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German Pages 338 [384] Year 1906
DARSTELLUNGEN AUS DER
GESCHICHTE
DER TECHNIK DER INDUSTRIE UND LANDWIRTSCHAFT IN BAYERN.
DARSTELLUNGEN AUS DER G E S C H I C H T E DER TECHNIK DER INDUSTRIE UND LANDWIRTSCHAFT IN BAYERN.
FESTGABE DER
KÖNIGLICHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE IN MÜNCHEN ZUR JAHRHUNDERTFEIER DER ANNAHME DER KÖNIGSWÜRDE DURCH KURFÜRST MAXIMILIAN IV. JOSEPH VON BAYERN.
I . DRUCK UND V E R L A G VON' R. OI.DENBOURG. MCNCHEN UND BERLIN.
Einleitung. Die Technik in Bayern zur Zeit der Regierung Maximilian Josephs I. Festrede, gehalten bei der akademischen Jahresfeier der Technischen
Hochschule
am 8. Januar 1906 von dem derzeitigen Rektor
Walther v. Dyck. Die heutige Jahresfeier unserer Hochschule Gedächtnisses
steht
unter
an die vor hundert Jahren erfolgte A n n a h m e
d u r c h K u r f ü r s t M a x i m i l i a n IV. J o s e p h v o n
dem Zeichen
der
des
Königswürde
Bayern.
Stimmt uns die E r i n n e r u n g an jene Zeit zu ernster Betrachtung, wenn wir der T a g e tiefster Erniedrigung Deutschlands gedenken,
die Folge der Sonderpolitik
der Einzelstaaten, des Schwankens und der Unentschlossenheit der Führenden,
der
O h n m a c h t des Reiches, so erhebt uns das Bewußtsein, daß eben j e n e T a g e
den
Beginn bedeuten für die Z u s a m m e n f a s s u n g der zersplitterten Kräfte der Nation, den Vorfrühling einer neuen Zeit, die uns Befreiung und Einigung gebracht.
Walther v. Dyck.
VI Im Gespräch
mit G o e t h e
hat N a p o l e o n
über
die Schicksalstragödie
mit
den Worten geurteilt: „Was will man mit dem Schicksal, Die Politik ist das Schicksal." Damals waren schon die Widerstände im Entstehen, die zum
Zusammen-
bruch der Macht Napoleons, zur Tragödie seines Schicksals führen sollten. Die
Notwendigkeit
der
Selbsterhaltung
gebot
und
rechtfertigte
in
jener
wechselvollen Zeit gegenüber dem Druck napoleonischer Gewalt eine mit deutschnationalem Empfinden nicht im Einklang stehende äußere Politik, die mit der Macht Napoleons stand und fiel.
Die in Rußland gefallenen tapferen Bayern
waren
die
letzten Opfer jener Winterzeit, denen König L u d w i g 1. mit Recht die Worte widmen konnte: „Auch sie starben für des Vaterlandes Befreiung." Die dauernde E i n i g u n g d e r K r ä f t e aber, die schon damals die Hoffnung der Befreiung war, konnte erst in steter innerer Arbeit, nach Sturm und Drang, durch schmerzlichen Verzicht, nach neuem heißen glorreichen Kampf errungen werden. Die letzten Jahrzehnte des XVIII. Jahrhunderts hatten dem deutschen Volk eine neue Blüte der Poesie und Wissenschaft gebracht. „Zum zweiten „Begründung welche
in Poesie
Male in unserer Geschichte" —
des Deutschen und Wissenschaft
Reiches" für
—
die Bildung
Stellung in Europa ein neues Zeitalter eröffnete.
schreibt S y b e l
„entstand eine große unseres Volkes
in
seiner
Literatur,
und
dessen
Nach langer Nichtigkeit und Er-
bärmlichkeit fand sich Deutschland wieder in der Lage, mit berechtigtem
Selbst-
gefühl den übrigen Kulturvölkern an die Seite zu treten.
Nation
hatte
einen
Friedrich
aufzuweisen?
welche
Welche andere
andere übertraf in dichterischen
und
philosophischen Leistungen unsere Koryphäen? Im Anblick von Klopstocks, Lessings und Goethes Schöpfungen erinnerte sich das politisch zerrissene Volk an den unverwüstlichen Kern seiner geistigen Einheit und Zusammengehörigkeit.
Holsteiner
und Schwaben, Franken und Sachsen fühlten sich geeinigt in den gleichen Geisteskämpfen, in dem gleichen Sturm und Drang, in der Verwerfung alles Gemachten und
Konventionellen,
der Quelle
in
dem
leidenschaftlichen
aller Wahrheit und Schönheit.
klassisch gebildeten Geschmacke noch
Emporstreben
Mochte
König
zur echten
Friedrich
nach
Natur, seinem
so unwillig die Werke der neuen deutschen
Zeit als Plattheiten und Albernheiten bezeichnen: hier ließ ihn sein Volk im Stich. In dessen Kreisen entfaltete Lessing seine Kraft; die preußische Jugend erfüllte die Hörsäle Kants und Fr. August Wolfs, und das Berliner Publikum drängte sich zu
VII
Einleitung.
den Aufführungen, damals des Götz, wie etwas später der Schillerschen mit dankbarem
Entzücken.
Auf diesem
Gebiete gab
es
zwischen
Dramen,
Preußen
und
dem übrigen Deutschland keine Schranke mehr." „Aber aus diesem schönen Gefühle geistiger Gemeinschaft k e i n G e d a n k e an i h r e p o l i t i s c h e V e r k ö r p e r u n g h e r v o r . "
wuchs
—
Für diese wurde, freilich nicht in dieser Absicht, der Boden vorbereitet durch die politische Zusammenfassung einzelner Staatengruppen und Gebiete und ihre innere Verschmelzung.
Bayern von 1803 umfaßte in Altbayern, Franken, Schwaben und der
Pfalz vier Elemente von wesentlich verschiedener Stammesart.
Sie zu einem kraft-
vollen Gemeinwesen zusammenzuschließen, war die Lebensarbeit Maximilian Josephs. D i e B e d e u t u n g d i e s e s Z u s a m m e n s c h l u s s e s a b e r für B a y e r n s i n n e r e w i c k l u n g wie für s e i n e S t e l l u n g d a s J a h r 1806, d u r c h
nach außen
i s t in d e r G e s c h i c h t e
die A n n a h m e der K ö n i g s w ü r d e
Entdurch
bezeichnet.
Den Regierungsantritt des Kurfürsten feiert der Geologe F l u r l 1799 in einer akademischen Rede mit den Worten: „Wir feiern den T a g
(der Stiftung der Akademie)
in einem Zeitpunkt,
in
welchem die ganze bayerische Nation wie vom Schlummer aufgeweckt, im Vertrauen auf ihren geliebten Maximilian IV. alle jene Dinge erwartet, die da erfolgen werden und erfolgen müssen.
Unvergeßlich soll dieser Zeitpunkt bleiben, in welchem man
anfing, mit neuen Geisteskräften
die Wissenschaften
welcher den Künsten ein neues Leben,
zu bearbeiten;
ein Zeitpunkt,
den Manufakturen und Fabriken
eine neue
Betriebsamkeit, der Agrikultur eine neue Aufmunterung und dem damit verbundenen Handel einen ganz neuen Sporn geben wird." Es war eine gärende, an Widersprüchen reiche Zeit. Frost und Eis die morschen Bäume
niederbricht,
dabei
Wie im V o r f r ü h l i n g
auch
manchen
gesunden
Stamm und frischen Trieb vernichtend, und wie doch zugleich das erste Regen der neuen Lebenskraft sich zeigt, so tritt in jener Zeit der Neigung, zu zerstören, eine ebenso große Energie, Neues von Grund aus aufzubauen, an die Seite. Was inmitten jener Krisis, inmitten von Krieg und Kriegsgefahr, im Kampf mit äußeren und inneren
Schwierigkeiten
steten
allerart errungen und behauptet
worden ist, zeigt ein Blick auf die wichtigsten Unternehmungen und Schöpfungen aus der Regierungszeit Maximilian Josephs. In d e r
(hier
Hochschule
dem
vorliegenden)
Festgabe,
hundertjährigen
welche
Gedenktag
die
Technische
widmet,
sind
Walther v. Dyck.
VIII Darstellungen
aus der Geschichte
w i r t s c h a f t in B a y e r n
der Technik, der Industrie und
Land-
gegeben.
Sie wollen, in losem Z u s a m m e n h a n g e stehend, den Zustand von damals und von heute in vergleichende Betrachtung ziehen.
Alle Zweige der m o d e r n e n Technik
gleichmäßig zu berücksichtigen, war nicht die Absicht. Darlegungen
ein Bild
der gesamten Entwicklung
durch
E b e n s o w e n i g wollen den Lauf
die
des XIX. Jahr-
hunderts hindurch geben, das, so interessant an sich es ist, doch den Umfang einer Festschrift bei weitem überschritten hätte, u n d für dessen A u s f ü h r u n g auch die zur V e r f ü g u n g stehende Zeit nicht ausreichend gewesen wäre.
So sind nur einzelne
Gebiete und einzelnes aus ihnen in anspruchsloser Form h e r a u s g e h o b e n , und wird vielleicht die Auswahl zu späterer vollständiger und ausführlicher Bearbeitung des einen oder anderen Gebietes Anlaß geben. *
*
*
B e i d e r h e u t i g e n f e s t l i c h e n G e l e g e n h e i t m a g e s z i e m e n , in k u r z e n Z ü g e n die w e s e n t l i c h e n M o m e n t e h e r a u s z u h e b e n , w e l c h e die E n t w i c k l u n g d e r T e c h n i k in B a y e r n z u r Z e i t M a x i m i l i a n J o s e p h s e i n g e l e i t e t u n d B a y e r n s L e i s t u n g e n auf t e c h n i s c h e m G e b i e t e w e i t ü b e r s e i n e G r e n z e n h i n a u s Anerkennung gebracht
zur
haben.
Die stehen, soweit M a ß n a h m e n des Staates, mit M o n t g e l a s ' organisatorischer Tätigkeit und Z e n t n e r s ,
des Unterrichtsministers, Wirken in engster V e r b i n d u n g
und knüpfen sich anderseits an den bach,
Ruhm der Namen U t z s c h n e i d e r ,
Reichen-
Fraunhofer. In die erste Regierungszeit Max Josephs fällt, veranlaßt durch die franzö-
sische Heeresleitung, die g e o d ä t i s c h e L a n d e s a u f n a h m e , mit deren D u r c h f ü h r u n g das im Jahre 1801 errichtete topographische Bureau betraut wurde. französischen Ingenieur-Oberst B o n n e
Den unter dem
und dem bayerischen Kartographen
Oberst
v. R i e d e l rasch fortschreitenden Arbeiten schloß sich die auf U t z s c h n e i d e r s Vorschlag durch die Geodäten
S o l d n e r und S c h i e g g
ausgeführte
Detailvermessung
des Landes an, welche die Unterlage einer systematischen, gerechten G r u n d s t e u e r verteilung liefern sollte.
Hierbei fand Alois S e n e f e l d e r s Erfindung der Lithographie
ihre erste V e r w e n d u n g in g r o ß e m Maßstab durch die Ü b e r t r a g u n g aller Originalaufnahmen
auf Stein.
Die
D u r c h f ü h r u n g der
noch
heute
vollgültig
anerkannten
M e s s u n g e n gab weiter R e i c h e n b a c h Gelegenheit, seine in England
gewonnenen
Erfahrungen für die V e r b e s s e r u n g der Meßinstrumente zu verwerten.
IX
Einleitung.
Jene
auf Anregung
Graf R u m f o r d s
im Auftrag Kurfürst K a r l
Theodors
1791 unternommene Studienreise des jugendlichen R e i c h e n b a c h nach England, bei welcher er im Verein mit dem Bergrat B a a d e r sowohl den industriellen Großbetrieb in der Maschinenfabrik von Boulton & Watt in S o h o , auf den Bergwerken und Eisenhütten Edinburghs kennen lernte, als auch die berühmten englischen Werkstätten für astronomische und geodätische Instrumente besuchte, trug für die gesamte Entwicklung der Technik in Bayern die allerwichtigsten richtung
eines mechanischen
Früchte.
Zunächst führte sie zur Er-
Instituts, für dessen Betrieb sich R e i c h e n b a c h
dem Mechaniker L i e b h e r r verband.
mit
Die auf U t z s c h n e i d e r s Initiative und Unter-
stützung hin im Jahre 1804 erweiterte „mathematische Werkstätte" fand in F r a u n h o f e r , dem besonderen Schützling Kurfürst Max Josephs von der bekannten Katastrophe h e r ,
die ergänzende Kraft.
„optische" in Benediktbeuern
Das „mechanische Institut" in München,
brachten
die Feinmechanik
in B a y e r n ,
schon
B r a n d e r s Tätigkeit in Augsburg weltberühmt, zu einer neuen Blüte. wissenschaftliche
Forschungen
das
durch
Fraunhofers
sind z u d e m , in glücklichster Weise durch diese
technischen Leistungen unterstützt, von grundlegender Bedeutung für die Lehre vom Licht geworden.
Anderseits gewinnen Reichenbachs t e c h n i s c h e Leistungen ihren
Höhepunkt in der genialen Konstruktion seiner W a s s e r h e b e m a s c h i n e n , U t z s c h n e i d e r s weitschauender Tätigkeit Entstehung verdanken.
Auch
die wieder
als Generaladministrator der Salinen ihre
mit dem B r ü c k e n b a u von damals steht R e i c h e n -
b a c h s Name durch seine Konstruktion gußeiserner Röhrenbrücken Kam der ihnen zugrunde liegende Gedanke auch
erst später
in Verbindung.
zur Ausführung,
so
gaben doch die Arbeiten den Anstoß zur Ausgestaltung des Eisenhüttenwesens, das R e i c h e n b a c h auf Grund der Studien in England in die Wege leitete und womit er der späteren Entwicklung der E i s e n i n d u s t r i e
voranging.
Von den Maßnahmen Montgelas' zur Verbesserung der V e r k e h r s v e r h ä l t nisse
gibt W i e b e k i n g ,
dem 1805 das Straßen- und Wasserbauwesen übertragen
wurde, im Anhang zu einer akademischen Rede „Von dem Einfluß der Baukunst auf das allgemeine Wohl und die Zivilisation" (1816) das folgende anschauliche Bild: „Die bayerischen Kunststraßen sowohl als die Brücken waren des Krieges und anderer Ursachen wegen
im Jahre
1805 gänzlich in Verfall geraten.
Vorzüglich
mußten die Chausseen und Brücken in dem ehemaligen Bambergischen, in Schwaben, in Tyrol, im Bayreuthischen und Ansbachischen, im Salzburgischen, im Hundsrückund Innviertel, sowie in der Obern Pfalz und in der ehemaligen Provinz Bayern,
X
W a l t h e r v. D y c k .
von Grund aus wiederhergestellt werden.
Ohngeachtet
drei Kriege die Arbeiten
unterbrachen und die Heereszüge das Angefangene wieder beschädigten, das schlechte, unter den schmalfelgigen Rädern der bis zweyhundert Zentner ladenden Lastwagen leicht zu zermalmende Material, welches man nur in Bayern (außer in den gebirgigen Gegenden) antrifft; wiewohl dies alles große Hindernisse darbot: so wurden dennoch, von 1805 bis jetzt, zwey Tausend Stunden Chausseen, manche des Krieges wegen zweymal, vollkommen hergestellt; in Tyrol die Straßen erweitert und zu dem Ende Felsen gesprengt, Stützmauern aufgeführt und Höhen abgetragen." „Ferner sind dreyundvierzig Stunden neue Kunststraßen und neununddreißig große Brücken über die Hauptflüsse erbaut worden; unter den ersteren werde nur die zwischen Kempten und Lindau angelegte, unter den letzteren die Bogenbrücken von Mühldorf, Oettingen, Altenmark, Rosenheim, A u g s b u r g , B a m b e r g ,
Neuburg,
Rhain, München und Vilshofen genannt, weil diese täglich von vielen Reisenden angesehen und untersucht werden können.
Dann sind noch hundert und eine von
den großen Brücken restauriert und eine zahllose Menge von kleinen Brücken erneuert worden; vierzehn Hauptflußkorrektionen mit der Donau, dem Inn, der Wertach und der Isar sind ausgeführt, drey große massive Durchlaßwehre erbauet, bei Lindau am Bodensee ein geräumiger Hafen angelegt und der Bau von der großen steinernen Brücke bei München angefangen worden." Auch an Plänen für die Herstellung künstlicher Wasserstraßen fehlte es nicht; gehen doch die E n t w ü r f e f ü r e i n e n D o n a u - M a i n - K a n a l (von Karls des Großen Projekten abgesehen) bis in den Anfang des Jahrhunderts zurück.
Freilich gelang die
wirkliche Durchführung erst dem energischen Eintreten L u d w i g s I., der in dem Unternehmen ein vaterländisches Werk von allgemeinster Tragweite erblickte — das heute in erweiterter Gestalt und gefördert durch König Ludwigs Enkel aufs neue die Tatkraft der Techniker zu einem den modernen Forderungen entsprechenden Ausbau aufruft. Langsamer schritt die Förderung von G e w e r b e und I n d u s t r i e sowie die Hebung der L a n d w i r t s c h a f t z u r Z e i t Max J o s e p h s voran. Zwar entfaltete auch hier die Generallandesdirektion
mit ihren besonderen Deputationen für Salinen-, Münz-
und Bergwerke, für Kultur, Forstwesen und Bauten, für das Kommerz-, Zoll- und Mautwesen, wie in der späteren Umgestaltung die Sektionen der Ministerien eine mannigfaltige Tätigkeit; zwar boten die Aufhebung des Zunftzwanges, die Gewährung staatlicher Konzessionen im Gewerbebetrieb, die Beschränkung der Rechte der Grundherren in der Ausübung der Gewerbe, die Besserung der Verkehrswege und -mittel
XI
Einleitung.
größere Bewegungsfreiheit, erfuhr die Landwirtschaft durch Aufhebung der Leibeigenschaft, Erleichterung
der Ansiedelung und Kultivierung, Teilung und
legung der bäuerlichen Güter, Entlastung von Abgaben aber es fehlte,
besonders
in
der Industrie,
bei
Zusammen-
mannigfachste Förderung;
der Unsicherheit der
politischen
Lage, bei dem furchtbaren Tiefstand der wirtschaftlichen Verhältnisse, der nur in mühsamer, stetiger Arbeit wieder auszugleichen war, an privater Initiative, an Mut und nachhaltigen Mitteln zur Durchführung weittragender Projekte.
Der Einführung
fabrikmäßigen Betriebes, maschineller Einrichtungen stellte sich zudem die Abhängigkeit von dem überlegenen England und der aus der Sorge um die eigene Existenz entsprungene äußerste Widerstand der Gewerbetreibenden hemmend entgegen. Auch hier griff U t z s c h n e i d e r in dem Wunsche, „ d e m W o h l s t a n d nicht
dem
Reichtum
einzelner"
zu dienen, tätig, freilich mit
aller,
wechselndem
Erfolge ein; zuerst durch Gründung einer Lederfabrik, nachmals einer Tuchmanufaktur, eines Brauhauses, einer Essigfabrik, durch Fabrikation von Stärke- und Runkelrübenzucker, wie durch Ausführung von Moorkulturen und Meliorationen auf seinen musterhaft betriebenen Gütern. In der Folge hat auch die Tätigkeit gemeinnütziger Vereine, wie der in Nürnberg
schon
ländischen das
1789
gebildeten
„Gesellschaft
zur
Beförderung
I n d u s t r i e " , des 1815 errichteten P o l y t e c h n i s c h e n
Königreich
Bayern,
des
1810 ins Leben getretenen
der
vater-
Vereins
für
Landwirtschaft-
l i c h e n V e r e i n s in B a y e r n , j e länger, um so nachhaltiger gewirkt. Die allseitige Entwicklung aber aller dieser Ansätze konnte erst eintreten, als mit der Sicherung der politischen Lage die industrielle Tätigkeit und frischer Unternehmungsgeist erwacht, als, etwa von der Mitte der dreißiger Jahre ab, die allseitige Einführung des Dampfbetriebes die Technik zu größeren Aufgaben befähigte, als der Bau der Eisenbahnen —
und B a a d e r
un-
ermüdlich in Wort und Schrift hingewiesen und die dann im Jahre 1835 von
auf deren
der
kleinen Strecke N ü r n b e r g — F ü r t h
Bedeutung R e i c h e n b a c h in
Deutschland ihren Ausgang nahmen — den
Verkehr in neue Bahnen lenkte, als die Aufhebung der Zollschranken dem Austausch der Produkte nicht länger hindernd im Wege stand und als mit der systematischen Ausbildung des höheren und besonders
des technischen
Unterrichtes die nötigen
leitenden Kräfte gewonnen werden konnten. Für die Hebung des g e s a m t e n
U n t e r r i c h t e s und
Bildungswesens
ward gleichfalls zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts ein neuer Grund gelegt: Zunächst kam eine umfassende Fürsorge für den elementaren und mittleren Unterricht,
xn
Walther v. Dyck.
bessere
Dotierung
und
Einrichtung
der
Schulen
der
Verbreitung
gemein-
n ü t z i g e r K e n n t n i s s e u n d a l l g e m e i n e r B i l d u n g i m V o l k e zugute. So enthalten die ersten Stücke des neuen Kgl. Bayerischen Regierungsblattes (Januar 1806) einen Lehrplan und Instruktionen für die Kgl. Elementarschulen.
Die Einführung
des ersten großen Studienplanes der Gymnasien war 1804 v o r a n g e g a n g e n . — Schon 1800 hatte die seit I c k s t a t t s Rektorat vorbereitete V e r l e g u n g d e r U n i v e r s i t ä t von Ingolstadt
n a c h L a n d s h u t stattgefunden, zu der die h e r a n n a h e n d e Kriegsgefahr
den äußeren Anlaß bot.
Damit war auch hier eine freiere und reichere Entwicklung
eingeleitet, die mit der späteren Verlegung der Universität nach München (1826) die m o d e r n e Gestaltung herbeigeführt hat. — Im Jahre 1808 folgte d i e
Errichtung
der
Cornelius
Akademie
und K l e n z e
der bildenden
Künste.
Durch
das Wirken eines
erwachte hier aufs neue das Verständnis für
die
Schönheiten
des
klassischen Altertums und bereitete ebenso wie die s o r g s a m e Pflege und Bereicherung der K u n s t s a m m l u n g e n (mit denen die Düsseldorfer Schätze vereinigt worden waren) die k o m m e n d e
Blütezeit
der
Kunst
v o r . — Mit der 1807 erlassenen Konsti-
tutionsurkunde erhielt die A k a d e m i e
der Wissenschaften,
Mißverhältnis
und
zwischen
dem
Zwecke
den Mitteln
„um das offenbare
des Institutes zu
heben",
eine neue Organisation, welche ihren Etat erheblich vermehrte und sie mit
den
erweiterten wissenschaftlichen S a m m l u n g e n des Staates in unmittelbare V e r b i n d u n g brachte.
Die Pflege der Naturlehre mit Rücksicht auf solche Beobachtungen,
„die
dem g e m e i n e n Wesen Nutzen bringen können", auf welche, der Richtung der Zeit entsprechend, schon in der Stiftungsurkunde von 1759 ausdrücklich hingewiesen war, w u r d e damals „zur V e r b e s s e r u n g der Agrikultur, Belebung und Vervollkommnung der Industrie" mit b e s o n d e r e m Eifer a u f g e n o m m e n . Den Männern, welche wie F r a u n h o f e r u n d R e i c h e n b a c h dort in unvergleichlicher Weise theoretische und praktische Arbeiten zu verbinden wußten, sei hier neben anderen schon genannten, S ö m m e r r i n g beigezählt.
Von ihm stammt der Gedanke, die elektrolytische Z e r s e t z u n g des Wassers
zur elektrischen Z e i c h e n g e b u n g zu v e r w e n d e n ; gelegten Apparat hat er zuerst eine weiteren
in seinem 1809 der Akademie
elektrische Telegraphie verwirklicht
und
vorzu
Experimenten für die praktische D u r c h f ü h r u n g der Telegraphie angeregt.
Später (1838)
war es wieder
ein Mitglied der Münchener Akademie,
Steinheil,
welcher die Gauß-Webersche Erfindung des elektromagnetischen T e l e g r a p h e n erfolgreich ausbildete und welcher zuerst den E r d b o d e n als Rückleiter des S t r o m e s benutzte. In der
Frage
des
Tätigkeit U t z s c h n e i d e r s ,
technischen welche mit der
Unterrichtes Errichtung
ist es
technischer
wiederum
die
Fachschulen
XIII
Einleitung.
von Anfang an in nächster Verbindung steht.
Als erste Schule
dieser Art ist hier
die noch unter Karl Theodor (1790) auf Grund der Vorschläge des jugendlichen Utzschneider — der damals als Hofkammerrat
die Moorkultur in Oberbayern mit
glücklichstem Erfolge organisierte — in München errichtete F o r s t s c h u l e zu nennen, die, 1803 nach Weihenstephan verlegt, unter S c h ö n l e u t n e r s Wirksamkeit sich zu der L a n d w i r t s c h a f t s s c h u l e
erweiterte, deren hundertjähriges Jubiläum im ver-
gangenen Jahr gefeiert wurde. Die
Einleitung einer weitergehenden
Fürsorge für den technischen
richt geht auf die allgemeinen Pläne Montgelas' des Schulwesens
zurück.
Diese,
zunächst
Unter-
und Zentners zur Neuorganisation
noch allzusehr von den
utilitarischen
Maximen des zu Ende gegangenen XVIII. Jahrhunderts beeinflußt, hatten 1808 in N i e t hammers
„allgemeinem Normativ für die Errichtung öffentlicher
Studienanstalten
im Königreiche Bayern" eine festere, des Ausbaues fähige Gestalt gewonnen. dort ausgesprochene
Trennung des
humanistischen
und realistischen
Die
Unterrichtes
führte später nach der einen Richtung unter Friedrich Thiersch zum Ausbau unserer Gymnasien im Sinne des Neuhumanismus, polytechnischen
Anstalten.
Freilich
nach der anderen zur Entwicklung
konnten
die damals
hinaus für den höheren technischen Unterricht bestimmten Dauer keine Wurzel fassen. Fraunhofers
aus
dem
Ingenieurwissenschaften
über
—
1823 für
bei denen
die
Errichtung
auf die
Reichenbachs
einer
der
„Realschulen"
„Realinstitute"
Auch die trefflichen Vorschläge Jahre
die
Hochschule
das Pariser Muster vorschwebte —
und der
führten
erst nach weiteren Jahren schwankender Verhandlungen
und nach wesentlicher Re-
duktion
ersten
der Ziele
im Jahre
1827
Z e n t r a l s c h u l e in München.
zur
Errichtung
der
polytechnischen
Der greise, aber noch jugendfrische Utzschneider
—
Reichenbach und Fraunh fer waren ein Jahr vorher dahingegangen — war ihr erster Leiter.
Als dantv sechs Jahre später an Stelle der
einen
Zentralschule
die
drei
polytechnischen Schulen in München, Nürnberg und Augsburg errichtet wurden, da war es der Physiker Georg Simon O h m , den man nach Nürnberg berief, dem man bald auch die Leitung der Schule anvertraute. Von hier ab b e g i n n t Ausbau des t e c h n i s c h e n tigen Entfaltung
der
und s t e i g e n d e r
Entwicklung
U n t e r r i c h t e s in B a y e r n , g e t r a g e n v o n d e r
deutschen
l i c h e n und b i s auf d i e s e n des
in s t e t i g e r
—
Technik
T a g in
ebenso
Staates. *
wie von
reichstem Maße
*
*
der
bewiesenen
der
mäch-
unermüdFürsorge
XIV
Walther v. Dyck.
Einleitung.
