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German Pages 316 Year 1822
C y c I u s, e i n
Versuch über die endliche Cultur des M e n s c h e n g e s c h l e c h t s , in d e r W i s s e n s c h a f t u n d K u n s t .
Von
Carl August
Weinhold,
der Weltweisheit , Arzeneiwisaenschaft nnd Wnndarzeneikunst Doctor, Königl. Preuis. Begierangs - nnd Medicinalrathe, Ritter des rothen Adler-Ordens dritter Ciasse, ordentlichem Professor der Mcdicin an der Universität za Halle und Wittenberg, Diredor der Königl. Ciinik für Chirurgie, der Kaiserlichen LeopoldinischCarolinischen Academie der Naturforscher, der physicalisch - medicinischen Socieiät zu Erlangen, der naturforschenden Gesellschaft za Halle, so wie einiger andern gelehrten Gesellschaften Mitglieds and Ehrenmitglied«.
L e i p z i g , bei
Georg
Joachim
Göschen,
iß-sa*
Seiner
Durchlaucht dem
ürsten
von
Hardenber
Staats - Kanzler er
Preufsischen
ehrfurchtsvoll
Monarchi
zugeeignet
d e m Vveo nr f a s s e r .
Durchlauchtiger Fürst, Höchst verehrtester
Herr
Staats - Kanzler,
E w . D u r c h l a u c h t haben mir erlaubt, I h n e n meinen C y c l u s über W i s s e n s c h a f t und K u n s t zueignen zu dürfen. Ich nehme an, dafs es eine Wissenschaftslehre gebe, welche alles Wissen nach allgemeinen Principien behandeln kann, und bin überzexigt,
unsere
Encyclopädisten
würden der cmltivirten Menschheit einen gröfsern Dienst leisten, die Wissenschaft überhaupt nach solchen geordnet aufzustellen, als sie in alphabetische Ordnung zu pressen, in welcher es dem menschlichen Verstände, welcher gern nach den ihm
einwohnenden Denkformen
denkt,
schwer wird, eine grofse Masse des Wissens aufzufassen. Es ist eine schon den Alten bekannte Sache, dafs es dem menschlichein Geiste nur
durch
wechselseitige Beschäftigung
möglich ist, sich anhaltend mit den Wis«
senschaften zu befassen.
Eigentliche Ar-
beit fordert Anstrengung der auf einen bestimmten Zweck hingerichteten Kräfte ; diese wollen aber auch ihre Erholung haben, und diese Erholung soll wiederum nicht jene passive Ruhe seyn, welche die Zeit verträumt, wie die Opiophagen des Orients. Der Zweck der Erholung ist also nicht das iNichtsthun und ein Tödten der Zeit, sondern eine Beschäftigung, welche das Ausiuhen vom schwierigen Amtsgeschäft gestattet, und sich doch zwecks mäfsig wieder mit demselben vereinigt.
Ew.
Durchlaucht
selbst haben
der
Welt hierin ^uf eine erhabene Art stets vorgeleuchtet; denn
sich von schweren
Staatsgeschäften erholend, •waren es p h i l o s o p h i s c h e B e t r a c h t u n g e n , welche in I h r e m Tusculanum geboren, sogleich in
das L e b e n
traten und wieder an
d a s G e s c h ä f t sich anreiheten,
sobald
sie nur von allen Seiten I h r e r prüfenden Vernunft Stand gehalten. Ist es auch nur Wenigen vergönnt, auf eine so hohe und fruchtbringende Art in das mächtige Triebrad der Zeit einzu-
greifen, müssen sich auf I h r e m erhabenen Standpuncte die Dinge ganz anders gestalten, und erscheinen wir auch den Mächtigen oft nur als unbedeutende Monaden;
so müssen sie doch
höchsten
Intelligenz
auch
der
nachzustreben
suchen, bei welcher das Wohl und W e h e der Vernunftwesen weit höher steht, als Millionen todter Massen des Universums. Bedarf einer der Sterblichen eine Erholung von seinem schwierigen Amtsgeschäft, so ist es der Arzt; täglich treibt er sich innerhalb der Gesetze der Natur»
nothwendigkeit
herum;
er ahnet ihre
Kräfte und scheint sehr viel zu wissen, sobald als es aber zum Handeln kommt, so ist nicht E i n e r da,
der nur einen
Schritt über sie hinaus könnte. Wir sehen unsere L i e b e n oft vor der Zeit dahin schwinden, unsere Vernunft durcheilt vergebens die Räume, um eine Substanz zu finden, die als Gegensatz unnennbare Leiden zu lindern vermöchte, und der Arzt müfste mehr ein Thier, als ein Mensch seyn, wenn nicht Momente seines Lebens eintreten sollten, wo ihn diese Ohnmacht
des menschlichen Wissens tief erschütterte. In solchen Stunden sind die nachstehenden Paragraphen, deren jeder einzelne zu einem ganzen Buche ausgesponnen werden könnte, zur Erheiterung von meinem oft sehr blutigen Geschäfte entstanden. E w . D u r c h l a u c h t mögen sie als einen schwachen Versuch mit Nachsicht gütigst aufnehmen, und bei den sich etwa eingeschlichenen schiefen Ansichten der Verhältnisse annehmen,
dafs sie ein Men-
schenwerk sind, welches durch die freie
geistige Thätigkeit in Schrift und Rede, sehr verbessert und alles Unhaltbare bald beseitigt werden kann.
Ew. D u r c h l a u c h t
Halle, im März ig2e.
ganz gehorsamster Weinhold.
V o r r e d e .
H a t Jemals ein Buch einer Vorrede bedurft, so ist es dfls so eben hier vorliegende.
Ein
unternimmt es, über den g e s a m m t e n griff
Arzt Inbe-
des menschlichen Wissens in kurzen
Sätzen abzuurtheilen,
und spricht von einer
W i s s e n s c l i a f t s l e h r e , nicht etwa im F i c h t ' s e h e n Sinne, auch nicht in dem eines P o l y h i s t o r s , weilerauf e i g n e s
Urtheil
Ansprüche macht; sondern meint alles Ernstes, dafs es eine s o l c h e
Wissenschaftslehre
nach allgemeinen Principien geben könne, und empfiehlt sie unsern ersten deutschen Encyclopädisten, einem E r s c h und G r u b er, zum fern e m Anbau.
Mufs man nicht glauben, er habe
des verdienten B r o c k h a u s
Conversationsle-
xicon fleifsig gelesen, und nun als Copie vou J e a n P a u l diese Olla potrida zusammengetragen , wie wir sie hier vor uns liegen sehen. Ne sutor ultra crepidam! von der T h e o l o g i e
was will ein Arzt
und der
Artillerie,
von den C a d r e s und den i n d i r e c t e n
Ab-
XIV
gaben
wissen.
Sonst schrieben solche L e u t e
n u r ein R e c e p t ,
f ü h l t e n fleifsiger nach dem
P u l s e , w i e jetzt^ mengten sieh nicht in
Phy-
s i k und C h e m i e , ja w e n n es hoch kam, erstreckten sich ihre chemischen Untersuchungen nicht weiter, als auf das t ä g l i c h e U m r ü h r e n jener fäculenten Stoffe; welche das Object der nächtlichen B e u n r u h i g u n g ihrer Kranken g e w e sen.
Jetzt aber w o l l e n diese H e r r e n
mehr allein k u r i e r e n , regieren;
nicht
sondern auch sogar
mit höchster Arroganz sehen sie
sich schon als g r o f s e R e d n e r ,
nicht in der
z w e i t e n Kammer unter.den Gemeinen, nein
in
d e r e r s t e n , auf der gelehrten B a n k , da w o l len sie sitzen.
Der Lehr - W e h r - und Nährstand
w i r d nach i h r e r
W e i s e geordnet; im Lehr-
stande w o l l e n sie s i c h b r ü s t e n , erster über den Wehrstand geht,
weil er als
und hätte ein
s o l c h e r Ä s e u l a p die erste Militär - und Civilgewalt,
er führte K r i e g , nur u m die
Hos-
p i t ä l e r zu füllen. Viele Ärzte der neuesten Zeit gehören g e w i f s z u den u n r e i m i s c h e n hätte sie zu f ü r c h t e n ,
Köpfen
und man
w e n n die sonstige aurea
praxis nicht längst e i n e s i l b e r n e geworden. Jeder sollte sich mit seinem Fache beschäftigen
und keine Allotria treiben, nur dann würde e s g u t s t e h n um die Wissenschaft; allein diese Vielwisser nennen Andere,
welche das ihrige
rechtschaffen gelernt, noch obendrein P e d a n ten.
Wird die alte Ordnung nicht bald herge-
stellt und Jeder in seinen Schranken gehalten, so entsteht am Ende wirklich e i n D i n g Wissenschaftslehre,
von
wodurch die Anma-
fsung der nächsten Generation in das Gränzenlose und Unerhörte geht. wird
sie
pochen,
Auf ihr Verdienst
wie es sonst
geschehen, Greise werden sich vor Schulweisheit
solcher
beugen müssen und keine
Handlung der A u t o r i t ä t e n telt bleiben,
immer
kann unbekrit-
ihre I n t e l l i g e n z e n
wie E x c e l l e n z e n
wird sie
an die Spitze stellen, und
lteiner kann si^h in seinem Posten mehr halten, dem die Natur den i n t e l l i g e n t e n
Stem-
p e l nicht auf die Slirne gedrückt. Und
diese
Schriftsteller,
von W i l l k ü h r ten
Tyrannen;
und sind selbst die g r ö f s bei der geringsten Berüh-
rung ihrer S e l b s t s u c h t flammt,
sie reden
sind sie hoch ent-
dieselbe zu schützen.
Reformiren
werden sie nicht viel, dazu sind sie zu ohnmächtig; aber die öffentliche Meinung
irre
XVI
l e i t e n , durch unaufhörlichen Tadel das V e r trauen
schwächen,
das können sie —
und
dieses ist die schlimmste Umwandlung
der
V e r h ä l t n i s s e iii der n e u e s t e n Z e i t , ist mehr als Pieförm* sie ist denn die Achtung der
sie
Auflösung:,
bestehenden
For-
m e n in der Welt der Geister kann nicht mehr durch ä u f s e r e G e w a l t , innere
Überzeugung
sondern nur durch aufrecht
erhalten
•Werden» Jal
dieses alles ist kein S c h e r z ,
ist völliger E r n s t ;
nein es
wie soll es besser werden,
wenn d i e j e n i g e n , welche Gelegenheit hatten ihren
Geist
was heilig
auszubilden,
nicht
achten,
seyn sollte!
E s kann eine solche
projectirte
Wis-
s e n s c h a f t s l e h r e geben, aber sie mufs nicht absprechend
seyn;
wir
leugnen
allgemeine
Principien über das menschliche Wissen nicht, sie heben aber die b e s o n d e r e
Erkenntnifs
jeder einzelnen Doctrin nicht auf.
W i r sind
überzeugt,
nicht feh-
dafs di
lerfrei handeln, guten Büiger,
Autoritäten
halten aber den für keinen welcher
nichts
unaufhaltsam über sie kritisiren; Staatsdiener,
thut,
als
ist er ein
so kann man ihn cassiren,
XVII
ja dieses ist sogar v o m Oberhause des liberalen Englands s a n c t i o n i r t ,
und darüber in
Deutschland kein W o r t zu die K e t t e
w e n n die
Staatsdiener w o l l e n
Casse
quartaliter
sich öffnet, und Schriftsteller sind sie, ihr E g o i s m u s kitzel wie
es fordert, und der
sie plagt.
die
Dingen
Autor-
so möchten sie
und wäre dann das
unbrauchbar geworden,
der G e h a l t ,
sobald
sollte man sie,
Comödianten!
ihre Künste zeigen, Thier
In
b e i f s e n müssen diese Schriftstel-
l e r , w i e s i e es verdienen; sie s e y n ,
verlieren.
alte
gäbe man we-
noch P e n s i o n .
Auszeichnen
durch Fleifs und Sittlichkeit mufs sich
dieses
V o l k , und wenn sie es nicht wollen, so l ä f s t m a n s i e z i e h e n ; an Menschen fehlt es nicht, der n e u n t e sonst a m land
Mensch
Leben
wird jetzt mehr
erhalten,
längst ausgerechnet;
fehlt
es
das hat an
wie
Hufe-
Menschen
nicht!
Was d e n
Verfasser
selbst betrifft,
so
w o l l e n wir nach dieser Einleitung im Allgemeinen,
sein W e r k nun auch im Besondern be-
rühren; Er hat uns manches über W u n d e n Geschwüre
geschrieben,
und
und deshalb kann b
—
XVIII
—
es schon hingehen, dafs er einmal girt;
extrava-
auch verspricht er bald etwas von den
Brüchen
und V e r r e n k u n g e n
zu liefern,
und dadurch wird er wieder hineingezogen in den Kreis,
den eigentlich
springen
sollte;
Keiner
unsere gröfsten Köpfe
haben
nichts
von
dung
gewufst;
denn was man
Beziehungen des W i s s e n s s p i n n st spuckenden
allgemeiner
auf einen
nennt, ist e i t e l
generelle H i r n ge-
der immer noch hier und da herum neuern
Philosophey.
nichts wider den S t a a t , Sitten,
Das
ein gutes Zei-
und auch die R e c e n s u r ;
guten
Bil-
Centralpunct
Buch hat die C e n s u r passirt, chen,
über-
es enthält
die R e l i g i o n
und
auch die auswärtigen Ver-
hältnisse sind geschont, der T o n ist m o d e r a t und fest gehalten; nur G r i e c h e n l a n d soll frei unter Rufslands Scepter stehn,
das
wird die o s t i n d i s c h e C o m p a g n i e
nicht
gern
eines
sehn —
indessen die F e d e r
S c h r i f t s t e l l e r s erobert k e i n L a n d .
Die
e r s t e A b t h e i l u n g ist am besten gelungen, weil der Verfasser sich in der herumgetrieben, versteht.
Medicinerei
auch etwas von der Physik
Die z w e i t e
könnte besser seyn>
XIX
sie ist viel zu
heterogen,
will
christliche
Moral in der Politik und lauter T u g e n d
im
Staate;
zu
sollen
Herrnhüthern
denn
alle
werden?
ist des alten K a n t
Staatsdiener In der
dritten
Criticismus trefflich gerit-
ten , und das e i n z i g e V e r d i e n s t des Verfassers wohl nur, eine schwere Philosophie verständlich zu machen ; jedoch wollen w i r auch billig i h m e i n U r t h e i l
allein
zusprechen,
aufgewärmt mufs es werden, dafs ein Leipziger Recensent gesagt,
er habe aus seinem
Buche ein neues gemacht; denn die senten
sind ihm selten hold,
ihnen weder
Schwäger,
alten
Recen-
er hat unter
noch
Vettern,
die gern und willig sein Lob übernähmen, und wird dieses nicht bestellt, so dauert es lange, ehe es Kommt. gewartet. roth
Fünf Jahre hat er vergebens
Schütz,
E i c h s t ä d t und H e i n -
sind seine Freunde, sie können es aber
nicht z w i n g e n , ihr W e g ist o f f e n und r e d lich;
die Recensenten
mufs
man
kennen,
dann hat man d o p p e l t e n G e w i n n , wird man lobend und preisend mit und
Posaunen
zweitens
erstens
Cymbeln
in die Welt geführt,
unterbleibt
jede
andere
und
strenge
— Critik,
xx
w e n n man in H a l l e ,
Leipzig
Jena
und
bereits die Plätze belegt.
