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German Pages 30 [33] Year 1951
SITZUNGSBERICHTE DER DEUTSCHEN AKADEMIE D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N Klasse
für
Sprachen, Jahrgang
Literatur 1951
REINHOLD
und
Kunst
Nr. 2
TRAUTMANN
DAS A L T R U S S I S C H E H I S T O R I S C H E L I E D
1951
AKADEMIE-VERLAG
BERLIN
Vorgelegt in der Gesamtsitzung vom 5. Mai 1950 Zum Druck genehmigt am gleichen Tage, ausgegeben am 30. April 1951
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin NW 7, Schiffbauerdamm 19 Lizenz-Nr. 156 • 100/110/50 Satz und Druck: Deutsche Wertpapier-Druckerei VEB, Leipzig. 111/18/185 Bestell- und Verlagsnummer: 2010/50/V/2 Preis: 2,25 DM
Die Geschichte des altrussischen „Historischen Liedes" ist von der der Byline nicht loszulösen. Die Byline, das altrussische Helden- und Spielmannslied, ist die älteste Form epischen Gesanges auf russischem Boden. Sie ist in irgendeiner Gestalt in Kijever Zeit verwurzelt, keine eigentlich russische Erscheinung, sondern nach Westen und auch nach Osten hin verbünden mit den Liedern anderer Völker. Vom Osten wird späterhin einmal anläßlich des kasachischen Heldensanges zu sprechen sein; im Westen schließt die Byline in ihren letzten, zwischenvölkischen Wurzeln an die europäischen Erscheinungsformen an. Diesen europäischen Hintergrund hat einmal FRINGS gut gezeichnet: „Frankreich erscheint eingebettet in eine west- und nordeuropäische Heldendichtung, die eine geschichtliche, stoffliche und ethische Einheit bildet und noch im 12. Jh. von Kastilien bis nach Wien und von der Donau bis nach Island lebendig ist. Wir gehen einen Schritt weiter und sagen, daß ganz Europa von Spanien bis Rußland und von Skandinavien bis zum Balkan eine vielfach abgeschattete, aber doch eine Einheit bildet." In diesem gesamteuropäischen Raum sind die allgemeine Form und die allgemeinen Gesetze der Lebensschau, der Entwicklung und Ausformung der Dichtart einander ähnlich. Die Byline wächst im 13. Jh. in nachkijever Zeit heraus aus einer unbekannten älteren Liedart, bekommt im 14. und 15. Jh. endgültige Form und blüht kräftig im 16. und 17. Jh. Das 18. bis vielfach in das 20. Jh. hinein ist die Zeit der Nach- und der Abblüte, des teilweise völligen Vergehens. Die Byline aber war die hohe Schule alles epischen Gesanges. Aus ihr löste sich in l*
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Altmoskauer Zeit, in der Zeit sehr intensiven völkischen Lebens, das nicht in das offizielle Schrifttum dringen konnte, zuerst ein Geistliches Lied ab, das die Pflege des religiösen Gefühles übernahm und bis ins 19. Jh. hinein lebendig blieb. Daneben erwächst unser Historisches Lied und die altrussische Volksballade, über die ich hoffe später einmal sprechen zu können, wenn mein einst .gesammeltes, dann vernichtetes Material wieder aufgefüllt ist. Die Historischen Lieder sind im ganzen der deutschen Wissenschaft unbekannt geblieben, so wichtig sie kulturpolitisch für die Erkenntnis der Mentalität des russischen Volkes gewesen sind. Die folgende Skizze will diese Lücke ausfüllen, natürlich auf Grund der mustergültigen russischen Forschung, insbesondere v o n V s . MILLER u n d M. SPERANSKIJ.
Wenn wir nun eine Bylinensammlung aus dem 18., oder 19. oder 20. Jh. in die Hand nehmen, z. B. die älteste des Kirsa Danilov (Ausgabe von Sambinago v. J. 1938), so stehen die epischen Lieder, die wir heute Bylinen, und die, die wir heute Historische Lieder nennen, kunterbunt durcheinander. Bei Kirsa Danilov stehen zwischen den Bylinen von Djuk Stepanovic und von Volch Vseslavjevic (Nr. 3 und 6) die Historischen Lieder von Scelkan Djudentevic (Nr. 4 und 5); auf Jermak (Nr. 14) folgt Staver bojarin, auf Sadko (Nr. 28) Michajlo Skopin usw. Rjabinin Vater sang Rybnikov 22 epische Lieder vor, darunter eines von Ivan Groznyj und von Skopin (Ausgabe Gruzinskij v. J. 1909, Bd. 1 Nr. 19 und 20), und auch Agrafjona Krjukova sang Markov am Weißen Meere unter ihren zahlreichen Bylinen das eine und das andere historische Lied vor (Ausg. v. J. 1901 Nr. 36—41). Unsere Bauernsänger haben also zwischen diesen beiden Gattungen vom 18. bis zum 20. Jh. nicht unterschieden — beides hat denselben Namen Stärina Starinka: der Terminus Bylinen und Historisches Lied gehören als gelehrte termini technici erst dem russischen 19. Jh. a n ; Beszonov, dem wir auch die wesentliche Sammlung der Geistlichen Lieder ver-
Das altrussische Historische Lied
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danken, wollte mit Recht die Lieder, die Kijev im Hintergrunde haben, von denen scheiden, die durchaus Moskauisch sein wollen. Das Historische Lied will der Moskauer Gegenwart, sie verherrlichend, dienen, sie flieht nicht mehr, wie die Byline unter dem Druck schwerer politischer Umstände tat, romantisch in die Kijever Vergangenheit: das reale Leben ist, besonders im 16. Jh., so reich, so erregend, allerdings vielfach auch so hart geworden, daß es nicht mehr verschleiert zu werden braucht und die ganze Tatkraft des Menschen beansprucht, der dichterischen Phantasie nicht mehr so viel Spielraum gewährend. Die Historischen Lieder sind also epische Lieder, deren Grundlage und Einzelheiten fest mit der wirklichen Geschichte verbunden sind; sie sind viel realer als die zur Phantastik neigenden Bylinen mit Kijev als idealem Hintergrund — die dingliche Wirklichkeit geht in allen Einzelheiten, der Moskauer Landschaft, der Stadt Moskau, völliger in das Historische Lied ein. Die Stellung von Sänger und Zuhörer zum Allgemeinen der Umwelt und zum geschilderten Einzelereignis hat sich also verschoben, denn nun dominiert der Moskauer Staatsgedanke mit überscharfen Konturen, die Altmoskauer Gesellschaftsordnung, an deren Spitze der Zar in der Fülle seiner unbedenklich gebrauchten, unbeschränkten Macht steht. Und all das wird als Realität bejaht, selbst da, wo man Unrecht sieht und nennt: das Historische Lied ist. Anzeichen und Ausdruck des wachsenden staatlichen und völkischen Selbstbewußtseins, das sich nach Abschluß der Tatarenherrschaft neu und kräftig entfaltete und sich um Moskau konzentrierte. Natürlich ist das Lied künstlerische Gestaltung von Wirklichkeit, und von der Darstellung der Ereignisse in den Chroniken unterscheidet es sich wie z. B. historische Dramen und historische Novellen von einer positivistischen Geschichtsdarstellung (VEINBERG).