Hier will ich schließen. A u s d e n in s t u r m b e w e g t e r Z e i t g e l e g t e n S a a t e n s i n d in t r e u e r A r b e i t , in s o r g s a m e r P f l e g e , in w e i s e r F ü h r u n g d i e S e g n u n g e n e r s t a n d e n , d i e B a y e r n in W i s s e n s c h a f t u n d K u n s t , in I n d u s t r i e u n d T e c h n i k , in H a n d e l u n d G e w e r b e , in V o l k s - u n d L a n d w i r t s c h a f t in d e m zu E n d e g e g a n g e n e n J a h r h u n d e r t d e m H a u s e W i t t e l s b a c h v e r d a n k t . B i s m a r c k hat die Anhänglichkeit zur Dynastie als eine den Deutschen vor anderen innewohnende Eigenschaft bezeichnet. Er hebt dabei zu Recht hervor, „wie der Zusammenhang des Königreiches Bayern nicht nur auf dem bajuwarischen Stamme beruht, wie er im Süden Bayerns und in Österreich vorhanden ist, sondern wie der Augsburger Schwabe, der Pfälzer Alemanne und der Mainfranke, sehr verschiedenen Geblüts, sich mit derselben Genugtuung Bayern nennen wie der Altbayer in München und Landshut, weil sie mit den letzteren durch die gemeinschaftliche Dynastie seit drei Menschenaltern verbunden sind". Hat diese Treue zu ihren Dynastien dem deutschen Volk die Einigung zum Reich erschwert, so war sie anderseits das feste Band, das, als die Zeit gekommen und die Form gefunden war, alle Glieder zum Reich zusammenschloß. Blicken wir zurück, so findet unsere Festesstimmung ihren schönsten Ausdruck in der jüngsten Botschaft unseres Regenten. Diese sieht in der patriotischen Gesinnung, die in den Festesvorbereitungen zutage tritt, einen neuen Beweis, daß alle Teile des Königreiches sich in der Vereinigung unter dem Szepter des Wittelsbacher Hauses beglückt fühlen, und sie fährt fort: „Wenn das G e f ü h l d e r Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t sich so innig g e s t a l t e t h a t , so ist d i e s n i c h t z u l e t z t in d e r E r k e n n t n i s b e g r ü n d e t , z u w e l c h e r h o h e n Stufe der k u l t u r e l l e n E n t w i c k l u n g wie der m a t e r i e l l e n W o h l f a h r t d a s L a n d in v e r e i n t e m W i r k e n v o n F ü r s t u n d V o l k u n t e r G o t t e s g n ä d i g e m B e i s t a n d s i c h e m p o r g e h o b e n hat." „Den E r r u n g e n s c h a f t e n f r ü h e r e r Zeit reiht sich als die w e r t v o l l s t e an d e r Z u s a m m e n s c h l u ß d e r d e u t s c h e n S t a a t e n z u e i n e m m ä c h t i g e n R e i c h e , in d e m B a y e r n s i c h g e a c h t e t u n d a n g e s e h e n w e i ß . D e n R ü c k b l i c k auf d i e V e r g a n g e n h e i t darf frohe Gefühl dankerfüllter Befriedigung begleiten." So die Botschaft.
hiernach
wohl
das
XV
Der Geist der
Bayern
der
durch
Zusammengehörigkeit
die
vergangenen
aber
Jahrhunderte
von
Fürst
geführt,
k o m m e n d e n g e l e i t e t , ist l e b e n d i g in d e m W a h l s p r u c h u n s e r e s „In T r e u e f e s t " . Gott segne und behüte unseren Regenten! Gott s e g n e sein Königliches Haus!
und durch
Volk, alle
Regenten:
INHALT. Seite
WALTHER v. DYCK, Einleitung.
Die Technik in] Bayern zur Zeit der Regierung Maxi-
milian Josephs I SIEGMUND GÜNTHER,
V Ein Rückblick auf die Anfänge des technischen Schulwesens in
Bayern
1
RICHARD STREITER, Münchener Architektur um 1806 und 1906
17
MARTIN HAHN, Sanitäre Zustände und Einrichtungen in München am Anfang des XIX. Jahrhunderts
37
ERNST VOIT, Entwickelung der Beleuchtung und Beleuchtungstechnik
53
SIEGMUND GÜNTHER und FERDINAND LOEWE, Bayerisches Karten- und Straßenwesen sonst und jetzt
67
MAX SCHMIDT, Die Messung der Basis München-Aufkirchen und die erste topographische Aufnahme Bayerns zu Beginn des XIX. Jahrhunderts
85
FRANZ KREUTER und ERNST HENLE, Der Wasserbau in Bayern WILHELM
DIETZ,
Die Entwickelung des Brückenbaues
91
und Bayerns Anteilnahme
im
X I X . Jahrhundert
111
WILHELM LYNEN, Die Eisenbahnen und ihre Einrichtungen nach Jos. v. Baader . . . . WILHELM LYNEN, Die neuen Schnellzuglokomotiven der Pfälzischen Eisenbahnen
.
.
129 .
145
RUDOLF CAMERER, Ein Meisterwerk im Bau von Wasserkraftmaschinen
163
ERNST VOIT, Feinmechanik in Bayern
169
EGBERT VON HOYER, Die Faserstoffindustrie, Spinnerei, Weberei, Papierfabrikation
.
.
197
GUSTAV SCHULTZ, Die chemische Industrie Bayerns zu Anfang des X I X . und zu Anfang des X X . Jahrhunderts
215
GUSTAV SCHULTZ, Über die Glasindustrie Bayerns vor 100 Jahren und in der Jetztzeit.
223
GUSTAV SCHULTZ, Über die Tonindustrie Bayerns vor 100 Jahren und in der Gegenwart
227
CARL LINTNER, Das Brauwesen
233
CARL KRAUS, Der Zustand der bayerischen Landwirtschaft vor 100 Jahren im allgemeinen
247
CARL KRAUS, Acker- und Pflanzenbau in Bayern vor 100 Jahren
263
EMIL POTT, Landwirtschaftliche Tierproduktion
277
Ein Rückblick auf die Anfänge des technischen Schulwesens in Bayern. Von Sie^mund Günther.
O l i m meminisse juvabitl
G e r n e lenkt man, wenn ein wichtiger Abschnitt
geschichtlichen L e b e n s vollendet ist, den Blick rückwärts auf die Z u s t ä n d e , welche zu Beginn des fraglichen Zeitraumes obwalteten, und ein erfreuliches Gefühl ist es immer, von den Fortschritten, die im Laufe dieser Zeit erreicht w u r d e n , Akt n e h m e n zu können.
Für das technische Schulwesen
J a h r h u n d e r t nicht nur tief ziemlich
alles B e s t e h e n d e
greifende neu
u n s e r e s Staates hat das abgelaufene
Veränderungen
geschaffen w o r d e n ,
gebracht, und
sondern
der G e g e n s a t z
es ist
so
zwischen
sonst u n d jetzt tritt hier viel schärfer hervor, als wenn man etwa die Universitäten, die Gymnasien, ja sogar die — doch gewiß einer hohen V e r v o l l k o m m n u n g teilhaftig g e w o r d e n e n — Elementarschulen ins Auge fassen wollte.
G e r a d e die ersten Jahr-
zehnte des j u n g e n Königreiches sind nach dieser Seite hin von f u n d a m e n t a l e r Bed e u t u n g g e w e s e n , was ihm um so
höher
a n z u r e c h n e n ist, als damals
ungezählte l
Siegmund Günther.
2
neue und dringende Aufgaben an das noch nicht innerlich geeinte, aus heterogenen Bestandteilen
zusammengeschweißte
Staatswesen
herantraten.
In
dankenswerter
Weise hat schon früher K l u c k h o h n ) jene Periode des Sturmes und Dranges auf 1
dem
Unterrichtsgebiete
zum
Gegenstande
und die vorliegende Skizze kann nicht Historikers anzulehnen.
monographischer
umhin,
sich
an
Darstellung
die Arbeit
des
gewählt, trefflichen
Indessen konnte doch mancher dort nur gestreifte Punkt hier
weiter ausgeführt werden, wozu eine erneute Durchsicht des von seiten Staatsministeriums
des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten
des
Kgl.
bereitwillig
zur Verfügung gestellten Aktenmateriales wesentlich beigetragen hat. Wir
verstehen
in
Bayern,
etwas
abweichend
von
dem
Sprachgebrauche
anderer deutscher Länder, unter t e c h n i s c h e n S c h u l e n alle diejenigen Lehranstalten, welche ihre Ziele entweder ganz ohne das Hilfsmittel der alten Sprachen, oder doch nur mit beschränkter Heranziehung derselben zu erreichen bestrebt sind. Sinne wird die Bezeichnung
auch
hier
angewendet.
Dies
In diesem
vorausgesetzt,
können
wir ohne Gefahr, der Übertreibung bezichtigt zu werden, die Behauptung aufstellen: Im
Jahre 1806
war
für die
Gesamtheit
der
im
Königreiche
Bayern
gefaßten staatlichen Gebilde ein technisch-realistisches Schulwesen
zusammen-
gar nicht
oder
doch nur in den allerschwächsten Anfängen vorhanden. Das ist freilich nicht zu verwundern. War doch der Name R e a l s c h u l e erst im Jahre 1706 zuerst aufgetaucht, und hatte
diese
neue Schulgattung
erst 1747 eine einigermaßen festere Form angenommen. 2 ) wendigkeit,
dem
altklassischen
Unterrichtsgange
auch
doch
sogar
In Bayern hatte die Noteinen
solchen
von
mehr
praktischer Tendenz zur Seite zu stellen, zuerst der geniale, wiewohl etwas gewalttätige Schulreformator J. A. v. I c k s t a t t
gefühlt, dessen Gedanken
zwar
zunächst
nur in sehr beschränktem Umfange verwirklicht wurden, tatsächlich aber doch für den W i s m a y r s e h e n Mittelschulplan, der von 1804—1808 im damaligen „Kurpfalzbayern" normativ war, die eigentliche Grundlage abgaben. 3 ) lichkeitstendenz, welcher man, um den scharfen
Die etwas platte Nütz-
Gegensatz gegen den
klerikalen
Charakter der bisherigen Schuldoktrin recht deutlich hervortreten zu lassen, in den maßgebenden Kreisen nur allzusehr huldigte, schädigte jedoch sowohl die eine wie auch die andere Schulgattung,
zumal
da es
auch gänzlich an Lehrern fehlte und
fehlen mußte, welche selbst die Vielzahl der ihren Schülern zu übermittelnden Kenntnisse besaßen.
Mit mehr Erfolg suchten in den ersten Jahren des X I X . Jahrhunderts
Privatanstalten unter der im praktischen Leben stehenden Jugend jenes Wissen und jene Fertigkeiten zu verbreiten, deren sie für den Kampf ums Dasein
so
dringend
Anfänge des technischen Schulwesens.
bedurften.
Halb und halb darf man hierher auch die noch in einzelnen
Reichs-
städten teils durch öffentliche Mittel, teils durch private Unterstützung helldenkender Mitglieder der Bürgerschaft
unterhaltenen
Kunstschulen4)
rechnen.
Mit ihnen
weist unverkennbare Ähnlichkeit jene Münchener „ F e i e r t a g s s c h u l e "
auf, die im
alten Kurfürstentum Bayern den ersten ernstgemeinten und auch größtenteils gelungenen Versuch der Darbietung propädeutisch-technischen Volksunterrichtes gebildet hat. Seit 1793 bestand die von K e f e r eingerichtete „Zentralfeiertagsschule" 5 ), die wenig nach seinem T o d e es bereits auf mehr denn Lehrlinge) gebracht haben soll.
Frequentanten (Gesellen und
In sie ging sehr bald auch die von
lehrer des Gymnasiums, von J. M i t t e r e r 6 ) , über.
tausend ins Leben
Wir erkennen in diesem Institute den Keim der
gerufene späteren
dem Zeichen-
Zeichnungsschule Baugewerkschulen
und stellen gerne fest, daß München auf einem noch so wenig bearbeiteten Gebiete der Didaktik mit seinem guten Beispiele bahnbrechend vorgegangen ist.
Auch
die
Ausdehnung des Prinzipes der S o n n - und Feiertagsschulen auf Gesamtbayern wurde damals
schon
von
der Regierung,
der
die
guten Früchte
der von
Kefer
und
M i t t e r e r ausgegangenen Anregung nicht verborgen bleiben konnten, als eine wünschenswerte S a c h e anerkannt.
Mit Recht hat neuerdings die Stadtgemeinde München
je eine Straße nach den beiden wohlverdienten Pädagogen benannt. Die in Nürnberg um dieselbe Epoche, nämlich 1792, von einer „Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie" geschaffene Zeichnungsschule, den
Aspiranten
des
Gewerbestandes
an
den
Sonntagen
besucht
die von
werden
sollte,
scheint über kleine Anfänge nicht hinausgediehen zu sein. ) 7
Die Stadt wurde von den unaufhörlichen Kriegen und politischen Umwälzungen — ihr ganzes Gebiet hatte Preußen längere Zeit mit Beschlag belegt — allzu hart betroffen.
Es wäre der Mühe wert, die Ratsakten anderer Städte daraufhin zu
prüfen, ob dortselbst Veranstaltungen
verwandten
Charakters
gelegentlich
bestan-
den haben. Aus der Münchener erste
polytechnische Schule
Feiertagsschule
hat sich, wie wir sehen werden,
Bayerns entwickelt.
Ehe wir
indessen
den
die
ziemlich
umständlichen Werdegang dieser eigentümlichen, weder den Hoch- noch den Mittelschulen die
zuzurechnenden
ersten
ernsthaften,
Schulgattung wenngleich
näher betrachten,
nicht
von
dauerndem
wird es sich Erfolge
empfehlen,
gekrönten
Be-
mühungen um die Begründung staatlicher Realanstalten kennen zu lernen. Der kurz berührte W i s m a y r s c h e Schulplan hatte schon nach wenigen Jahren seine Unzulänglichkeit in ganz überzeugender Weise dargetan.
Er war noch ganz l*
4
Siegmund Günther.
unter der Herrschaft der nachgerade zu sehr in Utilitarismus klärung"
entstanden,
und
dem
von
den
Neuhumanisten
verwandelten
„Auf-
mit Entschiedenheit,
ja
Schroffheit durchgeführten Grundsatze: „multum, non multa" paßte er sich schlecht genug an.
Zwar war es noch nicht sofort diese durch F r i e d r i c h A u g u s t
Wolfs
Namen und Autorität getragene Richtung, welche den „trockenen T o n " der Aufklärer verdrängte; davon konnte erst die Rede sein, als unter L u d w i g I. der „Praeceptor Bavariae", F r i e d r i c h T h i e r s c h , mit einer fast an Omnipotenz grenzenden Machtvollkommenheit das Schulregiment
in die Hand nahm.
Durch die Berufung
des
Württembergers N i e t h a m m e r (1766—1848), der 1806 in bayerische Dienste getreten und 1808 „Zentralschulrat" in München geworden war, wurde ein Obergangszustand angebahnt.
Denn wenn auch dieser einflußreiche Mann, der sein Amt durch Heraus-
gabe einer umfangreichen Kampfschrift 8 ) inaugurierte, entschieden ein Parteigänger des wieder modern gewordenen humanistischen Leitmotives war, so kann doch bei objektiver
Beurteilung
seiner
Ideen
niemand
in Abrede
stellen,
daß
ihm
jene
schrankenlose Uberschätzung des Bildungswertes von Latein und Griechisch, welche unter T h i e r s c h in unserem engeren Vaterlande heimisch ward, völlig fremd war, und daß
er
gegen
die unrichtige Vorstellung,
es gäbe
nur einen
einzigen Weg
zur
höheren Bildung, nachhaltig Verwahrung einlegte. Da die Bedeutung des Mannes in der Fachliteratur,
die K l u c k h ö h n sehe
Schrift nicht ausgenommen, nicht so zur Geltung gelangt, wie dies zumal ein Anhänger muß,
der in
unseren Tagen
so viel
so halten wir es für angezeigt,
Erörterung
zu widmen.
besprochenen
Unterrichtsreform
seinem Auftreten eine etwas
Vor allem verdient e i n e Seite in
wünschen
eingehendere
demselben
besondere
Würdigung. N i e t h a m m e r tritt als der erste Didaktiker zielbewußt teilung
oder G a b e l u n g
ein für die Z w e i -
des höheren Unterrichtes bei gemeinsamer Unterstufe.
Er muß als der wahre und — sofern man eben diesen Standpunkt für berechtigt erachtet — wohlverdiente Vorkämpfer des Reformgymnasiums der Neuzeit hingestellt und geschätzt werden. Neben dem immerhin merkwürdigen Werke stellt sich als ein zweiter Umstand, der das „Allgemeine Normativ für die Errichtung der öffentlichen Studienanstalten fassenden
im Königreiche B a y e r n " Visitationsreise
ausgerüstete Neubayern
Schulmann gemacht
dar, in
hat. ) 9
der Der
mit bestimmen
welche zweiten
der
mit
Hälfte
ausführliche,
half,
das Ergebnis
bedeutenden
des Jahres 1808 mit
musterhafter
jener
um-
Machtbefugnissen durch AltHandschrift
und kon-
A n f ä n g e des t e c h n i s c h e n
5
Schulwesens.
zipierte Bericht darf als ein wahres Muster für derartige Fälle angesprochen werden. Leider gestattet der Raum nicht die Wiedergabe des ganzen Schriftstückes, welches einer vollständigen Veröffentlichung wohl würdig erscheint; nur auf ein paar Punkte soll
in
einer
v. Z e n t n e r
Note 1 0 )
hingewiesen
werden.
Man
begreift
aber
sehr
wohl,
daß
es beifällig aufnahm und am 21. September genannten Jahres darauf
die Worte schrieb: „Von diesem Berichte wird bei der künftigen Organisation der verschiedenen Lehranstalten Gebrauch zu machen sein." An
dieses
Reorganisationswerk
wurde
denn
auch
bald
herangetreten, und man kann, wenn man auch keineswegs
mit voller
Kraft
mit den gewaltsamen
Regierungsmaximen des Ministeriums v. M o n t g e l a s in allem einverstanden ist, den bei der gewaltigen Arbeit beteiligt gewesenen Männern die Anerkennung nicht versagen, daß in kurzer Zeit ein Schulsystem aus dem Nichts geschaffen wurde, dem ein längeres Leben und eine kräftigere Einwirkung auf die bayerische Bevölkerung zu wünschen gewesen wäre.
Niethammers
vom 16. Juni 1808 und führt die Aufschrift:
entscheidendes Gutachten ist datiert „Bemerkungen
Lehrplanes für die kön. bairischen Mittelschulen". ) 11
schnitte
von
hoher B e d e u t u n g ;
sie könnten
ganz
zu einer Revision des
Darin in
nun sind einzelne Ab-
der nämlichen Weise auch
neunzig Jahre später niedergeschrieben sein und in dem Kampfe gegen das Gymnasialmonopol figurieren.
„Müssen denn," so wird gefragt, „die beiden heterogenen
Unterrichtszwecke in e i n e r u n d derselben Lehranstalt vereinigt w e r d e n ? "
Die Natur
habe doch auch selbst dafür gesorgt, daß nicht alle Menschen über denselben Leisten geschlagen
seien. 1 2 )
Obige
„Praeliminarfrage"
sei mithin
dahin zu
beantworten,
„daß zu vollständiger Befriedigung der höheren Unterrichts-Bedürfnisse der Staatsbürger zwey verschiedene öffentliche Lehranstalten zu errichten seyen: die
Gelehrten,
die
andere
für
die
Nichtgelehrten".
Dem
die eine für
„Gymnasium"
werde
gewöhnlich die „Bürgerschule" entgegengestellt; beide Schulkategorien stimmten in ihrer letzten Absicht überein, aber die erstgenannte suche diese auf andere Weise zu erreichen, wie es eben dem Unterschiede der „Natur- und Geistesgegenstände" entspreche. Die Wissenschaftsgeschichte
darf wohl
davon Notiz
nehmen,
daß
h a m m e r lange vor H. v. H e l m h o l t z 1 3 ) die uns seitdem so geläufig
Niet-
gewordene
Gegenüberstellung von „Naturwissenschaften" und „Geisteswissenschaften" mit richtigem Einblick in deren Eigentümlichkeiten
durchgeführt hat.
An die Volksschule
schließt sich im neuen Schulplan die R e a l s c h u l e , die selbst wieder ihre Krönung durch
das R e a l i n s t i t u t —
das sei ein sinngerechterer
Ausdruck
als
„Höhere
6
Siegmund Günther.
Bürgerschule" — zu erfahren hätte.
„Die Primärschule steht sonach auch sowohl
zu dem Realinstitut als zu dem G y m n a s i u m in völlig gleichem Verhältnis und hat w e d e r auf das eine noch auf das andere jener beiden Institute eine b e s o n d e r e Rücksicht zu n e h m e n . "
N i e t h a m m e r s F ü r s o r g e erstreckt sich sogar auf die Titulaturen
der an den Mittelschulen amtierenden L e h r e r , indem darauf geachtet wird, daß die A m t s n a m e n der im gleichen
Range an den beiden verschiedenen
Schulgattungen
tätigen Männer ähnlich klingen und doch d e m bestehenden G e g e n s a t z e gerecht werden. So bildet sich denn das nachstehend beschriebene System der Schulen selbst u n d der an ihnen Angestellten h e r a u s ; u n s e r S c h e m a ist dem Schulplane unmittelbar e n t n o m m e n u n d sieht so a u s : Namen der S c h u l e n :
Namen der Lehrer:
a) P r i m ä r - oder Prinzipienschulen.
Primärlehrer, Prinzipienlehrer.
b) S e c o n d ä r s c h u l e n : a) Realschule.
Reallehrer, Realpraezeptoren.
ß) Gymnasialschule.
Gymnasiallehrer,
A) Realinstitut. „ „ B) G y m n a s i u m .
Gymnasialpraezeptoren.
Oberreallehrer, „ Obergymnasiallehrer,
Professoren.
Der Unterrichtsminister n a h m den Plan mit lebhaftem Interesse entgegen 1 4 ), unterließ es jedoch selbstverständlich Jacobs, holen. 1 5 )
v. W e i l l e r ,
Hobmann,
nicht, von seinen sachkundigen Beratern
Wismayr
—
gutachtliche Ä u ß e r u n g e n
—
einzu-
In der H a u p t s a c h e erklärte man sich mit N i e t h a m m e r einverstanden, der
am 18. September
1808 einzelne
Selbstbewußtsein zurückwies.
Einwürfe mit ziemlich
starkem
Aufgebote
von
Es g e l a n g ihm, seinen Standpunkt z u m herrschenden
zu machen und eine scharf a u s g e p r ä g t e Zweiteilung der bayerischen Mittelschulen in die Wege zu leiten. N i e t h a m m e r s Entwurf w u r d e Gesetz, allein der von ihm a n g e b o t e n e n Reform war nur ein flüchtiger Erfolg beschieden. weit sie die Realanstalten betraf, mit P a u l s e n verschmäht".
Die n e u e S c h u l o r d n u n g wurde, so16
) zu reden, „von der Bevölkerung
Es ist hier nicht der geeignete Ort, den G r ü n d e n dieser doch eigentlich
auffälligen Erscheinung n a c h z u s p ü r e n , und die Literatur gibt d a r ü b e r so gut wie gar keinen Aufschluß.
Mutmaßlich hat eben doch auch damals bereits die leidige
Berechtigungsfrage ihre Rolle gespielt. anscheinend
Die „Realschulen", also die Mittelstufe, sind
nicht einmal zu v o r ü b e r g e h e n d e r 17
Entfaltung der ihnen vom Gesetz-
geber beigelegten „Fähigkeiten" g e l a n g t ) ; „Realinstitute" w u r d e n nicht ohne starke
Anfänge des technischen
7
Schulwesens.
Inanspruchnahme der bescheidenen Mittel des Staates hergestellt, hielten nur wenige Jahre. war,
aber
Die größte Lebenszähigkeit legte, wie das sich von selber ver-
steht, die Nürnberger Anstalt an den T a g , gewähltes
sich
und
so
hielt
sie
sich
deren Lehrpersonal
von
1809 bis 1817.
ein sehr gut aus-
Ihr Direktor war der
seinerzeit weit verehrte, nach heutigen Begriffen freilich zu sehr in die nicht eben fruchtbaren Anschauungen riker G. H. v. S c h u b e r t J. W. A. Pf ä f f .
18
der damaligen Naturphilosophie verflochtene Naturhisto);
neben ihm wirkte der vielfach originelle Mathematiker
Beide Männer wurden, als ihres Bleibens in der unhaltbar gewor-
denen Stellung nicht mehr war, von bayerischen Universitäten
als ordentliche Pro-
fessoren ihrer Fächer übernommen. Daß die N i e t h a m m e r sehe Realschule etwas später,
in einer jenseits
der
Grenzen dieser Studie gelegenen Zeit, ihre Wiederauferstehung als „Gewerbe- und Landwirtschaftsschule" feierte, sei nur nebenher erwähnt, und diese hat gezeigt, daß der Grundplan der bayerischen Schulreform von 1808 ein richtiger gewesen
ist. 1 9 )
Denn über ein Halbjahrhundert haben diese Lehranstalten, an welche die Metamorphose der siebziger Jahre anknüpfen mußte, wertvolle Dienste getan, und die Bürger der zahlreichen Städte, in denen es solche gab, brachten ihren Leistungen volles Vertrauen entgegen.
Mancher hat sie nicht ohne ein gewisses Bedauern vor ihren,
allerdings den Anforderungen des Zeitalters noch besser Rechnung tragenden Nachfolgerinnen das Feld räumen sehen. Darüber, daß das Vakuum, welches mit dem Verschwinden der Realinstitute im zweiten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts
entstanden war, irgendwie
werde
ausgefüllt werden müssen, waren mit sich alle einsichtigen Schul- und Staatsmänner im reinen.
Teilweise an die uns bekannte M i t t e r e r s c h e „Feiertagsschule", teilweise
auch an die großen Muster von Paris 2 0 ) und Wien 2 1 ) knüpften diejenigen an, welche gerne eine höhere technische Lehranstalt in Bayern gegründet gesehen hätten.
Man
hielt allgemein dafür, daß eine solche nicht sowohl dem allgemeinen Bildungszwecke, wie das in Mißkredit geratene Realinstitut, sondern direkt der praktischen Fachausbildung zu dienen hätte, und der seit 1816 in München erfolgreich wirkende „Polytechnische Verein
für
Bayern"
konnte
als
eine Vorbereitung
anstrebte, mit gutem Grunde angesehen werden.
für
das,
was
man
Sonst freilich gingen die Ansichten
darüber, was zu geschehen habe, ziemlich wirr durcheinander. 2 2 )
Ein Graf
Spaur
beklagie sich mit einigem Recht, daß die Einrichtungen der kameralistischen Fakultäten der Landeshochschulen
für die Bedürfnisse
nische Fragen berufenen Verwaltungsbeamten
der zur Entscheidung über tech-
nicht recht aufkommen
könnten 2 3 );
8
Siegmund
Günther.
man solle, meint der radikale Reformer, die Universitäten lieber ganz aufheben, um ihre Mittel der neuen „Polytechnischen Anstalt" zuzuwenden, oder man solle ihnen wenigstens zu diesem Behufe die Professuren für Mathematik, Physik und Naturgeschichte nehmen!
Andere Gutachter gedachten die neue Schule
engeren Rahmen zu fassen,
und ein Professor M a r c h e a u d
Wiener Institut für einen Luxus; für Bayern
in
einen weit
erklärt 1816 das neue
dürfte eine Ausgestaltung der
beste-
henden Sonntagsschule — man bemerkt den Einfluß des wackeren M i t t e r e r — den Bedürfnissen genügen. art vernehmen. ) 21
Dieser selbst ließ sich selbstredend in der nämlichen T o n -
Doch überwogen mehr und mehr die Stimmen d e r e i n e n höheren
Zweck Verfolgenden, zumal als die erste Ständeversammlung, die des Jahres 1819, für die Förderung
der „Polytechnik",
durch welche zumal der Hungersnot Abhilfe
gebracht werden könnte, ihr gewichtiges Votum in die Wagschale warf. und Nürnberg sollten derartige Lehranstalten ist.
bekommen, was j a auch
München geschehen
Allerdings hat es sich bei Nürnberg, worauf später zurückzukommen sein wird,
etwas anders gestaltet.
Einstweilen soll lediglich von den Münchener Verhältnissen
die Rede sein. Manche Ideen, wie daß man die Akademie der Künste oder auch die der Wissenschaften
mit einem
schwanden ebenso worden waren.
der neu zu schaffenden
Institute vereinigen solle, ver-
rasch wieder von der Tagesordnung, wie sie auf diese gesetzt
Auch die „Polytechnische Sektion", mittels deren man die Akademie
zu vervollständigen
im Sinne hatte,
war nur eine ephemere
Gründung.
Als
der
Mann, auf dessen Anregung j e n e einleitenden Arbeiten begonnen wurden, ist der damalige Baurat L e o v. K l e n z e ( 1 7 8 4 — 1 8 6 4 ) zu bezeichnen. so daß selbst K l u c k h o h n
Das ist wenig bekannt,
dieses Namens keine Erwähnung tut, und um so nach-
drücklicher soll es hier ausgesprochen werden.
Seit 1815 in der bayerischen Landes-
hauptstadt tätig, hatte K l e n z e sich schon vor dem Regierungsantritte L u d w i g s I., der ihm bekanntlich besonders gewogen war, eine angesehene Stellung erworben, und so versteht man, daß sein Wort bei der mit dem polytechnischen Probleme schon lebhaft beschäftigten Regierung Anklang fand.