Alle wollen
recensirt
n e r will r e c e n s i r e n ,
seyn und
Kei-
der etwas treibt, was
sich besser v e r i n t e r e s s i r t .
So gehe nun
hin, liebes Büchlein! und erlebe dein S c h i c k sal;
vielleicht wirst du wenig gelesen, viel-
leicht auch viel. Eine C o n s e r v a t i o n s b r i l l e die Leser
beitn Drucke
Deine Sätze sind k u r z , das A u g e
dieses Buchs nicht. haben sie nur einmal
erreicht, so springen sie bald hin-
über in jenes u n s i c h t b a r e welchem
sie
gestaltend, st ehn.
brauchen
durch Reibung
I d e e n r e i c h , in etwas
Besseres
zum zweitenmal wieder
au f e r -
Zwischen jedem Paragraphen gieb dei-
nen Verehrern R a u m , damit die S p a n n u n g des D e n k e n s Verdauung
sie nicht erschöpfe, noch ihre verletze.
mufs n i r g e n d s
incommodiren,
seyn, wie Honigseim. Seiner Höhle, Dinge,
Das rechte Studiren
die
Der K ö r p e r ,
Seele,
sind die
es mufs und in zwei
durch welche die M e d i t a t i o n als
ein D r i t t e s ,
als ein P r o d u c t von b e i d e n
nur allein möglich ist.
Der S t a h l allein giebt
keine Funken; auch nicht der S t e i n .
I
n
h
Erste C y c l u s ,
ein
C u l t u r
des
i.
und Redekunst. logie.
Rationalismus.
Chirurgie. dem
e n d l i c h e
Astronomie
2.
—
8. Logik.
9.
i4.
Dicht-
» 6 . Facullütswisscnschafleu,
Theo-
19.
Wege.
20. Supernalnralisnuis und
2 2 — 2 5 . Unglaube.
3 2 . Medicin.
Versuch.
G. P h i -
Moralphilosophie.
1 1 . Philosophische Hechtslehre.
1 8 . Calvin.
speculaliven
der
und M a t h e m a t i k . 3 .
5 . P h y s i k und C h e m i e .
Religionslebre.
i 5 . Tonkunst.
in
i s s e n s c h a f t .
33.
3 6 . Augenheilkunde.
Gruithuisens
die
l 3 . D i e K u n s t , Plastik und M a l e r e i .
2 1 . Glaube. 3o
ü b e r
W
4 . Geographie.
17. Luther.
risprudenz.
auf
u n d
Einleitung;.
1 0 . Philosophische 1 2 . Psychologie.
.
Abtheilung.
Naturphilosophie.
7.
t
M e n s c h e n g e s c h l e c h t s
Naturgeschichte. losophie.
l
V e r s u c h
K u n s t Vorrede.
a
26 —
3 7 . 3 8 . Biologie. 4o
—
42.
Schelling.
43 —
45. und
besondern Naturlebens durch die Physik u n d Chemie , Malus.
48.
4g. V o l t a ' s S ä u l e .
chemiscke Batterie. Procefs.
Erklärung
35.
3g. Biologie
des allgemeinen
Galvanismus.
4(5.
2(j. J u -
3 4 . Medicinalpolizei,
5o. Davy.
62. Magnetismus,
5 l . Die eleclrisch-
E l e c t r i c i t ä t und chemischer
5 3 . A b w e i c h u n g der Magnetnadel zwischen zwei
scheu S ä u l e n .
5 4 . Einflufs
des Magnets a u f
Voltai-
die K r i s t a l l i s a t i o n .
XXII 5 5 . Örstedts Versuch.
56. Dnlton.
schreiten der P h y s i k
uud Chemie.
system ,
Blutgefafssystem,
5-]. Folgerung; Uber das F o r t 58. P h y s i o l o g i e .
einsaugendes System.
5y.
Nerven-
6o. Das N e r v e n -
leben, als m o d i f i c i r t e electrische Erscheinung i m Organismus. Physiologische
Versuche
an T h i e l e n .
sivkraft i m thierischcn O r g a n i s m u s .
6 3 — 65. Nachweisuug eines
66. 6 7 . A n t h r o p o l o g i e ,
Polaritätsgesetzes in demselben.
68. Character.
schaft u n d V e r n u n f t .
GJ.
6 2 . Attractiv - u n d E x p a n Leiden-
69. T e m p e r a m e n t .
70. D i e
Verdrufskraukheit.
7 1 . Cerebralncrveusyslem und Gaugliensystem.
72. Die
gesunden
Psyche
im
uud kranken N e r v e n s y s t e m .
^3 —
76. S o m n a m b u l i s m u s u n d thierischer Magnetismus.
Zweite Allgemeinere Cultur
Abtheilnng.
Betrachtungen
des
7 7 . L a u f der Cultur u m die E r d e .
ter.
84.
Cultur
der Chinesen.
lich - europäische Cultur. lung.
78. 7g. Gehirnbau und
80. Indische Cultur.
8 2 . Cultur der Perser.
88. Sittliche B i l d u n g .
Römer.
9 2 . y3. A m e r i k a .
io3. Kraft,
U l i , D e r A d e l der Nation, Republikauismus. handlung, Wahlen. i m Staate.
Intelligenz
100. Die V e r -
die Debatte.
Spanier u n d Portugiesen. 116.
iio.
Die
Intelligenz als zweite B e d i n g u n g
D i e christliche Moral in der Politik.
n 5 . D i e Britten.
106.
108. D i e öifeutliche V e r -
1 0 9 . Revision der Verfassung,
I i i . T u g e n d als erste, 112.
102. Die bei-
u n d G e m ü t h i m Staate.
l o ö , Ultraismus u n d D e m a g o g i e .
1 0 7 . D e r Geburtsadel.
europäischen V ö l k e r , sen.
96. Nationalhais. 98. Vei f i u s t e r u n g s -
1 0 1 . D i e executive u n d legislative G e w a l t .
den K a m m e r n .
9 1 . Christ-
94. Staatenentwicke-
99. die erbliche Monarchie.
der V ö l k e r .
86. 8 7 . D i e
85. Die Griechen. 89. 90. D i e G e r m a n e n .
97. Leidenschaftliche u n d verständige V ö l k e r . fassung.
81. Indi-
83. Cultur der Ä g y p -
95. Vaterlandsliebe u n d WeUbürgersinu.
system
die
Menschengeschlechts.
intellectuelle B i l d u n g der Bassen. sches Castenwesen.
über
D i e Deutschen.
llj.
Die
Ii4. Die Franzo1X7. Deutschlands
XXIII 118.
F ü d e r a t i v v e rfassuDg und Recht a m W e l t h a n d e l . i n Deutschland,
119*
Italien
12X. Uugam.
•vien.
124. Rufsland.
1 2 0 . Scandina—
a l s Förlerativstant.
1 2 2 . Polen,
Slavcnstämme Osl.crreich,
123. Preufsen lind
1 2 6 Die europäische S t a a l e n -
125. G r i e c h e n l a n d .
1 2 7 . Emancipation der Colonieen.
farnilie i m heiligen B u n d e . europäischen F i n a n z e n . wehren. rie.
i 5 o . Die stehenden Heere.
i 3 2 . Das F u f s v o l k .
i 3 4 . Die A r t i l l e -
i 3 6 . Die Cadres.
137.
i 3 8 . Das S t a a t s e i n k o m m e n , die directen lind
indirecten A b g a b e n .
i 3 g . W i r k u n g auf die untern
l 4 o . Das A r m e n w e s e n , nufacturen.
i 3 l . Die L a n d -
i 3 3 . Die Reiterei.
i 3 5 . Geist des n e u e m Kriegssystems.
Die Befestigungskunst.
.123.
1 2 9 . Die
D r u c k d e r V ö l k e r u n t e r einer eisernen N o t w e n d i g k e i t .
Volksclassen. i 4 2 . Die M a -
l i l . Die C o m n m n a l s t e n e r .
143. T e c h n o l o g i e .
1 i5. L u f t -
i 4 4 . Schilfsbaukunst.
schiffahrt.
Dritte • p h i l o s o p h i s c h e
Abtheilung.
A n s i c h t e n
u n d
die
i 4 6 . Zeit u u d R a u m . l4y.
>ermügen. i64.
1 G 1 . Das G e f ü h l ,
Schlieisen, 176.
i 4 8 . Die D i n g e an sich.
i53. Kraft,
i54. Bewegung.
Das Dämonische Das höchste G u t .
keit,
l y ö . Vorsehung,
Urtheilskraft. 1 G 8 .
1 7 1 . Bewufstseyn. 1 7 2 .
174. Begeisterung.
177,
1 8 2 . Bestimmung.
190.
167.
1 7 0 , Denken.
173. Phantasie.
192.
i55.
1 G 0 . Das B e g e h r u n g s -
1 G 2 . l 6 3 . Das E r k e n n t n i s v e r m ö g e n . Verstand.
Immaterialgut.
1 8 1 , Sittlichkeit.
Wesen.
16G.
1 6 9 . Beweis,
Einbildungskraft. merei.
147. M a t e r i e .
167 — l 5 g . F r e i h e i t .
l65. Vernunft.
W e l t
M e n s c h e n .
1 Ö 2 . Körperwelt.
l 5 6 . Ursächlichkeit.
die
i 5 o . Metaphysische E r k e u u t n i i s . 1 0 1 .
Die Erscheinungen.
Erfahrung.
ü b e r
178.
175. S c h w ä r -
Unsterblichkeit.
i 8 3 — i 8 5 . Tugend.
in d e r Menschenuatur. i g 3 . D i e Selbstliebe.
191.
179
—
18G —
Das Laster.
ig4. Notwendig-
19G. Der Mensch als eingeschränkt - freies
1 9 7 . Das Reich Gottes.
1 9 8 , Die N a t u r .
1 9 9 . 2 0 0 . Dia
XXIV Welt.
201. D i e Seele.
Atheismus.
mus.
202. 203. Die höchste Intelligenz.
2o5. Selbstvei niclitung.
Das Vergnügen. den.
—
208. Die Triebe.
20G. Seelenschmerz.
2oi. 207.
20g. Die Affecte und Begier-
210. Der wechselseitige Einfluis der Psyche untl des Organis21 Ii 212.
Der Mcnsch.
D i e Lehre von der W e l t . Wahrscheinlichkeit.
210. 2 i 4 .
Die Schöpfung.
216. Fortgang der Beihe.
219. 220. Weltwcisheit.
2i5.
217 218.
221. S c h l u ß .
C y c 1 u s, ein
Versuch über die endliche Cultur des Menschengeschlechts in
der K u n s t E r s t e
und
Wissenschaft.
Abt h eilung.
6.
i.
Einleitung. I m Gespräch m i t
einigen philosophischen Freunden
üufserte ich einstmals : a l l e u n d j e d e C u l t u r Menschengeschlechts Kreis
und
eine
durchlaufe
unendliche
d e s s e l b e n sey au sich n i c h t D i e Freunde
entgegneten:
des
einen
Ausbildung
denkbar.
dieser G e d a n k e
sey
ihnen zu n i e d e r s c h l a g e n d , und dem F o r t s c h r e i t e n der M e n s c h h e i t k ö n n e e i g e n t l i c h durch nichts ein Z i e l gesetzt w e r d e n . Auf die w e i t e r e F r a g e :
w o dieses F o r t s c h r e i t e n
w o h l a u f h ö r e n solle, und w i e sie sich e i n e so h y p e i -
cultivirte Menschheit dächten ? nahmen sie ihre Zuflucht zu dem Gefühl und der Phantasie, welche, in eine
ferne geistige W e l t h i n ü b e r r e i c h e n d ,
gewifs
einer unendlichen Ausbildung fähig seyen. W i e gewöhnlich w u r d e auch in dieser Unterhaltung der Stoff weder r u h i g durchdacht, noch rein ausgesponnen,
w e i l jeder sein vermeintliches R e c h t
mit gleicher Beharrlichkeit verfocht. Ich blieb d a b e y , dafs auf unsrer endlichen Erde die Ausbildung des Menschen nur eine
endliche
seyn k ö n n e , dafs sie in jedem Gebiete des menschlichen W i s s e n s
einen Cyclus
durchlaufe
und
dafs
dieser sogar einer muthmafslichcn Berechnung unterliege. Wir
sind keine Peripatetiker mehr und unser
heutiges Leben hat alle lebendige Unterhaltung über ernstere Gegenstände des menschlichen Wissens die M a u e r n academischer Hörsäle
in
zurückgedrängt.
. I m Verfolg der gedachten Unterredung entstanden also diese Blätter als der Ycrsuch eines Beweises, dafs das lleicli der wahren Wissenschaft ohne Phantasie wolil erkannt sev und dafs w i r eine Ahnung von dem Ziele hätten, welches der endliche Mensch auf dieser sublunarischen W e l t zu erreichen vermöge. fi.
2.
Astronomie und
Mathematik.
A s t r o n o m i e und M a t h e m a t i k sind unstreit i «D als die auf Erden vollendetsten Wissenschaften anzusehen.
In
Folge
der
Mathematiker
Übereinstimmung
d ü r f t e in
unsrer
ihrem Gebiete
besten
wenig
mehr
z u b e r i c h t i g e n u n d f a s t n i c h t s m e h r zu e r f i n d e n s e y n . S e i t J a h r t a u s e n d e n s t e h t die M a t h e m a t i k auf H a u p t f u n d a m e n t e n fest u n d trotzt jeder des
schärfsten
menschlichen
ihren
Einwendung Eben
so
e r s c h ö p f e n d h a b e n i n den l e t z t e r n J a h r h u n d e r t e n
die
Sternkundigen gearbeitet. der
Planetenbahnen
keit
und
bestimmen
Verstandes.
Sie b e r e c h n e n d e n mit der gröfsten
die Z e i t ihres
und
Newton
Genauig-
Durchkreutzens
und Zusammentreffens für kommende Kepler
Lauf
haben
Jahrhunderte. bewiesen,
wie
w e i t h i e r i n der m e n s c h l i c h e G e i s t v o r z u s c h r e i t e n v e r mochte.