Im ganzen bleibt die Byline poetischer und phantastischer als das Historische Lied, das sie nie hat verdrängen können: so
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große Aufschwünge der Phantasie wie im Sadko oder im Volch Vseslavjevic suchen wir hier vergebens, ja auch das menschliche Gefühl kommt im allgemeinen im Historischen Lied kurz weg — denn dem Historischen Lied gilt mehr das reale F a k t u m und die staatliche Beleuchtung. Geistesgeschichtlich, weltanschaulich sind die beiden Dichtarten tatsächlich zu sondern. Und nun die Zeit der Entstehung des neuen epischen S a n g e s : es folgt aus dem, was über die Verschiebung des gesellschaftlichen Lebensgefühles zu sagen war, daß die Tatarenzeit (Tatarscina) ihren Ausdruck im wesentlichen noch in neuen oder in ungesungenen älteren Bylinen fand. D a r u m bildete das Zentrum der Historischen Lieder die außergewöhnliche, einigende, dämonische Gestalt von Ivan Groznyj, dessen Bedeutung in der Volksdichtung mit ihrer Reaktion auf das wirklich Entscheidende als so epochal empfunden wird wie später nur noch Peter der Große. Das 16. J h . ist die eigentliche Blütezeit unsrer Liedart. E s wäre nun ganz falsch, wenn man vom Historischen Liede erwarten würde, daß es wie eine Chronik auf die wichtigen Ereignisse der heimischen Geschichte antworten würde: z. B. die Schlacht auf dem Kulikövo Pole v . J . 1380 ist in ihm nicht behandelt. Formell steht das Historische Lied naturgemäß auf einer neuen Stufe. Da es mehr dem nahen geschichtlichen Einzelfall gilt, der als Gegenwart empfunden wird, kann es sich nicht in ein ererbtes, verhältnismäßig festes Schema einfügen, wie es bei der Byline doch letztlich der Fall i s t : es ist also einerseits freier in der Form, anderseits durch die Wirklichkeit gebundener — wie ich schon sagte, hat die dichterische Phantasie keinen so bedeutenden Spielraum, wie bei der Byline. Mit dieser Einengung steht auch im Zusammenhang, daß das Historische Lied im ganzen viel knapper ist als die Byline — ein Historisches Lied mit 2/300 Versen ist selten und hat dann
Das alt russische Historische Lied
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schon Einfluß der Bylinendichtung erfahren: 40, 50 bis 100Verse ist die Regel. Denn es fehlen: die Formeln als Mittel der dichterischen Ausmalung und der Retardierung, es fehlt die Episodenfreudigkeit der Byline und der ausgesponnene Liedeingang. Formeln, typische Stellen kommen wohl vor, werden aber sparsamer verwendet; Parallelisierungen fehlen in der Regel. So wie die Volksballade arbeitet der Dichter des Historischen Liedes viel weniger mit Ornamenten wie der Bylinensänger. Während die Byline in ihrem Ursprung sehr weiträumig ist und vor allem stark im gesamten Novgoroder Gebiet geblüht hat, ist es in unserem Fall natürlich von vornherein nicht zweifelhaft, daß das Historische Lied im wesentlichen in und um Moskau herum entstanden ist, wenn auch das älteste Lied gerade auf Twerer Boden entstanden sein wird. Zu seiner Geschichte stehen uns einige Daten zur Verfügung: Bei der., Beschreibung seines Aufenthaltes in Moskowien berichtet Adam Olearius (ölschläger 1603—1671) in seiner (zuerst Schleswig 1647 erschienenen) „Beschreibung der moskowitischen und persischen Reise: Wenn sich dieser Zar [d.i. J. Groznyj] bei einem Gastmahl ergötzen wollte, befahl er Lieder zu singen, die über die Eroberung von Kasan und Astrachan abgefaßt waren". Im Jahre 1619 kam in einer Gesandtschaft des Königs Jakob I. an Michail Feodorovic der Engländer Richard James über Archangelsk nach Moskau — im August trat er die Rückreise an, mußte aber den ganzen Winter über in Cholmogory (nicht weit von Archangelsk) bleiben. In einem Notizbuch finden wir einige russische Lieder, 6 historische und episch-lyrische: den Klaggesang (Plac) der Ksenja Godunova; den Tod von Michail Skopin; eines auf den Patriarchen Filaret, das sich auf ein Ereignis vom Juni 1619 bezieht — das Lied auf Skopin ist auch bald nach seinem Tode am 23. April 1610 aufgezeichnet worden. Die Liedersänger, die Improvisatoren unsrer Lieder, hat man sich in dem Kreise zu suchen, in dem um 1600 die Byline ge-
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pflegt wurde, bei den Skomorochen. Darauf weist alles hin, Ursprung und Form. Hinzu kommen schließlich die Kosaken, bei denen es viele Historische Lieder gibt, nur daß Inhalt und Form dann „kosakisch" sind. Lieder über Jermak, den Sibirieneroberer, über Stenjka Razin sind aus dieser Umwelt hervorgegangen. Das Auszeichnungsgebiet unsrer Lieder deckt sich im ganzen mit dem der Bylinen — es ist Westsibirien und der Norden des europäischen Rußland; hinzu kommen die alten Gebiete von Moskau, Kaluga, das Wolgagebiet und der Vorkaukasus. Als neues und mehr der Neuzeit entsprechendes Lied hat sich das Historische Lied auch in Mittelrußland nach dem Verklingen der Byline im 19. Jh. erhalten können. Ich sagte schon, daß die Hauptblütezeit die Zeit von Ivan Groznyj und der Anfang des 17. Jh's. gewesen ist. In der petrinischen Zeit entsteht noch viel Neues, aber die Darstellung erstarrt allmählich, z. B. wird das Bild von Peter dem Großen nach dem Bilde von Ivan gestaltet. Späterhin singt man Lieder vom Tode Peters des Großen um und erhält Lieder vom Tode Katharina II. oder von Alexander I. Was vor den Zeiten von Ivan Groznyj liegt, ist Vorklang. Unser Lied weist noch besondere Spezialisierungen auf: ich sprach vom Kosakenlied; es entsteht ein Räuberlied — beide Gruppen sind nicht mehr allgemeinrussisch, sondern an eine eingeengte Umwelt gebunden; seit dem 18. Jh. beginnt sich ein Soldatenlied zu entwickeln. Ich komme zu den Einzelliedern. 1. Das älteste erhaltene Historische Lied ist das aus dem 18. Jh. bei Kirsa Danilov überlieferte Lied von Söelkan Djudentjevic, das noch ein Geschehnis aus der Tatarscina behandelt. Ein Ereignis des Jahres 1327 aus Tver' liegt zugrunde, — Tver' war damals noch selbständiges Fürstentum: es erschien der Baskake Col-Hän (Scelkan), ein Vetter des Großchans özbeg, Dudens Sohn, und verübte in der Stadt allerhand Übeltaten.