Verständigerweise fiel er nicht gleich
mit einem fertigen Plan ins Haus, sondern gab die Einsetzung eines Ausschusses aus den am besten dafür geeigneten Fachmännern anheim. 2 6 )
Nunmehr war das
Eis g e b r o c h e n ; die Kommission wurde gebildet, und nachdem unterm 27. Juni 1822 ein Erlaß ergangen war, daß für den Kostenpunkt die Überschüsse des Lokalmalzaufschlages
in Aussicht zu nehmen seien, erklärte am 12. Februar 1824 auch das
Finanzministerium
seine Zustimmung.
Mitglieder
des vorberatenden
Ausschusses
Anfänge des technischen
9
Schulwesens.
waren außer K l e n z e noch der bekannte (s. o.) Schulmann v. W e i l l e r , der Mathematiker S p a e t h 2 6 ) , der Physiker S i b e r 2 7 ) und der Mineralog F u c h s 2 8 ) ; G. v. R e i c h e n b a c h 2 9 ) und J. v. F r a u n h o f e r 3 0 ) scheinen erst etwas später beigezogen worden zu sein, worauf sie ein Separatvotum erstatteten. 3 1 )
Das Ansinnen
rates" J. v. B a a d e r ,
zuzugestehen, wurde vom Mini-
ihm einen stärkeren Einfluß
des
„Oberstberg-
sterium mit nichts weniger denn freundlichen Worten zurückgewiesen, und so hatte auch sein am 27. Januar 1826 eingereichtes Gegenprojekt — „es soll die Akademie der Wissenschaften für das praktische Leben wirksamer gemacht werden" — von vornherein Tag,
keine Aussicht
an welchem
auf Berücksichtigung.
die Kommission
Der
19. Februar 1825
in ihrer ursprünglichen
war
der
Zusammensetzung
ihr
Referat vorlegte, das sich größtenteils dem K l e n z e s c h e n Entwürfe anpaßte und somit das „ähnliche Institut"
in Paris zur Norm ausersah.
Als beachtenswert mag
der
Umstand angeführt werden, daß vorab S i b e r auch die Angliederung der Forstlehranstalt in Aschaffenburg als eine dringend wünschenswerte Sache hinstellte. Beschränkte man sich auf das Notwendigste, so wie es die K l e n z e s c h e n Vorschläge formulierten, so glaubte man mit zwölf Professoren ausreichen zu können. Fünf
von
diesen — für höhere Mathematik, allgemeine
und technische
Naturgeschichte und Zivilbaukunst — sollten aus den Reihen
Chemie,
der Akademiker g e -
nommen werden, so daß nur sieben neue Bestellungen sich als unumgänglich erwiesen.
Je einer dieser neuen Lehrer hatte niedere Mathematik, Straßen-, Wasser-
und Landbau (als e i n Fach gedacht), Maschinenbau, Technologie nebst Warenkunde zu vertreten; für das Zeichnen gedachte man. zwei Lehrkräfte heranzuziehen. lich war noch ein Vorstand der mechanischen Werkstätte erforderlich.
End-
Am 25. Februar
1826 gab der Minister Graf A r m a n s p e r g das gesamte Beratungsmaterial zur Einsichtnahme und Überprüfung an
„den obersten Kirchen- und S c h u l r a t " 3 2 ) hinüber.
Besonders eingehend war S p a e t h s Sonderentwurf gehalten,
der namentlich
auch
die künstlerische Seite des architektonischen Lehrauftrages beleuchtete. Die Personalfragen gaben zu sehr eingehender Diskussion Anlaß; abgesehen von den in dem zitierten Aktenhefte enthaltenen Erörterungen teres ) zum 83
weisen
wir
größten Teile in
eine
v. U t z s c h n e i d e r
36
)
damit
Note. w )
Am
angefüllt.
Ein
11. August
die vorläufige Direktion
ist noch ein wei-
paar Mitteilungen
1827
bestimmte
der
darüber
ver-
König,
daß
der neuen Anstalt führen
und von
A. v. S c h l i c h t e g r o l l in den Korrespondenzgeschäften unterstützt werden solle. Schlußstein
aber setzte ein das allerhöchste Signat,
genaueres Datum fehlt — in Bad Brückenau herauskam.
Den
welches im S o m m e r 1827
—
Es lautet wörtlich wie folgt:
10
Siegmund Günther.
„In M ü n c h e n s o l l e i n e p o l y t e c h n i s c h e werden,
und der Zweck
dieser Schule
Central-Schul e errichtet
in d e r h ö h e r e n
technischen
Aus-
b i l d u n g d e r j e n i g e n I n d i v i d u e n b e s t e h e n , w e l c h e s i c h d e n auf M a t h e m a t i k , Physik, Mechanik und N a t u r k u n d e gegründeten Gewerben entweder Selbstarbeiter
oder
als Aufseher
M a n u f a k t u r e n zu w i d m e n
und Werkführer
in
Fabriken
als und
gedenken."
Uber die Geschicke des Institutes, dem die Geringfügigkeit der v e r f ü g b a r e n Mittel
nur sehr langsam e m p o r z u k o m m e n gestattete, das aber in seinem engeren
Rahmen doch sehr A n e r k e n n e n s w e r t e s leistete, hat sich unsere Skizze ihrer T e n d e n z nach nicht weiter zu verbreiten.
Jene h ö h e r e akademische Rangstellung,
welche
v. U t z s c h n e i d e r niemals aus dem A u g e verlor, war es einstweilen noch nicht zu erringen i m s t a n d e ; vierzig Jahre sollten noch hingehen, ehe dieses g r o ß e Ziel ersten Direktors erreicht war.
des
Wohl aber m u ß daran erinnert werden, daß die g r ö ß t e
H a n d e l s - und Industriestadt des Königreiches
—
denn das war N ü r n b e r g
schon
damals — hinter der Metropole nicht zurückblieb und sich eine städtische „Polytechnische Schule" schuf, die am 2. Januar 1822, also noch vor der Zentralanstalt, feierlich eingeweiht wurde. 3 6 )
Sie hielt sich in etwas engeren Grenzen und glich
erst 1829, auf wiederholtes D r ä n g e n des Ministeriums hin, ihren Lehrplan d e m j e n i g e n der Münchener Schule an. Das Jahr 1833, welches die drei polytechnischen Schulen Münchens,
Nürn-
b e r g s und A u g s b u r g s auf eine ganz identische Grundlage stellte und zugleich z w a n z i g Gewerbeschulen als Vorbereitungsanstalten brachte, schließt dann endgültig die von uns allein geschilderte erste Periode des bayerischen technischen Schulwesens
ab.
Es war gewiß ein Zeitraum des Tastens und Experimentierens, und Mißgriffe haben nicht gefehlt.
Aber wie hätte es anders sein können, da es ja noch fast ganz
an geeigneten Vorbildern, ganz und gar an selbsterworbenen E r f a h r u n g e n g e b r a c h , und da alle Ratgeber mit Naturnotwendigkeit auf den Weg des Probierens g e d r ä n g t w a r e n ? Zieht man die wahrlich nicht e n t g e g e n k o m m e n d e n Zeitumstände in E r w ä g u n g , so wird man sogar eine gewisse V e r w u n d e r u n g darüber nicht unterdrücken können, daß Bayern in verhältnismäßig kurzer Frist, n a c h d e m seine neue staatliche Konsolidierung erfolgt war, sich des Besitzes eines in seiner Art konsequent d u r c h g e f ü h r t e n und vervollkommnungsfähigen technischen Unterrichtswesens erfreuen durfte.
Anfänge des technischen Schulwesens.
11
Literatur.
') A. Kluckhohn, Über das technische Unterrichtswesen in Bayern bis zur Gründung der polytechnischen Zentralschule in München (1827), Bericht über die Kgl. Technische Hochschule zu München für das Studienjahr 1877—1878, München 1878, S. 45 ff. !
) Ober die langsame Entwicklung des Realschulprinzipes bei Semler, Hecker und den sachlich ungefähr auf dem gleichen Boden stehenden Philanthropinisten orientiert sehr gut F. Paulsen (Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart, Leipzig 1885, S. 482 ff.). 8
) P a u l s e n , a . a . O . , S. 505 ff. Kluckhohn betont (a. a. O., S. 53), daß die an die künftige Realschule gestellten Anforderungen, wie dies bei grundstürzenden Neuerungen im Bereiche des Erziehungswesens nur allzu leicht geschieht, viel zu hohe waren. 4
) Solche gab es in den altberühmten Kunststädten A u g s b u r g und Nürnberg. Die Augsburger Anstalt scheint in der uns hier angehenden Zeit ein Appendix des humanistischen Gymnasiums gewesen zu sein; denn die „Geh. Raths-Acta" (1810—1820) enthalten einen Erlaß vom 24. März 1812, kraft dessen der König „die Verbindung der Spezial-Kunstschulen mit den allgemeinen Studien-Anstalten" endgültig aufhebt. In Nürnberg war die einst unter J. v. Sandrart dem Altern hochberühmt gewesene „Malerakademie" (G. Doppelmayr, Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern, Nürnberg 1730, S. 248) ganz ebenso um 1800 zum bloßen Schatten ihres einstigen Ruhmes h e r a b g e s u n k e n , wie dies so ziemlich von all den überlebten reichsstädtischen Institutionen galt. 5 ) Über diese sympathische Persönlichkeit gibt näheren Aufschluß K. A. Baader (Das gelehrte Baiern oder Lexikon aller Schriftsteller, welche Baiern im achtzehnten Jahrhundert erzeugte oder ernährte, 1. Band, Nürnberg-Sulzbach 1804, Sp. 582 ff.). Seit 1790 war F. X. Kefer (1762—1802) Aufseher und Repetitor an der kurfürstlichen Militärakademie, und zwei Jahre vor seinem Tode
Siegmund Günther.
12
wurde er kurfürstlicher Inspektor der deutschen Schulen. Was er mit seiner Schöpfung bezweckte, hat er in einem später gedruckten Vortrage dargelegt (Rede über die Absicht, den Nutzen und die wesentliche Einrichtung der in München errichteten Feiertagsschule für Handwerksgesellen und J u n g e n , München 1795). Regelmäßig wiederkehrende Berichte über den Stand der Schule veröffentlichte er während der kurzen Zeitspanne seines Lebens (Rechenschaft über den Z u stand dieser Schule bey der im Jahre 1797 vorgenommenen P r ü f u n g , München 1797; ebenso 1799 und 1801). 6
) Vgl. Biographische Notizen über Hermann Joseph Mitterer, Jahresbericht über den Bestand und das Wirken des Kunst-Vereines während des Jahres 1829, München 1829. Mitterer hatte 1784 das Münchener Lyzeum absolviert, und da ihm zum Studium der Medizin das Vermögen, zu dem der Theologie die Neigung fehlte, so wandte er sich der Kunst zu. Für sein gemeinnütziges Wirken erhielt er 1797 die Ehrenmedaille des Magistrates. Ihm ist die Einführung der wichtigen Erfindung Senefelders in weitere Kreise vornehmlich zu danken; auf seinen Antrieb hin kaufte der Staat 1808 „das Arcanum der Lithographie" an, und 1810 wurde er Eigentümer der dafür errichteten Kunstanstalt. Dem Rufe an die neue polytechnische Schule, von dem nachher die Rede sein wird, vermochte er, schon schwer an den Folgen eines Schlaganfalles leidend, nicht mehr Folge zu leisten. ') Davon handelt eine anonym erschienene Broschüre (Die Industrie Nürnbergs mit Rücksicht auf die polytechnische Schule, Nürnberg 1861). 8
) Fr. Niethammer, Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungsunterrichtes unserer Zeit, Leipzig 1808. Eine für diesen sonst so ungewöhnlich objektiven Schriftsteller unerwartet scharf zu nennende Kritik des gleich bei seinem ersten Erscheinen viel befehdeten, von dem großen Philosophen Herbart als „elend" bezeichneten Buches sehe man nach bei Paulsen (S. 552 ff.). Einseitig war es ja gewiß in hohem Grade. ") Diese Reise macht einen selbständigen Faszikel der Ministerialakten aus. Vorgebunden ist demselben ein von dem hervorragend tüchtigen Minister v. Zentner signiertes „Offenes Circular an alle Schulen-Vorstände von Bamberg, Ansbach, Nürnberg, Amberg, Straubing und Landshut". Als Aufgaben waren dem Inspizienten gestellt Untersuchungen über die Tauglichkeit und Verwendbarkeit der Lehrer, über den augenblicklichen Zustand der Anstalten, über die Schulräumlichkeiten mit besonderer Rücksicht auf deren Aptierung für andere Bestimmungen, endlich über schon vorhandene oder neu zu gründende Internate. 10 ) Die Verhältnisse im bayerischen Schulwesen müssen damals, als Niethammer mit seiner Fackel in manch dunklen Lehrsaal hineinleuchtete, vielfach recht unerquickliche gewesen sein. In Bamberg, wo die Professoren von hohen, schwer zugänglichen Kathedern aus ihre Hefte den Gymnasiasten und Lyzeisten vorlasen, waren so ziemlich alle Regeln der Erziehungslehre verletzt; der Religionslehrer war „weniger als mittelmäßig". In dem altberühmten Gymnasium Aegidianum zu Nürnberg, wo der 85jährige, schwer augenleidende Rektor Schlenk schon lange vergeblich auf seine Quieszierung wartete, fanden sich Geschichte, Geographie, Naturkunde, „Seelenlehre", ja selbst Mathematik außerordentlich vernachlässigt- Sulzbach hatte zwei konfessionell geschiedene Lehranstalten, und dabei erschien die Stadt dem Regierungskommissar sogar „für ein simultanisches Gymnasium" zu klein. Am unvorteilhaftesten präsentierte sich Straubing, wo ein Oberklässer nicht einmal „ordentlich lesen" konnte; den besten Eindruck machte Ansbach mit seinen beiden anerkannt vorzüglichen Philologen Faber und Schaefer.
Anfänge des technischen Schulwesens.
13
" ) Geheime Raths-Akten, 1807—1823. " ) In seiner Hervorhebung der abweichenden „Anlagen der Individuen" erwies sich Niethammer als psychologischer P ä d a g o g zweifellos dem ihn sonst weit überragenden Thiersch überlegen, der in der Lateinschule das Ideal einer für alle Stände gleichmäßig vorbildenden Bürgerschule zu erblicken geneigt war (Uber gelehrte Schulen mit besonderer Rücksicht auf Bayern, 3. Band, Stuttgart-Tübingen 1837, S. 9 ff.). " ) Vgl. Helmholtz, Populär-wissenschaftliche V o r t r ä g e , 1. Heft, Braunschweig 1865, S. 6 ff. Es handelt sich um die in Heidelberg am 22. November 1862 gehaltene „Akademische Festrede". u
) Am 22. Juli 1808 schreibt v . Z e n t n e r : „Ich habe diese Bemerkungen mit der sorgfältigsten Aufmerksamkeit geprüfet." '*) Das, was Jacobs in seinem Gutachten als seine Meinung ausspricht, hat zumeist Hand und Fuß; so z. B. verurteilt er auf das entschiedenste den „Kollegienzwang" der hohen Schulen. Sowohl die realistische wie die humanistische Schulbildung, fordert er, soll der Mathematik Gewicht beilegen, aber die Lehrart muß der bestehenden Verschiedenheit eingedenk bleiben. „Daher ist angewandte Mathematik, Experimentalphysik, Technologie, praktische Chemie und praktische Astronomie ein H a u p t g e g e n s t a n d der Realschule." Die Geographie sollte hauptsächlich „in Beziehung auf die Gegenstände der Naturwissenschaft gelehrt werden". " ) Paulsen, a. a. 0., S. 654 ff. " ) Schon auf Grund der Wismayrschen Schulordnung hatte man z. B. in Erlangen 1805 eine Realschule b e g r ü n d e t , die mit einem „pädagogischen Seminarium" verbunden werden und zugleich den katechetischen Übungen der theologischen Fakultät das nötige Schülermaterial liefern sollte (Engelhard, Die Universität Erlangen von 1743—1843, Erlangen s.a., S. 114 ff.). Der W u n s c h , „gebildete Manufakturisten, Kaufleute und bürgerliche Gewerbsleute" heranzuziehen, ging nicht in Erfüllung; nur ein Jahr war der jungen Anstalt vergönnt, die sich ganz von selbst wieder auflöste. 18
) Vgl. A. Wagner, Akademische Denkrede auf Gotthilf Heinrich v. Schubert, 26. März 1861.
*•) Es geht nicht an, „die kümmerlichen Gewerbeschulen" (Kluckhohn, a. a. 0 . , S. 61) als verfehlte Einrichtungen zu verurteilen. Innerhalb ihrer Sphäre haben sie Tüchtiges geleistet, und die von ihnen für die polytechnischen Schulen älterer O r d n u n g gebotene Vorbildung war durchaus keine verächtliche. Noch vor dreißig Jahren erklärte ein geachteter bayerischer Schulmann (Der Realunterricht in Preußen und Bayern; ein Beitrag zur Lösung der bayerischen Gewerbeschulfrage, München 1875, S. 34 ff.) die Agitation für nicht gerechtfertigt, welche die damals in Norddeutschland bestehenden sechskursigen Realschulen zum absoluten Vorbilde für die bayerischen Realmittelschulen genommen wissen wollte. 20
) „Die École Polytechnique" war 1794, zunächst unter dem militärischen Gesichtspunkte, ins Leben g e t r e t e n ; ihr geistiger Vater war der geniale Geometer G. Monge (1746—1818). sl
) Wien war der Sitz des ersten, diesen Namen wirklich verdienenden Polytechnikums auf deutscher Erde. Im Jahre 1814 ging das polytechnische Institut aus der tatkräftigen Initiative J. J. Prechtls (1778 — 1854), eines gebornen Unterfranken, hervor, der es dann auch 35 Jahre lang, bis zu seiner Emeritierung, mustergültig geleitet hat.
14
Siegmund Günther. 22
) Sehr a n s c h a u l i c h schildert die A n f a n g s s t a d i e n d e r auf p o l y t e c h n i s c h e Schulen a b z i e l e n d e n B e w e g u n g Kluckhohn (a. a. O., S. 58 ff.). 25
) Man vergleiche, was in dieser Festschrift an a n d e r e m Orte (in dem Aufsatz ü b e r b a y e r i s c h e s K a r t e n - und S t r a ß e n w e s e n ) über die k r a u s e Vielgestaltigkeit s t a a t s w i s s e n s c h a f t l i c h e n L e h r b e t r i e b e s b e i g e b r a c h t worden ist. " ) Geh. Raths-Acta, 1822—1826. D a s A k t e n h e f t wurde am 28. J a n u a r 1822 a n g e l e g t und t r ä g t die S p e z i a l a u f s c h r i f t : „Politechnische (sie!) Schule in München". Vom 20. D e z e m b e r 1821 s t a m m t Mitterers Memorial, nicht schlecht a b g e f a ß t , a b e r ein wenig b a n a u s i s c h und die G y m nasialbildung d e s A u t o r s nicht g e r a d e v e r r a t e n d ; das W o r t Mathematik z. B. wird zweimal falsch g e s c h r i e b e n . Für p o l y t e c h n i s c h e Schulen seien h ö h e r e M a t h e m a t i k , T e c h n o l o g i e und kommerzielle F ä c h e r ü b e r f l ü s s i g ! Ihm g e n ü g t begreiflicherweise die A u s g e s t a l t u n g seiner „Feiertagsschule". S6 ) Da diese E i n g a b e noch nicht publiziert worden zu sein scheint, so darf sie hier wohl eine Stelle finden : „ D e r U n t e r z e i c h n e t e hält es für seine Pflicht, dem h o h e n S t a a t s m i n i s t e r i u m des Inneren folgenden u n m a ß g e b l i c h e n V o r s c h l a g zu m a c h e n . Es ist s c h o n längst als a n e r k a n n t e s Bedürfniß a u s g e s p r o c h e n worden, d u r c h eine polytechnische Schule für Baiern ein Institut zu g r ü n d e n , von d e s s e n g r o ß e m und wohltätigem Einflüsse auf t e c h n i s c h e W i s s e n s c h a f t e n , Künste und H a n d w e r k d a s Beispiel m e h r e r e r N a c h b a r s t a a t e n schon m e h r e r e triftige Beweise geliefert hat. Der erste Keim einer solchen Anstalt ist nun s c h o n in der von d e m Ministerium des Inneren und der F i n a n z e n auf meinen privativen V o r s c h l a g g e g r ü n d e t e n p o l y t e c h n i s c h e n S a m m l u n g g e l e g t worden. Um aber die G r u n d s ä t z e , wonach diese S a m m l u n g angelegt, g e o r d n e t und v e r waltet werden sollte, n ä h e r zu b e s t i m m e n , war v o n beiden h o h e n Ministerien eine Commission gebildet worden, deren G e s c h ä f t e jetzt, wo die S a m m l u n g würklich b e g r ü n d e t und ihr ein D i r e k t o r e r n a n n t worden ist, a u f h ö r e n m ü s s e n . Ich g l a u b e aber dem h o h e n Ministerio des Inneren den a l l e r u n t e r t ä n i g s t e n V o r s c h l a g m a c h e n zu müssen, diese g e m e i n s c h a f t l i c h e Kommission noch fortb e s t e h e n , und von ihr einen V o r s c h l a g z u r E r r i c h t u n g von p o l y t e c h n i s c h e n Schulen b e a r b e i t e n zu lassen. Sollten sich d a n n , wie ich U r s a c h e h a b e zu glauben, alle und b e s o n d e r s die finanziellen U m s t ä n d e mit d e m allgemeinen W u n s c h e eine solche Anstalt zu g r ü n d e n vereinigen, u n d d a s h o h e Ministerium meinen a l l e r u n t e r t h ä n i g s t e n A n t r a g zu g e n e h m i g e n g e n e i g t s e i n , so wäre ich bereit, m e i n e u n m a ß g e b l i c h e n A n s i c h t e n über die Art a b z u g e b e n , in welcher ein s o l c h e r V o r s c h l a g auf commissionellem W e g e zu b e a r b e i t e n w ä r e , damit ein G a n z e s , und aus d e m R e s u l t a t e d e s s e l b e n eine Anstalt h e r v o r g i n g e , welche ohne zu weitgreifende a k t i v e und p a s s i v e Mittel d e n Keim eines e i g e n e n und inneren L e b e n s in sich trüge. In tiefer E h r f u r c h t v e r harrt L. K." — Die T a t s a c h e , daß etwas E r n s t h a f t e s im W e r k e s e i , m u ß sich rasch h e r u m g e s p r o c h e n h a b e n , denn gleich d a s n ä c h s t e Blatt des A k t e n b a n d e s enthält ein A n s u c h e n d e s „ K l a v i e r m a c h e r s g e s e l l e n " Johann Kluek, ihn bei d e m n e u e n Institute als „Modellarbeiter" a n stellen zu wollen. 26
) J. L. S p a e t h (1759—1842) war
1809, n a c h d e m seine Universität Altdorf
aufgehoben
worden, an das Lyzeum in München g e k o m m e n , um 1826 d a s O r d i n a r i a t d e r Mathematik an d e r Universität zu ü b e r n e h m e n . " ) Th. Siber (1774—1854) dozierte seit 1810 am Lyzeum, seit 1826 an der U n i v e r s i t ä t Physik u n d h ö h e r e M a t h e m a t i k .
Anfänge des technischen Schulwesens.
15
) D e r M o n t a n i s t und M i n e r a l c h e m i k e r J . N. F u c h s (1774—1856) war s c h o n s e i t 1807 als
,8
P r o f e s s o r an der Universität Landshut wirksam und siedelte mit d i e s e r 1826 n a c h M ü n c h e n über. ) Man darf wohl v e r m u t e n , daß die R e g i e r u n g z u e r s t bloß von M ä n n e r n des L e h r f a c h e s
M
s i c h b e r a t e n l a s s e n wollte und sich, e r s t als d i e s e g e s p r o c h e n hatten, an die b e i d e n weltberühmten A k a d e m i k e r wandte, die aus der P r a x i s
hervorgegangen
waren.
G. v. R e i c h e n b a c h
(1772—1826)
war damals z u g l e i c h D i r e k t o r des M i n i s t e r i a l - B a u b u r e a u s . ) D e r g r o ß e O p t i k e r J . v. F r a u n h o f e r (1787—1826) wohnte, s e i t d e m das in B e n e d i k t b e u e r n
30
b e g r ü n d e t e Institut in die R e s i d e n z v e r l e g t worden war, also seit 1823, in München als K o n s e r v a t o r des p h y s i k a l i s c h e n K a b i n e t t s der Kgl. A k a d e m i e . sl
) D i e s e zweite D e n k s c h r i f t , deren V e r f a s s e r in e r s t e r L i n i e v. R e i c h e n b a c h
war,
ihrerseits rückhaltlos mit dem philiströsen G e d a n k e n einer erweiterten H a n d w e r k e r s c h u l e .
brach Aller-
dings mußte die h ö h e r e S t e l l e den etwas h o c h f l i e g e n d e n Plan aus M a n g e l an Geld unverwirklicht lassen.
Fünfzehn P r o f e s s o r e n zu b e s t e l l e n , sah man sich in j e n e r Zeit a l l g e m e i n s t e r K a s s e n e b b e
außerstande. 3S
) V o n dieser Instanz hört man s o n s t in der früheren b a y e r i s c h e n G e s c h i c h t e nicht viel,
und es wäre d e s h a l b interessant, G e n a u e r e s ü b e r sie in Erfahrung zu b r i n g e n . a3
) Geh. R a t s - A c t a ,
1827—1828, G u t a c h t e n
gesicherten Polytechnischen „Zentralschule"
über die E i n r i c h t u n g
der im
Prinzipe
jetzt
enthaltend.
" ) Z u e r s t d a c h t e m a n daran, als M a t h e m a t i k e r entweder v. Staudt, den s p ä t e r e n g e i s t e s g e w a l t i g e n S c h ö p f e r der „ G e o m e t r i e der L a g e " , oder den A s s i s t e n t e n S c h n ü r l e i n von der S t e r n warte,
den
nachherigen
Lehrer
M e c h a n i k war S p a e t h , P h y s i k
Ludwig
Seidels,
der g e s c h i c k t e
zu
gewinnen.
Angewandte
Experimentator Kastner
Mathematik
in E r l a n g e n
a u s e r s e h e n ; die C h e m i e hätte F u c h s oder H . A . V o g e l ü b e r n e h m e n sollen.
und
vorzutragen
Die bürgerliche Bau-
kunst wollte man L. v. Klenze, die I n g e n i e u r f ä c h e r dem durch seine K a n a l p r o j e k t e b e k a n n t g e w o r denen O b e r b a u r a t v. P e c h m a n n — vielleicht a u c h dem L a n d s h u t e r I n s p e k t o r C a m m e r l o h e r — anvertrauen.
Z e i c h n e n sollte I n s p e k t o r B a r r a g a , M a s c h i n e n l e h r e S c h m i t z , der d e r e i n s t i g e
der A m b e r g e r G e w e h r f a b r i k , auf sich n e h m e n . G e y e r ( W ü r z b u r g ) und Hermann ( N ü r n b e r g ) .
Direktor
Betreffs der T e c h n o l o g i e s c h w a n k t e man z w i s c h e n L e t z t e r e r (1795—1868) wurde berufen ; er hatte zwar
am G y m n a s i u m in E r l a n g e n und N ü r n b e r g Mathematik gelehrt, v e r s t a n d s i c h j e d o c h dazu, an der n e u e n Z e n t r a l s c h u l e T e c h n o l o g i e , W a r e n - und H a n d l u n g s k u n d e
zu
dozieren;
seine
Programm-
schrift ( Ü b e r p o l y t e c h n i s c h e Institute, N ü r n b e r g 1826, 1828) mußte ihn für die ü b e r n o m m e n e Aufgabe sehr geeignet erscheinen lassen. lich a u s g e a r b e i t e t e n „Plan
Als man mit ihm in B e z i e h u n g trat, l e g t e er einen gründ-
einer t e c h n i s c h e n B i l d u n g s a n s t a l t in M ü n c h e n " vor.
Man weiß,
er 1832 die o r d e n t l i c h e P r o f e s s u r für S t a a t s w i s s e n s c h a f t und p o l i t i s c h e R e c h e n k u n s t
daß
an der Uni-
v e r s i t ä t erhielt, 1836 mit der Inspektion ü b e r die t e c h n i s c h e n L e h r a n s t a l t e n B a y e r n s betraut wurde und sich als N a t i o n a l ö k o n o m einen wohl g e r e c h t f e r t i g t e n Ruf s i c h e r t e .
Ein I m m e d i a t b e r i c h t des
Ministers Grafen A r m a n s p e r g an den M o n a r c h e n vom 3. Juli 1827 läßt es u n e n t s c h i e d e n , o b zum D i r e k t o r der Z e n t r a l s c h u l e v. U t z s c h n e i d e r , v. B a a d e r (s. o.) o d e r der in W i e n unter P r e c h t l (s. o.) herangebildete Schleißheimer scheidung
zugunsten
zwischen Vogel
und
Inspektor W i m m e r
des E r s t g e n a n n t e n . Franz
Leo
(von
gewählt
werden
solle.
