dichter“ cum grano salis ein Selbstportrait, indem er die ,vaterländische‘ Gesinnung des Dichters besonders herausstrich: Mit tiefem Kummer hält er dem politischen und sittlichen Verfalle seines Vaterlands dessen früheren Glanz entgegen […] Ihm gebührt unter den altdeutschen Sängern vorzugsweise der Name des vaterländischen. Keiner hat, wie er, die Eigenthümlichkeit seines Volkes erkannt und empfunden. (Uhland 1822, 25 und 28)

Die Erinnerung an den großen Dichter des Mittelalters während der Restaurationsepoche nach dem Wiener Kongress sollte, so darf man annehmen, den Patriotismus der Gegenwart und – in Erinnerung an das 1806 untergegangene Heilige Römische Reich Deutscher Nation – die Zuversicht auf ein Zusammenwachsen des damaligen Deutschen Bundes zu einem neuen Reich stärken.

Zeitgeist

,patriotisch‘

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28

II. Forschungsbericht

,wilhelminisch‘

Konrad Burdach Angeregt durch die Goethephilologie einerseits, die Genieästhetik andererseits, führte Konrad Burdach einen Walther in die Literaturgeschichte ein, der sich „zu einer Aristokrathie der Seele“ (Burdach 1900, 97) bekenne, und stellte bewundernd fest: Er ging seinen Weg durch alle Schrecken der äußeren und inneren Untreue, des Verraths und Undanks, der Lüge und Heuchelei, der Habgier und Hinterlist, das Haupt erhoben, die Augen fest auf die ewigen Güter gerichtet. (Burdach 1900, 93)

,völkisch‘, ,nationalsozialistisch‘

,menschlich‘

Hans Naumann Hans Naumann, der die völkische, später nationalsozialistisch überformte Mittelalterrezeption repräsentiert, polemisierte gegen das „weiche“ und „biedermeierische“ Waltherbild (Naumann 1929, 115), das er durch den „unwirschen, herrischen Hüter der Zucht, Ordnung und Tradition“ (Naumann 1929, 118) ersetzen wollte: „Der erzieherische Walther erscheint uns als das Moment, durch das wir Walthers Eigenart und Bedeutung allein zu fassen vermögen.“ (Naumann 1929, 115) Cum grano salis erinnert dies an die Anfänge der neuzeitlichen Waltherrezeption. Helmut de Boor Demgegenüber akzentuierte die Mediävistik der frühen Bundesrepublik vorzugsweise den unpolitischen und überzeitlichen Walther. Sie schätzte bei ihm „das Hervorbrechen des Menschlichen“ (de Boor 1956, 129). Er war „ritterlichen Standes“ und dichtete „aus dem gehobenen Standesgefühl des Ritters“ (de Boor/Hennig 101979, 278). „Wir können mit ziemlicher Sicherheit die äußere und innere Entwicklung des großen Sängers überschauen, von den Anfängen des Reinmarschülers am Wiener Hof bis zu dem tiefen Weltkenner und Weltüberwinder der Alterselegie.“ (de Boor/Hennig 10 1979, 279) Walther: ist zu den Ursprüngen zurückgekehrt, den dunklen, warmen Tiefen, aus denen alle Liebe aufquillt […]. Doch sein Lebensboden blieb die höfische Welt und ihr adliges Menschentum […]. Seiner Gestaltungskraft gelang es, Anfang und Ende, Trieb und Seelenadel zu neuer Einheit zu fügen. (de Boor/Hennig 101979, 291) An der Wende zweier Zeiten stehend blickt Walther scheidend vor und zurück. Aber anders als Moses sieht er das Gelobte Land nicht als Verheißung vor sich liegen. Es liegt hinter ihm, ein Land, das er durchwandert hat, ein Land der Ordnung und Bedeutung, der Zucht und Freude, der Reinheit und Schönheit – die staufische Welt, in der die Humanität der höfischen Haltung und die Verwirklichung einer großen politischen Ordnung in jener Wechselbeziehung von Innen und Außen, von Wesen und Erscheinung harmonisch ineinanderstimmte, die für das Denken jener Generation das Siegel der Vollendung war. (de Boor/Hennig 101979, 306)

,plebejisch‘

Alois Kircher Kircher warf dieser Forschung pauschal eine „verzeichnende Überhöhung des Waltherbildes“ vor, die dazu geführt habe, dass „die advokatorische Grundhaltung seiner Verse, die Widerspiegelung des eigenen Interessenstandpunktes“ (Kircher 1973, 57), missachtet wurde. Deshalb ging er dem vermeintlichen „plebejischen Materialismus“ (1973, 83) des Dichters nach und unterstellte ihm ein „spontan-materialistische[s] Bewußtsein, das ideo-

5. Waltherbilder aus dem Zeitgeist

logische Ansprüche der Gesellschaft stets auf ihren Nutzen hin befragt.“ (1973, 95) Die These von „Walthers Zugehörigkeit zum Ministerialen- oder Ritterstand“ sei ein „Mythos“ (1973, 58), und niemals sei er als „Anwalt einer überpersönlichen, allgemeingültigen Ordnung oder eines absoluten ethischen Wertesystems aufgetreten“, sondern stets nur „als Anwalt seiner eigenen materiellen Interessen.“ (1973, 87) Deutlich werden auch hier noch Autor-Ich und Text-Ich gleichgesetzt, und es bleibt eine ideologisch bedingte Unterstellung, dass eine Anwaltschaft für allgemeingültige Werte nicht mit den individuellen Interessen eines Autors vereinbar sei. Wie auch immer: Kirchers Studie, frontal gegen die damals etablierte Germanistik gerichtet, schärfte den Blick dafür, dass die Gesänge Walthers auch im Hinblick auf dessen Erwerbsleben zu lesen seien. Walther heute Der ,neue Walther‘ soll – unter Beachtung der vielfältigen Brechungen zwischen Autor-Ich und Text-Ich sowie der spezifischen mittelalterlichen Produktionsbedingungen – ein ,authentischer Walther‘ werden, rekonstruiert aus den handschriftlichen Quellen. Trude Ehlert stellte den „Erkenntniswert einer Werkchronologie, die ausschließlich auf Hypothesen und anderen nicht nachweisbaren Voraussetzungen beruht“ (Ehlert 1980, 16), infrage, und Gerhard Hahn wies darauf hin, dass Walther „nicht nach dem Muster dargestellt werden [kann], das für neuere Autoren das übliche und vertraute ist.“ (Hahn 1986, 12) Der langsame Abschied von der ,alten‘ Philologie hat die Einsicht in die Instabilität der Texte und damit auch in die Pluralität ihrer Sinnstiftungen als eine ihrer genuinen Bedingungen geschärft. Ob – etwa im Rahmen einer trivialisierten Rezeption von Haferland 2000 oder in einer dialektischen Forschungsbewegung gegen eine zu sehr abstrahierende Textlektüre – die Ich-Instanzen der Texte wieder sorgloser an die Person Walthers geknüpft werden, bleibt abzuwarten. Die Diskusionen über Konstruktion und Rekonstruktion in den Philologien und Geschichtswissenschaften haben Bescheidenheit gelehrt. Wie er wirklich gewesen, der ,authentische Walther‘, bleibt uns verschlossen, aber die Annäherungen an ihn über seine Texte durch die verschiedenen wissenschaftlichen Darstellungen und Methoden bleiben ein hohes intellektuelles Vergnügen, das uns die fremde Welt des Mittelalters vertrauter macht und unsere Sensibilität für das Fremde an sich, das immer auch ein Teil von uns ist, schärft.

,instabil‘

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III. Der Autor und sein Werk 1. Die Überlieferung wichtigste Kodizes

Raum und Zeit

Ein Überblick Ein Autor zeichnete seine Gesänge wahrscheinlich z. T. selbst schriftlich auf (oder ließ sie aufzeichnen) und gab sie in kleineren oder größeren Sammlungen weiter. Man darf als sicher annehmen, dass nicht alle Lieder Walthers den Weg in die bekannten Handschriften gefunden haben und sie niemals als ein geschlossenes Einzelwerk verschriftet wurden. Die Überlieferung ist in BMS 1977 gut dokumentiert, die Überlieferungsträger werden nach den Siglen von Lachmann und späteren Nachträgen in der Forschungsliteratur vielfach näher beschrieben (s. z. B. W, S. XXIII–XLV; BHMS, 27–37; Hahn 1999, 666–669), A, B und C vorbildlich in der Monografie von Holznagel (1995). Die umfangreichste Sammlung von Waltherliedern enthält die „Große Heidelberger (Manessische) Liederhandschrift“ (C, 475 Strophen); ihren Bestand ergänzt nur noch die „Würzburger Liederhandschrift“ (E, 230 Strophen). Umfangreiche Sammlungen finden sich außerdem in den beiden anderen bedeutenden Minnesang-Handschriften A („Kleine Heidelberger Liederhandschrift“; 151 Strophen, dazu 38 in Nachträgen) und B („Weingarten-Stuttgarter Liederhandschrift“; 120 Strophen). Deutlich weniger Strophen enthalten U (42), O (44) und F (44). Die Mehrzahl der übrigen Handschriften liefert nur wenige Texte. Wegen der Überlieferung der Melodien ist Z (26 Strophen) von besonderem Interesse. Die Dichte der Überlieferung der Waltherlieder wird von keinem der weltlichen Liedermacher des Mittelalters übertroffen. Um die breite Rezeption zu dokumentieren, sind in der folgenden Übersicht die Handschriften (mit nur wenigen Merkmalen) regional (nach Schreibvarietäten) und chronologisch aufgelistet. Regional ist das Oberdeutsche und hier der alemannische Südwesten am häufigsten vertreten, bemerkenswert ist aber auch die Streuung bis ins Mittelniederländische und die relativ geringe Beteiligung der bayerisch-österreichischen Varietäten. Der älteste Überlieferungsträger, die um 1230 verschrifteten „Carmina Burana“ (M), könnte noch zu Walthers Lebzeiten entstanden sein, das Gros der Überlieferung beginnt jedoch erst im ausgehenden 13. Jahrhundert, ein gutes halbes Jahrhundert nach dem Tod des Dichters, und sie reicht mit der „Ballade vom edlen Möringer“ (Mö) bis weit in die Frühe Neuzeit hinein. Nicht selten wurde übrigens ein Walthertext auch anderen Autoren, z. B. Reimar, zugeschrieben. Solche Mehrfachzuschreibungen erklären sich am einfachsten durch die Aufführungspraxis der Lieder, konnte doch ein Autor das Lied eines Kollegen in sein eigenes Repertoire aufnehmen.

1. Die Überlieferung

Oberdeutsche Varietäten M: „Carmina Burana“: Bayerische Staatsbibliothek München clm 4660. Pergament, um 1230, bairisch. A: „Kleine Heidelberger Liederhandschrift“: Universitätsbibliothek Heidelberg cpg 357. Pergament, Ende 13. Jahrhundert, alemannisch; Nachträge (= a) mit 38 Strophen unter anderen Zuschreibungen, die in anderen Handschriften Walther zugeordnet sind. L: Bayerische Staatsbibliothek München cgm 44. Pergament, späteres 13. Jahrhundert, bairisch. D: Universitätsbibliothek Heidelberg cpg 350. Pergament, um 1300, südrheinfränkisch; die Sammlung wurde aus drei ursprünglich selbstständigen Teilen zusammengebunden. r: Zentralbibliothek Zürich Ms. Z. XI. 302. Pergament, um 1300, alemannsich (eine Handschrift des „Schwabenspiegels“). B: „Weingarten-Stuttgarter Liederhandschrift“: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart HB XIII poetae germanici 1 (zuvor Kloster Weingarten). Pergament, 25 Miniaturen, Anfang 14. Jahrhundert, alemannisch. N: Stiftsbibliothek Kremsmünster Cod. 127. Pergament, ausgehendes 13. oder frühes 14. Jahrhundert, bairisch. C: „Große Heidelberger (Manessische) Liederhandschrift“ (,Manessisch‘ nach der Züricher Patrizierfamilie Manesse; früher auch „Pariser Liederhandschrift“, nach dem Aufbewahrungsort seit der Mitte des 17. Jahrhunderts [s. S. 23]; seit 1888 in badischem Besitz; s. Werner 1988): Universitätsbibliothek Heidelberg cpg 848. Pergament, 138 Miniaturen, erste Hälfte 14. Jahrhundert, wahrscheinlich in der Schweiz auf der Grundlage einer Sammlung der Familie Manesse in einer alemannischen Schreibvarietät niedergeschrieben. i: „Rappolsteiner Parzifalhandschrift“: Badische Landesbibliothek Karlsruhe Cod. Donaueschingen 97. Pergament, 30er Jahre des 14. Jahrhunderts, alemannisch. E: „Würzburger Liederhandschrift“, „Hausbuch des Michael de Leone“: Universitätsbibliothek München 2° Cod. ms. 731. Pergament, um 1345–1354, Schreibsprache der Würzburger Kanzlei. i2: Biblioteca Casanatense Rom 1409. Pergament, Mitte 14. Jahrhundert, alemannisch, gleicher Inhalt wie i. q: Universitätsbibliothek Basel B XI 8. Pergament, Ende 14. Jahrhundert, alemannisch. G: Bayerische Staatsbibliothek München cgm 5249/74. Pergament, Mitte 14. Jahrhundert, bairisch. p: Burgerbibliothek Bern Cod. 260. Pergament, um 1350, alemannisch. Ca: „Troßsches Fragment“: Biblioteka Jagiellon´ska Krakau (ehemals Preußische Staatsbibliothek Ms. germ. qu. 519). Pergament, direkte Abschrift von C, um 1440, alemannisch mit mitteldeutschen Spuren. l: Österreichische Nationalbibliothek Wien cvp 2677. Pergament, eine Abschrift von k2 (s. unten), wohl Mitte 14. Jahrhundert, bairisch. F: „Weimarer Liederhandschrift“: Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar Q 564. Papier, nach Mitte 15. Jahrhundert, wahrscheinlich in Nürnberg.

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III. Der Autor und sein Werk

c:

„Neidhart-Handschrift c“: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin mgf 779. Papier, zweite Hälfte 15. Jahrhundert, nordbairisch. Mö: „Möringer Ballade“ (Lachmann: x, y). Bekannt sind zwischen 1459 und 1605 vier Handschriften und zehn Drucke der im 14. Jahrhundert entstandenen Ballade, die in zwei ihrer vier Strophen Verse aus Walthers Lied Lange swîgen des hât ich gedâht (W 49) verwendet. mitteldeutsche Varietäten w: Pergament, wahrscheinlich im Kölner Raum des späteren 13. Jahrhunderts: wx, Landeskirchliches Archiv Braunschweig H 1 a; Wxx/wxvii („Heiligenstädter Fragmente“), Biblioteka Jagiellon´ska Krakau (ehemals Preußische Staatsbibliothek Berlin Ms. germ. oct. 462). U: (Ux, Uxx) „Wolfenbütteler Fragmente“: Landeskirchliches Archiv Braunschweig H 1 a (ehemals Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel). Pergament, westthüringisch-osthessisch. O: Biblioteka Jagiellon´ska Krakau (ehemals Preußische Staatsbibliothek Berlin Ms. germ. oct. 682). Pergament, Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, westmitteldeutsch von einem niederdeutschen Schreiber. k: Universitätsbibliothek Heidelberg cpg 341. Pergament, beginnendes 14. Jahrhundert, mitteldeutsch mit bairischem Einschlag. k2: „Kálocsaer mittelhochdeutsche Sammelhandschrift“: Bibliotheca Bodmeriana Genf-Cologny, Cod. Bod. 72 (ehemals Kálocsa, Metropolitanbibliothek Ms. 1), weitgehend mit k identisch, erstes Viertes 14. Jahrhundert. H: Es handelt sich um den zweiten Teil von D (s. dort). Pergament, gegen Mitte 14. Jahrhundert. J: „Jenaer Liederhandschrift“: Universitätsbibliothek Jena Ms. EL. f. 101. Pergament, gegen Mitte 14. Jahrhundert, ostmitteldeutsch. Z: „Münstersches Fragment“: Staatsarchiv Münster Ms. VII 15. Pergament, Doppelblatt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, westmitteldeutsch; enthält neben 26 Waltherstrophen (Meister Walter von der vogelweide) eine vollständige und drei fragmentarische Melodien. a: Bibliothèque Nationale Luxembourg Nr. 40. Papier, um 1440/50, mittelfränkisch. o: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin Ms. germ. qu 284. Pergament, nach Mitte 14. Jahrhundert, ribuarisch. n: „Niederrheinische Liederhandschrift“: Universitätsbibliothek Leipzig Rep. II fol. 70a. Pergament, nach Mitte 14. Jahrhundert, ribuarisch. t: „Kolmarer Liederhandschrift“: Bayerische Staatsbibliothek München cgm 4997. Papier, um 1460, rheinfränkisch. niederdeutsche und niederländische Varietäten Ma: Rijksarchief Maastricht Ms. 167 III.11. Pergament, um 1300, mittelniederländisch. s: „Haager Liederhandschrift“: Koninklijke Bibliotheek Den Haag 128. E. 2. Pergament, um 1400, mittelniederländisch. m: „Mösersches Fragment“: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin Ms. germ. qu. 795. Pergament, Wende zum 15. Jahrhundert, ostfälisch.

1. Die Überlieferung

Die Überlieferung der Melodien Die meisten Waltherlieder wurden ohne Melodien aufgezeichnet, nur Z („Münstersches Fragment“) überliefert die vollständige Weise des Liedes AlrÞrst lebe ich mir werde (W 7; s. Kapitel V.2) sowie fragmentarisch die Weisen zu W 11 (König-Friedrichston), W 8 (Zweiter Philippston) und (dem nur in Z bezeugten) W 115. Die Aufzeichnung erfolgte in gotischer deutscher Choralnotation, die die Tonhöhen und den genauen Melodieverlauf angibt (vgl. S. 17 f.). Exemplarische Analysen stellt Kragl 2007 mit dem Ziel vor, die Engführung zwischen musikalischer und textkritischer Analyse zu verdichten. Demgegenüber sind die Weisen in M (W 28) und N (W 30) in linienlosen Neumen wiedergegeben und deshalb nicht mehr rekonstruierbar. In dem Tönerepertoire der Meistersinger der Frühen Neuzeit finden sich unter den Tönen der sogenannten Alten Meister zwei Weisen, die als echte Töne Walthers gelten können: die Hof- und Wendelweise und der Feine Ton. Erstere entspricht dem Wiener Hofton (s. S. 65 f.), letztere dem Ottenton (s. S. 59 ff.).

2. Walther – ein Erwerbsleben Bischof Wolfgers Ausgabenregister In dem Ausgabenregister (= Rechnungsbuch) des Bischofs Wolfger von Erla (1191–1204 Bischof von Passau; 1204–1218 Patriarch von Aquileia, am Golf von Triest gelegen) findet sich für den 12. November 1203, dem Martinstag, der folgende Eintrag (nach der Reinschrift der Handschrift; Kürzel aufgelöst): Sequenti die apud Zei[zemurum] walthero cantori de vogelweide pro pellicio v sol[idos] longos (,Am folgenden Tag bei Zeiselmauer dem Sänger Walther von der Vogelweide [zum Kauf] für einen Pelzrock/-mantel fünf Lange Schillinge‘; s. Heger 1970; Scholz 22005, 11–13). Zeiselmauer liegt zwischen Wien und Krems; Lange Schillinge sind Goldmünzen im Wert von je dreißig Denaren; ein cantor war im Allgemeinen ein Sänger gehobenen Standes, denn die gewöhnlichen Spielleute bezeichnete man in der Regel anders (s. Schubert 1995, 145 ff.). Man kann die genaue Höhe des Betrags, der dem Empfänger dann wohl zur freien Verfügung stand, nicht mehr rekonstruieren, gering war er jedoch nicht: „Vom Anspruch seiner Lieder und von der Kunst seines Sanges her fühlt sich der ,höfische Spielmann‘ über den einfachen, von Dorf zu Dorf ziehenden ,ioculator‘ erhaben.“ (Schubert 1995, 155; vgl. Curschmann 1972) Festschilderungen fiktionaler und chronikalischer Narrative belegen, dass eine hohe Gabe für einen fahrenden Sänger keineswegs ungewöhnlich war, denn nach der zeitgenössischen Auffassung charakterisierte die Gabe in erster Linie den Geber. Sie war ein Zeichen für dessen rîchheit, für dessen Repräsentationsund Herrschaftskompetenz. Aus Walthers Liedkorpus besitzt man (nur in C) ein beredtes Zeugnis über die milte des österreichischen Herzogs Leopold VI.:

Waltherus cantor

milte

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III. Der Autor und sein Werk man gab dâ niht bî drîzzec pfunden, wan silber, als es wære funden, gab man hin und rîche wât. ouch hiez der fürste durh der gernden hulde die marhena von den stellen lærn. (W 10/XIV7–11)

a

statt malhen ,Mantelsäcke‘

Man schenkte dort nicht nur um die dreißig Pfund, sondern Silber gab man hin, als ob man es gefunden hätte, und prachtvolle Gewänder. Auch ließ der Fürst aus Zuneigung für die Fahrenden die Ställe von den Pferden leeren.

Hier geht es nicht um Verschwendung, sondern um ein Lob der Fürstenpflicht. Das Thema der milte, die Bitte um milte, gehörte zu den genuinen Themen der Sangspruchdichtung und tangierte die persönliche Autorität und Integrität des Bittenden nicht.

getragene wât

her Walther

Gottfried

Wolfram

Walthers Rang und Ruf Mag Walther in seinen Liedern seine Erwerbslage gelegentlich beredt beklagt haben – in butzen wîs (W 11/X7: ,wie ein Poltergeist‘; s. S. 36) sei er angesehen worden, klagt er einmal wirkungsvoll –, allzu ,arm‘ und allzu niederen Ranges sollte man ihn sich deshalb nicht ,ein-bilden‘. Arm war im Mittelalter ein relativer Begriff, der ,nicht reich/nicht mächtig‘ bedeutete. In einem der Lieder beteuert die Sprechinstanz: getragene wât ich nie genam (W 38/IV6; nach B: ,getragene Kleidung nahm ich nie an‘). Nur die ärmeren Spielleute nahmen mit Secondhandkleidung vorlieb. Walther zählte sich zu den ,höfischen Sängern‘: Ob ich mich selben rüemen sol, / sô bin ich des ein höbischer man (W 38/I1 f.: ,Wenn ich mich selbst rühmen darf, so bin ich ein Mann des Hofes‘). Dem entspricht das her, das Wolfram von Eschenbach gebrauchte (Parzival 29724), und mit dem die Miniaturen in B und C (s. Kapitel III.5; nicht aber Handschrift Z) den Sänger bezeichnen. Möchte man die Erwerbsform, die Wolfgers Rechnungsbuch spiegeln könnte, zusammen mit den Aussagen der Lieder und der bildlichen Zeugnisse auf eine zeitgenössische Lebensform beziehen, so bliebe wohl am ehesten der (weil nachgeborene) nicht-erbberechtigte Sohn eines Adligen (eher wohl) geringeren Ranges. Dazu stellten ihn auch die Verfasser jener Handschriften, die die Autoren nach Rängen ordneten. Als Liedermacher erarbeitete sich Walther einen geradezu legendären Ruf, sodass ihn Gottfried von Straßburg in seiner Dichterschau des „Tristan“ zur Anführerin (leitærinne; 4812) der frohen Schar der Minnesänger erklärte. Wolfram von Eschenbach rühmte den süezen schal (,lieblichen Klang‘; Willehalm 1368) der Lieder Walthers und sympathisierte offenbar mit dessen Polemik gegen die Überhöhung der höfischen Dame durch Reimar (s. Kapitel VI.4): Sîn lop hinket ame spat, swer allen frouwen sprichet mat durch sîn eines frouwen. Wer wegen seiner eigenen Dame alle anderen Damen schachmatt setzt, dessen Lob hinkt wie ein Pferd, das am Spat erkrankt ist. (Parzival 1155–7)

2. Walther – ein Erwerbsleben

Wie Walther, so hielt sich auch Wolfram am Fürstenhof in Eisenach auf – ob zur selben Zeit, ist allerdings unbekannt –, an dem es offenbar recht laut zuging: des muoz hÞr Walther singen: / „guoten tac, bœs unde guot“ (Parzival 29724 f.: ,deshalb musste Herr Walther singen: „Guten Tag, Böse und Gute“‘; s. Kapitel IV.3). Den Spruchdichter Walther fürchteten die Gegner. So klagte Thomasin von Zerklære (heute Cividale del Friuli) in seinem pädagogischen Narrativ „Der Wälsche Gast“ (um 1215) über die offenbar verheerende Wirkung einiger Anti-Papstlieder des Dichters (vgl. dazu 12/VIII.IX; s. S. 62 f. und u. a. Schupp 1974; Marzo-Wilhelm 1998, 249–254):

Thomasin

ein man der mach der christenheit Ein Mann, der kann der Christenheit mit einem worte mer ze unstaten chomen, mit einem einzigen Wort mehr Schaden zufügen denn er ir muog hin fur gefrumen. als ihr jemals nützen. ich wene, daz allez sin gesanch, Ich glaube, dass alle seine Gesänge, beide chuorz unde lanch, die kurzen und die langen, si got niht so wol gevallen, Gott nicht so gut gefallen, so im daz eine muoz missevallen, wie ihm dieser eine missfällt, wand er hat tuosent man betœret, denn (damit) hat er Tausende betört, daz si habent uberhœret sodass sie Gottes und des Papstes Gebot gotes und des papstes gebot. (11.261–225) missachtet haben.

Selbstzeugnisse wol vierzec jâr hâb ich gesungen und mÞ von minnen und als iemen sol. (W 43/I7 f.) Mehr als vierzig Jahre habe ich von der höfischen Liebe gesungen, und so, wie es sich gehört.

Wie zuverlässig ist diese Zeitangabe der Ich-Instanz? Auch Oswald von Wolkenstein (18/VII1) setzte in einem seiner Lieder, in dem er sein Leben an sich vorüberziehen ließ, die Vierzig ein. Bezeichnete sie – vielleicht deuten die Zahlen 4 und 10 dies symbolisch an – einen abgerundeten und abgeschlossenen Lebensweg? Liest man – ohne dass man die mögliche Zeichenhaftigkeit der Zahl 40 aufgeben müsste – die beiden Verse ,wörtlich‘ als eine Rückschau auf ein erfülltes Sängerleben und bedenkt dabei, dass sich nach den ausgehenden zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts keine plausibel zu rekonstruierenden Spuren der musikalischen Tätigkeit Walthers mehr finden lassen, dann liegen die Anfänge seiner öffentlichen Liedproduktion am Beginn der 1190er Jahre. Seine Geburt kann man demzufolge um das Jahr 1170 vermuten – während des glanzvollen Kaisertums Friedrichs I. Barbarossa ({ 1190). Als junger Erwachsener geriet der Sänger dann in den Strudel der staufisch-welfischen Thronkämpfe (s. Kapitel III.3). Die Verse des Liedes Ir reinen wîp, ir werden man bestätigen die Überlegungen zu Walthers Rang: Lât mich an eime stabe gân und werben umbe werdekeit mit unverzagter arebeit,

vierzec jâr

arebeit

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III. Der Autor und sein Werk als ich von kinde hân getân, swie nider ich sî, sô bin ich doch der werden ein, gnuoc in mîner mâzze hôch. (W 43/II1–6) Lasst mich an einem Stock gehen und in rastloser Mühe um Würde und Ansehen werben, wie ich von Jugend an getan habe: trotzdem bin ich, wie nieder geboren ich auch sein mag, einer der Edelsten, hoch genug nach meinem Maßstab.

mîn lÞhen

Die Verse beginnen mit einer Hypothese: „Selbst wenn ich am Stock ginge […]“. Am Bettelstab (stap) geht der Sprecher nicht, auch zu den werden, denen, die Herrschaft besitzen (vgl. Ehrismann 1995e), gehört er nicht. Nider deckt in Bezug auf den gesellschaftlichen Rang ein weites Feld ab. Die These des Liedes bezieht sich auf die Leistungsethik: arebeit adelt, eine These, die man auch z. B. in Hartmanns „Erec“ finden kann. Im Frühjahr 1220 lud König Friedrich II. zum Reichstag nach Frankfurt, auf dem er seinen Sohn Heinrich (VII.) zum König in den deutschen Reichsteilen erhob (s. S. 39 f.). Im Rahmen dieser Feierlichkeiten könnte Walther mit jenem Lehen begabt worden sein, für das er sich in einer (nur in C überlieferten) Sangspruchstrophe überschwänglich bedankte: Ich hân mîn lÞhen, al die werlt, ich hân mîn lÞhen! nû enfürhte ich niht den hornung an die zÞhen und wil alle bœse herren dester minre vlÞhen. der edel künic, der milte künic, hât mich berâten, daz ich den sumer luft und in dem winter hitze hân. mînen nâhgebûren dunke ich verre baz getân: si sehent mich niht mÞr an in butzen wîs, als si wîlent tâten. ich bin ze lange arn gewesen âne mînen danc, ich was sô vol scheltens, daz mîn âten stanc. daz hât der künic gemachet reine, und dar zuo mînen sanc. (W 11/X) in arn und âten ist kein Schreibfehler (s. Paul 241998, § 125). Ich habe mein Lehen, alle Welt, ich habe mein Lehen! Nun fürchte ich nicht (mehr) den Hornung (= Februar) an den Zehen und werde alle bösen Herren umso weniger anflehen (müssen). Der edle König, der großzügige König hat mich versorgt, sodass ich im Sommer frische Luft und im Winter Wärme habe. Meinen Nachbarn scheine ich (nun) weit besser situiert, sie sehen mich nicht mehr, wie einst, als einen Poltergeist an. Ich bin zu lange, ohne mein Verschulden, arm gewesen. Ich war so voller Schelten, dass mein Atem stank. Das hat der König bereinigt und darüber hinaus meinen Gesang.

Ausgrenzung

Der Topos der Ausgrenzung könnte, einschließlich des stinkenden Atems, nach Ijobs Klage stilisiert sein (s. Ijob 1913–20). Es ist plausibel, wenn auch nicht zwingend, anzunehmen, dass dieser Strophe eine – wann auch immer in den zehner Jahren zu datierende (allerdings in fünf Handschriften überlieferte) – Bittstrophe an König Friedrich II. voranging:

2. Walther – ein Erwerbsleben Von rôme voget, von pülle künic, lât iuch erbarmen, daz man bî rîcher kunst mich lât alsus armen. gerne wolde ich, mœhte ez sîn, bî eigenem fiur erwarmen. ahî, wie ich danne sunge von den vogellînen, von der heide und von den bluomen, als ich wîlent sanc! (W 11/VII1–5) Vogt von Rom, König von Apulien, lasst Euch erbarmen, dass man mich bei reicher Kunst so arm sein/werden lässt. Gerne wollte ich, könnte es sein, am eigenen Feuer warm werden. Oh, wie ich dann von den Vöglein sänge, von der Heide und von den Blumen, wie ich einst sang!

Der Hinweis auf die rîche kunst ist ein Hinweis auf die eigene Ehre, die sich mit der ,Armut‘ nicht verträgt. Die Bitte, sesshaft zu werden, verbindet sich mit dem Versprechen, sich wieder dem Minnelied zuzuwenden. Damals wurde – die These ist allerdings umstritten – ein Sangspruch wohl primär von den Fahrenden, ein Minnelied von den höfischen (nicht zwingend ,ritterlichen‘: s. aber Mundhenk 1993) Sängern erwartet. Worin Walthers Lehen bestand, ob es sich um ein Gut oder ein Amt handelte, ist nicht zu klären. Allerdings liegt es, wenn man sich das Ich des Gesangs wieder ein wenig naturalisieren möchte, nahe, an eine kleine Liegenschaft in Würzburg (oder der näheren Umgebung) mit ihren Einkünften zu denken, denn nach einer schwer zu widerlegenden Tradition scheint Walther dort verstorben und im „Grashof“ des Würzburger Neumünsterstifts, dem sogenannten Lusamgärtchen – der einschließende Kreuzgang wurde um 1188 errichtet – begraben worden zu sein. Diese Nachricht verdankt man Michael de Leone, Protonotar des Bischofs und Scholaster des Neumünsterstifts, der um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein „Hausbuch“ verfertigen ließ, in das er auch Lieder Walthers aufnahm (s. S. 31, Handschrift E). Michael kannte Walthers Grab und vermerkte dessen Lage in der Handschrift: Her walther von der vogelweide begraben ze wirzeburg zu dem Nuwemunster in dem grasehove (nach Brunner 2007, 43). Leider ist das Zeugnis sehr spät, und so mag, wer möchte, an dessen Zuverlässigkeit zweifeln. Die Allegorie der Frau Welt, von vorn verlockend schön anzuschauen, von hinten abgrundtief hässlich, bemühte Walther für einen Rückblick auf das vergangene Leben: Frô welt, ich hân ze vil gesogen, ich wil entwonen, des ist zît. dîn zart hât mih vil nâch betrogen, wand er vil süezzer frœiden gît. (W 70/III1–4) Frau Welt, ich habe zu viel von dir getrunken, ich werde mich entwöhnen, es ist an der Zeit. Deine liebevolle Zuneigung hätte mich fast verblendet, weil sie viele süße Freuden schenkt.

Ob die Liedinstanz hier so dicht beim Autor steht wie in den vorangegangenen Texten, ob man gar im Sinne der Erlebnislyrik von einem „Lied der Abrechnung in Skepsis, Weisheit und großer Schwermut“ (Wapnewski 252002, 249) sprechen sollte, ist doch sehr fraglich.

rîche kunst

Würzburg

Frau Welt

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III. Der Autor und sein Werk

3. Höfe und Geschichte – Daten eines Wanderlebens 1198–1208: Thronkämpfe

Innozenz III.

Zur Geschichte des Reichs Die erste für die Geschichte Walthers wichtige Phase des römisch-deutschen Reichs ist von den Kämpfen um den Königsthron nach dem Tod Kaiser Heinrichs VI. beherrscht. Der erst 32-jährige Stauferkaiser Heinrich, Barbarossas älterer Sohn, starb überraschend im September 1197 (s. Csendes 1993). Sein Bruder Philipp, Herzog von Schwaben (s. Csendes 2003), konnte den eigentlichen Thronerben, den erst dreijährigen Knaben Friedrich (später Friedrich II.), der bei seiner Mutter Konstanze in Sizilien aufwuchs, wegen reichsfeindlicher Aufstände in Mittelitalien nicht nach Deutschland holen. Friedrich wurde 1198 in Palermo zum König erhoben und von Papst Innozenz III. mit seinem sizilischen Erbreich belehnt. Aufgrund dieser Umstände und auf Drängen des staufischen Anhangs ließ sich Philipp im März durch eine größere Anzahl Fürsten in Thüringen selbst zum König wählen. Er sah sich dazu durch die Aktivitäten einer antistaufischen Fürstengruppe veranlasst, die auf die Wahl des Welfen Otto von Poitou hinarbeitete und im Juli 1198 dessen Erhebung zum König durch den Kölner Erzbischof Adolf I. in Aachen, dem traditionellen Krönungsort der Könige, erreichte. Otto gelang es jedoch nicht, den Staufer Philipp zu verdrängen, dessen Stütze vor allem die Reichsministerialen waren und dessen Anhang auch unter dem Hochadel wuchs. Philipp wurde im September 1198 in Mainz (am unrechten Ort) von dem Erzbischof von Tarentaise (der unrechten Person) gekrönt. Diese Krönung war daher wegen der falschen formalen Bedingungen mit einem erheblichen Legitimationsdefizit behaftet (s. Petersohn 1997). In diesem Konflikt übernahm der 37-jährige energische Papst Innozenz III. (s. Frenz 2000) die Rolle des Schiedsrichters, die er mit der höheren Würde des von ihm repräsentierten Priestertums über das Königtum und mit der Theorie der Reichsübertragung (translatio imperii) begründete, nach der es das Papsttum gewesen war, das mit der Erhebung Karls des Großen zum Kaiser im Jahre 800 die Kaiserwürde von den Römern auf die Franken übertragen hatte. Hinzu kamen territoriale Interessen des (damals gegenüber heute erheblich größeren) Kirchenstaates (Patrimonium Petri), der sich von einer möglichen Stauferherrschaft zwischen Sizilien und Norditalien feindlich umklammert sah. Bei der Erweiterung seines Herrschaftsanspruchs ließ sich Innozenz von einer regen politischen Propaganda als Befreier Italiens von ,deutscher Fremdherrschaft‘ feiern, ein Vorgang, der im Übrigen nicht wenig zum Erwachen eines eigenen Wir-Gefühls der Bevölkerung in den deutschen Reichsteilen beitragen konnte. In die Kämpfe um den Thron griffen die (prowelfischen) englischen und (prostaufischen) französischen Könige durch großzügige Bestechungsgelder für die Fürsten ein. In geheimen Verhandlungen nahm Innozenz Partei für Otto und erkannte diesen im März 1201 als König an. Otto hatte ihm die päpstliche Entscheidungsgewalt bei der Königswahl zugestanden. Im Juli 1201 wurde der Stauferanhang gebannt, der dagegen nachdrücklich protestierte – allerdings nur solange, bis auch Philipp der Kurie beträchtliche Zugeständnisse eingeräumt hatte. So konnte Erzbischof Adolf bestochen und die Krönung Philipps am rechten Ort, in Aachen, vollzogen werden.

3. Höfe und Geschichte – Daten eines Wanderlebens

Mit Waffengewalt wurden Landgraf Hermann von Thüringen und der König von Böhmen auf die staufische Seite gebracht. 1206 war Otto besiegt. Kurz vor Philipps Erhebung zum Kaiser trat am 21. Juli 1208 eine dramatische Wende ein: Der bayerische Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, dessen Verlobung mit Philipps Tochter den Verhandlungen mit dem Papst zum Opfer gefallen war, ermordete den Staufer aus Gründen der Ehre. Nach Philipps überraschendem Tod, den Innozenz als ein Gottesurteil betrachtet haben soll, fand Otto allgemeine Anerkennung und wurde am 11. November 1208 in Frankfurt erneut und nun einmütig zum König erhoben (s. Hucker 2003). Jetzt stritt er allerdings für die alten staufischen Positionen. Am 4. Oktober 1209 vollzog Innozenz dennoch die Kaiserkrönung. Der schwelende Konflikt zwischen Krone und Tiara brach aus, als Otto im Rahmen eines Kreuzzugsunternehmens durch Italien nach Sizilien zog. Dort versuchte er, von aufständischen Baronen gerufen, vergeblich, König Friedrich zu vertreiben. Daraufhin ließ ihn der Papst fallen und belegte ihn mit dem Bann, was allerdings weitgehend wirkungslos blieb, und begann, den jungen Friedrich in Palermo zu begünstigen. Dieser besaß auch die Unterstützung des französischen Königs Philipp II. Ein erneutes Werben gegen Otto setzte ein, und im September 1211 wählten einige Fürsten in Nürnberg Friedrich zum künftigen Kaiser. Umgehend kehrte Otto aus Italien zurück und hielt im März 1212 in Frankfurt einen glänzenden Hoftag ab. Im Herbst des Jahres erschien Friedrich, der dem Papst die Lehnshuldigung für Sizilien geleistet hatte, nach einer abenteuerlichen Reise persönlich vor den deutschen Fürsten. Er erneuerte das Bündnis mit Frankreich und konnte dadurch sein Budget rasch auffüllen. Im Dezember 1212 ließ er sich in Frankfurt zum König wählen und im benachbarten Mainz mit imitierten Insignien – die echten besaß Otto – krönen. Östlich von Lille, bei Bouvines, kam es am 27. Juni 1214 zur entscheidenden Schlacht. Die mit den Staufern verbündeten Franzosen siegten; Otto musste fliehen. Nach Ottos Niederlage klärten sich die Herrschaftsverhältnisse rasch. Im Mai 1218 starb Otto auf seinen braunschweigischen Besitzungen. Friedrich baute eine geschickte, auf Dezentralisierung und Versöhnung der widerstreitenden Kräfte bedachte Herrschaft auf. Dem Papst gewährte er in Mittelitalien und bei den Bischofs- und Abtwahlen des Reichs weitreichende Zugeständnisse. Am 25. Juli 1215 ließ sich Friedrich erneut, jetzt auf dem Karlsthron in Aachen, zum König erheben und gelobte einen Kreuzzug – „offensichtlich auch deshalb, um die Kreuzzugsbewegung wieder stärker in die Zuständigkeit des Herrschers zu ziehen.“ (Koch 2002, 934) Im Juni 1216 starb Papst Innozenz III., ihm folgte der weniger streitbare Honorius III. Gegen dessen Willen setzte Friedrich 1220 die Wahl seines Sohnes Heinrich (VII.) zum König in den deutschen Reichsteilen durch. Dabei gestand er den Kirchenfürsten in der Confoederatio cum principibus ecclesiasticis (,Vertrag mit den Kirchenfürsten‘) die Herrschaft über ihre Territorien zu, die allerdings faktisch schon seit längerem bestanden hatte. Am 22. November 1220 erfolgte in Rom Friedrichs Erhebung zum Kaiser. Für die deutschen Reichsteile wurde der Kölner Erzbischof Engelbrecht/Engelbert von Berg zum Reichsverweser und Vormund König Heinrichs bestellt. Engelbrecht wurde im November 1225 wegen Erbschaftsangelegen-

1208–1214: Otto IV.

1214–1229: Friedrich II.

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III. Der Autor und sein Werk

Walthers Weg

vom 12. zum 13. Jahrhundert

heiten (jedoch auch mit Zustimmung gegnerischer Adelskreise) von seinem Neffen ermordet. König Heinrich legte gegenüber seinem Vormund und seinem Vater eine gewisse Eigenwilligkeit an den Tag, denn er heiratete die Tochter Herzog Leopolds VI. und wertete dadurch das Haus der Babenberger erheblich auf. Er strebte gegen den väterlichen Willen nach der Erweiterung des staufischen Hausgutes, wodurch er sich die Landesfürsten zu Gegnern machte. Diese zwangen Heinrich 1231 zu dem Statutum in favorem principum (,Abkommen zugunsten der Fürsten‘), in dem ihnen dieselben territorialen Rechte wie 1220 den geistlichen Fürsten eingeräumt wurden. Friedrich, der sein Herrschaftszentrum in den Süden Italiens verlegt hatte, bestätigte das Statut 1232. Der Kreuzzug, den Innozenz 1213 ausgerufen und 1215 forciert, den Friedrich bei der Krönung 1215 gelobt hatte, scheiterte (ohne die Teilnahme des Kaisers) 1219 kläglich. Der Kaiser selbst zögerte bis weit in die zwanziger Jahre hinein, sah sich dann aber doch durch die Androhung eines päpstlichen Bannes 1227 zum Aufbruch gedrängt (s. S. 74). Vor dem Hintergrund dieser bewegenden Reichsgeschichte geht man davon aus, dass der junge Sänger Walther als konventioneller Liedermacher mit höfischen Themen in die Unterhaltungsbranche eintrat, dass er diese Kunst weiterhin pflegte und perfektionierte, dass er aber auch schon bald nach dem Beginn seiner musikalischen Erwerbstätigkeit als politisch-moralisierender Sangspruchdichter brillierte. Aus dieser Produktion lassen sich einige chronologische Daten direkt oder indirekt entnehmen. Hielt er sich an den Höfen der Könige und Fürsten auf, dann bleibt allerdings die Nähe zu deren Herren verborgen, und es bleibt ungeklärt, ob und mit welcher Aufmerksamkeit sie ihm gelauscht haben, denn nach allem, was man weiß, ruhten Lärm und Gedränge an einem Hof nicht, wenn die Show der Fahrenden begann. Folgende Chronologie lässt sich rekonstruieren: Walthers Anfänge: Von den Babenbergern zu den Staufern Um 1190: Beginn von Walthers musikalischem Erwerbsleben (nach W 43, s. S. 35), wahrscheinlich im Stil des konventionellen Minnesangs. Das Erwerbsleben ist auf soziale Mobilität mithilfe künstlerischer Fähigkeiten ausgerichtet und geht von der durch die höfische Kultur gerechtfertigten Annahme aus, dass eine hohe Qualität einen hohen Rang beanspruchen dürfe. Seit Mitte der 90er Jahre: Walther befindet sich in der Umgebung des Babenberger Herzogs Friedrich I. (1195–1198; s. W 9/IV1–5; dazu Kapitel IV.3), die er (vor Friedrichs Tod: s. Hoffmann 1996) verlässt. Das Haus der Babenberger zählte zu einem der mächtigsten des Reichs: 1156 hatte es die Erhebung zum Herzogtum erreicht und seitdem seine Herrschaft in Österreich erheblich ausweiten können; 1192 fiel ihm das Herzogtum Steiermark zu. Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert: 1198 begibt sich Walther – wahrscheinlich zur weiteren Sicherung der Erwerbsquelle (vgl. Nellmann 1989) – in die Umgebung König Philipps von Schwaben (s. W 9/IV7 f.; dazu S. 45). 12. November 1203: Walther hält sich als cantor an dem auf Reisen befindlichen Hof Bischof Wolfgers von Passau auf (s. S. 33). Diesen wird er später als den biderbe[n] patriarche[n], missewende vrî (W 12/XIV3: ,guten Patriarchen, frei von Falsch‘) dankbar rühmen.

3. Höfe und Geschichte – Daten eines Wanderlebens

Walther zwischen Staufern und Welfen Zwischen 1203 und 1219 oder früher: Walther befindet sich zeitweise in der Umgebung Herzogs Leopold VI. (Herzog der Steiermark 1195–1198; dazu Herzog von Österreich 1198–1230) in Wien, ohne dort offenbar eine gesicherte Erwerbsquelle zu finden (s. Kapitel IV.3). Leopold agierte im staufisch-welfischen Thronstreit klug und zurückhaltend. Er betrieb eine geschickte, die Prosperität der Städte und Bauern fördernde Landespolitik, und er baute seinen Hof zu einem Zentrum des ritterlich-höfischen Lebens aus. Allenfalls der thüringische Landgrafenhof konnte sich noch mit ihm vergleichen. So wird es kein Zufall gewesen sein, dass sich Walther gerade an diesem Hof um eine Erwerbsmöglichkeit bemühte, wenngleich der Herzog (und wohl auch dessen aus Byzanz/Konstantinopel stammende Ehefrau Theodora, Enkelin des Kaisers Isaak Angelos II.) sich für die volkssprachige Liedkunst eines Walther allem Anschein nach nicht erwärmen konnte. Vor 1220: Wenigstens zwei Aufenthalte am Hof der Landgrafen von Thüringen (s. Kapitel IV.3). Der Hof der thüringischen Landgrafen in Eisenach (damals noch nicht auf der Wartburg angesiedelt) gelangte unter Hermann I. (1190–1217) zu Prosperität und hoher kultureller Blüte (s. Peters 1981), denn dieser lavierte während der Thronkämpfe geschickt und Gewinn bringend zwischen den Parteiungen. 1212/13, vielleicht auch später: Hoftag Ottos IV. zu Frankfurt (18. März 1212, s. S. 39), wahrscheinlich befindet sich Walther in der Umgebung des Kaisers (s. S. 59 f.). In jene Zeit dürfte allerdings auch die Absage an Otto (W 11/II–III) fallen. Zwischen 1212/1213 und 1216: Mit Unterbrechungen hält sich Walther in der Umgebung König Friedrichs II. auf. 1212 und später: Beziehung zu Markgraf Dietrich IV. von Meißen (s. W 4/III; W 76/II.III). Dietrich der Bedrängte regierte zwischen 1195 und 1221, er war ein Schwiegersohn Landgraf Hermanns von Thüringen. Dietrichs Rolle im staufisch-welfischen Thronstreit ist, wie Walthers Stellungnahmen zu Dietrich selbst, schwer durchschaubar (s. S. 60 und Bein 1995). – Bei Herzog Ludwig I. von Wittelsbach, dem ,Kehlheimer‘ (1183–1231), einem weiteren Schwager Hermanns und Gegner Ottos, bedankt sich Walther für ein Lied, das ihm der Meißner übermittelte (W 8b). Mitte der zehner Jahre: Walther sucht Unterhalt am Hof Bernhards II. von Spanheim, des Herzogs von Kärnten (1202–1256; s. W 11/IX; W 12/V.VI). Hier gibt es Meinungsverschiedenheiten über den angemessenen Sängerlohn, denn ein Höfling sollte für Walther Kleidung besorgen, führte aber offenbar den Auftrag nicht nach dessen Vorstellungen aus. Walther in der Zeit Kaiser Friedrichs II. Die 1220er Jahre: Mit Unterbrechungen lebt Walther in der Umgebung Friedrichs II. und seines Reichsverwesers, des Erzbischofs von Köln, Engelbrecht von Berg. Im Juli 1220 könnte die mutmaßliche Vergabe eines Lehens auf dem Reichstag in Frankfurt (s. S. 36) erfolgt, im Juli 1224 Walther in Nürnberg auf dem dortigen Reichstag gewesen sein (s. S. 65). Walther besucht auch einen ,Bogner‘, aus den Sprüchen ist jedoch keine Zeit zu ermitteln (s. W. Schröder 1989). Bei diesem Bogner könnte es sich

Leopold VI.