I I e r s c h e 1 h a t u n s in s e i n e m R i e s e n t e l e s c o p
e i n e V e r g r ö f s e r u n g g e z e i g t , w e l c h e , f ü r das m e n s c h liche
Auge
fast übergrofs,
nur
zur
Untersuchung
d e r f e r n s t e n N e b e l f l e c k e sich b r a u c h b a r z e i g t . B e s t ä t i g t e sich
Chladni's
Idee,
dafs in e i n e r
bestimmten Himmelsgegend Sterne verschwinden mit
erneuertem Glänze
auch
wieder
erscheinen;
das S c h a f f e n u n d Z e r s t ö r e n ,
und
so w ä r e
das S t e r b e n
und
G e b o r e n w e r d e n im H i m m e l s r a u m e n a c h g e w i e s e n
und
d a s s e l b e Gesetz des e w i g e n K r e i s l a u f s t r ä f e , w i e d i e N a t u r , so a u c h die S t e r n e n w e l t als eine e n d l i c h e u n d geschaffene. Werden
innerhalb
der n ä c h s t k o m m e n d e n
Jahr-
h u n d e r t e die K o m e t e n b a h n e n genauer beobachtet
und
b e s t i m m t , so h a t a u c h d i e S t e r n k u n d e f ü r d e n E r d e n bürger
einen
Kreis
durchlaufen,
als e n d l i c h e r M e n s c h n i c h t m e h r
über
welchen
hinauskann.
er
—
4
6-
—
3-
Naturgeschichte. E i n e dritte W i s s e n s e t a f t , deren Vollendung vielleicht
schon
in
dem
nächsten
Jahrhunderte
s t e h t , ist die N a t u r g e s c h i c h t e ,
bevor-
i n s o f e r n sie d i e
B e s c h r e i b u n g aller P r o d u c t e des E r d k ö r p e r s e n t h ä l t . Die
Fossilien
können
wir
nur
in
so
weit
kennen lernen,
als die O b e r f l ä c h e der E r d e ,
unsere
Bergwerke
jene
welche
und
u n t e r dem U r g r a n i t uns
darbieten.
vulkanischen
Massen,
hervorzubrechen
Jedes tiefere
scheinen,
Eindringen
ist
sie dem
s c h w a c h e n M e n s c h e n u n m ö g l i c h ; der K a m p f m i t d e n E l e m e n t e n setzt ihm ungeheure und unüberwindliche Schwierigkeiten
entgegen.
Die noch unentdeckten P f l a n z e n des E r d b o d e n s
werden
sammt
lernen.
kennen
Asiens, lands
Afrikas,
durchspähen.
wir
nach
Wir
und nach
werden
Amerikas Wir
und T h i e r e
werden
das
insgeInnere
und
Neuhol-
die
Taucher-
g l o c k e n o c h m e h r v e r v o l l k o m m n e n , die n o c h u n b e k a n n t e n S e e t h i e r e u n d S e e g e w ä c h s e bis auf den t i e f sten M e e r e s g r u n d schichte,
verfolgen
und
so
als N a t u r b e s c h r e i b u n g ,
die
Naturge-
gänzlich
vervoll-
kommnen. 8-
4-
Geographie. Die Keisen
Erdbeschreibung um
die E r d e
und
durch
wird
durch
das g e n a u e
unsere Erfor-
sehen
ihres Fliichenzustandes
noch sehr
erweitert,
aber niemals ganz vollendet werden. Was
auch
erfinden m a g ,
der
menschliche
Geist
wagen
und
bis an die P o l e werden w i r niemals
gelangen; kein irdisches W e s e n wird der alles erstarrenden Kälte
jener R e g i o n e n
zu
widerstehen
ver-
mögen , durch sie ist eine ewige K l u f t befestiget. fi-
5-
P h y s i k und C h e m i e . Der P h y s i k
und C h e m i e ,
als T h e i l e n
grofsen allgemeinen Naturwissenschaft, jetzt
der
welche eben
dem Gipfelschwung ihrer glänzenden L a u f b a h n
entgegeneilen, müssen wir noch eine ganz Betrachtung w i d m e n ,
weil
besondere
aus i h n e n , scheinbar zu
unabsehbaren Entdeckungen
hinführend,
die Haupt-
beweise für ein unendliches Fortschreiten des menschlichen Geistes gewonnen werden könnten. Es
wird
deutlich,
uns dieses aber
als bis w i r ,
nicht eher klar
das i n t e l l e c t u e l l e
und Wis-
s e n des Erdenbewohners durchlaufend, in das K u n s t gebiet
hinübergegangen,
zeigen,
dafs beide ihren
irdischen Kreislauf fast vollendet haben. 6-
6.
Philosophie. D i e P h i l o s o p h i e kündigt uns sehr stolz im Allgemeinen
an,
dafs die drei G r u n d v e r m ö g e n
der
menschlichen Seele, das V o r s t e l l u n g s - G e f ü h l s uncl B e g e h r u n g s v e r m ö g e n
einer in das Grän-
_
zenlose
fortschreitenden
6
—
Entwickelung
und
Aus-
bildung fällig seyen. Ist damit der entkörperte Geist des Menschen gemeint,
so stimmen w i r h e i ; behauptet sie dieses
aber von der an einen t h i e r i s c h e n
Organismus
gefesselten S e e l e , so entgegnen w i r : dafs diese Philosophie ohne die Kenntnisse der Fortschritte unsrer neuern P h y s i o l o g i e ein Phantom seyn und bleiben werde.
Alle metaphysischen Versuche
Grundlage,
ohne diese
ohne die genaueste Kenntnifs der beleb-
ten Organismen müssen zu den leersten Hypothesen führen. D i e j e n i g e n Philosophen, w e l c h e hinfort keine P h y siologen seyn werden , können uns nicht mehr Aufschlüsse über das W e s e n der menschlichen Seele geben. Die B i o l o g i e logie
ist zu genau mit der P s y c h o -
verschmolzen, als dafs sie w i e d e r jemals ge-
trennt werden könnte. Und demnach werden w i r nie zur F r k e n n t n i f s des Unendlichen gelangen.
eigentlichen W a s wissen
w i r seit P l a t o von den höchsten Ideen der Vernunft, von Gott, von Unsterblichkeit und S e e l e ?
W a s wird
jemals ein Sterblicher durch die Vernunft
darüber
e r f a h r e n , als n i c h t s ? W a r es nicht K a n t ' s
alles zermalmender Kriti-
c i s m u s , w e l c h e r uns dieses l e h r t e ?
W a r er es nicht,
der die Schranken erkannte, w e l c h e die e w i g e n Geheimnisse dem menschlichen Geiste gesetzt h a b e n ? Alles w a s F i c h t e , w a s Andere nach ihm gesagt, ist w e i t entfernt dieselben zu durchbrechen.
Mögen
diese Versuche d a s t e h e n ,
als edle B e m ü h u n g e n des
menschlichen Geistes, das Gefängnifs zu zersprengen, in welches uns eine grofse Schuld g e b a n n t hat. fl.
7-
Naturphilosophie. Von einer V e r e i n i g u n g t r a n s c c n d e n t a l e r , das Sinnliche übersteigender Ideen mit einer speculativen P h y sik u n d Chemie zu einer neuen u n d geläuterten N a turphilosophie handeln w i r s p ä t e r h i n : h i e r n u r vorerst so v i e l ,
dafs sie
nothwendig
durch jede n e u e
E n t d e c k u n g in der eigentlich empirischen N a t u r l e h r e jedesmal grofse U m w a n d e l u n g e n erleiden muís. fj.
8-
L o g i k . D e r L i O g i k , oder der W i s s e n s c h a f t der u r s p r ü n g chen F o r m e n des D e n k e n s , ist als P r o p ä d e u t i k der gesammten philosophischen W i s s e n s c h a f t e n seit A r i s t o t e l e s eine Ausbildung g e w o r d e n , w e l c h e fast nichts mehr zu w ü n s c h e n übrig lälst. D i e drei höchsten Gesetze des D e n k e n s , der l o g i schen M ö g 1 i c Ii k e i t , W i r k 11 c h k e i t u n d
N o t -
w e n d i g k e i t lassen uns die W a h r h e i t in vielen Fällen beinahe mit mathematischer G e w i f s h e i t f i n d e n . Ö.
9-
Moralphilosophie. Da wo schmilzt, im
die P h i l o s o p h i e mit der Religion eigentlichen Gebiete der
ver-
Moralphi-
losophie,
i n d e r S p h ä r e der
t u r und B i l d u n g
sittlichen
Cul-
des M e n s c h e n , h a t m a n v o r z ü g -
l i c h g e m e i n t , s e y der S c h a t z z u e r h e b e n u n d ein u n e n d l i c h e s F o r t s c h r e i t e n des M e n s c h e n g e s c h l e c h t s m ö g l i c h . U n d w e n n w i r m i t S c o r p i o n e n g e z ü c h t i g e t w ü r d e n , so fallen w i r
d e n n o c h i m m e r w i e d e r in die B a n d e
Selbstsucht zurück,
aus w e l c h e n
der
durch eigne K r a f t
o h n e H ü l f e v o n O b e n k e i n e E r l ö s u n g ist.
J a der D ä -
m o n des B ö s e n im M e n s c h e n r e g t sich am s t ä r k s t e n , wenn
man
eben
Eifer
und
der
im B e g r i f f i s t , höchsten
Kraft
m i t dem
stärksten
zur T u g e n d
anzu-
streben. D a s höchste Sittengesetz hat auf E r d e n n u r E i n e r e r r e i c h t , dem k e i n S t e r b l i c h e r j e m a l s an R e i n h e i t der G e s i n n u n g gleich k o m m e n w i r d . cher Kraft erfüllt.
Er war
mit göttli-
J e d o c h m u f s t e er die E i n f l ü s s e des
L e i b e s u n d der i r d i s c h - m e n s c h l i c h e n N a t u r n a c h dein unerforschlichen Willen
des E w i g e n
ertragen
und
n u r i n dem K a m p f e u n d S c h m e r z , w e l c h e r j e d e m S t e r b lichen zur L ä u t e r u n g höherer Sittlichkeit zwar höchst nothwendig
ist,
hier
aber
o f t d i e K r ä f t e des rein
M e n s c h l i c h e n überstieg, half ihm seine göttliche N a t u r e u r E r r e i c h u n g des h ö c h s t e n Z w e c k s . Uns Liebe
allen und
bleibt
nichts
Hoffnung,
übrig, jenes
als
Glaube,
a h n u n g s v o l l e Seh-
n e n ü b e r alles E n d l i c h e h i n a u s i n das U n b e g r e i f l i c h e , welches von Geschöpfen mit
menschlicher
Organisa-
t i o n , s t e h e a u c h die E r d e n o c h J a h r t a u s e n d e ,
niemals
erforscht werden wird. G e i s t des M e n s c h e n , s c h l i e f s e d i c h h i e r d u r c h den
Glauben sonst
an die U n v e r g ä n g l i c h k e i t
w i r s t du
nimmer
des E w i g e n
ruhn, nimmer mit dir
an, einig
weiden. ö-
10.
Philosophische
lieligionslehre.
U n d h a s t d u k e i n e n G l a u b e n a n d i e O f f e n b a r u no" g s o n i m m d i e F a c k e l der P h i l o s o p h i e u n d b e l e u c h t e i h r Gebiet vom
A u f g a n g bis zum N i e d e r g a n g , u n d
dein
W i s s e n w i r d d i r s a g e n , dafs w i r n i c h t s w i s s e n .
Du
hast einen Cirkel d u r c h l a u f e n :
d e n n , vom k i n d l i c h e n
Glauben a u s g e g a n g e n , bist du mit deiner V e r n u n f t b e i d e m G l a u b e n an d a s D a s e y n
eines
d e m G l a u b e n an d i e U n s t e r b l i c h k e i t des Geistes w i e d e r
Gottes,
bei
menschlichen
angelangt.
E s h a t d i r v o r d e m A b g r u n d e der e w i g e n V e r n i i i i tung geschaudert u n d w a r dein Geist von Gott ausgeg a n g e n , so e r w a c h t e er m i t d e m G l a u b e n an e i n e w i g e s Sittengesetz. den;
denn
B e l o h n u n g und Bestrafung w i r d dir w e r du
hast
deine
dir
zugemessene
Freiheit
g e h a b t ; a u c h s o l l d i r n u r das z u g e r e c h n e t w e r d e n , w i e d u i n A n g e m e s s e n h e i t der A u s b i l d u n g d e i n e s G e i s t e s f r e i oder
unfrei gehandelt hast.
W i e v i e l e g i e b t es
aber , w e l c h e w e d e r eine geoffenbarte, noch eine Vernunftreligion wollen und glauben.
Ihr Götze ist die
N a t u r , d i e N a t u r i s t i h r G o t t , den s i e a n b e t e n ; T o d ist das V e r f l ü c h t i g e n d e r M a t e r i e zu n e u e n men und Gestalten;
die
sinnliche Glückseligkeit
ihr Forist
ihr letzter Z w e c k . Sie
t r e n n e n w e d e r d i e N a t u r v o n der
Freiheit,
noch ordnen sie dieselbe als eine geschaffene unter Gott, sondern die Natur ist ihr Gott. Diese Art zu Philosophiren und zu Denken ist ein Cyclus, welcher als A t h e i s m u s seine Bahn beschliefst. 0.
Philosophische
11.
ßechtslehre.
Der Mensch ist Z w e c k a n s i c h und darf als ein sittliches Wesen nie als blofses Mittel für den beliebigen Zweck eines andern Wesens behandelt werden. Dieses angeborne Recht der Menschheit ist das Recht des Menschen auf seine Persönlichkeit. So sagt das Natur - und Völkerrecht. W i e steht es aber in der W i r k l i c h k e i t und in dem sogenannten practischen Leben ? Der asiatischen Trägheit, der afrikanischen Sclaverei können w i r keinen Vorwurf machen, da selbst das christlich gesinnte Europa in dieser Hinsicht noch auf einer sehr niedem Stufe steht. Tausende von Leibeigenen leben noch unter uns, tausend Dinge liegen aufser unserm Wirkungsvermögen, aber Vieles unterlassen w i r , wo wir wohl helfen könnten. O, du egoistisches Geschlecht, das weder Erfahrung, noch Nachdenken jemals zu bessern vermögen. Für ein nach stetem Wohlleben strebendes Daseyn giebst du eine E w i g k e i t hin. Die Entwickelung moralischer und intellectueller W e s e n , als himmlischer Ausflüsse der Gottheit, zu
—
11
—
einer höhern und bessern Erkenntnifs
unsers Seyns,
ist das allgemeine R e c l i t , auf w e l c h e s die gesammte Menschheit Ansprüche machen kann.
E i n Höchstes,
welches z w a r sehr fern l i e g t , aber f ü r die Menschen immer noch erreichbar bleibt, ist die Steigerung jenes Rechts zum W e l t b ü r g e r r e c h t e , wodurch die Menschheit als ein Brudervolk nach den Forderungen
der
höchsten Vernunft ihrem Ideale entgegenstrebt. Das Unterdrücken Entwickelung
der
der Menschen
Ewigen, ist Zerstörung. Zerstören ein W e r k
sittlich - intellectuellen ist
Verbrechen
am
S c h a f f e n ist Gott ähnlich.
der W e l t v e r w ü s t e r .
Da
sich
nun aber die Menschheit auf der S t u f e befindet, w o das Thier eben anfängt edler, das h e i f s t , M e n s c h zu werden , so schcint es , als w e n n es der christlichen Cultur,
von welcher w i r so viel
erwarten,
besser ergehn w ü r d e , als der auf den Höhen Tibet
gebornen,
als
nicht von
der spätem griechischen und
l ö m i s c h e n j sie w i l d steigen und sinken. 6-
12.