Ludwig I. traf die E n t -
T e c h n i s c h e C h e m i e e r s c h e i n t in j e n e m B e r i c h t geteilt
der M i t t e r e r s c h e n
Schule),
Allgemeine
Naturgeschichte
z w i s c h e n v. S c h u b e r t und v. Kobell, und die P h y s i k war dem — r e c h t wenig b e k a n n t e n — B ü r g e r -
Siegmund Günther.
16
Anfänge des technischen Schulwesens.
schullehrer K. Egger überwiesen. Einen guten Griff tat man, als man den ehemaligen Uhrmacher J. Liebherr (1767—1840), den Gefährten eines Reichenbach und F r a u n h o f e r , zum Lehrer der praktischen Mechanik m a c h t e , und auch der Vertreter des Modellierens, Haindl, war eine tüchtige Kraft. Daß der neben Schoepf zum Professor der Zeichnungskunst berufene Mitterer seine erschöpfte Kraft dem neuen Institute nicht mehr zu widmen vermochte, haben wir oben gesehen. Als Mathematiker trat schließlich F. A. Desberger (1768—1843) ein. 3i
) Den hervorragenden Techniker und Finanzmann (1763—1840) machte K. M. v. Bauernfeind zum Gegenstande einer Monographie (Utzschneider und seine Leistungen auf staats- und volkswirtschaftlichem Gebiete, München 1880). 3a
) Vgl. v. Bauernfeind, Joh. Scharrer und seine Bedeutung für die Entwicklung der technischen Schulen und der Eisenbahnen in Bayern, Bericht über die Kgl. Technische Hochschule in München 1880-1881, S. 7 ff.
München vom Englischen Garten aus gesehen 1804. (gez. v. Dorner),
Münchener Architektur um 1806 und 1906. Von Richard Streiter. Mit 6 Tafeln,
I—VI,
und
1 Stadtplan, Tafel
VII.
D e r Anteil, den Bayern zu Beginn des X I X . Jahrhunderts an der Pflege und Entwicklung der neueren Baukunst genommen hat, beschränkt sich fast ausschließlich auf München.
Die großen freien Reichsstädte,
die um jene Zeit Bayern einverleibt
wurden (Nürnberg, Augsburg, Regensburg), hatten schon seit dem Dreißigjährigen Kriege ihre Bedeutung als wichtige Kunststätten verloren. Die fränkischen Residenzen aber, die im XVIII. Jahrhundert durch prachtliebende weltliche und geistliche Fürsten zu Mittelpunkten
einer regen
Kunstpflege, namentlich auf baulichem Gebiete,
ge-
worden waren (Ansbach, Bayreuth, Würzburg, Bamberg), wurden durch die politischen
Umwälzungen
der napoleonischen
ihres Kunstlebens beraubt.
Epoche ihrer Hofhaltungen,
damit auch
Allenthalben im Lande hatten die unruhigen, kriegerischen
Zeitläufte den Volkswohlstand schwer geschädigt, die Unternehmungslust gelähmt. Nur in der Landeshauptstadt, die durch die Vereinigung der rechtsrheinischen und pfälzischen
wittelsbachischen
Gebietsteile,
dann
durch
die
Erhebung
des
durch
weiteren Gebietszuwachs beträchtlich vergrößerten Bayern zum Königreich erhöhtes Ansehen gewonnen
und am ehesten den Bedürfnissen einer neuen Zeit Rechnung
zu tragen hatte, fehlte es nicht an einer beachtenswerten baulichen Tätigkeit. 2
Für
Richard Streiter.
18
München bezeichnet die Regierung Maximilians I. Joseph den bedeutsamen Abschnitt, in welchem aus der verhältnismäßig kleinen, durch mehrere Jahrhunderte in ihrem Umfang nicht veränderten Altstadt die im Laufe des X I X . Jahrhunderts mächtig anwachsende Großstadt sich zu entwickeln begann. Als
Lorenz v. Westenrieder
1782
seine
„Beschreibung
der
Haupt-
und
Residenzstadt München im gegenwärtigen Zustande" herausgab, stellte er eine Einwohnerzahl von 3 7 8 4 0 fest; Häuser befanden sich in der Stadt selbst 1488, auf dem Lechel, der damals einzigen Vorstadt außerhalb der Mauern, 188. festigungsanlage:
Die doppelte B e -
der innere zwiefache Mauerring mit Graben aus der Zeit Kaiser
Ludwigs des Bayern und die durch Kurfürst Maximilian I. während des Dreißigjährigen Bastionen
Krieges und
herumgelegte
äußerem
Dementsprechend
Erdumwallung
Wassergraben
umzog
mit
vorspringenden
noch
undurchbrochen
dreieckigen die
erfüllten auch die Tore noch ihre ursprüngliche Aufgabe.
lesen darüber bei Westenrieder: S o m m e r um zehn
Stadt. Wir
„Die Thore werden im Winter um neun Uhr, im
Uhr so geschlossen, daß, wer noch später ankommt, nur bey
dem sogenannten Einlaß in die Stadt kommen kann, wo dann für j e d e Person 6 kr., und für j e d e s Thier, Pferd, oder Hund, ebensoviel erlegt werden muß.
Die kleinere
Thorsperr, nach welcher die Thore zwar noch frey gelassen, von jeder Person aber ein, und von jedem Pferd zween Kreuzer abgefordert werden, geschieht nach der zu- oder abnehmenden Jahreszeit früher oder später sogleich nach dem Gebetläuten, vor welchem eine viertel Stunde mit einer sehr vernehmlichen Glocke in der Frauenpfarr geläutet wird."
Aber nicht nur durch den ziemlich frühzeitigen Schluß der
Tore, auch sonst war der Magistrat auf die Erhaltung der Ordnung und der Nachtruhe der Bürger in löblicher Weise bedacht.
Westenrieder berichtet: „Für die öffent-
liche Sicherheit ist auf das vollkommenste gesorgt, und man hat kaum ein Beyspiel, daß auf den Straßen jemand verletzt worden.
Die Patrollen schaffen (nach unserm
Ausdruck) in den Bräuhäusern zweymal ab, und wen selbe nach zehn Uhr daselbst noch findet,
wird nach der Hauptwache geführt, und da bis den andern Morgen
behalten, wo er sodann eine Geldstrafe entrichten muß.
Wer eine Freynacht, oder
die Freyheit, Gäste die ganze Nacht zu bewirthen, verlangt, muß um selbe bey dem Platzhauptmann um Erlaubniß ansuchen.
S o rufen auch, (gewöhnlich von zehn Uhr
angefangen) alle Wachen jeden Wandrer a n ; und wer sich auf einer Rauferey, oder anderm Muthwillen
betreten
läßt, wird sofort nach der Hauptwache geführt.
Die
Laternen werden (einige Zeit im S o m m e r ausgenommen) so bald es dunkel wird, angezündet.
Es seynd ihrer über 600, und sie beleuchten die Gassen trefflich.
Von
Münchener Architektur um 1806 und 1906.
19
zehn Uhr Nachts angefangen schreien die bürgerlichen Nachtwächter (mit einem Degen und Spiese bewaffnet) die Stund aus; in stürmischen Nächten rufen sie auch, man möchte sich vor Feuer bewahren." Es ist das Bild einer patriarchalisch-spießbürgerlichen Kleinstadt, das nach dieser Schilderung vom München der Zopfzeit vor uns ersteht. Aber trotz des stark konservativen Zuges und der selbstgenügsamen Anspruchslosigkeit, die dem Altbayern überhaupt eigen sind und die damals beim Münchener Bürgertum im höchsten Maße entwickelt waren, drang doch nach der ganz Europa durchzitternden Katastrophe in Frankreich etwas von dem freiheitlichfortschrittlichen Geist auch in München ein. Die Bürgerschaft hegte das dringende Verlangen, die längst zu eng gewordenen Grenzen der Stadt auszudehnen. Nur widerstrebend willigte Karl Theodor ein. Zwar gab er 1795 die Erklärung: „München hat aufgehört, Festung zu sein." Aber 1797 erließ er an den Hofkriegsrat den Befehl, daß ohne dessen Bewilligung an den Festungswerken keine Veränderung vorgenommen werden solle. Auf den Remparts und an den ehemaligen Glacis durfte kein Neubau mehr errichtet werden, ebensowenig vor den Toren auf Kanonenschußweite. Nur an einer Stelle war die äußere Umwallung schon vorher durchbrochen worden: 1789 wurde die Bastion vor dem Neuhausertor abgetragen und der Graben davor zugeschüttet. Eine gerade Ausfahrt wurde hergestellt (früher führte die Straße schräg durch einen der Dreiecksschenkel der Bastion) und der Torbau selbst zwischen den beiden äußeren kleinen Türmen etwas umgestaltet. Bei der feierlichen Wiedereröffnung im Mai 1791 erhielt das Tor den Namen „Karlstor". In den nächstfolgenden drei Jahren wurde an das Tor außen anschließend nach einheitlichem Plan eine im Halbkreis gebogene Häuserreihe aufgeführt — das sogenannte Karlsplatz-Rondell. Sonst entstanden unter Karl Theodor noch die neuen Straßenzüge der Müllerstraße und Rumfordstraße zwischen Sendlinger- und Isartor, die aber damals noch außerhalb der Umwallung als Alleen längs des Grabens hinliefen. Zur Entwicklung eines Villenviertels, der sogenannten Schönfeldvorstadt, gab die wichtigste Schöpfung Karl Theodors zur Verschönerung Münchens, die Gründung des „Englischen Gartens", Anlaß. Die Entstehung dieses herrlichen Parkes ist bekanntlich der Anregung jenes bedeutenden Philanthropen zu verdanken, der unter Karl Theodor die Seele aller gemeinnützigen Bestrebungen und Unternehmungen war, des Generalleutnants Benjamin Thomson, nachmaligen Grafen v. Rumford. Seit dem Herbst 1789 wurde der überaus glückliche Gedanke, in nächster Nähe der Stadt eine ausgedehnte öffentliche gärtnerische Anlage zu schaffen, ins Werk gesetzt. 2*
20
Richard Streiter.
„Eine lange, dürftig angebaute Fläche auf der nördlichen Seite des Hofgartens
—
so lesen wir in einer vor hundert Jahren erschienenen Beschreibung Münchens
—
und eine den Launen der wilden Cultur überlassene Waldgegend, welche 1200 Schritte von der Stadt entfernt war, der Hirschanger,
auch die Hirschau genannt,
damahls
den Jagdgerechten ausschließlich überlassen, sollten in Eines zusammenfließen, und zu der entworfenen großen Anlage in der gefälligen Gestalt englischer Gärten nützt werden.
Die Nähe der gegen Osten vorbeiströhmenden Isar, welche, damahls
noch ungedämmt, überall wilde Eilande und verwahrlostes Erlengesträuche brachte,
be-
war zu künstlichen
Kunst zu erwarten.
Bewässerungen
hervor-
geschickt, und schien die Hilfe
der
Alles das einigte sich in dem großen Plan, und begünstigte die
Ausführung desselben. . . . Man nannte diese Anlage Theodors-Park — jetzt nicht mehr das Grab eingeschlossener müde gejagter Hirschen; Menschen, die das Freie der Schöpfung lieben." wie für die Reorganisationsbestrebungen
sondern ein Lustort für frohe
Charakteristisch für die Zopfzeit
des Grafen v. Rumford
im
Militärwesen
sind noch folgende Mitteilungen: „Die Eleven der Militär-Akademie haben nicht weit von dem Eingange in den Park, an der ersten Brücke, einen zu ihren Vergnügungen gewidmeten schönen Platz mit einem Sommergebäude in der Mitte und mancherlei gymnastischen Spielen. kalischen Übungen
Sie verschaffen
wahres Vergnügen.
den Spazirenden
durch ihre vielen musi-
Zweckmäßige Jugendbildung
spricht sich
nirgends lebhafter aus, als in dieser gut geleiteten Anstalt. Unweit davon hatte man im Jahre 1789 Militärgärten angelegt, um dem Soldatenstande eine gedeihliche B e schäftigung in müßigen Stunden zu verschaffen. Der ganze, auf sehr nassen Gründen angewiesene Bezirk, den am 8. August des angezeigten Jahres die mit Grabschaufeln und Spaten
bewaffnete Mannschaft
unter feierlicher Kriegsmusik
bezog,
war ein
länglichtes Viereck, das ein Isararm durchschnitt, von 18 Morgen, welche nach den Compagnien abgetheilt,
und wovon
auf jeden
365 Quadratschuhe zur Arbeit berechnet waren. zu seinem Genüsse bestimmt.
Soldaten
der
hiesigen
Besatzung
Das Gemüse, das er erzielte,
war
Da man mit der Zeit vielerlei Unziemlichkeiten dabei
bemerkte, so lösete sich diese Anstalt gar bald selbst auf, und unter gegenwärtiger Regirung sind diese Feldstücke theilweise an fleißige Ackersleute überlassen worden." 1 ) 1795 waren die Anlagen so weit gediehen, daß sie dem Publikum geöffnet konnten.
werden
Der P a r k , der damals bis zum Wirtshaus Kleinhesselohe sich erstreckte,
enthielt von Anfang an verschiedene dem öffentlichen Vergnügen gewidmete Gebäude, so die einst sehr beliebten Wirtschaften Chinesischen Turm und die
Paradiesgarten
und Dianabad,
daneben liegende Wirtschaft.
Der
dann
den
ehrwürdig-biedere
M ü n c h e n e r A r c h i t e k t u r um 1806 und 1906.
21
Chinesische T u r m ist ein verspäteter Nachklang der in der Rokokoperiode so beliebten „Chinoiserien", wie auch die chinesisch geschweiften Metalldächer, die dem zopfiggemütlichen Wirtschaftsgebäude ein exotisches A u s s e h e n g e b e n sollten.
Diese Bau-
lichkeiten u n d der benachbarte s o g e n a n n t e Rumford-Saal, das kleine G e b ä u d e mit den Säulenportiken 2 ),
jonischen
wurden
nach A n g a b e n des Grafen v. Rumford
durch
den Ingenieuroffizier, nachmaligen Hofkriegsrat Joh. Bapt. L e c h n e r 1791—1795 ausgeführt.
Verschiedene kleinere Schmuckbauten, wie ein Rundtempelchen
mit einer
Statue des Apollo (als Allegorie auf Karl Theodor), ein Geßner-Monument, ein „otaheitisches Schirmhüttchen", eine „chinesische L a u b e " usw., sind Jahrzehnten wieder verschwunden.
in den
nächsten
Erhalten hat sich als ein hübsches Beispiel des
Übergangsstiles vom Ende des XVIII. J a h r h u n d e r t s das Rumford-Denkmal, ein Werk des Hofbildhauers Franz S c h w a n t h a l e r (des Vaters von Ludwig v. Schwanthaler), von dem auch die am ehemaligen Eingang z u m Englischen Garten an der Galeriestraße aufgestellte Jünglingsstatue — im Volksmund „ H a r m l o s " genannt — herrührt. Der Gartenkünstler,
der
die Ideen
des Grafen v. Rumford im
einzelnen
ausgestaltete u n d in die Wirklichkeit übersetzte, Friedrich Ludwig v. S e k e i l (geb. 1750 in Weilburg a. d. Lahn, gest. 1822 in München), Meister
für die Einführung des englischen
wurde
der
Gartenstiles in g a n z
bahnbrechende Süddeutschland.
Einer alten Gärtnerfamilie e n t s t a m m e n d — der Vater Joh. Wilhelm Sckell war Hofg ä r t n e r bei d e m Fürsten von Nassau-Weilburg, später in pfalzbayerischen Diensten in Schwetzingen —, hatte Sckell seine erste Ausbildung in der Gartenkunst und der damit v e r b u n d e n e n Zivilbaukunst unter Leitung seines Vaters in Schwetzingen, dann in den Gärten von Bruchsal und Zweibrücken erhalten.
Nach einem Studienaufent-
halt in Paris und Versailles reiste er 1773 mit Unterstützung des Kurfürsten Karl Theodor
nach
England,
um den neuen Geschmack,
der damals auch im übrigen
E u r o p a den französischen Gartenstil zu v e r d r ä n g e n begann, gründlich kennen zu lernen.
Vier Jahre
später
nach Schwetzingen
zurückgekehrt,
gestaltete er einen
Teil des dortigen Gartens im Auftrage des Kurfürsten im landschaftlichen (englischen) Stile um.
Das
gute
Aufgaben zur Folge.
Gelingen
dieses Versuches hatte eine g r o ß e Zahl
ähnlicher
Es entstanden in den letzten Jahrzehnten des XVIII. J a h r h u n d e r t s
nach Sckells P l ä n e n : S c h ö n b u s c h und Schöntal bei Aschaffenburg (seit 1780), der ehemalige
Militärgarten in Mannheim, die Anlagen bei der Favorite in Mainz, in
Rohrbach und Birkenau an der Bergstraße, auf dem S c h l o ß b e r g in Landshut, Karlstal bei
Trippstadt,
a. d. H a a r d t ,
Annatal
Direnstein,
bei Blieskastel, Nekarshausen
Gärten bei
bei Z w e i b r ü c k e n ,
Ladenburg,
Hernsheim
in
Dürkheim
bei
Worms,
Richard Streiter.
22
Oppenweiler in Schwaben, Werrstadt, Amorbach, Grünstadt, Oranienstein bei Limburg a. d. Lahn.
Im August 1789 wurde Sckell zur Planung des Englischen Gartens
nach München berufen, kehrte aber nach Erledigung dieses Auftrages wieder nach Schwetzingen zurück. gestanden,
folgte
Nachdem er ein Jahr im Dienste des Markgrafen von Baden
er 1804 einem abermaligen
Hofgarten-Intendant
dauernd verblieb.
Ruf nach
München,
wo er nun als
Er gestaltete den Englischen Garten weiter
aus, legte (nach einer Stiftung des Freiherrn v. Werneck) den Kleinhesseloher S e e an und wandelte auch den Park von Nymphenburg im englischen Stile um, von der unter Max Emanuel geschaffenen französischen Anlage nur die große Mittelachse, das Blumenparterre und den Kanal mit der Kaskade beibehaltend.
Der ausgezeich-
nete Ruf des Künstlers verbreitete sich weit über Bayerns Grenzen.
Man erholte
seinen Rat für den Biebricher Schloßgarten, die Anlagen bei Baden-Baden, burg bei Wien u. a.
Laxen-
Man rühmte an Sckell, daß er sich vor dem Extrem, in das
die englischen Gartenkünstler zum Teil verfielen, einer vollständigen Regellosigkeit, wohl gehütet h a b e , indem er die ältere italienisch-französische
Gartenkunst,
er die „symmetrische"
nannte, nicht ganz verwarf. )
der neueren deutschen
Gartenkunst, die längere Zeit in seinen Bahnen sich
S o wurde er der
3
wegte, bis sie durch seine Nachfolger (den Fürsten
Pückler-Muskau
die
Schöpfer be-
u. a.) weiter
geführt wurde. 4 ) Über das am Westrande des Englischen Gartens (längs der Königinstraße) noch unter Karl T h e o d o r entstandene Garten- und Villenviertel s.chrieb L. Hübner 1805: „Eine sehr glückliche Idee war unstreitig die symmetrische Anlage von Gartengebäudchen
an der oberen Chaussee
des Parks,
das Schönfeld oder die Colonie
genannt, welche die freie, offene Aussicht nach Nordost über die ganze Anlage hat; und hinter denen sich nun eine zweite zierliche Reihe von hübschen Häuschen und Gärten heranbildet,
die immer näher
kennt hier das mähliche Werden
an
das Dorf Schwabing
einer Vorstadt?
Die meisten
rückt.
Wer
ver-
Gebäude sind von
2 Geschoßen (dem Erd- und oberen Geschoße) und von 3 oder 5 Fenstern Breite; haben französische
Dachstühle
und allerlei architektonische Verzierungen, so, daß
auch für guten Geschmack gesorgt ist." (seit 1790) die Gebäulichkeiten
An der äußeren Königinstraße wurden auch
der durch den Grafen v. Rumford ins Leben
rufenen Tierarzneischule und einer damit verbundenen Schweizerei aufgeführt. Schwabing
erwarb 1800 Max IV. Joseph
den
Edelsitz
Biederstein,
Sommeraufenthalt für die kurfürstliche Familie auszugestalten.
um
ihn
geBei zum
Das Schlößchen baute
später L. v. Klenze in einfacher Weise um, den Park legte L. v. Sckell an.
Münchener Architektur um 1806 und 1906.
23
Die unter Karl Theodor in den ersten Anfängen stecken gebliebene Stadterweiterung wurde unter Kurfürst Max IV. Joseph, Bayerns erstem König, in großem Maßstabe in Angriff genommen und durchgeführt, nachdem 1801 der Festungscharakter der Stadt endgültig aufgehoben worden war. 1802—1804 wurden die Mauern und Wälle zwischen dem Karls- und Schwabingertor abgetragen (auch das an Stelle des jetzigen Bernheimerhauses in einer Bastion gelegene Kapuzinerkloster) und nach Einfüllung der Gräben der langgestreckte Maximiliansplatz geschaffen. Für das Gelände jenseits des Platzes zwischen den nach Dachau und Schwabing führenden Straßen entwarf dann eine eigens hierfür eingesetzte Lokalbaukommission einen ausgedehnten Bebauungsplan (1808), der alsbald zu einem auf den ganzen Umkreis der Stadt sich erstreckenden Generalplan erweitert wurde. Durch diesen am 1. Dezember 1812 genehmigten Plan wurde ein großer Teil des bis gegen die Mitte des Jahrhunderts zum Ausbau gelangten Straßennetzes von Neu-München festgelegt. Vor allem die sogenannte Max-Vorstadt mit dem Karolinen-, Königs- und Stiglmaierplatz und den umgebenden Straßenzügen bis hinaus zur Schellingstraße (vgl. die rückwärts beigelegte Tafel VII). Welch ein Gegensatz zwischen diesen in starrer Geradlinigkeit endlos lang verlaufenden, im rechten Winkel sich durchkreuzenden Straßen und den schmiegsam um den innersten Kern sich krümmenden und von diesem in weichen Schwingungen ausstrahlenden Straßen der Altstadt! Der allzu regelrichtige klassizistische Geist hat hier, bei aller Anerkennung einer gewissen Großzügigkeit und Weitsichtigkeit, jene trocken-schematisch auf dem Papier ablinierende Art der Straßenplanung eingeleitet, die dann leider fast durch das ganze XIX. Jahrhundert für die Stadterweiterungen in Übung geblieben ist. Im übrigen Umkreis der Stadt griff der Generalplan von 1812 nicht so weit über die Befestigungslinie hinaus. Zwischen Karls- und Sendlingertor ergab die Beseitigung des äußeren Walles und Grabens die breite Sonnenstraße, während die jetzige Herzog-Wilhelmstraße dem Zuge der Stadtmauer und des inneren Grabens folgt. Die westwärts der Sonnenstraße sich erstreckende Ludwigs-Vorstadt, nach dem Kronprinzen benannt, kam erst unter dessen Regierung zur Ausgestaltung. Zwischen dem Sendlinger- und Isartor entstanden längs der nur sehr langsam zum Abbruch gelangenden Stadtmauer die Blumenstraße und die Frauenstraße; vom Isartor nordwärts entwickelten sich die nach dem Zuge der Stadtmauer zweimal im rechten Winkel gebrochene Herrenstraße und hinter den zur Residenz gehörigen Stallungen und Remisen, weiterhin hinter der Hofgartenkaserne und St. Annamühle, die Wurzerstraße. Die nächste Umgebung der Residenz ist im Generalplan von 1812 in ihrem alten Zustand belassen. Erst 1816
Richard Streiter.
24 fiel das Schwabingertor
mit den seitlich anschließenden Gebäuden der Pagerie und
der Residenzwache; der Wall davor wurde abgetragen, die Gräben eingefüllt.
Das
im Jahre 1817 begonnene Palais des Herzogs von Leuchtenberg (später Prinz-LuitpoldPalais) erhielt seinen Platz noch an der alten Schwabinger Landstraße, die im Zuge der jetzigen Fürstenstraße
seitlich in die Bastion vor dem Tore einmündete.
Als
anfangs der zwanziger Jahre die Ludwigstraße angelegt wurde, gab die seitliche Stellung dieses Palais die Veranlassung zu der forumartigen Erweiterung des Odeonsplatzes. 6 ) Mit der Anlage der Max-Vorstadt (seit 1810 etwa) begann eine ziemlich rege Bautätigkeit, deren stilistisches Gepräge vornehmlich durch den führenden Münchener Architekten
unter
König
Maximilian I., durch
Karl v. Fischer,
bestimmt
wurde.
Was vorher unter Karl Theodor und in den ersten Regierungsjahren Max Josephs gebaut wurde, ist von geringer Bedeutung. Am ansprechendsten waren wohl einige Privatbauten,
vor allem jene Gartenschlößchen,
die teils auf Bastionen
der
Um-
wallung, teils in der Schönfeld-Vorstadt nach der noch sicheren Tradition des liebenswürdigen Zopfstiles errichtet wurden.
Dagegen
gaben
die wenigen
mit größter
Sparsamkeit ausgeführten öffentlichen Gebäude zwei tüchtigen Baumeistern, N. Schedel v. Greifenstein
und A. Gärtner,
Talente voll zu entfalten.
kaum genügende
Gelegenheit, ihre
Nikolaus S c h e d e l v. G r e i f e n s t e i n
bescheidenen
(geb. 1752 zu Waid-
haus i. d. Oberpfalz, gest. 1810 in München) war der Vertreter der Übergangsphase zwischen
Zopf
und
Klassizismus
in
Als Offizier
München.
des
kurbayerischen
Ingenieurkorps bis zum Hauptmann vorgerückt, wurde er dann als Stadtbaudirektor angestellt.
Ein Jahr vor seinem T o d e erfolgte n o c h ,
als staatliche
Anerkennung
seiner Verdienste, die Beförderung zum Oberbaukommissär im Kgl. Staatsministerium des Innern.
Er erbaute die alte Tierarzneischule (1790), das Allgemeine Kranken-
haus )
dem
6
vor
Sendlingertor ( 1 7 9 4 — 1 7 9 6 ) ,
dessen
Vorderfront
später
durch
K. v. Fischer etwas verändert wurde, das Feuerhaus am Anger (1795), die ehemalige Leibregimentskaserne am Hofgarten (1801 — 1 8 0 3 ) ,
das Max-Josephstor an der Aus-
mündung der Prannerstraße mit anstoßendem Wachgebäude (1805 vollendet), einige Schulhäuser, das Universitätsgebäude in Landshut.
Auch die äußere Umgestaltung
von Kirche und Kloster der Karmeliten (an der Pfandhaus- und
Karmelitenstraße),
die nach der Säkularisation Erziehungsinstituten eingeräumt wurden, rührt von ihm her (seit 1802).
Hier erfreuen neben der guten Gliederung der ganzen Baumasse
einige hübsche ornamentale Einzelheiten, die dem Stil Louis' X V I . noch nahestehen. —
Ganz
durch
die Schule
des
frühen
französischen
Klassizismus
ist
Andreas
25
Münchener Architektur um 1806 und 1906.
G ä r t n e r (geb. 1744
in Dresden, gest. 1826 in München), der Vater von Friedrich
v. Gärtner, hindurchgegangen. Tätigkeit
auf
den Gütern
künstlerischer
Nach
eines
harter
polnischen
Ausbildung nach P a r i s ,
Jugend und neunjähriger praktischer Grafen
wo er
wandte
er sich zu
als Inspektor bei
in Versailles Stellung fand und fast zehn Jahre verblieb.
weiterer
den Kgl. Bauten
Durch den letzten Kur-
fürsten von Trier, Klemens Wenzislaus, nach Koblenz als Baudirektor berufen, leitete er dort den Bau des Residenzschlosses
nach den Plänen Ixnards.
lösung des Fürstbistums Trier in den ersten Jahren
Nach der Auf-
der französischen Revolution
trat er in die Dienste des Fürstbischofs von Würzburg (als Artilleriehauptmann und Baudirektor). 1804 zum Hofbauintendanten in München ernannt, konnte der Sechziger neben dem jungaufstrebenden Talente K. v. Fischers kein rechtes Feld der Tätigkeit mehr finden.
