Das andere Fernsehen?!: Eine Bestandsaufnahme des »Quality Television« [1. Aufl.] 9783839431870

As far back as 1996 people in Literary and Media Theory began using the concept of »Quality Television« (QTV), which att

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German Pages 306 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort. Feeling That the Best Is Over
I. Theorien des anderen Fernsehens
Einführung
An den Rändern der Serie und des Quality TV
Quality TV, Seriephilie, Cinephilie — oder: Wie man ein besserer Zuschauer wird
Das ist das Ende — oder auch nicht!
Der Antiheld als Held
Bodies of a Certain Quality
II. Fallstudien zur Qualitätsfrage
Einführung
Lynching Luther
„The Game Is Never Over“
Selbstreflexivität als Qualitätsmerkmal
Vom simultanen Text zum kaleidoskopischen Bild
„Welcome to Coenville“
III. Von Comedy zur Quality?
Einführung
„The Far Side“
The One Where Everyone Is Waiting
Do You Still Call It Situation Comedy?
Corporate Satire
Monster Mash, Monster Trash?
Verzeichnis der BeiträgerInnen
Register behandelter Fernsehserien
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Das andere Fernsehen?!: Eine Bestandsaufnahme des »Quality Television« [1. Aufl.]
 9783839431870

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Jonas Nesselhauf, Markus Schleich (Hg.) Das andere Fernsehen?!

Edition Medienwissenschaft

Jonas Nesselhauf, Markus Schleich (Hg.)

Das andere Fernsehen?! Eine Bestandsaufnahme des »Quality Television«

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Sönke Hahn Umschlagabbildung: Markus Schleich Satz: Sönke Hahn Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3187-6 PDF-ISBN 978-3-8394-3187-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort Feeling That the Best Is Over Vom Ende der Qualität und der Qualität von Enden Jonas Nesselhauf & Markus Schleich | 9

I. Theorien des anderen Fernsehens Einführung | 35 An den Rändern der Serie und des Quality TV Judith Lehmann | 37 Quality TV, Seriephilie, Cinephilie — oder: Wie man ein besserer Zuschauer wird Martin Lampprecht | 61 Das ist das Ende — oder auch nicht! Über Enden und Nicht-Enden im Fernsehen und der Fernsehserie Sönke Hahn | 75 Der Antiheld als Held Komplizenschaft als Möglichkeit der TV-Rezeption Nora Hannah Kessler | 91 Bodies of a Certain Quality Weight, Gender, and Visual Pleasure in Quality Television Margaret Hass | 105

II. Fallstudien zur Qualitätsfrage Einführung | 123 Lynching Luther The Crime Thriller as Reflection of Psychological Tropes in Television Hans-Joachim Backe | 125 „The Game Is Never Over“ Das Spiel transmedialen Erzählens in Sherlock Annemarie Opp | 141 Selbstreflexivität als Qualitätsmerkmal BBCs Sherlock und Daniel Kehlmann Benjamin Schaper | 159 Vom simultanen Bild zum kaleidoskopischen Bild Die BBC-Serie Parade’s End als Literaturadaption Im Zeichen modernistischer Ästhetik Kathrin Kazmaier | 173 „Welcome to Coenville“ Noah Hawleys Fargo als serielle Weiterentwicklung des filmischen Universiums der Coen Brothers Dominik Schmitt † | 193

III. Von Comedy zur Quality Einführung | 211 „The Far Side“ Britische Sitcoms, Qualitätsdiskurse und das Populäre Anette Pankratz | 213 The One where Everyone Is Waiting Latenz in Friends Daniel Kazmaier | 229 Do You Still Call It Situation Comedy? Die narrative Entwicklung US-amerikanischer Sitcoms am Beispiel von How I Met Your Mother Julien Bobineau | 243 Corporate Satire Die 30 Rock-Episode „Greenzo“ als Persiflage auf NBCs Umweltschutz-Initiative Désirée Kriesch | 257 Monster Mash, Monster Trash? Postmoderne Verweisstrukturen in der Animationsserie Ugly Americans Solange Landau | 275

Verzeichnis der BeiträgerInnen | 293 Register behandelter Fernsehserien | 299

Vorwort

Feeling That the Best Is Over Vom Ende der Qualität und der Qualität von Enden

Jonas Nesselhauf & Markus Schleich

Tony Soprano wundert sich bereits in der Pilotfolge echauffiert, was denn aus Gary Cooper, diesem Sinnbild des starken und stillen Amerikaners, geworden ist, und — ohne es zu merken fungiert er als fleischgewordene Antwort auf seine eigene Frage — erläutert seiner Therapeutin Jennifer Melfi sein eigentliches Problem: The morning of the day I got sick I’ve been thinking… It’s good to be in something from the ground floor. And I came too late for that, I know. But lately I’m gettin’ the feelin’ that I came in at the end. The best is over. (S1.01: 03:58 min.)

Tonys Zeitgefühl (das Melfi in der darauf folgenden Antwort, „Many Americans, I think, feel that way.“, bestätigt), ist durchaus interessant, schließlich befindet er sich hier — rückblickend gesehen — bezeichnenderweise ausgerechnet am Beginn des ‚dritten‘ (und vielleicht wirklich) ‚goldenen Zeitalters‘ des Fernsehens.1 Denn gerade mit der HBO-Produktion The Sopranos (1999–2007) wurde es für viele eingeleitet, dieses sogenannte ‚Quality TV‘.

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Robert J. Thompson attestiert — nach den ‚goldenen 1950er Jahren‘ des Fernsehens (vgl. Thompson 1996: 20ff.) — den frühen 1990er Jahren ein zweites goldenes TVZeitalter; die Entwicklungen der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts mit einer wahren Flut von ästhetisch innovativen und narrativ experimentellen Produktionen werden dementsprechend oftmals als eine dritte Blütezeit im Bereich der TV-Serie gedeutet. Eine solche von der Kritik vorgenommene historisierende Bewertung ist bei ‚popkulturellen‘ Artefakten keineswegs unüblich, vgl. etwa exemplarisch (und keineswegs vollständig) die ‚goldene Ära‘ der Detektivgeschichte von etwa 1918 bis 1930 (vgl. Haycraft: 158), der klassischen Hollywoodfilme während des Studio-

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Der Forscher Jason Mittell ist sich sicher: „American television of the past twenty years will be remembered as an era of narrative experimentation and innovation, challenging the norms of what the medium can do.“ (Mittell 2006: 29) Begriffe wie „Quality Television“ (Thompson 1996), „High End TV“ (Nelson 2007), „Auteur Series“ (Dreher 2010; Dreher 2014), „Prestige TV“ (Hill 2013), „Art TV“ (Mittell 2006), „Complex TV“ (Mittell 2012)2 etc. sprießen aus dem akademischen Boden, meinen im Grunde aber in leicht unterschiedlicher Weise doch immer das Gleiche. Etwas polemisch formuliert:3 Ein kleiner, aber substantieller Teil der rezenten Fernsehlandschaft ist so vielseitig, erzählt so innovativ und experimentell, erinnert so stark an Literatur, ist so metareflexiv, dass sich ein akademisches Publikum endlich wieder guten Gewissens vor der Mattscheibe zusammenfinden kann. Tatsächlich ist — auch dank Hollywoods ungebrochener Liebe zu innovations- und risikolosen BlockbusterFortsetzungen4 — die Meinung verbreitet, dass das Fernsehen mittlerweile spannender zu erzählen weiß als das Kino und dieses als Platzhirsch des audiovisuellen Erzählens langsam zu verdrängen scheint (vgl. dazu etwa Meteling/Otto/Schabacher: 7; Philippi 2013). Begriffe wie „Art TV“ oder eben „Quality TV“ (QTV) sind in erster Linie Be- und Zuschreibungen, Hilfsmittel also, um die neuen Entwicklungen auf der Mattscheibe (und darüber hinaus5) fassen zu können. Dass um dieses rezente Phänomen ein als regelrechtes termine ombrello(ne) im Sinne Umberto Ecos (vgl. Eco: 24) zu bezeichnendes Spektrum entstanden ist, unterstreicht wiederum dessen offensichtliche Relevanz. Doch zurück nach New Jersey: Eigentlich befindet sich Tony Soprano in dieser Pilotfolge der Serie also am Anfang einer neuen Zeitrechnung, jedoch fühlt er sich bereits so, als sei das Beste schon vorbei. Und auch der Fernsehkritiker Andy Greenwald greift die symbolträchtige Szene auf:

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systems zwischen den 1920er und den späten 1940er Jahren (Mordden 1988), oder etwa das ‚golden age‘ der Comics in den 1930er und 1940er Jahren (O’Brien 1977). Mittlerweile sind Mittells Überlegungen zum „Complex TV“, die als „in-progress manuscript“ seit 2012 online verfügbar sind, bei der New York University Press unter dem Titel Complex TV: The Poetics of Contemporary Television Storytelling (2015) erschienen. Diese Einleitung ist an einigen Stellen etwas zugespitzt gehalten, soll aber — durchaus beabsichtigt polemisierend — dadurch Fragen aufwerfen, die oft nicht gestellt oder vorschnell als unstrittig betrachtet werden. Anita Elberse belegt diese Einschätzung in ihrer Monographie Blockbusters: Hitmaking, Risk-taking, and the Big Business of Entertainment (2013) mit Fakten (etwa zu Marvel-Blockbustern, vgl. Elberse: 51f.). Die Herausforderungen eines „Fernsehens 2.0“ und transmedialer Erzählformate werden von einigen der folgenden Beiträge dieses Bandes aufgenommen.

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As someone who became a full-time TV critic just two years ago, I think of Tony’s words often. In 2011 The Sopranos had been off the air for four years, The Wire for three. Yet Breaking Bad and Mad Men were still going strong, and with so many new channels unveiling untold numbers of scripted shows, the odds were good that whatever followed the Golden Age would be worth watching. (Greenwald)

Was Greenwald bereits 2013 prognostizierte, hat zwei Jahre später besondere Relevanz gewonnen: Nachdem Mad Men (2007–2015) im Frühsommer 2015 zu Ende ging, schloss sich ein Kreis — die ‚großen vier‘ Produktionen der vergangenen Jahre und des QTV sind auserzählt, eine fernsehgeschichtliche Epoche zu Ende gegangen.

Quality? TV!

Die Probleme einer Kanonisierung wurden in der Literaturgeschichtsschreibung hinlänglich diskutiert6, dennoch ist eine solche exemplarische Auswahl wohl unumgänglich, soll eine spezielle Epoche oder ein bestimmter Stil anhand ausgewählter Werke aufgezeigt werden. Das ‚Quality TV‘ ist ein ebensolcher Kanon, und er umfasst in seiner strengsten Form — so lässt sich zumindest recht häufig in Kritiken, dem Feuilleton7 und inzwischen sogar der Forschung beobachten — lediglich vier Fernsehproduktionen: The Sopranos, The Wire (2002–2008), Breaking Bad (2008–2013) und Mad Men.8 Denn so ungebrochen das Interesse an seriellen Fernsehproduktionen in den vergangenen Jahren war, der Diskurs dreht sich immer wieder um die ‚großen Vier‘ des engeren und einigen wenigen eines etwas weitergefassten Kanons.9 6

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Gerade die Postcolonial und Gender Studies haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die bisherigen Prinzipien der Kanonisierung („Western Canon“) als „dead white European males“ abgelehnt; vgl. dazu etwa Bloom 1994; Morrissey 2005. Die Feuilletons und Internet-Blogs sind weiterhin die Medien, die am schnellsten auf Entwicklungen im Bereich der Fernsehserie reagieren — sicherlich auch, weil universitäre Fachbereiche in Deutschland teilweise noch immer über Berechtigung und Zuständigkeit (Anglistik, Komparatistik oder doch die Medienwissenschaft?) streiten. Vgl. hierzu etwa Brett Martins Buch Difficult Men (2013), der schon im Untertitel und auf dem Cover die Serien The Sopranos, The Wire, Mad Men und Breaking Bad als Triebfedern einer kreativen Revolution ankündigt. Aus dem Spektrum an Serien der vergangenen Jahre lassen sich etwa Boardwalk Empire (2010–2014), Game of Thrones (seit 2011) und True Detective (seit 2014) hinzu zählen, wobei es an anderen Vorschlägen und Zusammenstellungen im Feuilleton nicht mangelt. — Zur auffälligen Häufung feuilletonistischer Beschäftigung in den vergangenen Jahren, vgl. exemplarisch Kämmerlings 2010; Füchtjohann 2012; Horst 2012; Diez/Hüetlin 2013; Haas 2013.

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Doch wie kam es überhaupt dazu? Ein Rückblick: Der Wissenschaftler Robert J. Thompson rief bereits 1996 — und damit drei Jahre vor dem Start der Sopranos und Tonys Therapie — ein ‚zweites goldenes Zeitalter‘ des Fernsehens aus10 und formulierte insgesamt zwölf Punkte, durch die sich aktuelle TVProduktionen (damals wohlgemerkt Serien wie Emergency Room (1994–2009) oder Hill Street Blues (1981–1987)) von bisherigen und stark schematischen Serien (wie Baywatch (1989–1999/2001) oder MacGyver (1985–1992)) unterschieden (vgl. dazu auch Feuer/Kerr/Vahimagi 1985). Thompsons Liste für ‚besseres‘ Fernsehen umfasst folgende Punkte (vgl. Thompson 1996: 13ff.): Quality TV ist ‚anders‘ als das reguläre Fernsehen (1) und wird von etablierten Autoren und Kunstschaffenden umgesetzt (2), wodurch sich diese Serie per se an ein gebildetes und studiertes Publikum richten (3). Die Produktionen treffen aufgrund ihrer niedrigen Quoten auf Widerstand von Seiten der profitorientierten Senderverantwortlichen (4) und benötigen für die Umsetzung ihrer komplexen Plots und narrativen Mehrschichtigkeit in der Regel ein großes Figurenensemble (5). Diese ‚Qualitätsserien‘ verfügen nun erstmals über ein werkimmanentes Gedächtnis (6), wodurch Aktionen und Ereignisse nachhaltige Konsequenzen für die Serienwelt und die kommenden Episoden haben. Die Formate kreieren neue Genres, in dem sie bestehende Konventionen brechen und Genre-Elemente neu kombinieren (7). Dabei sind ihre Erzählverfahren literarisch informiert bzw. weisen Ähnlichkeiten zu literarischen Schreibweisen auf (8) und sind in hohem Maße selbstreflexiv (9). Diese Serien nehmen sich gerne gesellschaftlich kontrovers diskutierter Themen an (10), wobei ein Fokus auf Realismus und Authentizität liegt (11). Und schließlich werden diese Serien von Kritikern positiv bewertet und mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft (12). Diese Liste hat bei Robert Blanchet eine Aktualisierung und Anpassung an rezente Entwicklungen von US-amerikanischen Fernsehserien erfahren, wird aber in ihrer Gesamtheit nicht angezweifelt.11 Dabei thematisiert Blanchet zwar das Problem, dass Thompsons Kategorisierungsversuch einer Zeit entspringt,

10 Besonders virulent geworden ist die qualitative Distinktion von Thompson dann speziell in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts und im rezenten ‚dritten goldenen Zeitalter‘. 11 Eine weitere Liste mit fünf Kategorien über serielle Qualität schließt ebenfalls direkt an Thompson an (vgl. Dunleavy 2009).

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in der „Rahmenbedingungen des Pay-TV-Sektors“12 (Blanchet: 69) noch keine Berücksichtigung finden konnten13, doch gleichzeitig verweist er aber auf die ungebrochene Nützlichkeit des Begriffs: Über Thompsons Begriff und seine Theorie [lässt sich] natürlich trotzdem streiten. […] Obwohl sein Entwurf mittlerweile 15 Jahre alt ist, eignen sich Thompsons Kriterien noch immer sehr gut dazu, das Phänomen zu erfassen. […] Darüber, wie lange der Trend noch anhalten wird, kann man nur spekulieren. Mit Sicherheit ist Quality-TV aber keine medienhistorische oder akademische Eintagsfliege. (Ebd.: 68f.)

Natürlich ist Thompson nicht der erste, der über ‚hochwertiges‘ Fernsehen nachdenkt. Jenseits der akademischen Debatten wurde seit jeher über die Qualität von Programminhalten diskutiert: Fernsehkritiker hatten und haben — im Gegensatz zu Wissenschaftlern — kaum Probleme mit kritischer oder emotionaler Distanz zu den TV-Serien, die sie rezensieren.14 Um zu klassifizieren, was für den Zuschauer ‚sehenswert‘ ist, lassen sich wertende und nicht immer mit der nötigen Reflexion versehene Werturteile kaum vermeiden (vgl. McArthur: 59ff.; Caughie: 109ff.; Poole: 41ff.; Lawson: 104ff.). Aber auch im akademischen Bereich finden sich konzeptionelle Überlegungen über das ‚andere‘ Fernsehen lange vor Thompson, wobei gerade der Bezug auf feuilletonistische Ansätze interessant ist.15 So konstatierte Charlotte Brunsdon bereits 1990,

12 Der Einfluss des Bezahlfernsehens für die Wirkmacht des Begriffs QTV kann in diesem Kontext kaum überschätzt werden: „Quality television gained new momentum in the late 1990s with the pay-TV channel HBO’s own productions Oz and The Sopranos, and the marketing slogan ‚It’s not TV‘.“ (Armbrust; Kursivierungen übernommen) — Auch Sascha Seiler kommt zu dem Schluss, ein gros der weithin als positiv wahrgenommenen Entwicklung im US-amerikanischen Fernsehen sei „in erster Linie dem Aufkommen des Pay-TV zu verdanken“ (Seiler: 6). 13 So merkt Blanchet zu Recht an, dass QTV — anders als bei Thompson — im 21. Jahrhundert kein Nischenphänomen mehr ist (vgl. Blanchet: 69). Offensichtlich ist Thompson selbst mit diesem Einwand einverstanden: „Over 10 years ago, I wrote a book about ‚quality television‘. It was a very short book. There weren’t that many shows to write about. A lot has happened since then.“ (Thompson 2007: xvii) 14 So erstaunt es nicht, dass Joyce Carol Oates 1985 der Serie Hill Street Blues in einer Programmzeitschrift — der TV Guide — literarischen Mehrwert zugestand (vgl. Oates: 5). 15 Der Begriff QTV wurde zuerst in Jane Feuer, Paul Kerr und Time Vahimagi’s MTM Quality Television (1985) im akademischen Kontext verwendet (vgl. Armbrust). Dabei durchleuchten die Autoren The Mary Tyler Moore Show (1970–1977) und gestehen diesem Format eine gewisse Qualität zu, die sich aus der Wärme und Gehobenheit der Figuren, der Selbstreflexivität und der großen Freiheiten der beteiligten Autoren zusammensetzt (vgl. Feuer/Kerr/Vahimagi: 32ff.). Akademisches Denken über Fernsehen findet sich vereinzelt noch früher, z.B. in Horace Newcombs TV:

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| Jonas Nesselhauf & Markus Schleich [j]udgments about the quality of television are made in a great many ways all the time — in speech, in newspapers, in practice — and on television. […] Judgments are being made — let’s talk about them. (Brunsdon 1990a: 89f.)

In ihren — als richtungsweisend für die sich anschließende Debatte über Qualitätsfernsehen geltenden (vgl. Cardwell: 74) — Arbeiten bemängelt die Autorin eine generelle Scheu der Forschung, an die anderen, nicht-wissenschaftlichen Debatten anzuknüpfen, und zwar mit einer analytischen Distanz, die bis dato fehlte. Im Zuge dessen kritisiert Brunsdon die Vertreter der TV Studies für die Verwendung qualitativer Parameter (vgl. Brunsdon 1990b: 69), die selten bis nie explizit genannt oder zur Disposition gestellt werden, denn: „‚Quality‘ in a discussion of television involves ‚discourses of judgement‘“ (ebd.: 67) — wodurch die Frage gestellt wird, welche Möglichkeiten die Wissenschaft parat hält, um Qualität zu bestimmen, die im alltäglichen Denken und Sprechen über Fernsehen absent sind. Diese Fragestellung ist insofern paradox, als dass sie neben der Qualitätsbestimmung auch einen — bis heute andauernden — Legitimitätsanspruch des Mediums Fernsehen als eines vollwertigen akademischen Gegenstands in sich birgt. Folgt man Bourdieus Einschätzung, dass Geschmack etwas sozial Geformtes ist (vgl. Bourdieu: 12f.), finden sich also bereits Anfang der 1990er Jahre erste Versuche, televisionäre Produkte aus den Riegen des ‚populären‘ in den ‚legitimen‘ Geschmack umzusiedeln. Das Mittel zu diesem Zweck war die Fernsehserie, aber eben nicht alle Serien, sondern nur die ‚guten‘: I’m not saying all TV is good; the majority of it isn’t. I’m arguing that the best of TV is very good indeed, and […] that television should be taken seriously enough to be judged in context, without preconceptions, on its own merits […]. (Bianculli: x)

Thompsons vielzitierte Schrift über das zweite goldene Fernsehzeitalter ist also keineswegs Pionierarbeit, aber sie zeichnet sich eben dadurch aus, eine Vielzahl an Interessen und Ansätzen zu bündeln. Die — auf den ersten Blick — klare und simple Kriterienauswahl bedient dabei das Bedürfnis nach offengelegten Kriterien für Qualität:

The Most Popular Art von 1974. Allerdings darf man nicht den Fehler begehen und diesen Schriften rückwirkend eine größere kulturelle Reichweite attestieren, als sie wirklich hatten. Weder Newcomb, noch Feuer/Kerr/Vahimagi ist es gelungen, bestehende Ressentiments gegenüber dem Medium Fernsehen zu revidieren: „Still, one should not overestimate their cultural influence; commercial television, when not an object of derision, was at best a guilty pleasure for intellectuals.“ (Anderson: 26)

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Precisely because values today are taken to be neither fixed nor absolute, no single set of criteria will suffice. However, Thompson’s insight into an implicit (if not occasionally explicit) industrial and critical association of ‚quality television‘ with ‚high-art‘ values has particular resonance for renewed interest in the aesthetics of TV drama. (Nelson: 4)

Damit wurde also ein Qualitäts-Diskurs eröffnet, der automatisch manche Serien aufwertet und gegen ‚minderwertigere‘ Produktionen abgrenzt. Thompson selbst bezeichnet QTV mit fast einer Dekade Abstand retrospektiv als „super genre, a formula unto itself“ (Thompson 2007: xvii).16 Schon hier lässt sich ein grundlegendes Dilemma ausmachen: Wenn ‚gute‘ Fernsehserien ursprünglich dazu dienen sollten, in der Forschung einen Paradigmenwechsel für das ganze Medium Fernsehen auszulösen, dann ist dieses Unterfangen glorios gescheitert. Denn ‚Quality‘ als Distinktionsmerkmal tut viel dafür, Vertreter des ‚anderen‘ Fernsehens als Ausnahme von der Regel des normalen Fernsehens zu etablieren (vgl. Bignell/Lacey: 71). Wenn Sönke Hahn also konstatiert, dass gefühlt niemand mehr fernsieht, sich aber eigentlich jeder für Qualitätsserien begeistern kann (vgl. Hahn: 11), ist der Sachverhalt treffend zusammengefasst.

It’s not (just) TV!

Ein weiteres großes Problem bleibt hierbei natürlich die Applizierung naturwissenschaftlicher Mess- und Kategorisierungsverfahren, die bei Kunstwerken schlicht nicht durchführbar sind; denn was genau die ‚Qualitäten‘ sind, die einer Serie innewohnen müssen, um eine Mitgliedschaft im exklusiven Club des ‚besseren‘ Fernsehens einzufordern, bleibt vage oder scheint (trotz aller oftmals vorgegebenen Objektivität) doch eher eine subjektive Einschätzung zu sein (vgl. Nesselhauf/Schleich 2014: 10f.). Zwei Beispiele: Wird die Ressource der erzählerischen Zeit — mit dem Verweis auf die Romane des literarischen Realismus und damit Werke von Balzac bis Dickens — bei Serien wie The Wire17 lobend angeführt, müssten ja auch langlaufende Soap Operas und Telenovelas in den Kanon aufgenommen werden, die Format und Zeitstruktur ja regelrecht 16 Interessant ist, dass Nelson selbst in seiner Studie über „High End TV Drama“Serien wie „regular TV fare, daytime television, the soaps or series and serials which elsewhere I have dubbed popular ‚flexi-narratives‘“ (2) ausschließt. Nicht, weil er sie für ‚schlecht‘ befindet, sondern weil sein Fokus auf jenen Produktionen ruht, „[which] ‚narrative image‘ […] is constructed as ‚must-see‘ or appointment viewing, programs which themselves make a claim to distinction or have such a claim made about them“ (ebd.). So gesehen entlarvt sich das von Thompson skizzierte Super-Genre als zutiefst konstruiert und extern geformt. 17 Vgl. exemplarisch den vielfach zitierten Artikel von Kämmerlings 2010.

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überstrapazieren. Oder: Die strikte Auslegung von Thompsons Liste führt selbst den Urheber selbiger in die Irre. So akzeptiert Thompson die Grenzen seiner qualitativen Kriterien: About 12 years ago, I defined ‚quality TV‘ with a list of a dozen characteristics. Now I can find a lot of shows on the air that exhibit all 12 characteristics but in the end, aren’t really all that good. (Thompson 2007: xx)

Unabhängig von der Befürwortung, Ablehnung oder kritischen Distanz zu einem Begriff wie dem ‚Quality TV‘ — zwei weitere Beobachtungen sind nicht in Zweifel zu ziehen: Erstens fand mit der Jahrtausendwende auch ein regelrechter Selbstüberbietungswettbewerb im US-amerikanischen Fernsehen statt18, ausgehend von den Kabel-Premiumkanälen und schnell auch von den ‚basic cable‘-Programmen aufgenommen: So ist es HBO mit Sex and the City (1998– 2004) zu verdanken, dass ABC sich an Desperate Housewives (2004–2012) gewagt hat, und ohne Dexter (2006–2013) wäre Hannibal (2013–2015) wohl nie in Produktion gegangen. Fernsehserien sind so beliebt, dass Amazon mittlerweile ein eigenes Studio gegründet hat, um die Kundschaft fernab vom eigentlichen Fernsehgerät mit Serien zu versorgen19, auch aus dem Grund, weil das bei Netflix mit House of Cards (seit 2013) und Orange is the New Black (seit 2013) ja so hervorragend funktioniert (hat). Dieser Wettbewerb und die dadurch entstandenen (narrativ komplexen, experimentellen und ästhetisch innovativen) Produktionen führte, zweitens, zum problematischen Begriff des ‚Quality TV‘ und der notwendigen Kanonisierung, öffnete dadurch der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Medium der Fernsehserie im akademischen Bereich aber auch überhaupt erst die Türen. Wissenschaftshistorisch betrachtet handelt es hierbei keineswegs um ein neues Phänomen. Der stets bemühte Vergleich zur Literatur20 wiederum ist insofern interessant, als dass der Roman vergleichbare Legitimationsprozesse durchlaufen musste, um zu einem ‚ernstzunehmenden‘

18 Adam Davidson fasst die gegenwärtige Lage in einem Artikel für die New York Times zusammen: „Networks have effectively entered into a quality war. Basic-cable channels have to broadcast shows that are so good that audiences will go nuts when denied them. Pay-TV channels, which kick-started this economic model, are compelled to make shows that are even better. And somehow, they all seem to be making insane amounts of money.“ (Davidson) 19 Etwa mit den Eigenproduktionen Alpha House (seit 2013), Betas (2013–2014), Transparent (seit 2014), Bosch (seit 2014) und The Man in the High Castle (seit 2015) — der Auswahlprozess erfolgt dabei ‚demokratisch‘ anhand produzierter Pilotfolgen, die Nutzern zur Abstimmung gestellt werden. 20 Vgl. etwa Oates 1985; Thompson 1996; Newcomb 2008; Kämmerlings 2010; Füchtjohann 2012. Inzwischen wird diese Position im Feuilleton wieder relativiert (vgl. Schmidt 2014; Wolff 2015).

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Medium aufzusteigen. So wurde im englischsprachigen Raum der Term novel etabliert, um eine Seriosität zu suggerieren, die dem bis dahin verwendeten Begriff der romance nicht inhärent war.21 Es ist somit leicht, sich zurückzulehnen und den Begriff des ‚Quality TV‘ als ‚unwissenschaftlich‘ abzutun, wenn dabei allerdings vergessen wird, was der Begriff für die Forschungslandschaft getan hat.22 Vielmehr sollte das Konzept als ein Hilfsmittel verstanden werden, das in doppelter Hinsicht einen wertvollen Beitrag geleistet hat: Zunächst, und wie bereits angedeutet, war das QTV Steigbügelhalter für den Einzug der Fernsehserie in den akademischen ‚Elfenbeinturm‘. Gleichzeitig entfachte die (vermeintlich) qualitative Distinktion dann ein verstärkt aufkommendes Interesse am Medium der Fernsehserie, das mit der dritten Welle und wohl ab den Sopranos ohnehin experimenteller erzählt als jemals zuvor. Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende

So könnte man auf den ersten Blick meinen, unser Fernsehzeitalter sei das beste aller möglichen Fernsehwelten. Ein tieferer Blick in Feuilleton und Forschung zeigt jedoch — und wohl ebenso apodiktisch behauptet wie eine Kanon-Reduzierung auf lediglich eine handvoll Serien —, dass dieses ‚Quality TV‘ seinen Zenit längst überschritten habe, da es inzwischen zu formalistisch geworden sei: „Wird das goldene Zeitalter des Fernsehens zu einem goldenen Käfig des Erzählens?“ (Schmieder 2015b: 34) Und tatsächlich scheint das große Erfolgsrezept gefunden zu sein, wie Logan Hill mit einer Liste struktureller Merkmale23 feststellt, die eine ‚gute‘ Serie ausmachen: Wir befinden uns am Ende einer Ära; ein Antiheld mit Mid-Life Crisis stolpert in ein Gemisch aus Sex und Drogen, dabei ist er idealerweise tödlich erkrankt oder zumindest depressiv. So verfolgt der Zuschauer in Boardwalk Empire einen korrupten Kämmerer im Atlantic City der Prohibitionszeit, 21 Die romance war in den Augen der Kritiker „something to be outgrown, a juvenile and undeveloped form“ (Frye: 303). Ähnliches ließe sich übrigens für ein durchaus ‚neueres‘ Medium attestieren: So musste aus dem Comic erst die „Graphic Novel“ werden, um in universitären Kreisen ernst genommen zu werden (vgl. Blank 2014). 22 Wenn z.B. Sarah Cardwell die Forderung formuliert, „Let us abandon quality television and embrace good television.“ (Cardwell: 34), dann ist dies im Kern vertretbar, lässt aber bis zu einem gewissen Grade außer Acht, dass es die Etablierung des Labels QTV ihr erst ermöglichte, diese Position überhaupt zu äußern. 23 Logan Hill benennt „The 13 Rules for Creating a Prestige TV Drama“, die trotz ihrer stark zugespitzten Form die Problematik durchaus treffend zusammenfassen (vgl. Hill 2013).

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während in The Americans (seit 2013) das Amerika der 1980er Jahre während des Kalten Krieges, in The Knick (seit 2014) das Medizinwesen der 1920er und in Mob City (2013) die mafiöse Unterwelt beleuchtet wird.24 Das revolutionäre Potential der Fernsehserie scheint vorbei zu sein, zumal das Stilmittel der Drastik, mit dem HBO, Showtime und Co. mit Serien wie Oz (1997–2003), Dexter oder The Wire ihre Freiheiten gegenüber den ‚basic cable‘Programmen zelebrierten, inzwischen nur noch kaum zu schocken vermag — vielmehr sind das unzensierte f-Wort, entblößte Brüste oder abgetrennte Gliedmaßen fast schon zu einem Selbstzweck geworden: „And like the fifth grader, HBO sometimes seems childish for mistaking vulgarity for being grown up, for sophistication.“ (Stemple: 168) Und flüchtet sich das Fernsehen inzwischen nicht ebenso in risikolose Spinoffs wie Hollywood in Fortsetzungen?25 Die erste Staffel von Better Call Saul (seit 2015) startete vielversprechend, doch die Ankündigung, auf How I Met Your Mother (HIMYM, 2005–2014) auch noch How I Met Your Dad folgen zu lassen, ließ Schlimmstes vermuten — nach der Pilotfolge (2013) war allerdings Schluss, die Serie ging nie in Produktion (vgl. Kohlmaier 2014). Dennoch steht Greenwald nicht alleine, wenn er die aktuelle Fernsehlandschaft mit einem „zombie age“ vergleicht: „A bold, forward-looking decade of risk-taking and reward has somehow left the industry in full-on retreat. There’s an undeniable security in sameness.“ (Greenwald) Das klingt auch sehr nach Adorno und dessen Überzeugung, die Massenkultur sei lediglich zu Beginn innovativ, eben bis die ‚Formel‘ gefunden werde — in seinem in den USA entstandenen Essay „On Popular Music“ spricht er von einer „structural standardization“ (Adorno: 442ff.; Kursivierung übernommen). An Adorno anschließend, kommt Dwight McDonald bereits in den frühen 1950er Jahren zum Schluss, dass Artefakte der Populärkultur nur so lange

24 Für eine ausführliche Aufzählung weiterer Beispiele, vgl. Matzig: 46. 25 Dabei sind Spin-offs auch im Fernsehen keine Seltenheit, was nicht nur verschiedene Ableger von Law & Order (1990–2010), Star Trek (1966–1969) oder CSI: Crime Scene Investigation (2000–2015) belegen: Joey (2004–2006) folgte auf Friends (1994– 2004), The Originals (seit 2013) auf The Vampire Diaries (seit 2009), Private Practice (2007–2013) auf Grey’s Anatomy (seit 2005) und selbst The Walking Dead (seit 2010) wird mit Fear the Walking Dead (seit 2015) einen seriellen Ableger erhalten. Eine quasi metareferentielle Sicht nimmt dabei The Exes (2011–2015) ein, dessen Cast hauptsächlich aus ehemaligen Serienstars (und damit wortwörtlichen ‚exes‘) — Donald Faison aus Scrubs (2001–2010), Wayne Knight aus Seinfeld (1989–1998), Kristen Johnston aus 3rd Rock from the Sun (1996–2001) und ab der dritten Staffel Leah Remini aus The King of Queens (1998–2007) — besteht.

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den Status ‚echter Kunst‘ verdienen, bis „the money boys and efficiency experts and audience-reaction analysts“ (MacDonald: 52) sich der Sache annehmen und alles der Kommerzialisierung anheim fällt.26 Nach Mad Men einen Schlussstrich zu ziehen, spitzt oben skizzierte Versuche, ‚irreguläres‘ (‚besonderes‘) Fernsehen von ‚regulärem‘ zu trennen, noch einmal zu. Jede neue Serie unter den Generalverdacht der Nachahmung zu stellen, sorgt dafür, dass dem Medium Fernsehen nach wie vor etwas Lasterhaftes anhaftet: Einige Serien erhalten eine Ausnahmestellung, um einen noch stärkeren Kontrast zur Regel — Fernsehen als flache Massenunterhaltung — zu etablieren. Wir haben somit das dritte goldene Zeitalter hinter uns gelassen und befinden uns nach dem Finale von Mad Men im Frühsommer 2015 und in den Augen von Skeptikern bereits (wieder) im ‚postqualitativen‘ TV-Zeitalter. Und doch ziehen Serien wie House of Cards und Game of Thrones nach wie vor eine nicht unbeträchtliche Zahl von Zuschauern in ihren Bann und erfreuen sich auch bei den Kritikern nach wie vor großer Beliebtheit. Wie geht das zusammen? Man fühlt sich in einer solchen Zeit der Unsicherheit leicht an Samuel Beckett erinnert — „Fini, c’est fini, ça va finir, ça va peut-être finir.“ (Beckett: 13) — und dürfte eigentlich versichert sein, dass es auch weiterhin Fernsehserien geben wird, die (mit Mittell gesprochen) die Grenzen des Mediums weiter austesten werden. Es ist an der Zeit, sich davon zu lösen, einer Serie Qualität unterstellen zu müssen, um über sie sprechen zu können bzw. zu dürfen. Weder The Americans, Orange is the New Black, Transparent oder The Good Wife (seit 2009) erfreuen sich aufgrund ihrer inhaltlichen oder formalen Ähnlichkeit zu kanonisierten ‚Klassikern‘ (der Literatur) großer Beliebtheit, sondern weil sie spannende Handlungen mit interessanten Figuren bieten und nach wie vor gesellschaftliche Schattenseiten beleuchten. Sie erzählen ihre eigenen Geschichten, und diese Narrative sind noch nicht zu Ende erzählt. Doch beim Thema des ‚Endes‘ fällt auch auf, dass das tatsächliche Ende einer Serie — also der Abschluss der seriellen Narration nach einer gewissen Anzahl von Episoden und Staffeln — bisher in den vielseitigen Versuchen einer Definition des ‚Quality TV‘ eher vernachlässigt wird: So wurde interessanterweise etwa die Serie Mad Men lange zuvor in diesen Kanon des „anderen Fernsehens“ gehoben, ohne die finale Staffel (und konkret die letzte Episode) überhaupt abzuwarten. 26 Im Übrigen ein Einwand, der noch nie Gültigkeit besaß: Mit Fernsehserien wurde von Anfang an Geld verdient, ob im ‚basic cable‘, ‚free to air‘ oder ‚pay-tv‘. Die Abläufe sind etwas undurchsichtiger, aber die Annahme, HBO und Showtime würden ohne Rücksicht auf finanzielle Verluste Nischenformate schaffen, greift zu kurz.

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An dieser Stelle wollen wir uns von den mannigfaltigen Theorien des QTV lösen und mit der Behauptung vom Ende des ‚dritten goldenen Zeitalters‘ ein zentrales Element jeder Serie beleuchten: Ihr Ende. Das serielle Erzählen selbst ist (durch seine Organisation aus verschiedenen Episoden in Staffeln wie auch den ‚serial frame‘27) ohnehin stets ‚zerstückelt‘ (vgl. O’Sullivan: 59), wodurch dem Fortführen der Erzählung28 eine bedeutende Rolle zukommt, in (wortwörtlich) letzter Instanz aber auch dem jeweiligen Abschluss in der finalen Staffel. Wir schlagen mit diesem Gedankenexperiment keineswegs vor, lediglich die letzte Folge als Argumentationsgrundlage heranzuziehen; es geht vielmehr darum, eine Serie zu Ende zu sehen, sie also in ihrer Ganzheit zu betrachten29 — eine durchaus vernachlässigte Perspektive.30 Denn der Blick darauf, wie eine Serie die eigene Geschichte zu Ende bringt, legt den Fokus dahingegen wieder (zwangsläufig und retrospektiv) auf das gesamte Seriennarrativ und erlaubt dadurch Rückschlüsse auf die Serie insgesamt (konkret auf ihr serielles Erzählen von der ersten bis zur finalen Staffel). Interessant ist dabei eine hiermit verbundene literaturwissenschaftliche Perspektive, nämlich der Fokus auf die narrative Struktur eines Textes zwischen Abschluss und Fragment. Für die bereits genannten Serien wie The Sopranos, The Wire, Breaking Bad und Mad Men bedeutet das beispielsweise auf den ersten Blick, dass sie ihre Geschichte weitestgehend ungestört zu Ende erzählen konnten. Natürlich ist auch das eine Simplifizierung: The Wire stand mehrmals vor der Absetzung (vgl. Stevens 2004) und Breaking Bad wurde AMC irgendwann zu teuer, so dass hier ebenfalls zur Debatte stand, nach der vierten Staffel den Schlussstrich zu zie-

27 Der ‚Paratext‘ um die jeweilige Episode selbst, wie ein Rahmen bestehend aus Intro, „previously on ...“, „next week on ...“ etc.; vgl. dazu Nesselhauf/Schleich 2013: 26ff. und den Beitrag von Judith Lehmann in diesem Band. 28 Und natürlich dem Ende einer jeden einzelnen Episode! Eine Serie endet damit quasi nicht nur ein mal (mit ihrem Finale), sondern durch die dezidiert serielle Organisation quasi in jeder einzelnen Episode — sie kommt aber nur ein mal zum Abschluss, nämlich mit ihrer finalen Episode in der finalen Staffel. 29 Dass es sich bei dem Verlangen nach einem Ende um eine anthropologische Konstante handelt, nutzte bereits Frank Kermode als Grundlage seiner Schrift The Sense of an Ending: Studies in the Theory of Fiction von 1967: „There is still a need to speak humanly of a life’s importance in relation to it — a need in the moment of existence to belong, to be related to a beginning and to an end.“ (Kermode: 4) 30 Tatsächlich fokussieren Studien zur seriellen Narration tendenziell die Brüchigkeit und Sequenzierung — Vincent Fröhlich spricht gar von einer „Poesie der Unterbrechung“ (Fröhlich: 15) —, selten aber die Gesamtheit ihrer Teile.

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hen (vgl. Holmes 2011). Und auch bei Mad Men mussten die Fans fast 18 Monate warten, bevor klar war, ob man der Serie erlauben würde, zu einem Ende zu kommen (vgl. Stelter 2011). Dennoch: Folgen wir der Einschätzung Mittells, hatten diese Serien ein „Finale“: The finale is a conclusion with a going-away party. Finales are […] widely anticipated and framed as endings to a beloved (or at least high-rated) series. Finales are not thrust upon creators, but emerge out of the planning process of crafting an ongoing serial, and thus the resulting discourses center around authorial presence and the challenges of successfully ending a series. Such discursive prominence of finales raises the narrative stakes of anticipation and expectation for viewers, and thus frequently produce disappointment and backlash when they inevitably fail to please everyone. (Mittell 2015: 322)

Erinnern wir uns konkret: Das Ende der Sopranos ist eine Zusammenfassung von allem, was die Serie ausgemacht hat. Sie ist voller Anspielungen und Zitate auf den filmischen Mafia-Diskurs — und sie lässt natürlich die wichtigste Frage unbeantwortet, sehr zum Unmut des Publikums, das Paul Levinson als „closure junkies“ (Levinson: 313) bezeichnet. Dabei übersehen eben jene Zuschauer, dass die Serie stets bewusst mit gängigen Konventionen gebrochen hat; warum sollte das ausgerechnet beim Finale anders sein? The Sopranos has generally resisted the attempt to offer the comfort of resolution and the suggestion of a moral outcome. Inasmuch as more traditional ‚law and order‘ dramas work toward punishing ‚the bad guys’ and allowing people to turn off their sets safe in the belief that crime does not pay. (Howard)

Bis heute verweigert David Chase die Antwort, was eigentlich genau passiert, wenn der Bildschirm schwarz wird, und belässt es bei der enigmatischen Aussage: „It’s all there.“ (zitiert in: Levinson: 315) Und auch diese Verweigerung gegenüber einer Auflösung ist stimmig für eine Serie, die gezeigt hat, was Fernsehen kann, wenn man es lässt. Auf ähnliche Weise harmoniert das Ende von The Wire mit dem Verlauf der Handlung, denn auch hier offenbart die Serie die ihr zu Grunde liegende zyklische Struktur. Ein Kreislauf endet, aber der war on drugs geht eigentlich nur in die nächste Runde, eine weitere Generation von Dealern, Abhängigen und Polizisten betritt die Bühne — am Ende muss es weitergehen in Baltimore: […] Michael robs one of Marlo’s associates, his style of dress and comportment marking him as a reincarnated Omar, while Dukie shoots heroin in an alley, following in Bubble’s footsteps, both cycles inevitably continuing. (Vint: 99)

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Oder etwa auch das (im Vorfeld lange erwartete31) Ende von Breaking Bad — eine Geschichte, die ja aber im Vergleich zu vielen anderen Produktionen einen klar definierten Endpunkt hatte: Walter White leidet an nicht operablem Lungenkrebs. Das Finale wurde von der Kritik nach der Ausstrahlung im Herbst 2013 vor allem deswegen gelobt, weil es alles, was die Serie bisher ausmachte, noch ein letztes Mal zusammenbrachte und die vielen offenen Storylines zu Ende erzählte. Der Serien-Macher Vince Gilligan sagte bezüglich seines Endes: There was certainly a lot of self-applied pressure. I second-guessed myself. I was much more neurotic than I usually am, and that’s saying a lot. […] But when a show feels like more of a character study, there’s more of an expectation that it will end in a correct and satisfying manner. (zitiert in: Brown)

Und schließlich Mad Men mit einem Ende, das (als ein für längere Zeit vielleicht paradigmatisch geltendes Finale) viele Fäden zusammenbringt, einige Figuren verabschiedet (Betty Draper) oder in eine offene Zukunft entlässt (Joan Harris) und ganz nebenbei — unaufgeregt und meditierend — „ein Stück amerikanischer Kulturgeschichte“ (Schmieder 2015a: 31) erfindet (Don Draper). Dies stimmt dabei durchaus mit der ‚Philosophie‘ der Serie überein, schließlich ging es bei Mad Men nur vordergründig [u]m eine Werbeagentur im New York der 60er Jahre, um Promiskuität, Rauchen und Saufen, um Sexismus und Homophobie. […] Erfinder Matthew Weiner hat den Zuschauern 92 Folgen lang gezeigt, dass das Fantastische am Leben ist, dass jeder Mensch damit anstellen darf, was immer er möchte. (Ebd.: 31)

Was wäre also nun ein Minimalkonsens für ein ‚gelungenes‘ Finale? Warum werden die Sopranos legendär, wenn die letzten Szenen mitten im Satz abbrechen, während aber andere drastische Maßnahmen (etwa die finalen Momente von Roseanne (1988–1997) oder Two and a Half Men (2003–2015)) unpassend oder deplatziert wirken? Es soll bei einem Serienende keineswegs pauschal darum gehen, alle (langjährigen und treuen) Fans zufrieden zu stellen; der Abschluss einer Serie, auf den emotional hingefiebert, über den im Vorfeld spekuliert und danach erregt kommentiert wird, sollte aber vielmehr die bisher erzählte Geschichte stimmig und konsequent zu Ende bringen.32 Dieser Wunsch scheint banal zu sein, aber eben auch nicht immer aufzugehen: Eine Serie wie The Sopranos hat mit den Regeln und Konventionen des

31 Das Ende wurde von AMC stark beworben — unter anderem mit dem Poster: „All Bad Things Come to an End.“ 32 Schließlich verfolgen treue Zuschauer eine Serie über Jahre und wachsen teilweise regelrecht mit den Figuren auf — diese über das (offizielle) Ende des Formats herausreichende ‚Liebe‘ und ‚Treue‘ zeigt sich auch im Fortschreiben von Seiten der fan fiction.

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‚herkömmlichen‘ Fernsehens gebrochen, vor allem durch die Figurenanlage.33 Das regelrechte ‚sadomasochistische Spiel‘ mit dem Zuschauer, der ‚verunsichert‘, dadurch aber auch ‚angeregt‘ werden soll, wird damit auch folgerichtig auf das Ende der Serie übertragen. In deutlich ‚flacheren‘ (und ja ohnehin seriell anders angelegten) Produktionen brechen ähnliche metafiktionale Experimente unvermittelt in die sonst eher eintönige Handlung ein, passen aber kaum zur sonstigen Atmosphäre. Bereits Aristoteles bemerkte in anderem Zusammenhang: Die Feststellung, ob eine Tragödie mit einer anderen vergleichbar sei oder nicht, kann man auf Grund von keiner Gegebenheit mit demselben Recht treffen wie auf Grund der Handlung. Dies ist der Fall, wenn der Knoten und die Lösung vergleichbar sind. Viele schürzen den Knoten vortrefflich und lösen ihn schlecht wieder auf; man muss jedoch beides miteinander in Übereinstimmung bringen. (Aristoteles: 59)

In den konkreten Fällen der ‚großen Vier‘ hatten es die Serienmacher selbst in der Hand, den Schlusspunkt zu setzen. Das ist, erstens, nicht immer der Fall — etwa bei Serien, die nach der (bereits fertig gedrehten) ersten Staffel abgesetzt werden34 oder deren Staffeln auch deswegen fast schon pauschal mit einem Cliffhanger enden35 — und setzt, zweitens, natürlich voraus, dass die kreativen Köpfe hinter der Serie wissen, wo sie denn eigentlich hinwollen. So merkte Lane Brown kürzlich im Kontext des Finales von Breaking Bad an: „In this postLost world, it seems like the worst sin a TV showrunner can commit is not knowing where his or her show is headed.“ (Brown) Die Serie Lost (2004–2010) stellt in diesem Zusammenhang sicherlich den zentralen Knackpunkt dar. So ist man sich vielerorts einig, dass Lost im Kontext des ‚Quality TV‘ eigentlich einen Platz an vorderster Stelle verdient hatte, durch seine erzählerische Innovation also dem engeren Kanon zugerechnet werden konnte36 — doch dann kam das Finale in Form einer Doppelfolge (S6.17/18). Die Reaktionen in Kritiken und Kommentaren im Internet fielen 33 Matthew Weiner greift bei der Erklärung dafür, was Mad Men denn so sehenswert macht, auf seine Arbeit an den Sopranos zurück: „[Der konventionelle] Zuschauer will sich sofort orientieren können, sich zu Hause fühlen, deshalb muss alles sein wie immer, wenn er auf die Fernbedienung tippt. Bei den Sopranos aber wird plötzlich jemand ermordet, den die Zuschauer liebgewonnen haben, und auch sonst ist alles im Fluss.“ (zitiert in: Hüetlin: 139f.) 34 Serien, auf die dies zutrifft, wären etwa Terriers (2010), Gravitiy (2010), Almost Human (2013–2014) oder Enlisted (2014). Eine Absetzung ist aber auch nach mehreren Staffeln möglich, ohne dass der Serie die Möglichkeit einer Konklusion gegeben wird, wie die Beispiele Brotherhood (2006–2008), Enlightened (2011–2013), oder Hannibal (2013–2015) verdeutlichen. 35 Wie etwa die BBC-Serie Sherlock (seit 2010). 36 Vgl. zur Narration exemplarisch: Neusüß 2014.

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überwiegend negativ aus, aber im Kern aller Entrüstung steht eben, dass Lost es versäumt hat, die vielen Geschichten und Erzählebenen überzeugend zusammenzubringen.37 Für viele war es einfach eine ziemlich behäbige deus ex machina, die, wir erinnern uns, ja Aristoteles schon als wenig wünschenswert sah. Die größte Gefahr einer jeden Serie besteht darin, sich zu wiederholen (vgl. Hißnauer/Scherer/Stockinger: 145), und dies vor allem bei Status Quo-Serien oder Series, die keine fortlaufende Handlung haben, für die es natürlich aber auch relativ unbedeutend ist, wie sie ausgehen.38 Beim serialized drama, also dem Format, das sich in den letzten Jahren zur dominanten Erzählform aufgeschwungen hat, sieht es anders aus. Das Problem besteht bei diesen Serien — da sie aufgrund eines profitorientierten Produktionsdesigns immer länger werden — vielmehr darin, überhaupt ein Ende zu finden. Denn gerade wenn eine Serie erfolgreich ist, weil sie mit einer guten Prämisse oder Idee startet, steigt die Gefahr, dass sie künstlich in die Länge gezogen wird, und zwar so sehr, dass ein zufriedenstellendes Lösen des Knotens im Sinne von Aristoteles fast unmöglich ist.

The End of an Era? — It was the Best of Times!

Das Thema des Endes (einer Episode, Staffel und schließlich einer Serie) bringt also spannende Erkenntnisse ans Licht, stellt aber auch eine gewisse Herausforderung dar: Final episodes and season finales always seemed to me to epitomize the virtues of television narrative. […] Of course since television dramatic narrative derives from serialized novels, one would think this subject had already been covered — say, by Aristotle. [But] we don’t really have a critical vocabulary to describe the thick interweaving of story arcs into a season-long narrative span of TV drama. Consequently, it’s difficult to express the peculiar artistry that goes into a really satisfying season finale. (Feuer)

37 Tatsächlich ist die Serie Lost inzwischen zum Synonym und Paradebeispiel für einen eher missratenen Handlungsabschluss geworden: So gab etwa George R. R. Martin, der Autor der Fantasy-Buchreihe A Song of Ice and Fire (seit 1996), die der HBO-Serie Game of Thrones zugrunde liegt, voller Angst zu: „What if I fuck it up at the end? What if I do a ‚Lost‘? Then they’ll [the fans] come after me with pitchforks and torches.” (zitiert in: Miller) 38 So kommt auch Gillian in einem Interview über das Ende von Breaking Bad zu dem Schluss, dass der generelle Eindruck der X-Files (1993–2002) sich nicht durch ein Ende definiert, weil es sich dabei größtenteils um eine Aneinanderreihung von „stand-alone episodes“ handelt (zitiert in: Brown).

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Exemplarisch festmachen könnte man dies an der erfolgreichsten Sitcom aller Zeiten — Friends — und dem Format, das lange Zeit als ihr legitimer Nachfolger gehandelt wurde: How I Met Your Mother. Tatsächlich starten die beiden Formate mit sehr unterschiedlichen Prämissen: Friends beschreibt die Entwicklung eines Freundeskreises ohne bestimmtes Ziel, wohingegen HIMYM seinen natürlichen Endpunkt bereits im Titel trägt. Sicherlich, man kann auch bei Friends zwischen der sechsten und neunten Staffel kritisieren, dass die Serie einige Hänger hatte, eine gewisse erzählerische Müdigkeit offenbarte. Aber die Serie hat es geschafft, ein Ende zu bieten, das das Gesehene (und Geschehene) ordnet: Dem Zuschauer muss klar gewesen sein, dass es in dieser Konstellation nicht ewig so weiter gehen konnte — es musste etwas passieren. Am Ende von Friends weiß der Rezipient daher auch, dass er oder sie eine coming of age story gesehen hat, und die lieb gewonnenen Freunde jetzt zu einem neuen Lebensabschnitt aufbrechen. Bei HIMYM sieht es nun etwas anders aus. Es gibt insgesamt neun Staffeln, von denen mindestens sechs nicht zum Ende passen, das tatsächlich bereits nach der zweiten Staffel gedreht wurde (vgl. Acuna) und dort auch noch mehr Sinn gemacht hätte. Vielmehr wurde die Serie (vorwiegend aus kommerziellen Gründen) künstlich in die Länge gezogen; es ist ‚unterwegs‘ zwischen Ted, Robin und Barney zu viel passiert, sodass die Spitze (der bereits früh festgelegte Endpunkt der Erzählung) schließlich einfach nicht mehr zum Rest des zu groß gewordenen Turms gepasst hat. Natürlich ist HIMYM keineswegs pauschal eine schlechte Serie; die ersten Staffeln und vereinzelte Episoden der späteren Spielzeiten wissen immer wieder durch eine innovative und teils experimentelle Narration zu überzeugen39, aber als strukturelle Einheit gelingt es der Serie nicht, den Rahmen, den sie sich selbst gesteckt hat, angemessen zu füllen — und genau darum geht es ja am Ende.

Was heißt und zu welchem Ende schaut man Quality TV?

Da ist sie aber schon wieder, diese Abgrenzung, Bewertung, Beurteilung. Lässt sich denn überhaupt von Fernsehserien reden, während man sich gleichzeitig vom Qualitätsdilemma löst? Dazu ein Beispiel: Regelrecht universell (und gesellschaftliche Schichten und Bildungen übergreifend) scheint das Bedürfnis zu sein, nach einem Kinofilm diesen sofort und noch im Foyer zu diskutieren. Selbst noch so neutrale

39 Vgl. dazu den Beitrag von Julien Bobineau in diesem Band.

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Aussagen basieren stets auf den jeweiligen Sehgewohnheiten, dem individuellen Vorwissen und nicht zuletzt den zuvor gesetzten Erwartungen.40 Jedes Sprechen über ein Kunstwerk ist automatisch ein Vergleichen mit anderen, damit ein in-Kontrast-setzen, damit ein Einordnen, damit ein Abgrenzen. Dies ist auch weder verwerflich noch weiter schlimm und kommt schließlich auch im akademischen Diskurs vor: Kein Literaturwissenschaftler hat absolut jedes Buch, das er begonnen, auch zu Ende gelesen. Und wenn das literarische Spektrum zwischen Henry James und E.L. James schwankt, und die musikalische Bandbreite von höchster Stelle (Adorno) zwischen U und E verortet wird, dann gibt es eben auch ein ‚anderes‘ Fernsehen. Dieses ‚andere‘ ist nicht zwangsläufig ein ‚besseres‘ Fernsehen, aber eines, das die Sehgewohnheiten (Erwartungen an das Medium) austestet und durchaus strapaziert, ästhetisch experimentell und innovativ erzählt, über die Mattscheibe hinaus reicht („Fernsehen 2.0“ und transmediales Erzählen) und nicht zuletzt eine Geschichte gut und stringent zu Ende erzählt. Die Entstehung dieses Buches wäre ohne eine beträchtliche Anzahl von Personen nicht möglich gewesen: Unser Dank für eine problemlose Zusammenarbeit gilt zunächst den Autorinnen und Autoren der Beiträge. Für die Covergestaltung, die Innentitel und die kurzfristige Gestaltung des Satzes sind wir (wieder einmal) Sönke Hahn zu größtem Dank verpflichtet. Und schließlich konnten wir uns auf die ideelle Hilfe und Unterstützung vieler Kolleginnen und Kollegen verlassen, die an verschiedenen Universitäten über Fernsehserien nachdenken, forschen und lehren — vor allem aber immer auf der Suche sind nach der nächsten Serie, süchtig nach dem nächsten ‚to be continued…‘.

40 Hans Robert Jauß nennt dies ja bekanntlich den „Erwartungshorizont“, der aber ausdrücklich widerlegt, übertroffen und enttäuscht werden kann („Horizontwandel“); vgl. Jauß: 169ff. und 177f.

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I. Theorien des anderen Fernsehens

Theorien des anderen Fernsehens

Dass es einer dringenden Reevaluation des Begriffs „Quality Television“ bedarf (der nun eben von Thompson ja in einer Zeit aufgegriffen wurde, als die Sopranos noch gut drei Jahre von ihrem erstmaligen Erscheinen auf der Mattscheibe der US-amerikanischen Fernsehlandschaft entfernt waren), ist sicherlich offenkundig und wird in Forschung und Kritik vehement eingefordert. Doch — und die Einleitung hat dies bereits einführend angerissen — wie löst man sich von der Krux einer qualitativ einschränkenden Herangehensweise, ohne (möglichst) selbst einen wertenden Kanon aufzubauen, und welche formalen Elemente, inhaltlichen Themen und theoretischen Ansätze wären dabei hilfreich? Fünf AutorInnen widmen sich in der ersten Sektion diesen skizzierten Fragen und setzen dabei sehr unterschiedliche Serien und Ansätze in den Mittelpunkt ihrer Beiträge. So nähert sich Judith Lehmann (Berlin) diesem Begriff wortwörtlich ‚von außen‘, nämlich von den televisionären Rändern kommend — vom serial frame her. Zu diesem die eigentliche Episode umschließenden paratextuellen Rahmen gehören unter anderem das Intro und das „previously on …“-Segment, ebenso aber auch am anderen Ende der Folge das Outro und die Vorschau („next week on …“). Ihr Ausgangspunkt ist dabei die US-amerikanische Serie Moonlighting (ihr deutscher Titel war Das Model und der Schnüffler), die zwischen 1985 und 1989 auf ABC ausgestrahlt wurde. Spannend sind nun die jeweiligen Formen und Funktionen dieses serial frame wie auch besondere paratextuelle Spielereien, Abweichungen und Verstöße von und gegen die Norm, wodurch die Serie ja wiederum metatextuell wird. In seinem Aufsatz versucht Martin Lampprecht (Aix-Marseille), sich dem Begriff des „Quality Television“ durch die Ansätze der (historischen) Cinephilie und einer (rezenten) Seriephilie zu nähern, sowohl durch einen theoriege-

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schichtlichen Vergleich der beiden Konzepte als auch mit einer empirischen Studie, die er unter Studierenden film- und medienwissenschaftlicher Studiengänge an einer französischen Universität durchführte und auswertete. Sönke Hahn (Weimar) greift einen Aspekt aus der Einleitung dezidiert auf: Das Ende einer Serie. Dieses ist sowohl im Unterschied zum (quasi abgeschlossenen) Film als auch innerhalb der verschiedenen seriellen Erzählformate zu betrachten: Das progressive Breaking Bad braucht ein anderes Finale als Battlestar Galactica oder The Wire, die beide auf ihre Art einen eher zyklischen Abschluss finden. Die Figur des Antihelden steht im Mittelpunkt bei Nora Hannah Kessler (Augsburg), und damit auch die Frage, wie (und warum) der Rezipient mit ganz offensichtlich ‚bösen‘, ‚gemeinen‘ und ‚skrupellosen‘ Protagonisten wie Dexter Morgan, Frank Underwood oder Walter White mitfiebert, oder zumindest wieder jede Woche einschaltet. Margaret Hass (Bergamo/Neu Delhi) blickt abschließend auf die Thematisierung eines gesellschaftlich hoch aktuellen Phänomens in ausgewählten Fernsehserien: In Formaten wie Girls, Mad Men oder Huge werden Körperbilder und Geschlechterverhältnisse am Beispiel des weiblichen Körpers verhandelt, meist in Abgrenzung zu (männlichen) Schönheitsvorstellungen.

An den Rändern der Serie und des Quality TV Judith Lehmann

„Good evening, I’m Orson Welles. Tonight, broadcasting takes a giant leap backward. In this age of living color and stereophonic sound, the television show Moonlighting is daring to be different, and shares with you a monochromatic, monophonic hour of entertainment. Approximately 12 minutes into this evening’s episode the picture on your television screen will change to black and white. Nothing is wrong with your set. I repeat, nothing is wrong with your set. Tonight’s episode is an experiment. One we hope you’ll enjoy, so gather the kids, the dog, Grandma, and lock them in another room. Then sit back and enjoy this very special episode of Moonlighting.“ (Moonlighting S2.04: 00:15 min.)

Am 15. Januar 1985 hat Orson Welles posthum seinen letzten öffentlichen „Auftritt“: Glenn Gordon Caron, Creator der ABC-Serie Moonlighting (1985– 1989, deutsch Das Model und der Schnüffler), hat ihn selbst für den Prolog zur später mit mehreren Auszeichnungen geehrten Episode „The Dream Sequence always Rings Twice“ (S2.04) gewinnen können, in deren Zentrum ein 40 Jahre alter Mordfall steht und die in Teilen mit original Schwarzweiß-Filmmaterial gedreht wurde (vgl. Caron, Thompson: 114).1 1

Welles‘ Prolog dient den folgenden Ausführungen zu den Rändern der Serie und des Quality TV als Stichwortgeber: Vom Wagnis ‚außergewöhnlich‘ zu sein, über den ‚gigantischen Rückschritt‘ in die 1980er Jahre bis zu ‚unserem Zeitalter‘ und die möglichen Zukünfte der TV-Serie.

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„Daring to be different“ — Qualität am Rand

Mit Moonlighting startet vor gut dreißig Jahren eine Serie, die — wie viele ihrer Nachfolger und einige ihrer Vorgänger — dies sein soll: „A quality show“, „risky“, „rule breaking“, „willing to take chances“, „an anomaly“, „something truly different in the medium“ (vgl. Thompson: 119 und 115). Dies einzulösen gelingt ihr über die Mischung der Genres Detektivserie und romantische Komödie, „exzellente“ Skripte, das zu ihrer Zeit höchste Serienbudget im PrimeTime-Sektor, den Fokus auf einen spezifischen visuellen Stil, den selbstreflexiven Humor und das an ‚Donquichotterie‘ grenzende Streben nach ‚Qualität‘ des Creators Glenn Gordon Caron (vgl. Horowitz; Thompson: 111–114). Diese Zuschreibungen kommen nicht von ungefähr insbesondere von jenem Fernsehtheoretiker, der selbst mit der Analyse dieser und anderer Serien der 1980erund 1990er-Jahre das Second Golden Age of Television ausgerufen und seine berühmten zwölf Qualitätskriterien aufgestellt hat. Um dem sich wandelnden Gegenstand Fernsehserie seit den 1980er-Jahren über die berüchtigten Nullerjahre bis zur Jetztzeit auf die Spur zu kommen, sind im Anschluss an Thompson Theoretisierungsversuche unternommen worden, die sich entweder bemühen, den Katalog der aufgestellten „Qualitätskriterien“ weiterzuentwickeln, oder versuchen, sich seiner zu entledigen und andere Wege der Beschreibung zu finden. Die Schwerpunkte sind unterschiedlich: Das spezifisch Serielle der TV-Serie (im Vergleich zu anderen, insbesondere literarischen Serien), neue Narrationsformen (episch, lyrisch), stilistische Besonderheiten (filmisch, „not TV“), neue Produktions- und Vertriebswege (DVD, online) und — damit zusammenhängend — veränderte Rezeptionsformen. Die folgenden Ausführungen können auf diese Arbeiten zurückgreifen und schlagen zugleich einen anderen Weg ein: Während bisherige Untersuchungen zumeist auf unterschiedlichen (direkten) Pfaden auf des neuen Serien-Pudels Kern und Zentrum aus sind, unternimmt der Beitrag eine Annäherung an (die) Serie(n) über den Rand, die Peripherie.2 Die hier vorgenommene Fokussierung auf den Rand ergibt sich aus der Struktur des Seriellen selbst: Denn die Serie ist per definitionem „kaputt“ — mit O’Sullivan „broken on purpose“ (O’Sullivan: 59). Der spezifischen Mehrteiligkeit und Zeitlichkeit der TV-Serie ist geschuldet, dass ihr Ganzes immer prekär und wandelbar ist, beschworen und zusammengehalten werden muss. Was den Blick auf den ‚Kitt‘ lenkt, der diesen Zusammenhalt leistet — die Ränder, die

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Ob sich diese Perspektive auch dafür eignet, einen Weg aus dem Qualitätsjargon zu finden, wird noch zu zeigen sein.

An den Rändern der Serie und des Quality TV

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die Serie erst zur Serie machen. Dies sind zum einen serielle Paratexte3 wie Titel, Vor- und Abspann, „previously on …“ und „next on …“, zum anderen innerdiegetische Ränder wie Vor- und Nachspiel, Pilot und Serienfinale. Die These hierzu lautet: Das serielle Ganze stellt sich nicht nur über „Kernelemente“ wie z.B. Figuren, Ort, Bild- und Filmsprache, sondern insbesondere über die genannten „Randelemente“ her. Sie erweisen sich als vermittelnde Übergangszonen — bei Genette „zone intermédiaire“ (Genette 2001: 10; Wirth: 171). Sie fungieren als Grenze und Naht zwischen der Serie und ihrem Kontext sowie zwischen Serienelementen. Sie operieren als Werbemittel und Aushängeschilder, empfehlen, kommentieren und bewerten ihr Produkt. Und sie bieten einem orientierungsbedürftigen Zuschauer Information und Rahmung und sorgen für Adressierung sowie als Schwellen4 für den Transit in die Diegese und wieder hinaus. Als Beiwerk dienen diese Elemente „ihrer“ Serie über gezielte Referenzen auf Inhalte, Stil, Genre usw. In ihren Charakteristika ähneln sie Randelementen anderer Medien wie Buch oder Film, sind zugleich aber immer TV-spezifisch, und sie verhalten sich — da wir es mit dem Gegenstand Fernsehserie zu tun haben — zu den Serialitätspolen Wiederholung und Differenz. Ausgehend von der Serie Moonlighting, die über die Aufnahme in Thompsons „Second Golden Age“ historisch selbst am „Rand“ und Beginn der neueren QTV-Debatte verortet ist, werden im Folgenden Charakteristika, Leistungen und Entwicklungslinien einiger ausgewählter Randelemente — Vorspann, Prolog und „previously on …“ — vorgestellt.5 Nach diesem Durchlauf, der kursorisch bleiben muss, schließe ich mit einer Einschätzung des Befunds in Richtung neuerer Entwicklungen der Quality Television Series sowie einem Vorschlag für die weitere Serienforschung.

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Der von Genette für das Buch geprägte und für den vorliegenden Gegenstand nicht unproblematische Paratext-Begriff (Genette 2001) wurde inzwischen in der Film- und Fernsehwissenschaft breit adaptiert; vgl. u.a. Kreimeier/Stanitzek, Gwóźdź und Nesselhauf/Schleich. Vgl. den Titel der Originalausgabe von Genettes Band „Paratexte“ (Genette 2001), „Seuils“. Zugleich wird die Serie Moonlighting über diese öffnenden paratextuellen Randelemente vorgestellt. Die schließenden Element-Pendants wie Abspann, Epilog und „next on …“ müssen in diesem Rahmen leider vernachlässigt werden.

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„A giant leap backward“ — Paratextuelle Ränder in Moonlighting

Wir nähern uns der ausgewählten Serie Moonlighting und damit dem Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen über den Serientitel, der gewissermaßen Voraussetzung jedes Redens über die Serie ist und hinreichend offen sein muss. Über eine zu Serienbeginn noch nicht absehbare Anzahl von Folgen und damit auch eine sich über diese lange Zeit vollziehende Entwicklung der Figuren und des Plots müssen Serientitel in der Lage sein, diese (potenziellen) Wandlungen mitzutragen. Zudem ist die dauerhafte Anwesenheit des Titels in allen Phasen der Produktion, Allokation und Rezeption sowie Speicherung für die (Fernseh-)Serie spezifisch: Fortlaufend auf ein dynamisches, in Entwicklung befindliches Produkt referierend, muss der Serientitel über die Qualität verfügen, etwas für alle seine Phasen und Erscheinungsorte zu ‚bieten‘, sei es zur Identifikation im medialen Umfeld oder zur Erfassung eines inhaltlichen Ganzen auch über siebzig, achtzig oder mehr als hundert Episoden hinweg. Was hat es mit dem Titel „Moonlighting“ auf sich? Zunächst verweist er auf die Detektivagentur „Blue Moon“, die örtliche Serienzentrale, die damit denselben Namen trägt wie das Haarshampoo, für das die Inhaberin der Agentur, Maddie Hayes (Cybill Shepherd), innerhalb der Serienfiktion „früher“ als Model geworben hatte. Warum also nicht „Blue Moon“ sondern „Moonlighting“? Sprachlich haben wir es hierbei der Verlaufsform des Verbs „to moonlight“ zu tun, welches sich aber nur in der Grundbedeutung auf die Sonnenlichtreflektion durch den Erdtrabanten bezieht. In übertragener Bedeutung meint „Moonlighting“ Schwarzarbeit (nach Feierabend), womit wir einigen Spezifika in der Referenz des Titels auf die Serieninhalte etwas näher kommen. Ihren Anfang nimmt die Serie nämlich damit, dass das ehemalige Model Maddie Hayes auch zur ehemalig wohlhabenden Frau wird, und dies durch die betrügerischen Machenschaften ihres Finanzverwalters. Gezwungen, die letzten ihr verbliebenen Habseligkeiten zu sichten und zu verkaufen, befasst sich Maddie Hayes auch mit ihrer bisher immer nur als Abschreibungsobjekt betriebenen Detektivagentur „Blue Moon“. Dass sie es wegen der nicht unerheblichen Anzahl an Mitarbeitern und der inständigen Bitten des ehemaligen Leiters und baldigen Partners David Addison (Bruce Willis) nicht über sich bringt, die Agentur zu verkaufen, ist Ausgangspunkt des gesamten weiteren Seriengeschehens. Zurück zur übertragenen Wortbedeutung von „Moonlighting“: Da die Mitarbeiter dieser Agentur bisher noch nie wirkliche Detektivarbeit übernommen haben, wird es die ganze Serie hindurch darum gehen, dass (endlich) wirklich gearbeitet werden muss, dass (ständig) genug Mandanten akquiriert werden müssen, um die Kosten, die die Agentur verursacht, zu decken. Wenn es sich

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hier somit zwar nicht um „Schwarzarbeit“ handelt, so sind die Betreiber und Mitarbeiter der Agentur doch selten mit ‚echter‘ Arbeit befasst, denn die Arbeits- und damit Fallbeschaffungsversuche sind auch im Verlauf der Serie oft nicht von Erfolg gekrönt, und so ist in der Blue Moon-Agentur nach wie vor sehr häufig schon während der Arbeitszeit „Feierabend“, wie die zahlreichen Episoden belegen, welche die Mitarbeiter in gelangweilter oder fröhlicher Tatenlosigkeit in den Agenturräumen zeigen. Und die ‚wirkliche‘ Arbeit, wenn denn mal welche anfällt, erledigt ohnehin in der Regel das Führungsduo Addison/Hayes, und dies dann auch zudem — passend zum Titel — meistens „nach Feierabend“. Diese gewöhnlich detektiv-typische Arbeitszeit ist dann auch der einzige versteckte Hinweis, den der Serientitel — ohne nähere Kenntnis der Serie als Ganze — auf das Genre gibt. ***

Der Mond ist nicht nur sprachlich Gegenstand des Serientitels „Moonlighting“, er prangt auch visuell in der ersten Vorspanneinstellung über der Skyline von Los Angeles am dämmrig-roten Horizont, während die silbrig-glänzenden Lettern des Serientitels von links und rechts als Typokinetogramm (vgl. Schaudig: 178) „einfliegen“ (Abb. 1). Main title, credits, générique, Intro — der Vorspann (zumeist in Einheit mit dem Abspann) trägt selbst viele Titel, die je einen anderen Fokus auf seine Form und seine Funktionen richten. Die Verbindung der obligatorischen „ökonomisch-rechtlichen Funktion“ der Creditierung aller an der Produktion Beteiligten mit der „ästhetischen Funktion“ des Anfangs (vgl. Stanitzek: 12) leistet der Vorspann über seine Form, die einerseits so heterogen wie das Medium (Serien-)Film selbst ist, andererseits gewissen Konventionen unterliegt. So treten die opening credits in der Regel als dimorphe Sequenz auf: Zunächst als von der Episode abgetrennter, über die gesamte Serie hinweg relativ konstanter Clip, dem ein zweiter, integrierter Teil folgt, welcher die Creditierung bezüglich der aktuellen Episode fortsetzt, während er bereits mit Bildern der beginnenden Episode durchsetzt ist (vgl. Schaefer: 84 und 87). Lokalisiert ist der Vorspann entweder am äußersten Anfang der Episode, d.h. er ist entweder das Allererste, was von ihr zu sehen ist, oder er befindet sich bereits

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‚innerhalb‘ des Serienfilms, indem ihm eine Vorsequenz vorausgeht (vgl. Lehmann: 77; Nesselhauf/Schleich: 27). Der Vorspann bietet mit Stanitzek „eine paradigmatische Lesart des folgenden Syntagmas“ (Stanitzek: 98), die je nach Vorspanntyp6 unterschiedliche Referenzen zur Serie etabliert. Beim Moonlighting-Vorspann handelt es sich um einen zum Ausstrahlungszeitpunkt dominierenden und für viele Serien noch immer zu konstatierenden Vorspanntyp: In Anlehnung an Prologe im frühen Film stellt er das „Posing“ der Hauptfiguren in den Mittelpunkt. Nach der Einblendung des Titels vor der Skyline von Los Angeles werden die Credits der wichtigsten Schauspieler mit Bildern zu deren Rollen sowie Aufnahmen aus dem nächtlichen städtischen Raum der 1980er-Jahre-Seriengegenwart hinterlegt, denen sich die Kamera jeweils in einem langsamen Zoom nähert. In seiner Machart ist der MoonlightingVorspann damit weitgehend konventionell und bleibt über den gesamten Fortgang der Serie hinweg nahezu unverändert.7 Zusammenfassend referiert er auf die wichtigsten Figuren und den nächtlichen Serienort als Szenerie des Seriengeschehens. Was der Moonlighting-Vorspann u.a. nicht zu transportieren vermag, sind zum einen die typischen dialogischen „Schlachten“ der Hauptfiguren, zum anderen die dezidiert selbstreferentielle Anlage der Serie. Eine der wenigen Ausnahmen bildet der Vorspann der Episode „Those Lips, those Lies“ (S5.08), der verdeutlicht, wie die Serie — in einer für das Serien-Ganze typischen Form — selbstreferentiell die Funktionsweise ihres Serienvorspanns reflektiert und untergräbt. Der gleichnamige musikalische main title „Moonlighting“ ist der Ausgangspunkt der hier präsentierten Abweichung vom Vorspannritual.8 Er geht auf Lee Holdridge (Musik) und Al Jarreau (Text und Gesang) zurück und prägt als Erkennungsmerkmal Vor- und Abspann (fast) der gesamten Serie sowie innerepisodische Teilsequenzen. „Those Lips, those Lies“ beginnt mit der dem Rezipienten inzwischen wohlbekannten Melodie, aber etwas fehlt: Die vocals. Als ob nicht nur der Zuschauer diese Abwesenheit bemerken würde, bricht der Vorspann plötzlich ab, aus dem Off ist „Hold it, hold it!“ (S5.08: 00:10 min.)

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Landau hat sich an einer ersten Typologisierung versucht (Landau 2013), während Buhse die Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens grundsätzlich anzweifelt (vgl. Buhse: 121f.). Im Serienverlauf erfährt der Vorspann Variationen über den Austausch von nächtlichen Bildern der Stadt Los Angeles und der Hauptfiguren Maddie Hayes und David Addison sowie der bis zur dritten Staffel als einzige Nebenfigur aufgenommenen Agnes DiPesto. Nur eine weitere Nebenfigur wird ab der vierten Staffel im Vorspann hinzugefügt, Bert Viola, der mit Agnes das „Buffo-Paar“ der Serie bildet. Eine weitere Abweichung bietet die Folge „Atomic Shakespeare“ (S3.07), in der dem ersten Vorspann ein zweiter hinzugefügt wird, welcher die Binnenerzählung einläutet.

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zu hören. David Addison — als Figur, nicht als Schauspieler Bruce Willis9 — tritt aus der Agenturtür, hinter der sich statt des dem Zuschauer bekannten Flurs ein Raum mit diversen Musikern und Instrumenten eröffnet. DAVID Where’s Al? Where is he? Has anybody seen Al Jarreau? MADDIE [ihm folgend] David? Come on, we are ready to start the show. DAVID We cannot start the show without the theme music, and Al Jarreau is not here. MADDIE Really? […] That’s not like Al. Wait a minute, wait a minute. Did someone tell Al about the move to Sunday night? (S5.08: 00:10 min.)

Die ab dieser Episode veränderte Ausstrahlungszeit am Sonntagabend, von der der Interpret nichts ‚wusste‘, ist ‚offensichtlich‘ der Grund für seine Abwesenheit. Ohne eine — in ironischer Wendung auf die Fernsehbranche ‚live‘ eingesungene — Titelmelodie jedoch „kann“ die Show nicht beginnen, und so versuchen sich zunächst die beiden Hauptfiguren an einer eigenen Interpretation. Aber nur Mitarbeiter Bert Viola ist talentiert genug, dass er Al Jarreau originalgetreu imitieren kann. Mit der so zurückgewonnenen Vollständigkeit der Titelsequenz kann die Episode endlich starten.

Abb. 1: Filmstill aus dem Vorspann (S3.11: 00:04 min.); Abb. 2: Prolog (S2.01: 00:11 min.)

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Andere Szenen der Serie — v.a. Prologe und Epiloge — spielen dezidiert mit der Diffusion von Schauspieler und Rolle.

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Enthalten mit Paech „paratextuelle An/Ordnungen“ immer ein „reflexives Moment“ über die spezifische Funktion von Paratexten, dass sie „auf ihren Bezugstext verweisen, ihn erweitern, kommentieren, indem sie ihn medial reflektieren“ (vgl. Paech: 221), so zeigt hier umgekehrt die Serie Moonlighting das Funktionieren des Paratextes ‚Serien-Vorspann‘ über ihre dezidiert selbstreflexive Anlage. Und ist der Moonlighting-Vorspann auch grundsätzlich nicht autoreferentiell organisiert im Sinne eines Ausstellens seiner Gemachtheit als Titelsequenz bzw. eines Spiels mit den Möglichkeiten, die der Vorspann als serienfilmische Einheit allgemein bietet, so gelingt diese autoreferentielle Besonderung in der Serie über den seltenen Ausbruch aus der Vorspannkonvention, die Kontinuität, nicht Variation heißt. Der Serien-Vorspann ist — gemeinsam mit dem Titel — der Konstanzgarant in der Reihe der hier kurz vorgestellten Paratexte. *** Ganz anders verhält es sich mit einem anderen Element: Punktuell und fakultativ ist der „Prolog“, der dem Vorspann vorgeschaltet ist (Abb. 2). Sein Einsatz innerhalb von Moonlighting sucht in der Serienlandschaft seinesgleichen. Sie schauen uns an (direkt). Sie begrüßen uns zu einer neuen Staffel — schön, dass auch Kathy, Arnold, Don und Nancy wieder dabei sind — und singen und tanzen gemeinsam mit dem ganzen Produktionsteam eine „Another Season“-Revue. Sie freuen sich über 16 Emmy-Nominierungen (bekommen aber nur einen), sind besorgt über schwindende Zuschauerzahlen und fordern uns zwecks Beförderung der Quoten auf, per Applaus über die Inhalte der nächsten Staffel abzustimmen — mehr erotische Szenen oder mehr gesellschaftlich relevante Themen? (Der Sex gewinnt.) Sie informieren uns über technische Neuerungen, die die folgende Episode bestimmen, oder lassen die komplizierten Experimente, auf die wir uns einstellen sollten, von Experten (wie Orson Welles, s.o.) erläutern. Innerhalb der Serie Moonlighting wird insgesamt zwölf Episoden ein solches Element vorgeschaltet, das ich im Anschluss an literaturund filmtheoretische Konzepte als „Prolog“ bezeichne.10

10 Wie Titel und Vorspann ist der Prolog zum „Beiwerk“ des Serientextes zu zählen und wird hier in Analogie zu Genettes „Vorwort“ sowie in Anlehnung an den Prolog im frühen Film definiert (vgl. Hediger; Genette 2001: 157–280). Sowohl in der Literaturwissenschaft als auch in der Film- und Fernsehwissenschaft werden allerdings v.a. die Termini „Prolog“ und „Vorspiel“ — auch cold open oder Teaser — zum Teil synonym verwendet (vgl. u.a. Duncan: 378; Genette 2001: 162). Im Gegensatz zum Prolog zählt das Vorspiel gemäß der hier gewählten Definition zu den textuellen Randelementen, da es über eine handlungslogische Verknüpfung mit der

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Der Prolog trennt sich vom Serientext, indem er in Ort, Zeit, Handlung und Form außerhalb der Serienwelt lokalisiert ist, die Rezipienten direkt adressiert, seinen Bezugstext, sich selbst und seine Funktionalität (implizit und) explizit zum Gegenstand macht. Als Paratext erfüllt der Serien-Prolog die Funktionen, seinen Serienfilm zu präsentieren, über ihn zu informieren, ihn zu kommentieren und seine Gemachtheit auszustellen. Prologe putzen sich und ihren Text heraus und könnten kaum stärker auf sich selbst als etwas Besonderes verweisen. Kein anderes Randelement verkauft sich und seine Botschaft so explizit und eindringlich. Als nur punktuell auftretende Elemente ist ihr Erscheinen zudem immer an einen konkreten Anlass gebunden. In Moonlighting sind es (vorgeblich) fehlende Episodenminuten, die es auszugleichen, oder eintreffende Leserbriefe, die es zu beantworten gilt. Stilistische respektive inhaltliche Spezifika der aktuellen Episode(n) müssen erläutert und kommentiert werden oder es stehen außerordentliche Ereignisse wie ein Autorenstreik an. Und nicht nur wenn das Publikum explizit aufgefordert wird, sich per Applaus Gehör zu verschaffen, ist klar, dass der Rezipient derjenige ist, auf den all diese Prologe vornehmlich referieren. Zu ihm gilt es den Kontakt aufzubauen und ihn „ausdrücklich in eine kommunikative Situation einzubinden“ (Vinçon: 70). Die direkten Adressierungen des Zuschauers — die Blicke in die Kamera, aber auch die Einweisung über Schrifttafeln und voice over — machen den Prolog zum „Phatischsten“, was die TV-Serie an Randelementen zu bieten hat. Schon der literarische oder theatrale Prolog versucht „entweder eine eindimensionale Kommunikationssituation herzustellen […], indem er den einsamen Leser anspricht, oder eine interaktive Kommunikation zwischen sich und seinem versammelten Publikum und, im Fall einer Theateraufführung, auch zwischen sich und dem Ensemble auf der Bühne zumindest einzuleiten“ (ebd.). Für das Massenmedium Fernsehen lässt sich diese Form der Kommunikation mit Horton und Wohl überdies als „parasoziale Interaktion“ beschreiben, da hier die Illusion einer face-to-face-Beziehung zwischen Zuschauer und „Darsteller“ (performer) erzeugt wird. „Prologues […] are full of din and commotion“ (Knapp: 133) und erzeugen auch in Moonlighting Aufmerken und Aufruhr. Sie sind von daher schwerlich zu übersehen oder zu überspulen, bzw. zu überlesen oder zu überschlagen. Ihre Zielsetzung, „wenigstens vorübergehend eine stabile, ktiv oder real intendierte kommunikative Situation zu erzeugen“ (Vinçon: 70), erreichen sie nicht zuletzt über ihre „Lebendigkeit“ und kommunikative Dynamik:

Serienerzählung — genauer: Der folgenden Episode — verfügt und die gleichen inszenatorischen Mittel wie der Serientext selbst verwendet.