Hermann I.

Otto IV.

Königshof Meißen

Bayern

Kärnten

Kaiserhof

Bogner

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III. Der Autor und sein Werk

allerdings nach Pfeil 1998 um die Mitglieder zweier verschiedener Grafenhäuser gehandelt haben: des rheinischen Hauses von Katzenelnbogen (nach W 54/XI8) – hier kämen Diether III. (ca. 1190–1214), Diether IV., nach anderer Zählung Diether II. (1219–1245) oder Diether I. (1213/14 urkundlich erwähnt) in Betracht (s. Demandt 1952) – und des kunstsinnigen bayerischen Hauses von Bogen (nach W 54/XII; zum Bognerton s. S. 67 f.).

historischer Kontext

Walther am Tegernsee – kontextualisiertes Lesen Auf einer seiner Reisen kehrte der Musikant in der Reichsabtei Tegernsee ein, vielleicht als Abt Berthold (1206–1217) dort die Leitung hatte. Die folgende (nur in C überlieferte) Strophe zeigt exemplarisch, wie schwer spät verschriftete literarische Äußerungen ohne eine genaue Kenntnis der jeweils zeitgenössischen Vortragsbedingungen, der historischen Kontexte, zu deuten sind und wie problematisch ein heute naheliegendes oder auch spontanes Textverständnis wäre: Man seit mir ie von tegersÞ, wie wol daz hûs mit Þren stÞ. dar umbe kÞrte ich mÞr dan eine mîle von der strâzze. ich bin ein wunderlîcher man, daz ich mich selben niht entstân und mich sô vil an frœmede liute lâzze. ich schilte sîn niht, wan got genâde uns beiden: ich nam dâ wazzer; alsô nazzer muost ich von des münches tische scheiden. (W 74)

H jNachricht h H fvorausschauende j fSelbstkritik h H jVorgang h

Man hat mir immer von Tegernsee erzählt, in welch hohen Ehren dieses Haus/Kloster stünde. Deshalb nahm ich einen Umweg von mehr als einer Meile. Ich bin ein so seltsamer Mensch, und verstehe mich selbst nicht, dass ich mich so sehr auf fremde Leute verlasse. Ich schelte darüber nicht, denn Gott möge uns beiden gnädig sein: Ich nahm/erhielt dort Wasser; so genässt, war es mir bestimmt, vom Tisch des Mönches zu scheiden. „Regula Benedicti“

Beim ersten Lesen spürt man einen selbstironischen, aber auch kritischen Unterton. Möchte man sich darauf nicht verlassen, dann ergeben sich bald eine Fülle von Fragen. Zunächst: In welche Richtung zielen Kritik und Ironie? Ein Blick in das Regelwerk, nach dem der Gast empfangen worden sein müsste, kann hier weiterhelfen. Kapitel 53 der „Regula Benedicti“ (s. Holzherr 62005, 315–322), der die Reichsabtei Tegernsee verpflichtet war, handelt von der Aufnahme der Gäste ins Kloster und befiehlt, diese wie Christus zu empfangen: „Allen erweise man die Ehre, die ihnen zusteht.“ Der Prior oder ein dazu ausersehener Bruder geht dem Gast freundlich entgegen, betet mit ihm und tauscht den Friedenskuss. Weitere fromme Handlungen folgen, bis dann der Abt dem Gast das Wasser für die Hände reicht und die Gemeinschaft der Brüder ihm die Füße wäscht. Walthers Lied könnte auf diese rituellen Waschungen anspielen, ohne dass man erfährt, in welcher Form sie erfolgten.

3. Höfe und Geschichte – Daten eines Wanderlebens

Die Wasser-Gabe könnte sich – darüber hinaus oder nur? – auch auf die Versorgung des Besuchers beziehen. Erhielt er das Wasser als Getränk und/ oder zur Reinigung der Hände nach der Mahlzeit? Ließ man ihm überhaupt etwas zukommen? Wer vom ,Tisch‘ scheidet, bekam doch wohl, obgleich man sich auch hier nicht sicher sein kann, etwas zu essen. ,Zu Tisch gehen‘ steht ja metaphorisch für ,essen gehen‘. Doch was ist der „Tisch des Mönches“ – eine Synekdoche für das Kloster oder wirklich nur ein Tisch? Wer ist der Mönch? Nach der communis opinio handelt es sich um eine erniedrigende Bezeichnung für den Abt. Der Regel Benedikts zufolge liegt es jedoch näher, darin jenen Bruder zu sehen, der nach Satz 17 den Küchendienst für überraschend eingetroffene Gäste zu leisten hatte. Die Strophe verhandelt die Ehre der angesehenen Reichsabtei, des hûses Þre, und misst sie an der Ehre, die dem Gast gewährt wird. Der entfaltete diskursive Prozess führt durch die vielen Fragen, die er heute – nur heute? – aufwirft, zu keinem klaren Ergebnis. Denkt der Gast überhaupt an eine Mahlzeit oder (nur?) an eine angemessene Aufnahme, d. h. an eine Aufnahme, die er für angemessen hält? Nur ein Bruder – nimmt man einmal diesen Fall an – hat ihm Speise gereicht, nicht der Abt selbst, der freilich nach der Regel Benedikts sich nur mit hochrangigen Gästen zusammensetzte. So wurde der Gast zwar ,nach der Ehre, die ihm zustand‘ aufgenommen, er hätte aber eine größere Ehrbezeugung erwartet. Sind seine Verse deshalb böse (so W. Protze, 116)? Oder zeugen sie von souveräner Selbstironie beziehungsweise -kritik dessen, der sich selbst einen wunderlîchen man nennt? Je öfter man die wenigen Verse an sich vorüberziehen lässt, desto instabiler werden sie. Wie zuverlässig ist der Bericht des Gastes überhaupt? Sicherlich ergäben sich weniger Fragen, wenn man die genetischen Bedingungen des Liedes kennen würde. Blieben in diesem Fall gar keine Fragen mehr? So sieht es nicht aus: Der Bericht ist zugunsten seiner Schlagkräftigkeit auf eine Weise verkürzt, die Pointierung auf das Wasser so vieldeutig, dass sich seine kritische Referenz im Witz aufhebt und offenbleibt, ob sie sich auf die Textinstanz, auf das Kloster oder gar nur auf dessen exorbitanten ,Wasserverbrauch‘ richtet. Der von Schweikle formulierten communis opinio kann man nach all dem nicht ohne Weiteres zustimmen:

Þre

[…] stellt die Strophe ein Kabinettstück des schlagkräftigen Witzes Walthers dar – schon durch die Struktur: Auf eine erzählerische Einleitung (V. 1–3) wird die Pointe durch geschickte Vorgriffe (Distanzierung von der eigenen Vertrauensseligkeit, großmütiges Verzeihen des noch gar nicht genannten Ergebnisses) vorbereitet – und erscheint so sehr blamabel für das ehrwürdige Kloster und seinen Abt, den Walther hier wohl mit dem abschätzigen münch meint. (Schw. 1, 507)

Ist schon eine Beleidigung des Klosters nicht zu sichern, so sollte man darüber hinaus, die rezeptiven Bedingungen bedenkend, auch fragen, ob ein solcher Text um 1200 von den betroffenen Mönchen überhaupt als Kränkung empfunden werden konnte. Schließlich verstehen auch die Mönche, kräftig über sich selbst und einen rhetorisch brillant vorgetragenen Scherz zu lachen. Germanisten sind da ernster. Warum sollte die Strophe nicht im Kloster selbst vorgetragen worden sein? Wie auch immer, den Sitz solcher Texte im Leben kann man nur noch bedingt ausmachen, sollte dies aber nicht ohne das jeweilige kulturhistorische Kontextwissen und das vorurteils-

Sitz im Leben

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III. Der Autor und sein Werk

freie Aufsuchen plausibler Deutungsmöglichkeiten tun, weil nur dann das Walther-Palimpsest nicht vorschnell beschrieben wird. Das Vor-Urteil der communis opinio, das zu hinterfragen wäre, wäre hier: der selbstbewusste und boshafte Walther.

Staufernähe

Rückblick Walther suchte seine Erwerbsquellen mit wenigen Ausnahmen z. Zt. Kaiser Ottos an den wohlhabenden staufischen und staufernahen Höfen – auch das unmittelbare Reichskloster Tegernsee darf man cum grano salis dazuzählen. Offenbar spiegeln sich aber nur wenige seiner Aufenthalte in seinen Liedern wider, denn man kann ihm wohl glauben, wenn er singt: Ich hân lande vil gesehen […] Von der Elbe unz an den rîn / und wider unz in ungerlant […] (W 32/III1; IV1 f.: ,Ich habe viele Länder besucht […] Von der Elbe bis zum Rhein und wieder zurück bis Ungarn […]‘; s. auch S. 106); oder: Ich hân gemerket von der seine unz an die muore, / von dem pfâde unz an die trabe erkenne ich ir aller fuore (W 12/I1 f.: ,Ich habe die Welt von der Seine bis zur Mur kennen gelernt; vom Po bis zur Trave kenne ich das Treiben der Welt‘).

4. Walthers Heimat Vogelweide

Gedenkstätten

Walthers Zuname bezog sich nicht, wie bei ritterbürtigen Geschlechtern üblich, auf eine Burg. Vogelweide referiert als Appellativum auf einen Nistund/oder Fangplatz für Vögel und ist als Flurname gut zwanzigmal in den verschiedensten Gegenden der deutschsprachigen Länder bezeugt. Die Suche nach der Geburtsheimat Walthers wird sich jedoch aufgrund seiner Lebenszeugnisse auf die alten Herzogtümer Franken (mit Würzburg; vgl. Kracher 1971), Bayern, dessen Südspitze damals bis ins südtirolische Bozen reichte, sowie Österreich (hier besonders das Waldviertel in Niederösterreich: s. Thum 1977; Klomfar 2005) beschränken. Mit diesen Hinweisen muss man sich begnügen, zu einem sicheren Ergebnis gelangt man nicht (s. Scholz 22005, 5–8). „Alle Schlüsse“, stellte schon der Grazer Germanist Anton Emanuel Schönbach (1895, 39) fest, als er gegen die eifrigen Anhänger der Südtirol-These zu Felde zog, „hängen völlig in der Luft, alle historischen Erörterungen verdichten sich nirgends zu etwas Greifbarem.“ Auch Wolframs Hinweis auf die Nachtigall – eine Metapher für Walther –, die so lieblich singe, weil sie Wasser – eine Evokation des Tegernsee-Spruchs? – statt Bozener Wein trinke (s. Willehalm 1366–10), führt nicht sicher zu Walthers Geburtsort. Dennoch ist, gestützt durch einen (auch zeitweilig heftig entfachten politisch motivierten, gegen Rom gerichteten) regionalen Patriotismus und das Wohlwollen zahlreicher Wissenschaftler, der südtirolische Vogelweidhof nordöstlich über Waidbruck/Ponte Gardena bis heute eine Pilgerstätte zahlreicher Walther-Verehrer geblieben (s. Birkhan 2005a). In der schwierigen Nationalitätenfrage, die im späteren 19. Jahrhundert zwischen Südtirolern und Italienern aufbrach und sich erst allmählich in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beruhigte, spielte das 1889 eingeweihte, heute auf der Piazza Walther in Bozen befindliche Walther-Denkmal allerdings eine gewichtigere Rolle (s. Mühlberger 1989; Egger/Gummerer 1990).

4. Walthers Heimat

Den jungen Erwachsenen Walther darf man mit schon etwas mehr Sicherheit im Herzogtum Österreich (mit Wien) ansiedeln. Dort habe er, lässt er in einem Sangspruch verlauten, hœveschen sanc (W 12/IV5) gelernt: ze œsterrîch lernde ich singen und sagen (W 12/IV8; singen nach A ergänzt). Wie, wann und wo diese Bildung oder Ausbildung stattfand, bleibt ungeklärt. Am ehesten käme der Hof Friedrichs I. in Betracht, denn einer der Sangsprüche berichtet von dem herben Einschnitt, den der unerwartete Tod dieses Herzogs, der auf der Rückreise von einer Kreuzfahrt ins Heilige Land (s. S. 74) gestorben war, für das Leben des Künstlers bedeutete:

Herzogtum Österreich

Dô friderîch ûz œsterrîch alsô gewarp, daz er an der sÞle genas und im der lîp erstarp, a statt mîner dô fuort er mînena krenechen trit in die erde. dô gieng ich schlîchent als ein pfâwe, swar ich gie, daz houbet hanht ich nider unz ûf mîne knie. (W 9/IV1–5; nur B)) Als Friedrich von Österreich dies zustieß, dass er an der Seele genas und sein Leib erstarb, da zog er meinen Kranichtritt mit in die Erde. Ich schlich wie ein Pfau, wohin ich auch ging, den Kopf ließ ich bis auf meine Knie herabhängen.

Der stolze Schritt des Kranichs mit hoch erhobenem Haupt weicht dem Gang des Pfaus, der mit gesenktem Kopf über die Erde schleicht, wie der Sänger nach Nahrung suchend (s. Wapnewski 1983). Er wird diese ,Nahrung‘ am Hof König Philipps erhalten:

König Philipp

ich bin wol ze fiure komen, mich hât daz rîch und ouch diu krôn an sich genomen. (W 9/IV7 f.) Ich habe ein gutes Auskommen gefunden, Reich und Krone haben mich zu sich genommen.

5. Walther – ein Bild Die beiden Liederhandschriften B (s. S. 120) und C (s. S. 46) leiten die Sammlung ihrer Walthertexte mit einer Miniatur des sinnenden Autors ein, das von den Sangsprüchen Ich saz ûf eime steine und Ich hôrte diu wazzer diezzen (W 2/I.II; s. S. 51 ff.) inspiriert ist. Alles ist zeichenhaft und von der Tradition vorgegeben (s. Masser 1982). Die Pose reflektiert ein „Bildschema der trauernden Introspektion“ (Wenzel 1989, 136), sie geht auf die Antike zurück und fand auch in der christlichen Kunst Verwendung. In diesem Kontext versinnbildlichen die Miniaturen das Thema der Sangsprüche: die Trauer des Dichters über das irdische Chaos. Der Fels (mhd. stein) referiert auf Psalm 427 f.: Der Sänger David sitzt auf dem kleinen Berg Hermon und schaut in die rauschenden Fluten des Jordan: Betrübt ist meine Seele in mir, darum denke ich an dich im Jordanland, am Hermon, am Mizar-Berg. Flut ruft der Flut zu beim Tosen deiner Wasser, all deine Wellen und Wogen gehen über mich hin.

Gestik

stein

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III. Der Autor und sein Werk

Attribute

Auch diese Flut, die den Felsen umspült, deuten die Miniaturen an. Beide Miniaturen zeigen Walther, der als Her Walther vorgestellt wird, mit unübersehbaren Adelsattributen: dem herabwallenden Haar, dem Wappen (nur in C), einem Vogel im Käfig, das Symbol für die Vogelweide, der Helmzier (nur C) und der edlen Kleidung, wobei der Hermelin nicht an den cantor Walther (s. S. 33), sondern an die heraldische Lesbarkeit erinnert, nach der als Pelzwerk nur Eichhörnchen und Hermelin erlaubt waren. Schließlich darf das Schwert bei der Abbildung des sozialen Rangs nicht fehlen. In C lehnt es an den Felsen, über ihm entfaltet sich ein Spruchband, hier das Zeichen für den Dichter. In der älteren Handschrift B steht das Schwert in der linken unteren Ecke, und so recht will es dort nicht hingehören. Wurde es nachträglich – wurden die Adelsattribute – teilweise oder insgesamt – überhaupt erst im späteren Walther-Gedenken ausgebildet, als man im städtischen Patriziat, in dessen Umkreis die „Große Heidelberger Liederhandschrift“ entstand, ohnehin Wappen relativ großzügig verteilte?

Große Heidelberger Liederhandschrift (C), Miniatur Walthers von der Vogelweide

IV. Walther und die Höfe – die Sangsprüche 1. Bauformen und Melodien – zur Einführung Walther entwickelte den Sangspruch (s. Kapitel I.4) zu einer gleichwertigen (höfischen) Liedgattung neben dem Minnelied und näherte z. T. beide Gattungen einander an. Die Inszenierung repräsentativer Sprecherrollen konnte er in der lateinischen Spruchdichtung vorfinden, deren Textmuster oder Formen er allerdings nicht übernahm (s. Worstbrock 1989). Nach romanischem Vorbild öffnete er das Themenspektrum für aktuelle persönliche und gesellschaftspolitische Stellungnahmen. Mit dem Ziel einer suggestiven Gedankenführung wurden die Argumente subjektiv ausgewählt und arrangiert; wurden durch eine Fülle neuer Töne bleibende formale Neuerungen geschaffen; wurde die Kanzone zur verbindlichen Spruchform ausgebaut. Diese Kreativität beeindruckte die Zeitgenossen so sehr, dass sie zu produktiver Rezeption in einer Vielzahl literarischer Gattungen führte (s. Nellmann 2005). „Angelpunkt für all diese Neuerungen scheint die aufgewertete IchRolle zu sein.“ (Ortmann 1989, 17) Ein Sangspruch-Ton (eine -Weise, eine -Melodie) ist eine komplexe Textgruppe, jedem Ton sind ein oder mehrere Themen zugeordnet. Die Namen der Töne, die die Forschung verwendet, stammen meist von dem Bonner Dichter und Germanisten Karl Simrock (* 1802, { 1876; Waltherlieder 1833) und beziehen sich in der Regel auf Persönlichkeiten, die in einer oder mehreren (durchaus nicht allen) Strophen des entsprechenden Tons genannt werden. So ist z. B. der ,Ottenton‘ nach Kaiser Otto IV., der ,Philippston‘ nach König Philipp benannt. Daneben gibt es einige thematische Bezeichnungen, z. B. ,Reichston‘ für Sprüche, die die Sorge um das Reich, ,Unmutston‘ für solche, die besonders scharfe Invektiven des Dichters enthalten. Dabei bewahrte Walther die Einstrophigkeit des Sangspruchs, erweiterte jedoch die Form der Kanzone, sodass auf einem relativ kleinen Raum präzise Aussagen möglich wurden. Die Handschriften überliefern die einzelnen Töne nicht in geschlossenen Gruppen; sie sind jeweils unterschiedlich umfangreich und unterschiedlich angeordnet. Man bestimmt die Bauform einer Sangspruchstrophe am einfachsten nach der Anzahl der Hebungen der Verse, den Versschlüssen und den Reimbändern. Strittiger ist die Bestimmung nach der Taktierung (s. dazu die Strophenkommentare in Schw. 1). Ein Vers endet ,männlich‘, wenn er auf eine betonte (Selb wáhsen kínt du bíst ze krfflmb), ,weiblich‘, wenn er auf eine unbetonte (Frô wélt ir sffllt dem wírte ságen) Silbe schließt. Man kann drei Arten von Kanzonen unterscheiden: Kanzonen mit gleichen Stollen, mit ungleichen Stollen und Gespaltene Weisen. Den Terminus ,Gespaltene Weise‘ führt die „Kolmarer Liederhandschrift“ (t) ein; in diesem Ton wird der Abgesang von den beiden Stollen umrahmt, wobei die Versschlüsse des zweiten Stollens von denen des ersten abweichen (Beispiele in Kapitel IV.2). Die größte Gruppe innerhalb des Waltherkorpus‘ bilden die

Innovationen

Melodie

Bestimmung der Bauform

Kanzonenarten

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IV. Walther und die Höfe

Kanzonen mit gleichen Stollen. (Ein Beispiel mag genügen; weitere Beispiele enthalten die folgenden Kapitel; Übersetzung s. S. 56): 6ma 6ma 5wb 6mc 6mc 5wb 4md 6md 5we 4mf 6mf 5we

Diu krón(e) ist élter dánne der kunig phílippes sí. da mfflgent ir álle schóuwen wól ein wfflnder bí. wie s(i) íme der smít so ébene hábe gemáchet. sin kéiserlíches hóubet zímt ir álso wól, daz sí ze réhte níeman gffloter schéiden sól. ir dewéderz dá daz ánder níht enswáchet. si láchent béid(e) ein ánder án, daz édel gestéine wíder den jfflngen sü´ezzen mán. die óugenwéide séhent die fü´rsten gérne. swer nffl des ríches írre gé, der schóuwe, wém der wéis(e) ob síme náke sté: der stéin ist áller fü´rsten léite stérne. (W 9/I)

H jStollen h H Gegenj stollen h

H f f fAufj fgesang f f h H f f fAbj fgesang f f h

Die Metrisierungen werden hier ohne Längenzeichen über den Vokalen dargestellt. m = männlich; w = weiblich. Zu beachten ist: Stößt am Wortende ein Vokal auf den Anfangsvokal des Folgewortes, dann wird er beim Vortrag meistens elidiert (si ime = s’ime). Doppelkonsonanz wird als solche gesprochen (süez’zen). Melodie und Metrum

Die Form eines Liedes und die Struktur der Töne verlangte idealerweise, metrisches und melodisches Schema miteinander in Beziehung zu setzen. Leider sind nur wenige Melodien überliefert. Im Folgenden wird die Struktur der drei authentischen Weisen abgebildet: des „Palästinaliedes“ (das hier ausnahmsweise, obwohl nicht zur Sangspruchdichtung gehörig, mit aufgenommen werden soll; s. Kapitel V.2), der Hof- und Wendelweise sowie des Feinen Tons. Die Melodienteile werden mit kleinen griechischen Buchstaben bezeichnet, gleiche Teile dabei mit demselben Zeichen; Varianten unterscheidet man durch Indizes. Danach lässt sich das „Palästinalied“ wie folgt abbilden: a b a b c d b

4wa 4mb 4wa 4mb 4mc 4mc 4mc

Álrerst lébe ích mir wérde, sít min sü´ndig óuge síht daz réine lánt und óuch die érde, dér man só vil éren gíht. ez íst geschéhen, des ích ie bát, ích bin kómen án die stát, dá got ménschlíchen trát. (W 7/I)

H f jAufgesang f h H jAbgesang h

Bemerkenswerterweise wird die letzte Stollenzeile am Ende des Abgesangs musikalisch wiederholt und erhält dadurch eine Klammerfunktion, die sich aus der metrischen Struktur nicht erschließen ließe. Eine solche Bauform heißt ,Rundkanzone‘. Nach der Hof- und Wendelweise wurden die Strophen des Wiener Hoftons (s. S. 65 f.) gesungen: a b c a b c

4ma 4ma 5wb 4mc 4mc 5wb

Waz wfflnders ín der wérlte vért! wie mánig gáb(e) uns íst beschért von dém, der fflns uz níhte hát gemáchet! dem éinen gít er schóenen sín, dem ándern gfflot und dén gewín, daz ér sich mít sin sélbes gfflote swáchet.

H f f f jAufgesang f f f h

1. Bauformen und Melodien d b1 b2 d’ e e b3 b4 g

4wd 4wd 4me 5wf 4wg 4wg 4me 5wf 4me

ármen mán mit gffloten sínnen, sól man fü´r den ríchen mínnen, ób er éren níht engért. j(a) eníst ez níht wan góttes hfflld(e) und ére dar nách diu wélt so sére víhtet. swer sích ze gfflot(e) alsó verpflíhtet, dáz er béider wírt entwért, der enháb(e) ouch híe noch dórt niht lónes mére, wan sí eht gfflotes híe gewért. (W 10/I)

H f f f f f jAbgesang f f f f f h

b2 liegt eine Quinte tiefer als b1 d’ ist eine leicht veränderte Form von d g hat Ähnlichkeit mit b2

Auffällig ist hier – neben der Klammerfunktion von ß und seinen Varianten – vor allem die unterschiedliche melodische Gliederung gegenüber der metrischen im Abgesang. Die beiden Teile des Abgesangs (7–10, 11–14) sind metrisch identisch, angehängt ist die Struktur ,4 m e‘, die dadurch als einzige dreimal hörbar wird. Die Melodie verbindet dagegen durch nahezu gleichen Einsatz die Verse 7 und 10 und isoliert gleichsam die beiden Schlussverse, sodass eine Dreiteilung entsteht (7–9, 10–13, 14–15). Die inhaltliche Programmatik dieser Lieder wird durch ein dichtes und variantenreiches, zur Zeit Walthers hochinnovatives Klanggewebe auf die Ebene einer anspruchsvollen Hofkunst gehoben. Der Feine Ton (= Ottenton) zeichnet sich ebenfalls durch eine interessante Gestaltung des Abgesangs aus, der allerdings enger an die Stollen geknüpft ist. Seine beiden Teile sind zwar metrisch, jedoch durch die abweichende Schlusszeile nicht melodisch identisch. Diese (c1) erinnert an die beiden Stollenschlüsse (c), sodass wieder eine Rundkanzone entsteht: a b c a b c d a1 a2 d a1 c1

4wa 4wa 5wb 4wc 4wc 5wb 3wd 4me 5wf 3wd 4me 5wf

Herre bábest, ích mac wól genésen, wan ích wil íu gehórsam wésen. wir hórten íuch der krístenhéit gebíeten, wie wír des kéisers sólten pflégen, do ír im gábent den gótes ségen, daz wír in hérren híezzen und vór im kníeten. ouch sffllt ir níht vergézzen, ir spráchent: „swér dich ségne, dáz der sí geségenta, swér dir flffloche, der sí verflfflochet mit flffloché volmézzen.“ dur gót bedénkent íuch da bí, ob ír der pfáffen ére iht gerfflochet. (W 4/I)

H f f f jAufgesang f f f h H f f f jAbgesang f f f h

a1 und a2 sind Erweiterungen von a handschriftlich das der gesegent si

a

2. Die einzelnen Töne Es werden hier nur die wichtigsten Töne ausgewählt. Zur vertiefenden Analyse und Forschungsdiskussion sei auf Scholz 22005 und BHMS verwiesen; dort wird auch näher auf die formalen und thematischen Bindungen der einzelnen Strophen eingegangen. In dieser Einführung soll vor allem die

innovatives Klanggewebe

49

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IV. Walther und die Höfe

Textinstanz selbst vor historischem Hintergrund zu Wort kommen. Deshalb wird mit einem Hinweis auf die zeitgenössische Diskussion über den Staatsbegriff begonnen.

Reich

Walther als Zeitzeuge

Form

Die zwei Körper des Herrschers Das Reich des Mittelalters verstand sich seit der translatio imperii (s. S. 38) durch Karl den Großen als ein römisches (nicht deutsches!). Seine Könige wurden von den bedeutendsten Reichsfürsten gewählt und im Dom zu Aachen auf dem Karlsthron in einer feierlichen religiösen Zeremonie ,erhoben‘. Diese ,Krönung‘ war nach biblischem Vorbild mit einer Salbung verbunden und machte, der Idee nach, die Könige Christus ähnlich, sodass sie zu ihrem ,natürlichen‘ (= sterblichen) Körper einen ,übernatürlichen‘, der Sterblichkeit enthobenen, dazugewannen (s. Kantorowicz 1990). Seit dem 12. Jahrhundert hatten die Theologen begonnen, die Kirche als die mystische Gemeinschaft aller Gläubigen zu definieren. Konkurrierend und zugleich parallel dazu entwickelten die politischen Theoretiker im 13. Jahrhundert die Idee des Staates als eines mystischen Körpers, sodass nun der Staat selbst Kontinuität und Unsterblichkeit beanspruchte. Diese waren durch die Dynastie, die Krone als Symbol des Amtes und die Idee der Unsterblichkeit der Königswürde garantiert. Gerade also zu Walthers Zeit wurde der theokratische Staatsbegriff stetig säkularisiert, wobei zum einen das Recht, zum andern der Rückgriff auf das alte römische Kaisertum (imperator = Pontifex maximus ,oberster Priester‘; s. S. 59) eine entscheidende Rolle spielten. Das juristische Denken setzte sich gegenüber dem liturgischen durch, die kirchliche Lehre von den beiden Körpern wurde auf der Folie des Rechts abgebildet und verändert. Friedrichs II. Gesetzbuch „Liber Augustalis“ (1231) definierte den Kaiser dann als pater et filius iustitiae, maior et minor se ipso (,Vater und Sohn der Gerechtigkeit, [zugleich] größer und kleiner als er selbst‘; nach Fleckenstein in Kantorowicz 1990, 15). Walthers politische Stellungnahmen, die in den folgenden Sangsprüchen dargestellt werden, d. h. im Wesentlichen seine Positionierungen gegenüber den jeweiligen Herrschern und dem Papst, wurden also im Klima einer ambitioniert geführten juristischen Kontroverse um einen neuen, säkularisierten Staatsbegriff formuliert. Man wird nicht annehmen, dass der Sänger ,bewusst‘ in diesen Streit eingriff, doch er hat ihn durch seine Lieder, die sich auf das Reich und dessen Repräsentanten sowie polemisch auf den Papst beziehen, sowie durch jene, die seine konservative Werteethik spiegeln, (objektiv) mit bewegt. Er wird dadurch zu einem beredten Zeitzeugen seiner Epoche, für ihn bildete der Konflikt zwischen den beiden Gewalten, zwischen Krone und Tiara, eine jener Bedingungen, die im Rahmen seines Strebens nach sozialer Mobilität eine einträgliche Erwerbsquelle versprachen. Der Reichston Der Reichston ist drei Liedern zugeordnet, die der Ehre des Römischen Reiches gewidmet sind. Sie beginnen anaphorisch: Ich saz, Ich hôrte, Ich sach. Dieser Ton ist als einziger nicht von der Kanzonenform ableitbar; er besteht aus einer 25-zeiligen Sequenz von 3- und 4-hebigen (meist weiblichen) Verspaaren, die eine (männliche) 3-zeilige Schlussfolge mit einer Waise abschließt.

2. Die einzelnen Töne

Nach seinem Aufenthalt in Wien gelangte Walther in den Umkreis des Hofes von König Philipp. Die Datierung der diesem Hof zugeordneten Melodie ist schwer zu sichern, denn die Lieder im Reichston setzen zwar den Thronstreit voraus, Walther richtete jedoch Textinstanzen ein, die, wie sich zeigen wird, durchaus dazu geeignet waren, ein relativ großes Zeitfenster zu öffnen (vgl. Nellmann 1978; Serfas 1983; Kern 1992; Scholz 22005, 44–53). Gehörten die drei Sangsprüche auch der Frühzeit des Dichters an, so müssen es doch nicht, wie gerne angenommen, seine ersten gewesen sein, zumal sich auch schwer datierbare Lieder des Ersten Philippstons und des Wiener Hoftons in ihrem zeitlichen Umfeld ansiedeln ließen (so auch U. Müller in BHMS, 145). Die Sprüche sind in den Handschriften A, B, C als geschlossene Gruppe, jedoch in unterschiedlicher thematischer Umgebung – C: in religiöser, A: in weltlicher, B: in religiöser und weltlicher – überliefert. Ich beginne nach C, das den Reichston an den Leich anschließt, mit dem Lied Ich saz ûf eime steine: Ich saz ûf eime steine, dô dahte ich bein mit beine, dar ûf sazte ich mîn ellenbogen. ich hete in mîne hant gesmogen das kinne und ein mîn wange. dô dâhte ich mir vil ange, wie man zer werlte solte leben. deheinen rât kunde ich mir gegeben, wie man driu ding erwurbe, der deheinez niht verdurbe. diu zwei sint Þre und varnde guot, der ietwederz dem andern schaden tuot, daz dritte ist gotes hulde, der zweier uber gulde. die wolde ich gerne in einen schrîn. jâ leider, des mac niht gesîn, daz guot und weltlich Þre und gotes hulde mÞre in einen schrîna mugen komen. stîge und wege sint in genomen: untriuwe ist in der sâzze, gewalt ist ûf der strâzze, vride und reht sint beidiu wunt. diu driu habent geleites niht, diu zwei werdent Þ gesunt. (W 2/I) a

Ich saß auf einem Felsen1 und schlug die Beine übereinander; darauf stützte ich meinen Ellbogen. Ich hatte in meine Hand das Kinn und eine meiner Wangen geschmiegt. In großer Sorge dachte ich darüber nach, wie man in der Welt leben könnte. Ich fand keine Möglichkeit2, die folgenden drei Dinge3 zu erwerben, ohne dass sie gegenseitig Schaden nähmen. Zwei davon sind Ehre und bewegliche Habe, die sich beide gegenseitig schaden, das dritte ist Gottes gnädige Zuneigung, die die beiden an Wert übertrifft. Diese hätte ich gerne in einen Schrein getan. Doch, leider, es geht nicht, dass Besitz und weltliches Ansehen und darüber hinaus die Gnade Gottes in einen Schrein kommen können.4 Stege und Wege sind ihnen genommen, denn die Untreue lauert im Hinterhalt, Gewalt beherrscht die Straße, Friede und Recht5 sind beide wund. Die drei haben kein freies Geleit, bevor diese beiden nicht gesund werden.

A: zesame in ein herze Sicherlich mehr als „eine Metonymie für eine Sitzgelegenheit“ (Schw. 1, 338; s. Kapitel III.5). 2 Hier, wie auch sonst, wurde um der Verständlichkeit willen etwas freier übersetzt. 3 Dies erinnert an den schon bei Cicero nachweisbaren Güterternar utile, honestum, summum bonum (,Nutzen‘, ,Ehre‘, ,höchstes Gut‘). Er ist hier im Sinne des christlichen Mittelalters neu eingefärbt: Die Þre ruht auf der Teilhabe an Herrschaft, nicht nur auf den Tugenden, und das summum bonum ist Gott selbst (vgl. Ehrismann 1919, 17–37). 4 Die Klage erfolgt nach dem Topos der laudatio temporis acti (,Lob der alten Zeit‘), d. h. die drei Dinge können in der Gegenwart nicht zusammenfinden. 5 Nach der lateinischen Formel pax et iustitia, die sich auch im Krönungseid der Könige findet (s. Burdach 1900, 261 ff.). 1

Datierung

Ich saz

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IV. Walther und die Höfe Struktur

Ich sach

Der Sprecher bevorzugt den Nominalstil und verzichtet auf rhetorische Schnörkel. Dadurch gewinnt die Aussage an Gewicht. Die stringente Gedankenführung, die hintergründig-verschwiegen zugleich die Autorität des Sprechers aufbaut, ist in vier Abschnitte gegliedert: der nachdenkliche Weltweise (1–7), die Möglichkeit der Werteverwirklichung (8–14), die aktuelle Unmöglichkeit der Verwirklichung (15–19), die Begründung dieser Unmöglichkeit (20–24). Die insinuierte Pointe in der formal abweichenden Schlusssequenz ist typisch für die enge Bindung des mittelalterlichen Menschen an die Gesellschaft, denn es ist die Störung der göttlichen Weltordnung (ordo), die ein harmonisches Leben in der Vereinigung von Ehre (hier: gesellschaftliches Ansehen), Wohlstand und Gottes Gnade unmöglich macht. Der auditor in poema sollte sich einen starken Herrscher ,ein-bilden‘, der die Macht hätte, den ordo wiederherzustellen. Dieser Spruch, der nicht die feudale Gesellschaft als solche, sondern nur ihren gegenwärtigen Zustand – und damit auch das unter diesem lebende Individuum Walther, das mit seiner Sangeskunst prunkt – beklagt (s. aber Kaiser 1976), ist grundsätzlich nicht an eine bestimmte Zeit gebunden, wenn es auch naheliegt, ihn in die Jahre der Thronkämpfe (1198–1208) zu verlegen. Die beiden anderen Sprüche im Reichston enthalten dagegen deutlichere Anspielungen auf die zeitgenössischen Ereignisse. Das Lied Ich sach mit mînen ougen (W 2/III) bezieht sich wahrscheinlich auf Vorgänge um den 3. Juli 1201, als Innozenz III. den Stauferanhang bannte; möglicherweise auch auf die Jahre 1205/07, als es in Köln zu starken Spannungen zwischen der kaiserlichen und der päpstlichen Fraktion kam und Philipp Kirchen und Klöster des Sprengels zerstören ließ (vgl. Nix 1993, 13–16). Als prophetischer Seher und Ankläger beobachtet das Ich des Liedes das heimliche Treiben der Menschen. Es hat gehört, wie man in Rom zwei Könige gegeneinander ausspielte, wie sich Geistlichkeit und Laien bekriegten, wie die Geistlichen unter der Übermacht der Laien die Schwerter niederlegten und zu ihrer Waffe griffen, dem Bann. Doch der Falsche wurde gebannt, nämlich Philipp und nicht Otto, und deshalb zerstörte man die Gotteshäuser. Über dieses Weltgeschehen klagt ein (fiktiver) Klausner: dô hôrte ich verre in einer klûs vil michel ungebære, dâ weinde ein klôsenære. er klagte gote sîniu leit: owÞ, der bâbst ist ze jung, hilf, herre, dîner kristenheit! (W 2/III20–24)

der Klausner

der Leich

da hörte ich fernab in einer Klause ein lautes Wehklagen, dort weinte ein Einsiedler. Er klagte Gott sein Leid: Ach, der Papst ist zu jung, Herr, hilf deiner Christenheit!

Der Klausner (IchT’; vgl. S. 19) stellt die ,zweite Stimme‘ des Lied-Ichs dar, die dessen Klage objektiviert. Im vorliegenden Spruch repräsentiert er die Laienkirche gegen die Amtskirche; später zitierte ihn Walther in anderen Kontexten mehrfach (W 3/V1; W 12/XIII10; s. Luff 1999; Haag 2002). Papst Innozenz war am 8. Januar 1198 als jüngster der Kardinäle zum Papst gewählt worden, wobei die Klage des Eremiten mithilfe der Synonymie von jung und unerfahren sicherlich auch auf eine vermeintliche Inkompetenz des Kirchenoberhauptes referiert. Gegen die Amtskirche richtete sich auch – ungewöhnlich genug im Rahmen eines religiösen Textes – Walthers Leich Got dîner trinitâte (s. Grafet-

2. Die einzelnen Töne

stätter 2002), mit dem die „Große Heidelberger Liederhandschrift“ ihre Walthersammlung eröffnet. Er ist ohne Melodie überliefert, seine Entstehungsbedingungen sind unbekannt. Ein ,Leich‘ besteht aus einem kunstvollen Arrangement größerer und kleinerer Strophen, sogenannter Versikel, die nach einem bestimmten Plan genau oder leicht abgewandelt wiederholt und als umfangreichere Versikelgruppen später wieder aufgenommen werden. Den umfangreichsten Teil von Walthers Leich bildet ein geistlicher Text, der durch die Figur der heiligen Maria geprägt ist. Die Position gegen die Amtskirche ist, wie im Reichston, nicht ohne Schärfe, denn der Kläger fordert die Einheit von Christenheit und Christentum ein, weil erst diese ein wahrhaft christliches Leben ermögliche: Unkristenlîcher dinge ist al diu kristenheit sô vol! swâ kristentuom ze siechhûs lît, dâ tuot man im niht wol. In dürstet sÞre nâch der lÞre als er von rôme was gewon. Der im dâ schancte und in dâ trancte als Þ, dâ wurde er varnde von. (W 1/II* b1. b2) Die Christenheit ist so voll von unchristlichen Dingen! Wo das Christentum im Siechenhaus liegt, da tut man ihm nichts Gutes. Es dürstet sehr nach der Lehre, die es von Rom gewohnt war. Wer ihm da einschenkte und es da tränkte wie früher – davon würde es wieder in Gang gebracht (= geheilt).

Die deutlichsten zeitpolitischen Anspielungen entfaltet der Spruch Ich hôrte diu wazzer diezzen, der dritte in der Anordnung von C: Ich hôrte diu wazzer diezzen und sach die vische fliezzen. ich sach, waz in der werlte was: walt, velt, loub, rôr und gras. swaz fliuzzet oder fliuget oder bein zer erde biuget, daz sach ich und sage iu daz: deheinez lebet âne haz, daz wilt und daz gewürme, die stritten starke stürme; alsô tuon die vogel under in, wan daz si habent einen sin, si wæren anders zenihte: si schaffent guot gerihte, si setzent künige und reht und schaffent herren und kneht. sô wÞ dir, tiutschiu zunge, wie stât dîn ordenunge! daz nu diu mugge ir künig hât, und daz dîn Þre alsô zergât. bekÞrâ dich, bekÞre! die cirkel sint ze hÞre,

Ich hörte die Wasser rauschen1 und sah die Fische schwimmen. Ich sah, was auf der Welt war: Felder, Wälder, Laub, Schilf und Gras, alles, was kreucht und fleucht oder zur Erde niederkniet2 – das sah ich, und ich sage euch dies: keines lebt ohne Zwietracht, denn Wild und Würmer3 fochten (schon immer) heftige Kämpfe aus, ebenso tun es die Vögel untereinander. Aber in einem sind sie sich einig: Sie hielten sich für verloren, wenn sie kein strenges Recht setzten. Sie setzen Könige ein und das Recht, sie bestimmen, wer Herr und wer Knecht ist. Weh dir, deutsches Land4, worauf beruht deine Herrschaftsordnung5?, wo selbst die Mücke6 ihren König hat und deine Ehre7 derart zerfällt? Kehre um, kehr um!8 Die Zirkel9 sind zu überheblich,

Ich hôrte

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54

IV. Walther und die Höfe die armen künige dringent dich. philippe(,) setze den weisen ûf und heiz si tretten hinder sich. (W 2/II)

die niederen10 Könige bedrängen dich. Philipp, setze den Waisen auf / Setze Philipp den Waisen auf11 und befiel ihnen zurückzutreten.

1

S. S. 46. Mit den Gewässern, den Feldern und Wäldern sowie den Laubbäumen, dem Schilf und den Wiesen ist die gesamte Natur umschrieben. Die drei Tierarten (nach BC die Schwimm-, Flug- und Lauftiere; A überliefert statt der Schwimm- die Kriechtiere) rekurrieren „auf unterschiedliche, im 12. und 13. Jahrhundert gleichermaßen gängige Modelle für die Ordnung der Tierwelt“ (Wandhoff 2003, 361 f.). Cramer 1985 interpretiert dagegen die Tier- und Pflanzenarten als Stellvertreter für die vier Elemente, die ihrerseits die Ordnung des Kosmos repräsentierten. 3 D. h. die wilden Tiere und die Kriechtiere. 4 ,Zunge‘ ist metonymisch gebraucht und referiert auf die Länder deutscher Sprache. Wer mit ,Volk‘ übersetzt, unterstellt ein Einheitsbewusstsein, gar Nationalgefühl (vgl. Nix 1993, 50), das man für die damalige Zeit nicht ohne Weiteres annehmen kann. 5 Die Übersetzung ,Staatsordnung‘ (Wapnewski 252002, 35), setzt einen ausgereiften Staatsbegriff voraus, den es um die Wende zum 13. Jahrhundert noch nicht gab. 6 „diu mugge meint schwerlich […] daß selbst die armselige Fliege ihren König habe: als Flugtier nämlich den Adler; sondern variiert wohl die seit Aristoteles oft dargestellte Parabel von den Bienen, ihrem Staat, ihrer Ordnung, ihrem König.“ (Wapnewski 252002, 258; nach Sayce 1957) Diese Deutung ist kaum zwingend, zumal mugge in der Bedeutung ,Biene‘ nicht nachzuweisen ist, wohl aber als Verstärkung einer Negation verwendet werden konnte (s. Meiners 1970, 213). Gemeint ist also ,das geringste aller Tiere‘. 7 Die ,Ehre des Reiches‘ (honor imperii) war seit Barbarossa ein zentraler juristischer Begriff der Reichspolitik geworden und ist im Gebrauch der Reichskanzlei schon seit der späteren Salierzeit belegt: „Seit 1105/06 zeigt der Begriff die Tendenz, über die Person des Herrschers hinaus das Reich als eine institutionelle Größe zu kennzeichnen und gleichzeitig Besitz und konkrete Rechte des Reiches anzusprechen.“ (Engels 2002, 119) Mit der gefährdeten Ehre ist also das Reich selbst in Gefahr. 8 bekÞra ist ein altertümlicher Imperativ. 9 Der Begriff referiert auf die runden, bügellosen Kronreife der Könige. Ob sie als Gegensatz zur oktogonalen Reichskrone, die in Wien aufbewahrt wird, gedacht sind (s. Burdach 1902; danach fast die communis opinio), ist fraglich (s. Heinzle 1999, 232–235). 10 Nach Burdach 1900, 171–190 referiert der Begriff auf die reguli (,kleinen Könige‘), womit die staufische Kanzlei alle Herrscher mit Ausnahme des römisch-deutschen Königs bezeichnete. Nellmann 1978, 97–99 verweist dagegen auf Vers 4550 des „Rolandsliedes“ des Pfaffen Konrad, in dem armez chungelin eine abwertend-spöttische Bezeichnung ist. Unklar bleibt, wer in Walthers Spruch konkret gemeint ist. Infrage kämen am ehesten die Könige von Frankreich (Philipp II. August, 1180–1223), England (Richard Löwenherz, 1189–1199; oder Johann I., 1199–1216) und/oder Dänemark (Knut IV., 1182–1202). Die Dänen und Engländer standen auf der Seite der stauferfeindlichen Welfen. 11 Der Waise – übrigens auch im Reimschema als Waise hervorgehoben – war ein kostbarer, ,einmaliger‘ Edelstein, der als Realie allerdings nicht (mehr?) bezeugt ist. Er steht als Synekdoche für die Reichskrone, die er an prominenter Stelle geziert haben soll. Walther nennt ihn W 9/I12 aller fürsten leitesterne (s. S. 56). Der Sage nach wurde er von Herzog Ernst aus dem Orient mitgebracht (s. Nellmann 1978). 2

Recht

Dass die Welt der Tiere ein Beispiel (exemplum) für die Welt der Menschen sein könne, kannte man aus der Tradition. Mit der Wendung, dass sie aber dieser Welt überlegen sei, weil in ihr das Recht herrsche, provozierte Wal-

2. Die einzelnen Töne

ther sein Publikum, und durch Wiederholungen, syntaktische Parallelen und Stabreime imitierte er die formelhafte Sprache der Juristen. Mit der Rückkehr des Rechts würde (nach Jesaia 32) auch der innere Friede zurückkehren und – so unterstellte es der Spruch Ich saz – ein harmonisches, glückseliges Leben möglich werden. Die politische Brisanz des Sangspruchs liegt in der Deutung von Philippe. Die Performance des Sängers hätte vielleicht klären können, ob es sich dabei um einen Dativ oder einen Vokativ (s. Kern 1992) handelt(e) oder ob beides gewollt war: – Dativ: Die deutschen Fürsten, nach Ansicht der Zeit die Repräsentanten ihrer Untertanen, sind aufgefordert, Philipp von Schwaben die Herrschaft zu übertragen (bildlich: die Reichskrone aufzusetzen). Die Invektive des Spruchs richtet sich gegen Otto und gegen Innozenz III., der sich als vicarius Christi (,Statthalter Christi‘) sah und den Vorrang des sacerdotium (,Priestertums‘) vor dem regnum (,Königtum‘) forderte. Er verdeutlichte seine Position mit einem kosmischen Bild: „Wie der Mond sein Licht durch die Sonne erhält, so erhält die weltliche Macht den Glanz ihrer Würde durch die päpstliche Autorität.“ (Csendes 2003, 58) Der Papst, so die Theorie, stehe als Stellvertreter Christi über dem Kaiser, den er ja weihe und kröne, weshalb ihm auch schon ein Mitspracherecht bei der Königswahl zukomme. – Vokativ (mit regulärem, jedoch eher veraltetem Endungs-e; Beispiel: herre für her): Philipp solle die Königswürde (bildlich: die Reichskrone, in deren Besitz er ja, anders als Otto, war) – unter welchen Umständen auch immer –,ergreifen‘ beziehungsweise ,unter der Krone gehen‘. Philipp von Schwaben wurde nach seiner Thüringer Wahl im März 1198 im September desselben Jahres (unter falschen formalen Kriterien der Rechtsgültigkeit) in Mainz erhoben:

Philippe

Krone

Dies erklärt, weshalb Walther seine ganze Kunst daran wandte, die Krone als quasi mythische Größe: als Inbegriff des Reiches selbst, erscheinen zu lassen. Er appellierte damit an jene Gruppenmentalität, um das Legitimationsdefizit […] zu überspielen, mit dem Philipps Königtum behaftet war. Die Beschwörung des weisen […] war ein Kabinettstück persuasiver Agitation. (Heinzle 1999, 230)

Nach der Zweikörper-Theorie besaß Philipp durch seine dynastische Herkunft den ,natürlichen‘ Körper des Herrschers. Ihm fehlte der durch die Krone als Symbol des Amtes zu erwerbende ,übernatürliche‘, der die Kontinuität und Unsterblichkeit des Staates sicherte. Sowohl die vokativische wie die dativische Formulierung referieren auf eine Säkularisierung der theokratischen Komponente des Herrscherbegriffs. Dies könnte sub specie aeternitatis die zentrale Aussage des Liedes sein. Ist die Genese des Spruchs auch gut auf die Monate vor Philipps Krönung zu beziehen (s. z. B. Schw. 1, 339; spekulativ Nix 1993, 20–40; entschieden Heinzle 1999), so doch letztlich nicht zwingend, und deshalb sollte das Zeitfenster bis zur geplanten Kaisererhebung 1208 nicht verschlossen werden. In diesem Fall fiele der möglichen Invektive gegen den Papst, mit dem Philipp erfolgreich verhandelt hatte, eine besondere Bedeutung zu. Auch an Philipps Salbung und Weihung 1205 in Aachen ist gedacht worden (s. Ser-

Datierung

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IV. Walther und die Höfe

fas 1983; dagegen z. B. U. Müller in BHMS, 148). Man darf aber davon ausgehen, dass es für die Performance des Spruchs vielfältige Anlässe gegeben haben kann.