Die Fassade des Kgl. Münzgebäudes (1809) ist das einzige in München
nachweisbare Werk des Meisters, den man im übrigen aus den Studien und Entwürfen kennen lernen muß, die Hans Moninger im Anschluß an die Sammlung von Plänen Friedrich v. Gärtners zusammengebracht unserer
Hochschule).
hat (in der
Neben trefflich gezeichneten
Architektursammlung
figürlichen Studien
und
dem
Idealentwurf eines großartigen öffentlichen Bades nach römischen Vorbildern, einem echten Akademieprojekt aus der Pariser Zeit, lassen namentlich einige Zeichnungen für das Residenzschloß in Koblenz (Schloßkapelle), Theaterprojekte für
Würzburg
und München (in Verbindung mit Konzertsälen) und Skizzen für dekorative Aufbauten bei festlichen Illuminationen eine gute Schulung, aber auch eine nicht allein durch den Zeitgeschmack bedingte Enge und Sprödigkeit der Phantasie ersehen.
Für den
Zuschauerraum
gewählt,
des einen Theaterentwurfes ist die elliptische Grundform
deren Vorzüge in einer ausführlichen schriftlichen Erläuterung begründet werden
—
ein bemerkenswerter Versuch für den Übergang von den als Rechteck mit abgerundeten Ecken gestalteten Theatersälen der Barockzeit zu den im überhöhten Halbkreis umschlossenen der klassizistischen Periode. Großzügiger, kräftiger war die künstlerische Art des Karl v. F i s c h e r . den von
ihm
gepflegten
napoleonischen
Klassizismus
wird
gewöhnlich
Weinbrenner in Karlsruhe als Hauptvertreter in Deutschland genannt.
Für
Friedrich
Aber
schon
Kronprinz Ludwig hat mit sicherem Urteil erkannt, daß Fischer vor Weinbrenner den Vorzug Friedrich
verdiene. 7 )
Geboren
am
19. September
1782
in Mannheim,
Karl v. Fischer, dessen Begabung und Neigung zur Baukunst
sich zeigten,
wurde
frühzeitig
1796 Schüler des kurfürstlichen Oberbaudirektors Maximilian v. Ver-
schaffelt, dem er nach München und nach dem Übertritt des Lehrers in die Dienste
26
Richard Streiter.
des Fürsten Esterhazy (1801) auch nach Wien folgte. tischen Studien
an
der Kunstakademie
Dort fand er neben theore-
auch Gelegenheit,
sich an den von Ver-
schaffelt ausgeführten Bauten praktische E r f a h r u n g e n zu erwerben. Zur weiteren Ausbildung unternahm er eine Studienreise durch Frankreich und Italien (1806—1808). Wie die B e g r ü n d e r
des Style de l'empire, Napoleons Hofarchitekten Percier u n d
Fontaine, w ä h r e n d ihres Aufenthaltes in Italien fast mehr als mit den Denkmalen der Antike mit den Bauwerken so auch Fischer.
der strengen Renaissance sich beschäftigt hatten,
Unter seinen Z e i c h n u n g e n (in der Architektursammlung u n s e r e r
Hochschule) finden sich sehr sorgfältig in g r o ß e m Maßstabe aufgetragene F a s s a d e n darstellungen der Paläste Pitti u n d Pandolfini in Florenz
und
der
Perraultschen
Ostfassade des L o u v r e , jenes m e r k w ü r d i g e n Werkes, das den Sieg des klassischen Geistes
in
der
Nach München
Pariser
Architektenschaft
zurückgekehrt,
schon
w u r d e Fischer
unter
Ludwig
XIV.
entschied.
zum Lehrer der Baukunst
an
der
Kunstakademie ernannt (1809), n a c h d e m er mit seinem ersten, noch w ä h r e n d
des
Wiener Aufenthaltes zur A u s f ü h r u n g gebrachten Bau, dem Palais des Herzoglich
Zweibrückischen
ehemaligen
Ministers Abbé von Salabert am E i n g a n g
des
Eng-
lischen Gartens, eine höchst achtunggebietende P r o b e seines Könnens abgelegt hatte. Dieses G e b ä u d e (nachmals Prinz-Karl-Palais, jetzt Sitz der österreichisch-ungarischen Gesandtschaft)
mit
seiner kräftigen,
wohl
abgestimmten
und
Form-
b e h a n d l u n g im palladianischen Geiste macht noch heute am Kopfende der
langen
und breiten P r i n z r e g e n t e n s t r a ß e eine starke Wirkung.
Gliederung
D a ß der viersäulige Giebel-
vorbau in der Mitte zu der g a n z e n B a u m a s s e in einem nicht ganz befriedigenden Verhältnis steht, ist nicht Schuld d e s Architekten.
Das G e b ä u d e
war
ursprünglich
breiter geplant, w u r d e aber dann auf Wunsch des Bauherrn seitlich verkürzt, daß der Mittelbau verändert
werden
durfte.
Vorstadt hatte Fischer den Löwenanteil.
An
der
ersten B e b a u u n g
ohne
der Max-
Seit 1810 errichtete er am Karolinenplatz
u n d an den benachbarten Straßen 14 H a u p t - u n d N e b e n g e b ä u d e , die dereinst jenem Stadtteil das charakteristische G e p r ä g e verliehen.
Sie w u r d e n fast alle in neuerer
Zeit durch Umbau völlig verändert, so auch die beiden, deren G r u n d - und Aufrisse nach den Originalplänen
hier
vorgeführt werden (Palais des Freiherrn v. Asbek,
später d e m Grafen Bassenheim gehörig, am Karolinenplatz; W o h n h a u s des Grafen zu P a p p e n h e i m , jetzt vom päpstlichen Nuntius bewohnt, an der Briennerstraße). Es sind dies bezeichnende Beispiele für das Streben der klassizistischen
Architekten
nach Monumentalität auch im Wohnhausbau, wobei die Rücksichten auf und b e q u e m e
Bewohnbarkeit m a n c h m a l bedenklich
in den Hintergrund
praktische gedrängt
Münchener Architektur um 1806 und 1906.
wurden.
27
Bei dem v. Asbekschen Palais gab wohl Palladios Villa Rotonda die An-
r e g u n g zu dem kreisrunden, durch beide G e s c h o s s e hindurchreichenden Mittelraum, welchem b e r ü h m t e n Motiv die direkte Z u g ä n g ü c h m a c h u n g der meisten Z i m m e r des O b e r g e s c h o s s e s z u m Opfer gebracht wurde.
Im äußeren Aufbau bewährte Fischer
ein sicheres Gefühl für gute Verhältnisse und kräftige, edle Detailbildung,
wodurch
er seinen Bauten bei aller Beschränktheit der aufgewandten Mittel eine gewisse vorn e h m e Haltung zu geben wußte.
Wie m a n c h e r a n d e r e Künstler seiner Zeit, in der
die „noble simplicité" nicht nur als Kunstdogma, sondern auch aus wirtschaftlichen G r ü n d e n gefordert wurde, verstand es Fischer sehr wohl, aus der Not eine T u g e n d zu machen.
Die Schlichtheit dieser Kunst, aus der man den Ernst einer schweren,
keinem üppigen Luxus Raum bietenden Zeit herausfühlt, b e r ü h r t noch heute an dem im ursprünglichen Zustand erhaltenen, ehemals für den Kronprinzen Ludwig erbauten Palais Törring-Jettenbach am Karolinenplatz mit den beiden vortrefflich behandelten N e b e n g e b ä u d e n sympathisch. — Fischers Hauptwerk ist das Kgl. Hof- und Nationaltheater. Schon in Wien hatte der Meister Vorstudien zu dieser großen, seit längerem in der Luft liegenden Aufgabe 8 ) gemacht.
Er fertigte damals einen
vollständigen
Entwurf zu einem neuen Theater in München an und einen zweiten für ein neues O p e r n h a u s in Wien, Diese Pläne,
letzteren unter Leitung des Wiener Hofarchitekten v. Platzer.
d e m Minister Grafen v. Montgelas
vorgelegt,
fanden dessen
vollen
Beifall u n d trugen dem Künstler den Auftrag ein, unter beratender Mitwirkung einer hierzu eingesetzten Kommission einen neuen, für die Bedürfnisse und örtlichen Verhältnisse Münchens
b e s o n d e r s berechneten Entwurf
Ausführung angenommen
wurde.
auszuarbeiten,
Am 26. Oktober 1811
der
dann zur
legte Kronprinz Ludwig
den Grundstein auf dem Platze des nach der Säkularisation niedergelegten Franziskanerklosters, im Oktober 1818 w u r d e das G e b ä u d e seiner B e s t i m m u n g übergeben, obwohl das Äußere noch nicht vollendet war. Wenige Jahre später, am 14. Januar 1823, zerstörte
ein
nächtlicher
Brand
das
Theater
bis auf
herstellung leitete nun L. v. Klenze unter Beibehaltung
die
Die
Wieder-
der v o r h a n d e n e n
Mauern.
Mauern
im wesentlichen nach dem alten Plane. Am 2. Januar 1825 fand die feierliche Wiedere r ö f f n u n g statt.
Das Gebäude, wie es jetzt steht, ist also in der Gesamtanlage und
der Außenarchitektur Fischers Werk
mit der imposanten Säulenvorhalle am M a x - J o s e p h s p l a t z als
a n z u s e h e n 9 ) , w ä h r e n d die dekorative Ausstattung des Innern
natur-
g e m ä ß fast ganz Klenze zuzuweisen ist. — Unter den nicht zur Verwirklichung gelangten Projekten Fischers interessieren b e s o n d e r s Entwürfe z u m Tor des Botanischen Gartens, zu einer völligen Umgestaltung des Karlstores (beide in m e h r e r e n Varianten),
28
Richard Streiter.
zur Glyptothek und zur Walhalla, die letzteren entweder auf direkte Bestellung des Kronprinzen Ludwig oder gelegentlich
des Preisausschreibens entstanden, das die
Akademie der bildenden Künste auf Veranlassung des Kronprinzen im Februar 1814 hatte ergehen lassen. Der Glyptothekentwurf, eine sehr tüchtige Leistung in römischem Klassizismus,
zeigt an der Vorderfront einen korinthischen
schlossenen, ruhigen Wandflächen, sehr ähnlich bauten Kunstausstellungsgebäude.
Portikus
zwischen
ge-
dem später durch F. Ziebland er-
Die Walhalla ist als griechisch-dorischer Perip-
teraltempel geplant, wie es der Kronprinz schon 1811 ausdrücklich wünschte. 1 0 )
Die
Ausführung der beiden großen Aufgaben fiel bekanntlich Leo v. Klenze zu, der auf Betreiben des Kronprinzen Ludwig 1815 nach München berufen worden war und der nun mit der vollen Gunst des Kronprinzen fast alle vom Hofe ausgehenden Aufträge an sich zog. (1816 wurde die Glyptothek, 1817 das Leuchtenberg-Palais, 1818 die Hofreitschule und das Hofgartentor an der Ludwigstraße nach Klenzes Plänen begonnen.) Ein früher Tod — am 11. Februar 1820 — bewahrte Fischer vor der bitteren Erfahrung,
sich
mehr und mehr von dem gewandteren Nebenbuhler in den Schatten gestellt zu sehen. Es ist bezeichnend für die im damaligen Bayern verfolgten Ideen von Aufklärung und Volksbildung, daß gleichzeitig mit dem Hoftheater ein zweites Theater in München erbaut wurde, das Volkstheater vor dem Isartor (eröffnet am 10. Oktober 1812).
Das mit bescheidenen
Mitteln und wenig Kunst nach dem Plane des Kgl.
Baudirektors E. d ' H e r i g o y e n Bestimmung.
errichtete Gebäude 1 1 )
diente nur kurze Zeit seiner
1826 wurde das Theater geschlossen und später als städtisches Leih-
haus in Verwendung
genommen.
E. d'Herigoyen
erbaute noch das Tor des 1812
angelegten Botanischen Gartens und die Gewächshäuser, weichen
mußten.
Von
sonstigen
baulichen
die 1854 dem Glaspalaste
Unternehmungen
König Maximilians I. verdienen noch erwähnt zu werden:
der
Regierungszeit
die Erweiterung des (seit
1577 bestehenden) Friedhofes vor dem Sendlingertor zum Hauptfriedhof,
nachdem
1789 die Aufhebung der im Innern der Stadt (bei der Frauen-, Peters-, Salvatorund Kreuzkirche) gelegenen Kirchhöfe angeordnet worden war. gab
dem
Plane
„sinnigerweise"
die Form eines Sarges
und
Baurat J. M. V o r h e r r baute
an
gerundeten Kopfende die mageren Arkaden und die Leichenhäuser (1818).
dem
ab-
Den be-
ginnenden Militarismus des X I X . Jahrhunderts kündigten zwei weitere Kasernenbauten a n : die Kürassierkaserne an der Zweibrückenstraße (1812 beg.) und die Infanteriekaserne an der Türkenstraße
(1824 beg.), beide im ödesten „Kasernenstil"
den Militär-Oberbaumeister Franz v. T h u m Oberbaurat P e r t s c h
errichtet.
durch
Die (1820—1826) durch den
erbaute Fronfeste am Anger gehört, nach v. Rebers treffender
Münchener Architektur um 1806 und 1906.
29
Bemerkung 1 2 ), „zu den glücklichen S c h ö p f u n g e n , in welchen der schwere Stil j e n e r Zeit zur B e s t i m m u n g des G e b ä u d e s vollkommen p a ß t ; auch ist daran die Kenntnis Piranesis wie der Fortifikationsbauten Sanmicheiis u n v e r k e n n b a r " .
Viel weniger g e -
lang demselben Architekten sein zweites g r ö ß e r e s Werk, die protestantische Kirche an der S o n n e n s t r a ß e (1827—1833 erb.), deren ungeschlachte, trockene äußere Ers c h e i n u n g z u m Teil bedingt wird durch die Vortäuschung g r o ß e r glatter Q u a d e r flächen in Verputz.
Wie Pertsch und der Kgl. Baurat J. N. H i m b s e l ,
der das
B a z a r g e b ä u d e am Hofgarten (1822—1828) u n d mehrere Schulhäuser (an der Luisen-, Maffei- und Von der T a n n - S t r a ß e ) mit ziemlich einförmiger, r u n d b o g i g e r U m r a h m u n g der Fenster- und T ü r ö f f n u n g e n ausführte, reicht auch Jean M e t i v i e r (geb. 1781 in Rennes, gest. 1853 in München) mit seiner Tätigkeit in die Regierungszeit Ludwigs I. hinüber.
Dieser in Paris ausgebildete Architekt kam 1811 nach München u n d er-
freute sich als F r a n z o s e der besonderen Gunst des Ministers v. Montgelas, für den er ein Palais am Karolinenplatz ausführte (1873 im Äußern ganz verändert). a n d e r e Adelshäuser
folgten.
Westenriederstraße besteht
Einige
Die von ihm (1824—1826) erbaute S y n a g o g e an der nicht mehr.
Erhalten blieb das ehemalige Bayersdorf-
Palais an der Briennerstraße (jetzt im Besitz des Grafen Almeida) als guter Z e u g e für die elegantere Art des Künstlers, der in der Innendekoration Klenze an Feinheit übertraf. *
*
*
Mit der G r u n d s t e i n l e g u n g zur Glyptothek (1816) beginnt künstlerisch die Ära Ludwigs I., deren außerordentliche B e d e u t u n g für die bauliche Entwicklung NeuMünchens allgemein bekannt ist.
Die g r o ß e Zahl monumentaler Bauwerke, die der
kunstbegeisterte König durch seine beiden Lieblingsarchitekten Leo v. K l e n z e
und
Friedrich v. G ä r t n e r , dann durch Gg. Friedrich Z i e b l a n d und Joseph O h l m ü l l e r erstehen ließ, bietet bereits ein getreues Spiegelbild jener m e r k w ü r d i g e n W a n d l u n g , wonach die Architektur des XIX. J a h r h u n d e r t s grundsätzlich von der f r ü h e r e r Epochen sich u n t e r s c h e i d e t : an Stelle eines einheitlichen Zeitstiles trat die gleichzeitige Wiederv e r w e n d u n g des F o r m e n s c h a t z e s verschiedener Zeiten und Völker der Vergangenheit. Innerhalb weniger Jahrzehnte hatte sich dieser Zustand herausgebildet, der schon in den vierziger Jahren von deutschen Architekten viel beklagt wurde. Den B e s t r e b u n g e n , die neue Sachlage zu ändern, die Wiedererlangung eines „einheitlichen, zeitgemäßen Baustiles" herbeizuführen, wandte König Maximilian II. sein b e s o n d e r e s Interesse zu Die B e b a u u n g der von ihm (1852) geschaffenen, nach ihm benannten Straße
blieb
der im größten Maßstabe u n t e r n o m m e n e , beachtenswerteste Versuch, der in
dieser
30
Richard Streiter.
Richtung in Deutschland angestellt wurde. Daß dieser Versuch, dem Fr. B ü r k l e i n , E. R i e d e l u. a. ihre allerdings nicht sehr starken künstlerischen Kräfte widmeten, so wenig gelungen ist, hat seine Ursache nicht so ganz in der z u g r u n d e liegenden Idee, als vielmehr darin, daß die Idee mit e i n e m Schlage, in künstlicher Z ü c h t u n g verwirklicht werden sollte.
Und
wohl auch in der damals allgemein in Deutschland
h e r r s c h e n d e n Unsicherheit des künstlerischen Geschmackes, die namentlich Kunstg e w e r b e und Kunstindustrie in den fünfziger u n d sechziger Jahren die letzten Reste der noch in der „Biedermeierzeit" festgehaltenen, guten Tradition verlieren ließ.
Bald
wurden die Stilexperimente als aussichtslos wieder a u f g e g e b e n ; man fügte sich in die Vielsprachigkeit
der
neueren Baukunst als in eine durch den
Geist der Zeit tiefbegründete Notwendigkeit.
geschichtlichen
Nach d e m Vorgange S e m p e r s knüpfte
G. v. N e u r e u t h e r , der f ü h r e n d e Münchener Architekt unter König Ludwig II., an die italienische Renaissance wieder an, nicht mit der schweren, das Einfach-Massige b e v o r z u g e n d e n Auffassung vom Anfang des Jahrhunderts, s o n d e r n nach den Vorbildern der reich u n d fein gegliederten, festlich-heiteren Werke der Hochblüte.
In
der Profanarchitektur und im K u n s t g e w e r b e folgte rasch der Ü b e r g a n g zur deutschen Renaissance und z u m B a r o c k ; für Kirchen kamen fast ausschließlich die mittelalterlichen
Stile, zunächst
die
Gotik
oder der
Rundbogenstil
in byzantinischer
und
italienischer F ä r b u n g , später auch der nordisch-romanische Stil, zur A n w e n d u n g . Bei dieser Pflege der historischen Stile führte die außerordentliche Mehrung und
Verbreitung
kunstgeschichtlicher
Kenntnisse,
die
durch
die
Photographie
g e w o n n e n e u n a b s e h b a r e Menge objektiv richtiger, die kleinsten Einzelheiten getreulich w i e d e r g e b e n d e r Abbildungen zu immer g r ö ß e r e r Vertiefung und Verfeinerung, zu einer oft erstaunlich vollkommenen B e h e r r s c h u n g der verschiedenen
künstlerischen
Ausdrucksweisen der Vergangenheit unter Belauschung u n d Wiederverwertung intimster Züge.
In dieser Hinsicht g e r a d e nimmt das,
was Münchener Architekten
letzten Jahrzehnten geschaffen, unter den Leistungen Gegenwart eine h e r v o r r a g e n d e Stelle ein.
in den
der deutschen Baukunst
der
Die St. Annakirche von Gabriel v. S e i d l ,
die St. Bennokirche von Leonhard R o m e i s , die St. Maximilianskirche von Heinrich v. S c h m i d t ,
die St. Paulskirche von G e o r g v. H a u b e r r i s s e r ,
kirche von August T h i e r s c h , kirche von Albert S c h m i d t ,
die S y n a g o g e u n d die protestantische die Friedhofbauten von H a n s G r a s s e l
von starkem, echtem S t i m m u n g s g e h a l t gerechter Durchbildung.
die St. Ursula-
u n d sehr
gediegener,
St. Lukassind Werke
reizvoller,
material-
Aber nicht nur an Kultbauten, bei denen der enge Anschluß
an die S c h ö p f u n g e n einer glaubenskräftigen Vergangenheit nach der Natur der Aufgabe
31
Münchener Architektur um 1806 und 1906.
am nächsten liegt, auch bei der L ö s u n g neuzeitlicher, zum Teil sehr umfangreicher und verwickelter B a u p r o g r a m m e bewährte sich ein im hingebenden u n s e r e r Väter Werken gereiftes b e d e u t e n d e s
Können.
So
beim
Studium
von
Justizpalast
von
Friedrich v. T h i e r s c h mit der i m p o s a n t e n , p r ä c h t i g e n , von m o d e r n e r Eisen-GlasKuppel überdeckten Mittelhalle und feinen, phantasievollen dekorativen Einzelheiten; so beim Nationalmuseum der R a u m a n o r d n u n g
von Gabr. v. Seidl mit der unübertrefflichen A n p a s s u n g
und -ausstattung an
die aufgestellten K u n s t w e r k e ;
so beim
Künstlerhaus desselben Architekten mit den g l ä n z e n d e n , im v o r n e h m s t e n altmeisterlichen Geschmack ausgeschmückten F e s t r ä u m e n ; so beim Müllerschen Volksbad von Karl H o c h e d e r i n seiner gleich vorzüglichen praktisch-technischen wie künstlerischen A u s f ü h r u n g ; so bei dem
neuen, für den heutigen Geschmack
etwas
überladenen
gotischen Rathaus von G. v. H a u b e r r i s s e r ; so noch bei einer g r o ß e n Zahl von öffentlichen und privaten Bauten, an deren z u m Teil sehr aufwändiger D u r c h b i l d u n g der durch
den
allgemeinen
wirtschaftlichen
Aufschwung
im
geeinigten
Deutschland
g e h o b e n e Volkswohlstand sich bekundet. Es ist nicht möglich, auf das äußerst reiche und bunte architektonische Bild des heutigen gehen.
zur Halbmillionenstadt
angewachsenen
München
hier näher einzu-
Nur auf einige charakteristische G r u n d z ü g e sei in Kürze hingewiesen.
für den Erweiterungsplan ausdehnenden,
die
der
namentlich
ehemaligen
Dörfer
seit den siebziger Jahren Au,
Giesing,
Haidhausen,
Um
mächtig sich Bogenhausen,
Schwabing, Neuhausen, Sendling in sich a u f n e h m e n d e n Stadt fruchtbare, weitblickende A n r e g u n g e n zu erlangen, lud der Magistrat
zu A n f a n g der neunziger Jahre
deutsche Architektenschaft zu einem Wettbewerb ein.
die
Der an die Spitze des Stadt-
e r w e i t e r u n g s b u r e a u s berufene T h e o d o r F i s c h e r suchte s o d a n n den neuen, eigentlich alten, d. h. von alten, reizvollen Städtebildern abgeleiteten Ideen, wie sie b e s o n d e r s ü b e r z e u g e n d u n d eindringlich von Camillo Sitte (Wien) auch in München Eingang zu verschaffen. hunderts
üblichen schematisierenden,
verfochten w o r d e n
sind,
An Stelle der seit dem A n f a n g des Jahr-
an regelmäßigen geometrischen Figuren auf
dem Papier sich e r f r e u e n d e n Planungsweise trat nun die Forderung, unter möglichster Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse (der Boden-, Besitz- und
Verkehrsver-
hältnisse) auf die Erzielung von malerisch wirkenden Straßendurchsichten und Platzbildern Bedacht zu n e h m e n .
Diesen Bestrebungen kamen a n d e r e e n t g e g e n , die bei
Gestaltung der einzelnen Bauten und B a u g r u p p e n
das malerische Element
stärker
betonten, als es die klassizistische und italienisierende Richtung in der ersten Hälfte des J a h r h u n d e r t s getan hatte.
Die Steigerung des Nationalgefühls nach dem g r o ß e n
32
Richard Streiter.
Kriege u n d der G r ü n d u n g des Reiches hatte nicht wenig dazu b e i g e t r a g e n , eine Vorliebe für die deutsche Renaissance, überhaupt für die alten heimischen Bauweisen zu erwecken. und
Von den A u s w ü c h s e n der Deutschrenaissance-Begeisterung,
spielerisch-dekorativer
Überladung,
blieb München
ziemlich
Unruhe
verschont.
Hier
lenkte ein Meister mit b e s o n d e r s stark a u s g e p r ä g t e m Heimatsinn, Gabr. v. Seidl, die bürgerliche Baukunst z u m Anschluß an den s ü d d e u t s c h e n Barockstil hin, in d e m der ortsübliche
Putzbau
einst
eine
vollkommen materialgerechte Ausbildung erfahren
hatte, und dessen einfachere, behäbig-gemütliche Werke dem Charakter von und Leuten so wohl entsprechen.
Land
Ohne sich stilistisch einengen zu lassen und auf
persönliche Handschrift zu verzichten, folgten auf dieser mit Glück betretenen Bahn nach dem Ziele einer b o d e n s t ä n d i g e n , den örtlichen B e d i n g u n g e n sich a n s c h m i e g e n den Bauweise bald andere Architekten:
Emanuel S e i d l , K. H o c h e d e r , H. Grässel,
Th. Fischer, die letzteren drei namentlich an einer stattlichen Reihe von städtischen Bauten den Beweis liefernd, daß auch Nutzbauten, wie Schulhäuser, Krankenhäuser, Armenversorgungsanstalten,
Feuerhäuser,
Verwaltungs-
und
Dienstgebäude
stratischer B e h ö r d e n und Betriebswerke, die man früher in einer gewissen
magibureau-
kratisch-schablonenhaften Nüchternheit zu sehen gewohnt war, ohne erheblich g r ö ß e r e n Kostenaufwand abwechslungsreich u n d künstlerisch fesselnd gestaltet w e r d e n können. Die auch in praktischer
und
hygienischer
Hinsicht
mustergültigen,
durch
starke
örtliche Eigenart sich auszeichnenden neuen Münchener Gemeindebauten haben allenthalben die g e b ü h r e n d e A n e r k e n n u n g g e f u n d e n und sind für a n d e r e Städte vorbildlich g e w o r d e n .
bereits
Das Beispiel der f ü h r e n d e n Meister hat auch die private Bau-
tätigkeit heilsam beeinflußt, indem es vielfach zur
Abkehr von j e n e m
unsoliden,
protzig-aufgebauschten Wesen anregte, das eine Zeitlang an den Massenerzeugnissen einer hastig arbeitenden Bauspekulation sich
breit
modernen,
machte.
An
in den allzu rasch a n w a c h s e n d e n
Geschäftshäusern
hat
München
rücksichtslos konsequenten T y p e n aufzuweisen
noch wie
nicht
Städten
jene
etwa Berlin.
ist dies kaum zu b e k l a g e n ; vielmehr darf man es freudig begrüßen,
daß
ganz Es
tüchtige
Baumeister geschickte, alle neuzeitlichen A n f o r d e r u n g e n wohl erfüllende L ö s u n g e n g e f u n d e n haben, die in den schönen Straßenbildern
der Altstadt nicht als schroffe
Gegensätze zum Bestehenden die S t i m m u n g zerreißen.
D e m genius loci haben auch
jene Künstler noch Rechnung getragen, die unter Verzicht auf archäologische Strenge in der V e r w e n d u n g ü b e r k o m m e n e r Formen zu freierer, selbständigerer Gestaltungsweise fortzuschreiten sich bemühten, so Th. Fischer (prot. Erlöserkirche, Schulhäuser, Isarbrücken), Martin D ü 1 f e r (Kaimsaal, Privathäuser), Fr. v. Thiersch (Neue Börse,
33
M ü n c h e n e r A r c h i t e k t u r um 1806 und 1906.
Isarbrücken).
Neues tritt auf dem Gebiete des Theaterbaues hervor:
Das
Prinz-
regententheater von Max L i t t m a n n hat mit seiner dem Bayreuther Wagner-Theater nachgebildeten, amphitheatralischen Anlage des Zuschauerraumes den herkömmlichen Typus
verlassen, während das kleine
Münchener Schauspielhaus in seiner inneren
Ausstattung von Richard R i e m e r s c h m i d
als ein ziemlich gut gelungener Versuch
j e n e r radikalen Modernitätsbestrebungen beachtenswert ist, die jede Anleihe aus dem Formenschatz
der
älteren Kunst
ängstlich
vermeiden.
Eine
wichtige
Führerrolle
spielten und spielen noch andere Münchener Künstler in der hochbedeutsamen fortschrittlichen Bewegung, die seit einem Jahrzehnt im deutschen Kunstgewerbe, in der Wohnungskunst, den dekorativen Künsten und der Kunstindustrie sich hat.
durchgesetzt
Anfänglich stark von englischen Einflüssen abhängig und von allerlei absonder-
lichen Gärungserscheinungen
begleitet, hat diese Strömung
zur herrschenden ausgebreitet.