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So entstand das Gerücht, daß er selber in Tver' herrschen unddie Christen zum tatarischen Glauben bekehren wolle. Am 15. August überfiel man die Tataren und unter Führung des Fürsten Aleksander überwältigte man sie: Scelkan floh in den Palast des Fürsten Michail und wurde dort verbrannt. So lautet der Chronikenbericht. Im Liede erscheint özbeg als Zar Azvjak, der Scelkan wegen einer Greueltat (der Ermordung des eigenen Sohnes) mit Tver' beschenkt. Wegen allerhand Schändlichkeiten wird er erschlagen. Das Lied ist sehr knapp und ohne dichterischen Wert (Ist. zu Mit., Akad. nauk, II, 1946, S. 103—106). 2. Außerordentlich reich vertreten sind die Historischen Lieder, die sich auf die Regierung Ivans Groznyj beziehen: der russische Lyriker und Literarhistoriker VEINBERG (1830—1908) widmete ihnen eine Monographie (2. Aufl. 1908). In der MlLLERschen Ausgabe „Historische Lieder des russischen Volkes vom 16. bis 17. Jh." (1915) umfassen diese Lieder allein 475 Seiten (mit den Varianten). a) Die Einnahme Kazans i.-J. 1552 durch die Truppen Ivans hat zweifellos das russische Volk stark beeindruckt: es war ein neuer Sieg über die Tataren, die früheren Bedrücker, und die Bedeutung der Einnahme war tatsächlich groß, da nunmehr der russischen Kolonisation der Weg nach Osten freigegeben war, nachdem die Bedrohung durch dies zweite Tatarenreich weggefallen war. Die Lieder schildern nur das 'Finale der mehrmonatigen Belagerung, wie am 2. Okt. Minen gelegt wurden und die Stadt erobert werden konnte. Aus der ausführlichen „Kazanskaja istorija" (PSRL. Bd. 19) erfahren' wir die näheren Umstände bei Belagerung und Eroberung; so können wir dem Verhalten des Dichters wiederum gut nachfolgen. Das Lied hat eben seine eigenartige Darstellung: die Sprengung der Stadtmauer durch Minen — dazu hatte der Zar einen deutschen Fachmann kommen lassen — erfolgte am 2. Okt.; ihr ging ein heftiges Bombardement voran. Unser Lied greift einen Moment heraus, der durch einen der charakteristischen
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Züge des Zaren, sein k r a n k h a f t e s Mißtrauen gegen alles und jeden, ausgelöst wird: der Zar befiehlt wegen angeblichen Verrats, die Kanoniere hinrichten zu lassen (im Lied Kirsa Danilovs V. 30/31 geschieht es sogar). Ein junger Kanonier setzt ihm auseinander, w a r u m die Sprengung sich verzögere — dann fliegen die Tonnen mit schwarzem Pulver in die L u f t , und die Stadt wird genommen. Dichterisch wichtig ist die älteste Aufzeichnung bei Kirsa Danilov (Nr. 30): I n m i t t e n des Kasaner Zartums fährt die Zarin Jelena aus einem T r a u m empor und erzählt dem Zaren Simeon: mir t r ä u m t e , wie vom starken Moskauer Z a r t u m her ein grauer Adler aufflatterte, wie eine schreckenerregende Wolke sich erhob, — es erhob sich der Großfürst von Moskau, Ivan Vasiljevic, der Seher (prozritel'). Dann empfängt die kluge Zarin den Moskauer Fürsten mit Salz und Brot und bleibt a m Leben, während Zar Simeon „ u m seines Stolzes willen" (weil er sich dem Moskauer Fürsten widersetzte) geblendet wird. — Ivan tritt in seine Rechte ein; mit starken nationalem Akzent schließt dies Lied ab. Dieses älteste Lied von Ivan zeichnet sich durch mancherlei aus: geographische Genauigkeit; geschichtliche Zuverlässigkeit, wenn Ivan noch Großfürst genannt ist (was er allerdings nur bis zum Jahre 1547 war, da er den Zarentitel sich beilegte) — sein Gegenspieler ist der letzte Chan von Kasan, lediger, der gefangengenommen "und getauft wurde, wobei er den Namen Simeon erhielt. Die Teilnahme der Kosaken ist geschichtlich, und so kann dies Lied die offizielle Fassung widergeben, die sich Olearius zufolge Ivan vorsingen ließ — auch die E r w ä h n u n g der Herrscherattribute (Zarenkrone, Purpur, Zarenstab) sprechen dafür — eine besondere Tendenz ist deutlich ( M I L L E R , Ocerki I I I , 205—19). b) Wir dürfen annehmen, daß/es einst ein ganz selbständiges Lied vom Tod der Zarin Anastasja Romanovna, aus der Familie Zacharjin, gab, mit der Ivan sich 1547 als Sechzehnjähriger verheiratete und die 1559 s t a r b : wir kennen es aber als Einzellied
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nur noch aus zwei Fassungen, von der Winterküste her aus der Familie Krjukov, während es sonst als Einleitung zum vielgesungenen Liede von Kostrjuk erscheint. Dies ernste und würdige Lied beginnt mit der Trauer der Natur um das Hinscheiden der Zarin, des raschströmenden Flusses, der Stromschnellen, des salzigen Meeres, der dunklen Wälder; die Zarin bittet die beiden jungen Zarensöhne den Vater zu holen, daß er sich von ihr verabschiede. Das geschieht, und die sterbende Fürstin — und gerade dies ist sehr eindringlich geschildert, denn es bildet das eigentliche Liedthema — bittet den Zaren, er möge nicht hitzig und aufbrausend, sondern gnädig sein zu den beiden jungen Zarensöhnen, er möge einstehen für den orthodoxen Glauben, für Klöster und Kirchen; er möge sanft und freundlich sein zu den Rekruten, da sie doch den rechten Glauben, ihn, den Zaren, die Fürsten verteidigen; er möge sanft und freundlich sein zu den Fürsten und Bojaren, zu den Bauern, die er nicht mit Steuern überlasten möge; er möge nach ihrem Tode nicht eine Frau nehmen aus dem „verfluchten Litauen, der heidnischen Horde" — sonst würde der rechte Glaube zerstört werden. Da eilte in Wut der Zar von der Sterbenden fort — der Stern fiel vom Himmel, die Wachskerze erlosch, die fromme Zarin starb, der rechte Glaube wurde zerstört. Das Lied muß in Opposition rechtsstehender Kreise zu der Hochzeit Ivans mit Marja Temrjukovna i. J. 1561 gedichtet sein. Das Lied deutet das an, was auch der Historiker vermerkt: Die Wandlung des Zaren zum Bösen und Kranken nach dem Tode der Anastasja und Dimitrij war auffällig: Anastasja hatte ihm drei Söhne geboren, Dimitrij, der in der Scheksna ertrank, Ivan, den der Vater erschlug, und Feodor, den zukünftigen Herrscher. c) Ein weiteres Lied ist das von Ivans Hochzeit mit Marja Temrjukovna und das Lied von Kostrjuk. Es existiert in vielen Varianten (MILLER kennt ihrer 65) — daß das vorige Lied als Einleitung erscheint, ist zweifellos etwas Junges. Hauptinhalt des Liedes ist der Zweikampf von Ivans Schwager, Marjas