Psychologie. D i e Glänzen der P s y c h o l o g i e sind noch nicht gezogen.
D e r Mensch kann das W e s e n eines Geistes
nicht ergründen j ja selbst die Art und W e i s e
seiner
Verbindung mit dem Organismus w i r d ein Geheimnifs bleiben. So v i e l ist g e w i f s ,
dafs etwas in uns ist und
nach andern Gesetzen l e b t , als die s i n d , welche w i r in der äufsern Natur wahrnehmen.
Das
Nerven-
System ist dasjenige Organ, durch welches die geistigen Thätigkeiten wirksam sind und zwar zunäjchst die Nervengeflechte des Unterleibes für das Begehrungsvermögen, die Triebe, die Nervengeflechte der Brust für die Gefühle, und das grofse und kleine Gehirn für den Verstand, die Urtheilskraft und die Vernunft. Gehirn und Nervensystem würden aber noch viel ¿u materiell, viel zu starr seyn, als dafs die menschliche Seele sie zu Werkzeugen ihrer Thätigkeit gebrauchen könnte, wenn es nicht ein weit feineres materielles Medium gäbe , durch welches sie auf den Organismus einwirkte und dieses nennen wir L e b e n s kraft. Klar wird dieses Verhältnifs, wenn w i r die geistigen Kräfte und die Naturkräfte neben einander bestehen lassen. Mögen Andere in ihrer Einheit ihre Befriedigung finden. 6-
Die P l a s t i k
13-
Künste. und
M a l e r e i .
Einen eben so fest geschlossenen Kreis, wie ihn uns die philosophischen Wissenschaften darbieten, erblicken w i r im G e b i e t e d e r K u n s t . Die p l a s t i s c h e Kunst hatte bereits unter den Griechen eine Höhe erreicht, die mit dem A p o l l von B e l v e d e r e , dem L a o k o o n und einigen andern Kunstwerken mehr den Kreis alles Bildens dieser Art für das Menschengeschlecht auf immer abgeschlossen zu
—
haben scheint.
13
—
W a s ist seit dieser Zeit geleistet,
und w o sind diese M u s t e r w e r k e übertroffen worden ? Canova und T h o r w a l d s e n ,
welche ich selbst in
ihren W e r k s t ä t t e n zu Rom besuchte , haben niemals g e s a g t , dafs irgend eine Statue bis auf unsre Zeit dem Apoll gleichkomme, reichbar.
sie halten ihn für uner-
Und wo soll die e i g e n t ü m l i c h e nationale
Kunst entstehen, von der man hier und da g e t r ä u m t ? Michael
Angelo, Correggio
und
Raphael,
diese Riesen der K u n s t w e l t , wer hat sie erreicht? D i e P e t e r s k i r c h e i n R o m , das erstaunungswürdigste Menschenwerk der neuern B a u k u n s t , w e l ches
an Höhe
die ägyptischen Pyramiden
und an
Kunstverschwendung alles übertrifft, w a s jemals die kühnste Phantasie nur zu träumen w a g t e ; die Sixtinische Capelle, die Gallerieen , der Vatikan , das Capitol , w o werden sie zum zweitenmal entstehen ? 5-
Dicht-und Aescliylus,
i4-
Redekunst.
Sopliocles
und
Euripides
glänzten schon vor zweitausend Jahren in der tragischen Form der Poesie, und selbst nach S h a k s p e a r e ' s , R a c i n e ' s und S c h i l l e r ' s Urtheil stehen sie noch
als
unübertreffliche Muster der Nachahmung
da.
In den übrigen Formen von der I i i a d e und
O d y s s e e bis zu V i r g i l s Ä n e i d e
und den
Me-
tamorphosen
d e s O v i d zählt fast jede Nation
unübertreffliche
Schöpfer
ähnlicher
Meisterwerke;
—
i4
—
w i e die Italiener ihren D a n t e , A r i o s t und T a s s o ; die Proven^alen den F e t r a r k a ; C e r v a n t e s und C a l d e r ó n ;
die Spanier ihren
die Portugiesen ihren
C a m o e 11 s ; die Britten S h a k s p e a r e , M i l t o n und Swift;
und
wie
reich
sind
die
Deutschen
Klopstock, Wieland, Schiller, In
der Redekunst
der
an
Göthe!
neuem Zeit sind w i r
bekanntlich keine D e m o s t h e n e ,
und hätte nicht
Englands Verfassung — bei allen ihren grofsen Fehlern dennoch ein Palladium der Menschheit— der napoleonischen Weltherrschaft kräftig widerstanden und so einem P i t t ,
F o x und S h e r i d a n Gelegenheit ver-
schafft, vernünftiger Rede Zauberkraft lebendig zu erhalten;
so
wäre
wahrscheinlich die Rede
französischen Senateurs an den neugebornen von Rom und Prachtstück
der Gouvernante Antwort
dieser
erhabenen
jenes König
das letzte
menschlichen
Kunst
gewesen. Ö-
»5-
T o n k u n s t . Die T o n k u n s t ,
wenn sie nicht einen blofsen
Klingklang als Kitzel der Ohren hervorbringt,
son-
deen wenn sie im Innern ihre Bestimmung erfüllt und ein treuer Ausdruck der innern Zustände des Gefühlvermögens seyn soll, so hat sie sich in tausendfältigen Variationen bis auf M o z a r t fast gänzlich erschöpft. Sein schaffendes Genie erreichte im Gebiete der Harmonie eine Künstlerhöhe, die schwerlich je nach
—
15
—
ihm Einer erklimmen d ü r f t e , als nur in der Harmonie der Sphären. fi.
16.
Facultätswissenschaften. Theologie, Das C h r i s t e n t h u m
führte nach hundertjäh-
rigen Kämpfen Europens civilisirte W e l t zu dem ausgebildetsten
Katholicismus,
welcher
späterhin
auf unsern Universitäten als T h e o l o g i e die ersten L e h r s t ü h l e einnahm. sen Vortritt gönnen,
Und f ü r w a h r man kann ihr diewenn
sie dem Z w e c k e ihres
M e i s t e r s entspricht, w e n n sie L e h r e r für die grofse Volksmasse b i l d e t , die diesen rohen Stoff nach und nach vergeistigen und ihn so w e i t in der sittlichen Kultur b r i n g e n , dafs er an sich selbstständig mit eigner Kraft zum Guten hinstreben lernt. W e l c h eine hohe B e s t i m m u n g ! Denn alle esoterische W e i s h e i t als Eigenthum einer gelehrten Kaste kann nur schädlich w i r k e n , die W a h r h e i t scheuet nicht das L i c h t . Das Gute also, w a s w i r w i s s e n , mufs ausgesäet werden in die grofse Masse des V o l k s , in diesen kräftigen Boden, welcher hundertfältige Früchte v e r h e i l s t ; aus ihm mufs das kräftige L e b e n , w e l c h e s gegen da» B ö s e ankämpfen soll, entwickelt und diesem ungeheuern Strome die Tendenz zur Sittlichkeit gegeben werden , wenn es auf Erden im Ganzen besser werden soll.
—
i6
—
Im südwestlichen Europa hat der Katholicismus noch seine ältere Form erhalten und er zeigt durchaus nicht das Intolerante, w a s späterhin in den nördlichem Theilen desselben durch die Kämpfe mit dem Protestantismus , welches W o r t w i r hier von jeder Intoleranz selbst w e i t entfernt nur in historischer Rücksicht gebrauchen müssen, entstanden ist.
Mancher ortho-
doxe Protestant ist wohl eben so unduldsam, als mancher orthodoxe Katholik und beide streiten sich oft, w i e jene Nachtwächter in Gellerts Fabeln um das B ewahren
und V e r - w a h r e n
des Feuers mit einer
S t ö r r i g k e i t , welche Christen wenig Ehre bringt. Achtzehn Jahrhunderte besteht das Christentlium, und w i e w e i t sind w i r noch zurück in der Ausübung des einfachsten Sittengesetzes dieser R e l i g i o n , welche uns alltäglich w a r d und durch ungeweihte Ausleger bei Vielen den früher anerkannten W e r t h verlor, w e i l sie vor lauter Formen und Cultus den in ihr waltenden göttlichen Geist nicht zu fassen vermochten und die Form für den Geist nahmen. Ö-
i7,
L u t h e r . Der u n s t e r b l i c h e
Luther,
unsterblich und
grofs, trotz aller seiner Gegner, trotz aller'Afterphilosophen unsrer Zeit, w e l c h e die Reformation , grüfstentheils sein W e r k ,
herabsetzen möchten und als
k l e i n e Geister niemals geneigt seyn dürften,
irgend
eines grofsen Mannes Verdienste ohne Flecken zu lassen.
Gern erzögen sie die Völker nach den Principien
—
17
—
e i n e s J e s u i t i s m u s , w i e er sicli n o c h ü b e r a l l i m v o r i g e n J a h r h u n d e r t e zeigte.
Aber nein!
ihr
patres societatis Jesu jener Z e i t ,
Rectores
mit aller
und
Achtung
f ü r e u r e K e n n t n i s s e s e y es n i e d e r g e s c h r i e b e n : d i e Z ü g e l der B i l d u n g der M e n s c h e n d ü r f t i h r n i c h t
wieder
i n e u r e H ä n d e b e k o m m e n , i h r h a b t sie zu s e h r g e m i f s braucht. Die
Dominicaner,
Augustiner Rücksicht
Benedictiner
und
h a b e n ü b r i g e n s in w i s s e n s c h a f t l i c h e r
weit
mehr geleistet,
sie w a r e n
Jahrhun-
d e r t e h i n d u r c h d i e t r e u e n B e w a h r e r des m e n s c h l i c h e n Wissens,
ohne
ihre klösterlichen
Mauern
war
die
W i s s e n s c h a f t dem U n t e r g a n g e n a h e u n d n o c h in d e n l e t z t e r n D e c e n n i e n b i l d e t e n sie die k a t h o l i s c h e J u g e n d b e s s e r , als i h r sie j e m a l s e r z o g e n
habt.
D e r d r e i f s i g j ä h r i g e K r i e g h ä t t e n i c h t so b e g o n n e n , bei
Breitenfeld
und
Lützen
wäre nicht solch
B l u t geflossen , w e n n M ä f s i g u n g jemals in e u r e m Systeme gelegen hätte. Gustav
Adolphs
in s e i n e r R ü s t k a m m e r ; wenn
die
heiligen
Schwerdt
hängt
verrostet
allein die T o d t e n s t e h e n a u f ,
Wahrheiten
einmal mit Gefahr bedrohet 8-
des E v ^ n g e l i i
noch
werden. IG-
C a l v i n . Das U r c h r i s t e n t l i u m
unsers göttlichen M e i -
sters, Lehrers und Herrn trug L u t h e r Brust verwahrt; reine
er e r k a n n t e ,
C h r i s t e n th um
tief in s e i n e r
w i e w e i t sich d i e s e s
i m G e g e n s a t z e zu e i n i g e n 2
—
18
—
damals ü b e l a n g e w a n d t e n I r r l e h r e n von seinem ersten U r s p r ü n g e e n t f e r n t hatte, und zu leugnen ist es n i c h t , eine
f r i e d l i c h e Ausgleichung w ä r e
gewesen.
wünschenswerth
Allein die Sache selbst lag nach dem ersten
raschen Schritte zu W i t t e n b e r g nicht mehr in seiner H a n d , die R e f o r m a t i o n begann, u n d w i e ein neuer sich selbst von seinem C e n t r a l p u n c t e losgerissener P l a n e t , w a r d sie nach e w i g e n ,
unwandelbaren
moralischen
Weltgesetzen in ihre e i g e n t ü m l i c h e Kreisbahn u n a u f haltsam hineingeschleudert.
Calvin ging noch einen
Schritt w e i t e r , und jetzt trat man mit der Beschuldigung a u f , dafs des Protestirens kein E n d e seyn w e r d e u n d dafs diese Art das C h r i s t e n t h u m zu nothwendig
zum R a t i o n a l i s m u s ,
reinen D e i s m u s f ü h r e n w e r d e . tere B e s c h u l d i g u n g ,
behandeln
Naturalismus
und
E i n e um so ungerech-
als es eben so viel Katholische
giebt, welche zum Rationalismus h i n n e i g e n , als E v a n gelische.
D a h e r der H a f s Vieler gegen L u t h e r u n d
Calvin , daher der Z u r ü c k t r i t t m a n c h e r um ihr Seelenheil ängstlich b e k ü m m e r t e r , zum Katholicisinus,
selbst gelehrter M ä n n e r
die g e w i f s ,
wenn
sie
diesen
Schritt zu ihrer B e r u h i g u n g ohne N e b e n a b s i c h t e n aus innerer Überzeugung t h u n , die V e r f o l g u n g nicht verdienen,
welche ihnen hier und da w o h l nicht immer
geziemend geworden ist. Glaubensfreiheit, Verfolgung?
rufen w i r
Kämpfen w i r mit
Sonne u n d Schatten g e t h e i l t , nunft, wenn
alle!
Glaube gegen G l a u b e , Gewalt eintritt!
warum
also
gleichen W a f f e n ,
V e r n u n f t gegen VerSelbstvertheidigung,
Erscheinen
Schriften
gegen
-
—
b ü r g e r l i c h e und r e l i g i ö s e F r e i h e i t , so mufs man einen Schriftsteller
nicht ermorden w o l l e n ,
sondern man
mufs die F e d e r r ü h r e n u n d i h n w i d e r l e g e n . S
Supernaturalismus
19
und
Rationalismus.
L u t h e r f ü r c h t e t e Gott, a b e r den T e u f e l und die M e n s c h e n n i c h t ; ein solcher W i l l e m i t K r a f t , ein solches Gemüth u n d eine s o l c h e V e r n u n f t in einem ehernen Körper w o h n e n d , w e r d e n n i c h t alle J a h r h u n d e r t e geboren.
M e i n e G e d a n k e n d u r c h e i l e n die Geschichte
und ich f i n d e K e i n e n ,
der seine R o l l e
übernehmen
könnte. D i e V o r s e h u n g w e i f s also ihre W e r k z e u g e besser zu w ä h l e n , als die e i t e l n ,
t a d e l s ü c h t i g e n , sich über
alles erhebenden, v o r n e h m e n M e n s c h e n k i n d e r , w e l c h e gar n i c h t r e c h t b e g r e i f e n k ö n n e n ,
w i e der Sohn des
a n n e n B e r g m a n n s vor K a i s e r u n d R e i c h eine
solche
Kraft b e w i e f s , jedoch n a c h i h r e r W e i s e u n d B e r e c h nung am E n d e alles g a n z n a t ü r l i c h f i n d e n .