Gereifte,
selbständige Leistungen ihrer tüchtigsten
Vertreter haben auf den letzten Weltausstellungen landes mit hohen Ehren bestanden.
sich rasch geklärt und
auch vor den Augen
des
Hauptanteil zuzusprechen, zumal wenn man bedenkt, daß die Meister,
die seit den
siebziger Jahren dem deutschen Kunstgewerbe durch die Schule der Alten gediegenes Können, Geschmack,
Aus-
An diesen Erfolgen ist München unstreitig der
Stil gegeben
haben,
den
„Jungen" in
wieder
ähnlicher
Weise den Boden bereiteten, wie William Morris und die andern gefeierten Häupter der „modernen Renaissance" in England. Alles in allem bietet die jüngste bauliche erfreuliches Bild.
Entwicklung Münchens
ein sehr
Gewaltig ist der Abstand des gegenwärtigen Schaffens und Wollens
von dem vor 100 Jahren.
Nicht nur die Fülle und Mannigfaltigkeit
der in
kurzer
Zeit entstandenen architektonischen Gebilde, auch die Größe und Schwierigkeit zelner Aufgaben, die aufgewendeten technischen, künstlerischen wenigsten 1 — finanziellen Mittel sind bedeutend gesteigert. die großartigen wissenschaftlichen,
technischen
ein-
und — nicht zum
Es spiegeln sich darin
und sozialen Fortschritte und
Um-
wälzungen, die erstaunliche Entfaltung von Industrie und Handel, die das vergangene Jahrhundert
zu einem so merkwürdigen
gemacht haben.
Allein
die riesige,
von
leichten Eisenkonstruktionen überspannte Einfahrtshalle des Hauptbahnhofes — welche Gedankenreihen vermag sie auszulösen, welche Ausblicke zu eröffnen auf eine völlig neue, von unseren Urgroßvätern noch nicht geahnte Weltl Noch ringt die Architektur, um für die neuen technischen und sozialen Probleme den entsprechenden künstlerischen Ausdruck zu finden; noch gehen die Meinungen weit auseinander über die Frage, ob ein ruhiges Weiterarbeiten innerhalb der bewährten, zum Teil noch ausdehnungs3
34
R i c h a r d Streiter.
fähigen
Formenkreise
der Oberlieferung oder ein b e w u ß t e s
wagemutiges
Streben
nach m o d e r n e r Eigenart w ü n s c h e n s w e r t e r sei. Eines aber ist zur Gewißheit g e w o r d e n : daß ein guter Teil von dem, was der Klassizismus v e r g a ß oder als vermeintlich ü b e r w u n d e n beiseite schob u n d bekämpfte, zu frischem, kräftigem Leben wieder erwacht ist; daß die antikisierende
und
italienisierende
Richtung,
s c h ö p f u n g e n sie hervorgebracht hat, nicht geeignet u n d
so vorzügliche
Einzel-
berechtigt war, den
nach
klimatischen, landschaftlichen und volkspsychologischen B e d i n g u n g e n in Jahrhunderten herausgebildeten Charakter unserer deutschen Städte dauernd zu verändern. Nicht viele Städte können g e g e n w ä r t i g einer bürgerlichen Baukunst mit so starkem Lokalton, so glücklicher V e r k n ü p f u n g des Neuen mit dem Alten sich r ü h m e n wie München.
In Bayern hat nur N ü r n b e r g Ähnliches aufzuweisen, wo nach
dem
Vorgang von Konradin W a l t h e r eine j ü n g e r e Architektengruppe die d e m einzigartigen Stadtbild das b e s o n d e r e G e p r ä g e verleihenden Bauten aus der Zeit des E i n d r i n g e n s der Renaissance z u m Vorbild g e n o m m e n
hat.
Die unentwegt
modern
Gesinnten,
nach deren Ansicht sich das Zeitalter der Maschine auch in einem neuen aussprechen sollte, werden
hier über „rückständige
Baustil
Altertümelei" klagen.
d r u m I Die weitaus größte Mehrzahl der jetzt Lebenden und wohl noch
Sei
es
mehrerer
künftiger Generationen wird die möglichst lange Erhaltung der eigenartigen Schönheit
unserer
alten
Städte
einer
raschen,
rücksichtslosen Umgestaltung in
einem
zweifelhaften „Maschinenstil" entschieden vorziehen. So wird man für unsere b ü r g e r liche Architektur, deren künstlerischer Durchschnittswert im XIX. Jahrhundert unter der Einwirkung nivellierender, verflachender und u n g e s u n d prahlerischer T e n d e n z e n sehr g e s u n k e n ist, das Beispiel von München und
Nürnberg
Stadt und Land zur Nacheiferung empfehlen dürfen.
Bei Wiederaufnahme charakter-
auch anderwärts
in
voller heimischer Bauweisen der Vergangenheit wird durch die neuzeitlichen Aufgaben und technischen Hilfsmittel wie durch den Wandel des G e s c h m a c k e s in Kunstg e w e r b e u n d Dekoration auch der mit Recht begehrte m o d e r n e Z u g und versöhnlich sich einstellen.
ungezwungen
Münchener Architektur um 1806 und 1906.
35
Anmerkungen. ') Lor. Hübners kurzgefaßte Beschreibung der kurpfalzbayerischen Haupt- und Residenzstadt München.
München 1805. — Auch in Mannheim wurde 1789 ein Militärgarten angelegt.
In diesem soll nach einer Berechnung des Hofgärtners Sckell im Jahre 1790 Gemüse im Werte von 10000 Gulden erzeugt worden sein. Gärten versprach, siehe die Schrift:
Über die sonstigen Vorteile, die man sich von diesen
Vollständiger Bericht und Abrechnung über den Erfolg der
neu eingeführten Einrichtungen bey dem churpfalzbaierischen Militär. Von dem Generallieutenant Reichsgrafen von Rumford. 8
Verfaßt München den 1. Juny 1792.
) Als Speisesaal für den Hof gelegentlich eines im Mai 1791 bei Schwabing abgehaltenen
militärischen Übungslagers errichtet. 8
) Vgl.
Sckells W e r k :
künstler und Gartenliebhaber. 4
Beiträge
zur
bildenden Gartenkunst
) Allgemeine deutsche Biographie. — F. J. Lipowsky,
*) G. K. Nagler,
für angehende
Garten-
München 1819.
Acht T a g e in München.
Bayerisches
Künstler-Lexikon.
Wegweiser für Fremde und Einheimische.
München 1863. •) Seinerzeit berühmt war die hier nach Angaben des Medizinalrates Dr. F. X . Haeberl eingerichtete Heizungs- und Ventilationsanlage. (L. Hübner a. a. O., S. 167 ff.) ') F. v. Reber,
Die Korrespondenz zwischen dem Kronprinzen Ludwig von Bayern und
dem Galeriebeamten G. Dillis. (Sitzungsberichte der philos.-philolog. und der historischen Klasse der Kgl. Bayer. Akademie der Wissenschaften 1904 Heft III.) 8
S. 425—426.
) Eos 1820, Kunst- und Literaturblatt, S . 4 3 ff.: Fischers Künstlerleben und das große
Theater in München . . . .
„Lange hatte man nämlich in München das Bedürfniß eines neuern
größern Schauspiel- und Opernhauses neben dem einzig bestandenen Hoftheater gefühlt. Verschaffelt hatte sich daher mit eben diesem Gegenstande
beschäftigt
Von
und ein Modell ver-
fertigen lassen, das von allen Kennern einer großen und schönen Bauart mit Recht
gepriesen
ward, allein die Kosten eines solchen Baues schienen unter Karl Theodors Regierung so abschreckend, daß an die Ausführung nicht zu denken war." — Auch Andreas Gärtner einen Plan für ein neues Theater in München aus. 8
arbeitete
(Siehe oben!)
) An der Seite gegen die (damals nicht bestehende) Maximilianstraße war ursprünglich
ein großer Ausbau mit Sälen für Konzerte, Redouten usw. geplant, der nicht zur Ausführung kam. — Hoftheaterpläne, nach den Originalen Fischers von Ziebiand gezeichnet, in der MaillingerSammlung des Stadtmuseums. ,0
) v. Reber, a. a. O., S. 428.
" ) Pläne in der Maillinger-Sammlung. la
) Bautechnischer Führer durch München. Festschrift zur zweiten Generalversammlung
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieurvereine.
München 1876.
3*
¡ggsese
Graph Kunst. At&t, i' Hubert Kahler München
E n t w u r f z u r S c h l o s s k a p e l l e in Koblenz von A n d r e a s G ä r t n e r .
Festschrift d K. Techn Hochschule München,1806-190S.
Entwurf zum U
v
h Ki;nst Ans
st v. Hubert
KöhUr,München
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Mar» M>>/¿iAi*~'f '-
Festschrift d.K. Techn.Hochschule München,1806-1906.
Graph. Ku /ist. Anst. v. Hube
W.Lynen,
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:t. v Hubert Kökler, München.
Eisenbahnen nach Baader.
Taf.XU.
4.
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Festschrift d K. Techn.Nochschule München ,l806-19fìc
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Graph Kunst Ans
rf. i>. Hubert Höhlet, Milnihen
\\: Lyn en, Eisenbahnen nach Baader. Ta f. XVIII.
Festschrift d.K.Techn.Hochschule München, 1806-1906.
W. Lljnen, Eisenbahnen nach Baader. Taf. XIX
W. Llfnen, Eisenbahnen nach Baader.
Taf.XX.
Festschrift d K. Techn Hochschule München,1806-1906.
W.lAjnen.
Eisenbahnen nach Baader. Ta f . XXI.
•••»I^^mmmt^mMHMmmmmtmmmm^mm»MMMw^mimtmmmmmmmmmtimimmmmmiimmiiiÊÊmimiiimammmmjmÊ^mmm^^
ist• v. Hubert Köhler. Mnnchet;
Dampfzyündcr einer pfalzisehen Sclinellzuglokomotive (1905).
Die neuen Schnellzuglokomotiven
der
Pfälzischen Eisenbahnen. Von W i l h e l m
Lynen.
D e r bayerische Maschinenbau hat von jeher damit zu kämpfen gehabt, daß der Bezug von Rohstoffen, vor allem von Kohle und Eisen, für ihn viel kostspieliger und umständlicher war als für seine Wettbewerber, welche in den durch ihre Mineralschätze bevorzugten Gegenden unseres deutschen Vaterlandes, insbesondere in Rheinland und Westfalen und in Schlesien gelegen sind. Es ist daher ein richtiges Bestreben gewesen, daß der bayerische Maschinenbau stets entweder Arbeiten bevorzugt hat, welche eine besonders sorgfältige Ausführung hinsichtlich der Baustoffe und der Werkstättenarbeit verlangen, oder daß er seine Maschinen in solcher Ausführung baute,
daß sie sich
durch genaue Werk-
stättenarbeit, besonders guten Gang auszeichneten — kurz gesagt, daß er durch die Güte der Arbeit wettbewerbsfähig bleiben wollte. So haben die Betriebsdampfmaschinen der Augsburger Maschinenfabrik in der Textilindustrie des Rheinlands überall festen Fuß gefaßt. Die Gasmaschinen der 10
146
Wilhelm
Lynen.
N ü r n b e r g e r Maschinenfabrik haben sich in Lothringen
und in Westfalen, trotz
Wettbewerbs benachbarter Maschinenfabriken, eingenistet.
des
So hat auch ferner
der
Lokomotivbau in Bayern von jeher eine g r o ß e B e d e u t u n g erlangt und eine f ü h r e n d e Rolle gespielt. Bei dem Wettbewerb um Entwürfe für die
Lokomotiven
Bahn hat die Lokomotivfabrik J. A. Maffei in München Preis mit ihrer Lokomotive Bavaria e r r u n g e n .
im Jahre
der
Semmering-
1854 den
ersten
Bei Gelegenheit der Pariser Welt-
ausstellung im Jahre 1867 hat die damals kaum g e g r ü n d e t e Lokomotivfabrik Krauß & Co. mit ihrer Lokomotive Nr. 1 die große goldene Medaille erstritten und seitdem ihren Ruf hoch gehalten, so daß sie im Oktober 1905 ihre fünftausendste Lokomotive abgeliefert hat. Namentlich durch die Einführung des Krauß-Helmholtzschen Drehgestells, das in m e h r als 1500 A u s f ü h r u n g e n in fast allen Erdteilen benützt wird, hat sich die Fabrik g r o ß e Verdienste um die Steigerung der Sicherheit und der Leistungsfähigkeit der Lokomotiven erworben. Z u r K e n n z e i c h n u n g des heutigen Standes des bayerischen
Lokomotivbaues
m ö g e die Aufmerksamkeit auf die Schnellzuglokomotiven der Pfälzischen Eisenbahnen gelenkt werden, welche nicht allein in ihrer D u r c h b i l d u n g den A n f o r d e r u n g e n neuesten Zeit entsprechen, sondern sich zurzeit dadurch
auszeichnen,
der
daß sie die
stärksten Lokomotiven sind, welche im europäischen Schnellzugdienst verkehren. Bisher hatte die Lokomotivfabrik J. A. Maffei mit ihren auf den Strecken der badischen Eisenbahnen laufenden Schnellzuglokomotiven bereits diese f ü h r e n d e Rolle gespielt; mit ihren j ü n g s t an die Pfälzischen Eisenbahnen gelieferten
Lokomotiven
hat sie sich selbst überboten. Die den Rhein entlang ziehenden Eisenbahnlinien haben eine g r o ß e B e d e u t u n g für den wichtigen Verkehr von Norddeutschland, England, Holland und Belgien nach der Schweiz und Italien.
Sie haben von jeher g r o ß e Anstrengungen g e m a c h t
hin-
sichtlich der Schnelligkeit und Bequemlichkeit der B e f ö r d e r u n g der Fahrgäste,
um
den starken Strom der Reisenden, der in dieser Richtung fließt, in ihre Linien
zu
leiten und darin zu erhalten. Die Pfalz bedeutet für diesen Verkehr eine b e d e u t e n d e aber auch hindernisreiche
Abkürzung.
Das
gebirgige,
schluchtenreiche
Land
läßt
sich
nur
unter
Z u l a s s u n g g r o ß e r Steigungen und starker K r ü m m u n g e n in den Bahnlinien d u r c h q u e r e n . Die fortwährenden Steigerungen des Zuggewichtes und der F a h r g e s c h w i n d i g keiten machte die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs mit den günstiger
liegenden
rechtsrheinischen
besonders
Eisenbahnlinien
schwieriger
und
verlangte den
Bau
147
Schnellzugslokomotiven der Pfalzbahnen.
leistungsfähiger Lokomotiven, welche vor allem das Einlegen von Vorspannlokomotiven zur Zeit des starken Reiseverkehrs unnötig machten. Die neuen
Lokomotiven,
welche
Dienst der Pfälzischen Eisenbahnen
seit
stehen,
etwa
einem
zeichnen
Jahr
in
angestrengtem
sich durch eine große
Zahl
von Eigentümlichkeiten aus, so daß es sich verlohnt, sie näher zu beschreiben und die Ergebnisse von Versuchen,
die im Herbst des Jahres
1905 angestellt
worden
sind, zu besprechen. Äußerlich ist die in Fig. 1 dargestellte Lokomotive dadurch daß der Kessel hoch liegt.
gekennzeichnet,
Dies bringt einen ruhigeren Gang mit sich, ohne
die Standfestigkeit der Lokomotive ungenügend wird. keit zur Maschine gefördert.
Auch
daß
wird die Zugänglich-
Die Dampfmaschine ist als Vierzylinder-Verbundmaschine
mit Rundschiebern an allen vier Zylindern ausgeführt und wird durch
eine
eigen-
artige Heusinger-Steuerung gesteuert. Der Rahmen ist als Barrenrahmen aus Schmiedeeisen mit allseitig bearbeiteten Flächen gebaut. Die Rauchkammertür und das Führerhaus schneidenartigen
Gebilden
sind nach vorn zu kegel- bzw.
ausgestaltet worden, damit
das Durchdringen
der Luft
bei den hohen Betriebsgeschwindigkeiten von 90 bis 100 km in der Stunde leichter erfolgt.
Der Luftwiderstand hat bei großen Geschwindigkeiten weitaus den größten
Anteil am Gesamtwiderstand der fahrenden Lokomotive, und seine Verminderung ist von besonderer Wichtigkeit. Die Lokomotive ruht auf fünf Achsen bzw. zehn Rädern, damit das Gewicht von 74,3 Tonnen
ohne
Überschreitung
höchsten Raddrucks aufgenommen wird. besonderen Drehgestell untergebracht. der Dampfmaschine abgeleitet. achse, an welcher die — maschine angreifen.
des
gesetzlich
vorgeschriebenen
Die beiden ersten Achsen
sind in einem
Auf das nächste Achsenpaar wird die Kraft
Die erste der beiden großen Achsen
im Bilde schrägstehenden
Die zweite
große
Achse
ist
die
—
ist die Treib-
Flügelstangen
Kuppelachse,
welche
der zur
DampfUnter-
stützung der Treibachse dient und mit ihr durch die wagerechte Kuppelstange verbunden ist.
Diese beiden Achsen liegen vor der Feuerkiste der Lokomotive, so daß
die Feuerkiste breit, über die Räder seitlich hinausragend, gebaut und auf den Rahmen aufgestützt werden kann. Durch diese Bauart der Feuerkiste kann der Rost kurz gehalten und dadurch der
Dienst
des
Heizers erleichtert
Kessels erreicht werden.
werden,
auch kann eine
gute Lagerung
des
Hinter der Feuerkiste ist die fünfte Achse angeordnet, so 10*
148 daß
Wilhelm
die Lokomotive
Schwingungen
nur
wenig
über
der Lokomotive bei
Lynen.
die
hohen
Radbasis
hinausragt
Geschwindigkeiten
und
gefährliche
vermieden
werden.
Um starke K r ü m m u n g e n leicht durchfahren zu können, ist dieser Achse die Möglichkeit erteilt worden, sich um einige Zentimeter quer zur Lokomotive zu verschieben. Der wichtigste Teil der Lokomotive, der Behälter, schöpft, ist der Kessel.
aus dem
Es k o m m t darauf an, daß eine bestimmte
sie ihre Kraft Rostfläche aus-
geführt wird, so daß auf ihr die erforderliche Kohlenmenge verbrannt werden kann. Die Lokomotiven haben eine Rostfläche von 3,8 qm erhalten, wobei die Breite 2,06 m und die Länge 1,85 m ausmacht.
Dies sind die A b m e s s u n g e n einer kleinen Stube.
Auf der Fläche eines Q u a d r a t m e t e r s können infolge des Arbeitens mit künstlichem Luftzuge, der in der R a u c h k a m m e r eine L u f t v e r d ü n n u n g von 75—100 mm Wassersäule erzeugt, bis zu 500 kg Kohlen
in einer Stunde verbrannt werden.
Hieraus
kann man sich einen Begriff machen, welche Arbeit dem Heizer zufällt, wenn
die
Lokomotive mit voller Kraft die Reisenden ihrem Ziele zuführt. Der Rost bildet den Boden einer aus Kupferblech hergestellten Kammer, der sog. Feuerkiste.
Dieselbe hat eine Höhe von 1,80 m, g e m e s s e n von dem Rost bis
zu ihrer Decke.
Die kupferne
Feuerkiste ist allseitig von Wasser u m g e b e n .
steckt, wie eine Schachtel in einer anderen, in dem eisernen Feuerkistenmantel.
Sie Die
einander g e g e n ü b e r s t e h e n d e n Wände sind durch Stehbolzen g e g e n e i n a n d e r abgesteift, so daß der Druck des Wassers die Wände nicht ausbeulen kann.
Die Fuge zwischen
den beiden Kammern ist unten durch einen zwischengenieteten dicken Rahmen verschlossen.
Die Wandflächen
der
inneren Feuerkiste sind in vorzüglichster Weise
geeignet, die Wärme der über dem Rost lagernden glühenden Kohlen und der über denselben befindlichen, bis 1500° heißen Gase durch Leitung und Strahlung in sich a u f z u n e h m e n . Eine feuerberührte Fläche von 13,8 qm dem Eingang der W ä r m e darbietend, leiten sie etwa ein Drittel der durch V e r b r e n n u n g der Kohle entstehenden Wärme in das Wasser über.
Die Kessel haben eine breite und tiefe Feuerkiste. Mit
dieser Form sind sehr gute Erfahrungen gemacht worden an den von
der Firma
Krauß & Co. gelieferten Vorgeherinnen der besprochenen Lokomotiven.
Die Heiz-
gase werden aus der Feuerkiste h e r a u s g e f ü h r t , Vorderwand
derselben 285 glatte Siederohre
indem von dem oberen Teil
von 54 mm
lichter Weite
der
abgehen,
welche im Wasserraum des Langkessels liegen und in der Rauchkammer a u s m ü n d e n . Die Siederohre haben eine feuerberührte Heizfläche von 209,2 qm. Man kann rechnen, daß ein Lokomotivkessel
bei günstigen
Verhältnissen,
namentlich bei hoher Fahrgeschwindigkeit und d e m e n t s p r e c h e n d e r starker und gleich-
S c h n e l l z u g s l o k o m o t i v e n der P f a l z b a h n e n .
149
Wilhelm Lynen.
150
mäßiger Feueranfachung, 55 bis 60 kg Dampf auf den Q u a d r a t m e t e r Heizfläche in einer S t u n d e erzeugt, daß also die Lokomotive — bei einer Gesamtheizfläche von 223 qm — bei äußerster A n s t r e n g u n g stündlich bis zu 13000 kg Dampf erzeugen und ihren Wasservorrat von 20 cbm im T e n d e r in der Zeit von anderthalb Stunden verbrauchen könnte. Die Siederohre werden nicht auf ihre g a n z e Länge von 4,65 m zur Dampfbildung benützt, sondern auf eine Länge von 0,87 m sind sie in einen Pielockschen Überhitzer eingebettet. Dies ist ein allseitig geschlossener Kasten von Schmiedeeisen nach Fig. 2, durch dessen Stirnwände die Siederohre dicht hindurchgesteckt sind.
Der
im Kessel erzeugte Dampf wird vom D a m p f d o m aus durch diese Kammer hindurchgeleitet, die im Innern eine Anzahl passend aufgestellter Scheidewände enthält, durch welche der Dampf g e z w u n g e n wird, in Schlangenlinien quer über die innen von den Heizgasen durchflossenen und außen von dem Wasser entblößten Siederohre hinwegzugehen, ehe er in das Rohr gelangen kann, welches ihn den Lokomotivzylindern zuführt. Durch das Vorüberstreichen über die heißen Siederohre wird einmal die im Dampf
durch das Mitreißen von Wasserblasen beim Sieden enthaltene Feuchtigkeit
herausgetrocknet und a u ß e r d e m wird ihm noch eine gewisse W ä r m e mitgeteilt, ihn über den Sättigungszustand hinausbringt, ihn überhitzt, so daß er nicht beim Auftreffen auf kältere Metallwände schlägt.
des Dampfzylinders Feuchtigkeit
die
mehr nieder-
Durch die richtige Wahl der Einbausteile zwischen der Feuerkiste und der
R a u c h k a m m e r kann
ein bestimmter Grad der Uberhitzung erreicht werden.
erzielte D a m p f t e m p e r a t u r beträgt durchschnittlich
290 bis 300 Grad
Die
Celsius
vom
A n f a n g der Fahrt bis zum Schluß derselben. Der Pielock-Uberhitzer hat den Vorteil, daß keine besonderen Überhitzerrohre einzubauen sind.
die Lokomotive im S c h u p p e n steht, füllt man den
Ober-
hitzerkasten mit Wasser a u f , weil dadurch die Rohre im Innern desselben
Wenn
gegen
Abrosten geschützt werden.
Trotz dieser Vorsichtsmaßregel treten an den Loko-
motiven der Pfälzischen Eisenbahnen Anfressungen der Siederohre auf, soweit sie vom Dampf getroffen werden, deren Ursache noch nicht aufgeklärt ist. Die R a u c h k a m m e r ,
in welche die Siederohre
einmünden, hat eine
große
Länge, damit die Heizgase in derselben ihre Geschwindigkeit mäßigen und die mitgerissene Flugasche ablagern
können.
Auch kann sich eine beträchtliche
Asche darin ansammeln, ehe sie die unteren Reihen der Siederohre
Menge
abdeckt
und
damit unwirksam macht. Die R a u c h k a m m e r
enthält
die
Frischdampfleitungen
zu
den
Hochdruck-
zylindern und die Abdampfleitungen von den Niederdruckzylindern, welche in ein
S c h n e l l z u g s l o k o m o t i v e n der Pfalzbahnen.
B l a s r o h r a u s m ü n d e n , aus in
starken W i r b e l u n g e n
Heizgase
fortreißt
hinter sich e r z e u g t .
welchem austritt,
und
zum
der A b d a m p f
so daß er die
Schornstein
151
mit g r o ß e r G e s c h w i n d i g k e i t in
der R a u c h k a m m e r
hinaustreibt,
wodurch
er
befindlichen eine Luftleere
D i e s e Luftleere in der R a u c h k a m m e r ist die V e r a n l a s s u n g ,
frische Luft von außen
durch
den Rost
hindurchdringt
und,
durch
und
daß
die S i e d e r o h r e
z i e h e n d , die R a u c h k a m m e r wieder anfüllen will. D i e D a m p f m a s c h i n e ist als V e r b u n d m a s c h i n e ausgeführt.
Der
Arbeitsdampf
k o m m t nicht in einem e i n z i g e n Zylinder zur vollen A u s d e h n u n g , s o n d e r n in einem
Fig. 2.
kleinen Zylinder dehnt er sich bis zu einer g e w i s s e n Stufe aus, wird dann in diesem Zustand
aus diesem Zylinder entlassen
und in
einen
g r ö ß e r e n Zylinder
in w e l c h e m er s e i n e A u s d e h n u n g bis auf die Auspuffspannung Die zylinder
Arbeitsweise
ist umständlicher,
arbeiten ließe.
mit als
einem wenn
Hochdruckzylinder man
den D a m p f
und
eingefüllt,
vollendet. einem
in einem
Niederdruck-
einzigen
S i e hat aber den Vorteil, daß die T e m p e r a t u r s c h w a n k u n g e n
Metallwänden der beiden Zylinder
viel
geringer
bei j e d e m Spiel
der
Zylinder in
Kolben
den aus-
fallen, als wenn man den v o m Kessel k o m m e n d e n Dampf, der mit 15 A t m o s p h ä r e n
152
Wilhelm
Lynen.
— ohne Überhitzung mit 200° C — in den Arbeitszylinder eintritt,
in
demselben
bis auf etwa 105° C heruntersinken läßt. Außerdem wird erreicht, daß der heiße Dampf nur mit den Wänden der D a m p f kanäle, Deckel, Kolben und der Kolbenlaufläche des kleinen H o c h d r u c k z y l i n d e r s in Ber ü h r u n g kommt, so daß der Vorteil sich verdoppelt: die vom Frischdampf
berührten
Flächen sind kleiner und die T e m p e r a t u r s c h w a n k u n g e n in den Flächen sind geringer. So wird an den Flächen von Hoch-
und Niederdruckzylinder
zusammen
weniger Feuchtigkeit aus dem Arbeitsdampf niedergeschlagen, als wenn der Dampf in einem einzigen Zylinder arbeitete, und es wird nicht unbeträchtlich an der D a m p f m e n g e gespart, die sonst für eine bestimmte Leistung der Lokomotive verbraucht wird. Genau denselben Zweck der D a m p f e r s p a r n i s verfolgt man mit hitzung des Dampfes, nur daß man hierbei auf den Dampf selbst, U m g e b u n g einwirkt.
der
Über-
nicht auf
seine
Am meisten ist die Überhitzung bei den Preußischen Staats-
bahnen eingeführt, die zurzeit 217 Heißdampflokomotiven aller Art im Betrieb und 270 Stück im Bau haben. Es besteht zwar die Möglichkeit, die Überhitzungswärme zu einem größeren Betrage in Arbeit u m z u w a n d e l n als die Wärme, welche dem Dampf
bis zu
seiner
Sättigung zugeführt wird, doch ist dieser Vorteil nicht so sehr von Einfluß auf die Dampfersparnis
als
die
Erscheinung,
Feuchtigkeit an den Metallwänden
daß
der
überhitzte
Dampf
viel
weniger
des Zylinders niederschlägt als der Sattdampf.
