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German Pages 141 Year 2014
Filippo Carlà (Hrsg.)
Caesar, Attila und Co. Comics und die Antike
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Verlag Philipp von Zabern ist ein Imprint der WBG. © 2014 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Ulrich Berkmann, Mainz Satz: TypoGraphik Anette Klinge, Gelnhausen Einbandabbildung: Krieger mit Helm © anjich – Fotolia. com; Retro-Muster © Eky Chan – Fotolia.com Einbandgestaltung: Katja Holst, Frankfurt / Main Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8053-4757-0
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8053-4772-3 eBook (epub): 978-3-8053-4773-0
Inhalt
Vorwort
7
Ein Lied für Kaiser Nero
76
Patrick Schollmeyer
Genius Loci
12
Michele Petrucci
Ein Streifzug durch einen historischen Comic: die Abenteuer von Ducarius dem Gallier
Das goldene Halsband – eine römische Provinzstadt erwacht zu neuem Leben Dorothée Šimko 22
Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli
Lateinische Schullektüre als Comic
32
39
Von der Antike in den Weltraum
107
Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic
119
Andreas Goltz
Gladiatoren, Legionäre, Funktionäre: die Rom-Serie des DDR-Comic Mosaik zwischen Historienepos, Antikeparodie und 53 zeitgenössischer Medienadaption Thomas Kramer
Filippo Carlà
95
Valérie Mangin
Martin Lindner
Messalina und die anderen „Girls“ – römische Erotik im italienischen Comic
Kaiser Julian: Apostasie und Comics Maria G. Castello
Michaela Hellmich
Zum Comic gemacht – Cäsars Gallischer Krieg als didaktischer Comic
87
62
Literatur
136
Abbildungen
140
Vorwort Filippo Carlà
Die Rezeption der Antike hat sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten und dynamischsten Bereiche der Altertumswissenschaften entwickelt – die Zahl der Monographien, Sammelbände, Aufsätze, Fachzeitschriften und Tagungen, die diesem Thema in den letzten fünfzehn Jahren gewidmet wurden, spricht für sich. Wenn aber die Rolle der Antike in politischen Diskursen sowie in der Konstruktion von Bildern der Vergangenheit (in den neuesten Studien mit dem vom Archäologen Cornelius Holtorf entwickelten Begriff „Pastness“ definiert) jetzt weitestgehend anerkannt ist, so bleiben dennoch große Lücken in der Forschung zu diesem Thema bestehen: Die größte Aufmerksamkeit wurde bisher hauptsächlich der Rezeption im Film und in der Belletristik sowie der Benutzung antiker Themen, Ereignisse und Denkmäler in der Stiftung nationaler Identitäten geschenkt – in deutlich geringerem Umfang wurden andere Medien und Formen analysiert, die in der Regel als „populär“ bezeichnet werden. Oftmals wurde hierbei jedoch nicht beachtet, dass die postmoderne Ästhetik die Trennung zwischen populärer Kultur und Hochkultur eigentlich ablehnt. Der Comic gehört zu dieser Kategorie „vernachlässigter“ Medien. Das Buch A Companion to Clas-
sical Receptions (Hg. L. Hardwick und C. Stray, London 2011) beinhaltet zum Beispiel keinen einzigen Beitrag über Comics, wohingegen den performativen Künsten, dem Film und der „Kulturpolitik“ jeweils ganze Sektionen gewidmet wurden. Zwar ist die Anzahl an Studien, die Antike und Comic fokussierten, in den letzten Jahren gestiegen, doch im Vergleich zu den anderen genannten Themen eher gering geblieben: Beispiele hierfür sind ein im Jahr 2011 von George Kovacs und C. W. Marshall herausgegebener Sammelband oder, im deutschsprachigen Raum, der Katalog der Basler Ausstellung „Antico-mix“ (Skulpturhalle Basel, 31. März bis 26. September 1999). Auch haben die Publikationen der Imagines-Gruppe, die sich seit einigen Jahren mit der Antikenrezeption in visuellen und performativen Künsten auseinandersetzt (www.imagines-project.org), diesem Medium eine gewisse Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen (man siehe die Akten der Tagungen, die 2008 in Logroño und 2010 in Bristol veranstaltet wurden). Daher bleibt gerade in diesem Bereich trotz der erfreulichen jüngsten Entwicklung vieles zu tun – und einiges auch anders, als es bisher getan wurde. Um zwei Mängel zu nennen: Erstens wurden bisher prinzipiell Comics untersucht, die sich nur mit Vorwort | 7