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Bruder. Es gibt zunächst eine wohlbekannte Szene der Bylinen, ein Gastmahl: Kostrjuk sitzt verstimmt da, ißt nicht, trinkt nicht, was den Zaren beunruhigt. Befragt gesteht Kostrjuk, daß er in Moskau mit erfahrenen Kämpfern einen Ringkampf ausfechten wolle. Jetzt tritt eine geschichtliche Gestalt auf, die in den Liedern um Ivan eine bedeutende Rolle spielt: es ist Nikita Romanovic, der Bruder von Anastasja Romanovna, nach dem das Fürstenhaus Romanov benannt wurde — sein Enkel ist der erste Zar Michail Fjedorovic, Sohn des Patriarchen von Moskau Filaret (gest. 1633). Nikita besorgt die Ringkämpfer, aber im Ringkampf unterliegt Kostrjuk — beschimpft und verspottet muß er Moskau verlassen. Geschichtlich ist nur die Hochzeit mit der Kabardinischen Prinzessin v. J. 1561, von der es wohl ein eigenes Lied gab. Skomorochen, der feindseligen Volksstimmung folgend, dichteten dazu den Zweikampf. Es ist die Zeit, da Rußland bereits langsam nach Südosten vordrang, und kaukasische Fürsten in Moskau lebten, die dort viel intrigierten und das Volk gegen sich aufbrachten, — zu diesem Kreise gehörten auch die Temrjukovicen, aus deren Mitte sich Ivan die wunderschöne, auf den Namen Marja getaufte Prinzessin heimführte. d) Ein einziges Mal aufgezeichnet, dafür aber schon i. J. 1619 für Richard James, wurde ein Lied auf den Einfall des Chans der Krim Devlet-Girej v. J. 1571, der einen Teil von Moskau ausplündern und niederbrennen konnte; 1572 wurde er geschlagen und mußte fliehen. Das Lied atmet in der Tat noch die frische Stimmung nach den Geschehnissen: mit knappen Strichen wird in 34 Versen die Vermessenheit des an der Oka haltmachenden Chans geschildert, wie er die Städte Moskau, Volodimer, Suzdal', Zvenigorod, Rjazan', Novgorod unter seinen Mannen verteilt. Da ruft ihm die Stimme des Herrn aus den Himmeln zu: ,,Du Hund, du Zar der Krim! Noch gibt es in Moskau 70 Apostel, noch gibt es in Moskau den rechtgläubigen Zaren!" Das Lied gibt gut die
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E m p ö r u n g der Russen wieder, für die das Moskauer Reich der Hort des S t a a t e s und der Kirche war — daher eben greift Gott selber in den irdischen Kampf ein (Vs. MILLER Nr. 92: Ti. I I I , 242 ff.). e) Ein interessantes, in Einzelheiten schwieriges Lied ist das vom „Mordversuch a m Zarevic" (1581), das uns vor allem in einer Reihe von Varianten, bei RYBNIKOV, HILFERDING USW., überliefert ist, die nach Bylenenweise umgeformt sind (SPERANSKIJ II, 356; MILLER Ausg. Nr. 98 ff.). Das Historische ist in den Einzelheiten nicht b e w a h r t : I v a n ist es, der seinen Vater gegen seinen jüngeren Bruder Fjodor aufreizt, — ein Hinweis darauf, daß dem Volke die Artverwandtschaft der beiden Ivans, Vater und ermordeter Sohn, bekannt war. In Bylinenweise prahlen die Gäste, womit sie zu prahlen wissen. I v a n Groznyj prahlt damit, daß er den Verrat in Pskov, Kasan, Astrachan, Novgorod a u s r o t t e t e und vorhabe, den Verrat aus dem steinernen Moskau und dem ganzen heiligen Rußland auszurotten. I v a n Sohn verdächtigt seinen Bruder (gelegentlich ist es nicht Fjodor, sondern Dimitrij) — der Vater befiehlt alsbald den Henkern, seinen Sohn hinzurichten. Aber die Fürstin Anastasja (im Liede heißt sie Marja) eilt zu ihrem Bruder Nikita, dem es gelingt, den Zarensohn dem Tode zu entreißen: nachdem der Zorn verraucht ist, nimmt Ivan Groznyj in Freuden seinen Sohn von Nikita entgegen. Das Lied, dessen Handlungsablauf im ganzen recht gleicha r t i g ist, h a t seelische Voraussetzungen, denen nachzukommen k a u m möglich ist. ' I v a n Groznyj übergehe ich in dieser Skizze der Historischen Lieder. 3. Unmittelbar mit der Persönlichkeit des bedeutenden Zaren verbunden sind die Lieder, die sich auf den K o s a k e n a t a m a n Jermak Timofejeuiö, den Eroberer von Sibirien (1581—1584) beziehen, diese für die europäische und asiatische Geschichte so bedeutungsvolle Tat (MILLER, Ausg. N n 157 ff.).
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Am umfangreichsten (216 Verse) ist das Lied bei Kirsa Danilov (Nr. 14), mit vielen Details vom Zuge Jermaks aus Astrachan nach Sibirien, Kämpfe, Eroberung und Tod erzählend. Eine nüchterne Darstellung mit den Namen aller Flüsse und Flüßschen, auf denen die Kosaken mit ihren Booten fuhren, nichts gelöst-dichterisches in der Darstellung — unter den Historischen Liedern recht isoliert dastehend. Der Stil, ist durchtränkt mit Ausdrücken aus der Büchersprache und weist auf „halbgelehrten" Ursprung des Liedes hin. Von Jermak haben mehrere Lieder gesungen, besonders war er unter den Kosaken als Held gefeiert. Im 17. Jh. wird er im Norden Rußlands in die Zahl der Bylinenhelden aufgenommen als Kampfgefährte des „alten Kosaken Ilja Muromec" und kämpft als Neffe des Fürsten Vladimir gegen die Kijev angreifenden Tatarenscharen ( R Y B N I K O V Nr. 7). Die Gestalt von Ivan Groznyj in den Liedern, die nach seinem Tode gesungen und später vielfach umgesungen wurden, ist nicht einheitlich: er ist natürlich vor allem der Groznyj Car', der voller Brutalität ist, voll Argwohn, überall Verrat witternd, sofort bereit hinzurichten, um Volk und Umgebung in Schrecken zu halten. Andererseits war seine Bedeutung für Moskaus Innen- und Außenpolitik gar zu augenscheinlich, als daß man seine Wirksamkeit nur menschlich-negativ hätte bewerten können. Auch dürfte das Volk über die Hinrichtung der Bojaren nicht durchweg entsetzt gewesen sein. In einem Liede wird gesagt, daß er Wahrheit und Unwahrheit gleicherweise verfolgte ( M I L L E R , Ausg. Nr. 152) — aber auch das Gegenteil wird ausgesagt. Aus der Zeit der Wirren nach dem Aussterben der Rjurikiden liegen mehrere Lieder vor, die zu erregenden Ereignissen Stellung nehmen. 1. In einer Reihe von Varianten des 18. und 19. Jhs. haben wir ein Lied auf den sog. Lügendimitrij, der 1605/6 Zar war und am 17. Mai 1606 infolge einer Bojarenverschwörung er-
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mordet wurde: das Lied spricht von dem Zaren, der entschiedene Qualitäten hatte, als vom „Betrüger Griska Otrepjev, dem entweihten Mönch" (MILLER, Ausg. Nr. 210ff.): „Gott hat sich über uns erzürnt, sandte uns den Verführer Griska Otrepjev den Betrüger, den entweihten Mönch. Kaum hatte er den Zarenthron bestiegen 1 , wollte sich der „vor sobaka" verheiraten 2 , doch nicht bei uns in Moskau, im heiligen Rußland, sondern im verfluchten Litauen 3 . Von Jurij, dem Pan der polnischen Horde, nimmt er Mariska Jurjevna. Seine Hochzeit fand nicht statt an einem passenden Tag, im Frühjahrsfest, dem Mikolatag, da gingen die Bojaren zur Frühmesse: Griska und Mariska gingen ins Badehaus. Die Bojaren kommen von der Frühmesse, Griska und Mariska kommen aus dem Badehaus. Griska trägt einen Pelz aus schwarzem Zobel, Mariska eine Saloppe von rotem Gold. Spricht die fromme Witwe 4 : „Ihr dummen, unverständigen Bojaren! Unser Carevic ist in Uglic getötet, seine Gebeine liegen im steinernen Moskau, im Archangelsk^ Sobor". Das faßten die Bojaren richtig auf und machten sich an Grigorij heran. Und diese Mariska Jurjevna verwandelte sich in eine Elster und flog fort vom Fenster aus. Und Griska Otrepjev fiel aus dem Fenster auf den Ziegelboden und schlug sich zu Tode." Das Lied, das nur als Ausdruck der Zeit wichtig ist (ich gab d i e V a r i a n t e HlLFERDINGs b e i MILLER, A u s g . N r . 2 1 2 , w i e d e r ) ,
ist uns zunächst bei Kirsa Danilov überliefert (Nr. 12), es ist tendenziös und faßt all die Beschuldigungen und Verleumdungen zusammen, die im Volk umliefen: in der Tat spielten ja beim Sturz des Falschen Dimitrij neben der Bojarenintrige alte konservative unduldsame Anschauungen, besonders religiöser Natur, eine ansehnliche Rolle. Marina, die im russischen 1 2 3 4
Juli 1605. Mai 1606. das ist in Polen. Marja Iwanovna, Marja Nagaja, Mutter Dimitrijs.