Wenn nun, wie in den Pfälzischen Lokomotiven, von beiden
vorteilhaften
Vorgängen richtiger Gebrauch g e m a c h t wird, dann kann eine beträchtliche Ersparnis an Dampf und an Kohle erreicht werden. Dies ist ganz b e s o n d e r s wichtig für Lokomotiven, einmal weil sie sich ihren Kohlen- und Wasservorrat selbst mitschleppen und hierzu einen Teil ihrer Kraft aufzehren müssen, dann aber auch,
weil sie
in ihren A b m e s s u n g e n
durch die vor-
geschriebenen Umgrenzungslinien und das Bedürfnis nach g e n ü g e n d e r Beweglichkeit in G e l e i s k r ü m m u n g e n eingeschränkt sind und heute in den A u s f ü h r u n g e n an G r e n z e n der zulässigen A b m e s s u n g e n a n g e k o m m e n s i n d , ihrer Leistungsfähigkeit
ohne
gleichzeitige V e r g r ö ß e r u n g
so daß die
die
Steigerung
ihrer A b m e s s u n g e n
und
Gewichte von der größten Wichtigkeit g e g e n ü b e r den fortwährend sich steigernden Verkehrsansprüchen ist. Es hält überaus schwer, unter gleichen B e d i n g u n g e n Vergleichsfahrten
mit
Lokomotiven zu machen, in denen der Dampf in den verschiedenen Gebrauchsweisen arbeitet, so daß das genaue Maß der Überlegenheit der A n w e n d u n g von Verbund-
S c h n e l l z u g s l o k o m o t i v e n der Pfalzbahnen.
153
und H e i ß d a m p f w i r k u n g über die früher allgemein übliche Zwillings-Naßdampfwirkung schwer a n g e b b a r ist.
Die Pfälzischen Eisenbahnen haben noch nicht das Ergebnis
ihrer Versuche festgestellt. Auf den preußischen Staatsbahnen ist vielfach eine g r ö ß e r e Leistungsfähigkeit und Sparsamkeit der Heißdampf-Zwillingslokomotiven
gegenüber
Naßdampf-Zwillings- und Verbundlokomotiven festgestellt worden. Trotz geringerer Fahrzeiten
erzielten
die Vergleichszüge
mit
Heißdampflokomotiven
eine
Kohlen-
ersparnis von 10 bis 25 v. H. und eine Wasserersparnis von etwa 35 v. H., die auch g e g e n ü b e r Vierzylinder-Verbundlokomotiven aufrecht erhalten wurde.
Wie die Kopfleiste zeigt, geordnet.
sind
Die zwei Hochdruckzylinder
die vier Dampfzylinder nebeneinander von 360 m m D u r c h m e s s e r sind zu
Stück z u s a m m e n g e g o s s e n und liegen innen.
an-
einem
Die Niederdruckzylinder von 590 mm
D u r c h m e s s e r sind außerhalb des R a h m e n s angebracht. D a d u r c h ist es möglich, den D u r c h m e s s e r
der Niederdruckzylinder
größer
a u s z u f ü h r e n , als wenn sie nach innen verlegt werden, und den K o l b e n h u b r a u m etwa 2,7 mal so g r o ß zu machen als den des Hochdruckzylinders.
Bei diesem Verhältnis
sind bei gleichen Füllungen auch die Arbeiten in den beiden Zylindern a n n ä h e r n d gleich, und dies führt zu einer einfachen Ausbildung der Steuerung, die in Fig. 3 dargestellt ist.
Nur von dem G a n g w e r k der beiden äußeren Zylinder werden Be-
w e g u n g e n abgeleitet, die auch — unter Vermittlung der kurzen Querwellen — nach den inneren Schiebern abgeleitet werden.
Infolgedessen machen die beiden Schieber
einer Lokomotivseite Ausschläge, die nur nach der G r ö ß e des H u b e s
verschieden
154
Wilhelm
Lynen.
sind; sie k o m m e n aber zu gleicher Zeit in die gleichen Endlagen.
Da die zugehörigen
Kurbeln unter 180° stehen, so gelangen die Kolben zu gleicher Zeit in die entgegengesetzten Endlagen. nach den
Nun kann aber doch mit den obigen Schiebern der Arbeitsdampf
entgegengesetzten Zylinderseiten abgeleitet werden, wenn man ihn
dem
einen Schieber von der Mitte, dem anderen Schieber von außen zuführt. Man wählt die innere E i n s t r ö m u n g auf der Hochdruckseite, weil dann
die
H o c h d r u c k s c h i e b e r außen von schwach g e s p a n n t e m Dampf umspült und die Stopfbüchsen der Schieberstangen leicht abzudichten sind. Diese wesentliche Vereinfachung der Steuerung rechtfertigt die
Verlegung
des H o c h d r u c k z y l i n d e r s in das Innere des Rahmens, trotzdem hierbei die schweren G a n g w e r k e der Niederdruckzylinder und die von ihnen verursachten Massenkräfte g r ö ß e r e Hebelarme erhalten und dadurch einen etwas unruhigeren G a n g der Lokomotive veranlassen.
Dieser Nachteil kommt aber um so weniger in Betracht, als
infolge der vier Zylinder ohnehin geringe Gegengewichte in den Lokomotivrädern angebracht sind, um den G a n g der Lokomotive befriedigend zu gestalten, wie ein Blick auf die Fig. 1 erkennen läßt. Bei der Ausbildung der S t e u e r u n g e n
für so hohe U m d r e h u n g s z a h l e n ,
sie bei den pfälzischen Lokomotiven v o r k o m m e n , ist es wichtig, daß nur
wie
geringe
Schieberreibung auftritt, weil sonst die Ableitung der Wärme und die S c h m i e r u n g der Schieber unüberwindliche Schwierigkeiten
macht.
Bei den betrachteten Loko-
motiven sind daher alle Schieber als Kolbenschieber mit doppeltem Einlaß und mit doppeltem Auslaß ausgeführt. Die Kolbenschieber verursachen geringe Reibung,
sie sind aber nicht so
leicht dicht zu halten wie die Flachschieber, und dies führt leicht zu Dampfverlusten. Durch gute Werkstättenarbeit,
namentlich
durch
eine F o r m g e b u n g
der
Schieber,
welche ein Verziehen unter dem hohen Druck und den hohen T e m p e r a t u r e n meidet, durch gut gearbeitete Dichtungsringe kann der Dampfverlust
ver-
eingeschränkt
werden, b e s o n d e r s wenn im Betrieb gutes Heißdampföl zum Schmieren verwendet und durch zeitweilige P r ü f u n g und allfallsige Nacharbeit der Dichtungszustand der Kolbenschieber gut erhalten wird. Eine wichtige Sorge bei der D u r c h b i l d u n g der Schiebersteuerungen schnell laufender Lokomotiven ist die Beachtung der Massenwirkungen der Steuerungsteile. Bei der vorliegenden Steuerung sind in der Steuerwelle und in den beiden tragungswellen
von
dem
außenliegenden Gangwerk
Bauteile eingefügt, welche unter der Schieberreibung
nach
den
Über-
inneren Schiebern
und den Massenkräften auf
S c h n e l l z u g s l o k o m o t i v e n der Pfalzbahnen.
Verdrehung beansprucht werden,
und
welche
bei
den
155
großen
n a c h g e b e n und die D a m p f v e r t e i l u n g v e r s c h l e c h t e r n k ö n n e n , vorliegenden Falle, g e m a c h t werden.
in g r o ß e n D u r c h m e s s e r n
Längen
beträchtlich
wenn sie nicht, wie im
ausgeführt und dadurch
D i e b e s o n d e r s stark belasteten G e w e r k b o l z e n
flächen und b e s o n d e r s g e e i g n e t e n Stoff in den B u c h s e n
unnachgiebig
haben g r o ß e
Lauf-
erhalten.
B e i der A n o r d n u n g der S c h m i e r g e f ä ß e , w e l c h e auf den b e w e g t e n S t e u e r u n g s teilen selbst a n g e b r a c h t werden m ü s s e n , weil bei den g r o ß e n erzeugen,
wenn
Fahrgeschwindigkeiten
die reibenden T e i l e
große Wärme
sie nicht ständig
und reichlich
geschmiert werden,
ist die Wahl der richtigen A n b r i n g u n g s s t e l l e n wichtig g e w e s e n .
Fig. 4.
Die A n o r d n u n g
der
vier Zylinder
nebeneinander
gibt
ein starres
Ganzes,
w e l c h e s den R a h m e n wirksam diagonal versteift, dem Kessel eine feste S t ü t z e bietet und eine gute V e r b i n d u n g z w i s c h e n der L o k o m o t i v e und dem vorderen D r e h g e s t e l l ermöglicht.
Die D a m p f w e g e sind kurz, und das G a n z e der Zylinder und
Schieber-
kasten hat eine v e r h ä l t n i s m ä ß i g kleine ä u ß e r e O b e r f l ä c h e und kann gut g e g e n S t r a h lung g e s c h ü t z t w e r d e n , so daß die W ä r m e gut
z u s a m m e n g e h a l t e n und der D a m p f -
v e r b r a u c h e r m ä ß i g t wird. D i e s e A n o r d n u n g der vier Zylinder steht im G e g e n s a t z
zu der
vorwiegend
an f r a n z ö s i s c h e n L o k o m o t i v e n ausgeführten A n o r d n u n g der Z y l i n d e r in zwei G r u p p e n ,
156
Wilhelm
Lynen.
S y s t e m de G l e h n , bei w e l c h e m die Dampfverteilung im Niederdruckzylinder b e l i e b i g gewählt w e r d e n kann g e g e n ü b e r dem D i e vier D a m p f k o l b e n ,
deren H u b 6 0 0 m m beträgt,
ein, w e l c h e die Fig. 4 e r k e n n e n läßt. Nickelstahl
geschmiedet.
Hochdruckzylinder. wirken
auf
eine
D i e s e Welle ist aus einem S t ü c k
Nur allerbester Baustoff
ist der
hohen
Inanspruchnahme
fähig, w e l c h e die W e l l e unter den gleichzeitig von den D a m p f k o l b e n
und von
S t ö ß e n der R ä d e r g e g e n die S c h i e n e n auftretenden Kräften auszuhalten Würde
man
nur
eine T r e i b a c h s e ,
keine K u p p e l a c h s e
Welle
Kruppschen
an
den
hat.
der
Lokomotive
h a b e n , so würden g l e i c h e Kolbenkräfte nur ein D r e h m o m e n t an der Welle e r z e u g e n , und die W e l l e n l a g e r nur die am Z u g h a k e n wirkende Kraft aufzufangen haben.
Die
Kolbenkräfte würden dann in der H a u p t s a c h e von den Kurbelzapfen, nicht von den Wellenlagern
aufgefangen
werden.
Die Kurbelzapfen k ö n n e n a b e r ,
ohne
warm zu
laufen, eine g r ö ß e r e B e l a s t u n g e r t r a g e n wie die W e l l e n l a g e r z a p f e n , weil sie mit g r ö ß e r e r G e s c h w i n d i g k e i t durch die Luft geführt und dadurch b e s s e r a b g e k ü h l t S o l a n g e auf der Fahrt in e b e n e r S t r e c k e die L o k o m o t i v e an den T r e i b r ä d e r n
auskommt,
um
mit der
den W i d e r s t a n d am Z u g h a k e n
ist dieser Vorteil auch an der ausgeführten L o k o m o t i v e
werden.
zu
Reibung
überwinden,
mit einer K u p p e l a c h s e v o r -
h a n d e n und der G a n g d e r s e l b e n ein leichter. Sobald
die K u p p e l r ä d e r
wesentlich
an
der K r a f t ü b e r t r a g u n g
beteiligt
sind,
werden die L a g e r b e l a s t u n g e n wesentlich h ö h e r , doch bleiben sie n o c h eine Kleinigkeit unter den B e t r ä g e n , w e l c h e die de G l e h n s c h e A n o r d n u n g In der Fig. 5 sind die R ä d e r der L o k o m o t i v e an ihrem unteren S c h e i t e l in einem G e l e n k g e l a g e r t , zu
bringen,
daß für den betrachteten
R e i b u n g an den S c h i e n e n festgehalten
Augenblick
veranlaßt.
so
gezeichnet,
um
auffallend
diese
als wären zum
Scheitelpunkte
sie
Ausdruck durch
die
sind.
D e r eigenartigste Teil der L o k o m o t i v e ist der in Fig. 6 dargestellte welcher
den K e s s e l
nimmt.
E r ist als s o g . B a r r e n r a h m e n ausgeführt.
und die D a m p f m a s c h i n e
trägt
Rahmen,
und die A c h s e n d e r R ä d e r auf-
D i e s e R a h m e n sind auf den
a m e r i k a n i s c h e n B a h n e n ausschließlich in G e b r a u c h .
nord-
Die Lokomotivfabrik Maffei hat
der B a y e r i s c h e n S t a a t s b a h n etwa 5 0 L o k o m o t i v e n mit B a r r e n r a h m e n geliefert, n a c h dem
diese
Verwaltung
sich
im J a h r e
1899
amerikanische
Lokomotiven
von
den
Baldwin L o c o m o t i v e W o r k s in Philadelphia hatte k o m m e n lassen, um an d e n s e l b e n ihre Studien zu m a c h e n . Mit der V e r w e n d u n g von B a r r e n r a h m e n , w e l c h e die g r ö ß t e Zufriedenheit der B a y e r i s c h e n S t a a t s b a h n erlangt und auch
bei
den Pfälzischen B a h n e n
sich
schnell
157
S c h n e l l z u g s l o k o m o t i v e n der P f a l z b a h n e n .
beliebt g e m a c h t haben, so daß auch die badische Staatsbahn bei neuen Lokomotiven B a r r e n r a h m e n bestellt hat, ist nach m e h r als 40jähriger T r e n n u n g eine Wiedervereinig u n g von zwei Wegen
erfolgt, welche zu guten Lokomotivkonstruktionen
führen.
F i g . 5.
=- =a 7 7
I
; -U -
'PZ
*
/I
F i g . 6.
Zu Beginn
des Lokomotivbaus w u r d e n
sowohl
in E u r o p a
als auch
in
Amerika
B a r r e n r a h m e n angewandt, welche in Gestalt von einfachen Gabeln um den Kessel gelegt w a r e n , an welchen die aus Blechstücken hergestellten Achshalter befestigt wurden.
Später ging man in Amerika dazu über, auch die Achshalter in
Barren-
158
Wilhelm Lynen.
stücken anzuschweißen, während man in Europa Rahmen und Achshalter aus starken Blechplatten herstellte. Der Vorzug des B a r r e n r a h m e n s liegt in der großen Übersichtlichkeit, die er bei der auf dem Geleise stehenden Lokomotive über die inneren Teile gibt. ist ein für den Betrieb
schwerwiegender
Vorteil,
besonders
bei
innen
Dies
liegenden
Dampfzylindern, da bei kurzen Aufenthaltszeiten auf Zwischenstationen eine schnelle P r ü f u n g des
Gangwerks
ermöglicht
wird.
Die geometrisch g e n a u e
Gestalt
des
Rahmens macht den Z u s a m m e n b a u der Lokomotive, den Anbau der t r a g e n d e n und führenden Teile des G a n g w e r k s und der S t e u e r u n g einfach und billig und gibt eine g r ö ß e r e Genauigkeit,
als sie beim Anpassen
und Anprobieren
an die nicht
be-
arbeiteten Seitenflächen der Plattenrahmen erzielbar ist. Der Nachteil des B a r r e n r a h m e n s besteht in dem Vorhandensein der Schweißstellen, deren Güte und Fehlerlosigkeit nicht so ohne weiteres gewährleistet ist.
Der
aus vollen
Ein
Blechen herausgearbeitete Plattenrahmen hat keine Schweißfugen.
g e b r o c h e n e r Plattenrahmen kann leichter wiederhergestellt werden als ein Barrenrahmen.
Wenn ein B a r r e n r a h m e n u n b r a u c h b a r wird, geht eine große und teuere
Werkstättenarbeit verloren. Um eine möglichst große Sicherheit zu haben in b e z u g auf den Baustoff, bearbeitet
die Firma Maffei die sämtlichen Flächen
der B a r r e n r a h m e n , auch
die
inneren, an welchen keine Maschinenteile befestigt werden und welche deshalb roh bleiben könnten.
Die Kosten der Bearbeitung dieser Flächen sind
eine Versicherungsgebühr gegen den Bruch der Rahmen.
gewissermaßen
Durch sorgfältige Pake-
tierung der Eisenblöcke, durch gute S c h u l u n g ihrer Arbeiter, durch gute Aufsicht bei der Schmiedearbeit ist es ihr gelungen, daß bis jetzt noch kein R a h m e n b r u c h v o r g e k o m m e n ist. Der Barrenrahmen fällt teurer in der Herstellung aus als ein Plattenrahmen, weil man nicht imstande ist, so viel Rahmen gleichzeitig auf einer W e r k z e u g m a s c h i n e zu bearbeiten als bei Plattenrahmen, bei denen man bis zu 12 übereinandergelegte Platten gleichzeitig fräsen oder stoßen kann. kosten
Anderseits wird ein Teil dieser Mehr-
wieder eingespart durch den leichteren Z u s a m m e n b a u der Lokomotive,
so
daß schließlich die Kosten der g a n z e n Lokomotive beim B a r r e n r a h m e n nicht höher ausfallen als beim Plattenrahmen. Der
sonst bei B a r r e n r a h m e n g e r ü g t e Nachteil,
daß die Querversteifungen
nicht g e n ü g e n d ausgebildet werden können, ist bei den vorliegenden Lokomotiven nicht vorhanden.
Die vier Dampfzylinder geben eine wirksame Versteifung ab, die
Schnellzugslokomotiven der Pfalzbahnen.
durch
eine
kräftige
unterstützt wird. träger
und
Ausbildung
des
Zugkastens
am
159
hinteren
Ende
des
Rahmens
F e r n e r sind z w i s c h e n den E n d e n des R a h m e n s n o c h die G l e i t b a h n -
Pendelbleche
für die A b s t ü t z u n g
des
Langkessels vorgesehen,
welche
auch zur Versteifung des R a h m e n s b e i t r a g e n , die bei einer etwaigen E n t g l e i s u n g der L o k o m o t i v e wichtig ist. Die L o k o m o t i v e n sind mit einer Reihe von V o r r i c h t u n g e n a u s g e r ü s t e t , damit der F ü h r e r
die V e r b r e n n u n g s v o r g ä n g e ,
die S c h m i e r u n g
das Anfahren und Halten leicht und sicher
der S c h i e b e r
und
beherrscht.
Um das namentlich auf B a h n h ö f e n lästige Q u a l m e n zu v e r m e i d e n , L o k o m o t i v e n mit R a u c h v e r b r e n n u n g s a p p a r a t e n
nach Staby versehen.
tritt ein, w e n n
ihre
ausstoßen
die frisch
und
zu
vorhanden ist.
aufgelegten Kohlen
deren V e r b r e n n u n g
leicht
nicht g e n ü g e n d
Das
vergasenden Luft
sind
in der
dem F o r t s c h r e i t e n
in der E n t g a s u n g der Kohlen einzutreiben, wird
b e s o n d e r e s Ventil geöffnet, w e l c h e s hälter einläßt, bis
Qualmen
Rauchkammer und mit
a b n e h m e n d e L u f t m e n g e über dem
beim ö f f n e n
der Feuertür
selbsttätig
so lange K e s s e l d a m p f in einen b e s o n d e r e n
die F e u e r t ü r wieder
die
Bestandteile
Um nun eine nach dem Aufwerfen von K o h l e n g e n ü g e n d e
R o s t in die F e u e r k i s t e
Kolben,
geschlossen
wird.
Dieser Dampf
tritt
ein Benach
S c h l u ß der F e u e r t ü r durch drei D ü s e n in die Feuerkiste ein und reißt Luft mit sich, w e l c h e die R a u c h m a s s e n durchdringt und dem
Behälter
entwichen
ist,
desto
mehr
sie v e r b r e n n t . läßt
die
einblasen nach, und die G r ö ß e des D a m p f b e h ä l t e r s
Je
mehr
der D a m p f
Düsenwirkung
und
ist so b e m e s s e n ,
das
daß
aus Luft-
ungefähr
g l e i c h z e i t i g die E n t g a s u n g der K o h l e n und das Einblasen der Luft aufhören. Während breit
ausgeführt
der und
Fahrt mit
ist
zwei
es
von g r o ß e r Wichtigkeit, daß
Feuertüren
v e r s e h e n ist.
Durch
die
Rauchkammer
das
abwechselnde
S c h ü r e n gibt es i m m e r eine gut d u r c h g e b r a n n t e Feuerhälfte, in w e l c h e r ein g e w i s s e r L u f t ü b e r s c h u ß vorhanden ist, so daß der aus der frisch b e d e c k t e n , s c h w a r z e n Hälfte aufsteigende Rauch z u m Teil auch mit Hilfe der heißen, luftgetränkten F l a m m e n rotglühenden Hälfte verminderers
des
Feuers
v e r b r a n n t wird, wodurch
in e r w ü n s c h t e r W e i s e
unterstützt
wird,
der
die W i r k u n g des R a u c h -
wenn
die
Kohlen
in
großen
Z u r V e r m i n d e r u n g des F u n k e n a u s w u r f s aus dem S c h o r n s t e i n ist ein
Sturm-
M e n g e n und in kurzen P a u s e n aufgeworfen werden m ü s s e n . . scher
Funkenfänger
in die
Rauchkammer
eingebaut.
An
demselben
ist die
An-
b r i n g u n g von zwei b e w e g l i c h e n G i t t e r w ä n d e n e i g e n t ü m l i c h , die mit Hilfe e i n e s kleinen D a m p f z y l i n d e r s mit K o l b e n g e s c h l o s s e n werden, sobald Arbeitsdampf in die S c h i e b e r kasten der L o k o m o t i v e e i n g e l a s s e n
wird.
Wilhelm Lynen.
160
Wenn der Dampf von den Schieberkasten abgesperrt wird — also bei Stillstand der Lokomotive
im Bahnhof
oder
im Schuppen, oder bei einer Talfahrt —
öffnen sich diese Gitterklappen von selbst, so daß der S c h o r n s t e i n z u g nicht durch die Maschen der Gitter behindert wird. die Gitterwände
beim Schließen
der
mehr
Durch den leichten Schlag, mit dem
Klappen
an
ihren Sitz anprallen,
tritt
eine
Selbstreinigung der Maschen von darin festgehaltener Asche ein, die fiir die Z u g e r z e u g u n g erwünscht ist. Bei der selbsttätigen Schieberschmierung, Bauart Mildenberger, ist die
den
vier Kolbenschiebern zugeführte ö l m e n g e abhängig vom Dampfdruck im Schieberkasten.
Wenn die Maschine mit voller Kraft fährt, wird
am stärksten g e s c h m i e r t ;
wenn sie ohne Dampf läuft, hört die S c h m i e r u n g von selbst auf.
Der D a m p f d r u c k
im Schieberkasten wirkt auf einen Dampfkolben in einem besonderen Zylinder.
Der
Dampfkolben ist durch eine Kolbenstange
von
kleinerem preßt. kann
Durchmesser verbunden,
Das ö l nur
dann
ist von in
die
den
der
direkt auf
das
Schmierleitungen
Leitungen
mit
übertreten,
einem
zweiten
Schmieröl
durch wenn
Kolben
in einem
einen
Hahn
das von
der
ölzylinder
getrennt Kulisse
und der
Schiebersteuerung bewegte H a h n k ü k e n seine B o h r u n g e n mit den Schmierleitungen in V e r b i n d u n g setzt. Auf diese Weise wird eine sparsame und doch betriebssichere S c h m i e r u n g erreicht. Eine Besonderheit aller Verbundlokomotiven sind die sog. Anfahrvorrichtungen, welche d a d u r c h notwendig werden, daß die Lokomotive in einer Stellung zum Halten k o m m e n kann, in welcher einer der beiden Hochdruckkolben in einer Totlage steht, wodurch der auf ihn drückende Dampf wirkungslos ist.
Der D a m p f d r u c k auf
den
anderen Hochdruckkolben ist dann zu schwach, um den an der Lokomotive h ä n g e n d e n Z u g anzuziehen. In einem
solchen Fall
m u ß der Kesseldampf,
allerdings mit verminderter
S p a n n u n g , zum Druck auf die großen Niederdruckkolben gebracht w e r d e n , bis daß die Maschine in G a n g g e k o m m e n ist, worauf dann die Anfahrvorrichtung abgestellt und die Verbindung des Kessels mit den Niederdruckzylindern aufgehoben wird. Um bei nassem Wetter und glatten Schienen das sog. Schleudern der Triebräder, das Drehen ohne gleichzeitiges Fortrollen
über
die Schienen,
zu
verhüten,
sind die Lokomotiven mit einem Sandstreuer ausgerüstet, welcher gestattet, trockenen Sand zwischen die Triebräder und die Schienen zu blasen, damit die Räder auch bei glatten Schienen kräftig fassen.
Dieser Sand wird vermittelst einer durch Druckluft
gespeisten Düse nach der Bauart B r ü g g e m a n n ausgeblasen.
Durch die A n w e n d u n g
S c h n e l l z u g s l o k o m o t i v e n der Pfalzbahnen.
161
von Druckluft wird das Nässen und Zusammenballen des S a n d e s in der Sandleitung und das Vereisen der D ü s e im Winter verhindert. Die Druckluft kann auch dazu benützt werden, den Sand in dem oben auf dem Kessel befindlichen Sandkasten aufzuwühlen, falls er feucht ist.
Dadurch wird
er schneller getrocknet. Die in der Fahrt befindliche Lokomotive treibt einen Geschwindigkeitsmesser, Bauart Hausshälter,
an, mit Hilfe dessen die Fahrgeschwindigkeit der
Lokomotive
durch einen Zeiger dem Lokomotivführer angezeigt und für die Betriebsaufsicht unter gleichzeitiger A n g a b e der Aufenthalte auf einem Papierstreifen aufgezeichnet wird. Auf diese Weise soll verhütet w e r d e n ,
daß der Lokomotivführer
in Strecken,
die
mit verminderter Geschwindigkeit durchfahren werden müssen, zu schnell fährt, um etwa eine Z u g v e r s p ä t u n g einzuholen. Z u m Bremsen der Lokomotive und des angehängten Z u g e s ist eine Luftdruckbremse, Bauart Schleifer, auf der Lokomotive eingebaut.
Diese Bremse, die in
Deutschland gebaut wird, ist auf den Pfälzischen Bahnen und auch sonst in Deutschland eingeführt u n d ist in erfolgreichen Wettbewerb mit der aus Amerika s t a m m e n d e n Westinghouse-Luftdruckbremse eingetreten. Wie bei Westinghouse drückt
ein auf
kompressor Luft in einen Vorratsbehälter entlang g e h e n d e Druckluftleitung und
der Lokomotive angeordneter Luft-
hinein,
eine
Reihe
aus
dem
von
Hilfsluftbehältern
werden, die in der Nähe der zu betätigenden B r e m s e n sind. führer die Druckluft aus der Leitung ausströmen,
eine den ganzen Z u g
so wird
gespeist
Läßt der Lokomotivbei jeder B r e m s e
ein
sogenanntes Steuerventil so verstellt, daß die Druckluft aus den Hilfsbehältern in die zugehörigen Bremszylinder eintritt, wodurch sie den darin befindlichen Kolben verschiebt und damit die Bremsen anzieht. Läßt der Führer wieder Druckluft aus dem Vorratsbehälter in die Druckluftleitung einströmen, so wird das Steuerventil wieder zurückgebracht, w o d u r c h die Bremsluft aus den Bremszylindern
ins Freie gelassen
u n d der z u g e h ö r i g e Hilfsluftbehälter wieder mit frischer Druckluft gespeist wird. In Gefahrfällen m u ß die Druckluft b e s o n d e r s schnell aus der Leitung herausgelassen w e r d e n . Die Steuerventile müssen so empfindlich gebaut sein, daß alle Wagen, vom ersten bis z u m letzten hin, fast gleichzeitig und gleichmäßig stark g e b r e m s t w e r d e n , w ä h r e n d die Lokomotive anfänglich etwas weniger stark
g e b r e m s t wird.
Dadurch
kommt der ganze Z u g gestreckt zur Ruhe und es werden Z e r r u n g e n der einzelnen 11
162
Wilhelm Lynen.
Zugteile
gegeneinander
Schnellzugslokomotiven der Pfalzbahnen.
vermieden.
Die Schleifer-Bremse
wird
in hohem
Maße
den hohen Anforderungen gerecht, die an eine Luftdruckbremse gestellt werden. Aus der Betrachtung des Baues der Lokomotive und ihrer Ausrüstung ersieht man, daß sie eine kleine in sich geschlossene Welt ist. Der anscheinend so einfache Vorgang der Fortbewegung eines Eisenbahnzuges
macht wegen
der großen
Ge-
schwindigkeiten und der großen bewegten Massen eine Anhäufung der scharfsinnigst erdachten Einrichtungen notwendig, um die großen Gefahren, die eintreten können, zu vermeiden. Eine solche Lokomotive ist als ein bewunderungswürdiges Meisterwerk zusehen :
an-
mit starker Kraft setzt sie den angehängten Zug in Bewegung, mit großer
und doch leicht gezügelter Geschwindigkeit und mit zäher Ausdauer bringt sie ihn über B e r g und Tal, mit unbedingter Sicherheit setzt sie die gewaltigen Massen aus der schnellsten Bewegung in Ruhe — dabei sind ihr aber enge Grenzen hinsichtlich ihrer Abmessungen gesteckt, welche die Entfaltung dieser Eigenschaften Richtungen erschweren.
nach allen
Ein Meisterwerk im Bau von W a s s e r k r a f t m a s c h i n e n . V o n Rudolf
Camerer.