Bauformen

Erster und Zweiter Philippston Die beiden Philippstöne umfassen jeweils fünf Strophen und erschließen sich durch die folgenden Bauformen: I. 6 m a / 6 m a / 5 w b 6mc/6mc/5wb –––––––––––––––––– 4md/6md/5we 4mf/6mf/5we

Diu krône ist elter

II. 3 w a / 4 m b / 3 w c 3wa/4mb/3wc ––––––––––––––––––––––––– 4md/4md/4md/3we 4mf/4mf/4mf/5we

Die Krone, so die Sprechinstanz in W 9/I, sei älter als König Philipp, dennoch habe sie ihm der Schmied (= Metapher für Gott) so passend angefertigt, dass sie seinem ,kaiserlichen Haupt‘ wohl anstehe. Beide strahlten einander an, und die Fürsten sähen dies gerne. Wer also noch zweifle, wem die Herrschaftsgewalt über das Reich zustehe, der schaue einfach hin, wem die Reichskrone (weise), der ,Leitstern‘ aller Fürsten, wie angegossen sitze. Der Spruch insinuiert durch seine starke Bildlichkeit und seine konkreten Aussagen den legitimen Anspruch Philipps von Schwaben auf die Krone; er richtete sich weniger an den Staufer selbst als an diejenigen Herren, die noch unentschieden waren, welcher Partei sie sich anschließen sollten: Diu krône ist elter danne der künig philippes sî. dâ mugent ir alle schouwen wol ein wunder bî, wie si ime der smit sô ebene habe gemachet: sîn keiserlîchez houbet zimt ir alsô wol, daz si ze rehte nieman guoter scheiden sol. ir dewederz dâ daz ander niht enswachet, si lachent beide ein ander an, daz edel gesteine wider den jungen süezzen man. die ougenweide sehent die fürsten gerne. swer nû des rîches irre gÞ, der schouwe, wem der weise ob sîme nake stÞ: der stein ist aller fürsten leitesterne. (W 9/I) Die Krone ist älter als König Philippus. Daran, wie sie ihm der Schmied so passend angefertigt hat, könnt ihr alle ein Wunder erkennen: Sein kaiserliches Haupt passt so gut zu ihr, dass kein Gutgesinnter das Recht hat, sie zu trennen. Keines von beiden schwächt das andere, sie lachen beide einander an, das edle Gestein und der junge, liebliche Mann. Die Fürsten sehen diese Augenweide gerne. Wer nun nicht weiß, wem die Herrschaft des Reiches zukommt, der schaue, wem der Waise über seinem Nacken1 steht: Dieser Stein ist der Leitstern für alle Fürsten.

Waise

1

D. h. ,auf dem Kopf‘. Diese Deutung ist allerdings umstritten, weil davon ausgegangen wird (s. z. B. Nellmann 1978), dass der Waise hier – anders als in dem Spruch Ich hôrte diu wazzer diezzen – nur ein Edelstein sei, keine Synekdoche für die Krone. Bei dieser These ist nachzuweisen, dass es nicht nur auf der vorderen (vgl. Ich

2. Die einzelnen Töne hôrte), sondern auch auf der hinteren Stirnplatte der Reichskrone einen Waisen gab. So recht überzeugt diese Ansicht nicht, und ich bliebe deshalb (mit Bumke 1979 und Heinzle 1999) gerne bei der einfachen Gleichung: ,Waise = Reichskrone‘.

Walthers Bild des leitestern referiert auf eine tiefgründige und vielschichtige religiöse und weltliche Symbolik. Der Dichter erwartete von seinem Publikum, das eigene (im Sinne Ecos) ,enzyklopädische Wissen‘ einzusetzen. Als leitestern bezeichnete der Seemann des Mittelalters den Polarstern, den hellsten Stern im Sternbild des Kleinen Bären, der ihm wegen seiner Leuchtkraft in der Finsternis der Nacht den Weg wies. Metaphorisch stand er für die heilige Maria, die in einem weit verbreiteten Hymnus als stella maris (,Stern/Sonne des Meeres‘) begrüßt wurde. Auf der Ebene der Hymnen zerfloss die Grenze zwischen Maria und Christus. So wurde der königliche Körper ,durchsichtig‘ hinsichtlich seiner Materialität (Haupt, Nacken) und Spiritualität (Christusähnlichkeit). Philipp, der legitime, von Gott eingesetzte Träger der Krone, würde die Schar der Fürsten, die ihm ,folgen‘ (und deshalb die Krone auf seinem Nacken sehen) im Sinne der Heilsgeschichte führen. Es liegt nahe, diesen Spruch auf die Mainzer Krönung Philipps (September 1198) zu beziehen (s. Masser 1974; vgl. Nix 1993, 40–50). Die Rede vom ,kaiserlichen Haupt‘ könnte dann ein Hinweis auf das kaiserliche Geschlecht der Staufer sein, dem Philipp angehörte. Zwingend ist eine solche Datierung jedoch nicht, und man könnte durchaus – wenn auch nicht ausschließlich – für die späteren Jahre Philipps optieren, als nach dessen Sieg über Otto tatsächlich über das Kaisertum des Staufers verhandelt wurde und die Fürsten auf dieses einzuschwören waren. Der komplexen Symbolik der Strophe W 9/I schließt sich Strophe W 9/II an, die an die mit ungewöhnlichem Prunk vollzogene Festkrönung Philipps von Schwaben an Weihnachten 1199 in Magdeburg erinnerte (s. Csendes 2003, 95–98). Solche Festkrönungen, die nicht nur ein Schauspiel, sondern auch eine kirchliche Feier waren, nutzten die Könige des Mittelalters gerne zur Demonstration ihrer Herrschaftsgewalt. Im vorliegenden Fall galt die Show der Demütigung Ottos, der im Frühjahr mit Richard Löwenherz den mächtigsten Verbündeten eingebüßt hatte. Magdeburg war der Amtssitz von Erzbischof Ludolf, eines treuen Anhängers der Staufer. Philipp trug die Herrschaftsinsignien und die heiligen Gewänder, ein Festzug bildete den Höhepunkt. Hierauf referiert Walthers Spruch, den man gerne zu den „besten politischen Strophen der gesamten deutschen Literatur“ (U. Müller in BHMS, 152) zählt und der einiges an Kontextwissen abverlangt: Ez gieng eines tages, als unser herre wart geborn von einer maget, die er im ze muoter hât erkorn, ze megdeburg der künig philippes schône. dâ gieng eins keisers bruoder und eins keisers kint in einer wât, swie doch die namen drîge sint, er truoc des rîches zepter und die krône. er trat vil lîse, im was niht gâch, im sleich ein hôhgeborne küniginne nâch, rôse âne dorn, ein tûbe sunder gallen. diu zuht was niener anderswâ: die düringen und die sahsen dienten alsô dâ, daz ez den wîsen müestea wol gevallen. (W 9/II)

a

B: muoste

leitestern

Datierung

Ez gieng eines tages

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IV. Walther und die Höfe Es schritt an dem Tag, als unser Herr von einer Jungfrau, die er sich zur Mutter gewählt hatte, geboren wurde,1 zu Magdeburg2 der König Philippus glänzend einher. Da schritt eines Kaisers Bruder und eines Kaisers Kind3 in einem Gewand, obwohl es drei4 Personen5 sind, er trug des Reiches Zepter und die Krone.6 Er trat sanft auf, er hatte es nicht eilig,7 eine hochgeborene Königin8 schritt ihm feierlich nach, Rose ohne Dorn, eine Taube ohne Galle.9 Hier war die Hofzucht zu Hause, denn die Thüringer10 und die Sachsen11 dienten da in einer Form, die den Weisen12 gut gefallen würde. 1

Umschreibung für Weihnachten. Die Textinstanz spielt mit der Bedeutung von maget ,Jungfrau‘, das auf die heilige Maria und auf den Namen der Stadt Magdeburg, der sich von maget herleitet, referiert. 3 Philipp war der Bruder Kaiser Heinrichs VI. und der Sohn Kaiser Friedrichs I. 4 Die Dreizahl spielt auf die Vollkommenheit und die Trinität an. Damit erscheint Philipp „als der wiedergeborene irdische Stellvertreter des Friedensfürsten, als Imago dei. Eine solche Idealisierung des Königs entspricht ganz der seit der Karolingerzeit geläufigen Herrschertheologie.“ (Brunner 1991, 311) 5 Für mhd. name wären auch Übersetzungen wie ,Wesenheiten‘ oder ,Begriffe‘ möglich. B schreibt: swie doch der namen zwÞne sint, zählt also Philipp nicht mit. 6 Die Reichskrone, seit Konrad III. (1138–1152) eine Erbkrone, ist ein Zeichen dafür, dass Philipp das Reich rechtmäßig ererbt hat, der rechtmäßige Nachfolger Heinrichs VI. ist (Krone = successio-Beweis für Philipp; s. Plate 1999). Krone und Zepter waren die wichtigsten Herrschaftszeichen. Sie werden in diesem Spruch wohl auch deshalb hervorgehoben, weil es die echten waren, die dem Gegner Otto fehlten. 7 Langsamkeit ist ein Zeichen für Vornehmheit und Würde. 8 Philipps Gemahlin war Irene, Tochter Kaiser Isaaks II. Angelos von Byzanz. 9 Zwei bekannte Metaphern für die heilige Maria. Irene hatte nach dem Übertritt zur römischen Kirche den Namen Maria angenommen. 10 Landgraf Hermann I. von Thüringen, der sich 1199 auf Philipps Seite geschlagen hatte, und sein Gefolge. 11 Herzog Bernhard von Sachsen, der bei dem Umzug das Reichsschwert vorantrug, und sein Gefolge. Thüringer und Sachsen hatten 1196 den weitreichenden Erbreichsplan Kaiser Heinrichs VI. abgelehnt (s. Plate 1999, 302), weshalb ihr Dienst (im Sinne einer Sinnesänderung) jetzt offenbar besonders hervorgehoben wird. 12 Man sieht darin gerne die drei Weisen aus dem Morgenland (s. z. B. Wapnewski 1967; Nix 1993, 54 f.); dadurch könnte der Vers auch zur Invektive gegen Otto geraten sein, der – allerdings erst am folgenden Dreikönigstag 1200 – in Köln eine auffällige Huldigung an die heiligen drei Könige betrieb. Dagegen spricht sich Nellmann 2000 aus, der im Schlussvers das in B überlieferte muoste bevorzugt. Konietzko 1995 beharrt auf der Konjunktiv-Lesung von C: „Wenn man die Lesart der Handschrift C beibehält, sind die wîsen eben nicht auf dem Hoftag, sondern unter den Adressaten von Walthers Sangspruch zu suchen: Der Konjunktiv in Vers 12 holt das Vergangene als gegenwärtig Wirksames in die Aktualität der heilsgeschichtlichen imitatio.“ (Konietzko 1995, 172). 2

auctoritas imperandi

Deutlicher als in diesem Spruch „konnte die staufische Auffassung nicht zu Tage treten, dass der Dynastie die auctoritas imperandi, die Herrschaftsgewalt, vorhergesagt war und zustand. Die schwäbische Adelsfamilie war in der Transpersonalität der Kaiserwürde, ausgedrückt durch die Insignien, aufgegangen.“ (Csendes 2003, 97) Indem sie die Realität des Festzugs in eine

2. Die einzelnen Töne

religiöse Symbolik einbindet, erhebt die Berichtsinstanz König Philipp zum Abbild und Ebenbild (imago) Christi. Das Königtum strahlt aus sich selbst, sein Glanz bedarf nicht der ,päpstlichen Sonne‘. Im Sinne Friedrichs I. Barbarossa und Heinrichs VI. stützt sie: den Vorrang des Imperiums in der christlichen Welt. Im zunehmenden Verlust individueller Handlungsmacht verteidigten sie [d. h. die Kaiser] die Ehre des Kaisertums wie des Reichs (honor imperii). Der Wettstreit der Zeichen und Symbole hatte sie demonstrativ zu Dienern der Päpste gemacht. Dagegen setzten sie ihr geheiligtes Reich (sacrum imperium). Es erinnerte daran, dass unter Augustus das Kaisertum vor der christlichen Kirche in die Geschichte eingetreten war und der Geburt Christi wie der Ausbreitung seiner Lehre erst den Rahmen schuf. (Schneidmüller 22007, 73; s. S. 50)

Walther stützte diesen Symbolbedarf der staufischen Herrscher auf hohem rhetorischen Niveau. Er konnte jedoch auch sehr konkret werden: So ermahnte er in dem Spruch Philippes künig, die nâhe spehenden zîhent dich (,König Philippus, die, die genau hinsehen, werfen dir vor‘; W 9/III), den König, die Erreichung seiner Ziele durch großzügige Spenden zu unterstützen. Durch Gabe erwerbe man Ruhm und Ehre (prîs und Þre; W 9/III6), und ein Nachteil lohne sich, wenn man dadurch diese beiden Vorteile gewinne. Der Ottenton Dem Ottenton sind sechs Strophen zugeordnet, drei, die den Herrscher Otto IV. direkt anreden (Her keiser), und drei, die sich gegen die Herrschaftsansprüche des päpstlichen Universalismus richten. Die Melodie ist im Feinen Ton überliefert, die Bauform erschließt sich wie folgt:

Bauform

4wa/4wa/5wb 4wc/4wc/5wb –––––––––––––––––– 3wd/4me/5wf 3wd/4me/5wf

Auf dem Reichstag in Frankfurt (März 1212) wurde Otto als Kaiser von jenen Fürsten empfangen, die sich noch nicht gemeinsam mit dem Papst auf den Staufer Friedrich eingeschworen hatten (s. Hucker 2003, 286). Auf diesen triumphalen Hoftag könnten die drei Her-keiser-Strophen (W 4/III–V) reagiert haben, die allerdings auch noch später zu verschiedenen Anlässen vorgetragen und sogar auf König Friedrich, der seit Januar 1212 die Formel „Erwählter Kaiser der Römer“ in seinem Titel führte (s. Hucker 2003, 357 f.), bezogen werden konnten (s. U. Müller 1971 und in BHMS, 162–169; dagegen Nix 1993, 118–183). Anders als Philipp im Philippston wird Otto im Ottenton nicht mit Namen angesprochen, und auch die in den Liedern erwähnten Kreuzzugspläne und antiklerikalen Invektiven treffen sowohl auf die Herrschaftszeit Ottos als auch auf die Friedrichs zu: – Herre bâbest, ich mac wol genesen (W 4/I; Text s. S. 49; s. Bein 1997, 170–174): Spöttisch wird an Innozenz‘ ehemalige Aufforderung, dem Kaiser gehorsam zu sein, den er nun gebannt habe, erinnert. – Dô gotes sun hie in erde gie (W 4/II): In Erinnerung an das biblische Gleichnis vom Zinsgroschen (Matthäus 2215 ff.; Markus 1213 ff.; Lukas 2020 ff.) wird

Reichstag 1212

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60

IV. Walther und die Höfe









Bauform

das Recht des Kaisers auf die irdische Gewalt, auf die Weltherrschaft, wie sie das Symbol des Reichsapfels verkörpert, angemahnt. Herre keiser, ir sît willekomen (W 4/III): Huldigend wird der Herrscher als Kaiser begrüßt. Die Fürsten hätten ihn mit zühten (W III9) erwartet, namentlich – dieses ,Lob‘ ist allerdings wegen dessen mehrfachen Frontenwechsels hintergründig – der Markgraf von Meißen (s. Nellmann 1979). Her keiser, ich bin vrônebotte (W 4/IV): Der ,Bote des Herrn‘ (d. i. ein Engel; s. U. Müller 1971) erinnert an die kaiserliche Gewalt und ihren Auftrag, als Vogt Gottes (s. S. 55) das Heilige Land, von den Heiden bedroht, zu schützen. Der Kaiser also, nicht der Papst, der den Titel des vicarius dei beanspruchte, möge Gottes Recht durchsetzen. Her keiser, swenne ir tiutschen vride (W 4/V): Ein erfolgreicher Kreuzzug, so der Tenor des Spruchs, setzt einen starken Frieden im Reich und einen Herrscher voraus, der die Tugenden des Adlers und die Stärke des Löwen besitzt. Got gît ze künige, swen er wil (W 4/VI): Spöttisch wird gegen den Klerus polemisiert, der mit zwei Zungen rede, während Gott in Bezug auf das Königsamt klare Verhältnisse schaffe. Der Eingangsvers zitiert Daniel 414: „Über die Herrschaft bei den Menschen gebietet der Höchste; er verleiht sie, wem er will.“

Der König-Friedrichston Mit insgesamt 22 Strophen stellt der König-Friedrichston die am reichhaltigsten überlieferte Weise Walthers dar (s. Nolte 1991, 66–85; Bein 1997, 179–213). Sie ist im Gespaltenen Ton überliefert, eine fragmentarische Melodieaufzeichnung bewahrt das „Münstersche Fragment“ (Z). Die Bauform lässt sich folgendermaßen abbilden: 6wa/6wa/7wa 6wb/7mc/6mc/7wb 6md/6md/7md

Themen

Der Schwerpunkt des nach König Friedrich II. benannten Tons dürfte in den zehner Jahren des 13. Jahrhunderts liegen. Die Sangsprüche bilden zwei thematische Gruppen, in denen das Fahrenden-Thema der milte mit dem genuin waltherschen Thema, der Stellungnahme zur aktuellen Politik, verschränkt ist: – Historisches Personal, enge Bindung an das Erwerbsleben der Textinstanz: Kritik an Kaiser Otto wegen fehlender milte und Lob Friedrichs (W 11/II.III); mutmaßlich auf Friedrich bezogene milte-Kritik (W 11/IV); Bitte an Friedrich um milte (W 11/VII, dazu eine Kontrafaktur W 11/XXI); Dank für ein Lehen (11/X; s. S. 36). Zwei Strophen richten sich im Rahmen des milteThemas an Herzog Leopold VI. (11/VIII.XVII; s. Kapitel IV.3). – Wichtige Themen des höfischen Lebens: Schönheit der höfischen Dame (W 11/V.VI); Liebe zu Wahrheit und Aufrichtigkeit (W 11/IX.XII.XX) sowie zu Treue und Ehre (W 11/XVI.XVIII.XIX; W 11a); Beachtung der mâze (W 11/XIV.XV). Der Boden christlicher Frömmigkeit wird stets beachtet (W 11/ I.XIII.XV.XVI). Sinnfällig beginnt B deshalb die Strophengruppe mit einer Selbstanklage: Das Ich mag das Gebot, die Feinde zu lieben, nicht einsehen, gelobt aber Besserung.

2. Die einzelnen Töne

Aus dem Rahmen fällt die wohl am ehesten als scherzhaft zu deutende Strophe 11/XI (Ir fürsten, die des küniges gerne wærent âne ,Ihr Fürsten, die ihr den König gerne los wärt‘; s. Nolte 1991, 75–77; Nix 1993, 258–261): Den Fürsten, die Friedrichs Kreuzzugspläne (vom April 1220?) und damit die Wahl seines Sohnes Heinrich ablehnten, wird geraten, diese Vorhaben dennoch zu unterstützen, denn dann seien sie den König zunächst einmal los, und dieser, was Gott verhüten möge, bliebe ja vielleicht für immer fort; kehre er trotzdem zurück, freuten sich wenigstens seine Freunde. Die Lieder des König-Friedrichstons spiegeln eine neue politische Ausrichtung der Textinstanz: Nach einer in ihrer Dichte nicht mehr zu erkennenden Annäherung an den Welfen Otto folgt sie nun wieder der staufischen Anhängerschaft. Wer gegen diese Neupositionierung die moralische Keule wider den Dichter schwingt, verkennt die Bedingungen des mittelalterlichen Künstlerlebens. Ein Autor setzte seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Erreichung seiner Ziele listig und schlagfertig ein, verhielt sich im Übrigen hinsichtlich interessegeleiteter Seitenwechsel nicht anders als jene Fürsten, in deren Umkreis er sich bewegte. Die Fähigkeit zu schlagfertiger Rede im Dienste der eigenen sozialen Mobilität, die gerade auch Walthers Spruchdichtung auszeichnet, besaß im gesellschaftlichen und politischen Leben des Mittelalters einen hohen Stellenwert: „In pointierter, ironischer, sarkastischer oder auch suffisanter Weise“ vermochte diese Rede, „den Partner, Kontrahenten oder Gegner mundtot“ zu machen (Althoff 1988, 16). An listigen und schlagfertigen Äußerungen mangelte es Walther nicht, und sie waren, wie in der Politik, ein legitimes Mittel, den Lebensunterhalt zu sichern. Der Unmutston Dieser Ton gehört, wie wohl auch der König-Friedrichston, hauptsächlich den zehner Jahren des 13. Jahrhunderts an (s. Behr 1989; Nolte 1991, 19–65). Nur wenige der 18 Strophen sind zeitlich zu fixieren. Die Bauformen weisen eine beachtliche Flexibilität auf, u. a. gehorchen sie folgenden Schemata: 6wa/7wa 6mb/7mb –––––––––––––––– 6wc/5wc/7md 6md/5md/7wc

7wa/8wa 6wb/6wb –––––––––––––––– 6wc/5wc/7md 6md/5md/8wc

Ir fürsten

staufische Positionierung

Bauformen

6wa/7wa 6mb/7mb –––––––––––––––– 6wc/5wc/7md 6md/5md/8wc

Der Unmutston ist nach dem Gestus der Klage benannt, der fast alle Strophen durchzieht. Cum grano salis lassen sich zwei Themenschwerpunkte festmachen: die Textinstanz selbst, deren Frömmigkeit in einer Reihe religiöser Lieder zum Ausdruck kommt (W 12a/II–V; 12b), und die Ehre des Reiches, die in Klagen über die allgemeinen und kirchlichen politischen Verhältnisse mehr oder weniger deutlich angesprochen wird. Walther entfaltete ein professionelles, auf die konservative Werteethik eingefärbtes Klagetableau im Sinne der laudatio temporis acti: – Klage über das unstete und demütigende Erwerbsleben des Fahrenden in der Strophe Sît willekomen herre wirt (W 12/II); nie könne dieser sagen ich bin hein oder ich will hein (II8: ,Ich bin zu Hause oder ich will nach Hause‘), und immer bleibe er auf einen Gastgeber (wirt) angewiesen.

Themen

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IV. Walther und die Höfe

– Ausräumung von Missverständnissen gegenüber Herzog Bernhard von Kärnten (W 12/V.VI; s. S. 41), Lob und Klage in den Stellungnahmen zum Wiener Hof (s. Kapitel IV.3), Dank dem freigebigen Landgrafen von Thüringen (W 12/XV; s. Kapitel IV.3). – Vergleich der Gönner, die den Fahrenden enttäuscht haben, mit Gauklern (W 13). – Bewertung der Menschen: Man muss in die liute sehen (W 12/XVI7), will man sie richtig einschätzen. – Fürstlicher Tugendkatalog (W 12a/I). – Bedrohung der Ehre des Reiches durch die schrankenlose Gier der Fürsten nach Besitz (W 12/I). – Klage über den Untergang von triuwe, zuht und Þre (W 14). Papst-Invektiven

Eine Gruppe von sieben Strophen zeichnet sich durch z. T. scharfe Invektiven gegen Papst Innozenz, die Amtskirche und alle, die dem Papst in seinem vermeintlich ehrlosen Handeln folgen, aus (W 12/VII–IX.XII.XIII. XVII.XVIII; vgl. Nix 1993, 184–250: anregend, aber oft zu weit gehend; Nolte 2000): – Mit den Stricken des Teufels verführe der Papst die Bischöfe und edelen pfaffen (W 12/XIII1: ,guten Geistlichen‘), zudem betreibe er Ämterkauf (Simonie); – uns alle habe er irregeführt und gehe mit Geiz, Lüge und Betrug voran (W 12/XVII). – Der Stuhl zu Rom sei mit einem Zauberer besetzt: sîn hirte ist ein wolf worden under sînen schâfen (W 12/VII10; nach Johannes 1012), Gottes Wort werde verfälscht, der Schatz der kirchlichen Gnadenmittel, der himelhort (W 12/VII8), gestohlen; – es werde gemordet und geraubt, Papst und Klerus vermehrten den Unglauben – der guote clôsenære klage und weine (W 12/XIII10; ähnlich W 12/ XVIII; s. S. 62).

Ahî, wie kristenlîche

Die harschen Töne kulminieren in dem Lied Ahî, wie kristenlîche nû der bâbest lachet (W 12/VIII; s. Padberg 1997), dessen Vorwürfe man ähnlich übrigens auch schon in der zeitgenössischen lateinischen Publizistik finden kann (s. Schüppert 1972). Walthers Coup, seine Strategie zur Steigerung der publizistischen Wirkung, liegt darin, dass die berichtende Instanz den Papst selbst auftreten lässt: Überheblich äußert dieser sich über Otto und Friedrich, die beiden ,Deutschen‘ (allamân), und freut sich über das ,deutsche Silber‘, das ihm zufließt: Ahî, wie kristenlîche nû der bâbest lachet, swanne er sînen walhen seit: „ich hanz alsô gemachet.“ daz er dâ seit, des solt er nie mÞr hân gedâht; er gihet: „ich hân zwÞne allamân under eine krône brâht. daz si daz rîche suln stœren und wasten. ie dar under wüelena in ir kasten. ich hân si an mînen stok gemennet, ir guot ist allez mîn, ir tiutschez silber vert in mînen velschenb schrîn. ir paffen, ezzent hüenr und trinkent wîn unde lânt die tiutschen vasten.“ (W 12/VIII)c

2. Die einzelnen Töne Ach, wie christlich jetzt der Papst lacht, wenn er seinen Römern sagt: „So hab’ ich’s gemacht.“ Was er da sagt, das sollte er nicht einmal gedacht haben; er sagt: „Ich habe zwei Deutsche unter eine Krone gebracht, damit sie das Reich zerstören und verwüsten sollen. Inzwischen wühlen wir in ihren Kästen. Ich habe sie an meinen Opferstock getrieben, ihre ganze Habe gehört mir, ihr deutsches Silber fließt in meinen falschen Schrein. Ihr Priester, esst Hühner und trinkt Wein und lasst die Deutschen fasten.“ a

Aus müelin gebessert; A schreibt: vulle ich ,fülle ich‘. A: wechsel schrîn ,Kasten für Wechsel‘; man bessert gerne in welschen schrîn ,italienischen/römischen Schrein‘. c A überliefert einen schärferen Text, der am Strophenende (von Walther selbst?) erweitert ist. b

Die Strophe blieb nach dem Zeugnis Thomasins nicht ohne Wirkung (s. S. 35), obwohl die vom Autor eingesetzte Sprechinstanz den komplexen Sachverhalt polemisch verkürzte und verdrehte. Im April 1213 hatte Innozenz die Aufstellung von Opferstöcken in den großen Kirchen des Reiches veranlasst, um einen für das Jahr 1217 geplanten Kreuzzug zu finanzieren. Die Gelder sollten den weniger begüterten Teilnehmern zugute kommen, und gegen eine Veruntreuung war Vorsorge getroffen. Dies war eine durchaus übliche Vorgehensweise. Solche Hintergründe verschweigt die Strophe und stößt dagegen – schlagfertig, listig, gewiss auch zugunsten eines gesteigerten Unterhaltungseffekts und Erwerbsinteresses – haltlose Verdächtigungen aus; schürt Vorurteile. Es würde sich lohnen, diese antipäpstliche Streitkultur in der deutschen Geschichte weiter zu verfolgen, die in Luther einen neuen Höhepunkt erreichte, der vom Papst und den Seinen meinte: und heyssen uns tolle Deutschen, die sich effen und narren lassen (Luther WA 6, 46311 f.). Gerade diese Art Verdächtigungen macht Walthers Strophe bis heute in der politisch links stehenden Szene attraktiv. „Heute“, so leitet Franz Josef Degenhardt sein „Papstlied II“ ein: mehr als 750 Jahre später, gibt es immer noch Päpste. Heute heißt er Paul. Die Entwicklung der Produktivkräfte erfordert heute – anders als früher – eine Arbeitsteilung hinsichtlich der multinationalen Finanzpolitik. Heute wird ein Kreuzzug anders gemacht. Raffinierter.

Degenhardts Papst-Invektive zielt gegen Paul VI., dessen Enzyklika „Humanae vitae“ 1968 die künstliche Empfängnisverhütung anprangerte; der damalige Präsident der Weltbank Robert Strange McNamara habe sich darüber erfreut gezeigt: Ei, ei, wie sich der Weltbankpräsident vor Lachen biegt, wenn er den Multis sagt: Das hat Paul hingekriegt, das hat Paul hingekriegt. Und über den, der so was Schlimmes denkt, wird die Exkommunikation verhängt.

Ei, ei, wie sich der Weltbankpräsident vor Lachen biegt, wenn er den Multis sagt: Die ewige Seligkeit, die hat Paul allen den’ geschenkt, die sich um Planung und um Streik nicht störn und sich, so oft wie’s eben geht, vermehrn.

Verlässlichkeit

Degenhardts Papstlied II

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IV. Walther und die Höfe Ei, ei, wie sich der Weltbankpräsident vor Lachen biegt, wenn er den Multis sagt: Für viele, viele Leut in unsrer dritten Welt wird’s Arbeit geben für nur wenig Geld, was die Gewinne mehret und uns sehr gefällt.

Ei, ei, wie sich der Weltbankpräsident vor Lachen biegt, wenn er den Multis sagt: Wir wollen beten, daß der Papst noch lange lebt, daß ihn die Kommunisten nicht bekehrn. Wir könn’ ihn wirklich ziemlich schwer entbehrn.

Ei, ei, wie sich der Weltbankpräsident vor Lachen biegt, wenn er den Multis sagt: Das hat Paul hingekriegt, das hat Paul hingekriegt. Und über den, der so was Schlimmes denkt, wird ein Berufsverbot verhängt. Sagent an, hÞr stoc

Bauformen

In der Strophe Sagent an, hÞr stoc, hât iuch der bâbest her gesendet (12/IX) wiederholte Walther die Unterstellungen gegen den Papst. Der Zweck der Spendensammlung wird deutlicher und sprichwortartig artikuliert: ich wæne, des silbers wÞnig kumet ze helfe in gottes lant, / grôzzen hort zerteilet selten pfaffen hant (IX7: ,Ich glaube, von dem Silber gelangt wenig als Hilfe in das Heilige Land, denn Pfaffenhand verteilt keinen großen Schatz‘). Der Kaiser-Friedrichston und der König-Heinrichston Im Jahre 1220 erhielt König Friedrich II. die Kaiserwürde, seinen Sohn Heinrich ließ er zum König für die deutschen Reichsteile wählen. Dem Kaiser und dem Kölner Erzbischof Engelbrecht von Berg sind, in zwei getrennten Gruppierungen, elf Strophen im gleichen Ton zugeordnet (daher auch ,Kaiser-Friedrichs- und Engelbrechtston‘; s. Nolte 1991, 86–100), König Heinrich (?; die Zuordnung ist nicht definitiv zu sichern) drei tadelnde Strophen (daher auch ,Rügeton‘). Der Kaiser-Friedrichston gehört zur Gespaltenen Weise: 6ma/6ma/7ma 7wb/7wa 6wb/6wb/7wb

Der König-Heinrichston fällt durch seine beiden umfangreichen 10-zeiligen Stollen und den ihnen gegenüber kurzen Abgesang auf: 4ma/4mb/5mc/3wd/4me 4ma/4mb/5mc/3wd/4me –––––––––––––––––––––––––––––– 8mf/8mf/6mx/5me Themen

Die beiden Töne erweitern das bisher erarbeitete Bild der künstlerischen Arbeit von Walther nicht wesentlich, sie bezeugen aber, dass er sich als Textinstanz auch noch in den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts, also in seinem letzten Lebensjahrzehnt, über die Sangspruchdichtung in den gesellschaftspolitischen Diskurs einbrachte und sein Erwerbsleben offenbar trotz des ihm von Friedrich zugesprochenen Lehens durch diese bereicherte. Eine kurze Skizzierung der einzelnen, hinsichtlich ihrer Funktion, ihres Inhalts und ihrer Datierung durchaus umstrittenen Strophen kann für eine Einführung ausreichen:

2. Die einzelnen Töne

– W 3/I: Gottes maht und Þwikeit sind grenzenlos. – W 3/II: Christus möge sich an den Heiden, jedoch auch an den ihm feindlich gesinnten Christen, d. h. wahrscheinlich den Anhängern der päpstlichen Politik, rächen. – W 3/III: Rat an den Kaiser, durch einen Boten übermittelt, den geplanten Kreuzzug trotz des Banns und trotz der papsttreuen Geistlichkeit durchzuführen (s. S. 74). – W 3/IV: Rat an die Geistlichkeit, dem christlichen Gebot der Armut Folge zu leisten und sich auf ihre Hauptaufgabe, die Seelsorge, zu besinnen. – W 3/V: Kritik an der hohen Geistlichkeit, die sich im Schatten des päpstlichen Banns bereichere. Man möge deren Pfründe enteignen und sie kaisertreuen Gefolgsleuten schenken. – W 3/VI: Auf dem Hoftag zu Nürnberg (23. Juli 1224?) sei zwar gut Recht gesprochen worden, aber das varnde volk sei leer ausgegangen. – W 3/VII: Klage über die drei genera dicendi (= hoher, mittlerer, niederer Stil), die er, Walther, gewöhnlich gebrauche (s. dazu Urbanek 1995), die aber nicht geeignet seien, die anstehenden schwierigen Sachverhalte – man erfährt nicht welche – auszudrücken. Bitte an den König um Lösung. – W 3/VIII: Dank an den Kaiser für eine Kerze. – W 3/IX: Preisstrophe auf Erzbischof Engelbrecht. – W 3/X: Totenklage für Erzbischof Engelbrecht: Die Hölle möge den Mörder lebendig verschlingen (s. S. 39 f.). – W 3/XI: Lob und Mahnung für Landgraf Ludwig IV. von Thüringen (* 1200, { 1227; seit 1217 Nachfolger seines Vaters Hermann I., verheiratet mit der später heilig gesprochenen Elisabeth), der als mîn junger herre bezeichnet wird. – W 71/I: Ein kritischer Erzieher wendet sich an einen jungen Mann, der jedoch nicht genannt wird. Man sieht darin gerne König Heinrich. Heinrich (* 1211; 1212 König von Sizilien, 1216 nach Deutschland verbracht, 1220 zum deutschen König gewählt, 1225 mit Margarete von Österreich vermählt) führte einen für die zeitgenössische Kunst aufgeschlossenen Hof und residierte meist im schwäbischen Wimpfen. Die Strophe bezeichnet den Adressaten als selbwahsen kint (,ohne Erziehung aufgewachsenen jungen Mann‘), zu groß für die Rute, noch zu klein für das Schwert. Der Erzieher gesteht sein Scheitern ein; Ruh 1989 hebt hervor, dass das ,WaltherIch‘ hier parteilos spreche. – W 71/II: Warnung an die Frauen und die (personifizierte) Minne vor zu jungen Partnern. – W 71/III: Klage über einen Herrscher, der als der tumbe rîche (,törichte Mächtige‘) bezeichnet wird, welcher die hohen Herrschertugenden vom Thron gestoßen habe: des hinket reht und trûret zuht und siechet schame. Der Wiener Hofton Der Wiener Hofton ist in 15 meist ethisch fokussierten Strophen überliefert, von denen sich Spruch W 10/IV einigermaßen sicher datieren lässt. Er bezieht sich auf die Sonnenfinsternis des Jahres 1201, die als eine Mahnung an den Jüngsten Tag verstanden wird. Die gesamte Strophengruppe verlegt man gerne vor die zehner Jahre des 13. Jahrhunderts. Seine Bezeichnung verdankt der Ton drei Strophen über den babenbergischen Hof zu Wien.

Bauform

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IV. Walther und die Höfe

Der Ton wurde in der Hof- und Wendelweise gesungen, seine metrische Bauform stellt sich folgendermaßen dar: 4ma/4ma/5wb 4mc/4mc/5wb –––––––––––––––––– 4wd/4wd/4me 5wf 4wg/4wg/4me 5wf 4me Themen

Strategie zur Überzeugung

Mit den verschiedensten Themen greift die Ich-Instanz dieser Melodie als Ratgeber, Erzieher und Mahner für die Ehre in das gesellschaftliche Leben ein. Vor dem Hintergrund christlicher Sittlichkeit wird ein konservatives Weltbild mit pessimistischer Perspektive gezeichnet (zu W 10/II.XII.XIV s. Kapitel IV.3): – Verurteilung des Besitzstrebens, das die Ehre und Gottes gnädige Zuneigung gefährdet; vor Gott sind alle Menschen gleich (W 10/I.V–VII; Text und Melodie zu I s. S. 48 f.). – Die Welt ist nur noch widerwärtig (W 10/III); Gott möge die tugendlosen Herren aussterben lassen (W 10/VIII); die gute, alte Welt ist verloren, die Jungen haben die Alten verdrängt, ohne zu bedenken, das sie einst dasselbe Schicksal erleiden werden (W 10/IX) – eine uralte Klage seit Ijob (301): „Jetzt aber lachen über mich, die jünger sind als ich an Tagen“: Wer zieret nû der Þren sal? / der jungen ritter zuht ist smal (W 10/X1: ,Wer ziert jetzt den Saal der Ehre? Die Hofzucht der jungen Ritter ist gering‘). Es gibt Anzeichen für das Jüngste Gericht (W 10/IV). – Ein Engel (W 10/XIII) klagt über die Folgen der Konstantinischen Schenkung, die das Reich durch den wachsenden Einfluss des Klerus geschwächt habe. Diese ,Schenkung‘ beruht auf einer zwischen 750/850 entstandenen Fälschung, die dem Papst in den Auseinandersetzungen mit dem Kaiser zur Legitimierung seiner Herrschaftsansprüche in Mittelitalien diente. – Isoliert stehen das Gebet an Maria (W 10/XV) und der Ausreisesegen W 10/ XI mit der Bitte um Schutz für den kommenden Tag: Mit sælden müezze ich hiute ûf stÞn, / got, herre, in dîner huote gÞn (W XI1 f.: ,Herr und Gott, mit deinem Segen möge ich heute aufstehen, unter deinem Schutze gehen‘). Volkssprachige Segen sind seit althochdeutscher Zeit überliefert. Der Bognerton – Gnomik Zur Gnomik Die Gnomik (s. S. 16) ist eine literarische Persuasionsstrategie, die ihr Ziel mithilfe einer treffenden Bildlichkeit erreichen will. Gerne wird sie nach der Weisheit Senecas mit einem Beispiel verbunden: Longum iter est per praecepta, breve et efficax per exempla (,lang ist der Weg durch Lehren, kurz und effektiv durch Beispiele‘). Dieses verbürgt die Authentizität der These. Die Gnomik ist das genuine Feld der Sangspruchdichtung, weshalb sie auch in den bisher behandelten Tönen immer wieder einmal auftauchte. Die Kunst des Gnomikers besteht darin, mithilfe der Bildlichkeit und der Beispiele eine Prämisse aufzubauen, die auf die beabsichtigten Schlussfol-

2. Die einzelnen Töne

gerungen hinführt. Einem unbekannten Brettspiel ist das Beispiel von der Sechs entnommen, die gerne eine Sieben sein und damit – so wird man dies wohl verstehen dürfen – die ihr vorgeschriebene Position in der Weltordnung durchbrechen wollte. Die Folgen sind fatal: Sich wolte ein ses gesibent hân ûf einen hôhvertigen wân. sus strebte ez sÞre nâch der übermâzze.

H jBeispiel h

swer der mâzze brechen wil ir strâzze, dem gevellet lîhte ein enger pfat.

H jSentenz h

hôhvertic ses, nû stât gedrîet! dir was zem sese ein velt gefrîget, nû smiuch dich an der drîgen stat! (W 54/VIII)

H jFolge bei hZuwiderhandeln

mâze und ordo

Eine Sechs wollte in hochmütiger Verblendung eine Sieben werden. So strebte sie heftig nach dem Übermaß. Wer dem Maß die Straße gewaltsam zerstören will, dem fällt leicht ein enger Pfad zu. Hochmütige Sechs, nun bleibt als Drei stehen! Als Sechs war dir ein Feld frei gemacht, jetzt schmiege dich an die Stelle der Drei!

Die Lehre ist hier in den beiden mittleren Versen als einprägsame Sentenz mit Binnenreim formuliert. Walther übermittelte in seinen gnomischen Sprüchen durchaus traditionelle, schon seit der Antike kolportierte Tugenden. Bognerton Der nur in C überlieferte, relativ schlichte Bognerton ist nach zwei auf einen ,Bogner‘ (s. S. 41 f.) gemünzten Gönnerstrophen benannt. Zeitlich gehört er wohl am ehesten in die späten zehner und/oder beginnenden zwanziger Jahre; als Gelegenheitsarbeiten sind die kleinen Texte jedoch „an jedem Punkte von Walthers Laufbahn denkbar“ (W. Schröder 1989, 176). Es sind 17 Sangsprüche allgemeinen, moralisch-didaktischen Inhalts, die im Wesentlichen das Thema der mâze variieren (s. Goheen 1989):

Bauform

4ma/4ma 5wb/5wb –––––––––––––––––––––––– 5mc/4wd/4wd/4mc

Im Einzelnen finden sich folgende Themen: Die Bedeutung der Freundschaft (W 54/V–VII), das Laster der Maßlosigkeit (W 54/VIII–X), Besitz und mâze (W 54/XV), die Freigebigkeit des Bogners (W 54/XI.XII), die Beherrschung der körperlichen und seelischen Kräfte (W 54/XIII), edler Dienst muss belohnt werden (W 54/XIV), die rechte Minne geleitet in den Himmel (W 54/XVI.XVII). Isoliert, jedoch bezeichnend für den religiösen Hintergrund von Walthers Gnomik, stehen die beiden Gebete an Gott und Maria (W 54/I.II) sowie das Hilfeersuchen gegen die Heiden bei den Erzengeln (W 54/III.IV).

Themen

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IV. Walther und die Höfe

Nieman kan mit gerten

Swâ guoter hande

Zwei didaktische Lieder Ich stelle der Gnomik, obwohl sie formal nicht zu den Sangsprüchen gehören, die beiden didaktischen Texte Nieman kan mit gerten (W 58), ein Palindrom, und Swâ guoter hande wurzen sint (W 73/I), zum Zweiten Thüringerton gehörig, zur Seite. Das Palindrom wendet sich mit dem Ziel, zur Ehre zu erziehen – einem Ziel des Adels –, am ehesten an junge adlige Erwachsene: Nieman kann mit gerten / kindes zuht beherten (W 58/I1 f.: ,Niemand kann mit Ruten die (höfische) Bildung eines jungen Erwachsenen festigen‘); denn: den man zÞren bringen mag, / dem ist ein wort als ein slag (I3 f.: ,wen man zur Ehre führen kann, dem bedeutet ein Wort genauso viel wie ein Schlag‘). Walther wandte sich keineswegs generell gegen den Gebrauch der Rute (vgl. z. B. W 10/IX), der ja biblisch legitimiert ist: „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; / er schlägt mit der Rute jeden Sohn, den er gern hat.“ (Hebräer 126) Walther plädierte für die ,Festigung‘ der zuht. Diese Idee reicht in die Antike zurück: Schon Platon war der Ansicht, dass bei der Führungselite die Tugenden nur geweckt zu werden brauchten, denn sie steckten in ihr. Dazu mochte das rechte Wort ausreichen. Die weiteren Strophen richten sich an die menschlichen Organe, die durch die Erziehung geschult werden sollen und gleichsam die Tugenden vertreten: Die Zunge ist im Zaum zu halten, damit kein böses Wort hervorkommt (II), die Augen sind auf die guote site (,rechte Lebensart‘) zu richten (III), die Ohren sind vor bösen Worten zu verschließen (IV); auf diese drei, die nur schwer zu beherrschen sind, ist gut zu achten (V). Die Schlussstrophe über die ritterliche Persönlichkeit (s. S. 13) richtet den Fokus auf das Zielpublikum, dem die Ehre zugeordnet ist. Das Lied Swâ guoter hande wurzen sint (W 73/I) vergleicht nach alter monastischer Tradition die Arbeit des Erziehers mit einer Arbeit im klösterlichen Kräutergärtlein. Die Metaphorik führt auf das biblische Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Matthäus 1324–30; 36–43) zurück. Der 8-zeilige Aufgesang in Walthers Strophe lobt die guten, das Herz erfreuenden Kräuter, die man schützen und umsorgen muss. Entsprechend wird im Abgesang der Rat erteilt, bœse unkrût bis auf den letzten Trieb auszureißen, damit die Mühe des Jätens nicht vergeblich war.