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Volkslied zur Zauberin geworden ist und so auch in die Bylinendichtung E i n g a n g gefunden hat, verwandelt sich in eine Elster und fliegt davon. Der Tod des Zaren entspricht im wesentlichen den Tatsachen: er sprang aus dem Fenster des Palastes aus einerHöhe von 30 Fuß auf die Erde, blieb verletzt liegen und wurde ermordet. Maria bestritt, daß er ihr Sohn Dimitrij sei. Das knappe Lied ist straff und gibt den Kulminationspunkt gut wieder. 2. Eine bedeutende, früh auf tragische Weise umgekommene Persönlichkeit der Wirrenzeit war der Fürst Michail Vasiljevic Skopin-Sujskij, geb. 1586, gest. 1610, aus der Nachkommenschaft der Suzdaler Fürsten. Als Zwanzigjähriger stand er dem Falschen Dimitrij nahe, dann auch dem neuen Zaren Vasilij Sujskij — er war ein glänzender Heerführer. Im Jahre 1607 finden wir ihn in Novgorod, um mit den Schweden über ein Bündnis zu verhandeln, da sie im Februar dem Zaren, dessen Macht wankte, Hilfe im Kampf gegen den Schelm von Tuschino und gegen die Polen angeboten hatten. Im Jahre 1609 vereinigte sich Skopin mit den Schweden unter de la Gardie, der 27 Jahre alt war, während Skopin 23 Jahre zählte. Siegreich konnten sie am 12. März 1610 in Moskau einziehen. Aber der Zar, argwöhnisch und neidisch, haßte Skopin ebenso wie sein Bruder Dimitrij 1 Öujskij. Und am 23. April lud Fürst Vorotynskij, ein Schwager des Zaren, Skopin zum Gastmahl ein — während des Mahles wurde er unwohl, man brachte ihn nach Hause, wo er in den Armen seiner Mutter und seiner Frau starb. Es unterlag keinem Zweifel, daß er vergiftet war. Den großen Eindruck, den Nahestehende von ihm hatten, faßte de la Gardie, an seiner Leiche in Tränen'ausbrechend, in die Worte zusammen: „Männer von Moskau! weder in eurem Rußland, noch in den Ländern meines Königs, werde ich jemals wieder einen solchen Mann wie diesen erblicken!" Er wurde im Kreml bestattet. Mit ihm und mit seinemTode beschäftigten sich alsbald die Lieder. Das wichtigste, mehr lyrischer Natur noch, ist das, welches
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im Winter 1619/20 für Richard Jämes aufgezeichnet ist (MILLER, Ausg. Nr. 207) und unmittelbar nach dem Tode Skopins abgefaßt sein muß, so lebendig und ergreifend gibt es den Gefühlen Ausdruck, die Volk und Gesellschaft beherrschten: „Was ist denn nur bei uns in Moskau geschehen: um Mitternacht läutete man bei uns die Glocken ? Laut weinen die Kaufleute von Moskau (gosti Moskovskije): Jetzt ist unser Leben verloren, weil un,ser Vojevode von uns ging, Fürst Michajlo Vasiljevic." Zusammen kamen die Fürsten und Bojaren und Vorotynskij und sprachen unter sich; sprachen das Wort und lachten: „Hoch schwang sich empor der Falke, doch zerschlug er sich an der feuchten, harten Erde!" Und es weinen die schwedischen Deutschen: „Ach, daß dahinstarb unser Vojevode, Vasiljevic Fürst Michajlo!" Da flohen die Deutschen nach Novgorod und schlössen sich ein in Novgorod, vernichteten viel Volk und kehrten heim in ihr lateinisches Land! Daneben wurde ein ganz episches Lied gedichtet, das den geschichtlichen Tatsachen gerecht wurde, wir finden es im Jahre 1899 am Weißen Meere aus dem Munde von Agrafjona Krjukova aufgezeichnet (MILLER, Ausg. Nr. 193). Daneben beschäftigte sich ein anderes Lied mit den Waffentaten und kriegerischen Erfolgen Skopins (MILLER, Ausg. Nr. 197 und 198); es gerät in den Bann der Bylinendichtung (TRAUTMANN, Volksdichtung I, S. 411), während ein weiteres, auf den erschreckenden Tod des jungen Heerführers, häufig völlig zur Byline gewandelt und sogar nach Kijev verlegt wurde — so ist uns ein wertvolles Lied im 19. Jh. aus Sibirien überliefert (Volksdichtung I, S. 411—413). 3. Auf den Tod von Boris Godunov (gest. im April 1605; er war Zar seit 1598) ist uns einmal aus dem Jahre 1834 (S. MILLER, Ausg. S. 227) ein übles Tendenzlied überliefert, das mit der üblichen Verleumdung von Dimitrijs Ermordung arbeitet, in völliger Ahnungslosigkeit darüber, was Godunovs Tod für den Staat Moskau bedeutete. Trautmann,
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„In den vergangenen Jahren, bei den alten Zaren, entstand eine böse, verderbliche Zeit. Böse Zeiten hüben schon an beim alten Zaren Fjodor Ivanovic, als unser rechtgläubiger Zar Fjodor Ivanovic verschied. Da gelangte „Rossejuska" in betrügerische Hände, an die Bojaren. Aus ihrer Mitte erschien ein wüster Kopf (bujna golova), Boris Godunov; der betrog alle Bojaren und das Volk. Er, der Halbidiot, begann in Moskau über das ganze Rußland zu herrschen, er erlangte die Macht durch den Tod des heiligen Carevic Dimitrij. Godunov sammelte Räuber um sich: ,Geht, tötet den Zaren Dimitrij', — so töteten sie den jungen heiligen Carevic Dimitrij, kamen und erzählten es Boris Godunov. Als er es hörte, freute er sich über das Unheil. Und nun herrschte er genau 5 Jahre; aus Kummer vergiftete er sich und erstach sich mit einem spitzen Dolch." 