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| Judith Lehmann The most marked characteristic of prologues […] is their liveliness and vitality. […] The vivacity of the prologues springs from the close relationship of the speaker to the audience. (Knapp: 132)

Ihre Anbindung an die Rezeptionserfahrungen des Zuschauers ermöglicht eine Verlängerung der Serie in den Alltag der Zuschauer — aber dieser Eindruck bleibt notwendigerweise flüchtig, da an den einzelnen Prologanlass gebunden. Aus ihrer Beschaffenheit und ihrem Funktionsspektrum folgt, dass Prologe im seriellen Umfeld ein starkes Mittel zur Differenzerzeugung darstellen und sich in dieser Hinsicht gegenüber wiederholungsbetonten Randelementen wie etwa dem Vorspann und dem immer wieder repetierten Serientitel positionieren.11 Durch die Fakultativität dieser Paratextelemente — im Gegensatz zur Obligatorik beispielsweise des Titels — wird diese Differenzerzeugung und damit ihre gezielte Positionierung innerhalb der Serie ermöglicht, ob aus extratextuellem Anlass oder an intratextuellen Nahtstellen. *** Wie eingangs definiert, bilden Lücken und Pausen ein grundlegendes Charakteristikum von TV-Serien und damit auch ihrer Rezeption: Unterbrechungen zwischen Episoden bzw. Folgen oder auch Staffeln und das damit verbundene (un)geduldige Warten gehören selbst im Jahre 2015, in dem der durch DVDund On-demand-Angebote fortschreitende Rezeptionswandel bereits umfassende Auswirkungen auf allen Ebenen des Serienprodukts zeitigt, (noch) zum Seriensehen dazu. Für die Zuschauer von Moonlighting, die in den späten 1980erJahren die Serie verfolgen, hat die Erwartung einer neuen Episode noch eine besondere Konnotation: Aufgrund von Skriptlängen, die die einer normalen einstündigen Serie verdoppeln (vgl. Horowitz), der Überarbeitungsmanie des Creators und Showrunners Caron12 und bedingt durch häufige Ausfälle der beiden Hauptprotagonisten hatte die Serie spätestens seit der dritten Staffel mit Verschiebungen und Verspätungen zu kämpfen. Im Frühjahr 1987 wurde der Sendeplatz einmal zu oft mit dem Füllwerk alter Episoden gestopft, und so drohte der Serie die Ungunst des Publikums. Um diesen zu befürchtenden Schaden von der Serie abzuwenden, tritt am Ende der dritten Staffel von Moonlighting ein Experte an, der die entstandenen Pausen explizit thematisiert:

11 Analog verfahren singuläre Vorspiele und Episodentitel, die allerdings zu ihrer Generierung gleichfalls Schemata ihrer Serie aktualisieren und somit das Repetitive ebenso in sich tragen. 12 „Material was often written, rewritten, and filmed in one day.“ (Thompson: 119)

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Hi, I’m Jeff Jarvis, TV-Critic for People Magazine. Like many of you I was disappointed, no, make that fed up, no, on third thought make that enraged with Moonlighting: reruns, reruns, reruns, nothing but reruns. I mean, without Moonlighting, what was there to do on Tuesday nights. Watch the home shopping network? Start a family? Read? Well, the crisis is over, Moonlighting’s back. Last week at long last, they gave us a fresh episode. And tonight they’re giving us one, that’s even fresher. But there’s a catch, a hitch, a cruel trick. If you didn’t watch last week’s show, and you probably didn’t bother ’cause you figured it’s just another rerun, then you won’t know what the hell’s happening on tonight’s show. But fear not, don’t sweat. I have right here a tape of last week’s episode, and I’ll show you all the good parts. It won’t take long. (S3.12: 00:00–00:42 min.)

„Das was gut war“ (so die deutsche Synchronisation) präsentiert Jarvis im Anschluss an dieses Vorwort in Form eines Recap (vgl. S3.12: 00:42–03:45 min.), also einer kurzen Zusammenfassung der Handlungsstränge vorangegangener Episoden, die in der folgenden wieder aufgenommen werden. Das vor dem Vorspiel der aktuellen Folge lokalisierte „previously on …“-Element als Montage (oft lange zurückliegender) vorangegangener Szenen bringt den Zuschauer „up-to-date in storylines that affect the current episode“ (Duncan: 200) und hilft ihm „to ‚catch up‘ on the broader story arcs“ (Hammond: 188). Dass eine Rekapitulation der bisherigen Ereignisse an dieser Stelle von Moonlighting überhaupt notwendig ist, liegt an der Wandlung der Serie von der series- zur serialOrientierung. Darin besteht der „Haken“, der „Trick“, die „Fußangel“ der aktuellen Episode, auf die Jarvis referiert. Gehört die Serie Moonlighting auch ab initio zu denjenigen Hybriden, die die beiden Extremformen seriellen Erzählens — fortlaufende versus abgeschlossene Folgenhandlung — mischen, so verlagert sich zu diesem Serienzeitpunkt der bisherige Schwerpunkt von der Episoden- hin zur Fortsetzungsserie. Lag bisher der Fokus auf dem je Episode zu lösenden Detektivfall, der gerahmt wurde vom Geplänkel der Haupt- und Nebenfiguren, geraten ab hier die Fälle zur Kulisse der sich zuspitzenden „amour fou“ zwischen David Addison und Maddie Hayes. Deren Entwicklung gewinnt erstmalig in einer Quadriga von der elften bis zur vierzehnten Episode der dritten Staffel eine derart zentrale Bedeutung, dass das Verpassen des Vorangegangenen das Verständnis des Folgenden maßgeblich beeinträchtigen würde. Doch Moonlighting begnügt sich nicht mit einem einfachen „previously on…“, eingeleitet üblicherweise durch das voice over einer zentralen Serienfigur. Soll die gefährdete Kontinuität zunächst über das durch den Fernsehkritiker

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kommentierte Recap wiederhergestellt werden, so ist die nächste Folge der Quadriga eingebettet in eine fiktive Zuschauerbefragung.13 Das Recap zur darauffolgenden und letzten Folge der Viererreihe präsentiert sich in Bildern, Klängen sowie unterlegt mit dem voice over eines Nachrichtensprechers als typische american newsreel des letzten Jahrhunderts.14 Jedes der drei Recaps zeigt zentrale Szenen aus den vorherigen Folgen der Viererreihe und ist durchsetzt durch den je spezifischen Kommentar des gewählten Rahmens: Die „Ansage“ liefert Kontinuisierung und Rahmung über den (semiseriösen) FernsehExperten. Die (fiktiven) Zuschauer geben als scheinbar authentische Serienkonsumenten die „praktischen Kenner“ des Gegenstandes und die „Movitone News“ schließen das Recap an aktuelle Ereignisse an und sorgen über Gossip aus dem Serienproduktionsumfeld für zusätzliche Unterhaltung des durch das lange Warten gebeutelten Publikums. *** Noch hat die jeweilige Folge nicht angefangen und doch haben wir schon viel erfahren über die Serie Moonlighting, über ihre Stellung im Programm von ABC, über einen temporären Strukturwechsel von der series zur serial am Ende der dritten Staffel und über ihren cinematographischen Stil. Aus der dezidiert selbstreferentiellen Anlage der Serie resultiert, dass Moonlighting den Vorspann selbst seziert, über vielfältige Prologe sich und das serielle Umfeld kommentiert und es nicht beim üblichen einfachen voice over zur „Ansage“ des Recaps belässt.

13 „Did you watch Moonlighting last week?“ Die einen befragten Passanten können sich nicht erinnern, andere hatten am Freitag Abend Besseres zu tun. Weitere kommentieren sachlich die Serienentwicklung, etwa, dass ein neuer Protagonist (Mark Harmon) im Spiel ist, oder sie machen sich Sorgen um „Bruce“ bzw. geben an, dass ihnen die Liebesszenen besonders gut gefallen haben (vgl. S3.13: 00:00–04:03 min.). 14 Das Warten auf eine neue Episode ist abermals Thema der einführenden Rahmung, und obwohl dies weder zum ersten noch zum letzten Mal der Fall ist, wird dieser Umstand als Neuigkeit präsentiert. Die Ursache des diesmal dreiwöchigen Verzugs — Unfall bzw. Schwangerschaft der Hauptdarsteller — ist eine weitere Meldung wert, und sensationell nehmen sich die Reaktionen von Produzenten und Zuschauern aus: Das Fehlen der Schauspieler und damit von ausstrahlungsfähigem Material veranlasst zu selbstzerstörerischen Taten seitens der „ABC-Angehörigen“, waghalsigen Zeitvertreiben seitens der gelangweilten „Zuschauerschaft“ und frenetischem Jubel bei Verkündigung der guten Nachricht der fertig gestellten neuen Episode. Ohne Erinnern der vorangegangenen ist das Verständnis der folgenden Serieneinheit Moonlighting allerdings nicht gesichert und so bündelt der Wochenschau„Reporter“ selbst die Geschehnisse der drei vorangegangenen im notwendigen Recap (vgl. S3.14: 00:00–05:49 min.).

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Dieses Vorgehen der Serie lässt sich mit Caldwell einer fernsehgeschichtlichen Strömung zurechnen, die er mit „Televisuality“ benennt. Ab den 1980erJahren entwickelt sich das Fernsehen von einem System, das Fernsehen vorrangig als eine auf das Wort gestützte Ausdrucksweise und Übertragung behandelte, […] zu einer an Visualität orientierten Mythologie, Struktur und Ästhetik, die auf einer extremen Selbstreflexion des Stils gründete (Caldwell: 165).

Diese Transformation des Fernsehens spielt sich auf allen Ebenen der Produktion, Rezeption und Allokation ab, wie der Technik, des Programms und auch der Zuschauererwartungen, und hat mit Caldwell auch für das Serienprodukt Moonlighting einen „stilistischen Exhibitionismus“ zur Folge, der sich unter anderem im ironischen und reflektierenden Spiel mit zahlreichen visuellen Stilen zeigt: „Das Publikum erwartete regelrecht die Stilreferenzen und erhielt sie auch in den vielfältig dargebotenen Masken, die Das Model und der Schnüffler annahm. Die Serie machte auf Film Noir; auf MTV; auf Orson Welles/Greg Tolands Tiefenschärfe; auf Capras Screwball-Komödie.“ (Ebd.: 197) Das von Caldwell als „prahlerischer Exzess“ beschriebene Vorgehen der „Manipulation piktorialer Zeichensysteme, ob nun der Filmgeschichte oder der Popkultur“ (ebd.: 200), dient dabei nicht einem „postmodernistischen“ freien Spiel, sondern hat das ernste Ziel, Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit im sich verändernden Fernsehmarkt der 1980er-Jahre herzustellen. Und dies eben auch und gerade über die vorgestellten Ränder.

„In this age“ — Ausreizen, Transformation und Verschwinden serieller Ränder

Wie haben sich Vorspann, Prolog und „previously on…“ in der Serienlandschaft vom „second golden age“ (Thompson) über die Nullerjahre bis zum Status quo entwickelt? Wie verhalten sie sich zu den von Thompson aufgestellten und vielfach fruchtbar gemachten Qualitätskriterien?15 Erweist sich das

15 Und macht auch die Erfüllung einer Kriterienliste noch keine gute Serie (vgl. Morsch 2010; Hill 2013), so dienen diese Kriterien doch zu allererst als analytisches Raster, um dem mal enger mal weiter definierten Gegenstand, für den wir uns interessieren, auf die Spur zu kommen. Es überrascht daher nicht, dass neben denjenigen Positionen, die das Kriterienangebot erst mal annehmen und versuchen, für neuere Entwicklungen fruchtbar zu machen (vgl. u.a. Blanchet), solche stehen, die es zunächst ablehnen (vgl. u.a. Rothemund), um es dann doch wieder aufzugreifen.

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„Beiwerk“ seinerseits als Distinktionsmasse im Quality TV-Zirkus16 oder geben die Randelemente eigene, neue Aufschlüsse? Hierzu einige Schlaglichter. Der Moonlighting-Vorspann zeigt eine der konventionellsten Macharten dieses Randelements. Und ist dieser Vorspanntyp auch heute noch anzutreffen17, so hat seit den 1980er-Jahren doch eine immense Entwicklung stattgefunden, die den Fernsehserienvorspann zum einen an die großen Kino-Vorbilder anschließt und die entsprechenden Serien als ‚nicht gewöhnliches Fernsehen‘ (vgl. Blanchet: 44), zum anderen als typisch fernsehserielle Elemente markiert. So hat sich eine Vorspann-Vielzahl von den X-Files (1993–2002), über Six Feet Under (2001–2005), Dexter (2006–2013) und Mad Men (2007–2015) bis zu Game of Thrones (seit 2011) und True Detective (seit 2014) als eigene „cinematische“ Sequenz etabliert, die von Kritikern gelobt und deren eigene Autoren und Regisseure als Vorspann-„Künstler“ mit Preisen wie dem „Primetime Emmy Award for Outstanding Main Title Design“18 geehrt werden. Die Vorspanne sind zudem komplexer geworden: Sie reizen ihre medialen Möglichkeiten aus, indem sie z.B. im Vorspann von Huff (2004–2006) und Homeland (seit 2011) das lange im Vorspann-Umfeld gegenüber Filmbild und Musik unterrepräsentierte gesprochene Wort einbeziehen. Die Gegenbewegung zum Ausreizen der Vorspannoptionen ist die massive Verkürzungstendenz einer anderen VorspannVielzahl, die von vorneherein oder mit fortschreitendem Serienverlauf ihren main title auf ein Titel-Signet19 reduziert. Mit dieser Variante ist interessanterweise eine weitere Entwicklung verknüpft, die sich als Ausbau fernsehserieller Besonderheiten verstehen lässt. Referiert der cinematische Vorspann20, der sich zudem durch große Konstanz im Serien- oder zumindest Staffel-Verlauf aus16 Der Begriff des Quality TV darf und sollte aus verschiedenen Gründen und Richtungen durchaus problematisiert werden. Doch schon wenige Einschränkungen nehmen der Problematisierung ihre Schärfe. So wird schon seit den 1990er Jahren postuliert, dass sich der Begriff seiner Definition entzieht: „Yet even today, no one can say exactly what ‚quality television‘ means.“ (Thompson 1996: 12) Und trotzdem oder auch gerade wegen dieser definitorischen Unschärfe bleibt „Quality Television Series“ als Hilfsbegriff nützlich: Für den mit ihm neu entstandenen und sich stetig selbst kommentierenden Diskurs (vgl. u.a. Jahn-Sudmann/Kelleter: 205) und für einen immer noch nicht zu Ende erforschten Gegenstand. 17 Vgl. z.B. die Serie Bones (seit 2005). 18 Ob bei aller Vorspannopulenz angesichts veränderter Rezeptionsweisen („binge watching“) der Vorspann von der Mehrzahl der Zuschauer/innen jedoch überhaupt geschaut wird, bleibt fraglich. Die inzwischen weitgehende Aufnahme in das Repertoire der DVD-Boxen und die hohe Online-Verfügbarkeit eröffnen aber zumindest die Möglichkeit. 19 Bei Landau „Short Intro“ (Landau: 37), bei Buhse „Kurzsequenz“ respektive „Titelkarte“ (Buhse: 72). 20 Bei Landau „Ästhetisches Intro“ (Landau: 34f.).

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zeichnet, vornehmlich auf das „Ganze“ der Serie, so beziehen einige TitelSignets die sich anschließende Episodenhandlung dezidiert ein.21 Sei es zur punktuellen Hervorhebung einer besonderen Episode: So verfahren beispielsweise die Vorspanne zu den Serienepisoden von House (S3.15), Grey’s Anatomy (S11.15) und The Good Wife (S6.18), um eine Musikfolge, ein Erdbeben oder auch die Auswirkungen geleakter E-Mails auf das Kanzleileben anzuzeigen. Oder sei es in steter Variation von Gestaltung und Umfeld des Titelschriftzugs, über die Kurzvorspanne auf Inhalte der folgenden Episode vorgreifen: Wie in der sechsten Staffel von Weeds (2005–2012) — ohnehin ein beredtes Serienbeispiel der Vorspann-Variationskunst.22 Im Gegensatz zum Vorspann, der mitnichten mehr „gemieden und geschnitten“ wird (vgl. Mengel), ist der Prolog selten geworden in der gegenwärtigen Serienlandschaft.23 „Written to meet a practical demand“ (Knapp: 132), gehört zur Leistung des Prologs auch sein Schauwert und Spektakelcharakter. Er ist „nicht nur Schwelle, sondern auch Verstärker des [Serien-]Films“ (vgl. Hediger: 75) und steht in den 1980er-Jahren insbesondere für die Innovationskraft des Senders ABC im Sinne einer Produktdifferenzierung im Serienmarkt. Für diesen Dienst an der eigenen Serie springen inzwischen andere Elemente ein — wie z.B. Trailer. Ähnlich verhält es sich mit einem essentiellen Charakteristikum des Prologs: Er steht für Transgression, das wiederholte Durchbrechen der „vierten Wand“, die jene „Unruhe [erzeugt], die Borges so richtig benannt hat: ‚Solche Spiegelungen legen die Vermutung nahe, dass sofern die Figuren einer Fiktion auch Leser und Zuschauer sein können, wir, ihre Leser und Zuschauer, fiktiv sein können.‘“ (Genette 1998: 169) Die diese Weltenvermischung erzeugende Metalepse wird von neueren Serien auf anderen Ebenen aktualisiert, etwa über das transgressive voice over des Serienerzählers, z.B. in Dexter oder Veronica Mars (2004–2007), die direkte Adressierung des Zuschauers durch Frank Underwood in House of Cards (seit 2013) oder die transmediale Behand-

21 Dieser Einbezug der Episodenhandlung erfolgt beispielsweise über den Vorgriff auf Orte, Themen oder Gegenstände, die im Folgenden eine Rolle spielen werden, und damit über die Credits der Episodenschaffenden hinaus, die i.d.R. in jeder Titelsequenz enthalten sind. 22 In Weeds wechselt die Vorspannsequenz mehrfach: In der ersten Staffel wird das dichte, ca. 40 sekündige Intro durch den musikalischen main title „Little Boxes“ von Melvina Reynolds bestimmt, in der zweiten und dritten Staffel wechseln die Interpreten. In den Staffeln vier bis sieben wird ein immer neues Titel-Signet bzw. eine Kurzsequenz eingesetzt, welche oftmals auf die kommende Episode rekurriert. Der Vorspann zur achten Staffel fasst die gesamte Serienhistorie in einem ‚grafischen Protokoll‘ zusammen, erneut unterlegt mit Variationen auf „Little Boxes“. 23 Eine Ausnahme bietet beispielsweise die Mini-Serie The Spoils of Babylon (2014).

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lung des unmöglichen Serien-Tods des Sherlock Holmes (2010) in den BBCNews, und sie postulieren ihrerseits die potenzielle „Gleichrangingkeit von Illusion und Wirklichkeit“ (vgl. Türschmann: 108).24 Thematisiert keines der hier verhandelten Randelemente seine selbstreferentielle und transgressive Anlage so wie der Serien-Prolog, so rekurriert kein anderes so offensichtlich auf die der Serienerzählung traditionell inhärente Pause und das Serien-Gedächtnis wie das Recap. Beim „previously on …“ geht es um die Überbrückung und Überwindung der Lücke, die zwischen zwei Serienfolgen klafft. War das Recap in Moonlighting eine Ausnahme im ansonsten eher episodenbetonten Serienverlauf, so scheint die einleitende Rekapitulation des Vorangegangenen den gegenwärtigen Produzenten und Vertreibern von Produkten fortgesetzten Erzählens ein unverzichtbares Element zu sein. Diese „sich erinnernde“ Sequenz (vgl. Lavery; Mittel 2010) ist zugleich „Wiederholungsinstanz“ wie „Vergegenwärtigungsinstanz“ (vgl. Hickethier: 38 und 43f.) und keineswegs neutraler Informationslieferant. Das bloße Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein dieses seriellen Randelements gibt Auskunft über den Allokationskontext — etwa wenn die Recaps zur Serie House of Cards im Kontext der internationalen Vermarktung mitgeliefert werden und im Ausstrahlungskontext von Netflix nicht (vgl. Hahn: 20). Die Platzierung einer ausführlicheren Variante am Anfang oder am Ende einer Staffel führen zu einer eigenen Rhythmisierung der Serie. Und inhaltlich verweisen einige „previously on …“-Elemente auch mit ggf. unerwünschten Vorgriffen auf das in der Episode zu Erwartende (spoiler) oder führen den Zuschauer mit „previous lies“ in die Irre25, statt Anschluss zu bieten, und sind so ihrerseits Ausweis der um sich greifenden narrativen Komplexität (vgl. Mittell 2006) und des (unzuverlässigen) Gedächtnises gegenwärtiger Fernsehserien. Zusammenfassend zeigen diese Randelemente erstens Entwicklungstendenzen, die mit denen von Figuren, Themen, Bildsprache, Genre, Dauer etc. korrespondieren, zweitens solche, die den je eigenen Beschaffenheiten des Serienrandelements und drittens der Medienentwicklung geschuldet sind. Sie folgen den ubiquitären Formalisierungstendenzen der Quality Television Series, etwa in 24 Morsch weist dagegen das narrative Verfahren der Metalepse allgemein „als eine grundlegende Figur des Seriellen und des Fernsehens“ (Morsch 2012: 152) aus. 25 Zum einen werden durchgängig Ursprungsszenen oft unter Informationsverlust geschnitten und mit Tonspuren anderer Szenen unterlegt. Zum anderen werden vereinzelt Rückgriffe zur bewusst unzuverlässigen Informationsvergabe verwendet, etwa in der Serie Dexter (z.B. S4.09). Darüber hinaus verfährt die Serie Arrested Development (2003–2006, seit 2013) spielerisch mit dem Recap, wenn in einem „previously on Arrested Development Szenen enthalten sind, die zuvor noch nicht zu sehen waren.

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Form von Selbstüberbietungen, erweisen sich als Distinktionsmasse, etwa wenn sie die „institutionelle Selbstpositionierung“ stützen und „dasselbe Versprechen von ‚non broadcast-type-edginess‘ […] transportier[en], das man von einschlägigen HBO-Serien kennt“ (Jahn-Sudmann/Kelleter: 218). Doch zugleich zeigen sie produktive Abwege von der QTV-Spur und dies v.a. an den Rändern des Qualitätsfernsehens, an denen beispielsweise Serien wie Tell Me You Love Me (2007) das Beiwerk suspendieren und so auf der Ebene der seriellen Schwellen, Grenzen und Ränder die kanonische Zutatenliste herausfordern.

„Nothing is wrong with your set“ — Entwicklungen des Quality TV

Was sind mögliche Zukünfte der Quality Television Series? Vom Rand des Gegenstandsbereichs aus betrachtet sehe ich momentan drei sich ergänzende bzw. überlagernde Entwicklungstendenzen: Erstens ist eine Gegenbewegung im Gange zur vielfach konstatierten dekadenten Überbietung und Opulenz, der u.a. über „breasts per minute“, Orgien der körperlichen und der Bildgewalt, Cast-Explosionen und Riesennarrative Ausdruck verliehen wird. Die Prognose lautet: Reduktion. Auf vielen Ebenen wird zurückgefahren, wir sehen Kammerspiel statt großes Kino, wenn z.B. schon in In Treatment (2008–2010) und — aktueller — in Orange is the New Black (seit 2013) der Spielort radikal reduziert oder auf das Beiwerk à la Dogma weitgehend verzichtet wird. Diese Bewegung lässt sich an die medialen Entwicklungen und geänderten Rezeptionsbedingungen am kleinen (Smartphone-)Bildschirm anbinden und widersetzt sich den gegenwärtigen Überbietungsszenarien (vgl. Jahn-Sudmann/Kelleter 2012).26 Zweitens ist — z.T. verbunden mit der Reduktionsbewegung — momentan eine Wiederkehr des Episodischen festzustellen. Die Episodenserie mag zwar fernsehgeschichtlich in der Krise stecken (vgl. Ruchatz), im nahen, aber anderen medialen Umfeld Internet beginnt jedoch bereits die Überwindung jener Flaute, wenn Web-Series wie High Maintenance (seit 2012) — im Übrigen vom Six-Feet-Under-Vorspiel bzw. cold open inspiriert (vgl. Salovaara) und bald von HBO umgesetzt — zu den kleinen statt ‚großen Erzählungen‘ zurückkehren (vgl. im Anschluss an Lyotard: Haupts: 95n9). Drittens ist es trotz aller Kürze und neuen Episodizität mit den langlaufenden Narrativen noch lange nicht vorbei. Fraglich jedoch ist, ob diese bei den gegenwärtigen Bewegungen zur

26 Reduktion und die Wendung zur kleinen Geschichte lassen sich auch in aktuellen Tendenzen innerhalb des Literaturbetriebs wiederfinden, etwa in der (neuen) Würdigung der Erzählungen von Alice Munro und Lydia Davis.

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Mini- und Anthologieserie27 sowie zur regularisierten Bereitstellung ganzer Staffelpakete (z.B. via Netflix; vgl. Stelter) nicht möglicherweise dazu führt, dass diese langlaufenden Narrative ihre Einteilungen in Folgen und Staffeln langfristig aufheben werden. Über die ‚Befreiung von zeitlichen Rhythmen‘ (vgl. Beil et al: 15) werden neue langlaufende Narrative den Rhythmus von Differenz und Wiederholung ggf. zurückfahren und somit nach und nach ihre Serialität suspendieren.28 Den vielfältigen gegenwärtigen Lamentos, Untergangsszenarien, Kannibalisierungsthesen und der düsteren Prognose „the best is over“ (vgl. Greenwalds Rekurs auf The Sopranos) möchte ich daher optimistisch hinsichtlich zu erwartender neuer Avantgarden entgegensetzen: „The best is yet to come.“ Was das „Beste“29 indes ist, wird im Auge des Betrachters/der Betrachterin liegen und sich der neuen medialen Situation entsprechend verhalten. Ob es sich dabei noch um „TV“ oder „Serien“ im engeren Sinn handeln wird, bleibt abzuwarten — (ein letztes Mal mit Welles) „sit back and enjoy“.

An den Rändern der Serienforschung

Mit Ausblick auf die zukünftige Serienforschung schließt sich an das Gesagte ein letztes Plädoyer für den Rand an: Hinsichtlich der engeren Untersuchung der einzelnen Serie sind — wie oben gezeigt — schon paratextuelle Ränder untersuchenswert und aussagekräftig zur Bestimmung des Gegenstands und hinsichtlich des mediengeschichtlichen Kontexts. Ein Forschungsprogramm, das sich mit dem Rand beschäftigt, müsste indes viel weiter greifen, auch die textuellen Ränder, wie z.B. Vorspiel und Pilot, und neben den öffnenden auch die

27 Auch der Anstieg der Anthologieserien lässt sich zur zweiten Entwicklung zählen und als Bewegung zur „großen Episode“ lesen — etwa die Serien True Detective (seit 2014) und American Horror Story (seit 2011). 28 Stehen „Quality“ und „TV“ innerhalb der QTV-Debatte schon länger zur Disposition, so ist nun ggf. auch die „Series“ an der Reihe. 29 Dass der Serienwissenschaftler mit dem QTV-Begriff eine Aufwertung seines mit wissenschaftlicher Distanz geliebten Gegenstandes vorantreibt, ist aus Cultural Studies-Perspektive vielleicht weder sinnvoll noch notwendig. „Wer aber ein Kunstwerk liebt, der will als Intellektueller auch Argumente dafür, warum es wert sei, geliebt zu werden.“ (Dath: 41) Aus dem Bewertungskarussell auszusteigen ist streng genommen unmöglich, es hilft auch nicht, den Begriff der Qualität durch den der — wenn auch als Provokation formulierten — Exzellenz zu ersetzen (vgl. Morsch 2010). Ist dieser doch genauso wie der damit verbundene Kanon, der stets unerwünschte Ausschlüsse enthält, und die wiederum mit dem Kanonischen verbundene Epochenzuschreibung stets situiert (vgl. Feuer: 145; Kirchmann: 63).

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schließenden Randelemente (wie Abspann, Epilog, „next on …“, Nachspiel und Serienfinale) in die Analyse integrieren sowie weitere Arten serieller Ränder und Randphänomene (kritisch) einbeziehen — etwa das rahmende Genre oder den sich wandelnden Bild-Frame, die von TV-Serien aufgegriffenen grenzwertigen Themen und die extremen Strategien seriellen Erzählens. Neben dieser Gegenstandsfokussierung vom Rand her, sollte unsere gegenwärtige Serienforschung auch ihre Axiome mitreflektieren (vgl. Schneider), nicht hinter bereits Erarbeitetes aus den beteiligten Disziplinen zurückfallen, kanonisierte Methoden und Gegenstände aber auch prüfen und ggf. wechseln. In Bezug auf die Serienauswahl lohnt zudem der Blick zurück zum historischen Rand des Quality TV abseits der Nullerjahre und der Blick zur Seite jenseits der angloamerikanischen Serienlandschaft oder der erfolgreicheren Produktionen (vgl. z.B. ZellerJacques). Das Neue televisuellen Erzählens zeigt sich womöglich — am Rand.

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An den Rändern der Serie und des Quality TV

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Quality TV, Seriephilie, Cinephilie — oder: Wie man ein besserer Zuschauer wird Martin Lampprecht

Der beinahe ausschließlich auf Serienproduktionen neueren Datums gemünzte Begriff „Quality TV“ (zum Teil auch eingedeutscht als „Qualitätsfernsehen“), der seit mehr als einem Jahrzehnt durch die Feuilletonlandschaft geistert, erweist sich bei näherem Hinsehen als ein schillerndes Konzept: Erfreut er sich einerseits als griffiges, unmittelbar verständliches und assoziationsreiches Label einer unabweisbaren Langlebigkeit (und dies nicht zuletzt auch in der fernseh-, medien- und sozialwissenschaftlichen Forschungsliteratur), so beeilen sich seine Nutzer (zumindest im akademischen Diskursfeld) doch stets, ihn durch Verweis auf seine Ungenauigkeit und die lauernde Gefahr seiner Essentialisierung zu problematisieren. Als Träger mutmaßlich geteilter Konnotationen, nicht zuletzt kanonbildender Natur, wird die Chiffre „Quality TV“ zwar weithin als gegeben angenommen und ohne nähere Erklärung verwendet; die Aufgabe, explizit zu definieren, was Quality TV denn sei, wird jedoch gerne anderen überlassen, die es dann auf ihre unzulässige Verkürzung, subjektive Aneignung oder gar interessegeleitet hegemoniale Besetzung des Begriffs aufmerksam zu machen gilt. Zwischen spontanem und keiner Erklärung bedürfendem Gebrauch und ebenso reflexhafter Distanzierung, die den Begriff gewissermaßen immer schon in Anführungszeichen denkt, öffnet sich also ein Problemfeld. Es wäre offensichtlich ein verfehlter Ansatz, diese Problemkonstellation durch den Einwurf einer neuen, alle bisherigen Definitionen überbietenden Definition auflösen zu wollen: Nicht nur, dass die Überbietung selbst ein Moment des Seriellen wie auch der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Se-

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riellen ist, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es sich selbst stets der neuerlichen Überbietbarkeit aussetzt; in einem Feld, wo jede Definition mit dem Hinweis erledigt werden kann, dass sie mehr über den Interessenstandpunkt des Definierenden aussagt als über die zu definierende Sache, kann eine neue Perspektive nur gewonnen werden durch Reflexion auf eben jene unterschwelligen Mechanismen, die den verschiedenen Definitionsversuchen zugrunde liegen. Mein Ziel ist daher keineswegs, die Problematik des Begriffs „Quality TV“ zu lösen; vielmehr möchte ich im Folgenden einen Beitrag dazu leisten, die inneren Widersprüche des Begriffs zu erhellen. Auch ein solch reflexiver Ansatz ist freilich nicht per se originell; was ich hier jedoch vorschlage, ist der Versuch, einige der Schwierigkeiten, die die Rede vom Qualitätsfernsehen aufwirft, zu beleuchten durch Gegenüberstellung einer neuen, zeitgenössischen Kultur des emphatischen Serienkonsums und einer anderen und älteren leidenschaftlichen Rezeptionspraxis: Der Cinephilie. Der Vergleich der beiden historisch gewachsenen Rezeptionspraktiken Cinephilie und Seriephilie1 erlaubt eine kritische Lesart des Begriffs der „Qualität“, der in beiden in höchst unterschiedlicher Form eine Rolle spielt. Zunächst jedoch erscheint eine Begriffsbestimmung angebracht.

Seriephilie und Cinephilie: Zwei medienkulturelle Aufwertungsstrategien

Mit dem Begriff der Cinephilie sind zwei recht genau bestimmbare und miteinander historisch verbundene Bedeutungsfelder konnotiert. Zum einen benennt er einen historischen Moment in der Ideen- und Rezeptionsgeschichte des Mediums Film: Die Entfaltung der französischen und (etwas später und im Anschluss daran) amerikanischen Subkultur der Cinephilen während der 1950er und 60er Jahre, einer Subkultur, deren kollektives Gedächtnis an eine Reihe von Namen und Institutionen, und nicht zuletzt auch an zwei Weltstädte des Kinos geknüpft ist: André Bazin, François Truffaut, Henri Langlois, die Cahiers du cinéma und die Cinémathèque française in Paris, Andrew Sarris, Manny Farber, Amos Vogel und die Anthology Film Archives in New York. Zum anderen bezeichnet Cinephilie eine spezialisierte subkulturelle Praxis, die sich im

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Den Begriff der Seriephilie übernehme ich aus der französischsprachigen Debatte, wo sich dieser Neologismus als unmittelbar verständliche Bezeichnung für die neue Kultur des Serienkonsums einzubürgern scheint; vgl. Glevarec 2012.

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mehr oder minder expliziten Rückbezug auf diese historischen Konfigurationen in unterschiedlichen Ländern herausgebildet und fortentwickelt hat. In diesem Sinn einer Genealogie von „historischer“ und davon abgeleiteter „moderner“ Cinephilie hat der Begriff bis heute international Geltung.2 Bestimmte strukturelle Ähnlichkeiten zwischen der „historischen“ Cinephilie der 1950er Jahre und der zeitgenössischen Seriephilie sind unmittelbar augenfällig, so dass man versucht sein könnte, letztere im weitesten Sinne als eine „neue Form“ der ersteren zu verstehen: So sprechen beide weitgehend ein ähnliches Publikum an, nämlich junge Erwachsene aus bildungsnahen Schichten. In beiden Fällen geht ein unideologischer Enthusiasmus für ein kommerzielles Produkt der amerikanischen Kulturindustrie einher mit einer weitgehend einhelligen Abwertung der europäischen Konkurrenz. Beide Rezeptionskulturen artikulieren sich unter anderem über die Herausbildung eines Autorenbzw. Autorisierungsdiskurses: Cinephile wie Seriephile (aner)kennen individuelle Creators, die im manufakturartig arbeitsteiligen Produktionssystem der Studios das Kunststück bewerkstelligen, eine erkennbar eigenständige künstlerische Vision zu realisieren. Zugleich mit der Entstehung einer populären „Auteur-Theorie“ ist auch in beiden Rezeptionskulturen die Ausbildung eines Kanons mit immer wieder zitierten angeblichen „Urtexten“ und heroischen Pionierfiguren zu beobachten. Die Verhandlung der Details dieser Kanons beansprucht in beiden Kulturen bedeutende diskursive Anstrengungen und kritische Ausdifferenzierungsbewegungen, wie sie sich im Fall der historischen Cinephilie in erbitterten publizistischen Grabenkämpfen um die Bedeutung ideologisch aufgeladener Säulenheiligen des Kinos manifestieren: John Huston und Luis Buñuel (die von der marxistischen Kritik um die Zeitschrift Positif favorisiert werden), Jean Renoir, Rossellini, Hitchcock und Howard Hawks (Cahiers du cinéma), Raoul Walsh, Fritz Lang, Otto Preminger und Joseph Losey (die „MacMahonisten“ um die Revue Présence du cinéma). Schließlich ist es eben erst die Verhandlung derartiger Fragestellungen, die in beiden Fällen die Herausbildung eines höchst aktiven und differenzierten Rezeptionsraums bedingt und leitet, einer cinephilen bzw. seriephilen Kultur mit bestimmten Diskursen, Öffentlichkeiten (und Gegenöffentlichkeiten) und Kommunikations(platt)formen.

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In diesem Sinn analysiert auch Antoine de Baecque das Phänomen der Cinephilie in seiner klassischen Studie (2003). Wenn Jullier und Leveratto (2010) den Begriff der Cinephilie auf jede Form der Freude am Filmkonsum schlechthin ausweiten, entspricht dies einer Demokratiserungsabsicht. Damit wird jedoch eine Distinktionsleistung ex post relativiert, die den Begriff überhaupt erst konstituiert und im öffentlichen Bewusstsein verankert hat.

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Cinephilie und Seriephilie weisen also zunächst einmal eine Reihe auffälliger Ähnlichkeiten auf. Es wäre jedoch vorschnell, daher auf eine Äquivalenz zu schließen, etwa in dem Sinne, dass die Seriephilie nichts weiter als eine zeitgenössische Reinkarnation der Cinephilie sei; von einer solchen Wesensverwandtschaft könnte man nur sprechen, wenn die beiden Rezeptionskulturen auch in ihrem Blick auf ihren jeweiligen Gegenstand und in ihrer Selbstwahrnehmung verwandt wären. Um diese Annahme zu prüfen, führte ich im Frühjahr 2014 eine fragebogenbasierte empirische Studie unter einhundert Studierenden verschiedener filmwissenschaftlicher Studiengänge der Universität Aix-Marseille durch.3 Die Teilnehmer sollten u.a. angeben, wie viele Stunden Serien bzw. wie viele Filme sie pro Woche konsumieren und zudem erklären, ob sie sich selbst als „Seriephile“ bezeichnen würden. Eine zentrale Frage der Studie war, welche Aspekte einer Serie den Zuschauer zum (regelmäßigen) Einschalten motivieren, welche Kriterien für sein Urteil über eine Serie ausschlaggebend sind, was sie bzw. ihn zum Fan werden lässt. Vier Kriterien werden in Diskussionen serieller Rezeption häufig als ausschlaggebend für die Bindung des Zuschauers an eine Serie angeführt: (a) die Plot-orientierte Neugier, wie es weitergeht; (b) die Identifikation mit den handelnden Figuren; (c) das fiktionale Universum, die Immersion in eine Parallelwelt; (d) die ästhetisch-narrative Machart der Serie selbst, ihre Komplexität, ihre Originalität, ihre textuellen Qualitäten. Da die Studie in einem per se cinephilen Milieu durchgeführt wurde, war eine erwartbare Annahme, dass ein bedeutender Teil der Teilnehmer dem vierten Kriterium, also der inhärenten textuellen Qualität der Serien, einen Vorrang einräumen würde. Und noch spezieller ging ich davon aus, dass jene Teilnehmer, die sich selbst explizit als „seriephil“ einschätzen, besonderen Wert auf dieses vierte Kriterium der seriellen Zuschauerbindung legen würden.

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Es handelt sich um filmtheoretische wie auch filmpraktische Studiengänge: Bachelorstudiengang Filmwissenschaft, Bachelorstudiengang Kreatives Schreiben in Literatur und Film, Masterstudiengang Dokumentarfilmregie, sowie Studierende aus anderen Studiengängen, die filmwissenschaftliche Seminare als Teil ihres Wahlfachprogramms besuchen. In allen Fällen kann ein vertieftes Interesse an Film und audiovisuellen Medien vorausgesetzt werden. — Sämtliche Fragen und Ergebnisse der Studie sind in einer knappen Zusammenfassung (in französischer Sprache) online einsehbar: .

Quality TV, Seriephilie, Cinephilie

(a)

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(d)

(e)

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(g)

Welche Faktoren sind ausschlaggebend dafür, dass Sie zum Fan einer Serie werden? (a) Die Handlung (man möchte einfach wissen, wie es weitergeht), 30% (b) Die handelnden Figuren (man identifiziert sich mit ihnen und besetzt sie emotional), 31% (c) Das fiktionale Universum (man taucht ein in eine Parallelwelt), 29% (d) Die Machart (Qualität der Dialoge, Sprache, Komplexität, Originalität), 33% (e) Alle vier Faktoren gleichermaßen, 8% (f) Andere, zum Beispiel das Thema der Serie, 3% (g) Schaue grundsätzlich keine Serien, 4% Abb. 1: Auswertung der Umfrage

Tatsächlich fällt das Ergebnis deutlich prosaischer aus: Die vier Faktoren sind mit jeweils rund 30% der Gesamtteilnehmerzahl praktisch gleichmäßig verteilt. 8% der Befragten geben an, alle vier Kriterien seien für sie gleich bedeutsam. Und betrachtet man schließlich allein diejenigen Teilnehmer, die sich selbst explizit als Seriephile bezeichnen, sind keine signifikanten Unterschiede feststellbar: Auch hier liegt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den vier Kernfaktoren der Zuschauerbindung vor, von einem signifikanten Übergewicht des „Formkriteriums“ kann nicht die Rede sein. Was den seriephilen Zuschauer vom Gelegenheitskonsumenten unterscheidet, ist nicht seine Blickweise auf die Serie oder die Motivation, eine bestimmte Serie zu konsumieren; die einzigen signifikanten Unterschiede zwischen beiden Zuschauergruppen sind quantitativer Natur: Seriephile schauen deutlich mehr Serienstunden pro Woche, sie kommunizieren mehr über Serien und investieren mehr Zeit und Energie, um sich über Serien informiert zu halten. Die Ergebnisse der Studie unterstützen damit kaum die Hypothese einer Wesensverwandtschaft zwischen Seriephilie und klassischer Cinephilie. Vielmehr legen sie den Schluss nahe, dass die Kultur der Seriephilie in Wahrheit keine spezielle, vom Blick des „Mainstreamzuschauers“ qualitativ unterschiedene Betrachtungsform von Serien darstellt. Der (selbsterklärte) Seriephile schaut Serien weder mit einem fundamental anderen Blick noch aus anderer

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Motivation heraus als der Gelegenheitszuschauer. Er schaut nicht anders, er schaut nur mehr, und er kommuniziert mehr über das Geschaute. Der Seriephile ist hochgradig medienkompetent, er konsumiert Paratexte wie etwa Forumsdiskussionen und trägt selbst zu ihrer Proliferation bei. Aber sein Blick, seine Motivation, sein Verhältnis zum konsumierten Objekt und die Lust, die er aus dem Konsum zieht, unterscheiden ihn nicht wesentlich von weniger stark passionierten und involvierten Konsumenten. Ganz anders der klassische Cinephile, dessen Blick ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem „normalen“ Zuschauer begründet: Überspitzt gesagt, sieht er nicht andere Filme (als der normale Filmkonsument), er sieht Filme anders. Ihm geht es um das künstlerische ‚Wie‘, hinter dem das narrative, affektive (und auch politische) ‚Was‘ zumindest im Idealfall zurücktritt; Kennzeichen und Eintrittskarte der cinephilen Kultur ist ein „souverain souci formel“ (de Baecque), das formalistische Interesse am filmischen Stil selbst. Die Kultur der Cinephilie stellt damit nicht nur einen Distinktionsanspruch dar, sondern vor allem eine Distinktionsleistung, was bei der Seriephilie zumindest bis heute nicht in vergleichbarer Weise der Fall ist. Im Vergleich zur Cinephilie fällt das Distinktionspotential der Seriephilie also zumindest problematisch aus.

Was heißt hier eigentlich „Qualität“? Truffaut, die Cinephilie und das Fernsehen

Dass es sich bei dem Begriff „Quality TV“ nicht um eine objektive Größe, sondern um ein verhandelbares diskursives Konstrukt handelt, ist offensichtlich (vgl. u.a. Akass/McCabe 2007). Aus genau diesem Grund zieht der Begriff jedoch auch immer neue Definitionsversuche an, sei es in extensionaler Hinsicht (also als Kanonfrage: Welche Sendungen gehören zum Quality TV?) oder in intensionaler Hinsicht: Was macht Quality TV eigentlich aus? Trotz gewisser Divergenzen der Definitionsstrategien taucht eine Reihe von „Qualitätskriterien“ immer wieder in akademischen und feuilletonistischen, aber auch informellen Diskussionen auf. Eine Liste dieser „Standardmerkmale“ zeitgenössischen Qualitätsfernsehens könnte unter anderem folgende Punkte umfassen: Drehbuchschreiber (und nicht etwa Regisseure) nehmen die Position des stilprägenden Autors ein. — Die zur Frage stehenden Texte weisen ausgeprägt literarische Qualitäten auf, weswegen oft Literatur (sowohl Romane als auch philosophische Texte) als Vergleichsgröße herangezogen wird. —

Quality TV, Seriephilie, Cinephilie

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Die Texte sind stark dialogzentriert, die Sprache nimmt eine herausragende Funktion im Register der expressiven Mittel ein. Psychologischer Realismus in der Gestaltung und Motivierung der Figuren steht im Vordergrund. Formal zeichnen sich die Texte durch ein hohes filmisches Handwerksniveau aus: Gediegene Bildgestaltung, raffiniert-komplexe Beleuchtung, Hochglanzkinematographie. Inhaltlich ist eine Hinwendung zu düsteren und potentiell kontroversen Inhalten zu konstatieren, zu Realismus und Härte, zu Gewaltdarstellung und moralischer Ambiguität. Komplexität, Vielschichtigkeit, narrative und formale Raffinesse und intellektueller Anspruch sprechen Publikumsschichten an, die sich selbst als sophisticated betrachten.

Die Auflistung vertrauter und weitgehend konsensueller Prädikate qualitativer Hochwertigkeit im zeitgenössischen Fernsehen ließe sich fortsetzen. Wäre da nicht ein Detail: Diese Liste bezieht sich nicht auf Qualitätsfernsehen, und sie ist auch nicht zeitgenössisch. Mit eben diesen Punkten charakterisiert der 21jährige François Truffaut 1954 in den Cahiers du cinéma das, was er unter dem Begriff „tradition de la qualité“, also als das französische „Qualitätskino“ seiner Zeit begreift; und die Liste ist auch durchaus nicht als Kompliment gemeint, Truffaut zählt keine Gütesiegel auf. Der betreffende Artikel, „Une certaine tendance du cinéma français“, ein Gründungstext der Nouvelle Vague, aber auch der cinephilen Kultur als solcher, ist eine Kampfansage an eben dieses Qualitätskino, das als zu überwindendes Hindernis auf dem Weg zu einer neuen, relevanten Filmkunst erscheint. Truffaut zählt noch weitere Merkmale dessen auf, was die MainstreamKritik der 1950er Jahre als „Qualität“ versteht: —

Eine ausgeprägte Tendenz zum Tabubruch (im Fall des Qualitätskinos speziell zum Bruch religiöser Tabus) geht einher mit der zur Überbietungslogik neigenden Freude zu schockieren bzw. die Schmerzgrenzen des Publikums auszutesten: „Unter dem Label der Qualität gibt man dem Publikum seine regelmäßige Dosis an Morbidität, Nonkonformismus und billiger Drastik.“4 Die Darstellung körperlicher Extremzustände und antisozia-

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„Sous le couvert de la littérature — et bien sûr de la qualité — on donne au public sa dose habituelle de noirceur, de non-conformisme, de facile audace.“ — Sämtliche Truffaut-Zitate in eigener Übersetzung.

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| Martin Lampprecht ler Elemente findet ihre Entsprechung im demonstrativen Gebrauch von Vulgärsprache: „Innerhalb von zehn Minuten hört man die Worte Bimbo, Nutte, Schlampe und Scheißdreck.“5 Qualitätskino funktioniert über die erzählerische und psychologische Identifikation des Publikums mit den Protagonisten. Die Immersion des Zuschauers im Qualitätskinos läuft auf eine Form von Einfühlungspoetik hinaus. Drehbücher sind (ihrer scheinbaren inhaltlichen Kühnheit zum Trotz) nach bewährten Erfolgsformeln gestrickt, bestimmte Figurentypen und Dramaturgien wiederholen sich. „Qualität“ ist somit ein Genre. Es gehorcht in sich selbst einer seriellen Logik, es funktioniert nach feststehenden und erlernbaren Regeln, weswegen die französische „tradition de la qualité“ auch quasi auf einen Schlag erfunden und als filmische Leitkultur etabliert werden konnte. Das „Qualitätskino“ wird von der professionellen Kritik als kommentarwürdig befunden und von einem sozial wie auch bildungsmäßig distinguierten Publikum geschätzt, das im Kino an sich tendenziell ein minderwertiges Medium erblickt. Der Publikumserfolg des Qualitätsgenres verdankt sich also häufig einer inhaltlichen wie auch medialen Praxis der Abwärtsidentifikation.

An Truffauts Charakterisierung des französischen Qualitätskinos ist zweierlei bemerkenswert: Zum einen sind natürlich die Übereinstimmungen zwischen dem, was die Mainstream-Filmkritik der 1950er Jahre als Qualitätsfilm empfindet, und dem, was zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Qualitätsfernsehen auftritt, auffällig und überraschend. Die Definition von „Qualität“ als einem bestimmten Genre wirkt Punkt für Punkt wie ein Vorgriff auf gängige Erwartungen an modernes Quality TV, speziell im Hinblick auf die Bedeutung literarischer Textaspekte, kontroverser Themenstellungen und formeller Raffinesse. Zum anderen ist jedoch auch die Stoßrichtung von Truffauts Invektiven bedenkenswert. Truffauts Kritik am Qualitätskino zielt nicht allein auf formale Aspekte der inkriminierten Filme ab; sie ist zugleich und vor allem auch eine soziokulturelle Publikumskritik. „Qualität“ wird von Truffaut als klassische Middle-class- und Middlebrow-Kategorie entlarvt. Als Disktinktionsstrategie eines „bildungsbeflissenen Milieus“ (Bourdieu) dient der Qualitätsbegriff der kulturellen Abgrenzung nach unten; als Aufwertungsstrategie eines bestimmten

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„On peut entendre en moins de dix minutes les mots de: ‚grue, putain, salope, et connerie‘. Est-ce cela le réalisme?“

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Marktsegments zielt er nicht auf die Nobilitierung des Mediums (für Truffaut: Film; heute: Fernsehen) in seiner Gesamtheit ab, sondern gerade auf dessen implizierte Abwertung zugunsten eines als Ausnahme apostrophierten Elitenprogramms. Gegen eben diese Segmentierung aber zielt die Kritik der Cahiers du cinéma ab; der cinephile Blick, den sie voraussetzt, erhebt das Unterhaltungsmedium Film per se und in seiner Ganzheit in den Rang eines intellektueller Aufmerksamkeit und ästhetischer Wertschätzung würdigen Objekts. Anstatt generisch (und sozialsnobistisch) zwischen „Qualität“ für eine gebildete Elite und minderwertigem Gebrauchskino für die breite Masse zu unterscheiden, verlangt die cinephile Rezeptionskultur einem ästhetisch geschulten und intellektuell emanzipierten Zuschauer ab, die Qualitätsfrage von Fall zu Fall und ohne Rücksicht auf vorprogrammierte „Qualitätsmarker“ stets neu und individuell zu beantworten. Truffaut stellt also nicht in erster Linie die Qualität des „Qualitätskinos“ in Frage, sondern die Validität der Kategorie „Qualität“ als solche, die in seiner Kritik als ein letztlich philiströses Scheinkriterium künstlerischen Werts entlarvt wird. Tatsächlich erweist sich „Qualität“ bei näherem Hinsehen als zweifelhafter Beurteilungsmaßstab: Mit dem Qualitätsbegriff wird im Allgemeinen gediegene Gebrauchskunst belegt, nicht aber high art bzw. Avantgarde und auch nicht subversive oder subkulturelle Antikunst. (Niemand würde von der „bemerkenswerten Qualität“ von Shakespeares Dramen sprechen6, ebenso wenig käme man auf die Idee, das Prädikat auf Marcel Duchamps Ready-mades oder Jackson Pollocks Drip-paintings anzuwenden, oder auf politisch brisanten urbanen Hip Hop.) Qualität eignet sich — zumindest einem spezifisch modernen Verständnis nach — nicht zum künstlerischen Statement, denn das qualitativ hochwertige Produkt definiert gerade nicht sein Feld, sondern es verortet sich lediglich als Spitzenprodukt innerhalb eines vordefinierten Nachfragesegments. Qualität impliziert Vergleichbarkeit, also das Gegenteil des individualistischen, auf Singularität abzielenden Kunstbegriffs, der, bei allen Unterschieden, sowohl in der Hochkultur als auch im Bereich der Avantgarde und der subversiven Subkulturen Geltung hat. Wenn der Begriff „Quality TV“ dennoch unbestreitbar einen Distinktionsversuch in bildungsbeflissenen bzw. trendbewussten Milieus darstellt, so zeigt

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Aufschlussreich ist hier im Kontrast jedoch die kulturindustrielle Kategorie der pièce bien faite à la Victorien Sardou oder David Belasco, die sich insgeheim aus dem späten 19. ins frühe 21. Jahrhundert herübergerettet hat — über den Umweg der drehbuchschreiberischen Handreichungen und How-to-do-Guides des Unterhaltungskinos, die deutlich von ihr inspiriert sind und die auch in den Kreativprozess des zeitgenössischen Qualitätsfernsehens hinein fortwirken.

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sich nun klar, dass die ihm zugrundeliegende Aufwertungsstrategie wenig mit der klassischen Cinephilie gemein hat und sehr viel mehr mit eben jener Etablierung eines „Qualitätsgenres“ durch die französische Mainstreamkritik, die Truffauts Editorial angreift. Das Problem, das sich daraus für Qualitätsserien und ihre Fans ergibt, besteht darin, dass die erhoffte Distinktion immer nur durch die implizite oder explizite Abgrenzung nach unten, nämlich vom „Normalprogramm“ des Mediums Fernsehen, erfolgen kann. Brigitte Frizzoni (2012) hat aufgezeigt, wie sehr das Label „Quality TV“ zu seiner Definition auf den Gegenpol des „Trash TV“ angewiesen ist, und wie stark wiederum letzterer als klassistisch-sozialsnobistische Kategorie fungiert (man denke an Harald Schmidts Rede vom „Unterschichtenfernsehen“). Die Aufwertung des Qualitätsgenres funktioniert nur um den Preis der fortdauernden Geringschätzung all dessen, wovon es sich abgrenzt, und das heißt letztlich, des Mediums Fernsehen per se. Dies führt im Gegenzug dazu, dass der TV-Konsum als solcher für Angehörige des bildungsbeflissenen Milieus mit Schuldgefühlen und Rechtfertigungszwang verbunden ist; genau hier setzt der Quality TV-Begriff wiederum an, indem er sich als weithin akzeptierte Selbstrechtfertigung anbietet: It’s not TV. It’s quality.7 Als konsensuelles Qualitätsgenre wird das Quality TV jedoch selbst wiederum zwangsläufig Teil eines Mainstreams, wenn auch eines distinguierten Mainstreams — ähnlich wie das französische Qualitätskino der Nachkriegszeit. Hier liegt ein Spannungspotential, insofern als „Quality TV“ als Statuskategorie ja nicht nur kulturell sanktionierte Höherwertigkeit verspricht, sondern im Kontext einer schnelllebigen und auf stete Ausdifferenzierung von Geschmackspräferenzen und (Fan)gruppenzugehörigkeiten ausgerichteten Rezeptionsökonomie auch Hipness. Diese setzt aber ein Minimum an avantgardistischer Neuheit und potentiell subversiver Individualität voraus. Dem kulturell

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Der vielzitierte Slogan des Premiumkabelsenders HBO („It’s not TV. It’s HBO.“) spielt natürlich mit genau den hier ausgeführten drei Hauptfunktionen des Begriffs Quality TV: Soziokulturelle Distinktion (‚Wir können uns einen teuren Pay-TVKanal leisten und tun dies, da wir zu den ästhetisch und intellektuell avancierten happy few gehören‘); partielle Aufwertung eines schmalen Programmsegments innerhalb eines ansonsten in seiner Minderwertigkeit bestätigten Unterhaltungsmediums (‚HBO ist etwas Besonderes, eine Ausnahmeerscheinung, das „Andere“ des diese Ausnahme allererst hervorbringenden Mediums Fernsehen‘); und Beschwichtigung des durch den Selbstwiderspruch ausgelösten kulturellen Schuldgefühls (‚Wir schauen zwar Fernsehen, aber eigentlich ist es gar kein Fernsehen, sondern HBO bzw. Quality TV‘).

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statusbewussten Fan stellt sich also die potentiell frustrierende Frage, wie distinktiv eine Rezeptionspraxis eigentlich sein kann, die längst zu einem allenthalben geschätzten Massenphänomen geworden ist. Die Frage der Hipness stellte sich auch schon der klassischen Cinephilie.8 Im Gegensatz zur zeitgenössischen Seriephilie hatte sie jedoch keine Schwierigkeiten mit der Antwort: Zum einen stellte sie durch die Konstituierung eines ihr eigenen Blicks, der einen hohen Grad von Fachwissen und Geschmackstraining erfordert und damit garantierte, dass sie stets ein arkanes Elitenprogramm bleiben konnte, ihren Distinktionsanspruch von Anfang an sicher. Und zum andern erhob eben dieser cinephile Blick seinen Gegenstand, das Medium Film, als Ganzes in den Rang eines hippen Kulturobjekts. Die klassische Cinephilie musste sich nie nach unten, gegenüber dem Trash-Kino, abgrenzen (welches sie von Anfang an in den Kreis potentieller Objekte ihrer Verehrung einschloss); ihr Profil definierte sie im Gegenteil in der nicht selten überheblichen Abgrenzung gegen den Konsens des Mainstreams sowie dessen vorsichtig auf breite kulturelle Anerkennung schielenden Middlebrow-Blick. Dass eine solche (zweite) Distinktionsleistung im Fall des Quality TV (die letztlich eine Abgrenzung vom eigenen Erfolg bedeuten würde) noch aussteht (und dass es für sie aber durchaus eine Nachfrage gibt), zeigt das in jüngster Zeit zu konstatierende Umkippen des Qualitätsdiskurses, wie es einige der anspruchsvollsten amerikanischen TV-Kritiker betreiben, nämlich ein Umkippen in einen (nun durchaus an die klassische Cinephilie der 1950er Jahre erinnernden) Anti-Quality-TV-Backlash: So etwa, wenn Andy Greenwald in einem das „Ende des Golden Age“ und den Beginn der „Zombifizierung des Fernsehens“ konstatierenden Leitartikel (2013), bezogen auf House of Cards (seit 2013), teure Hochglanzqualitätsserien der 2010er Jahre als „prestige simulacrum“ abtut, oder wenn Emily Nussbaum (2014) die Vorhersehbarkeit von routiniert einsetzbaren Ernsthaftigkeitssignifikanten, speziell dem zum Klischee gewordenen Kino-Look, entlarvt. Die zwiespältige Aufwertungsstrategie der Seriephilie in Form des QualityTV-Diskurses hat selbstverständlich Konsequenzen für die Wahrnehmung ihres Gegenstandes. So erweist sich die heute unter bildungsbeflissenen TVKonsumenten (und Produzenten) verbreitete und gern geäußerte Vorstellung, Fernsehen habe in Gestalt des Quality TV (genauer: Im Format des als inoffizi-

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Bernardo Bertoluccis Film The Dreamers (2003) ist ein modernes Beispiel einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der Kultur der klassischen Cinephilie als einem Lifestyle, der durch Exklusivität, Sexappeal und den verruchten haut goût verwitternder bourgeoiser Kultiviertheit besticht: Der Cinephile als postmoderner Dandy.

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elle Königsdisziplin zeitgenössischen Qualitätsfernsehens gehandelten Serial Dramas) aufgeschlossen zum kulturellen Prestige der bildungsbürgerlich kanonisierten Kunstformen Film und Roman, die reflexhaft als Vergleichsgrößen herangezogen werden, bei näherer Betrachtung als unzutreffend, und zwar weil das Verhältnis zwischen Qualitätsserien, Kino und Literatur ein asymmetrisches ist. Denn während letztere als Legitimierungsreferenzen für zeitgenössische TV-Ware dienen, die sich im direkten Vergleich zu behaupten hat — The Wire (2002–2008) ist vergleichbar (und vergleicht sich selbst) mit Dickens und Balzac9, The Sopranos (1999–2007) erreicht die Qualität der Godfather-Trilogie (1972–1990), Mad Men (2007–2015) scheint wie von Richard Yates geschrieben und ist ohnehin eine Art Great American Novel10 unserer Zeit etc. —, funktioniert der Umkehrschluss nicht: Kein Roman und kein Film muss sich je mit Qualitätsserien messen, um seinen Kunstanspruch plausibel zu machen. Auf den kulturellen Kapitalmärkten ist das Qualitätsfernsehen nach wie vor Kreditnehmer, nicht Kreditgeber. Diese auf der Textseite feststellbare Asymmetrie ist in ähnlicher Weise auch auf der Konsumentenseite aktiv: Serien mögen ein hipper Diskursgegenstand sein, doch sie sind keinesfalls als bildungsbürgerlicher Wissensinhalt distinktionskonstitutiv. Anders gesagt: Wer nie von Thomas Mann oder Fritz Lang gehört hat, gibt seine Bildungsferne zu erkennen; wer sich hingegen im westlichen Hochkulturkanon auskennt, aber mit The Sopranos nichts anfangen kann, zeigt lediglich eine etwas exzentrische Gegenwartsferne, die seinem kulturellen Kapital im Allgemeinen jedoch kaum Abbruch tut. *** Der Blick auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Cinephilie und Seriephilie hat Unstimmigkeiten im Qualitätsbegriff der letzteren offengelegt: Der Begriff „Quality TV“ ist offenbar letztlich ungeeignet, jene Distinktionsleistung zu vollbringen, die doch scheinbar sein vornehmlicher Zweck sein sollte. Dieses Versagen ist ihm nicht äußerlich, sondern inhärent. Es liegt darin begründet, dass der Begriff jenes Legitimationsbedürfnis, das er zu stillen scheint, selbst stets erneuert. Wenn Qualität ein als Spezialfall herauszustellendes Merkmal von Fernsehen ist, so folgt daraus, dass der kulturelle Status des solchermaßen ausgezeichneten Objekts zumindest fragil ist. Dieses fortgesetzte Versagen des Begriffs „Quality TV“ ist paradoxerweise aber wohl gerade der Hauptgrund für seine wiederholten Problematisierungs-

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Zu den hochkulturellen Selbst- und Fremdvergleichen von The Wire, vgl. Kelleter 2014 bzw. Mittell 2012. 10 So etwa Walton 2012.

Quality TV, Seriephilie, Cinephilie

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anstrengungen zum Trotze unabweisbare Robustheit: Der Begriff wird eben deshalb nicht obsolet, weil er stets neu bemüht werden muss. Diese Feststellung kann schließlich auch zu einer historischen Perspektivierung und Relativierung des Quality TV-Diskurses führen. Denn bei näherem Hinsehen erweist sich dieser durchaus nicht als ein genuin zeitgenössisches Phänomen (auch wenn ihm gewiss noch nie so viel multimediale Aufmerksamkeit geschenkt worden ist wie in den vergangenen fünfzehn Jahren), sondern als so alt wie das Fernsehen selbst: Offenbar muss jede Generation aufs Neue von der gefühlten Klischeehaftigkeit und kulturellen Minderwertigkeit des Fernsehens enttäuscht sein, um dann im Ozean des Unwürdigen (und zumindest von den Eliten nur schamhaft Konsumierten) einsame Inseln herausragender Qualität zu finden. So erinnert schon die begeisterte Rezeption einer Autorenserie wie Rod Serlings The Twilight Zone (1959–1964) auffällig an den Diskurs heutiger Quality TV-Kritiker: Die Würdigung des Außergewöhnlichen lebt von der Kontrastierung gegen das diese Ausnahmequalität (auf quasi wundersame Weise) hervorbringende Medium. *** Vielleicht ist es ja mehr als eine zufällige Ironie der Mediengeschichte, dass das Fernsehen gerade in dem Augenblick in Form der allgemeinen Serienbegeisterung und des damit einhergehenden Quality TV-Diskurses eine zwiespältige kulturelle Nobilitierung erfährt, da seine Position als gesellschaftliches Leitmedium zu Ende geht und seine traditionellen ökonomischen, technologischen und medialen Erscheinungsformen immer schneller und immer radikaler in Frage gestellt und zunehmend von neuen Mediendispositiven abgelöst werden. Vielleicht konnte das Fernsehen erst im Prozess des Medienwandels, also mit dem Ende seiner medialen Hegemonie, jenen Grad verehrungsvolleuphorischer Zuwendung erfahren, den die zeitgenössische Seriephilie bedeutet. Tony Sopranos nostalgisches Bedauern, too late in the game zu sein, erscheint im Rückblick wie ein prophetischer Wink des Quality TV im Hinblick auf das Medium Fernsehen selbst. Sollte dem tatsächlich so sein, läge hier doch noch eine Gemeinsamkeit zwischen der zeitgenössischen Seriephilie und der klassischen Cinephilie verborgen: Denn auch letztere konnte historisch ja erst in dem Augenblick zur Blüte gelangen, als ihr zentraler Gegenstand, das Hollywoodkino, begann, dem neuen, prosaischeren Medium des Fernsehens allmählich seine Vorrangstellung abzutreten. Sollte die emphatische Verehrung popkultureller Produkte, die sich sowohl in der Cinephilie als auch in der Seriephilie manifestiert, etwa ein mediales Endzeitphänomen darstellen.

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| Martin Lampprecht

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Das ist das Ende — oder auch nicht! Über Enden und Nicht-Enden im Fernsehen und der Fernsehserie Sönke Hahn

Was heißt es eigentlich, wenn wir vom Ende sprechen? Das Ende kann als das Aufhören, beispielsweise eines Weges, verstanden werden. Das Ende kann als das Aufhören des Regens interpretiert werden, in dessen Konsequenz er sogar verschwunden scheint. Im Aufhören wird der Aspekt der Unfertigkeit mitgeführt, welche aus dem Abbruch, etwa des Malens eines Gemäldes entstünde. Hingegen das Ende als Fertigwerden besagten Gemäldes anhand eines letzten Pinselstrichs durchaus den Gedanken einer Vollendung einschließt. Das Ende kann aber auch als das Aufbrauchen eines Brotes interpretiert werden, in dessen Folge es nicht mehr griffbereit ist (vgl. zur bisherigen Ausführung Heidegger: 244f.). Im Anschluss an Heideggers Gedanken ließe sich mit solchen Enden immer auch ein neuer Anfang oder Neuanfang verbinden. Auf die Schule folgt das Studium, die Phase weitgehender Selbstverantwortung wird vielleicht durch die Geburt eines Kindes abgeschlossen und geht in den Lebensabschnitt elterlicher Pflichten über. Solche Phasen schließen aneinander an, wie ein Fußballspiel dem anderen in dieser oder nächster Saison folgt. In einer idealistischen Anwandlung tritt in diesem Konzept des Endes auch die Vorstellung einer sich wiederholenden, zirkulären Bewegung in Erscheinung: In der nächsten Saison wird der Tabellenplatz neu verhandelt, denn scheinbar ist alles auf den Anfang zurückgesetzt worden. Diese Vorstellung stagnierenden Charakters, bzw. eines sich quasi nach gewissen Abläufen wieder einstellenden Stillstands, tritt jedoch nicht vollends ein, denn faktisch hat sich ein Wandel vollzogen: Am Ende der

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vorhergehenden Saison sind Spieler gewechselt und Vereine abgestiegen. Wandel und Endlichkeit bedingen einander, das unendlich wandelbare Leben steht im Zusammenhang mit dem endlichen Dasein (vgl. Engell 2005: 16.) — selbst in der skizzierten Wunschvorstellung einer Rückkehr zum Ausgangspunkt. Als wohl finalste Vorstellung eines Wandels ist der Tod zu begreifen, denn mit ihm endet das Dasein (vgl. Nassehi/Weber: 28). Der Ende meint aber nicht das letzte Ereignis am Finale des Daseins, sondern das Sein-zum-Enden des Seienden. Das Dasein ist im stetigen Sterben begriffen — dem Sein-zum-Tode (vgl. Heidegger: 247; Nassehi/Weber: 28). Doch inwiefern lassen sich diese Assoziationen des Endes auf das Fernsehen und insbesondere die Fernsehserie übertragen bzw. in dem Medium und seinen Produkten erkennen? Schließlich gilt das Fernsehen doch als endlos (vgl. Engell 2006: 137). Hingegen ja das andere große Bewegtbildmedium, der Film, als essentiell durch seine Endlichkeit bestimmt scheint (vgl. Engell 2005). Engell selbst (und im Anschluss an ihn sowie in einer partiellen Gegenposition vertreten durch Grampp/Ruchatz) zeigt, inwieweit das Fernsehen und seine Produkte sich mit dem Ende und ihrem eigenen Ende auseinandersetzten. In diesem Aufsatz werden diese Beobachtungen zusammengefasst und ergänzt. Dabei wird der Film als endliche Referenzgröße herangezogen bzw. diese dem Film zu Teil werdende Beschreibung im Zuge dieses Aufsatzes, soweit möglich, relativiert — wenn auch der Fokus dieser Arbeit auf dem Fernsehen und der Fernsehserie liegt. Im Sinne des Sammelbandes erfolgt diese Untersuchung vornehmlich im Hinblick auf den Begriff des Qualitätsfernsehens (kurz: QTV) nach Robert Thompson: Lässt sich der Umgang des Fernsehens, seiner Serien und der Qualitätsserien mit dem Ende in diesem Kanon einordnen? Thompson definiert ‚Qualitätsserien‘ (vgl. Thompson: 13ff.) als im Kontrast zum übrigen Fernsehen stehend, denn sie brechen beispielsweise mit bekannten Genremustern. Sie nehmen sich kontroverser Themen mit dem Anspruch an, soziale Zustände realistisch abzubilden. Die Geschichten werden anhand großer, aus komplex angelegten Figuren bestehender Ensembles erzählt. Ihren Geschichten und Themen widmen sich die QTV-Produkte aus entsprechenden vielfältigen Perspektiven. Die Serie wie auch ihre Protagonisten besitzen ein Gedächtnis. Darüber hinaus nimmt die QTV-Serie nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf (populär-)kulturelle Phänomene Bezug. Künstlerische Ambitionen und starke Autoren stehen hinter den regelmäßig preisgekrönten, aber häufig in ihrer Quote schwachen und somit seitens der Senderverantwortlichen nur bedingt Rückhalt genießenden Produktionen.

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Film vs. Fernsehen — Endlichkeit/Wandel vs. Unendlichkeit/Stillstand

Der Film, so Engell in einer philosophischen Betrachtung des Mediums, entspricht dem Dasein (als Verhalten zur eigenen Endlichkeit), indem er abläuft und endet (vgl. Engell 2005: 11): Durch seine Endlichkeit kann der Film zwischen sich selbst und der in ihm erzählten Geschichte unterschieden werden. Der Film als endliches Produkt entwickelt ein Bewusstsein seiner eigenen Endlichkeit und der Endlichkeit im Allgemeinen (vgl. ebd.: 11 und 19). Die zeitlichen Grenzen des Films bedingen die Lesart des Mediums — er wird vom Ende her begriffen. Das Ende steht in der Regel von Anbeginn, sogar schon in der Konzeption des Films fest (vgl. ebd.: 12), sodass er Zeichen für Zeichen auf dieses vorbestimmte, aber natürlich im Sinne einer Wendung oftmals verborgene Finale hinsteuert. Mit dieser Abfolge ist auch ein Wandel verbunden: „Nach dem Film ist nicht vor dem Film.“ (Ebd.: 12) Aber auch schon am Ende jedes Elements (ob Szene oder Akt) hat sich etwas verändert. Der Film als abgeschlossenes Produkt erlaubt den Rezipienten eine in ihrem Leben so nicht realisierbare Beobachtung — nämlich die des Anfangs und des Endes (vgl. Luhmann: 98): Schon der beschriebene Zäsurcharakter mag illustrieren, dass wir die Übergänge zwischen zwei Lebensphasen höchstens kurzzeitig als Moment endlichen Charakters wahrzunehmen vermögen. Das Fernsehen entpuppt sich in Relation zum Film als lebensechter, denn auch das Medium läuft wie das Leben selbst immer weiter (vgl. Engell 2005: 11): Auf Grund seiner vornehmlich seriellen Organisation kennt das Medium kein letztes Bild (vgl. Engell 2006: 148). Es entwickelt scheinbar entsprechend kein Bewusstsein für ein Ende — wenn überhaupt hören die Produkte des Fernsehens auf, um auf ihre Fortsetzung oder etwas Folgendes zu verweisen (vgl. ebd.: 137). Abseits eines Outros oder einer vom Sender produzierten Vorschau wird stetig angedeutet, die diegetische Welt könne mindestens in der Vorstellung der Rezipienten fortbestehen. Vom Wandel ist mit einem besonderen Fokus auf fiktionale Formate des Erzählens und in der als ‚erste‘ Form des seriellen Erzählens geltende Status Quo-Serie folglich nichts zu spüren:1 Der Fall ist nach 45 bis 60 Minuten gelöst, das wöchentliche Abenteuer abgeschlossen. In der nächsten Folge sehen sich die Protagonisten einem neuen ‚Monster der Woche‘ gegenüber. Die Figuren erinnern sich nicht an das vorhergehende Abenteuer und können sich nicht entwickeln. Das Aufhören einer Folge führt

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Vgl. weiterführend zu dieser und den folgend beschriebenen Formen seriellen Erzählens: Living Handbook of Serial Narration.

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die Serie immer wieder zum Ausgangspunkt zurück, von dem dann neue, ein Schema und Thema variierende Abenteuer begonnen werden. Die Ausstrahlungsreihenfolge der Episoden ist beliebig. Neben der lebensanalogen Facette mag so das Fernsehen bzw. der hier beschriebene Typus der Fernsehserie seinen Rezipienten als Verkörperung eines Ideals fungieren und eine konstante, stetig fortlaufenden Welt ohne wirkliche Veränderungen präsentieren. Diese zunächst sehr eingehende Unterscheidung beider Medien im Hinblick auf ihre Endlichkeit — das Fernsehen als eben nicht-endend und der Film als endend — lässt sich auf den zweiten Blick jedoch nicht vollends halten — vor allem, wenn zwischen den Systemen Film und Fernsehen sowie deren Produkten bzw. zwischen den Formen des seriellen Erzählens im Fernsehen unterschieden wird.

Das Ende des Systems, das Ende im System

In der ersten Betrachtung sind beide Medien in ihrem prinzipiellen Umgang mit dem Ende als durchaus ähnlich zu begreifen. Wie das Fernsehen stellt das Kino Zeiträume für die jeweiligen Produkte bereit: Im Anschluss an einen Film oder eine Serienfolge wird ein anderer Film oder eine andere Folge gezeigt. Werbung, Trailer, mögliche Vorfilme, der eigentlich Film sowie ein (illegales) Saal-Hopping können also durchaus auch im Kino ein flow-artiges Rezeptionserlebnis, ein aus verschiedenen Elementen und Produkten entstehendes Kontinuum begünstigen.2 Zudem lassen sich sogenannte Cineserien bereits seit den Anfängen des Kinos/des Films beobachten (vgl. Junklewitz/Weber: 337ff.). Wie das Ende des Kinos durch den illegalen Abruf der Filme im Internet und vielleicht mittlerweile durch das Fernsehen als Ort des QTVs bedroht wird, scheint das Ende des Fernsehens durch das Internet gekommen: On-DemandPlattformen lösen den flow des Fernsehens mit seinen festterminiertem Angebot durch eine zeitlich und räumlich individuelle Nutzung ab.3 Übersehen wird bei einer solchen Prognose die Ausformung flow-ähnlicher Strukturen: Die Portale bieten ihre Rezipienten unmittelbare Programmempfehlungen basierend auf dem Gesehenen an, leiten automatisch am Ende einer Folge, sogar unter Auslassung des Vorspanns, in die nächste über. Die On-Demand-Anbieter, die Staffelpässe in Download-to-own-Portalen, aber auch die DVD-Boxen begünstigen das sogenannte binge watching, also den Konsum ganzer Staffeln oder

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Weiterführend zum flow, vgl. Williams. Weiterführend zum ‚modernen‘ flow, vgl. Hahn 2013.

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Serien am Stück. Anderseits verweist das Fernsehen selbstverständlich auf den individuellen Abruf in Mediatheken als Erweiterung seines traditionellen flows.4 Wenngleich das Ende des Fernsehens also verfrüht sein mag, behandelt das Medium sein Ende sehr wohl als hypothetisches Szenario: Beispielsweise spielt das Medium in Star Trek kein Rolle mehr; zum audiovisuellen Unterhaltungsgegenstand ist das Holodeck geworden. Dann ließe sich das Ende des gesamten Mediums auch als Resultat des Weltendes vermuten. Das sogenannte Doomsday-Video des US-Sender CNN sollte das Ende des Sendebetriebs markieren (vgl. Ballaban). In Kommentierung der Übertragung des Anschlags auf das World Trade Center wird nicht nur das Ende des Gebäudekomplexes, sondern letztlich das der Welt und auch des Fernsehens vermutet (vgl. Engell 2006: 138). Das Ende des Fernsehens ist also als Konsequenz eines Einbruchs der Wirklichkeit in das Medium zu verstehen (vgl. ebd.: 140f.). Allerdings zeigt sich am Ende des DDR-Fernsehens, dass nicht das Medium, sondern nur ein Teil des selbigen eingestellt wird. Das übrige Fernsehen berichtet sogar über diesen Endpunkt, greift weiterhin auf das Archiv dieses beendeten Kanals zurück (vgl. ebd.: 137f.). Die auf Produktebene augenscheinlichste Form des Endes ist das Absetzten eines Formats — sei es weil die Geschichten auserzählt sind oder die Quoten keine Fortführung erstrebenswert machen. Da aber nur durch das Enden von Altem auch etwas Neues entstehen kann (vgl. Engell 2005: 16), ist diese Form des Endes ebenso für den Fortbestand des Fernsehens unabdingbar (vgl. Grampp/Ruchatz: 11). Nur so werden Säle, Programmplätze oder die Startseite der On-Demand-App für neue Produkte frei.

Die Serie

Der Umgang einer Serie mit dem Ende und ihrem eigenen Ende, sowie die Frage nach einem Bewusstsein für das eigene Ende lassen sich aus zwei Perspektiven betrachten. Die erste Sichtweise, (a), setzt vor dem Finale oder einer aus der vorzeitigen Absetzung resultierenden letzten Folge ein: Inwiefern führen Serien ihr eigenes Ende bereits in der Konzeption und von Anbeginn mit,

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Dieser Begriff wird hier in Abgrenzung zum klassischen und modernen Fernsehen genutzt. ‚Traditionell‘ beschreibt hier den festterminierten flow des Fernsehens im Gegensatz zum ‚modernern‘ On-demand-gestützen Erlebnis. Die auf dem Paradigmenwechsel der 1970er/1980er Jahren fußende Unterscheidung zwischen klassischem und modernen Fernsehen muss aus Sicht des Autors nicht als deckungsgleich mit der Entwicklung des flows betrachtet werden.

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bzw. inwieweit setzten sie sich mit dem Ende und seiner vielfältigen, einleitend beschriebenen Facetten auseinander? In der zweiten Perspektive, (b), wird die Serie von ihrem Finale aus analysiert, um die in ihrem Verlauf entstandenen, das Ende behandelnden Strukturen sowie die Enden des Produkts selbst zu untersuchen. (a) Das Ende vor dem Ende

Die erste Perspektive der Betrachtung wiederum unterteilt sich in zwei gesonderte Analysen: Zunächst gilt es, neben der Status Quo-Serie, weitere Formen des seriellen Erzählens und ihrer Bezüge auf das Ende zu skizzieren. Diese Beschreibung berücksichtigt zudem den durch das Geschäftsmodell des jeweiligen Senders begründeten Einfluss auf die Serie und ihren Umgang mit dem Ende. In einem zweiten Schritt rückt die von Anbeginn der Serie betriebene Thematisierung des Endes innerhalb ihrer Geschichten, als Zäsur oder fatale Entwicklung, in den Mittelpunkt. (a.1) Das Ende als Resultat der seriellen Form

Die schon vorhergehend charakterisierte Status Quo-Serie kann auf Grund ihres Aufhörens am Ende jeder Episode bei ausbleibender Progression der Figurenentwicklung und Geschichte dem weitgehend als endlos empfundenen, traditionellen Fernsehen zugeordnet werden. Jede Episode ist somit nicht nur als erste, sondern auch stets als letzte Folge der Serie vorstellbar. Diese ‚erste‘ Form des seriellen Erzählens ist wie die drei übrigen Typen ein in mehr oder minder abgeschlossene und somit dem Ende anverwandte Einheiten unterteiltes Produkt. Die kleinste Einheit, die wir hier behandeln wollen, ist der Akt innerhalb einer Episode, dann die Episode selbst, die Staffel, sowie die gesamte Serie. David Chase, der Showrunner der Sopranos (1999–2007) und Autor vieler Folgen der Serie, berichtet — obschon seine Drehbücher keine wesentliche Auszeichnung einzelner Akte kennen —, er habe ein Drei-Akt-Schema im Hinterkopf gehabt (vgl. O’Hehir). Ist die Definition einzelner Akte im abonnentenfinanzierten Pay-TV, wie bei den Sopranos gesehen, wenig expliziter Natur, wird ihre konkrete Ausarbeitung im werbefinanzierten Free-TV oder in einem sowohl aus Werbung und Gebühren rekurrierenden Fernsehen, dem sogenannten Basic-Cable, notwendig: Die Anzahl der Werbepausen wird zur entscheidenden Größe in der Gestaltung der Akte. In Free-TV-Produktionen sind bis zu sieben Akte pro Episode keine Seltenheit mehr (vgl. Douglas: 89).

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Im Gegensatz zum (für das Kino produzierten) Film jedoch erfolgt diese akt-basierte Fragmentierung in der Fernsehausstrahlung einer Folge sichtbar durch den Einschub der Werbung. Selbst in einer werbefreien Rezeption, beispielsweise auf DVD, bleiben die Ab- und Aufblenden wahrnehmbar — als kleines Ende, aus dem heraus sich ein Fortgang der Handlung ergibt. Der Wendepunkt am Ende eines Aktes wird zu einem Binnencliffhanger ausgestaltet, um die Wiederkehr der Zuschauer nach der Werbeunterbrechung attraktiver zu machen. Insofern entpuppt sich das Ende eines Aktes als Zwischenstation, als Zäsur, die auf das Nachfolgende verweist, auf die noch ausstehenden Akte bis zum Ende der Folge. Das Ende einer einzelnen Episode ist als das nächst größere Fragment zu denken: Sowohl in den On-Demand-Plattformen, auf DVD wie auch in den Mediatheken sind die Episoden einzeln anwählbar, bilden eine Sollbruchstelle, nach der die Rezeption theoretisch beendet werden kann. Einzelne Folgen sind zudem eine notwendig begrenzte und endliche Produktionseinheit, um den Beteiligten ein realisierbares Arbeitspensum zu ermöglichen. In einer fortlaufenden Geschichte hingegen wird das Ende der einzelnen Folgen selbst zur Zäsur: Die ‚zweite‘ Form des seriellen Erzählens, die sogenannte Progressive Complete-Serie, zeichnet sich durch den Einsatz partieller horizontaler Handlungselemente aus. Eine Liebesbeziehung wird so Folge für Folge weitererzählt. Die Ebene offeriert dem langfristig die Serie verfolgenden Zuschauer ein zusätzliches Rezeptionserlebnis. Die Reihenfolge der Episoden ist also anders als in der ‚ersten‘ seriellen Erzählform nicht mehr per se beliebig. Dennoch: Der Fall der Woche und dessen Abschluss bestimmen weiterhin jede Folge, sodass das Auslassen zahlreicher Episoden das Verständnis der einzelnen Geschichten nicht grundsätzlich einschränkt. Weit ausgeprägter lässt sich der Zäsur-Charakter der Episodenenden in der ‚dritten‘ (und später der ‚vierten‘) Form des seriellen Erzählens beobachten: Die in Breaking Bad (2008–2013) erzählte Geschichte des krebskranken Chemielehrers und Familienvaters Walter White, der zur eigenen Rettung und der seiner Familie Drogen herzustellen beginnt, wird über 62 Folgen und fünf Staffeln fortgeführt. Der von seiner Planung bis zur Durchführung erzählte Zugüberfall innerhalb einer einzelnen Episode der Serie (S5.05) mag zwar den partiellen Eindruck einer abgeschlossenen Handlung generieren. Der Coup ist aber lediglich ein Vehikel zur Fortführung der Gesamtgeschichte der Serie. Der zunächst erfolgreiche, dann für einen Zeugen tödlich endende Überfall wird das fragile Bündnis zwischen Walter und Jesse erneut zerbrechen lassen (vgl. Hahn 2013: 15).