Das Bron-
zebild zu W i t t e n b e r g ist s e i n e r w ü r d i g . Theobul's
G a s t m a h l , ein B u c h über die V e r e i -
n i g u n g der drei c h r i s t l i c h e n C o n f e s s i o n e n , f ü h r t m i t einer, f ü r a l l e nicht zum S e l b s t d e n k e n G e w ö h n t e , täuschenden S o p h i s t i k die k a t h o l i s c h e n D o g m e n , so w i e den k a t h o l i s c h e n C u l t u s , gegen die ü b r i g e n C o n f e s s i o nen so f e i n d u r c h , dafs w o h l zu w ü n s c h e n w ä r e , ein e r l e u c h t e t e r E v a n g e l i s c h e r möchte h i e r z u ein Gegenstück l i e f e r n . A l l e i n statt dessen b e s c h ä f t i g e t sich g e g e n w ä r t i g
20 die evangelische Theologie mit den in ihren Folgen unübersehbar wichtigen Fragen über den S u p e r n a turalismus
und K a t i o n a l i s m u s
des Christen-
thums. Sie sind unstreitig die Vorbereitungen zu einer neuen entscheidenden Reformation; zweiter L u t h e r
möge sich ein
für sie finden und kein dreifsigjäh-
r i g e r K r i e g ihr folgen.
L u t h e r w a r der M a n n , w e l -
chem alle Thätigkeiten der menschlichen Seele in der höchsten Harmonie nnd gröfsten Stärke
eingeboren
und durch seinen Eifer eben so kräftig ausgebildet waren.
Sein klares Urtheil fand bald, worauf es an-
komme;
sein unerschütterlicher W i l l e hielt fest an
dfein einmal als richtig Erkannten und, w a s mehr ist als Alles,
sein innres geistiges A u g e ,
Gemüth erkannte die stenthums
sein frommes
Geheimnisse
des
und die Grenzen der V e r n u n f t ,
Chridaher
sein festes Zurücktreten in W o r m s ; s e i n : ich kann nicht anders, Gott h e l f e m i r ! und seine entschiedene Erklärung in Marburg gegen Calvin. Diesen sogenannten R a t i o n a l i s m u s , w i e er jetzt überall sein Haupt erhebt , würde er mit Hand
zerschmettern,
eiserner
sein Donnerwort w ü r d e
auf
unsern Kanzeln wiedertönen, und mit der M a s s e unsers vorgeschrittenen
Wissens
und unsrer
ganzen Ver-
n ü n f t e l e i , also mit unsern eignen W a f f e n würde er uns
schlagen
und b e w e i s e n ,
was
schon
Kant
bewiefs : dafs es mit der Vernunft a u ß e r h a l b des Raumes und der Z e i t ,
also in allen übersinnlichen und
göttlichen Dingen nichts sey.
S-
20.
F o r t s e t z u n g . Der Mann, Welt darthun,
der
da k o m m e n
wird,
dafs u n s r e A u s b i l d u n g
n e n eine e i n s e i t i g e sey
mufs
im
der
Allgemei-
u n d dafs u n s e r W i s s e n
wie
e i n e E x c r e s c e n z , w i e ein A u s w u c h s am B a u m e des L e b e n s der m e n s c h l i c h e n Seele h a f t e , mit einem W o r t e , d a f s die H a u p t b i l d u n g
des c i v i l i s i r t e u E u r o p a ' s
mit
w e n i g e n A u s n a h m e n auf eine A u s b i l d u n g der G e h i r n thätigkeit,
auf
ein blofses K o p f l e b e n
hinauslaufe,
w a h r e n d die ü b r i g e n K r ä f t e des m e n s c h l i c h e n fast w i e Staaten
gelähmt brauchen
daliegen; Leute
von
denn unsere Kopf,
Geistes
civilisirten
wenn
sie
sich
b e s o n d e r s in den T a g e n der G e f a h r m i t ihren g e g e n s e i t i g e n i n t e l l e c t u e l l e n K r ä f t e n im G l e i c h g e w i c h t halten
w o l l e n — nach
ihrer Sittlichkeit wird
er-
nicht
i m m e r g e f r a g t ; a u c h s i n d w i r n o c h n i c h t so w e i t vorgeschritten,
um e i n z u s e h e n , dafs M ä n n e r
gleichförmig
ausgebildeten Seelenthätigkeit
mit
einer
ungleich
mehr l e i s t e n müs s e n , als reine K o p f m e n s c h e n . D e r M a n n , (der da k o m m e n w i r d , m u f s ihr f e r n e r zeigen,
wie
duach
K o p f l e b e n s eine
diese e i n s e i t i g e
Ausbildung
des
solche L ä h m u n g der G e m ü t h s k r ä f t e
u n d s o m i t ein f a s t g ä n z l i c h e r V e r l u s t jenes g e i s t i g e n Organs
des
Gefühlsvermögens,
durch
welches
wir
ü b e r s i n n l i c h e D i n g e und m i t h i n a u c h die t i e f e n W a h r h e i t e n d e r M y s t e r i e n der c h r i s t l i c h e n R e l i g i o n a u f z u fassen v e r m ö g e n ,
fast gänzlich v e r l o r e n
haben.
G e l i n g t i h m die D u r c h f ü h r u n g dieser B e w e i s e f ü r
,-) > eine Generation , so w i r d es möglich w e r d e n auf dieser G r u n d l a g e das C h r i s t e n t h u m zu seiner ursprünglichen R e i n h e i t z u r ü c k z u f ü h r e n und so w i r d auch diese erhabne
Lehre
nach
unzähligen
Verirrungen
des
menschlichen Geistes die Vollendung ihres L a u f s auf E r d e n erreicht h a b e n . 6-
2i-
G l a u b e . Das
Christenthum
spricht von
einem
Glauben,
aber keineswegs von einem W i s s e n , an das Ubersinnliche u n d das Göttliche.
D e r religiöse Glaube ist ein
innres geistiges L e b e n des Menschen, er ist das Höchste in ihm.
E r ist eine Uberzeugungsweise mit voller
G e w i f s h e i t , aber eine vom W i s s e n v e r s c h i e d e n e , nicht durch die V e r n u n f t zu erkennende Art. Die Fähigkeit
hierzu
liegt eingeboren in
jedes
M e n s c h e n B r u s t ; aber Viele sagen: w i r haben keinen Glauben,
w i r f ü h l e n keine R e g u n g von dergleichen
christlichem Glauben in u n s , zweifeln also auch an seinem D a s e y n . f ü h l t eine vorher
Hierauf antworte ich:
der Fechter
u n g e k a n n t e K r a f t in
seinem Arin,
w e n n er ihn einer langen Ü b u n g u n t e r w o r f e n ;
der
D e n k e r b e s c h ä f t i g e t u n d ü b t die K r ä f t e seines Vorätellungsvermögens z w a n z i g und dreifsig J a h r , ganzes L e b e n
ja sein
h i n d u r c h t r e i b t er nichts als D e n k e n
u n d Wissen , u n d w i e viele Z e i t w e n d e t er dagegen auf die Ausbildung seines G e f ü h l s v e r m ö g e n s u n d seiner W i l l e n s k r a f t . I n d e m er diese T h ä t i g k e i t des G e m ü t h s zu üben
— unterläfst,
steigert
23
—
er z w a r
einseitig
aber er ermangelt des Glaubens ,' D
sein
Wissen,
als einer über alle
W i s s e n s c h a f t hinausreichenden höheren Ü b e r z e u g u n g . G l a u b e n und W i s s e n sind Gegensätze im menschlichen Geiste;
ohne W i s s e n
können
wir
nicht
auf E r d e n
leben und w i r k e n , und ohne G l a u b e n können w i r keinen Himmel in uns und aufser uns h a b e n .
Der An-
f a n g alles Glaubens ist die sittliche A u s b i l d u n g . W i s s e n gehören alle jene dem M e n s c h e n
Zum
eingebornen
B e g r i f l e , w o d u r c h er die in Z e i t und Raum sich ihm darstellende W e l t verstehen lernt. ist
eine himmlische
w e l c h e ihn zu G o t t ,
K r a f t iin
D e r G l a u b e aber
irdischen
Menschen,
zur T u g e n d und F r e i h e i t f u h r t . (,.
22.
U n g l a u b e . D e r U n g l a u b e unsrer Z e i t hat also seine W u r z e l in dem — auf Kosten des Gemüths, unter w e l c h e m w i r hier
stets
die K r ä f t e des G e f ü h l v e r m ö g e n s
verstan-
den haben — ausgebildeten Vorstellungsvermögerl
und
dem daraus entsprungenen H o c h m u t h e der M e n s c h e n . D e n n w o f i n d e n w i r diesen U n g l a u b e n bis zur höchsten S t a r r h e i t v o l l e n d e t ?
B e i vielen Geschäftsinen-
s c h e n , w e l c h e ihr L e b e n lang w e n i g Zeit haben sich einmal zu sammeln und mit sich in das R e i n e zu kommen ;
bei vielen V e r s t a n d s m e n s c h e n ,
R e f l e c t i o n e n und C o m b i n i r e n
selten
die v o r lauter mit
sich
einig
w e r d e n , und endlich bei allen V e r n ü n f t l e r n , die ihre V e r n u n f t als h ö c h s t e Gesetzgeberin
oben an stellen
—
84
—
und alles das, was diese nicht begreift, als nichtig und unhaltbar verwerfen. Und durch was wird dieser Unglaube noch gegenwärtig unterstützt? Durch den Beifall der W e l t t denn es kann jeder sicher darauf rechnen, dafs er in unsrer heutigen gebildeten Gesellschaft stets die Mehrheit der Stimmen gegen sich haben werde, wenn er es unternimmt den Glauben an die Wahrheiten des Evangelii zu vertheidigen, und er wird den Beifall der mehrsten Gebildeten erringen, wenn eT ein Vernünftler ist. W a s sollen die christlichen Staaten bei diesem üblen Stande der Dinge thun ? Sie sollen die Verhandlungen über diese Gegenstände nicht unterdrücken, condern freie Rede und Schrift gestatten, weil ein im Finstern schleichender Unglaube viel schlimmer und nachtheiliger w i r k t , als der offne und laut bekannte. Durchgefochten müssen diese wichtigen Sachen werden , ihr Umsichgreifen ist nicht mehr aufzuhalten ; allein die Vertheidiger des Glaubens mögen sich wappnen, denn jene scheue M y stik und Pietisterei mit ihrer subjectiven Überzeugung wird diesem Andränge der Vernunftmenschen nicht widerstehen können. 5-
23-
F o r t s e t z u n g . K a n t hat dem W i s s e n eine kenntliche Gränze gesteckt und so alles anmafsliche Wissenwollen abgewiesen. Von hier aus müssen die Vernünftler wider-
— legt w e i d e n ;
25
—
man mufs ihnen b e w e i s e n ,
Kenntnisse in ein räumliches Gehirn
dafs ihre
eingeschlossen
s i n d , an welchem eine Brille hängt, die sie z w i n g t so in die W e l t h i n e i n z u s e h e n , dafs ihre Astronomie,
w i e sie dieselbe sehen;
Mathematik und Philosophie
eine ganz andere seyn w i r d ,
wenn man ihnen diese
Brille am Ursprünge der Sehenerven wegnimmt. Man mufs ihnen in den Nervengeflechten der Brust die W o h n u n g einer zweiten geistigen T h ä t i g k e i t bemerklich machen , die ohne Brille mit einem innern geistigen Auge schauet und ihnen zeigen , dafs in den Nervengeflechten des Unterleibes noch eine dritte Kraft vorherrschet, die durch einen L e i t u n g s a p p a r a t mit den beiden erstem zu gewissen Zeiten in Verbindung tritt und so ganz andere Erscheinungen h e r v o r b r i n g t , w i e sie g e w ö h n l i c h erfolgen.
als
Der menschliche Geist
ist in seinem Zeitleben an eine nervigte Organisation gebunden, in welcher er durch sein ätherisches Z w i schenmittel, die L e b e n s k r a f t , mit unglaublicher Schnelligkeit die Handlungen v o l l z i e h t ,
die z w a r alltäglich
g e w o r d e n , aber dennoch erstaunungswiirdig sind. Der gelehrte und selbst der geistliche Stolz mufs Niemanden von diesen Untersuchungen a b h a l t e n ; die Pharisäer w a r e n auch gelehrt und sahen doch unrecht. Jeder Mensch mit gesundem Gehirn und Nerven und mit reiner Seele ist hierzu berufen.
—
26
8.
—
24.
F o r t s e t z u n g . Glaubet an das U n b e g r e i f l i c h e ! Tief der edle, nun verklärte
Reinhardt,
und das Übrige w i r d euch
bald von selbst hell und klar w e r d e n ;
indefs der die
Vernunft als einziges L i c h t anerkennende list
Rationa-
ein W u n d e r nach dem andern w e g l ä u g n e t und
nichts von übernatürlichen D i n g e n und deren B e w e i sen hören w i l l . E i n e dritte Parthei hat einen für den denkenden und glaubenden Menschen sehr befriedigenden W e g dadurch g e f u n d e n , dafs eine Vereinigung des Rationalismus und Supernaturalismus recht gut möglich sey. W o die Vernunft h i n r e i c h t , möge man dieses für den Menschen herrliche Kleinod gebrauchen, und bei gewissen D i n g e n im Himmel und auf E r d e n , w e l c h e ,
wie
S h a k e s p e a r e sagte, eure S c h u l w e i s h e i t ' n i c h t weifs, bleibt uns nur eine Uberzeugung durch den frommen Glauben übrig.
Ein
Nitzsch
und andere mehr
schlagen diesen vermittelnden W e g e i n , er w i r d hoffentlich zum erwünschten Ziele führen und das Gemüth und die Vernunft in den schönsten
Einklang
bringen. Achtung für das Ubersinnliche und Unbegreifliche sollte frühe bei der Erziehung eingeflöist und immer darauf zurückgewiesen werden , w i e wenig w i r von sinnlichen im Räume und der Zeit vorhandenen Dingen begriffen, dafs w i r z. B. nicht einmal wüfsten, was Electricität,
w a s M a g n e t i s m u s sey — und w i e
—
27
—
um so mehr unsre U n w i s s e n h e i t bei den
übersinnli-
chen zunehme u. s. w . ö-
25.
F o r t s e t z u n g . J e mehr man sein W i s s e n a u s b i l d e t , w ä c h s t der G l a u b e .
desto mehr
W i r w i s s e n nicht, w i e w i r sehen,
w i e w i r hören und alles, w a s uns darüber b e k a n n t ist, ist ein äufseres W e s e n ,
welches
k e i n e s w e g s in
die
T i e f e dringt. U n s e r W i s s e n ist mit F i n s t e r n i f s umo hüllt. G e n u g , d e r H o c h m u t h der reinen V e r n u n f t m e n schen a u f ihr W i s s e n m u f s stets d a d u r c h g e d e m ü t h i g e t werden,
d a f s man sie von S a t z zu S a t z bis a u f den
letzten G r u n d jedes D i n g e s z u r ü c k und so in das Ahnen des Ü b e r s i n n l i c h e n h i n ü b e r d r ä n g t . nicht w o h e r sie k o m m e n ,
D e n n sie w i s s e n
n o c h w o h i n sie gehen ,
wissen n i c h t , w i e sie g e b o r e n w e i d e n ,
sie
noch w i e der
Geist von ihnen scheidet, ja sie w i s s e n nicht, w i e d a s , w a s sie täglich essen und t r i n k e n , F l e i s c h und B e i n und L e b e n w i r d , u n d dennoch w o l l e n diese A l l e r w e l t s w i s ser e r k l ä r e n , O!
was Welt, was Seele,
möchte
nichts g i l t ,
diese Z e i t
als w a s sich
berechnen l ä f s t ;
bald
w a s G o t t sey.
vorüber gehn,
der
durch Zahlen und Begriffe
solche Z e i t e n sind die der g r ö f s t e n
D ü r r e f ü r die w a h r e W i s s e n s c h a f t und K u n s t ;
denn
w i e arm sind w i r an w a h r h a f t schaffenden G e i s t e r n !