3. Zwei herausragende landesherrliche Höfe Zuverlässigkeit

Einführung Zwei der gar nicht so wenigen landesherrlichen Höfe, die Walther besuchte, spielten für sein Erwerbsleben eine besondere, wenn auch heute nur noch schwer zu durchschauende Rolle. Man kannte ihn durch seine scharfen und bissigen Kommentierungen. Wie diese eigentlich aufgenommen wurden, ist kaum noch zu rekonstruieren. Was heute böse und harsch erscheinen mag, konnte damals vor Ort ein großes Gelächter ausgelöst haben, durchaus auch bei den Betroffenen selbst, sofern sie die künstlerische Rhetorik und Schlagfertigkeit zu würdigen verstanden. So empfiehlt es sich auch hier, nicht zu rasch von der Fiktionalität auf die Realität zu schließen, d. h. von den Äußerungen der Textinstanz auf mögliche Reaktionen der Mä-

3. Zwei herausragende landesherrliche Höfe

zene und/oder Auftraggeber. Auch die Zuverlässigkeit dieser Instanz – die Invektiven gegen Papst Innozenz haben es gezeigt – ist durchaus zweifelhaft. Schließlich ist es bis heute geradezu ein zentraler Bestandteil politischer Rhetorik, Gegebenheiten verkürzend – und damit immer auch verfälschend – darzustellen, um die gewünschte Wirkung zu erreichen. Diese zielte generell auf die Stabilisierung der hierarchischen Ordnung: Swâ der hôhe nider gât, und ouch der nider an hôhen rât gezuket wirt, desa ist der hof verirret. a

statt daz

Wo immer der Hohe herabsteigt und überdies der Niedere in den Hohen Rat berufen wird, dort ist der Hof gestört. (W 55/IV1–3)

Neben dem Wiener Hofton begegnen hauptsächlich zwei neue Töne: der Leopoldston (= Erster Thüringerton, Zweiter Atzeton) und der Zweite Thüringerton (= Erster Atzeton). Der Leopoldston ist nach Herzog Leopold VI. aus dem Haus Babenberg, der Atzeton nach einem Herrn Atzo benannt, der sich zu Walthers Zeit am Hof in Eisenach aufhielt. Die beiden metrischen Bauformen stellen sich wie folgt dar: Leopoldston 4ma/4ma/5wb 4mc/4mc/5wb ––––––––––––––––––––––– 5wd/5wd/7me 5wf/5wf/7me/7me

Bauformen

Zweiter Thüringerton 4ma/3wb/4mc/3wd 4ma/3wb/4mc/3wd –––––––––––––––––––––––– 3we/3we/3we/3wf 3wg/3wg/3wg/3wf

Wien: Der Hof der Babenberger In dem Sangspruch Dô friderîch ûz œsterrîch alsô gewarp (W 9/IV, s. S. 45) beklagte Walther den herben Einschnitt, den der frühe Tod Herzog Friedrichs I. in sein Leben bedeutete. Warum er Wien nach Friedrichs Tod verließ und zu König Philipp wechselte, bleibt ungeklärt. Die These, er sei entlassen worden (Beyschlag 1959, 585), ist nicht zu verifizieren. Äußerungen in seinen Liedern legen jedoch nahe, dass er sein Erwerbsleben gerne unter Friedrichs Nachfolger Leopold VI. in Wien verbracht hätte. So schmeichelte er dem jungen fürsten (W 10/XIV4) und rühmte dessen sprichwörtliche Großzügigkeit gegenüber den Fahrenden (W 10/XIV), führte aber auch beredt Klage, dass ihm das „Tor der Glückseligkeit“ verschlossen sei: Mir ist verspert der sælden tôr, dâ stÞn ich als ein weise vor. mich hilfet niht, swaz ich dar an geklopfe. (W 10/II1–3) Das Tor der Glückseligkeit ist mir verschlossen, davor stehe ich wie eine Waise. Wie heftig ich auch daran klopfe, es nützt mir nichts.

Dieses Tor, vor dem die Redeinstanz ganz allein und einsam zu stehen vorgibt, das Tor zu einem herrlichen höfischen Leben, war die porta paradisi, d. h. jenes Tor des Palastes, das nur für die feierlichen Einzüge der hohen Herrschaften geöffnet wurde. Leopold, dem wegen seiner milte die Metapher einer ,herrlichen, schön geschmückten Aue‘ (W 10/II10: ein schœne, wol gezieret heide) geschenkt wird, verweigert dem, der – mit einer Wen-

der sælden tôr

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IV. Walther und die Höfe

hœvescher trôst

der wunneklîche hof ze wienne

ingesinde

dung Wolfgang Borcherts – ,draußen vor der Tür‘ steht, den Regen der Gabe, obwohl dieser die süezzen ougenweide (II14) gerne preisen würde, wenn ihn nur die vil milterîchiu hant (II13) des Fürsten beschenkte. Zeit und Ort der Aufführung des Spruchs und die Reaktion des Hofes sind unbekannt. Diese könnte angesichts der Schlag- und Kunstfertigkeit Walthers durchaus positiv gewesen sein. Ist der geblümte Stil wirklich ein Zeichen von Ironie (vgl. Schw. 1, 458)? Man erfährt auch nichts über die Empfindungen des Fahrenden selbst, dessen Lebensform ja das professionelle Bitten war. War sein berufsmäßiges Tun denn wirklich ,demütigend‘ (s. ebd.)? Muss man ein ,Zerwürfnis‘ (s. ebd.) mit Philipps Hof annehmen, um das Loblied auf Leopold zu begründen? Solche rhetorischen Fragen legen ein Nein nahe, ohne sich dessen sicher sein zu können. Eine andere, wahrscheinlich spätere Strophe, eingebunden in den Topos der laudatio temporis acti, entwirft demgegenüber das düstere Bild eines abgewirtschafteten Hofes (W 10/XII: Der hof zu wiene sprach ze mir). Einst, so der personifizierte Fürstenhof, habe man ihn mit dem Hof des Königs Artus vergleichen können, jetzt aber stehe er ohne Ritter und Damen da: morsch das Dach, die Wände verfallen. Die Hintergründe bleiben unklar (vgl. Schweikle 1989a, 82 f.). Unwirsch weist die Sprechinstanz den neuen ,unhöfischen‘ Gesang, der sich am Hof ausbreite, zurück (W 12/III.IV; s. S. 45), bittend ersehnt sie den ,höfischen Schutz‘ (hœvesche[n] trôst, W 12/IV10) des Herzogs, der jedoch offensichtlich nicht gewährt wird (W 12/X.XI). Dann, gemeinsam mit dem Patriarchen Wolfger (s. S. 33) und Welf VI., Markgraf von Tuszien und Herzog von Spoleto, ertönt höchstes Lob: liupold […] nieman lebt, den ich zuo dem gelîche. / sîn lob ist nicht ein lobelîn (W 12/XIV5–7: ,Leopold […], niemand lebt, den ich ihm vergliche; sein Ruhm ist wahrlich nicht gering‘). Zur Glückseligkeit fehle ihm, so das klagende Ich in einem viel zitierten Vers, neben der Gnade Gottes und der Liebe der Dame nur noch die Aufnahme in den wunneklîche[n] hof ze wienne (W 55/VI10). Lange habe sich dieser ihm verweigert. Fand der Dichter aber dort überhaupt jemals ein Auskommen? Alle Aussagen der Textinstanz bleiben unfest, und je länger die Forschung über sie nachgedacht hat, desto mehr Fragezeichen hat sie angehäuft. Die Texte lassen sich in keine zuverlässige Chronologie einfügen, und allzu wenig weiß man über die tatsächliche Aufnahme der Elogen und Invektiven. Anders erging es Walther in Eisenach. Eisenach: Der Hof der Ludowinger Vermutlich innerhalb des ersten Jahrzehnts des 13. Jahrhunderts hielt sich Walther zeitweilig am Hof Hermanns I. von Thüringen auf (s. S. 41; S. 62); er erklärt: Ich bin des milten lantgrâven ingesinde, / es ist mîn sitte, daz man mich iemer bî den tiursten vinde (W 12/XV1 f.: ,Ich gehöre zur familia des Landgrafen, denn – so bin ich – man wird mich immer bei den Edelsten finden‘). Welcher Unterton schwingt hier mit? Ironie, Stolz? Das ingesinde ist die familia des Herrn, der neben der engeren Familie auch das engere Gefolge, der Hofstaat, angehört. Für den Sänger ist daraus keine konkrete Rechtsstellung abzuleiten. Vielleicht wurde er zeitweilig in die landesherrliche Ministerialität aufgenommen, innerhalb derer es, wie in jeder Ministerialität, sicherlich erhebliche Rangunterschiede gab. Dies war keine ho-

3. Zwei herausragende landesherrliche Höfe

mogene, jedoch streng auf den Herrn hin organisierte Gruppe, der sie schützte. Walthers Instanz klagt über den Lärm am Thüringer Hof: Der in den ôren siech von ungesühte sî, / daz ist mîn rât, der lâz den hof ze düringen frî (W 9/V1 f.; nur B: ,Wer Ohrenschmerzen hat, der meide, dies rate ich, den Hof zu Thüringen‘; s. auch S. 35). Ein hoher Lärmpegel war typisch für den mittelalterlichen Fürstenhof (s. Ehlers 2006, 43 f.), also nichts Ungewöhnliches. Mit stolzen Männern (mit stolzen helden, W 9/V8) ,vertue‘ der Landgraf seinen Besitz. Dieser folgte damit freilich dem fürstlichen Gebot, Gabe zu verteilen, um die Ehre des Hofes zu mehren. Walther betrieb offenbar keine ,Hofschelte‘ (s. aber Schw. 1, 88), er berichtete über die Ich-Instanz vielmehr von den Bedingungen literarischer Kommunikation im Kontext der milte (s. Strohschneider 2002) und der höfischen Sitte des ,Drängelns‘ bei den Empfängen der Gäste: ich hân gedrungen, unz ich niht mÞ gedringen mac (W 9/V4: ,ich habe mich [bei den Empfängen] gedrängelt, bis ich nicht mehr mochte‘). Einer der landgräflichen Ministerialen, Herr Gerhard gen. Atzo oder Atze, urkundlich 1196 belegt (s. RdTh. 2, 190), habe, so wird im folgenden Lied erzählt, Walthers Pferd mit der Begründung erschossen, einer von dessen Verwandten habe ihm den Finger abgebissen. Schadensersatz wolle Atze aber nicht leisten. Atze allerdings, so heißt es, habe das falsche Pferd getötet, und nun wird (nach zeitgenössischem Brauch) ein ,Eidstaber‘ zur Rechtsfindung gesucht: Mir hât hÞr gÞrhart azze ein pfert erschozzen z’ysenache. daz klage ich dem, den er bestât, der ist unser beider voget. ez was wol drîer marke wert. nû hœrent frœmde sache, sît daz ez an ein gelten gât, wâ mit er mich nû zoget: er seit von grôzzer swære, wie mîn pfert mære dem rosse sippe wære, daz im den vinger ab gebizzen hât ze schanden. ich swer mit beiden handen, daz si sich niht erkanden. ist ieman, der mir stab? (W. 73/III)

Kommunikation

Gerhard Atze

Mir hat Herr Gerhard Atze in Eisenach ein Pferd erschossen. Die Klage bringe ich vor den, in dessen Dienst er steht, denn der ist unser beider Schutzherr. Es war gut drei Mark wert. Nun hört die merkwürdige Geschichte, mit der er mich hinhält, jetzt, wo es ans Bezahlen geht: Er legt großes Gewicht darauf, dass mein herrliches Reitpferd mit dem Pferd verwandt gewesen sei, das ihm so schändlich den Finger abgebissen hat. Ich schwöre feierlich mit beiden Händen, dass beide sich nicht kannten. Gibt es jemand, der mir den Eid vorspricht?

Zum Verständnis benötigt man § 66, 2 aus dem Lehnrecht des Sachsenspiegels“: Kumt abir der man [,Lehensmann‘] vor den herren, her bite [,er erbitte‘] von allir erst eines vorsprechen [,einen Vorsprecher‘] unde dar nach der heiligen [,um die Reliquien‘] unde des stebers [,den Eidstaber/Eidvorsprecher‘], daz her sin gut uz zi [,damit er sein Gut wieder an sich ziehen kann‘].

Wie steht es mit der Verlässlichkeit der Aussagen des Klägers, und auf welcher Augenhöhe konnte dieser dem Angeklagten begegnen? War der soziale Abstand zwischen beiden so groß, dass man, wie es gerne geschieht, das

der Rechtsweg

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IV. Walther und die Höfe

Rît ze hove, dietrich

Lied als pure Fiktion, als einen „spöttischen Kasus zu Lasten Atzes“ (Tomasek 1998, 339; s. auch Zimmermann 2005), dem offenbar ein Schwurfinger fehlte, ansehen muss? Die Schutzsuche beim Landesherrn gehörte zum zeitgenössischen Rechtssystem, und sie war sicherlich kein Zeichen besonderer Verletzlichkeit (s. aber Hahn in BHMS, 20), zumal wenn sie so schlagkräftig vorgetragen wurde wie hier. Die hohe Wertangabe für das Pferd – war sie nun listig fingiert oder nicht – diente der Entschädigungsforderung und deutete zugleich – war auch dies vorgegaukelt oder nicht – auf den hohen Rang des Klägers, der an der Berechtigung seiner Anklage natürlich keinen Zweifel ließ. Wenn jemandem nicht daran liegt, ein Walther-Bild zu entwerfen, das dem des armen Poeten nicht widerspricht, und er einen Text einmal so lesen möchte, wie dieser verschriftet ist, dann kann er das Lied von Atze problemlos als einen ernsten juristischen Fall lesen, künstlerisch aufbereitet für ein unterhaltungssüchtiges Publikum. Lied W 55/I Rît ze hove, dietrich (s. Thomasek 1998) erscheint Atze noch einmal, ohne dass ein Zusammenhang mit der obigen Rechtssache festzustellen wäre. Ein Herr fordert seinen Knappen (?) Dietrich auf, zum Hof zu reiten. Dietrich lehnt ab, weil er kein Pferd besitze; der Herr fragt: „Möchtest du lieber eine goldene Katze reiten oder den wundersamen Gerhard Atze?“ (55/I7 f.). Man weiß nicht, was oder wer diese goldene Katze war, doch sie reimt sich trefflich auf den Intimfeind, und auf geheimnisvolle Weise werden beide in dieser Strophe auch eins. Sollten etwa homoerotische Anspielungen geweckt werden? Dietrich jedenfalls lehnt die Katze entsetzt ab, die die Augen wie ein Affe rolle; lieber wolle er den Atze, der als ein guggaldei geschaffen sei (55/I11; guggaldei: ein Chamäleon?, ein Kuckuck?, ein Gockel?). Von diesen Bosheiten aus Dietrichs Mund kann sich nun der Herr, hinter dem man im fiktionalen Versteck Walther vermuten darf, entrüstet distanzieren und Dietrich das Pferd verweigern. Dieser ist, so die Pointe, „einem Fragespiel, einer Fangfrage, auf den Leim“ (Thomasek 1998, 335) gegangen.

V. Zwischen Religion und Politik: Der Kreuzzug 1. Zur Geschichte der Kreuzzugsbewegung Die im späteren 11. Jahrhundert einsetzende Kreuzzugsbewegung (s. einführend Thorau 2007) reagierte auf die Eroberung des Vorderen Orients durch die muslimischen Araber und führte zu einer beispiellosen Militarisierung des Christentums. Die folgenden Stichpunkte skizzieren einige relevante Fakten: – Vorgeschichte: Die türkischen Eroberungen in Kleinasien drohten das Oströmische Reich von Byzanz zu gefährden und den Pilgerweg nach Jerusalem abzuschneiden. Im November 1095 gelang es Papst Urban II. während der Synode von Clermont (Auvergne) durch eine mitreißende Predigt, in der er die bedrängte Lage der Christen im Orient schilderte und in der er den Teilnehmern eines Kreuzzugs einen Erlass zeitlicher Sündenstrafen vor Gott (Ablass) versprach, eine spontane Bewegung für die Rettung der Glaubensbrüder des Ostens und die Sicherung des Heiligen Grabes in Jerusalem durch die abendländische Ritterschaft zu entfachen. Bald beflügelten neben den religiösen auch soziale und ökonomische Beweggründe die Teilnahme – und, für das Selbstverständnis des Rittertums bezeichnend, die Lust auf Abenteuer und der Gewinn großer Ehre. Den kleinen Adligen, die bei der wachsenden Bevölkerung zu Hause nur noch schwer ein Auskommen finden konnten, eröffnete sich die Möglichkeit, in der Fremde Landbesitz zu erwerben. Dies gestand die Kirche ausdrücklich zu. – I. Kreuzzug, 1096–1099: Nach neunmonatigen Vorbereitungen zogen die christlichen Heere im Herbst 1096 über Konstantinopel und Kleinasien ins Heilige Land und eroberten Jerusalem im Juli 1099. Dabei plünderten und mordeten sie hemmungslos. Damit die Kampfbereitschaft der Ritter nicht erlahmte, inszenierte man die fromme Auffindung der Heiligen Lanze, jener Reliquie, die nach der Legende der römische Soldat Longinus Christus in die Seite gestoßen haben soll, um dessen Schmerzen zu lindern. – II. Kreuzzug, 1147–1149: Schon bald nach dem Beginn des 12. Jahrhunderts begannen die Muslime, die christlichen Staaten zu bekriegen, und als 1144 der Emir von Mosul die Stadt Edessa eroberte, bewegte dies die christliche Welt zu einem neuen Kreuzzug. Der wortgewaltige Prediger Bernhard von Clairvaux begeisterte den deutschen und den französischen König, das Kreuz zu nehmen. König Konrad III. erlitt jedoch eine schwere Niederlage, und auch den Franzosen blieben entscheidende Erfolge versagt. – III. Kreuzzug, 1189–1192: 1171, nach dem Tod des letzten Kalifen von Ägypten, usurpierte der aus Mosul stammende Kurde Saladin in Ägypten die Macht und eroberte auch das islamische Syrien. Im Juli 1187 besiegte er die Kreuzritter bei Hattin (westlich des Sees Genezareth), Jerusalem fiel am 9. Oktober. Dies gab den Anstoß für einen neuen Kreuzzug, den die bedeutendsten Herrscher Westeuropas: Kaiser Friedrich I. Barbarossa, König Philipp II. Augustus von Frankreich und König Richard Löwenherz von Eng-

Urban II. 1095

Jerusalem 1099 Heilige Lanze

Bernhard von Clairvaux

Saladin

74

V. Zwischen Religion und Politik

Tod Barbarossas

– Plünderung Konstantinopels

– Zögern Friedrichs II.



herze und lîp



land anführten. Im Mai 1189 brachen ca. 20.000 Ritter von Regensburg aus auf. Als jedoch der Kaiser am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph/Göksu ertrank, war das deutsche Heer nicht mehr zu eigenständigen Aktionen fähig. Richard Löwenherz konnte nach einer Reihe von Siegen einen dreijährigen Waffenstillstand mit Saladin erreichen. Dieser verstarb im März 1193. Wenn nun auch Jerusalem nicht erobert worden war, so konnten sich dadurch die Kreuzfahrerstaaten doch noch ein Jahrhundert am Leben erhalten. IV. Kreuzzug, 1202–1204: Schon zu Beginn seines Pontifikats war Papst Innozenz III. entschlossen, Jerusalem zurückzuerobern. Er versprach den Kreuzfahrern einen vollkommenen Nachlass aller Sündenstrafen, und die Geistlichen mussten ein Vierzigstel ihrer Einkünfte für die Vorbereitung des Zuges abliefern. Seinem Verbot, das Oströmische Reich und dessen Metropole Byzanz anzugreifen, folgten die Kreuzfahrer auf einem vierten Zug 1204 jedoch nicht. Sie machten reiche Beute in der Stadt. Ein neues Unternehmen in den zehner Jahren des 13. Jahrhunderts (s. S. 45, 65) scheiterte, die päpstliche Propaganda unter Innozenz’ Nachfolger Honorius III. (1216–1227) machte dafür Friedrich II. verantwortlich, weil dieser seinem Kreuzzugsgelübde nicht nachgekommen war. V. Kreuzzug, 1228–1229: Nach seiner Wahl 1227 drängte Papst Gregor IX. den Kaiser, das Kreuzzugsgelübde endlich einzulösen. Als dann das im Sommer bereitstehende Heer wegen der Erkrankung des Kaisers nicht aufbrach, legte Gregor Friedrich in Bann. Dieser, dem daran lag, den Kreuzzug als kaiserliches und nicht als päpstliches Unternehmen zu organisieren, verkündete im Gegenzug, er werde im kommenden Jahr aufbrechen. Mit einem (wegen des Banns) relativ kleinen Heer gelangte er im September 1228 nach Akkon und erreichte kampflos mit Sultan al-Kamil einen Vertrag, der den Christen einen beträchtlichen Teil des Königreichs Jerusalem zusicherte. Einfluss auf die Lied-Dichtung: Bald nach dem I. Kreuzzug war die kirchliche Propaganda auch durch volkssprachige Narrative und Gesänge unterstützt worden. Die Lieddichtung vereinnahmte das Kreuzzugsthema für ihr Konzept der entsagenden Minne und Trennung von der Geliebten. Ein schönes Beispiel ist das Lied des Reichsministerialen Friedrich von Hausen, der Barbarossa auf dem Zug ins Heilige Land begleitete und dort auch den Tod fand: Mîn herze und mîn lîp die wellent scheiden, die mit ein ander wâren nû menige zît. der lîp wil gerne vehten an die heiden, iedoch dem herzen ein wîp sô nâhen lît vor al der werlte. (DL 56/I1–4)

Walther

Mein Herz und mein Leib, die lange Zeit zusammenlebten, wollen sich trennen. Der Leib möchte gerne gegen die Heiden kämpfen, dem Herzen liegt jedoch eine Frau näher als alle Welt.

– Walthers Reaktion: Walther nahm demgegenüber das Kreuzzugsthema als politischer Liedermacher auf. Zwei Sangsprüche im Ottenton (W 4/IV.V) und zwei im Bognerton (W 54/III.IV) erinnern an den allgemeinen kaiserlichen und christlichen Auftrag, das Heilige Land gegen die Heiden zu schützen. In dem Lied Vil süeze wære minne (,Liebliche, wahre Minne‘; W 53/I–IV) nimmt die Textinstanz den Part eines Kreuzfahrers ein, der Gott

1. Zur Geschichte der Kreuzzugsbewegung

und Christus eindringlich bittet, das schutzlose Heilige Land zu retten und die Kreuzfahrer vor einer Niederlage zu bewahren. Eine endzeitliche Perspektive mit der Mahnung, für dieses Ende Vorsorge zu treffen, öffnen die Lieder OwÞ, was Þren sich ellendet von tiutschen landen (,Ach, wie sich die Ehre den deutschen Ländern entfremdet‘; W 5/I) und Es kumt ein wint, daz wizzent sicherlîche (,Ein Sturm wird kommen, das ist gewiss‘; W 5/II). Weder in diesen noch in den beiden folgenden Liedern, die im Folgenden etwas ausführlicher besprochen werden, ist ein bestimmter Kreuzzug festzumachen, wobei die Forschung allerdings gerne den Zug Friedrichs II. favorisiert, da sie eine gewisse Altersweisheit ausstrahlen, die freilich auch ,gespielt‘ sein könnte. – Der Pilger: Die beiden folgenden Texte werden von dem Thema der Pilgerschaft getragen, unabhängig davon, ob das erzählende und verkündende Ich konkret als Pilger gedacht ist. Der Pilger – das Wort ist aus lat. peregrinus ,der Fremde‘, ,der Nichtbürger‘ entlehnt – ist der Reisende, der Umherschweifende, der Mensch ohne irdische Heimat (vgl. Hebräer 1113: „[…] und haben bekannt, dass sie Fremde und Gäste auf Erden sind.“), der sich auf dem Weg zur ewigen Heimat befindet (vgl. Hebräer 1116: „[…] nun aber streben sie nach einer besseren Heimat, nämlich der himmlischen.“; Philipper 320: „Unsere Heimat aber ist im Himmel.“). Das Pilgerthema in Walthers Liedern könnte einem überhöhten Selbstbildnis des ,Fahrenden‘ dienen, der Sicherung einer Memoria an einen weisen und frommen Mann.

ewige Heimat

2. AlrÞrst lebe ich mir werde Das sogenannte „Palästinalied“ AlrÞrst lebe ich mir werde (W 7; s. Haubrichs 1977; U. Müller 1983a, 125–131; Ranawake 1996; Ortmann 2001; zur Varianz Willemsen 2006, 73–97) ist mit unterschiedlicher Strophenzahl und -folge überliefert: A, sieben, und B, sechs Strophen, weisen den geringsten Bestand auf; mit C und E, je elf Strophen, nimmt dieser zu und erreicht mit den zwölf Strophen von Z um die Mitte des 14. Jahrhunderts seinen größten Umfang. Ob die Erweiterungen, ganz oder teilweise, auf Walther selbst und unterschiedliche Aufführungsvarianten zurückgehen, bleibt ungeklärt. Bemerkenswert ist immerhin, dass der Rahmen, die Strophen I (AlrÞrst lebe ich) und IX (Kristen, juden und die heiden), allen gemeinsam ist. Die siebenzeiligen Strophen (s. S. 48) laufen jeweils auf eine Pointe im Schlussvers zu. Die Anordnung der Strophen nach C und ihre inhaltliche Gestaltung weist eine beachtliche Spontaneität beziehungsweise problematische Diskursivität auf, die einem gläubig lauschenden Publikum aber sicherlich keine Schwierigkeiten bereitete. Das Lied durchläuft in C sechs der sieben mysteria Christi von der Taufe bis zur Himmelfahrt; diese, in E und Z an Ort und Stelle nach Strophe VI, ist in C in einer Strophe am Blattrand nachgetragen. Walther – man sollte aufgrund dieses Liedes nicht annehmen, dass er selbst im Heiligen Land war (s. allerdings Jungbluth 1958, 533 f.) – hat der Textinstanz die Rolle eines gewandten und sicherlich als Pilger gedachten Rhetors eingeschrieben, der den Kreuzfahrtgedanken ins Gedächtnis seiner Zuhörerschaft einbrennen will.

Überlieferung, Form

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V. Zwischen Religion und Politik

– I: Ankunft im lang ersehnten Heiligen Land (= dâ got menschlîchen trat): AlrÞrst lebe ich mir werde, sît mîn sündig ouge siht daz reine lant und ouch die erde, der man sô vil Þren giht. ez ist geschehen, des ich ie bat: ich bin komen an die stat, dâ got menschlîchen trat. (W 7/I)

Heiliges Land



mysteria Christi





– – –

Nun erst lebe ich herrlich, da mein sündiges Auge das reine Land und auch die Erde erblickt, der man so große Ehre nachsagt. Es ist eingetroffen, worum ich immer gebeten habe: Ich bin an dem Ort angelangt, an dem Gott in menschlicher Gestalt wandelte.

Das werde leben wird durch den Anblick des Heiligen Landes, nicht durch eine fromme Handlung definiert. Das Ich lebt jetzt erst (alrÞrst) ehrenvoll (werde), weil es sein Ziel erreicht hat, d. h. seine Heimat, in der es Christus erwarten kann (s. S. 75). II: Das Heilige Land besitzt die höchste Ehre unter allen Ländern, denn dort geschah das große Wunder, dass eine Jungfrau ein Kind gebar: was daz niht ein wunder gar? (W 7/II7: ,war das denn nicht ein vollkommenes Wunder?‘); E, Z erweitern durch eine Zusatzstrophe (W 7/III). III, Taufe (W 7/IV): In diesem Land ließ sich Christus zur Rettung der Menschheit taufen: wol dir sper, criuze und dorn, / wie dir ze den ist din zorn (W 7/IV6: ,Heil dir Speer, Kreuz und Dorn, wie du diesen zürnst‘). Der Vers ist unterschiedlich überliefert; die kritische Philologie verwirft die CVersion und ,bessert‘ nach Z in: wÞ dir, heiden, daz ist dir zorn. Ist dies wirklich notwendig? Angesprochen sind die Heilige Lanze, das Kreuz und die Dornenkrone in der singularen Anrede, die im dir weitergeführt wird; die in ze den sich öffnende Beziehungslücke kann ein kreuzritterlich gestimmtes Publikum sicherlich leicht mit ,Heiden‘ füllen, denen der Zorn Christi gilt. IV, Passion: Um uns zu erlösen, erlitt Christus für uns vil armen einen grausamen Tod; dies ist aller wunder ubergenôz (W 7/V7: ,das größte aller Wunder‘). V, Höllenfahrt (W 7/VI): Unter der Begleitung des Vaters und des Heiligen Geistes fuhr der Sohn hinab zur Hölle und erschien Abraham. VI, Auferstehung (W 7/VII): Als er den Teufel besiegt hatte, kam er zum Leid der Juden, die ihn gekreuzigt hatten, in ihr Land zurück. VII, Tag des Gerichts: In diesem Land wird er einen Furcht erregenden Gerichtstag abhalten: In daz lant hât er gesprochen einen angeslîchen tac, dâ der weise wirt gerochen, und diu witwe klagen mag und der arme den gewalt, den man hât mit in gestalt. wol im dort, der hie vergalt. (W 7/IX)

In diesem Land hat er einen Furcht erregenden Gerichtstag anberaumt, an dem die Waise gerächt wird und die Witwe und der Arme Klage führen können gegen die Gewalt, die man ihnen angetan hat. Wohl dem dort, der hier gebüßt hat.

– VIII, Rechtsprechung (W 7/X): Unverzüglich wird er am Jüngsten Tag Recht sprechen und die Klagen nicht, wie unsere irdischen Richter (lantrehter), verzögern. Wer auf Erden eine Schuld ungetilgt zurücklässt, wird im Jenseits, wo er weder ein Pfand noch einen Bürgen besitzt, hilflos dastehen. – IX, Rechtsanspruch der Christen: Christen, Juden und Heiden (Muslime) behaupten, dieses Land sei ihr Erbland. Dies möge Gott nach Rechtslage entscheiden:

2. AlrÞrst lebe ich mir werde Kristen juden und die heiden jehent, daz diz ir erbe sî. got müezze ez ze rehte scheiden dur die sîne namen drî. al diu welt strîtet her. wir sîn an der rehten ger, reht ist, daz er uns gewer. (W 7/XII)

Christen, Juden und Heiden behaupten, dass dies ihr Erbland sei. Gott möge es um seiner Trinität willen nach der Rechtslage entscheiden. Alle Welt liegt darüber im Streit, doch wir besitzen den berechtigten Anspruch: Recht ist, dass er es uns gewährt.

– Nachtrag II, Himmelfahrt, Pfingsten (W 7/VIII): Christus verweilte vierzig Tage in diesem heiligen Land, dann fuhr er zum Vater und sandte uns seinen Geist. Diese Strophe schließt thematisch an VI an. – Nachtrag I, captatio benevolentiae (W 7/XI): Der Redner möchte, sofern das Publikum dessen nicht überdrüssig sei, die Erzählung (rede, W XI3) fortführen und weitere Wunder verkünden. Diese rhetorisch fokussierte Strophe stört nach heutiger Auffassung den stringenten Erzählverlauf erheblich.

Nachträge

Walther lässt in diesem Lied einen rhetorisch begabten und in den Grundkenntnissen der Heilsgeschichte ausgewiesenen Pilger sprechen. Mit einer schlichten Phraseologie erzeugt er ein starkes und rechtserhebliches Pathos, das in den beiden Schlussstrophen VIII und IX, die den Anspruch der Christen auf das Heilige Land begründen, kulminiert. Auf diese Weise nimmt der Sänger sein Publikum geschickt in die Pflicht: Ohne direkte Propaganda fordert er es auf, diesen Anspruch auch einzulösen. Ulrich Müller fasst ihn als „kollektives Ich […], das stellvertretend für alle Pilger und Kreuzfahrer spricht“ (1983a, 130 f.), auf, Wolfgang Haubrichs (1977) als die Stimme Kaiser Friedrichs II. Es liegt einerseits nahe, das Ich des Liedes im Sinne einer transpersonalen und allgemeingültigen Aussage von der Person Walthers zu trennen, andererseits aber ebenso, es als Selbststilisierung auf den ,Fahrenden‘, den Pilger und Gast auf Erden, zu beziehen, der nach der ,besseren Heimat‘ gestrebt und diese, d. h. eine Lebensform, in der er bereit ist, Christus zu begegnen, nun (virtuell/symbolisch) erreicht hat.

die Textinstanz

3. OwÞ, wâr sint verswunden alle mîne jâr Die Verse dieses 3-strophigen Liedes (W 97; s. Wehrli 1943; Haubrichs 1977; Thum 1977; Volkmann 1987; Kornrumpf 1989) erinnern an den Nibelungenton mit seinem Zeilenstil und den Langzeilen aus weiblichem Anvers und männlichem Abvers. Walthers Strophen sind jedoch keine 4-zeiligen Nibelungenstrophen, sondern 17-zeilig (je 16 Verse mit 3 + 3 Hebungen; + je ein Schlussvers mit 3 Hebungen). Allerdings setzte Walther den heldenepischen Ton ohne Zweifel Sinn stiftend ein; er bricht besonders deutlich durch in Versen wie: ir trágent die líehten hélmè und mánigen hérten ríng, dar zfflo die vésten schíltè und díe gewíhten swért. (III8 f.) ihr tragt die strahlenden Helme und viele harte Ringe, dazu die festen Schilde und die geweihten Schwerter.

Das heroische Pathos und Ethos wird auf die Schar der Kreuzritter übertragen, die überraschenderweise aber erst in der dritten Strophe erscheint. Das

Nibelungenton

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V. Zwischen Religion und Politik

Elegie?

das Erwachen

Thema wird, typisch für Walther, in drei Stufen entfaltet: eigene Befindlichkeit, Verallgemeinerung, Lösungsvorschlag. Jede Strophe setzt mit einem klagenden owÞ ein, das die Schlussverse der beiden ersten Strophen intensiviert (iemer mÞre owÞ). Man spricht deshalb gerne von einer ,Elegie‘ (s. Hoffmann 1968) oder ,Alterselegie‘ (de Boor 101979, 295; BHMS, 222). Um eine Elegie im strengen, antiken Sinne, ein Gedicht in Distichen, handelt es sich jedoch nicht. Überdies ist das Alter der Textinstanz nur zu vermuten, ein Lied wie dieses kann auf jeden tiefen Einschnitt im Leben referieren. – I: Tempus fugit und laudatio temporis acti: Die Redeinstanz klagt über die entfliehende Zeit und blickt, wie aus einem Traum erwachend, aus der trostlosen Gegenwart in die schöne Vergangenheit zurück: OwÞ, war sint verswunden alle mîne jâr? ist mîn leben mir getroumet, oder ist ez wâr? daz ich ie wânde, daz iht wære, was daz iht? dar nâch hân ich geslâffen und enweiz ez niht. nû bin ich erwachet und ist mir unbekant, daz mir hie vor was kündic als mîn ander hant. liute und lant, dannea ich von kinde bin gezogenb, die sint mir frœmde worden, reht als ob ez sî gelogenc. die mîne gespiln wâren, die sint træge unde alt. bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt, wan daz daz wazzer fliuzet, als ez wîlent vlôz, für wâr, ich wânde, mîn ungelüke wrded grôz. mich grüezet maniger trâge, der mich bekande Þ wol. diu welt ist allenthalben ungnâden vol. als ich gedenke an manigen wnneklîchene tac, die mir sint enphallen als in daz mer ein slacf. iemer mÞre ouwÞ! (W 97/I) Ach, wohin sind all meine Jahre entschwunden? Habe ich mein Leben geträumt, oder ist es wahr? Von dem ich immer glaubte, es sei etwas, war es das denn wirklich? Demnach habe ich geschlafen und weiß es nicht. Jetzt bin ich erwacht und erkenne nicht mehr, was ich früher wie meine eigene Hand kannte. Land und Leute, die ich als junger Mann verlassen habe, sie sind mir fremd geworden, gerade so als sei es nicht wahr gewesen. Die meine Gespielen waren, die sind träge und alt. Bebaut ist das Land, gerodet der Wald. Wenn das Wasser nicht mehr flösse, wie es einst floss, wahrhaftig, ich glaubte, mein Unglück würde groß. Mancher, der mich früher gut kannte, grüßt mich nicht mehr, überall ist die Welt voller Undank. Wenn ich an die vielen schönen Tage zurückdenke, die mir entschwunden sind wie ein Schlag ins Meer: Für immer und ewig: ach weh! a f

totaliter aliter

Statt danna; statt flac.

b

statt geborn;

c

statt gelegen;

d

lies /wurde/;

e

lies /wunneklîchen/;

Der Erwachende ist ein Fremder – ein heimatloser Fremder. Das Erwachen, ein geistiges Erwachen, verändert die Wahrnehmung, und das Leben erscheint „[…] wie ein Traum, der beim Erwachen verblasst.“ (Psalm 7320) Die Veränderung wird an der Kultivierung der Landschaft festgemacht, die

3. OwÞ, wâr sint verswunden alle mîne jâr

sicherlich auch in der Realität der ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts zu beobachten war (vgl. Thum 1977). Das Neue wird als ein Zeichen der Krise wahrgenommen, doch das nicht vom Menschen Veränderbare, symbolisiert durch das Wasser (vgl. Genesis 12), nährt Hoffnung. – II: Zeitgeschichte: Die Klage der zweiten Strophe bezieht sich auf den Verlust der Freude in der höfischen Welt, symbolisiert in der verkommenen Kleidung: „Noch nie sah ein Christenmensch so jammervolle Jahre. / Nun schaut, wie den Frauen ihr Gebände steht! / Die stolzen Ritter tragen bäuerliche Kleidung!“ (II6–8) Schlimme Nachrichten (unsenfte brieve; II9) aus Rom verdichten die Trauer, der Blick müsse sich auf das Jenseits, die „bessere Heimat“ (s. S. 75) richten: „Wer der diesseitigen Freude folgt, hat die jenseitige verloren.“ (II16) Böse Nachrichten aus Rom über die Lage des Heiligen Landes, an Friedrich und die Kreuzfahrer gerichtet, gab es zwar seit den ausgehenden zehner Jahren des 13. Jahrhunderts, und sie häuften sich in den zwanziger Jahren (s. Volkmann 1987, 363–408), doch liegt, nicht zuletzt wegen des folgenden aufrüttelnden Aufrufs an die Ritter, die Annahme, dass sie sich auf die Bannung Kaiser Friedrichs durch Papst Gregor IX. 1227 (s. S. 74) beziehen, besonders nahe (s. Burdach 1935; Haubrichs 1977). – III: Kreuzzug: Die Jenseitsperspektive öffnet die Kreuzzugsperspektive: Die abschließende Strophe zeigt, wie der Misere durch die Verteidigung der christlichen Kirche zu begegnen ist. Die Strophe beginnt mit zwei starken konventionellen Bildern über die janusköpfige Welt: OwÞ, wie uns mit süezzen dingen ist vergeben! ich sihe die bittern gallen mitten in dem honige sweben. diu welt ist ûzzen schœne, wîz, grüen und rôt, und innan swarzer varwe, vinster sam der tôt. swen si nû verleitet habe, der schouwe sînen trôst, er wirt mit swacher buoze grôzer sünde erlôst. dar an gedenkent ritter, ez ist iuwer ding! ir tragent die liehten helme und manigen herten ring, dar zuo die vesten schilte und die gewîhten swert. wolte got, wær ich der signünfte wert, sô wolte ich nôtig man verdienen rîchen solt, ioch meine ich nit die huoben noch der herren golt. ich wolte selbe crône Þweklîchen tragen, die mœhte ein soldenær mit sîme sper bejagen. mœhte ich die lieben reise gevarn über sÞ, sô wolte ich denne singen wol unde niemer mÞr ouwÞ. (97/III) Ach, wie wir durch süße Dinge verdorben sind! Ich sehe die bittere Galle inmitten des Honigs schweben. Die Welt ist außen schön, weiß, grün und rot, und innen voll schwarzer Farbe, finster, wie der Tod. Wen immer sie nun verführt hat, der erblicke seine Rettung, er wird mit geringer Buße von großer Sünde erlöst. Daran denkt, Ritter, es ist eure Sache! Ihr tragt die strahlenden Helme und viele harte Ringe, dazu die festen Schilde und die geweihten Schwerter. Ließe mich Gott des Sieges würdig sein, dann würde ich armer Mensch reichen Sold verdienen. Ich meine natürlich nicht die Hufen oder der Herren Gold.

verkommene Welt

böse Briefe

der christliche Ritter

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V. Zwischen Religion und Politik Ich würde selbst die ewige Krone tragen, die ein Söldner mit seinem Speer erringen könnte. Könnte ich die schöne Reise übers Meer antreten, dann würde ich frohlocken und niemals mehr wehklagen. Textinstanz

Longinus

Der arme ,Fahrende‘, zu alt und zu arm, kein Ritter, der eine Waffe tragen könnte: er kann nicht am Kreuzzug teilnehmen und bittet gar, in das kaiserliche Gefolge aufgenommen zu werden. Mancher möchte dieses Lied in solcher oder ähnlicher Weise autobiografisch lesen. Eine Annäherung an diesen schwierigen Text sollte jedoch, auch wenn er dazu diente, die Memoria des Autors zu steuern, einen transpersonalen Weg einschlagen. Die Textinstanz erklärt sich nach Christenart zu einem nôtic man, wie man gerne den Pilger sah. Mit dieser Autorität gewinnt sie die Zuhörenden für sich. Die Konjunktive sind Optative: Sie äußern einen Wunsch, der durchaus noch in Erfüllung gehen könnte, wenn denn der Weg in die ,neue Heimat‘, der Kreuzzug, stattfände. Dann fände auch das Klagen über die freudlose höfische Welt ein Ende. Die ewig zu tragende Krone ist die Krone der himmlischen Glückseligkeit (man braucht dazu nicht selbe durch sælden zu ersetzen; vgl. aber Schw. 2, 454). Der hoffende Kläger ist kein Söldner, denn er trägt keinen Speer. Als Söldner könnte er die Krone erringen, so wie der einst blinde Söldner Longinus, eine Identifikationsfigur der Kreuzritter, der nach der Legende durch einen Tropfen von Christi Blut sehend wurde. Analog zu dieser Geschichte ist das erwachte Ich des Liedes ,sehend‘ (Strophe I) geworden und fordert (verschwiegen) zum Sehen auf, um die verkommene Welt zu retten. Walther gelang hier ein kleiner Gegentext zum großen „Nibelungenlied“, das seine Gesellschaft ,blind‘ und ohne Perspektive entließ.

VI. Der Hof und die Minne – die mehrstrophigen Lieder 1. Höfisches Spiel Nicht nur die Sangspruchdichtung, auch der sogenannte Minnesang, d. h. Lieder über die höfische Liebe, vorzugsweise der Werbung um die höfische Dame, diente Walther dem Erwerbsleben am Fürstenhof. Dieses besondere Genre der europäischen Lieddichtung, das eng an das ritterlich-höfische Leben des Mittelalters gebunden war, eignete sich durch seine gemeinschaftsstiftende Funktion hervorragend für die Unterhaltung an den Festen des Adels und für dessen Repräsentationsbedarf. Walther thematisierte verschiedene Aspekte der höfischen Liebe (sowie konkurrierender Muster). Seine Thesen und Motive lagen vielfach im Rahmen jener volkssprachigen LiedTradition, die sich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts herausgebildet hatte, und führten diese weiter. Manche allerdings sprengten diesen Rahmen und wurden wohl auch schon von vielen Zeitgenossen als Provokation empfunden. Eine geschlossene, gar widerspruchsfreie Theorie, ein geschlossenes Konzept der Minne entstand dabei nicht. Cum grano salis findet man zwei Positionen, die, wenn auch anders kontextualisiert, z. B. schon in Hartmanns von Aue Liedern erscheinen: Im Rahmen der Tradition die vielfältigsten Variationen über die entsagende höfische Liebe (Hohe Minne) und, gegen diese Tradition, die Kritik der Hohen Minne im Sinne von Entwürfen einer do-ut-des-Beziehung (,ich gebe, damit du mir gibst‘), d. h. einer unmittelbaren Einforderung der ,Gabe‘ (s. S. 14). Man spricht, wohl wenig glücklich, insofern der Begriff ,Gegengesang‘ schon für die Parodie reserviert ist, von ,Gegenliedern‘ (s. z. B. Bein 1997, 112 und 119–138). In manchen Texten hat Walther die Gattungen Minnelied und Sangspruch einander angenähert – man spricht von ,Gattungsinterferenzen‘ (s. Brem 2003) –, sodass „Themen aus der Minne- bzw. Minnesangperspektive sowie aus der sangspruchhaften gleichermaßen beleuchtet werden“ (Nolte 2005, 383; s. z. B. W 32 Ir sult sprechen willekomen, s. S. 104–108; oder W 41 OwÞ, hovelîchez singen, s. S. 116–119). Die Entstehungsbedingungen der Lieder und deren Chronologie bleiben heute weitgehend im Dunkeln (vgl. z. B. Scholz 22005, 95–149). Ihnen hat sich die Waltherphilologie mit Hingabe gewidmet, hat den genetischen Aspekt gegenüber dem performativen und rezeptiven überbetont, vielfach auch getragen von dem Wunsch, die Texte in ein biografisches Muster einzuordnen und Textgruppen zu bilden. Ihre Ergebnisse beruhten nicht selten auf ,naiver‘ Psychologie und ,allgemeinmenschlichen‘ Überlegungen (z. B. wie ,man‘ in der Jugend, wie ,man‘ im Alter dichtet; dass ,man‘ zunächst an der Tradition haftet und sich dann von ihr löst). Alle diese Modelle konstruieren eine relativ dichte Schaffensphase zu Beginn des 13. Jahrhunderts, sodass über die Hälfte der Texte vor 1206 entstand, während die zehner

Aspekte

Textgruppen

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VI. Der Hof und die Minne

Themen

und zwanziger Jahre kaum besetzt sind. Auch die ,Offenheit‘ und ,Instabilität‘ des ,Werks‘, das man in seiner Totalität gar nicht kennt, wurde dabei wenig bedacht. Dies alles stellt heute nicht mehr zufrieden (s. Ehlert 1980; vgl. den Versuch von Nolte 1991, 255 ff.); nur noch wenige und sehr vage zeitliche Festlegungen sind durch die relative Chronologie möglich: z. B. durch Anspielungen auf Texte Reimars von Hagenau oder durch die Etablierung neuer Gesänge an den Höfen. Lieder, die thematisch und/oder musikalisch zu einer Gruppe gehören, brauchen im Übrigen nicht, wie auch angenommen wurde, in einem gemeinsamen Zeitraum entstanden zu sein. Walther setzte Textinstanzen ein, die ein höfisches oder kontrastives unhöfisches Spiel inszenieren, um über einen Performer mit der Gesellschaft kommunizieren zu können. Cum grano salis ließen sich seine Lieder zur höfischen Liebe vier Begriffen oder thematischen Gruppen zuordnen: – Deskription (das Ich beschreibt, was es erlebt, sieht, denkt, fühlt) – Reflexion (das Ich denkt über die höfische Liebe oder die höfische Dame nach) – Resignation (das Ich klagt über die Minne, das Alter, die Welt) – Protest (das Ich lehnt sich gegen die herrschende Konvention oder gegen ihm fremde Innovationen auf) Bevor einige dieser Rollen und Masken zu Erwerbszwecken am Adelshof näher besprochen werden, werden anhand einiger Zitate in einer kleinen Tour d’Horizon die beiden tragenden Begriffe des Genres ins Blickfeld gerückt: die höfische Liebe (s. Ehrismann/Heinen 1995; Haferland 2000) und die höfische Dame (s. Ehrismann 1995e).