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Kennzeichnend für die ‚dritte‘ und ‚vierte‘ Form des seriellen Erzählens sind also eine episodenübergreifende, horizontale Narration sowie eine kontinuierlich im Verlauf der Serie fortgeführte Geschichte. Diese Eigenart der progressiven Serie wird als charakteristisch für das QTV betrachtet. Die aufeinander aufbauenden Folgen in einer beliebigen Reihenfolge auszustrahlen, ja selbst die Rezeption einzelner Episoden erweist sich weitgehend unmöglich. Die nächst größere zu betrachtende Einheit, die das Ende eines Handlungskomplexes bzw. eines Teils oder der gesamten Geschichte bedingen kann, ist die Staffel. So sieht sich der Serienkiller Dexter in der gleichnamigen Produktion (2006–2013) immer wieder anderen Gegnern, welche oft selbst Serienmörder sind, gegenüber: In der dritten Staffel tritt Dexter gegen den „Skinner“ an, welchen er am Ende der Staffel zur Strecke bringt. Dexter schafft es sogar noch rechtzeitig zu seiner eigenen Hochzeit — eine scheinbare glückliche Zukunft wäre hier im Falle des Endes der Serie vorstellbar. Doch ein letzter, Dexter noch an der Hand haftende Blutstropfen fällt schließlich auf das Hochzeitskleid seiner Ehefrau (S3.12). Die Zukunft des Paares steht somit unter keinem guten Vorzeichen und wäre wohl als ungewiss zu beschreiben. Tatsächlich folgen aus diesem Ende weitere Staffeln. Noch genauer wird eine staffelspezifische Einheit in einer Serie wie Broen (seit 2011; Die Brücke) offenbar: In dieser Serie wird je Staffel ein Fall erfolgreich zur Aufklärung gebracht, also abgeschlossen. In der folgenden Staffel hat das Ermittlerteam — ohne die vorhergehenden Ereignisse vergessen zu haben — einen weiteren Fall zu klären. Trotz dieser übergreifenden Elemente sind die einzelnen Staffeln jeweils für sich rezipierbar (vgl. Hahn 2014: 287f.). Der Charakter eines nach einer bestimmten Anzahl von Episoden absehbar endenden Abenteuers wird meist konkret in der Bezeichnung der Produkte als „Mehrteiler“ oder „limitierte Eventserie“ kommuniziert. Diese staffelnarrativen Konzepte sind als Verwandte der ‚vierten‘ seriellen Form zu begreifen: Der Miniserie.5 In seriellen Diskursen wird dieser Typus jedoch weitgehend ausgeschlossen — so findet er bisweilen nur als Fußnote Erwähnung (vgl. Grampp/Ruchatz: 3). Diese Abgrenzung ist womöglich der Nähe der Miniserie zum Film bzw. dem Verständnis der Miniserie als ‚Film in mehreren Teilen‘ geschuldet (vgl. Hahn 2014: 282f.). Allerdings zeigt sich an den Charakteristika der progressiven Serie — etwa der horizontalen Narration — nicht nur die Verwandtschaft der Miniserie zur ‚dritten‘ Form des seriellen Erzählens, sondern mit der Assoziation dieses Typus als „Megamovie“ (Canby) auch die Nähe der progressiven Serialität zum Film.

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Vgl. weiterführend zur Miniserie: Hahn 2014 und Living Handbook of Serial Narration.

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Viele der mit der Miniserie verwandten Produktionen dienen zudem auch als Testfeld — sollte die Serie nicht verlängert werden, kann das relative abgeschlossene Staffelnarrativ als ein ebenso abgeschlossenes Produkt vermarktet werden. In der ‚vierten‘ Form ist das Ende des Staffel-Handlungsstranges oder des Mehrteilers von Anbeginn weitgehend im Detail geplant (vgl. Hahn 2014: 287f.; Living Handbook of Serial Narration). Hingegen entspricht das Konzept des Endes in der ‚dritten‘ Form einer Suggestion — beispielweise in Breaking Bad: Die möglicherweise tödlich endende Krankheit des Hauptprotagonisten Walter White strahlt die Aura aus, der Wandel innerhalb der Serie müsse irgendwann einen entsprechenden Abschluss finden — entweder im Besiegen der Krankheit oder ihrem tödlichen Ende. Schon der Titel einer Serie wie How I Met Your Mother (HIMYM, 2005–2014) deutet ein konkretes Ziel an — eben das Auserzählen der ersten Begegnung der Hauptfigur Ted mit der Mutter seiner beiden Kinder. Parallel zu den Dreharbeiten an der ersten Staffel der Sitcom wurden bereits einige Aufnahmen für das Ende der Serie vorproduziert (vgl. O’Connell) — allerdings in einer Wendung weniger im Hinblick auf das suggerierte Ziel, als der Suche nach Teds Seelenverwandten Robin (S9.24). Hingegen zeichnet sich Babylon 5 (1994–1998) durch ein konkretes Konzept aus, das von vorneherein das Ende der Serie nach fünf Staffeln vorsah (vgl. Haupts: 100). Die Umschreibung des Endes als Suggestion deutet schon an, dass der Wandel und sein Ende nicht im Detail bereits von Anbeginn durchdekliniert werden: Bestimmte nicht im Detail genau antizipierbare Ereignisse außerhalb der Serie — der mögliche Ausstieg von Schauspielern, die Rückmeldungen von Zuschauern und Kritikern, sogar das Weltgeschehen — müssen kompensierbar bleiben. Selbst Babylon 5 operierte daher unter Verwendung sogenannter trapdoors, um den etwaigen Ausstieg von Schauspielern durch nur geringfügige Eingriffe in die Geschichte auszugleichen (vgl. ebd.: 100). (a.2) Das Ende als Zäsur und fatale Entwicklung

In der ‚dritten‘ und ‚vierten‘ Form des seriellen Erzählens haben wir bereits den Zäsur-Charakter des Endes in einer fortlaufenden Geschichte kennen gelernt: Das Ende markiert eine Einheit, die gleichsam anschlussfähig sein kann. Innerhalb der in den seriellen Formen erzählten Geschichten lassen sich zwei Arten von Zäsuren bestimmen — am Anfang der Serie und in ihrem Verlauf. Wie in der Film-Dramaturgie steht ein Initialmoment am Anfang vieler Serien: In Breaking Bad ist diese normale Welt die des beruflich unterforderten, moderat bezahlten Lehrers Walter White. Seine Familie lebt in einem kleinen Haus der

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suburbanen Vorstadt. Walters Sohn ist behindert, seine Frau erwartet Nachwuchs. Da erreicht nicht nur die Diagnose einer womöglich tödlichen Erkrankung Walter, sondern einhergehend auch die Gewissheit, dass die Versicherung die Behandlung nicht übernehmen wird. Mit dem Entschluss, eine kriminelle Karriere zu beginnen, betritt Walter eine neue Welt. Entsprechend des Zäsurcharakters und des für eine progressive Serie charakteristischen Gedächtnisses wird das dem Einschnitt Vorhergehende im Folgenden nicht obsolet: So ist das spießige Vorstadtleben für Walter im Verlauf der Serie immer wieder Auslöser von Abscheu und Sehnsuchtspunkt gleichermaßen — wir kommen später darauf zurück. Mit einer Zäsur — allerdings katastrophalen Ausmaßes — beginnt auch The Walking Dead (seit 2010). Die Menschheit wird von einer viralen Apokalypse heimgesucht. Staatliche Strukturen und bekannte Wertvorstellungen haben sich aufgelöst oder müssen neu verhandelt werden. Das Vorhergehende scheint auch hier durch die Katastrophe zunächst beendet, und ist es eben doch nicht: Die im Vorfeld des Ereignisses bereits angelegte Dreiecksbeziehung zwischen Rick, seiner Frau und Shane zieht sich durch die folgende Staffeln (mindestens bis zum Tode Shanes in S2.18). Als Zäsur entpuppt sich so also auch das Ende einzelner Figuren: In der Episodenserie gehört der Tod der Hauptfiguren als mögliches, wenn auch stets abwendbares Szenario zur Geschichte einzelner Episoden, während in Krimioder Arztserien der Tod schlicht im Setting der jeweiligen Serien verankert ist. In der progressiven Serie/der Qualitätsserie ist der Tod essentieller Figuren — wie die Shanes — kein ausgeschlossenes Phänomen mehr: Es sterben derart viele Figuren, dass das Auslassen einzelner Episoden die Zuschauer mit einem beinahe ausgewechselten Ensemble konfrontiert. Der beschriebenen DaseinsAnalogie des Endes einerseits bzw. des auch in der Zäsur mittransportierten Charakters eines fortlaufenden Lebens anderseits wird innerhalb der progressiven Serie Ausdruck verliehen: Die Serie bricht nicht ab, die Hinterbliebenen müssen in der nach der Zäsur für immer veränderten und doch fortbestehenden Welt ihr Leben bestreiten. Zäsuren im Verlauf einer Serie müssen jedoch nicht immer tödlicher Natur sein: In The Wire (2002–2008) gibt McNulty seine Arbeit in der Major Case Unit auf und lässt den aus seiner Sicht wohl an die berufliche Belastung gekoppelten, unstetigen Lebenswandel hinter sich: Er kehrt zum Streifendienst zurück — in Erinnerung, dass er sich dort, vor seiner Karriere als Detective, glücklich gefühlt habe — und möchte fortan eine dauerhafte Beziehung eingehen (S3.12).

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Von einer Bezugsnahme serieller Produkte auf das Ende lässt sich auch dann sprechen, wenn sie sich negativ abzeichnender gesellschaftlicher Entwicklungen annehmen: In The Wire werden stellvertretend an der USamerikanischen Stadt Baltimore das Ende des Industriezeitalters und die Konsequenzen des postindustriellen Zerfalls der westlichen Welt thematisiert. Die einstmals vom Hafen bestimmte, nun aber unter Arbeitslosigkeit und Leerstand leidende Stadt wird von drogenbedingten Verbrechen zerfressen. (b) Die Betrachtung des Endes vom Ende

Auch Status Quo- bzw. Progressive Complete-Serien können eine Art Selbstreflexion am Ende ihrer Laufzeit entwickeln. Dies zeigt sich etwa am Ende von Seinfeld (vgl. Grampp/Ruchatz: 21ff.): In diesem spielt die Serie verschiedene Enden ihrer selbst durch, ohne sich jedoch für eine Variante zu entscheiden — die Serie bleibt sich somit im Wissen, obgleich des Bewusstseins, dass sie theoretisch ein konkretes Ende haben könnte, letztlich treu. Die progressive Serie — das haben wir bereits gesehen — erzeugt den Eindruck, dass sie ein finales Ziel erreichen und sie dieses, gesetzt dem Fall eines planbaren, also nicht absetzungsbedingten Endpunktes, auch zeigen könne: Ähnlich wie im Film wird der gesamten Serie schlussendlich eine neue Bedeutung gegeben — z.B. wenn nicht nur Teds Kinder, sondern auch wir erfahren, dass es in der vorgehenden Erzählung von HIMYM wesentlich um die Beziehung zu Robin ging (S9.24). Im Rückblick auf eine progressive Serie lässt sich ebenfalls die Entwicklung ihrer Geschichten und Figuren erkennen. So auch in Breaking Bad: Vom verkannten Genie, Lehrer und Ehemann hat sich Walter White zum gefürchteten Drogenproduzenten entwickelt. Doch gleichsam offenbaren sich in der Serie, obschon dieser Metamorphose, serielle Momente in einem progressivwiederholenden Sinne: Walter will nach dem von ihm mitverschuldeten Flugzeugabsturz6 endgültig der Drogenproduktion absprechen (S2.13 und S3.01). Als Jesse Walters Platz als „Koch“ einnehmen soll, fühlt sich dieser in seiner Eitelkeit verletzt und sieht sich veranlasst, wieder selbst die Leitung über sein Werk zu übernehmen (S3.04). Alsbald springt Walter jedoch Jesse bei und gefährdet so das noch frische Arbeitsverhältnis: Jesse will die von Gus Fring, dem Auftraggeber der beiden, zum Vertrieb eingesetzten Dealer, welche keineswegs

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Walter entscheidet sich bewusst gegen die Rettung Janes, der drogensüchtigen Freundin Jesses und Tochter jenes Fluglotsen, welcher von Trauer ergriffen, die fatale Annäherung der Flugzeuge übersieht.

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vor dem Einsatz von Kindern als Mörder zurückschrecken, zur Rechenschaft ziehen (S3.12). Walts Leben und das seiner Familie sind fortan bedroht, sodass ihm zum erneuten Ausstieg nur der Mord an seinem Finanzier zweckdienlich scheint (S4.13). In einer Wellenbewegung oszilliert Walters Verhalten also zwischen zwei Gegensatzpaaren: Einerseits fühlt er sich seiner Familie gegenüber verpflichtet und für ihren Schutz verantwortlich. Anderseits empfindet er gegenüber der kleinlichen Vorstadtwelt Ablehnung. Im zweiten Gegensatzpaar genießt Walter einerseits jene Anerkennung, die ihm in Konsequenz seiner Fähigkeiten als Chemiker und Gewaltverbrecher entgegen gebracht werden. Andererseits aber empfindet er die stetigen Bedrohungen als widerwärtig. Es wirkt so, als ob sich Walter im Verlauf der Serie und über die zwei dort dargestellten Jahre seines Lebens nicht von bestimmten Verhaltensweisen befreien könnte. Durchaus analog zur geflügelten Behauptung, ein Individuum vermag sich nur eingeschränkt zu ändern und verfalle immer wieder in vorherige Muster zurück, offenbart die längerfristige Erzählung lebensanaloge Charakteristika bei gleichzeitiger Verdeutlichung der doch schlussendlichen Finalität des Dasein in Form von Walters Tod (S5.16). Diese auch als zyklisch zu bezeichnenden Strukturen innerhalb einer Serie sind den als wiederkehrend deklarierten Enden ganzer Serien ähnlich (vgl. ebd.: 21f.): In Battlestar Galactica (2004–2009) erfahren wir schließlich (S4.22), dass die Serie nicht in der Zukunft angesiedelt ist, sondern die letzten Überlebenden der Menschheit die Erde lange vor unserer Zeit erreichen und besiedeln. Wir als ihre Nachfahren laufen Gefahr, die Entwicklung künstlicher Intelligenz und den unbedarften Umgang mit dieser, welcher letztlich die Maschinenwesen zur Vernichtung der Menschheit anspornt, zu wiederholen. Eine Serie wie The Wire operiert hinsichtlich ihres Endes an der Grenze zwischen dem zyklischen Ende wie auch einer weiteren Kategorie des Finales: Dem öffnenden Ende (vgl. ebd.: 23f.). McNulty wird in der fünften Staffel aus seinem ruhigen Job, seinem nun gefestigten Leben zurück in die Mordkommission versetzt. Noch immer hat er ein Gespür für Zusammenhänge, kann sie in diesem Kriminalfall aber nicht beweisen. So verfällt er erneut dem Alkohol und betrügt seine Freundin. Wenig scheint sich für ihn zum Positiven gewandelt zu haben — eben altbekannte Muster treten in ihm zu Tage. Doch McNulty gelingt es, seinen Frieden mit der ambivalenten Stadt und seinem Leben zu machen: Im Anschluss an seine auf manipulierten Beweisen fußende, aber erfolgreiche Ermittlungsarbeit wird McNulty versichert, er werde nie wieder wirkliche Polizeiarbeit leisten dürfen. In einem doppelten Sinne kehrt er „nüchtern“ zu seiner Lebensgefährtin zurück. Am Ende der letzten Folge sehen wir McNulty in einem Anflug von Skepsis bei gleichzeitiger Hoffnung auf die Sil-

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houette von Baltimore blicken (S5.10). Ob sich nun die in McNulty angelegten Tendenzen oder die der gesamten Stadt wiederholen oder fortsetzen bzw. es umgekehrt im Kleinen eine Chance für einen positiven Wandel gibt, bleibt der über das Serienende hinaus weiter (in den Köpfen des Publikums) existierenden diegetischen Welt vorbehalten. Die Serie verweigert ein klares Ende (vgl. ebd.: 23). Einen konkreten Schluss (als weitere Formierung des Endes — vgl. ebd.: 18) bietet das mit dem Tod der Hauptfigur Walter White einhergehende Serienende von Breaking Bad. In miniseriellen Produktionen wird ein Abschluss in Form etwa der Aufklärung und Entlarvung des Mörders erreicht (z.B. in Die Brücke). Das Ende von HIMYM schließt Teds Suche ab, verweist aber auf seine gemeinsame Zukunft mit Robin: „Das Leben wird anders sein.“ (Ebd.: 19) Wir als Zuschauer konnten daher nur eine Phase im Leben dieser Hauptfiguren oder fiktiven Welt verfolgen. Was sich an die letzte Folge anschließt (oder auch der ersten Folge vorhergeht), könnte hier ebenfalls im Geiste der Rezipienten fortgesetzt oder von den Machern selbst fortgeführt werden: Prequels, Sequels und Franchise-Modelle (Spin-off) sind hier mögliche Wege. Nicht selten ist eine Fortsetzung in anderen Medien — etwa in einer kanonischen oder nichtkanonischen (also als offiziell der diegetischen Welt zugehörige) Romanreihe — oder der sogenannten Fanfiction möglich. Dem schließenden Prinzip ordnen Grampp/Ruchatz auch jene Finale zu, die den Bruch mit den bisherigen seriellen Erzählprinzipien zelebrieren. So befreit sich Frasier schlussendlich aus dem stagnierenden Prinzip der gleichnamigen Serie (1993–2004) und steuert endlich eine progressive, nicht revidierbare Zukunft an (vgl. ebd.: 19). Dieser Wandel muss nicht wie bei Frasier erst mit dem Finale vollzogen werden. In einer Serie wie Star Trek: Deep Space Nine (1993–1999) setzt dieser Umbau früher ein: Die Erzählstruktur der Serie hat sich im Verlauf der sieben Staffeln weitgehend von einer Episodenserie zu einer progressiven Serie entwickelt: Bestimmte Konflikte — der Krieg mit den Klingonen (S4 und S5) sowie jener gegen das Dominion (S6 und S7) — prägen weite Teile der Episoden. Schließlich bilden die letzten zehn Folgen der finalen Staffel eine Handlungseinheit aus. Progressive Serien entwickeln — wenn sie nicht ohnehin ein relativ konkretes Ziel und Ende von Anbeginn verfolgen oder suggerieren — frühzeitig und nicht erst in der letzten Folge ein Bewusstsein für ihr eigenes Ende. Der Fortbestand der diegetische Welt über die letzte Folge hinaus wird hingegen in Form des sogenannten löschenden Finales aufgegeben (vgl. ebd.: 20.): Die Gemachtheit des Produktes wird offensichtlich. Die Figuren bedanken sich bei uns, ihrem Publikum, die Kulissen werden als solche entlarvt und das Stu-

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diolicht abgeschaltet (vgl. ebd.: 20f.). Oder aber die diegetische Welt wird vollständig zerstört (vgl. ebd.: 21f.): Die von den menschenähnlichen und uns auch technologisch vergleichbaren Echsen in Dinosaurs (1991–1994) verursachte Umweltverschmutzung führt zu einer sie alsbald aussterben lassenden Eiszeit.

Fazit

Das Fernsehen ist in seinem traditionellen, aber auch modernen flow zwischen dem Ende im Sinne des Aufhörens, der Zäsur und dem finalen Ende sowie einem immerwährenden Fortgang zu verorten. Die ‚erste‘ und ‚zweite‘ Form des seriellen Erzählens sind Folge für Folge durch ein kurzfristiges Ende geprägt, betreiben aber eine Leugnung des Endes, indem immer wieder zum Ausgangspunkt zurückgekehrt wird und neue Folgen aus dieser Situation heraus erzählt werden. Sie verweisen auf ein fortlaufendes aber stagnierendes, beinahe idealistisch einem graduellen Stillstand entsprechendes Leben. In der ‚dritten‘ und ‚vierten‘ Form des seriellen Erzählens wird weder der fortlaufende Charakter des Lebens noch die Möglichkeit wiederkehrender Prozesse negiert. Beide Aspekte jedoch stehen in diesen seriellen Erzählweisen im Kontext eines progressiven, aufeinander aufbauenden und gleichsam (irgendwann) endlichen Gedankens. Diese Charakteristika sind nicht ausschließlich der progressiven Serie vorbehalten: Auch im Film sind derartige Tendenzen auszumachen. Der Held fällt unter Umständen während oder am Ende des Abenteuers in alte Verhaltensweisen zurück (vgl. Vogler: 38f. und 353). Dennoch wird hier, trotz vieler ersichtlicher Analogien des Films und der progressiven Fernsehserie, ein entscheidender Unterschied zwischen beiden Bewegtbildprodukten deutlich: Der progressiven Serie steht mehr Zeit zu Verfügung, etwaige zyklische Verhaltensweisen und die Endlichkeit im Allgemeinen sowie ihre Gesamtgeschichte umfassend auszuerzählen und erlebbar zu machen. Die selbstreflexive Auseinandersetzung der modernen Serie mit dem (Wunsch nach) Stillstand und Wandel, der Progression und dem Ende innerhalb eines einzelnen Produktes entpuppt sich als eine wesentliche weitere Facette im Streben der QTV-Serie nach Realismus: Die Ambivalenz des Lebens und des Daseins kann von derartigen Serien gleichermaßen erfasst werden.

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Der Antiheld als Held Komplizenschaft als Möglichkeit der TV-Rezeption Nora Hannah Kessler

„Alles, was Richard tut, ist Greuel; aber alle diese Greuel geschehen in Absicht auf etwas; Richard hat einen Plan; und überall, wo wir einen Plan wahrnehmen, wird unsere Neugierde rege; wir warten gern mit ab, ob er ausgeführt wird werden, und wie er es wird werden; wir lieben das Zweckmäßige so sehr, daß es uns, auch unabhängig von der Moralität des Zwecks, Vergnügen gewähret.“ (Lessing: 599 f.) Der Antiheld Fernsehserie

Obwohl das Fernsehen, neben dem Internet, das bevorzugte Unterhaltungsmedium unserer Zeit ist, wurde es bislang aus einem bildungsbürgerlichen, an den Leitmedien Buch und Film orientierten Kunstverständnis heraus marginalisiert und diffamiert. Erst recht eine seiner spezifischsten narrativen Formen ist traditionell der Underdog literaturwissenschaftlicher Bezugnahme: Die Fernsehserie. Mit dem Aufkommen neuerer TV-Serien, vornehmlich USamerikanischer Provenienz, wie paradigmatisch The Sopranos (1999–2007), The Wire (2002–2008), Breaking Bad (2008–2013) oder Mad Men (2007–2015), hat sich dies zweifellos geändert. Inzwischen schauen wir nicht nur wie die Weltmeister Serien, wir dürfen auch darüber sprechen, ja öffentlich emphatisch Lobeshymnen anstimmen. Mit Begriffen wie „Quality TV“ (Thompson 1996),

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„Art TV“ (Mittell 2006) oder „Auteur Series“ (Dreher 2010) wird die kontemporäre TV-Serie als strahlender Held der Populärkultur gefeiert. Der ehemalige Antiheld ist zum Helden geworden. Allerdings ist der Begriff der Qualität, um den der Diskurs zur neueren Fernsehserie kreist, ebenso zentral wie problematisch. So artikuliert sich in der Rede von der besonderen Qualität dieser Serien eine Selbstlegitimationstrategie des Diskurses zum seriellen Erzählen, die sich ganz wesentlich über eine Abgrenzung oder gar Abwertung von anderem, etwa älteren Fernsehserien, wenn nicht dem restlichen Fernsehen insgesamt speist. Die Rede vom Qualitätsfernsehen klingt dann ein bisschen wie die Rede vom ‚besseren‘ Fernsehen bzw. von einem Fernsehen, das eigentlich schon gar kein Fernsehen mehr sein will („It’s not TV. It’s HBO.“). Wer die neuen Serien nun aber gar als neue Kunst feiert, wird dem Gegenstand nicht gerecht. Und zwar nicht etwa deshalb, weil diese Serien nicht in der Tat visuell und narrativ hochartifiziell wären; problematisch ist vielmehr, dass dabei ein charakteristisches Merkmal aus den Augen gerät: Die besondere Verbindung von Komplexität und breitenwirksamer Unterhaltung. Denn bezeichnenderweise bleiben ja auch diese Serien, wenn schon nicht an das Medium Fernsehen gebunden, so doch zumindest ein kommerziell erfolgreiches Produkt, das nicht nur ein hochgebildetes Nischenpublikum adressiert, sondern expressis verbis den Mainstream. Problematisch ist die Rede von der besonderen Qualität dieser zweifellos aufregenden Serien aber auch deshalb, weil in der Diskussion um diesen Gegenstand keineswegs immer schon zufriedenstellend geklärt würde, was denn die spezifischen Kriterien für dieses Qualitätsurteil sind. Die dabei angeführten Merkmale, wie z.B. eine größere narrative Komplexität oder besondere Ästhetik, sind in der Regel so allgemein, dass eine nähere Definition entweder so eng ausfällt, dass letztlich nur eine sehr kleine Anzahl von Serien überhaupt zum neuen Kanon der Fernsehunterhaltung gezählt werden kann, oder so weit, dass fraglich ist, ob sich diese Merkmale dann überhaupt noch als Abgrenzungskriterium eignen (zur Kritik am Begriff des „Quality TV“, vgl. Frizzoni 2012; Kirchmann 2010). Problematisch ist die Rede vom Qualitätsfernsehen schließlich auch dann, wenn sie eine Art Kurzschluss zwischen dem Interesse am Gegenstand und der besonderen Qualität dieses Gegenstands evoziert. So, als ob sich das Interesse an einem Gegenstand so umstandslos aus seiner besonderen Qualität ableiten ließe. Wie problematisch dies ist, können nicht zuletzt die betreffenden Serien selbst lehren. So stellen diese nicht selten Figuren ins Zentrum ihrer Narration, die nur noch sehr bedingt, wenn überhaupt, über intrinsische, d.h. in diesem Fall charakterliche Merkmale verfügen, die ein Sympathisieren mit ihnen recht-

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fertigen würden. Und doch sind es in vielen Fällen ausgerechnet diese Figuren, die der Rezeption zur Parteinahme angeboten werden bzw. denen zumindest das hauptsächliche Interesse gilt. Wenn bislang von der Fernsehserie als ehemaligem Antihelden die Rede war, dann geht es im Folgenden also um die buchstäblichen Antihelden1 innerhalb dieser Serien. Und zwar nicht nur, weil diese die neueren Fernsehserien tatsächlich zu Hauf bevölkern, sondern auch und vor allem deshalb, weil sich dieser Gegenstand wie kaum ein anderer dazu eignet, die Parameter von Parteinahme auszuloten. Die Antihelden werden dabei zum Prüfstein einer Theorie, die Anteilnahme oder Parteinahme auf Sympathie und damit letztlich auf bestimmte intrinsische (Qualitäts)Merkmale zurückführt. Ich schlage stattdessen ein Konzept der Parteinahme vor, das sich am Modell des Komplizen orientiert, da Komplizenschaft Parteinahme nicht (wie etwa im Rahmen des Qualitätsdiskurses) an bestimmte intrinsische Merkmale bindet, sondern mit Involviertheit begründet. Insofern der spezifische Umgang dieser neuen Serien mit Antihelden immer wieder als eines der charakteristischen (Qualitäts)Merkmale des „Quality TV“ angeführt wird (zu den zwölf Merkmalen der Qualitätsserien, vgl. Thompson 1996; Blanchet 2011), lässt sich an diesem Gegenstand schließlich der Frage nachgehen, ob und inwiefern sich aus dem spezifischen Umgang mit Antihelden tatsächlich eine ihrerseits spezifische Qualität dieser neuen Serien ableiten lässt.

Antihelden in Serie

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind Figuren, die einerseits in vielerlei Hinsicht böse und bösestböse sind, andererseits aber zugleich zur Parteinahme einladen. Ich denke dabei etwa an Walter White aus Breaking Bad, Dexter Morgan aus Dexter (2006–2013), Hannibal Lecter aus Hannibal (2013–2015), Patty Hewes aus Damages (2007–2012), Francis „Frank“ Underwood aus House of Cards (seit 2013), Dr. Gregory House aus House M.D. (2004–2012) oder auch Tony Soprano aus The Sopranos. Die Liste ließe sich beliebig fortführen.

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Die Verwendung des Begriff des Antihelden wird im Folgenden nicht terminologisch exakt (vgl. z.B. Döhl: 17), sondern recht frei gemäß dem alltagsweltlichen Gebrauch benutzt, um Figuren zu bezeichnen, die in ihrem Verhalten und Empfinden moralischen (oder auch ästhetischen) Maßstäben, wenn überhaupt nur bedingt genügen, trotzdem aber im Mittelpunkt der Narration stehen und der Rezeption zudem vor allem zur Parteinahme angeboten werden.

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Bemerkenswert an diesen Helden ist weniger deren teilweise besondere Schlechtigkeit; bemerkenswert ist vielmehr, dass dabei ausgerechnet die Funktionsstelle des Protagonisten mit Figuren besetzt wird, denen traditionell die Antagonistenposition vorbehalten war. Im Extremfall stehen sich dann tatsächlich einmal ein ‚böser‘ Held und ein ‚guter‘ Widersacher gegenüber, wie etwa in Breaking Bad Walter White seinem Schwager Hank Schrader. Das übliche Schema von Gut und Böse, das sich im Modellfall auf die Funktionsstellen Protagonist und Antagonist verteilt, wird von den neueren Serien jedenfalls in vielen Fällen souverän variiert. Ein einfaches Beispiel sei zur Veranschaulichung angeführt, wenn hier von der grundsätzlichen Möglichkeit des Mitfieberns mit einer Figur zweifelhaften Charakters ausgegangen wird. Das Beispiel stammt aus der Showtime-Serie Dexter. In dieser Serie geht es um einen jungen Mann, Dexter Morgan, der einerseits tagsüber den respektablen Beruf eines Forensikers ausübt — er arbeitet beim Police Department Miami als Blutspurenanalyst —, der sich andererseits aber nachts der seriellen Tötung von Schwerverbrechern hingibt. Tatsächlich ist sein Begehren triebhafter Natur und von ihm nicht grundsätzlich zu beherrschen, sondern allenfalls zu kontrollieren. Mit anderen Worten: Dexter ist ein psychopathischer Serienkiller. Obwohl sein Verhalten also moralisch und rechtlich mehr als problematisch ist, lässt sich zeigen, dass wir trotzdem, zumindest partiell, für ihn hoffen und bangen können. In der Episode „In the Beginning“ (S5.10) befindet sich Dexter in der Wohnung von Alex Tilden, einem Schwerkriminellen, der nun Dexters Opfer wird. Während Dexter noch die Wohnung für die folgende Tötung präpariert, macht sich die Polizei auf den Weg zu dieser Wohnung. Etwas, was die Zuschauer wissen, nicht aber Dexter. In Parallelmontagen sehen wir, wie Dexter sich nichts ahnend und in aller Ausführlichkeit seinem Opfer widmet, während sich die Polizei rasch dem Haus nähert. Die Szene kulminiert in dem Moment, in dem die Polizei schließlich mit einem Ruck die Tür öffnet, hinter der wir Zuschauer Dexter vermuten dürfen. Der Raum ist natürlich leer, Dexter befindet sich im Nachbarhaus und kann die Tötung in aller Ruhe zu Ende bringen. Tatsächlich ist diese Situation sehr spannend. Sie entspricht strukturell dem, was Alfred Hitchcock unter dem Begriff der SuspenseSpannung verstanden hat: Eine intensive Form von Spannung, die entsteht, wenn Rezipienten einen Leben oder Tod betreffenden Informationsvorsprung gegenüber den Figuren haben, für die sie Partei ergreifen (vgl. Truffaut: 64). In der Tat bedroht die unmittelbar bevorstehende Entdeckung Dexters nicht nur den Protagonisten, sondern letztlich auch die Serie existentiell. Und so ist diese Szene narrativ und dramaturgisch darauf angelegt, dass wir, obwohl dieser Pro-

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tagonist unseren ethisch-moralischen Maßstäben nicht nur grundsätzlich, sondern obendrein ganz konkret in dieser Situation zuwiderhandelt, nicht etwa Dexters Entdeckung herbei hoffen, sondern tatsächlich um ihn fürchten. Mit anderen Worten: Wenn wir in diesem Moment Spannung erlebt haben, dann haben wir aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem soziopathischen Serientriebtäter mitgefiebert.2 Ob wir das nun wollen oder nicht. Allerdings werfen Beobachtungen dieser Art Fragen auf. Denn üblicherweise wird Anteilnahme oder Parteinahme mit Sympathie und Sympathie wiederum mit einer positiven Bewertung der Figur erklärt.

Moralische Bewertung als Voraussetzung für Sympathie

Die Argumentationsstruktur zur Erklärung von Parteinahme ist üblicherweise zweistufig: Wenn wir eine Figur positiv evaluieren, d.h. ihr Handeln unter vor allem moralischen Gesichtspunkten im weitesten Sinne positiv bewerten, können wir mit der betreffenden Figur im besten Falle sympathisieren. Und wenn wir eine Figur sympathisch finden, ist es darüber hinaus möglich, dass wir schließlich mit ihr ‚mitfiebern‘, für sie hoffen und bangen, d.h. für sie Partei ergreifen.3 Die ‚bösen‘ Helden werden hier zum Prüfstein der Theorie, insofern es geradezu die Pointe dieser Figuren ist, dass diese sich zur Parteinahme anbieten, obwohl sie nicht moralisch integer (d.h. eben nicht positiv evaluiert werden können) und auch nicht in jedem Fall sympathisch sind. Der erste Schritt der Theorie, dass Sympathie davon abhängig ist, dass die betreffende Figur sich moralisch positiv verhält, lässt sich noch vergleichsweise problemlos relativieren bzw. an die Erfordernisse der ‚bösen‘ Helden anpassen.

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Man kann hier nicht einmal argumentieren, dass der Gegenspieler so böse ist, dass man in Relation dazu das Gelingen der Aktion der weniger Bösen bevorzugen würde; denn in diesem Fall ist die Polizei zwar ein Gegenspieler des Protagonisten, zugleich aber maximal positiv gezeichnet. Sie will die Bösewichter ebenfalls, wenn auch auf legalem Wege, zur Strecke bringen. Außerdem handelt es sich zudem nicht nur um Kollegen von Dexter, sondern auch noch um seine Schwester, Debra Morgan, die ebenfalls als eine sehr positiv gezeichnete Hauptfigur begriffen werden darf. Eine gute Zusammenfassung solcher Theorieansätze findet sich bei Jens Eder, der ein sehr ausführliches Buch zur Figur im Film geschrieben hat. Er schreibt: „Die positive Bewertung führt jeweils zu unterschiedlich sympathisierenden Gefühlen der emotionalen Zuwendung, Anerkennung, Wertschätzung, des ‚Mögens‘ und Sich-Hingezogen-Fühlens. Darüber hinaus entwickelt sich eine dauerhafte Haltung der Sympathie als Tendenz, in folgenden Situationen Partei für die Protagonisten zu ergreifen.“ (Eder: 687f.)

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So schreibt Jens Eder zur Parteinahme mit moralisch ambivalenten Figuren im Film, dass Moral ein dehnbarer Begriff ist und die moralische Evaluation im Zusammenhang mit bestimmten Rahmenbedingungen steht (vgl. Eder: 670 f.). Narrationen verfügen demnach über zahlreiche Strategien, um die positive Evaluation zu erleichtern, die Unmoral der Figuren ein Stück weit zu entlasten und uns Rezipienten die Figuren trotz allem sympathisch erscheinen zu lassen. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang nicht nur die Motivierung der Taten, etwa durch Notwehr oder Rache, die Gegenüberstellung von noch böseren Bösen (z.B. in Dexter oder Hannibal die anderen Serienkiller) oder eine ansonsten positive Figurengestaltung. So kann die Figur attraktiv sein (Dexter Morgan), kultiviert und charmant auftreten (Hannibal Lecter), die Funktion des Helfers oder Mentors übernehmen (Hannibal Lecter) oder auf ihrem Gebiet technisch oder intellektuell überragend sein (Walter White als Heisenberg, Dr. Gregory House als genialer Diagnostiker). Desweiteren kann die Narration suggerieren, dass der Zweck die Mittel heiligt (etwa bei Walter White, der zunächst lediglich seine Familie absichern will) oder die Umstände oder Bedingungen diskreditieren, unter denen der Held quasi nicht anders konnte, als so zu werden, wie er ist. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, wobei das Argument in jedem Fall darauf hinausläuft, dass sich das Böse in irgendeiner Weise relativieren lässt. Im Falle Dexters etwa ließe sich z.B. nicht nur anführen, dass dieser gar nicht anders kann, denn sein ‚böses‘ Begehren ist ja tatsächlich triebhafter Natur. Zudem lässt sich das Böse in diesem Fall auf die traumatischen Erlebnisse in seiner frühen Kindheit zurückführen. Dexter war als dreijähriger Junge Zeuge der brutalen Ermordung seiner Mutter und musste tagelang in einem Container, im Blut der Mutter sitzend, zubringen, bevor er gefunden wurde. Böse ist mithin ursprünglich nicht Dexter selbst, sondern es sind die Umstände, aus denen er hervorging. Darüber hinaus kontrolliert Dexter seinen Trieb (im Unterschied zu seinen Gegenspielern wie etwa seinem Bruder Brian Moser oder seiner zeitweiligen Geliebten Lila West): Er gibt sich einen Code („Code des Harry“), nach dem er ausschließlich Menschen tötet, die sich ihrerseits schwer schuldig gemacht haben, der Justiz aber entkommen konnten. Er stellt seine Taten mithin zusätzlich in den Rahmen der Selbstjustiz, vor dem sie zumindest tendenziell anders diskutiert bzw. evaluiert werden können, als vor dem Rahmen einer reinen Bedürfnisbefriedigung. Die herkömmliche Theorie kann also erklären, warum wir in bestimmten Fällen mit einer Figur zweifelhaften Charakters sympathisieren; was die Theorie aber nicht erklären kann, ist, warum wir selbst dann noch für eine Figur hoffen und bangen, die uns nicht sympathisch geworden ist.

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Sympathie als Voraussetzung für eine Parteinahme

Zum Beispiel könnten die sympathiestrategischen Rahmungen versagen, sodass uns die betreffende Figur trotz allem nicht sympathisch geworden ist. Zudem dürfte das Sympathisieren auch abhängig von individuellen oder subjektiven Dispositionen sein, sodass ein und dieselbe Figur von verschiedenen Rezipienten je unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden kann. Zudem mag das Sympathisieren mit Figuren wie Walter White, Patty Hewes oder Francis Underwood auch gar nicht in jedem Fall intendiert sein bzw. von der Narration nicht in jedem Fall befördert werden. Noch 2005 konnte Hans J. Wulff schreiben: „[D]as Empathisieren mit Tätern, die nicht durch Motive der Rache entlastet sind, findet nur im äußersten Ausnahmefall statt […].“ (Wulff: 380f.) Hier hat sich offenkundig einiges geändert. Zumindest fallen immer mehr Figuren in seriellen Narrationen auf, die mit so viel Aufwand und Kompromisslosigkeit als Bösewichte konzipiert sind, dass sich ein nicht einstellen wollendes Sympathisieren kaum noch als Versehen erklären lässt. Im Falle von Dexter oder Hannibal jedenfalls mag es im Zweifel leichter fallen, Missfallen zu begründen — immerhin handelt es sich um einen Serienkiller und einen Kannibalen —, als ein Sympathisieren zu erklären. Wenn wir also die Möglichkeit einräumen, dass wir mit Figuren mitfiebern können, die wir nicht sympathisch finden, dann werden diese Figuren zum Prüfstein einer Theorie, die von einem direkten Zusammenhang von Sympathie und Parteinahme ausgeht. Unabhängig davon, was wir tatsächlich gegenüber solchen Figuren empfinden mögen — eine Theorie, die auch das Hoffen und Bangen für böse Helden erklären möchte, muss letztlich ohne Rekurs auf Sympathie4 auskommen. (a) Komplizenschaft als Modell der Parteinahme

Ein Konzept der Parteinahme, das ohne den Faktor der Sympathie und auch ohne den Hinweis auf bestimmte (charakterliche) Merkmale der Figur auskommt, kann sich heuristisch am Bild des Komplizen orientieren. Gesa Ziemer hat ein interessantes Buch über Komplizenschaft geschrieben, in dem sie Komplizenschaft als eine spezifische Form der Gemeinschaftsbildung profiliert und von anderen Formen wie der Allianz oder der Freundschaft abgrenzt (vgl. Ziemer 2013). Lässt man den bei Ziemer zentralen Aspekt der aktiven Mittäter4

Nicht gesagt werden soll dabei, dass Moralisieren verzichtbar wäre, oder dass ambivalente Figuren nicht in vielen Fällen tatsächlich sympathisch erscheinen können und sich unser „Mitgehen“ mit ihnen dann auch auf Sympathie berufen kann.

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schaft außen vor, bedeutet Komplizenschaft vor allem Verbündung. Und zwar Verbündung im Hinblick auf eine gemeinsame Sache oder ein Ziel. Der Komplize ist parteiisch mit jemandem, nicht aufgrund von Sympathie oder charakterlichen Merkmalen, sondern weil die Sache des Anderen auch ihn etwas angeht. Nicht notwendig in derselben Hinsicht, aber doch so, dass das Verfolgen seines Ziels in einem engen Zusammenhang mit dem des Anderen gedacht werden muss. Eine solche Konzeption von Parteinahme als Involviertsein ist anschlussfähig an eine Theorie des Hoffens und Bangens, wie sie Katja Mellmann aus einer evolutionstheoretischen Perspektive auf die Literatur des 18. Jahrhunderts entworfen hat (vgl. Mellmann 2006).5 (b) Komplizenschaft als Involviertsein

Mellman bringt das Hoffen und Bangen in einen Zusammenhang mit der Perspektivübernahme (vgl. Mellmann: 105ff.). Perspektivübernahme meint zunächst lediglich, dass wir uns an einer Erfahrungsinstanz orientieren, der wir die gezeigte oder erzählte Erfahrung zurechnen. Dazu gehört auch, dass wir dieser Instanz gewisse Absichten, Ziele oder Pläne zurechnen, die wir qua ‚theory of mind‘ rekonstruieren. Für eine Parteinahme reiche es laut Mellmann allerdings nicht aus, dass wir die Ziele oder Pläne einer Figur lediglich erkennen resp. der Figur zusprechen.6 Mellmann insistiert vielmehr darauf, dass wir die Pläne und Ziele der betreffenden Figur ein Stück weit zu unseren eigenen machen müssen. Und dafür bedarf es, wie Mellmann im Anschluss an den Psychologen Keith Oatley schreibt, einer sog. „Zielvorgaben- und Mentalitätsübernahme“: Da wir im Normalfall keine eigenen Interessen in Bezug auf den virtuellen Erfahrungsraum einer fiktionalen Welt mitbringen, fehlt der imaginativen Erfahrungssimulation gewissermaßen der mentale Rahmen, innerhalb dessen eine Informationsverarbeitung so und nicht anders stattfindet; diese Leerstelle lassen wir uns durch den Text ersetzen, indem wir die darin wahrnehmbaren Pläne und Ziele, die unsere hermeneutische Kompetenz der ‚theory of mind’ erkennt, als hypothetischen Rahmen akzeptieren. (Ebd.: 109)

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Aufschlussreich für die Frage nach dem Hoffen und Bangen für Antihelden ist der Anschluss an Mellmanns Ausführungen auch dann noch, wenn man die Perspektive einer Evolutionstheorie nicht vorbehaltlos teilt. Man denke nur an einen „klassischen“ Antagonisten wie z.B. Le Chiffre in Ian Flemings James Bond. Hier kennen wir auch dessen Begehren, Ziele, Pläne und Absichten und dennoch hoffen und bangen wir im Zweifel nicht für ihn, sondern für James Bond.

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Etwas überspitzt paraphrasiert: Da wir noch kein eigenes spezifisch ausgerichtetes Begehren in Bezug auf den narrativ entfalteten Erfahrungsraum mitbringen, lassen wir uns diese „Leerstelle“ durch das Begehren des Subjekts füllen, dem wir die gezeigte Erfahrung primär zurechnen und lassen uns von dem Begehren dieses Anderen bei der Ausbildung eines eigenen Begehrens leiten. Mellmann problematisiert den Begriff der Identifikation (vgl. ebd.: 110f.) und spricht stattdessen von einer Parallelisierung der Präferenzen von Figur und Rezipient mit daran anknüpfender Parallelisierung von eigenen und FigurenEmotionen (vgl. ebd.: 115). In diesem Sinne ist der Begriff der „Übernahme“ dahingehend zu relativieren, dass wir nicht tatsächlich das Objekt des fremden Begehrens zu unserem eigenen machen, sondern unser eigenes Begehren lediglich an dem fremden Begehren orientieren bzw. parallel dazu ausrichten — und zwar indem wir die grundlegenden Präferenzen des Textsubjekts teilen. Im Falle von Shakespeares Romeo und Julia7 heißt das, dass wir nicht selbst Romeo heiraten wollen, vielmehr übernehmen wir lediglich Julias Präferenzen bezüglich Romeo und Graf Paris und erkennen damit nicht nur, dass Julia Romeo bevorzugt, sondern bevorzugen selbst Romeo in Bezug auf Julia. Und genau hierin erkennt Mellmann einen wichtigen Unterschied zur Empathie (zur Empathie vgl. ebd.: 115ff.): Während im Falle von Empathie kein eigenes Begehren im Spiel ist und wir die fremden Zustände lediglich kognitiv und emotional nachempfinden, empfinden wir im Zusammenhang mit dem Hoffen und Bangen tatsächlich selbst, denn in diesem Fall ist unser eigenes Begehren betroffen — was wiederum nicht heißt, dass unser Begehren und unsere Gefühle dieselben wären, wie die der Figur. Parteinahme im Sinne von Komplizenschaft bedeutet demnach also insofern ein Involviertsein, als wir tatsächlich ein eigenes Begehren im Hinblick auf den narrativen Erfahrungsraum ausbilden, wobei dieses Begehren im Zusammenhang mit dem Begehren des Anderen steht und durchaus von diesem auch ein Stück weit abhängig ist. Mit anderen Worten: Wenn Julia sich mit Romeo vereinigt, dann verstehen wir nicht nur empathisch, dass Julia in dem Moment Freude oder Glück empfindet; wir erleben selbst Freude, weil es zu unserem eigenen Begehren geworden ist, dass Julia sich mit Romeo verbindet. Aber wieder werden die „dunklen Helden“ zum Prüfstein der Theorie. Solange es sich um das unschuldige Begehren von Julia handelt, die sich nach Romeo sehnt, mag es unproblematisch sein, dass der Rezipient in der Präferenzsetzung mit Julia übereinstimmt und Romeo dem Grafen Paris vorzieht.

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Mellmann führt ihrerseits das Beispiel von Shakespeares Romeo und Julia an; vgl. Mellmann: 113f.

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Schwieriger wird es im Falle Dexters oder Hannibals, deren Begehren sich auf das Töten oder Verspeisen von Menschen richtet. Diesen Fall diskutiert Mellmann nicht eigens, problematisiert ihn aber zumindest hypothetisch, wenn sie schreibt: Hätte Shakespeare Julia als böse Hexe dargestellt oder würde das Stück von einem Vertreter der Vernunftehe und Gegner der leidenschaftlichen Liebe gelesen, könnte das beträchtliche Konsequenzen für die Art des ‚Hoffens und Bangens‘ mit dem Protagonisten haben. (Ebd.: 114)

Hoffen und Bangen

Ich würde Mellmanns ansonsten plausible Überlegungen dahingehend modifizieren, dass wir uns nicht so sehr das Begehren oder Präferenzschema der Figur „anverwandeln“, sondern uns vielmehr bei der Ausbildung eines eigenen Begehrens an dem Präferenzschema einer übergeordneten Instanz wie der des Erzählers8 bzw. des Textes orientieren. Und diese beiden Präferenzschemata können durchaus differieren. Jens Eder macht auf einen, für diesen Zusammenhang bemerkenswerten Umstand aufmerksam. Er bemerkt, dass Zuschauer zwischen den sog. needs und wants einer Figur unterscheiden können und damit letztlich zwischen dem Präferenzschema der Figur und dem des Erzählers. Needs sind dabei die Dinge, die die übergeordnete narrative Instanz als im weitesten Sinne ‚gut‘ für das Textsubjekt markiert (z.B. die „unschuldige Blondine“, die die Zuschauer einer romantischen Komödie als wahre Liebe des Protagonisten identifizieren), während wants die Dinge sind, auf die sich das momentane Begehren der Figur richtet (z.B. das „dunkelhaarige Biest“ in derselben Komödie, auf das sich das momentan noch irregeleitete Begehren des Protagonisten bezieht; vgl. Eder: 667f.). Dabei unterscheiden wir offenbar nicht nur zwischen diesen beiden Präferenzschemata, sondern schließen uns im Zweifel dem Präferenzschema der übergeordneten narrativen Instanz an. Wir hoffen und bangen mit einer Figur im Hinblick auf ihre needs, d.h. im Hinblick darauf, was wir als gut für die Figur verstehen — und orientieren uns dabei im Zweifel eben gerade nicht an dem konkreten Begehren der Figur.

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Bei dem Begriff des Erzählers im Medium des filmischen Erzählens beziehe ich mich auf das Konzept des cinematic narrator im Sinne Chatmans; vgl. Chatman: 124ff.

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Zum Komplizen des Textsubjekts werden wir demnach also letztlich durch das Präferenzsystem des Erzählers, das wir uns insofern aneignen, als wir dessen grundlegenden Prämissen teilen und dann auch entsprechende Planungsemotionen (zum Begriff der Planungsemotionen, vgl. Mellmann: 112ff.) wie das Hoffen und Bangen hinsichtlich der Erfüllung dieses Begehrens entwickeln. Im Falle Dexters hieße das, dass wir weniger in Bezug auf die Erfüllung seines Begehrens hoffen und bangen, d.h. in Bezug darauf, dass er andere Menschen tötet, sondern vielmehr gemäß dem Präferenzsystem des Erzählers, demgemäß wir Dexter gegenüber anderen Figuren vorziehen und im weitesten Sinne für sein Wohlergehen hoffen und bangen. Diese Lesart würde jedenfalls unser „Mitgehen“ sowohl mit Figuren wie Shakespeares Julia als auch solchen wie Dexter Morgan oder Walter White erklären — und zwar deshalb, weil es ohne den Hinweis auf charakterliche Merkmale, Sympathien oder bestimmte Objekte des Begehrens auskommt. Oder, um es mit Lessing zu sagen: Wir lieben das Zweckmäßige so sehr, dass es ausreicht, wenn wir den Plan erkennen, sodass wir unabhängig von der Moralität des Zwecks, Vergnügen empfinden können.

Nähe durch Nähe

Die neueren Serien mit ihrer häufigen Thematisierung von Antihelden zeigen also, dass sich letztlich jede Art von Figur zur Parteinahme eignet, ganz unabhängig davon, ob sie uns sympathisch erscheint oder ob wir ihr Begehren nachvollziehen oder gar gutheißen können — zumindest wenn wir ihr nur nah genug kommen. Ich meine also, dass die zur Perspektivübernahme wesentliche Übernahme des Präferenzschemas des Erzählers letztlich vor allem eine Frage der Nähe ist (zur Bedeutung der Nähe, vgl. Eder: 628ff.). Dabei scheinen sich Narrationen den psychologischen Umstand zunutze zu machen, dass wir uns demjenigen nah fühlen, dem wir auch raumzeitlich nahe kommen (vgl. ebd.: 629). Die größte Nähe wird daher traditionellerweise zum Protagonisten hergestellt, da wir ihm, allein schon was die Dauer und Frequenz betrifft, mit der wir ihn begleiten, am nächsten kommen. Nähe lässt sich aber auch zu anderen Figuren herstellen, etwa indem wir in deren intime Gedanken, Wünsche und Hoffnungen eingeweiht werden. So kann die Anteilnahme innerhalb einer Narration schwanken, wechseln oder sich auf verschiedene Figuren aufteilen, je nachdem wie nah wir welcher Figur kommen. Wenn es jedenfalls wesentlich um das Erzeugen von Nähe geht, über das sich das Präferenzschema des Erzählers vermittelt, dann zeigt sich, dass es letztlich keiner innovativen Verfahren oder Vorkehrungen bedarf, um uns auch

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für ‚böse‘ Helden hoffen und bangen zu lassen. Vielmehr scheinen konventionelle narrative und filminterne Verfahren zum Erzeugen von Nähe ausreichend zu sein. Dazu gehören die bereits genannten sympathiestrategischen Rahmungen, filminterne Konventionen wie etwa Kameraführung, Beleuchtung, voice over oder Zwischentitel, in denen sich die Bewertung des Erzählens manifestiert, oder auch filmische Verfahren wie Einstellungsgrößen und Kamerapositionen, mit denen sich Nähe und Distanz zu Figuren regulieren lassen, etwa indem sie menschliches Näheverhalten imitieren oder, wie im Falle von subjektiven Einstellungen, sogar übertreffen (wenn wir einer Figur tatsächlich so nah kommen, dass wir buchstäblich durch ihre Augen sehen).

Zur Qualität des Qualitätsfernsehens

In diesem Sinne lässt sich den neuen Serien in ihrem Umgang mit den Antihelden also kaum eine besondere Qualität in dem Sinne attestieren, dass hier besonders innovative, originelle Mittel angewendet würden, mit denen sie uns ihre Figuren zur Parteinahme anbieten. Vielmehr vertrauen diese Serien auf narrative und filminterne Konventionen, mit denen immer schon das Präferenzsystem des Erzählers oder Textes vermittelt wurde, Methoden also, die unsere Anteilnahme auch schon im Falle von ‚strahlenden‘ Helden beeinflusst haben. Was sich den neueren Serien allerdings attestieren lässt, ist, dass sie auf spielerische Weise die Bedingungen und Möglichkeiten filmischen Erzählens ausloten. So laden sie, etwa indem sie die Parteinahme mit Antihelden über konventionelle Mittel generieren, zu einem neuen Nachdenken über das Erzählen in Film und Serie ein. Ein Schelm, wer diesen spielerischen Umgang mit Theorie und Praxis filmischen Erzählens nun seinerseits als intrinsisches Qualitätsmerkmal dieser Serien begreift.

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Bodies of a Certain Quality Weight, Gender, and Visual Pleasure in Quality Television Margaret Hass

Of all the critiques of Lena Dunham’s HBO series Girls (2012–), perhaps the most irksome to feminists is the controversy occasioned by her character’s nudity in the series. Dunham is not only consistently ridiculed as fat and ugly online, but also targeted by media journalists who question the use of her own body in the series. A question to Dunham from Tim Molloy, a reporter from The Wrap, at a Television Critics Association panel in 2014, was symptomatic: I don’t get the purpose of all the nudity on the show. By you particularly. I feel like I’m walking into a trap where you say no one complains about the nudity on ‘Game of Thrones,’ but I get why they’re doing it. They’re doing it to be salacious. To titillate people. And your character is often naked at random times for no reason. (qtd. in: Faircloth)

The implication here is not that nudity should only be used when it advances the plot—that is certainly not the case in Game of Thrones (2011–)—but rather that female nudity is only valuable and aesthetically justifiable if it is sexualized and satisfies the desires of (presumably male) viewers. What Molloy and others fail to grasp is that the radicality of Dunham’s body on Girls lies precisely in its banality. Dunham’s body, one that does not conform to the narrow aesthetic ideals propagated by the majority of television, is portrayed in a normalizing manner; she is shown desiring and being desired, but also just existing or engaging in other activities—showering, playing table tennis, etc. Girls refuses to obscure or hide Dunham’s body, and consistently asserts it as a body worthy of being viewed, desired, and depicted on its own terms. The critique of Lena Dunham in general is compounded by the perception that she and her character are synonymous. But the discussion of Girls not only

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illustrates the fraught relationship between actor and character, but also how the body, as the hinge that connects both, operates at the border between reality and fiction. On the one hand we are dealing with fictional characters and two dimensional images, which we know to be constructed and manipulated, but on the other, we are also dealing with real bodies, the bodies of the actors, and the experience of these actors/actresses, as well as their treatment onscreen, may vary drastically depending on the real material bodies they possess. Nowhere is this tension more evident, as I argue, than in the depiction of female bodies on TV. While a number of “quality” television series reflect on gender and ostensibly promote a progressive gender politics, they often fail to present actual bodies that challenge the narrow ideals of femininity and still retain their sexual viability and interest for the narrative. On the other hand, the number of roles available to fat women is slowly increasing, granting the fat female body increasingly visibility and catering to the desires of female viewers. The following essay attempts to untangle the relationship between the quality of series and the qualities of the bodies they depict from both a feminist and fat studies perspective. The aim is not to link everything back to the “male gaze,” nor to assess the various pleasures solely in relation to their political “correctness,” but rather, in the tradition of Merri Lisa Johnson and feminists of what she calls the “visual pleasure libertarian” variety, to consider how these pleasures may be more equally distributed among viewers of diverse genders and embodiments. Discussing both series that are generally assumed to be quality TV (like Mad Men (2007–2015)) and those that are not (Huge (2010) and My Mad Fat Diary (MMFD, 2013–2015), I will argue that the aesthetic treatment of bodies—particularly the fat female body—merits discussion as a potential marker of innovation and quality in television series.

Gender and QTV

Aside from a few key series, quality television appears to have a gender problem. It is telling that the core canon of television series that have been designated as QTV in the current “golden age”—The Sopranos (1999–2007), The Wire (2002–2008), Breaking Bad (2008–2013), and Mad Men—are all made by male show- runners and feature male protagonists whose character arcs are remarkably similar, characterized by midlife crisis, illness, double lives, and vice. Certainly many of these series are also interested in their female characters, and have been influenced by feminism. But even those series that purport to critique the sexist conditions of the period and society they depict—like Mad

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Men—nonetheless place male characters at the center. TV criticism sometimes also falls into a similar trap, romanticizing male actors and showrunners. Brett Martin, in his aptly-titled book Difficult Men, for example, acknowledges there is a gender bias in QTV and also that the “autocratic power of the showrunnerauteur scratches a peculiarly masculine itch” (Martin: 13), but still indulges in scratching this itch when he describes the “difficult men” of QTV. Martin opens his book by painting a romantic picture of James Gandolfini as a difficult and enigmatic genius in contrast to his co-star Edie Falco, who appears more as a competent crafts(wo)man: Blessed with a near photographic memory, Falco could show up for work, memorize her lines, play the most emotionally devastating of scenes, and then return happily to her trailer to join her regular companion, Marley, a gentle yellow Lab mix. (ibid.: 1)

In many popular quality television series, women are mostly important as they relate to men, and their bodies are generally aestheticized as erotic objects or ignored. As Lili Loofbourow argued in a piece on Salon about Game of Thrones in June 2014, the gender question is not only a political question; it is also a question of style. Loofbourow does not assume that the eroticization of female bodies is bad per se. She argues persuasively, however, that prestige TV fails the female gaze by refusing to eroticize male bodies in the same way it does female bodies. As she says, “[o]nly male arousal wins awards.” And, as she continues, the problem “isn’t just that women onscreen are marginalized from the narrative (though they are […]), it’s that the women in the audience are getting physically marginalized too.” Or, in a more political sense, “it’s about who has the right to be turned on.” Framed this way, it becomes clear that it is not just about ostensible feminist content, but also a visual style that alienates (straight) female viewers, or at the very least denies them an extra layer of aesthetic experience; it is also a problem intimately tied to bodies. From this perspective, it also becomes clear why the fat female body is particularly ignored in quality television; discounted as both undesirable and undesiring, the fat female body is left out of the erotic relationships produced both between characters and between character and viewer. Loofbourow’s argument prompts us to consider what “quality” in television means—quality for whom? And under what conditions? If a large segment of the viewing public is being denied a part of their experience, then certainly this mitigates the quality of the product itself. It is important to remember, however, that “quality” was not always associated with this type of male-centered programming (it is not, as some might assume, ‘How It Is and How It Has Always Been’). In fact, as Robert J. Thompson lays out, when the term “quality TV” first became part of industry par-

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lance, it referred primarily to those sitcoms produced by MTM in the 1970s, particularly The Mary Tyler Moore Show (1970–1977), which were very intimately tied to feminism. As Kirsten Lentz also argues in an article about 1970s feminist TV, these “quality” TV shows made by MTM were complemented and contrasted by what was called “relevance” programming. These shows, made by Norman Lear and epitomized by All in the Family (1971–1979), were racialized. It was here that the most controversial issues could be discussed and represented, but as Lentz argues, only within the confines of what she calls a “politics of the referent”—meaning that these programs were valued only in so far as they were believed to be realistic or “authentic.” The “quality” shows, on the other hand, could indulge in a highly self-referential “politics of the signifer,” by showing how television as a medium itself is constructed. Of course, “quality” and “relevance” no longer operate as these distinct categories. While the “politics of the signifier” remains important to series like Mad Men which explicitly reflect on the creation of images, it is now the most highly-regarded QTV shows that tackle controversial issues of race, crime, sex, etc. In terms of gender, especially in regards to bodies, though, there remains a tension between the “politics of signifier” and “politics of the referent.” Often the apparently feminist message is lost on the level of the body, neglecting fat women onscreen and female viewers alike. In the push to consider more diversity in the bodies of women presented on TV, there may be a temptation to argue for “authenticity”—the need to show the “real” experience of “real” women who have “real” (imperfect) bodies. This argument runs the risk of devaluing certain bodies as fake/plastic/etc. in favor of other more “authentic” ones, but there is something to be said for the simple acknowledgement that a) women, fat or not, have bodily desires that deserve to be addressed and b) the denial of the validity of those desires produces a different and difficult social reality for fat women. Ideally, however, both of these types of politics would be integrated in nuanced portrayals of fat women. Series like Huge and My Mad Fat Diary, while generally ignored by television scholars, are innovative precisely because they integrate these two levels, both “walking the walk” of the referent (employing fat actresses, catering to female desire) and “talking the talk” of the signifier (reflecting on the construction of images).

Mad Men and the Self-Reflexive Image

Mad Men is symptomatic of the gendered tensions in QTV. On the one hand, it is certainly self-aware and critical of gender relations in the 1960s. At the same

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time, it has inspired something of a nostalgic cult of martini-drinking, prefeminist masculinity. At its best, Mad Men uses a sexist background to meditate on the creation of gendered expectations and images themselves. The episode “Maidenform” (S2.06), for example, particularly demonstrates the show’s ability to both create and deconstruct images of women through plot and character. The episode is saturated with sexism, both at Sterling Cooper and in the personal lives of the characters, but what is more interesting is the way in which the episode meditates on the body and gender in a deeper sense. On the surface, the episode seems to be about how women see themselves through men in a patriarchal society, or, rather, how men mistakenly assume that women see themselves only in relation to men. The visual language of the episode heightens the theme of reflection, stressing mirrors and images as reflective surfaces to explore the ways in which both literal and figurative reflections of the body interact with questions of gender and representation. But the episode, written clearly from a post-Mulvey perspective, goes beyond the traditional dynamics of the “male gaze” to consider how both men and women feel themselves and their bodies in comparison or contrast to the images others have of them. The premise, in which Sterling Cooper is asked to develop an advertising campaign for a lingerie manufacturer, is particularly fitting because of the way that lingerie molds, shapes, and presents the female body. The episode opens with reflections of women, as the three main female characters (Betty, Joan, and Peggy) get dressed for the day. Each is shown in her underwear, looking in the mirror, appraising her body as she dresses. The montage is abruptly ended with a cut to a close-up of a magazine being dropped on a table to reveal the Maidenform advertisement that gives the episode its title (S2.06: 01:28 min.). The shot makes the image confront us suddenly, with the same provocative and triumphant gesture as the model, who is posed with her arms outstretched and bra exposed. The copy reads, “I dreamed I stopped them in their tracks with my Maidenform bra.” The client for Sterling Cooper, however, is not Maidenform but Playtex, whose executives, despite strong sales, have suggested that they would like to do something in the same vein as their competitor. Next to Maidenform’s imaginative and colorful, almost surrealistic ad, Playtex appears dowdy and old-fashioned; their ad is in black and white, and, as we learn from the dialogue, stresses fit and functionality over the evocation of a female fantasy. As Don says, “Maidenform is a dream, but Playtex is a bra” (01:40 min.). The irony of the situation is that both Playtex and the men of Sterling Cooper assume that the creation of a female fantasy to be marketed to women can be done entirely without the input of women themselves. Peggy is initially

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consulted about her own personal consumption, but then becomes increasingly excluded from the creative process. Instead, the men go out and come up with their own brilliant idea over drinks, scribbling their concept on a cocktail napkin. The patronizing attitude toward Peggy, and, by extension, all women, is epitomized when Freddy dismisses Peggy’s objections with the injunction that she go “write some titillating copy” and gives her a slap on the thigh with his folder (22:52 min.). More importantly, the proposed campaign itself shows the shortsightedness with which the men approach the representation of women. The proposal is derived from the idea that all women fit into two archetypes, embodied either by Jackie Kennedy or Marilyn Monroe. Paul Kinsey pitches it to Don by saying “Women right now already have a fantasy, and it’s not going up the Nile. It’s right here in America. Jackie Kennedy and Marilyn Monroe: every single woman is one of them” (19:13 min.). He illustrates the point by opening the office door and pointing out women in the secretary pool; the camera shifts from woman to woman as Paul pronounces them either “Jackie” or “Marilyn.”1 The group of men standing at the door appraising women without their knowledge as the camera follows seems perfect for a Mulveyesque reading of the “male gaze,” but it is complicated by Peggy’s presence in the middle. Peggy also provides a critical voice, saying that, “I don’t know if all women are a Jackie or a Marilyn. Maybe men see them that way” (21:03 min.). Paul, in response, makes the curious counterargument that “bras are for men” because “women want to see themselves the way men see them.” Whereas Peggy suggests a possible divergence between men’s perception of women and their self-perception, Paul insists that women want to be exactly what men want; in this conversation it becomes clear that the campaign idea reflects a male fantasy of female fantasy, rather than a fantasy women have for themselves. Moreover, while Paul argues that the “to-be-looked-at-ness” of the bra trumps its practical value, Peggy argues for an experience through embodiment; after all, when asked why she wears Playtex earlier, she had said that she agreed with the women surveyed about its fit (02:08 min.).

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One of the women he identifies as a “Marilyn” is Joan, though with the additional comment that “Marilyn’s really a Joan and not the other way around” (20:38 min.). This comment adds another, intertextual level to the commentary, reflecting both how Joan’s character has been created in the series to evoke Marilyn Monroe and how the actress Christina Hendricks has become a sex symbol in her own right through Mad Men.

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Peggy’s embodiment itself also acts as a challenge to the Jackie/Marilyn dichotomy. Peggy vocalizes this challenge when she asks, “Which one do think I am?” (21:18 min.). As predicted, she is seen as neither; Ken quips “Gertrude Stein.” At one level, this is an admission that the easy binary categorization of “Jackie vs. Marilyn” is flawed; at the same time, it suggests that to be neither one nor the other means not to be a “real” woman at all, to be excluded from proper femininity and to share your identity with those stigmatized by alternative sexuality or embodiment (Stein as queer, masculine, and fat). This designation of Peggy as neither “Jackie” nor “Marilyn” affirms her ongoing difference from the other female characters. At this point in the series, Joan is very clearly “a Marilyn,” while Betty plays the role of “a Jackie,” both in her physical presentation and her long-suffering tolerance of her husband’s infidelity for the sake of keeping up appearances. Peggy, by being neither a beautiful wife nor a sexy secretary, has a position outside of typical femininity, one that both marks her negatively and empowers her to a certain extent. This paradoxical position becomes clear at the end of the episode. Taking Joan’s advice to “stop dressing like a little girl,” (35:50 min.), Peggy puts on a sexy dress and arrives uninvited at the striptease club where the men of Sterling Cooper are entertaining the Playtex executives. Despite the minor victory of inserting herself into the men’s circle, it is clear that she cannot simply be “one of the guys.” Even though she is in the audience with the men, enjoying the show of exposed female bodies, she is also objectified and infantilized when the Playtex executive pulls her on his lap and asks what she wants for Christmas. Instead of objecting, Peggy goes along with it. Peggy, as a career woman on the rise who questions the sexism around her, enacts a feminist fantasy of success, but the scene makes clear that it will not always be easy to navigate the waters. Often Peggy will choose to bite her tongue to advance. As the episode ends, however, the focus shifts from women to men. In the final scene, it is Don who is looking in the mirror. Seemingly at ease with his reflection as he performs the typically masculine task of shaving his face, Don’s expression changes when his daughter Sally comes in and says “I’m not going to talk. I don’t want you to cut yourself” (46:07 min.). Initially, Sally’s loving gaze is reflected back in Don’s, as in an earlier scene from the episode, but when the camera switches back to Don’s reflection his eyes shift downward and his gaze becomes more vacant. It seems that Sally’s words have brought a realization to Don, one that shatters the seemingly perfect reflection produced by the gaze from loving daughter to loving father and back again.

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Sally’s words in fact bring to (both Don’s and the viewer’s) mind his interaction with his lover, Bobbie Barrett, the day before (40:15–43:27 min.). At the beginning of their sexual encounter, Don is aggressive and apparently in control, commanding her to stop talking and refusing to comply with her requests. In the middle, however, he is disturbed to find out that he has a reputation as a lover, and that Bobbie had learned about the “Don Draper treatment” from another woman (41:30 min.). As the conversation continues, he becomes more aggressive, grabbing her hair and then her neck. When Bobbie tries to reassure him that his reputation is positive and that neither of them are on their “maiden voyage” of infidelity (42:18 min.), Don contemptuously responds, “Does it make you feel better to think that I’m like you?,” leaving her tied to the bed (42:36 min.). The question is rhetorical and ambiguous—it is unclear what similarity between them he wishes to disavow—but it seems that Don is struggling not only with his reputation, but the fact that this outside perception is not in his control. Moreover, he is unable to see himself as Sally sees him, knowing that somewhere else women are talking about him in a very different way. As the episode ends with the camera panning out on Don deep in thought, it becomes clear that the episode is not only about women’s images an reflections, but also how men see themselves, and their own fractured masculinity, reflected in women. “Maidenform,” like other episodes, shows Mad Men’s commitment to reflecting on images and gender. When it comes to size politics and the politics of the referent, however, the series often falls short of delivering pleasures to feminist viewers. Two of the main female characters, Peggy and Betty, go through periods of weight gain, in which their bodies are marked as “fat.”2 In both cases, there is a clear tension between referent and signifier when one considers the actresses during these storylines. In Peggy’s case, the character’s weight gain is caused by unknown pregnancy, but the actress Elisabeth Moss stays thin; padding and prosthetics produced the desired effect of fatness and were simply removed when the character had lost the weight. In Betty’s case, it was actually the opposite. It was reportedly January Jones’ pregnancy which prompted the weight gain plot to begin with; presenting Betty as if she had

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It is interesting to note that Joan’s weight is rarely thematized in the series, although the curvy shape of the actress playing the role, Christina Hendricks, has been frequently discussed in media reports. It appears that the show is only interested in weight when it represents a deviation from the norm—that is, when the characters weigh more than they did at the beginning of the series.

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gained weight allowed the producers of the series to mask her protruding belly with padding and looser clothing. For the actress herself, this was empowering, accommodating her situation and allowing her to work with a changed body. In both cases, the show uses these storylines to expose the ways in which the characters’ value is tied to their roles as women in a sexist society; when Peggy gains weight and is no longer seen as a valid sexual object, she becomes subjected to jeers and office gossip. Likewise, Betty’s weight gain is seen primarily as a problem because she fails to fit the role of beautiful, dutiful wife to her second husband, Henry. In showing this process, Mad Men is ostensibly deconstructing gender relations of the time and presenting a feminist message. However, if we look from a fat studies perspective, these plotlines are troubling because the fatness of the characters is achieved by padding; the actual female body is obscured, and it is presumed both that the actresses will stay thin and that the characters will return to their former bodies as soon as it is convenient for the narrative. Occasionally the series presents dissident voices, as in one episode during Betty’s weight loss journey when Betty has a conversation with Sandy, a friend of her daughter’s (S6.01). Sandy questions the necessity of Betty’s weight loss and points to the inherent sexism of sizeism when she talks about her mother’s decision to wear a girdle that gave her a stomachache only for the sake of her husband, suggesting this masochistic act for the sake of a man’s pleasure is as old-fashioned as the girdle itself. But Betty continues to lose weight, and the persistence of sexist weight politics in the present belies the suggestion that this radical freedom from the pressures that shape the female body has been achieved in the past decades.

Innovative Erotics and the Politics of the Referent in Huge and My Mad Fat Diary

While Mad Men shows a level of reflection about the images of women and their production, and thus engages in a clear “politics of the signifier,” there are other series that manage to blend both a “politics of the referent” and “politics of the signifier” in their depiction of the fat female body. Huge, produced by Winnie Holzman and Susannah Dooley for ABC Family, and My Mad Fat Diary, made for the British E4, share numerous characteristics in addition to their politics. Both are comedy-dramas featuring fat actresses in starring roles and tackling similar subjects: teens struggling with weight, self-esteem, and sexuality. Both also exhibit many of the characteristics listed in Thompson’s classic description of quality television, such as blended genres, large ensemble casts,

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an emphasis on character development, and nuanced writing that presents complex human relationships. They are truly innovative, however, in their treatment of the fat female body as desiring subject and the male body as desired object. In contrast to the vast majority of television series, they present fat female characters who are allowed to desire and even have their desires fulfilled sometimes. Male love interests are eroticized, legitimizing both the desires of the characters and inviting viewers to participate in the female gaze. From the beginning of Huge, for example, it is clear that the series will combat the typical representation of fat people as sexless and ashamed. The pilot episode opens with all the teenagers at the weight-loss camp, Camp Victory, getting ready for their first weigh-in. Willamina3 (Nikki Blonsky), who is quickly identified as the main character and emotional center of the series, is initially anxious. Another girl there, Becca (Raven Goodwin), tries to reassure her, mentioning that the camp offers some room for sexual experience: “People hook up. […] See, everyone’s overweight, so the playing field…well, more like there is one” (S1.01: 01:17 min.). As Will ponders this statement, the camera switches into her point of view as she appraises a guy. This gaze, and Becca’s assertion, suggests that the camp will offer the possibility of sexual empowerment for the teens despite its anti-fat setting. In the next moment, however, Will realizes that the guy she was looking at is looking at Amber, a very feminine and traditionally attractive blonde. Becca, noticing this play of gazes, is forced to revise her earlier opinion, saying, “Okay, I guess it’s not that different from the real world,” (1:46 min.). In these few seconds, the series both subtly suggests that there is potential for Will to have her desires fulfilled despite her size, but also reminds us that the special setting of the camp does not mean that the campers are entirely freed from societal pressures. Even here, being thinner is better, and conventional femininity is valued. The fact that Will will not accept these things without a fight becomes clear soon after, when the director of the camp, Dr. Rand, approaches her to remind her that campers are required to wear their bathing suits for the weigh-in and the “before” picture. Will initially tries to escape the requirement, but Dr. Rand stays firm and requests her to remove her T-shirt and shorts to reveal her bathing suit. Instead of reacting with shame in her compliance, however, Will turns the event into a spectacle, performing a parody of a burlesque striptease complete with sound effects (S1.01: 03:40 min.). Throughout, she keeps her eyes trained on Dr. Rand, challenging her. By reacting in this way, Will confidently asserts her own body and turns the traditional shame of the “before” state on

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Sometimes also written as Willamena; in short: Will.

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its head. As she says later in the episode, “Everyone wants us to hate our bodies. Well, I refuse to” (15:03 min.). Will’s feminist criticism of fat discourse continues throughout the series. In the second episode, for example, she puts up pictures of fat women from art history, which she calls “fatspiration,” to counter her bunkmate’s “thinspiration” images. She also takes a teen magazine and cuts pictures out, spelling “screw body fascism” in female body parts on the wall next to her bunk. When asked by her friend Becca why she took the magazine, she replies, “when I see propaganda that I know is destroying girls’ brains, it’s my duty as an angry feminist to destroy it” (S1.02: 03:50 min.). Here Will displays not only a critical appraisal of media, but also self-awareness of herself as an “angry feminist;” cleverly, the joke itself also disproves the stereotype of Will as a feminist killjoy devoid of humor. When she is confronted by the magazine’s owner, Will remains tough and removes her shirt confidently, as if to support her point. In this scene as in others, the character of Will presents a feminist sensibility that combines criticality with a confident embrace of fat embodiment. Of course, Will is not the only character. Her toughness is balanced with the struggles of others who do not hold such revolutionary opinions, especially Amber, and the series is sympathetic to both those who desire to lose weight and those who challenge its necessity. Moreover, the series suggests that fat desires deserve attention, whatever the gender or sexuality of the desiring subject, achieving this by switching perspective in the camera work and giving different characters attention at different times. While Amber is viewed from the outside in the first scene, for example, as a potentially desired object, she soon becomes represented as a desiring subject in another scene when her love interest, George, first appears (S1.01: 09:34 min.). George is shown in a medium shot from her point of view, walking in slow motion, with extradiegetic music used to heighten the effect of the moment. The shot switches back to Amber, zooming in on her face, whose expression clearly shows her appreciation. As their relationship continues, the series continues to consider it from both of their perspectives. By giving attention to the desires of different characters, Huge grants value to the desires of female characters and female viewers alike. My Mad Fat Diary also easily blends a revolutionary erotics with a deconstruction of images of femininity. The main protagonist is Rae Earl, who is, like Will in Huge, a fat loudmouth who rejects the trappings of traditional femininity, possesses a razor-sharp sense of humor, and is often defiant of authority. Rae is not shy about expressing her sexual desires to her friends and especially in the diary voiceover, making explicit comments that are often very colorful and humorous, such as “I want him to go down on me so long he has to

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evolve gills!” (S2.01: 6:30 min.). Her main love interest, Finn, is also unabashedly attracted to her, and the series does not shy away from eroticizing him through camera movement. However, having just come out of a clinic stay after a suicide attempt, Rae also struggles to find self-esteem, to accept her body and honor her own desires. The series is very adept at showing how Rae’s troubled relationship to her own embodiment is linked to the narrow and gendered ideals propagated by media images. In the end, Rae’s transformation is made possible by fighting these images, changing her self-perception rather than her body through weight loss. In this way, MMFD makes a powerful critique of gender and weight politics. One episode that stands out in this regard is “Alarm” (S2.01). The plot of the episode revolves around Rae’s developing relationship with Finn as she counts down the days to the beginning of college and struggles with her own self-image. Like in “Maidenform,” the episode presents different types of feminine bodies in comparison to each other; this is clear especially when the girls go shopping for lingerie (S2.01: 19:18 min.). The shopkeeper describes the breasts of the three girls, saying first about Izzy “30 B. These breasts are good, but small. They need lifting.” Then she moves to Rae, saying “38 F. These breasts are good, but big. They need shaping.” Then Rae’s voiceover cuts in, saying “I felt like was in ‘Goldilocks and the Three Bears.’ Of course, guess whose tits were just like the baby bear’s porridge…” At this point the camera moves to a close-up of Chloe’s chest, the shot freezes, and a drawn sign appears at the top of the frame, announcing “Perfect Tit Awards.” After a first place ribbon, accompanied by a honking sound, appears, Rae’s voiceover finishes her sentence, proclaiming Chloe’s breasts “just right.” The shopkeeper affirms Rae’s pronouncement, saying “These breasts are very good. I don’t like them ‘cause I like a challenge and these breasts don’t bloody challenge me.” From this scene, it would appear that Chloe’s body is naturally perfect and both Rae and Izzy fall out of the frame of idealized femininity. It soon becomes clear, though, that Rae feels herself even further from the ideal than Izzy. As her voiceover in the shop continues, she says, “The worst thing, though, […] was that a lot of this stuff was so nice. It was so pretty and delicate. It just wasn’t made for someone whose body wasn’t pretty, wasn’t delicate” (19:55 min.). While this voiceover goes on, the camera shifts to a poster-sized advertisement on the wall of the shop, a typical lingerie ad with a thin model and the words “Hi Boys” in big letters. As the ad appears and the voiceover ends, a

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sound something like the drone of traffic begins, suggesting the almost hypnotic powers that the image has over Rae. The image will appear multiple times in the episode, each time reminding Rae of her own inability to live up to the body standards it promotes. Despite Rae’s idea that the lingerie is not made for her body, she nevertheless buys something and rushes to her new boyfriend Finn’s house, only to find him in the shower. The scene clearly enacts an erotic fantasy of Rae’s, and provides the viewer with similar voyeuristic pleasures. As Rae creeps to the partially-open door, we first see her face, and then a shot of Finn’s naked body from behind. As Rae’s eyes shift to his butt, so does the camera, just as the opening guitar line to “Money for Nothing” kicks in and Rae mutters “Holy fuck” under her breath (21:24 min.). Eventually Rae turns away from the door and goes home, but the image of Finn’s naked body refuses to disappear from her mind. As she flips through television channels at home, Finn’s butt appears everywhere, even appearing in the teletext as an 8-bit image under the headline “Hot Bum Makes Girl Cry” (22:17 min.). In the voiceover Rae says “I feel like my mind has been poisoned by beauty” (22:21 min.). While the naked image of Finn fulfills certain desires of both Rae and the viewers, it also creates a dilemma for Rae. Like the “Hi Boys” ad, the image of Finn naked presents a haunting ideal of bodily beauty that seems unattainable for Rae, who believes that her body is completely incongruous with his. Instead of acting on her desire, then, she repeatedly turns away from the sexual encounter. Unfortunately, Rae misdiagnoses the problem, finding fault in her own body rather than the advertisement, which has “poisoned” her mind with beauty in another sense. But My Mad Fat Diary does not allow Raw to succumb to the overwhelming power of the image, instead suggesting that she may able to fight her own lack of self-esteem if she fights the image itself. This is made clear in a scene in the following episode, “Radar,” in which Rae sets fire to the “Hi Boys” billboard in a spectacular manner. The scene is later revealed to have been only a fantasy, but it nevertheless suggests that there is potential to disrupt the images of idealized femininity that have damaged her. If Virginia Woolf advocated for women to kill “the angel in the house” for the sake of their liberation, Rae must kill the Victoria’s Secret angel in her mind. The process is not perfect but, by the end of the second season, Rae has made so much progress that she feels comfortable entering into a sexual relationship with Finn. Rae may not be as self-aware as Will, nor is she an avowed feminist, but My Mad Fat Diary is even more revolutionary than Huge in the way that it allows Rae to desire and be desired, and to even have her desires fulfilled.

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Conclusion

There is no doubt that contemporary quality television possesses the ability to produce nuanced female characters and critique gender relations. Quality series are often engaged with building interesting narrative lines for their female characters, and demonstrate a high level of self-awareness about the production of the image. This level of self-reflexivity about creating and beholding images ensures that these series cannot simply be read in terms of the male gaze. However, series like Mad Men often adopt a visual language that neglects the desires of female characters and viewers, particularly in the case of fat women, undermining their ostensibly feminist messages. Series like Huge and My Mad Fat Diary, however, show that this need not be the case—even when, as in the case of MMFD, the showrunner is a man. Taking up a progressive politics of body and gender that is equally dedicated to the referent and signifier, these series employ fat actresses and produce fat women as both desirable and desiring, granting pleasure to female characters and viewers alike. Moreover, they produce a selfreflexive feminist discourse that problematizes issues of weight and the body that persist in contemporary society, even as women have made gains in other domains. Most importantly, perhaps, they employ camera work that treats both men’s and women’s bodies as deserving of attention. It is this insistence on the same erotic treatment, with or without gratuitous nudity, that puts the equality in quality.