4. Unter den für James im Winter 1619/20 aufgezeichneten Liedern (MILLER, Ausg. Nr. 248) befindet sich ein interessanter Klaggesang von Ksenja, Godunovs junger Tochter, die nach dem Tode ihres Bruders Fjodor Borisovic und dem Einzug des Lügendemetrius im Juni 1605 seine Geliebte, dann aber in Wladimir zur Nonne geschoren wurde (sie starb im Jahre 1622). Es ist ein eöhtes lyrisches Volkslied, ein echter Klaggesang über den Tod der Eltern, auf den „Rostriga", der sie zur Nonne' machen wolle . . . , sowie das Lied auf Skopins Tod, ergreifend durch den echten unmittelbaren Ton der Klage einer jungen, vom Schicksal vernichteten Frau: wie ein „Ein kleines Vögelein, weißes Wachtelweibchen" klagt sie um ihr Nest, um ihren Vater, um ihr trauriges Los . . . 5. Von besonderem Interesse ist es, daß ein Lied von 32 Versen unter den für Richard James aufgezeichneten, unmittelbar nach einem wichtigen Ereignis des 14. Juni 1619 aufgezeichnet ist. Philaret Nikitic Romanov, Sohn des auch in den Historischen Liedern gefeierten Nikita Romanovic, ein lebenslustiger, eleganter Moskauer Bojar, wurde von Boris Godunov ins Kloster gesteckt. Vom Falschen Demetrius zum Metropoliten von Rostov
Das altrussische Historische Lied
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gemacht, wurde er bald Patriarch, n a h m eine Gesandtschaft an König Sigismund an und ging schweren Prüfungen entgegen, die er m a n n h a f t bestand. Während er sich noch in polnischer Gefangenschaft befand, war sein sechzehnjähriger Sohn Michail Romanovic a m 14. März 1613 Zar geworden. Am 14. Juni 1619 traf Philaret, endlich freigelassen, in Moskau ein, feierlich vor der S t a d t vom Zaren begrüßt •— beide lagen auf dem Erdboden und vergossen Tränen. Der Freude des Moskauer Zartums und des ganzen heilig-russischen Landes gibt das Lied Ausdruck und schildert k n a p p dann das Geschehnis, wie der rechtgläubige Zar auszog, u m seinen „aus dem ungläubigen litauischen L a n d e " zusammen mit dem Fürsten Sein zurückkehrenden Vater zu begrüßen. Das Lied schließt mit den Segensworten Philarets: „ G o t t gebe, daß gesund bleibe der rechtgläubige,Zar, Großfürst Michail Fjodorovic, daß er herrsche über das Z a r t u m Moskau und das ganze heilig-russische L a n d " (MILLER, Ausg. Nr. 242). Philaret wurde alsbald Patriarch von Moskau, erhielt den Titel „Großer Herrscher", und Moskau h a t t e bis zu seinem Tode im Jahre 1633 zwei Herrscher: er war eine starke und kluge Herrschernatur. 6. Ein Historisches Lied (MILLER, Ausg. Nr. 255ff.) hat die Belagerung des Klosters Solovki im Weißen Meere (1668—76) besungen, das in mehreren Varianten überliefert ist. Es ist nicht zufällig, daß das u m 1900 aus dem Munde von Agrafjona Krjukova an der Winterküste des Weißen Meeres aufgezeichnete Lied das beste ist, auch den Stoff a m besten erhalten hat in der Verkürzung und Umformung, die das Volkslied erfordert. Die H a n d l u n g beginnt in Moskau, wo Zar Aleksej einen Vojevoden bestimmt, der zum heiligen Kloster entsandt werden soll, u m dort den Alten Glauben zu vernichten, die alten Bücher zu verbrennen. Der Vojevode Saltykov lehnt das ab. Aber der Zar zwingt ihn unter Todesdrohungen und gibt ihm viele Soldaten m i t : Saltykov erkrankt und Fürst Pescerskij (d. h. der geschichtliche Meserinov) ersetzt ihn. Auf Schiffen fährt m a n zum Kloster 2*
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— der Kampf beginnt, dessen Endphase nur vom Lied geschildert wird. Ein Mönch geriet den Belagerern in die Hände — durch ein Fenster in der Mauer konnte man ins Kloster dringen. Man vernichtete den Alten Glauben, zerriß die alten Bücher, verbrannte sie, die Mönche erschlug man, warf sie ins Meer, dem Igumen schnitt man die Zunge ab — auf wunderbare Weise wird er wieder heil. In der dunklen Nacht kommen zum Zaren zwei Greise und befehlen ihm, den Alten Glauben nicht zu vernichten. Der Zar sendet schnell Kuriere, um das Unheil zu verhindern — der Vojevode kam elend ums Leben. Dies Lied tritt also offen für den Alten Glauben ein. Es ist mit der großen Bewegung des Raskol, der die russische Kirche spaltete, verbunden. Dem Widerstande gegen die Kirchenreformen des Patriarchen Nikon, den die konservativen russischen Kreise begannen, den Altgläubigen, die 1666/67 von einem Konzil zu Ketzern erklärt wurden, schloß sich das bedeutende und reiche Kloster von Solovki an. Die Belagerung dauerte 8 Jahre, der Kampf gegen die Mönche zog sich lange hin, erforderte immer mehr Truppen, und erst im Januar 1676 gelang die Eroberung durch den Verrat eines Überläufers, der eine schwache Mauerstelle verriet. Die Mönche wurden teils erschlagen, teils verbannt, teils im Kloster belassen — im gleichen Jahr dieser Greueltat starb der Zar Aleksej. 7. Die Taten von SterCka Razin sind im Liede mehrfach besungen ( M I L L E R , Ausg. Nr. 272 ff.). Das 17. Jh. war in Rußland durch beständige Unruhe, Revolten und Aufstände gekennzeichnet, die ihren Grund in den trostlosen sozialen Zuständen, den beständigen Kriegen und der Leibeigenschaft hatten. Unter Aleksej kam es 1648 in vielen Städten zu Aufständen, dann entbrannte 1670 und 1671 der Riesenaufruhr Razins im südöstlichen Wolgagebiet, der unter dem Donkosakentum zum Ausbruch kam und einen ausgeprägt sozialen Charakter trug, sich gegen die oberen, das Volk bedrückenden Schichten wendend.