Q.
26.
F o r t s e t z u n g . D e r schlimmste R a t i o n a l i s m u s
ist w o h l der-
jenige, dessen g e i s t i g e s W e s e n in das G e h i r n , w i e in
28
—
eine F o r m hineingegossen u n d in ihr erstarret u n d e r h ä r t e t ist. Bei ihm ist keine Glaubens - U b e r z e u g u n g möglich, er kann nicht b e g r e i f e n , wie irgend ein vern ü n f t i g e r Mensch von dem, was w i r so eben verhandelt, jemals etwas glauben k ö n n e ; ja w o er k a n n , w o er n u r irgend eine Absicht a h n e t , hält er den Glauben an die Versöhnung Christi f ü r eine Heuchelei.
Und
g e w i f s , es w ü r d e eine. M e n g e Heuchler geben, sobald die Staaten mit Gewalt den w a h r e n Glauben fordern. Solche Rationalisten k ö n n e n nicht g l a u b e n , w e n n sie a u c h wirklich w o l l e n ,
die Ü b u n g
des G e m ü t h s im
Glauben ist nicht voran gegangen. dem Sänger ihre T ö n e ,
D i e L y r a giebt
allein des U n g e ü b t e n starre
H a n d entlockt sie nicht. H i e r bleibt nichts ü b r i g ,
als seinen Glauben an
C h r i s t u m laut zu bekennen u n d in ihm zu leben und zu sterben.
M a g (1er V e r n ü n f t l e r spötteln , mag er
selbst hassen — Ü b e r z e u g u n g ist f ü r ihn n i c h t möglich.
E s ist die letzte T h a t k r a f t ,
die Christus von
e u c h f o r d e r t : ihn nicht zu verläugnen vor den M e n schen — u n d ihr w e r d e t W u n d e r sehen. D e r Glaubensschwäche bittre Arzenei w i r d kommen.
D e r Bibel G r u n d , w i e L u t h e r sagt, die heilige
S c h r i f t und Augustinus und die deutsche T h e o l o g i e , ein Buch von einem deutschen M a n n e ,
die w i r d und
k a n n sie geben. Ö-
27-
J u r i s p r u d e n z . D a f s das R e c h t in den Staaten des clvilisirten E u ropa, selbst w e n n es theuer e r k a u f t w e r d e n mufs, eine
g e w i s s e H e r r s c h a f t e r l a n g t h a t , ist f ü r d e n M e n s c h e n f r e u n d eine der e r f r e u l i c h s t e n E r s c h e i n u n g e n . W i r m u f s t e n u n s der S e l b s t h ü l f e b e g e b e n ,
eine
eigne richterliche Gewalt w u r d e h e r v o r g e r u f e n , u n s in j e d e m
b e s o n d e r n F a l l e R e c h t zu
S e l b s t d i e F ü r s t e n s t e l l t e n s i c h u n t e r die v o n sanctionirte Gesetzgebung
um
verschaffen.
und erklärten,
ihnen
dafs sie i n
d i e E n t s c h e i d u n g e n der J u s t i z n i c h t w i l l k ü h r i i c h
ein-
g r e i f e n , sie ü b e r h a u p t n i c h t v e r ä n d e r n , n i c h t s t e i g e r n , nicht mindern wollteil.
E b e n so ist diese r i c h t e r l i c h e
G e w a l t r e i n an das g e g e b n e G e s e t z g e b u n d e n ;
durch
e i n e n u n v e r ä n d e r l i c h e n A u s s p r u c h o r d n e t sie d i e T h a t s a c h e n u n t e r d a s Gesetz.
D i e G e s e t z g e b u n g soll so
v o l l s t ä n d i g u n d b e s t i m m t seyn , dafs so viel w i e m ö g lich k e i n F a l l f e h l e .
F ü r u n b e s t i m m t e F ä l l e soll e i n e
G e s e t z c o m m i s s i o n da seyn. griff e i n e r
D e n philosophischen Be-
strafbaren Handlung
fassen die
mehrsten
R e c h t s l e h r e r so a u f , dafs eine s o l c h e H a n d l u n g nige s e y ,
zu
dieje-
d e r e n V e r h i n d e r u n g die A u s ü b u n g
Z w a n g s r e c h t e s n o t h w e n d i g ist.
des
W a s dolus, w a s c u l p a
s e y , s e t z e n w i r als b e k a n n t v o r a u s . E i n V e r b r e c h e n ist h i n g e g e n d i e j e n i g e Handlung,
strafbare
w e l c h e mit v ö l l i g e r F r e i h e i t des W i l l e n s
begangen u n d durch w e l c h e die öffentliche Sicherheit selbst v e r l e t z t w i r d . Ö-
a
0-
F o r t s e t z u n g . Der
Z w e c k der
S t r a f g e s e t z g e b u n g ist die A u f -
r e c h t h a l t u n g der R e c h t e ü b e r h a u p t .
D e r G r u n d der
—
30
—
S t r a f e ist d i e N o t l i w e n d i g k e i t d e r E r h a l t u n g des Gleichg e w i c h t s der äufsern F r e i h e i t und die Strafe selbst b e s t e h t in einem Ü b e l , das von dem Staate durch ein Gesetz a n g e d r o h e t und k r a f t dieses dem Verbrecher zugefügt wird.
D a nun dieses ganze einfache System
gegen den negativen A n t h e i l des Begehrungsvermögens des Menschen gerichtet ist u n d wesentlich dazu beiträgt,
dafs der positive v e r n ü n f t i g e T h e i l desselben
das U b e r g e w i c h t b e h ä l t ; so ist die Gesetzgebung bei u n s r e r immer noch bedeutenden Sittenverderbnifs eine der
gröfsten W o h l t h a t e n
des
Menschengeschlechts,
o h n e w e l c h e der bessere T h e i l desselben von
dem
s c h l e c h t e m bald aller seiner R e c h t e b e r a u b t und aufgerieben seyn w ü r d e . D e r H a u p t z w e c k der Strafe ist zunächst W i e d e r h e r s t e l l u n g des verletzten Gleichgewichts des Rechts u n d A h n d u n g der geschehenen Verletzung desselben; selten w i r d ein Verbrecher g e b e s s e r t , a n d e r e abgeschreckt. z w e c k seyn k a n n . Wunsche
des
D a h e r alles dieses n u r NebenSollen w i r n u n auch nach dem
Zeitgeistes
Geschwornengerichte
selten w e r d e n
in
die
Einführung
in Criminalfällen
der
einstimmen?
W e n n sie nicht anders modificirt, w e n n sie nicht aus rechtskundigen Individuen
zusammengesetzt werden,
so müssen sie, rein auf das G e f ü h l s v e r m ö g e n gröfstentheils u n g e l e h r t e r L e u t e g e g r ü n d e t , in z w e i f e l h a f t e n Fällen höchst schädlich w e r d e n . In Religionssachen w i l l man der V e r n u n f t allein u n d u n b e d i n g t u n d in Rechtssachen dem G e f ü h l e folgen.
H e i f s t das nicht v e r k e h r t e W e l t g e s p i e l t ?
Vom
— Richter
3i
—
ist die höchste Ausbildung der V e r n u n f t zu
verlangen,
er soll kein Gemiithsmensch seyn , er soll
rein nach vernünftigen Rechtsprincipien entscheiden. B e r u h i g e n d e r ist es g e w i f s , von Leuten
als von
zu werden.
rechtskundigen
einfältigen H a n d w e r k e r n
gerichtet
G i e b t man uns noch das R e c h t , die U r -
theilssprüche durch Druckschriften zur P u b l i c i t ä t zu bringen,
so möchte unsere Rechtspflege
einen bedeutenden Vorsprung gewinnen.
hierdurch
D e n zweck-
mäfsig eingerichteten Friedensgerichten w i r d
jedoch
N i e m a n d seinen B e i f a l l versagen können. 5-
29.
Fortsetzung. Ob nun reits
diese W i s s e n s c h a f t ihre K r e i s b a h n be-
durchlaufen h a b e ,
andere F r a g e ?
oder erst b e g i n n e ,
ist eine
So lange die P s y c h o l o g i e keine g r ö ß e -
ren Fortschritte gemacht h a t ,
wie bisher,
so lange
man dem Ursprünge der Principien des B ö s e n und der strafbaren Handlungen nicht näher auf die S p u r k o m men kann , w i r d sie nur langsam v o r w ä r t s schreiten. E s miifste denn ein zweiter Beccaria
auferstehn
und, von den Machtliabern unterstützt, mit p h i l o s o p h i schem G e i s t e ,
grofser Rechtskenntnifs
und tief ein-
dringendem practischen Tacte das g e g e n w ä r t i g e F 0 1 menwesen von- G r u n d aus reformiren.
Schade ist es
um das Menschenleben, welches in solcher A r b e i t aufgerieben w i r d ,
Schade um die trefflichen K ö p f e ,
im Grillenspiel solches Wesens untergehn.
die
Vereinfa-
chung und Abkürzung mit Gründlichkeit ist denkbar
— und möglich.
32
—
D i e Sophisten dieses Fachs w e r d e n
aber g e w a l t i g lärmen , w e n n um des Groschens w i l l e n der Thaler nicht mehr verstritten werden d a r f ; deshalb mufs der grofseMann, der dieses W e r k vollbringt, neben eminenter Geisteskraft mächtige äufsere Unterstützung haben. Er w i r d sich den Dank der Menschheit verdienen und seinen Namen unsterblich machen.
Von seinen
Zeitgenossen w i r d ihm keiner w e r d e n ,
er mufs zu
viele Interessen verletzen; er mufs ein an Geist und Körper gleich starker M a n n s e y n , um den unaufhörlichen Tadel ein ganzes L e b e n hindurch ertragen zu können.
M i t einem W o r t e : er kann nur auf den
D a n k der N a c h w e l t rechnen. 6-
3o.
M e d i c i n. Nächst den Philosophen sind' die M e d i c i n e r die gröfsten Hypothesenkrämer.
Beide Facultäten haben
eigentlich ihre Sache auf nichts gestellt oder doch auf solche Fundamente, die sie niemals kennen lernen. W i r wissen nicht e i n m a l , was Fieber i s t , w e n n jemand an irgend einem gefährlichen
und
Fieber
e r k r a n k t , so können w i r ihm durchaus nicht mit G ew i f s h e i t versprechen, ob seine Naturkräfte und die ganze ärztliche W e i s h e i t hinreichend seyn werde, ihm das Leben zu erhalten.
Alles beruhet selbst im W i s -
sen des feinsten Arztes auf Muthmafsungen und W a h r scheinlichkeiten. W e r das Gegentheil b e h a u p t e t , k e n n t entweder
—
33
—
d i e Gränzen seines Faches n i c h t ,
er ist also ein Un*
w i s s e n d e r , oder er ist ein Charlatan, das ist ein Prahler, der a u s E h r g e i t z oder E i g e n n u t z vielversprechende Versicherungen g i e b t , von w e l c h e n er schon im voraus w e i f s , kann
dafs man sie n i c h t
einem Kranken
halten kann.
nicht allemal s a g e n ,
w a h r s c h e i n l i c h sterben w e r d e ,
Man dafs er
allein es giebt eine
H a l t u n g des Arztes gegen die V e r w a n d t e n , welche ihm erlaubt ein ehrlicher M a n n zu bleiben* S-
3».
Fortsetzung. D i e letzten Principien der H e i l k u n d e r u h e n im thierischen L e b e n ,
in der L e b e n s k r a f t , welche w i e
der feinste Aetlier die N e r v e n u n d ü b e r h a u p t
den
ganzen Organismus durchdringt. I s t nun
dieses L e b e n
ein Ausflufs der G o t t h e i t
oder der allwaltenden Weltseele mancher n e u e r n phil o s o p h i s c h - ä r z t l i c h e n Schule, so w i r d man es vergebens zu ergründen suchen, es gehört dem U n e n d l i c h e n a n ; ist es aber als thierisches L e b e n ein physisches, erst im Organismus erzeugtes N a t u r p r o d u c t , das vereinigende Mittelglied zwischen Seele und L e i b , ist e» Electricität oder ihr doch ähnlich, so haben w i r Hoffnung
die Gesetze
seiner W i r k u n g
einstmals
etwa*
näher k e n n e n zu lernen.
D a w o es sich dem psychi-
schen P r i n c i p a n r e i h e t e ,
mithin an den Gränzen dea
Unendlichen s t e h e t , h ö r t alle F o r s c h u n g auf und das unendliche Fortschreiten dieser W i s s e n s c h a f t , w e l c h e 3
—
34
—
mehr eine Kunst, eine Divination i s t , bleibt ein Wahn. Unter den Neuern haben P e t e r F r a n k , H u f e l a n d und R e i l gezeigt, was menschliche Kräfte in ihr vermögen. Innerhalb des Kreises, in welchem w i r durch die Lebenskraft eingebannt sind, haben w i r noch viel zu entdecken, noch viele Lücken auszufüllen. Manchmal wird uns der Zufall günstig, w i e bei der Entdeckung der Schutzblattern. A priori haben w i r nur wenig Glück gehabt. ß.