2. Die höfische Liebe – Saget mir ieman, waz ist minne Hort der Tugenden

In dem Lied Maniger frâget, waz ich klage (W 6) ,philosophiert‘ die Textinstanz in geradezu scholastischer Manier über den Gegensatz zwischen Wort und Werk im Minnebegriff, sofern dieser auf die irdische Liebe bezogen ist: Minne ist ein gemeinez wort

,Minne‘ ist ein Wort, das jeder kennt, und doch ungemeine mit den werken, dÞst alsô. aber was sie tut, ist unbekannt; so ist es eben. minne ist aller tugende ein hort, Minne ist der Hort aller Tugenden, âne minne wirdet niemer herze rehte vrô. (W 6/II1–4) ohne Minne wird kein Herz wirklich froh.

Minne und Ehre

Die (richtig verstandene) Minne, die in Vers 6/II6 als frouwe minne personifiziert ist, wird durch zwei Eigenschaften bestimmt: sie ist der ,Hort aller Tugenden‘, d. h. in ihr sind alle guten Eigenschaften des Menschen versammelt, und sie schenkt die wahre Herzensfreude. Da das herze nach mittelalterlicher Auffassung als ,personale Mitte‘ bestimmt werden kann, die die geistigen und seelischen Kräfte des Menschen

2. Die höfische Liebe

steuert (s. Ehrismann 1995c), ist es die Minne, die die ,wahre‘ Freude (rehte liebe; W 6/I4) stiftet und damit zugleich, weil die Freude die wesentliche Bedingung des höfischen Lebens ist, das höfische Leben des Individuums prägt. Demnach stellt die Minne kein privates, sondern ein gesellschaftsrelevantes Phänomen dar und ist mit der Ehre verbündet: Swer giht, daz minne sünde sî, der sol sich Þ bedenken wol, ir wont vil manige Þre bî, der man durch reht geniezzen sol, und volget michel stæte und dor zuo sælickeit. (W 93/IV1–5; nach E)

Wer sagt, dass Minne Sünde sei, der sollte darüber besser vorher nachdenken, denn sie besitzt große Ehre, die man zu Recht nutzen soll, weil ihr große Beständigkeit und Glückseligkeit folgt.

Auch hier ist wieder die ,rechte Minne‘ gemeint, nicht die valsche[] minne […], die möhte unminne heizen baz (,falsche Minne, die besser Unminne hieße‘; W 93/IV7; nach E). In diesem Sinne unterscheidet das Lied Aller werdekeit ein füegerinne (W 23a; s. S. 101–104) zwischen ,niederer‘ und ,hoher‘ Minne: Nideriu minne heizzet, diu sô swachet, daz der lîb nâch kranker liebe ringet. […] hôhe minne heizzet, diu daz machet, daz der muot nâh werder liebe ûf swinget. (W 23a/II1–5) ,Niedere Minne‘ heißt die, die den Leib so schwächt, dass er nach wertloser Freude strebt. […] ,Hohe Minne‘ heißt die, die bewirkt, dass sich der Geist nach ehrenreicher Freude aufschwingt.

Die Hohe Minne ist öffentlichkeitsrelevant und führt zur werdekeit (s. Ehrismann 1995e), denn sie ,adelt‘ Geist und Seele. Der Wunsch nach sinnlicher Liebe – die übliche Umschreibung ist tougen minne (,heimliche Minne‘) – bleibt nach dem Ritual der höfischen Liebe unerfüllt, d. h. bewusste HinGabe ohne unmittelbare Gegen-Gabe: Ich trage in mînem herzen eine swære, der ich von ir lâzzen niht enmag, bî der ich vil gerne tougen wære, beide, naht und ouch den liehten tag. des enmag nû niht gesîn, es enwelle diu liebe vrowe mîn. (W 83/II)

Ich trage einen Schmerz in meinem Herzen, (ich,) der ich von ihr nicht lassen kann, bei der ich sehr gerne heimlich wäre in der Nacht und am hellen Tag. Das kann nun nicht sein, es sei denn, meine liebe Herrin wünschte es.

Die Gedanken dürfen frei schweifen, weil dies der Dame nicht schadet: waz schadit iu, daz man iuwer gert? jô sint iedoch gedanke vrî. (W 38/II3 f.)

Was schadet es Euch, dass man Euch begehrt? Ja, die Gedanken sind doch frei.

Solche Gedanken sind für den, der sich auf das Spiel der höfischen Liebe einlässt, durchaus nicht nur eine Quelle der swære, des Schmerzes, sondern auch der Freude. Aus diesem Paradox lebt die höfische Liebe:

Paradoxie

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VI. Der Hof und die Minne wunschen und wænen hât mich dicke frô gemachet. (W 37/I9 f.; nach E) zweier herzen wunne

Gegenüber solcher Hin-Gabe in Anlehnung an das feudale Dienstmodell – eigenlîchen dien ich ir ,als Leibeigener diene ich ihr‘ (W 83/I5; s. S. 14) – finden sich in dem Liedkorpus Walthers andere, befremdliche Töne. In der Fiktion des scheinbar Ratsuchenden bittet die fragende Instanz um Hilfe bei der Klärung des Minnephänomens (s. Wenske 1994, 53–81, jedoch ohne Reflexion der Varianz; Knape 1994; Steinmetz 2003; zur Überlieferung Ranawake/Steinmetz 2005): Saget mir ieman, waz ist minne, so west ich gerne ouch darumbe mÞa. swer sich rehte nû versinne, der berihte rehte mich, wie tuot si wÞ. minne ist minne, tuot si wol. tuot si wÞ, sône heizzet si niht minne, sus enweiz ich, wie si danne heizzen sol.

Erklärt mir jemand, was Minne ist, ich wüsste doch auch gerne mehr darüber. Wer es genau weiß, der erkläre mir genau, warum sie schmerzt. Minne ist Minne, wenn sie guttut. Schmerzt sie, dann heißt sie nicht ,Minne‘, in diesem Fall weiß ich nicht, wie sie dann heißen soll.

Ob ich rehte râten kunne, waz diu minne sî, sô sprechent: „jâ“! minne ist zweier herzen wunne: teilent si gelîche, sô ist diu minne dâ.

Wenn ich richtig erraten kann, was die Minne ist, dann ruft: „ja“! ,Minne‘ bedeutet die Freude zweier Herzen: Haben sie gleichen Anteil daran, dann ist die Minne da. Wird aber nicht geteilt, dann kann sie ein Herz allein nicht aufnehmen. Ach, meine Herrin, würdest du mir helfen!

sol aber ungeteilet sîn, sô enkan si ein herze aleine niht enthalden. owÞ, woldest dû mir helfen, frowe mîn! (W 44/I–II) a

Äquivalenz versus Differenz

Wünschen und vergebliches Hoffen haben mich oft froh gestimmt.

E: weiz ich des ein teil, ich westez gerne mÞ

Die Strophenfolge des 4- oder 5-strophigen Liedes variiert in den Handschriften, doch ist immer ein Werbekomplex in einen Reflexionskomplex eingearbeitet. Im Zentrum steht die Aussage: minne ist zweier herzen wunne mit den dazugehörigen Erläuterungen, dass sie von beiden Herzen zu gleichen Anteilen aufgenommen werden müsse. Dieses (horizontale) ,Modell der Äquivalenz‘ konterkariert das hierarchische (vertikale) ,Modell der Differenz‘, das die Minnelied-Sänger seit dem späteren 12. Jahrhundert in stetig sich verfeinernder Form entwickelt hatten. Innerhalb dieses Kontextes kann man Walthers Text durchaus eine mutige, mit dem herkömmlichen Dienstprinzip nicht mehr kompatible Innovation in der Gattung Minnelied nennen. ,Äquivalenz‘ bedeutet allerdings nur ,gleichen Anteil an der Freude‘, wie immer er aussehen mag. Es handelt sich hier nicht um ein ,überständisches Projekt‘, eine Aufhebung von Rangunterschieden. Einmalig, aber konsequent ist die Strategie, mit der die Ich-Instanz des Liedes ihr Ziel zu erreichen sucht, denn sie droht, den Dienst aufzukündigen, den sie offenbar eingegangen ist: sî aber ich dir gar unmære, Wenn ich dir aber völlig gleichgültig bin, daz sprich endelîche, sô lâzze ich den strît dann sage das endlich, dann lasse ich meine Bemühungen und werde ein freier Mann. und wirde ein ledic man. (W 44/III3–5)

2. Die höfische Liebe

Schon die singulare Anrede du lässt aufhorchen, denn sie ist in einem kultivierten Dialog der Walther-Zeit unpassend und unhöflich. Sie ist im Rahmen höfischer Kommunikation derart frech, dass ein höfisches Publikum das Thema des Liedes ohnehin nur bedingt ernst genommen und sich wesentlich an dessen Argumentationsweise erfreut haben dürfte. Das Ich baut eine Drohkulisse auf, durch die es – dies gehört zur ,enzyklopädischen Kompetenz‘ des auditor in poema und muss im Lied nicht eigens erwähnt werden – die Ehre der Dame in der Hofgesellschaft infrage stellt: du solt aber eines wizzen, daz dich rehte lützel ieman baz danne ich geloben kann. (W 44/III6 f.) Aber eines musst du wissen: dass dich überhaupt niemand besser als ich loben kann.

Die beiden Verse verdeutlichen: Es geht um die Art der Gabe. Diese ist nicht mehr die traditionelle ritterliche Hin-Gabe im Dienst, sondern die Kunst des Sängers. Sollte das wundern? Ist es nicht ein verborgenes Zeichen dafür, dass das Ich gar keinen ritterlichen Dienst zu vergeben hat? In diesem ,Modell der Äquivalenz‘, das sich für Walther als typisch erweist, liegen wahrscheinlich IchA, P und T sehr dicht beieinander, weil es um diejenige Gabe geht, die ihm, dem Dichter, ausreichend zur Verfügung stand. Die Ehre des Dichters ist seine Kunst. Walthers ,Modell der Äquivalenz‘, des do-ut-des, bedeutete keine Absage an die höfische Liebe. Die Erörterung des Minnebegriffs diente der Stabilisierung der sozialen Mobilität des Dichters, denn sie irrlichterte nicht im Glashaus literarischer Diskurse umher, sondern griff über den hintergründig eingeblendeten Ehrbegriff in das höfische Sozialgefüge ein. Handelte es sich auch um eine Revision der personalen Beziehungen im Minnelied? Das Lied enthält eine Formulierung, die man als revocatio (,Zurücknahme‘), aber auch provocatio (,Herausforderung‘) auffassen kann und die etwas ratlos lässt; in C bildet sie den Schluss der ersten, in A den Schluss der dritten und nur in den späteren Handschriften E, F, und O den Schluss der letzten Strophe: wÞ, waz sprich ich ôrenlôser, ougen âne? den diu minne blendet, wie mac der gesehen? (W 44/V6 f.) Ach, was sage ich Ohrenloser, ohne Augen? Den, den die höfische Liebe blendet, wie kann der sehen?

Verse, die vieles offenhalten. Doch worauf beziehen sie sich? „Glaubt denn meine Herrin“, fragt das Ich des Liedes, „dass ich Freude für Leid verschenke? Soll ich sie denn verherrlichen, damit sie mir dies dann ganz und gar als meine Ehrlosigkeit zurückgibt“ (W 44/V4: daz si es wider kÞre gar an mîn unwerdekeit; Schw. 2, 369: ,daß sie dies für mich in Schmach verkehrt‘). Die Ehre (werdekeit) des Dichters, so will es scheinen, ist – jedenfalls in C – das vorrangige Thema des Liedes, nicht die Minne, deren Begriff über das Äquivalenzprinzip geklärt wird, das die (Ver-)Blendung ausschließt. Zu den Überlegungen, dass Walthers Innovation einer bestimmten ,mittleren‘ Schaffensphase zuzuordnen sei, die mit mancherlei ,allgemein-

Kunst als Gabe

Ehre und soziale Mobilität

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VI. Der Hof und die Minne

menschlichen‘ Vorannahmen verbunden sind, wird hier nicht Stellung genommen. Nach Borck (1975), der, wie auch die Ausgabe Cormeaus, der Anordnung der jüngeren Handschriften folgt, widerruft der letzte Vers den Widerruf, weil der ,geblendete‘ Walther sich als jemand inszeniere, der das Wesen der Minne kenne. Nach Hahn forderte Walther, dass die Minne die Gesellschaft prägen müsse: „Während der bisherige Minnesang sein höfisches Menschenbild zwar für die Gesellschaft entwarf, aber, in seinem Rollenspielcharakter, nicht mitregistrierte, ob und wie Minne Wertbewußtsein und Verhalten der Gesellschaft, die gesellschaftliche Realität tatsächlich prägte, verlangt Walther gerade dies.“ (Hahn in BHMS, 94)

3. Die höfische Dame – Si wunder wol gemachet wîb Traumbild

Varianz

Die Autoren mittelhochdeutscher Narrative und Gesänge, so wurde in Kapitel I.3 allgemein festgestellt, zeichneten gerne ein Traumbild der höfischen Dame und knüpften es an die Idee der Kalokagathie. In diesem Bild trugen sie die Farben der Schönheit (schœne), Sittsamkeit (tugent) und höfischen Bildung (zuht) besonders kräftig auf. Auch ,Walthers Damen‘ bildeten nicht die Wirklichkeit der weiblichen Aristokratie ab, und schon gar nicht sollte man, wie in der älteren Forschung vielfach geschehen, versuchen, bestimmte hohe Frauen der höfischen Gesellschaft der Walther-Zeit namhaft machen zu wollen, mag sich auch die eine oder andere beim Vortrag des Sängers besonders angesprochen gefühlt, ja mag, wie Haferland 2000 annimmt, der Dichter selbst seine Angebetete konkret vor Augen gehabt haben. Darüber weiß man nichts. Im Folgenden werden zwei Ideale beschrieben, die das Bild der höfischen Dame näher bringen können: das Ideal vollkommener Schönheit und das Ideal der Frau, das in eine interessante Spannung zum herkömmlichen Ideal der höfischen Dame tritt. Si wunderwol gemachet wîp Das Frauenpreislied mit Werbecharakter Si wunder wol gemachet wîb (W 30; s. Sayce 1982; Tervooren 1988; Wolf 1989; Sievert 1990, 75–91; Ehrismann 1993; Hübner 1996, 232–237; Bauschke 1999, 109–133; Haupt 2004) folgt in der DN-Fassung dem Topos der descriptio corporis bzw. descriptio pulchritudinis (,Beschreibung des Körpers‘, ,der Schönheit‘) der mit´ oder amtellateinischen Poetiken. Reichhaltig wird die Hyperbel (tpeqbokg plificatio ,Überbietung‘, ,Steigerung‘) eingesetzt. Die erste Strophe dieses Männermonologs klärt das Verhältnis der Textinstanz zur Dame, die hier mit dem gegenüber vrouwe allgemeineren Begriff wîp bezeichnet wird. Die Instanz setzt sich in Opposition zu einem anderen Sängerkollegen, den sie nicht nennt, den man aber nach einer Anspielung in der vierten Strophe gut als Reimar (s. Kapitel VI.4) identifizieren kann. Die Handschriften verzeichnen die Strophenfolge unterschiedlich, sodass man im Grunde mehrere Lieder vorfindet: Nur D und N überliefern die stringent erscheinende topdown-descriptio, C bietet ihnen gegenüber die Strophenfolge I, II, V, III, IV (s. Laude 2004) an, A die Folge I, III, IV, V, II (s. zur Varianz Lüpges 2007). Es

3. Die höfische Dame

waren also Liedvorträge mit unterschiedlichem Blick auf die Dame möglich, im Folgenden wird die Wahrnehmung von D und N angenommen. Alle Texte beginnen mit dem Gesamteindruck: Si wunder wol gemachet wîb, daz mir noh werde ein habedanc! ich setze ir minneklîchen lîb vil hôhe in mînen werden sanc. gerne ich allen dienen sol, doch hân ich mir dise ûz erkorn. ein ander weiz die sînen wol, die lob er âne mînen zorn. hab im wîse und wort mit mir gemeine: lob ich hie, sô lob er dort. (W 30/I)

Diese wunderschön gestaltete Frau, dass mir noch ein ,Hab Dank‘ zuteil werde! Ich schenke der Pracht ihres Leibes einen Ehrenplatz in meinem Preislied. Gerne diente ich allen, doch diese habe ich mir gewählt. Ein anderer kennt die Seine gut, die lobe er, ohne dass ich deshalb ärgerlich wäre. Er mag Wort und Weise mit mir gemeinsam haben: Lobe ich hier, dann lobe er dort.

Der Sänger hebt den schön anzuschauenden Körper der Dame hervor. Dies war in der lateinischen Vagantendichtung durchaus üblich, nicht jedoch im herkömmlichen Minnelied. Wohl deshalb umschreiben manche Übersetzer minneklîchen lîp mit ,liebreizende Person‘ (Schw. 2, 145) oder gar ,Schönheit‘ (Wapnewski 252002 , 21). Man könnte Walther, nicht zuletzt angesichts der letzten Strophe des Liedes, aber durchaus einen Seitenblick auf die vagantischen Texturen zutrauen. In den folgenden drei Strophen haftet der Blick des Ichs gebannt auf dem Haupt der Dame, und zwar zunächst auf den Augen, die nach der Minnepsychologie der Zeit die Minne übermitteln, die durch die Augen ins Herz dringt: Ir houbet ist sô wunnen rîch, als ez mîn himel welle sîn. wem mœhte ez anders sîn gelîch? ez hât ouch himeleschen schîn. dâ liuhtent zwÞne sternen abe, dâ müezze ich mich noch inne ersehen. daz si mirs alsô nâhe habe! sô mac ein wunder wol geschehen: ich junge, und tuot si daz, und wirt mir gernden siechen senender sühte baz. (W 30/II)

Augen

Ihr Haupt ist so reich an Freuden, als ob es mein Himmel sein wollte. Wem anders könnte es gleichen? Es hat auch himmlischen Glanz. Da leuchten zwei Sterne herab, in denen ich mich spiegeln möchte, käme sie mir damit doch so nahe! Dann würde sicherlich ein Wunder geschehen: Ich würde jünger, täte sie das, und mir, vor Begehren krank, würde meine Sehnsucht gelindert.

So konventionell wie der Beschreibungstopos, so konventionell ist die astrale Symbolik der Augen: in iocunda facie stelle radiabant (,in dem heiteren Angesicht, leuchteten zwei Sterne‘; CB 7716). Die Heiterkeit (wunne) ist für den höfischen Körper, den Walther hier nach gut bekannten Mustern konstruiert, unabdingbar. Die Augen sind dabei nicht nur der Eingang zum Herzen, sondern auch dessen Ausgang, d. h. ein Spiegel des Herzens, damit der Gefühle und Gedanken der ,geliebten‘ Persönlichkeit, und deshalb möchte ihr der Betrachter so nahe wie möglich kommen. Spiegelbildlich zur zweiten haftet die dritte Strophe im Aufgesang am Detail, den Wangen, um dann im Abgesang zur Totalen zurückzukehren: Got hât ir wengel hôhen flîz,

Totale

Gott hat große Sorgfalt auf ihre Wangen verwendet,

Wangen

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VI. Der Hof und die Minne er streich sô tiure varwe dar, sô reine rôt, sô reine wîz, dâ rœseloht, dâ liljen var. Ob ichz getar von sünden sagen, ich sæhe si iemer gerner an danne alle himel oder himel wagen. owÞ, waz lob ich tumber man? mache ich mir si ze hÞr, vil lîhte wirt mînes herzen lob mîns herzen sÞr. (W 30/III)

Dichter als Schöpfer

Kussraub

er bemalte sie mit kostbarster Farbe, reinstem Rot, reinstem Weiß, da rosen-, da lilienfarben. Wenn ich es, ohne mich zu versündigen, sagen darf, dann sähe ich sie stets lieber an als alle Himmel oder den Großen Wagen. Ach, was lobe ich, ich Narr? Mache ich sie mir zu erhaben, so wird leicht das Lob meines Herzens meines Herzens Schmerz.

Das Farbenspiel gehörte zum poetischen Standard: Rot für den Mund, die Leidenschaft und die Liebe, weiß für Reinheit und Keuschheit; die Rose auch für die Sexualität. Der Große Wagen steigert das Bild der ,Augensterne‘. Der Sternenhimmel repräsentierte im Mittelalter den göttlich gestalte´) ten Kosmos (ordo). Mithilfe der rhetorischen Figur der similitudo (paqabokg öffnet also die Textinstanz der Dame den Raum des Göttlichen, betritt ihn jedoch mithilfe einer restrictio mentalis (,Einschränkung des Wortgebrauchs‘) zu Beginn des Abgesangs nur zögernd. Der emphatischen Äußerung konnte auf diese Weise keine Blasphemie unterstellt werden. Erklärt sie (vgl. Hübner 1996, 478) denn mit mache ich mir si ze hÞr das wunderwol gemachet wîp auch zum eigenen Geschöpf? Oder war es doch Gott, dessen Farbkunst das Ich bestaunt? Fallen nicht vielmehr beide zusammen? Erinnert sei nur an die Verse der Bittstrophe 11/VII6 f.: swelh schœne wîb mir gæbe […] ir habedanc, / der liezze ich liljen unde rôsen ûz ir wengel schînen (,welche schöne Frau mir ihr ,Hab Dank‘ schenkte, der ließe ich Lilien und Rosen aus ihren Wangen erblühen‘). Der Dichter wird zum Schöpfer, allerdings, dies wäre erst im Denken der Renaissance möglich, nicht Gott gleich. Die beiden folgenden Strophen verdichten die sinnliche Atmosphäre des Liedes. In einem intertextuellen Spiel wird zunächst die Doppelbödigkeit der ersten Strophe, der Invektive gegen Reimar, wieder aufgenommen. In einer gewiss nur mäßig witzigen Strophe hatte Reimar seiner Liedinstanz den Wunsch unterstellt, einen von ihr der Dame geraubten Kuss dieser wieder zurückzugeben, wenn sie den Raub nicht wolle (s. DL 1313). Der Kussraub ist ein Motiv aus der provenzalischen Dichtung. Für Reimars Lieder war solch frivoles Spiel keineswegs üblich (s. dazu Hausmann 1999, 183–192), Walther jedoch nahm es mehr oder weniger scherzend auf und operierte dabei virtuos mit dem mittelhochdeutschen Homonym küssen (= ,Kissen‘, ,Küssen‘), das er auch metonymisch (,Küssen‘ = ,Mund‘) einsetzte (s. auch S. 94). Nach dem Konzept gegenseitiger Akzeptanz und Höflichkeit durfte der Kuss nicht geraubt, sondern nur geliehen werden: Si hât ein küssen, daz ist rôt, gewunne ich daz für mînen munt, sô stüende ich ûf von dirre nôt und wær ouch iemer mÞ gesunt. swâ si daz an ir wengel leget,

Sie hat ein Küssen und auch Kissen, das ist rot, bekäme ich das vor meinen Mund, dann stünde ich auf aus diesem Elend und wäre für immer geheilt. Dort, wo sie es an ihre Wange legt,

3. Die höfische Dame dâ wær ich gerne nâhe bî. ez smeket, sô manz iender reget, als ez volles balsemen sî. daz sol si lîhen mir, swie dike siz hin wider will, sô gibe ichz ir. (W 30/IV)

wäre ich gerne nahe dran. Es duftet und schmeckt, wenn man es berührt, als ob es voll Balsam sei. Das möge sie mir leihen, sooft sie es wieder zurückhaben will, sooft gebe ich es ihr.

Vers 1/2: küssen = ,Mund‘, ,Küssen‘, ,Kissen‘ Vers 5: ez = ,Kissen‘ Vers 7: ez = ,Mund‘, ,Kissen‘ Vers 9/10: daz/siz = ,Küssen‘, ,Kissen‘

Die Schlussstrophe kommt mithilfe des Topos der Diskretion rasch zur Pointe, die jedoch schwierig zu entschlüsseln ist:

Diskretion

Ir kel, ir hende, ietweder fuoz, daz ist ze wunsche wol getân. ob ich dâ enzwischen loben muoz, ich wæne, ich nie beschowet hân.

Ihr Hals, ihre Hände, jeder Fuß, das alles ist vollendet schön. Soll ich lobpreisen, was dazwischen ist, ich glaube, ich habe so etwas noch nie gesehen. ich hete ungerne „deke blôz!“ Ich hätte ungerne „verhülle dich!“ gerufen, als ich sie nackt erblickte. geruofeta, dô ich si nakent sach. si sach mich niht, swie si mich schôz. Sie sah mich nicht, obgleich sie mich wund schoss. daz mich noch stichet, als ez stach, Es sticht mich (heute) noch, wie es (damals) stach, swanne ich der lieben stat wenn ich an den lieblichen Ort denke, gedenke, dâ si ûz einem reinen bade trat. an dem sie aus einem herrlichen Bade stieg. (W 30/V) a

statt geroufet

C arbeitet im letzten Vers mit der mixtura verborum, indem es reine dem Bad, nicht wie A und N (dâ diu vil minneclîch ûz einem bade trat) sowie D (dâ die reine süeze […]) der Dame zuordnet, diese aber sicherlich meint. Der Ausruf deke blôz, hier etwas frei mit ,verhülle dich‘ übersetzt, wäre, fasste man blôz als adjektivisches Substantiv auf, wörtlicher mit ,bedecke die Blöße‘ oder, interpretierte man ihn als Ellipse, mit ,der Decke bloß‘ wiederzugeben. A schreibt übrigens dicke blôz, was etwa so viel wie ,überall nackt‘ bedeuten könnte. Eine solche Szene erinnert weniger an einen höfischen als an einen vagantischen Text, in dem selbst sinus und uterus keine Fremdkörper wären. Es scheint, als ob sich Walther Anregungen aus dem konkurrierenden Genre geholt, diese dann aber mithilfe des tabuisierenden Topos der Diskretion höfisch hörbar gemacht hätte (vgl. Ehrismann 1987). Das Ich seines Liedes entpuppt sich zwar als Voyeur, doch schweift dessen männlich-lustvoller Blick nicht lüstern nach Art des Pan über die nackte Dame. Es bleibt beim Schauen, kein faunischer Gedanke ans Berühren. Hinter dem Schweigen des Beobachters steckt mehr: nicht nur die Freude des Schauens, sondern auch das Wissen, dass der Ruf, d. h. die Sprache, das ,reine‘, das ,göttliche‘ Bild zerstört hätte. Das Schöne ist nur schauend, nicht redend zu erfassen – es ist unaussprechbar.

schauen versus reden

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VI. Der Hof und die Minne Venus/Minne

Batseba?

Auftritt der Dame

Man könnte die Strophe literal lesen und sähe dann eine schöne Nackte, dem Bad entsteigend. Jedoch liegt eine allegorische Deutung näher, denn die Dame ,schießt‘ und ,verwundet‘ tief. Dadurch gleicht sie Venus, der Göttin der Liebe. In einem Lied Walthers heißt es: Frowe minne […] ir habet mich geschozzen (W 17/II1–6); Venus ist die personifizierte minne. Walthers wunderwol gemachet wîp bildet vor diesem Hintergrund die Venus (= Minne) ab. Ihre griechische Entsprechung ist Aphrodite, deren Name ,die aus dem Meeresschaum Geborene‘ bedeutet. In der mythologischen Tradition wurde sie als Nackte oder sich Enthüllende dargestellt und durch vollendeten sinnlichen Liebreiz ausgezeichnet. Heinrich von Morungen hatte Venus in den zeitgenössischen Minnesang mit den bewundernden Worten eingeführt: Ich wæne, si ist ein VÞnus hÞre, die ich dâ minne (DL 116/31). Möglicherweise wollte Walther ihn in seinem Lied überbieten, eins mit ihm in dem Ziel, die erotische Atmosphäre der höfischen Gesellschaft auf kultivierte Weise zu verdichten. E. Wenzel (2001; zustimmend Kern 2005, 208 f.) bezieht ihre Interpretation des Liedes auf 2. Samuel 112–4: Dort beobachtet König David die schöne badende Batseba. Danach wäre, im Sinne der typologischen Textausdeutung, der heimliche Beobachter – gar Walther selbst – ein neuer David. Hier scheint das Spiel der Interpretation überdehnt, zumal David ein lüsterner Beobachter ist und mit Batseba schlafen wird (s. auch Bauschke 1999, 126 f.). Die Frau als Schauobjekt Jeder Frauenpreis besitzt, so hoch das ästhetische Vergnügen an ihm auch sein mag, eine ethische und sozial-integrative Funktion, die die Rolle der Frau in der höfischen Gesellschaft festlegt. In seinem Lied Sô die bluomen ûz dem grase dringent (W 23) inszenierte Walther einen in diesem Sinne bezeichnenden Auftritt der höfischen Dame, der im Übrigen wieder auf das Schauen fokussiert ist: Swâ ein edeliu frowe, schœne, reine, wol bekleit und dar zuo wol gebunden

Wo immer eine edle Frau, schön, keusch, gut gekleidet und mit gut sitzendem Gebände dur kurze wîle zuo vil liuten gât, zur Geselligkeit unter die Leute geht, hovelîchen hôhgemuot, niht eine, höfisch, freudig gestimmt, nicht alleine, umbe sehende ein wÞnic under stunden, zuweilen sich ein wenig umschauend, alsam der sunne gegen den sternen stât … wie die Sonne den Sternen gegenüber … der meie bringet uns al sîn wunder, der Mai bringt uns all seine Wunder, waz ist dâ sô wunneklîchez under doch was ist darunter so Liebliches als ir vil minneklîcher lîb? wie ihr prachtvoller Leib? wir lâzzen alle bluomen stân Wir lassen alle Blumen stehen und kapfen an daz werde wîb. (W 23/II) und starren die herrliche Frau an.

Eius vultus, / forma, cultus / pre puellis / ut sol stellis / sic prelucet (,Ihr Antlitz, ihre Gestalt, ihre Erscheinung überstrahlen alle Mädchen wie die Sonne die Sterne‘; CB 69/2). Wenn sich dieser vagantische Text auch auf eine puella bezieht, ein ,einfaches Mädchen‘, wie man es in Pastorellen findet, so zeigt er doch, dass Walthers Vergleich so einmalig nicht war. Es ist die Komposition, die seine Kunst ausmacht. Mohr (1971, 336) spricht von der Um-

3. Die höfische Dame

setzung des „vagantischen Frühlings-Liebesliedes […] in den Stil des ,hohen Sanges‘“. Die höfische Dame ist ein Objekt männlichen Schauens, der Schönheit, und in diesem Sinne ein sozial-integratives Objekt: swer wirde und frœide erwerben wil, / der gediene guotes wîbes gruoz (,wer Ehre und Freude erwerben möchte, der diene um die Gunst einer edlen Frau‘; W 65/ IV7 f.). Die Ehre der Frau ist ihre Sittsamkeit, die zuht. Eine Dame geht nur in Begleitung, um sich nicht als ein Objekt der Begierde zu präsentieren, und sie schaut sich nur manchmal ein wÞnic um, senkt ihren Blick, sonst erschiene sie neugierig und ,auf Männerfang‘ aus. Dies alles ist freilich höfisches Gemeingut, das Walther aus Narrativen und Liedern vertraut gewesen sein konnte. Ihm, so scheint es, lag an einer künstlerischen Aufwertung des Frauenbildes, die seine persönliche und unverwechselbare Signatur trug. Frau und Dame Als Walther in dem Lied Hie bevor, dô man sô rehte minneklîche warb (W 25) die Bedeutung der Bezeichnungen wîp (= ,Frau‘; zur Walther-Zeit noch ohne Abwertung gebraucht) und frouwe (= ,Dame‘; synonym mit ,Herrin‘; auch ,Frau‘) diskutierte, leitete er den ,Adel‘ der Frau nicht von ihrer sozialen Stellung, sondern von ihrem Frausein, ihrer ,Weiblichkeit‘, ab:

Lob der Weiblichkeit

Wîb muoz iemer sîn der wîbe hôhste name und tiuret baz danne frowen, als ihz erkenne. swâ der deheiniu sî, diu sich ir wîbheit schame, diu merke disen sanc und kiese ouch denne: under frowen sint unwîb, under wîben sint si tiure. wîbes name und wîbes lîb, diu sint beidiu vil gehiure. swiez umb alle frowen var, wîb sint alle frowen gar. zwîvellob, daz hœnet als underwîlent frowen, wîb ist ein name, ders alle krœnet. (W 25/IV) ,Frau‘ wird immer der höchste Begriff für die Frauen sein, denn er adelt nach meiner Ansicht mehr als ,Dame‘. Wo immer eine darunter ist, die sich ihrer Weiblichkeit schämt, die höre auf diesen Gesang und wähle dann auch danach: Unter den Damen gibt es Frauen ohne Weiblichkeit, unter den Frauen gibt es sie nicht. Die Person der Frau und ihre Erscheinung erregen beide Wohlgefallen. Wie immer es um alle Damen stehen möge, alle Damen sind doch Frauen. Ein zweifelhaftes Lob, wie bisweilen ,Dame‘, ist fragwürdig, ,Frau‘ ist der Begriff, der sie alle krönt.

Der kritische Blick auf die höfische Dame erfolgt hier weder mit dem Ziel einer Sprachregulierung noch mit dem einer Adelskritik. Die von Walther eingesetzte Textinstanz steht nicht für einen überständischen Humanismus, der die feudale Gesellschaftsordnung infrage stellte, sondern für die Bewahrung der Menschlichkeit in jeder, auch der höchsten sozialen Position.

Leistung des Sängers

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VI. Der Hof und die Minne

Dazu gehörte – und deshalb sollten die Äußerungen über die Weiblichkeit nicht in einen zu weiten Rahmen gestellt werden – namentlich die Achtung vor dem Sänger und seiner Leistung: Ich sanc hie vor den frowen umb ir blôzzen gruoz, den nam ich wider mîme lobe ze lône. swâ ich des geltes nû vergebene warten muoz, dâ lobe ein ander, den si grüezze schône. swâ ich niht verdienen kan einen gruoz mit mîme sange, dar kÞre ich vil hÞrscher man mînen nak alder ein mîn wange. daz sprichet: mir ist umbe dich rehte als dir ist umbe mich. ich will mîn lob kÞren an wîb, diu kunnen dankena waz hân ich von den uberhÞren? (W 25/II; folgt in C aber nach Strophe IV) a

über danken steht Þren mit anderer Schrift

Früher sang ich vor den Damen, nur um einen Gruß zu erhalten, den nahm ich als Lohn für meinen Lobpreis. Wo ich jetzt vergebens auf die Bezahlung warten muss, da lobe ein anderer, den sie schön grüße. Wo ich mit meinem Gesang keinen Gruß verdienen kann, dorthin wende ich wie ein Herr meinen Nacken oder eine meiner Wangen. Das bedeutet: Mir liegt an dir genauso viel wie dir an mir. Ich werde mein Lob Frauen zuwenden, die danken können. Was habe ich von den Übervornehmen? do ut des

die Dame

Die Strophe entwirft eine dem Äquivalenzmodell (s. S. 84) verpflichtete Biografie. Dies erinnert zwar an ein Lied Hartmanns von Aue, in dem die Dame als ze hôhez zil (DL 96/28) infrage gestellt und die These: als si mir sint, als bin ich in (,wie sie zu mir sind, so bin ich zu ihnen‘; DL 96/22) propagiert wird. Doch Walther respektierte stets den Rahmen des Minnedienstes, was bei Hartmann nicht so sicher ist, und seine Schelte galt nicht dem ,zu hohen Ziel‘, sondern offenbar der Arroganz einiger Damen der Hautevolee, von denen er sich abwendete. Walthers Konstruktion der höfischen Dame diente, wie der mittelalterliche Minnesang insgesamt, nicht dem Entwurf von Weiblichkeitsmustern. Die Dame blieb, in welcher Gestaltung auch immer, immer nur sie selbst (vgl. z. B. auch Hahn 1979, 133–137; Heinen 1989; Bein 1997, 158 f.), für eine Allegorisierung im Sinne etwa von ,Gesellschaft‘, ,Hof‘ oder ,Mäzen‘ (s. z. B. Mohr 1967; Kircher 1973, 118; Kaiser 1975, 64) fehlen überzeugende Hinweise. Die poetischen Frauenbilder dienten der „Konstruktion adlighöfischer Männlichkeit“ (Mecklenburg 2004, 107) und – dies sollte man nicht aus dem Blick verlieren – der sozialen Mobilität des Dichters selbst. Walther suchte dabei seine Ehre nicht nur durch die Überbietung herkömmlicher Muster und ,Texte mit traditionellem Minnedienst‘, sondern auch durch ,Texte mit Äquivalenzprinzip‘ zu steigern.

3. Die höfische Dame

4. Walther und Reimar – Sterbet si mich, sô ist si tôt Die Nähe zur Dame Die literarische Kommunikation zwischen Reimar und Walther, ein Streitgespräch über die Positionierung der höfischen Dame, hat die Walther- und Reimarphilologie lange Zeit in Atem gehalten (s. grundlegend Bauschke 1999). In mühevoller Kleinarbeit wurden drei Phasen einer ,Reimarfehde‘ am Wiener Hof (re)konstruiert. Dort sollte Reimar ,Hofsänger‘ gewesen sein. Jede Zeit hat ihre Interessen, und heute ist man zurückhaltender. Die Fehde im Sinne eines literarischen Wettstreits (s. Scholz 22005, 131), der ein kunstsinniges Publikum voraussetzt, wird kaum in Abrede gestellt, aber detailliert zu entfalten ist sie nicht mehr (s. Birkhan 1971; Ranawake 1982; Schweikle 1986a, 1989; Scholz 22005, 129–142): „Literarische Fehden solcher Art wird man mit Bedacht beurteilen müssen. Wie groß der spielerische Anteil ist, kann man kaum genau festmachen, ebenso wenig wie wir die Dimensionen des Ernstes solcher Dispute auszuloten imstande sind.“ (Bein 1997, 167) Die Kontroverse berührte die Nähe zur Dame. Die Lieder W 30 (Si wunder wol gemachet wîb) und W 25 (Hie bevor, dô man sô rehte minneklîche warb) reagierten auf Reimars überhöhtes Differenzmodell, seine These des bedingungslosen Dienstes (vgl. S. 14); Lied W 32 (Ir sult sprechen willekomen; s. S. 104–108) zeigt nur eine geringe Reimar-Präsenz. Reimars meniger zuo den frouwen gât, / und swîget allen einen tac (,Manch einer geht zu den Damen und schweigt einen ganzen Tag lang‘; DL 137/45 f.), könnte eine spöttische Replik auf Walthers Als ich under wîlen zir gesizze, / sô si mich mit ir reden lât, / sô benimt si mir sô gar die wizze […] (W 87/III1–3: ,wenn ich manchmal bei ihr sitze, sofern sie mich mit sich reden lässt, raubt sie mir völlig den Verstand […]‘) gewesen sein. Die Fehde zwischen beiden Opponenten war, auch wenn sich ihre Tiefe heute nicht mehr zuverlässig rekonstruieren lässt, nicht ohne Schärfe, standen sich doch zwei deutlich voneinander abgehobene innovative Positionen gegenüber, die man mit den Akzenten ,Festhalten an der Tradition‘ und ,Relativierung der Tradition‘ versehen kann. Beide waren sie der konservativen Werteethik der Fürstenhöfe verpflichtet. Vielleicht sollte man in Bezug auf Reimar von einer Kultur der Distanz, in Bezug auf Walther von einer Kultur der Nähe sprechen. Dabei bezieht sich die Nähe nicht auf den sozialen Rang, sondern auf die soziale Leistung, welche die Ehre der Person begründet. Die Kronzeugen der Fehde sind die folgenden Texte. Ich wirbe umbe allez, daz ein man Von der vollkommenen Hin-Gabe – sô gar bin ich ir undertân (s. S. 14) – handelt Reimars Lied Ich wirbe umbe allez, daz ein man (DL 131), auf das das (nur in C überlieferte) 2-strophige Lied Walthers Ein man verbiutet ein spil âne pfliht (W 81) mit dem Melodie-Hinweis In dem dône · Ich wirbe umb allez, daz ein man Bezug nimmt. Solche Hinweise gibt die Handschrift sonst nicht, und der vorliegende ist heute nicht mehr nachzuvollziehen, zumal auch die metrischen Bauformen beider Lieder nicht übereinstimmen. Niemand, so Walthers Redeinstanz, könne dem übertriebenen Lob folgen, das ein man – Reimars Name wird nicht genannt – seiner Dame zolle:

Fehde

ôsterlîcher tac

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VI. Der Hof und die Minne er giht: wenne sîn ouge ein wîb ersiht, si sî sîn ôsterlîcher tag. (W 81/I3 f.)

vuoge

er sagt: wenn sein Auge eine Frau erblickt, sie sei sein österlicher Tag.

Dieses Bild, das die Dame „hyperbolisch als Auferstehungs- und Erlösungsfreude“ (Kasten in DL, S. 856) feiert, das man u. a. auch bei Heinrich von Morungen findet (s. DL 118/16), stammt nicht aus Reimars Lied Ich wirbe, sondern aus Ich wil allez gâhen (DL 137). Offenbar lag Walther an einer umfassenden, nicht nur auf einen bestimmten Text bezogenen Invektive, die sich zudem gegen die „gewagte religiöse Bildlichkeit“ (Hahn in BHMS, 83) gerichtet haben könnte. Die folgende Strophe attackiert den Kussraub (s. S. 88 f.) und lässt dabei nach dem Genre des Wechsels effektvoll die Dame selbst zu Wort kommen: Sie sei bisher eine ehrbare Frau gewesen, der man durch einen Raub keinen Schaden zufügen könne; sein küssen wolle sie nicht: swer aber küssen hie ze mir gewinnen wil, der werbe ez mit vuoge und ander spil. (W 81/II5 f.) Wer aber hier von mir einen Kuss bekommen möchte, der tue es mit Anstand und nach anderen Spielregeln.

Parodie?

Äquivalenz

sumerlaten

Der Vorwurf fehlender vuoge wog sicherlich schwer in einer Gesellschaft, die sich wesentlich durch diese definierte. Man ordnet den Text gerne den Parodien zu. Darunter versteht man „die verspottende, verzerrende Überzeichnung oder übertreibende Nachahmung eines dem Publikum bekannten und geachteten, ernstgemeinten Werkes […] oder einzelner Teile daraus unter Beibehaltung der äußeren Form (Stil und Struktur), doch mit anderem, nicht dazu passenden Inhalt.“ (Wilpert 82001, 591) Dies trifft für W 81 aber nicht zu: Es überzeichnet nicht, es ahmt nicht einmal nach, und es bezieht sich auf verschiedene Texte mit unterschiedlichen Formen. Lange swîgen, des hât ich gedâht Der Sänger, der es als sein Verdienst ansieht, die Ehre der Dame zu steigern, und der ihr deshalb auf gleicher Augenhöhe begegnen zu können glaubt, ist schon in dem Lied Saget mir iemen, waz ist minne (W 44; s. S. 84) begegnet. Die für Walthers Lieder typische Position der Äquivalenz findet sich auch in der weit ausholenden Invektive Lange swîgen, des hât ich gedâht (W 49), die – neben anderen Repliken – auf mindestens fünf Lieder des Opponenten anspielt. In einem davon (MF XXXVIa: Ez ist lanc, daz mir diu ougen mîn) klagt das Ich über die allzu lange stæte der Dame, denn es befürchtet, dass es zu alt werde, um jemals ihre Zuneigung empfangen zu können. Zugleich droht es – vage hoffend, sie würde sein trûren doch noch beenden, doch systembedingt wissend, dass dies nicht geschehen werde – mit dem Hinweis, dass sie wohl ihre Ehre verlieren würde, weil sie einem so treuen Mann wie ihm die Huld zu lange versagt habe. Pqo´uariy (,Anlass‘): Das Thema des alternden Sängers durchzieht auch Walthers Lied, das als „Sumerlaten-Lied“ in die Literaturgeschichte eingegangen ist (s. Mertens 1989; Kiepe-Wilms 1990; Spiewok 1995; Hausmann 1999, 231–245; Bauschke 1999, 195–220; Scholz 22005, 137–140; Fritsch-

4. Walther und Reimar

Rößler 2006, 62–70). Sumerlaten sind die im Sommer austreibenden Schösslinge; sie werden am Ende des Gesangs, auf dessen schwer durchschaubare genetische und rezeptive Bedingungen (s. Schweikle 1968; Hausmann 1999) hier nicht eingegangen werden kann, begegnen. Anders als Reimar fokussierte Walther sein Lied nicht auf das Leid des Sängers, sondern auf die von dem Sänger abhängige Ehre der Dame. Dieser baut die Fiktion auf, dass die Hofgesellschaft seinen Gesang vermisst habe: Lange swîgen, des hât ich gedâht, nû wil ich singen aber als Þ, dar zuo hânt mih guote liute brâht, die mugen mir noch gebieten mÞ. ich sol in singen und sagen, unde swes si gern, das sol ich tuon, sô suln si mînen kumber klagen. (W 49/I)

Lange zu schweigen, das hatte ich vor, jetzt möchte ich wieder singen wie früher, dazu haben mich gute Leute veranlasst, die können mir noch mehr gebieten. Ich werde für sie singen und erzählen, und was sie begehren, werde ich tun, so werden sie mein Leid beklagen.

Im Mittelhochdeutschen diente suln als Hilfsverb zur Bildung des Futurs, das wohl im letzten Vers der Strophe vorliegt. Gewöhnlich wird mit ,sollen‘ übersetzt, das aber eine schwer nachzuvollziehende Aufforderungshandlung an die guoten liute bedeuten würde. ´ heriy (,Thema‘): Auf diese Strophe, deren Verlässlichkeit nicht nachTpo prüfbar ist, folgt das Thema, die Ehre der Frau:

werdekeit

Hœret wunder wie mir sî geschehen von mîn selbes arebeit!