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Bibliography Faircloth, Kelly: “Seriously, How Many Times Does Lena Dunham Have to Explain Her Nudity?” Jezebel. (last accessed 31 August 2015). Girls. Lena Dunham (Cr.). HBO, since 2012. Huge. Winnie Holzman, Samantha Dooley (Crs.). ABC Family, 2010. Johnson, Merri Lisa: “Ladies Love Your Box: The Rhetoric of Pleasure and Danger in Feminist Television Studies.” Third Wave Feminism and Television: Jane Puts it in a Box. London 2007. Lentz, Kirsten Marthe: “Quality versus Relevance: Feminism, Race, and the Politics of the Sign in 1970s Television” In: Camera Obscura 15.1 (2000), pp. 44– 93. Loufbourow, Lili: “‘Game of Thrones’ Fails the Female Gaze: Why Does Prestige TV Refuse to Cater Erotically to Women?” Salon. (last accessed 31 August 2015). Mad Men. Matthew Weiner (Cr.). AMC, 2007–2015. Martin, Brett: Difficult Men: Behind the Scenes of a Creative Revolution: From The Sopranos and The Wire to Mad Men and Breaking Bad. New York 2013. My Mad Fat Diary. Tom Bidwell (Cr.). E4, 2013–2015. Mulvey, Laura: “Visual Pleasure and Narrative Cinema.” In: Screen 16.3 (1975), pp. 6-18. Thompson, Robert J.: Television’s Second Golden Age. From ‘Hill Street Blues’ to ‘ER’. New York 1996.

II. Fallstudien zur Qualitätsfrage

Fallstudien zur Qualitätsfrage

In dieser zweiten Sektion sollen exemplarische Einzelanalysen jeweils eine Fernsehserie vorstellen und auf ausgewählte Aspekte hin untersuchen. Konkret widmen sich fünf Aufsätze vier US-amerikanischen bzw. britischen Produktionen der vergangenen Jahre und behandeln dabei Fragen der Transmedialität und Selbstreflexivität, der Genrezuordnung und Adaption. Hans-Joachim Backe (Kopenhagen) unterzieht die britische Krimiserie Luther einer freudianischen bzw. noch stärker einer jungianischen Lesart. Dadurch wird deutlich: Die Serie selbst, die Figurentypen und ihre Fälle (das Aufklären von Verbrechen) dekonstruieren die klassischen psychologischen Modelle und überschreiten dadurch gewissermaßen traditionelle Genregrenzen — die Serie wird metareferentiell. Wie kaum bei einer anderen Serie zeigt sich der Einfluss der Fans in der BBC-Produktion Sherlock — und das auf verschiedenen Ebenen, wie Annemarie Opp (Frankfurt) in ihrem Beitrag aufzeigt: Den Reaktionen und Diskussionen auf Blogging-Plattformen wie Tumblr, regelrechten Twitter-Kampagnen wie ‚I believe in Sherlock‘, und schließlich einem kreativen ‚Weiterschreiben‘ in der fan fiction. Interessant ist nun, dass diese Aktivitäten keineswegs mehr nur ein Randphänomen der Fans darstellen, sondern inzwischen von den Machern selbst aufgegriffen und in den Folgen thematisiert werden. Auch Benjamin Schaper (Oxford) nimmt sich der Serie Sherlock an und setzt sie in Verbindung mit dem schriftstellerischen Werk Daniel Kehlmanns. So denkt der Roman Die Vermessung der Welt etwa über den Umgang mit Figurenvorbildern nach, während Kehlmanns Ruhm mit den Instanzen von Erzähler und Autor spielt — diese metareferentiellen Elemente lassen sich in ähnlicher Form auch in der TV-Serie Sherlock finden. Eine weitere BBC-Produktion steht im Zentrum des Beitrags von Kathrin Kazmaier (Frankfurt): Die miniserielle Literaturadaption von Ford Maddox Fords Tetralogie Parade’s End aus dem Jahre 2012. Dabei ‚überträgt‘ das Dreh-

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buch von Tom Stoppard nicht nur die modernistische Ästhetik in die (Bild-) Sprache der Serie, sondern erweitert diese durch zusätzliche Anspielungen und Referenzen aus Literatur und Kunst, auch wenn dies durch drastische Kürzungen in der internationalen Schnittfassung teilweise verloren geht. Was From Dusk Till Dawn, 12 Monkeys und Fargo gemeinsam haben? Sie kamen alle Mitte der 1990er Jahre ins Kino — und sie laufen inzwischen als Fernsehserie auf El Rey, Syfy und FX. Damit scheint sich eine Entwicklung fortzusetzen, die sich bereits bei namhaften Produzenten, Schauspielern, Regisseuren und Kameramännern zeigte: Der Weg führt vom Kino auf die Mattscheibe, nicht mehr (zwangsläufig) umgekehrt. Dominik Schmitt (Saarbrücken), der als eines der letzten Projekte im Frühjahr 2015 noch einen Sammelband zum postmodernen Kino der Coen Brothers herausgeben konnte, erläutert in seinem Aufsatz die Entstehung der Serie Fargo und entdeckt dort Figuren und Muster aus dem filmischen Werk von Ethan und Joel Coen. Unmittelbar nach Fertigstellung der Druckfahnen erreichte uns die Nachricht von seinem überraschenden Tod. Wir haben uns entschlossen, den fertigen Aufsatz in diesem Band zu belassen und uns auf diese Weise von einem Kollegen und Freund zu verabschieden.

Lynching Luther The Crime Thriller as Reflection of Psychology Tropes in Television Hans-Joachim Backe

“Since dreams produce different scenes and images every night, people who are not careful observers will probably be unaware of any pattern. But if one watches one’s own dreams over a period of years and studies the entire sequence, one will see that certain contents emerge, disappear, and then turn up again.” (von Franz: 160)

In its three-season run, the British crime series Luther (2010–2013) has been received well by critics and audience as a character-driven psychological thriller. It offers a maybe not unique, yet at least original mix of American crime conventions, blending the old cop/rookie dynamic of shows like The Streets of San Francisco (1972–1977) with the psychological investigation methods typical of shows like Columbo (1968–1978; 1989–2003) and the trope of the serial killer as ally popularized in the novels of Thomas Harris. The acting performances of leads Idris Elba, Warren Brown and Ruth Wilson have met with near universal acclaim, with Elba’s John Luther singled out in numerous reviews as the show’s main attraction. Elba infuses the idiosyncratically written detective with an unusual blend of qualities: his good looks, his height, his hulking physique and his at times brutish, at times graceful movement clash with a demeanor reminiscent of a philosopher of monk, creating a character who constantly oscillates between the mild-man-nered and the manic.

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Despite these positive factors, many reviews of Luther have poignantly drawn attention to its shortcomings. Especially its apparent centerpiece, the portrayal of insane killers, has been criticized as formulaic, unrealistic, and not realizing much inherent potential: “Jack the Ripper–level maniacs pop up through London’s grid, and Luther puts them down, whack-a-mole style.” (Seitz) Episodes follow a strict pattern of establishing the threat of a quickly escalating serial killer, time pressure to prevent the next murder, and private issues that take up part of Luther’s attention and hinder him in his duties. The characterization of the protagonist as a broken man is repeatedly taken to extremes: he is suspended and reinstated several times, thrashes his office more than once, flirts with suicide (Luther S1.02 and S2.01), is not averse to hanging uncooperative informers off a balcony (S3.01) or to channeling his desperation into all-or-nothing strategies like dousing himself in gasoline to draw the attention of a killer (S2.04). As such, it is not incongruent when he is attributed a “history of instability” (S1.03: 43:05 min.), whereas the frequent allegation against him as a “dirty copper” (S1.03: 48:43 min.; S2.01: 12:19 min.; S2.03: 16:40 min.) at times seem rather unmotivated. The show’s inconsistency is summed up sharply, yet accurately in a review in the Huffington Post: Very few shows get in their own way as consistently as ‘Luther.’ […] ‘Luther’ has always tried to pack 10 pounds of story into a five-pound bag, with predictably messy results. Creator Neil Cross is clearly enamored of the American cop shows and cable dramas of the last decade, but they typically had entire seasons to prepare audiences for important developments. ‘Luther’ repeatedly tries to sell big story turns with wispy or insufficient set-up, and the results are occasionally florid when they’re not simply preposterous. (Ryan)

Given these apparent shortcomings, Luther may appear at face value as a badly conceived or badly executed police procedural. Yet considering the consistency of Luther’s oddities as well as the unusual degree of authorial control—all episodes have been written by creator Neil Cross and eight out of 14 directed by Sam Miller—, one may assume with the same justification that the series is not at all what it professes to be at first glance. So the question is: What if Luther is not actually about psychological crime, but about psychological crime fiction? Reading Luther by treating it as if it was metareferential and self-conscious like a David Lynch movie reconciles its many inconsistencies. If one approaches the series with the allegorical mindset presupposed by e.g. Lost Highway (1997) or Mulholland Drive (2001), DCI John Luther’s journey appears less outward than inward, to such a degree that one might even surmise that he never leaves the mental institution to which he is confined in the first episode. Instead of going this far, I want to propose a more modest reading that takes Luther as a meditation upon the usage of psy-

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chological models in crime fiction. The first season arranges its characters in triangular relationships in the vein of Freud’s structural model of the psychological apparatus, only to deconstruct this model and explore playfully the kitchen-sink psychology used in crime fiction, laying bare its inadequate heritage and hinting at a more commensurate model that favors Jungian archetypes over unreflected stereotypes.

The Metareferential Wardrobe

Already the introduction of the main character in the first episodes signals to the audience that the show will challenge them in their expectations. Prefiguring the accusations that will be leveled against Luther throughout the series, the opening scenes frame him ostensibly as the antagonist. Opening with a white businessman in a suit followed by a big, dark-skinned, muscular man in a hoody, the series immediately activates cultural stereotypes. Only when the camera shows the face of Idris Elba for the first time, we realize that the scene is infused with carefully crafted ambivalence, because what we might have taken—out of cultural prejudice, due to genre conventions or because of the way it is filmed—as the setup of the first murder of an innocent victim, is actually an unorthodox police officer in pursuit of a white-collar criminal. Not only is the ambivalence of Luther’s character symbolically foreshadowed in this sequence and his ‘morally grey’ status implied, but two important elements are introduced: the parallelization of hero and villain and the importance of Luther’s attire. After communicating in its first scene that it will play with the viewers’ expectations, that it is willing to manipulate us by resorting to stereotypes and prejudice which directly tap into our subconscious, the series then goes on to do this on a regular basis without calling explicit attention to these practices. In the third season, however, when John Luther comes under surveillance of an internal investigation unit, it is not only the character who is scrutinized more closely. Breaking into his apartment and looking around the sparsely furnished bedroom with its peeling wallpaper, head investigator George Stark comments upon Luther’s wardrobe, which consists of six identical shirts, six identical pants, three identical jackets and three identical coats: “Look at this! What does this say about a man?” (S3.02: 23:48 min.) This question, I argue, is metaleptic. It is prima facie directed at Stark’s colleague Erin Gray with whom he searches Luther’s place, but it equally addresses the audience and asks them what to make of this oddity. Do we reflect upon the fact that Luther has been wearing

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basically the same outfit throughout three years of his life, that he goes home to change but always comes back wearing the same clothes? Do we ever stop to consider the wardrobe of a character in a crime TV show? Through this question, the fourth wall is, if not broken, at the very least scratched. It is a case of what Werner Wolf would consider implicit metareference: An element in a work of art that is not only a regular heteroreferential sign—i.e. a sign that points at a physical or conceptual entity outside itself—but makes a covert statement about itself and thus about its genus, its context, its medium or any number of other connected dimensions (cf. Wolf: 30f.). This sort of metareferential gesture is not necessarily critical in its thrust, but may be used for comic effect—or for both. An almost identical scene is featured in John McTiernan’s The Last Action Hero (1993), a highly ironic movie in which Arnold Schwarzenegger plays super-cop Jack Slater, the protagonist of a series of mise-en-abyme action films, who is confronted with the fact that he is a fictional character. A magical movie ticket enables the characters to a metaleptic movement between the “real world” of the diegesis and the “fiction” of the mise-en-abyme movies. In one key scene, Jack Slater opens the wardrobe in his ‘fictional’ apartment, where we see an array of identical leather jackets with matching pants, T-shirts, boots and even guns on a rack. While The Last Action Hero plays this scene to comic effect, the movie in its totality offers a critique of Hollywood action movies, and Slater’s wardrobe points to the same issues as Luther’s by guiding attention to a blind spot in our reception of fictional characters, especially in movies. Directing awareness at one such regularly ignored facet of fictionality might be said to arouse our awareness of the fictionality of the whole piece and the underlying conventions of willing suspension of disbelieve. In other words, it might be taken as a marker of metaization (cf. Wolf: 3). That Luther’s wardrobe is more than heteroreferential is substantiated two episodes later, in a conversation between Luther and his nemesis-cum-ally Alice Morgan. Near the end of the third season, Luther’s position in the police force has become untenable, and he considers disappearing and starting a new life. The first thing Alice does after freeing him from custody is to comment on his dress: “When you go on the run, you’re gonna have to lose the coat!” To this, Luther replies: “But it’s my lucky coat.” (S3.04: 13:05 min.) As this takes place after the audience has seen Luther’s wardrobe and knows that he has several identical coats, his reply can only be taken as ironic. Yet whose irony is it? Luther, who has just lost his partner Justin Ripley, surely would not joke in this situation. As with Stark’s question about Luther’s wardrobe, this comment is infused with an undercurrent of metareferential meaning, if not downright addressed at the audience.

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This could, of course, still be naturalized as an instance of sloppy writing, offhand humor, or a certain kind of self-irony without a greater degree of metareferentiality. Yet in the reading of Luther that I am proposing, it would make sense based on these metaleptic moments to not read Luther as a psychological cop show, but as a post-psychological thriller. What I am proposing is that Luther is a self-conscious critique of simplistic psychological patterns over-used in crime fiction. It is in a way a parody of what it performs, yet without an overall comic effect or a fundamentally deconstructive gesture. It is, at the same time, a functioning thriller, and a meta-commentary on the genre. Seen from this perspective, it is reminiscent of large parts of the oeuvre of David Lynch. As Matthew Sorrento has described the relationship of Lynch’s movies and crime cinema traditions: The filmmaker realizes the vertiginous nature of film noir, a style using narrative clarity and closure on the surface, even if confusion lies in its moody visual approaches. Instead of Lynch’s crime style working as a means of serving the other, more celebrated form (the surreal), his marriage of forms shows a symbiotic relationship between the two. […] Yet, Lynch maximizes on the territory of terror while still using the suspense-ready noir motifs and style. Most crime films preceding his style work with realism, which are often as refined as they are gritty. Two of the most stylized would be Francis Ford Coppola’s The Godfather, Parts I and II, essentially extending the realism no further than expressionist moments. It seems as if filmmakers relied on associations to ‘truth’ when featuring crime and, hence, use verity and realism. Lynch found another universal truth: our fear of crime. (Sorrento: 99ff.)

This is a description that might be applied without substantial modifications to Luther. The show constantly confronts its viewers with horrendous acts of violence, mostly targeting women1 or children2, if they are not simply random3. As pointed out by the initially quoted reviews, the series offers up a steady succession of killers with extreme mental disorders, which individually—e.g. twins 1

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Half the show’s serial killers specifically target women: Lucien Burges drains women of their blood (S1.03), Graham Shand kills women to symbolically punish his cheating wife (S1.04), Daniel Sugarman mutilates a woman for profit (S1.05), Toby Kent is a pornographer, sadist and rapist (S2.02), and Ronnie Holland attacks women in their sleep as an avatar of William Carney, an older, frail psychopath and killer of Holland’s mother (S3.01/02). In addition, both Ken Barnaby (S3.01/02) and Tom Marwood (S3.03/04) become murderers to avenge the degrading violence exerted on daughter respectively wife. Henry Madsen abducts and kills children for pleasure (S1.01), and anarchist Cameron Pell plans to kill a bus full of children to make a point (S2.01/02). Alice Morgan murders her parents for no particular reason (S1.01), Soldier Owen Lynch targets random policemen to free his father from prison (S1.02), and Robert and Nicholas Millberry select their victims through the role of dice according to the rules of a role-playing game (S2.03/04).

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with a shared psychosis (S2.04: 6:46 min.)—as well as in their concentration seem unrealistic.4 Yet regardless of its lack of realism, the London portrayed in Luther is bound to inspire the general fear of crime Sorrento describes. The show enforces the emotions centrally associated with the crime genre proper, yet through the fashion in which it handles both characters and story arcs, it overshoots the mark in a way that appears intentional, calculated to make the audience reflect upon the tropes and methods of psychological crime thrillers. Just like the cinema of Lynch fuses suspense and noir elements with the surreal, Luther does not abandon or overtly ridicule the simplistic psychological models used in the thriller genre. Instead, it adds to them in various ways.

Overt Freudianism

Among these antagonists, Alice Morgan stands out. She is the first killer on the show, murdering her family only to prove her own mental superiority. She is a former child-prodigy specializing in astrophysics, and she and Luther regularly discuss finer points of ethics and morality, love and human nature. The show’s other villains often oscillate between the realistic and the garish, but towards the end, they show, like Alice Morgan, great similarity to John Luther. Alice repeatedly stresses that she and Luther are intellectual equals, maybe even soulmates, and she suggests that this calls both his sanity and his morals into question, because how could he empathize with her to the degree he does if he wasn’t as amoral as her? At the end of the series, in the last two episodes of the third season, Luther is hunting the vigilante Tom Marwood and is even explicitly told by the vigilante that they are basically doing the same. Although Luther denies this and tries to actively distance himself from the vigilante’s actions, the questions raised by internal affairs about Luther’s prior actions suggest that he has actually been acting more like a vigilante than a policeman himself, albeit in a less apparent fashion. Highlighting the parallels between the detective and the perpetrators is, on one level, certainly a fashionable plot device used to create a ‘gritty’, morally grey protagonist, yet when comparing psychopaths with an apparently sane, even if albeit unconventional person, it also calls generally accepted stereotypes of layman’s psychology into question.

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This alone might not be a reason to consider the show self-aware. Bryan Fuller’s Hannibal (2013–2015) offers up a weekly succession of high-profile serial killers with a combined body count that would come close to depopulating the greater DC area the series is set in, and does so without noticeable self-referential qualities.

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This context is further emphasized through the frequent recourse all characters, especially the police, take to psychologically infused terminology. Unsurprisingly, this already prevalent discourse becomes even more pronounced when Luther comes under scrutiny for his practices and colleagues discuss his mental state, calling him e.g. “psychotic” (S1.06: 32:00 min.). Characters, and again both main characters as well as victims and killers, are often portrayed in extreme states of unrest. Luther is shown, figuratively speaking, as the id in the CID. He is losing his composure time and again, thrashing his office, punching holes in doors, violently attacking suspects or colleagues. The starkest contrast to Luther’s instability is his superior, Rose Teller, who constantly gives voice to reason, order and sanity. Her dialogue is filled with ethically or religiously charged vocabulary, when she relates “orders from up high” (S1.02: 15:03 min.) or compares chain of evidence to the Ten Commandments (S1.05: 07:48 min.). Positioned between Rose Teller’s rationalism and John Luther’s volatile impulsiveness is Ian Reed, who acts as a close friend, moral compass and overall corrective for the other police officers. Luther at one point even tells him: “It was you, Ian, that stopped me every single time [from making grave mistakes].” (S1:05: 44:30 min.) This configuration is, when looking at it through the lens of psychoanalysis, strongly reminiscent of Sigmund Freud’s psychological apparatus with its three instances Ich (ego), Es (id), and Über-Ich (super-ego), suggesting that each character is associated with, representative of or dominated by one of these dimensions of the psyche. Initially, the associations appear unequivocal: Rose Teller is the hyper-rational, authoritarian Über-Ich, Ian Reed the everyman Ich, and the dangerously unstable John Luther the Es—he is, after all, even institutionalized in a mental hospital at the beginning of the first season and thus is explicitly coded as an object of psychological discourse. In the initial episodes of the first series, all central character triangles appear structured in the same fashion, with Luther always occupying the most instinctdriven, irrational position: In the investigation of Alice Morgan, she appears as rational to a fault and thus as the Über-Ich, and Luther’s sensitive, soft-spoken assistant Justin Ripley can hardly be taken as anything but the relatable, all-toohuman Ich. In his failing marriage, Luther also starts out as the most emotionally unstable, while his wife Zoe is constantly torn between her emotions and her ratio and thus appears as the Ich to Luther’s Es and her boyfriend Marc’s composed, reflected Über-Ich. Yet all these simple relationships are upset or deconstructed throughout the first season. Ian Reed is discovered to be corrupt, and when threatened with discovery, acts violently in a fashion that seems at times to be without forethought, while at other times thoroughly premeditated, yet in any case fueled by

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desperation and unchecked by reason or morals. Rose Teller’s aloof position as the controlled and controlling Über-Ich is shattered because of the emotional strain Luther’s presumed guilt puts on her, while Luther himself attains almost Zen-like calmness and rationality. In his hunt for Alice Morgan, him and her constantly shift position between the extremes of the psychological apparatus, yet rarely if ever negotiate the ‘normal’ position occupied by Justin Ripley. Marc North initiates a fist-fight with Luther out of impulse, while Luther increasingly moderates his temper, which leaves all three parties of the difficult marriage on a similar level of humanity and equilibrium between the extremes of Über-Ich and Es. The simple, clear-cut Freudian triad that a simple cop show might be content with is explored in all variations and dimensions, yet collapsed into and replaced by a more complex Jungian model.

Luther and Jungian Individuation

Reading Luther, as posited previously, as an allegorical character drama in the tradition of David Lynch’s post-genre films begs the question of whether the series gives any indications that would justify such an approach. One of the most prominently exposed incongruences about Luther is its title song. The opening credits are set to the second verse of Massive Attack’s Paradise Circus, an enigmatic love song about a seemingly unfulfilled or at least challenging relationship. The choice of a love song for a show such as Luther is already fraught with meaning, yet the lyrics are eerily resonant with the protagonist’s personal life. Love is like a sin, my love, For the one that feels it the most Look at her with a smile like a flame She will love you like a fly Will never love you Again

The most apparent reading would be to take the various metaphors attributed to a female entity as different facets of the same person. Yet instead of a complex, contradictory individual, the attributes might as well describe different women, a succession of lovers, the male lover’s perception of women in general or even a typology of female archetypes seen from a male perspective: one with eyes like a flame, one who only loves him for the short lifespan of a fly, the one that will never love him, and the one that will never return to him once

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jilted. Read in this way, the lyrics not only emphasize the importance of love in Luther, but point—maybe accidentally—toward the understanding of love in Jungian depth psychology. To Carl Gustav Jung, one of the main factors in the formation of a sane, mature personality is the relationship to the opposite gender, or, more specifically, love and partnership. The process of individuation is structured by three steps: confronting the Shadow, discovering the Anima, and thus consequently attaining an increased awareness of one’s own Self. It is important to note that in Jungian psychology, the Self is merely the core of a personality, “an inner guiding factor that is different from the conscious personality,” “the regulating center that brings about a constant extension and maturing of the personality” (von Franz: 162).5 The totality of the psyche is much bigger than the nucleus of the self, and great portions of it— the subconscious—are only accessible through dreams. The consciously realized part of our personality, the ego, is the superficial, focused representation of the complexity of the totality of the psyche. While the ego can never fully access this totality, a person who faces the manifestations of her or his Self and cooperates with it through making free decisions can attain a greater awareness of it. “Such a person also becomes a more complete human being” (von Franz: 162).6 The first step in the process of individuation is the confrontation and assimilation of what Jung calls the Shadow, which is “[…] not the whole of the unconscious personality. It represents unknown or little-known attributes and qualities of the ego—aspects that mostly belong to the personal sphere and that could just as well be conscious.” (von Franz: 168) Hence confronting the Shadow means to face and accept hidden facets of one’s own personality. This happens to a greater part by engaging with others: “It is particularly in contacts with people of the same sex that one stumbles over both one’s own shadow and those of other people. Although we do see the Shadow in a person of the opposite sex, we are usually much less annoyed by it and can more easily

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My précis of Jungian principles of individuation is based on Marie-Luise von Franz’s authoritative English-language version of Jung’s writings, which she prepared in close collaboration with C.G. Jung himself in the last years of his life. The full extent of individuation is not meant to be attained by every person. It is, on the contrary, idealized, with Christ, Krishna and Buddha as examples of a completed individuation (cf. von Franz: 224).

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pardon it” (von Franz: 169). The encounter with the Shadow is not automatically confrontational, because “the shadow is not necessarily always an opponent. […] The shadow becomes hostile only when he is ignored or misunderstood” (ibid.: 173). Closely following this first step of individuation, the psyche is capable of engaging with the manifestations of the other sex, the Anima or Animus, respectively. “The [A]nima is a personification of all feminine psychological tendencies in a man’s psyche” as well as “his relation to the unconscious” (ibid.: 177). Whereas the Shadow can manifest in any number of concrete forms, the Anima exhibits four stages in its development. The first stage is best symbolized by the figure of Eve, which represents purely instinctual and biological relations. The second can be seen in Faust’s Helen: She personifies a romantic and aesthetic level that is, however, still characterized by sexual elements. The third is represented, for instance, by the Virgin Mary, a figure who raises love (eros) to the heights of spiritual devotion. The fourth type is symbolized by Sapientia, wisdom transcending even the most holy and the most pure. (ibid.: 185)

The four stages of the Anima can be engaged with through external stimuli (like officially recognized religious figures), but they only have a lasting, healthy effect when the individual can reconcile with this other as a part of himself (cf. ibid.: 188). It is, put differently, through engaging with manifestations of the Shadow and the four different types of woman that man attains greater awareness of himself — a process we can easily trace through the character development of John Luther.

Luther’s Shadow and Anima

In each of Luther’s short seasons, at least one male character has all the qualities of the Shadow.7 In the first season, Ian Reed is Luther’s Shadow in the sense that he is initially a close friend and confidant, yet has been corrupted by greed and given in to temptation. Still, he retains a lot of similarity with Luther even when Reed is discovered to be criminal. It is not in the least coincidental that Reed tries to frame Luther for the murder of Luther’s wife. Just as he had been Luther’s more stable, more positive corrective up to this point, he realizes the

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Alice Morgan has also qualities of the Shadow, yet her relationship with Luther is so saturated with friendly, even sexual overtones—he takes her for a coffee at the end of S1.02 already—that it makes more sense to treat her consequently as a part of the Anima.

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urges Luther had successfully suppressed. In a way, he thus becomes Luther for a moment, giving way to the murderous rage the abandoned husband feels toward his estranged wife. In season two, the policeman-turned-mob-enforcer Frank Hodge serves as a reminder of what Luther might become if he gave in to his violent impulses, and the two characters treat each other for the longest time with a degree of respect that bespeaks a form of recognition in the other. In season three, the relationship of the antagonists and Luther becomes elaborated along the same lines through the two characters George Stark and Tom Marwood. Stark, the alcoholic internal affairs investigator who uses immoral means to ensure the morality of the police force, and Marwood, the egomaniac vigilante who mistakes blind fury for righteous justice, complete the variations on a theme begun with Reed, the dirty copper, and Hodge, the criminal excopper.8 Each of them is, like Luther, a type of liminal policeman, and the ways in which they deviate from the norms and ideals they should embody serve as a negative foil for both the audience (who can thus re-negotiate Luther’s transgressions) and Luther himself. The manifestations of the Anima are similarly strongly outlined.9 In the first season, Luther is struggling with his relationship with his wife Zoe, who, we are told, has been his first love, someone he met at a young age and whose marriage was based on good looks and sexual tension. Zoe thus appears as a manifestation of Eve, the first, primal, biological, fertile side of femininity, associated both with the mother and the awakening desire for the first love. In the second season, he becomes more of a father figure towards young Jenny Jones. Even though those two characters have a more parental relationship, sexuality and the relationship between genders remains a core topic with them, mostly because Jenny is constantly sexualized by other men in extreme ways, from being forced to act in a porn movie to becoming the victim of attempted rape. She has many qualities of Helen, the second phase of the Anima, in as far as she combines idealized, collective erotic attraction with a recogni-

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Especially with Marwood, the final adversary, the show emphasizes the parallels between the characters both from their perspective and that of others: Luther observes that shooting someone at close range with a sawn-off shotgun is not easy, even if one hates the target, thereby implicitly comparing his inability to shoot Ian Reed at the end of season one with Marwood’s callousness (S3.03: 08:00 min.). At the same time, George Stark sees enough commonalities between Luther and Marwood that he suspects them of working together (S3.04). For the sake of brevity, I will not discuss a number of female characters here whose Anima quality might be considered, yet is not as unequivocal as that of the female leads, such as Caroline Jones, one of the twisted mother-figures of the second season.

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tion of women as self-reliant, individualized and therefore flawed, especially concerning virtue. In season three, the female characters are, just like their male counterparts, arranged in a dichotomy: Mary Day, Luther’s first love interest since the death of his wife in season one, and Alice Morgan, who takes a more active and aggressive role in relation to Luther. Mary even in name corresponds to the Virgin Mary, the dimension of the Anima who is attractive by virtue of her purity and non-physical features, symbolizing the potential for lasting relationships. Alice Morgan calls Luther’s feelings for Mary Day a daydream of the life he imagines he wants to live, and refers to her as a pixie—which perfectly gels with the Jungian observation that “[w]omen who are of ‘fairy-like’ character especially attract such Anima projections, because men can attribute almost anything to a creature who is so fascinatingly vague, and can thus proceed to weave fantasies around her” (von Franz: 180). After her return in the last episode of the series, Luther appears to recognize in Alice Morgan the fourth, fully realized and embodied stage of the Anima identified by Jung as Sapienta or Sophia. Not flawless, but combining positive and negative traits, she has herself found her identity through engagement with her Shadow and thus arrived at wisdom. She incorporates all physical and psychological strengths of the female principle and is therefore too complex to be reduced to an ideal. When Luther in the end decides—if that is what the open ending suggests—to start a new life with Alice, he acknowledges the aspects of his psyche that she resonates with and chooses to accept them over the idealized normality Mary Day promises. That Mary tells him to be with Alice rather than herself is fully congruent with this reading: Luther must appear as a third- or even fourth-stage Animus for Mary, as well, but no matter how much she struggles to accept his individual ethics—an exaggerated version of which George Stark confronts her with several times—, she eventually has to accept that she cannot reconcile her own personality with the complexities and idiosyncrasies of Luther’s. The show carefully stresses Alice Morgan’s quality as the Über-Anima not only by setting her up in the role of Sophia. Alice discusses love and women with Luther regularly, and she usually does so on one of London’s bridges, befitting the role of the Anima as the connection between a man and his subconscious. By the same token, she is the one to urge the hero to action, even to her own detriment, so that he can realize his individuation, as when she taunts him: “So go on, kiss me. Kill me. Do something.” (S1.01: 51:48 min.) She is also given a prominent position by suggesting the other characters’ qualities at times. She is e.g. put in the role of Eve in the Garden at the beginning of the second season where Luther hands her an apple containing the key

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that allows her to flee from the mental institution she has been incarcerated. One might even read their roles in this situation as a reversal of the tradition, with Luther as Eve, because the apple he offers causes Alice to be cast out (even if voluntarily) from the mental institution. From that perspective, Luther here not only takes his first decisive step away from the justice system—he frees a convicted murderer, after all—but also towards his Anima, enabling them both to free themselves from the hegemonic discourse of phathologized insanity and paving the way for an ending in which they can leave London together as intellectual peers, regardless of their moral differences. That Alice leads Luther to completion and possible perfection is symbolized in a detail that is only visible on screen for a moment. When they prepare their flight from justice, Alice hands Luther a forged passport in the name of Alan Feynman (S3.04: 13:50 min.). Through this gesture, she appropriates him (by naming him in honor of one of the most exceptional physicists (her profession) and one of the supposedly most original thinkers in the history of humankind), and at the same time declares him through the pun inherent in the name, not only a new, but a fine man.

Conclusion

This analysis proposes to read Luther as a reaction against the overly simplistic models of psychoanalysis generally used in psychological thrillers. The first season initially depicts and arranges its characters along familiar lines of bowdlerized, watered-down Freudian concepts, only to deconstruct these character stereotypes and configurations. Seen as a whole, the series appears to foreground influences of a more nuanced (if still simplified) psychoanalytic model based rather on Jungian than Freudian thought. While this analysis has remained on the level of characters where the reliance on Jungian concepts is most apparent, their influence could be traced through locations and topologies as well as the symbolic importance of day and night, hence interpreting all of John Luther’s tribulations as a manifestation of the archetypal, mythological night sea journey. This reading of Luther does not claim that the show is a flawless masterpiece or that Jungian psychology wasn’t overused by both creative writers and critics. What makes Luther remarkable is, however, that the series infuses the voyeuristic, pseudo-psychological spectacle of a hunt for serial killers with a second layer of psychoanalytically grounded character and story development. The resulting juxtaposition creates a certain degree of metareferentiality that is

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not easily accomplished within the generic confines of a thriller TV show. It is, in other words, the subtly hidden sophistication underneath the conspicuously bland that makes Luther remarkable—an accomplished construction that not only offers a comment on the potential simplicity of the genre, but is at the same time remarkably commensurate to the show’s characters. Like them, Luther needs a lot of analysis to uncover the hidden, formative nucleus of its being.

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Bibliography Columbo. William Link, Richard Levinson (Crs.). NBC, 1968–1978; ABC 1989– 2003. Hannibal. Bryan Fuller (Cr.). NBC, 2013–2015. Jung, Carl Gustav: “The relations between the ego and the unconscious. Part 2. Individuation. 11. Anima and animus.” In: Carl Gustav Jung: Collected Works. Vol. 7. Princeton, NJ 1966, pp. 188–211. Luther. Neil Cross (Cr.). BBC, 2010–2013. Massive Attack: “Paradise Circus.” Heligoland. Virgin 2010. Ryan, Maureen: “‘Luther’ Season 3: Idris Elba Rises Above An Inconsistent Cop Thriller.” Huffington Post. (last accessed 31 August 2015). Seitz, Matt Zoller: “Luther Is Smart Enough to Just Let Idris Elba Be Idris Elba.” Vulture. (last accessed 31 August 2015). Sorrento, Matthew: The New American Crime Film. Jefferson, NC 2012. The Last Action Hero. John McTiernan (Dir.). Columbia Pictures, 1993. The Streets of San Francisco. Edward Hume (Cr.). ABC, 1972–1977. von Franz, Marie-Louise: “The Process of Individuation.” In: Carl Gustav Jung and Marie-Louise von Franz (eds.): Man and his Symbols. New York 1964, pp. 158–229. Wolf, Werner: “Metareference across Media: The Concept, its Transmedial Potentials and Problems, Main Forms and Functions.” In: Werner Wolf et al. (eds.): Metareference in the Arts and Media: Theory and Case Studies. Amsterdam 2009, pp. 1–88.

„The Game Is Never Over“ Transmediales Erzählen in Sherlock Annemarie Opp

Die populäre Debatte um „Quality TV“ geht aufgrund des Kriteriums der Komplexität, dem „Quality TV“ in jedem Fall zu genügen hat (vgl. Mittell 2006), oftmals mit der Diskussion einer neuen Erzählweise einher: Dem transmedialen Erzählen. War es bis vor kurzem eher noch etwas Besonderes, wenn sich eine TV-Serie transmedialer Techniken bediente, so ist dies heute zur Norm geworden (vgl. Mittell 2014: 466). Jason Mittell spricht der grundsätzlichen Idee von Transmedialität zunächst jedoch den Charakter der Innovation ab: „Transmedia is not a new phenomenon, born of the digital age. Even if the term is new, the strategy of expanding a narrative into other media is as old as media themselves.“ (Ebd.: 465) Mit dieser grundlegenden, sehr weit gefassten Definition von Transmedialität geht jedoch die Gefahr einher, dass der Begriff unbrauchbar wird, da er schlichtweg alles an medialer Inter- und Transaktion unter sich versammeln kann. Es bedarf daher einer Spezifizierung, so Mittell weiter, die vor allem aufgrund der Prägung durch das digitale Zeitalter notwendig ist, denn dieses hat zu transmedialen Erzähltechniken geführt, die neu, anders und vor allem vielschichtiger sind (vgl. ebd.: 465f.). Nach wie vor Gültigkeit in diesem Zusammenhang hat Henry Jenkins’ Definition, die den Begriff zuallererst begründete: A transmedia story unfolds across multiple media platforms, with each new text making a distinctive and valuable contribution to the whole. In the ideal form of transmedia storytelling, each medium does what it does best — so that a story might be introduced in a film, expanded through television, novels, and comics; its world

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Jason Mittell kritisiert an diesem Konzept der spreadability, dass Jenkins zu ideale Bedingungen annehme: „[I]n the most ideally balanced example, all texts would be equally weighed rather than having one being privileged as ‚text’ while others serve as supporting ‚paratexts‘.“ (Mittell 2014: 467) Die hierarchische Privilegierung des Serientextes gegenüber dem ‚Paratext‘1, den transmedialen Erweiterungen, bleibt aufgrund finanzieller Interessen der Fernsehindustrie de facto meist erhalten: Am Ende geht es darum, dass die Rezipienten die Fernsehserie konsumieren, also: Einschalten. Das Verhältnis von Serien- und Paratext müsste demnach, so schlägt Mittell vor, anders gedacht werden: Perhaps we need a different metaphor to describe viewer engagement with narrative complexity. We might think of such programs as drillable rather than spreadable. They encourage a mode of forensic fandom that invites viewers to dig deeper, probing beneath the surface to understand the complexity of a story and its telling. Such programs create magnets for engagement, drawing viewers into story worlds and urging them to drill down to discover more. (Mittell 2012; Kursivierungen hinzugefügt)

In diesem Modell wird dem Serientext die zentrale Position vorbehalten, die er laut Mittell nach wie vor innehat. Die drillability, die Tiefenbohrung in diesen Text, bedeutet daher vor allem zweierlei: Den wiederholten Konsum des Serientextes und den zusätzlichen Konsum von transmedialen Erweiterungen, die durch Partizipation und Identifikation das Verständnis und den Genuss des Serientextes erweitern und verstärken (vgl. Bobineau: 235f.). Damit zielt dieses Prinzip ebenso wie Jenkins’ spreadability auf das so genannte audience engagement, das entwickelt wurde, um den Konsum des Serientextes angesichts der zunehmenden Mobilisierung des Fernsehens durch Video-on-Demand-Angebote sicherzustellen. Dabei geht es um „die Auseinandersetzung des Rezipienten (Subjekt) mit bestimmten Medien, Inhalten oder Marken (Objekt)“ (ebd.: 228), der Zuschauer wird also vom passiven zum aktiven Konsumenten, zum ‚Prosumer‘ (vgl. Toffler). Dies äußert sich in: „Consumption of object-related content and products, Participation in object-related activities and interactions, Identification with aspects of the object, both to self and others, Motivations (or desire) for each of the above.” (Askwith: 49)

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In Bezug auf diese Terminologie herrscht Uneinigkeit, es ist z.B. auch von ‚Metatext‘ oder ‚Transtext‘ die Rede. Nichtsdestotrotz scheint der Genette’sche ‚Paratext‘ der Begriff zu sein, der am häufigsten fällt und sich am ehesten im transmedialen Diskurs durchsetzen könnte; vgl. Desrochers/Apollon.

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Um dieses audience engagement sowie die zwei zentralen Prinzipien von spreadability und drillability soll es im Folgenden in Bezug auf die BBC-Serie Sherlock (seit 2010) gehen. Sie eignet sich in besonderem Maß für eine Analyse transmedialen Erzählens, da sie sich von vielen anderen Quality TV-Serien allein schon dadurch unterscheidet, dass ihr die Erzählungen Arthur Conan Doyles zugrunde liegen, die seinerzeit bereits durch die Zeichnungen von Sidney Paget intermedial begleitet wurden (vgl. Mittell 2014: 465). Zu dem sehr speziellen, palimpsestartigen Verfahren der Adaption, dem eine eigene Untersuchung gewidmet werden müsste, kommt hinzu, dass Sherlock die erste Adaption ist, die nicht nur die Texte Doyles als sogenannten Kanon annimmt, sondern auch alle anderen Adaptionen sowie von Sherlock Holmes inspirierte Kreationen: „Sherlock enters not only intertextual but also transmedia relations with literature, film, and other TV versions.“ (Hills: 37) Sherlock zeichnet sich also dadurch aus, dass es das sogenannte ‚Great Game‘, das ungeschriebene Gesetz der Sherlock Holmes-Adaptionen, dass man sich nur auf Arthur Conan Doyles Geschichten zu beziehen habe, gerade nicht mitspielt, sondern gezielt durchbricht. Mit ihrem transmedialen Spiel setzt die Serie im Bereich der Sherlock Holmes-Adaptionen neue Maßstäbe.

Transmediales Erzählen in Sherlock

Mit der Aktualisierung des Doyle’schen Stoffes für das 21. Jahrhundert ergeben sich andere Möglichkeiten des transmedialen Erzählens als dies bei einer Adaption möglich wäre, die dem viktorianischen Zeitalter verhaftet bleibt. Sherlock wartet zunächst mit klassischen transmedialen Erweiterungen auf: Extratextuelle Informationen in Form von DVD-Bonus-Materialien, insbesondere auf der Series Three Special Edition (2014), sowie einschlägigen Webseiten wie ; zwei Bücher, die einen Blick hinter die Kulissen in Buchform ermöglichen (Sherlock Chronicles, 2014) und narrative Erweiterungen bereithalten (Sherlock. The Casebook, 2012), sowie Webseiten und Twitter-Accounts der Protagonisten als diegetische Erweiterungen (vgl. Stein/Busse: 12–16). Besonders hervorzuheben sind die App Sherlock — The Network als ‚Experiental Activity‘ und das Prequel zur dritten Staffel, „Many Happy Returns“, als narrative Erweiterung.2 In der App Sherlock — The Network (seit 2014) wird der Spieler Mitglied des ‚Homeless Network‘ von Sherlock Holmes, er kann sich an

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Zu den Begrifflichkeiten der extratextuellen Informationen, narrativen und diegetischen Erweiterungen sowie ‚Experiential Activity‘, vgl. Askwith: 59–82.

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Videos mit direkten Ansprachen durch Sherlock und John erfreuen und gemeinsam mit ihnen Fälle lösen. Dies alles ist eingebettet in eine aufwendige Grafik, die das Gefühl vermittelt, mittendrin zu sein. Die App befriedigt damit ein grundsätzliches Interesse jedes Sherlock Holmes-Fans: Wie fühlt es sich an, in 221B Baker Street zu sein und mit Sherlock Holmes und John Watson Fälle zu lösen? Das am Weihnachtsabend 2013 zunächst nur auf dem interaktiven, digitalen Service BBC Red Button sowie auf Youtube veröffentlichte Prequel „Many Happy Returns“ genießt als Webisode, die nie im regulären Programm der BBC lief und auch erst mit der Series Three Special Edition auf DVD veröffentlicht wurde, Zwischenstatus. Sie funktioniert als Teaser, aber auch als Weihnachtsgeschenk an die Fans, das die Zeit zwischen der zweiten und dritten Staffel narrativ füllt. Für die Untersuchung von transmedialem Erzählen ist sie von besonderem Interesse, da sie die Interaktion zwischen dem TV-Zuschauer und dem, was auf dem Bildschirm passiert, impliziert. In der Episode sieht man John Watson die ungeschnittene und somit Authentizität suggerierende Version eines Videos anschauen, das ihm Sherlock zu seinem letzten Geburtstag angefertigt hat: SHERLOCK (on screen) Right, I just — I need a moment to figure out what I’m going to do. JOHN I can tell you what you can do. You can stop being dead. SHERLOCK (on screen) Okay. (MHR: 06:07 min.)3

Der Schock Johns angesichts der offensichtlichen, obgleich zufälligen Kommunikation mit Sherlock ist auch der des Zuschauers von „Many Happy Returns“, ebenso wie sich der Zuschauer mit Johns Forderung identifiziert: Es geht hier um nichts weniger als die lang erwartete Rückkehr von Sherlock

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Die einzelnen Episoden der Serie werden im Folgenden anhand von Siglen angegeben: Erste Staffel: 1. „A Study in Pink“ (StiP), 2. „The Blind Banker“ (BB), 3. „The Great Game“ (GG); Zweite Staffel: 1. „A Scandal in Belgravia“ (SiB), 2. „The Hounds of Baskerville“ (HoB), 3. „The Reichenbach Fall“ (RF); Dritte Staffel: Prequel: „Many Happy Returns“ (MHR), 1. „The Empty Hearse“ (TEH), 2. „The Sign of Three“ (SOT), 3. „His Last Vow“ (HLV).

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Holmes nach dessen vorgetäuschtem Selbstmord am Ende der zweiten Staffel. Der Titel des Prequels, die englische Redensart des Geburtstagsglückwunsches, spielt mit dieser Rückkehr und ist gleichzeitig Metakommentar dieser Antizipation. Am Ende des Prequels sagt Sherlock: „Oh, and don’t worry. I’m going to be with you again very soon.“ (MHR: 06:32 min.) Wieder bezieht sich dies nicht nur auf John, sondern auch auf den Zuschauer: Eine Woche später, am Neujahrstag 2014, lief die erste Folge der dritten Staffel auf BBC One. Lässt man sich auf diese transmedialen Erweiterungen ein — was nicht obligatorisch ist, um der Narration der Serie folgen zu können —, dann kommt man bereits in den Genuss der von Henry Jenkins postulierten „richer entertainment experience“ (Jenkins: 21). Die offiziellen, transmedialen Erweiterungen sind jedoch im Vergleich mit anderen Zuschaueraktivitäten, z.B. im Fandom der Serie, relativ limitiert (vgl. Stein/Busse: 14). Eine Erweiterung des Begriffs von Transmedialität schlägt vor, dass auch diese Aktivitäten dazu beitragen, das heißt, „that audiences as well as official authors co-construct transmedia narratives, storyworlds, and frames for engagement“ (ebd.: 14). Das Konzept ist umstritten (vgl. Scott: 30f.), doch kann es für die erste Folge der dritten Staffel, „The Empty Hearse“, fruchtbar gemacht werden.

Transmedialität und Interdiegese: The Case of Forensic Fandom

Mit dem transmedialen Erzählen wird „nicht nur die Geschichte der Handlung transmedial erweitert […], sondern ebenfalls die Ebene der erzählten Welt“ (Bobineau: 237). Dabei kommt es zu Rückkopplungen auf einer Ebene, die Julien Bobineau in Anlehnung an die Definitionen Genettes als „Interdiegese“ bezeichnet, da sie sowohl von der fiktionalen Ebene der Serienerzählung als auch der real-empirischen Ebene des Zuschauers zu unterscheiden und folglich als real-fiktionale Doppelebene zu beschreiben ist (vgl. ebd.: 237f.). Dadurch wird nicht nur der Zuschauer vom passiven zum aktiven Teilhaber der interdiegetischen Erzählungen, sondern die Interdiegese kann auch auf die Diegese der Serie Einfluss nehmen, da der Autor der Serie ebenfalls Zugang zur interdiegetischen Ebene hat. Um dies genauer zu untersuchen, lohnt es sich, sich jener Gruppe der Zuschauer zuzuwenden, die im besonderen Maß dafür prädestiniert ist, transmediale Erweiterungen zu nutzen: Fans. Das Potential zur Immersion, ein zentrales Interesse von Fans und neben der „Logic of Mastery“ (Askwith: 104–108) ein Hauptziel des audience engagements, scheint bei Sherlock zunächst extrem niedrig zu sein: Im Schnitt gibt es alle zwei Jahre drei Episoden à 90 Minuten zu sehen,

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die lange Zeit zwischen den Staffeln muss sowohl seitens der Fans als auch der Autoren und Produzenten überbrückt werden, um das Interesse an der Serie aufrecht zu erhalten. Die beschriebenen transmedialen Erweiterungen sind dafür unentbehrlich, allerdings erfassen sie die Aktivitäten des Sherlock-Fandoms nicht in ihrer Gesamtheit. Dessen Interaktion mit der Diegese auf interdiegetischer Ebene soll im Folgenden mit Fokus auf den Zeitraum zwischen der zweiten und dritten Staffel erörtert werden. (a) Fandom Culture: Belief — Analysis — Creation

Als Sherlock Holmes am Ende der zweiten Staffel in „The Reichenbach Fall“ in den Tod stürzte, kurz darauf jedoch, wenige Sekunden vor der Abblende, quicklebendig zu sehen war, wurde es keineswegs nur zu einem Lieblingsthema des Fandoms, sondern vielmehr zu einem die britischen Medien umfassend beschäftigenden ‚matter of national importance‘, herauszufinden, wie er den Fall vom St. Barts Hospital überleben konnte. Der Schock wurde zum einen durch die Art und Weise, wie der Tod Sherlocks inszeniert wurde, ausgelöst: Im Gegensatz zur Doyle’schen Vorlage wird der Fall hier gezeigt und „he would die as he surely must, in Watson’s arms“.4 Zum anderen aber war die mediale Aufgeregtheit um das Staffelfinale ein Resultat aus dem medialen Machtspiel zwischen Sherlock und seinem Erzfeind Moriarty. Der Zuschauer sieht den Helden, der keiner sein will, nicht nur physisch, sondern auch moralisch zerstört: Sherlock Holmes ist nicht mehr der Garant für Wahrheit, sondern ein potentieller Lügner (vgl. Kazmaier/Opp: 257–261). Die Dramatik des ‚Bilderrätsels Reichenbach‘ kam im Fandom einem Erdbeben gleich, das sich am markantesten in dem Projekt „I believe in Sherlock“ niederschlug:5 Es handelt sich dabei um eine Fan-Kampagne, die sich eines Memes sowie Techniken von Guerilla-Art und -Marketing bedient. Sie hat Teilnehmer auf der ganzen Welt gefunden:6

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Steven Moffat: „The Fall“-Interview, Bonusmaterial der Sherlock Series Three-DVD: 00:27 min. Vgl. . Vgl. , den Tumblr-Blog , sowie die Karte, die eine Markierung für jeden Ort aufweist, an dem Flyer, Poster und Zettel mit den Aussagen der Kampagne angebracht wurden: .

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People are creating art, printing up signs, posting them in coffee shops, on subway platforms, and university bulletin boards. They’re making t-shirts, writing it on their arms, pinning buttons to their winter coats: ‚Don’t believe the lies.‘ — ‚Moriarty was real.‘ — ‚Sherlock Lives.‘ (Asher-Perrin)

Damit wird den intradiegetischen Lügen in „Reichenbach“ nicht nur ein extradiegetisches Bekenntnis des Glaubens an die Figur Sherlock Holmes entgegengesetzt, vielmehr prägt Fiktion die Realität: Die Verwischung von beidem ist ein zentrales Merkmal von Immersion und typisch für das Sherlock HolmesFandom. Denn bereits vor mehr als 100 Jahren, als Doyle seinen Protagonisten in den Reichenbachfällen sterben ließ, kam es zu Protesten der Leser: Doyle wurde überschwemmt mit Beschwerde- und Drohbriefen, er soll sogar auf der Straße angegriffen worden sein, und die Fans trugen schwarze Armbinden, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Ihre Forderung nach der Wiederauferstehung von Sherlock Holmes war bekanntlich von Erfolg gekrönt. In diesem Akt des Glaubens, des Bekenntnisses zu Sherlock Holmes, erschöpfen sich die Aktivitäten des Fandoms jedoch keineswegs. Eine weitere Strategie der Immersion ist die detektivische Ermittlung des forensic fandom (vgl. Mittell 2012) im ‚Fall Reichenbach’, die hier besondere Signifikanz gewinnt: Denn die Fans nähern sich hierdurch der Figur Sherlock Holmes nicht vorrangig emotional, sondern analytisch und damit methodisch an. Hier geht es vor allem um die von Mittell postulierte drillability, also die Tiefenbohrungen in den Serientext, da aufgrund der semantischen Dichte der Serie nahezu alles ein Indiz sein kann.7 So genannte ‚Metas‘ gibt es bspw. in Form des Baker Street Wikis (), den Podcasts der Baker Street Babes () oder im Sherlock Holmes-Forum (). Doch der Großteil der aktiven ‚Analyis‘, die Askwiths ‚Logic of Mastery‘ entspricht, spielt sich auf der Fan-Plattform schlechthin ab: Tumblr. Wie kein anderes Medium der sozialen Netzwerke ermöglicht Tumblr, so die hier vorgeschlagene These, die Kombination der Jenkins’schen spreadability und der Mittell’schen drillability. Während Tumblr zunächst vor allem auf die netzartige Verbreitung von Inhalten angelegt ist, kommt es immer wieder zu

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Zur semantischen Komplexität der Serie tragen nicht nur die Narration oder die Dialoge der Figuren bei. Arwel Wyn-Jones, der Set- und Produktionsdesigner von Sherlock, ist bekannt für seine Liebe und Aufmerksamkeit für Details, wie zahlreiche Tweets von ihm belegen. Im Fandom gibt es daher das „Arwel Wyn-Jones Law“: „If it’s on the screen, it’s meant to be looked at meaningfully.” (vgl. z.B. ) Dies eliminiert die Möglichkeit von Zufällen — oder wie Sherlock in „The Sign of Three“ diesbezüglich zu Mycroft sagt: „The universe is rarely so lazy.“ (SOT: 01:05:55 min.) Die Tiefenbohrungen in den Serientext drängen sich bei Sherlock also geradezu auf.

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Beiträgen und Diskussionen, die in die Tiefe gehen.8 So zirkulierte beispielsweise bereits einen Tag nach Ausstrahlung von „The Reichenbach Fall“ auf dem Blog die Theorie des Gummiballs, mit dem der Puls gezielt ausgesetzt werden kann: Eine Theorie, die tatsächlich Teil der Auflösung von Sherlocks Fall in „The Empty Hearse“ ist. Minutiös, Frame um Frame, wird der Serientext in diesen ‚Metas‘ unter Rückgriff auf narrative sowie diegetische Erweiterungen zerlegt und anschließend zu Beweisen zusammengestellt, analysiert und interpretiert.9 Niemals zuvor also scheint der Begriff des forensic fandom derart angebracht wie für das Sherlock-Fandom: Geprägt vom Inhalt des Serientextes, nämlich Detektivgeschichten, wird die Methodik des Helden, die Deduktion, auf diesen Serientext selbst angewandt. Da der Fokus der Serie, der die einzelnen Episoden und Staffeln verbindet, auf der Freundschaft von Sherlock Holmes und John Watson liegt,10 beschäftigte das Fandom im Vorlauf zur dritten Staffel nicht nur die Frage, wie Sherlock den Fall von St. Barts überleben konnte, sondern auch jene, wie John reagieren würde, wenn Sherlock zurückkehrt. Dieser Frage nimmt sich insbesondere die dritte wichtige Aktivität des Fandoms an: Fanfiction und Fan Art.11 Ein besonders prominentes und sprechendes Beispiel für Fan Art sind die Bilder und Animationen (‚gifs‘) des Blogs , die unter dem Hashtag #notdead viral verbreitet wurden: Sie widmen sich eben jener Frage nach Johns Reaktion auf Sherlocks Rückkehr, die in den Kreatio-

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Eine schlüssige Theorie zur Funktionsweise dieser Microblogging-Plattform fehlt bislang. Tumblr ist zunächst vor allem auf die Verbreitung von Inhalten qua Reblogging angelegt und dient somit in erster Linie der spreadability: Inhalte, die gerebloggt wurden, liegen wie ein horizontales Netz auf einer Ebene. Immer wieder kommt es jedoch zu den von Mittell postulierten Tiefenbohrungen durch Kommentare, die Nutzer beim Rebloggen hinzufügen, auf die andere wiederum reagieren. Da jeder Post mit Notes als solcher gerebloggt werden kann, ohne dass der Nutzer selbst einen Kommentar hinzufügen muss, entstehen jeweils neue Ebenen der spreadability, die gleichzeitig eine vertikale Tiefendimension eröffnen. Vgl. als Beispiel für die Tiefendimension den in Fußnote 7 zitierten Blogeintrag. 9 Vgl. pars pro toto: ; ; . 10 Vgl. das Interview mit Steven Moffat in BBC Newsnight, 23.07.2010: „Sherlock Holmes has always been about the friendship.“ (Bonusmaterial der Sherlock Series Three Special Edition: 04:40 min.) 11 Diese Aktivitäten werden durch Askwiths ‚Logics of Engagement‘ nicht erfasst, wie es generell im Bereich der Transmedialität noch wenig Anerkennung von kreativen Tätigkeiten gibt, die aus der Rezeption von Medien entstehen — es fehlt eine ‚Logic of Creativity‘; vgl. Booth: 33–43.

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nen von shockingblankets immer die des Schocks ist.12 Doch im ‚Creative Fandom‘ werden nicht nur Bilder oder Videos kreiert, sondern auch Texte geschrieben: Auf den einschlägigen Fanfiction-Portalen nehmen jene Arbeiten, die auf der BBC-Serie basieren, 70% der Texte ein, die auf TV- oder FilmAdaptionen von Sherlock Holmes beruhen (vgl. Polasek: 51). Die Aktivitäten des Sherlock-Fandoms, die nicht nur, aber in besonderem Maße für die Zeit zwischen der zweiten und dritten Staffel zu verzeichnen sind, lassen sich damit in der Trias von belief (‚I believe in Sherlock‘), analysis (forensic fandom) und creation (Fanfiction und Fan Art) zusammenfassen. Mit diesen Aktivitäten wird die von Mittell postulierte Zentralstellung des Serientextes affirmiert: Die Serie selbst liefert anhand ihrer komplexen Narration und semantischen Dichte bereits genügend Stoff für den Zuschauer, um die lange Zeit zwischen den Staffeln zu überbrücken, während die oben beschriebenen transmedialen Erweiterungen als Verstärker dieser Aktivitäten fungieren. (b) Interdiegese: Rückwirkungen auf die Diegese und Produktion von Sherlock

Die Verhandlung von Fans in Sherlock war bis Ende der zweiten Staffel deutlich negativ besetzt: Wird Moriarty in „A Study in Pink“ bezeichnenderweise als Fan eingeführt, so verdeutlicht Sherlock in „The Reichenbach Fall“ gegenüber Kitty Riley: SHERLOCK: There are two types of fans. […] Catch me before I kill again, type A. KITTY RILEY What’s type B? SHERLOCK Your bedroom’s just a taxi ride away. (RF: 13:05 min.)

In „The Great Game“ sind Fans zudem „indispensable for gossip“ (GG: 43:30 min.). Diese durchweg negative Perspektive verschiebt sich mit der ersten Episode der dritten Staffel in Richtung eines spielerischen Umgangs: „The Empty Hearse“ enthält zahlreiche Referenzen auf die Aktivitäten des Fandoms nach „The Reichenbach Fall“, die jenes ebenso überraschten wie den ‚normalen‘

12 Vgl. .

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Zuschauer, sofern er die Bezüge überhaupt dechiffrieren konnte.13 Die nicht ernst gemeinte Annahme, die Episode sei „Written by tumblr“14, ist Ausdruck dieser Interaktion auf interdiegetischer Ebene zwischen den Fans und der Serie selbst: Dieser Austausch soll im Folgenden anhand der Trias von belief, creation und analysis aufgeschlüsselt werden. Phillip Anderson, der nicht mehr für Scotland Yard arbeitet, hat einen Fanclub gegründet, der „The Empty Hearse“ heißt. Die Episode ist damit nicht nur ein Wortspiel mit Doyles „The Empty House“ (1903), sondern wird grundsätzlich im Hinblick auf Fans programmiert. So verwundert es wenig, dass die Episode mit Andersons Theorie zum „Reichenbach“-Fall beginnt, und dass er, nur wenige Minuten später, verkündet: „I believe in Sherlock Holmes.“ (TEH: 04:10 min.) Damit zitiert er explizit die ‚Belief‘-Kampagne der Fans und wird zum Fan-Repräsentanten schlechthin. Wie auch im realen Fandom führt sein Glaube an Sherlock dazu, dass er nicht nur daran glaubt, Sherlock würde leben, sondern auch Theorien aufstellt, wie er den Fall überlebt haben könnte, sich also dem Aspekt der analysis verschreibt. Man sieht später in seiner Wohnung zwei Wände bedeckt mit Notizen, Karten und Bildern: Dies erinnert nicht nur an Sherlock selbst, der die Angewohnheit hat, Notizen zu einem Fall an die Wohnzimmerwand zu pinnen, sondern als analoge Variante auch an das forensic fandom, das genau dies in digitaler Form auf Tumblr praktiziert. Ein weiteres wörtliches Zitat von Fan-Aktivitäten findet sich in der ebenso lang wie die Lösung des Reichenbach-Falls erwarteten Wiederbegegnungsszene von Sherlock und John: Kürzer angebunden könnte Sherlock nicht sein, wenn er mit den Worten der Fan Art von shockingblankets und des damit verbundenen populären Hashtags erklärt: „Well, the short version — Not dead.“ (TEH: 21:09 min.) Ebenfalls in die Kategorie von creation fallen die so genannten ships des Fandoms, die vor allem in Fanfiction und Fan Art eine Rolle spielen und denen in „The Empty Hearse“ durch jeweils einen Vertreter Ausdruck verliehen wird.15 So ist Anderson mit seiner Theorie, die zu Beginn der Episode zu sehen 13 Mark Lawson setzte sich nach der Ausstrahlung von „The Empty Hearse“ kritisch damit im Guardian auseinander: . 14 Zur Manipulation der Titles als „Written by Tumblr“ gibt es zwei Quellen, die beide als Originalquellen geführt werden: mit nur 87 Notes; mit 35.000 Notes. 15 Das Oxford Dictionary führt seit letztem Jahr folgende Definition von ship/shipping: „Support or have a particular interest in a romantic pairing between two characters in a fictional series, often when this relationship is one portrayed by fans rather than depicted in the series itself.“ ()

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ist, ein ‚Sherlolly‘-Shipper, das heißt, er würde gern Sherlock und Molly Hooper in einer romantischen Verbindung sehen. Dem ship ‚Sheriarty‘, also Sherlock und Moriarty, wird durch ein Mitglied des Empty Hearse-Fanclubs Ausdruck verliehen, und Mrs. Hudson ist seit Beginn der Serie Vertreterin des verbreitetsten und bekanntesten ships: ‚Johnlock‘. Hieran lässt sich die Interaktion zwischen dem Sherlock Holmes-Fandom und der Serie am deutlichsten nachvollziehen, denn das Fandom reflektiert damit nicht nur etwas, das bereits bei Doyle angelegt ist, sondern zu einem wesentlichen Merkmal der BBC-Serie geworden ist: Das Spiel mit der Suggestion einer romantisch-sexuellen Verbindung von Sherlock und John (vgl. Lavigne).16 Die Trias von belief, analysis und creation ist jedoch nicht nur in die Diegese von „The Empty Hearse“ eingegangen, sondern führte auch zu Veränderungen der Produktionsbedingungen, die durch das Phänomen ‚Setlock‘ notwendig wurden: Wenn in der Londoner North Gower Street gedreht wird, sehen hunderte Fans dabei zu — nicht nur, um ihrer Liebe zu Sherlock Ausdruck zu verleihen, sondern auch, um potentielle Indizien dafür zu ermitteln, was in der kommenden Staffel passiert. Dadurch wird es seitens der Produktion notwendig, die Preisgabe potentieller Spoiler, wie die Auflösung des ReichenbachFalles, zu verhindern. Dabei geht es nicht nur um Verschleierung, sondern auch um das gezielte Legen falscher Fährten — Red Herrings, wie sie im Detektivgenre heißen. Die Methode, die dazu dient, den Leser einer Detektivgeschichte wie jene Sherlock Holmes’ abzulenken, wird damit auf den Umgang zwischen Produzenten und Fans angewendet.17 (c) „They want the story“: Unreliable narration als Effekt des audience engagements

Das Legen falscher Fährten wurde schließlich auch zur narrativen Methode in „The Empty Hearse“, womit die Fandom-Aktivitäten nicht nur die Diegese sondern auch das Erzählverfahren der Serie beeinflussen. Die Auflösung des Reichenbach-Falles steht, neben der Rückkehr Sherlocks, im Zentrum der

16 Vgl. auch die erfolgreiche, sich auf diesen Subtext beziehende Sherlock-Parodie des norwegischen Senders NRK: . 17 Das wohl einschlägigste Beispiel ist eine Szene, die Mycroft und Moriarty in Sherlocks Mantel vor St. Barts zeigt: ; sie wird auch im Audiokommentar zu „The Empty Hearse“ besprochen; vgl. dort 48:00–49:09 min.

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Episode. Zur Fortsetzung des medialen Spiels, das in „The Reichenbach Fall“ begann, gehört es, dass dem Zuschauer drei Versionen der Lösung präsentiert werden. Zwei davon, die ‚Sherlolly‘ und die ‚Sheriarty‘-Version, sind deutlich als (Fan-) Fiktion markiert. Doch auch die dritte Variante, die bislang als die offizielle Lösung gilt, wird von Markern der unreliable narration flankiert. Erstens erzählt Sherlock diese Lösung Anderson, also dem Fandom. Dieses teilt die Zweifel, die Anderson anmeldet: „And anyway, why are you telling me all this? If you’d pulled that off, I’m the last person you’d tell the truth.” (TEH: 01:19:03 min.) Warum also sollte Sherlock gegenüber den von ihm eher wenig geschätzten Fans überhaupt preisgeben, wie er den Fall überlebt hat? Dieser Verdacht erhärtet sich, beachtet man die Kameraeffekte, die die Erzählung Sherlocks einleiten: Die Bildunterbrechung, das Rauschen, markiert einen deutlichen Schnitt und suggeriert eine mögliche Fiktion in der Fiktion, am prominentesten eingesetzt in Jim Moriartys „Sir boast a lot“-Video in „The Reichenbach Fall“ (vgl. RF: 45:31 min.).18 Moriarty erzählt darin als ‚storyteller‘ seine Version von Sherlocks Geschichte, die er als Richard Brook mithilfe der Medien inszeniert und die Sherlock am Ende mit seinem Selbstmord bestätigen soll. Sherlocks Video erzählt wiederum davon, wie er Moriartys Geschichte nur zum Schein beglaubigte: Als Replik auf Jims Video restituiert sich Sherlock damit als Herrscher über das Narrativ. Hinzu kommt drittens, dass er bei der Beurteilung seiner Erzählung ein Wort verwendet, das innerhalb der Serie als Signalwort für Täuschung gelten kann: ‚Neat‘. Auf Andersons Nachfragen erklärt Sherlock: „As I explained, the whole street was closed off like a scene from a play. Neat, don’t you think?“ (TEH: 01:17:26 min.) Nicht nur die Beschreibung als Szene eines Theaterstücks signalisiert den potentiell fiktiven Gehalt des Erzählten, auch das Wort ‚neat‘ deutet wie bereits zweimal zuvor auf Täuschung hin: Mycroft kommentiert mit exakt denselben Worten seinen Plan des ‚Flight of the Dead‘ in „A Scandal in Belgravia“, womit er Moriarty das Gelingen eines Terroraktes und den Tod der Passagiere vortäuschen wollte (vgl. SiB: 01:14:34 min.); Sherlock wiederum bezeichnet in „The Reichenbach Fall“ Moriartys Verkehrung des Märchens von Hänsel und Gretel, womit die vermeintlich harmlose Schokolade zum Träger von Gift wird, als ‚neat‘ (vgl. RF: 42:48 min.).

18 Ein weiteres Beispiel sind die Szenen von Irene Adler und Sherlock in Karachi am Ende von „A Scandal in Belgravia“. Auch diese Passage wirft Fragen hinsichtlich der Authentizität innerhalb der Fiktion auf. Darüber hinaus wird das Bildrauschen als ein Markenzeichen von Moriarty bestätigt, wenn am Ende von „His Last Vow“ sein „Did you miss me?“-Video erst nach dem Rauschen des vorherigen Bildes erscheint (vgl. HLV: 01:27:22 min.).

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In „The Empty Hearse“ kehrt es nochmals wieder: Zur Trennung von Realität und Fiktion, womit signifikanterweise die Geschichten über und mit Sherlock gemeint sind, die John in seinem Blog schreibt, erklärt Sherlock das Wort ‚neat‘ zum Marker von Fiktion: „Unlike the nicely embellished fictions on your blog, John, real life is rarely so neat.“ (TEH: 01:23:13 min.) Geschichten als ‚nicely embellished fictions‘ werden der Realität, mithin der Wahrheit, als Opposition gegenübergestellt. Sherlocks Erklärung des Reichenbach-Falles wird somit durch die Erzählsituation, die visuelle Präsentation und die sprachliche Markierung als mögliche Fiktion hochgradig unsicher. Das Unbehagen, das sich damit einstellt, bringt jene Figur, die in der BBCSerie am ehesten die Stimme des Zuschauers vertritt, am Ende der Episode zum Ausdruck. Nachdem John Sherlock auffordert, zur Presse nach unten zu gehen, denn „they want the story“ (TEH: 01:21:46 min.), fragt er ihn unvermittelt: „Sherlock, you are going to tell me how you did it? How you jumped off that building and survived?“ (TEH: 01:23:38 min.) John will nicht wie die Medien eine ‚Story‘ — und damit potentielle Fiktion — von Sherlock, sondern die Wahrheit. Darauf reagiert Sherlock ausweichend: „You know my methods, John. I am known to be indestructible.“ (TEH: 01:23:47 min.) Er appelliert mit diesem Zitat aus der Holmes-Adaption A Study in Terror (1965)19 nicht nur an den Glauben sowohl von John als auch des Zuschauers — ‚I believe in Sherlock‘ —, sondern liefert auch eine vierte Version der Auflösung des Reichenbach-Falles. Da es sich hierbei tatsächlich um keine weitere ‚Story‘ handelt, die Sherlock erzählt, kann sie als wohl authentischste Aussage über seinen vorgetäuschten Selbstmord gelten. Dies umso mehr, weil er dies John erzählt, der das Vertrauen seitens des Zuschauers in Sherlock verbürgt (vgl. Kazmaier/Opp: 246). Die Frage, ‚how he did it‘, wird vorher dreimal beantwortet, ohne tatsächlich beantwortet zu werden. Die Replik gegenüber John legt nahe, dass sie

19 Vgl. den Audiokommentar zu „The Empty Hearse“: 01:23:22–01:24:20 min. In A Study in Terror klärt Sherlock Holmes den Fall von Jack the Ripper — der bekanntlich in der Realität nie gelöst wurde. Stattdessen wird diese Leerstelle durch zahlreiche Geschichten in Form von Romanen und Filmen gefüllt, wovon A Study in Terror ein Beispiel ist. Darauf wird in „The Empty Hearse“ explizit Bezug genommen, wenn Anderson einen Fall vortäuscht, von dem er glaubt, dass er Sherlocks Interesse auf sich ziehen würde, so dass dieser preisgebe, noch am Leben zu sein. Sherlock erkennt den Fall als fingiert am Buch How I Did It By Jack the Ripper, das wiederum ein intermedialer Verweis auf Mel Brooks Parodie Young Frankenstein von 1974 ist (vgl. TEH: 40:35–43:55 min.).

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notwendigerweise unbeantwortet bleiben muss — „Only lies have detail.“ (MHR: 05:59 min.) — und damit der Fantasie Johns wie des Zuschauers überantwortet wird:20 MARK GATISS The version in your head is always going to be better. STEVEN MOFFAT Also, just before a mystery is solved is the most exciting moment of the mystery, isn’t it? The moment after it’s been solved is the least exciting moment of the mystery. SUE VERTUE It’s like magic tricks, isn’t it? You don’t want to be told how a magic trick works. STEVEN MOFFAT Because the answer is disappointing. (Audiokommentar zu „The Empty Hearse“: 01:16:57 min.)

Im Spiel der Narrationen sind also nicht nur Jim Moriarty und Sherlock Holmes unzuverlässige Erzähler, die Serie selbst unterläuft gezielt eine eindeutige und definitive Interpretation. Die unreliable narration ist nicht zuletzt ein Effekt des audience engagements: Das Spiel der Wechselwirkung zwischen Interdiegese und Diegese ist viel zu elaboriert, als dass es mit nur einer Lösung beendet werden könnte21 — bezeichnend ist, dass Anderson seine Reaktion auf die von Sherlock präsentierte Lösung mit jenem Wort beschreibt, das Moffat hier anführt: „A bit disappointed.“ (TEH: 01:17:50 min.) Wird dem Zuschauer dagegen genügend Stoff gegeben, um weiterhin zu analysieren, z.B. warum die präsentierten Lösungen eventuell falsch sind, sowie eigene Geschichten zu kreieren, kann das Spiel potentiell ins Unendliche perpetuiert werden. Viel effektiver im Sinne transmedialen Erzählens ist es also, die Lösung selbst zum Spiel der

20 Es prallen hier zwei zentrale Begehren des Lesers aufeinander: Als Rezipient von Detektivgeschichten richtet sich dieses zum einen auf Geschichten, also ‚stories‘, zum anderen aber auch auf die ‚Wahrheit‘, denn die Lösung eines Kriminalfalles ist der Fluchtpunkt jeder Detektivgeschichte. Schließlich verbürgt der Detektiv die Wahrheit, von welcher es nur eine korrekte Version geben darf (vgl. Knight: 12). 21 Vgl. dazu Mark Gatiss: „It’s worth pointing out that when we did ‚The Reichenbach Fall‘ we obviously anticipated there would be some interest in how Sherlock had not died, but in the intervening two years it became so vast as an international talking point that we realised, when we came to actually explain it, the last thing we could do was just explain it. And hence this.“ (Audiokommentar zu TEH: 01:34– 01:59 min.)

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analysis zu machen und damit endgültig dem Raum der creation anzuvertrauen, in dem unendlich viele Geschichten produziert werden können. Dies ist nur konsequent, bedenkt man, dass die Serie selbst Produkt der Kreativität des Sherlock Holmes-Fandoms ist: STEVEN MOFFAT We can sit in our rooms and come up with stuff that has this happening round the world [die ‚I believe in Sherlock‘-Kampagne]. We did this as possibly the biggest sustained act of fan fiction. And as a result there’s fan fiction about our fan fiction. And I do think that’s where storytelling comes from. (Bonusmaterial der Series Three DVD: Fans, Villains and Speculation: 14:08 min.)

Steven Moffat erkennt damit nicht nur das hohe Kreativitätspotential von Sherlock Holmes-Fans an, zu denen er zusammen mit Mark Gatiss selbst gehört, sondern legt offen, dass das audience engagement resultierend aus transmedialem Erzählen nicht nur Einfluss auf die histoire und den discours der Serie haben, sondern gar Ursprung eines neuen Serientextes sein kann.

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Wenn Detective Inspector Lestrade zu Beginn von „The Empty Hearse“ zu Anderson, dem Vertreter der Fans, sagt: „Do you really think that if you have enough stupid theories it’s going to change what really happened?“ (TEH: 04:06 min.), dann entpuppt sich diese Frage als rein rhetorische, sowohl hinsichtlich der histoire der Episode, denn Sherlock ist in der Tat nicht tot, als auch ihres discours: Die Aktivitäten des forensic fandom, amplifiziert durch die transmedialen Erweiterungen der Serie, haben nicht nur eine Resonanz in der erzählten Welt erfahren, sondern haben auch die Art und Weise, wie diese erzählt wird, geprägt. Obgleich die Episode eine Art Sonderfall hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Interdiegese und Diegese darstellt — denn in den restlichen Episoden der dritten Staffel wird kein derart expliziter Bezug auf die Aktivitäten der Interdiegese-Ebene genommen —, so ist ein Ende dieser kaum abzusehen, da der Serientext beständig für Nachschub sorgt: Die letzte Episode der dritten Staffel, „His Last Vow“, suggeriert, dass auch der Selbstmord Moriartys nur eine Täuschung war. Der Zuschauer steht damit nicht nur erneut vor der Frage,

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‚how he did it‘, sondern auch, ob sich diese Frage überhaupt stellt, also ob Moriarty tatsächlich überlebt hat oder ob das Video, das auf allen Bildschirmen des Landes zu sehen ist, nicht eine erneute Täuschung, die Täuschung einer Täuschung, ist. Dem medialen Spiel Sherlocks ist nicht zu entkommen. Es ist damit genügend Material vorhanden, das in den zwei Jahren, die zwischen „His Last Vow“ und der für Ende 2015 angekündigten Ausstrahlung der nächsten Episode, eines Specials, vergehen werden, von Zuschauer und Fandom untersucht, analysiert und interpretiert werden kann. Dank raffinierter Narration, einem komplexen Spiel mit transmedialen Erweiterungen und der Interaktion mit dem Fandom auf Ebene der Interdiegese reklamiert Sherlock alle Qualitäten des Quality TV für sich. Damit gilt nicht nur für die Figur Sherlock Holmes — „The Man who never lived and will never die“22 — sondern auch für die Zuschauer der Serie genau das, was Sherlock in „His Last Vow“ zum Abschied sagt: „The Game is never over, John.“ (HLV: 01:24:56 min.)

22 So der Titel der jüngsten Sherlock Holmes-Ausstellung im Museum of London (2014–2015).

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(abgerufen am 31. 08.2015). — (2014): „Strategies of Storytelling on Transmedia Television.“ In: Marie-Laure Ryan (Hg.): Storyworlds across Media. Toward a Media-Conscious Narratology. Lincoln, NE 2014, S. 253–277. Polasek, Ashley D.: „Winning ‚The Grand Game‘: ,Sherlock‘ and the Fragmentation of Fan Discourse.“ In: Louisa Ellen Stein und Kristina Busse (Hgg.): Sherlock and Transmedia Fandom. Essays on the BBC Series. Jefferson, NC 2012, S. 41– 55. Scott, Suzanne: „The Trouble with Transmediation: Fandom’s Negotiation of Transmedia Storytelling Systems.“ In: Spectator 30.1 (2010), S. 30–34. Sherlock. Mark Gatiss, Steven Moffat (Crs.). BBC, seit 2010. Stein, Louisa Ellen und Kristina Busse: „Introduction: The Literary, Televisual and Digital Adventures of the Beloved Detective.“ In: Dies. (Hgg.): Sherlock and Transmedia Fandom. Essays on the BBC Series. Jefferson, NC 2012, S. 9–26. Toffler, Alvin: The Third Wave. The Classic Study of Tomorrow. New York 1980. Tribes, Steve: Sherlock Chronicles. London 2014.

Selbstreflexivität als Qualitätsmerkmal BBCs Sherlock und Daniel Kehlmann Benjamin Schaper

Die BBC-Serie Sherlock (seit 2010) mit den Romanen Daniel Kehlmanns zu vergleichen, entstammt zwei Beobachtungen. Erstens hatten es sowohl die Showrunner von Sherlock und Daniel Kehlmann bei den Nachfolgewerken zum Weltbestseller Die Vermessung der Welt (2005) und zur Episode „The Reichenbach Fall“ (S2.03) mit dem Phänomen des Erwartungsdrucks zu tun. In den DVD-Extras zur dritten Staffel äußern Steven Moffat und Mark Gatiss zwar, dass sie es grundsätzlich als angenehm empfänden, einem hohen Druck durch die Fans ausgesetzt zu sein, weil dies eine große Basis an Verehrern der Serie bedeutet. Jedoch, so die beiden weiter, wurde der inszenierte Suizid zum „national talking point for months“ und sie wussten, sie würden ‚eine sehr, sehr gute Erklärung‘ brauchen, um das Niveau aufrecht zu erhalten (Sherlock S3 „The Fall“: 01:28 und 02:48 min.). Kehlmann spricht in seiner Dankesrede zur Verleihung des Welt-Literaturpreises (2007) in Anlehnung an Imre Kertész’ Reaktion auf den Gewinn des Nobelpreises von einer ‚Katastrophe des Glücks‘, die ihn nun dazu zwinge, „die Arbeit weiterzuführen, obwohl so beängstigend viele Leute an ihr interessiert sind und einen nun wie den Landvermesser seine Gehilfen bei jeder Erwähnung die Worte ‚Erfolg‘, ‚Verkauf‘ und ‚Bestseller‘ begleiten“ (Kehlmann 2011: 173). Zweitens wandten sich Kehlmann sowie Steven Moffat und Mark Gatiss in Ruhm (2009) und „The Empty Hearse“ (S3.01) dezidiert selbstreflexiven Formen zu, um den eigenen qualitativen Ansprüchen und denen eines großen Publikums gerecht zu werden.

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Bei der Untersuchung der selbstreflexiven Elemente soll Sherlock im Fokus stehen und das Werk Kehlmanns als Reflexionskorpus dienen, um die in Sherlock angewandten Strategien herauszuarbeiten. Nach einer kurzen theoretischen Einführung werden drei Hauptpunkte in den Vordergrund treten: 1. 2. 3.

Die Positionierung von Sherlock gegenüber dem Original und anderen Adaptionen. Die Etablierung von Sherlock und Moriarty als Erzählerfiguren und der Kampf der beiden Erzähler. Die Integration der Rezeption von „The Reichenbach Fall“ in „The Empty Hearse“.

In seinen im November 2006 gehaltenen Göttinger Poetikvorlesungen Diese sehr ernsten Scherze schreibt Kehlmann über die essenziellen Qualitätsmerkmale von Literatur: „Ich hatte gemeint, gute Literatur müsse bloß formal perfekt sein. […] Aber natürlich reicht das nicht. […] Sie muß etwas über uns als Menschen sagen und über mich als den Schreibenden.“ (Kehlmann 2011: 134f.) Neben Ästhetik und Sujet etabliert Kehlmann die Frage nach der eigenen Autorschaft als entscheidenden Qualitätsparameter. Kehlmann geht es dabei um die Diskussion der Beschaffenheit von Literatur und der vom Autor angewandten Techniken, also um Selbstreflexivität. Auch die Theorie des Quality TV macht Selbstreflexivität als Qualitätsmerkmal hochwertiger Serien geltend. Jason Mittell bezieht Selbstreflexivität in seinem Essay „Narrative Complexity in Contemporary American Television“ (2006) auf die „operations of narrative mechanics“ (Mittell: 35). In diesem Kontext benutzt er die Termini „metareflexive“ und „self-conscioussnes“ (ebd.).1 Mittell kommt zu der Schlussfolgerung, dass sich ein Paradigmenwechsel im Qualitätsfernsehen vollzogen habe, und macht die entscheidenden Veränderungen wie Kehlmann an formalen Aspekten und einer vermehrt selbstreflexiven Gestaltung fest. Der Paradigmenwechsel sei eine „reconceptualisation of the boundary between episodic and serial forms, a heightened degree of selfconsciousness in storytelling mechanics, and demands for intensified viewer 1

Letzteres ist auch eine der zwölf von Robert J. Thompson angeführten Kategorien des Quality TV: „Quality TV is self-conscious. Oblique allusions are made to both high and popular culture, but mostly to TV itself. Moonlighting, for example, could bury an obscure reference to a play by Eugene O’Neill right alongside a direct address to the camera about the fact that Moonlighting had been airing a lot of reruns lately. Both the classier cultural references and the sly, knowing jabs at TV serve to distance these programs from the stigmatized medium and to announce that they are superior to the typical trash available on television.“ (Thompson: 15)

Selbstreflexivität als Qualitätsmerkmal

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engagement“ (ebd.: 39). Alle der drei angeführten Punkte spielen bei der Analyse von Sherlock eine Rolle. Die self-consciousness kann als Übergriff gelten, die Erzählform wird für den Erzählerwettstreit von Bedeutung sein, ein höheres Engagement des Publikums bei der Rezeption von „The Reichenbach Fall“ und deren Fiktionalisierung in „The Empty Hearse“.