32-
F o r t s e t z u n g . Wegen der vielen Hülfswissenschaften fordert ihr Studium fast die höchste menschliche Anstrengung und viele Zeit, selbst für den bessern Kopf. Ein solcher irret sich sehr, wenn er glaubt, er könne vielleicht durch ein sogenanntes oder auch wirkliches Genie die Zeit übereilen, welche zu einer Kunst, die zu ihrer Grundlage eine grofse Erfahrungswissenschaft besitzt, unbedingt nothwendig ist. Hat er sich diese Erfahrungswissenschaft erworben , dann erst mag er sein vermeintliches oder wirkliches Genie als Heilkünstler versuchen. Aber wahrhaft lächerlich ist und bleibt es, wenn Mancher gleich damit anfangen will, an dem seit zweitausend Jahren Bestandenen den Af-tercritiker und Reformator machen zu wollen. Am Krankenbette fordert diese Wissenschaft als Kunst die feinste Combination, eine klare innere Anschauung;
—
55
d e n n das L e b e n ist es,
~
w a s uns immer entschlüpft,
w e n n w i r es eben gefafst zu haben glauben. I n keinem Fache der W e l t h a t die Charlatanerie so freies Spiel gehabt, als in der M e d i c i n , u n d es k a n n n o c h jetzt dreist
einer wagen ,
tausend
Portionen
B r o d p i l l e n f ü r tausend D u c a t e n gegen G i c h t , Podagra und andere Ü b e l auszubieten, und er kann sicher darauf r e c h n e n , schen tausend
dals er u n t e r einigen M i l l i o n e n M e n N a r r e n f i n d e t , die sie ihm abkaufen
und dafs unter diesen w i e d e r f ü n f h u n d e r t eine bedeutende W i r k u n g spüren. 5-
33-
Medicinalpolizey. D a h e r müssen w i r den Staaten äufserst dankbar seyn , w e l c h e eine Medicinalpolizei nicht n u r eingef ü h r t , sondern auch a u s g e f ü h r t haben. L a n g e r m a n n's grofse Verdienste um die Ausbildung dieses Theiles der W i s s e n s c h a f t in der preufsischen M o n a r c h i e sind bereits anerkannt und sie w ü r den noch segenbringender g e w i r k t haben, setzten sich nicht der Vollziehung der Gesetze von allen Seiten fast u n ü b e r w i n d l i c h e Schwierigkeiten entgegen. W e n n die Medicinalpolizei
mit K r a f t durchge-
f ü h r t w i r d , so h a t sie es ganz allein in den H ä n d e n , dem L a n d e gute A r z t e , W u n d ä r z t e und Geburtshelfer zu erhalten u n d zwar lediglich u n d ganz allein durch Strenge gegen die Quacksalberei. D i e Quacksalber sind insgesammt schlaue Betrü« ger;
sie k e n n e n
die H a u p t l e i d e n s c h a f t der grofsen
-
3
6 —
M e n g e , den Ärzten f ü r ihre B e m ü h u n g e n w e n i g oder nichts bezahlen zu w o l l e n , u n d beginnen ihr K u n s t stück g e w ö h n l i c h damit, f ü r einen äufserst schlechten Preis ihre H ü l f e a n z u b i e t e n ;
haben sie auf
solche
A r t einiges Vertrauen g e w o n n e n , so gehen sie einen Schritt
weiter und
fangen an sich
Arzneien so bezahlen zu l a s s e n ,
ihre
geheimen
dafs man o f t über
die Summen erschrecken mufs, welche L e u t e von mittelinäfsigem Vermögen solchen Menschen c o n t r i b u i r e n . Ö-
34-
F o r t s e t z u n g . D a s ärztliche P e r s o n a l verschlechtert s i c h , w e n n es nicht sein gehöriges Auskommen f i n d e t u n d w e n i g stens so sicher gesetzt i s t , w i e man mit guten Procenten die Apotheker gestellt h a t ; es w i r d gemein. veredelt s i c h ,
Es
sobald ihm ein W o h l s t a n d geworden.
U n t e r d r ü c k t man die Quacksalberei mit E n e r g i e , so e n t s t e h t , w i e die E r f a h r u n g bewiesen u n d w i e ich es noch täglich beweisen w i l l , ein stärkerer Andrang der Kranken zu den legitimirten Ärzten ; das Volk fängt selbst a n , Vertrauen zu ihnen zu fassen u n d f i n d e t am E n d e , dafs es von seinen M a r k t s c h r e i e r n b e t r a g e n war. W i l l man aber die Sache nicht medicinal - polizeilich behandeln;
sondern allemal erst a b w a r t e n ,
bis die
Quacksalber Jemand u m g e b r a c h t haben, h a t man überh a u p t eine andere A n s i c h t , ja vielerlei A n s i c h t e n von der Sache, so wird man vor lauter vielseitigen Ansichten nicht zur A u s f ü h r u n g kommen u n d dieser H y d e r niemals den Kopf abschlagen.
—
37
—
5- 35Chirurgie. W e i l in der Wundarzneikunst
alles so sichtbar
ist, das Sichtbare aber die grofse Masse tiefer ergreift, als das Unsichtbare, so hat sie geglaubt, dieselbe sey eine vollkommnere Kunst als die M e d i c i n ; allein ihre Endpuncte laufen ebenfalls an den Glänzen des Lebens ab und sie kann eben so w e n i g , wie diese, mit Gewifsheit bestimmen: ob der unter ihrem Messer Seufzende genesen oder in den Orcus hinabsteigen werde. Die
letzten Gründe
beruhen,
wie
in der Medicin,
auf Wahrscheinlichkeiten. D u r c h die letzten entsetzlichen menschenfressenden Kriege und durch vieles Nachdenken geschickter Männer hat diese blutige Kunst an Vollkommenheit sehr gewonnen.
Nicht genug, dafs wir beide Arme
mit einem Tlieile
des Schulterblatts,
so wie
beide
Oberschenkel aus dem Hüftgelenke am lebenden M e n schen wegnehmen und mithin nur der Stamm, Kopf,
Brust und Unterleib
auch geschehn,
dafs A s t l e y
übrig b l e i b t ; Cooper
also
so ist es
in den Un-
lerleib hineingegangen und die grofse herabsteigende Pulsader, Aorta genannt, nahe an den Rückenwirbeln unterbunden hat. J a an Thieren habe ich gezeigt, dafs, wenn man dem
lebenden Organismus das G e h i r n ,
das R ü c k e n -
mark , das Herz und die L u n g e n läfst und alle Blutgefäfse gehörig unterbindet,
ein so gestalteter Orga-
—
58
—
nismus m i t seinen Centraiorganen noch einige T a g e leben k ö n n e . D i e C h i r u r g i e w i r d also in Z u k u n f t Alles n i c h t zum L e b e n
unmittelbar
wegschneiden k ö n n e n ,
nothwendige
ablösen
und
auf diese H ö h e k o m m t
sie
n o c h u n d da w i r d sie ihren Cyclus durchlaufen h a b e n . 8-
3
Der gröfste Theil unsrer heutigen E r z i e h u n g ,
ist ein
—
125
—
Überrest des Alterthums und arbeitet nur auf Gehirnbildung. Jedes Menschentausend producirt wenigstens einen guten K o p f ; der Staat z i e h t a u s ihnen seinen Bedarf von R a t h e n , L e h r e r n ,
Priestern, R i c h t e r n ,
und alles, w a s Noth thut.
Ärzten
Hierauf folgt die den Erd-
ball w i e ein Maurerbund umfassende Mittelmäfsigkeit der M e n s c h e n , welche man mehr als es geschieht in Ehren halten sollte,
denn sie erhält die
Welt.
D i e Genie's bauen den Acker nicht;
der talentvolle
M a n n w i l l kein Handwerk treiben;
der gute Kopf
strebt von Natur zur Kunst und Wissenschaft und w i l l lieber darben , als aus seiner Ideenwelt herausgehen. D i e Erde w ü r d e sich erschöpfen, wenn lauter Ananas auf ihr wüchsen und nicht auch die Gras.-und Getraidearten den Boden belebten; w i e in der N a t u r , so in der G e i s t e r w e l t ,
w i l l der Unsichtbare die Abstufung. ß.
112.
Die c h r i s t l i c h e M o r a l
in d e r P o l i t i k .
D i e Verfassung des Staatskörpers soll die M o r a l in der P o l i t i k bewahren.
Da nur christliche Staaten
den Namen Staaten verdienen, so kann diese auch nur eine christliche s e y n ; alle W e l t k l u g h e i t scheitert zuletzt an der E t h i k , und ohne sie artet sie in ein unmoralisches Ungeheuer aus. D i e Politik der Staaten ist besser g e w o r d e n , sie vor hundert Jahren w a r ;
als
sie handelt nicht mehr
um das Interesse einzelner Personen, sondern die l'er-
126 sonen w e r d e n »ehr o f t dem Interesse der Staaten a u f geopfert. Die Platz;
einfachste P o l i t i k b e h a u p t e t am E n d e den zu grofse Berechnungen
von
Möglichkeiten
entziehen sich ziiletzt der Gewalt der Berechner. E i n e h ö h e r e M o r a l in der P o l i t i k , als die christliche i s t ,
giebt es n i c h t ; es kann ü b e r h a u p t n u r eine
M o r a l in der W e l t und f ü r die W e l t geben.
E i n e ge-
l ä u t e r t e W e l t g e s c h i c h t e w i r d sie als ein C a n o n
auf-
stellen; der Beiname des Grofsen w i r d jeder grofsen G e i s t e s k r a f t bleiben m ü s s e n , selbst w e n n sie, w i e die napoleonische, auf I r r w e g e geriethe, aber der H a r m o nie von Gemüth , Intelligenz und K r a f t kann n u r eine allgemeine Huldigving werden. C h r i s t u s
predigte nicht allein den F r i e d e n ,
sondern er p r e d i g t e auch das S c h w e r d t ;
beginnt ein
N a c h b a r v o l k einen O f f e n s i v k r i e g , so begiebt es sich aufserhalb des G e s e t z e s , vertheidigung
andern Seite gerecht. wären
hier
die
das S y s t e m
der S e l b s t -
tritt ein , der Krieg wird von der Weichheit
gröfsten Plagen
und Empfindelei des
Menschenge-
schlechts. 6-
Die
"3-
europäischen
Völker.
Spanier und Portugiesen. D u r c h das Streben der Menschen zu Volksstämmen und dieser zu V ö l k e r n , ist ein Volk ?
entsteht die F r a g e :
was
127 E i n V o l k ist eine durch S p r a c h e ,
Gebirge,
Hö-
h e n z ü g e , K ü s t e n und W ä l d e r in sich zu einer E i n h e i t g e s c h l o f s n e T o t a l i t ä t , w e l c h e ein M e e r b e h e r r s c h t u n d 5m W e l t h a n d e l T h e i l nimmt.
N a c h dieser D e f i n i t i o n
b i l d e n die Spanier und P o r t u g i e s e n ein V o l k .
Sie
»prechen fast eine S p r a c h e und die P y r e n ä e n sind ihre n a t ü r l i c h e G r ä n z e , sie beherrschen solche M e e r e ,
wel-
che z u m W e l t h a n d e l v o r t r e f f l i c h gelegen sind. ß.
Die
114.
Franzosen.
D i e F r a n z o s e n sind ein V o l k . Juragebirg,
Die Alpen,
die V o g e s e n , der A r d e n n e n w a l d und
das die
P y r e n ä e n umschliefsen ein S p r a c h g e b i e t , über w e l c h e s s i e , um g l ü c k l i c h z u seyn , niemals hinaus g e s o l l t hätten.
I h r e besten H ä f e n verbinden sie mit dem atlan-
tischen O c e a n u n d dem M i t t e l m e e r .
8-
D i e
5-
11
B r i t t e n .
D i e B r i t t e n sind mit Irland ein durch die S p r a c h e und a l l e Volk.
übrigen Bedingungen
Sie
beweisen,
dafs
der
in
sich
geschlofsne«
a l l e i n i g e B e s i t z des
W e l t h a n d e l s ein Z w ö l f m i l l i o n e n - V o l k in einer Z e i t von n o c h n i c h t z w e i Jahrhunderten dahin b r i n g e , dafs die andern V ö l k e r an R e i c h t h u m , M a c h t und E i n f l u f s w e i t h i n t e r ihm z u r ü c k b l e i b e n . scher der M e e r e .
Sir sind die B e h e r r -
—
128
5. Die
ii 6.
Deutschen.
D i e Deutschen sind durch die Sprache ein Volk. D i e Nordsee ist ihr angestammtes deutsches Meer. D i e deutsche Glänze schliefst das nördliche Tyvol, die nördliche S c h w e i t z ,
die N i e d e r l a n d e ,
Holland,
H o l l s t e i n , Pommern und Rügen in s i c h , von da geht sie an der Ostsee herauf bis Czarnowitz, springt durch den Netzdistrict nach Schlesien ,
und geht von Te-
schen a n , am südwestlichen Karpathenabhange herab, trennt Ungarn von Deutschland, und schliefst sich bei Freienthurn an die illyrischen Alpen als die natürliche südliche Vormauer an.
Uberall wohnt hier ein ange-
stammtes deutsches Volk. D i e illyrischen, tyroler und Schweitzeralpen , das J u r a g e b i r g , die Vogesen, die Ardennen und die Nordsee sind unsere natürlichen Gränzen. Das deutsche Volk mufs seine Tendenz haben,
w o h i n seine drei H a u p t s t r ö m e ,
die Elbe und die Weser
fliefsen,
dahin
der Rhein,
das lieifst Tendenz
zum W e l t h a n d e l zeigen, w e n n es nicht gänzlich verarmen soll. Ö.
ii7-
DeutschlandsFöderativverfassung Recht
am
und
Welthandel.
Deutschlands Haupthandelshäfen f ü r den W e l t handel sind : H a m b u r g ,
Bremen
und
Antwer-
p e n , welches letztere schon Joseph II. einen Diaman-
—
12 9
—
ten in seiner Krone nannte.
Grofse Kriegshäfen hat
Deutschland nur drei:
Texel,
von
Vliessingen,
Lübeck,
Stettin
den
und das von
das
Bassin
Dünkirchen.
und T r i e s t werden nur immer
auf einen Nebeilhandel beschränkt bleiben.
D i e Deut-
schen werden einst die Rechte eines grofsen Volks von dreifsig Millionen Menschen am Weltmeer geltend machen, an dem M e e r e , was als deutsches Meer die Küsten unsers Vaterlands bespült und die Fluthen unserer Flüsse aufnimmt. Deutschland wird im Grofsen selbst
gewinnen,
was uns der ausländische Krämergeist nur im Kleinen mit Verlust ungeheurer Procente abläfst. alles
dieses
auch
als
ein
Es
kann
Föderativstaat.
Schon vielen seiner Staaten ist eine auf Intelligenz, Vaterlandsliebe und Grundeigenthum
gegründete zur
Nationalehre und zum Nationalwohlstande hinführende Verfassung geworden; erhalten.
auch alle übrigen werden sie
N i c h t das R i t t e r g u t h ,
nicht das geistliche
S t i f t , nicht die städtischen Gemeinden allein, sondern das ganze V o l k , welches Deutschlands F e s s e l n ,
die
uns Frankreich schmiedete, zerbrochen hat, soll an die» ser Wohlthat Theil nehmen,
soll ihre wohlthätigen
Einflüsse durch Wohlstand empfinden. D e r humanste, der edelste Fürst eines grofsen deutschen V o l k s , welcher schon so viel treffliche Institutionen in das L e b e n gerufen , wird auch das Seinige beglücken.
9
—
x3o fi.
—
»i8-
S l a v e n s t ä m m e in
Deutschland.
Alle innerhalb Deutschlands Gränzen eingeschlossene Slavenstämme werden das Schicksal der Wenden in den Lausitzen haben, das heifst, sie werden sich der Einbürgerung durch Sprache und Sitte unterwerfen müssen. Zum Volksgebiet gehört nicht nur Sprache, sonders auch natürliche Begränzung: alle deutsche Ansiedelungen aufserbalb Deutschlands Gränzen, sind nebr oder weniger als Colonie zu betrachten. Q.
I t a l i e n als
119.
Föderativstaat.
Italien bildet von seinen Alpen, bis nach Reggio in Calabrien, mit Sicilien, Sardinien und Corsika, ein durch Sprache, Sitten, Meere und Handelsverkehr zu föderirende Gesammtheit. Zahllose Kriege haben diese Völker elend und unsittlich gemacht; durch die Entdeckung des Caps sind sie um den ostindischen Transitohandel für ganz Europa gekommen und ärmer geworden. Ihr wahres Interesse fordert die Entdeckung einer neuen W e l t , des Innern Afrika's, nach welchem die Engländer so lange vergeblich gestrebt haben. Ihre geographische L a g e fordert sie dazu auf. Nur dort ist ein neues Peru zu finden.