Hört und staunt, was mir durch meine eigene Leistung widerfahren ist! ein wîb, diu wil mih niht ansehen, Eine Frau, die ich zu Ansehen gebracht habe, die brâht ich in ir werdekeit, sodass sie hochgestimmt und stolz ist, daz ir der muot sô hôhe stât. will mich nicht wahrnehmen. jâ, enweiz si niht, swenne ich mîn singen Ja, weiß sie denn nicht, dass ihre Ehre lâzze, vergeht, daz ir werdekeit zergât? (W 49/II) wenn ich mein Singen lasse?

´ (amplificatio): Die Drohgebärde wird durch eine Erweiterung geTpeqbokg steigert und verschärft: Jâ, herre, was si nû flüeche lîden sol, swenne ich nû lâzze mînen sanc! alle, die si nû lobent, daz weiz ich wol, die scheltent danne ân mînen danc. tûsent herze wurden frô von ir genâden, des si lîhte engeltent, scheide ich mich von ir alsô. (W 49/III)

Bei Gott, welche Flüche wird sie ertragen müssen, wenn ich mein Singen lasse! Alle, die sie jetzt loben, das weiß ich sicher, die schelten dann ohne meinen Willen. Tausend Herzen wurden durch ihre Zuneigung froh, dafür müssen sie sicher büßen, wenn ich mich so von ihr trenne.

´ (,Verzögerung‘): Die folgende Strophe enthält ein retardierendes Amabokg Moment, das jedoch ganz auf die Invektive gegen Reimar abgestimmt ist und es besonders nahe legt, Reimars rigides Minnekonzept in den Verstehenshorizont dieses Liedes einzubeziehen: Dô mich dûhte des, daz si wære guot, wer was ir bezzer dô danne ich?

schelten

Als sie mir gewogen schien, wer war ihr da gewogener als ich?

sterbet si mich …

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VI. Der Hof und die Minne dÞst ein ende, swaz si mir getuot, sô mac si wol verwænen sich. nimt si mich von dirre nôt, ir leben hât mînes lebens Þre: sterbet si mich, sô ist si tôt. (W 49/IV)

Das ist zu Ende, was immer sie mir antun wird, das kann sie mit Sicherheit auch erwarten. Befreit sie mich aus dieser Zwangslage, dann hat ihr Leben durch mein Leben Ehre: lässt sie mich sterben, dann ist sie tot.

Im Gegensatz zu Reimar setzte Walther einen scharfen Trennungsstrich (dÞst ein ende). Der letzte Vers reagiert auf Reimars Lied Vil sælic wart er ie geborn (DL 130), in dessen dritter Strophe der Sänger befürchtet: ich mac wol sorgen umb ir leben: stirbet si, sô bin ich tôt. (DL 130/37 f.)

Macht der Dame

Der Sänger in diesem Lied hat sich ganz der Huld der Dame verschrieben; er weiß sich hier mit der mittellateinischen Tradition einig: Est ergo tuo munere me mori vel me vivere. (CB 70/7a)

Jugend und Alter

Ich habe gute Gründe, mich um ihr Leben zu sorgen, denn wenn sie stirbt, dann bin ich (auch) tot.

Es liegt also in deiner Hand, ob ich sterbe oder lebe.

Walthers Textinstanz dagegen macht provokativ das Leben der Dame von dem des Künstlers (beziehungsweise seiner Kunst) abhängig, wobei – darauf weist das Wort Þre deutlich hin – das gesellschaftliche Leben gemeint ist. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass hier (oder in anderen Texten Walthers) die sozialen Schranken aufgehoben oder auch nur relativiert wären (vgl. aber Bein 1997, 128). ´ koy (,Schluss‘, ,Ziel‘): Die versteckte Drohung, die in der Bemerkung Se des letzten Verses, ir leben hât mînes lebens Þre, liegt, wird in der Schlussstrophe, die zugleich auf das von Reimar intonierte Altersthema reagiert, verschärft; der Dame wird die grausame Wirklichkeit vorgehalten: Sol ich in ir dienste werden alt, die wîle junget si niht vil. sô ist mîn hâr vil lîhte alsô gestalt, daz si einen jungen danne wil. sô helfe got, her junger man, sô rechet mich und gÞt ir alten hût mit sumerlaten an. (W 49/V)

Würde ich in ihrem Dienst alt, würde sie in dieser Zeit nicht jünger. Dann sieht mein Haar sicherlich so aus, dass sie einen jungen Mann will. Dann helfe Gott, junger Herr, dann rächt mich, und geht mit frischem Reis an ihre alte Haut.

Die Rache des jungen Mannes begegnet auch in Heinrichs von Morungen Lied Het ich tugende niht sô vil von ir vernomen (DL 101, Strophe 3). Walthers Textinstanz überlässt der Phantasie der Interpretierenden, wie sie sich das Nichtgesagte, den Vollzug der Rache, ausmalen und wie sie den jungen Mann, der ja schwerlich die Rolle des herkömmlich Minnenden ausfüllen kann, naturalisieren möchten. Sollte das frische Grün im Hinblick auf eine Formulierung Neidharts ein Mittel sein, die Runzeln der Alten zu strecken (s. Kiepe-Wilms 1990, 152)?, oder sollte dieses gar allegorisch ausgedeutet werden (s. dazu Scholz 22005, 139). Zuallererst aber war die Rute im Mittelalter ein Rechtsmittel der Züchtigung.

4. Walther und Reimar

Nachrufe auf Reimar Jenseits seiner Invektiven erkannte Walther – jedenfalls, wenn man dem folgenden Spruch im Leopoldston vertrauen kann – Reimars hohe Kunst an. Von Walther stammt die erste volkssprachige Totenklage um einen Dichterkollegen (W 55/III: C und a; W 55/II: nur a, dort freier Raum für eine weitere, vielleicht zur Klage gehörende Strophe; grundlegend Kasten 2005). Walther trennte Person und Werk des Opponenten, wobei man die Äußerungen über die Person heute nicht mehr bewerten kann. Zuverlässige Signale der Ironie im Sinne eines ,Nachrufs zu Lebzeiten‘ (so Murray 1993) oder der persönlichen Rache und der Scheinheiligkeit (so Reichert 21998, 75) lassen sich nicht erkennen. Im Gegenteil: Die ,Abwertung‘ der Person, d. h. dessen, was vergänglich ist, lässt das Lob der Kunst, d. h. dessen, was nach dem irdischen Leben bleibt, umso strahlender und im Zusammenhang damit die fromme Bitte um das Seelenheil umso aufrichtiger erscheinen. Die thematischen Kontroversen wurden nicht angesprochen, es ging allein um die zunge, die edele kunst des Gesangs:

Lob der Kunst

DÞst wâr, reimâr, dû riuwest mich michels harter danne ich dich, ob dû lebtest und ich wær erstorben. ich wil ez bî mînen triuwen sagen: dich selben wolt ich lützel klagen, ich klage dîn edelen kunst, daz si ist verdorben. dû kundest al der werlte frœide mÞren, sô dû ez ze guoten dingen woltes kÞren. mich riuwet dîn wol redender munt und dîn vil süezzer sanc, daz die verdorben sint bî mînen zîten, daz dû niht eine wîle mohtest bîten. sô leist ich dir geselleschaft, mîn singen ist niht lang. dîn sÞle müezze wol gevarn und habe dîn zunge danc. (W 55/III) Es ist wahr, Reimar, ich trauere um dich weit mehr als du um mich getrauert hättest, wenn du leben würdest und ich gestorben wäre. Ich will dir versichern: Dich selbst werde ich wenig beklagen, ich beklage deine edle Kunst, die dahingegangen ist. Du konntest jedermanns Freude mehren, wenn du dich edlen Dingen zuwenden wolltest. Ich traure um deinen beredten Mund und deinen lieblichen Gesang, darüber, dass sie zu meinen Lebzeiten dahingegangen sind. Dass du nicht noch eine Zeitlang warten mochtest, dann hätte ich dir Gesellschaft geleistet, ich werde nicht mehr lange singen. Deiner Seele möge es wohl ergehen, und deiner Zunge sei Dank.

Man weiß nicht, wann Reimar starb; vielleicht in den zehner Jahren des 13. Jahrhunderts, vielleicht etwas früher. Gottfried rühmte ihn in seinem wohl erst nach 1210 verfassten „Tristan“ als die leitevrouwe (,Herrin‘, 4780) aller Nachtigallen, die die wunderbarste Sangeskunst beherrsche, nun aber verstummt sei. Walther sei ihr legitimer Nachfolger geworden (s. S. 34). Der zweite Nachruf Walthers im Nachtrag der „Kleinen Heidelberger Liederhandschrift“ (A, Nachträge; W 55/II) ist ganz dem Lob der Kunst gewid-

leitevrouwe

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VI. Der Hof und die Minne

met (Reimâr, waz guetir kunst an dir virdirbit; II6), namentlich der Kunst des Frauenpreises.

5. Die höfische Natur – Sô die bluomen ûz dem grase dringent Naturbilder

Nach der christlichen Auffassung des Mittelalters stand die Schöpfung im Dienste des Menschen, der sorgsam mit ihr umgehen und sie kultivieren sollte (s. vertiefend Friedrich 2003). Die Liederdichter der Walther-Zeit verstanden es zwar, ihrem Publikum herrliche Naturbilder vorzuspiegeln, doch sie taten dies nicht um der Bilder selbst willen. Die ,höfische Natur‘ beruhte nicht auf einer Wahrnehmung von Landschaft, sondern war ein literarisches Konstrukt; die Naturbilder – waren funktionalisiert und kennzeichneten die Stimmung der Textinstanz (Frühjahr und Sommer = Hoffnung auf Minne/Liebe und Minne-/Liebesglück; Herbst und Winter = Abschied, Trauer, Einsamkeit, Sehnsucht); – waren vielfach (nicht individuell, sondern) nach herkömmlichen Mustern (Topoi) gestaltet, wobei der Topos des locus amœnus in der Frühjahrs- und Sommerstimmung eine herausragende Rolle einnahm. Dieser Topos gelangte aus der antiken Bukolik und christlichen Paradiesvorstellungen in die mittelalterliche Lieddichtung.

Winter

Der hässliche Winter weckte die Sehnsucht nach dem Gesang der Vögel, d. h. auch: nach den atmosphärischen Bedingungen des Minneliedes: Uns hât der winter geschadet uber al, heide und walt sint beide nû val. dâ manic stimme vil suozze inne hal, sæhe ich die megde an der strâzze den bal werfen, sô kæme uns der vogele schal. (W 15/I)

Uns hat der Winter in jeder Hinsicht geschadet, Heide und Wald, worin viele Stimmen lieblich erklangen, sind beide farblos. Sähe ich die Mädchen auf der Straße den Ball werfen, dann käme der Gesang der Vögel wieder zu uns.

Man möchte diese Zeit am liebsten verschlafen: möhte ich verslâffen des winters zît (W 15/II1). In dem Lied Diu welt was gelf, rôt und blâ (W 52: ,Die Welt war gelb, rot und blau‘), dessen fünf 7-zeilige monorime Strophen der Vokalreihe (a, e, i, o, u) folgen, entwirft das Ich ein sehr drastisches Bild über die Untätigkeit, zu der es im Winter verdammt ist: Ich bin verlegen als Þsaû [A: ein sû] mîn sleht hâr ist mir worden rû. süezzer sumer, wâ bist dû? jâ sæhe ich gerne velt gebû, Þ daz ich lange in selher drû beklemmet wære, als ich bin nû: ich wurde Þ münch ze toberlû. (W 52/V)

Ich liege herum wie Esau (A: wie eine Sau), mein glattes Haar ist struppig geworden. Süßer Sommer, wo bist du? Ja, lieber sähe ich Feldarbeit, als dass ich länger in einer solchen Falle gefesselt wäre, wie ich es jetzt bin: Lieber wäre ich Mönch in Doberlug.

5. Die höfische Natur

Ob die Vergleiche des ersten Verses beide von Walther stammen, ist nicht mehr zu klären. Ist der eine (sû) unmittelbar anschaulich, so erfordert der andere (Êsaû) ein gewisses biblisches Hintergrundwissen, denn Esau, Jakobs Bruder, „war rötlich, über und über mit Haaren bedeckt wie mit einem Fell“ (Genesis 2525). Damit deutet der Name auf den folgenden Vers voraus. Das verligen, das untätige, die Pflichten versäumende Nichtstun, kennt man aus einer Kernszene in Hartmanns von Aue „Erec“ (s. Wolf 2007, 59), doch bleibt dies eine unverbindliche Assoziation. Wie ein Schwein im Koben liegt der Klagende – und sicherlich auch der Fahrende im Winter – auf dem Stroh, um sehnsüchtig das Frühjahr zu erwarten. So schlimm ist seine Lage, dass er lieber zu den Zisterzienserbrüdern des berühmten Klosters Doberlug im Spreewald ginge, das für die Strenge seiner Regeln bekannt war. Naturbilder finden sich in Walthers Liedkorpus auffallend selten, er verstand es aber, ihnen mithilfe der amplificatio ein eigenes, kunstvolles Gepräge zu geben, das ihnen dann doch neben dem ,eigentlichen‘ Liedthema ein erhebliches Gewicht verleihen konnte: Diu welt was gelf, rôt und blâ, grüene in dem walde und anderswâ, die kleinen vogel singent dâ, nû schrîet aber diu nebelkrâ. hât si niht ander varwe? jâ, si ist bleich worden und ubergrâ, des rimpfet sich vil manic brâ. (W 52/I)

Herbst und Winter

Die Welt war gelb, rot und blau, grün im Wald und anderswo, die kleinen Vögel haben da gesungen, jetzt schreit die Nebelkrähe wieder. Hat die Welt jetzt nicht eine andere Farbe? Ja, sie ist bleich geworden und grau in grau. Darüber rümpft sich so manche Braue.

Wendet sich der Blick bedenklich dem Winter entgegen, so erfreut er sich am nahenden Frühling. Schmerz und Freude der kleinen vogellîn sind Schmerz und Freude des Sängers: Der rîfe tet den kleinen vogellîn wÞ, daz si nit ensungen. nû hœrt ez aber wunneklîch als Þ. nû ist diu heide entsprungen, dâ sach ich bluomen strîten wider den grüenen klÞ, weder ir lenger wære. mîner frouwen seit ich disiu mære. (W 86/I) Der Reif schmerzte die kleinen Vöglein, sodass sie nicht sangen. Nun klingt es aber so wunderbar wie früher. Nun ist die Heide erblüht, da sah ich Blumen mit dem grünen Klee wetteifern, wer von ihnen länger sei. Meiner Herrin erzählte ich diese Neuigkeit.

Das Wunschbild betörender Schönheit, das die höfische Dame ausstrahlt (s. S. 90 f.), wird durch das Wunschbild einer schönen Natur intoniert, das dann seinerseits durch die Dame hyperbolisch in den Schatten gestellt wird:

Frühjahr und Sommer

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VI. Der Hof und die Minne Sô die bluomen ûz dem grase dringent,

Wenn die Blumen aus dem Grase sprießen, sam si lachen gegen dem spilnden sunnen als ob sie der gleißenden Sonne entgegen lachten in einem meien an dem morgen fruo, an einem frühen Maienmorgen, und die kleinen vogellîn wol singent und die kleinen Vöglein in ir besten wîse, die si kunnen … in ihrer schönsten Melodie singen, die sie beherrschen … welche Herrlichkeit könnte sich damit waza wunne kan sich dâ gelîchen zuo? vergleichen? ez ist wol halb ein himelrîche! Es ist gewiss das halbe Paradies. nû sprechent alle, waz sich dem gelîche … Nun sagt alle, was dem gleicht … sô sage ich, waz mir dike baz ich werde erzählen, was meinen Augen in mînen ougen hât getân viel besser gefallen hat und tæte ouch noh, gesæhe ich daz. und es auch noch tun würde, wenn ich (W 23/I) es sehen könnte. a

natürliche Schönheit

waz ist ergänzt

Das Schönere ist die höfische Dame: wir lâzzen alle bluomen stân / und kapfen an daz werde wîb (W 23/II10 f.; s. S. 90). Zur höfischen Natur darf man auch die ,natürliche Schönheit‘ der Frau zählen. Das folgende einstrophige Lied ist nur frei zu übersetzen und wurde von den kritischen Philologen vielfach geändert: Selb var ein wîb ane [âne] wîz, rôt, gantzlîcher stæte, ungemâlet; daz si niht gebuggerâmet wære, ich lob ir lîp, swie ich si doh nie niht gebæte. jâ, hœre ich gerne von ir guetiu mære, diu ir val hâr ûf gebunden hât. (W 801–7) Eine Frau von natürlicher Schönheit, in [ohne] Weiß und Rot, von vollkommener Treue, ohne Bemalung – dafür, dass sie nicht in steifes Zeug geschnürt ist, lobe ich sie, obwohl ich sie doch niemals um etwas bitten würde. Ja, ich höre gerne Gutes von ihr, die ihr blondes Haar aufgebunden hat.

Weiß und Rot (vgl. S. 88): Ist die Frau damit geschmückt, dann tritt die Symbolik dieser Farben in Kraft; ohne sie bleibt es höfischer Putz, dessen sie nicht bedürfen sollte. Wie auch immer, die Verse formulieren Walthers Weiblichkeitsideal, wie es z. B. in dem Lied W 25/IV Wîb muoz iemer sîn der wîbe hôhste name (s. S. 91) begegnete: „Eine Frau, die aus sich selbst heraus, von innen, Qualitäten besitzt, ist jeder anderen, die auf Äußerlichkeiten angewiesen ist, vorzuziehen.“ (Bein 1997, 136) Doch sollte man die religiöse Referenz dieses so weltlich scheinenden Textes nicht übersehen: Nicht auf äußeren Schmuck sollt ihr Wert legen, auf Haartracht, Gold und prächtige Kleider, sondern was im Herzen verborgen ist, das sei euer unvergänglicher Schmuck. (1. Petrus 33 f.)

5. Die höfische Natur

6. Drei herausragende Lieder Die drei folgenden Lieder haben wohl mehr als andere die Waltherforschung beschäftigt, und zwei von ihnen (W 32, W 16) gehörten bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus zum Gemeingut eines gymnasial gebildeten Bürgertums. Alle drei Texte zeigen noch einmal repräsentativ die große Spannbreite der Waltherschen Kunst und Themenvielfalt und, was die Forschung betrifft: quot capita, tot sensus (,soviele Köpfe, soviele Meinungen‘). Aller werdekeit ein füegerinne In einem 2-strophigen Lied bittet die Textinstanz die frouwe mâze um Rat hinsichtlich eines Minneproblems (s. zur Forschungsgeschichte des Liedes Ortmann 1981, 240–246; BHMS, 117–120; zur Varianz Willemsen 2006, 109–130). Frouwe mâze ist die personifizierte Tugend der harmonischen Lebensgestaltung (s. Ehrismann/Fritsch-Rößler 1995a) und sie wird als füegerinne aller werdekeit bezeichnet, d. h. als jemand, der alle für die Gesellschaft verbindlichen hohen Werte passend zusammenfügt. Werdekeit ist ein „zentraler Begriff der Minnesangdiskussion Walthers.“ (Ortmann 2001, 68) Gesucht wird eine Form der Werbung und der Minne – aber auch eine die Minne repräsentierende Dame –, die die Lebensharmonie nicht und nirgends, weder am Hof noch andernorts in der feudalen Gesellschaft, stört. Beide Strophen beginnen mit unspektakulären höfischen Lebensweisheiten, die sich auf das im Folgenden diskutierte spezifische Problem des Ratsuchers beziehen: Aller werdekeit ein füegerinne, daz sît ir zewâre, frowe mâzze. ein sælig man, der iuwer lÞre hât, der darf sich iwer niht beschamen inne, beide ze hove noch ouch an der strâzze. dur daz sô suoche ich iemer iweren rât, daz ir mich ebene werben lÞret. wirbe ich nidere, wirbe ich hôh, ich bin versÞret. ich was vil nâch ze nidere tôt, nû bin ich aber ze hôhe siech: unmâzze, ir lâzzet mich an nôt!a (W 23a/I) a

A: unmâze enlât mich âne nôt; B: unmâze, ir lânt mich niender an nôt

Ihr, Frau Harmonie, seid es wahrlich, die alle hohen Werte passend zusammenfügt. Der ist glückselig, den Ihr unterweist, er braucht sich für Euch nirgends zu schämen, weder bei Hof noch auf der Straße. Deshalb suche ich stets Euren Rat, damit Ihr mich lehrt, in angemessener Weise zu werben. Werbe ich auf niedere, werbe ich auf hohe Art, ich trage Wunden davon. Beim Werben auf niedere Art wäre ich beinahe gestorben, nun, da ich auf hohe Art werbe, bin ich krank: Unmaß, Ihr bedrängt mich!

Der Schlussvers birgt Varianz- und Übersetzungsprobleme. Gewöhnlich wird die Variante der „Kleinen Heidelberger Liederhandschrift“ gewählt (s. z. B. Schw. 2, 365: ,Das Fehlen der Mâze lässt mich nicht ohne Drangsal!‘). Sie kann jedoch gegenüber C und B (,Unmaß, Ihr lasst mich in der Bedräng-

frouwe mâze

werdekeit

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VI. Der Hof und die Minne

werben

Arten der Minne

nis!‘) keinen sichtbaren semantischen Mehrwert beanspruchen (mhd. an, ane mit kurzem bedeutet neben ,an‘ auch ,in‘; mit langem ,ohne‘). Der Ratsuchende wendet sich nicht an frouwe Minne, die man sonst gerne bei den Fragen persönlicher Beziehungen kontaktierte, sondern an diejenige ,Stelle‘, die die höchste Kompetenz hinsichtlich der Gestaltung eines glückseligen Lebens besitzt. Sie sollte den rechten Weg zwischen den Extremen ,hoch‘ und ,nieder‘ weisen, die hier minne- und nicht sozialtheoretisch fokussiert sind (s. Scholz 22005, 99; Hübner 1996, 483 f.). Die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie ein ebenez werben zu erreichen sei, wird nicht auf der emotionalen, sondern auf der axiologischen Ebene der werdekeit angesiedelt. Diese ist deshalb durch eine ungewöhnliche Syntax im ersten Vers, den vorangestellten Genitiv, als Zielgröße herausgehoben. Da das mittelhochdeutsche werben primär auf jedes Tun referiert, wird in dieser Strophe das Minne-Handeln auf ein allgemeines Handeln hin durchsichtig, ohne dadurch in dem vorliegenden eindeutigen Kontext relativiert zu werden. Die zweite Strophe liefert in scholastischer Manier die theoretische Fundierung für die in der ersten Strophe geäußerte emotionale Befindlichkeit des Ichs. Wenn im Folgenden minne mit ,Minne‘ und liebe mit ,Freude‘ wiedergegeben wird, so ist dies eine Notlösung, weil zur Waltherzeit beide Wörter eine bedeutende gemeinsame semantische Schnittmenge besaßen, sodass bei liebe immer auch ,Liebe‘ mitgehört werden kann (s. Ehrismann/ Heinen 1995): Nideriu minne heizzet, diu sô swachet, daz der lîb nâch kranker liebe ringet. diu liebe tuot unlobelîche wÞ. hôhe minne heizzet, diu daz machet, daz der muot nâh werder liebe ûf swinget. diu winket nû, daz ich ir mitte gÞ. nûn weiz ich, wes diu mâzze beitet, kumt herzeliebe, sô bin ich verleitet, doch hât mîn lîb ein wîb ersehen, swie minneklîche ir rede sî, mir mac wol schade von ir geschehen. (W 23a/II) ,Niedere Minne‘ heißt die, die den Körper so schwächt, dass er nach wertloser Freude strebt. Diese Freude bereitet Schmerz, ohne Lob einzubringen. ,Hohe Minne‘ heißt die, die bewirkt, dass sich der Geist nach edler Freude aufschwingt. Diese winkt mir nun, mit ihr zu gehen. Ich weiß nicht, warum die Harmonie zögert, kommt (nämlich) die Herzensliebe, dann komme ich vom Wege ab, habe ich doch eine Frau erblickt, die mir schaden kann, so lieblich ihre Rede auch sein mag.

In der zweiten Strophe weicht A in der Wortwahl des Aufgesangs deutlicher ab, ohne dass angesichts der möglichen bedeutungsgleichen Schnittmengen der tragenden Begriffe mit Sicherheit gravierende inhaltliche Unterschiede auszumachen wären:

6. Drei herausragende Lieder Nidere minne heizet, diu sô swachet, daz der muot nâch kranker liebe ringet. diu minne tuot unlobelîche wÞ. hôhe minne reizet und machet, daz der muot nâch hôher wurde ûf swinget. diu winket mir nû, daz ich mit ir gÞ. (W 23a/II, nach A)

War es in C der lîp der nach kranker liebe strebte, so ist es in A der muot (,Geist‘), doch kann ja das mittelhochdeutsche lîp auf die gesamte Persönlichkeit referieren, und man könnte es daher unbedenklich auch mit ,man‘ wiedergeben (so z. B. Schw. 2, 367). Stimmiger scheint im dritten Vers die Wiederaufnahme von minne. Die beiden folgenden Verse (,Hohe Minne stachelt an und bewirkt, dass sich der Geist nach hoher Ehre aufschwingt‘) klingen durch reizet ein wenig zupackender. Die Differenz zwischen werder liebe und hôher wirde – die Schreibung wurde spiegelt den Dialekt der Handschrift – ist gering zu veranschlagen. Wichtiger ist, dass beide Formulierungen auf das soziale Potenzial der Minne oder Liebe referieren, d. h. auf das gesellschaftliche Ansehen, die Ehre, die durch das Werben erreicht werden konnte, das ja immer ein öffentliches Werben war. Das Ich befindet sich an einer Wegscheide: Von der Hohen Minne gerufen, verlangt es nach der mâze, die sich aber nicht zeigt, und so befürchtet es, dass die herzeliebe es vom rechten Weg abbringt, denn es ist einer begehrenswerten Frau begegnet. Das Zögern der mâze ist ein bedeutsames Zeichen; sie zeigt sich für das Problem inkompetent: Weder gibt es ein ebenez werben noch gar eine ebene minne (s. Ruh 1985, 193; Schweikle 1963; Kern 1995). Eine solche wollten z. B. Kurt Herbert Halbach (41983, 77) und Helmut de Boor (101979, 291 f.) zum Leben erwecken. Dieser schuf sogar das Genre „Lyrik der ebenen Minne“. Auch gegen die herzeliebe, die ungerufen ,kommt‘, während die beiden Arten der Minne ,beworben‘ werden, konnte die mâze nichts ausrichten. Die herzeliebe (s. Kasten 1989; Krohn 1989), ein Ausdruck, den auch Heinrich von Morungen und Reimar verwendeten, galt als die freundliche Schwester des herzeleid: herzelieb, swaz ich des noch ie gesach, dâ was herzeleit mir bî. (W 18/III5 f.)

herzeliebe

Was ich jemals an herzeliebe erblickte, da war für mich herzeleid dabei.

Sie gehörte, auch wenn in verschiedenen Liedern verschieden akzentuiert, zu den Bedingungen des Minnespiels: sanfte zürnen, sÞre süenen, das der minne reht: diu herzeliebe wil alsô (W 45/I5 f.: ,sanftes Zürnen, schmerzhaftes Versöhnen, das ist das Recht der Minne: Die herzeliebe will es so‘). Die herzeliebe, so hat es in dieser kleinen Definition den Anschein, war jene Teilmenge der höfischen Liebe, die deren innere Widersprüche generierte und intensivierte, war es doch das herze, das nach Ansicht der Zeit die geistigen und seelischen Kräfte des Menschen steuerte (s. Ehrismann 1995c). Umschreibungen wie ,Liebesfreude‘, ,Liebesglück‘ oder ,Freude des Herzens‘ treffen den semantischen Kern sicherlich zu wenig. Die Widersprüche der minne wie der herzeliebe kommen im paradoxen Handeln dessen, den bei der hohen Werbung die herzeliebe ergriffen hat, zum Ausdruck: mir mac wol schade von ir geschehen. Dieses Handeln war nur mit Oxymora wie sanfte zürnen oder sÞre süenen treffend zu beschreiben.

herze

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VI. Der Hof und die Minne

Die herzeliebe konnte zugleich eine Teilmenge der sinnlichen Liebe sein: halsen, triuten, bîgelegen, von sô rehter herzeliebe muost dû frœiden pflegen. (W 61/IV5 f.)

Umarmen, liebkosen, miteinander schlafen, an solcher herzeliebe wirst du Freude haben.

Trotz gemeinsamer semantischer Schnittmengen mit minne und liebe referierte herzeliebe also offenbar auf eine eigene Form der erotischen Beziehung gegenüber Niederer und Hoher Minne. Im Widerstreit der Gefühle zielte sie auf die Gemeinsamkeit der Partner und hielt, anders als die Hohe Minne, nicht nur die Option auf Leiden, sondern auch auf sinnliche Freuden offen. Karl-Heinz Borck (1964, 328) spricht von der „Idee der personalen und erwiderten Liebe“, Wolfgang Mohr (1971, 339) von der „gegenseitige[n] Liebe von Mensch zu Mensch“, Gerhard Hahn (s. BHMS, 119) von „beglückender Gegenseitigkeit“. Sie stünde damit Walthers ÄquivalenzModell nahe, ohne nur auf dieses verpflichtet zu sein.

die Botschaft

Ir sult sprechen willekomen Ir sult sprechen willekomen (W 32), Walthers bekanntestes Preislied, überliefern die beiden Haupthandschriften A und C signifikant unterschiedlich (s. zu Varianz und Forschungsgeschichte Willemsen 2006, 131–153; einführend Kasten 1995; Reichert 21998; Weigand 1998). Der Form nach ist es eher eine Spruchreihe als eine Kanzone; Walther spielte, so Ingrid Kasten (1995, 65), „mit zwei Registern, mit dem des Minnesangs und dem der Spruchdichtung“. Den Inhalt charakterisiert Hübner (1996, 199) als ein „spektakuläres Unikum“. Es wird mit der kürzeren 5-strophigen Fassung der „Kleinen Heidelberger Liederhandschrift begonnen“. Ein Bote tritt auf, der stolz Neuigkeiten verkündet, für die er Lohn einfordert. Wegen des fordernden Tons möchte Hahn (s. BHMS, 87) in ihm lieber einen fahrenden Sangspruchdichter sehen, Kasten (1995, 60) einen prahlerischen Spielmann. Wie auch immer, den betonten Vokalismus der ersten Strophe beherrschen mit je elf Belegen das helle geschlossene /i/ und das offene /a/ (gegen sechs /e, æ/, drei /o/, zwei /uo/), sodass ein lauter, Aufmerksamkeit heischender Text entsteht: Ir sult sprechen willekomen, der iucha mære bringet, daz bin ich! allez, daz ir habt vernomen, dÞst gar ein wint, nû vrâget mich. ich wil aber miete! wirt mîn lôn iht guot, ich sage vil lîhte, daz iucha sanfte tuot, seht, waz man mir Þren biete. (W 32/I) a

Ihr sollt „willkommen“ sagen, ich bin es, der euch Botschaft bringt! Alles, was ihr bisher gehört habt, das ist absolut nichts, jetzt fragt mich. Ich möchte aber eine Entlohnung! Wird mein Lohn gut, dann erzähle ich euch gerne etwas, das euch gefallen wird. Seht zu, welche Anerkennung man mir anbieten könnte.

statt uch

Poetrias inauditas / scribam tibi, si me ditas (,unerhörte Gedichte werde ich Dir schreiben, wenn du mich reich beschenkst‘: LLM 8374 f.; man beachte auch hier den Vokalismus): Diese Verse des Archipoeta ({ nach 1165) belegen, dass Walthers Textinstanz eine nicht unbekannte Maske aufsetzt. Bis in

6. Drei herausragende Lieder

die Frühe Neuzeit hinein identifizierte man den Inhalt einer Nachricht mit deren Überbringer. Wenn der Bote in Walthers Lied also guten Lohn verlangt, kündigt er eine gute Botschaft an. Einem literarisch interessierten Publikum wird dabei die Invektive gegen Reimars Textinstanz aufgefallen sein, die weder eine neue noch eine frohe Botschaft zu verkünden hatte (vgl. Bauschke 1999, 134–167): Swaz ich nû niuwer mære sage, des endarf mich niemen frâgen: ich enbin niht frô. die friunde verdriuzet mîner klage. swes man ze vil gehœret, dem ist allem sô […] (DL 134/11–4) Was ich jetzt an Neuigkeiten zu erzählen habe, danach braucht mich niemand zu fragen: Ich bin nicht freudig gestimmt. Die Freunde verdrießt meine Klage. So ist es immer mit dem, von dem man zu viel hört.

Eine weitere Spitze könnte sich gegen das folgende hyperbolische Frauenlob Heinrichs von Morungen richten (s. Smits 1980). Der Ruhm der Dame, so heißt es dort, überstrahle: wîp und frouwen, die besten für wâr, die man benenne in tiutschem lande. (DL 99/46 f.) Frauen und Damen, wahrhaftig die schönsten, die man in Deutschland nennen kann.

Auffällig ist hier die nationale Komponente, die auch bei Walther erscheint. Stellt Walthers Bote eine Lohnforderung, so muss man ihn sich dennoch nicht als armen Fahrenden oder gar Bettler ,ein-bilden‘: Es geht ihm um die große Neuigkeit, mit deren Verkündung er seine Ehre verbindet. Die folgende Strophe, die in einem Perspektivwechsel das Verlangen nach miete zurücknimmt und zum Gestus des Laudators übergeht, zeigt deutlich, dass dieses nicht wörtlich zu nehmen, sondern als ein ,Zeichen‘ aufzufassen ist. Der Frauenpreis verlangt einen anderen ,Lohn‘. In diesen Preis ist jedoch nicht, wie üblich, nur die Minnedame einbezogen, denn er richtet sich an alle ,deutschen‘ Frauen:

die Bitte

Ich wil tuschen vrowen sagen solichiu mære, daz si deste baz al der welte suln behagen. âne grôze miete tuon ich daz. waz wolde ich ze lône? si sint mir ze hÞr. sô bin ich gevuoge und bitte si nihtes mÞr,

Ich will von den deutschen Damen solche Neuigkeiten erzählen, dass sie aller Welt noch mehr gefallen werden. Das tue ich ohne große Entlohnung. Was wollte ich als Lohn? Sie stehen zu hoch über mir, deshalb bin ich höflich und bitte sie nur darum, wan daz si mich gruozen schône. (W 32/II) mich schön zu grüßen.

Hinter der vorgeblich höflichen und bescheidenen Bitte um einen ,Gruß‘ versteckt sich die Aufforderung, ihn, den Boten, zu beachten, am Hof freundlich aufzunehmen. Ob es sich dabei allerdings um eine verschlüsselte Bitte Walthers um Aufnahme am Wiener Hof handelte (so Hahn in BHMS, 87 f.), ist völlig offen. Die bemerkenswerte nationale Wendung des Frauenpreises wird in der folgenden Strophe verdichtet, in der der Sänger seine Beurteilungskompetenz nachweist:

die Erfahrung

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VI. Der Hof und die Minne Ich hân lande vil gesehen und nam der bestena gerne wâr. ubel muoze mir geschehen, künde ich ie mîn herze bringena dar, daz ime wolte wol gevallen fremeder sitte. waz hulfe mich, obe ich vil rehte stritte? tiuschiu zuht gât vor in allen. (W 32/III) a

Ich habe viele Länder gesehen und die Schönsten gerne angeschaut. Schlecht möge es mir bekommen, wenn ich jemals mein Herz dazu bringen könnte, dass ihm fremde Sitte gut gefallen würde. Was hätte ich von einem Rechtsstreit? Deutsche Hofzucht übertrifft sie alle.

ergänzt

Walther geht über Heinrich von Morungen hinaus und erweitert den nationalen Frauenpreis auf alle Frauen. Die Wörter frouwe und zuht indizieren die Sprache der höfischen Gesellschaft. Der Text zielt auf die adlige Dame und die aktuelle höfische Kultur, deren Signum die zuht ist, ein Begriff, der auf Sittsamkeit und Bildung referiert (s. Ehrismann/Dick 1995b). Den kulturellen Fokus verstärken die folgenden beiden Strophen: wîp/frouwe

Peire Vidal

Von der elbe unz an den rîn, her wider unz an der unger lant, dâ muogen wol die besten sîn, diea ich in der welte hân erkant. kan ich rehte schowen guot gelâz und lîpb,

Von der Elbe bis zum Rhein, zurück bis in das Land der Ungarn, da leben wohl die Besten, die ich auf der Welt kennen gelernt habe. Wenn ich denn gutes Benehmen und eine edle Gestalt richtig erkennen kann, sô swur ich wol, daz hie diu wîp dann schwöre ich, dass hierzulande die Frauen bezzer sint danne ander frowen. (W 32/IV) besser sind als anderswo die höfischen Damen. a statt daz; b statt lup

Im Hinblick auf den höfischen Kontext und die kulturelle Fokussierung unterscheidet die Übersetzung die Bedeutungen von wîp und frouwe deutlich (ähnlich u. a. Witt 21980, 117; Maurer 1995, 83; vgl. Ehrismann 1995d). Konsens besteht darüber jedoch nicht; so übersetzen etwa Joerg Schaefer (21987, 61): „[…] hier sind die Frauen besser als sonst auf der Welt“; und Peter Wapnewski (252002, 27): „[…] daß hier die Frauen besser sind als anderwärts“. Der Text referiert nicht primär auf die besten Frauen, sondern auf die beste Kultur. Sicherlich auch nicht nur auf „die Rolle des Dichters in der Gesellschaft“ (Kasten 1995, 65). Der Frauenpreis bildet die Folie für eine Würdigung des neuen deutschen höfischen Lebens. Dies wurde für ein gebildetes Publikum, das die arroganten satirischen Angriffe provenzalischer und nordfranzösischer Liedermacher gegen die Deutschen kannte, besonders deutlich. Der Trobador Peire Vidal verhöhnte die Alamans etwa mit folgenden Versen: Alamans trob deschauzitz e vilans, E quand negus si feing esser cortes, Ira mortals cozens et enois es; Et lor parlars sembla lairars de cans.

6. Drei herausragende Lieder Die Deutschen finde ich unhöfisch und tölpelhaft, und wenn einer sich anschickt, höfisch zu sein, dann ist das äußerst verdrießlich, schmerzlich und ärgerlich, und ihre Sprache gleicht dem Kläffen eines Hundes. (nach Berthelot 1995, 35)

Walther kannte die französischen Spötteleien vielleicht nur allgemein, er könnte allerdings auch durchaus konkret auf Peire Vidal reagiert haben, der sich in den neuziger Jahren in Ungarn aufgehalten hatte, hatte doch dieser ebenfalls das Lob des Landes mit dem Lob der Damen verbunden (s. Berthelot 1995). Ir sult sprechen willekomen – es war auch ein nationaler Protestsong. Mit dem Land der Ungarn bezeichnete Walther zwar die Ostgrenze des Reichsgebiets, das er aber sonst nur durch die Flussformel, zwei Ströme, die keineswegs Grenzflüsse waren, umschrieb. Deshalb könnte der Vortrag des Liedes im nahen Wien sich besonderer Aufmerksamkeit erfreut haben. Anhaltspunkte für eine Datierung ergäben sich daraus aber nicht. Ingrid Kasten (1995, 73) favorisiert im Übrigen den Kaiserhof als primären Aufführungsort. Zwar hat der Sänger in der vierten Strophe das nationale Lob auf alle Frauen erweitert, beharrt aber, wie die letzte Strophe zeigt, in die er auch ein Lob der Männer einschließt, auf der höfischen Perspektive:

unser lant

Tiusche man sint wol gezogen,

Deutsche Männer beherrschen die Hofzucht, rehte als engel sint diu wîp getân, geradezu wie Engel sehen die Frauen aus, swer si schiltet, derst gar betrogen, wer immer sie schmäht, er ist verblendet, ich enkan sîn anders niht verstân. anders kann ich ihn nicht beurteilen. tugent und reine minne, Tugend und keusche Liebe, swer die suochen wil, wer die finden möchte, der sol komen in unser lant, der soll in unser Land kommen, dâ ist wunne vil, da herrscht große Freude, lange muoze ich leben darinne. (W 32/V) lange möge ich darin leben.

zuht, wünne, tugent, reine minne, engelgleiche Frauen: geradezu inflationär werden die Komponenten des höfischen Lebens aufgerufen. Welche Perspektive(n) öffneten aber tiusch (tiutsch) und unser lant? Auf der einen Seite referiert tiusch auf das Reich, das nach damaligem Usus über das Land, nicht über das Volk definiert war, auf der anderen wendet sich eine der Blickrichtungen durch den Vers her wider unz an der unger lant doch auch stark auf das Herzogtum Österreich, ohne dass man freilich eine Bedeutung ,österreichisch‘ unterstellen sollte. Nimmt man diese Einengung an, dann könnte die Sprechinstanz einen Fahrenden (1. Strophe) simulieren, der einen sicheren höfischen Hort für seine Liedkunst sucht, die er in den folgenden Strophen beweist – lange muoze ich leben darinne. Schließlich läuft das Lied, das nach der Würdigung der neuen Hofkultur des Landes sehr konkret mit einem ich schließt, auf diesen Vers als Pointe zu. Er beendet den in der ersten Strophe eröffneten ,Wunschkreis‘. Der geografische Raum tiusch bleibt in diesem Lied – und er blieb dies sicherlich auch schon für die Hörerinnen und Hörer des Mittelalters – je nach Aufführungs- und Rezeptionsort situativ variabel. Man darf darin einen der Gründe sehen, warum es

Komponenten des höfischen Lebens

tiusch

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VI. Der Hof und die Minne

Gleim

seit dem späteren 18. Jahrhundert gerne zur Stärkung des Nationalgefühls herangezogen wurde. Drei Beispiele mögen dies illustrieren. Mit dem Lied „Der deutsche Mann“ (um 1775) eröffnete Johann Wilhelm Ludwig Gleim (* 1719, { 1803; s. Mertens 2002) die patriotische Einwerbung der Walther-Lieder. Das damalige kulturtragende Bürgertum hatte, angewidert durch den Vorwurf, stets nur durch Nachahmung der romanischen Kulturen geprägt worden zu sein, die Idee einer ,deutschen Kulturnation‘ entwickelt. Man forderte damals noch keine staatliche Einheit, und vielleicht lagen Walthers und Gleims Interessen daher gar nicht so weit auseinander. Hier nur ein kleiner Auszug: Ein deutscher Mann zu seyn, ist Ehre; Gottlob, ich bin ein deutscher Mann! Ich grämte mich, wenn ich’s nicht wäre, Säh’ neidend deutsche Männer an! – Der deutsche Mann birgt seine Seele, (Wie Fuchs und Luchs in einer Höhle,) Vor Forschern und vor Lauschern nicht, Er trägt sie offen im Gesicht.

In vielen Ländern viel gesehen Hab’ ich, bis weit in Asia; Doch aller Welt muß ich gestehen: Daß ich das Bess’re nirgend sah! Die deutsche Zucht hat mir vor allen Den fremden Sitten wohl gefallen, Und das ist meiner Reisen Frucht, Das mir gefiel die deutsche Zucht!

Wer Tugend sucht und keusche Liebe, Der komm’ in unser deutsches Land! Ist nur sein Auge nicht zu trübe, Sieht er sie gehen Hand in Hand, Mit Engellieblichen Geberden Und wünscht ein deutscher Mann zu werden, Und hört erschallen himmelan: „Gottlob, ich bin ein deutscher Mann!“ Hölty

Hoffman von Fallersleben

Ludwig Christoph Heinrich Hölty (* 1748, { 1776) rühmte in seinem „Vaterlandslied“ die deutschen Tugenden, die geradezu zu konstituierenden Faktoren des Vaterlandes werden. Sein zeitbedingtes Bild vom „Patriotenblut“ wirkt heute freilich nur noch befremdlich: Gesegnet mir, mein Vaterland, Wo ich so viele Tugend fand, Gesegnet mir, mein Vaterland!

Die Weiber sind den Engeln gleich, Es ist, fürwahr, ein Himmelreich, Ihr preißlichen, zu schauen euch.

Die Männer haben Heldenmuth, Verströmen Patriotenblut, Sind edel auch dabey, und gut.

Sie lieben Zucht und Biedersinn, O selig Land, worin ich bin, O möchte ich lange leben drinn!

Im August 1841 schrieb Heinrich Hoffmann von Fallersleben das „Lied der Deutschen“ (s. U. Müller in BHMS, 236–240; Hahn 1997; Brunner 1999; Sorg 2004, 394–401). Er hatte auf der damals noch britischen Insel Helgoland Zuflucht gefunden. Die napoleonischen Kriege, der Untergang des Alten Reichs und die anschließende Restaurationspolitik der deutschen Fürsten hatten die politische Lage vollkommen verändert. Die Rufe nach staatlicher Einheit waren im deutschen Bürgertum drängender geworden, gestützt durch einen Volksbegriff, der die Begriffe Volk und Nation zu harmonisieren versuchte, aber auch durch die neuen ökonomischen Bedingungen eines zunehmenden Handels. Hoffmanns Lied umschreibt in der Form eines Reihenspruchs die Grenzen des damals aus mehreren Staaten bestehenden Deutschen Bundes und beschwört in der ersten Strophe dessen Einheit. Der

6. Drei herausragende Lieder

Text war für die feierliche Melodie der österreichischen Kaiserhymne von Joseph Haydn vorgesehen; er wird hier nach Sorg 2004, 394–401 zitiert: Deutschland, Deutschland über alles, Über alles in der Welt, Wenn es stets zu Schutz und Trutze Brüderlich zusammenhält, Von der Maas bis an die Memel, Von der Etsch bis an den Belt – Deutschland, Deutschland über alles, Über alles in der Welt!

So martialisch die Töne heute in den Ohren klingen mögen – und je unhistorischer man sie aufnimmt, desto lauter –, waren sie doch an ihrem Ursprung nichts anderes als der Ruf nach innerer, nationaler Einheit zum Schutz der Nation. Der Über-alles-Topos kam in Deutschland während der napoleonischen Besatzung auf, ,Deutschland über alles‘ hatte um die Mitte des 19. Jahrhunderts einen revolutionären, einen ,linken‘ Zungenschlag, den man auch in ,brüderlich‘ mithören konnte, das zu den zentralen Schlagwörtern der Französischen Revolution gehört hatte. Dieser Zungenschlag richtete sich nicht gegen fremde Staaten, sondern gegen die Fürsten mit ihren partikularen Interessen. Die Einheit, so die These der Strophe, konnte nur unter der Bedingung (wenn) des ,brüderlichen‘ Zusammenhalts gelingen. Die zweite Strophe nimmt Walthers kulturellen Fokus auf. Sie erinnert an den Topos von der deutschen Treue und die markigen, Luther zugeschriebenen Worte: „Wer nicht liebt Wein, Weiber und Gesang, / Der bleibt ein Narr sein Leben lang.“ Mit dem Treue-Topos hatten die Humanisten der Frühen Neuzeit mit Blick auf die „Germania“ des Tacitus das Selbstbildnis der Deutschen bereichert, und er war in der patriotischen Dichtung seit dem 18. Jahrhundert liebevoll gepflegt worden:

,über alles‘

brüderlich

deutsche Tugenden

Deutsche Frauen, deutsche Treue, Deutscher Wein und deutscher Sang Sollen in der Welt behalten Ihren alten schönen Klang, Uns zu edler Tat begeistern Unser ganzes Leben lang – Deutsche Frauen, deutsche Treue, Deutscher Wein und deutscher Sang.