Die Positionierung von Sherlock gegenüber Original und anderen Adaptionen

Moffat und Gatiss benennen in den DVD-Extras zur ersten Staffel das Gegenwartssetting als Anstoß zur Kreation der Serie (vgl. Sherlock S1 Making Of: 01:20 min.). Das Update zeigt sich z.B. dadurch, dass Sherlock moderne Technologien zum Lösen seiner Fälle benutzt oder John einen Blog führt anstatt die Abenteuer in Printmedien festzuhalten. Ebenso zeichnet sich der zeitgenössische Kontext auch linguistisch ab, indem sich die Hauptfiguren mit Sherlock und John und nicht mit Holmes und Watson ansprechen, was andere sprachliche und Höflichkeitskonventionen suggeriert als zu Zeiten Conan Doyles. Dies gilt ebenso für den Titel der Sendung, bei dem der Nachname Holmes ausgeklammert wird. Auch Kehlmann nimmt sich in der Vermessung der Welt ikonischer Figuren an. In den Ernsten Scherzen entwirft er folgende Strategie der Annäherung an die historischen Persönlichkeiten Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt: Der historische Mensch selbst ist gewissermaßen ein Magnet, und um ihn herum ist ein Feld, in dem man sich erfindend bewegt. Kommt man der ursprünglichen Gestalt zu nahe, dann schreibt man einfach eine Biographie, und das ist nicht der Sinn der Sache. Entfernt man sich aber zu weit, so daß die Kraft eines Feldes nicht mehr spürbar ist, so hat man das künstlerische Recht verloren, ihren Namen zu verwenden. (Kehlmann 2011: 152)

Zwar sind Holmes und Watson keine historischen Figuren, aber das Prinzip des Magneten auf die Adaption eines literarischen Klassikers anzuwenden, funktioniert. Einerseits ist die Serie an die Vorlage gebunden und kann nicht zu weit von ihr abweichen, ohne die Legitimation einer Adaption zu verlieren. Andererseits muss auch etwas Originelles geschaffen werden, um nicht im HolmesKorpus unterzugehen. Tatsächlich findet sich in Sherlock eine ähnliche Stelle, an der dieses Prinzip elaboriert wird. Allerdings nicht wie bei Kehlmann im paratextuellen Begleitwerk, sondern selbstreflexiv im „Reichenbach Fall“. Sherlock reflektiert darüber, wie es Moriarty gelungen ist, seinen Ruf zu ruinieren: „He’s got my whole

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life story. That’s what you do. You sell a big lie. You wrap it up in a truth to make it palatable.“ (S2.03: 01:01:43 min.) Moriarty setzt zur Vernichtung Sherlocks einige Fakten ein, um seinen Lügen ein Fundament zu geben, das sie schlüssig erscheinen lässt. Das Zitat lässt sich jedoch auch auf einer Metaebene als Herangehensweise an die Figur Holmes lesen. Wie im Kehlmann’schen Bild des Magneten müssen die Abweichungen von literarischen Vorbildern durch ein gewisses Maß an Werktreue legitimiert werden, um für den Zuschauer ein spannendes neues Bild ihres Idols zu entwerfen. Auch die einzige direkte Referenz Kehlmanns auf Conan Doyle bezieht sich auf die Figuren. In Wo ist Carlos Montúfar? (2005), seinem literaturtheoretischen Begleitband zur Vermessung, schreibt er, dass er sich früh entschloss, in Humboldt und Bonpland ein Duo zu haben: „Wie Don Quixote und Sancho, Holmes und Watson, […] sollten meine Reisenden ein verschworenes, streitendes Paar sein.“ (Kehlmann 2010b: 16) Dieser Konstellation entspringt Humor. Der prinzipientreue, seine Homosexualität unterdrückende Preuße trifft auf den sexuell libertinären französischen Lebemann. Auch Moffat und Gatiss betonen in den Extras zur dritten Staffel die Komik, die aus der Beziehung ihrer Hauptfiguren entsteht (vgl. Sherlock S3 „Fans, Villains & Speculations“: 09:15 min.). Tatsächlich sind Sherlock und John ähnliche Figuren wie Humboldt und Bonpland. Der zölibatäre selbsterklärte „highfunctioning sociopath“ (u.a. Sherlock S3.03: 10:40 min.), der seine Arbeit über private Vergnügungen stellt, und der bodenständige John, der sich vor seiner Hochzeit von sexuellen Abenteuern locken lässt. Stephanie Catani erkennt in ihrem Essay „Formen und Funktionen des Witzes, der Satire und der Ironie in ‚Die Vermessung der Welt‘“ (2008) den Humor als Hauptkategorie der poetologischen Selbstreflexivität des Romans (vgl. Catani: 199). Als wichtigsten Punkt benennt sie, dass Kehlmann im Text seine Autorschaft ironisch hinterfragt. Dies äußert sich, so Catani, vor allem in der Erzählfeindlichkeit der Figuren (vgl. ebd.: 211). Diese Auflehnung der Figuren gegen den Autor findet sich vor allem bei Gauß und Humboldt. So beschwert sich etwa Gauß, dass „jeder Dummkopf in zweihundert Jahren sich über ihn lustig machen und absurden Unsinn über seine Person erfinden könne“ (Kehlmann 2008: 9). Später im Roman echauffiert sich Humboldt: „Er habe den Eindruck, sagte Humboldt, hier werde ununterbrochen erzählt. Wozu dieses Herleiern erfundener Lebensläufe, in denen noch nicht einmal eine Lehre stecke?“ (Ebd.: 114) In Ruhm lehnt sich die Protagonistin der Geschichte „Rosalie geht sterben“ dagegen auf, unheilbar krank zu sein. Allerdings ist Rosalie die Erfindung der im Roman wirkenden Autorfigur Leo Richter. Und wenn Rosalie sich gegen ihn

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wendet, indem sie Zweifel an dessen Allmacht über seinen Text hegt, und Richter die Hoheit über den Text zusehends entgleitet, so destabilisiert dies die Position der Stellvertreter-Figur und verweist auf die transzendente, souveräne Position Kehlmanns. Als wichtigste Funktion des selbstreflexiven Humors etabliert Catani zuletzt, dass er eine Brücke zur Gegenwart schlägt: „Komik, so lautet die poetologische Botschaft des Textes, unterläuft die Historisierung literarischen Wissens und richtet [sich] an [die] Gegenwart.“ (Catani: 212) Auch Sherlock zielt auf die Gegenwart, in der der viktorianische Held seinen Platz sucht, indem er sich gegen die eigene Ikonographie wendet. Dies zeigt sich anhand von Sherlocks Ärger darüber, dass er zumeist mit dem Deerstalker dargestellt wird. In Conan Doyles Geschichten enthalten lediglich zwei Abenteuer, „The Boscombe Valley Mystery“ (1891) und „The Adventure of the Silver Blaze“ (1892), Beschreibungen, die auf die Kopfbekleidung passen. Durch die Illustrationen Sidney Pagets und spätere Adaptionen wurde der Deerstalker dann zu einem Markenzeichen des Detektivs. Daher ist es folgerichtig, dass Sherlock nur zufällig an die Mütze kommt, indem er in „A Scandal in Belgravia“ (S2.01) willkürlich nach etwas greift, um sich zu verhüllen (vgl. Sherlock S2.01: 07:45 min.). Danach verbreiten die Medien das Foto, was zur Ikonographie des consultant detective führt. Zwei Wutausbrüche sind von besonderer Relevanz. Dr. Frankland äußert in „The Hounds of Baskerville“ (S2.02), er hätte Sherlock ohne den Hut kaum erkannt. Kurz darauf erfolgt jedoch eine neue Ikonisierung. Das Bild des Sherlock Holmes aus Sherlock wird durch John folgendermaßen skizziert: „You being all mysterious with your cheekbones, and turning your coat collar up so you look cool.“ (S2.02: 31:23 min.) Die Serie staffiert Sherlock mit einem anderen ikonischen Kleidungsstück aus, nämlich dem Mantel, was sich dann in „The Empty Hearse“ zementiert, als nicht etwa der Deerstalker, sondern der Mantel die Wiederkehr Sherlocks endgültig besiegelt. Allerdings kommt es ebenso zur Akzeptanz. Am Anfang von „The Reichenbach Fall“ meint John: „I mean, this isn’t a deerstalker now. It’s a Sherlock Holmes hat.“ (S2.03: 03:48 min.) Die Ikonographie ist hiermit unwiderruflich abgeschlossen, indem Holmes’ Name die ursprüngliche Bezeichnung überlagert. Am Ende von „The Empty Hearse“ akzeptiert dies auch Sherlock, ehe er der Presse Auskunft über seine Rückkehr gibt:

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| Benjamin Schaper JOHN You love it. SHERLOCK Love what? JOHN Being Sherlock Holmes. SHERLOCK I don’t even know what’s that supposed to mean. […] Anyway, time to go and be Sherlock Holmes. Er zieht den Hut auf. (S3.01: 01:23:28 min.)

Daneben, dass diese Aussage selbstverständlich auch auf Benedict Cumberbatch und seine Darstellung bezogen werden kann, akzeptiert Sherlock seine eigene Ikonographie. Dabei ist er sich bewusst, dass er eine Rolle spielt und nicht authentisch ist. Durch dieses Bewusstsein der eigenen Ikonographie überkommt die Serie in der Terminologie Harold Blooms die anxiety of influence. Sie idealisiert nicht ihre Vorgänger, sondern emanzipiert sich von jenen „by misreading one another, so as to clear imaginative space for themselves“ (Bloom: 5).

Sherlock und Moriarty als Erzählerfiguren und der Kampf der Erzähler

In den Extras zur zweiten Staffel äußern Moffat und Gatiss dezidiert, dass sie die Serie als episodische und nicht als serielle Erzählform sehen (vgl. Sherlock S2 „Sherlock Uncovered“: 08:31 min.). Zwar setzen sich die Episoden weitgehend aus in sich geschlossenen Handlungen zusammen, jedoch suggeriert schon die Semantisierung des Deerstalkers, dass Sherlock auch serielle Erzählformen bedient. Darüber hinaus werden diverse Running Gags etabliert, die erst in ihrer ständigen Wiederholung ihr volles humoristisches Potenzial entwickeln. Als Beispiel kann gelten, dass Sherlock und John häufig als Paar gesehen werden. Außerdem wird auch die Bedrohung durch Moriarty sukzessive aufgebaut. In der Pilot-Folge erfährt man kurz vor Schluss seinen Namen vom sterbenden Taxifahrer. In „The Blind Banker“ (S1.02) agiert er dann zum ersten Mal selbst, jedoch nur in Form von Chat-Nachrichten auf einem Computer. Dann sieht man ihn in „The Great Game“ (S1.03) erstmalig, jedoch eine Rolle spielend,

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wodurch er sowohl Sherlock als auch das Publikum täuscht, ehe er sich gegen Ende im Schwimmbad offen zu erkennen gibt. Eine ähnliche Aufbaustrategie verfolgen die Autoren bei der Einführung der Figur Marie Watson in der dritten Staffel. Zudem operieren sie auch mit Prolepsen zwischen den Episoden. Die prominenteste davon stellt wohl ein Kuvert aus böhmischem Papier dar, das eine Frau in Handschrift an Sherlock adressiert hat, und in dem sie ihm ein Smartphone zukommen lässt. Dies löst einerseits das „Great Game“ der finalen Folge der ersten Staffel aus und deutet bereits auf „A Scandal in Belgravia“ zu Beginn der Folgestaffel, in der Irene Adlers Telefon eine zentrale Funktion zukommt. Das wichtigste bediente Mittel des seriellen Erzählens sind die Cliffhanger zum Ende jeder Staffel. Die erste Staffel liefert einen klassischen Cliffhanger im Sinne von Thomas Hardys Roman A Pair of Blue Eyes (1873). Also: Fällt er, fällt er nicht, bzw. schießt er oder schießt er nicht? Die Staffeln zwei und drei hingegen enden in der Terminologie Mittells mit einem „narrative special effect“ (Mittell: 35). Hier stellen sich die Fragen, wie Sherlock und Moriarty ihre offensichtlichen Suizide überleben konnten. Mittell führt den narrative special effect als Technik der Selbstreflexivität und Qualitätsmerkmal des Quality TV an. Denn, so Mittell, deren spezifisches Charakteristikum ist es, die Aufmerksamkeit des Zuschauers darauf zu lenken, mit welchen narrativen Mitteln dieser Effekt erreicht wurde (vgl. ebd.). In Sherlock funktioniert dies dadurch, dass sowohl Sherlock als auch Moriarty als Erzählerfiguren etabliert werden. In Kehlmanns Ruhm nimmt die Erzählerfigur Leo Richter eine wichtige selbstreflexive Funktion ein. In der zweiten von neun Geschichten erklärt Richter seiner Freundin eine Romanidee: „Ein Roman ohne Hauptfigur! Verstehst du? Die Komposition, die Verbindungen, der Bogen, aber kein Protagonist, kein durchgehender Held.“ (Kehlmann 2010a: 25) Dies entspricht der Konzeption von Ruhm, und Kehlmann hat das Programm des Romans häufig derartig artikuliert. Innerhalb des Romans können zwei der Geschichten, „Rosalie geht sterben“ und „In Gefahr“, eindeutig dem Autor Richter zugeordnet werden. Durch Kehlmanns Spiel mit dem Stellvertreter, narrative Metalepsen und zahlreiche Anspielungen auf die und Spiegelungen mit den anderen Geschichten verschwimmen die Grenzen zwischen den narrativen Ebenen. Ähnlich operiert „The Reichenbach Fall“. Der Showdown wird als Wettkampf der Erzähler inszeniert. Dieser beginnt mit einer SMS von Moriarty an Sherlock: „Come play.“ (S2.03: 09:47 min.) Das Motiv des Spiels muss beachtet werden. In der Baker Street beginnt Moriarty mit der Entfaltung eines Märchenmotivs: „Every fairytale needs a good old-fashioned villain. You need me or you’re nothing. Because we are just alike you and I.“ (S2.03: 22:36 min.)

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Moriarty bedient sich hier des von Wolfgang Iser geltend gemachten Phänomens der Kippfiguren. Die Selbstkonstitution einer Figur definiert sich dabei ausschließlich über den Vergleich mit dem Gegenspieler, jedoch ist ein Kippen der Positionen jederzeit möglich. Dies wird in der Szene deutlich, da Moriarty in Sherlocks Sessel Platz nimmt und Sherlock die entgegengesetzte Position einnehmen muss. Andererseits zeigt sich, dass sich beide bereits in einem Märchen befinden. Dies ist auf zwei Ebenen zu lesen. Erstens, sind beide Figuren einer fiktionalen Serie, zweitens verweist das Märchenmotiv auf die Geschichte, die Moriarty zu erzählen gedenkt. Sein Ziel ist es, die Position des Bösewichts dahingehend auszuloten, dass sie Sherlock zugeschoben wird. Dazu bedient er sich der Formel: „I owe you a fall, Sherlock.“ (S2.03: 26:10 min.) Das Fallen ist ein Terminus aus der Dramentheorie. Fallhöhe meint, dass ein Held einen gewissen Status erreicht haben muss, damit sein anschließendes Unglück umso stärker wirkt. Die ganze Serie ist bis dahin mit dem Höhepunkt der Lösung des Reichenbach-Falls darauf ausgelegt, Sherlocks Ruhm zu steigern. Moriarty leitet die Wende mit der Geschichte von „Sir Boast A Lot“ ein, die perfide darauf zielt, die suspension of disbelief des Publikums zu attackieren. Als Sherlock im Taxi sitzt, erzählt Moriarty über den Bordbildschirm ein Szenario, bei dem sich Sherlocks soziale Inkompetenz gegen ihn wendet, was entsprechend der antiken Dramentheorie einen harmonischen, aus bereits eingeführten Informationen motivierten, Umschwung ergibt (vgl. S2.03: 45:30 min.). Vor allem Anderson und Donovan sind nicht mehr bereit, die Heldengeschichten unhinterfragt hinzunehmen. Der Glaube an das Dargebotene schwindet. Sherlocks Fall wird somit einerseits über den Verlust des Vertrauens in seine Fähigkeiten inszeniert, andererseits rein physisch durch den Fall in den Tod. Zur Analyse der finalen Konfrontation müssen die zuvor erschlossenen Kategorien herangezogen werden: Das Spielmotiv, Dramentheorie und das Erzählen. Die Szene wird durch eine SMS Sherlocks eingeleitet: „Come play.“ (S2.03: 01:06:52 min.) Dies ist derselbe Wortlaut, den Moriarty verwendete, um Sherlocks Fall einzuleiten. Spätestens jetzt ist es eindeutig, dass auch Sherlock erzählt, um Moriarty zu besiegen. In „The Empty Hearse“ wird dann klar, dass Mycroft und Sherlock zusammen schon seit längerer Zeit eine große Geschichte erzählen, um Moriarty zu besiegen (vgl. S3.01: 01:12:10 min.). Moriarty und Sherlock sterben scheinbar beide, werden aber zurückgebracht. Mittell nennt dieses Qualitätsmerkmal eine „temporary confusion of viewers“ (Mittell: 37). Es ist demnach nicht klar, in welcher Erzählung man sich tatsächlich befindet, als Sherlock vom Dach springt. Dies lädt dann zu einem weiteren Merkmal

Selbstreflexivität als Qualitätsmerkmal

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Mittells ein: Der rewatchability (ebd.: 31). In Sherlock wird man sogar zweimal dazu eingeladen. Einmal, als Sherlock lebendig sein Grab beobachtet, dann wiederum, als auch Moriarty am Ende der dritten Staffel zurückkehrt. Dabei finden sich bereits in der ursprünglichen Szene Hinweise auf beider Überleben. Auf dem Dach des Krankenhauses sagt Moriarty: „Shall we finish the game? One final act?“ (S2.03: 01:11:23 min.) Er greift erneut das Spielmotiv auf. Aber ein Spiel hat keinen letzten Akt. Ein Akt ist Teil eines Dramas, wodurch klar wird, dass auch hier die Narration höchst unzuverlässig ist. Es wird Theater gespielt. Dramen-Terminologie findet sich ebenso in Sherlocks Version seines Sturzes: „The whole street was closed off. Like a scene from a play.“ (S3.01: 01:17:26 min.) Es ging also einzig darum, den Zuschauer — repräsentiert durch John — zu täuschen. Dies geschieht auf eine Weise, die wiederum charakteristisch für Film und Fernsehen ist. Die Kamera zeigt, was sie zeigt, und zeigt nicht, was sie nicht zeigt. In dieser Hinsicht ist sie unbestechlich. Entscheidend ist aber, wer hinter der Kamera die Perspektive bestimmt. Durch die richtige Perspektive und das Timing beim Perspektivwechsel konnte Sherlock John täuschen. Aber der Status dieser Erklärung bleibt, nicht nur wegen Andersons Widerspruch, sondern auch durch filmische Mittel, ambig: Man sieht Sherlock durch eine Kamera, die eine andere Kamera filmt, die Sherlock filmt. Dadurch wird eine weitere Ebene eingeschoben, die das Gesagte zu einem höheren Grad fiktionalisiert. Und natürlich kann dies alles vollkommen falsch sein, da selbst, wenn Sherlocks Version wahr wäre, die Rückkehr Moriartys die Vorstellung einer authentische Wiedergabe des Geschehenen wiederum ad absurdum führt. Es bleibt noch eine letzte Kategorie. Kurz bevor Sherlock springt, sagt er zu John: „It’s a trick, it’s just a magic trick.“ (S2.03: 01:20:23 min.) Dies zeigt deutlich, dass hier erzählt wird, denn die Zauberei fungiert in der Literatur und auch im Film häufig als Generalmetapher für die metareflexive Diskussion des eigenen Wirkens. Im Film wären in der jüngeren Vergangenheit etwa Christopher Nolans The Prestige (2006) oder Woody Allens Scoop (2006) zu nennen. In der Literatur hat sich beinahe jeder bedeutende Schriftsteller eine Zaubererfigur geschaffen, um die eigene Autorschaft auszuloten. Man denke beispielsweise an Shakespeares Prospero, Goethes Zauberlehrling oder Thomas Manns Cipolla.2 Daniel Kehlmann beginnt seine Karriere mit der Geschichte des Zauberers Arthur Beerholm. In Beerholms Vorstellung (1997) gelingt es diesem, als seine Kräfte ausgereift sind, nicht mehr, zwischen Zauberei und Reali2

Vgl. Shakespeares vermeintlich letztes Stück The Tempest (um 1611), Goethes gleichnamige Ballade aus dem Jahr 1797 sowie Thomas Manns Novelle Mario und der Zauberer (1930).

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tät bzw. Wirklichkeit und Fiktion zu unterscheiden, und ebenso ergeht es dem Leser. Auch in Sherlock bleibt für den Zuschauer der ontologische Status des Erzählten durch den Einsatz der Mittel der narrativen Mechanik des Fernsehen unklar, wodurch Sherlock Mittels Qualitätsmerkmal der operational aesthetic at work erfüllt: „We want to enjoy the machine’s results while also marveling at how it works.“ (Mittell: 38) Die Interaktion der Rezeption

In „The Empty Hearse“ wird unmittelbar das Zitat des Zaubertricks wiederholt (vgl. S3.01: 00:16 min.). Es funktioniert hier auf zwei Ebenen. Nicht nur wird die Authentizität von Sherlocks Todessprung in Frage gestellt, sondern auch die der dargebotenen Version, die sich als Theorie Andersons herausstellt. In der Episode werden mehrere Szenarios verhandelt, die vor allem von der „Empty Hearse“ vorgetragen wird, einem Club, der daran glaubt, dass Sherlock seinen Tod nur inszeniert hat. Dementsprechend reflektiert bereits der Titel der Episode über die Rezeption von „The Reichenbach Fall“. Im weiteren Verlauf der Episode werden die im Diskurs um die Serie angeführten Taglines, Hashtags und Vertrauensbekundungen inkorporiert.3 Anderson äußert den weitverbreiteten Treuebeweis: „I believe in Sherlock Holmes.“ (S3.01: 04:09 min.) Als der Fanclub von Sherlocks Rückkehr erfährt, geschieht dies wie nach der Ausstrahlung von „The Reichenbach Fall“ durch den Hashtag „#sherlocklives“ (S3.01: 30:25 min.). Die fiktionale Welt der Serie diffundiert in die Wirklichkeit und die Wirklichkeit diffundiert in die fiktionale Welt der Serie. Einerseits wird die Serie durch die Macher selbst in die Wirklichkeit getragen, indem z.B. in Sherlock real existierende Dinge wie Johns Blog auch in der Wirklichkeit zu finden sind.4 Andererseits entwickelte sich durch die Begeisterung der Fans eine Eigendynamik, die den Plot erweitert und in die Wirklichkeit trägt, was dann wiederum Einzug in die Serie findet. Auch in Ruhm findet ein Austausch zwischen Wirklichkeit und Fiktion statt. Kehlmann erreicht dies durch die Erschaffung der Stellvertreterfigur Leo Richter. Bezeichnend dafür ist der Begleitband Leo Richters Porträt (2009). An einem dem Band vorangestellten Bild zeigt sich das Spiel der Identitäten (vgl. Kehlmann/Soboczynski: 6f.). Das Bild ist vertikal zweigeteilt und zeigt auf der einen Seite eine Zeichnung des fiktiven Autors Richter und auf der anderen eine Fotografie Kehlmanns. Zwar sehen sich die beiden nur entfernt ähnlich, 3 4

Für eine detaillierte Analyse der Rezeption und des Fandoms rund um Sherlock, vgl. den Beitrag von Annemarie Opp in diesem Band. Vgl. .

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nehmen jedoch genau die gleiche Pose ein und werde aus exakt derselben Einstellung portraitiert. Zudem ist der Band dermaßen aufgebaut, dass nach einer Kurzgeschichte, in der Richter zusehends an der Angst vor der Porträtierung leidet, ein Porträt Kehlmanns mit dem Titel „Hilfe, ich werde portraitiert“ steht. Wie Ruhm ist der Band eine Reflexion über die durch den Erfolg bedingte Position im öffentlichen Diskurs. Der Titel Ruhm spielt selbstreflexiv mit dem von ihm ausgedrückten Phänomen. Wie Kehlmann selbst leidet Richter unter ständig gleichen Fragen, Lesereisen und darunter, generell im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen. Wie in Sherlock kommt es zu einem bewusst inszenierten Austausch zwischen Realität und Fiktion. Kehlmann lotet anhand der Figur Leo Richter seine eigene Position in und zur öffentlichen Wahrnehmung aus. Auch Sherlock nutzt die Wahrnehmung der Serie als kreatives Potenzial und reagiert direkt auf den Erfolgsdruck. Als es zur Auflösung des Cliffhangers kommt, fungiert Anderson als Sprachrohr des Publikums: ANDERSON Not the way I would have done it. SHERLOCK Oh, really? ANDERSON No, I’m not saying it’s not clever but… SHERLOCK What? ANDERSON ’Bit disappointed. SHERLOCK Oh, everyone’s a critic. (S3.01: 01:17:38 min.)

„The Empty Hearse“ kann als Kommentar auf die von der Serie ausgelösten Fanaktionen angesehen werden. Durch das Bewusstsein, nicht den Ansprüchen aller Zuschauer gerecht werden zu können, sowie durch die Herausarbeitung der Schwächen von Sherlocks Version und deren ambigen Status, macht sich die Serie durch ihre selbstreflexive und selbstironische Ausrichtung gegenüber Kritik unantastbar. All dies führt zu einer Aufwertung der Position des Publikums. Mittell schreibt, dass es ein Merkmal des Quality TV ist, den Zuschauer ernstzunehmen und ihm komplexe narrative Formen zuzutrauen (vgl. Mittell: 32 und 35).

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Sherlock geht noch einen Schritt weiter. Moffat und Gatiss betonen in den DVD-Extras zur dritten Staffel, dass Sherlock der „biggest sustained act of fan fiction“ ist, der dann wiederum eine weitere Fanfiction nach sich gezogen hat (vgl. Sherlock S3 „Fans, Villains & Speculations“: 14:13 min.). Die Fanficton zur Fanfiction wiederum inspiriert aber auch das Werk und verläuft nicht strikt parallel. So wird der Zuschauer nicht nur im Sinne Mittells hinsichtlich der Komplexität und Qualität des ihm präsentierten Materials ernst genommen, sondern wird dahingehend mit den Autoren ebenbürtig, als dass er einen unmittelbaren Einfluss auf die Genese der Serie nimmt.

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Bibliographie Bloom, Harold: The Anxiety of Influence. New York 1973. Catani, Stephanie: „Formen und Funktionen des Witzes, der Satire und der Ironie in ‚Die Vermessung der Welt‘.“ In: Gunther Nickel (Hg.): Daniel Kehlmanns ‚Die Vermessung der Welt‘. Materialien, Dokumente, Interpretationen. Reinbek 2008, S. 198–215. Kehlmann, Daniel (1997): Beerholms Vorstellung. Wien. — (2008): Die Vermessung der Welt. Reinbek. — (2010a): Ruhm. Reinbek. — (2010b): Wo ist Carlos Mantúfar? Über Bücher. Reinbek. — (2011): Lob. Über Literatur. Reinbek. — und Adam Soboczynski: Leo Richter Porträt sowie ein Porträt des Autors. Reinbek 2010. Mittell, Jason: „Narrative Complexity in Contemporary American Television.“ In: The Velvet Light Trap 58 (2006), S. 29–40. Sherlock. Steven Moffat und Mark Gatiss. BBC, seit 2010. Thompson, Robert J.: Television‘s Second Golden Age. From ‚Hill Street Blues’ to ‚ER‘. New York 1996.

Vom simultanen Text zum kaleidoskopischen Bild Die BBC-Serie Parade’s End als Literaturadaption im Zeichen modernistischer Ästhetik Kathrin Kazmaier

Ford Madox Fords Romantetralogie Parade’s End (2012) ist ein modernistischer Text par excellence. Seine achronologische Struktur wird von uneindeutigen Erzählperspektiven bestimmt. Streams of consciousness, Simultantechniken, sich auflösende Zuordnungen von Gesagtem und Geschehen, von Figureninnenleben und Handlung, Zeitsprünge und Montagen komplettieren die genutzten „avantgarde aesthetics and cinematographic techniques“ (Becquet: 191). Thematisch fokussiert Parade’s End die unter dem Eindruck der als überfordernd empfundenen Moderne sich wandelnde britische Gesellschaft am Vorabend und während des Ersten Weltkriegs anhand eines Liebesdreiecks zwischen dem konservativen Tory Christopher Tietjens, seiner Ehefrau Sylvia und der jungen Frauenrechtlerin Valentine Wannop. Die zunehmende Pluralisierung und Beschleunigung aller Lebensbereiche führt zur vielbeschworenen Krise der Wahrnehmung in der Moderne, die in der Erfahrung des nervlichen und ästhetischen Schocks resultiert. Wenn ein derart komplexer Roman für das Fernsehen adaptiert wird, machen gerade die strukturellen ästhetischen Unterschiede [der verschiedenen Medien] […] die Suche nach Entsprechungen noch heikler, sie erfordern um so mehr Erfindungsgabe und Phantasie von seiten des Filmemachers […]. Je größer und entschiedener die literarischen Qualitäten des Werks sind, desto mehr wird die filmische Adaption

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| Kathrin Kazmaier das kunstvolle Gefüge erschüttern müssen, desto mehr Anforderungen stellt sie an das schöpferische Vermögen, das Werk in einem neuen, gewiß nicht dem gleichen, sondern gleichwertigen Gefüge zu rekonstruieren. (Bazin: 127f.)

Im Folgenden wird gezeigt, wie die von BBC und HBO produzierte Mini-Serie Parade’s End diese Herausforderung des Medienwechsels meistert. Zunächst soll ein Blick auf die Besonderheit des von Tom Stoppard geschriebenen Drehbuchs geworfen werden. Daraufhin wird die bildästhetische Analyse der Serie aufzeigen, wie die für Fords Schreiben zentrale Kategorie der Simultaneität unter dem Rückgriff auf verschiedene Bildtraditionen der bildenden Kunst ins filmische Medium übertragen werden. Die Serie nutzt hierfür das Kaleidoskop als visuelle Form der Bildstrukturierung einerseits und als metaphorisches Prinzip andererseits. Im Anschluss daran soll anhand eines Vergleichs der Originalserie mit der Internationalen Schnittfassung gezeigt werden, dass der wertende Begriff des Qualitätsfernsehens eine Zuschreibung ist, deren Maßstäbe sich aus dem zu bewertenden Gegenstand selbst ergeben. Die Struktur der Serie

Die Serie Parade’s End ist auf fünf Episoden ausgelegt. Die übergreifende Anordnung der Episoden teilt die Serie in die Vorkriegsjahre 1912 bis 1914 (S1.01 und 02) und die Kriegsjahre 1914 bis 1918 (S1.03 bis 05) ein.1 Episode drei ist zugleich Mittelpunkt der Serie und Wendepunkt in Christopher Tietjens Wertvorstellungen. Zwischen den Episoden zwei und drei liegt ein Zeitsprung; nicht erzählt wird Christophers erster Kriegseinsatz, seine erlittene Kriegsneurose und der daraus resultierende Erinnerungsverlust, mit dem die dritte Episode einsetzt. Diese mentale Niederlage und die zunehmend radikaler gesponnenen Intrigen seiner Frau Sylvia,2 die Christopher in den finanziellen und gesellschaftlichen Ruin stürzen, lassen ihn seine überkommenen Wertvorstellungen mit den Worten aufgeben: „My colours are in the mud. It’s not a good thing to find oneself living by an outmoded code of honour. People take you to be a fool, and I’m coming round to their opinion.“ (S1.03: 47:27 min.) Nachdem

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Die zweite Episode endet daher mit einer Art Abspann, der in einer Szenenmontage den Kriegsausbruch und die daraus folgenden Konsequenzen für die einzelnen Figuren zeigt, um einen klaren Schnitt zwischen Friedenszeit und Krieg zu markieren. Musikalisch werden die Szenen durch die Arie „Pace, pace mio dio“ aus der Oper La forza del destino (1861) von Giuseppe Verdi gerahmt und verbunden. Sylvia setzt ihre ungerichtete Intelligenz meisterhaft ein, um Christopher für seine „mealsack Anglican sainthood“ (S1.02: 02:52 min.), mit der er ihre Eskapaden „without mercy“ (S1.04: 44:22 min.) vergibt, zu quälen.

Vom simultanen Text zum kaleidoskopischen Bild

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sein Vorhaben, die von ihm begehrte Valentine zu seiner Geliebten zu machen, zunächst scheitert, rückt er erneut ein. Schauplatz von Episode vier ist ein Ausbildungslager hinter der Front in Rouen, in dem Captain Tietjens Truppen für den Fronteinsatz vorbereitet. In diese administrative Hölle, in der sich Christopher vor seinem komplizierten gesellschaftlichen Leben sicher fühlt, bricht seine Frau Sylvia mit einem Besuch ein. Nach einer letzten Annäherung zwischen den beiden kommt es zum endgültigen Bruch. Sylvias Vorliebe für fortgeführte Intrigen, die von ihrer Umwelt mit den Worten „pulling the strings of the shower bath“ (S1.01: 08:49 min.) bezeichnet werden, bringen Christopher eine Strafversetzung an die Front ein. Im klaustrophobischen no man’s land der Schützengräben ist die letzte Episode angesiedelt. Jede der Episoden stellt so eine thematische und örtliche Einheit dar und bildet anhand der verschiedenen Schauplätze (Heimatfront, Ausbildungslager, Front) den Krieg nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern ebenso als administrativen Krieg, als Krieg der Worte und der Wahrnehmung3 (durch Sylvias Intrigen) sowie als Krieg zwischen Individuen auf privater Ebene ab.4

Vom Roman zum Drehbuch

Mit dieser sorgfältigen Komposition der einzelnen Episoden gelingt es Tom Stoppard in seinem Drehbuch5 den spezifischen Bedingungen des Fernsehmediums — Klarheit, (Figuren)Identifikation, Handlungsnachvollzug und kürzere Erzählzeit — gerecht zu werden. Hauptsächliches Augenmerk Stoppards liegt in einer Umstrukturierung der inhaltlichen Abfolge hin zu einer überwiegend linearen Form und einer klugen Auswahl an Text- und Szenenausschnitten sowie der Überführung von subjektiven Innenansichten in dialogisch-dramatische Szenen mit einem bestimmten Handlungsort. Einige Szenen, die auf Stoppard zurückgehen, sind im Roman nicht zu finden, aber „[t]hey are, if you like, 3 4

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„Anders gesagt, geht es im Krieg weniger darum, materielle — territoriale, ökonomische — Eroberungen zu machen als vielmehr darum, sich der immateriellen Felder der Wahrnehmung zu bemächtigen.“ (Virilio: 13) So zeigen Fords Romane sowie die Serie, dass „the traumas of the modern era are not limited to the battlefield […] but are to be found on the domestic scene as well“ (Bonikowski: 60). Auf diese Weise führen die an der Front erlittene Kriegsneurose und die mit dem Krieg einhergehenden Umwälzungen gesamtgesellschaftlicher Wertvorstellungen Christopher dazu, mit seinem Verhaltenskodex zu brechen. Tom Stoppards Drehbuch ist durch eine Publikation des Faber Verlags für das Publikum zugänglich. Diese mit einem Vorwort von Tom Stoppard versehene Edition fand erst nach der postproduction ihre endgültige Form und stimmt nicht gänzlich mit der ausgestrahlten Serie überein.

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suggested by the book or inferred in some way“ (Behind the Scenes: 01:45 min.), wie Stoppard in einem Interview mit der BBC betont. Sprachlich bleibt er erstaunlich nahe am Originaltext. Gemäß der Einschätzung Bazins, „daß diese Treue [zum adaptierten Stoff] paradoxerweise mit souveräner Unabhängigkeit vereinbar ist“ (Bazin: 126), beschreibt Stoppard sein Verhältnis zu Fords Text als „unfaithfully faithful“ (BBC Interview with Tom Stoppard). Daher entwirft er aus dem komplexen Gefüge der Romanvorlage ein eigenes „internal system of allusion that preserves something of the quality of the source novel“ (Price: 124). Anschauliches Beispiel hierfür ist das Motiv der Lerche. Sie findet in Fords Romanen überwiegend Erwähnung im Kontext der Schützengräben. Die Soldaten unterhalten sich über das Vertrauen der Lerchen in Gott, welches sich darin zeigt, dass sie auf dem Schlachtfeld brüten. Dieses Motiv aufgreifend, entwirft Stoppard ein Verweissystem aus lediglich zwei Szenen, um die Lerche als Verbindungspunkt zwischen Christopher Tietjens und Valentine Wannop, in die er sich verliebt, zu etablieren. Während einer gemeinsamen Kutschfahrt durch die Nacht an der Sommersonnwende6 zitieren Christopher und Valentine in der ersten Episode die berühmten Zeilen Shakespeares aus Romeo und Julia: A silence separates them. Birdsong from the hedge. A nightingale. VALENTINE Listen! A lark somewhere. CHRISTIOPHER A lark. VALENINE Not that. Listen. It was a nightingale. A lark somewhere. CHRISTOPHER It was the lark, the herald of the morn. No nightingale… VALENTINE Believe me, love, it was the nightingale!

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Die Fahrt wird jäh durch einen Autounfall unterbrochen. Diese Störung nimmt die kommenden Kriegsereignisse nicht nur durch ihren gewaltvollen Einbruch vorweg. Sie visualisiert zugleich die Konfrontation von Tradition des Alten in Form des Pferdewagens und Fortschritt des Neuen in Form des motorisierten Autos.

Vom simultanen Text zum kaleidoskopischen Bild

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The nightingale again. VALENTINE (triumphant) There! He sounds hoarse now — their song changes in June. They are put into better humour by the sharing of quotations, which are from Romeo and Juliet in bed. (S1.01: 48:32 min.; Stoppard: 71)

Lediglich die letzte Zeile des Dialogs findet sich auch bei Ford, jedoch ohne die Shakespeare’schen Zeilen zuvor und ohne die Nennung der Lerche: „The sound of nightingales, hoarse by now, of course — in June he changes his tune.“ (Ford 2012: 130) Über die Einspielung des Shakespeare’schen Zitats erhöht Stoppard nicht nur den Anspielungs- und Bedeutungsreichtum der Szene, sondern bindet sie sogleich an eine Szene in der fünften Episode, in der sich Christopher über eine aus dem Schützengraben auffliegende Lerche erschreckt. Das Motiv evoziert für den Zuschauer ebenso wie für Christopher Gedanken an Valentine und schlägt den Bogen über die gesamte Serie hinweg.7 Auf diese Weise erhält das Stoppard’sche Anspielungssystem die bei Ford angelegte Fülle an Erzählsträngen und Verweisen.

Vom simultanen Text zum kaleidoskopischen Bild

In der ‚Übersetzung‘ vom literarischen ins filmische Medium nun geht es darum, gemäß den dem bewegten Bild eigenen Mitteln einen „spezifisch filmische[n] Einfall [zu haben], auf den der Regisseur aufgrund eines genauen Textverständnisses gekommen ist“ (Bazin: 127). Beim Blick auf die Ford’sche „literature of shock“ (Becquet: 201) erweist sich die für die Moderne charakteristische Simultaneität oder ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘8 als zentrales Merkmal der Romanvorlage. 7

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Dass die Lerche bei Ford als ‚oversexed‘ bezeichnet wird, unterstützt den Anspielungsreichtum und weist intertextuell auf die kommende sexuelle Annäherung zwischen Christopher und Valentine hin: „An odd skylark was declaiming over an empty field behind the incinerators’ headquarters… […] For as a rule larks do not sing in December. Larks sing only when courting, or over the nest… The bird must be oversexed.“ (Ford 2012: 378) Die Formulierung geht auf Ernst Bloch zurück: „Nicht alle sind im selben Jetzt da. Sie sind es nur äußerlich […]. Damit aber leben sie noch nicht mit den anderen zugleich. Sie tragen vielmehr Früheres mit, das mischt sich sein.“ (Bloch: 1) Philipp Hubmann und Till Julian Huss betonen, dass wir es „mit einer partikularisierten Welt zu tun […] haben, in der Heterogenität zu einem unabwendbaren Faktum ge-

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| Kathrin Kazmaier (a) Simultaneität als Signum der Moderne: Ford Madox Fords Impressionismus

Ford Madox Ford unterstreicht die Bedeutsamkeit von Simultaneität für sein Schreiben, wenn er in seinem theoretischen Aufsatz On Impressionism betont: It is, however, perfectly possible that a piece of Impressionism should give a sense of two, of three, of as many as you will, places, persons, emotions, all going on simultaneously […]. It is perfectly possible for a sensitised person, […] to have the sense, when he is in one room, that he is in another, or when he is speaking to one person he may be so intensely haunted by the memory or desire for another person that he may be absent-minded or distraught. And there is nothing in the canons of Impressionism, as I know it, to stop the attempt to render those superimposed emotions. Indeed, I suppose that Impressionism exists to render those queer effects of real life that are like so many views seen through bright glass through glass so bright that whilst you perceive through it a landscape or a backyard, you are aware that, on its surface, it reflects a face of a person behind you.9 For the whole of life is really like that; we are almost always in one place with our minds somewhere quite other. (Ford 1964: 40f.; Kursivierungen hinzugefügt)

Impressionismus ist für Ford vor allem eine Methode, dem Leser die multiple Realität der Moderne, und das heißt für Ford das subjektive Erleben einer Situation als eine Vielzahl verschiedener Eindrücke, in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit simultan vor Augen zu führen.10 Diese Mannigfaltigkeit der Per-

worden ist“ (Hubmann/Huss: 16), und sprechen von einem „GleichzeitigkeitsParadigma der Moderne“ (ebd.: 9). 9 Dieser Effekt der ‚Doppelbelichtung‘ bzw. der Schichtung von Eindrücken finden sich in der Serie visualisiert, wenn Christopher von außen durch ein Fenster in einem Zugabteil sitzend gezeigt wird, auf der Fensterscheibe aber die vorbeiziehende Landschaft zu sehen ist (vgl. S1.05: 41:31 min.). 10 Das Streben nach einem künstlerischen Ausdruck gegenwärtiger Intensität und Direktheit teilt Ford mit Vertretern anderer Avantgarde-Bewegungen. Den Futuristen bedeutet Simultaneität qualitativer Ausdruck von Lebendigkeit: „Simultaneität ist gegen das Gewordene für das Werden. Während ich mir z.B. nacheinander bewußt werde, daß ich gestern eine alte Frau geohrfeigt und mir vor einer Stunde die Hände gewaschen habe, fällt der Schrei der Bremse einer elektrischen Straßenbahn und das Poltern des Ziegels, der vom nächsten Dach fällt, gleichzeitig in mein Ohr, und mein Auge […] richtet sich auf, um in der Gleichzeitigkeit dieser Geschehnisse einen schnellen Sinn des Lebens zu erhaschen. […] Es wird mir unmittelbar bewußt, daß ich lebe.“ (Huelsenbeck: 21f.; Kursivierungen hinzugefügt) Und der englische Vortizist Ezra Pound will dem Leser ein unmittelbares ‚Image‘ vermitteln — „an intellectual and emotional complex in an instant of time. […] An image, in our sense, is real because we know it directly.“ (Pound: 86) Dies entspricht dem Anliegen Fords, nach dem „[a] picture should come out of its frame and seize the spectator“ (Ford 1964: 48). Im Gegensatz zu den futuristischen Bestrebungen einer objektivierten Ästhetik bleibt der künstlerische Stil für Ford an das Subjekt gebunden: „Impressionism is a frank expression of personality“ (ebd.: 36) und „the Impressionist gives you, as a rule, […] the fruits of his own observations alone“ (ebd.: 37).

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spektiven, die zugleich zu einer Fragmentierung und einer Vervielfachung der Einzeleindrücke führt und jedem Wahrnehmen eingeschrieben ist, „is both aesthetic, redolent of the visual art developed by twentieth-century avantgardes, and psychological, expressing the duality, even multiplicity, of the human psyche“ (Becquet: 193). (b) Die Mini-Serie Parade‘s End — ein kunsthistorisches Kaleidoskop

Das bewegte Bild — und damit die Fernsehserie — bringt in seiner technischen Möglichkeit als Material und Medium mit, was in der Moderne als zentrales, gleichermaßen erstrebenswertes und zu bewältigendes Phänomen gilt: Die Steigerung von Komplexität in Form von Simultaneität oder Gleichzeitigkeit. Das bewegte Bild zeichnet sich durch Zeichendichte und Pluralität in Bild, Ton und Bewegung aus: „The film offers a multitude of visual detail, more than any viewer could mentally specify.“ (Chatman 1990: 39) Dieses Phänomen bezeichnet Chatman als ‚over-specificatione‘ [Überbestimmtheit], a property that it shares, of course, with the other visual arts. But unlike those arts, […] narrative films do not usually allow us time to dwell on plenteous details. Pressure from the narrative component is too great. (Chatman 1980: 126)

Diese dem Medium inhärente simultane Vielfalt nimmt die Serie durch den Rückgriff auf Motive und Bildtraditionen der bildenden Kunst auf Figurenebene wie auf bildästhetischer Ebene in Form des Kaleidoskops auf.

Kaleidoskopische Figuren

Die Figuren werden durch verbale Zuschreibungen oder durch visuelle Inszenierung mit vielfachen kunsthistorischen Referenzen belegt. Dies ist besonders augenfällig bei Sylvia und Valentine, zeigt sich aber an allen drei Hauptfiguren: In ihnen treffen unterschiedliche Welten und (Welt)Zeiten aufeinander:11 Christopher Tietjens wird aufgrund seiner überkommenen Wertvorstellungen

11 Adolf Loos beschreibt das Heterogen-werden der modernistischen Gesellschaft mit scharfer Kritik an den ‚Zurückgebliebenen‘, Fortschritt ist für ihn positiv konnotiert: „Das tempo der kulturellen entwicklung leidet unter den nachzüglern. Ich lebe vielleicht im jahre 1908, mein nachbar aber lebt um 1900 und der dort im jahre 1880. […] Glücklich das land, das solche nachzügler und marodeure nicht hat. […] Bei uns gibt es selbst in den städten unmoderne menschen, nachzügler aus dem achtzehnten jahrhundert, die sich über ein bild mit violetten schatten entsetzen, weil sie das violett noch nicht sehen können.“ (Loos: 277)

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von „[d]uty and service to above and below“ (S1.02: 53:23 min.) in einer vermehrt administrativen Gesellschaft, in der „money took over and handed the country to swindlers and schemers“ (S1.02: 53:09 min.), missverstanden. Seine Intelligenz bei gleichzeitiger Ambitionslosigkeit und seine korrekte Haltung, sein Einstehen für „agriculture against industry, for the eighteenth century against the twentieth“ (S1.02: 53:39 min.) machen ihn zum Vertreter des vorindustriellen Zeitalters. Da sein Verhaltenskodex es ihm nicht erlaubt, seine Intelligenz in den Dienst der verwaltenden Kriegsmaschinerie in Form von gefälschten Statistiken12 zu stellen, ist sein einziger Ausweg aus seinen privaten und gesellschaftlichen Nöten, sich freiwillig zum Kriegsdienst zu melden. Trotz dieser Rückwärtsgewandtheit seiner Ansichten, sind die beiden Frauen Sylvia und Valentine die einzigen Menschen seiner Umgebung, die er respektiert und deren Respekt er sich erhofft: I hope we respect each other. I, at least, tremendously respect you, and hope you respect me. You don’t respect me? [Pause.] I’d have liked you to have said it. […] My wife […] too said she couldn’t respect me. (S1.02: 51:46; 52:30 min.)13

Sylvia wird als betörende femme fatale (Abb. 1) inszeniert. Ihre Erscheinung erinnert gleichermaßen an Lady Lilith des Pre-Raphaeliten.14 Gabriel Dante Rossetti wie an die herrisch blickende Judith mit dem Haupt Holofernes von Gustav Klimt oder aber dessen Danae. Weiterhin bezeichnet Father Consett sie als

12 Christophers Vorgesetzter formuliert dies folgendermaßen: „The Department [of Statistics] exists to show that just as there are different ways to put things in words, there are different ways to put things in numbers!“ (S1.02: 43:49 min.) 13 Ford beschreibt Sylvia und Valentine wie folgt: „But, positively, she and Sylvia were the only two human beings he had met for years whom he could respect: the one for sheer efficiency in killing; the other for having the constructive desire and knowing how to set about it. Kill or cure! The two functions of man. If you wanted something killed you’d go to Sylvia Tietjens […]. If you wanted something kept alive you’d go to Valentine […]. The two types of mind: remorseless enemy, sure screen, dagger … sheath! Perhaps the future of the world then was to women? Why not?“ (Ford 2012: 128) Lis Marxen betont, dass in den Bezeichnungen ‚dagger and sheath‘ für Sylvia und Valentine „is more depth to them than only that of aggressor and protector. In connection with Tietjens, both women have traditionally male qualities of action and confrontation that are absent in Tietjens for long periods of time“ (Marsen: 7). Ford greift mit der Feststellung dass „the future of the world then was to women“ in positiv gewendeter Weise die Ressentiments des „antimodernen Schrifttums von Max Nordau bis Hitler [demnach die,] Moderne eine [sic!] weibliches Syndrom“ (Koschorke: 149) ist, auf. 14 Bezeichnenderweise verabscheut Christopher die Prä-Raphaeliten für ihre ausschweifende Lebensart.

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Penthesilea.15 In ihrer Körperhaltung erinnert sie jedoch auch an Pauline Borghese als Venus von Canova, die als Miniaturstatue auf Sylvias Toilettentisch steht und den Zusatztitel Venus Victrix trägt (Abb. 2).16 Dieser kunsthistorische Anspielungsreichtum visualisiert den schillernden, wechselhaften Charakter Sylvias und fokussiert auf der Bildebene überwiegend den Aspekt der starken und männervernichtenden Frau. Dass Sylvia nicht auf dieses Motiv allein zu beschränken ist, zeigt sich vor allem im mimischen Spiel Rebecca Halls, die Sylvias Figur die Ausweglosigkeit ihrer gesellschaftlichen Position meisterhaft einschreibt.

Abb. 1 und 2: Sylvia als femme fatale (S1.04) und in der Körperhaltung der Venus Victrix (S1.05)

Valentine Wannop hingegen wird in der weißen Uniform der Sufragetten eingeführt. Das schlichte Weiß verleiht ihr den Anschein von Unschuld und Zerbrechlichkeit einer femme fragile. Darüber hinaus verkörpert sie sowohl durch den Umstand ihrer Bildung als auch durch die Nüchternheit in Erscheinung und Auftreten sowie ihre Zugehörigkeit zu den radikalen Frauenrechtlerinnen die unabhängige moderne Frau. In der dritten Episode, während sie auf Christopher wartet, um seine Geliebte zu werden, imaginiert sich Valentine als Venus von Velasquez (Abb. 3). Kurz zuvor wird sie als Femme dans son bain s’épongeant la 15 „Ah — look at herself! Penthesilea to the life!“ (S1.03: 07:33 min.) Diese Anspielung steht wiederum in Gegensatz zur Jungfrau Maria eines Fra Angelico, als welche der Ford’sche Father Consett sie beschreibt — kurz bevor der auktoriale Erzähler Fords sie als Kurtisane bezeichnet: „Father Consett groaned: ‚Heaven help us, she’s like a picture of Our Lady by Fra Angelico.‘ Immensely tall, slight and slow in her movements, Sylvia Tietjens wore her reddish, very fair hair in great bandeaux right down over her ears. Her very oval, regular face had an expression of virginal lack of interest such as used to be worn by fashionable Paris courtesans a decade before that time. Sylvia Tietjens considered that […] she had no need to change her expression or to infuse into it the greater animation that marked the more common beauties of the early twentieth century.“ (Ford 2012: 28) 16 Canovas Statue trägt auch den Titel Venus Victrix, Siegreiche Venus. Sylvia nimmt die Pose der Venus während eines Gesprächs mit ihrer Mutter darüber ein, dass sie die uralte Zeder, das Symbol der Tietjens-Familie, fällen lassen will. Die Umsetzung des Plans bedeutet einen punktuellen Triumph über Christopher.

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jambe von Edgar Degas gezeigt (Abb. 4). Beide kunsthistorischen Referenzen verorten sie, entgegen ihres sonstigen Auftretens, in eine Tradition des männlich-herrschenden Blicks17, der den passiven weiblichen Körper dominiert und besitzt. Die Figur Valentines wird so in ein Wechselspiel von männlichem Zugriff und weiblicher Gegenwehr versetzt. Derart verkörpern nicht nur die drei Hauptfiguren untereinander verschiedene Zeit- und Epochenkonkurrenzen, sie tragen selbst die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in sich.

Abb. 3 und 4: Valentine in der Pose der Velasquez-Venus und Femme dans son bain (S1.03) Kaleidoskopische Bildkader

Obwohl die Bildgestaltung in Parade’s End eher konventionell gehalten ist und keine modernistisch experimentellen Besonderheiten aufweist, der Erzählbogen narrativ zwar als raffiniertes Verweissystem, alles in allem jedoch im Vergleich zur Romanvorlage linear gezähmt ist, gelingt es Susanna White und Tom Stoppard, die für die Moderne-Erfahrung zentrale Simultaneität, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, bildästhetisch pointiert anhand vielfältiger kunsthistorischer Reminiszensen zu inszenieren. Denn der überwiegend unaufgeregten Kameraführung und Bildästhetik ist ein ästhetisch auffälliges Intro vorangestellt, das in einigen Szenen innerhalb der Serie wieder aufgenommen wird. Der Bildkader der Titelsequenz ist in Form eines Kaleidoskops gespalten (Abb. 5). Die entstehenden Dreiecke drehen sich bei einem neuen Schriftzug aus dem Bild, um einer neuen Kaleidoskop-Ansicht Platz zu machen. Die Texteinblendungen befinden sich im zentralen Dreieck des Kaleidoskops vor beigem Grund. Die angrenzenden, vom Bildrand abgeschnittenen Dreiecke verdoppeln spiegelnd den Text. Die Ästhetik des Intros

17 Die Rokeby Venus von Velasquez wurde 1913 von der Frauenrechtlerin Mary Robinson mit Messerstichen attackiert, um diese hegemoniale Tradition des männlichvoyeuristischen Blicks zu kritisieren. Dass Stoppard die Szene in die zweite Episode einbaut und von Valentine erleben lässt, macht ihre Imagination noch vielschichtiger.

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trägt unübersehbare Anleihen an die Vortographien von Alvin Langdon Coburn (besonders augenfällig ist die Reminiszenz auch in Abb. 6), einem amerikanisch-britischen Fotographen, der sich den Vortizisten um Ezra Pound angeschlossen hat. Das Vortoskop ist eine Vorrichtung aus drei Spiegeln, die in der Form eines Dreiecks zusammengebaut sind, in etwa vergleichbar einem Kaleidoskop — […] Das Vortoskop funktioniert als Prisma, das das Bild auf der Linse in Segmente aufspaltet. (Coburn, zitiert nach Hesse: 34f)

Abb. 5 und 6: Kaleidoskop-Ästhetik in Parade’s End (Screenshot aus dem Intro und S1.03)

Der Einsatz des geteilten Bildkaders macht die Simultaneität und Vielfalt von Erfahrungen innerhalb der Serie visualisierbar. In Bezug auf Fords visuelles Schreiben spricht Alexandra Becquet treffend von einer kaleidoscopic nature of Ford’s pictures, a quality which Benjamin considers to be responsible for the Baudelarian stroller’s experience of shock. Indeed, kaleidoscopic images are shifting: the superimposition of two images produces a third and/or a visual blend which in its turn generates an unsettling endless refraction. (Becquet: 196)

So setzt Parade’s End mit dieser Rahmung die von Ford proklamierte Bedeutsamkeit, Simultaneität darzustellen, visuell um. Auch innerhalb der Episoden findet sich der kaleidoskopisch geteilte Bildkader an zentralen Stellen wieder.18 Sechs der neun Szenen sind Rückblenden und markieren jeweils subjektive Erinnerungen oder Imaginationen einzelner Figuren. Die Kennenlern-Szene zwischen Christopher und Sylvia etwa wird dem Zuschauer auf diese Weise dreimal (zweimal in der ersten und einmal in der dritten Episode) als subjektive Rückblende Christophers bzw. Sylvias präsentiert.19 In der ersten Episode ist Christophers Gesicht intakt (Abb. 7), er stellt sich Sylvia mit den Worten 18 In der internationalen Schnittfassung sind zwei der insgesamt neun Szenen mit geteiltem Bildkader gelöscht. 19 In der ersten Rückblende ist aus dem Fenster des Zugabteils, in dem Christopher und Sylvia sich treffen, ein Schild in Form eines Pfeils mit der Aufschrift „Way Out“ als metadiegetischer Hinweis auf die katastrophalen Folgen des Zusammentreffens zu sehen.

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„My name is Tietjens“ (S1.01: 03:45 min.) vor. Sylvias Gesicht ist zerteilt (Abb. 8) und erinnert an Pablo Picassos Portraits von Dora Maar. Die Wiederholung der Szene in der dritten Episode (Abb. 9) steht unter dem prekären Eindruck der erlittenen Kriegsneurose, die Christophers Erinnerungsvermögen beeinträchtigt und damit zugleich eine Gefährdung seiner Identität bedeutet, denn er kann sich nicht mehr an seinen Namen erinnern. So bleibt die zuvor gezeigte, intakte Vorstellung Christophers unvollständig, er sagt nur „My name is…“ (S1.03: 00:52 min.). Visuell wird dies durch einen Einschnitt in Christophers Gesicht (Abb. 9) unterstrichen. Die Serie findet so ein bildästhetisches Äquivalent zum von Bonikowski bezeichneten „wartime impressionism“ Fords, „that emphasizes the almost material force of the war’s impact on the mind“ (Bonikowski: 60).

Abb. 7 und 8: Bildästhetik der Einschnitte (S1.01); Abb. 9: Wiederholung der Szene (S1.03)

Die kaleidoskopischen Ansichten befinden sich auf der Schwelle zwischen extra- und intradiegetischer Ebene, da die markante Ästhetik meist eine Rückblende anzeigt, nicht aber behauptet werden kann, dass die Figuren selbst die Dreiteilung sehen. Sie ist vielmehr eine Markierung für den Zuschauer. Die Zersplitterung streut aber bis in die intradiegetische Ebene in Form eines zersplitterten Handspiegels.20 In Fords Text ist das Motiv des Spiegels vor allem mit Christopher in Verbindung zu bringen. Dort ist auch er es, der sich in einem zerbrochenen Spiegel anschaut: „An insolently calm man was looking at him, the face divided in two by the crack in the glass: a naturally white-complexioned doublehalf of a face.“ (Ford 2012: 447) In der Serie hingegen ist es Sylvia, deren Handspiegel einen Sprung zeigt, nachdem sie ihn aus dem Fenster eines Autos geworfen hatte (Abb. 10). An Sylvia agiert die Serie Vielperspektivität in besonderem Maße aus. Schon ihr erster Auftritt zeigt sie inmitten von Spiegeln, die

20 Zu Beginn von Fords Roman heißt es: „The leather straps to the windows were of virgin newness; the mirrors beneath the new luggage racks immaculate as if they had reflected very little.“ (Ford 2012: 3) Impliziert werden zukünftige Spiegelungen, Brechungen und Verwirrungen; die ‚virgin newness‘ ist nicht von Dauer.

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zugleich vier verschiedene Ansichten von ihr zeigen (Abb. 11). Auch in den Rückblenden Christophers ist sie im Vergleich zu Valentine (Abb. 12) stets nur in Ausschnitten oder durch Ränder beschnitten zu sehen (Abb. 8).

Abb. 10 und 11: Sylvia und ihre Spiegelbilder (S1.04 und S1.01); Abb. 12: Valentine (S1.03) Kaleidoskopische Serie

Bleibt die Serie außerhalb der bisher gezeigten Strategien einem eher konventionellen Bildverlauf und einer unaufgeregten Bildinszenierung treu, so ist es einerseits möglich, diese Oberfläche als Illustration des Bemühens einer Gesellschaft nach Haltung zu lesen. Andererseits sind viele Einstellungen Reminiszenzen oder gar getreue Abbildungen unterschiedlicher Motive und Kompositionen aus verschiedenen Epochen der bildenden Kunst (Abb. 13–15).21 Zudem werden Kunstwerke aus verschiedenen Epochen direkt thematisiert,22 bspw. wenn Sylvia in der Ausstellung zu den Post-Impressionisten zunächst Georges Braques Hécate und kurz darauf ein zeitgenössisches Aktbild betrachtet und überlegt, es Christopher zu kaufen, um ihn zu ärgern. Im nächsten Schnitt sind sie und Christopher über ein Gemälde gebeugt zu sehen, über das Christopher sich begeistert zeigt. Die nächste Einstellung offenbart, dass Sylvia ihm aber gerade nicht das Aktbild, sondern ein Bild des Landschaftsmalers Tom Girtin aus dem 18. Jahrhundert schenkt, worin augenblickhaft ihre Zuneigung zu Christopher aufscheint. Die unaufgeregte Bildführung stellt durch ihre Referenz auf ein großes Spektrum an kunsthistorischen und ästhetischen Positionen und Gemälden selbst wiederum ein Kaleidoskop dar. Damit agiert die

21 Die mit den Abbildungen aufgeführten Beispiele stellen keine vollständige Auflistung der Reminiszenzen dar, sondern bilden aus Platzgründen nur eine minimale Auswahl. 22 Auch die Kunstwerke, welche die Räumlichkeiten schmücken, ohne dass sie thematisiert werden, tragen zu einer Motiv- und Genrevielfalt bei. So finden sich dort Portrait- und Landschaftsmalerei aus dem 17. und 18. Jahrhundert sowie die um 1900 beliebten Jugendstiltapeten von William Morris. Auffällig sind zudem die Schlacht- und Jagdstillleben in Lobscheid (S1.02), die den drohenden Krieg bildlich vorweg nehmen.

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Serie auf bildästhetischer, thematischer, intertextueller bzw. interbildlicher sowie auf der Figurenebene das Paradigma der Moderne, der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen aus.

Abb. 13: Reminiszenz an Vincent van Gogh: Landschap met Vervoer en Trein und an Eric Ravilious: The Westbury Horse (aus S1.01); Abb. 14: Reminiszenz an Caspar David Friedrich: Mönch am Meer (aus S1.03); Abb. 15: Abbild von Paul Nash: The Menin Road (aus S1.05) Vom Original zum (Ver)Schnitt: Ein Vergleich der Originalfassung (OF) und der internationalen Schnittfassung (IF)

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Diese wohlkomponierte Anlage der Serie wird durch die internationale Schnittfassung24 (IF) zunichte gemacht. Grundlegendster Eingriff ist die Änderung der Episodenanzahl von fünf in der OF mit einer Dauer von ca. 60 Minuten hin zu sechs Episoden in der IF mit einer jeweiligen Dauer von ca. 45 Minuten. In dieser Schnittfassung ist die Dauer der Serie durch gelöschte und gekürzte Szenen um insgesamt 17:01 Minuten gekürzt; allein in der ersten Episode werden fast acht Minuten (07:49 min.) gestrichen. Dies hat einige schwerwiegende Konsequenzen: Anfang und Ende der Episoden sind in der IF anders gesetzt, was filmästhetische und narrative Änderungen sowie Änderungen in Bezug auf das Prinzip der Serialität mit sich bringt. Die interne Einheit einer Episode, wie sie die OF aufweist, wird durch den neuen Schnitt zerstört. Episodenenden der OF werden in letzter Einstellung weich ausgeblendet, wohingegen die Folgen eins, vier und fünf der IF mit harten Schnitten enden (die Folgen eins und vier enden beide mitten in einer Szene). Dieses Unterbrechen führt zu einer veränderten Seherwartung beim Zuschauer und hat Auswirkungen auf den Charakter der Serie: Von den Rändern her betrachtet, wirkt die IF auf Effekte und große 23 Zur besseren Orientierung werden Episoden der Originalfassung (OF) als Episoden (S1.XX), Episoden der internationalen Fassung (IF) als Folgen (F.XX) bezeichnet. 24 Die IF wurde in Deutschland und Frankreich auf Arte ausgestrahlt und in dieser Form auch als DVD vermarktet. Auf dem italienischen und dem spanischen Markt wird hingegen die Originalfassung verkauft

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(Genre) Schlagworte wie Spannung, Drama, Romanze und Action bedacht, drei der sechs Folgen der IF (F.01, F.04 und F.0525) weisen zudem klassische Cliffhanger26 auf. Dies führt zu punktueller Beschleunigung und Stauung der Handlung. Der narrative Fluss wird unterbrochen und die Handlung erfährt automatisch andere Schwerpunkte. Diese Tendenzen sucht das Original durch Komposition der einzelnen Episoden gerade zu vermeiden. Der veränderte Schnitt sprengt so die thematisch und räumlich sorgfältig als Einheit angeordneten Episoden: Die Vorkriegszeit ist in der IF nicht durch eine Folgengrenze markiert. Gleichermaßen sind Heimatfront, Ausbildungslager und unmittelbare Front als abgeschlossene Welten, die nach eigenen Gesetzen funktionieren und jeweils eine Episode der OF einnehmen, in der IF nicht klar voneinander getrennt.27 Da Anfang und Ende als Ränder dem Betrachter besonders eindrücklich im Gedächtnis bleiben, erfährt die Serie durch den veränderten Schnitt zudem eine narrative Verschiebung. In der OF ist Valentine Wannop in keiner Episode zu Beginn oder am Ende zu sehen. Erst zum Ende der Serie erhält sie die (vor)letzte Einstellung, die sie mit Christopher tanzend zeigt. Die IF hingegen zeigt sie gleich in zwei Episoden sowohl zu Beginn als auch am Ende. Diese unverhältnismäßig forcierte Präsenz Valentines mindert das Gewicht, das Sylvia28 in der OF hat und perspektiviert daher eher das Liebesverhältnis zwischen Valentine und Christopher anstatt das Liebesdreieck wie im Original. Trotz dieser einseitigen Fokussierung ist die zentrale Szene der beiden während einer Nachtfahrt durch den Nebel an der Sommersonnwende um wichtige Dialoge gekürzt.29 Weiterhin sind kleinere Binnenerzählungen — wie bspw. die beiden oben genannten Lerchenszenen — in der IF ganz ausgespart und einige 25 Die fünfte Folge endet mit der Irreführung des Zuschauers durch Valentines Mutter, die vermutet, dass das Geburtstagstelegramm für Valentine sicherlich von Christopher sei. Die Äußerung erhält als Abschluss der Folge eine Art schicksalhaftes Gewicht, das sie als eingebettete Vermutung in der OF nicht hat. 26 Das mag durch die Ausstrahlungspraxis (an zwei Abenden jeweils drei Episoden hintereinander zu zeigen) etwas gemindert sein; fraglich bleibt aber, warum für den deutschen Markt nicht zwei (etwa F.01–F.03 und F.04–F.06) oder drei Langfilme (also die für Deutschland recht häufigen Mehrteiler) daraus konzipiert wurden. 27 Die in der OF zwischen zwei Episoden liegenden Zeitsprünge werden durch den veränderten Schnitt in der IF in die Mitte einzelner Folgen verschoben, wodurch sie unmotiviert und unangebracht wirken. 28 Dies gilt darüber hinaus ebenso für die deutsche Synchronisation, die teilweise sinnverstellend und verharmlosend ist. So wird das Motiv ‚pulling the strings of the shower bath‘, mit dem Sylvia beschrieben wird, als ‚Sylvia erzählt wieder wüste Schauermärchen‘ (F.01: 09:17 min.) übersetzt. 29 Das gemeinsame Zitieren des Romeo-und-Julia-Zitates ist in der IF gestrichen. Ohne diesen Dialog kann dem Betrachter schwerlich die Faszination klar werden kann, welche die beiden nach dieser Fahrt füreinander hegen.

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Handlungsstränge um einzelne Szenen gekürzt, so dass deren Herkunft unklar bleiben und unvorbereitet wirken muss. Thematisch sind vor allem die den beiden Freunden Christopher Tietjens und Vincent Macmaster gewidmeten Erzählstränge gekürzt — fatal ist dies nicht nur, weil Macmaster, als Sohn eines armen Angestellten einer Reederei und daher stets um Anerkennung bemüht, in seinem Karrierestreben gerade das Gegenteil zu dem aus einer Yorkshirer Landadelsfamilie stammenden Tietjens darstellt. Beide verhalten sich auch angesichts des einbrechenden Kriegs unterschiedlich: Während Christopher „prefer[s] to be in the trenches“ (S1.02: 44:17 min.), lässt sich Macmaster mit einem erschlichenen Ritterorden auszeichnen und erarbeitet sich während der Kriegszeit eine gesellschaftliche Position, ohne in den Krieg gezogen zu sein. In der ersten Episode fungiert die Freundschaft zu Macmaster narrativ als eine Gelegenheit, bei der Tietjens seine Ansichten kundtun kann. So findet Christopher seinem Freund gegenüber bei einem Whisky am Abend in Rye süffisante Töne, aus denen seine Faszination für die am Tag getroffene Valentine klar wird, eine Szene, welche die IF löscht. Der Bruch der Freundschaft in der letzten Episode, inszeniert durch einen doppelten Fensterblick über die Straße hinweg, der die durch den Krieg und die unterschiedlichen Erfahrungsräume der beiden entstandene Distanz markiert, fällt ebenfalls der Kürzung zum Opfer. Insgesamt ist die internationale Schnittfassung auf Vereinfachung hin ausgelegt. Dies führt jedoch gerade nicht zu einem besseren oder leichteren Verständnis der Serie. Die Beschneidung des internen Verweissystems der Stoppard’schen Adaptionsleistung auf handlungstreibende Momente hin hat vielmehr durch fehlende Informationen und gelöschte interne Verweise punktuelle Unverständlichkeit und Zusammenhangslosigkeit einzelner Szenen, Figuren und Handlungsstränge zur Folge. Zudem ist die IF in der thematischen Vielfalt reduziert30, die Handlung wirkt dadurch flacher und weniger kunstvoll verwoben. Qualitätsfernsehen erweist sich daher in diesem Fall nicht an bestimmten Kategorien oder Merkmalen31, sondern zeigt sich vielmehr an innerer Stimmigkeit in Bezug auf die eigene — thematische und ästhetische — Struktur einer

30 Weitere nicht unbedeutende durch kurze Dialoge und Szenen angerissene Nebenthemen werden in der IF gelöscht: Das Leben der Angestellten; das angespannte Verhältnis der englisch-französischen Entente Cordiale; Christopher Tietjens Mutter; Christophers Kriegsvorhersagen; bettelnde Kinder am Tag des Waffenstillstands. 31 Wie sie beispielsweise von Robert Thompson in die Diskussion um Qualitätsfernsehen eingebracht und von Jason Mittell und anderen erweitert und differenziert wurden (vgl. Thompson; Mittell).

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Serie. Dass dies bei einem Vergleich zweier verschiedener Fassungen leichter anschaulich zu machen ist, mag nicht überraschen. Doch auch anhand einer Serie, von der keine verschiedenen Fassungen existieren, lassen sich gewisse, von der thematischen und ästhetischen Einrichtung des einzelnen Werkes herrührende Maßstäbe zur Beurteilung von gelungenen Serien extrahieren. Qualität bleibt daher ein relationaler Begriff, gebunden an den spezifischen Gegenstand. Jede Serie liefert den Maßstab zu ihrer Beurteilung selbst mit und kann nur durch diese inhärenten Parameter qualitativ bewertet werden.

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Bibliographie Bazin, André: „Für ein unreines Kino. Plädoyer für die Literaturverfilmung.“ In: Ders.: Was ist Film? Bausteine zur Theorie des Films. Berlin 2004, S. 110–138. BBC-Interview with Tom Stoppard. BBC. (abgerufen am 31.08.2015). Becquet, Alexandra: „Modernity, Shock and Cinema: The Visual Aesthetics of Ford Madox Ford’s ‚Parade’s End‘.“ In: Laura Colombino (Hg.): Ford Madox Ford and Visual Culture. Amsterdam 2009, S. 191–204. Behind the Scenes. Dokumentation zur Serie Parade’s End, BBC2 2012, DVD. Bloch, Ernst: Erbschaft dieser Zeit. Frankfurt 1962. Bonikowski, Wyatt: Shell Shock and the Modernist Imagination. The Death Drive in Post-World War I British Fiction. Farnham 2013. Chatman, Seymour (1980): „What Novels can do that Films can’t (and Vice Versa).“ In: Critical Inquiry 7.11, S. 121–140. — (1990): Coming to Terms: The Rhetoric of Narrative in Fiction and Film. Ithaca, NY. Ford, Ford Madox (1964): „On Impressionism.“ In: Frank MacShane (Hg.): Critical Writings of Ford Madox Ford. Lincoln, NE, S. 33–55. — (2012): Parade’s End. London. Hesse, Eva: Die Achse Avantgarde-Faschismus. Reflexionen über Filippo Tommaso Marinetti und Ezra Pound. Zürich 1991. Hubmann, Philipp und Till Julian Huss (Hgg.): Simultaneität. Modelle der Gleichzeitigkeit in den Wissenschaften und Künsten. Bielefeld 2013. Huelsenbeck, Richard: En avant Dada — Zur Geschichte des Dadaismus. Hamburg 1984. Koschorke, Albrecht: „Die Männer und die Moderne.“ In: Wolfgang Asholt und Walter Fähnders (Hgg.): Der Blick vom Wolkenkratzer. Avantgarde, Avantgardekritik, Avantgardeforschung. Amsterdam 2000, S. 141–162. Loos, Adolf: „Ornament und Verbrechen.“ In: Ders.: Sämtliche Schriften in zwei Bänden. Bd. 1. Wien 1962, S. 276–288. Marsen, Lis: „A Desperate Need of Talk. Speech and Silence in Ford Madox Ford’s ‚Parade’s End‘.“ Academia.edu. (abgerufen am 31.08.2015). Mittell, Jason: „Narrative Komplevität im amerikanischen Gegenwartsfernsehen.“ In: Frank Kelleter (Hg.): Populäre Serialität. Narraion — Evolution — Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert. Bielefeld 2012, S. 97–122. Parade’s End. David Parfitt, Selwyn Roberts (Crs.). BBC, 2012.

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„Welcome to Coenville“ Noah Hawleys Fargo als serielle Weiterentwicklung des filmischen Universums der Coen Brothers Dominik Schmitt †

Joel und Ethan Coen haben für ihre schwarze Kriminalkomödie Fargo (1996) die Goldene Palme der Internationalen Filmfestspiele von Cannes für die beste Regie sowie den Academy Award für das beste Originaldrehbuch gewonnen. 2006 wurde der Film aufgrund seiner historischen und ästhetischen Relevanz als kulturelles Erbe in die National Film Registry der USA aufgenommen. Darüber hinaus gilt Fargo auch als Kultfilm, der eine äußerst produktive Rezeption angeregt hat. Als Beispiel für diese Entwicklung lässt sich etwa der von David Zellner realisierte Film Kumiko, the Treasure Hunter (2014) anführen, dessen japanische Protagonistin die Handlung von Fargo für real hält, deswegen nach Minnesota reist und sich dort auf die Suche nach dem von einer der Figuren versteckten Geldkoffer begibt. Auch das Fernsehen hat Versuche unternommen, sich den Film anzueignen. Besonders augenfällig ist dabei die Fernsehadaption (seit 2014), die den Segen der beiden Filmemacher bekommen hat. Nach der Lektüre des Drehbuchs erklärten sich die Coens bereit, nominell als deren ausführende Produzenten zu fungieren, um so ihre Wertschätzung für das Projekt zu zeigen. Die Serie findet vor allem darin ihre Zustimmung, dass sie keine Nachahmung ist, sondern eine originelle Aneignung: „We’re not big fans of imitation, but we feel like [the series’ scriptwriter] Noah [Hawley] channelled us.“ (zitiert in: Lederman 2014) In einer Rezension zum Start der Serie schließt sich Alex Strachan dem Lob der beiden Regisseure an. Auch er bemüht einen Vergleich zwischen dem Ausgangs- und dem Zielmedium, um den besonderen Wert der Bearbeitung zu be-

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tonen: „Fargo is […] a reminder that the small screen can be every bit as nuanced, adult and engaging as anything on the big screen.“ (Strachan 2014) Strachan charakterisiert die Serie als Beispiel für die enormen kreativen Möglichkeiten des Fernsehens, die im Gegensatz zu denen des Kinos immer noch scheinbar explizit betont werden müssen. Damit rückt er die serielle Adaption des Films Fargo in den Mittelpunkt der Diskussion um die gesteigerte Bedeutung des Fernsehens als Medium künstlerischer Innovation und Kreativität und stellt sie als Indikator für einen der vorläufigen Höhepunkte einer Entwicklung dar — die Blütephase des Qualitätsfernsehens. Die Fernsehbearbeitung von Fargo ist besonders gut geeignet, diesen Zusammenhang deutlich zu machen, weil es sich hierbei um ein hochkomplexes, dekonstruktivistisches Metawerk handelt, dessen Adaption für lange Zeit im Rahmen der gängigen Fernsehkonventionen und -voraussetzungen nicht realisierbar schien. Obwohl das Fernsehen relativ schnell auf den Film aufmerksam wurde und die Idee einer TV-Bearbeitung schon kurze Zeit nach der Premiere im Gespräch war, sollte es doch fast zwanzig Jahre dauern, bis die Fargo-Serie realisiert werden konnte. Bereits 1997, auf dem Höhepunkt der — in Anlehnung an eine populäre Werbecampagne des Senders so genannten — Must See TV-Ära, bemühte sich zunächst NBC darum, aus dem Erfolg von Fargo kommerzielles und kreatives Kapital zu schlagen. Tatsächlich beginnt die Rezeptionsgeschichte von Fargo mit einer Schneekugel. Es handelt sich um einen Merchandisingartikel der PolyGram Company, der eine der ikonischsten Szenen des Films nachstellt: Zu sehen ist der Hauptcharakter, die Polizistin Marge Gunderson, wie sie sich neben einem umgestürzten Wagen über eine Leiche im blutigen Schnee beugt. Mit dieser Schneekugel wollten die beiden Produzenten Bruce Paltrow und Robert Palm den NBC-Präsidenten Warren Littlefield auf die Adaptionstauglichkeit des Kultklassikers hinweisen. Letztendlich lehnte dieser es jedoch ab, eine Serienadaption von Fargo in Auftrag zu geben, weil er die enorme Popularität und den Kultstatus des Films nicht als Vor-, sondern als Nachteil betrachtete: „My fear was we would disappoint the audience, and so I passed.“ (zitiert in: Hinckley (a)) Nach der Absage von NBC versuchte sich nur ein Jahr später CBS an einer Bearbeitung von Fargo. Unter der Regie von Kathy Bates wurde eine Pilotfolge gedreht, die jedoch wegen Zweifel an der Fernsehtauglichkeit des Konzepts nicht zum Startpunkt einer Serie wurde. Inszeniert wurde hier eine direkte Fortsetzung der Filmhandlung, deren Hauptfigur Marge Gunderson wieder im Mittelpunkt stand. Allerdings wurde die Rolle nicht erneut mit der Oscarprämierten Frances McDormand besetzt. sondern mit der damals noch weitge-

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hend unbekannten Edie Falco. Anhand dieser Umbesetzung lässt sich das Scheitern der Filmadaption im US-amerikanischen Fernsehen der 1990er Jahre exemplarisch erklären: Man wollte das cinematographische Erfolgskonzept auch auf ein anderes Medium übertragen, indem man die Qualität der Inhalte zwar beizubehalten, aber den Produktionsaufwand deutlich zu senken plante. Warren Littlefield befürchtete, dass eine mögliche CBS-Version nur „a paler version“ (Fienber 2014) bzw. „a network television version of an iconic and brilliant film“ (Hinckley (a)) sein könne. Mit diesen Einschätzungen deutet er an, dass er in den 1990er Jahren eine Serienadaption im Grunde lediglich als Schwundstufe des Filmklassikers betrachtet hatte. Damit rückt er implizit die Diskussion um Werktreue und Wertigkeit von Kunstbearbeitungen im Medienwechsel in den Fokus der Betrachtung. Littlefield fungiert als Vertreter eines normativen Vorbehalts gegenüber der Eignung des Fernsehens, qualitative, ähnlich hochwertige Kunst erzeugen zu können wie das Kino. Er geht davon aus, dass es nicht über die finanziellen, strukturellen und kreativen Voraussetzungen und Mittel verfügt, damit eine weitgehend gleichberechtigte Aneignung der Vorlage gelingen könnte. Diese Einstellung revidierte er erst in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts. Im Jahre 2011 beschäftigte Littelfield sich erstmals seit Jahren wieder mit dem Fargo-Projekt, weil er einen Paradigmenwechsel im Selbstverständnis und den künstlerischen Möglichkeiten des Fernsehens erkannt zu haben glaubte: „Then three years ago, I went, ‚It’s time. The world of television has changed […].‘“ (zitiert in: ebd.) Die Fernsehserie, die FX Network daraufhin 2014 auf Initiative und unter der Ägide Littlefields produziert hat, lässt sich als Schoßkind des Qualitätsfernsehens charakterisieren. Dieser Umstand manifestiert sich nicht nur darin, dass die Serienidee nach einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf überhaupt wieder erweckt wurde, sondern auch darin, dass sie aufgrund der veränderten Bedingungen im Vergleich zum Originalkonzept fundamental modifiziert und der neuen Zeit angepasst wurde. Anstatt einfach nur eine Fortsetzung mit dem gleichen Setting und Personal zu produzieren, wie es noch in den 1990er Jahren angedacht war, wollte man nunmehr eine eigenständige Adaption für die spezifischen Bedingungen des anderen Mediums und der neuen Zeit generieren. Littlefield legte das Projekt nun in die Hände des Fernsehproduzenten, Drehbuch- und Romanautoren Noah Hawley, der in der Folge als Showrunner und Autor aller Episoden reüssierte. Sein Konzept bestand nicht darin, die Filmhandlung mit reduziertem Anspruch fortzusetzen, sondern darin, sie qualitativ hochwertig für das neue Medium weiterzuentwickeln. Anstelle einer Lightversion des Kinofilms für das Fernsehen erdachte Hawley die Serie von Beginn an als eine Art zeitgemäßen Zehn-Stunden-Film in Einzelteilen („a 10-hour

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movie“; ebd.). Die zehn Episoden sollten sich in erster Linie als Bestandteile einer großen filmischen Erzählung rezipieren lassen, bei deren Konstruktion die sorgfältige Planung und Umsetzung einer originiell-geistreichen Handlung eine ebenso große Rolle spielte wie eine ausdifferenzierte Charakterentwicklung der Protagonisten. Der Schauspieler Billy Bob Thornton, der eine der Hauptrollen spielt, kommentiert seine Beteiligung an dem Projekt mit einem Verweis auf einen neuen Weg des seriellen Erzählens, der hier deutlich wird („new way“; Gupta 2014): „Coming from the film world, I want to stick with movies […] but television’s doing so many exciting things now, it’s actually become another form of the movie theater.“ (zitiert in: ebd.) Thorntons Überlegung, dass die neue Qualität des Fernsehens daher rühre, dass sich seine Voraussetzungen und Inszenierungsstrategien immer mehr denen des Kinos annäheren, kann Hawleys Anspruch an seine Serie jedoch noch nicht präzise genug fassen. Es geht ihm bei seiner Fargo-Bearbeitung nicht alleine darum, generell die Arbeitsbedingungen und -methoden des Kinos für ein anderes Medium nutzbar zu machen, sondern viel spezifischer darum, im Fernsehen mit den Instrumenten des Qualitäts TVs methodisch so arbeiten zu können wie die Coen Brothers im Kino mit den Instrumenten des postmodernen Autorenfilms: „We didn’t have to stick to any of the rules for a TV show, because [the Coen brothers] didn’t stick to any of the rules for a movie.“ (zitiert in: ebd.) Hawleys Adaptionsstrategie besteht in erster Linie darin, sich die Arbeitsweise der Coens so anzueignen, dass sie nicht nur auf ein anderes Medium übertragen, sondern auch in ihm und für es produktiv weiterentwickelt werden kann. Zur Umsetzung dieses Vorhabens adaptierte er also nicht nur den konkreten Filmstoff, sondern ebenfalls die Arbeitsweise der Coen Brüder. Statt der reinen Adaption einer spezifischen Vorlage wird die Serie dadurch zu einem intertextuellen Pastiche, das sich oberflächlich zwar alleine an Fargo als Vorlage orientiert, aber bei genauerer Betrachtung doch auf eine Vielzahl disparater Bezugsquellen rekurriert. Dieses Konzept lässt sich zunächst einmal als Hommage an das gesamte filmische Schaffen von Joel und Ethan Coen definieren. Dementsprechend sieht sich etwa Hanh Nguyen zu der Bemerkung veranlasst, die Serie lasse sich im Grunde als eine Art „Coenville“ (Nguyen 2014) deuten, das heißt als eine Art intellektuelles Sammelbecken für eine Vielzahl an Referenzen, Zitaten und sonstigen Querbezügen. Der Anspielungshorizont erstreckt sich dabei über unterschiedliche Ebenen: Von der Ähnlichkeit mancher Protagonisten zu Mitgliedern des Coen’schen Figurenensembles (z.B. Milos Stavros und Don Chumph als Hommagen an Nathan Arizona aus Raising Arizona bzw. Chad Feldheimer aus Burn after Reading) bis hin zu strukturellen Übereinstimmungen der Inszenierungsstrategien, die es in der Folge näher zu

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untersuchen gilt. Hawley selbst benennt in diesem Zusammenhang nicht etwa nur einen, sondern gleich drei Filme der Coen Brüder, deren Inhalt und Machart das Fundament der Serie bilden und die somit eine besonders exponierte Rolle für seine Adaptionsstrategie spielen: „The three movies that influenced season one were Fargo, No Country for Old Men and A Serious Man.“ (Hinckley (b)) Obwohl dieses Konzept als Hommage an das cinematographische Schaffen der Brüder zu verstehen ist, ist es nicht alleine Noah Hawleys Absicht, mit seiner Serie eine museale Werkschau oder quellenkundliche Chronik mit Vollständigkeitsanspruch in Szene zu setzen. Stattdessen geht es ihm vielmehr darum, ein neues Kunstwerk auf Grundlage einer produktiven Aneignung einer spezifisch Coenesken Inszenierungstechnik zu erschaffen. Bei dieser Technik handelt es sich um ein raffiniertes Spiel mit der Animation und Konterkarierung von Zuschauererwartungen. Stephanie Blum beschreibt die Funktionsweise dieser Technik, wenn sie konstatiert, ein zentraler Aspekt im Œuvre der Brüder sei es, „Verwirrung zu stiften durch scheinbar sinnträchtige Elemente in den Filmen, die sich jedoch der eindeutigen Bestimmbarkeit entziehen“ (Blum 2015: 187). Wenn Blum demzufolge bemerkt, dass vor allem die ironische Brechung von Erwartungshaltungen als integraler Bestandteil von Joel und Ethan Coens Inszenierungsweise betrachtet werden müsse, so beschreibt sie damit, dass die beiden Regisseure immer wieder vertraute Muster und kanonische Inhalte aus Klassikern der Kinogeschichte zitieren und dann in ihrer Relevanz relativieren oder negieren. Dieses Spiel mit der Konstruktion und Dekonstruktion von Sinnstiftung zeigt sich im Werk der Coens häufig vor allem in ihrem Umgang mit Intertexten. Die beiden Filmemacher beziehen sich bei der Inszenierung ihrer Filme immer wieder auf jeweils eine offensichtliche Quelle, verbergen aber unter dieser Oberfläche in der Regel weitere Rekurse, die sich auf originelle Weise thematisch oder strukturell stark davon unterscheiden. Die Präsenz dieser Zitate kontaminiert die evidente Vorlage regelrecht mit einem anderen Bedeutungshorizont. Es handelt sich um eine Variante der ironischen Brechung von Erwartungshaltungen, die sich kreativ mit dem Prozess der Kanonisierung von Kunst auseinandersetzt. Diese Kontaminationsstrategie im Kino von Joel und Ethan ist bislang nur anhand einzelner Filme untersucht worden. So zitiert und persifliert die Komödie The Big Lebowski (1998) nicht nur den Filmklassiker The Big Sleep (1946) von Howard Hawks, sondern versteckt auch das kaum bekannte Drama Cutter’s Way (1981) von Ivan Passer, in dem Lebowski-Hauptdarsteller Jeff Bridges eine ähnliche Rolle spielt (vgl. Müller 2015). Dass dieses Spiel mit der Kreuzung von Vorlagen auch das eigene Werk der Brüder miteinschließt, wird durch den Umstand belegt, dass der Thriller No Country for Old Men (2007)

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neben einer Verfilmung des gleichnamigen Romans von Cormac McCartey (2005) auch eine Dekonstruktion der frühen Coen-Komödie Raising Arizona (1987) darstellt (vgl. Schmitt 2015). *** Die Serie spielt zunächst einmal im Universum des Fargo-Films, was sich daran erkennen lässt, dass ein direkter Anschluss an eines seiner Handlungselemente gegeben ist: In einem Flashback in das Jahr 1987, in dem der Film situiert ist, findet der Serien-Charakter Stavros Milos im Schnee einen mit einem roten Eiskratzer markierten Geldkoffer, den der Film-Charakter Carl Showalter dort vergraben hat. Statt sie jedoch aus der Vorlage zu übernehmen, erfindet Hawley die Serien-Handlung und das Figurenensemble neu, legte sie allerdings so an, dass sie strukturelle Ähnlichkeiten zu der Vorlage aufweisen: „All new characters, a new crime saga, all with Fargo as a state of mind: Honour the thematic, honour the world that the Coens created.“ (Lederman 2014) Auf dieser Grundlage betont Noah Hawley für seine Serie vor allem die Relevanz eines weiteren Prätextes neben Fargo: „I would say we were making No Country for Old Fargo.“ (zitiert in: Lederman 2014) Der Thriller No Country for Old Men, auf den er sich hier bezieht, ist ein revisionistischer Western, den die Coen Brüder als Bearbeitung des gleichnamigen Romans von Cormac McCarthy in Szene gesetzt haben. Die Erzählinstanz des Films ist der alternde Sheriff Ed Tom Bell, ein Mann, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint, und nicht damit zurechtkommt, in einer gewalttätigen Welt ohne ethisch-moralische Leitlinien zu leben. Als Sinnbildfigur dieser Welt, die nicht mehr mit den Werten des konservativ-integren Polizisten übereinstimmt, fungiert der Killer Anton Chigurh, den Bell dingfest zu machen versucht. Chigurhs Auftritte werden als Indikatoren einer schleichend von außen kommenden Gefahr inszeniert. Er wird in Personalunion als Verkörperung des Bösen und des Todes gezeigt, der durch seine bloße Präsenz eine ebenso unkontrollierbare wie unabwendbare Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden darstellt. Gerade die Funktion des destabilisierenden Eindringlings verleiht dem Charakter auch eine metafiktionale Dimension. Indem die Figur aus einem anderen literarischen Zusammenhang, dem Psychothriller, in die vermeintlich heile Welt des Westerns eingefügt wird, wird dieser dekonstruiert und als obsolet entlarvt. Dementsprechend ist der Sheriff auch nicht in der Lage, Chigurh auf die Spur zu kommen. Am Ende des Films bleibt dem Sheriff statt eines Ermittlungserfolgs nur noch der Rückzug aus einer Welt, die ihm fremd geworden ist, in den Ruhestand. In Analogie zu dem Eindringen des Killers Chigurh als gattungsfremde Figur in ein anderes filmisches Genre erschafft

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Hawley einen Charakter, dessen Hintergrund einer anderen Vorlage der Coen Brüder entnommen zu sein scheint. In Anlehnung an No Country for Old Men adaptiert Hawley somit eine metareflexive Methode der Brüder und entwickelt für seine Fernsehserie einen Protagonisten, dem die Vertreter der örtlichen Staatsgewalt nicht habhaft werden können. Die Rolle von Sheriff Ed Tom Bell nimmt Chief Bill Oswalt ein, ein Polizist alten Schlages, der das Eindringen des Bösen in seine Gemeinde nicht begreifen kann und daher die Augen davor verschließt. In der letzten Episode der Serie tritt er folgerichtig von seinem Amt zurück, weil er sich nicht gegen die Bedrohung des gesellschaftlichen Status quo gewappnet sieht: Don’t got the stomach for it. Not like some. Wearing the badge, seeing the lengths people are capable of, the inhumanity. Whatever happened to saying good morning to your neighbors and shoveling their walk and bringing in each other’s Totters? (S1.10: 00:26 min.)