Das altrussische Historische Lied
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Ein Lied bezieht sich auf die Eroberung von Astrachan v. J. 1670, das wiederholt aufgezeichnet wurde, schon von P U S C H K I N , der in einem Brief an seinen Bruder vom November 1824 schreibt: „Weißt du, womit ich mich beschäftige? . . . abends höre ich Märchen . . . , was für eine Pracht, diese Märchen!" Jedes ist ein Gedicht! . . . Und dann nennt er Sten'ka Razin „die einzige poetische Gestalt der russischen Geschichte". Das Volkslied hat das Ereignis völlig umgesungen: es stellt in den Mittelpunkt einen Sohn Razins, der gar nicht existierte. Der Vojevode des Liedes ist der Astrachaner Fürst Prozorovskij, den Sten'ka Razin nach Eroberung der Stadt in die Wolga warf. 8. Aus dem 17. Jh. gibt es noch weitere Historische Lieder. Eines aus der Sammlung Kirsa Danilov (MILLER, Ausg. Nr. 248) ist bezeichnend, wie das Volk besondere Ereignisse sich verständlich gemacht hat. Es handelt sich um die Belagerung von Riga vom 23. August bis zum 2. Oktober 1656, die mit einem vollen russischen Mißerfolg endete. Nach dreijähriger Belagerung rüstet sich der Zar Aleksej, ins steinerne Moskau abzufahren. Ganz in der Morgenfrühe schrien die Soldaten vor Riga auf wie Gänse und Schwäne: „Du rechtgläubiger Zar Aleksej Michailovic, du rüstest, ins steinerne Moskau zu fahren; verlasse uns Arme nicht vor Riga, schon wurde uns Riga zuwider, viel Kälte, viel Hunger erduldeten wir, Nacktheit und Blöße!" Antwortet der rechtgläubige Zar: „Ei, ihr Kinder, ihr jungen Soldaten! Nicht euch allein wurde Riga zuwider. Wenn Gott uns heimführt ins steinerne Moskau, dann werden wir das Elend vergessen, die große Not. Ich will euch die zaristischen Keller öffnen mit Bier, Wein, süßem Met!" 9. Den Liedern über Peter den Großen und seine Zeit ist Heft 8 „der" Lieder, gesammelt von P. V . K l R E J E V S K Y (Moskau 1870) gewidmet. Es ist eine bedeutende Anzahl, und hervorragende Fakten sind aus Peters Regierungszeit von den Liedern behandelt. Da finden wir bei Kirsa Danilov (Nr. 32) ein Lied auf die
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Geburt des ersten russischen Imperators (1672) — in der Nacht fertigen alle Zimmerleute für den jungen Carevic eine Wiege, alle Kinderfrauen, alle Mädchen ein Tuch an mit rotem Gold. Vor allem sang man Lieder von der Hinrichtung der Strelitzen vom Jahre 1698, die Peters Auslandreise benutzten und meuterten. Ein gutes Lied aus Nordrußland erzählt stark im ruhigen Bylinenstil, wie der Strelitzenataman nach Moskau reitet und den Zaren um Vergebung bittet — der Zar lehnt schroff ab — der Ataman reitet zu seinem Heer zurück: „Uns alle will der rechtgläubige Zar gnädig beschenken mit einem hohen Haus, mit zwei eichenen Pfosten und seidenen Schlingen." Während ein anderes lyrisch mit der Klage beginnt: „Bisher stand unser grüner Garten grün da, nun ist der grüne Garten vertrocknet, verblaßt, vertrocknet — verblaßt, zur Erde geneigt; traurig wurden im Gärtlein die freien Vögelein, alle wurden Kuckucksweibchen." An all diese kurz hier genannten Lieder schließen sich eine große Anzahl weitere an, die einzelne Geschehnisse des 18. und 19. Jhs. behandeln. Auch der große Vaterländische Krieg hat heute bereits eine reichliche Ernte zurückgelassen. Ich breche a b : Schon diese Skizze mag gezeigt haben, in wie lebendiger und frischer Weise das russische Volk auf die von ihm selbst erlebte Geschichte antwortet: die Lieder sind nicht so streng geformt wie die Bylinen, es herrscht eine durchaus offene Form, die dem jedesmaligen Willen des Sängers folgen kann, ohne traditionelle Belastungen durch Formgesetze. So mannigfach gerade dadurch der Ausdruck geworden ist, so vielseitig besonders für den Kulturhistoriker das Material geworden ist, diese völlige Freiheit ist dem Historischen Liede als Volksdichtgattung nicht zugute gekommen: wir vermissen die schöne altererbte Gemessenheit, die der Byline einen guten Teil ihrer dichterischen Wirkung und Stärke gab.
Anhang Einnahme von Kasan (nach Hilferding Vs.
MILLER,
Nr.
1)
I Ihr jungen Burschen höret an, und wir Alten wollen erzählen von dem schrecklichen Zaren Ivan Vasiljevic, wie unser Herrscher Zar Ivan Vasiljevic die Stadt Kasan unterwarf, Minen unter den Fluß Kasanka legen ließ, Fässer mit Pulver hinter den Sulajfluß wälzen ließ, wie er Kanonen und Geschosse im lichten Felde aufstellen ließ: die Tataren aber gehen in der Stadt auf und ab, allerhand Schändlichkeiten, allerhand Schändliches treiben sie, über den schrecklichen Zaren lachen sie: unser Kasan soll niemals dem weißen Zaren unterworfen sein!" Unser Herrscher Zar Ivan Vasiljevic, unser Herrscher, der Zar, wird da zornig, daß die Explosion lange auf sich warten läßt, befahl die Kanoniere hinzurichten, alle Minierer und Anzünder. Da begannen nachzusinnen alle Kanoniere, begannen nachzusinnen und wurden betrübt. Doch ein Kanonier faßte Mut, der Kanonier beginnt also zu sprechen: „Erlaube, unser Herrscher, ein Wort zu sagen!" Kaum noch hatte der Kanonier sein Wort gesprochen, da entbrannten die Lunten, plötzlich zerrissen die Pulverfässer: die Wände der Festung wurden über den Sulajfluß geworfen. Da entsetzten sich alle Tataren; sie unterwarfen sich dem weißen Zaren, die Tataren sprechen also: „Ewig wird unser Kasan zum heiligen Rußland gehören, zum heiligen, unbesieglichen Rußland, dem unbesieglichen, von Gott geliebten Rußland!"
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REINHOLD
TRAUTMANN
II Eine Fassung der Orenburger Kosaken lautet (Vs. MILLER Nr. 6): Aus dem starken Moskauer Zartum nicht ein grauer Adler flatterte empor, nicht eine schreckliche Wolke erhob sich, überschwemmte das Kasaner Zartum — aus dem starken Moskauer Zartum erhob sich der Moskauer Großfürst, Väterchen Ivan Vasiljeviö mit seinen Fußvolkscharen, mit seinen alten berühmten Kosaken. Der schreckliche Zar griff Kasan an, unter das Flüßchen, die Kasanka, ließ er Minen legen, unter die andere Seite des Sulajflusses ließ er 40 Tonnen rollen mit bösem Kraut, mit Pulver. Wir zündeten auf den Tonnen die Wachskerzen an; nachdem wir sie angezündet hatten, gingen wir selber fort. Die bösen Tataren gehen an der Mauer auf und ab, unsern Zaren, Väterchen Ivan Vasiljeviö reizen sie auf: „Du kamst nicht eine Stadt zu nehmen, sondern kamst uns den Rücken zu zeigen." Da ergrimmte der schreckliche Zar: „Laßt mich die Kanoniere hinrichten, sie hängen!" Da fand sich von uns ein junger Kanonier: „Laß uns, Herrscher, nicht hinrichten, nicht hängen; laß uns, Herischer, sprechen. Draußen brennen die Kerzen rasch ab, unter der Erde brennen sie nicht rasch ab." Kaum hatte der Kanonier seine Worte ausgesprochen, da zerrissen die Tonnen, die Erde wurde nach allen Seiten geworfen. III Kirsa Danilov, Nr. 30?: ( = Speranskij II, S. 361 ff. und Vs. MILLER, Nr. 8). Inmitten des Zartums Kasan stand ein weißsteiniger Palast, und im Schlafgemach des weißsteinigen Palastes fuhr die Zarin aus dem Schlafe auf, die Zarin Jelena erzählte dem Zaren Simeon ihren Traum:
Das altrussische Historische Lied „Steh du auf, Zar SIMEON, wache auf! Heute nacht schlief ich nur wenig, in Traumgesichten habe ich viel gesehen: aus dem starken Zartum Moskau1 wie ein grauer Adler flatterte empor, wie eine schreckliche Wolke erhob sich, überschwemmte unser Zartum." Aus (Jem starken Zartum Moskau erhob sich der Großfürst von Moskau, Ivan, der Herrscher, Vasiljeviö, mit seinen Fußvolkscharen, mit seinen alten berühmten Kosaken. Sie gelangten bis auf 15 Werst an das Zartum Kasan heran, führten Minen unter das Bulakflüßchen2, legten Minen unter das andere, das Flüßchen Kasanka, Fässer mit schwarzem Pulver rollten sie heran, stellten sie unter dem Berg auf, brachten sie an das Zartum Kasan heran; eine Kerze von reinem Wachs stellten sie hin, eine zweite Kerze im Lager, im Felde: im Felde die Kerze brannte ab, die Kerze in der Erde brennt langsamer. Da loderte auf vor Zorn der Großfürst von Moskau, Ivan, der Herrscher, Vasiljeviö, begann die Kanoniere hinzurichten, weil die Kanoniere ihn verraten hatten. Da trat ein junger Kanonier heraus „Du, Herrscher, Großfürst von Moskau! Laß uns Kanoniere nicht hinrichten: Im Winde brennt die Kerze rascher, doch in der Erde brennt die Kerze langsamer." Da dachte der Großfürst von Moskau nach, begann diese Worte bei sich zu überlegen; in der Erde brannte die Kerze aus reinem Wachs bis zu der Tonne mit schwarzem Pulver — die Tonne mit schwarzem Pulver wurde ergriffen, 1 2
s. Lied Nr. I I — Bulakflüßchen.