Diese biedermeierlich angehauchte, die politische Perspektive verlassende Strophe über die deutschen Tugenden spornt in Erinnerung an eine große Geschichte zu einem der Sittlichkeit verpflichteten Handeln an. Tief im Hintergrund könnte man das alte, von Tacitus kolportierte Klischee von den zwar sittenstrengen, aber trinkfreudigen Germanen mithören. Die dritte Strophe erreicht mit den drei Signalwörtern Einigkeit, Recht und Freiheit wieder das hohe Pathos der ersten. ,Einigkeit‘ und ,Brüderlichkeit‘ bilden die Klammer des gesamten Liedes. Die hohe Wertung des Rechts, die ja auch Walthers Sangsprüche spiegeln, geht auf das Mittelalter zurück, die Idee der Freiheit konnte u. a. an die humanistische These der Germanorum libertas, an die liberté der Französischen Revolution oder an

Einigkeit, Recht und Freiheit

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VI. Der Hof und die Minne

den virulenten Freiheits-Diskurs der deutschen Aufklärung erinnern, die die Freiheit als ein Naturrecht interpretierte, das gegen vernunftwidrige Herrschaft durchzusetzen war. Man darf auch an die zeitgenössische Verehrung Schillers denken, der als ,Dichter der Freiheit‘ gefeiert wurde: Einigkeit und Recht und Freiheit Für das deutsche Vaterland! Danach laßt uns alle streben Brüderlich mit Herz und Hand! Einigkeit und Recht und Freiheit Sind des Glückes Unterpfand – Blüh im Glanze dieses Glückes, Blühe, deutsches Vaterland! Glück

Nationalhymne

Geleitstrophe in C

Hatte Walther in seinem Sangspruch Ich saz ûf eime steine das glückselige Leben von der Akzeptanz der harmonischen Weltordnung Gottes abhängig gemacht, so setzte Hoffmann das Glück des Einzelnen mit dem Gück des Vaterlandes in Beziehung, das in gemeinsamer Anstrengung des Volkes, nicht nur der Fürsten, erreicht werden konnte. Hoffmann besaß kein konkretes Programm, er emotionalisierte, indem er nationale Stereotypen aus der kulturellen Tradition zitierte. 1922 erklärte Reichspräsident Friedrich Ebert „Das Lied der Deutschen“ zur offiziellen Nationalhymne des Reichs. Von den Nationalsozialisten weniger geschätzt, wurde es nach dem II. Weltkrieg in der sowjetisch besetzten Zone (später ,DDR‘) verboten. Die Bundesrepublik Deutschland, die im Grundgesetz den Gedanken der nationalen Einheit verankert hatte, schuf sich nach längeren Irritationen 1952 mit der dritten Strophe als „Deutschlandlied“ eine neue Nationalhymne, die dann auch nach dem Beitritt der DDR trotz einer aufgeregten Diskussion in Intellektuellenkreisen die Hymne der erweiterten Republik wurde. In der „Großen Heidelberger Liederhandschrift“ liest sich Ir sult sprechen willekomen anders und weniger konsistent, denn sie beendet, nach einer anderen Strophenfolge als A, das Lied mit einer Minnekanzone. Die mittelalterliche Vortragskunst kannte sogenannte ,Geleitstrophen‘, die sie an verschiedene Lieder anhängen konnte. Ob dies dann allerdings zur Folge hatte, dass sich für die Zeitgenossen eine neue Sinnstiftung des Gesamtliedes einstellte und die bis zu dieser Strophe gewonnene Sinnfindung revidiert wurde, erscheint doch sehr fraglich, denn diskursive Kohärenz, die heute ein Gedicht auszeichnet, ist auf die Liedkunst des Mittelalters nicht übertragbar (vgl. zum Problem auch Knape 1994; J.-D. Müller 1989, 1995; Weigand 1998). Ob also die folgende Kanzone überhaupt auf die Sinnstiftung der vorangehenden Strophen Einfluss nehmen sollte, bleibt unklar; deutlich wird nur das Prinzip der Instabilität mittelalterlicher Kompositionen: Der ich vil gedienet hân und iemer gerne dienen wil, diu ist von mir vil unerlân. iedoch sô tuot si leides mir sô vil, si kan sÞren mir daz herze und den muot. nû vergebez ir got, daz si an mir missetuot, her nâch mac si sichs bekÞren. (W 32/VI)

Der ich viel gedient habe und weiterhin immer gerne dienen werde, von der lasse ich nicht ab. Aber sie fügt mir so viel Leid zu, sie kann mir Herz und Seele verwunden. Gott vergebe ihr jetzt, dass sie mich misshandelt, später mag sie sich dann ,bekehren‘.

6. Drei herausragende Lieder

Die Zufügung dieser Strophe wurde durch die Umstellung der Strophe Tiusche man sint wol gezogen (W 32/V) zwischen Ich will tuschen vrowen sagen (W 32/II) und Ich hân lande vil gesehen (W 32/III) erleichtert. Übrigens sollte man deshalb in einer kritischen Ausgabe nicht, wie in der Cormeaus, die Schlussstrophe aus C an die Strophenfolge von A anhängen. Während C also mit drei Frauenstrophen endet, zwei umfassenden (III: die unvergleichliche zuht der ,deutschen‘ Frauen; IV: die schönsten höfischen Damen sind die ,deutschen‘) und einer persönlichen (VI: steter Dienst), ist A durch die Strophe V mit ihrer Pointe: lange muoze ich leben darinne erheblich stärker auf die Themen Nation und Boten-Ich hin orientiert. C verdichtete also zwar den Frauenpreis, ob es dadurch allerdings die nationale Perspektive stärker relativierte, ist heute nicht mehr zu beurteilen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Germanistik verständlicherweise gerne die nationalen Implikationen des Liedes mit Blick auf die C-Strophe abgewehrt. Typisch dafür ist das Diktum von Peter Wapnewski (252002, 236): „Das Lied ist Minnesang, und zwar mit der besonderen (und emphatisch wahrgenommenen) Funktion des Frauenpreises.“ Wie gesagt, heute kann man dies gelassener sehen. Under der linden Das Lied Under der linden (W 16) hat bis in die Gegenwart zahlreiche Musikerinnen und Musiker sowie Komponistinnen und Komponisten zu Vertonungen, mehrere Autorinnen und Autoren zu Nachdichtungen angeregt. Eine kleine Auswahl neuerer musikalischer Interpretationen, für den Autor zusammengestellt von Peter Ackermann (Mainz), mag zur eigenen InternetRecherche anregen (s. auch U. Müller 1983b): Elisabeth Schwarzkopf (Ferruccio Busoni op. 18/2, 1944), Sona Cervena (Petr Eben: Unter der Linden, 1958), Andrea von Ramm (Thomas Binkley – Studio der frühen Musik, 1966), Angelo Branduardi (Sotto il tiglio, um 1976), Michael Korth & Isabella Ernst (Bärengässlin, 1980), Ludovic de San (Castelnuovo-Tedesco, op. 186/10, 1981), Sabine Lutzenberger (Ensemble für frühe musik augsburg, um 1984), Mitsuko Shirai (Norbert Burgmüller: op. 10/1, 1986), Joana Emetz (Under der Linden, 1989), Sigrid Hausen (Under der linden, um 1992), Thomas Hampson (Edvard Grieg op. 48/4: Die verschwiegene Nachtigall, 1993), Regina Kabis (Freiburger Spielleyt, 1996), Martina Noichl (Dulamas Vröudenton, 1997), Susanne Thomas-Martin (Frank Martin: Unter der Linden, 1998), Susan Anthony (E. Humperdinck: Unter der Linde, 1999), Julie Kaufmann (Pfitzner op. 24/1, 1999), Musiktheater Dingo (Under der linden, um 2001), Knud Seckel (Minnesangs frühling, 2002), Traudl Schmaderer (A. Adolf: Under der linden, 2005). Die Interpreten verwendeten den mittelhochdeutschen Text oder mehr oder weniger freie Übertragungen. In ganz verschiedenen Stimmungslagen versuchten sie, der Emotionalität des Liedes, dem Liebesglück, gerecht zu werden. Innerhalb des Korpus der Waltherlieder ist dieses ,Lindenlied‘ allerdings so wenig repräsentativ wie die Textgruppe, in die es die Forschung einreiht, die sogenannten ,Mädchenlieder‘ (s. McLintock 1968; Bennewitz 1989; Heinzle 1997). Welche Lieder als ,Mädchenlieder‘ zu bezeichnen wären, ist strittig; die Zahl schwankt zwischen drei und fünfzehn. Darauf ist hier nicht näher einzugehen, auch nicht auf die Frage, in welche Schaffensphase des Dichters

Mädchenlieder

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VI. Der Hof und die Minne

sie gehörten und ob sie überhaupt einer Phase zuzuschreiben sind. Hierauf wären nur sehr spekulative Antworten möglich. Im Übrigen ist der Terminus ,Mädchenlieder‘ missverständlich, denn er wurde vor dem Hintergrund mittellateinischer Vagantenlieder gebildet, in denen die puella (sprich /puëlla/), das ,Mädchen‘ oder die ,Jungfrau‘, eine gewisse betörende Rolle spielt: Stetit puella tamquam rosula: facie splenduit et os eius floruit. (CB 1772)

Herzeliebe frouwe mir

Steht ein Mädchen wie ein Röslein: Sein Antlitz strahlt, und sein Mund blüht.

Mit diesem Begriff sind Walthers Texte nicht zu vereinbaren. Nur Vers W 51/I2 gebrauchte der Dichter das puella entsprechende maget und variierte es dabei mit frowe, das die sonst übliche Bezeichnung für die weibliche Person in den infrage kommenden Texten ist (s. W 27/III3, IV1, V2.4; W 28/V1, VI1; W 51/I1); W 26/I1 verwendet A das Diminutiv vrowelîn (,junge Dame‘), C dagegen frowe. Gerhard Hahn versucht die Textgruppe durch die These zu retten, es handle sich um „Lieder, an eine Partnerin gerichtet, die keine soziale Auszeichnung, aber die Voraussetzung für beglückende Gegenseitigkeit aufzuweisen hat.“ (s. BHMS, 77) Doch warum sollte die soziale Auszeichnung, die das Wort frouwe nun einmal enthält, für diese Lieder nicht mehr gelten? Unmissverständlich formuliert Achim Masser (1989, 11): „Es gibt dieses ,einfache Mädchen‘ nicht.“ Als Programmlied dieser Gruppe gilt Lied W 26 Herzeliebe frowe mir (C; A: Herzeliebez vrowelîn). Das Diminutivum ist nicht als ursprünglich zu sichern, auch wenn jene kritischen Ausgaben, die sonst überwiegend C folgen, dies suggerieren und hier die A-Variante einsetzen. Sie scheint heute in der Verbindung mit herzeliebez gefühlvoller, doch sollte man auch der Bedeutung dieses Wortes (s. S. 103 f.) keine zu starke Emotionalität beimessen. Die Anrede ruft, wie auch immer man sich die Angeredete naturalisiert, eine ,semantische Grauzone‘ hervor, in der die Rangfrage zugunsten der Minnefrage heruntergespielt werden kann, wie dies die Textinstanz auch möchte: swaz si redent, ich bin dir holt und næme dîn glesîn vingerlîn für einer küniginne golt. (W 26/IV6) was sie auch reden, ich liebe dich, und nähme deinen gläsernen Ring für das Gold einer Königin.

Cormeaus kritische Ausgabe schreibt nim und verzeichnet næme als Lesart gar nicht. Die höfischen Kritiker, so Vers II2, werfen dem Sänger vor, er wende sein Lied nidere; zuo nider, so die kritische Ausgabe, ist nirgendwo belegt. Die Position des nider lässt sich nicht im Sinne eines sozialen Rangs festmachen, schon gar nicht eines nicht-adeligen. Zudem waren nider und hôhe relative Begriffe, und es scheint, als ob dem Sänger genau an dieser Relativierung lag, weil der gesellschaftliche Status für die minne (II4) keine Rolle spielen sollte: Das Lied entwickelt nichts, sondern es wiederholt in jeder Strophe die Erkenntnis, die der Sänger als festen Besitz hat […]. Für ihn kommt es in der Liebe vor allem auf

6. Drei herausragende Lieder die inneren Werte (herze) und die Gegenseitigkeit an, die äußeren Werte der Gesellschaft […] spielen für ihn keine Rolle. (U. Müller 1983a, 83)

Die ,Gegenseitigkeit‘ bleibt ein Wunsch, den der Konjunktiv in C (næme) wohl stärker als der Indikativ in A (nim) ausdrückt. In dem Lied Under der linden (W 16), das nur die Handschriften B und C überliefern, spielt die Rangfrage der Partner keine Rolle, es kündet von gelebter Sexualität. Kaum ein Lied Walthers hat unter den Gelehrten eine solche Aufmerksamkeit erfahren wie dieses (s. z. B. McLintock 1968; Mertens 1983; Brinkmann 1985, 193–200; Wapnewski 1985; Heinen 1989; Sievert 1993; Bleumer 2005, 95–99; Krohn 2006). Linden übrigens ist ein korrekt deklinierter schwacher Dativ Singular. Die Textinstanz ist weiblich, sie erzählt rückschauend; über ihre gesellschaftliche Position erfährt man so wenig wie über die des Partners. Das Lied wird heute gewöhnlich nach C als 9-zeilige Stollenstrophe mit Terzinenstollen und Refrain im Abgesang gelesen; B setzt die Versendpunkte anders: Under der linden, an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ mugent ir vinden schône beide, gebrochen bluomen unde gras. vor dem walde, in einem tal, tandaradai!, schône sanc diu nahtegal. (W 16/I)

Under der linden

Unter der Linde, auf der Heide, wo unser beider Lager war, dort könnt ihr finden, beides schön beisammen, gebrochene Blumen und Gras. Vor dem Wald, in einem Tal, tandaradai!, sang herrlich die Nachtigall.

Der locus amœnus, angedeutet durch die Schatten spendende Linde und die Heide, die Blumen, den Wald, das Tal und die Nachtigall, bildet seit alters den angemessenen Ort für ein liebendes Paar. Die Linde symbolisiert in dieser schönen Umgebung den Baum der Liebe. In einer lateinisch-deutschen Pastorelle verflucht z. B. das verführte Mädchen die Linden am Wegesrand: maledicantur tilie / iuxta viam posite (CB 185). Die gebrochenen Blumen erinnern an das lateinische deflorare (zu flos ,Blume‘) und sind eine in der mittelalterlichen Lieddichtung ganz übliche erotische Metapher: Ia wolde ih an die wisen [,Wiese‘] gân, / flores adunare [,um Blumen zu binden‘], / dô wolde mich ein ungetân / ibi [,dort‘] deflorare (CB 185/21–4). Freudenrufe wie tandaradai/tandaradei ( durchgehend in B, in C nur in der ersten Strophe) findet man vor allem in Pastorellen. In Walthers Lied ist der Ruf, je nach der Stimmung, die der Performer erzeugen möchte, verschieden zu taktieren: andante in trauriger Erinnerung an etwas, das vielleicht nicht mehr wiederkehrt, allegro, getragen fröhlich, in Erinnerung an das schöne, aber möglicherweise einmalige Erlebnis, oder doch allegretto, sorglos fröhlich und pfiffig im Sinne unbeschwerter Sexualität. Auch ein ironischer Unterton wäre, zumal bei männlicher Performanz, möglich. Rüdiger Krohn (2006) hat ja gezeigt, dass der Text als Parodie auf die Genres Minnelied und Pastorelle, die er beide beleiht, aufgefasst werden kann. Nachdem in der ersten Strophe vage die Atmosphäre der Pastorelle heraufbeschworen wurde, wäre nun vielleicht der Bericht über das Verfüh-

locus amœnus

tandaradei

hÞre frouwe

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VI. Der Hof und die Minne

rungsgespräch des Galans zu erwarten. Doch man wird angenehm überrascht: Ich kana gegangen zuo der ouwe, dô was mîn friedel komen Þ. dâ wart ich enpfangen, hÞre froweb, daz ich bin sælig iemer mÞ. er kuste mich wol tusent stuntc, tandaradei! seht wie rôt mir ist der munt. (W 16/II) a

Ich kam zu der Aue gelaufen, da war mein Liebster schon früher gekommen. Da wurde ich (so) empfangen, hohe Dame, dass ich ewig glücklich sein werde. Er küsste mich wohl tausendmal, tandaradei! Seht, wie rot mein Mund ist.

s. zu Paul 241998, §125; b B: herre, vrowe; c B: kuster mich wol tusenstunt

Die Erzählerin berichtet von einem abgesprochenen Treffen, der Mann ist kein ungetân wie in der lateinisch-deutschen Pastorelle (CB 185/23), sondern ihr friedel. Diese Bezeichnung referierte auf die innige Gemeinsamkeit der Liebenden, man findet sie in Minneliedern gewöhnlich nicht. Dort wäre mîn liep üblich. Wie ist hÞre frowe zu verstehen? Folgende Übersetzungen wurden erwogen: – ,wie eine vornehme Dame‘ (= elliptischer Vergleich) – ,hohe Dame‘ (= Begrüßung; Zitat der Anrede durch den Geliebten) – ,Herr, Dame‘ (Anrede der Erzählerin an ihre Herrschaft; wird eventuell durch B gestützt) – ,heilige Jungfrau‘ (= Interjektion; hÞre frouwe wurde gerne als Bezeichnung für die heilige Maria gebraucht) – ,grand lady that I am‘ (= Apposition zu ich; McLintock 1968, 42)

bî den rôsen

Eindeutige Festlegungen wären wohl im mündlichen Vortrag durch Mimik und Gestik möglich; die verschriftete Form gibt zu wenig Anhaltspunkte. Da Walther das Epitheton hÞr in Bezug auf die höfische Dame „stets in Zusammenhang seiner Kontroverse mit Reinmar“ gebrauchte, sieht Krohn (2006, 38) das Lied in die Reimar-Fehde (s. Kapitel VI.4) eingebunden und in der hÞren frouwe selbst die fiktive Minnedame der Reimar-Lieder, der jene Sinnlichkeit verboten war, die ihr Walthers Ich-Instanz nun in boshafter Weise in den Mund legt. Die Erzählerin führt, wie die plurale Anrede ir (I4) und der plurale Imperativ seht belegen, kein Selbstgespräch. Die dritte Strophe wendet im Blumenbild den Blick zur ersten Strophe zurück, um bei der Blume aller Blumen, der symbolträchtigen Rose, zu verharren, die die rote Farbe des Mundes, ein Zeichen der Sinnlichkeit, aus der zweiten Strophe aufnimmt: Dô hât er gemachet alsô rîche von bluomen ein bette stat. des wirt noch gelachet inneklîchea, kumt iemen an daz selbe pfatb.

Da hatte er aus Blumen ein so prächtiges Lager bereitet. Darüber wird noch herzlich gelacht, kommt jemand diesen Pfad entlang. [B: an diesen Ort]

6. Drei herausragende Lieder bî den rôsen er wol mac, tandaradei! merken, wâ mirs houbet lac. (W 16/III) a

An den Rosen kann er wohl, tandaradei! sehen, wo mein Kopf lag.

B. minneclîche; b B: kumet iemen an daz selbe stat

Die Rose besitzt ein Fülle symbolischer Perspektiven. Schon in der Antike war sie der Aphrodite beziehungsweise der Venus zugeordnet, und im vorliegenden Textzusammenhang versinnbildlicht sie Weiblichkeit und Sexualität. In CB 1772 (s. S. 112) sind Rose und Mädchen identisch, und diese Identität belegt auch Goethes bekanntes „Heidenröslein“: Und der wilde Knabe brach ’s Röslein auf der Heiden; Röslein wehrte sich und stach, Half ihr doch kein Weh und Ach, Mußt’ es eben leiden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

Als christliches Symbol versinnbildlicht die Rose die Verschwiegenheit. Man findet sie in Beichtstühle geschnitzt und sagt etwas sub rosa (,im Vertrauen‘). Solche Verschwiegenheit erhofft sich Walthers ,Röslein‘, wenn es in der Schlussstrophe zwar eingesteht, mit dem Liebsten geschlafen zu haben, aber nicht möchte, dass dies bekannt wird. Es betreibt damit ein perspektivenreiches Schauspiel der besonderen Art und zieht sich gleichsam wieder hinter die Bühne zurück, auf die es sich in der ersten Strophe vorwitzig gewagt hatte: Daz er bî mir lægea, wessez iemenb, nûn welle got, sô schamt ich mich. wes er mit mir pflæge, niemer niemen bevinde dazc, wan er und ich und ein kleinez vogellîn, tandaradei!, daz mac wol getriuwe sîn. (W 16/IV) a

Diskretion

Wüsste jemand, dass er bei mir lag, Gott verhüte es!, dann schämte ich mich. Was er mit mir tat, das möge niemals jemand [B: möge im Ernst niemals …] erfahren außer er und ich und ein kleines Vögelein, tandaradei!, das wird wohl verschwiegen sein.

B: Daz er bî mir dâ gelæge; b B: wisse ez iemen; c B: bevinde ez âne spot

Wort und Tat stehen im Widerspruch, sollte doch das Erzählte verschwiegen bleiben. Die Erzählerin treibt ein seltsames Spiel; sie gibt vor, sich zu schämen, wenn ihr heimliches Treffen bekannt wird, und berichtet doch offen und gerne darüber. Walther gelang es, unbekümmerte Naivität mit Raffinesse zu paaren und eine glückliche Frau zum Leben zu erwecken, die sich nimmt, was sie nicht sollte, und der wohl gerade deshalb bis heute die ungeteilte Sympathie derer gilt, die das Lied auf sich wirken lassen. Der Text war nach zeitgenössischer Auffassung sicherlich kein Plädoyer für weibliche Selbstbestimmung, wenn manche(r) ihn auch heute gerne so lesen möchte; dazu kommt er viel zu unbeschwert und zu instabil daher. Es war ein litera-

Wort und Tat

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VI. Der Hof und die Minne

risches Experiment, das, sicherlich zum Ergötzen des Publikums, die höfische Kunst mit der vagantischen in Kontakt brachte, jene dadurch bereicherte, diese verfeinerte.

7. Missklänge – OwÞ, hovelîchez singen alte siten

Die in die laudatio temporis acti eingebundene Klage über den Verlust des höfischen Lebens und der alten Ehre nahm Walther öfters auf; hier ein typisches Beispiel: mit den getriuwen alten sitten ist man nû ze der welte versnitten. Þre und guot hât nû lützel ieman, wan der übel tuot. (W 60/II5–8) Mit den guten alten Sitten wird man jetzt auf der Welt geschnitten. Ehre und Gut besitzt heute kaum noch jemand, es sei denn einer, der Böses tut.

Mit der alten Zeit ist auch die höfische Freude dahingegangen: Ez wær uns allen einer hande sælden nôt, daz man rehter frœide schône pflæge als Þ. (W 67/I1–3) Wir hätten alle eine Art Glückseligkeit nötig, dass man wie früher für wahre Freude auf schöne Weise sorgte.

Die Sehnsucht nach der ,alten Ehre‘ wird der Frau Welt mitgeteilt: Welt […] bitte die alten Þre, / daz si wider kÞre (W 35/V5 f.). Besonders eindringlich formulierte Walther die Zeitklage in dem Lied OwÞ, wâr sint verswunden alle mîne jâr (W 97; s. S. 77–80). Dort heißt es in der zweiten Strophe: nû merkent wie den frouwen ir gebende stât, die stolzen ritter tragent dœrpellîche wât. (W 97/II7 f.) Nun schaut, wie den Frauen ihr Gebände steht! Die stolzen Ritter tragen ,bäuerliche‘ (= unhöfische) Kleidung!

frouwe unfuoge

Mittelhochdeutsch dœrpellîch bedeutete, ohne direkt auf den Bauernstand bezogen zu sein, ,bäurisch‘ und referierte auf das unkultivierte Benehmen, das am Adelshof nicht üblich sein sollte (s. Ehrismann 1995a). Schon die Antike gebrauchte ,bäurisch‘ als eine Chiffre für Dummheit und Ungebildetheit. Immer wieder klagte Walther über den Verfall der Hofsitten; solche Klagen waren offensichtlich kein spezifisches Signum für die Altersdichtung. Er ließ seine Textinstanz die ungefüegen dœne anprangern, die sich am Hof breit gemacht hätten, d. h. Singweisen, die keine fuoge (,Schicklichkeit‘, ,Anständigkeit‘, ,Kunstfertigkeit‘) kannten: OwÞ, hovelîchez singen, daz dich ungefuoge dœne solten ie ze hove verdringen! daz dich schiere got gehœne!

Ach, höfischer Gesang, dass dich jemals grobe Misstöne vom Hofe verdrängen würden! Gott möge dich unverzüglich entehren!

7. Missklänge OwÞ, daz dîn wirde alsô geliget! des sint alle dîne friunde unfrô. daz muoz eht alsô sîn, nû sî alsô. frô unfuoge, ir habt gesiget. (W 41/I)

Ach, dass dein Ansehen so daniederliegt! Darüber sind alle deine Freunde unglücklich. Das muss nun wohl so sein, nun sei es so. Frau Schande, ihr habt gesiegt.

In Vers I4 ,bessert‘ die kritische Philologie unnötigerweise dich in die, das sich dann auf die ungefuogen dœne und nicht mehr das hovelîche singen bezieht. Walther war der erste, der seinen Gesang als ,höfisch‘ bezeichnete und darunter die „edle, etablierte Hofkunst“ (Erlei 2007, 159) verstand. Gott, so der Wunsch des Klägers im vorliegenden Lied, möge den Hof entehren, der die Missklänge zulasse. Der Kläger hat resigniert, die Unschicklichkeit gesiegt. Sarkastisch werden die neuen Töne als Froschquaken charakterisiert: die tuont sam die frœsche in eime sÞ, den ir schrîen sô wol behaget, daz diu nahtegal dâ von verzaget, sô si gerne sunge mÞ. (W 41/IV5–8)

die hören sich an wie die Frösche im See, denen ihr Quaken so gut gefällt, dass die Nachtigall darüber verzagt, die doch so gerne mehr sänge.

Die ,Nachtigall‘, so darf man annehmen, steht für die der Tradition verpflichteten Minnesänger, besonders für den Sänger, Walther. Er verzagt gegenüber den lauten Misstönen der ,Frösche‘, die sich an ihrem Quaken ergötzen, und hätte doch so gerne noch länger gesungen: doch volge ich der alten lÞre: ich enwil niht werben zuo der mül, dâ der stein sô riuschent umbe gât und daz rât sô mange unwîse hât. (W 41/III4–7)

werben zuo der mül

Doch folge ich der alten Lehre: ich will nicht bei der Mühle arbeiten, wo sich der Stein so geräuschvoll dreht und das Mühlrad so manchen Misston hervorbringt.

Die ungefuoge kam, wie nicht anders zu erwarten, von den ,Bauern‘ (V7 f.), und es wäre der Wunsch des Klagenden, deren Töne wieder von den Höfen zu vertreiben: Der ungefüege swîgen hiezze, waz man danne fuoge funde! und si von den bürgen stiezze, daz unfuoge dâ verswunde. wurden ir die edelen habe benomen, daz wære allez nâch dem willen mîn. (W 41/V1–6)

Wer die Unschicklichkeit zum Schweigen brächte und sie von den Burgen stieße, dass sie da verschwände, welche Schicklichkeit fände man dann! Würde ihr die adlige Stütze genommen, so entspräche das ganz meinem Wunsch.

Worin die unfuoge des Gesangs allerdings konkret besteht und wer die neuen Konkurrenten des höfischen Musikbetriebs sind, erfährt man nicht. Gegen die Gesänge Neidharts, in denen das Leben der ,Bauern‘ und ihr vergebliches Bemühen, höfisch zu sein, z. T. sarkastisch persifliert wurde, musste sich Walthers Invektive nicht zwingend und ausschließlich, wie man gerne angenommen hat, richten; konnte es natürlich. Auch an Neidhart-Nachahmer ist zu denken. Neidhart selbst parodierte gelegentlich Texte Walthers (s. Kokott 1989). Das werben an der Mühle klingt, gerade wegen der weiten Semantik des mittelhochdeutschen Wortes, das nicht nur auf das Minne-Werben, sondern auf ein allgemeines Handeln referierte,

Neidhart

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VI. Der Hof und die Minne

iuwer hulde

nach einer Redewendung für vergebliches, sinnloses Handeln, und öffnet dadurch einen Interpretationsraum, der über die reine Musik-Kritik zur HofKritik und den aktuellen, verachteten ,Minne-Betrieb‘ weist. Neben den harschen Tönen finden sich in Walthers Liedern aber auch versöhnliche, die man gerne der Weisheit eines im Alter zurückblickenden Autors zuschreiben möchte (allerdings nicht muss: vgl. Schumacher 2000; Bloh 2002). Über Walthers Texten schwebt der Geist einer großen Persönlichkeit, die ihre Zeit durch ihre großartige, auch spätere Jahrhunderte immer wieder ergreifende Poesie bewegte. Gerne ist man bereit, die folgenden Worte, an die reinen wîp und werden man (W 43/I1; s. S. 35) gerichtet, als ,persönliches Bekenntnis‘ anzunehmen, wissend, dass es sich dabei um eine wohlkalkulierte Memoria-Stiftung handelt: wol vierzec jâr hab ich gesungen und mÞ Wohl mehr als vierzig Jahre habe ich von der von minnen und als iemen sol; Minne gesungen, und so, wie es sich gehört; dô was ich sîn mit den andern geil. darüber war ich mit den andern Leuten froh. nû wirt mir sîn niht mÞ, ez wirt iu gar. Jetzt gehört es mir nicht mehr, es gehört alles euch. (Mein) Minnesang, der diene euch, minnen sanca, der diene iu dar und iuwer hulde sî mîn teil. (W 43/I7–12) und eure Gunst sei mein Teil. a

nû bin ich alt

A/B: mîn minne(n) sanc

Minnesang war Dienst an und in der höfischen Gesellschaft zur Steigerung ihrer Ehre und Würde, ihrer werdekeit (II1–4). Dafür – die Sangspruchdichtung erwähnte er nicht – forderte der Dichter, wirkungsvoll das Altersthema ansprechend, den Dank dieser Gesellschaft ein. Doch als frommer Mann dachte er, denkt das Ich des Liedes, in dieser Rückschau nicht nur über den Nachruhm, das Weiterleben in der Welt, nach, sondern über diese Welt selbst und das eigene Seelenheil: Welt, ich hân dînen lôn ersehen: swaz dû mir gîst, daz nimst dû mir. wir scheiden alle nachent unda blôz von dir. schame dich, sül mir alsam geschehen! ich hâte lîb und sÞle – des was gar ze vil! – gewâget tûsent stunt dur dich, nû bin ich alt, und hâst mit mir dîn gumpelspil. (W 43/III1–7) a

minne, diu dich lât

Welt, Deinen Lohn habe ich kennen gelernt: Was Du mir gibst, das nimmst Du mir. Wir scheiden alle nackt und bloß von Dir. Schäme Dich, sollte es mir ebenso ergehen! Ich hatte Leib und Seele – es war gar zu viel! – tausendmal für Dich aufs Spiel gesetzt, jetzt bin ich alt, und Du treibst mit mir Dein Possenspiel.

A/B: ohne nachent und

Der Welt allerdings wird es am Jüngsten Tag ebenso ergehen, auch ihr jâmertac (III10) wird kommen, und ihr wird genommen werden, was sie den Menschen genommen hat. Obendrein wird sie in Flammen aufgehen. Unter

7. Missklänge

einer solchen apokalyptischen und eschatologischen Perspektive sollte der Blick auf die Gottesliebe, die wâre minne (IV7), die stæte minne (IV10), gerichtet sein: lîb, lâ die minne, diu dich lât, und habe die stæten minne wert. mich dunket, der dû hâst gegert, diu ensî niht visch unz an den grât. (W 43/IV9–12)

Leib, lass die Liebe, die Dich verlässt, und schätze die immerwährende Liebe. Mir scheint, dass die, die Du begehrt hast, kein Fisch ist bis auf die Gräte.

Was ist die minne, diu dich lât? Die körperliche Liebe? Die Liebe zur Welt? Jedenfalls eine diesseitige Liebe. Der letzte Vers zitiert eine bekannte Volksweisheit (s. Wander I, 1034), die auf die Mängel, die Unvollkommenheit einer Sache oder Erscheinung hinweist: „Ohne Grät kein Fisch man find, ohne Mängel die Leut nicht sind“, verzeichnet z. B. der „Politische Blumengarten“ Christopher Lehmanns (1630; s. Wander II, 128). Der minne, diu dich lât, zu entsagen, bedeutete also keine Rücknahme (revocatio), wohl aber eine Relativierung der bisherigen Lebensleistung, die mit Mängeln behaftet ist. Es ist, so will es die Frömmigkeit des mittelalterlichen Menschen, ein Punkt erreicht, an dem die stæte minne, die, die auf das Seelenheil, die ,ewige Heimat‘ (vgl. S. 75) gerichtet ist, das Leben beherrschen sollte. Die Erinnerung, die sich der Autor für sich über seine Textinstanz wünscht und die er hier gezielt zu steuern versucht, soll, blickt man auf das gesamte Lied zurück, von zwei Komponenten geprägt sein: der Kunst und der Mahnung an die stæte minne. Auch uns sollte der fromme Mann Walther im Gedächtnis bleiben, der seinen Ruhm und sein Ansehen in der höfischen Gesellschaft des Mittelalters, seine Ehre und Würde, mithilfe mutiger und frecher, manchmal provozierender, manchmal schmeichelnder Gesänge organisierte: der herausragende Künstler und scharfzüngige Kommentator seiner Zeit, der fromme Verwalter christlicher und konservativer Tugenden und des do-ut-des-Prinzips in den menschlichen Beziehungen – der in einem schwierigen Umfeld als genialer Entertainer an seiner sozialen Mobilität arbeitende Mensch, der die Schwächen gesellschaftlicher Diskurse hellsichtig durchschaute und entlarvte.

stæte minne

memoria

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Weingarten-Stuttgarter Liederhandschrift (B), Miniatur Walthers von der Vogelweide

Bibliografie In die Bibliografie sind nur diejenigen Studien aufgenommen, die innerhalb des Buches genannt werden. Auf die sehr umfangreiche Präsenz Walthers von der Vogelweide im Internet, die man leicht über die gängigen Suchmaschinen erreicht, wurde verzichtet. Den ,wissenschaftlichen Pfad‘ schlägt man am besten über das Portal ,www.mediaevum.de‘ ein. Um Platz zu sparen, werden die folgenden Titel z. T. verkürzt zitiert.

1. Philologische Grundlagen: Handschriften, Ausgaben und Übersetzungen, Textkritik Walther von der Vogelweide Bein Hg. 1999: s. unter Bibliografie 2 BMS = Walther von der Vogelweide. Die gesamte Überlieferung der Texte und Melodien. Abbildungen, Materialien, Melodietranskriptionen. Hg. v. Horst Brunner, Ulrich Müller, Franz Viktor Spechtler. Göppingen 1977 (Litterae; 7) GHL = Die Große Heidelberger ,Manessische‘ Liederhandschrift. In Abbildung hg. v. Ulrich Müller. Göppingen 1971 (Litterae; 1) Kraus, Carl von: Walther von der Vogelweide. Untersuchungen. Berlin, Leipzig 1935 Die Lieder Walthers von der Vogelweide, 1. Bändchen: Die religiösen und die politischen Lieder, 2. Bändchen: Die Liebeslieder. Hg. v. Friedrich Maurer. Tübingen 1955/56 und öfter (Altdeutsche Textbibliothek; 43, 47) Walther von der Vogelweide. Die Lieder. Mittelhochdeutsch und in neuhochdeutscher Prosa. Mit einer Einführung in die Liedkunst Walthers hg. und übertragen v. Friedrich Maurer. München 1995 (11972; UTB 167) Walther von der Vogelweide. Sprüche und Lieder. Gesamtausgabe. Hg. und eingeleitet v. Helmut Protze. Leipzig 21983 Walther von der Vogelweide. Gedichte. 11. Auflage auf der Grundlage der Ausgabe von Hermann Paul. Hg. v. Silvia Ranawake mit einem Melodienanhang von Horst Brunner. Teil 1: Der Spruchdichter. Tübingen 1997 (Altdeutsche Textbibliothek; 1) Rühmkorf, Peter: Walther von der Vogelweide, Klopstock und ich. Reinbek bei Hamburg 1975 Schaefer, Joerg: Walther von der Vogelweide. Werke. Text und Übersetzung, Erläuterung der Gedichte, Erklärung der wichtigsten Begriffe. Darmstadt 21987 Schw. 1 = Walther von der Vogelweide. Werke. Ge-

samtausgabe. Bd. 1: Spruchlyrik. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Hg., übersetzt und kommentiert v. Günther Schweikle. Stuttgart 1994 (RUB 819) Schw. 2 = Walther von der Vogelweide. Werke. Gesamtausgabe. Bd. 2: Liedlyrik. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Hg., übersetzt und kommentiert v. Günther Schweikle. Stuttgart 1998 (RUB 820) W = Walther von der Vogelweide. Leich, Lieder, Sangsprüche. 14., völlig neu bearbeitete Auflage der Ausgabe Karl Lachmanns mit Beiträgen von Thomas Bein und Horst Brunner. Hg. v. Christoph Cormeau. Berlin, New York 1996 Walther von der Vogelweide. Gedichte. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Ausgewählt, übersetzt und mit einem Kommentar versehen v. Peter Wapnewski. Frankfurt a. M. 252002 (11962; Fischer Taschenbuch; 6052). Ergänzend: Walther von der Vogelweide. Ausgewählte Gedichte. „Ir sult sprechen willekomen“. Gelesen und kommentiert von Peter Wapnewski. Der Hör Verlag. München 2000 Wilmanns, Wilhelm: Walther von der Vogelweide. Hg. und erklärt. Halle 1869 (Germanistische Handbibliothek; 1) und Halle 1886 Walther von der Vogelweide. Frau Welt ich hab von dir getrunken. Hg. und übertragen v. Hubert Witt. Berlin 1978 (21980; seit 1984: Walther von der Vogelweide. In dieser Welt geht’s wundersam. Die Gedichte. München) Andere Autoren CB = Carmina Burana. Die Lieder der Benediktbeurer Handschrift. Zweisprachige Ausgabe. München 1979 (dtv weltliteratur; 2063) Degenhardt, Franz Josef: Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen. Alle Lieder mit Noten bis 1975. Reinbek bei Hamburg 1986 (zitiert ist S. 63 f. das „Papstlied II“) DL = Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters. Edition der Texte und Kommentare v. Ingrid Kasten. Übersetzungen v. Margherita Kuhn. Frank-

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Bibliografie furt a. M. 2005 (Deutscher Klassikerverlag im Taschenbuch; 6) Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Gedichte nach Walther von der Vogelweide. o. O. 1779 (zitiert ist S. 108 Lied Nr. 8: „Der deutsche Mann“) Gottfried von Straßburg. Tristan. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort v. Rüdiger Krohn. 3 Bde. Stuttgart 1980 und öfter (RUB 4471–73) Hartmann von Aue. Der arme Heinrich. Übersetzt von Siegfried Grosse. Hg. v. Ursula Rautenberg. Stuttgart 1993 und öfter (RUB 456) Hartmann von Aue. Iwein. 4., überarbeitete Auflage. Text der siebenten Ausgabe von G. F. Benecke, K. Lachmann und L. Wolff. Übersetzung und Nachwort von Thomas Cramer. Berlin, New York 2001 Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Sämtliche Werke, kritisch und chronologisch hg. v. Wilhelm Michael. 2 Bde. Weimar 1914 (zitiert ist S. 108 Lied Nr. 71: „Vaterlandslied“) Hugo von Trimberg. Der Renner. Hg. v. Gustav Ehrismann. 4 Bde. Tübingen 1908–11 (Bibliothek des Literarischen Vereins Stuttgart; 247–251) LLM = Lateinische Lyrik des Mittelalters. Lateinisch / Deutsch. Ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Paul Klopsch. Stuttgart 1985 (RUB 8088) Luther WA = D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe). Bd. 6. Weimar, Graz 1966 MF = Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moritz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus bearbeitet von Hugo Moser und Helmut Tervooren. I: Texte. Stuttgart 381988 Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Karl Bartsch und Helmut de Boor ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse. Stuttgart 22002 (RUB 644) Oswald von Wolkenstein. Lieder. Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Ausgewählte Texte hg., übersetzt und kommentiert von Burghart Wachinger. Melodien und Tonsätze von Horst Brunner. Stuttgart 2007 (RUB 18490) RdTh. = Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae. Hg. v. Otto Dobenecker. Bd. 2. Jena 1900 Sachsenspiegel. Landrecht und Lehnrecht. Hg. v. Friedrich Ebel. Stuttgart 1993 (RUB 3355) Thomasin von Zerklaere. Der welsche Gast. Hg. v. Friedrich Wilhelm von Kries. Bd. 1. Göppingen 1984

Wolfram von Eschenbach. Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit Einführungen zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der ,Parzival‘-Interpretation von Bernd Schirok. Berlin, New York 22003 Wolfram von Eschenbach. Willehalm. 3., durchgesehene Auflage. Text der Ausgabe von Werner Schröder. Übersetzung, Vorwort und Register von Dieter Kartschoke. Berlin, New York 2003

2. Bibliografien und Sammelbände Bibliografien Scholz, Manfred Günter: Bibliographie zu Walther von der Vogelweide. Berlin 1969 (Bibliographie zur deutschen Literatur des Mittelalters; 4) Scholz, Manfred Günter: Walther-Bibliographie 1968–2004. Frankfurt a. M. 2005 (WS; 3) Sammelbände Bein, Thomas (Hg. 1999): Walther von der Vogelweide. Textkritik und Edition. Berlin, New York Beyschlag, Siegfried (Hg. 1971): Walther von der Vogelweide. Darmstadt Birkhan, Helmut (Hg. 2005): Der achthundertjährige Pelzrock. Walther von der Vogelweide – Wolfger von Erla – Zeiselmauer. Wien Fromm, Hans (Hg. 1972): Der deutsche Minnesang. Aufsätze zu seiner Erforschung. Darmstadt Fromm, Hans (Hg. 1985): Der deutsche Minnesang. Aufsätze zu seiner Erforschung. Darmstadt Krohn, Rüdiger (Hg. 1995): Dâ hœret ouch geloube zuo. Überlieferungs- und Echtheitsfragen zum Minnesang. Leipzig McFarland, Timothy; Ranawake, Silvia (Hg. 1982): Walther von der Vogelweide. Twelve Studies. Oxford (Oxford German Studies; 13) Mertens, Volker; Müller, Ulrich (Hg. 2001): Walther lesen. Interpretationen und Überlegungen zu Walther von der Vogelweide. Festschrift für Ursula Schulze zum 65. Geburtstag. Göppingen Mück, Hans-Dieter (Hg. 1989): Walther von der Vogelweide. Beiträge zu Leben und Werk. Stuttgart Müller, Jan-Dirk; Worstbrock, Franz Josef (Hg.1989): Walther von der Vogelweide. Hamburger Kolloquium 1988 zum 65. Geburtstag von Karl-Heinz Borck. Stuttgart Wodan 1995: Walther von der Vogelweide. Actes du Colloque du Centre d’Études Médiévales de l’Université de Picardie Jules Verne, 15 et 16 Janvier 1995. Greifswald (Wodan; 52)

Bibliografie WS = Walther-Studien. Hg. v. Thomas Bein. Frankfurt a. M. 2002 ff.