Im Gegensatz zu Bell ist Oswald aber nur eine Nebenfigur, deren Geschichte sich als Seitenstrang der Haupthandlung und eher nebensächliche Reminiszenz an No Country for Old Men erweist. Während der überforderte Polizist in der Fargo-Serie in der Auseinandersetzung mit dem Killer nur eine untergeordnete Rolle spielt, sind es zwei andere Figuren, die mit seinem Eindringen in ihre Welt konfrontiert werden. Seine Präsenz beeinflusst in erster Linie zwei Akteure, die Analogfiguren zu den beiden Antagonisten aus Fargo sind und deren Geschichte an diejenige des Films angelehnt ist: Im Film ermittelt der weibliche Sheriff Marge Gunderson gegen den Autohändler Jerry Lundegaard, dessen inszenierte Entführung seiner Frau misslingt und zum Tod von sechs Menschen führt. Dahingegen steht im Fokus der Serie der Versuch von Deputy Molly Solverson, dem Versicherungsvertreter Lester Nygaard, der ein Bündnis mit dem mysteriösen Killer Lorne Malvo eingeht und zum Mörder wird, seine Verbrechen nachzuweisen. Die erste Schnittstelle bei der parallelen Charaktergestaltung von Chigurh und Malvo ist bereits auf den ersten Blick auf der Ebene des strukturell ähnlichen Aussehens der beiden Analogfiguren auszumachen. Zunächst zeichnen sich beide Figuren dadurch aus, dass sie sich jeweils schon alleine durch auffällige Merkmale ihres äußerlichen Erscheinungsbildes von den anderen Protagonisten abheben. Vor allem ihre außergewöhnlich anachronistisch-nonkonformistisch erscheinenden Frisuren sind Alleinstellungsmerkmale und explizite Erkennungsmarken dafür, dass es sich hierbei um Charaktere handelt, die sowohl fiktionsimmanent als auch strukturell aus dem Rahmen fallen. Chigurh

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eignet sich vor diesem Hintergrund folglich vor allem deshalb als Vorbildfigur, weil er über eben die Funktion des Eindringlings und Außenseiters dargestellt wird, die Malvo in Fargo auch zukommen soll. Die radikale Alterität beider Figuren manifestiert sich auch in einer weiteren Parallelszene zwischen Film und Serie. Nachdem es bei der Verfolgung potentieller Opfer zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist, werden beide Killer am Bein verletzt. Ihre Blessuren, eine Schusswunde bei Chigurh und ein von einer Bärenfalle zertrümmertes Bein bei Malvo, verarzten sie daraufhin in ihren Verstecken selbst. Diese Versorgung der Beinverletzungen wird in beiden Fällen äußerst martialisch dargestellt (vgl. S1.10: 00:50 min.; No Country for Old Men: 01:09 min.). Die explizite Präsentation zerfetzten Fleisches, blutender Wunden und offener Knochenfrakturen ist in erster Linie affektorientiert. Sie soll bei den Zuschauern offenkundig Unwohlsein und Ekel provozieren. Durch die nahezu identische Vorgehensweise in den beiden Szenen wird die Abgrenzungsstrategie bei der Figurengestaltung noch potenziert, weil sie von ihrer absoluten Selbstkontrolle trotz schier unerträglicher Schmerzen bzw. ihrer Fähigkeit zeugt, diese effektiv zu unterdrücken. So wird der Eindruck evoziert, dass es kaum möglich sei, ihrer habhaft zu werden, da ihre Fähigkeiten denen aller anderer überlegen sind. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass Hawley Chigurhs Vorbildfunktion für Malvo durch die Anlehnung seiner Inszenierung an diese besonders ikonographische Sequenz sehr offensichtlich in Szene setzt. Indem er den Verweis auf einen spezifischen Anspielungshorizont so explizit gestaltet, macht Hawley von Beginn an evident, dass nicht nur die intertextuelle Provenienz des Malvo-Charakters generell, sondern sogar die konkrete Referenzquellen für seine einzelnen Auftritte von herausragender Bedeutung sind. Der Einsatz einer derart offenen Anspielungstechnik lässt sich dadurch erklären, dass Hawley nicht ausschließlich darauf zielt, den vordergründigen Referenzrahmen mit vorlagenfernen Artefakten zu kontaminieren und damit zu dekonstruieren, wie es die Coens in No Country for Old Men tun. Stattdessen initiiert er ein komplexeres postmodernes Spiel mit der Kombination zweier heterogener Intertexte. Durch den Einsatz einer vorlagenfremden Figur in einem Kunstwerk, das vordergründig als monothematische Werkadaption erscheint, wird ein zweifaches Bezugssystem erzeugt. Das Aufeinandertreffen der beiden Vorlagen, die eigentlich kanonisch und daher in ihrer Relevanz unveränderbar scheinen, mündet in deren wechselseitiger Modifikation im Rahmen der Serie. Die Doppelbödigkeit der Rezeptionshaltung fungiert aber nicht als l’art pour l’art. Sie führt an dieser Stelle viel weiter, weil sie als strukturelle Grundlage und Impulsgeber für eine doppelte Dekonstruktionsstrategie fungiert: Die Figur, deren

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Charakterisierung auf einen anderen Anspielungshorizont rekurriert, kontaminiert das Fargo-Universum ebenso mit einem neuen Bedeutungszusammenhang wie das Fargo-Universum am Ende der Serie auch eben diese Figur. Diese Kontamination manifestiert sich zunächst darin, dass mit der Einführung Lorne Malvos in die Serie, die auf den Film der Coens zurückgehende Kriminalhandlung um das Element des Teufelspaktes ergänzt wird. Malvo trifft zufällig Lester Nygaard im Krankenhaus, erfährt, dass er von seinem ehemaligen Mitschüler Sam Hess drangsaliert wurde und verführt ihn dazu, ihn mit dem Mord an diesem Widersacher und Peiniger zu beauftragen. Damit löst Malvo eine Entwicklung aus, die den unscheinbaren Versicherungsvertreter Nygaard selbst zum Mörder macht. Während Jerry Lundegaard in der Filmvorlage aufgrund eines misslungenen Betrugs und aufgrund falscher Anschlussentscheidungen mehr und mehr die Kontrolle über sein Leben verliert, entwickelt sich Nygaard sukzessive zu einem skrupellosen Amoralisten. In der Serie wird folglich durch den Einfluss der Figur aus dem anderen Filmkontext bewirkt, dass sich ein Durchschnittsbürger von den Grundfesten der zivilisierten Gesellschaft abwendet und ethisch-moralisch zusehends degeneriert. Während sich der Mordauftrag an Malvo noch dadurch rechtfertigen lässt, dass Nygaard den Ernst der Situation nicht in vollem Umfang verstanden haben mag, zeugen seine weiteren Taten von bewussten Entscheidungen: Er ermordet seine Frau Pearl, eine spitzzüngige Xanthippe, brutal mit einem Hammer, fälscht Beweise für diese Tat, so dass sein missliebiger Bruder Chazz dafür unschuldig ins Gefängnis muss und provoziert schließlich, dass seine zweite Frau Linda statt seiner von Malvo erschossen wird. Auf der Meta-Ebene kommt es also bei der Darstellung einer Figur zu einer Adaption kontextfremder Charaktermerkmale, die zu einer vollkommenen Verkehrung und Umdeutung führen. Dass aber die Kontamination auch in die andere Richtung wirksam wird, zeigt sich, wenn sich auch Malvo von seiner Prägung durch die Vorlage entfernt, je mehr er mit den Akteuren der Fargo-Handlung interagiert. Diese Entwicklung zeigt sich vor allem darin, dass Chigurh bis zum Ende des Films von den anderen Akteuren, deren Status quo er gefährdet, nicht gestoppt werden kann. Selbst ein zufälliger Autounfall kann ihn in seinem Tun nur verlangsamen, nicht aber stoppen. Dahingegen wird Malvo mit fortschreitender Handlung immer angreifbarer und daher am Ende auch getötet. Während Malvo Chigurh zu Beginn der Handlung noch darin nachempfunden ist, dass er als Inkarnation des übernatürlichen und nahezu unüberwindbaren übernatürlichen Bösen erscheint, wird er in Abgrenzung zu seiner Vorbildfigur im Laufe der

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Serie immer stärker vermenschlicht. Die Kontaminierung des MalvoCharakters führt folglich zu einer Dekontamination der Fargo-Handlung, indem die Figur von alterierender Provenienz beseitigt wird, deren Einfluss den Status quo massiv in Frage stellt. Das Ende der ersten Staffel steht jedoch nicht uneingeschränkt für eine Entwicklung von der Dekonstruktion einer Filmadaption zu ihrer Rekonstruktion. Malvos Tod ist stattdessen das Ergebnis einer Kontamination der Adaption durch einen weiteren Coen Brothers-Film: A Serious Man (2009). So reflektiert vor allem Malvos Todesszene die Frage nach seiner wahren Identität, die ein Echo auf eine Sequenz des Films ist: „Is he human or isn’t he?“ (Andrew 2014) In der Szene wird der Prolog des Films gespiegelt, in der die Frage nach der Identität eines alten Mannes verhandelt wird, dem eine abergläubische Frau gegen den Willen ihres rational-aufgeklärten Ehemanns ein Messer in die Brust sticht, um zu beweisen, dass er ein böser Geist in menschlicher Gestalt ist. Obwohl es zunächst es so aussieht, als würde der Stich keine Wirkung zeitigen, beginnt der Verletzte dann doch zu bluten und flieht schwankend in die Nacht. Eine eindeutige Klärung der Frage, wer oder was er wirklich ist, bleibt aber aus. Ein ähnliches Moment der Unsicherheit findet sich auch bei der Inszenierung von Malvos Tod durch die Hand von Molly Solversons Ehemann, dem Ex-Polizisten Gus Grimly. Nachdem er von mehreren Kugeln getroffen wird, ähnlich wie die Figur aus dem Film zu bluten beginnt und daraufhin leblos erscheint, schnellt er unvermittelt doch noch einmal mit einem dämonischen Grinsen hoch. Erst durch zwei Kopfschüsse kann er endgültig niedergestreckt werden. Während die Coen Brüder ihren Film also mit der Inszenierung einer offenen Frage beginnen, schließt Hawley seine Serie mit einer eindeutigen Antwort. Diese Divergenz verweist darauf, dass hier zwei unterschiedliche Weltsichten vorherrschen, in denen sich die Unsicherheit zweier Protagonisten über die wahre Natur des Bösen spiegelt. Dabei es handelt es sich zum einen um Gus Grimley und zum anderen um Larry Gopnik, Held des Films A Serious Man. Beide Figuren ähneln sich in einem Aspekt, den Stephanie Blum zur Beschreibung Gopniks anführt: Sein „beschauliches Leben [gerät] beruflich und privat aus den Fugen […], was [… ihn] in eine Glaubens- und Sinnkrise stürzt“ (Blum 2015: 187). Die Analogie lässt sich vor allem anhand der direkten Adaption einer Schnitt- und Gegenschnittfolge des Films in einer Szene aus der fünften Episode der Serie (S1.05: 00:25 min.) belegen. Es handelt sich in beiden Fällen um ein Gespräch zwischen den zutiefst verunsicherten Protagonisten und ihren jüdischen Ratgebern, die ihnen mit Parabeln bei der Frage nach dem Sinn des Lebens zu helfen versuchen. Die Geschichten der Berater werden in beiden

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Fällen mit deren filmischen Umsetzungen überblendet, wobei die Erzählstimmen den Figuren immer dann lippensynchron in den Mund gelegt werden, wenn sie deren Dialoge nacherzählen. Die Inszenierung einer Sequenz, welche die Grundproblematik des Films subsumiert, als „shot-for-shot remake“ (Boylan 2014) verleiht der Szene poetologische Relevanz. Der Umgang mit der Vorlage ist allerdings durch eine Kontrastivierung von Form und Inhalt gekennzeichnet: Während beide Sequenzen nahezu identisch in Szene gesetzt werden, sind sie inhaltlich diametral gegensätzlich angelegt. Das Problem von Larry Gopnik besteht darin, dass er glaubt, die Geschicke der Menschen würden von Gott gelenkt, er selbst aber nicht in der Lage ist, dessen Absichten zu durchschauen und ihm gerecht zu werden. Ebenso wenig wie die Frage nach der Identität des Alten im Prolog zu A Serious Man führt Gopniks Suche nach dem Sinn des Lebens zu einem für ihn befriedigenden Ergebnis. Dahingegen besteht Grimlys Dilemma darin, dass er von der Selbstbestimmtheit des menschlichen Lebens überzeugt ist, jedoch nicht weiß, wie er sich angesichts dessen idealerweise verhalten sollte. Der konkrete Anlass seiner Verunsicherung ist die Frage, ob er Malvo, den er bisher nicht überführen konnte und vor dem er Angst hat, im Interesse des Gemeinwohls weiter verfolgen oder sich aus Rücksicht auf das eigene Wohlergehen davon distanzieren sollte. Während Gopnik versucht, seinem determinierten Weltbild gerecht zu werden, bemüht sich Grimly darum, als Selbsthelfer seinen eigenen Weg zu finden. Die endgültige Identifizierung von Malvo als Mensch durch seine Elimination gibt ihm dabei letztendlich recht. Auf dieser Grundlage erschießt Grimly den schwerverletzten und unbewaffneten Malvo, nachdem er ihn in seinem Versteck aufgespürt hat. Er ist in der Lage, die Bedrohung von außen, die mit den Mitteln des Fargo-Universums nicht aufgehalten werden kann, zu überwinden, indem er seinen Kontrahenten mit dessen eigenen Waffen schlägt. Während Grimly bei der ersten Begegnung mit Malvo noch mit Taschenlampe und im Scheinwerferlicht quasi als Lichtbringer auftritt, lauert er bei der finalen Konfrontation mit dem Killer im Dunkeln auf ihn. Er schlägt damit sowohl konkret als auch metaphorisch einen Weg ein, den Malvo bei dem ersten Treffen noch für sich beansprucht und zur Abschreckung eingesetzt hat. Als Grimly ihn wegen Geschwindigkeitsübertretung anhält, bringt der Killer ihn mit einem Monolog dazu, ihn gehen zu lassen: „You are alive because you chose not to go down a certain road at a certain night, that you chose to walk into the light instead of into the darkness.“ (S1.01: 01:04 min.) Indem Grimly den Weg in die Dunkelheit beschreitet, fungiert er nicht nur handlungsimmanent als Malvos Bezwinger, sondern auch auf der Meta-Ebene als dessen Kontrastfigur. Während Malvo scheitert, weil er sukzessive

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die Schwächen der Fargo-Charaktere annimmt und daher von seiner Rolle als monokontextuelle Analogfigur aus dem Film abweicht, ist Grimly erfolgreich, weil er ihre Stärken adaptiert. Es gelingt ihm, die Bedrohung des Status quos zu stoppen, indem er sich frei zwischen den unterschiedlichen Dimensionen des Coen-Universums hin und her bewegt und sich von einem A Serious Man- über einen No Country for Old Men- zu einem Fargo-Akteur entwickelt. *** In dieser Figurenentwicklung spiegelt sich im Grunde auch noch einmal metareferentiell Noah Hawleys gesamte Adaptionsstrategie: Er beschränkt sich bei seiner Coen-Bearbeitung nicht nur auf die Re-Inszenierung eines einzigen Anspielungshorizonts. Anstatt dessen macht er sich zahlreiche unterschiedliche Aspekte aus mehreren Bezugsrahmen nutzbar und erschafft auf diese Weise ein intertextuelles Pastiche, das auf das gesamte Wirken der beiden Regisseure rekurriert. Er zitiert allerdings nicht willkürlich aus dem Werk der Brüder, um möglichst viele Anspielungen einsetzen zu können. Seine Bezugspunkte erweisen sich vielmehr als bewusst ausgewählte Elemente, um bei dem Medientransfer eines Stoffes vom Kinofilm zur Fernsehserie den Inszenierungsideen und -strategien seiner beiden Vorlagengeber Joel und Ethan Coen gerecht werden zu können. Durch den Tod von Malvo und Nygaard scheinen handlungsimmanent die Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung und auf der Meta-Ebene die intertextuelle Kontamination der Fargo-Adaption durch den Rekurs auf andere Coen-Filme beseitigt zu sein. Der Preis für Grimlys Sieg über Malvo wird hier aber von den Figuren nicht reflektiert, nämlich die Transformation eines gesetzestreuen Bürgers aus einer Kleinstadt im Mittleren Westen zu einem Mörder, der Selbstjustiz betrieben hat. So wird Grimly für die Hinrichtung Malvos nicht etwa von den Behörden verhaftet, sondern für sein heldenhaftes Verhalten sogar noch belobigt. Grimly ist also nur an der Oberfläche als Fargo-Figur zu betrachten. Die erste Staffel endet demnach mit einem ironisch gebrochenen Happy Ending. Hier manifestiert sich sowohl die letzte intertextuelle Entwicklungstufe von Grimlys Charakter von einem No Country for Old Men- zu einem Fargo-Akteur als auch deren finale Dekonstruktion. Wegen der Ergänzung der reinen Adaptionsleistung durch derartige metareflexive Aspekte erweisen sich die Figuren Lorne Malvo und Gus Grimley in ihrer intertextuellen Vielschichtigkeit als nachgerade idealtypische Bewohner von Coenville. Die komplexen Einflüsse aus dem cinematographischen Universum der Coen Brothers, die bei ihrer Charakterkonstruktion zum Tragen kommen, machen sie hierbei zum einen zu mustergültigen postmodernen Passepartout-

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Figuren. Zum anderen werden sie aufgrund der daraus resultierenden Dekonstruktion von Vorlagen für die Figurengestaltung auch zu dem eigentlichen Motor für das Fortschreiten der Serien-Handlung. Gerade das Spiel mit erwarteten Identitätskonzepten entspricht dabei strukturell der Inszenierungspraxis von Joel und Ethan Coen, so dass sich vor allem in diesem Punkt die Serie als deren kreative Weiterentwicklung betrachten lässt; eine Weiterentwicklung, wie sie nur im Qualitätsfernsehen des 21. Jahrhunderts überhaupt möglich ist.

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„Welcome to Coenville“

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III. Von Comedy zur Quality?

Von Comedy zu Quality?

Auffällig ist: Das ‚Quality Television‘ versteht keinen Spaß — oder anders ausgedrückt: Comedy- und Animationsserien haben kaum bis nie Eingang in die theoretischen Überlegungen und Definitionsversuche des QTV gefunden. Dies mag für Blödelwitze über Dicke, Schwule und trottelige Familienväter nicht weiter überraschen, aber es gibt in dieser Sparte, wie fünf unserer Beiträger abschließend zeigen, durchaus intelligente, selbstreflexive, sozialkritische und experimentell erzählende Produktionen. Umso besser also, dass dieser Band ohnehin den QTV-Begriff hinterfragen und den gängigen Diskurs reevaluieren will — und so öffnen wir die dritte Sektion für Konservenlacher und Zeichentrickfiguren! Tataaa! Anette Pankratz (Bochum) wendet sich direkt dieser „far side of quality“ zu und zeigt am Beispiel der britischen TV-Serien Extras und Episodes eine Besonderheit der seriellen Narration auf: Die Serie-in-der-Serie. Die dort innerhalb der Sitcom produzierten Sitcoms When the Whistle Blows und Pucks! lassen ihre jeweiligen Rahmenserien selbstreflexiv werden und können dadurch Produktionshintergründe, Genrekonventionen und Sehgewohnheiten hinterfragen bzw. parodieren. Auch die Sitcom Friends treibt ein metareferentielles Spiel, etwa wenn das Medium Fernsehen allgemein oder speziell der serial frame der Serie selbst innerhalb der Handlung thematisiert werden. Als weiteren Aspekt untersucht Daniel Kazmaier (Saarbrücken) Latenz als eine mediale Figura cryptica am Beispiel einer besonderen „magic story“ in der Episode „The One with the Videotape“. Der (vermeintliche) Nachfolger der New Yorker Beziehungssitcom Friends steht im Fokus von Julien Bobineau (Würzburg) und seiner Untersuchung der Serie How I Met Your Mother. Exemplarisch ‚seziert‘ er dabei die Folge „Brunch“, die auf verschiedenen Ort- und Zeitebenen spielt und deren komplexe Narration mit teils mehrfach ineinander verschachtelten und miteinander verwobenen Analepsen und Prolepsen arbeitet.

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Auch 30 Rock greift das Prinzip der Serie-in-der-Serie mit der Produktion von The Girlie Show in der eigenen Binnenhandlung auf. In der von Désirée Kriesch (Berlin) untersuchten Episode wird die von NBC ausgerufene und von General Electric beeinflusste Unternehmenspolitik am Beispiel einer medienwirksam inszenierten Umweltschutzinitiative parodiert und damit gesellschaftskritisch hinterfragt. Nicht nur Sitcoms, sondern auch Zeichentrickserien funktionieren oftmals auf zwei Ebenen: The Simpsons, South Park, Drawn Together, Family Guy und, ja, vielleicht auch SpongeBob SquarePants, verbergen unter teils derben, teils slapstickhaften, teils plumpen Witzen nicht selten metareferentielle Verweise, popkulturelle Zitate und Anspielungen auf politische Ereignisse oder soziale Probleme — wobei sicherlich nicht jeder Zuschauer diese bemerken und/oder verstehen würde bzw. unbedingt müsste. Auch die Animationsserie Ugly Americans richtet sich, wie Solange Landau (Saarbrücken) herausarbeitet, vorwiegend an ein adultes Publikum. Exemplarisch lässt sich dort der reiche Fundus an Referenzen auf die Film- und Kunstgeschichte wie auch an aktuelle popkulturelle Phänomene aufzeigen, die von der Serie (in einer regelrechten Archivfunktion) aufgenommen und verarbeitet werden. Folgt man Thompsons Punktekatalog, erfüllen also inzwischen auch nicht wenige Sitcom- und Zeichentrickproduktionen die Kriterien eines Gedächtnisses und der Selbstreflexivität, und nicht zuletzt werden viele Formate mittlerweile von der Kritik gelobt und auch mit Preisen ausgezeichnet. Dies soll nun nicht automatisch bedeuten, dass diese Serien auch automatisch ‚gut‘ sind, denn eine bloße Selbstreflexivität um der Selbstreflexivität willen und ein Zitat um des Zitats willen ist noch längst kein Qualitätsmerkmal. Vielmehr wäre es aber generell wünschenswert, wenn Comedyformate zukünftig eine deutlich stärkere Beachtung in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung erfahren würden, die noch zu häufig mit den Simpsons endet.

„The Far Side“ Britische Sitcoms, Qualitätsdiskurse und das Populäre Anette Pankratz

Sitcoms stehen laut Jane Feuer „forever on the far side of quality“ (zitiert in: Thompson 1997: 17). Als expliziten Grund führt sie die genretypischen Stereotypisierungen an, implizit schwingt hier auch die hochkulturelle „fundamentale[ ] Ablehnung des Leichten“ (Bourdieu: 757; Kursivierung übernommen), des Körperlichen, Populären, Massenkompatiblen und Vulgären mit. Sitcoms stehen unter „Banalitätsverdacht“ (Knop: 89). Man könnte die Kritik entkräften, indem man den Kriterienkatalog in Robert J. Thompsons Television’s Second Golden Age (vgl. vor allem Thompson 1997: 13–17) abarbeitet und nachweist, dass Sitcoms die Bedingungen für Quality TV erfüllen, dass vor allem neuere Shows durchaus mit Serialität experimentieren und dadurch narrative Komplexität erzeugen, dass sie mit filmischen Mitteln arbeiten, ein hohes Maß an Selbs treflexivität enthalten und kontroverse, gesellschaftlich relevante Themen behandeln. Allerdings bleibt immer ein populärer und komischer Rest: Edina Monsoon (Jennifer Saunders) fällt in Absolutely Fabulous (1992–1996; 2001– 2004) regelmäßig betrunken oder verkatert die Küchentreppe herunter; Malcolm Tucker (Peter Capaldi) flucht in The Thick of It (2005–2012) wie ein schottischer Whiskykutscher; „Big Keith“ (Ewen MacIntosh) aus The Office (2001–2003) erfüllt alle Stereotypen des lethargischen Dicken, Gareth Keenan (Mackenzie Crook) die des doofen Dünnen. Der Ansatz greift zudem zu kurz. Qualität kann nicht als Konglomerat unveränderlicher Kriterien definiert werden, sondern ist, so Kai Fischer, nur „in Relation beschreib- und feststellbar“ (Fischer: 123). Dasselbe gilt für das Label Quality TV: „Quality TV is best defined by what it is not.“ (Thompson 1997: 13) Wie im Folgenden gezeigt werden soll, funktionieren Ausgrenzung und

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Abgrenzung nie trennscharf. Das Ausgeschlossene, vermeintlich Minderwertige dient — ob direkt oder indirekt — immer als zentraler Teil der Qualitätsbehauptung einer Serie. Das „modern illicit“ (McCabe/Akass 2007a: 5; vgl. Thompson 2007: xvii), wird innerhalb des Quality TV-Rahmens respektabel. Mehr noch: Das vermeintlich Illegitime und Schmuddelige dient als Mittel der Aufwertung. Und hier bieten Sitcoms gerade wegen ihrer kompakten Form und ihrer generischen Position besonders prägnante Beispiele für die Dialektik zwischen high und low brow, Hoch-, Massen- und Populärkultur.

Sitcoms in der Sitcom

Neuere Sitcoms betonen ihre Neu- und Hochwertigkeit durch die explizite Abgrenzung von traditionellen Formen der Fernsehunterhaltung. Sie verzichten auf Live-Publikum und laugh track sowie die typische Filmtechnik mit drei Kameras und dem charakteristischen ‚komischen Rhythmus‘ von Halbtotale, Close-Up und Countershot (vgl. Mills 2010: 136). Dazu gehören wie u.a. in The Office, The Thick of It oder Twenty-Twelve (2011–2012) ein bewusst televisionärer Stil und/oder Variationen der Mockumentary-Ästhetik (vgl. Butler; Hight), serielles Erzählen und hybride Formen. Die beiden preisgekrönten und auch beim Publikum erfolgreichen Serien Extras (2005–2007) und Episodes (seit 2011) arbeiten zusätzlich noch mit Sitcoms-in-der-Sitcom, um sich von konventionellen Shows abzuheben und gleichzeitig den eigenen Produktionsprozess ironisch zu reflektieren. In Extras steigt Protagonist Andy Millman (Ricky Gervais) vom Komparsen1 zum Star seiner selbstgeschriebenen Sitcom auf. In der ersten Staffel quält er sich noch durch den Alltag als Kleindarsteller; in der zweiten hat er sein Ziel erreicht, die BBC produziert When the Whistle Blows. Doch was Millman als realistische, satirische Auseinandersetzung mit dem Arbeitsalltag geplant hatte, verwandeln die Programmverantwortlichen in eine „shitcom“ (Extras S2.02: 0:02 min.), ein Feuerwerk des traditionellen Humors mit lustigen Perücken, lustigen Brillen, lustigen catchphrases, lustig-überkandidelten Figuren und einem lachenden Live-Publikum. Während die Serie zum Publikumsrenner wird, und Fans anfangen, sich die besten Sprüche der Serie auf T-shirts zu drucken, rümpfen intellektuelle Kritiker die Nase über den „sexist, misogynistic, Neanderthal garbage. It was nothing but really nasty sub Carry On innuendo“ (Extras S2.05: 0:01 min.), so die von Germaine Greer gespielte Germaine Greer. David Bowie improvisiert in einer exklusiven Prominentenbar spontan

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Auf Englisch sind Komparsen die titelgebenden Extras.

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ein Spottlied auf den „chubby little loser“, der seine Seele dem Publikumserfolg geopfert hat (vgl. S2.02: 0:25 min.). Und Stephen Fry erklärt am Abend der BAFTA-Verleihung, dass Millman sich von altmodischen Formen trennen solle, falls er mal einen der begehrten Fernsehpreise gewinnen möchte (vgl. S2.04: 0:21 min.). When the Whistle Blows hat noch eine weitere, extra- bzw. intertextuelle Dimension. Andy Millman plant ursprünglich eine Sitcom über seine Erfahrungen im Arbeitsalltag und er möchte, so erklärt er den BBC-Programmverantwortlichen beim ersten Treffen, Genrekonventionen überschreiten: I don’t want a laughter track […]. I don’t want it to be a comedy aimed at people without a sense of humour […]. I don’t want it filmed in front of a live studio audience. […] I’d like to write it myself just because it’s based on my own experiences, really. The character is based on a boss I used to work for and I just generally think the best things are auteured. (Extras S1.06: 0:10 min.)

Millmans Konzept beschreibt ziemlich exakt das von The Office (vgl. Walters: 18f.),2 einer Serie, die wie Extras vom Autoren-, Regie- und Darstellerteam Ricky Gervais und Stephen Merchant stammt. Die beiden platzieren hier einen doppelbödigen In-Joke: Wenn man The Office gesehen hat, erkennt man, dass das bei When the Whistle Blows von oben gesteuerte dumbing down bei der BBC wohl nicht zwingend so stattfinden muss. In Wirklichkeit konnten Merchant und Gervais ihr Konzept einer Anti-Comedy erfolgreich umsetzen.3 Merchant und vor allem Gervais als Hauptdarsteller und Autor spielen mithilfe von When the Whistle Blows als Kontrastfolie mit ihrem Renommee als Schöpfer von experimentellen Erfolgsserien und verweisen indirekt darauf, dass man auch durch Innovation Erfolg haben kann und nicht wie die von ihnen verkörperten Figuren Millman (Gervais) und dessen Agent Darren Lamb (Merchant) verzweifelte und unbeholfene Kompromisse eingehen muss. Auch die Tatsache, dass zahlreiche Figuren des öffentlichen Lebens bereit waren, bei Extras aufzutreten, spricht für ihr hohes Ansehen. Germaine Greer als Figur kritisiert

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„Let’s not have any real jokes, let’s not have any catchphrases, let’s have no one dressing up in wigs and acting funnily, let’s not have a laughter track, let’s have nothing happen, let’s make everyone a little bored, let’s make no one actually funny. It was like it was the antichrist of comedy.“ (Gervais zitiert in: Walters: 14) Vor The Office gab es im britischen Fernsehen allerdings bereits einige andere Mockumentaries wie People Like Us (1999–2001), die ein ähnliches Konzept verfolgten. Hier spielt auch die Programmpolitik eine Rolle. The Office wurde zunächst auf BBC2 ausgestrahlt, dem Platz für Experimente, während When the Whistle Blows für BBC1 produziert wird, dem familienkompatiblen Flagschiff des Senders (vgl. Blake: 236; Mills 2009: 143f.).

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When the Whistle Blows in Grund und Boden; Germaine Greers Auftritt in Extras — wie die der anderen hochkarätigen Gäste — demonstriert und zementiert die Position von Gervais und Merchant als Macher von Qualitätsfernsehen. Extras spielt noch mit einer weiteren Distinktion: Der zwischen massenmedialer Popkultur auf der einen und genuiner Hochkultur, repräsentiert durch das Theater, auf der anderen Seite. Vor allem in der ersten Staffel erscheint das Filmgeschäft als kommerzialisierter Markt der Eitelkeiten, der wenig mit Kunst und viel mit Egoismus sowie einem großen Produktionsapparat zu tun hat. Wahre Künstler und wahre Kunst, so behauptet Millmans unsympathischer Kollege Greg (Shaun Pye) regelmäßig („doing Chekhov at the Wyndham“; S2.02: 0:18 min.), finde man nur auf der Bühne. In der zweiten Staffel versucht Millman konsequenterweise, seine künstlerische Reputation durch das Engagement in einer Inszenierung von Ian McKellen zu erhöhen. Beim ersten Treffen weiht ihn McKellen mit Shakespeare’schem Gestus in das Geheimnis der Schauspielkunst ein: How do I act so well? What I do is I pretend to be the person I’m portraying in the film or play. […] You’re confused. Very simple. Case in point, Lord of the Rings. Peter Jackson comes from New Zealand, says to me ‚Sir Ian, I want you to be Gandalf the wizard.‘ And I say to him, ‚You are aware that I am not really a wizard.‘ And he said, ‚Yes, I am aware of that. What I want you to do is to use your acting skills to portray the wizard for the duration of the film.‘ So I said, ‚Okay.‘ And then I said to myself, ‚Hmm, how would I do that?‘ And this is what I did. I imagined what it would be like to be a wizard and then I pretended and acted in that way on the day. […] And how did I know what to say? The words were written down for me in a script. How did I know where to stand? People told me. If we were to draw a graph of my process, of my method, it would be something like this [beschreibt mit Zeige- und Mittelfinger eine Wellenlinie in Brusthöhe]: Sir Ian, Sir Ian, Sir Ian. Action! [Finger in Kopfhöhe. Dramatische Stimme] Wizard, you shall not pass! Cut. [Finger wieder in Brusthöhe] Sir Ian, Sir Ian, Sir Ian. (Extras S1.05: 0:13 min.)

Im Theater macht man dasselbe wie im Fernsehen, man gibt sich nur prätentiöser. Extras hält trotz „Sir Ians“ Karikierung von Großschauspielern die Darstellung ambivalent. Probenprozess und Aufführung verlaufen professionell; die Darstellung des Premierenabends verzichtet auf satirische Übertreibungen. Dennoch verströmen das karge Bühnenbild und die Inszenierung des fiktiven Stücks A Month of Summers den drögen Charme des theatralischen Realismus: Die Figuren geben vor, real zu sein, gehen aber eine Spur zu emphatisch und sprechen eine Nuance zu laut und ans Publikum gerichtet, um Wirklichkeit exakt wiederzugeben. Das Theater-in-der-Serie relativiert den hochkulturellen Anspruch der traditionellen Form und betont — wie When the Whistle Blows am anderen Ende der Skala — die Realitätshaltigkeit und darstellerische Qualität von Extras.

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Eine vergleichbare komplexe Verschachtelung von Verweisen und Distinktionen findet sich in Episodes. Zwei britische Autoren, Sean und Beverly Lincoln (Stephen Mangan, Tamsin Greig), adaptieren ihre preisgekrönte Sitcom Lyman’s Boys für das amerikanische Fernsehen. Wie Andy Millman müssen auch sie Konzessionen an den vermeintlichen Publikumsgeschmack machen, und so mutiert ihre Hauptfigur, der weise alte Lehrer Lyman, zu einem Hockeycoach, gespielt von Matt LeBlanc. Lyman’s Boys wird zu Pucks! Die Serie operiert also mit zwei Sitcoms-in-der-Sitcom — einer britischen und einer amerikanischen. Lyman’s Boys wird zwar nie in der Sendung gezeigt, aber die Zuschauer erhalten indirekte Informationen über Stil und Qualität. Zu Anfang von Episodes gewinnt das Autorenduo Sean und Beverly einen BAFTA; der aus History Boys (2006) bekannte Schauspieler Richard Griffiths spielt die Titelfigur, und beim ersten Treffen mit den Autoren fasst Matt LeBlanc die Idee der Serie zusammen mit: „So, it’s History Boys.“ (Episodes S1.02: 0:04 min.) Bereits die Titelsequenz von Episodes spielt mit dem hier aufgerufenen Diskurs von Nostalgie und britischer heritage: Ein Manuskript fliegt von Großbritannien in die USA. Stereotype Bilder von London sind unterlegt mit Schreibmaschinengeklapper und einer fröhlichen Posaunenmelodie. Der Flug endet abrupt mit einem Gewehrschuss und einer Bruchlandung über einem kalifornischen Swimming Pool nahe dem ikonischen Hollywood-Schriftzug. Hier ist offenkundig Schluss mit Lustig auf hohem Niveau. Die eigentliche Sitcom-in-der-Sitcom, Pucks!, ist zwar nicht ostentativ veraltet wie When the Whistle Blows, durch die Verpflichtung von LeBlanc als Hauptdarsteller und die Anpassung an den vermeintlichen Zuschauergeschmack erfolgt aber eine deutliche Hinwendung zu populären amerikanischen Serienmustern. So wird die unerfüllte Liebe des gebildeten Lehrers zur lesbischen Bibliothekarin für die amerikanische Fassung umgeschrieben, und der rustikale Coach flirtet mit einer jungen, attraktiven und natürlich heterosexuellen Blondine. LeBlanc erklärt dies mit den Gesetzen des amerikanischen Fernsehmarktes: Friends did 236 episodes. You gotta give yourself spaces for stories to go. How long do you think Ross and Rachel would have lasted if Rachel had been a lesbian? […] Audiences need something to root for. And when we’re in season three and you are up at midnight looking for stories, you’re gonna be banging your head against the wall, saying: How many times can this guy hit on a dyke? (Episodes S1.03: 0:18 min.)

Kritiker der Serie finden allerdings: „Pucks! sucks“ (Episodes S2.01: 0:08 min.), oder, etwas länger ausgeführt, „an exhausting rehash of 90s sitcom clichés with Matt LeBlanc digging into his old bag of tricks and coming up short“ (Episodes S2.01: 0:09 min.). Anders als bei When the Whistle Blows erfüllen die Quoten nicht die Erwartungen und sinken mit jeder Episode tiefer in den Keller.

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Dies liegt allerdings auch an der Programmpolitik des Networks. Pucks! läuft zur selben Zeit wie die „talking dog show“, die zum Publikumsrenner der Season wird. Die „talking dog show“ fungiert als subtiler Verweis auf eine tatsächlich existierende populäre Konkurrenzserie, die US-Sitcom Wilfred (2011–2014), die im selben Jahr wie Episodes anlief. Als zentrale Sitcom-außerhalb-der-Sitcom fungiert jedoch Friends (1994–2004) (und deren Spin-off Joey, 2004–2006). Matt LeBlanc spielt Matt LeBlanc alias „Joey from Friends“. Episodes präsentiert den Schauspieler auf der Suche nach einem Comeback und die Vertreter des Fernsehsenders in der Hoffnung auf Quotenerfolge. Pucks! ist zwar nicht Friends (die komische Ausgangssituation ähnelt eher der von The Bad News Bears (1979– 1980), einer Sitcom über eine Kinderbaseballmannschaft), die Besetzung sowie die Kombination von Liebesplot, Feelgood-Faktor und freundlichem Humor verweisen allerdings durchaus auf die beliebte Serie. Auf der Meta-Ebene kommt noch hinzu, dass einer der Autoren von Episodes, David Crane, auch bei Friends und Joey mitgeschrieben hat (vgl. Weissmann: 159). Episodes rahmt den Unterschied zwischen Qualität und Nicht-Qualität als Unterschied zwischen Großbritannien und den USA, zwischen öffentlichrechtlicher Sorgfalt und Kommerz (vgl. ebd.: 2). In Hollywood ist alles falsch. Die Darsteller der Freunde in Friends sind sich in der Wirklichkeit von Episodes spinnefeind (vgl. S2.06). Schauspielerin Morning Randolph (Mircea Monroe) sieht zwar aus wie Ende 20, ist aber mehrfach geliftet, operiert, implantiert und hat eine erwachsene Tochter. Das Personal des Senders verkörpert alle Klischees, die man mit den USA allgemein und deren Medienindustrie im Besonderen verbindet. Alle Fernsehredakteure versichern Sean und Beverly gebetsmühlenhaft, „we love your show“, doch niemand — außer Matt LeBlanc — hat Lyman’s Boys je gesehen, was es einfacher macht, Konzept und Besetzung radikal und über die Köpfe der Autoren hinweg zu ändern. Die Diskrepanz zwischen freundlicher Fassade und knallhartem Business kulminiert am Ende der zweiten Staffel: Der Produzent Merc Lapidus (John Pankow) wird als Man of the Year geehrt. In seiner Dankesrede beteuert er, dass Fernsehen für ihn eine Frage von Engagement und Herzblut sei: „All the trappings of success mean nothing. […] I love what I do. […] We’re more than an industry. We’re family.“ (Episodes S2.09: 0:17 min.) Das klingt etwas zu pathetisch aus dem Mund eines Mannes, der während der Beerdigung des eigenen Vaters ein geschäftliches Telefongespräch führt („Sorry, this is important“; S2.03: 0:26 min.). Die Mär von der großen Fernsehfamilie wird vor allem dadurch unterminiert, dass er von seinen Vorgesetzten wegen Erfolglosigkeit entlassen wurde, es aber erst nach der Feier erfahren soll. In Parallelschnitten sieht man überdies, wie sein Büro

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gerade ausgeräumt wird. Lapidus endet mit der Friends-Paraphrase: „You have been there for me“, und dankt damit unwissentlich den Leuten, die ihn auf die Straße setzen. Das Autorenpaar Lincoln steht dagegen für britische (oder alteuropäische) Qualität und (naive) Ehrlichkeit, für Witz, der über der Gürtellinie bleibt und für ein informiertes Publikum geschrieben wurde. Der Wunsch nach kommerziell verwertbarer Popularität wird der US-amerikanischen Kulturindustrie zugeschrieben. Durch die metareferentiellen Anspielungen und die durch Figuren, Besetzung, Themen und Stil angedeutete „Britishification“ (Stanley zitiert in Weissmann: 161) inszeniert sich Episodes selbst damit als anders und besser als andere US-Serien. *** Die zentrale Funktion der beiden Sitcoms-in-der-Sitcom ist zunächst die Abgrenzung von der eigentlichen Sitcom. Sowohl Pucks! als auch When the Whistle Blows sind offenkundig nach traditionellen Genrenormen konstruiert und werden zumindest von den Kritikern als nicht besonders gut empfunden. Im Gegensatz dazu erscheint die Sitcom realitätshaltig, authentisch und subtil komisch. Die dadurch ebenfalls behauptete hohe Qualität wird durch die komplexen Verschachtelungen, Anspielungen und Kontrastierungen belegt. Neben der Komplexitätssteigerung fungieren die Sitcoms-in-der-Sitcom zudem als Grundlage für die serielle Narration. Erfolg oder Misserfolg, Quoten, Kritiken und die dadurch ausgelösten Reaktionen der Sitcom-Macher schaffen einen Spannungsbogen, der über die einzelnen Episoden hinausgeht und gleichzeitig die Mikrostruktur der Episoden prägt. In Extras hadert Andy Millman mit seiner steigenden Popularität beim Publikum und den vernichtenden Kritiken. Die erste Staffel von Episodes dreht sich unter anderem um die Frage, ob Pucks! für den Sender produziert wird; in der zweiten Staffel sorgen sich die Akteure darum, ob eine weitere Staffel in Auftrag gegeben wird; in der dritten Staffel beschließt der neue Senderchef, die Serie einzustellen, die wenigsten geraten darüber in Panik, die meisten schmieden Kontingenzpläne. In diesem Zusammenhang bahnt sich eine weitere Meta-Sitcom an, da der junge, aufstrebende Brite Andrew Lesley (Oliver Kieran-Jones) die Geschichte von Sean und Beverly in eine Fernsehserie umschreibt.

Das Populäre und das Provokante

Beide Sitcoms-in-der-Sitcom akzentuieren also die Qualität und Innovationskraft der eigentlichen Sitcoms. Das heißt allerdings nicht, dass sich dort weniger

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Elemente von populärem Humor finden. Im Gegenteil: Je mehr Quality behauptet wird, desto mehr Elemente der populären Komik lassen sich integrieren (vgl. McCabe/Akass 2007b: 70). Die Serien spielen mit einer Mischung aus „Kolonisierungsangst und Appropriationslust“ (Huck/Zorn: 16). Es finden sich klassischer Slapstick, Witze über Ausscheidungen aller Art, Masturbation, dicke Männerbäuche, fliegende Kondome und sprechende Vaginas. In Extras kämpft beispielsweise Darren Lamb bei einem Rendezvous bei sich zuhause mit einem hartnäckigen Exkrementrest in seiner Toilette und muss letztlich dafür einen Schneebesen zu Hilfe nehmen (vgl. Extras S2.05: 0:24 min.), eine Aktion, die seine Romanze im zarten Keim erstickt (und die natürlich mit Spritzern in Gesicht und Augen endet). Episodes zeigt Merc Lapidus mit heruntergelassenen Hosen auf dem Klo, wie er über die sinkenden Einschaltquoten jammert und sich erst erleichtern kann, als seine Geliebte ihn in den Arm nimmt und ihm versichert, dass alles gut wird (vgl. Episodes S2.04: 0:02 min.). Das Populäre hat hier eine wiederum ironisch reflektierte Doppelfunktion. Die Serien sichern dadurch zunächst den eigenen Erfolg als Teil des Massenmediums Fernsehen: The appeal […] must be double-edged. It must appeal to the ‚quality‘ audience, a liberal, sophisticated group of upwardly mobile professionals; and it must capture a large segment of the mass audience as well. (Feuer zitiert in: Weissmann: 174; vgl. McCabe/ Akass 2007b: 67)

Eine „laugh-out-loud comedy“ (so einer der Werbesprüche auf der DVD der dritten Staffel von Episodes) verkauft sich eben besser. Durch die alternative stilistisch-ästhetische Rahmung erscheinen die Elemente populärer Komik als Teil des Lebensalltags und nicht als augenzwinkernde Konzession an den Publikumsgeschmack; verbunden mit kontroversen Themen erhöhen die Serien damit gleichzeitig wiederum die eigene Qualitätsbehauptung (vgl. McCabe/Akass 2007b: 69). Ein gutes Beispiel für diese Doppelstrategie ist die Rede Andy Millmans kurz vor der Aufzeichnung der ersten Folge von When the Whistle Blows. Frustriert von den Eingriffen der beiden Produzenten und angespornt von Shaun Williamson, alias „Barry from EastEnders“, der in der fiktiven Welt von Extras ebenfalls von Darren Lamb vertreten wird, verbalisiert er seine Wut vor versammelter Crew: I want to do something that I’m proud of. And I won’t be proud of shouting out catchphrases in a stupid wig and funny glasses. I wanna do what I wanna do, otherwise I’ll hate myself for the rest of my life. And I tell you what, a case in point. Shaun, on East Enders, they started to turn his character into a joke and he walked away at the top of his game. That’s called integrity. Okay, it doesn’t matter what happens to him now, ’cause he’s got his dignity. (Extras S2.01: 0:21 min.)

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Dies ist der Moment, an dem aus Williamsons Jacke Lebensmittel fallen und rieseln, die er zuvor heimlich beim Gratiscatering gehortet hat. Nach 17 langen Sekunden liegt ein Berg Süßigkeiten, Schokoriegeln und Sandwiches vor ihm. Unter den stummen Blicken aller Beteiligten fällt zuletzt mit einem „Plop“ noch ein letztes Sandwich auf den Haufen. In der Aktion des ehemaligen Soap Opera-Stars verflüchtigen sich Würde, Integrität und Respekt. Und letztlich gibt Williamsons Karriereknick auch den Ausschlag für Millmans Entscheidung, When the Whistle Blows trotz aller Bedenken zu drehen, und dies zu entschuldigen mit: „It’s a good comedy if it pleases people.“ (Extras S2.01: 0:24 min.) Zuvor setzen Millman und sein Agent die Serie der Peinlichkeiten allerdings noch fort. MILLMAN I’m just sick of people coming along, telling me how they think it should be done and me just having to bend over and take it up the arse. LAMB Aaah! Oh, sorry, can we just say no disrespect to either of you as gays? You know, we don’t know whether you’re givers or receivers, very difficult to tell from just looking at you. Although if I was putting money on it, I’d probably go… MILLMAN (unterbricht schnell) No need to put money on it. (Extras S2.01: 0:22 min.)

Millman und Lamb verheddern sich in den Feinheiten einer offenen, aber komplizierten Gesellschaft. Gleichzeitig spielt Extras mit Stereotypen, da BBCRedakteur Damon Beesley (Martin Savage) alle gängigen Klischees über effeminierte Homosexuelle verkörpert, von den dramatischen Gesten, über den näselnden Tonfall und das outrierte Lachen bis zum Bleistift mit pinken Puschelverzierungen. Mit gut getimtem Slapstick und Stereotypen positioniert sich Extras konsequent „on the far side of quality“. Damit thematisiert die Serie gleichzeitig die ständig drohende Verletzung kultureller Normgrenzen. Millman beleidigt unter anderem Schwule, Behinderte, Schwarze, gläubige Christen und Obdachlose. Teilweise erzeugt dies Situationskomik, etwa wenn er aus Versehen bei einem Handgemenge einen kleinwüchsigen Darsteller k.o. schlägt (vgl. S2.03), meistens entsteht ein Moment der Verunsicherung. Wenn Millman sich über den Lärm eines spielenden Kindes in einem Restaurant beschwert und das Kind behindert ist, weiß man nicht, ob man über Millmans Unwissenheit lachen soll,

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oder über die später von den Medien aufgebauschte Empörung über den Vorfall, oder besser überhaupt nicht (vgl. S2.03). Die Serie repliziert traditionelle Klischees, testet gleichzeitig deren Grenzen und macht so deutlich, dass Lachen über einfache Stereotypen nicht mehr so einfach möglich ist. Episodes lotet ebenfalls die Grenzen des Schicklichen aus und verbindet dies mit einer Satire auf Hollywood und die Medienwelt. Einer der running gags ist die enorme Größe von Matt LeBlancs Geschlechtsteil, sein ebenso großer Geschlechtstrieb und die damit verbundenen Skandale. Dies spielt mit dem Image des realen Matt LeBlanc und macht sich über die Selbstverliebtheit von Stars lustig. Etwa wenn er von der blinden Frau des Network-Managers unsittlich berührt wird, während Crew und Cast von Pucks! sich die Fernsehpremiere ihrer Sendung ansehen: „Jamie Lapidus gave me a hand-job during the show last night. […] Getting jerked off while you’re watching yourself on TV? Actors work their whole lives for that.“ (Episodes S2.01: 0:18 min.) In der zweiten und dritten Staffel kämpft LeBlanc zusätzlich noch mit dem Altern, seinem Gewicht und der zunehmenden Erfolglosigkeit. Was bei der Kameraprobe als Schatten seines Riesenpenis scheint, erweist sich bei näherem Hinsehen als in die Hose gestopfte Süßigkeiten (inklusive einer Rolle Smarties). Die Zuschauer sehen „MattLeBlob“ (Episodes S2.07: 0:19 min.), wie er frustriert eine ganze Torte isst, sich betrinkt und dann seine Stalkerin Labia zu sich einlädt. Im Gegensatz zu Extras spielt Episodes dadurch nicht so sehr mit den Grenzen und Normen moderner Gesellschaften, sondern verquickt das Populäre mit (Soap) Opera-haften Liebeswirrungen, die die Auflösung traditioneller Familienstrukturen thematisieren. Eine der Haupthandlungen von Episodes dreht sich um die Ehekrise der Lincolns, ausgelöst durch Beverlys One-Night-Stand mit LeBlanc. Der Rest der Hauptfiguren steht in Drei- und Mehrecksverhältnissen, die sich, wie bei LeBlancs Affäre mit Jamie Lapidus, wiederum auf den Arbeitsprozess auswirken. Die formalen Unterschiede zwischen Sitcom und Sitcom-in-der-Sitcom verdecken die großen inhaltlichen und ideologischen Überschneidungen. Sowohl Extras als auch When the Whistle Blows, Pucks! und Episodes verhandeln das Spannungsfeld zwischen traditionellen Normen und den Vorstellungen einer weltoffenen, liberalen Medien- und Konsumgesellschaft. In Episodes existieren heterosexuelle Beziehungen gleichberechtigt neben homosexuellen und dies gilt grosso modo ebenso für Pucks! Auch wenn die Rolle der Bibliothekarin aus dramaturgischen Gründen heterosexualisiert wird, in den Gesprächen der Jungen erscheinen schwule Väterpaare und lesbische Mütter als normal. Extras neigt zur indirekten Evozierung der Norm durch Normverletzung. Ob nun Andy Millman in Extras eine Frau gegen sich aufbringt, indem er sie als „yellow“ klassifiziert (Extras S1.02: 0:23 min.), oder ob in When the Whistle Blows die Beleg-

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schaft den japanischen Investor Mr Yamaguchi durch die Aufführung des Liedes vom „Ching Chang Chinaman“ (Extras S2.02: 0:01 min.) beleidigt, beide Sitcoms spielen mit veralteten Diskursen, Handlungen und Mentalitäten, testen die Grenzen des Sagbaren und Zeigbaren (vgl. Reeves/Rogers/Epstein: 91). Durch die Integration populärer Elemente fungieren sie so als „Kurzzeitgedächtnis der modernen Gesellschaft […], das aktuelle Entwicklungen zu ebenso rasch wie allgemein registrierbaren, verständlichen, anschlussfähigen und einflussreichen Beschreibungen verdichtet“ (Huck/Zorn: 29).

Quality als Mode

Das Spiel mit Anspielungen relativiert auch den eigenen Qualitätsanspruch. Der Kontrast zwischen Extras und When the Whistle Blows ist geringer als die Kritiker in der Sitcom und deren fiktive Macher behaupten.4 Die Gleichsetzung von Beliebtheit beim Publikum und hohen Einschaltquoten mit schlechtem Geschmack lässt sich durch die vorgeführten Sequenzen von When the Whistle Blows nicht belegen. Die Show ist altbacken, aber nicht vulgär. Die Fans der Serie sind teilweise aufdringlich und merkwürdig, aber nicht dumm oder primitiv bzw. nicht dümmer als die von den Film- und Fernsehstars vorgeführten Parodien ihrer selbst. Germaine Greer, Stephen Fry und David Bowie spielen durch ihre Herablassung gegenüber When the Whistle Blows mit ihrer Reputation als akademisch gebildete Snobs, die populäre Sitcoms automatisch verdammen müssen, um nicht ihren Ruf als medienkompatible Intellektuelle zu verlieren. Extras macht sich deren Position allerdings nicht zu eigen. Im Bonus-Interview betonen Merchant und Gervais, dass die Ausschnitte aus When the Whistle Blow so gut wie möglich als Sitcom funktionieren sollten und nicht als Parodie oder Karikatur des Genres geplant waren. Die Serie erweist darüber hinaus auch den Stars der populären Fernsehunterhaltung ihre Reverenz u.a. durch Gastauftritte von Ronnie Corbett vom Komikerduo The Two Ronnies und Robert Lindsay, dem Protagonisten der in Großbritannien sehr beliebten Familiensitcom My Family (2000–2011). Auch Episodes unterminiert den Kontrast zwischen britischer Qualität und amerikanischem Kommerz. Die britisch-amerikanische Co-Produktion (vgl. Weissmann: 158) zeigt auch und vor allem, wie sich die britischen und amerikanischen Medien gegenseitig beobachten und beeinflussen (vgl. ebd.: 2). Zu4

Auch Mills sieht When the Whistle Blows als „outdated, embarrassing and low quality“ (Mills 2009: 136). Die „low quality“ konstatieren in Extras aber nur die Fernsehkritiker und Darren Lamb.

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dem respektiert die Serie indirekt die Entscheidungen des Publikums. Popularität und Massenerfolg müssen nicht automatisch schlechte Qualität bedeuten. Merc Lapidus‘ pseudo-kulturkritisches Lamento, „People will watch anything“, kontert seine Assistentin und Geliebte Carol trocken mit: „Obviously not.“ (Episodes S2.04. 0:01 min.) Die mit Pucks! konkurrierende „talking dog show“ gefällt dem Publikum gerade wegen ihrer Innovativität. Die Gegenüberstellung von Sitcom und Sitcom-in-der-Sitcom wie auch die metatextuellen Reflexionen über die Schreib- und Produktionsprozesse dekuvrieren Quality TV als hauptsächlich durch den Stil produzierten Modeeffekt (vgl. Thompson 2007: xix–xx). Friends galt in den Neunzigern als Kultserie der „Gen X“ (Kutulas: 58; vgl. Wells: 199) und wird in medienwissenschaftlichen Untersuchungen, die vor dem Siegeszug von HBO entstanden, als Beispiel von Quality TV oder Must See TV gezählt (vgl. San Martin). In Episodes mokieren sich indes die Kritiker über „90s sitcom clichés“ (Episodes S2.01. 0:09 min.). Auch Sean und Beverly achten auf die zeitgemäße Form der Serie und verzichten auf catchphrases: SEAN They’re awfully cheesy. LE BLANC Yeah? Tell that to my house in Malibu. (Episodes S1.04: 0:04 min.)

When the Whistle Blows imitiert den Stil von britischen Sitcoms aus den 1970er Jahren wie Are You Being Served? (1972–1985) oder Fawlty Towers (1975; 1979). Deren Machart wirkt zwar auf heutige Zuschauer rückständig, doch Fawlty Towers war zur Zeit der Erstausstrahlung keineswegs ein publikumswirksamer Straßenfeger. Was populär oder populistisch anmutet, kann man überdies als subversive Form des Karnevalesken interpretieren (vgl. Viol; Healy). Qualität, so implizieren die Serien, ist keine feststehende Kategorie, sondern muss ständig neu ausgehandelt werden. Quality TV als „super-genre, a formula unto itself“ (Thompson 2007: xvii) folgt den Regeln der Mode und der Werbung. Die rasche Abfolge von verschiedenen Versionen von Qualitätsfernsehen, die sich signifikant durch ihre Ästhetik unterscheiden, kreiert einen lukrativen „buzz“ (Weissmann: 179). Sitcoms garantieren Einnahmen; Quality Sitcoms sichern den Wert des Senders als Marke (vgl. BBC: 10). Die Zuschauer erfahren einen Distinktionsgewinn, indem sie als quality demographic interpelliert werden und sich durch ihren Geschmack von anderen abgrenzen können (vgl. Weissmann: 177; Friedman).

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Quality TV wird für gewöhnlich gleichgesetzt mit Innovation. Doch so wie die Sitcoms das Populäre als Teil der Qualitätsbehauptung einsetzen, so spielen sie auch mit dieser Dynamik von Alt und Neu. In der dritten Staffel von Episodes entwickelt der Network-Manager Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) eine Vision, die zunächst wie eine Hommage an Sender wie HBO oder Internetportale wie Netflix klingt: We need to be unexptected, startling, dangerous. […] We’re living in a world where your TV is becoming your computer is becoming your iPad is becoming your phone. When the show’s on is irrelevant. […] Forget ‚nights‘ and ‚time slots‘ and ‚lead-ins‘. (Episodes S3.09: 0:06 min.)

Wie erfahren die Zuschauer, was gerade im Fernsehen läuft? Sie tun es nicht. Sotto hat seine Psychopharmaka abgesetzt und entfaltet einen Plan voll revolutionärer Strahlkraft und manischem Innovationswillen: „From now on, we programme anything at any time. Comedy, drama, reality. Mix it the fuck up.“ Er verwischt nicht nur Genre-, sondern auch Programmgrenzen und entwickelt die Idee zu einem hybriden Fernsehabend: Say you’re in the middle of some cooking show […] and all of a sudden the bad guy from one of our dramas runs in with a fucking gun and holds her fucking hostage. […] Then, one of the cops from the drama runs in and shoots him. I mean, actually shoots him. […] And the police run in, the real police, and it’s news. […] It’s TV for a new century. And that’s why they’re gonna watch us and not the other guys. [Springt aus dem Stand auf den Konferenztisch] How about that, my zombies? (Episodes S3.09: 0:08 min.)

In der nächsten Szene räumen Umzugsleute sein Büro aus. Sottos Konzept führt den „buzz“ der Innovationen ad absurdum und verdeutlicht, dass Qualität als synchroner und diachroner Bewertungshorizont fungiert, der sich permanent ändert, aber auf gleich bleibenden medialen Parametern beruht. Vormalige Qualität wie Friends wird in der „Neomanie“ (Barthes: 76) der Massenmedien abgewertet. In einer Gegenbewegung wird jedoch auch alter trash in nostalgischen oder kultisch-campen Aneignungen aufgewertet (vgl. Luhmann: 46). Nachdem die televisionäre oder Mockumentary-Ästhetik mittlerweile zum Mainstream gehört, kehren traditionelle Formen als Innovationen auf den Bildschirm zurück. Zur Zeit finden sich im britischen Fernsehen erfolgreiche Serien wie Count Arthur Strong (seit 2013), die einen wehmütigen Blick zurück auf die 1960er und 1970er Jahre werfen. Da die Hauptfigur Count Arthur Strong als Variety-Star arbeitete, reflektiert und repräsentiert die Sendung damit wiederum vermeintlich obsolete Formen populärer Unterhaltung. Miranda (2009–2013) oder Mrs Brown’s Boys (seit 2011) setzen die traditionelle Sitcom mit LivePublikum, Gelächter und viel Augenzwinkern in Richtung Kamera fort und erhalten dafür sowohl Auszeichnungen als auch hohe Einschaltquoten.

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Die Qualität der Sendungen wird in Interaktionsprozessen zwischen professioneller Kritik, Zuschauern und den Sendern ausgehandelt. Die Grenzen zwischen U und E, Hoch- und Massenkultur sind längst aufgeweicht (vgl. Huyssen: 216; Huck/Zorn: 11). Unterhaltungs- und Populärkultur wird mit ähnlichen Wertungen und Kategorisierungen belegt wie hochkulturelle Genres (vgl. Horak: 97f.). „Feine Unterschiede“ (im Sinne Bourdieus) werden nicht mehr zwischen Hoch- und Populärkultur gezogen, sondern zwischen Qualität und Nicht-Qualität (vgl. Friedman: 348; Knop: 315), die allerdings je nach Publikum und Kontext ausdifferenziert wird. Was Jane Feuer „on the far side of quality“ situiert, sehen Fans, Kritiker oder Sitcom-ExpertInnen teilweise als zentralen Teil von Qualitätsfernsehen. Die ernsthafte Beschäftigung der Wissenschaft mit Sitcoms steht nicht außerhalb dieser Bewertungsprozesse, sondern fungiert als wichtiges Element in den Verhandlungen über Wert und Unwert, die nicht auf essentialisierten objektiven Kriterien beruht, sondern ebenfalls Moden folgt (vgl. Lindner: 108ff.; Hüser). Diese Season mögen Sitcoms oder das Label Quality TV in sein, doch die Jagd nach der nächsten drittmittelgeförderten, prestigeträchtigen und medienkompatiblen „dickste[n] Kartoffel“ (Hüser: 243) geht weiter.

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Bibliographie Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Frankfurt 1964. BBC: BBC Annual Report and Accounts 2012/13. London 2013. (abgerufen am 31.08.2015). Blake, Marc: How Not to Write a Sitcom. London 2011. Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt 1999. Butler, Jeremy G.: Television Style. London 2010. Episodes. David Crane, Jeffrey Klarik (Crs.). BBC/Showtime, 2011–2014. Extras. Ricky Gervais, Stephen Merchant (Crs.). BBC, 2005–2007. Fischer, Kai: „Von ‚Seinfeld‘ zu ‚Louie‘. Sitcoms und Quality-TV.“ In: Jonas Nesselhauf und Markus Schleich (Hgg.): Quality-TV. Die narrative Spielwiese des 21. Jahrhunderts?! Münster 2014, S. 121–132. Friedman, Sam: „The Cultural Currency of a ‚Good‘ Sense of Humour. British Comedy and New Forms of Distinction.“ In: The British Journal of Sociology 62.2 (2011), S. 347–370. Healy, Murray: „Were We Being Served? Homosexual Representation in Popular British Comedy.“ In: Screen 36.3 (1995), S. 243–256. Hight, Craig: Television Mockumentary. Reflexivity, Satire and a Call to Play. Manchester 2010. Horak, Roman: „All this Useless Beauty. Die Intellektuellen und die niederen Künste.“ In: Ders. (Hg.): Die Praxis der Cultural Studies. Wien 2002, S. 89–98. Huck, Christian und Carsten Zorn: „Das Populäre der Gesellschaft. Zur Einleitung.“ In: Dies. (Hgg.): Das Populäre der Gesellschaft. Systemtheorie und Populärkultur. Wiesbaden 2007, S. 7–41. Hüser, Rembert: „Etiketten aufkleben.“ In: Christian Huck und Carsten Zorn (Hgg.): Das Populäre der Gesellschaft. Systemtheorie und Populärkultur. Wiesbaden 2007, S. 239–260. Huyssen, Andreas: After the Great Divide. Modernism, Mass Culture, Postmodernism. Bloomington, IN 1986. Knop, Karin: Comedy in Serie. Medienwissenschaftliche Perspektiven auf ein TV-Format. Bielefeld 2007. Kutulas, Judy: „Who Rules the Roost? Sitcom Family Dynamics from the ‚Cleavers‘ to the ‚Osbornes‘.“ In: Mary M. Dalton und Laura R. Linder (Hgg.): The Sitcom Reader. America Viewed and Skewed. Albany, NY 2005, S. 49– 59. Lindner, Rolf: Die Stunde der Cultural Studies. Wien 2000. Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien. Wiesbaden 2004.

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The One Where Everyone Is Waiting Latenz in Friends Daniel Kazmaier

Die NBC-Sitcom Friends (1994–2004) erzählt das Leben von sechs New Yorker twentysomethings zwischen Job, Familie und Liebe, in 236 Episoden verteilt auf zehn Staffeln. Die Serie war überaus erfolgreich, zeitweise galt sie sogar als das must have seen in der US-amerikanischen Fernsehlandschaft. Ich möchte mithilfe des Begriffs Latenz einen Vorschlag zur Gattungspoetik der Sitcom machen, der der Qualität der Serie auch auf der theoretischen Beschreibungsebene gerecht wird. Latenz ist eine „Projektion der diachronen Sprach-Tatbestände in die Synchronie der aktuellen Sprachhandlungen“ (Haverkamp: 11). Mit dieser schlichten Definition schreibt Anselm Haverkamp dem Begriff der Latenz das Prinzip der Wiederholung ein. Latenz ist dort, wo etwas doppelt ist und diese Verdopplung erwartet, aber nicht gewusst wird. In rhetorischer Terminologie gesprochen, schreibt Latenz der schlichten Geste der geminatio ihre Wiederholung unter geänderten Vorzeichen ein. Haverkamps Beispiel ist die Anagrammatik, die — buchstäblich betrachtet — nichts anderes als eine durchgeschüttelte geminatio ist. Das Wesensmerkmal der Sitcom — die Verbindung von Einzelsituationen, die auf Punchline geschrieben sind, mit seriellem Erzählen — eröffnet den Raum für das, was ich als Latenz bezeichnen möchte. Im Setting der klassischen Produktions- und Distributionsbedingungen von Serien (also der Aufzeichnung und Ausstrahlung innerhalb eines wöchentlichen Programms), dem Friends gehorcht, gliedert das Warten auf die nächste Episode der Serie die Narration, indem es sie teilt bzw. unterbricht. Dass Warten und serielles Erzählen in einem gegenseitigen Verweisungszusammenhang stehen, ist eine Binsen-

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weisheit. In Bezug auf eine Sitcom wie Friends ist dies aber insofern bedeutend, als die Struktur des Sitcom-Erzählens einerseits auf Pointen und Vereinzelung abzielt, andererseits jedoch auf fortlaufende Narration. Von dieser Grundsituation ausgehend, möchte ich das Warten aber nicht äußerlich bzw. von der Seite der Rezeption her verstehen, als Warten des Zuschauers auf die nächste Episode bzw. auf die Auflösung des Plots oder der Spannung, sondern innerlich bzw. von der Seite der Produktion im Sinne einer poiesis der seriellen Narration selbst und damit als Latenz in zweifacher Hinsicht: Erstens in Bezug auf serielle Narration als eine temporale Verschiebung, die die eigene Zeitlichkeit reflektiert; zweitens als strukturbildendes Moment des seriellen Erzählens im Sitcom-Format, das die temporalen Verschiebungen und Verzögerungen rhetorisch beschreibbar macht. Das möchte ich an der Serie Friends als Merkmal für Quality TV zeigen.1 Latenz kann von der mit Haverkamp beschriebenen rhetorischen Grundierung aus sowohl syntagmatisch als auch paradigmatisch (bzw. sowohl zeitlich als auch figural) als ein Spannungsfeld von Verborgenheit und Wissen verstanden werden. Erich Kleinschmidt wertet Latenz im Anschluss an Haverkamp deshalb als eine Denkfigur „für Phänomene, die außerhalb primärer Beobachtbarkeit stehen, aber erschließbar sind“ (Kleinschmidt: 458). Weil dergestalt Verborgenheit und Wissen funktional aufeinander bezogen sind, kann „ein vorgängiger Subtext“, so Kleinschmidt weiter, „im Prinzip auch transkribiert werden“ (ebd.: 459). Von der bloßen formalen Geste der Verdopplung und Neuanordnung von Buchstaben geht Kleinschmidt damit über zu einer inhaltlichen Bestimmung von Latenz, die Handlungselemente und Motive innerhalb einer Narration aufeinander sowohl bezieht als auch trennt. Damit stiftet Latenz das Grundprinzip von Serialität im Sitcom-Format: Abwandlung bei größtmöglicher Ähnlichkeit und Wiedererkennbarkeit. Das Komische der Sitcom lässt sich mit Karlheinz Stierle genauer fassen. Er begründet es ausgehend von einer allgemeinen Fiktionstheorie, die er als „Schemata sprachlichen Handelns“ versteht, die „im Kommunikationssystem angelegte, aber nicht ergriffene Möglichkeiten zur Darstellung bringen“ (Stierle: 237) können. Damit umschreibt er das, was Haverkamp unter Latenz versteht: Angelegte, aber (noch) nicht ergriffene Möglichkeiten. Nun denkt Stierle Komik vom Scheitern der „Kommunikationsform“ her. Er versteht das Scheitern jedoch nicht wertend, sondern als eine Abweichungskategorie vom „praktischen Konsens“ (ebd.: 238), also als figural im rhetorischen Sinn. 1

Das, was ich unter Latenz fasse, entspricht am ehesten Thompsons berühmtberüchtigter sechster und neunter Kategorie, nämlich „memory“ (Thompson: 14) und „self-conscious[ness]“ (ebd.: 15).

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Wichtig an Stierles Ansatz ist seine Betonung des Handelns. Das Komische ist durch eine „besondere Struktur des sprachlichen Handelns“ bestimmt, aus der schließlich die „Erscheinung des Komischen“ im Sinne einer Phänomenologie hervorgeht, die eine „Poetik des Handelns“ und eine „Poetik der Komödie“ (ebd.: 238) parallel schaltet. Auch Stierle setzt das Komische implizit in Bezug zum Seriellen einerseits, wenn er von der „Erwartbarkeit des Komischen als Serie“ spricht, und zur Episodenhaftigkeit andererseits, wenn er der „Erwartbarkeit“ die „objektive Unerwartbarkeit in der gegebenen Situation“ (ebd.: 250) entgegenstellt. So fasst er bündig zusammen: „Das komische Ereignis bleibt prinzipiell Episode, auch wenn es noch so oft wiederkehrt.“ (Ebd.: 250) Dass das Komische Episode bleiben muss und gleichzeitig Element des seriellen Erzählens werden kann, zeigt sich an seiner „Folgenlosigkeit“. Das unterscheidet es fundamental vom Tragischen. Das Komische funktioniert punktuell, also „ohne Hinblick auf die vorausgehenden Momente einer Serie von Handlungen“ (ebd.: 251). Denn anders als das Tragische sei das Komische „tilgbar“ (ebd.: 238), also mit Implikaturen im linguistischen Sinne vergleichbar. Alles was tilgbar ist, fällt unter den Bereich des ‚als ob‘ und markiert sich dadurch selbst als theatral bzw. als Spiel. Diese Chance der Selbstreflexivität des Komischen, die durch die Möglichkeit der Tilgung und des Nichtergreifens von Möglichkeiten entsteht, ergreift die Serie Friends. Latenz verstehe ich deshalb als eine Verdopplungsstruktur, die die Produktion und Rezeption von Fernsehen, wie sie in Friends Gegenstand der Darstellung werden, als mediale Selbstreflexivität in das Sitcom-Erzählen ein- und umschreibt — eben „transkribiert“ (Kleinschmidt: 459). Anhand von Friends möchte ich die Verdopplungsstruktur ‚aus eins mach zwei‘ anhand von drei Aspekten verdeutlichen und daran Merkmale einer Gattungspoetik der Sitcom aufzeigen. Erstens: Der Verweis auf, bzw. die inhaltliche Thematisierung von Fernsehen in Friends. Zweitens: Die Verhandlung von Paratextualität bzw. des serial frame in Friends als Reflexion auf das Medium Fernsehen. Drittens: Latenz als mediale Figura cryptica, die in die Plot-Struktur zurück gespiegelt wird.

Thematisierung des Fernsehens: Produktion und Rezeption

Fernsehen ist allgegenwärtig in Friends. Joey tritt in Werbespots auf wie in „The One with the Metaphorical Tunnel“ (S3.04) oder in „The One with Ross’s Grant“ (S10.06), und Phoebes emblematisches Lied „Smelly cat“ wird zum Jingle für Katzenfutter in „The One with Phoebe’s Ex-Partner“ (S3.14). Immer läuft irgendwo der Fernseher. Das geht so weit, dass Chandler im Liebeswo-

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chenende mit Monica die romantische Stimmung ruiniert, indem er eine Autoverfolgungsjagd im Fernsehen anschaut. Diese Rezeption von Fernsehen wird wiederum von Monicas neurotischem Wunsch, das Zimmer zu tauschen, mehrfach unterbrochen („The One with the Kips“, S5.05). In der Folge „The One with the Free Porn“ (S4.17) bekommen Joey und Chandler durch Zufall einen Pornokanal freigeschaltet. Aus Angst, das Missverständnis könnte bemerkt werden, sobald sie ausschalten, lassen sie den Fernseher permanent laufen. Das führt zu gewaltigen Ermüdungserscheinungen und führt vor, was eine Berieselung ohne Unterbrechung, also ohne Latenz, bewirkt: Eine geistige Erschlaffung. Dass es ausgerechnet ein Pornokanal ist, der die Ermüdung herbeiführt, ist eine komische Volte, die das körperliche für das geistige Erschlaffen nimmt und vertauscht. Die ironische Wendung des Ganzen besteht darin, dass sich Joey und Chandler, sobald sie sich dann doch getraut haben den Fernseher auszuschalten, sofort fragen, ob das Angebot weiterhin besteht. Nur eine minimale Unterbrechung schafft genug Latenz um die beiden sofort zu veranlassen, den Fernseher wieder anzustellen. Paradigmatisch für die Situation der fernschauenden Figuren steht das cold open zur Episode „The One where Dr. Ramoray Dies“ (S2.18): Dieser Anfang inszeniert das gespannte Warten der Freunde als Zuschauer nach dem Ende einer Serien-Episode. Die Days of our Lives-Folge, in der Joey zu diesem Zeitpunkt eine Hauptrolle spielt (und die es tatsächlich gibt), endet mit einem typischen Cliffhanger. Joeys Serienfigur Drake Ramorey steckt in einer verbotenen Liebesgeschichte mit Amber und die Episode endet mit der Information, dass Drake und Amber Halbgeschwister sind. Daraufhin wollen alle von Joey wissen wie es weitergeht. Joey erzählt eine hanebüchene Fortsetzung: Drake Ramorey bekommt eine medizinische Auszeichnung dafür, dass er siamesische Zwillinge trennt, geht dann zusammen mit seiner Halbschwester Amber nach Venezuela um seinen anderen Halbbruder Ramon kennenzulernen und findet dort den weltweit größten Smaragd, der allerdings verflucht ist. „God, that is good TV!“ (S2.18: 00:46 min.) — mit seiner ironischen Punchline in Bezug auf Days of our Lives spricht Chandler für die Serie Friends aus, was sie in ihren eigenen Erzählverfahren demonstriert: Nämlich „good TV“! Der Fortgang der Episode schildert wie Joeys Serienfigur Dr. Drake Ramoray in einen Fahrstuhlschacht stürzt, weil er die Autoren der Soap in einem Interview mit der Aussage, er schreibe seine Dialoge selbst, erzürnt hat. Ironisch setzt das cold open der Friends-Episode so einen Kommentar zum Fernsehen und zum seriellen Erzählen überhaupt in den eigenen Paratext, der dadurch zum Metatext wird. Allein das cold open erzeugt eine Dopplung: Die Entdeckung des verfluchten Smaragds schreibt sich in die verbotene Liebesge-

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schichte ein (Amber und Drake suchen ihren Halbbruder), schreibt sie um (die inzestuös verbundenen Geschwister finden im Halbbruder Ramon eine dritte Figur und werden zu Gefährten in einem Abenteuer) und verdichtet sie im Objekt des verfluchten Smaragden. Genau diese Wendung ruft Chandlers Ausspruch, „God, that is good TV!“, auf den Plan. „Good TV“ ist ständiges Umschreiben. Durch Joeys verhängnisvolle Interview-Aussage wird es nie zu diesem Handlungsstrang von Days of our Lives kommen, weil die Autoren den Plot umschreiben. Was Joey also erzählt, ist zwar als Skript vorhanden, wird aber nie gesendet, als Möglichkeit also nicht ergriffen.

Die Verhandlung von Paratextualität bzw. des Serial Frame als Reflexion auf das Medium oder: Sitcom und Quality-TV

Genau diese Paratextualität des serial frame nutzt Friends oft als Reflexion auf das eigene Medium. Eine typische Friends-Episode ist symmetrisch gerahmt. Auf ein cold open folgt das Mosaik-Intro mit dem Song „I’ll be there for you“ von den Rembrandts und auf der Bildebene eine Collage von Szenen aus den vorangegangenen Episoden im Umfang einer halben Staffel.2 Dann folgt die ‚eigentliche‘ Episode und zum Schluss ein Outro, das, von den Credits begleitet, einen der Erzählstränge der Episode wieder aufnimmt. Damit folgt Friends einem typischen Comedy-Format: „Besonders Comedy-Serien tendieren dazu, die Serie vor dem eigentlichen Intro mit ersten ‚punchlines‘ zu beginnen.“ (Nesselhauf/ Schleich: 27) Die einfache genregemäße Rahmenkonfiguration jeder Friends-Episode ermöglicht es, die Paratextualität des serial frame zur Metatextualität oder gar zu einer narrativen Metalepse zu erweitern. Eine Metalepse kann natürlich (vor allem im Comedy-Setting) schlicht und ergreifend als Punchline-Lieferant fungieren, aber sie bildet latent ein Paradigma für über sich selbst nachdenkendes serielles Erzählen. Das cold open der Episode „The One with the Race Car Bed“ (S3.07) besteht aus einer einzigen langen Einstellung, die von einer Nullfokalisierung3, in der Ross einen seiner langweiligen Vorträge über Dinosaurier hält, durch Zoom, Schwenk und voice over in jeweils interne Fokalisierungen über die einzelnen Freunde wechselt. So erfahren die Zuschauer, was die jeweilige Figur gerade

2 3

Zur Typologie des Intros allgemein, vgl. Landau: 35. Für die Zwecke, die ich hier verfolge, reichen die narratologischen Beschreibungskategorien Genettes aus und müssen nicht extra aufwändig auf das visuelle Medium übertragen werden.