MILLER,
(VS.
Nr.
6)
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R e i n h o l d Trautmann"
der hohe Berg ward in die Höhe gehoben, der weißsteinige Palast wurde zertrümmert. Da eilte der Großfürst von Moskau • auf den hohen Berg hinauf, wo der Zarenpalast stand. Und die Zarin Jelena bemerkte das, streute Salz auf das Brot hinauf, mit Freude ging sie dem Moskauer Großfürsten entgegen, Ivan, dem Herrscher, Vasiljeviö: und dafür erbarmte er sieh der Zarin, nahm sie auf in den rechten Glauben, ließ die Zarin im Kloster als Nonne scheren. Aber wegen des Stolzes des Zaren Simeon, weil er nicht dem Großfürsten entgegengegangen war, nahm er ihm die lichten Augen heraus; auch nahm er ihm ab die Zarenkrone, und nahm ab das königliche Purpurgewand, nahm in seine Hände den Zarenstab. Und dann ward der Großfürst zum Zaren, und herrschte im Zartum Moskau, damals ward Moskau als Zartum begründet, seitdem ward ihm großer Ruhm. IV Auf den Tod der Zarin Anastasja Romanovna sang 1898 an der Winterküste Gavrilo Krjukov Markov folgendes Lied vor (Vs. M i l l e k , Nr. 25): Warum denn, ihr Brüder, ward niedergeschlagen der rasche Fluß? Warum tosen nicht die raschen Stromschnellen? Warum denn, ihr Brüder, verstummte, ward niedergeschlagen das salzige Meer ? Warum denn, ihr Brüder, wurden niedergeschlagen, rauschen nicht mehr die dunklen Wälder ? Warum, ihr Brüder, fiel vom Himmel der himmlische Stern ? Warum, ihr Brüder, erlosch die Kerze aus reinem Wachs ? Die rechtgläubige Zarin lag im Sterben, unser rechter Glaube stürzte zusammen. Spricht sie folgende Worte: „Ei, ihr Kinder, meine beiden Zarensöhne, meine beiden Zarensöhne, meine geliebten, meine geliebten, meine gelehrten!
Das altrussische Historische Lied Geht zu eurem leiblichen Vater, zum schrecklichen Zaren Ivan Vasiljeviö; geht zu ihm hin in den Senat, rufet ihn zu mir, um Abschied zu nehmen; ihr wisset ja, wie ihr zu ihm gehen und sprechen müßt, geht zu ihm hin, kniet vor ihm nieder und sprechet zum schrecklichen Zaren, eurem leiblichen Väterchen „Heil dir, du schrecklicher Zar Ivan Vasiljeviö!" Gehet ihr zu ihm hin, rufet ihn, zu mir, Abschied zu nehmen." Da gehorchten die beiden Zarensöhne, zogen an ihr buntes Gewand, so kommen sie in den Senat zu ihrem leiblichen Väterchen, zum schrecklichen Zaren Ivan Vasiljeviö; der sitzt da auf dem Zarenthron, auf dem Haupt trägt er die Zarenkrone, in den Händen hält er das wunderbare Kreuz. Da knieten sie vor ihm nieder, verneigten sich bis zur Erde vor ihrem Väterchen: „Heil, du schrecklicher Zar Ivan Vasiljeviö! Dich ruft unser Mütterchen, die Zarin, zum letztenmal will sie sich von dir verabschieden." Da gehorchte alsbald der Zar, stieg herab vom Zarenthron, warf ab die Zarenkrone, nahm ab das königliche Purpürgewand, legte es auf den Zarenthron, ging rasch zur Zarin hin, seinem jungen Weib, rasch ging er zu ihr in die lichte Stube. Da erblickte ihn seine junge Frau, die rechtgläubige Zarin: „Heil sei dir, schrecklicher Zar Ivan Vasiljeviö!, Ich werde dir folgende Belehrung geben: sei du nicht hitzig, sei du nicht aufbrausend, zu deinen kleinen Kindern sei du barmherzig, zu diesen kleinen Zarensöhnen; dazu will ich dir noch diese Belehrung geben: setz du dich ein für den rechten Glauben, setz du dich ein für die heiligen Klöster, und für die Kirchen Gottes; Auch noch diese Belehrung will ich dir geben:
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sei du sanft, sei du barmherzig zu den fremden Kindern, den Rekruten: sie stehen ja ein für den rechten Glauben, für dich, den Zaren Ivan Vasiljeviö, für alle Fürsten und Bojaren. Weiter will ich dir die Belehrung geben: zu deinen Fürsten sei du sanft, sei du barmherzig. Dazu will ich dir die Lehre geben: sei du sanft, sei du barmherzig zu deinen Bauern und Pflügern: leg du auf sie eine Steuer von 3 Pfennigen — so wirst du viele tausend einsammeln, lege du ihnen 3 Kopeken auf — so wirst du einen unermeßlichen Schatz einsammeln. Schließlich will ich dir die Belehrung geben: nach meinem Lebensende heirate du nicht in das verdammte Litauen ein, in das verdammte Litauen, die verdammte Horde, heirate nicht Kostrjuks-Nebrjuks leibliche Schwester, Marja Nebrjukovna: dann stürzt unser rechter Glaube zusammen." Da entflammte der Zar, entflammte, wurde wild, eilte fort von der Zarin aus dem Schlafzimmer". Zu der Zeit, zu der Stunde fiel vom Himmel der himmlische Stern, die Kerze aus reinem Wachs erlosch, der rechte Glaube stürzte zusammen, die rechtgläubige Zarin verschied. Es erlosch die Kerze aus reinem Wachs: es verschied die rechtgläubige Zarin, es stürzte zusammen der rechte Glaube.
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DER W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE DIEDRICH
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A L B E R T LEITZMANN
A N N E M A R I E V. GABAIN
J O H A N N E S STROUX
DIEDRICH WESTERMANN
FRIEDRICH BAETHGEN
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FÜR
KLASSE
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Sprachbeziehungen und Sprachverwandtschaft Afrika 28 Seiten - 1649 • DM 1,80 (Bestell- und Verlagsnummer: 2010/48/1)
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SPRACHEN,
F R I E D R I C H ZUCKER
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UND
KUNST
Plotin und Lykopolis 20 Seiten - 1950 - DM 1,50 (Bestell- und Verlagsnummer: 2010/50/V/l)
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ERNST HOHL
E i n p o l i t i s c h e r W i t z auf Caracalla E i n B e i t r a g zur H i s t o r i a - A u g u s t a - K r i t i k 20 Seiten - 1960 - DM 1,60 (Bestell- und Verlagsnummer: 2010/60/VI/l)
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ERICH HAENISCH Sino-mongolische Dokumente aus dem Ende des 14. Jahrhunderts (in Vorbereitung B e s t e l l u n g e n an e i n e B u c h h a n d l u n g o d e r an d e n V e r l a g
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