3. Monografien und Aufsätze, Literaturgeschichten und Lexikonartikel Baltzer, Ulrich: Strategien der Persuasion in den Sangsprüchen Walthers von der Vogelweide. In: Zeitschrift für deutsches Altertum 120 (1991), 119–139 Bauschke, Ricarda: Die ,Reinmar‘-Lieder Walthers von der Vogelweide. Literarische Kommunikation als Form der Selbstinszenierung. Heidelberg 1999 Behr, Hans-Joachim: Walthers Sprüche im ,Unmutston‘. Überlegungen zu ihrer Kohärenz. In: Mück Hg. 1989, 391–401 Bein, Thomas: Politische Lyrik und Chronistik. Zur Rekonstruktion von Zeitgeschehen am Beispiel Walthers von der Vogelweide (L. 105, 13). In: Zeitgeschehen und seine Darstellung im Mittelalter. Hg. v. Christoph Cormeau. Bonn 1995, 118–135 Bein, Thomas: Walther von der Vogelweide. Stuttgart 1997 (RUB 17601) Bein, Thomas: „echt kritisch“: Zwei Jahrhunderte Klassiker-Geschichte. Zum Wandel der Text-Kritik in der Walther von der Vogelweide-Philologie. In: editio 18 (2004), 69–88 Bein, Thomas: Überlegungen zur 15. Auflage der Lachmann-Cormeauschen Walther-Ausgabe. In: Birkhan Hg. 2005, 15–24 Bennewitz, Ingrid: ,vrouwe/maget‘. Überlegungen zur Interpretation der sogenannten Mädchenlieder im Kontext von Walthers Minnesang-Konzeption. In: Mück Hg. 1989, 237–252 Berthelot, Anne: Peire Vidal, Reinmar l’Ancien, et Walther von der Vogelweide: du „Baiser volé“ au Preislied. In: Wodan 1995, 31–40 Beyschlag, Siegfried: Walther von der Vogelweide und die Pfalz der Babenberger (Walthers Scheiden von Wien). Ein Diskussionsbeitrag [1959]. In: Beyschlag Hg. 1971, 584–607 BHMS: Horst Brunner, Gerhard Hahn, Ulrich Müller, Franz Viktor Spechtler: Walther von der Vogelweide. Epoche – Werk – Wirkung. München 1996 Birkhan, Helmut: Reinmar, Walther und die Minne. Zur 1. Dichterfehde am Wiener Hof. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 93 (Tübingen 1971), 168–212 Birkhan, Helmut (2005a): …swer des vergÞze, der tÞte mir leide. Walther-Gedächtniskultur in den Gästebüchern des Vogelweidhofes in Lajen. In: Birkhan Hg. 2005, 25–82 Bleumer, Hartmut: Walthers Geschichten? Überlegungen zu narrativen Projektionen zwischen

Sangspruch und Minnesang. In: Birkhan Hg. 2005, 83–102 Bloh, Ute von: Zum Altersthema in Minneliedern des 12. und 13. Jahrhunderts: Der ,Einbruch‘ der Realität. In: WS 1 (2002), 117–144 Böhm, Hans: Walther von der Vogelweide. Minne, Reich, Gott. Stuttgart 1949 de Boor, Helmut: Walther von der Vogelweide. In: Die Großen Deutschen. Bd. 1. Berlin 1956, 114–129 de Boor, Helmut: Die höfische Literatur. Vorbereitung, Blüte, Ausklang. 1170–1250. 10. Auflage bearbeitet von Ursula Hennig. München 1979 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Begründet von Helmut de Boor und Richard Newald. Bd. 2) Borck, Karl-Heinz: Aller werdekeit ein füegerinne (Lachmann 46, 32). In: Festschrift für Jost Trier. Hg. v. William Foerste und K.-H. Borck. Köln, Graz 1964, 313–334 Borck, Karl-Heinz: Den diu minne blendet, wie mac der gesehen? Zu Walthers Lied 69, 1. In: Gedenkschrift für Jost Trier. Hg. v. Hartmut Beckers und Hans Schwarz. Köln, Wien 1975, 309–320 Brinkmann, Sabine Christiane: Die deutschsprachige Pastourelle. 13. bis 16. Jahrhundert. Göppingen 1985 Brunner, Horst: Verkürztes Denken. Religiöse und literarische Modelle in der politischen Dichtung des deutschen Mittelalters. In: Ûf der mâze pfat. Festschrift für Werner Hoffmann zum 60. Geburtstag. Hg. v. Waltraud Fritsch-Rößler. Göppingen 1991, 309–333 Brunner, Horst: Hoffmann von Fallersleben und Walther von der Vogelweide. In: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798–1998. Hg. v. Hans-Joachim Behr et al. Bielefeld 1999 Brunner, Horst: Walther von der Vogelweide. Höfische Lieddichtung des Mittelalters in und aus Franken. Gunzenhausen 2007 Bumke, Joachim: Walther von der Vogelweide: Diu krône ist elter danne der künic Philippes sî. In: Geschichte im Gedicht. Hg. v. Walter Hinck. Frankfurt a. M. 1979, 19–24 Bumke, Joachim: Walther von der Vogelweide. In: Kindlers Neues Literaturlexikon. Hg. v. Walter Jens. Bd. 17. München 1992, 298–403 Burdach, Konrad: Walther von der Vogelweide. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 41 (1896), 35–92 Burdach, Konrad: Walther von der Vogelweide. Philologische und historische Forschungen. Erster Theil. Leipzig 1900 Burdach, Konrad (1902): Zum zweiten Reichsspruch Walthers von der Vogelweide. In: Sitzungsberichte

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Bibliografie der königlich-preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 38 (1902), 897–203 Burdach, Konrad: Walthers Aufruf zum Kreuzzug Kaiser Friedrichs II. [1935]. In: Beyschlag Hg. 1971, 117–139 Cormeau, Christoph: Minne und Alter. Beobachtungen zur pragmatischen Einbettung des Altersmotivs bei Walther von der Vogelweide. In: Mittelalterbilder aus neuer Perspektive. Hg. v. Ernstpeter Ruhe und Rudolf Behrens. München 1985, 147–165 Cramer, Thomas: Ich sach swaz in der welte was. Die Ordnung des Kosmos in Walthers zweitem Reichsspruch. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 104 (1985), 70–85 Curschmann, Michael: Waltherus cantor. In: Oxford German Studies 6 (1972), 5–17 Czaplinski, H.-D.: Das Bild Walthers von der Vogelweide in der deutschen Forschung von Ludwig Uhland bis zum Ende des Dritten Reiches. Eine Untersuchung zum Einfluß politischer Anschauungen auf die Literaturgeschichte. Diss. Gießen 1969 Demandt, Karl E.: Die Anfänge des Katzenelnbogener Grafenhauses und die reichsgeschichtlichen Grundlagen seines Aufstiegs. In: Nassauische Annalen 33 (1952), 17–71 Egger, Oswald; Gummerer, Hermann (Hg.): Walther. Dichter und Denkmal. Wien, Lana 1990 Ehlert, Trude: Konvention – Variation – Innovation. Ein struktureller Vergleich von Liedern aus „Des Minnesangs Frühling“ und von Walther von der Vogelweide. Berlin 1980 Ehrismann, Otfrid: „Tandaradei“, „hÞre vrouwe“ und die „Schwelle des Allerheiligsten“. Frau und Tabu. In: Sprache und Literatur 18 (1987), 36–54 Ehrismann, Otfrid: Nachdenken über Walther. Probleme beim Schreiben einer postmodernen Biographie. In: Mück Hg. 1989, 191–205 Ehrismann, Otfrid: Ich het ungerne „dicke blôz“ geruefet. Walther von der Vogelweide, die Erotik und die Kunst. In: Das Erotische in der Literatur. Hg. v. Thomas Schneider. Frankfurt a. M. 1993, 9–28 Erlei, Stefan: Walther von der Vogelweide als sprachlicher Innovator. Der Ausdruck ,höfisch‘ in Walthers Dichtung. In: WS 5 (2007), 147–163 Fritsch-Rößler, Waltraud: Wandlung (in) der Abstinenz. Lieder der hohen Minne zwischen Singen, Sagen und Versagen. In: Die Poesie der Liebe. Hg. v. Ulrich Kittstein. Frankfurt a. M. 2006, 41–90 Gerstmeyer, Günther: Walther von der Vogelweide im Wandel der Jahrhunderte. Breslau 1934 Goheen, Jutta: Zur ,mâze‘ im ,Bogner-Ton‘ Walthers. In: Mück Hg. 1989, 363–377

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Konkordanz – Strophenzahlen nach Lachmann Im vorliegenden Band werden die Strophen Walthers von der Vogelweide nach der 14. Auflage der Ausgabe Karl Lachmanns (W) zitiert. In der folgenden Konkordanz, die nur die in diesem Band erwähnten Lieder verzeichnet, finden Sie die in der Forschungsliteratur häufig verwendete Zählung nach den älteren Auflagen. Die hinterste Spalte verzeichnet die Seiten, auf denen die Lieder zitiert sind; bei vollständigen Liedern wird nur die erste Strophe angegeben. 14. Auflage (Cormeau)

ältere Zählung (Lachmann)

zitiert S.

14. Auflage (Cormeau)

ältere Zählung (Lachmann)

zitiert S.

1/II*b1 1/II*b2 2/I 2/II 2/III 3/I 3/II 3/III 3/IV 3/V 3/VI 3/VII 3/VIII 3/IX 3/X 3/XI 4/I 4/II 4/III 4/IV 4/V 4/VI 5/I 5/II 6/I 6/II 7/I 7/II 7/III 7/IV 7/V 7/VI 7/VII 7/VIII 7/IX 7/X 7/XI 7/XII 8/I

6,28 6/32 8,4 8,28 9,16 10,1 10,9 10,17 10,25 10,33 84,14 84,22 84,30 85,1 85,9 85,17 11,6 11,18 11,30 12,6 12,18 12,30 13,5 13,12 13,33 14,6 14,38 15,6 138,1 15,13 15,20 15,27 15,34 16,1 16,8 16,15 16,22 16,29 16,36

53 53 45, 51 f. 45, 53 ff. 52 65 65 65 65 52, 65 65 65 65 65 65 65 49, 59 59 f. 41, 59 f. 59 f., 74 59 f., 74 60 75 75 82 f. 82 33, 48, 76 76 76 76 76 76 76 76 76 76 77 76 f. 33

8b 9/I 9/II 9/III 9/IV 9/V 10/I 10/II 10/III 10/IV 10/V 10/VI 10/VII 10/VIII 10/IX 10/X 10/XI 10/XII 10/XIII 10/XIV 10/XV 11/I 11/II 11/III 11/IV 11/V 11/VI 11/VII 11/VIII 11/IX 11/X 11/XI 11/XII 11/XIII 11/XIV 11/XV 11/XVI 11/XVII 11/XVIII

18,15 18,29 19,5 19,17 19,29 20,4 20,16 20,31 21,10 21,25 22.3 22,18 22,33 23,11 23,26 24,3 24,18 24,33 25,11 25,26 148,1 26,3 26,23 26,33 27,7 27,17 27,27 28,1 28,11 28,21 28,31 29,19 30,9 26,13 29,25 29,35 30,19 XXIX,1 XXX,1

41 48, 54, 56 f. 57 ff. 59 40, 45, 69 71 48 f., 66 69 f. 66 65 66 66 66 66 66, 68 66 20 f., 66 70 66 34, 69 66 33, 60 41, 60 41, 60 60 60 60 37, 60, 88 60 41, 60 34, 36, 60 61 60 60 60 60 60 60 60

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Konkordanz – Strophenzahlen nach Lachmann 14. Auflage (Cormeau)

ältere Zählung (Lachmann)

zitiert S.

14. Auflage (Cormeau)

ältere Zählung (Lachmann)

zitiert S.

11/XIX 11/XX 11/XXI 11a 12/I 12/II 12/III 12/IV 12/V 12/VI 12/VII 12/VIII 12/IX 12/X 12/XI 12/XII 12/XIII 12/XIV 12/XV 12/XVI 12/XVII 12/XVIII 12a/I 12a/II 12a/III 12a/IV 12a/V 12b 13 14 15/I 15/II 16/I 16/II 16/III 16/IV 17/II 18/III 23/I 23/II 23a/I 23a/II 25/I 25/II 25/IV 26/I 26/II 26/IV 27/III 27/IV 27/V 28/III

30,29 31,3 153,1 29,4 31,13 31,23 31,33 32,7 32,17 32,27 33,21 34,4 34,14 35,17 36,1 33,1 34,24 34,34 35,7 35,27 33,11 33,31 36,11 36,21 36,31 37,4 37,14 37,24 37,34 38,10 39,1 39,6 39,11 39,20 40,1 40,10 40,27 41,29 45,37 46,10 46,32 47,5 48,12 49,12 48,38 49,25 49,31 50,7 50,35 51,5 177,1 51,29

60 60 60 60 44, 62 61 70 45, 70 41, 62 41, 62 62 35, 62 f. 35, 62 70 70 62 52, 62 40, 70 62, 70 62 62 62 62 61 61 61 61 61 62 62 98 98 101, 111 ff. 114 114 f. 115 90 103 90, 100 90 101 f. 83, 102 ff. 91, 93 92 19, 91, 100 112 112 112 112 112 112 33

28/IV 28/V 28/VI 30/I 30/II 30/III 30/IV 30/V 32/I 32/II 32/III 32/IV 32/V 32/VI 35/V 37/I 38/I 38/II 38/IV 41/I 41/III 41/IV 41/V 43/I 43/II 43/III 43/IV 44/I 44/II 44/III 44/V 45/I 49/I 49/II 49/III 49/IV 49/V 51/I 52/I 52/V 53 54/I 54/II 54/III 54/IV 54/V 54/VI 54/VII 54/VIII 54/IX 54/X 54/XI

51,37 52,7 52,15 53,25 54,27 53,35 54,7 54,17 56,14 56,22 56,30 56,38 57,7 57,15 60,27 185,1 62,6 62,16 62,36 64,31 65,9 65,17 65,25 66,21 66,33 67,8 67,20 69,1 69,8 69,15 69,22 70,1 72,31 72,37 73,5 73,11 73,17 74,20 75,25 76,15 76,22 78,24 78,32 79,1 79,9 79,17 79,25 79,33 80,3 80,11 80,19 80,35

33 112 112 33, 86 f., 93 87 87 f. 88 f. 89 81, 93, 101, 104 ff. 105, 111 19, 44, 106, 111 44, 106 107, 111 110 f. 116 84 34 83 34 81, 116 f. 117 117 117 35, 40, 118 35 f., 118 118 119 84, 94 84 84 f. 85 103 32,94 f. 95 95 95 f. 96 112 98 f. 98 74 f. 67 67 67, 74 67, 74 67 67 67 67 67 67 42, 67

Konkordanz – Strophenzahlen nach Lachmann 14. Auflage (Cormeau)

ältere Zählung (Lachmann)

zitiert S.

14. Auflage (Cormeau)

ältere Zählung (Lachmann)

zitiert S.

54/XII 54/XIII 54/XIV 54/XV 54/XVI 54/XVII 55/I 55/II 55/III 55/IV 55/VI 58/I 58/II 58/III 58/IV 58/V 58/VI 60/II 61/IV 65/IV 67/I 68/1

80,27 81,7 81,15 81,23 81,31 82,3 82,11 82,24 83,1 83,14 84,1 87,1 87,9 87,17 87,25 87,33 88,1 90,23 91,35 96,9 97,34 99,6

42, 67 67 67 67 67 67 72 97 f. 97 69 70 68 68 68 68 68 13, 68 116 104 91 116 17

70/III 71/I 71/II 71/III 73/I 73/III 74 76/II 76/III 80 81/I 81/II 83/I 83/II 86/I 87/III 91/V 93/IV 97/I 97/II 97/III 115

101,5 101,23 102,1 102,15 103,13 104,7 104,23 105,27 106,3 111,2 111,22 111,32 112,17 112,23 114,23 115,22 119,11 219,10 124,1 124,18 124,35 XXVIII,1

37 65 65 65 68 71 f. 42 ff. 41 41 100 93 94 84 83 99 93 20 83 78 f. 79, 116 77, 79 f. 33

133

Register der zitierten Strophen in normalisiertem Mittelhochdeutsch Ahî, wie kristenlîche nû der bâbest lachet (12/VIII) 35, 62 f. Aller werdekeit ein füegerinne (23a/I) 101 f. AlrÞrst lebe ich mir werde (s. Nû alrÞst …) 33, 48, 76 Als ich under wîlen zir gesitze (87/III) 93 An dem frîtage wurden wir vor der helle gefrîet (12a/III) 61 An wîbe lobe stÞt wol, daz man si heize schœne (12/XVI) 62 Bote, sage dem keiser sînes armen mannes rât (3/III) 65 Cristen, juden unde heiden (7/XII) 76 f. Dar nâch was er in dem lande (7/VIII) 76 Daz er bî mir læge (16/IV) 115 Daz ich dich sô selten grüeze (45/I) 103 Daz mich, frowe, an fröiden irret (28/V) 112 Den dîemant, den edelen stein (54/XI) 42, 67 Der anegenge nie gewan (54/I) 67 Der blinde sprach zuo sînem knehte: ,dû solt setzen (12a/V) 61 Der hof ze Wiene sprach ze mir (10/XII) 70 Der ich vil gedienet hân (32/VI) 110 f. Der in den ôren siech von ungesühte sî (9/V) 71 Der künic, mîn hÞrre, lÞch mir gelt ze drîzec marken (11/IV) 60 Der Mîssenære solde (76/II) 41 Der rîfe tet den cleinen vogellîn wÞ (86/I) 99 Der stuol ze Rôme ist nû berihtet rehte (12/VII) 62 Der ungefüege swîgen hieze (41/V) 117 Der welte vogt, des himels künic, ich lob iuch gerne (11/XXI) 60 Dest wâr, Reimar, dû riuwest mich (55/III) 97 Die daz rehte singen stœrent (41/III) 117 Die sô frevenlîchen schallent (41/IV) 117 Die veter hânt ir kint erzogen (10/IX) 66, 68 Die wîle ich drîe hove weiz sô lobelîcher manne (12/XIV) 40, 70 Die wîsen râtent, swer ze himelrîche welle (11/XIII) 60 Diu cristenheit gelepte nie sô gar nâch wâne (12/XVIII) 62 Diu krône ist elter, danne der künic Philippes sî (9/I) 48, 54, 56 f. Diu minne ist weder man noch wîp (54/XVI) 67

Diu minne lât sich nennen dâ (71/II) 65 Diu welt was gelf, rôt unde blâ (52/I) 98 f. Dô er den tievel dô geschande (7/VII) 76 Dô er sich wolte über uns erbarmen (7/V) 76 Dô Friderich ûz Œsterrîch alsô gewarp (9/IV) 40, 45, 69 Dô gotes sun hie in erde gie (4/II) 59 f. Dô hât er gemachet (16/III) 114 f. Dô Liupold spart ûf gotes vart, ûf künftige Þre (12/XI) 70 Drîe sorge hab ich mir genomen (55/VI) 70 Durchsüezet und geblüemet sint die reinen frowen (11/V) 60 Ein man verbiutet ein spil âne pfliht (81/I) 93 Er hât niht wol getrunken, der sich übertrinket (11/XV) 60 Er ist ein wol gefriunder man, als diu welt nû stât (14) 62 Er schalk, in swelchem leben er sî, der dankes triege (11/IX) 41, 60 Ez gienc eines tages, als unser hÞrre wart geborn (9/II) 57 ff. Ez ist in unsern kurzen tagen (54/XVII) 67 Ez troumte, dest manic jâr (10/VIII) 66 Ez wær uns allen (67/I) 116 Frô Welt, ich hân ze vil gesogen (70/III) 37 Frowe, dû versinne (27/IV) 112 Frowe Minne, ich clage iu mÞre (17/II) 90 Genuoge hÞrren sint gelîch den gougelæren (13) 62 Got, dîner trinitâte (1) 53 Got gibet ze künege, swen er wil (4/VI) 60 Got hât ir wengel hôhen vlîz (30/III) 87 f. Got weiz wol, mîn lop wære iemer hovestæte (11/XII) 60 Her keiser, ich bin frônebote (4/IV) 59 f., 74 Her keiser, swenne ir Tiuschen vride (4/V) 59 f., 74 Her MichahÞl, her GabrîÞl (54/IV) 67, 74 Herre bâbest, ich mac wol genesen (4/I) 49, 59 Herre keiser, sît ir willekomen (4/III) 41, 59 f. HÞrre, waz si vlüeche lîden sol (49/III) 95 Herzeliebez vrowelîn (26/I) 112 Herzoge ûz Œsterrîche, ez ist iu wol ergangen (11/VIII) 60 Herzoge ûz Ostrîche, lâ mich den liuten (12/X) 70

136

Register der zitierten Strophen Hie vor, dô man sô rehte minneclîchen warp (25/I) 91, 93 Hie liez er sich reine toufen (7/IV) 76 Hinnen vuor der sun zer helle (7/VI) 76 Hœrâ Walther, wie ez mir stât (91/V) 20 Hœret wunder, wie mir ist geschehen (49/II) 95 Hüetent iuwer zungen (58/II) 68 Hüetent iuwere ôren (58/IV) 68 Hüetent iuwere ougen (58/III) 68 Hüetent wol der drîer (58/V) 68 Ich bin dem Bogenære holt (54/XII) 42, 67 Ich bin des milten lantgrâven ingesinde (12/XV) 62, 70 Ich bin ein wîp dâ her gewesen (81/II) 94 Ich bin verlegen als ein sû (52/V) 98 Ich enweiz, wem ich gelîchen muoz die hovebellen (12/VI) 62 Ich hân dem Mîssenære (76/III) 41 Ich hân des Kerndæres gâbe dicke enpfangen (12/V) 41, 62 Ich hân gemerket von der Seine unz an die Muore (12/I) 44, 62 Ich hân gesehen in der werlte ein michel wunder (11a) 60 Ich hân hern Otten triuwe, er welle mich noch rîchen (11/II) 41, 60 Ich hân lande vil gesehen (32/III) 19, 44, 106, 111 Ich hân mîn lÞhen, al die werlt, ich hân mîn lÞhen (11/X) 34, 36, 60 Ich hôrte ein wazzer diezen (2/II) 45, 53 ff. Ich kam gegangen (16/II) 114 Ich sach mit mînen ougen (2/III) 52 Ich sanc hie vor den frowen umbe ir blôzen gruoz (25/II) 92 Ich saz ûf eime steine (2/I) 45, 51 f. Ich solt iuch engele grüezen ouch (54/III) 67, 74 Ich traf dâ her vil rehte drîer slahte sanc (3/VII) 65 Ich trage in mînem herzen eine swære (83/II) 83 Ich trunke gerne, dâ man bî der mâze schenket (11/XIV) 60 Ich vertrage, als ich vertruoc (26/IV) 112 Ich was durch wunder ûz gevarn (71/III) 65 Ich wil niht mÞ den ougen volgen noch den sinnen (11/XX) 60 Ich wil nû mÞr ûf ir gnâde wesen frô (37/I) 84 Ich wil tiuschen vrowen sagen (32/II) 105, 111 Ich wolte hern Otten milte nâch der lenge mezzen (11/III) 41, 60 In dem dône: Ich wirbe umb allez daz ein man (81) 93 In diz lant hât er gesprochen (7/IX) 76 In nomine domini, ich wil beginnen, sprechent âmen (12/III) 70 Ir bischofe und edelen pfaffen, ir sît verleitet (12/XII) 62

Ir fürsten, die des küniges gerne wæren âne (11/XI) 61 Ir fürsten, tugent iuwer sinne mit reiner güete (12a/I) 62 Ir houbet ist sô wunnenrîch (30/II) 87 f. Ir kel, ir hende, ietweder fuoz (30/V) 89 Ir lât iuch nit verdriezen (7/XI) 77 Ir reiniu wîp, ir werden man (43/I) 35, 40, 118 Ir sult sprechen willekomen (32/I) 81, 93, 101, 104 ff. Ir vil minneklîchen ougenblicke (83/I) 84 Ist aber, daz dir wol gelinget (61/IV) 104 Junc man, in swelher aht dû bist (10/VII) 66 Kan mîn vrouwe süeze siuren (44/V) 85 Künic Constantîn der gap sô vil (10/XIII) 66 Lange swîgen des hât ich gedâht (49/I) 32, 94 f. Lât mich an eime stabe gân (43/II) 35 f., 118 Man hôhgemâc, an friunden kranc (54/V) 67 Man seit mir ie von TegersÞ (74) 42 ff. Maniger frâget, waz ich klage (6/I) 82 f. Maniger trûret, dem doch liep beschiht (18/III) 103 Marîâ clâr, vil hôhgeloptiu frowe süeze (12a/II) 61 Mehtiger got, dû bist sô lanc und bist sô breit (3/I) 65 Mîn alter klôsenære, von dem ich dô sanc (3/V) 52, 65 Mîn sÞle müeze wol gevarn (43/IV) 119 Minne ist ein gemeinez wort (6/II) 82 Mir hât ein liet von Franken (8b) 41 Mir hât her GÞrhart Atze ein pfert (73/III) 71 f. Mir ist verspart der sælden tôr (10/II) 69 f. Mit sælden müeze ich hiute ûf stÞn (10/XI) 20 f., 66 Möhte ich verslâfen des winters zît (15/II) 98 Nement, frowe, disen cranz (51/I) 112 Nidere minne heizet, diu sô swachet (23a/II) 83, 102 ff. Nieman kann mit gerten (58/I) 68 Nieman ritter wesen mac (58/VI) 13, 68 Nû alrÞst lebe ich mir werde (7/I) 33, 48, 76 Nû loben wir die süezen maget (54/II) 67 Nû wachet! uns gÞt zuo der tac (10/IV) 65 Nû wil ich mich des scharpfen sanges ouch genieten (12/IV) 61 Ob ich mich selben rüemen sol (38/I) 34 Ob ich rehte râten kunne (44/II) 84 Ob ieman spreche, der nû lebe (10/XIV) 34, 69 OwÞ, daz wîsheit unde jugent (55/II) 97 f. OwÞ, ez kumt ein wint, daz wizzent sicherlîche (5/ II) 75 OwÞ, hovelîchez singen (41/I) 81, 116 f. OwÞ, war sint verswunden alliu mîniu jâr (97/I) 78 f. OwÞ, waz Þren sich ellendet von tiutschen landen (5/I) 75

Register der zitierten Strophen OwÞ, wie jæmerlîche junge liute tuont (97/II) 79, 116 OwÞ, wie uns mit süezen dingen ist vergeben (97/III) 77, 79 f. Philippes künic, die nâhe spehenden zîhent dich (9/III) 59 Rich, hÞrre, dich und dîne muoter, der megde kint (3/II) 65 Rît ze hove, Dietrîch (55/I) 72 Rôter munt, wie dû dich swachest (28/IV) 33 Sagent an, her Stoc, hât iuch der bâbest her gesendet (12/IX) 35, 62 Saget mir ieman, waz ist minne (44/I) 84, 94 Scheident, frowe, mich von sorgen (28/VI) 112 Schœne lant, rîch unde hÞre (7/II) 76 Selbwahsen kint, dû bist ze krump (71/I) 65 Selpvar ein wîp (80) 100 Sie beginnent alle (27/V) 112 Si frâgent mich vil dicke, waz ich habe gesehen (3/VI) 65 Si hât ein küssen, daz ist rôt (30/IV) 88 f. Si verwîzent mir, daz ich (26/II) 112 Si wunderwol gemachet wîp (30/I) 33, 86 f., 93 Sich wænet maniger wol begÞn (65/IV) 91 Sich wolte ein ses gesibent hân (54/VIII) 67 Sît got ein rehter rihter heizet an den buochen (11/XVI) 60 ,Sît willekomen, herre wirt`, dem gruoze muoz ich swîgen (12/II) 61 Sô die bluomen ûz dem grase dringent (23/I) 90, 100 Sô mich dûhte, daz si wære guot (49/IV) 95 f. Sô wÞ dir, Welt, wie übel du stÞst (10/III) 66 Solde ich in ir dienste werden alt (49/V) 96 Solte ich den pfaffen râten an den triuwen mîn (3/IV) 65 Sumer unde winter beide sint (68/I) 17 Sünder, dû solt an die grôzen nôt gedenken (12a/IV) 61 Swâ der hôhe nider gât (55/IV) 69 Swâ ein edeliu schœne frowe reine (23/II) 90 Swâ guoter hande wurzen sint (73/I) 68 Swâ nû zuo hove dienet der hÞrre sîme knechte (11/XVII) 60 Swanne ichs alle schowe (27/III) 112 Swelh hÞrre nieman niht versaget (54/IX) 67 Swelh herze sich bî disen zîten niht verkÞret (12/XIII) 52, 62

Swelh man wirt âne muot ze rîch (54/XV) 67 Swelich man sich gerne vrîjen wil von bœser sache (11/XVIII) 60 Swer an des edeln lantgrâven râte sî (3/XI) 65 Swer âne vorhte, hÞrre got (10/V) 66 Swer giht, daz minne sünde sî (93/IV) 83 Swer houbetsünde und schande tuot (10/VI) 66 Swer mir ist slipfic als ein îs (54/VII) 67 Swer sich des stæten friundes durch übermuot behÞret (11/XIX) 60 Swer sich ze friunde gewinnen lât (54/VI) 67 Swes leben ich lobe, des tôt wil ich iemer klagen (3/X) 65 Tiusche man sint wol gezogen (32/V) 107, 111 Tumbiu Werlt, ziuch dînen zoum, wart umbe, sich (12b) 61 Under der linden (16/I) 101, 111 ff. Unmâze, nim dich beider an (54/X) 67 Uns hât der winter geschadet über al (15/I) 98 Unserre lantrehtære tihten (7/X) 76 Vil süeze wære minne (53/I) 67 Vil süeziu frowe hôhgelopt mit reiner güete (11/VI) 60 Vil wol gelopter got, wie selten ich dich prîse (11/I) 33, 60 Von der Elbe unz an den Rîn (32/IV) 44, 106 Von Kölne werder bischof, sint von schulden frô (3/IX) 65 Von Rôme keiser hÞre, ir hânt alsô getân (3/VIII) 65 Von Rôme voget, von Pülle künic, lât iuch erbarmen (11/VII) 37, 60, 88 Vrouwe, ich trage ein teil zuo swære (44/III) 84 f. Vrowe, ir hânt ein werdez tach (38/IV) 34 Vrowe, ir sint schœne und sint ouch wert (38/II) 83 Waz wunders in der werlte vert (10/I) 48 f., 66 Welt, ich hân dînen lôn ersehen (43/III) 118 Welt, tuo mÞ des ich dich bitte (35/V) 116 Wer sleht den lewen? wer sleht den risen (54/XIII) 67 Wer zieret nû der Þren sal (10/X) 66 WÞ, wie jâmerlîch gewin (60/II) 116 Wîp muoz iemer sîn der wîbe hôhste name (25/IV) 19, 91, 100 Wir clagen alle und wizzen doch nicht, waz uns wirret (12/XVII) 62 Wol dir, meie, wie dû scheidest (28/III) 33 Wolveile unwirdet manigen lîp (54/XIV) 67

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Sachregister Aachen 38 f., 50, 55 Abgesang 17, 49 Adelsattribute 46 Äquivalenz-Modell 84 f., 92, 94, 104 Anakreontik 23 arbeit 36 arm 34 Aufgesang 17 Augen 87 Ausreisesegen 66 Authentizität 7 f., 29 Babenberger s. Hof der Bognerton 67 f., 74 Botenlied 16 Bouvines 39 Bozen 44 cantor 33, 46 Carmina Burana 31 descriptio corporis 86 Dienst, Dienstgedanke 11, 85, 93 Differenz-Modell 84, 93 Doberlug, Kloster 99 dörpellîch, dörperlîch 116 do ut des 81, 85, 92, 119 dringen (beim Fest) 71 Ehe 15 Ehre, Þre 11, 13 f., 17, 43, 52, 60, 62, 68, 73, 85, 91, 93 ff., 105, 116 Ehre des Reiches s. honor imperii Eisenach s. Hof der Ludowinger Elbe 44, 106 Elegie 78 Erlebnis, -lyrik 19, 25, 37 Erster Philippston 51, 56 ff. Erster Thüringerton 69 f. Fahrender 18, 33, 77, 80, 99, 105, 107 familia 70 Feiner Ton 33, 48 f., 59 f. Frankfurt 39, 41, 59 Frau Welt 37 Freigebigkeit s. milte frouwe 13 f., 86, 91 ff., 106 fuoge 116 f.

Gabe 14, 33, 59, 70, 81, 83 ff., 93 Gattungsinterferenzen 81 Geleitstrophe 110 genera dicendi 65 Genesis 79, 99 Gesang 15 Gespaltene Weise 47, 60, 64 Gnomik 16, 66 f. Gottesminne 67, 119 Gregorianischer Gesang 17 f. Große Heidelberger Liederhandschrift 7 f., 23, 25, 30 f., 45, 53 guggaldei 72 guot 13 Heilige Lanze 73, 76 herze 82 f. herzeliebe 103 f., 112 höfische Dame 13 ff., 60, 81, 86 ff., 90 ff., 100 höfische Kultur 10, 40 höfische Liebe 13 ff., 81 ff., 101 f., 103, 107 Höflichkeit 14 Hof der Babenberger 28, 41, 45, 51, 62, 65 f., 69 f., 93 Hof der Ludowinger 35, 69 ff. Hof- und Wendelweise 33, 48, 66 honor imperii 54, 59, 61 f. huote 14 Ich-Kette 19 ingesinde s. familia instabil, Instabilität 21, 26, 29, 82, 110, 115 Instrumente 18 Jerusalem 73 f. Kaiser-Friedrichston 64 f. Kalokagathie 11, 86 Kanzone 17, 47 ff., 50 Kirchenstaat s. Patrimonium Petri Klausner 52, 62 Kleine Heidelberger Liederhandschrift 31, 97 Kodex Manesse s. Große Heidelberger Liederhandschrift Köln 52, 58 König-Friedrichston 33, 60 f. König-Heinrichston 64 f. Konstantinische Schenkung 66

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Sachregister Kontextualität 20 Kontextwissen 12 ff. Kreuzzug 39, 60, 62, 65, 73 ff. Kreuz(zugs)lied 16 Kunst 11, 37, 85, 90, 96 f., 119 laudatio temporis acti 51, 61, 70, 78, 116 Leich 7 f., 52 f. Lehen 36 f., 41, 64 Leopoldston 69 f., 97 Lied 15 Liedinstanz s. Textinstanz lîp 13, 103 List, listig s. schlagfertig locus amœnus 16, 98, 112 Lyrik 15, 19 lyrisches Ich 19 Mädchenlieder 111 f. Magdeburg 57 f. Mainz 38 f., 57 Manessische Liederhandschrift s. Große Heidelberger Liederhandschrift Maske 19 mâze 11, 60, 67, 101 ff. Meistersang, -singer 18, 33, 118 Melodie s. Ton miles christianus 10 milte 16, 33 f., 60, 67, 69 f. memoria 21, 75, 80, 119 Mimesis 11 Miniaturen Walthers 45 f., 120 Ministeriale, Ministerialität 10, 70 f. minne s. höfische Liebe Minnelied, -sang 16, 37, 81 Münstersches Fragment 32 f., 60 muot 13, 103 Mur 44 Musik 17 f. Musikinstrumente s. Instrumente mysteria Christi 75 Natur 98 naturalisieren 12 Neumen 18, 33 New Philology 26 Nibelungenlied, -ton 12, 77, 80 nider 36, 112 Nürnberg 39, 41, 65 ordo 11 f., 52, 67 Ottenton 33, 49, 59 f., 74 Palimpsest 21, 26, 44 Palindrom 13, 68

Paratext 15 Parodie 81, 112 Pastorelle, Pastourelle 16, 90, 112 f. Patrimonium Petri 38 Performance, Performanz 10 f., 15, 25 Performer 19 Pilger 75 f., 80 Po 44 porta paradisi 69 Psalm 73 78 puella 90, 112 rechte Minne s. Gottesminne Redeinstanz s. Textinstanz Regula Benedicti 42 f. Reich (Römisches) 50, 56 Reichskrone 54 ff., 58 Reichston 47, 50 ff. Reimar (von Hagenau) 30 Renaissance 11, 88 Rhein 44, 106 rich(h)eit 10 f., 33 Ritter, Rittertum 10, 12, 15, 68, 73 ritterlich-höfisches Leben 12 Rolle, Rollenlyrik 19 Rom 39, 52, 62, 79 Rose 88, 115 Rot 88, 100 Sachsenspiegel 71 Sangspruch 16 f., 37, 47, 118 Schauen 91 schlagfertig, Schlagfertigkeit 61 f., 72 schœne 11, 13, 60, 86, 91, 99 soziale Mobilität 11, 20, 40, 61, 85, 92, 119 Sprechinstanz s. Textinstanz Stern 88 Stollen 17, 47 ff. Tagelied 16 Tegernsee, Reichsabtei 42 ff., 44 Textinstanz 20 Textvarianz s. Varianz tiutsch, tiusch 107 Ton (dôn, wîse) 17, 22 f., 25, 33, 48 tougen mine 83 translatio imperii 38, 50 Trave 44 triuwe 62, 67 Tropen 18 tugent 13, 86, 107 unfest, Unfestigkeit 21 Ungarn 44, 106 f. Unmutston 47, 61 ff.

Sachregister Vagant, vagantische Dichtung 18, 89 ff., 112, 116 Varianz 21, 26 vicarius Christi/dei 55, 60 Vogelweide 44, 46 Vogt Christi/Gottes s. vicarius Christi Wächterlied 16 Waise (Reimform) 17, 54 Waise s. Reichskrone Wechsel 16, 93 Weingarten-Stuttgarter Liederhandschrift 30 f., 45, 120 Weise (wîse) s. Ton Weiß 88, 100

werdekeit 17, 85, 101 f. Werk 21, 82, 91 ff. Wien s. Hof der Babenberger Wiener Hofton 33, 48, 51, 65 f., 69 f. wîp 14, 86, 106 wünne 107 Würzburg 37, 44 Würzburger Liederhandschrift 30 f., 37 Zeitgeist 27 zuht 13, 62, 68, 86, 91, 106 f. Zweiter Atzeton 69 Zweiter Philippston 33, 56 ff. Zweiter Thüringerton 68 f.

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Personenregister Die Namen in den Bibliografien sind nicht aufgeführt; die Siglen in Klammer bedeuten: A: Autor von Narrativen oder Gesängen; B: Bischof, Erzbischof; F: Forscher/Forscherin; G: Graf, Landgraf/-gräfin, Markgraf, Pfalzgraf; H: Herzog/Herzogin; K: König/Königin und/oder Kaiser; P: Papst; T: Autor des Alten oder Neuen Testaments. Adolf I. (B) 38 Albrecht von Johansdorf (A) 12 al-Kamil (Sultan) 74 Althoff, Gert (F) 61 Aphrodite s. Venus Archipoeta (A) 104 Artus (K) 70 Atze/Atzo s. Gerhard Baltzer, Ulrich (F) 16 Bauschke, Ricarda (F) 86, 90, 93 f., 105 Behr, Hans-Joachim (F) 61 Bein, Thomas (F) 24, 26 f., 59 f., 81, 92 f., 96, 100 Bennewitz, Ingrid (F) 111 Bernhard (H: Sachsen) 58 Bernhard II. (H: Kärnten) 41, 62 Bernhard von Clairvaux (Abt) 73 Berthelot, Anne (F) 107 Berthold (Abt) 42 Beyschlag, Siegfried (F) 69 Birkhan, Helmut (F) 44, 93 Bleumer, Hartmut (F) 113 Bloh, Ute von (F) 118 Bodmer, Johann Jakob (A, F) 23 Böhm, Hans (F) 25 Bogner/Bogener (G) 41 f., 67 de Boor, Helmut (F) 25, 27 f., 78 Borck, Karl-Heinz (F) 86, 104 Brem, Karin (F) 81 Brinkmann, Sabine Christiane (F) 113 Brunner, Horst (F) 25 f., 30, 37, 49, 58, 78, 101, 108 Bumke, Joachim (F) 10, 25, 57 Burdach, Konrad (F) 25, 27 f., 51, 54, 79 Combe, Pierre Judet de la (F) 20 Cormeau, Christoph (F) 24, 86, 112 Cramer, Thomas (F) 54 Csendes, Peter (F) 38, 55, 57 f. Curschmann, Michael (F) 33 Czaplinski, H.-D. (F) 22 Daniel (T) 60

David (K) 90 Degenhardt, Franz Josef (A) 63 Demandt, Karl E. (F) 42 Dick, Ernst (F) 13, 106 Dietrich IV. (G) 41, 60 Duby, Georges (F) 14 f. Ebert, Friedrich (Reichskanzler) 110 Eco, Umberto (F) 12, 57 Egger, Oswald (F) 44 Ehlers, Joachim (F) 10 Ehlert, Trude (F) 25, 29, 82 Ehrismann, Gustav (F) 51 Ehrismann, Otfrid (F) 10, 11, 36, 82 f., 86, 89, 103, 106, 116 Eifler, Günter (F) 10 Elisabeth (G) 65 Engelbrecht/Engelbert von Berg (B) 39, 41, 64 f. Engels, Odilo (F) 54 Eppelsheimer, Hanns W. (F) 26 Erlei, Stefan (F) 117 Fleckenstein, Josef (F) 50 Fludernik, Monika (F) 12 Freidank (A) 13 Frenz, Thomas (F) 38 Friedrich I. (Barbarossa; K) 35, 38, 54, 58 f., 73 f. Friedrich I. (H) 40, 45, 69 Friedrich II. (K) 36, 38 ff., 41, 50, 59–62, 64 f., 74 f., 77, 79 Friedrich von Hausen (A) 12, 74 Friedrich, Udo (F) 98 Fritsch-Rößler (F) 11, 94 f., 101 Gerhard Atzo/Atze (Ministeriale) 69, 71 f. Gerstmeyer, Günther (F) 22 f. Gleim, Johann Wilhelm Ludwig (A) 108 Goethe, Johann Wolfgang von (A) 115 Goheen, Jutta (F) 67 Goldast, Melchior (F) 23 Gottfried von Straßburg (A) 12, 34, 97 Grafetstätter, Andrea (F) 52 f. Gregor I. (P) 17

Personenregister Gregor IX. (P) 74, 79 Gummerer, Hermann (F) 44 Haag, Guntram (F) 52 Haferland, Harald (F) 19 f., 29, 82 Hahn, Gerhard (F) 15, 25, 29 f., 49, 78, 86, 92, 94, 101, 104 f., 108, 112 Halbach, Kurt Herbert (F) 25, 103 Hartmann von Aue (A) 12 f., 81, 92, 99 Haubrichs, Wolfgang (F) 75, 77, 79 Haupt, Barbara (F) 86 Haupt, Moritz (F) 24 Hausmann, Albrecht (F) 88, 94 f. Haydn, Joseph (Komponist) 109 Heger, Hedwig (F) 33 Heinen, Hubert (F) 82, 92, 102, 113 Heinrich VI. (K) 38, 58 f. Heinrich (VII.) (K) 36, 39, 61, 64 f. Heinrich von Morungen (A) 12, 90, 94, 96, 103, 105 f. Heinrich von Veldeke (A) 12 Heinzle, Joachim (F) 55, 57, 111 Hennig, Ursula (F) 25, 27 Herbort von Fritzlar (A) 12 Hermann I. (G) 39, 41, 58, 62, 65, 70 f. Hiob s. Ijob Hölty, Ludwig Christoph Heinrich 108 Hoffmann von Fallersleben, H. (A) 108 ff. Hoffmann, Werner (F) 40, 78 Holzherr, Georg (F) 42 Holznagel, Franz-Josef (F) 23, 30 Honorius III. (P) 39, 74 Hucker, Bernd Ulrich (F) 39, 59 Hübner, Gert (F) 86, 88, 102, 104 Hugo von Trimberg (A) 22 Ijob (T) 36, 66 Innozenz III. (P) 38 ff., 52, 55, 59, 62, 64, 69, 74 Irene (Maria) (K) 58 Isaak II. Angelos (K) 58 Jesaia (T) 55 Johann I. (K) 54 Johnson, L. Peter (F) 25 Jungbluth, Günther (F) 75 Kaiser, Gert (F) 52, 92 Kantorowicz, Ernst H. (F) 50 Karl der Große (K) 17, 38, 50 Kasten, Ingrid (F) 94, 97, 103 f., 106 f. Kern, Manfred (F) 90 Kern, Peter (F) 51, 55, 103 Kiepe-Wilms, Eva (F) 94, 96 Kircher, Alois (F) 25, 27 ff., 92 Klomfar, Walter (F) 44

Knape, Joachim (F) 84, 110 Knut IV. (K) 54 Koch, W. (F) 39 Köttelwesch, Clemens (F) 26 Kokott, Hartmut (F) 117 Konietzko, Peter (58) 58 Konrad III. (K) 58, 73 Konrad (Pfaffe; A) 54 Kornrumpf, Gisela (F) 77 Kracher, Alfred (F) 44 Kragl, Florian (F) 33 Kraus, Carl von (F) 24 Krohn, Rüdiger (F) 27, 103, 113 f. Kuhn, Hugo (F) 24 f. Kurz, Gerhard (F) 20 Lachmann, Karl (F) 22 ff., 30 Laude, Corinna (F) 86 Lehmann, Christopher (A) 119 Leitzmann, Albert (F) 24 Leopold VI. (H) 33, 40 f., 60, 69 f. Longinus (Söldner) 73, 80 Ludolf (B) 57 Ludwig I. (H) 41 Ludwig IV. (G) 65 Lüpges, Tobias (F) 86 f. Luff, Robert (F) 52 Lukas (T) 59 Luther, Martin (A) 63, 109 Margarete (K) 65 Markus (T) 59 Marzo-Wilhelm, Eric (F) 25, 35 Masser, Achim (F) 45, 57, 112 Matthäus (T) 59, 68 Maurer, Friedrich (F) 25, 106 McFarland, Timothy (F) 27 McLintock, David R. (F) 111, 113 f. Mecklenburg, Michael (F) 92 Meiners, Irmgard (f) 54 Mertens, Volker (F) 27, 94, 113 Michael de Leone (F) 37 Michels, Victor (F) 24 Mohr, Wolfgang (F) 90, 92, 104 Mühlberger, Georg (F) 44 Müllenhoff, Karl (F) 24 Müller, Jan-Dirk (F) 110 Müller, Ulrich (F) 25 ff., 30, 49, 51, 56 f., 59 f., 75, 77 f., 101, 108, 111, 113 Mundhenk, Alfred (F) 20, 37 Murray, Alan V. (F) 97 Naumann, Hans (F) 27 f. Neidhart (von Reuental; A) 12, 96, 117 Nellmann, Eberhard (F) 40, 47, 51, 54, 56, 58, 60

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Personenregister Nix, Matthias (F) 25, 52, 54 f., 57 ff., 61 Nolte, Theodor (F) 25, 60 ff., 64, 81 f. Ortmann, Christa (F) 47, 75, 101 Oswald von Wolkenstein (A) 35 Otto IV. (K) 38 f., 41, 44, 47, 52, 55, 57–62 Otto von Botenlauben (A) 12 Otto von Wittelsbach (G) 39 Padberg, Susanne (F) 62 Paul VI. (P) 63 Paul, Hermann (F) 24, 114 Paulus (T) 68, 75 Peire Vidal (A) 106 f. Peters, Ursula (F) 41 Petersohn, Jürgen (F) 38 Petrus (T) 100 Pfeil, Brigitte (F) 42 Philipp II. Augustus (K) 54, 73 Philipp von Schwaben (K) 38, 40, 45, 47, 51 f., 54–59, 69 Plate, Bernward (F) 58 Platon (A) 68 Protze, Helmut (F) 24, 43 Ranawake, Silvia (F) 24, 27, 75, 84, 93 Reichert, Hermann (F) 97, 104 Reimar/Reinmar (von Hagenau; A) 12, 14, 28, 30, 34, 82, 86, 88, 93–98, 103, 105, 114 Richard Löwenherz (K) 54, 57, 73 f. Richter, Roland (F) 22 Rudolf von Neuenburg (A) 12 Rühmkorf, Peter (A) 25 Ruh, Kurt (F) 65, 103 Saladin (Salahaddin Yusuf ibn Ayyub; Sultan) 73 Sayce, Olive (F) 54, 86 Schaefer, Joerg (F) 24, 106 Schiller, Friedrich (A) 110 Schneidmüller, Bernd (F) 59 Schönbach, Anton E. (F) 25, 44 Scholz, Manfred Günter (F) 22, 25 f., 33, 44, 49, 51, 81, 93 f., 96, 102 Schröder, Werner (F) 41, 67 Schubert, Ernst (F) 18, 33 Schüppert, Helga (F) 62 Schulze, Ursula (F) 25 Schumacher, Meinolf (F) 118 Schupp, Volker (F) 35 Schweikle, Günther (F) 16, 22, 24, 43, 47, 51, 55, 70 f., 80, 87, 93, 95, 103 Seneca (A) 66

Serfas, Günther (F) 51, 55 f. Sievert, Heike (F) 25, 86, 113 Simrock, Karl (A, F) 47 Smits, Kathryn (F) 105 Sorg, Bernhard (F) 108 Spechtler, Viktor (F) 25 f., 30, 49, 78, 101 Spiewok, Wolfgang (F) 94 Steinmetz, Ralf-Henning (F) 24, 84 Strohschneider, Peter (F) 71 Tacitus (F) 109 Tervooren, Helmut (F) 16, 86 Theodora (H) 41 Thomasin von Zerklære (A) 35, 63 Thorau, Peter (F) 73 Thum, Bernd (F) 44, 79 Tomasek, Tomas (F) 72 Uhland, Ludwig (A, F) 23, 27 Ulrich von Zatzikhofen (A) 12 Urban II. (P) 73 Urbanek, Ferdinand (F) 65 Venus (Göttin) 90, 115 Volkmann, Bernd (F) 77, 79 Wander, Karl Friedrich Wilh. (F) 129 Wandhoff, Haiko (F) 54 Wapnewski, Peter (F) 25, 37, 45, 54, 58, 87, 106, 111, 113 Weber, Hubert (F) 23 Wehrli, Max (F) 25, 77 Weigand, Rudolf Kilian (F) 104, 110 Welf VI. (G) 70 Wenske, Martin (F) 84 Wenzel, Edith (F) 90 Wenzel, Horst (F) 45 Werner, Wilfried (F) 31 Wesseling, Klaus Gunther (F) 25 Willemsen, Elmar (F) 25 f., 75, 101, 104 Wilmanns, Wilhelm (F) 24 Wilpert, Gero von (F) 94 Wirnt von Grafenberg (A) 12 Witt, Hubert (A) 25, 106 Wolf, Alois (F) 86 Wolf, Jürgen (F) 13, 99 Wolfger von Erla (B) 33, 34, 40, 70 Wolfram von Eschenbach (A) 12, 34 f., 44 Worstbrock, Franz Josef (F) 47 Zimmermann, Günter (F) 72