W e r von dem herrlich gelegenen Berchtesgaden nach Reichenhall marschiert und nicht die Straße über Hallturm entlang der neuen Bahnlinie, sondern den viel großartigeren Weg in südöstlicher Richtung durch die Ramsau einschlägt, der trifft in etwa einer Stunde
nach Verlassen
von Berchtesgaden bei dem Orte Ilsank
ein Brunnhaus, in dem ein sowohl historisch
als auch
Meisterwerk menschlichen Könnens zu sehen ist. er erfährt, daß
auf
technisch bemerkenswertes
Der Besucher wird staunen, wenn
die hier aufgestellte Maschine durch Wasser,
welches unter einem
Druck von 112 m Wassersäule steht, in Bewegung gesetzt wird und die zu hebende Salzlösung auf eine Höhe von 356 m in ein auf dem durch seine herrliche Aussicht berühmten Söldenköpfl befindliches Reservoir drückt. führte, etwas kleinere Maschine
dieser
München aufgestellt und in Fig. 1 wiedergegeben. Vergnügen
den trotz
der gewaltigen
Eine
Art ist in dem
genau
ähnlich
Deutschen
ausge-
Museum
zu
Bemerkt der Beschauer schon mit
auftretenden
Kräfte spielenden und fast ge-
räuschlosen Gang, die unübertrefflich einfache Kraftübertragung von dem Treib- auf den Pumpkolben
(s. Fig. 2) und die meisterhafte Anordnung
der Steuerung, ll*
was
Rudolf C a m e r e r .
164
ihn g l a u b e n m a c h e n könnte hier ein Meisterwerk m o d e r n ster T e c h n i k
vor
sich
zu
haben, so w ä c h s t seine B e w u n d e r u n g für den genialen Schöpfer aufs
dieser
Maschine
h ö c h s t e , wenn
er
er-
fährt, daß sie vor bald hundert
Jahren
gebaut
wurde
und, w a s als fast einzig dastehend
im
Maschinenbau
hervorgehoben
zu
werden
verdient, in d i e s e r l a n g e n Z e i t unermüdlich und ohne nenn e n s w e r t e Reparatur ihre g e waltige Arbeit verrichtet hat. Die W a s s e r h e b e m a s c h i n e zu llsank
ist
eine
Schwester-
m a s c h i n e von zwölf g l e i c h artigen M a s c h i n e n , die s ä m t lich
dem
Zwecke
dienten,
die S o l e aus den b a y e r i s c h e n S a l z b e r g w e r k e n in B e r c h t e s gaden und Reichenhall weiter ins Land hinein in die waldreichen G e b i e t e von T r a u n stein und schließlich bis R o s e n h e i m fortzuleiten, da der Holzreichtum legenen
der
Wälder
nahege-
zum
Ein-
dampfen der S o l e nicht a u s reichte
und die
kosten
der
Transport-
letzteren natur-
g e m ä ß viel g e r i n g e r ausfallen mußten, als die des entspreFig. 1.
E i n M e i s t e r w e r k im B a u von
chenden Heizmaterials.
Einfachwirkende Reichenbach sehe Wassersaulenmaschine
Es ist das
Verdienst des auch an anderen Stellen dieser Festschrift rühmlichst genannten damaligen bayerischen rates
Georg
Salinen-
v. Reichenbach,
großartige Werk
165
Wasserkraftmaschinen.
durchgeführt
das und
Aufzieh-Cyllnder
durch seine geniale Konstruktion er-
Aulziehkolben Druckwasser zufluss.
möglicht zu haben. Die ersten dieser Maschinen wurden im Jahre 1808 in Betrieb gesetzt
und
förderten
Traunstein.
die
Sole
bis
Wässeräuslass
1809 geschah die Fort-
setzung bis Rosenheim und der glück-
Treib-Cylinder
liche Erfolg dieser neuen Anlage führte im
Jahre
1817
schließlich
Treibkolben
auf die
Überleitung der Sole von Berchtesgaden nach Reichenhall, wobei
die
zur Umgehung der damaligen österreichischen
Grenze
unüberwindlich
scheinenden Gefällsdifferenzen insbesondere durch die
hervorragendste
Maschine in Ilsank in der glücklichsten Weise überwunden wurden. Der Situationsplan der Gesamtanlage zeigt sich im Titelbild, ein Dispositionsplan der Soleförderung zwischen Berchtesgaden und Reichenhall ist in Fig. 3 wiedergegeben. Die Wirkungsweise der Reichenbachschen Wassersäulenmaschine erhellt aus Fig. 2.
Fig. 2.
Man erkennt
darin an oberster Stelle den kleinen Aufziehkolben, der berufen ist, das Gewicht der anhängenden Treib- und Pumpkolben Öffnung des unteren Ventils anzusaugen. Stellung,
so
kommt
der
Druck
auf
zu heben und zugleich
die Sole
unter
Befinden sich die drei Kolben in höchster
den
Treibkolben
zur Wirkung
und
drückt,
Ein Meisterwerk im B a u von Wasserkraftmaschinen.
vermittelt durch Kolbenstange und Pumpenkolben, obere Ventil in das Hochreservoir.
167
die angesaugte Sole
durch
das
Das Spiel beginnt von neuem und man erkennt,
daß man es hier mit einer einfach wirkenden Wassersäulenmaschine zu tun hat.
Es
sei erwähnt, daß Reichenbach auch doppeltwirkende Wassersäulenmaschinen gebaut hat, sowie, daß eine kleinere Wassersäulenmaschine mit zwei seitlich vom Treibzylinder angeordneten
Pumpenzylindern,
die sich im Deutschen
nach Ansicht der Museumsverwaltung
Museum
befindet (Fig. 4)
gleichfalls
unzweifelhaft Reichenbach zugeschrieben werden muß. Es erübrigt noch der sinnreichen Steuerung einige Aufmerksamkeit zu schenken.
Zwei
an der Kolbenstange befindliche Ringe verschieben jeweils beim Ende des Hubes den Hebel zur Vorsteuerung.
Die Hauptsteuerung wird durch das
Druckwasser selbst in Bewegung gesetzt, welches durch den kleinen Kolbenschieber der Vorsteuerung in Verbindung mit dem Differentialkolben der Hauptsteuerung den Kolbenschieber der letzteren bewegt (s. Fig. 2).
Die ganze Maschine ist aus
Rotguß hergestellt und verdankt neben der sinnreichen Konstruktion auch diesem Umstand ihre hohe Lebensdauer. Es ist erfreulich zu bemerken, daß schon
Fig. 4.
zur Zeit ihrer Aufstellung die Bedeutung der neuen Schöpfung
von
1. C. Jordan reise
im
Berlin
den Zeitgenossen
im Anschluß
Archiv für
an
voll
und ganz
eine 1822
anerkannt
nach Bayern
wurde.
So
schreibt
unternommene Inspektions-
Geographie, Geologie, Bergbau und Hüttenkunde (10. Band,
1837) über Reichenbach:
„dessen
ausgezeichnete Leistungen
in
der
tech-
nischen Mechanik als ruhmwürdige Denkmäler seines tatkräftigen Erfindungsgeistes und
zum
bisson
Nutzen
de Voisins
der
Nachkommen
noch
lange
fortbestehen
werden".
D'Au-
„un
gigantesque
ouvrage" und Reichenbach „un homme de génie, un des plus habiles
mécaniciens
de notre époque".
nennt die besprochene Wassersäulenmaschine
Das höchste Lob aber spendet ihm der damalige Ingénieur des
mines Junker, der bei Gelegenheit der Neuanlage der Radkünste in Huelgoat in der Bretagne nach Bayern reiste, um Reichenbachs Rat einzuholen.
Er schreibt in den
168
Rudolf C a m e r e r .
Annales des mines 3. série, Paris 1835: „M. de manière
Reichenbach
la plus étonnante pour les arts mécaniques."
„admirables de simplicité,
de perfection
et de
Er
était
nennt
hardiesse",
das
organisé seine
de la
Maschinen
Unternehmen
ein
„gigantesque entreprise", und fügt bei: „Je dirai seulement que tout y est parfait, et que partout, dans ces magnifiques salines, à côté des plus ingénieuses conceptions, on reconnaît
la sagesse,
l'esprit d'ordre et de
conservation
Allemands et font traverser les siècles à leurs entreprises".
qui
caractérisent
les
Sein uneingeschränktes
Lob, das im Munde des Ausländers doppelt bedeutungsvoll erscheinen muß, schließt mit folgenden Worten, die durch jeden Zusatz nur abgeschwächt
werden
könnten:
„Ces innovations constituent un progrès tellement remarquable, qu'on peut dire que c'est du moment où on a pu mettre en œuvre des colonnes d'eau formidables
que
date l'application utile du grand et simple principe de notre immortel Pascal. M. de Reichenbach fera oublier Höell, Winterschmidt, et tous ceux qui, avant lui, ont construit, essayé ou projeté des machines de cette e s p è c e ; comme du condenseur, du modérateur à force centrifuge,
Watt, par l'emploi
du parallélogramme,
oublier les Newkomen, les Savery, Papin même, et tous ceux
qui
etc.,
a fait
se disputent
la
merveilleuse invention des machines à vapeur." „A Dieu ne plaise que j e veuille établir la moindre comparaison
entre
les
services réels rendus à la société par ces deux illustres mécaniciens, ni même entre le mérite de leurs inventions ; mais au moins puis-je croire que M. de Reichenbach serait devenu le Watt de sa patrie, si l'Allemagne avait été aussi avancée en industrie que l'Angleterre, et si les mêmes questions se fussent agitées à la même
époque
dans les deux pays.
Literaturangaben. M. J u n k e r , Mémoire sur les machines à colonne d'eau de la mine d'Huelgoat.
Annales
des mines, 3. série, Paris 1835. D ' A u b i s s o n d e V o i s i n s , Traité d'hydraulique.
Paris 1840.
R i i h l m a n n , Allgemeine Maschinenlehre, B r a u n s c h w e i g 1875. v. L o s s o w , Die g e s c h i c h t l i c h e Entwicklung der Technik schrift des Vereines deutscher Ingenieure, J a h r g a n g 1903.
im südlichen
S. 1949 u. f.
Bayern.
Zeit-
U t z s c h n e i d e r , F r a u n h o f e r , R e i c h e n b a c h und G. M e r z .
(Nach e i n e m G e m ä l d e von Rudolf W i m m e r . )
Feinmechanik in Bayern. Von Ernst Voit.
E i n e Geschichte der Feinmechanik in Bayern während des X I X . Jahrhunderts kann einen so hervorragenden Mann wie Georg Friedrich Brander in Augsburg nicht unerwähnt lassen, obwohl seine Werkstätte schon in der Mitte des vorausgehenden Jahrhunderts in voller Blüte stand und nur die späteren Erzeugnisse derselben noch in den Beginn des X I X . Jahrhunderts reichen. Im XVIII. Jahrhundert hatten besonders englische Künstler den astronomischen Instrumenten
einen hohen Grad der Vollkommenheit g e g e b e n ,
Markt für die Feinmechanik
fast ausschließlich
in den Händen
so daß damals der der Engländer
lag.
170
E r n s t Voit.
In Deutschland war es nur der genannte G. F. Brander, welcher mit den Engländern nach mehrfacher Richtung in erfolgreiche Konkurrenz trat. Brander w u r d e im Jahre 1713 zu R e g e n s b u r g geboren, er hatte von Jugend auf eine entschiedene Neigung zur Mechanik, der er sich auch nach
dem
Tode
seines Vaters, eines Materialhändlers, unter der Leitung geschickter Mathematiker zu N ü r n b e r g und Altdorf, insbesondere unter Prof. Doppelmayer, widmete. burg
übergesiedelt,
anderen fertigen.
unterstützt,
begann
er dort
chirurgische
Nach A u g s -
im Jahre 1734, v o m Bankier v. Halder
und bald
auch
mathematische
Instrumente
1737 brachte er die ersten Teleskope in Deutschland zustande, und
und zu nach
wenigen Jahren wetteiferten seine Kunstwerke, b e s o n d e r s seine geometrischen, physikalischen und a s t r o n o m i s c h e n , mit den besten englischen.
Selbst König G e o r g III.
ließ für die Instrumente seines Privatobservatoriums zu Richmond-Park Glasmikrometer kommen.
Brandersche
(eine unserem L a n d s m a n n eigentümliche Erfindung) nach England
Die ersten Höfe, Akademien und Sternwarten D e u t s c h l a n d s , Italiens und
Frankreichs schafften sich Brandersche Instrumente an.
Die Akademie zu Kopen-
hagen krönte im Jahre 1779 Branders Preisschrift und den dazu verfertigten Distanzmesser mit einer goldenen Medaille.
Schon im Jahre 1740 ward er unter den vor-
teilhaftesten Anträgen nach Wien, im Jahre 1753 nach Paris und P e t e r s b u r g und im Jahre 1760 nach München berufen.
Er verblieb jedoch in A u g s b u r g , wo er auch
am 1. April 1783 im 71. Jahre starb und als Erben seiner Kunst seinen Schüler und Tochtermann Kaspar Hoeschel zurückließ.
Die von Brander gefertigten Instrumente
zeichnen sich meist durch eigentümliche, zweckmäßige Konstruktion, durch Form und häufig durch künstlerische A u s s c h m ü c k u n g aus.
schöne
Zahlreiche Instrumente
Branders befinden sich in der mathematisch-physikalischen S a m m l u n g des bayerischen Staates, die nun in d e m M u s e u m von Meisterwerken ihre Aufstellung g e f u n d e n hat. Aus d e m reichen Schatze dieser S a m m l u n g ist der in n e b e n s t e h e n d e r Figur dargestellte Q u a d r a n t (Fig. 1), ferner die L u f t p u m p e (Fig. 2), Inklinatorium (Fig. 3) und Nivellierinstrument (Fig. 4).
In
den späteren J a h r e n ,
als die
Firma
den Namen
Brander & Hoeschel a n g e n o m m e n , scheint Brander selbst nicht m e h r vollen Einfluß auf die Werkstätte gehabt zu haben, wenigstens sind die A u s f ü h r u n g e n von damals nicht m e h r so exakt und schön wie die anfänglichen; noch weniger befriedigen die unter dem Namen Hoeschel gefertigten Instrumente. der R u h m der A u g s b u r g e r Werkstätte, Zeiten in Bayern bedingt sein mag.
was
mit
Es verflüchtigte sich auch bald durch
die
damaligen
unruhigen
F e i n m e c h a n i k in B a y e r n .
Fig. 1.
171
Fig. 2.
F e i n m e c h a n i k in B a y e r n .
173
Erst mit dem Beginn des XIX. Jahrhunderts trat abermals eine Blüte der Feinmechanik
in
Bayern
ein.
Utzschneider
schildert
in der
Lebensbeschreibung
Fig. 3.
Fraunhofers diese zweite Blütezeit mit folgenden W o r t e n :
„Als im Jahre 1801 die
französische Konsularregierung zu Paris eine militärisch-topographische Karte von Bayern
verlangte und der französische Oberst und Ingenieur-Geograph
Messungen wirklich b e g a n n , fehlte es an guten Meßinstrumenten.
Bonne die
Diesem Mangel
abzuhelfen, entschloß sich der bayerische Artilleriehauptmann G e o r g Reichenbach,
174
Ernst Voit.
solche Instrumente herzustellen.
Er hatte auf Antrag Rumfords eine Unterstützung
des Kurfürsten Karl Theodor zu einer Reise nach England
erhalten und dort ver-
schiedene Werkstätten zur Verfertigung mathematischer Instrumente besucht.
Kurz
nach seiner Rückkehr verband er sich mit dem Uhrmacher und Mechaniker Joseph Liebherr,
um
in München
eine Werkstätte für mathematische Instrumente zu
be-
JOCm Fig. 4.
gründen, und veranlaßte sodann auch Utzschneider, seinem Unternehmen beizutreten. Am 20. August 1804 wurde ein Vertrag abgeschlossen,
um sofort
stitut R e i c h e n b a c h - U t z s c h n e i d e r - L i e b h e r r
von
die
Fertigung
beginnen und deren Teilungen auf der neukonstruierten Teilmaschine (Fig. 5) anzufertigen.
durch das In-
Meßinstrumenten
zu
Reichenbach-Liebherrschen
Nur die Gläser der Instrumente, die damals fast
175
Feinmechanik in Bayern.
ausschließlich von England bezogen w u r d e n , fehlten, da diese de'r Kontinentalsperre wegen nicht erhältlich waren.
Utzschneider kam deshalb zu dem Entschlüsse, auch
das optische Glas selbst herzustellen."
Peter Ludwig Guinand aus Brenet in Neuf-
chätel, welcher schon seit 1775 Versuche zur Herstellung optischen Glases g e m a c h t hatte, mußte von der Absicht Utzschneiders Kenntnis erhalten haben, denn er sendet
Fig. 5.
am 25. Juni 1804 an Utzschneider eine Denkschrift ü b e r : „Herstellung von optischem Glas", um dieselbe der Kgl. Bayerischen Akademie in München vorzulegen.
Guinand
schilderte darin seine Glasschmelzversuche, welche er in den Jahren 1775—1787 mit kleinen Proben von 3—4 Pfund, später jedoch mit solchen von 200 P f u n d ausführte, und macht den Vorschlag, die Herstellung von Spiegelglas und optischem Glas in Bayern zur Einführung zu bringen.
Es war dies die Veranlassung, daß Utzschneider,
welcher im Jahre 1805 eine Reise u n t e r n a h m ,
um
alle in der Nähe
befindlichen
Glasfabriken und deren Erzeugnisse kennen zu l e r n e n , persönlich mit Guinand in Aarau zusammentraf.
Als später einige von Guinaud eingesendete Glasproben
als
brauchbar sich erwiesen, wohnte Utzschneider im A u g u s t 1805 einer Glasschmelze in Brenet bei und veranlaßte infolge davon Guinand zur Übersiedlung nach Bene-
176
E r n s t Voit.
diktbeuern, was auch Ende September 1805 erfolgte.
Über die Tätigkeit G u i n a n d s
spricht sich Utzschneider dahin aus, daß derselbe erst durch die Versuche in Benediktbeuern brauchbares Glas zu schmelzen lernte und dabei einige Glasplatten erhielt, welche zu Objektiven für die bereits geteilten Meßinstrumente des
mathematisch-
mechanischen Instituts verwendet werden konnten. Als Utzschneider im Jahre 1807 in den Staatsdienst eintrat und deshalb die Glasschmelzen in Benediktbeuern nicht mehr selbst überwachen konnte, ü b e r t r u g er dem schon früher als Optiker in das Mathematisch mechanische Institut a u f g e n o m menen Fraunhofer, dessen Porträt im Titelbild (oben S. 171) wiedergegeben, auch die Aufsicht über die Glasschmelzen. Bald darauf wurde der Hauptteil der optischen Arbeiten des Münchener Institutes nach Benediktbeuern verlegt und dieser Abteilung durch die im Jahre 1809 erfolgte G r ü n d u n g des optischen Institutes Utzschneider-ReichenbachFraunhofer eine größere
Selbständigkeit
verliehen.
Fraunhofer
gelang
es
rasch,
Guinand in der A u s f ü h r u n g der Glasschmelzen zu übertreffen, so daß letzterer im Jahre 1814 Benediktbeuern verläßt und auch später, als er sich von Brenet aus im Jahre 1816 erbietet, neue Erfahrungen bezüglich der Herstellung optischen Glases in Benediktbeuern zu verwerten, von Utzschneider abgewiesen wird.
Utzschneider
gibt bei dieser Gelegenheit an, daß Guinand nach den in seinem Schreiben gemachten B e m e r k u n g e n auch damals mit der G l a s e r z e u g u n g für optische Zwecke noch
nicht
im reinen war, und ferner, daß das Glas, welches unter Aufsicht Guinands in Benediktbeuern erzeugt wurde, hinter dem unter Fraunhofer hergestellten weit zurückblieb. An einer anderen Stelle schildert er die Verdienste beider sehr eingehend. „Guinand ist der erste, der eine gleichmäßige Mischung der Glasmasse während des S c h m e l z e n s durch eine mechanische M e n g u n g ausführt, um die Bildung von Schlieren zu vermeiden.
Fraunhofer hat aber mit g r ö ß e r e r Sorgfalt die Reinheit der Rohmaterialien
und die einzuhaltende T e m p e r a t u r e n beachtet, er hat systematische Versuche angestellt, um die Verunreinigung des Glases durch Rauch und durch die Metalle des Rührapparates sowie durch die Tiegelsubstanz zu vermeiden und die beim Einschmelzen des Glases in die Linsenform, beim Ramollieren, auftretenden optischen Fehler zu verhüten." Bei der Schwierigkeit, welche damals bestand, gleichmäßige und reine Rohmaterialien für die Glasbereitung zu erhalten, Chemiker dem Techniker liefern konnten,
der nur geringen Beihilfe,
welche
und der wenig ausgebildeten F e u e r u n g s -
technik darf es noch als ein vorzügliches Resultat bezeichnet werden, daß Fraunhofer von
1811 —1825
60 Flintglas- und 35 Kronglasschmelzen,
durchschnittlich 6—7 Glasschmelzen
also
in
einem
Jahre
von je 450 — 500 P f u n d Gewicht abführte und
F e i n m e c h a n i k in B a y e r n .
177
dabei von den F l i n t g l a s s c h m e l z e n nahe 27 °/0 und von den K r o n g l a s s c h m e l z e n als v o l l k o m m e n g e l u n g e n b e z e i c h n e n
29%
konnte.
Nicht allein die Herstellung des optischen G l a s e s
s o n d e r n auch die übrigen
Z w e i g e der a n g e w a n d t e n Optik hat F r a u n h o f e r auf ein weit h ö h e r e s Niveau
gehoben,
als es bisher von anderen in D e u t s c h l a n d oder dem Auslande erreicht war.
Fraun-
Fig. 6.
hofer v e r b e s s e r t e
die S c h l e i f -
und
Poliermaschinen,
Gestaltfehler der optischen G l ä s e r n a c h z u w e i s e n durch
Rechnung
die F o r m
fehlerfreier
und
erfand M e ß m e t h o d e n , ermöglichte
Linsenkombinationen
es
um
die
insbesondere
festzustellen.
Haupt-
sächlich war es die B e s t i m m u n g des B r e c h u n g s - und F a r b e n z e r s t r e u u n g s - V e r m ö g e n s verschiedener Glasarten rohre, machte
welche
in b e z u g
bahnbrechend
Fraunhofer
für
anfänglich
später j e d o c h sind dieselben ierten Apparat ausgeführt
auf
die V e r v o l l k o m m n u n g
die
rechnende
mit
einem
mit dem
Optik
einfachen
achromatischer
wurde.
Diese
theodolitartigen
in Fig. 6 w i e d e r g e g e b e n e n
von G l a s p r i s m e n untersucht
Instrumente,
trefflich
und damit i n s b e s o n d e r e die in Fig. 7 g e z e i g t e
Fern-
Messungen konstru-
Sammlung
worden. 12
Ernst
178 Während
so
die
Voit.
unter Fraunhofer
gefertigten Instrumente
o p t i s c h e n Teiles die E r z e u g n i s s e aller d a m a l i g e n W e r k s t ä t t e n
hinsichtlich
im In- u n d
des
Auslande
weit hinter sich z u r ü c k l i e ß e n , w a r e n a u c h die m e c h a n i s c h e n Teile in m u s t e r g ü l t i g e r Weise a u s g e f ü h r t .
Nach
d e m Austritte R e i c h e n b a c h s (1814)
standen Liebherr
und
s p ä t e r M a h l e r d e r m e c h a n i s c h e n W e r k s t ä t t e vor, u n d z e i c h n e t e n sich dieselben ins-
FÍR.
besondere durch hervorragende Ausführung
der
den
astronomischen
Instrumenten
beigegebenen Uhren aus. Von den vielfachen I n s t r u m e n t e n
des
F r a u n h o f e r s c h e n Institutes
sind
noch
ein g r o ß e s M i k r o s k o p mit m i k r o m e t i s c h e r V e r s t e l l u n g d e s O b j e k t t i s c h e s (Fig. 8) u n d ein T e l e s k o p (Fig. 9) hier d a r g e s t e l l t . Eine n u r n a c h a u ß e n b e m e r k l i c h e Ä n d e r u n g trat im J a h r e 1819 d a d u r c h ein, daß auch wurde,
d a s o p t i s c h e Institut
dort
mit d e m
von B e n e d i k t b e u e r n
mathematisch-mechanischen
Institute U t z s c h n e i d e r - F r a u n h o f e r
wieder
nach München
zu einer Anstalt,
dem
verlegt optischen
vereinigt u n d u n t e r d i e s e m N a m e n bis z u m
F r a u n h o f e r s im J a h r e 1826 f o r t g e f ü h r t w u r d e .
Tode
F e i n m e c h a n i k in B a y e r n .
179
Ernst Voit.
180 Ganz München.
selbständig
entwickelte
sich
die
zweite
mechanische Werkstätte
R e i c h e n b a c h hatte nach seinem Austritt aus den Instituten
Reichenbach-Liebherr
und
Utzschneider-Reichenbach-Fraunhofer
in
Utzschneider-
im J a h r e
1814
in
F i g . 9.
Gemeinschaft
mit T r a u g o t t Ertel
Institut R e i c h e n b a c h & Ertel
eine neue Anstalt,
begründet.
Es
waren
das
mathematisch-mechanische
insbesondere
geodätische
und
a s t r o n o m i s c h e M e ß i n s t r u m e n t e , welche hier zur Ausführung k a m e n , und die sich wie die E r z e u g n i s s e der S c h w e s t e r a n s t a l t einen Weltruf
erwarben.
D i e s e beiden M ü n c h e n e r Anstalten bildeten auch eine Pflanzschule für Optiker und M e c h a n i k e r , w e l c h e nicht nur in M ü n c h e n sondern auch im A u s l a n d e befruchtend
Feinmechanik in Bayern.
wirkten.
E s sei vor allem erwähnt,
nachweislich beuern
direkt
oder
hervorgegangen
indirekt sind.
181
daß alle älteren Fabriken aus
von optischem G l a s
der U t z s c h n e i d e r s c h e n
In Benediktbeuern
selbst
Fabrik in Benedikt-
wurden
F r a u n h o f e r s noch zahlreiche S c h m e l z e n von Flint- und K r o n g l a s ausgebildeten Methode optischen Institutes;
abgeführt, j e d o c h
anfänglich
Merz und d e s s e n Söhne. Brenet z u r ü c k g e k e h r t ,
immer
unter Leitung
nur
nach
dem
Tod
mit der von
ihm
für den Bedarf
von Utzschneider,
G u i n a n d war, wie schon
erwähnt,
d e s eigenen
dann
von
Georg
im J a h r e 1814
nach
und z w a r mit dem Gelöbnis, nicht weiter optisches G l a s zu
s c h m e l z e n und d a s Benediktbeurer Verfahren g e h e i m zu halten.
Von dieser A u f l a g e
entband ihn Utzschneider auf sein Bitten im J a h r e 1816, w o g e g e n er auf die bisher erhaltene jährliche Pension verzichtete.
B a l d darauf setzte dann Guinand seine Ver-
s u c h e zur Glasfabrikation in L o c l e fort.
Vergeblich war er bestrebt, Verbindungen mit
der französischen R e g i e r u n g anzuknüpfen und e b e n s o sein Verfahren an die A s t r o n o mische Gesellschaft
in L o n d o n zu verkaufen.
Guinands
älterer S o h n A i m é
führte
noch zu Lebzeiten seines Vaters und mit d e s s e n Beihilfe einige S c h m e l z e n optischen G l a s e s in Brenet a u s , später verlegte dann D a g u e t diese Fabrikation nach F r e i b u r g in der Schweiz. schaft
Von dem zweiten S o h n G u i n a n d s
mit dem Optiker L e r e b o u r s ,
d e s Vaters,
erwarb B o n t e m p s
nach dem 1824
im Jahre 1826 die Kenntnis
erfolgten T o d
in G e m e i n -
P. L. G u i n a n d s
des Guinand-Fraunhoferschen
Verfahrens.
Während es G u i n a n d jun. selbst anfänglich nicht g e l u n g e n war, g u t e S c h m e l z e n
zu
erzielen, erhielt B o n t e m p s in Choisy-le-Roy bald b e s s e r e Resultate; er verläßt j e d o c h 1848 die f r a n z ö s i s c h e Fabrik und siedelt nach E n g l a n d über, wo er die Herstellung des
optischen
Glases
in
Birmingham
bei
Chance
B r o t h e r s