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denkt. Rachel himmelt Ross an, Monica ist von seiner Erzählung genervt, Chandler schweift ab und träumt vom Superheldenstatus, Gunther ist in Rachel verliebt, fragt sich was sie an Ross findet, und Joey singt in seinem Kopf vor sich hin. Zuletzt schwenkt die Kamera auf Phoebe, die sich fragt: „Who’s Singing?“ (S3.07: 01:03 min.) Diese einmalige fokale Metalepse ist die Punchline, die den Introsong auslöst. Die fokale Metalepse ist zwar auf Punchline und Lacher geschrieben. Dort jedoch, wo solche Phänomene wie die Metalepse funktional auf den Plot bezogen sind, geben sie dem Schema der Latenz ‚aus eins mach zwei‘ eine mediale Wende. In den wenigen Ausnahmen, in denen eine Friends-Episode dem Schema von cold open, Intro, ‚eigentliche‘ Episodenhandlung und Outro, das von den Credits begleitet wird, nicht folgt, passiert in Bezug auf die Gattungspoetik Entscheidendes. Diese Ausnahmen sind die wenigen Folgen, in denen bereits das Ende der eigentlichen Episode zum Cliffhanger führt, so dass es kein Outro gibt, das Narration enthält, sowie die Doppelfolgen. (a) Doppelfolgen und verdoppelte Fiktion

Der Schauplatz, der das Schema ‚aus eins mach zwei‘ mit einer Metalepse verbindet, ist die erste Doppelfolge der Serie. „The One with the Two Parts, Part 1 and 2“ (S1.16/17) übersetzt die Struktur der Verdopplung, die ihr schon durch den Titel eingeschrieben ist, in Handlungs- und Figurenkonstellationen. Dabei ist der Cliffhanger zwischen dem ersten und dem zweiten Teil der Doppelfolge durchaus wörtlich zu nehmen, denn am Ende des ersten Teils stürzt Rachel beim Versuch die Weihnachtsbeleuchtung abzuhängen vom Balkon der Wohnung und hängt kopfüber am Kabel. Ursula Buffay, Phoebes Zwillingsschwester hat ihren ersten Auftritt, Monica und Rachel vertauschen im Krankenhaus ihre Namen, damit Rachel, die ihren Knöchel verstaucht hat, von Monicas Krankenversicherung profitiert. Dadurch verdoppeln sie ihre Sprechsituation, was dazu führt, dass sie sich bei einem Doppeldate mit zwei attraktiven Ärzten aus dem Krankenhaus in die Haare bekommen und das Date in einem Desaster endet. Ross geht mit seiner Ex-Frau Carol und ihrer neuen Partnerin Susan zum Geburtsvorbereitungskurs. Bei einem der Treffen ist Carol verhindert, so dass die Position des werdenden ‚Vaters‘ verdoppelt und die Position der Mutter vakant ist. Ross redet mit seinem Vater über seine Ängste in Bezug auf die Vaterschaft. Dieser beruhigt ihn, indem er Ross vom väterlichen Erweckungsmoment erzählt: Wie Ross als Baby mit seiner Hand den Finger des Vaters umklammert hat (Abb. 1). Ross’ Haustier, der Affe Marcel, verschluckt ein Scrabble-Teil und droht zu er-

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sticken. Ross und Chandler fahren in das Krankenhaus, in dem ausgerechnet die Dating-Ärzte von Monica und Rachel arbeiten. Sie erklären sich bereit Marcel zu operieren und als er aus der Narkose aufwacht, ergreift er mit seiner Hand Ross’ Finger (Abb. 2). Die Wiederholung der vom Vater beschriebenen Initiationssituation zeigt Ross, dass er entgegen seiner eigenen Aussage doch „ready to be a father“ (S1.17: 03:32 min.) ist.

Abb. 1 und 2: Gedoppelte Finger-Szene: Ross’ Vater und Affe Marcel (S1.17)

Der Affe Marcel hat in der Doppelfolge die Spracheinstellung des Fernsehgeräts umgestellt, so dass es nur noch im SAP-Modus auf Spanisch funktioniert. Niemand schafft es, den Fernseher wieder ins Englische umzuschalten. Das Outro des zweiten Teils wiederum zeigt eine Szene in genau dem SAP-Modus, in dem zuvor Monicas Fernseher war. Die Friends-Figuren sprechen nun Spanisch. Damit fällt die Ebene der fernschauenden Figuren mit der Ebene der fernschauenden Zuschauer zusammen. Zudem wird der Affe Marcel im Outro mit der Fernbedienung in der Hand gezeigt (Abb. 3). Diese Metalepse ist funktional auf den Plot bezogen, denn sie verbildlicht — über die mediale Verschiebung zur Frage nach der Autorschaft — eine Figura cryptica von Vaterschaft.4 Denn einerseits verdoppelt die Episode die Vaterschaftsurszene ‚Vater– Ross‘ zu ‚Ross–Marcel‘. Die Ross–Marcel-Vaterschaft wiederum steht für die kommende Vaterschaft Ross’. Genauso wie die Ross-Marcel-Konstellation die Gattungsgrenze zwischen Mensch und Tier überwindet, überwindet die Metalepse die Grenze der diegetischen Ebenen medial (Abb. 4).5 Latenz als Verdopplungsstruktur verknüpft die inhaltliche Ebene der Schwangerschaft symbolisch mit der narrativen Metalepse.

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Hier würde sich eine Gender-Diskussion anschließen, in der Männlichkeit als eine prekäre Form der Autorschaft dargestellt wird. Als Nebenbemerkung interessant ist die Tatsache, dass Ross in ebendieser Folge selbst als seine eigene schwangere Frau dargestellt wird und David Schwimmer, der Darsteller von Ross, der einzige Schauspieler ist, der selbst bei einigen FriendsEpisoden Regie führte.

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Abb. 3 und 4: Mediale Dopplung: Affe und Ross mit Fernbedienung (S1.17)

Auf der Internetseite buzzfeed.com gibt es eine Liste mit 21 ungeklärten Fragen über Friends, die eigentlich eine Aufzählung von Inkonsistenzen darstellt. Nun sind Inkonsistenzen im Plot wie der sich verändernde Geburtstag einer Figur oder die Tatsache, dass eine Figur etwas vergisst, was sie zuvor schon wusste, gängige Münze in einer Sitcom, die eben auf die komische Situation hin zugeschnitten ist und vom Umschreiben lebt. Der Punkt 17 auf der Liste unterscheidet sich jedoch von den anderen. Er stellt keine simple Plot-Inkonsistenz oder einen Folgefehler aus, sondern zeigt einen neuen Aspekt von Latenz auf: den der Realitätsverdoppelung. Sie erweitert die metaleptische Struktur der Film- und Fernsehreferenzen in Friends. ‚Susan Sarandon‘ was on Ross’ ‚list‘ of women he was allowed to sleep with; Joey later slept with a character played by Susan Sarandon. Ross referred to himself as ‚Cro-Magnum PI‘, Monica later slept with Magnum, PI. They try to get a table by giving the name ‚Winona Ryder‘, Rachel went to school with a character played by Winona Ryder. At one point they were trying to come up with the capital of Cambodia, and guessed, ‚Sean Penn‘, who they later met. Ross came up with the idea for ‚Jurassic Park‘, and Joey later met a character played by Jeff Goldblum. Most disturbing: Jessica Rabbit was on Chandler’s list of celebrities he could sleep with, hisFATHER was played by Kathleen Turner, who voiced Jessica Rabbit. And Elle McPhearson was mentioned in a list of women the guys thought about, seasons before she became Joey’s roommate. (Bailey)

Alle hier aufgeführten Gaststars kommen in der Serie also doppelt vor: als tatsächliche Schauspieler, die in und an Fiktionen mitwirken und als Figur innerhalb der Friends-Welt. Diese Dopplung weist auch das Medium Fernsehen (und darunter sind auch Filmreferenzen subsumiert) als eine Verdopplungsmaschine im Sinne einer Fiktionstheorie aus, die auf der Realitätsverdopplung beruht. Die Realität wird durch die Integration der Gaststars tatsächlich verdoppelt. Denn einerseits entspricht die erzählte Welt von Friends der „reale[n] Realität“ (Esposito: 8), es gibt dort Filme und Serien, die als solche eine Rolle spielen und „eine[] Realität anderer Art“ (ebd.: 8) — und das heißt Fiktionen — darstellen. Andererseits integriert die Welt von Friends mühelos Susan Sarandon, Jeff

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Goldblum, Tom Selleck, Bruce Willis, Winona Ryder, Sean Penn etc. als eigene Charaktere, die für sich stehen, obwohl sie den Protagonisten aus der normalen erzählten Welt, der ‚realen Realität‘ von Friends bekannt sein müssten. Mit dieser Ebenenverletzung zwischen den verdoppelten Realitätsebenen reflektiert die Serie sich selbst als Generator solcher Verdopplungen. Sie kündigt den „Rahmen der Dichotomie real/irreal“ auf und „verschiebt die Diskussion […] auf die Ebene der Beziehung zwischen verschiedenen Realitätsordnungen, die sich gegenseitig beeinflussen“ (ebd.: 9n). Nun vertritt der Autor der Liste, Luke Bailey, auf der Seite buzzfeed.com implizit einen Begriff von Fiktion, der eine „fiktive Konstruktion dann [akzeptiert], wenn sie eine Welt vorstellt, die so plausibel ist, daß sie wahr sein könnte“ (ebd.: 13). Bruce Willis kann dergestalt nicht gleichzeitig als Figur John McClane aus Die Hard (1988) und als Vater von Ross’ junger Freundin Elizabeth akzeptiert werden, wie in „The One where Ross meets Elizabeth’s Dad“ (S6.21) bis „The One with the Ring“ (S6.23). Aufgrund dieses (verkürzten) Fiktionsbegriffs kündigt Luke Bailey mit seiner Liste Friends die Plausibilität, ohne die keine Wahrheit bzw. Wahrscheinlichkeit entstehen kann, auf. Gewissermaßen als Reparatur am Schaden der Plausibilität, den er selbst angerichtet hat, bindet er deren Fehlen an die Plot-Struktur der Friends-Episoden zurück, wenn er seiner Liste einen Titel gibt, der die Struktur der Episodentitel der Friends-Episoden nachahmt und dadurch seine eigene Friends-Episode „The One with All the Minor Plot Holes“ (Bailey) erzählt. Und auf noch etwas macht die Liste aufmerksam: die prekäre Männlichkeit. Im Falle von Chandler nämlich wird diese Realitätsverdopplung als eine Begehrensstruktur einsehbar. Denn in gewissem Sinne greift diese Koinzidenz Chandlers allererste Replik der Serie auf, in der er von einem Traum erzählt (S1.01). CHANDLER Alright, so I’m back in High School. I’m standing in the middle of the cafeteria, when I realize I’m totally naked. Then I look down and I realize there’s a phone … there! JOEY Instead of… CHANDLER That’s right! All of a sudden the phone starts to ring. Now I don’t know what to do, everybody starts looking at me. MONICA They weren’t looking at you before?

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| Daniel Kazmaier CHANDLER Finally I figure, I better answer it and it turns out it’s my mother, which is very very weird because… she never calls me („The Pilot“ / „The One where it All Began“, S1.01: 1:28 min.).

Das Begehren nach Nähe und das sexuelle Begehren überlagern sich hier ebenso wie sich die Gendergrenzen in Bezug auf Chandlers Vater, der Jessica Rabbit seine Stimme leiht, überlagern. Das wird an späterer Stelle der Serie noch einmal explizit, wenn eines der Mädchen, die Phoebe zur Welt bringt, Chandler getauft wird („The One Hundreth“ / „The One with the Triplets“, S5.03).

Latenz in Friends — als eine mediale Figura cryptica

Inwiefern Latenz mit dem Motiv der Schwangerschaft enggeführt und über welche erzählerischen Verfahren sie an den Plot rückgebunden wird, zeigt mein letztes Beispiel. Die Episode „The One with the Videotape“ (S8.04) setzt eine für das Format der Sitcom erstaunlich komplexe Erzählweise in Szene. Darin geht es den Freunden darum zu erfahren, wie es dazu kam, dass Ross und Rachel die Nacht zusammen verbracht haben, aus der die Schwangerschaft hervorging. Latenz als rhetorische Doppelfigur, die An- und Abwesenheit bzw. Wissen und Nichtwissen miteinander verknüpft, greift hier als Schauszene auf die Plot-Struktur über. Diejenigen, die an der Erzählweise von How I Met Your Mother (2005–2014) geschult sind, können darüber nur müde lächeln, Friends wird hier allerdings das Durchbrechen der Chronologie des Erzählens bedeutsam. Monica und Chandler kehren zurück von ihrer Hochzeitsreise und Monica möchte wissen wie es dazu kam, dass Ross und Rachel miteinander geschlafen haben. An der Frage: „Who came onto who?“ entzündet sich ein Streit zwischen Rachel und Ross, wer denn die Initiative ergriffen habe. Die Frage spitzt sich zu auf die Frage nach den Zeichen — Ross: „You were sending me signals all over the place.“ (S8.04: 03:42 min.) Als Rachel sich über ihn lustig macht, und ihn auffordert, „show me how I begged you“ (S8.04: 04:07 min.), gesteht Ross, dass er die entscheidende Szene/Geschichte auf Video aufgenommen hat. „I can show you, I have it on Videotape“ (S8.04: 04:10 min.), leitet die Verdopplung des Schauens ein. Diese Tatsache diskreditiert Ross moralisch und so muss Joey als Zeuge helfen die Vorgeschichte zu rekonstruieren. Eine Analepse, die mit der Bildunterschrift „Six weeks earlier“ (S8.04: 06:31 min.) eingeleitet wird, bebildert Ross’ Erzählung der Vorgeschichte.

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Darin passiert Folgendes: Ross hat ein Date und holt sich Tipps von Joey. Der erzählt ihm eine von ihm erfundene „magic story“ (S8.04: 18:06 min.), wie es Chandler hinterher nennt, der niemand widerstehen kann und die einzig und allein deshalb erzählt wird um jemanden zum Sex zu überreden. Ross vermasselt jedoch sein Date trotz alledem, weil er ausgerechnet auf eine DatePartnerin trifft, die die Inhaltsseite der Zeichen und damit die Geschichte ernst nimmt, sie auf Realität und ihre gelebte Erfahrung verpflichtet und Ross damit völlig aus dem Konzept bringt. Auf Joeys Vorschlag hin will er seine Performance bzw. die actio der Geschichte vor der Kamera proben, als Rachel ins Zimmer kommt. Chandler, der Ross’ Erzählung gehört hat, die die Zuschauer als Analepse mit der Einleitung „six weeks earlier“ gesehen haben, stellt die Sachlage klar: „Yeah, we’re gonna need to see that tape.“ (S8.04: 11:36 min.). So kulminiert die Episode darin, dass alle sechs Freunde vor dem Fernseher sitzen um sich das Video anzuschauen. Die Analepse und das Video dienen dazu eine Informationslücke zu füllen und ein Wissen herzustellen, das einzig Rachel ausschließt, weil sie nur Teil zwei, das Video, kennt. Ebenso wenig kennt Rachel die Vorgeschichte der „magic story“ und kann mit der Verdopplung der Namen nichts anfangen. Sie geht davon aus, dass ein gewisser Ken Adams der Urheber der Geschichte sei. Dass Ken Adams und Joey jedoch ein und dieselbe Person sind, wurde zuvor im zweiten Erzählstrang deutlich. Monica und Chandler haben in ihren Flitterwochen ein Paar kennen gelernt, das ihnen wohl eine falsche Telefonnummer gegeben hat. Joey und Phoebe machen Monica und Chandler vor, wie leicht es ist, „fake numbered“ (S8.04: 05:17 min.) zu werden, wie es Phoebe ausdrückt; und Joey setzt noch einen drauf: „If they knew what they were doing, they probably didn’t give you real names either.“ (S8.04: 12:10 min.) Indem sich Phoebe und Joey gegenseitig als Regina Falange und Ken Adams vorstellen, wird klar, dass Joey Ken Adams ist, und die Zuschauer bekommen damit den entscheidenden Informationsvorsprung vor Rachel und Ross. Hier wird die Verdopplungsgeschichte, die Latenz sonst syntagmatisch erzählt, gestapelt und übereinander gelegt. Das Wiederholen und Zirkulieren von Geschichten und Namen bildet ein Paradigma, das hier jedoch nicht in absentia vorliegt (also durch das Prinzip der Selektion einer Ausschließlichkeit unterliegt), sondern sich in einer komischen Verschiebung zeigt und dadurch Jakobsons poetische Funktion der Sprache medial ummünzt: Nämlich als Videotape im Fernsehformat. Dem entspricht die nichtlineare Erzählstruktur der Episode, die verschiedene Zeitstufen, so sehr es eben in der Zeit des Erzählens einer Sitcom möglich ist, ineinander schachtelt. Die Episode inszeniert dieses

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Fernsehen als eine Schauszene, und Rachel ist die Leidtragende dieser Verschiebung. Die Auflösung verschaltet die Verdopplung von Ereignis und Aufzeichnung mit der Rekapitulation der „magic story“. Spielte in der analeptisch erzählten Vorgeschichte eine Verführungsgeschichte die entscheidende Rolle, so dokumentiert das Video, das eigentlich Ross’ Probe der Geschichte sein soll, stattdessen Rachels tatsächliche actio derselben Geschichte. Ross’ Probe und Rachels actio fallen damit zusammen. Auf diese Weise gesellt sich zur doppelten medialen Präsentation der „magic story“ deren doppelte Signierung bzw. Autorschaft als „some guy“, „Ken Adams“ bzw. Joey (vgl. S8.04: 18:15 min.). Die Schauszene des Videos löst also die eine Latenz auf und legt zugleich den Grund für eine neue Latenzzeit, nämlich Rachels Schwangerschaft. Phoebe spricht es vor dem Video aus: „You’re gonna get pregnant.“ (S8.04: 15:28 min.). Aber beim Anschauen des Videos kommt noch anderes ans Tageslicht: Rachel hat die Einladungskarten für Monicas und Chandlers Hochzeit viel zu spät abgeschickt, vor allem aber haben Ross und Rachel auf den Einladungskarten miteinander geschlafen. CHANDLER Did you do it on our invitations? ROSS Not on the ones we sent out. CHANDLER So just on the ones you gave back to us and we had framed? (S8.04: 16:20 min.)

Die Kopplung der Einladungskarten mit der Liebesnacht von Rachel und Ross nimmt das Ende der siebten Staffel wieder auf. Dort wird zunächst die Erwartungshaltung erzeugt, Monica sei schwanger, nur um die Staffel mit der Erkenntnis enden zu lassen, dass tatsächlich Rachel schwanger ist. Dass nun die Einladungskarten, die Monica und Chandler zurückbekommen und rahmen ließen, in diesem Kontext thematisiert werden, ist insofern dramaturgisch bedeutsam, als Monica und Chandler keine eigenen Kinder werden bekommen können. Die Liebesnacht von Rachel und Ross erzeugt damit nicht nur ein Kind, sondern auch eine Dopplungsfigur zu Monicas und Chandlers späteren Versuchen Eltern zu werden. Die achte Staffel umfasst die Zeit von Rachels Schwan-

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gerschaft.6 Sie endet mit einer Doppelfolge, die einerseits die Verspätung des Kindes ausführlich erzählt und andererseits von Monicas und Chandlers Versuch handelt, ihrerseits ein Kind zu bekommen. Insofern ist „The One with the Videotape“ eine Figura cryptica der Plot-Struktur der gesamten achten Friends-Staffel. Über Latenz lässt sich so eine narrative Struktur beschreiben, die sowohl der Situationsgebundenheit der Szenen im Sitcom-Format Rechnung trägt als auch die jeweiligen Einzelszenen als Teil einer narrativen Struktur versteht, die den Namen serielles Erzählen zu Recht führt. Ganz folgerichtig endet die Episode mit einer Verdopplung der Schauszene. Wir sehen Ross und Rachel wie sie ihr eigenes Sexvideo anschauen. Der Dialog zwischen Rachel und Ross, der dazu führt, dass sie sich ihr Videotape anschauen, fragt explizit nach der Qualität dessen, was sie wohl zu sehen bekommen werden. RACHEL It was an amazing night. ROSS It was. It was an amazing night. RACHEL You think it looked amazing? ROSS: I don’t know. I mean, I honestly didn’t watch it. RACHEL Yeah, me neither … Yet. (S8.04: 19:01 min.)

Ob es nun tatsächlich „amazing“ aussieht oder nicht, davon können sich die Zuschauer ein (doppeltes) über Ross’ und Rachels Mimik eindeutig transportiertes Bild machen.

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Auch die Zeit der Ausstrahlung der achten Staffel umfasste acht Monate. Da bekannt wird, dass Rachel einen Monat schwanger ist nimmt die Zeitspanne genau Rachels Schwangerschaft ein. Die Staffel lief in den USA vom 27. September 2001 bis zum 16. Mai 2002.

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Bibliographie Bailey, Luke: „21 Questions ‚Friends‘ Fans Still Want Answered. The One With All the Minor Plot Holes.“ BuzzFeed.com (abgerufen am 31.08.2015). Esposito, Elena: Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität. Frankfurt 2007. Friends. David Crane, Marta Kauffman (Crs.). NBC, 1994–2004. Haverkamp, Anselm: Figura cryptica. Theorie der literarischen Latenz. Frankfurt 2002. Kleinschmidt, Erich: „Latenzen und Intensitäten. Die mobile Lesbarkeit der Moderne.“ In: Sabina Becker und Helmut Kiesel (Hgg.): Literarische Moderne. Begriff und Phänomen. Berlin 2007, S. 453–472. Landau, Solange: „Das Intro als eigenständige Erzählform. Eine Typologie.“ In: Living Handbook of Serial Narration on Television 1 (2013), S. 33–38. Nesselhauf, Jonas und Markus Schleich: „Bausteine des Seriellen.“ In: Living Handbook of Serial Narration on Television 1 (2013), S. 25–31. Stierle, Karlheinz: „Komik der Handlung, Komik der Sprachhandlung, Komik der Komödie.“ In: Wolfgang Preisendanz (Hg.): Das Komische. München 1976, S. 237–267. Thompson, Robert J.: Television’s Second Golden Age. From ‚Hill Street Blues‘ to ‚ER‘. New York 1996.

Do You Still Call It Situation Comedy? Die narrative Entwicklung US-amerikanischer Sitcoms am Beispiel von How I Met Your Mother Julien Bobineau

TV-Serien sind derzeit populär wie nie. TV- und Literaturkritiker sprechen von einer ‚Episierung des Fernsehens‘, wenn der FAZ-Journalist Richard Kämmerlings den viel zitierten „Balzac für unsere Zeit“ (Kämmerlings: 33) ausruft. Auch die Wissenschaft hat die TV-Serie längst entdeckt: Forscher aus nahezu allen Disziplinen zeigen sich fasziniert von der TV-Gattung, die in der Academia lange Zeit nur geringe Beachtung gefunden hat. Bei genauerer Hinsicht wird allerdings deutlich: Das Ausrufen der narrativen Revolution gilt nicht für alle Kategorien serieller TV-Formate, sondern beschränkt sich mehrheitlich auf eine Untergattung — das Drama. Andere Untergattungen wie Sitcoms, Mystery- oder Krankenhaus-Serien werden mit geringerem Interesse verfolgt. Es stellt sich also die Frage, warum serielle Dramen wie The Sopranos (1999–2007), The Wire (2002–2008) oder Breaking Bad (2008–2013) mit den Werken eines Honoré de Balzac verglichen werden (vgl. ebd.: 33), während zeitgenössische Comedy-Formate im Zuge dieses Vergleiches kaum berücksichtigt werden. An dieser Stelle stößt man schnell auf medienwissenschaftliche und feuilletonistische Erklärungsversuche, die mit der hohen Popularität des ComedyGenres argumentieren. Der Filmemacher Christopher Dreher verweist bspw. auf die hohe Bedeutung der Werbekunden, die unterhaltsame, „herkömmliche[ ] TV-Serien“ (Dreher: 33) ab den 1980er Jahren zu einem „industriellen Produkt“ (ebd.) transformierten, das sich nach dem Geschmack der Kunden zu richten hatte:

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| Julien Bobineau Die daraus resultierende Selbstzensur und der Katalog an thematischen no-go-areas sorgten dafür, dass für jede Form künstlerisch radikaler, innovativer, persönlicher Entwürfe und das Thematisieren kontroverser Inhalte […] im (kommerziellen) Fernsehen kein Platz war […]. (Ebd.: 35)

Insbesondere die Sitcom wurde im weiteren Verlauf zu eben jenem ‚industriellen Produkt‘ geformt, das sich als mimetischer Spiegel an den Wertvorstellungen des durchschnittlichen Werbekunden orientierte und sich hierdurch zum sehr erfolgreichen, aber thematisch eindimensionalen Quotenbringer entwickelte. Dieses Bild haftet der Sitcom bis heute an, wodurch das Begriffspaar ‚Quality TV‘ und ‚Sitcom‘ in einschlägigen, wissenschaftlichen Publikationen oder im Feuilleton — wenn überhaupt — nur zögerlich genannt wird (vgl. Mills: 8). Trotz — oder gerade wegen — dieser offensichtlich negativen Außenwahrnehmung hat sich die Sitcom laut Antonio Savorelli in den letzten 15 Jahren einem strukturellen Wandel unterzogen: „For the past decade, the production of comic series on American television has revealed a new tendency, which […] clashes with the situation-comedy genre’s well-known tradition.“ (Savorelli: 3) Der Bruch mit dieser ‚well-known tradition‘ deutet einen Paradigmenwechsel im Genre an, der eine Neupositionierung der Sitcom im Zeitalter des Quality TV erfordert. Die folgenden Ausführungen sollen am Beispiel der Sitcom How I Met Your Mother (HIMYM, 2005–2014) belegen, dass sich die Attribute ‚Qualität‘ und ‚Popularität‘ hier nicht kategorisch ausschließen. Zunächst wird anhand der Figurenkonzeption, dem Zeitbegriff und der Gestaltung des Raumes deduktiv geprüft, inwiefern diese narrativen Elemente in HIMYM mit der traditionellen Genre-Definition der Sitcom korrespondieren.1 Im Zentrum der Untersuchung steht dabei mit der narrativen Komplexität die achte der insgesamt zwölf etablierten Kriterien des Medienhistorikers Robert J. Thompson für die Definition von Quality TV (vgl. Thompson: 13–16).2 Durch narrative Komplexität wird Mehrdeutigkeit und ein großes Geflecht an wechselseitigen Beziehungen erzeugt. Diese schwerlich überschaubare Polyvalenz gilt laut Roman Ingarden als allgemeines Qualitätsmerkmal des narrativen Kunstwerkes, da Polyvalenz stets Unbestimmtheitsstellen schafft (vgl. Ingarden: 261–270;

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Antonio Savorelli nennt ferner die Metatextualität als narrativ-komplexes Merkmal für die qualitative Beurteilung der Sitcom (vgl. Savorelli: 15ff.). Gleichzeitig sind auch paratextuelle Elemente wie bspw. die Instrumente des audience engagement von großer Bedeutung für narrative Komplexität (vgl. Bobineau: 227–240). Ich beschränke mich in den folgenden Ausführungen allerdings auf die drei oben genannten Untersuchungsgegenstände. Thompson beschreibt das achte Kriterium wie folgt: „Quality TV tends to be literary and writer-based. The writing is usually more complex than in other types of programming.“ (Thompson: 15)

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Brenner: 21–24), die vom Zuschauer selbst zu füllen sind, wodurch der Anspruch an den Rezipienten merklich steigt. Abschließend soll im Zuge dieses Beitrages auf Basis der Analyseergebnisse und mit Hilfe einer induktiven Vorgehensweise versucht werden, allgemeingültige Kriterien für die Definition der Sitcom nach dem Paradigmenwechsel zu formulieren.

Die Sitcom

Im Rückblick lässt sich der Beginn dieses Paradigmenwechsels anhand einer früheren Sitcom festmachen, denn die exponierte Stellung, die The Sopranos für das dramatische Seriengenre eingenommen hat, ist im Bereich der Sitcom der Produktion Seinfeld (1989–1998) zuzuschreiben. Seinfeld revolutionierte das Genre insbesondere durch die Verwischung der Grenze zwischen Realität und Fiktion, durch Elemente der Eigenparodie und Ansätze einer progressiven Figurenentwicklung. Bis zur Seinfeld-Ära wird die Sitcom als 20- bis 30-minütiges serielles Format definiert, das vordergründig durch komödiantische Elemente geprägt ist und sich „[…] der Pointierung [situationsbedingter und] augenfälliger Gags verschreibt“ (Holzer: 11). Die Anzahl an Figuren, Schauplätzen und parallel verlaufenden Handlungssträngen ist beschränkt: In der Regel treten wenige Figuren an wenigen Orten auf und sind dabei meist an nur einem einzigen Handlungsstrang beteiligt. Die Sitcom ist in den meisten Fällen eine Status Quo-Serie, was bedeutet, dass sich das Ausgangssetting zu Beginn einer jeden Episode gleicht und damit eine endlose, zyklische Kontinuität garantiert wird. Progressive Veränderungen werden minimiert, wodurch jede Episode einen in sich geschlossenen Handlungsverlauf aufweist (vgl. Minzu: 108f.). Dem Raum wird eine große Bedeutung zugeschrieben, denn eine statisch-konzipierte Raumstruktur betont den Kontinuitätsgedanken des Status Quo-Charakters. So symbolisiert bspw. die Couch — zentral im Wohnzimmer situiert — in vielen Sitcoms eine räumliche Konstante (vgl. Savorelli: 23f.). Ein typisches, ‚äußeres‘ Merkmal stellen die Lachgeräusche eines Live-Publikums (laugh track) nach einer Pointe dar — eine Eigenheit, die der Studioproduktion von Sitcoms vor Publikum insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren geschuldet ist.3

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Dieses Merkmal manifestierte sich als traditioneller Wesenszug der Sitcom und ist bis heute präsent, auch wenn viele Sitcoms nicht mehr live produziert werden. Vielmehr werden aufgezeichnete Sendungen in der Postproduktion vor Publikum gezeigt und die dort aufgenommenen Lachgeräusche als laugh track in die Endfassung übertragen (vgl. Holzer: 14–17).

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Abb. 2: Zeitstruktur der Episode „Brunch“ (S2.03)

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Narrative Komplexität in How I Met Your Mother

Nach dieser definitorischen Eingrenzung soll nun im Anschluss untersucht werden, inwiefern die oben genannten Kriterien auf die Sitcom HIMYM zutreffen. Die inhaltliche Ausrichtung der Geschichte erscheint zunächst überschaubar: Vater Ted erzählt seinen beiden Kindern im Jahr 2030, auf welche Weise er seine Ehefrau (und deren Mutter) kennengelernt hat. Im Zentrum der Erzählung stehen die Erlebnisse von Ted und seinen vier Freunden Marshall, Barney, Lily und Robin, die im Rückblick vom Erzähler reflektiert werden. Ein genauerer Blick auf die narrativen Strukturen der Erzählung wird zeigen, dass die vermeintlich überschaubare Geschichte mit komplexen Methoden erzählt wird. (a) Äußere Form

Die äußere Form von HIMYM folgt klassischen Konventionen: Die einzelnen Episoden haben allesamt eine Länge von 20 bis 22 Minuten. Nach dem Teaser folgt üblicherweise das Intro, das meist gleichbleibend aufgebaut ist, in besonderen Fällen allerdings auch Variationen aufweisen kann (vgl. Landau: 93–102). Die Sitcom verwendet den laugh track, der nachträglich mit den Tonspuren der Serie synchronisiert wird. (b) Figuren

Zudem schöpfen die Autoren von HIMYM aus einem großen Reservoir von Nebenfiguren, während die fünf Protagonisten ein begrenztes Hauptfigurenensemble erkennen lassen. Die Bedeutung der Nebenfiguren ist an dieser Stelle jedoch hervorzuheben, da eine Vielzahl meist mehrfach und staffelübergreifend in unterschiedlich großen Zeitabständen auftritt. Das überdurchschnittlich große Figurenensemble kann den Fokus auf die dynamische Figurenentwicklung dabei begünstigen: Je mehr Figuren in einem Figurengeflecht gegenüber gestellt werden, desto mehr Kombinationsmöglichkeiten bietet eine Erzählung für die Interaktion zwischen den Figuren. Eine solche Figurenentwicklung ist auch in HIMYM vorzufinden, denn jede Hauptfigur lässt handlungsrelevante, innere Konflikte erkennen, die im Handlungsverlauf im Austausch mit anderen Figuren reflektiert werden und zu progressiven Entwicklungen der jeweiligen Figur führen. So beschreitet Ted, der als subjektiv vermittelnder Ich-Erzähler einen großen Einblick in seine Gefühlswelt bietet, einen langen Irrweg. Teds Handlungen werden maßgeblich durch sein (überzeichnetes) Bild von ‚romantischer

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Liebe‘ beeinflusst und führen zu mehr oder weniger intensiven Beziehungen mit verschiedenen Frauen, bis er schließlich seine künftige Ehefrau Tracy kennenlernt. Als selbsterklärter Anhänger der romantischen Idee hat der Erzähler und Protagonist bis zum vermeintlichen Happy End der erzählten Geschichte, das wegen des zwischenzeitlichen Todes seiner Frau Tracy im Feuilleton und im Fantum sehr kritisch diskutiert wurde,4 stets mit dem Widerspruch zwischen der Sehnsucht nach erfüllter Liebe und der unheilvollen Realität zu kämpfen. Daneben steht der Charakter Barney Stinson, der vorwiegend durch seine ausgelebte Promiskuität geleitet wird. Doch auch hier ist ein auffälliger Wendepunkt zu beobachten: Nachdem er die Vielweiberei zunächst für die Stripperin Quinn aufgibt, revidiert er seine postulierte Ablehnung der ‚spießigen‘ Lebensführung bereits am Ende der siebenten Staffel, als er um Quinns Hand anhält. Die Hochzeit mit der Tänzerin kommt nach einer Beziehungskrise zwar nicht zu Stande, doch in der neunten Staffel tritt Barney schließlich mit der langjährigen Freundin Robin vor den Traualtar und wird Vater des Mädchens Ellie. Robin und Barney lassen sich schließlich drei Jahre nach der Hochzeit scheiden, wie der Zuschauer im Staffelfinale der neunten und letzten Staffel erfährt, doch Barney schwört der Promiskuität ab, um seiner Tochter ein guter Vater zu sein. Letztlich geht es in HIMYM vor allem um das Motiv des Erwachsenwerdens, das per se eine stetige Veränderung und damit eine narrative Progression impliziert: Die fünf Protagonisten werden auf ihren verschiedenen Lebensstationen wie Studium und Familiengründung erzählerisch begleitet, wodurch sie sich allein aufgrund dieser inhaltlichen Ausrichtung in einem offensichtlichen dynamischen Entwicklungs- und Veränderungsprozess befinden. (c) Erzählstruktur

Für die Erzählstruktur bedeutet die exponierte Stellung der Figurenentwicklung, dass HIMYM grundsätzlich auf Progression angelegt ist. Dies wird durch das erklärte, übergeordnete Ziel der Geschichte unterstrichen: Der programmatische Titel läutet die Abkehr vom typischen Status Quo-Format bereits in der Pilotfolge ein und impliziert, dass die Serie nicht auf eine endlose Struktur angelegt ist, sondern auf ein geplantes Ende hinausläuft. Die im Jahre 2030 eingesetzte Erzählinstanz Future-Ted ist ein weiteres Indiz für eine gleichzeitig pragmatische Progression: Hierdurch wirkt der isolierte Blick des Rezipienten

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Der amerikanische Online-Feuilletonist Ben Skipper bspw. bezeichnete das Ende von HIMYM als „The Worst TV Ending Ever“ (Skipper).

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auf einzelne Episoden überholt, da die Bedeutung des staffelübergreifenden Gesamtzusammenhangs im Vergleich zu Status Quo-Sitcoms deutlich ansteigt. Dem Rezipienten wird spätestens ab der zweiten Staffel ein Vorwissen abverlangt, um bestimmte Handlungselemente verstehen zu können.5 Hierzu zählen staffelübergreifend-wiederkehrende Inhalte und Leitmotive, wie bspw. der gelbe Regenschirm, die Ohrfeigen-Wette oder die Auftritte der Ziege. Die Erzählstruktur von HIMYM wird in der Gesamtbetrachtung somit zu einem komplexen und durchaus unübersichtlichen Geflecht aus Bezügen und Querverweisen, die letztlich allesamt Progression bedingen. (d) Zeit

Zudem erscheint auch die Zeitstruktur von HIMYM als besonders komplex. Zunächst ist festzustellen, dass die erzählte Geschichte aus einer Rahmen- und einer Binnenerzählung besteht. Die Rahmenerzählung wird von Future Ted geführt, der seinen Kindern die Binnengeschichten erzählt. Das immer gleichbleibende Setting der Rahmenerzählung erzeugt Kontinuität und besitzt eine umklammernde Funktion, die gleichzeitig als sinnstiftende Rechtfertigungsstrategie für die Ereignisse der Binnenerzählung fungiert: Die Binnenerzählung beschränkt die erzählte Zeit auf den Zeitraum von 2005 bis 2014. Rahmenerzählung im Jahre 2030 (episoden- und staffelübergreifend) Binnenerzählung 2005–2014 S1.01



S1.02



S1.03

 […] 

S9.24

Abb. : Die Ebenen der Rahmen- und Binnenerzählung in HIMYM

Dennoch folgt die Erzählung keinem linearen Aufbau, sondern vermittelt die Ereignisse auf unterschiedlichen, oft verschachtelten Erzählebenen, die mit Pro- und Analepsen sowie mit ständigen Zeitsprüngen angereichert sind. So werden regelmäßig Rückblenden in die Vergangenheit gezeigt, bspw. in die gemeinsame Studienzeit von Ted, Marshall und Lily. Die klassische, lineare Sitcom-Erzählfolge ‚Auf Ereignis A folgt B, C, D, usw.‘ wird hiermit durchbrochen. Am Beispiel der Episode „Brunch“ (S2.03) soll diese These verdeutlicht werden.

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Dieses erforderliche Vorwissen wird in einigen Fällen obsolet, da die Serie vor der Wiederkehr bestimmter Handlungselemente z.T. mit erklärenden Rückblicken arbeitet.

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Die Grafik (Abb. 1) zeigt die zeitlich verschachtelte Zeitstruktur der analysierten Episode und vielzählige, miteinander verstrickte Analepsen. Ausgangspunkt der vielen Zeitsprünge in die Vergangenheit ist eine erzählerische Gegenwart. Insgesamt werden drei personenbezogene Teilgeschichten analeptisch erzählt, die allesamt im Erzählstrang der Gegenwart münden. Der Co-Produzent der Serie, Craig Thomas, begründet die komplexe Zeitstruktur vieler Episoden mit der bewussten Schaffung einer ‚natürlichen‘, oralen Erzählsituation: When you tell a story verbally, you jump all over the place, hitting pause to back up, then adding some funny side trip story, then jumping ahead to some ironic postscript in the future. We wanted the show to feel like a real story being told by a real, imperfect narrator. (zit. nach Collins)

Die Schaffung einer ,natürlichen‘ Erzählsituation generiert einerseits einen fehlerhaften Erzähler, der Erzählelemente unbewusst ausspart oder die Chronologie der Ereignisse fehlerhaft wiedergibt. Andererseits ist Ted als Erzählinstanz zudem ein unzuverlässiger Erzähler, der seine Kinder als Zuhörer — und damit auch den Zuschauer — an einigen Stellen erzählerisch bewusst in die Irre leitet. (e) Raum

Diese ‚natürliche‘ Erzählsituation hat ebenfalls einen Anteil an der Raumgestaltung. In HIMYM existieren zwei ständig wiederkehrende Handlungsorte: Zum einen steht das Sofa — meist aus Teds Wohnung — im Mittelpunkt,6 während dem Stammtisch in der Bar McLarens als Ort der (öffentlichen) Diskussion und der Reflektion ein noch größerer Stellenwert beigemessen werden kann. Durch die Konzentration auf die wiederkehrenden Handlungsorte entsteht ohne Zweifel diejenige instrumentalisierte Kontinuität, die Sitcoms zugeschrieben wird. Dem Spiegel-Feuilletonisten Christian Buß, der von „topographischer Übersichtlichkeit“ (Buß) spricht, sollte an dieser Stelle allerdings widersprochen werden. So sind in der Episode „A Change of Heart“ (S6.18) bspw. insgesamt elf verschiedene Handlungsorte und 35 Ortswechsel zwischen diesen zu verzeichnen. Diese Beobachtung misst dem Raum als solchem und auch der Raumsemantik in HIMYM eine hohe Bedeutung zu: Eine Konzentration auf wenige Orte vermag die Aufmerksamkeit auf nur einen oder wenige Hand-

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Sofern Handlungen in den Wohnungen der anderen Hauptfiguren (v.a. Barney und Robin) und mancher Nebenfiguren stattfinden, steht in den meisten Fällen das Sofa ebenfalls erzählerisch und szenisch im Mittelpunkt.

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lungsstränge zu lenken, während eine komplexe Raumkonstruktion auf eine komplexe Handlungsstruktur schließen lässt und die dynamische Figurenentwicklung zusätzlich begünstigen kann. Fazit

Nach der Analyse von HIMYM bleibt eine Frage zu beantworten: Sollten Wissenschaft und Feuilleton auch weiterhin lediglich dramatische Formate betrachten, sobald von Quality TV gesprochen bzw. geschrieben wird? Sicherlich nicht: Im Ranking der „101 Best Written TV Series“ der US-amerikanischen Gewerkschaft der TV- und Filmautoren Writers Guild of America wählten deren Mitglieder insgesamt zehn Sitcoms in die Top 20 (vgl. Writers Guild of America), während die Sitcom Seinfeld gar den zweiten Platz in der Liste hinter The Sopranos belegt. Die Analyse von HIMYM hat gezeigt, dass die Sitcom aus narrativer Sicht lange Zeit zu Unrecht unterschätzt wurde. Die Tendenz zur komplexeren Gestaltung von Sitcoms mit einem intensiven Fokus auf narrativen Kategorien lässt sich anhand weiterer Beispiele belegen: So setzten bereits die Autoren von Seinfeld und Friends (1994–2004) auf die progressive Figurenentwicklung. Die metafiktionale Sitcom 30 Rock (2006–2013) zeichnet sich durch zahlreiche Querverweise und eine komplexe Raumkonstruktion aus. Die als Dramedy eingestufte Sitcom Scrubs (2001–2010) baut auf progressive Figurenentwicklung, eine vermittelnde Erzählinstanz und eine nicht-lineare Zeitstruktur. Die beiden als Mockumentary klassifizierten Sitcoms Modern Family (seit 2009) und The Office (2005–2013) zeigen, dass sich auch die Sitcom als Teil eines Crossover-Verbundes anbietet: Durch die Verknüpfung bestehender Elemente der subjektiven Sitcom und der objektiven Dokumentation wird hier eine komplexe, dokumentarische Erzählperspektive generiert, die mit dem literarischen Realismus des 19. Jahrhunderts vergleichbar ist. Die unterschiedliche Ausprägung der Erzählsituationen in HIMYM, Scrubs und Modern Family belegt, dass die Sitcom heute keinesfalls als vereinheitlichtes, industriell hergestelltes Produkt klassifiziert werden kann, sondern dass sich Produzenten und Autoren — sicherlich auch motiviert durch kommerzielle Aspekte — ebenfalls im Comedy-Genre auf die Suche nach Innovationen begeben. Diese auffällig hohe Konzentration an narrativ-komplexen Sitcoms in der US-amerikanischen Fernsehlandschaft nach 2000 lässt die Behauptung zu, dass sich das Konzept der Sitcom neu konstruiert hat und einen Paradigmenwechsel erkennen lässt. Durch die zunehmende narrative Komplexität, die eine Verschiebung von rein situationsbedingten, komödiantischen Faktoren auf progressive Handlungselemente bedingt, erscheint der Begriff situation comedy für die Sitcom nach dem

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Paradigmenwechsel als ungeeignet. Bei einer Neupositionierung sollte für die betreffenden Formate auf den von John Thornton Caldwell bereits 1995 angedeuteten Begriff der ‚Quality Sitcom‘ zurückgegriffen werden (vgl. Caldwell: 56f.). Die Quality Sitcom behält einige Bestandteile der traditionellen GenreDefinition bei wie bspw. die Länge der Episoden und mitunter auch den laugh track, der ab 2000 allerdings nur noch vereinzelt auftritt.7 Die herausragende Bedeutung des Raumes bleibt ebenfalls erhalten, wenn das Sofa in Teds Wohnung und die Bar in HIMYM wiederkehrend im Zentrum stehen. Doch während sich klassische Sitcoms auf diese wenigen Handlungsorte beschränken, um die Konzentration auf einen einzigen, abgeschlossenen Handlungsstrang zu lenken, ist in Bezug auf die Quality Sitcom ein Ansteigen der Anzahl der Handlungsorte und somit auch ein Ansteigen der Bedeutung des Raumes zu verzeichnen. Anzahl der unterschiedlichen Handlungsorte (ohne Intro) Anzahl der Ortswechsel (ohne Intro)

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I love Lucy

S1.18 (1952)

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Bewitched

S2.33 (1966)

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All in the Family S3.19 (1973)

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ALF

S1.23 (1987)

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Married… with Children S10.26 (1996)

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The King of Queens

HIMYM

S4.05 (2001)

S6.18 (2011)

Abb. 3: Raumentwicklung der Sitcom von 1952 bis 2011

Die Grafik (Abb. 3) veranschaulicht dies mit einem Vergleich der Anzahl an Handlungsorten in verschiedenen Sitcoms von 1952 bis 2011.8 Das ersichtliche Ansteigen unterstreicht die bereits angedeutete Tendenz zur komplexen Raumkonstruktion. Verschachteltes Erzählen mit Prolepsen, Analepsen und Zeitsprüngen, die durch mehrere, parallel verlaufende Handlungsstränge bedingt sind, bricht zusätzlich mit der gängigen, linearen Zeitkonvention der ‚klassischen‘ Sitcom. Die Figurenkonzeption lässt ein größeres und komplexeres Beziehungsgeflecht erkennen, das die Figuren dynamisch erscheinen lässt. Demnach lautet das Ergebnis, dass diese beschriebene Komplexität zu narrativer Progression führt, die dem traditionell-zyklischen Sitcom-Aufbau im Sinne einer Status Quo-Serie eine klare Absage erteilt und der Quality Sitcom 7 8

Vgl. die Tabelle 5.5 in Butler: 213f. Die Angaben in der Tabelle sind lediglich als Stichproben zu betrachten und haben keinen repräsentativen Charakter.

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somit eine neue Struktur und einen Fokus auf langfristigen Entwicklungen verleiht. In der Folge erscheint es umso verwunderlicher, dass die Sitcom in Kämmerlings ‚Balzac-für-unsere-Zeit‘-Theorem vernachlässigt wird, denn HIMYM bedient sich ebenfalls ganz offensichtlich an Motiven der Weltliteratur: Die ‚Irrfahrt des Protagonisten auf der Suche nach dem romantischen Ideal‘ lässt sich mit der antiken Homer’schen Odyssee (Irrfahrt), den mittelalterlichen Stoffen der Arthus-Sage (Suche nach dem ‚Gral‘) und der Literatur der neuzeitlichen Romantik (romantisches Ideal) vergleichen. Zudem scheint die zugleich zyklische und progressive narrative Form aus der persischen Erzählung 1001 Nacht entlehnt, wenn Scheherezade König Schariah jede Nacht eine Geschichte erzählt und an der spannendsten Stelle abbricht, um nicht getötet zu werden. Die abschließende, durchaus spannende Frage, wie sich die nun definierte Quality Sitcom nach dem Paradigmenwechsel weiter entwickeln wird, lässt sich heute nur schwer beantworten. Als sicher gilt lediglich die Erkenntnis, dass das Genre durch seine traditionelle Popularität auch weiterhin auf den Bildschirmen der Zukunft präsent sein wird. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich das Format künftig — insbesondere auf narrativer Ebene — gegen das stark anwachsende Interesse für dramatische Serien behaupten wird.

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Bibliographie Bobineau, Julien: „SaveWalterWhite.com: Audience Engagement als Erweiterung der Diegese.“ In: Jonas Nesselhauf und Markus Schleich (Hgg.): Quality-TV. Die narrative Spielwiese des 21. Jahrhunderts?! Münster 2014, S. 227–240. Brenner, Peter J.: „Was ist Literatur?“ In: Renate Glaser und Matthias Luserke (Hgg.): Literaturwissenschaft — Kulturwissenschaft. Positionen, Themen, Perspektiven. Opladen 1996, S. 11–47. „Brunch“ (S2.03). How I Met Your Mother. CBS, 2007. DVD. Butler, Jeremy G.: Television Style. New York 2010. Buß, Christian: „‚How I Met Your Mother‘. Meister des miesen Timings.“ Spiegel Online. (abgerufen am 31.08.2015). Caldwell, John Thornton: Televisuality: Style Crisis, and Authority in American Television. New Brunswick 1995. Collins, Scott: „‚How I Met Your Mother‘ finale: Producer reveals storytelling secrets.“ LA Times Online. (abgerufen am 31.08.2015). Dreher, Christopher: „Autorenserien — Die Neuerfindung des Fernsehens.“ In: Ders. (Hg.): Autorenserien — Die Neuerfindung des Fernsehens. Stuttgart 2010, S. 23–61. Holzer, Daniela: Die deutsche Sitcom. Format — Konzeption, Drehbuch — Umsetzung. Bergisch Gladbach 1999. How I Met Your Mother. Carter Bays, Craig Thomas (Crs.). CBS, 2005–2014. Ingarden, Roman: Das literarische Kunstwerk. Mit einem Anhang von den Funktionen der Sprache im Theaterschauspiel. Tübingen 1965. Kämmerlings, Richard: „Ein Balzac für unsere Zeit.“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 08. Mai 2010, S. 33. Landau, Solange: „‚How I Met Your Barney‘. Das Intro als metafiktionales Spiel.“ In: Jonas Nesselhauf und Markus Schleich (Hgg.): Quality-TV. Die narrative Spielwiese des 21. Jahrhunderts?! Münster 2014, S. 93–102. Mills, Brett: The Sitcom. Edinburgh 2009. Minzu, Lawrence E.: „Situation Comedy.“ In: Brian G. Rose (Hg.): TV Genres: A Handbook and Reference Guide. Westport 1985. Savorelli, Antonio: Beyond Sitcom. New Directions in American Television Comedy. Jefferson, NC 2010.

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Skipper, Ben: „‚How I Met Your Mother‘ Season 9 Finale Review: The Worst TV Ending Ever?“ International Business Times. (ab-gerufen am 31.08.2015). Thompson, Robert J.: Television’s Second Golden Age. From ‚Hill Street Blues‘ to ‚ER‘. New York 1996. Writers Guild of America (West): „101 Best Written TV Series List.“ WGAW. (abgerufen am 31.08.2015).

Corporate Satire Die 30 Rock-Episode „Greenzo“ als Persiflage auf NBCs Umweltschutz-Initiative Désirée Kriesch

Der US-amerikanische Fernsehsender NBC strahlte zwischen 2006 und 2013 am Donnerstagabend die Sitcom 30 Rock aus. Diese spielt hinter den Kulissen der fiktiven The Girlie Show (TGS), die in ihrer Anlage der Comedy-VarietyShow Saturday Night Live (SNL) nachempfunden ist. Hauptfigur in 30 Rock ist die überarbeitete Mittdreißigerin Elizabeth ‚Liz‘ Lemon (Tina Fey)1, deren Aufgabe als Chefautorin von TGS darin besteht, jede Woche eine neue Sendung auf die Beine zu stellen. Regelmäßig muss sie dafür die Launen ihrer exzentrischen Kollegen und Stars in den Griff bekommen. Vorherrschender Handlungsschauplatz von 30 Rock ist das General Electric Building in New York (dessen Adresse 30 Rockefeller Plaza ist titelgebend für die Serie), in dem sich auch das tatsächliche Hauptquartier von NBC befindet. Die selbstreferentielle Anlage als show within a show unterscheidet 30 Rock inhaltlich von vielen ‚klassischen‘ Sitcoms.2 So ermöglichen die fiktiven Schau1

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Die für das Konzept von 30 Rock verantwortlich zeichnende Tina Fey war als erste weibliche Chefautorin bei Saturday Light Live angestellt, weshalb sowohl Parallelen im Aufbau von TGS und SNL als auch autobiographische Ähnlichkeiten zwischen der Hauptdarstellerin Liz und Serienerfinderin festzustellen sind. Nebenrollen sind in 30 Rock auch oftmals durch SNL-Stamm-Mitglieder wie Jason Sudeikis, Chris Parnell oder Will Forte besetzt. Formale Produktionsmerkmale, die 30 Rock von konventionellen Sitcoms unterscheiden, sind der Verzicht auf eingespielte Lachkonserven, die Verwendung von relativ vielen verschiedenen Bühnenbildern und Außenaufnahmen sowie der aufwendige Ein-Kamera-Aufnahmemodus (ausgenommen sind die vor einem Studi-

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plätze des Fernsehstudios und des Autorenzimmers, die Figuren rigoros zu überzeichnen. Das Ensemble gleicht hierbei einer möglichen Großfamilie, spiegelt aber auch eine Entwicklung der 2000er Jahre im Quality TV wider, Figuren mit ambivalenten Eigenschaften auszustatten oder sie als sozial derart unbeholfen anzulegen3, dass sich die Zuschauer nur schwer mit ihnen identifizieren können, sie aber aufgrund ihrer Eigentümlichkeiten schätzen oder kultisch verehren.4 Grundsätzlich gestattet die Mise en abyme-Konstruktion von 30 Rock allerdings, die Serie satirisch auszurichten sowie diverse selbstbezügliche Spielarten (u.a. Intertextualität, Produktplatzierung und Durchbrechung der ästhetischen Illusion, metaleptische Transgression der Erzählebenen) und zahlreiche soziokulturelle Bezüge einzubauen. Aktionsgeladen oder dialogisch nimmt 30 Rock etwa Entwicklungen wie Post-Feminismus (vgl. Barkman: 89–98), PostRassismus (vgl. Wisnewski: 57–74), politische Philosophien (vgl. Michaud: 138– 146) oder die Aktivitäten des Mutterkonzerns General Electric (GE) auf die Schippe. Durch die Nennung tatsächlicher Firmennamen und das Auftreten von existenten Persönlichkeiten in der Handlung werden pseudodokumentarische Bezüge hergestellt5, die stark real-satirisch sind. Insofern ist es erstaunlich, dass 30 Rock in der einschlägigen Forschungsliteratur zu US-

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opublikum aufgeführten Livesendungen „Live Show“ (S5.04), „Live from Studio 6H“ (S6.09) sowie die als Reality Show inszenierten Episoden „Queen of Jordan“ (S5.17) und „Queen of Jordan 2: Mystery of the Phantom Pooper“ (S6.20). Auch treten zu den temporeichen Haupthandlungen jeder Episode wenigstens zwei eigenständige Nebenhandlungen hinzu, die in ihrer inhaltlichen, visuellen und sprachlichen Gestaltung ebenso detailverliebt sind wie die Inszenierung des main plot. Mit ‚klassischen‘ Sitcoms teilt 30 Rock indes, dass der Handlungsbogen innerhalb einer Episode bis auf wenige Ausnahmen (z.B. „100“ (S5.20/21)) abgeschlossen wird. — Vgl. dazu auch den Aufsatz von Anette Pankratz in diesem Band. Z.B. sind Jenna Maroney (Jane Krakowski) und Tracy Jordan (Tracy Morgan) infantil, egoistisch und narzisstisch, dem für die Programmgestaltung zuständigen Jack Donaghy (Alec Baldwin) fehlt es an Einfühlungsvermögen und Kenneth Parcell (Jack McBrayer) gibt den herzensguten, aber unterbelichteten NBC-Pagen. Für 30 Rock trifft das besonders auf die Figuren Jenna und Kenneth zu, für die Serie The Big Bang Theory (seit 2007) auf Sheldon (Jim Parsons). Tatsächliche Unternehmen, die wiederholt eine Rolle spielen, sind u.a. der Sender NBC und das Medienunternehmen NBC Universal. Der Verkauf der realen NBC durch General Electric an den Kabelsender Comcast im Jahr 2013 ist ebenfalls Teil der Erzählwelt von 30 Rock, das neue Mutterunternehmen wird hierbei allerdings ‚Kabletown‘ genannt. Figuren des öffentlichen Lebens, die in 30 Rock als ‚sie selbst‘ auftreten, sind z.B. Conan O’Brien, Larry King, Tom Hanks, Jon Bon Jovi, John Lithgow, Elvis Costello, Paul McCartney, Buzz Aldrin, Oprah Winfrey, Whoopi Goldberg, John McEnroe oder James Franco.

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amerikanischem Qualitätsfernsehen so gut wie keine Beachtung findet (vgl. z.B. Blanchet et al. 2011; Binder 2013; Eichner/Mikos/Winter 2013).6 In ihrem Aufsatz „Developing a Typology of Humour in Audiovisual Media“ benennen Buijzen/Valkenburg sieben Humorformen, die am häufigsten in audiovisuellen Medien verwendet werden.7 Bei diesen handelt es sich um Slapstick, clownesken Humor, Überraschung, Missverständnis, Ironie, Satire und Parodie (vgl. Buijzen/Valkenburg: 162).8 Mithilfe der von Buijzens und Valkenburg herausgearbeiteten Humorformen soll im vorliegenden Beitrag aufgezeigt werden, wie 30 Rock in der 2007 ausgestrahlten Episode „Greenzo“ (S2.05) die Auflage des Senders NBC befolgt, das Thema ökologische Nachhaltigkeit pädagogisch in die Handlung einzubauen, gleichzeitig aber die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung (corporate social responsibility)9 von NBC in Bezug auf ihr umweltfreundliches Renommee persifliert. In diesem Zuge schlage ich in Erweiterung zu Pape vor, der selbstreferentielle Sitcoms wie 30 Rock, Entourage (2004–2011) und Extras (2005–2007) als „meta-television“ charakterisiert (Pape: 91), 30 Rock aufgrund ihrer durchgehenden Verspottung von NBCs Unternehmenspolitik, die von General Electric beeinflusst wird, als corporate satire zu bezeichnen. *** „Greenzo“ ist im Rahmen von NBC Universals Green Is Universal-Kampagne und erster Green Week ausgestrahlt worden. Während der Woche vom 4. bis 10. November 2007 integrierte NBC Universal als erster US-amerikanischer Medi-

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Das Kinomagazin Me.Movies setzte in seiner Herbstausgabe 3/2014 einen Schwerpunkt auf Fernsehserien und wählte unter die Top 33 30 Rock auf Platz 25. Auch in dem im Oktober 2014 veröffentlichten Cinema-Special wurden 100 Serien, unter ihnen 30 Rock, kritisch eingeschätzt. Gewiss unterliegen derartige Hitlisten dem Zeitgeschmack, die wiederholte Rangreihenmethode lässt jedoch erkennen, welche Serien ‚Kultcharakter‘ besitzen. Obwohl Buijzen/Valkenburg die Humorformen in Werbesendungen untersuchen, sind diese ebenfalls auf Unterhaltungssendungen wie Sitcoms übertragbar. Bezüglich der Beschreibung der Funktionsweise der Humorformen sind diese jeweils der Überlegenheitstheorie (Satire, Ironie, Parodie), der Inkongruitätstheorie (clownesker Humor, Überraschung, Missverständnis) und der Entspannungstheorie (Slapstick) zuzuordnen. Obwohl jede der Theorien die Funktionsweise der humoristischen Ausprägung zu ergründen hilft, ist z.B. Slapstick mithilfe mehrerer Theorien zu erklären. Die Sozialverantwortung von Unternehmen umfasst freiwillige Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung, die u.a. verantwortungsbewusstes unternehmerisches oder umweltfreundliches Handeln in der Geschäftstätigkeit einschließt und über die gesetzlichen Forderungen hinausgeht.

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enkonzern ökologische Themen in die Beiträge seiner verschiedenen Sendeanstalten (u.a. CNBC, MSNBC, NBC News, NBC Sports, SciFi Channel, Sundance Channel, Bravo, USA Network, Telemundo) sowie in die Geschichten zahlreicher Shows in der Hauptsendezeit von NBC (u.a. My Name is Earl „Randy in Charge“ (S3.09), The Office „Survivor Man“ (S4.11), Scrubs „My Inconvenient Trurth“ (S7.03), ER „Blackout“ (S14.07)). Jeff Zucker, der Initiator der Green Week und damalige Generaldirektor von NBC Universal, begründete die Kampagne damit, das öffentliche Bewusstsein für Klimaschutz zu schärfen und NBC Universal als umweltfreundlichen Konzern zu etablieren (vgl. CRS Wire). Die immanente Bestrebung, Marktführer der grünen Medien zu werden (vgl. Makower), ist speziell für NBC relevant, da sich der Sender durch das ökologische Image maßgeblich von den Konkurrenzsendern Fox, ABC und CBS abheben konnte. Im Kontext der Green Is Universal-Kampagne ist allerdings auch zu beachten, dass der Elektrogeräte herstellende Misch- und Mutterkonzern General Electric seit Juni 2007 verstärkt auf ein grünes Image setzte, da dieser die künftigen Umsatzchancen erkannte, die in dem Thema Klimaschutz stecken, vermutlich aber bestrebt war, die eigene Reputation als umweltschädliches Unternehmen aufzubessern. Umweltschutz ist das Hauptthema der Episode „Greenzo“, in der eine von David Schwimmer verkörperte fiktive und comichaft verkleidete Figur titelgebend ist und in insgesamt acht Szenen auftritt. Um Greenzos Transformation von einer unternehmenshörigen Marionette zu einem machtbesessenen Umweltschutz-Fürsprecher und die einhergehende Verhandlung von NBCs corporate social responsibility zu zeigen, gehe ich detaillierter auf die erste und letzte dieser Szenen ein. Die finale Szene ist zudem durch den Auftritt des ehemaligen USamerikanischen Vizepräsidenten Al Gore klimapolitisch relevant. Während des cold open der Episode wird Liz von ihrem Vorgesetzten Jack, dem Programmchef der diegetischen NBC, über die neue unternehmensweite Ökoinitiative informiert: JACK We’re going green, Lemon. And do you know why? LIZ: To save the earth? JACK So we can drain the remainder of its resources. (S2.05: 01:05 min.)

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Im Gegensatz zu Liz’ naiver Annahme, der Sender präsentiere sich umweltfreundlich, um die Erde zu retten, ist Jacks Argument, die Kampagne würde ermöglichen, die verbliebenen Ressourcen der Erde abzuschöpfen, für die Zuschauer geradewegs absurd. Die Idee, das Thema Umweltschutz publikumswirksam zu lancieren, ist grundsätzlich von Jacks Absicht getrieben, den Geschäftsführer des diegetischen Mutterkonzerns General Electric zu beeindrucken, indem er unternehmensweit „the most money from this environmentalism trend“ (S2.05: 01:11 min.) verdient. Jack gedenkt, das wirtschaftliche Potential dieses ‚Ökotrends‘ mithilfe einer speziellen Marketingstrategie auszuschöpfen, die er auf das Nebenzimmer deutend vorstellt. Aus diesem springt eine in grasgrünem Kostüm gekleidete Figur hervor, die überdimensional große gelbe Schaumstoffhandschuhe, gelbe Chucks und einen gelben Umhang trägt. Dieses comichafte Fantasiewesen stellt sich Liz als Greenzo vor, deren erstaunte und amüsierte Reaktion eingeblendet wird und sich auf die Zuschauer überträgt. Nachdem Greenzo vorträgt, „Saving the Earth while maintaining profitability.“ (S2.05: 01:17 min.), bestätigt Jack, dass dieser Slogan seiner Marketingstrategie für NBCs Umweltkampagne zugrundeliegt. Für die Rezipienten erscheint der Leitsatz aufgrund der unvereinbaren Devisen indes fragwürdig. Auch Jacks Erläuterung, „Greenzo is America’s first nonjudgmental business-friendly environmental advocate.“ (S2.05: 01:25 min.), erscheint als Charakterisierung von Greenzo aberwitzig, vermuten doch die 30 Rock-Zuschauer, Greenzos Aufgabe bestehe darin, den NBC-Zuschauern in der Erzählung fundierte und unternehmensunabhängige Fakten zu umweltbewusstem (Konsum-)Verhalten ans Herz zu legen. Spätestens nachdem sich Greenzo erneut an Liz wendet und faktisch widersprüchlich behauptet, „The free market will solve global warming, if that even exists.“ (S2.05: 01:27 min.), zeigt sich, dass Greenzo Jacks Hampelmann ist, der dessen unternehmensfreundliche Parolen vorträgt. Konzeptionell entsteht der Humor dieser Szene aus einer vernunftgemäßen Fehleinschätzung: Da die Zuschauer voraussetzen, dass Jacks Ankündigung, NBC in der Erzählung ‚grün‘ werden zu lassen, auf sein Umweltengagement zurückzuführen ist, sind sie von der divergierenden Absicht, die Werbewirksamkeit ökologischer Nachhaltigkeit ins Kalkül zu ziehen, um daraus Profit für NBC und GE zu schlagen, verblüfft. Überraschend ist auch der Gastauftritt von David Schwimmer10, der internationale Popularität durch den von ihm gespielten Ross Geller in NBCs erfolgreicher Sitcom Friends (1994–2004) erreicht

10 Erst im Anschluss an den Serienvorspann werden die Namen der mitwirkenden Schauspieler eingeblendet.

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hat. Die Aufmachung als Greenzo widerspricht nicht nur Schwimmers bisherigem type-casting11, sondern ist lächerlich entworfen. Entsprechend wird das beschreibende Pseudonym Greenzo (ein Kurzwort aus green und zone, das vermutlich jugendliche Zuschauer ansprechen soll) von Liz durch ihre Frage an Jack, „Greenzo, is that the first name that came to your head?“ (S2.05: 01:29 min.) und ihr anschließendes „Wow!“ ironisch als uninspiriert kommentiert. Greenzos Kostüm, das ihn comichaft als Umwelt-Superheld erkennbar machen soll, wirkt ebenfalls einfallslos und albern. Die verkehrtherum getragene Baseballkappe, die Bezüge zur Jugendkultur herstellen soll, erscheint durch das aufgedruckte Konterfei einer lachenden, anthropomorphisierten Erdkugel töricht. Das auf Greenzos Brust gedruckte gelbe Logo weist augenfällige Parallelen zum ‚Grüner Punkt‘- und dem Recycling-Symbol auf, referiert aber auch auf das populäre Superman-Logo, wodurch Greenzos vermeintlich heldenhafte Eigenschaften wie Mut, Integrität und Gerechtigkeitssinn betont werden (vgl. Abb. 1). Da Greenzo in der Erzählung Jacks Geistesprodukt darstellt, gelingt es 30 Rock durch seine Aufmachung, Jacks Absicht zu verspotten, ökologische Nachhaltigkeit für die Steigerung des Unternehmensprofits zu missbrauchen. Das Recycling-Symbol auf Greenzos Kostüm suggeriert hierbei, Jacks Konzept wegzuwerfen, finanziell erfolgreich im Fahrwasser des Umweltschutzes fahren zu wollen.

Abb. 1: Greenzo (Screenshot)

11 Zahlreiche Gaststars in 30 Rock agieren konträr zu ihren etablierten (Star-)Images, womöglich um dieses ironisch zu untergraben (u.a. Matt Damon, Jon Hamm, Julianne Moore).

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Greenzo, der in der Handlung von dem fiktiven Schauspieler Jared dargestellt wird, tritt wenig später in der Today Show12 auf, um auf NBCs Umweltschutzinitiative aufmerksam zu machen. Die als Mise en abyme angelegte Szene zeigt Jack im Autorenzimmer von TGS, der begeistert und zusammen mit Liz, Greenzo und TGS-Mitarbeitern die Aufzeichnung von Greenzos Auftritt im Fernsehen verfolgt. Im Gespräch mit der realen Today Show-Moderatorin Meredith Vieira13 erscheint Greenzo als Umweltaktivist fadenscheinig, denn er ruft auf: „Kids, you can tell your parents to buy a GE front-loading washing machine to save water.“ (S2.05: 03:52 min.) Sein Argument, die GEWaschmaschine würde Wasser sparen, ist zwar plausibel, seine absurde Schlussfolgerung, „’Cause if the Earth’s not here, where else is Greenzo gonna dance?“ (S2.05: 04:00 min.), und eine verschrobene Breakdance-Einlage unterstreichen jedoch Greenzos clowneskes Image. Er präsentiert sich als narzisstisch und liefert keine stichhaltigen Gründe, weshalb die Erde geschützt werden müsse. Das von Vieira im Anschluss ausgesprochene Lob, Greenzo rette die Welt (vgl. S2.05: 04:08 min.), belegt in diesem Kontext 30 Rocks implizierte Kritik, dass Informationssendungen dem Unterhaltungsfaktor von Beiträgen einen höheren Stellenwert beimessen als substantiellen Inhalten. Auch das von Greenzo angesprochene Kinderpublikum dient 30 Rock dazu, eine konventionelle Werbestrategie des Fernsehens offenzulegen. Da Kinder leicht durch Werbebotschaften oder Fürsprecher zu beeindrucken sind und ihre Eltern motivieren, entsprechende Produkte in Betracht zu ziehen, appelliert Greenzos comichafte Vorstellung diegetisch vorrangig an kindliche Zielgruppen. Die diegetische NBC handelt bisher keineswegs verantwortungsbewusst im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit. Greenzos Darbietung zeigt stattdessen, dass er von Jack instrumentalisiert wird, um umweltschonende Erzeugnisse des Mutterkonzerns GE in NBC-Sendungen der Erzählwelt anzubieten. Durch die verbale und visuelle Anpreisung der existenten umweltfreundlichen GE-Waschmaschine in dieser Szene betont 30 Rock, dass sich die Sitcom ebenfalls durch Produktplatzierung oder -integration finanziert14 und parodiert die eigene Konstrukthaftigkeit als NBC-Show, in der GE-Produkte angepriesen werden (müssen). 12 Das seit 1952 ausgestrahlte Morgenmagazin hat sein Studio tatsächlich im Rockefeller Center. 13 In 30 Rock treten regelmäßig NBC-Stars oder -Moderatoren auf, wodurch ihre Sendungen oder Produktionen empfohlen werden (cross promotion). Hervorzuheben ist u.a. Jerry Seinfelds illusionsdurchbrechende Promotion seines umweltfreundlichen Kinofilms Bee Movie (2007) in „SeinfeldVision“ (S2.01). 14 Die Produktintegration wird in 30 Rock oft metafiktional oder selbstreflexiv betont, u.a. in „Jack-Tor” (S1.05), „Klaus und Greta” (S4.09), „Rosemary’s Baby” (S2.04), „Somebody to Love” (S2.06), „Live Show” (S5.04).

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Zunächst erfüllt Jared als Greenzo die Rolle des scheinbar umweltbewussten Unternehmenssprechers, handelt aber ausschließlich aus selbstsüchtigen Motiven.15 Zu Jacks und Liz’ Überraschung wird sich Jared allerdings der potentiellen Macht seiner Rolle als Greenzo bewusst,16 mit dem er zunehmend verschmilzt. Er gibt den TGS-Mitarbeitern hochnäsige Hinweise zu umweltfreundlichem Verhalten und möchte unablässig mit Greenzo angesprochen werden. Am eindringlichsten17 wird Liz wegen ihres mangelnden Umweltschutzes kritisiert, was darauf zurückzuführen ist, dass sie als Hauptfigur die umworbene Zielgruppe von 30 Rock vertritt (vgl. Fußnote 28). Auf Greenzos Frage, ob sie ihren Laptop die Nacht über angeschaltet ließ, rechtfertigt sie sich damit, dass der Computer Ewigkeiten benötige, um hochzufahren. Greenzo entgegnet sarkastisch: „Hey, you know what else takes a long time? Building a new Earth.“ (S2.05: 09:02 min.) Greenzos implizierter Vorwurf, Liz würde sich gegenüber der Umwelt rücksichtslos verhalten, zeigt sich auch in der hyperbolischen Metaphorik seiner Frage, ob ihr Styropor-Kaffeebecher das Blut der Erde beinhalte (vgl. S2.05: 09:42 min.), sowie in seinem höhnischen Kommentar zu ihrer Aktion, das Büro zu verlassen, ohne die Beleuchtung auszuschalten: „Good job. Leave all the lights on for the invisible people.“ (S2.05: 09:55 min.) Liz’ daraus folgende Reaktion, Jack um Jareds Entlassung zu bitten, da dieser seine Rolle zu ernst nähme (vgl. S2.05: 12:29 min.), zeigt, dass Greenzos zynische Rhetorik ihr gegenüber kontraproduktiv ist, legt aber ebenfalls die von ihm kritisierte Scheinheiligkeit des Senders offen:

15 Jareds Anleitung, Liz möge seinen nächsten Beitrag für die Today Show derart schreiben, dass Greenzo „wry and wise, but also very sexual“ wirke (S2.05: 04:42 min.), ist für die realen Zuschauer aufgrund von Jareds Fehleinschätzung amüsant. Da seine bisherige Greenzo-Darstellung weder sinnlich, ironisch noch sexy ist, erweist sich Jared als realitätsfremder Opportunist. 16 Die Ursache für Jareds Sinneswandel wird nicht genannt. Naheliegend ist aber, dass er während seines Auftritts in der Today Show von Vieiras befürwortender Reaktion inspiriert wird, denn die folgende halbnahe Einstellung suggeriert seinen Moment der Erkenntnis (vgl. S2.05: 04:10 min.). 17 Auch Cerie (Katrina Bowden), die unschlüssig vor dem geöffneten Kühlschrank im Autorenzimmer steht, wird von Jared/Greenzo zurechtgewiesen: „Decide what you want before you open the refrigerator. You just released enough hydrofluorcarbons to kill a penguin. This penguin.” (S2.05: 06:27 min.) Greenzos hervorgebrachter Grund, Kühlschränke nicht unnötig geöffnet zu lassen, da sie Fluorkohlenwasserstoff freisetzen, ist korrekt. 30 Rock parodiert jedoch mithilfe von Greenzos übertriebener Effekthascherei, ein Bild des angeblich just getöteten Pinguins hochzuhalten, das er (der fiktionalen Logik widersprechend) bei sich hat, die verbreitete Maßnahme von audiovisuellen Informationsmedien, die Kausalität komplexer Sachverhalte zu simplifizieren, indem Bilder der dramatisch betroffenen Individuen gezeigt und die Rezipienten dadurch emotional angesprochen werden.

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GREENZO You people make me sick. You act like you care, but you do nothing. Do you even bother to compost your own feces? LIZ Look, I got a lot of real work that I have to do right now, so I’m not really interested in having some actor lecture me. GREENZO Are you saying actors can’t change the world? I guess nobody bothered to tell Sharon Stone. I always knew I could make a difference. And now I finally have my platform. So let’s have a little less yappity-yap and a little more clackity-clack. (S2.05: 09:35 min.; Kursivierungen hinzugefügt)

Greenzos direkter Angriff, Liz onomatopoetisch nur Gerede („yappity-yap“) und mangelndes ökologisches Engagement in Form des Schreibens seiner Texte („clackity-clack“) zu unterstellen, bricht ironisch mit seiner vormaligen heuchlerischen Haltung, akzentuiert aber auch die Tatenlosigkeit der diegetischen NBC zu effektivem Umweltschutz. Die in dem Dialog geäußerte Kritik an der sozialen Bigotterie und die immanente Spannung werden durch Greenzos absurde Frage, ob Liz in Erwägung gezogen hätte, ihre Fäkalien zu kompostieren, komisch entlastet (comic relief). Die aktuelle kulturelle Referenz auf Sharon Stone funktionalisiert 30 Rock hingegen als zynischen Verweis darauf, dass Showgeschäft-Stars nicht nur die öffentliche Meinung beeinflussen und das Bewusstsein für umweltrelevante oder politische Themen schärfen können, sondern teilweise karitative Veranstaltungen instrumentalisieren, um eigene Produkte zu verkaufen oder in der Öffentlichkeit anerkannt zu werden.18 Die hervorgehobenen Dialogzeilen zeigen Jareds Wunsch, als Schauspieler die Zuschauer dahingehend zu bewegen, ihr umweltbezogenes Verhalten zu verbessern. Spätestens an dieser Stelle fragen sich die 30 Rock-Zuschauer, weshalb Schwimmer in der Episode nicht als er selbst auftritt, der sodann Greenzo verkörpern könnte. Da Jared als Akteur verhältnismäßig stereotypisiert gezeichnet ist und sich unsympathisch präsentiert, liegt die Vermutung nahe, dass er sich als autonome Figur deutlich von Schwimmer unterscheiden soll. Die selbstreflexive Spiegelung der schauspielerischen Vermittlung, ‚David Schwimmer spielt den Darsteller Jared, der das Umweltmaskottchen Greenzo

18 Sharon Stone hatte im November 2006 kurzerhand ihr Erscheinen bei der Versteigerung einer Barbie-Puppe in Sharon-Stone-Optik zugunsten einer Kinder-AidsStiftung mit der Begründung abgesagt, dass ihr die Puppe nicht ähnlich sähe. Diese zur Schau gestellte Eitelkeit erschien sogar dem narzisstischen Hollywood unangemessen (vgl. FAS: 56).

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verkörpert‘, ermöglicht, dass Greenzo die TGS-Mitarbeiter repräsentativ für das rücksichtslose Verhalten der amerikanischen Bevölkerung kritisieren kann, das reale Publikum jedoch die einhergehenden umweltfreundlichen Lehren mit dem Schauspieler David Schwimmer verbindet. Da Greenzos Vorschläge unbestreitbar dazu beitragen, im privaten und im professionellen Alltag Strom zu sparen, sensibilisiert sein vorwurfsvolles Verhalten gegenüber den TGSMitarbeitern die Zuschauer für ökologisch nachhaltige Maßnahmen, ohne sie zu bevormunden. Während seines nächsten Live-Auftritts in der Today Show, den Liz mit Jack in seinem Büro am Fernseher verfolgt, fällt Greenzo vollends aus der vorgesehenen öffentlichen Rolle.19 Seine Äußerung, dass Unternehmen mit ihren doppelgesichtigen Bonzenchefs die Erde aus Gier zerstören (vgl. S2.05: 13:09 min.), ist vernichtend für das grüne Image der diegetischen NBC. Abwechselnd zu Greenzos kurzem Monolog, der wirtschaftlich selbständige Organisationseinheiten wie NBC als Schuldige für die anhaltende Umweltzerstörung bloßstellt, werden reaction shots von Jack gezeigt, sodass ihn die Montage als einen von Greenzo beschimpften „fat cat executives“ (S2.05: 13:12 min.) ausweist. Greenzos anschließende klimapolitische Behauptung, die globale Erwärmung könne in fünf Jahren gestoppt werden, falls die aktuellen Steuern für die Superreichen um zwei Prozent angehoben würden (vgl. S2.05: 13:20 min.), belegt seine Wandlung vom unternehmenshörigen zum -kritischen Klimaschützer. Er weist die Öffentlichkeit auf die ökologisch ambivalente Rolle von Unternehmen hin und torpediert seine diegetischen Arbeitgeber NBC und GE. Greenzos stark vereinfachende, populistische und von pauschaler Schuldzuweisung gekennzeichnete Behauptung unterminiert zwar seine eigene Glaubwürdigkeit, regt aber die 30 Rock-Zuschauer dazu an, eine potentielle Umgestaltung der Unternehmenssteuer im Sinne des Klimaschutzes zu erwägen. Während des anschließenden Gesprächs zwischen Jack und Greenzo offenbart sich indes, dass Machtbesessenheit verantwortlich20 für Greenzos unternehmensfeindliches Verhalten ist, der daraufhin von Jack entlassen wird.21

19 So reagiert er unhöflich auf Vieiras Frage, ob elektronische Geräte auch im Standby-Modus Strom verbrauchen, indem er ihr frech vorhält, ihm ins Wort zu fallen. 20 Auf Jacks Erinnerung, unternehmensfreundlich zu agieren, erwidert Greenzo seinen verrückten Zukunftstraum: „While you’re out there destroying the Earth, I’ll be saving it. And history will remember me. When I die, they’ll want to put my face on money, if there were money in the future instead of just hugs.“ (S2.05: 14:45 min.) 21 Greenzos Selbstüberschätzung, unersetzbar zu sein, zeigt sich auch in der lächerlichen Auflehnung gegen seine Kündigung, denn er vergleicht sich mit den meteorologischen Erscheinungen Wind und Hurrikan und fragt rhetorisch, ob Jack diese Phänomene entlassen könne. In der anschließenden halbnahen Einstellung wird

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Für die Auseinandersetzung mit ökologischen Aspekten in Serien wie 30 Rock setzte NBC auf das für die Green Week entwickelte behaviour placement. Die Verhaltensplatzierung beinhaltet, dass sich ausgewählte Figuren im Hinblick auf relevante soziopolitische Themen wie ökologische Nachhaltigkeit (oder auch gesunde Ernährung) umsichtig verhalten und Vorbilder für das Publikum darstellen, das üblicherweise bereit ist, die alternativen Auffassungen von beliebten Stars zu unterstützen. Die Hauptfiguren in „Greenzo“ stehen dem Umweltschutz entweder ignorant gegenüber (Liz) oder unterstützen ihn aus ökonomischen und narzisstischen Gründen (Jack, Jared/Greenzo). Sie repräsentieren die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die für die ökologische Nachhaltigkeit empfänglich gemacht werden sollen. In der finalen Szene agiert Al Gore als starpolitisches Gegengewicht zu den Figuren und als Vorbild in der Rolle des Umweltaktivisten,22 der substantielle klimapolitische Anregungen unterbreitet und dadurch das Engagement der realen NBC Universal und GE unterstützt. Da die Today Show einen weiteren grünen Beitrag ausstrahlen möchte, hat Jack mehrere Kinder in das TGS-Studio eingeladen, die T-shirts mit einem ‚Greenzo is Universal‘-Aufdruck tragen (in Anspielung auf die reale Umweltschutzkampagne Green Is Universal) und um ein geistloses Bühnenbild platziert werden. Dieses zeigt eine zentral aufgehängte, aus Schaumstoff gefertigte und anthropomorphisierte Erdkugel, die am Bühnenrand von künstlichen Blumen gesäumt wird. Nachdem Jack von Liz befragt wird, wer künftig Greenzos Platz einnehmen soll, zeigt ein überraschender Umschnitt, dass Gore auf sie beide zukommt. Er scheint Jack seit längerem zu kennen und fragt enthusiastisch nach dessen angekündigten Müll betriebenem Kraftfahrzeug, das von GE hergestellt werden soll.23 Jacks Bekanntmachung basiert jedoch auf der Vorspiegelung falscher Tatsachen, um Gore in das Studio zu locken, der den anwesenden Kindern werbewirksam den unsinnigen Gedanken erklären soll, „how big business is good for the environment“ (S2.05: 18:07 min.). Gore lehnt Jacks Angebot ab und empfiehlt NBC stattdessen einige umweltfreundliche Schritte.

Greenzos Wirkung dadurch verhöhnt, dass sein Cape dramatisch flattert, weil es durch eine nicht sichtbare, somit absurd illusionsdurchbrechende Windmaschine bewegt wird. 22 Die Ursache, weshalb Gore, der als 45. Vizepräsident der Vereinigten Staaten unter Bill Clinton bekannt ist (1993–2001), in 30 Rock auftritt, ist auf sein einflussreiches und langjähriges umweltpolitisches Engagement zurückzuführen, u.a. agierte er in Davis Guggenheims Oscar prämiertem Dokumentarfilm An Inconvenient Truth (2006) und ist 2007 zusammen mit der Organisation Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. 23 Al Gore hatte während eines Auftritts in der am 13.05.2006 ausgestrahlten Episode Saturday Night Live (S31.18) selbst von einem Müll betriebenem Auto gesprochen.

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| Désirée Kriesch AL GORE If your network really wants to demonstrate a commitment to the environment, why don’t you start by, for example, having an entire week with nothing but environmental themes on all the programs? Use entertainment for substance. You could have a character in prime time making a passionate argument to the American people that we need CO2 taxes to replace the payroll taxes. Your parent company could lobby Congress and the President to pass the treaty and save the climate! JACK Yes. Or you could put on a silly hat and tell the kids how outsourcing means cheaper toys at Christmas. AL GORE This is not working for me, Jack. (S2.05: 18:49 min.)