5.
120.
Scandinavien. Die Scandinavier sind durch Sprache und natürliche Gränzen ein Volk. D i e R e i c h e , w e l c h e sie bewohnen, hätten niemals getrennt werden s o l l e n ; kleine unnatürlich begränzte Ländermassen müssen sich bei der Ausbildung der europäischen Staatenfamilie ohnedies stets an die gröfsern anschliefsen, w e n n sie nicht alle Bedeutung im Staatsleben verlieren w o l len. Schweden hat stets Tendenz zum W e l t h a n d e l g e z e i g t , allein da die Ostsee nur die drei Sommermonate befahrbar i s t , sie nicht genugsam befriedigen k ö n n e n ; allein Norwegens Häfen können neun M o nate hindurch ihre Schilfe in das W e l t m e e r senden. ($.
121.
U n g a r n . Südlich und nördlich von den K a r p a t h e n , dachen sich z w e i grofse L ä n d e r mit schiftbaren Flüssen ab, beide von verscliiednen Völkern bewohnt, beide fruchtbar, zu Küstenländern bestimmt und alsdann zum Handel gelegen. Nicht so w i e der Boden von der Natur, sind diese Volker von den Bedingungen, welche eine allgemeine geistige C u l t u r herbeiführen können , begünstiget worden. Südlich von den Karpathen im heutigen Ungarn, dran. göttlicher und menschl i c h e r D i n g e . D i e g ö t t l i c h e n D i n g e w a r e n die g ö t t lichen Ideen.
Alles,
w a s in die S i n n e f ä l l t , ist ver-
ä n d e r l i c h , w a s sich h i n g e g e n auf d i e V e r n u n f t s t ü t z t , ist
unveränderlich
ist ein P h i l o s o p h ,
und
ewig —
und
nur
w e l c h e r die n ö t h i g e n
derjenige
Eigenschaf-
t e n b e s i t z t , nach d i e s e n f o r s c h e n z u k ö n n e n . Die Wissenschaft
rnufs
ihre G e g e n s t ä n d e
untersuchen,
tiefer
und
scharfsinniger
als d i e K u n s t ;
sie
darf
sich n i c h t m i t b l o f s e n Ä h n l i c h k e i t e n u n d z u f ä l -
2Q6
—
—
ligen Eigenschaften der Dinge begnügen, sondern mufs durch Vergleichung ausmitteln, was nothwendig zur Natur ihres Innern gehört, darum fordert eben Wissenschaft strenge Demonstration. Der W e i s e mufs verstehen aus Frincipien zu schliefsen. Die menschliche Vernunft war von jeher geqeigt, nicht nur die Beschaffenheiten der D i n g e , sondern auch die wahren Gründe dieser Beschaffenheiten und der davon abhängenden Folgen einzusehen; allein sie beging oft den Fehler, dafs sie die Ursachen der Dinge früher untersuchen w o l l t e , als sie deren wahre Beschaffenheit kannte. Betrachtet man die ganze Geschichte der Philosophie, so wird man finden, dafs die gröfsten Irrthümer hieraus hervorgegangen sind, je mehr sie diesen W e g betreten und je voreiliger sie die Ursachen der Dinge zu erklären gewagt. Also war es eigentlich einem Mathematiker und einem Naturforscher vorbehalten gewesen, die W^eltweisheit auf die erste Höhe und in ein Gewand von Wissenschaft zu bringen; der erste war F l a t o und der zweite A r i s t o t e l e s . Diese beiden Männer haben den ersten Impuls für tausend Jahre gegeben, und ohne sie wäre der Name Philosophie wenigstens eben so lange durch die nachher eintretenden Völkerwanderungen verloren gewesen. 5.
220.
Fortsetzung. Im christlichen Europa war es nachher vorzüglich B a c o , welcher den reinen W e g zur W e l t w e i s -
heit wieder fand; er zeigte, dafs man nur durch sorgfältige Beobachtungen und Versuche die Beschaffenheit der Natur erforschen und ihre letzten Gründe aufsuchen müsse. Die Philosophie, sagte e r , verlasse eigentlich die Impressionen und beschäftige sich nur mit den von ihnen abgezogenen Notionen, sie strebe durch Eintheilungen der Naturgesetze zur Einheit, die Gegenstände, womit sie sich beschäftigen könne, seyen Gott, die Natur und der Mensch. Alle Wissenschaft entstehe aus einem einzigen Puncte, und dieser sey die Philosophie, als eine Wissenschaft über göttliche und menschliche Dinge. Diese sey eigentlich nichts, als eine Sammlung einfacher Sätze, welche zwar den einzelnen Wissenschaften nicht eigenthümlich zugehörten, gleichwohl aber allen gemein und in ihnen voraus zu setzen seyen. Die Philosophie der Natur theilte er schon ein in speculative und practische, sie stieg entweder von Grundsätzen herab zu neuen Erfindungen, oder von der Erfahrung zu den Grundsätzen h i n a u f , sie handelt entweder von den wirkenden Ursachen oder von den Endursachen. L o c k e - sähe bald e i n , dafs man hauptsächlich die Kräfte der menschlichen Erkenntnifs und den Ursprung dieser Erkenntnisse selbst untersuchen müsse, um genau bestimmen zu können, w a s der Mensch wissen könne; ohne diese Untersuchung könnten w i r unmöglich wissen, in wiefern w i r im Besitzstände gewisser Wahrheiten seyen. Der Mensch nimmt sich etwas anmafsend die Freiheit, über alles
— in der
288
—
g a n z e n A l l h e i t der D i n g e
zu
philosophiren,
gleich als w e n n er als e n d l i c h e s W e s e n ü b e r alle D i n g e sich
verbreiten
könne;
und
alles o h n e A u s n a h m e
begreifen
s e i n e V e r n u n f t s e t z t er ü b e r alles u n d f ä n g t
damit a n ,
nach ihrem
gestalten.
e i n g e b o r n e n W e s e n alles z u
H i e r d u r c h v e r w i c k e l t er sich i n u n a u f l ö s -
liche Streitigkeiten und fällt zuletzt in einen verzweifelnden Scepticismus. W e i t g l ü c k l i c h e r w ü r d e die M e n s c h h e i t v o n j e h e r g e w e s e n seyn ,
w e n n sie die G l ä n z e n i h r e r V e r n u n f t
f r ü h e r a u s g e m e s s e n u n d m i t dem v o r l i e b w a s sie i n n e r h a l b
derselben
sie e r f a h r e n h a b e n , weit nicht,
gefunden,
genommen, dann
würde
w i e w e i t sie g e h e n k o n n t e ,
sie w ä r e d a n n m i t d e m V o r r a t h e
Erkenntnisse zufrieden
gewesen.
Locke
wie ihrer
glaubte
d e n U r s p r u n g der m e n s c h l i c h e n B e g r i f f e a u s der E r f a h r u n g a b l e i t e n zu k ö n n e n . Z u den Männern ,
d i e als g l ä n z e n d e S t e r n e eine
A b t h e i l u n g u n d E p o c h e am p h i l o s o p h i s c h e n H i m m e l begründet
haben,
gehöft
D i e Metaphysik war ihm
nach
ihm
Cartesius.
d i e W u r z e l aller ü b r i g e n
W i s s e n s c h a f t e n ; d i e E t h i k i h r e Z w e i g e u n d der l e t z t e G r a d der W e i s h e i t .
Er lehrte,
w o r a u f es b e i e i n e r
wissenschaftlichen Erkenntnifs ankommen müsse, er g l e i c h n i c h t alles e r s c h ö p f t e . ich;
denn Niemand
existire.
Aus
Gottes h e r , Dinge,
ob
Ich denke, darum bin
könne daran z w e i f e l n ,
dafs er
diesem S a t z e l e i t e t e er die E x i s t e n z
als d e n Q u e l l aller W a h r h e i t u n d
aller
w e l c h e r u n s e r e V e r n u n f t so e i n g e r i c h t e t h a b e ,
dafs sie in B e u r t h c i l u n g s o l c h e r D i n g e ,
welche
sie
—
209
—
klar wahrnehme, nicht betrogen werden könne. Philosophie war ihm nichts anderes, als Studium der Weisheit, und Weisheit die vollkommne Wissenschaft der Dinge, die der Mensch wissen kann; diese W i s senschaft ist aber nur aus den ersten Ursachen abzuleiten, welche Principien genannt werden. Diese Principien müssen zwei Eigenschaften haben , sie müssen so klar seyn , dafs sie die Vernunft gar nicht bezweifeln kann, und von ihnen mufs die Erkenntnifs aller andern Dinge abhängen, so dafs diese ohne jene gar nicht erkannt werden können. Wahrheit ist das höchste Gut, die Erkenntnifs der Wahrheit aus ihren ersten Gründen ist Weisheit und das Studium der Weisheit ist Philosophie. Der W e g , die ersten Principien zu finden, ist der, alles zu verwerfen, was nur im geringsten zu bezweifeln ist, und auf solche Art entstand sein erstes Princip: ich denke. Q.
221.
S c h 1 u f s. W o l f nahm nun in Deutschland die einzelnen Leibnitzischen Lehrsätze zur Grundlage eines neuen Systems, und führte im Vortrage der Philosophie die mathematische Lehrart ein. Durch seine Deutlichkeit erhielt er allgemeinen B e i f a l l , und machte dem etwas oberflächlichen Eclecticismus seiner Vorgänger ein Ende. Sein Fehler w a r , dafs er diese Lehrart auch auf intelligible Gegenstände auszudehnen versuchte, was wegen der E i g e n t ü m l i c h k e i t derselben ganz und gar unanwendbar w a r , ob man sich gleich
die eigentlichen Ursachen, warum- dieses der Fall sey, nicht recht deutlich entwickeln konnte. Erst einer spätem Zeit war dieses vorbehalten. Indessen ist nicht zu leugnen, dafs diese Art zu philosophiren und die Vergleichung der zum Grunde gelegten Begriffe, die Philosophie viel leichter gemacht habe, als sie vorher w a r , wo viele Sätze ganz unordentlich unter einander lagen. Auch verdanken wir ihm das Systemntisiren , welches die deutsche Philosophie vor vielen andern ausgezeichnet und sich durch ihn vorzüglich in derselben erhalten hat. Er bemühte sich, sie vollständig vorzutragen, die einzelnen Theile richtig an einander zu ketten, und theilte sie ein in die von Gott, von der W e l t und den Menschen, deren GrundIchren er in der Metaphysik verhandelte. Die Philosophie blieb also immer nichts anderes, als Erkenntnifs solcher Vernunftwahrheiten, deren Object beständig fortdauert; sie mufste sich aus blofser Vernunft erkennen lassen, im Gegensatz geoffenbarter Wahrheiten. Sie beschäftigte sich stets mit dem Wesen der Dinge und ihren Ursachen; alle Versuche derselben waren Versuche ihres Vernunftgebrauchs in tiefer Erforschung dieser Gegenstände, bis man einsehen lernte, dafs gewisse unwandelbare Gesetze des Denkens dem menschlichen Verstände von Natur vorgeschrieben seyn niüfsten, welche aur Erleuchtung der Wahrheit dienen kpnnten. Endlich erweckte die höchste Intelligenz, der gesammten Menschheit im Allgemeinen und der Wissenschaft im Besondern zum Heil, ein Genie, w i e
2p1 seit F l a t p
•—
keines die W e l t b e t r e t e n ,
Immanuel
K a n t w a r d geboren. E r b a u t e alles neu von G r u n d aus, deckte die bish e r i g e n F e h l t r i t t e der V e r n u n f t auf u n d steckte ihre Gränzen ab, bis w i e w e i t sie gehen k ö n n t e u n d sollte. E r hat h i e r d u r c h auf eine indirecte W e i s e den geoff e n b a r t e n u n d übersinnlichen W a h r h e i t e n einen unermefslichen D i e n s t geleistet,
o h n e w e l c h e n der Glaube
an sie b e i n a h e ganz vernichtet u n d aus der W e l t verschwunden wäre. Dieses einzige grofse V e r d i e n s t m u f s ihn unsterblich m a c h e n ; denn er hat das R e i c h der W e l t von dem Ubersinnlichen
auf eine so k e n n b a r e W e i s e
unter-
schieden , dafs so grofse V e r i r r u n g e n des menschlichen Geistes w i e v o r h e r nicht m e h r möglich sind.
Er war
e s , w e l c h e r eigentlich alle Gegenstände u n t e r w e n i g e allgemeine Begriffe b r a c h t e u n d genau b e s t i m m t e , w i e w e i t die V e r n u n f t nicht r e i c h e ;
bis
eben so mafs er
den V e r s t a n d des M e n s c h e n aus u n d bestimmte seine Functionen. P h i l o s o p h i e w a r ihm die W i s s e n s c h a f t von Beziehung
aller
Kenntnisse
auf die
Z w e c k e der menschlichen V e r n u n f t ,
der
nothwendigen eine V e r n u n f t -
w i s s e n s c h a f t aus Begriffen ihrer F o r m
nach,
systematische E i n h e i t v o r g e s t e l l t ,
diese b e s t e h t
und
durch
w i e d e r in der durchgängigen U n t e r o r d n u n g des Besondern u n t e r das Allgemeine bis zum höchsten Allgemeinen. Als V e r n u n f t w i s s e n s c h a f t bedarf sie der P r i n c i p i e n a p r i o r i u n d kann nicht rein empirische E r k e n n t n i f s
— seyni
sgz
—
sie s c h ö p f t diese aber aus Begriffen u n d nicht
w i e die M a t h e m a t i k , aus A n s c h a u u n g e n . Sie ist e n t w e d e r reine oder a n g e w a n d t e Philosophie ,
je nachdem sie aus r e i n e n otler zugleich aus
empirischen Begriffen g e s c h ö p f t
wird.
Die
reine
beschäftigt sich e n t w e d e r m i t blofsen Begriffen oder den Gesetzen des D e n k e n s an sich.
Die Metaphysik
m i t dem, w a s da ist u n d seyn k a n n , e n t w e d e r mit dem Sichtbaren Ethik,
oder U n s i c h t b a r e n , m i t der P h y s i k
mit der N a t u r oder den S i t t e n ,
oder
also entweder
m i t der M e t a p h y s i k der N a t u r oder der M e t a p h y s i k der Sitten. H i e r d u r c h sind nun die Gränzen genau bestimmt, wodurch
achtes P h i l o s o p h i r e n sich v o n P h a n t a s i r e n
unterscheidet
und
unvermeidliche
mieden w e r d e n k ö n n e n .
Hypothesen
ver-
I n den R e g i o n e n der Ver-
n u n f t soll die E i n b i l d u n g s k r a f t u n d die Phantasie ihr Spiel n i c h t m i t Ideen t r e i b e n ;
denn von einem P h i l o -
s o p h e n k a n n u n d soll man f o r d e r n : dafs e r s e i n e Beh a u p t u n g e n gehörig d a r t h u n könne.