Als verbürgter Umweltaktivist, der in der Szene bezeichnenderweise eine dunkelgrüne Krawatte trägt, artikuliert Gore seine Tipps zu klimapolitischem Handeln nicht belehrend. Indem er Liz und Jack ausgewählte soziopolitische Maßnahmen erklärt, appelliert er effektiv an 30 Rocks Publikum, Veränderungen herbeizuführen und verdichtet die ökofreundliche und unterhaltsame Verfahrensweise der realen NBC. Da Gore zur Hauptsendezeit leidenschaftlich dafür plädiert, Lohnsteuern durch Kohlenstoffdioxid-Steuern zu ersetzen und vorschlägt, dass NBC sein Umweltengagement dadurch demonstrieren könnte, indem verschiedene Sendungen ökologische Themen aufgreifen, reflektiert sein Beitrag 30 Rocks Vorgehen pointiert. Die nachfolgende absurde Erwiderung von Jack, Gore könnte den Kindern im Studio doch einfach erklären, dass ‚Outsourcing billigere Geschenke zu Weihnachten bedeutet‘, zeigt indes erneut ungeschönt, wie Unternehmensfürsprecher mit griffigen Parolen hantieren, um unkritische Zuschauer von fragwürdigen ökonomischen Praktiken zu überzeugen. Greenzos finaler Auftritt (er erscheint in einem zerzausten Kostüm, das sein erfolgloses Unterfangen versinnbildlicht, als Umweltschützer zu überzeugen) entlastet die durch Gores Zeilen entstandene ‚Ernsthaftigkeit‘ der Szene. Er weist Jack hysterisch an, zu verschwinden oder andernfalls vernichtet zu werden (vgl. S2.05: 19:03 min.), woraufhin Jack versucht, den größenwahnsinnigen Greenzo vom Betreten der Bühne abzuhalten. Es schließt sich eine Verfolgungsjagd in Slapstick-Manier sowie beider symbolträchtiges Gerangel um die aufgehängte Erdkugel an. Der parallel dazu stattfindende Abgang von Gore ist in Bezug auf sein Image als Umweltschützer erfrischend selbstironisch: Er unterbricht Liz, die zu ihm spricht, da er plötzlich den Hilfeschrei eines Wals zu vernehmen glaubt. Seine aufhorchende Reaktion ist mit einem äolischen, ehrer-

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bietigen Soundtrack unterlegt. Sowohl der Soundtrack als auch Gores Verhalten, sogleich sein Jackett abzustreifen und davonzueilen, um zu helfen, kommentieren sein Umweltengagement amüsant hyperbolisch und bestätigend als heldenhaft. Nachdem Greenzo durch einen Tritt unter Jacks Gürtellinie die aufgehängte Erdkugel für sich beanspruchen kann, verliert er das Gleichgewicht, woraufhin der Globus in einen stehenden Scheinwerfer gerät und Feuer fängt. Das letzte Szenenbild zeigt die Requisite in Flammen und illustriert comichaft, dass Jacks Ehrgeiz, finanziellen Profit aus der ökologischen Nachhaltigkeit zu schlagen, und Greenzos übertriebene Selbstsucht, Ansehen als Klimaschützer zu erlangen, unvereinbar mit dem Ansinnen sind, gesellschaftspolitische Veränderungen zu bewirken. Das Feuer als Zerstörungsquelle der Requisiten-Erde signalisiert auch symbolhaft, dass die Zukunft des Planeten bei unveränderter Wirtschafts- und Klimapolitik von globaler Erwärmung überschattet wird. Liz’ abschließender Kommentar, „This Earth is ruined. We gotta get a new one.“ (S2.05: 19:30 min.), bringt die Zuschauer nicht nur zum Lachen, sondern regt sie an, ihr eigenes klimapolitisches Handeln zu reflektieren. Liz’ Replik bezieht sich buchstäblich auf den notwendigen Austausch des Bühnenbildes, kommentiert aber sinnbildlich, dass die reale Erde nicht ausgewechselt werden kann und unbedingt geschützt werden müsse. *** In der Erzählung soll Greenzo NBCs Sozialverantwortung für ökologisches Handeln publik machen. Die von Jack offengelegte Absicht, mithilfe des grünen Images finanzielle Gewinne für den Sender zu erzielen, ermöglicht es 30 Rock, die potentiellen ökonomischen Motive der realen NBC zu persiflieren. 30 Rock gelingt es humorvoll, faktische umweltfreundliche Hinweise in der Erzählung zu lancieren, aber auch die eigene Werberolle im Mediensystem NBC Universal offenzulegen. Durch die satirische Beleuchtung von GEs Klimaschutzkampagne bezieht die Sitcom eine kritische Position zum Mutterkonzern. 30 Rock parodiert NBCs Bestreben, grün zu werden, weil sich GE zum damaligen Zeitpunkt für zahlreiche ökologische, zivile und ethische Fehltritte

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verantworten musste,24 sodass die unternehmensweite Öko-Initiative fragwürdig erschien. „Greenzo“ impliziert durch den Verweis auf NBCs Werbeeinnahmen allerdings auch, dass unterhaltsame Fernsehsendungen, die gesellschaftspolitische Denkansätze zeigen wollen, finanziert werden müssen und auf Sponsoring angewiesen sind. In diesem Kontext vermochten die Starauftritte von Schwimmer und Gore hohe Einschaltquoten zu erzielen, und die Anzeigen in den Werbeunterbrechungen von 30 Rock konnten vermutlich lukrativ verkauft werden (mit 6,6 Millionen Zuschauern erzielte „Greenzo“ die höchsten Einschaltquoten der zweiten Staffel nach der Eröffnungsfolge „SeinfeldVision“ (S2.01)). Ebenso ist vorstellbar, dass das behaviour placement gezielt solche Sponsoren ansprechen soll, die mit sozialverantwortlichen Unterhaltungssendungen assoziiert werden wollen. Die in der Episode enthaltene Botschaft, die Zuschauer mögen ihr individuelles Verhalten in Bezug auf Umweltschutz überdenken, ist somit für solche Unternehmen relevant, die umweltfreundliche Produkte in den Werbepausen anpreisen wollen (z.B. Hybridfahrzeuge, BioLebensmittel).25 Durch die Produktplatzierung von umweltschonenden Artikeln in diversen Sendungen profitiert NBC zweifellos finanziell. Dennoch ist festzuhalten, dass der Sender die Umweltschutz-Initiative seit 2007 konsequent fortsetzt. Im Sinne des Konzepts zur Nachhaltigkeit, bei dem Ökonomie, Ökologie und Soziales kooperieren, schlägt sich NBCs Umweltaktivität als laufende Kampagne in der Programmgestaltung ebenso nieder (vgl. Green Week, Earth Week oder die 30 Rock-Episode „Sun Tea“ (S4.06), in der TGS die CO2-Bilanz senken soll und erneut Al Gore auftritt, um u.a. seinen Scherz zur Walrettung ‚wiederzuverwerten‘) wie in der Produktionsgestaltung von TV-Shows und involviert Zuschauer, Sponsoren sowie die eigenen Mitarbeiter.26 24 Die US-amerikanische Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) hat den Konzern 2001 dazu verpflichtet, 60 Kilometer des verseuchten Hudson River-Grundes zu sanieren. Bei der Produktion elektronischer Kleinteile hatte GE krebsauslösende Chemikalien verwendet, die bis 1977 ungeklärt im Hudson River verklappt wurden (vgl. Schraven). 30 Rocks satirischer Umgang mit diesem Skandal erfolgt u.a. in „Secrets and Lies“ (S2.08). Weitere GE-Vergehen listet die Website auf. 25 Der NBC Mediengruppe gelang es, während der Green Week 2007 einen Umsatz von 20 Millionen US-Dollar zu erwirtschaften und neue Sponsoren zu gewinnen (vgl. Chozick 2010). 26 Die Produzenten von Unterhaltungssendungen werden von der Geschäftsführung seit 2007 dazu angehalten, wenigstens einmal pro Jahr einen Handlungsstrang mit ökologischem Thema in die jeweilige Show einzubauen (vgl. Chozick). Ökologische Nachhaltigkeit wird aber v.a. hinter den Kulissen von Fernsehsendungen praktiziert, z.B. durch die Verwendung von Energiesparlampen, Mehrwegflaschen, biologisch abbaubaren Reinigungsmitteln oder durch den Einsatz von hybriden Fahrzeuge und abwaschbarem Geschirr (vgl. Greenisuniversal.com).

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*** Schwimmers Gastauftritt hat nicht nur enorme Zugkraft für 30 Rocks Aufruf zur ökologischen Nachhaltigkeit, sondern steht repräsentativ für 30 Rocks Verfahren, durch die Nennung oder die Gastauftritte von Stars aus vormaligen NBC-Donnerstagabendserien den eigenen Sendeplatz im DonnerstagabendProgrammblock zu ehren, der von NBC als ‚Must See TV‘27 bezeichnet worden ist. Die Sitcom verweist hierbei auf einige erfolgreiche Parameter von ‚Must See TV‘-Shows, an denen sie sich orientiert, die sie aber auch oft selbstbezüglich diskutiert.28 Die Besetzung von Schwimmer als Jared/Greenzo ist zudem als ausgewiesene Hommage an NBCs erfolgreiche Sitcom Friends zu verstehen, die

27 Während NBC in den 1980er Jahren mit dem Slogan ‚Best Night of Television on Television‘ warb (erfolgreiche Sitcoms wie Cheers (1982–1993), The Cosby Show (1984–1992) und die Dramaserie Hill Street Blues (1981–1987) liefen zur Hauptsendezeit und bescherten dem Sender ein Drittel seiner Werbeeinnahmen, vgl. San Martin: 32), wurde ab 1994 das Motto ‚Must See TV‘ verwendet, um die Qualität des donnerstagabendlichen Programms zu charakterisieren. NBCs ‚Must See TV‘Programmblock der 1990er Jahre beinhaltete die Ausstrahlung von vier erfolgreichen Sitcoms (u.a. Seinfeld (1989–1998), Friends, Frasier (1993–2004), Will & Grace (1998–2006)) sowie die ab 22 Uhr gesendete Dramaserie ER (1994–2009). Die 1990er gelten auch als NBCs Goldene Dekade, da Sitcoms wie Friends, Seinfeld, Frasier in diesem Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreichten und NBC als umsatzstärkstes Fernseh-Network der USA vor den Sendeanstalten ABC, CBS und Fox rangierte. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gelang es NBC jedoch nicht, weitere SitcomDauerbrenner zu produzieren, sodass die Einschaltquoten am Donnerstagabend hinter CBS, ABC und Fox zurückfielen. Auf die sinkenden Zuschauerzahlen reagierte NBC 2006 mit der Kampagne ‚Comedy Night Done Right‘ und sendete zur Hauptsendezeit am Donnerstag die Sitcoms My Name Is Earl (2005–2009), The Office (2005–2013), 30 Rock und Scrubs (2001–2010). Für den DonnerstagabendProgrammblock 2014/15 setzte NBC verstärkt auf Dramaserien und hat beispielsweise die erste Staffel von Tina Feys neuer Satire-Sitcom Unbreakable Kimmy Schmidt (seit 2015) an Netflix abgegeben. 28 Die Erzählung ist in einer Metropole, New York, angesiedelt (ebenso wie Friends und Will & Grace; ER spielt in Chicago). Das Figurenensemble vertritt als Mikrokosmos die USA (vgl. San Martín: 33) und spricht einen breiten Schnitt der amerikanischen Bevölkerung an. Außerdem ähneln die Eigenschaften von Liz Lemon, welche NBCs umworbene Zuschauergruppe repräsentieren, überwiegend denen der Protagonisten aus erfolgreichen ‚Must See TV‘-Shows, als „employed, white, (ostensibly) straight twenty- to thirty-year-old with money to spend in the big city“ (ebd.: 33). Insbesondere diese Wesensarten werden in 30 Rock häufig verhandelt, z.B. durch Jacks Absicht, Shows zu entwickeln („SeinfeldVision“ (S2.01), „MILF Island“ (S2.11)) oder Schauspieler zu engagieren, die nicht nur US-amerikanische Zuschauer in urbanen, sondern auch in ländlichen Regionen begeistern („Season 4“ (S4.01), „Stone Mountain“ (S4.03)).

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im Verlauf aller 30 Rock-Staffeln erwähnt wird.29 Im Gegenzug ist Schwimmers Auftritt charakteristisch für etliche NBC-Stars30, die durch ihre jeweilige Gastrolle die künstlerische und unterhaltsame Qualität von 30 Rock unterstreichen. Die Darbietungen vormaliger NBC-Serienstars konsolidieren zum einen den Kultstatus der jeweiligen TV-Show, untermauern aber ebenfalls 30 Rocks Kultcharakter. Um 30 Rock differenziert schätzen zu können, ist ein gewisser Grad an ‚Serienvorbildung‘ von Vorteil. Im Vergleich zu der ‚leichten Lektüre‘ von Sitcoms wie Two and a Half Men (2003–2015) oder How I Met Your Mother (2005–2014) präsentiert 30 Rock den Humor enorm verdichtet und ist angefüllt mit gesellschaftlichen Subtexten und Anspielungen auf andere Serien. Die Rezeption der Serie kann, wie auch von Quality TV im Allgemeinen, möglicherweise ein Element eines Lebensstils repräsentieren, mit dem sich Zuschauer von anderen abgrenzen (vgl. Winter).

29 Z.B. in „Jack-Tor“ (S1.05), „Subway Hero“ (S2.12), „Larry King“ (S4.12), „Hey, Baby, What’s Wrong“ (S6.06), „What Will Happen to the Gang Next Year?“ (S6.22). 30 Friends-Star Jennifer Aniston tritt z.B. in „The One with the Cast of Night Court” (S3.03) als Claire auf, während das Ensemble der realen NBC-Sitcom Night Court (1984–1992) in einem weiteren Handlungsstrang seine Wiedervereinigung feiert. Auch Jerry Seinfeld gibt in „SeinfeldVision“ (S2.01) einen seiner seltenen Fernsehauftritte nach Beendigung der Sitcom Seinfeld. James Kelsey aus Frasier tritt in „Reaganing“ (S5.05) auf.

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Monster Mash, Monster Trash? Postmoderne Verweisstrukturen in der Animationsserie Ugly Americans Solange Landau

Die animierte US-amerikanische Serie Ugly Americans (2010–2012) wurde in zwei Staffeln mit insgesamt 31 Episoden auf dem Kabelsender Comedy Central ausgestrahlt, ist allerdings nie vollständig auf DVD erschienen, was die Rezeption insgesamt deutlich erschwert.1 Entwickelt wurde sie von Devin Clark und David M. Stern; letzerer war in den 1990er Jahren gar als Autor bei der Produktion von The Simpsons (seit 1989) involviert. Die sich an ein adultes Publikum richtende Serie Ugly Americans zeichnet sich durch ihre popsurrealen und postmodernen Elemente aus und strotzt geradezu von intertextuellen Verweisen sowie kulturellen Bezügen auf die USA des 21. Jahrhunderts. Doch bislang werden vor allem Animationsproduktionen, zu denen z.B. ebenso South Park (seit 1997), Drawn Together (2004–2007), Archer (seit 2010), Bob’s Burgers (seit 2011) oder BoJack Horseman2 (seit 2014) gehören, vom Quality Television-

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In den USA ist lediglich eine DVD-Box mit ausgewählten Episoden der ersten Staffel erschienen; in Deutschland ist die Serie meist unvollständig im Angebot verschiedener Video-on-Demand-Anbieter erhältlich. Dieses Beispiel steht symptomatisch für den Wandel in diesem Bereich, handelt es sich hierbei doch um die erste Eigenproduktion im Bereich der Animationsserien für Erwachsene des Streamingdienstes Netflix, aus dessen Produktionsschmiede ja bisher preisgekrönte Formate wie House of Cards (seit 2013) oder Orange is the New Black (ebenfalls seit 2013) stammen.

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Diskurs rigoros ausgeschlossen3 — einzige Ausnahme scheinen bislang die Simpsons zu bilden.4 Und dies, obwohl die Masse an sogenannten ‚Qualitätsserien‘ den Markt zu überschwemmen scheint und keine klare Linie mehr gezogen werden kann, wodurch der bisherige QTV-Begriff immer mehr in Frage gestellt wird. Nicht nur diese Engmaschigkeit von Kanon und Diskurs machen eine dringende Aktualisierung des Quality TV-Begriffs notwendig, auch die zunehmenden Innovationen in den Bereichen Animation oder Comedy verlangen geradezu nach einer Neuorientierung im Forschungsbereich. Das Figurenrepertoire und der absurd-satirische Plot lassen Ugly Americans aus der Masse an animierten Fernsehproduktionen hervorstechen: Die Serie erzählt vom Alltagsleben eines Sozialarbeiters in Manhattan und thematisiert dabei aktuelle Themen wie Integration, Rassismus und Multikulturalität. Zwar liegt dem Ganzen das aktuelle New York City zugrunde, doch befinden wir uns hier augenscheinlich in einem Alternativuniversum: Die Metropole ist bevölkert von einem abstrusen Figurenensemble, unter anderem bestehend aus Werwölfen, Zombies, Dämonen oder humanoiden Tierwesen. Dieses Setting voller hybrider Identitäten stellt dabei beiläufig die auch in der Realität des Zuschauers verwaschene Grenze zwischen ‚Ich‘ und ‚Andersartigkeit‘ zur Schau. Zentrale Figur ist der junge Mark Lilly, Mitarbeiter in der Integrationsbehörde — dem Department of Integration’s Social Services Division — und scheinbar der einzig verbliebe ‚normale Mensch‘ in der Metropole. So ist seine Freundin Callie Maggotbone nicht nur ein halber Succubus5, sondern zugleich die Tochter des leibhaftigen Teufels (Aldermach ‚Mac‘ Maggotbone) und dessen ExFrau Rosie6 — der Eingang zur Hölle (einem Shopping-Paradies für Touristen) befindet sich direkt in New York City —, während Marks SpannerMitbewohner Randall Skeffington es als Zombie mehr als einmal auf sein Gehirn abgesehen hat. Marks einziger Mitarbeiter in der Behörde ist der Zauberer Leonard Powers, der seine Kräfte allerdings eher dazu benutzt, um sich aus jeglicher Affäre zu ziehen und in Ruhe Alkohol konsumieren zu können. Und auch der kaum Grenzen kennende Sicherheitschef Grimes, Vater von zahlreichen Töchtern mit verdächtig nach realen Prominentenkindern klingenden 3 4 5 6

Und das obwohl einige der genannten Serien mehrmals erfolgreich für den Primetime Emmy Award for Outstanding Animated Program der Academy of Television Arts & Sciences nominiert waren — eine Kategorie, die seit 1979 vergeben wird. Vgl. dazu exemplarisch Mittell 2004 und Danneil 2014; Ferstl/Sarkhosh stellen die Simpsons gar auf eine Stufe mit The Sopranos (vgl. Ferstl/Sarkhosh: 7). Als Dämon versucht sie ebenso wie Chef Twayne den Weltuntergang herbeizuführen — dies bezeichnet sie auch als ‚Teil ihrer Kultur‘. Die wie eine leicht gealterte Mia Farrow in ihrer Rolle als Rosemary Woodhouse in Roman Polanskis Film Rosemary’s Baby (1968) aussieht.

Monster Mash, Monster Trash?

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Namen, ist genauso inkompetent wie der mit einem Mutterkomplex behaftete Chef der Behörde, Dämon Twayne Boneraper. Im Gegensatz zu seinen Kollegen nimmt Mark seine Aufgabe durchaus ernst und versucht (mal mehr, teils weniger erfolgreich) seiner Arbeit enthusiastisch nachzugehen — auch wenn er nicht selten von seinen eigenen Problemen oder denen seines näheren Umfeldes davon abgehalten wird. So treffen sich regelmäßig durchaus illustre ‚Patienten‘, die zu vorbildlichen US-amerikanischen Bürgern (citizen) erzogen und dadurch in die wahrlich multikulturelle Gesellschaft New Yorks integriert werden müssen, zur Gesprächstherapie in Mark Lillys Stuhlkreissitzungen: Der schweigsame (und ehemals als Profikiller tätige) Koalamensch Doug, ein großes Gehirn aus Kanada, der Roboter Erik, eine zweiköpfige Wurmkreatur namens Martin, eine Medusa und Fischmensch Toby sind nur ein Teil des ‚Stammpersonals‘ dieser erlauchten Runde. Hinzu kommen je nach Folge wechselnde Gestalten, wie Mumienmütter, Vampiranwärterinnen, sprechende (und sexuell frustrierte) Drachen, Ameisenpsychopathen und dergleichen mehr.7 Dem Topos des Clash of Civilizations (vgl. Huntington 1997) wird hier eine neue Bedeutung zuteil, wenn all diese bizarren Wesen versuchen (oder eben versuchen müssen), einander zu respektieren und miteinander zu leben.

Theorie am Rande: Von QVT über Trash zur Postmoderne

Seit Robert J. Thompson seine zwölf Punkte zum Thema Qualitätsfernsehen entwickelt hat, arbeitet sich der Diskurs daran ab. Quality TV-Produktionen gelten als ‚nicht wie das restliche Fernsehen‘, brechen Regeln und/oder begeben sich auf neue narrative Wege (vgl. Thompson: 13ff.). Die Problematik einer solchen Herangehensweise bringt nicht nur eine einschränkende „historiographische Dimension“ in das Konzept hinein, auch „ein ästhetisches, womöglich sogar normatives Verständnis läuft Gefahr, einen Kanon kulturell wertvoller Serien festzuschreiben, der einen Großteil anderer fiktionaler Angebote wie Sitcoms aber auch Soap Operas ausschließt“ (Fischer: 122). Aspekte wie geringer kommerzieller Erfolg, Vermischung von Genres, ein komplexer Stil und Selbstreferentialität sind weder zwangsläufig Qualitätsmerkmal, noch können sie als Ausschlusskriterium dienen. Das bisherige Verständnis von Quality TV muss allein schon aufgrund der Kanonisierungsproblematik, wie sie Fischer aufzeigt, überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden.

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Eine entsprechende Liste findet sich unter: .

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Es ist besonders bemerkenswert, dass bislang keine Animationsserie in den Reigen der ‚großen Qualitätsserien‘ aufgenommen wurde; erfolgreiche Dauerläufer wie Family Guy (1999–2003; seit 2005), The Simpsons oder South Park werden zwar mittlerweile diskutiert, allerdings beschränkt sich dies vielmehr auf Einzelaspekte (vgl. etwa Steeves 2005). Um Jahrzehnte ältere Serien wie etwa The Flintstones (1960–1966), The Jetsons (1962–1987), The Pink Panther Show (1969–1980) oder gar — ansonsten breit rezipierte — Sendungen aus asiatischen Ländern (zum Beispiel japanische Animes und OVAs wie Captain Future (1978–1979), Cowboy Bebop (1998–1999), ElfenLied (2004) oder Death Note (2006–2007))8 finden kaum wissenschaftliche Erwähnung in diesem Kontext. Und so werden Serien, die scheinbar jeder ‚Kunsthaftigkeit‘ entbehren und vorrangig der Unterhaltung eines ‚geringen Klientels‘ dienen, gar nicht erst in die Nähe des Quality TV-Kanons und teilweise gar in Richtung ‚Trash‘ gerückt: Unter anderem die Reality-TV/Big Brother-Parodie Drawn Together, die bereits mehrfach ausgezeichnete Geheimagenten-Persiflage Archer, die im Kinderfernsehen erfolgreiche Produktion SpongeBob SquarePants (seit 1999) und eben Ugly Americans erhalten aufgrund einer vermeintlich billigen Machart und mutmaßlich ‚trivialen Geschichten‘ einen Stempel des ‚scheinbar wertlosen‘ — zumindest was den wissenschaftlichen Diskurs anzugehen scheint.9 Der englische Begriff des ‚Trash‘ (Müll, Schund) ist mittlerweile auch im deutschen Sprachgebrauch angekommen und hält als Begriff für etwas künstlerisch ‚Wertloses‘, ‚Minderwertiges‘ her. Dank einer Aufwertung ästhetischer Verfahrensweisen sogenannter Trash-Produktionen im filmischen und wissenschaftlichen Bereich — man denke nur an Quentin Tarantinos und Guillarmo del Toros „Grindhouse“-Filme — und der großen Fanbase von ‚dem guten Geschmack widersprechenden‘ Filmen — die dem deutschen Fernsehsender Tele5 und dessen „SchleFaZ“-Reihe10 gute Einschaltquoten bescheren —

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Gerade japanische Animationsserien werden im Rahmen des westlich-zentrierten Quality TV-Diskurses ausgeschlossen und eher im Bereich der Nationalphilologien besprochen. 9 Allerdings sind all diese Serien regelmäßig in Cartoon-Rankings zu finden. So teilen sie sich zusammen mit bspw. The Woody Woodpecker Show (1957–1958), The Smurfs (1981–1989), ThunderCats (1985–1989), Pinky and the Brain (1995–1998), Star Wars: Clone Wars (2003–2005), und die Plätze der Liste „TV Guide Magazine’s 60 Greatest Cartoons of All Time“. Interessanterweise findet hier eine Vermischung von Kinder- und Erwachsenencartoons aus den letzten knapp 50 Jahren statt. 10 Es handelt sich hierbei um die von Oliver Kalkofe und Peter Rütten geleitete und seit 2013 in bisher drei Staffeln ausgestrahlte satirische Filmreihe „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“. Der jeweilige Film wird zwar vollständig gezeigt, allerdings durch in-show-Einblendungen oder Sequenzen mit den beiden Moderatoren kommentiert.

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rücken solche Produktionen zunehmend in den Fokus des Interesses. Denn: „Trash greift das aus der etablierten ästhetischen Ordnung Marginalisierte und Exkludierte, den vermeintlich ästhetischen Abfall, auf und wertet ihn um. Das Schlechte wird zum Guten, gerade weil es schlecht ist!“ (Sarkhosh: 371) Diese „Form der Gegenästhetik“ ist dabei weniger ein Genre als solches, sondern ein vorwiegend im (Creature-)Horror zu findendes Merkmal und lebt von einer Überzeichnung von Figuren und Handlung, sowie ihrer Affinität zur Pornographie (vgl. dazu ebd.: 372). Vor allem letzteres findet sich in zumeist abgeschwächter Form in Erwachsenenanimationsserien: Explizite oder angedeutete sexuelle Handlungen zwischen den Figuren, zweideutig-schlüpfrige Bemerkungen und entsprechender Witz gehören schon fast zum Standartrepertoire. Ein weiterer Aspekt der genannten Animationsserien ist ihr Spiel mit der außerseriellen Realität — wodurch sie sich in den Kontext der Postmoderne stellen. In jener kommt das Spielerische, das […] Parodistische, das intertextuell Collage- und Zitathafte, die Gattungsmetamorphose, die Mischung von Hoch- und Alltagskultur bzw. die semantische und soziologische Mehrfachcodierung […], die Entdeckungsfreude, das Multikulturelle, das weltanschaulich Offene, Unsichere, Nichtfestgelegte, und schließlich die Vielfalt der Stile und Meinungen stärker zur Geltung (Lützeler: 12f.).

So ist gerade die Mehrfachcodierung hinsichtlich der Rezeptionshaltung von besonderer Bedeutung, denn auch ohne entsprechendes Vorwissen um die intertextuellen Verweise innerhalb der Serie sollte die Handlung versteh- und nachvollziehbar sein. Auf diese Weise entstehen mehrere Ebenen, die je nach Wissensstand des Zuschauers von diesem wahrgenommen werden können — oder eben nicht. Doch wie sich noch zeigen wird, wird auch auf andere der eben genannten Aspekte zurückgegriffen. Aus dem Bereich der Postmoderne (wie er etwa von Jean-François Lyotard in La condition postmoderne (1979) oder von Umberto Eco in seiner Postille al ‚Nome della rosa‘ (1983) skizziert wird) ist es vor allem das Zitieren, Verknüpfen und Weiterverarbeiten verschiedener Elemente (Pastiche), das zu einer Archivierung von Alltags- und Zeitgeschichte führt. So operiert der neue Archivismus — implizit oder explizit — mit der Prämisse, dass die Kultur der Gegenwart und somit unsere Sprache — und damit die Sprache jeder mög-lichen Literatur — immer schon medial und diskursiv vorgeformt ist (Baßler: 184).

Durch die Vielzahl der intertextuellen und intermedialen Querverweise entsteht so bei den ‚neuen Archivisten‘ eine regelrechte „Literatur der zweiten Worte“ (ebd.: 184). Zugleich wird Zeit- und Gesellschaftskritik ebenso verarbeitet wie historisch vergangene und aktuelle Popkultur.

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Im Folgenden wird anhand der Serie Ugly Americans diese postmoderne ‚Archivfunktion‘ und ihre Verarbeitung popkultureller Themen und Artefakte exemplarisch aufgezeigt werden. (1) Film

Die vielfältigen Monsterfiguren, die die Welt von Ugly Americans bevölkern — in der Tat entsteht ein regelrechter Monster Mash —, schwanken durchaus postmodern zwischen Hommage und Parodie, verlangen dem Rezipienten aber auch ein gewisses Vorwissen und Kenntnisse des Horrorfilm-Diskurses ab.11 So ist etwa der Titel der zweiten Episode, „An American Werewolf in America“ (S1.02), ein Verweis auf John Landis’ Horrorklassiker An American Werewolf in London (1981). In der Episode selbst hat Mark Lilly die schwere Aufgabe, in seiner Gesprächsrunde einen Werwolf, der einem Mitmenschen den Arm (samt Ehering) abgebissen hat, zu einer Entschuldigung zu bringen. Nebenbei muss er sich um seinen Kollegen Leonard Powers kümmern, der aufgrund seines erfolgreichen älteren Bruders Christ Angel12 an seinen eigenen Fähigkeiten zweifelt, und begegnet im Verlauf dem Wizard of Copyright Infringement — eine Parodie auf die Figur Gandalf aus Peter Jacksons Lord of the Rings-Trilogie (2001–2003).13 Die Folge „So, You Want to Be a Vampire?“ (S1.06) spielt in erster Linie auf die Twilight-Quadrilogie (2008–2012) an, stellt die inhaltlich ähnlichen Themen und Figuren aber deutlich überspitzt dar, etwa wenn die junge (der Twilight-Figur Bella Swan ähnelnde) Tristan die veränderte Augenfarbe ihres Freundes bemerkt — sowohl inhaltlich wie auch ästhetisch eine Parodie auf besagte Reihe.14 Anstelle von Vampirbissopfern grassiert eine Art Grippe, bei

11 Die Serie kann natürlich zu einem gewissen Teil auch funktionieren, wenn der Rezipient die Anspielungen nicht vollständig versteht, wie dies etwa auch bei The Simpsons u.a. der Fall ist. Mit postmodernen Verweisen auf ein intertextuelles und intermediales Archiv wird jedoch eine zweite Ebene hinzugefügt. 12 Offensichtlich ein Verweis auf den US-amerikanischen Zauberkünstler und Illusionist Criss Angel. 13 Auch das berühmte Zitat „You shall not pass!“ aus The Fellowship of the Ring (2001) wird im Laufe der Episode von dieser Figur gegenüber Mark Lilly ausgesprochen. Als letzterer seine Unterschrift unter ein Dokument setzt, darf er allerdings seinen Weg fortsetzen. 14 Die im Fokus der Twilight-Reihe stehende Vampirfamilie verweigert aus ethischmoralischen Gründen Menschenblut und ernährt sich nur von Tierblut. Aufgrund dessen sind ihre Augen (im Gegensatz zu ihren sich ‚normal‘ ernährenden Artgenossen) goldfarben. Haben sie Hunger, verfärben sich ihre Augen zunehmend dunkel bis hin zu schwarz.

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der sich zahlreiche Menschen im Laufe ihrer Erkrankung in Larry King verwandeln, sodass New York City schnell von älteren Männern mit Rahmenbrille, Hemd und Hosenträgern bevölkert ist.15 Die Vampirfamilie von Tristans love interest — deren Anführer Graf Orlok aus Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu (1922) nachempfunden zu sein scheint — wird im Laufe der Episode zu Unrecht verdächtigt und sucht in Wahrheit nach einem Heilmittel. Hier werden nicht nur Anleihen aus dem Vampirgenre und dem Hype um die Twilight-Reihe verarbeitet, sondern auch Referenzen zum Judentum gezogen, die in der Realität ebenso mit Vorurteilen kämpfen müssen, wie die Vampirangehörigen in Ugly Americans. Ein weiteres Indiz hierfür ist die am Ende der Episode stattfindende Hochzeit, die augenscheinlich nach jüdischem Ritus abgehalten wird.

Abb. 1: King Kong erblickt durch das Fenster die ‚weiße Frau‘ — von links oben nach rechts unten: Im Originalfilm, in Yellow Submarine, in der Simpsons-Episode und in Ugly Americans

Die Episode „Kong of Queens“ (S1.07) ist bereits eine Anspielung auf den ja ohnehin längst fest im popkulturellen Gedächtnis verankerten und unzählige Male parodistisch aufgegriffenen Film King Kong (1933) von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack.16 Bei diesem in Schwarzweiß gedrehten Film wurde 15 Dabei ist der in Brooklyn geborene Journalist und CNN-Talker (Larry King Live, 1985–2010) Larry King selbst ein New Yorker ‚Ureinwohner‘. 16 Mit dem Verweis auf den östlich von Manhattan gelegenen New Yorker Stadtteil Queens spielte etwa auch bereits die Sitcom The King of Queens (1998–2007), deren Serientitel hier gemeinsam mit King Kong kombiniert wird.

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erstmals nicht auf eine literarische Vorlage oder ein mythologisches Motiv zurückgegriffen, sondern das ‚Monster‘ (unter anderem von Edgar Wallace) speziell für die Produktion entworfen. Die Geschichte des Riesenaffen, der sich in eine junge blonde Schauspielerin verliebt und von seiner Insel nach New York verschleppt wird, ist in ihren Grundzügen seit der Premiere nahezu jedem Rezipienten eines Films oder einer Serie ein Begriff. Dies liegt wohl vor allem daran, dass gerade die Bildmotivik von King Kong Eingang in das kulturelle Gedächtnis gefunden hat:17 Bereits Ende 1933 erscheint der Mickey MouseCartoon „The Pet Store“, in dem sich ein Filmgorilla in Minnie Mouse verliebt und sie auf die Spitze eines Haufens gestapelter Kisten entführt — nach dem das sonst harmlose Tier in einem Filmmagazin ein Bild von King Kong gesehen hat. Zahlreiche weitere animierte Neuadaptionen und Bildzitate folgen, unter anderem im von Beatles-Songs inspirierten und begleiteten Film Yellow Submarine (1968)18 oder in der Sequenz „King Homer“ der Simpsons-Episode „Treehouse of Horror III“ (S4.05). Gerade die Animationstechnik scheint sich für solche intermediale Verweise dank ihrer vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten regelrecht anzubieten, was vor allem die Fülle an Zitaten beweist.19 Direkt in der Anfangssequenz von „Kong of Queens“ begibt sich ein Riesenaffe mit einer (an die Figur der Ann Darrow angelehnten) ‚weißen Frau‘ auf die Spitze des Empire State Building. Gleich der ikonischen Filmszene aus dem schwarz-weiß-Film wird auch er von Doppeldeckerflugzeugen aus beschossen — dabei will der Affe lediglich die dreckige Turmspitze reinigen. Die klassische und im kulturellen Gedächtnis verankerte Filmszene wird also ebenso ironisch gebrochen wie die Erwartungshaltung des Rezipienten, zumal der furchteinflößende Affe mit einer hohen Fistelstimme spricht. Natürlich wird auch hier Mark Lilly die Aufgabe übernehmen, den ausgerechnet an Obsessive-Compulsive Disorder (OCD) leidenden Riesenaffen gesellschaftstauglich zu machen — der Topos vom wilden, unbeherrschten und sich prügelnden Affen wird in sein genauestes Gegenteil verkehrt. Der Kong in Ugly Americans ist genauso wenig ‚King‘ wie es sein Kinovorfahre in der Großstadt von New York City ist. Insofern kann die Figur auch als Fortschreibung gesehen werden: Was passiert mit diesem Ungeheuer, wenn es sich nicht von seiner Libido beherrschen lässt und

17 Dank der breiten Rezeption weltweit, im (ost-)asiatischen Raum gerade wegen der japanischen Remakes, in denen King Kong auch gegen andere Monster ins Duell tritt. 18 Dort hat Frankensteins Monster ebenfalls einen ‚Gastauftritt‘. 19 Besonders auffällig ist beispielsweise das Zitat bei den Simpsons: Vom Sekretär bis hin zur Nachttischlampe und der Schüssel auf dem Tisch ist das Setting dem Original nachempfunden, ohne es allerdings nur zu kopieren.

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infolge dessen stirbt? Durch die Triebsublimierung verlagert sich die Energie ins Krankhafte, der Sauberkeitszwang lässt Kong kaum die Wohnung verlassen und schier verzweifeln. Erst als ihm Mark Lilly eine neue Arbeitserlaubnis als Putzkraft verschaffen kann, findet Kong seinen Platz in der Gesellschaft. Am Ende dieser Episode betont Mark als Off-Erzähler nochmals seine Aufgabe und seine Passion als Sozialarbeiter: „For me, it’s about teaching new citizens that, in America, we’re all equal. No matter how ugly.“ (S1.07: 20:29 min.) In der Episode „The Dork Knight“ (S2.16) wird Mark — nach dem Biss eines „Bat Boy“ namens Bruce20, einer bizarren Fledermauskreatur — zum maskierten Verbrechensbekämpfer namens „Batperson“. Dabei nimmt er das Aussehen von Batman (in der von Adam West gespielten Version) aus Leslie H. Martinson Film Batman (1966) an, der allerdings selbst eine Parodie darstellt und wiederum auf die gleichnamige ABC-Serie (1966–1968) zurückgeht — die Entdeckung seiner neuen Kräfte und das Entwerfen eines Kostüms (nachdem er sich zwischen einer Wrestler- oder Verbrechensbekämpferkarriere entschieden hat) rekurrieren dagegen auf Sam Raimis Spiderman-Verfilmung von 2002.21 Seine dunkel verstellte Stimme wie auch der Episodentitel erinnern dagegen stark an die drei neueren Batman-Verfilmungen von Regisseur Christopher Nolan und mit Christian Bale in der Rolle des Titelhelden (Batman Begins (2005), The Dark Knight (2008) und The Dark Knight Rises (2012)). Auch weitere Charaktere des Batman-Universums finden ihre Entsprechung in dieser Episode, so wird die Figur der Catwoman Selina Kyle hier zur anthropomorphen Katze Sabrina Maroney (synchronisiert von Schauspielerin Janeane Garofalo), Anführerin einer Bande von — im wahrsten Sinne des Wortes — „Cat Burglars“. In einem parallelen Handlungsstrang um Marks Mitbewohner Randall versucht dieser sich als Limousinenfahrer für Prominente, um mit einer an HBOs Taxicap Confessions (1995–2006) angelehnten Idee ins Fernsehen zu gelangen.22 Im Laufe der Episode begegnet er so zentralen Schauspielern aus Christopher Nolans The Dark Knight-Trilogie — Morgan Freeman, Christian Bale und

20 Ein Verweis auf Batmans wahre Identität Bruce Wayne. 21 Es findet eine Vermischung von Batman- und Spiderman-Eigenschaften statt: Während das Aussehen an Batman angelehnt ist, entspricht die Idee, durch den Biss eines fremden Wesens besondere Kräfte zu erlangen, der Figur Spiderman. Eine Weiterentwicklung besteht in der Tatsache, dass sich Mark zunehmend optisch in einen Bat Boy verwandelt — allerdings wird er ohne Maske vielmehr für Steve Buscemi gehalten. Und nicht zuletzt tritt Raimis Spiderman zuerst als Wrestler auf bevor er zum Verbrechensbekämpfer wird. 22 Was ihm auch gelingt: HBO kauft seine Sendung „Towncar Confessions“.

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Michael Caine.23 Darüber hinaus spielt die Ästhetik der Serie Ugly Americans insgesamt durch ihre Flash-Animation und die oft großflächigen und in Primärfarben gehaltenen Hintergründe selbst an frühe Comicausgaben von Batman an — und damit an die Ursprünge ihres eigenen Mediums. In der Episode „Journey to the Center of Twayne“ (S2.11) reisen Grimes, Mark und der Zauberer Leonard mit einem verkleinerten Fahrzeug in den Körper ihres Chefs Twayne, wobei verschiedenste (bekannte und erfolgreiche) Filme und Stoffe sowohl inhaltlich als auch bildästhetisch verarbeitet werden, darunter Richard Fleischers Film Fantastic Voyage (1966), Henry Levins Journey to the Center of the Earth (1959) nach dem Jules Verne-Roman Voyage au centre de la terre (1864) und James Camerons Avatar (2009): Da Twayne ein vollwertiger Dämon ist, ist auch sein Inneres äußerst speziell (so die Erklärung); er verfügt über eine eigene Sonne unter der seine körpereigenen Bakterien in einem Stammesverbund (der dem Klischee amerikanischer Ureinwohner entspricht) leben. Grimes verliebt sich unterdessen in die Häuptlingstochter Prinzessin Chlamydia (!) und heiratet sie schließlich auch, während Mark ebenfalls die Gebräuche des Stammes lernen und zu sich selbst finden soll. (2) Kunst

An dieser Episode zeigt sich — vor allem in einer Halluzination von Mark, die klar auf Michelangelos Deckenfresko La Creazione di Adamo (ca. 1511) in der Sixtinischen Kapelle anspielt (vgl. Abb. 2) — auch die Bandbreite der Referenzen in Ugly Americans, die unter diesen Aspekten als popkulturelles Archiv verstanden werden kann. Mark Lilly ist äußerst darauf bedacht, seine Klienten zu guten USamerikanischen Bürgern anzuleiten. Auch wenn seine Erfolgsquote nicht gerade für ihn spricht — es sitzen im Laufe der Zeit stets die gleichen Charaktere in seinem allmorgendlichen Stuhlkreis, und auch seine ‚Fail/Success‘-Pinnwand zeugt von einem Ungleichgewicht —, so stürzt er angesichts des soziopathischen Ameisenmannes Jerry McMillan in eine tiefe Sinnkrise: Scheint sich dieser zuerst Marks Intervention zu öffnen, offenbart sich dies nach kurzer Zeit bereits als Finte und der Sozialarbeiter mit seinen Methoden als gescheitert. Im Inneren seines Chefs Twayne erlebt der Zweifelnde eine Halluzination, die ihn auf eine Selbsterfahrungsreise führt — im Verlaufe dessen gerät Mark in ein Zwiegespräch mit einer Jerry-Projektion seines Unterbewusstseins, der ihn ver-

23 Wie in Ugly Americans üblich, werden Prominente nicht von ihren realen Vorbildern synchronisiert.

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zweifelt um Hilfe bittet. Mark, der wie sich im Laufe der Episode gezeigt hat, gerne eine Art Vaterrolle gegenüber seinen Klienten einnehmen und diese zu besseren Menschen bzw. Wesen wandeln möchte, fantasiert sich nun selbst in die Position Gottes, während die Ameise Jerry die Rolle Adams einnimmt. Dies unterstreicht das schöpferische Element, dass Mark seiner Arbeit und sich selbst zumisst und dessen Nichterfüllung ihn an sich zweifeln lässt. Die psychedelisch-wirkenden Neofarben, in denen er und andere Charaktere in der Halluzination erscheinen, stehen dabei für die Selbstfindungsphase, in der Mark nicht wie bei Twayne in das Innere eines Körpers, sondern in das Innere seiner eigenen Psyche reist — womit eine Doppelstruktur der Handlungsmotivik gegeben wird. In der Episode „Treegasm“ (S1.05) leidet Callie aufgrund ihres HalbMensch-/ Halb-Dämondaseins an PMS — allerdings nicht am Premenstrual Syndrome, sondern an Painful Mortal Shedding (das jedoch mit ähnlichen negativen Syntomen wie Stimmungsschwankungen und Hitzewallungen einhergeht): Sie muss sich häuten und kommt letztendlich als attraktive Venus hervor (vgl. Abb. 3). Auch hier findet sich wieder eine bildästhetische Anlehnung, diesmal an Sandro Botticellis Gemälde La nascita di Venere (ca. 1485). Die Muschel, auf der Botticellis Venus dem Meer entsteigt, findet in der Version von Ugly Americans ihre Entsprechung in einer geschmolzenen mobilen Toilette, auf der sie und Mark unmittelbar vor ihrer ‚Häutung‘ noch miteinander intim waren. Auch sonst entspricht die Bildkomposition dem berühmten Originalgemälde: Auf der linken Seite fliegt der Windgott Zephyr, eng umschlungen von der Brise Aura. Beide sind bemüht, die Liebesgöttin an Land zu blasen […]. Dort wird Venus von einer der Horen, den Göttinnen der Jahreszeiten, empfangen, die ein Gewand für sie ausbreitet. Die Blumen, die die Gewänder schmücken […], zeichnen die Hora als Göttin des Frühlings aus. (Deimling: 52)

Abb. 2: Referenz auf Michelangelos Adam Abb. 3: Verweis auf Botticellis Venus

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Die Figur der Callie, die die Position der Venus einnimmt, ist zentriert und somit im Fokus des Betrachters. Botticellis Zephyr und Aura sind hier ersetzt durch ein Vater-Sohn-Gespann, das im Laufe der Serie mehrmals als Statisten in Erscheinung tritt und in dieser Episode auch keine sonst nennenswerte Rolle einnimmt. Sie dienen der Vervollständigung der Komposition des Gemäldepastiches, sind zwar im Raum leicht nach hinten versetzt, aber dennoch im gleichen Abstand zu Callie wie Mark. Letzterer entspricht der Frühlingsgöttin und eilt (ganz als besorgter Freund) mit einem Tuch zur Bedeckung ihrer Nacktheit heran. Das ganze spielt sich noch dazu in einer an Slow-Motion angelehnten Manier ab, was vor allem die Kunsthaftigkeit und natürlich den Verweis auf das Original betont. Ugly Americans stellt sich auch hier wieder in die Tradition der ironischen Brechung von künstlerischen Zeugnissen, deren Ursprung zwar im kulturellen Gedächtnis verankert ist, die nun hier allerdings mit einem Verfremdungseffekt versehen wird. Eine ähnliche Refernz auf Botticellis Venus findet sich etwa auch in der Simpsons-Episode „The Last Temptation of Homer“ (S5.09)24 — Homer Simpsons neue Arbeitskollegin Mindy Simmons erscheint ihm (im Gegensatz zur tatsächlich stattfindenden Venus-Inszenierung in der Ugly Americans-Serienwelt) während eines Tagtraums als Botticelli-Venus. Auffällig ist, dass es sich stets um Frauenfiguren mit rötlicher Haarfarbe handelt, die Lust und Sexualität verkörpern und denen es von Seiten der Männlichkeit zu widerstehen gilt. Eben jenes Hintergrundwissen um Venus als Liebesgöttin, vor allem unter dem Aspekt der sexuell-sinnlichen Liebe und als Symbol der Fruchtbarkeit, kann als Teil des kulturellen Gedächtnisses vorausgesetzt werden. Und so können sich Serien des Originalbildes als Schablone bedienen, um die jeweilige ‚Botschaft‘ innerhalb der Handlung zu transportieren bzw. zu unterstreichen: In der Episode „Treegasm“ steht die Vereinigung zweier Baumwesen,25 die seit Jahrzehnten aufeinander zuwachsen, kurz bevor und wird nicht nur als großes Festival begangen, sondern auch live im Fernsehen übertragen. Dieses public mating ritual setzt allerdings den männlichen Part Neel nicht nur unter massiven Druck, sondern lässt ihn auch kurzweilig an einer lebenslangen Partnerschaft zweifeln. Liebe, Lust und Sexualität finden ihre thematische Verarbeitung ebenso in dieser Episode, wie der gleichfalls in der

24 Der Episodentitel stellt ebenfalls eine Anspielung auf ein anderes Kunstobjekt dar: Es handelt sich um Martin Scorseses 1988 erschienen Film The Last Temptation of Christ bzw. dessen gleichnamige Romanvorlage (1950) von Nikos Kazantzakis. Beide wurden kontrovers diskutiert und erfuhren so eine starke Popularisierung. 25 Diese Wesen wurden speziell für die Serie kreiert und haben somit keine Entsprechung in Mythologie, Literatur oder Film.

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Figur der Venus vorliegende Aspekt der Fruchtbarkeit — der Anblick der unbekleideten ‚neugeborenen‘ Callie lässt Neel versehentlich vorzeitig zum Höhepunkt gelangen, wodurch die Halbdämonin ihrer Rolle als verführerische Venus erneut gerecht wird — gerade dies liegt in ihrem lasziven Blick und ihrer geraden Haltung begründet, die in dieser Weise von Botticellis Venus abweicht: Kein seitlich scheuer Blick, nur die vermeintliche Reinheit durch die (Neu-) Geburt scheint geblieben. Doch auch das Aufblühen der Natur, das Symbol von Fertilität, findet nach der endgültigen Vereinigung der beiden Baumkreaturen ihre Entsprechung in den nun sprießenden Blüten in den Kronen der Pflanzenwesen. (3) Popkultur

Zu den popkulturellen Referenzen gehören Kurzauftritte der Schauspieler Michael Caine, Al Pacino und Charlie Sheen, des schon in The Simpsons, Family Guy und Futurama (1999–2003; 2008–2013) aufgetretenen Physikers Stephen Hawking als Comicfigur, sowie — unter abgewandeltem Namen26 — Dustin Lieber27 und Lady Hoo Ha28. So löst die an Sängerin Lady Gaga angelehnte (und auch im Fleischkostüm auftretende29) Zombie-Figur starke Fanreaktionen aus: Die Integrationsbehörde wird von unzähligen Zombie-NachahmerInnen überlaufen – ein Trend, der sich erst wieder legt, als mit dem Werwolf Rihanna eine neue Modeerscheinung beginnt. Zugleich verweist die (teils surreale) Eröffnungssequenz der tanzenden Zombie-Sängerin auf Michael Jacksons für die Popkultur bedeutendes Musikvideo „Michael Jackson’s Thriller“30, dessen bekannte Tanzszene auf dem Friedhof hier kopiert wird — nicht ohne die für die originale Lady Gaga typische künstlerische Extrovertiertheit mit einzubeziehen.

26 Auffällig ist: Sobald die jeweilige Figur eine deutlich größere Rolle innerhalb der Episodenhandlung einnimmt, d.h. einen längeren Auftritt hat, wird sie mit einem abgewandelten und dennoch ähnlich klingenden Namen versehen. 27 Eine Anlehnung an den kanadischen Popstar Justin Bieber. 28 Im urban slang verweist „hooha“ auf die weiblichen Genitalien. 29 Ein Verweis auf den Auftritt von Lady Gaga im ‚Meat Dress‘ während der MTV Video Music Awards im September 2010, das inzwischen auch unter anderem in der Simpsons-Folge „Lisa Goes Gaga“ (S23.21) aufgegriffen wurde. Der ZombieTanz der „Lady Hoo Ha“ erinnert wiederum sowohl an die Videoclip-Ästhetik von Lady Gaga als auch an das Musikvideo zu Michael Jacksons Song „Thriller“ (1982). 30 Regie führte John Landis, der auch u.a. An American Werwolf in London inszenierte und schrieb. Das Musikvideo wurde in die National Film Registry (NFR) der Library of Congress aufgenommen, was es als künstlerische Arbeit „of enduring importance to American culture“ und damit als erhaltungswürdig markiert.

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Dustin Lieber hingegen wird als aufmüpfiges Kind inszeniert, der schließlich von Grimes als Sohnersatz angenommen wird und gemeinsam mit ihm und dessen Töchtern (u.a. Tristan, Suri, Zahara, Shiloh, Moon Unit, Apple, Rumer und Pilot Inspector)31 eine wenig erfolgreiche Familienband gründet. Er verlässt die Gruppe wieder und engagiert schließlich Zauberer Leonard als persönlichen Bodyguard — wiederum eine Anspielung auf den gleichnamigen Film von 1992, in dem ebenfalls eine musikalische Berühmtheit beschützt werden muss.

Animationsserien und QTV: Fazit und Ausblick

Animationsserien fallen (bislang) aus dem Quality TV-Diskurs heraus — und das obwohl sich nicht wenige Produktionen, die sich in aller Regel an ein adultes Publikum richten, durchaus einen Großteil von Thompsons Punkten bedienen: Gerade Ugly Americans arbeitet mit postmodernen Referenzen und ist aufgrund seiner Mehrfachcodierung auf verschiedenen Rezeptionsebenen verstehbar. Zudem spielt die Serie mit der ihr vorangegangenen HorrorfilmTradition, verschiedenste Monsterfiguren und Phantasiewesen werden zu einer Collage geformt und räumlich in einen Ort (hier: der Großraum New York City) komprimiert — diese Gestalten aus den unterschiedlichsten kulturellen Ursprüngen dienen durchaus als Metapher und vermitteln das Lebensgefühl eines New Yorker Durchschnittsbürgers wie auch das eines Neuankömmlings, der sich in dem Schmelztiegel jener Stadt fremd fühlt. Das Konzept des melting pot wird schließlich auch im Kleinen, in Mark Lillys allmorgendlicher Gesprächsrunde, praktiziert. Sogenannte Monster Mashs aus literarischen oder anderweitigen Traditionslinien finden sich zudem ebenfalls in den visuellen Medien der vergangenen Jahrzehnte (in erster Linie überwiegend im B-Movie-Bereich): Von Los Monstruos del Terror (1970), über Santo y Blue Demon contra Drácula y el Hombre Lobo (1972) und The Addams Family (1991), bis hin zu Sharktopus vs. Whalewolf (2015) — ein Phänomen, das in Ugly Americans geradezu auf die Spitze getrieben wird und als typisch postmodern gilt:

31 Tristan heiratete in der ersten Staffel den Vampir Blake. Suri ist der Name von Tom Cruises Tochter; Zahara und Shiloh sind Kinder von Angelina Jolie und Brad Pitt; Moon Unit heißt eines der Kinder von Sänger Frank Zappa; Chris Martin und Gwyneth Paltrow nannten ihre Erstgeborene Apple; Rumer ist eine Tochter von Bruce Willis und Demi Moore, während Schauspieler Jason Lee seinen Sohn tatsächlich Pilot Inspector nannte.

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Aus der Welt des Jazz und der Rockmusik, aus Zeitungsschlagzeilen und politischen Karikaturen, aus alten Filmen, die durch ihr Wiedererscheinen im Fernsehen Unsterblichkeit erhalten, aus dem idiotischen Geschwätz, das aus den Autoradios dringt, erwachsen neue Antigötter und Antiheroen. In den Köpfen unserer neuen Schriftsteller leben sie ein zweites Leben, verwirklichen sie ihre Unsterblichkeit — nicht nur Jean Harlow und Marilyn Monroe und Humphrey Bogart, Charlie Parker und Louis Armstrong und Lenny Bruce, Geronimo und Billy the Kid, der Lone Ranger und Fu Manchu und Frankensteins Braut, sondern auch Hitler und Stalin, John F. Kennedy und Lee Oswald und Jack Ruby. (Fiedler: 35)

Mit diesem Anspielungsreichtum auf unterschiedlichste Diskurse, geradezu einem „postmoderne[n] Spiel der Zeichen“ (Sarkhosh: 375) gleich, wendet sich die Serie vorrangig an ein (zumindest filmisch) gebildetes Publikum mit entsprechendem Hintergrundwissen. Dies ergibt sich bereits allein aus der Masse an intertextuellen und intermedialen Verweisen und Zitaten, obwohl Ugly Americans auch — dank einer Mehrfachcodierung — von Rezipienten mit weniger Informationen verstanden werden kann. In diesem Fall richtet sich das Hauptaugenmerk wohl vielmehr auf die humoresken Strukturen, die zwischen Fäkalien und pornographischen Elementen ebenso angesiedelt sind, wie im Bereich des Meta-Trash. Die Serie stellt sich bewusst in die Riege des ‚schlechten Fernsehens‘ und spielt mit dieser Zuschreibung, wenn beispielsweise innerhalb einer Episode die Produktion einer an Big Brother erinnernden Sendung thematisiert wird. Darüber hinaus arbeitet auch eine Animationsserie wie Ugly Americans mit einem immanenten Gedächtnis: Figuren und ihre Beziehungen zueinander entwickeln sich (bedingt) weiter und auch an die Wand angebrachte Schriftzüge — wie das „See You in Hell“ in Marks Zimmer32 — finden sich ebenso in nachfolgenden Episoden wieder. Hinzu gesellt sich eine Archivfunktion von Alltags- und Massenkultur, in der pasticheartig zeitaktuelle Tendenzen und Moden ebenso verarbeitet werden, wie die Parodien von Berühmtheiten und anderen Fernsehserien. Auch (aktuelle, politische) kontroverse Themen, wie Einwanderungspolitik, Umweltverschmutzung und Skandale werden aufgegriffen. Ob gerade dieses Archiv gegenüber dem Rezipienten auch in einigen Jahren oder gar Jahrzehnten funktioniert, muss aufgrund seiner Spezifität abgewartet werden. Zwischen Hommage und Parodie bewegt sich natürlich nicht nur Ugly Americans, sondern auch andere Erwachsenenserien, wie Family Guy, South Park, Drawn Together, Archer oder The Simpsons. Der hier vorgestellte Typ Serie, der seine visuelle Simplizität aus der auf Flash basierenden Animation gewinnt, re32 Indirekt eine weitere Anspielung auf das Werk von Landis und dessen filmischen Running Gag „See You Next Wednesday“.

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kurriert dabei selbst auf in der Fankultur entstandene und zu tausenden auf Youtube zu findenden Videos: Das ‚Television 2.0‘ gelangt so zurück ins ‚Television 1.0‘. Die bewusst einfach gehaltene Bildästhetik findet sich beispielsweise auch in der Reihe How It Should Have Ended33, den Produktionen von FilmCow (wie Charlie, the Unicorn und Llamas with Hats)34 oder ebenso in der ursprünglich im Netz veröffentlichten Serie Happy Tree Friends. Die Serie Ugly Americans zeigt dabei exemplarisch ein Desiderat innerhalb der Quality TV-Forschung auf und offenbart eine Lücke in Thompsons zwölf Punkten: Auch wenn Animationsserien ausgeklammert werden, weisen sie eindeutige Merkmale auf, die sonst nur kanonisierten QTV-Produktionen zugeschrieben werden.

33 Hier werden — wie der Titel schon erahnen lässt — vergangene und aktuelle Kinoblockbuster parodistisch ‚umgeschrieben‘ und mit einem neuen, wohl eher der Anti-Fan-Fraktion entsprechendem Ende versehen. 34 In Charlie the Unicorn wird der titelgebende Protagonist von zwei namenlosen Artgenossen um Niere, Wohnzimmermöbel und fast sein Leben gebracht, während sich in Llamas with Hats Paul mit dem psychopathischen Serienkiller Carl regelmäßig Wortgefechte um Fragen des Rechts und der Moral liefert.

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Bibliographie Baßler, Moritz: Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten. München 2005. Danneil, Sandra: „Lachen ohne Ende… Die ‚Simpsons‘ als transgressive Selbstüberbietung.“ In: Jonas Nesselhauf und Markus Schleich (Hgg.): QualityTV. Die narrative Spielwiese des 21. Jahrhunderts?! Münster 2014, S. 133–146. Deimling, Barbara: Sandro Botticelli. Köln 2005. Ferstl, Paul und Keyvan Sarkhosh: „Introduction: Popular Culture in the Field of ‚Undercomplexity‘ and ‚Imbalanced Coding‘.“ In: Dies. (Hgg.): Quote, Double Quote. Aesthetics between High an Popular Culture. Amsterdam 2014, S. 7–21. Fiedler, Leslie: „Überquert die Grenze, schließt den Graben! Über die Postmoderne.“ In: Uwe Wittstock (Hg.): Roman oder Leben. Postmoderne in der deutschen Literatur. Leipzig 1994, S. 14–39. Fischer, Kai: „Von ‚Seinfeld‘ zu ‚Louie‘: Sitcoms und Quality-TV.“ In: Jonas Nesselhauf und Markus Schleich (Hgg.): Quality-TV. Die narrative Spielwiese des 21. Jahrhunderts?! Münster 2014, S. 121–132. Huntington, Samuel P.: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. New York 1997. Lützeler, Paul Michael: „Von der Spätmoderne zur Postmoderne.“ In: Ders. (Hg.): Spätmoderne und Postmoderne. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Frankfurt 1991, S. 11–23. Mittell, Jason: „Making Fun of Genres — The Politics of Parody and Genre Mixing in Soap and ‚The Simpsons‘.“ In: Ders.: Genre and Television: From Cop Shows to Cartoons in American Culture. New York 2004, S. 153–195. Sarkhosh, Keyvan: „‚Trash‘ als ästhetische Kategorie der Postmoderne.“ In: Achim Hölter (Hg.): Comparative Arts. Universelle Ästhetik im Fokus der Vergleichenden Literaturwissenschaft. Heidelberg 2011, S. 367–377. Steever, H. Peter: „‚It’s Just a Bunch of Stuff That Happened‘: ‚The Simpsons‘ and the Possibility of Postmodern Comedy.“ In: Mary M. Dalton und Laura R. Linder (Hgg.): The Sitcom Reader. America Viewed and Skewed. New York 2005, S. 261–271. Thompson, Robert J.: Television’s Second Golden Age. From ‚Hill Street Blues‘ to ‚ER‘. New York 1996. Ugly Americans. Devin Clark, David M. Stern (Crs.). Comedy Central, 2010–2012.

Verzeichnis der BeiträgerInnen

Backe, Hans-Joachim (Dr. phil.), geboren 1973 in Völklingen, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Saarbrücken. Dort auch Promotion mit einer Arbeit zum Erzählen im Computerspiel („Strukturen und Funktionen des Erzählens im Computerspiel. Eine typologische Einführung“, Publikation Würzburg 2008). Derzeit Assistant Professor am Center for Computer Games Research der IT University Kopenhagen. Forschungsschwerpunkte: Ästhetische, technologische und wirtschaftliche Wechselbeziehungen zwischen Film, Comic und Computerspiel. Bobineau, Julien (M.A.), geboren 1986 in Fulda, Studium der Galloromanischen Philologie, des Öffentlichen Rechts und der Philosophie an der JuliusMaximilians-Universität Würzburg. In seinem Dissertationsprojekt untersucht er seit 2012 den Zusammenhang von postkolonialen Konzepten und modernen Mythostheorien am Beispiel der Darstellung von Patrice Lumumba (1925– 1961), dem ersten Ministerpräsidenten der dekolonisierten Demokratischen Republik Kongo. Bobineau ist derzeit als Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Französische und Italienische Literaturwissenschaft (Neuphilologisches Institut/Romanistik) der Julius-Maximilians-Universität tätig. Darüber hinaus wirkt er als Herausgeber von promptus – Würzburger Beiträge zur Romanistik sowie als Mitherausgeber der Schriftenreihe Junges Afrikazentrum. Hahn, Sönke (BA MFA), geboren 1984 in Oldenburg, studierte „Media Design“ (BA) mit dem Schwerpunkt „Innovationsfelder im Mediendesign“ an der Rheinischen Fachhochschule Köln und „Medienkunst und Mediengestaltung“ mit dem Fokus auf verschiedenen Bewegtbild-Medien an der BauhausUniversität Weimar (MFA). Zwischen Bachelor- und Masterstudium arbeitete er selbstständig in einer gemeinsam mit einem Kommilitonen initiierten Wer-

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beagentur im Großraum Köln. Basierend auf seinen Drehbüchern und unter seiner Regie sind zahlreiche Kurzfilme entstanden. Seit 2012 ist Hahn Doktorand im Ph.D.-Studiengang „Medienkunst“ an der Bauhaus-Universität. Die moderne TV-Serie steht im praktischen wie wissenschaftlichen Mittelpunkt seines Promotionsvorhabens. Hass, Margaret (BA MA), geboren 1985 in Lafayette, IN, hat ihren BA mit Hauptfächern Anglistik und Europäische Studien summa cum laude am Amherst College absolviert und den MA in Internationalen Literaturen an der Uni Tübingen 2010 abgeschlossen. Derzeit Doktorandin im Erasmus Mundus Joint Doctorate Program „Cultural Studies in Literary Interzones“, wo sie an den Universitäten Bergamo (Italien) und Jawaharlal Nehru Universität (Neu Delhi, Indien) mit einer Arbeit zur Beziehung zwischen Narration und Gewichtsabnahme in diversen Fernsehserien promoviert. Forschungsschwerpunkte: Gender und Masculinity Studies, Fat Studies. Kazmaier, Daniel (Dr. des.), geboren 1982 in Stuttgart, Studium der Germanistik und Romanistik in Tübingen und Lyon; Staatsexamen 2010. Kollegiat im Graduiertenkolleg 1662 „Religiöses Wissen“ an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und dort 2014 Promotion mit einer Arbeit zur literarischen Negativität („Poetik des Abbruchs. Literarische Figurationen von Negativität im 17. und 18. Jahrhundert: Pascal — Greiffenberg — Pyra“, Publikation Würzburg 2015). Derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Frankophone Germanistik an der Universität des Saarlandes. Forschungsschwerpunkte: Deutsch-französische Komparatistik, Materielle Dimensionen von Literatur, Literarische Negativität. Kazmaier, Kathrin (M.A.), geboren 1985 in Stuttgart, Studium der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2011 ist sie Lehrbeauftragte an der Universität Frankfurt sowie der Universität Hildesheim. Derzeit promoviert sie über zeitgenössische Formen künstlerischer Verhandlungen des Nationalsozialismus unter dem Titel „Zwischen Pop, Kitsch und Skandalon — Zeitgenössisches Erzählen vom Nationalsozialismus in den Künsten“ und ist Promotionsstipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Forschungsschwerpunkte: Popliteratur, Kunst und Literatur um 1900, Erinnerungskonzepte in der Nachkriegsliteratur nach 1989, Methoden der Literaturwissenschaft.

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Kessler, Nora Hannah (Dr. phil.), geboren 1979 in Herdecke, Studium der Neueren deutschen Literatur, Philosophie und Psychologie an der LudwigMaximilians-Universität München. 2010 Promotion an der LMU mit einer Arbeit über die Theorie der Spur und des Spurenlesens („Dem Spurenlesen auf der Spur. Theorie, Interpretation, Motiv“, Publikation Würzburg 2012). Derzeit Lehrbeauftragte der Universität Augsburg im Fachbereich Komparatistik. Forschungsschwerpunkte: Serielles Erzählen, Formen erzählerischer Unzuverlässigkeit in Buch, Film und Serie, die Kulturgeschichte der Coolness sowie Theorien des Begehrens. Kriesch, Désirée (Dr. phil.), geboren 1978 in Berlin, Studium der Anglistik/ Amerikanistik und Geographie an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2013 Promotion an der Universität Siegen zum Thema Zuschauertäuschung im zeitgenössischen US-amerikanischen Spielfilm (Publikation Trier 2014). Von 2012– 2014 arbeitete sie als Universitätsassistentin am Institut für Anglistik der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Forschungsschwerpunkt: Inter- und Transmedialität, (Film-)Narratologie und die britische Kultur der 1980er Jahre. Lampprecht, Martin (M.A.), geboren 1976 in Villingen-Schwenningen, Studium der Germanistik, Philosophie, Ethnologie und Kunstgeschichte in Heidelberg, Hamburg, Wien und Berlin; Abschluss 2006 mit einer Arbeit über erzähltheoretische Reflexionen im Werk Peter Bichsels. 2007–2013 DAADLektor für deutsche Sprache und Literatur an Universitäten im Libanon (Beirut) und Frankreich. Von 2010–2013 studierte er parallel an der Universität Aix-Marseille Filmwissenschaft und Dokumentarfilmregie. Seit 2013 arbeitet er als Dozent für Filmwissenschaft an der Universität Aix-Marseille. Er promoviert derzeit zum Thema „Visionen des Politischen in amerikanischen TVDramen seit 9/11“ und ist assoziiertes Mitglied der DFG-Forschergruppe 1091 „Ästhetik und Praxis populärer Serialität“. Landau, Solange (BA), geboren 1989 in Landstuhl, Studium der Kultur- und Religionswissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes, wo sie derzeit auch assoziiertes Mitglied im DFG-Graduiertenkolleg „Europäische Traumkulturen“ (GRK 2021) ist. Forschungsschwerpunkte: Narratologie der Fernsehserie („Serial Narration on Television“), Postapokalypse in Literatur und Film, Figurationen des Unheimlichen.

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Lehmann, Judith (M.A.), geboren 1975 in Bottrop, Studium der Germanistik, Angewandten Kulturwissenschaften und Mathematik in Münster und Madrid. Abschluss mit einer Arbeit zur Funktion des Narzissmus bei E.T.A. Hoffmann. 2002–2008 Aufbau des transdisziplinären Studiengangs „Cultural Engineering“ an der Universität Magdeburg, im Anschluss freie Kulturwissenschaftlerin und Redaktionsleiterin eines Schweizer Bildungsverlags. Derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „FL² Forschendes Lernen — Lehrende Forschung“ an der FH Potsdam und Promotion zu den Rändern der TV-Serie an der Universität der Künste Berlin. Nesselhauf, Jonas (BA MA), geboren 1987 in Baden-Baden, Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft sowie Kunstgeschichte in Saarbrücken und London; Abschluss 2013 mit einer komparatistischen Arbeit über Wirtschaftskrisen in der Literatur. Derzeit Promotion an den Universitäten Vechta und Saarbrücken zur Figur des Kriegsheimkehrers in der Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts. Forschungsschwerpunkte: Narratologie der Fernsehserie („Serial Narration on Television“), Literatur und Wirtschaftskrisen, literarische Darstellung des menschlichen Körpers (besonders Tätowierungen). Opp, Annemarie (M.A.), geboren 1983 in Erlabrunn, Studium der Germanistik, Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Philosophie in Bayreuth, Hobart (Australien) und Frankfurt am Main. Seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Literatur und ihre Didaktik der GoetheUniversität Frankfurt und seit 2013 Koordinatorin des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsverbundprojekts „Konsumästhetik. Formen des Umgangs mit käuflichen Dingen“. Im Rahmen dessen promoviert sie über Liebe und Konsum in der Literatur vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Pankratz, Anette (Prof. Dr.), geboren 1965 in Griesbach im Rottal, Studium der Anglistik, Amerikanistik und Geschichte an der Universität Regensburg. 1997 Promotion an der Technischen Universität Dresden über Werterepertoires der englischen Restaurationskomödie (veröffentlicht 1998). 2003 Habilitation an der Universität Passau mit einer Arbeit über Repräsentationen von Tod und Sterben im zeitgenössischen britischen Drama (veröffentlicht 2005). Derzeit Professorin für British Cultural Studies an der Ruhr-Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Kultur des ‚langen‘ 18. Jahrhunderts sowie Film, Fernsehen und Drama im zeitgenössischen Großbritannien.

BeiträgerInnen

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Schaper, Benjamin (MST, OXON), geboren 1988 in Pfaffenhofen a. d. Ilm, ist DPhil-Kandidat und Tutor for German am Oriel College, University of Oxford. Nach einem zweieinhalbjährigen Lehramtsstudium der Fächer Deutsch und Englisch an der Ludwig-Maximilians-Universität München wechselte er im Herbst 2011 ans St Hilda’s College, Oxford. Dort spezialisierte er sich auf deutsche und britische Gegenwartsliteratur und beendetet im Sommer 2012 seinen Master of Studies mit einer Arbeit zu ästhetischen Entwicklungen im historischen Roman seit der Postmoderne. Gegenwärtig arbeitet Schaper an seiner Dissertation zum Thema Poetik und Politik der Lesbarkeit in der deutschen Literatur. Schleich, Markus (M.A.), geboren 1985 in Oldenburg, Studium der Komparatistik, Psychologie und Anglistik/Amerikanistik an der Universität des Saarlandes, der Universität Athen und der Sorbonne IV in Paris. Seit 2013 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität des Saarlandes und promoviert über den Einfluss literarischer Texte auf Popmusik. Forschungsschwerpunkte: Serielles Erzählen im Fernsehen („Serial Narration on Television“), Literatur und Popmusik. Schmitt, Dominik (Dr. phil.) †, geboren 1980 in Völklingen, Studium der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft, Komparatistik und Geschichte an der Universität des Saarlandes. Dort auch Promotion mit einer Arbeit zur Figur des Weihnachtsmanns in der (post-) modernen Literatur („‚Der alte Kindergott ist tot!‘ Weihnachtsmann-Darsteller und das Scheitern bürgerlichpatriarchalischer Autorität in der Weihnachtssatire des 20. Jahrhunderts.“, Publikation Würzburg 2013). Seit 2009 war er Koordinator des Bachelor Optionalbereichs der Philosophischen Fakultäten der Universität des Saarlandes.

Register behandelter Fernsehserien

12 Monkeys (Syfy, seit 2015) 118 3rd Rock from the Sun (NBC, 1996– 2001) 18n 30 Rock (NBC, 2006–2013) 212, 252, 257–272 Absolutely Fabulous (BBC, 1992– 1996; 2001–2004) 213 ALF (NBC, 1986–1990) 253 All in the Family (CBS, 1971–1979) 108, 253 Almost Human (Fox, 2013–2014) 23n Alpha House (Amazon, seit 2013) 16n American Horror Story (FX, seit 2011) 54n Archer (FX, seit 2010) 275, 278, 289 Are You Being Served? (BBC, 1972– 1985) 224 Arrested Development (Fox, 2003– 2006; Netflix, seit 2013) 52n

Babylon 5 (PTEN, 1994–1997; TNT, 1998) 83 Batman (ABC, 1966–1968) 283 Battlestar Galactica (Sci-Fi, 2004– 2009) 36, 86 Baywatch (NBC, 1989–1999; 2001) 12 Betas (Amazon, 2013–2014) 16n Better Call Saul (AMC, seit 2015) 18 Bewitched (ABC, 1964–1972) 253 Boardwalk Empire (HBO, 2010– 2014) 11n, 17 Bob’s Burgers (Fox, seit 2011) 275 BoJack Horseman (Netflix, seit 2014) 275 Bones (Fox, seit 2005) 50n Bosch (Amazon, seit 2014) 16n

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Breaking Bad (AMC, 2008–2013) 11, 20, 22–23, 24n, 36, 81, 83, 85, 87, 91, 93, 106, 243 Broen (SVT1, seit 2011) / Die Brücke — Transit in den Tod (ZDF, seit 2012) 82, 87 Brotherhood (Showtime, 2006–2008) 23n Captain Future (NHK, 1978–1979) 278 Cheers (NBC, 1982–1993) 271n Columbo (NBC, 1968–1978; ABC, 1989–2003) 125 Count Arthur Strong (BBC, seit 2013) 225 Cowboy Bebop (WOWOW, 1998– 1999) 278 CSI: Crime Scene Investigation (CBS, 2000–2015) 18n Damages (FX, 2007–2010; Audience Network (2011–2012) 93, 97 Days of Our Lives (NBC, seit 1965) 232–233 Death Note (NTV, 2006–2007) 278 Desperate Housewives (ABC, 2004– 2012) 16 Dexter (Showtime, 2006–2013) 16, 18, 36, 50–51, 52n, 82, 93– 97, 100–101 Dinosaurs (ABC, 1991–1994) 88

Drawn Together (Comedy Central, 2004–2007) 206, 275, 278, 289 ElfenLied (AT-X, 2004) 278 Emergency Room (NBC, 1994–2009) 12, 260, 271n Enlightened (HBO, 2011–2013) 23n Enlisted (Fox, 2014) 23n Entourage (HBO, 2004–2011) 259 Episodes (Showtime, seit 2011) 211, 215, 217–220, 222–225 Extras (BBC, 2005–2007) 211, 214–216, 219–223 Family Guy (Fox, 1999–2003; seit 2005) 212, 278, 287, 289 Fawlty Towers (BBC, 1975; 1979) 224 Fargo (FX, seit 2014) 124, 193–204 Fear the Walking Dead (AMC, seit 2015) 18n Frasier (NBC, 1993–2004) 87, 271n, 272n Friends (NBC, 1994–2004) 18n, 25, 211–212, 220–221, 224–225, 229–241, 252, 261, 271, 272n From Dusk Till Dawn (El Rey, seit 2014) 124 Futurama (Fox, 1999–2003; Comedy Central, 2008–2013) 287

Register behandelter Fernsehserien

Game of Thrones (HBO, seit 2011) 11n, 19, 24n, 50, 105, 107 Girls (HBO, seit 2012) 36, 99 Gravity (Starz, 2010) 23n Grey’s Anatomy (ABC, seit 2005) 19n, 51 Hannibal (NBC, 2013–2015) 16, 23n, 93, 96, 100, 130n Happy Tree Friends (G4, 2006) 290 High Maintenance (Vimeo, 2012– 2015, HBO, seit 2015) 53 Hill Street Blues (NBC, 1981–1987) 12, 13n, 271n Homeland (Showtime, seit 2011) 45 House, M.D. (Fox, 2004–2012) 51, 93, 96 House of Cards (Netflix, seit 2013) 16, 19, 51–52, 71, 93, 275n How I Met Your Mother (CBS, 2005– 2014) 18, 25, 83, 85, 87, 212, 243–254 Huff (Showtime, 2004–2006) 50 Huge (ABC Family, 2010) 36, 106, 108, 113–115, 117, 118 I Love Lucy (CBS, 1951–1957) 253 In Treatment (HBO, 2008–2010) 53 Joey (NBC, 2004–2006) 18n, 218 Law & Order (NBC, 1990–2010) 18n

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Lost (ABC, 2004–2010) 23–24 Luther (BBC, 2010–2013) 123, 125–138 MacGyver (ABC, 1985–1992) 12 Mad Men (AMC, 2007–2015) 11, 19, 20–22, 23n, 36, 50, 72, 91, 106, 108–113, 118, Married... with Children (Fox, 1987–1997) 253 Miranda (BBC, 2009–2015) 225 Mob City (TNT, 2013) 18 Modern Family (ABC, seit 2009) 252 Moonlighting (ABC, 1985–1989) 35, 37–42, 44–50, 52, 161 Mrs. Brown’s Boys (BBC, seit 2011) 225 My Family (BBC, 2000–2011) 223 My Mad Fat Diary (E4, 2013–2015) 106, 108, 113, 115, 117, 118 My Name is Earl (NBC, 2005–2009) 260, 271n Night Court (NBC, 1984–1992) 272n Orange Is the New Black (Netflix, seit 2013) 16, 19, 53, 275n Oz (HBO, 1997–2003) 13n, 18 Parade’s End (BBC 2012) 123, 173, 174–189 People Like Us (BBC, 1999–2001) 215n

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Pinky and the Brain (The WB, 1995– 1998) 278n Private Practice (ABC,2007–2013) 18n Roseanne (ABC, 1988–1997) 22 Scrubs (NBC 2001–2008; ABC 2009–2010) 18n, 252, 260, 271n Seinfeld (NBC, 1989–1998) 18n, 85, 245, 252, 263n Sex and the City (HBO, 1998–2004) 16 Sherlock (BBC, seit 2010) 23n, 52, 123, 141–156, 159–170 Six Feet Under (HBO, 2001–2005) 50, 53 South Park (Comedy Central, seit 1997) 212, 275, 278 SpongeBob SquarePants (Nickelodeon, seit 1999) 212, 278 Star Trek (NBC, 1966–1969) 18n, 79 Star Trek: Deep Space Nine (syndiziert, 1993–1999) 87 Star Wars: Clone Wars (Cartoon Network, 2003–2005) 278n Tell Me You Love Me (HBO, 2007) 53 Terriers (FX, 2010) 23n The Americans (FX, seit 2013) 18, 19

The Bad News Bears (CBS, 1979– 1980) 218 The Big Bang Theory (CBS, seit 2007) 258n The Cosby Show (NBC, 1984–1992) 271n The Exes (TV Land, 2011–2015) 18n The Flintstones (ABC, 1960–1966) 278 The Good Wife (CBS, seit 2009) 19, 51 The Jetsons (ABC, 1962–1963; syndiziert, 1985–1987) 278 The King of Queens (CBS, 1998–2007) 18n, 253, 281n The Knick (Cinemax, seit 2014) 18 The Man in the High Castle (Amazon, seit 2015) 16n The Mary Tyler Moore Show (CBS, 1970–1977) 13n, 108 The Office (BBC, 2001–2003) 212–215 The Office (NBC, 2005–2013) 253, 260, 271n The Originals (The CW, seit 2013) 18n The Pink Panther Show (NBC, 1969– 1978; ABC, 1978–1980) 278 The Simpsons (Fox, seit 1989) 212, 275–276, 278, 280n, 281– 282, 286–287, 289

Register behandelter Fernsehserien

The Smurfs (NBC, 1981–1989) 278n The Sopranos (HBO, 1999–2007) 9, 11–12, 17, 21–22, 23n, 54, 72, 73, 80, 91, 93, 106, 243, 245, 252, 276n The Spoils of Babylon (IFC, 2014) 51n The Streets of San Francisco (ABC, 1972–1977) 125 The Thick of It (BBC, 2005–2012) 213–214 The Twilight Zone (CBS, 1959–1964) 73 The Vampire Diaries (The CW, seit 2009) 18n The Walking Dead (AMC, seit 2010) 20n, 86 The Wire (HBO, 2002–2008) 11, 15, 18, 20–21, 36, 72, 84–86, 91, 106, 243 The Woody Woodpecker Show (ABC, 1957–1958) 278n The X-Files (Fox, 1993–2002) 24n, 50 ThunderCats (syndiziert, 1985–1989) 278n Transparent (Amazon, seit 2014) 16n, 19 True Detective (HBO, seit 2014) 11n, 50, 54n Twenty-Twelve (BBC, 2011–2012) 214 Two and a Half Men (CBS, 2003– 2015) 22, 272

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Ugly Americans (Comedy Central, 2010–2012) 212, 275–290 Unbreakable Kimmy Schmidt (Netflix, seit 2015) 271n Veronica Mars (UPN 2004–2006; The CW 2006–2007) 51 Weeds (Showtime, 2005–2012) 51 Wilfred (FX, 2011–2014) 218 Will & Grace (NBC, 1998–2006) 271n

Edition Medienwissenschaft Dennis Göttel, Florian Krautkrämer (Hg.) Scheiben Medien der Durchsicht und Speicherung März 2016, ca. 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3117-3

Christer Petersen Terror und Propaganda Prolegomena zu einer Analytischen Medienwissenschaft Februar 2016, ca. 290 Seiten, kart., ca. 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2243-0

Beate Ochsner, Robert Stock (Hg.) senseAbility – Mediale Praktiken des Sehens und Hörens Februar 2016, ca. 500 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3064-0

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Edition Medienwissenschaft Sven Grampp, Jens Ruchatz Die Fernsehserie Eine medienwissenschaftliche Einführung Februar 2016, ca. 200 Seiten, kart., ca. 16,99 €, ISBN 978-3-8376-1755-9

Thomas Morsch, Lukas Foerster, Nikolaus Perneczky (Hg.) Post TV – Debatten zum Wandel des Fernsehens Januar 2016, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2933-0

Gundolf S. Freyermuth Games | Game Design | Game Studies Eine Einführung Februar 2015, 280 Seiten, kart., 17,99 €, ISBN 978-3-8376-2982-8

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Edition Medienwissenschaft Gundolf S. Freyermuth, Lisa Gotto (Hg.) Der Televisionär Wolfgang Menges transmediales Werk. Kritische und dokumentarische Perspektiven Mai 2016, ca. 600 Seiten, kart., ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3178-4

Anne Grüne Formatierte Weltkultur? Zur Theorie und Praxis globalen Unterhaltungsfernsehens März 2016, ca. 490 Seiten, kart., zahlr. Abb.,ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3301-6

Stefan Greif, Nils Lehnert, Anna-Carina Meywirth (Hg.) Popkultur und Fernsehen Historische und ästhetische Berührungspunkte Juli 2015, 322 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2903-3

Nadja Urbani Medienkonkurrenzen um 2000 Affekte, Finanzkrisen und Geschlechtermythen in Roman, Film und Theater Juni 2015, 528 Seiten, kart., zahlr. Abb., 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3047-3

Sarah Ertl Protest als Ereignis Zur medialen Inszenierung von Bürgerpartizipation Juni 2015, 372 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3067-1

Julia Zons Casellis Pantelegraph Geschichte eines vergessenen Mediums Juni 2015, 242 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3116-6

Vincent Fröhlich Der Cliffhanger und die serielle Narration Analyse einer transmedialen Erzähltechnik April 2015, 674 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 44,99 €, ISBN 978-3-8376-2976-7

Caroline Roth-Ebner Der effiziente Mensch Zur Dynamik von Raum und Zeit in mediatisierten Arbeitswelten Februar 2015, 366 Seiten, kart., zahlr. Abb.,34,99 €, ISBN 978-3-8376-2914-9

Stefan Meier Superman transmedial Eine Pop-Ikone im Spannungsfeld von Medienwandel und Serialität Januar 2015, 202 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2968-2

Anne Ulrich, Joachim Knape Medienrhetorik des Fernsehens Begriffe und Konzepte 2014, 286 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2587-5

Stefan Meier Visuelle Stile Zur Sozialsemiotik visueller Medienkultur und konvergenter Design-Praxis 2014, 312 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2698-8

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