der Antike beschäftigen (über allen steht natürlich der populärste Comic, Astérix, über den Kai Brodersen einen erfolgreichen Sammelband herausgegeben hat), während andere, nicht primär die Antike ins Auge fassende Reihen, die sich jedoch in zumindest einem oder gar in mehreren Heften mit dem Altertum auseinandersetzten, kaum Aufmerksamkeit erweckt haben (man denke nur an die Zeitreisen Mickys und Goofys – in diesem Band exemplarisch untersucht von Patrick Schollmeyer und Andreas Goltz; oder an die Abenteuer Donalds und Dagoberts auf der Suche nach verborgenen Schätzen der Antike). Weniger bekannte Comics oder einzelne Graphic Novels wurden dementsprechend noch seltener betrachtet, gänzlich unbefriedigend schließlich ist die Situation bezüglich anderer Epochen (wie dem Mittelalter), die im Comic ebenfalls oft dargestellt werden (wie Alex Service bezüglich der Wikinger gezeigt hat). Ein zweiter Mangel ist in der Methodik der Studien zur Antikenrezeption selbst zu bemerken: Wenn diese sich schon außerhalb der traditionellen Altertumswissenschaften (Alte Geschichte, Klassische Philologie, Klassische Archäologie, Ägyptologie usw.) ausgebreitet haben und inzwischen auch von Literatur- und Kulturwissenschaftlern, Kunsthistorikern und anderen vertreten werden, so wurden die Schöpfer der Comics selbst (Zeichner und Autoren der Texte) zu ihren Kreationen kaum befragt. Positive Ausnahmen stellen das Treffen „Comic Books and History“, dessen Ergebnisse 1984 publiziert wurden (in Radical History Review 28–30: 229–252), und in den letzten Jahren die Tätigkeit Eric Shanowers, Autor des erfolgreichen Comics 8 | Vorwort
Age of Bronze (eine Remediatisierung der Ilias), dar. Dieser kooperiert seit einigen Jahren mit Altertumswissenschaftlern und berichtet über seine Inspirations- und Informationsquellen sowie über seine Gründe, sich mit antiken Themen zu beschäftigen (nachzulesen im oben genannten Band von Kovacs und Marshall wie auch in den Akten der Imagines-Tagung in Bristol, die von Marta García Morcillo und Silke Knippschild herausgegeben worden sind). Der nun vorliegende Band hat sich zum Ziel gesetzt, einige dieser Lücken zu schließen und eine neue Perspektive im Bereich der Antikenrezeption zu eröffnen. Zuerst durch eine konsequente und exklusive Aufmerksamkeit für das Medium Comic in all seinen verschiedenen Thematiken und Formen: von den Graphic Novels (die in den meisten Aufsätzen thematisiert werden) über die didaktischen Comics (Hellmich, Lindner), die längeren, die Antike thematisierenden Serien und das sporadische Erscheinen des Altertums in ansonsten etablierten Reihen (z. B. die Antikeepisoden im DDRComic Mosaik, hier untersucht von Thomas Kramer) bis hin zu kleineren satirischen Produktionen (z. B. im Beitrag Maria Castellos) und den erotischen „schwarzen“ Comics der 1970er Jahre (in meinem eigenen Aufsatz). Dazu kommt eine intensive Einbeziehung der Zeichner und der Autoren, die gebeten wurden, über ihre Arbeit zu schreiben: Wieso haben sie die Entscheidung getroffen, sich mit antiken Themen und Mustern zu befassen? Woher beziehen sie ihre Informationen – in erster Linie zur antiken Geschichte und Literatur, aber auch zum Alltagsleben und zu den Ikonographien,
ihres Zeichens unabdingbare Elemente, um die Antike visuell repräsentieren zu können? Welche Bedeutung (oder welchen, auch nur ästhetischen, Wert) hat ihres Erachtens die Antike für die heutige Welt? Die Heterogenität der ausgewählten ComicAutoren, die hier als Verfasser einiger Beiträge auftreten, erlaubt besonders interessante Überlegungen und Einblicke: So stammen einige Arbeiten von Altertumswissenschaftlern (oder Personen, die ein Studium der Alten Geschichte absolviert haben, wie Michaela Hellmich oder Dorothée Šimko) oder sind das Produkt einer Kooperation eines Altertumswissenschaftlers mit einem erfolgreichen Zeichner (wie im Fall von Giovanni Brizzi, Professor für Alte Geschichte an der Universität Bologna, und dem Zeichner Sergio Tisselli, Autoren der zwei Alben, die sich mit der Geschichte des Galliers Ducarius befassen, Occhi di lupo [Die Augen des Wolfs], 2004, und Foreste di morte [Die Wälder des Todes], mit Giovanni Marchi, 2006). Andere Comics hingegen sind dem reinen Interesse einiger Autoren an der Antike geschuldet, die sich zuvor nicht professionell mit dieser Epoche beschäftigt hatten, sie aber als bedeutsames Reservoir an Geschichten, Persönlichkeiten, Themen und Motiven erkannt haben. Dies ist der Fall bei Michele Petrucci, Autor der Graphic Novel Metauro [Metaurus] (2008), die den Zweiten Punischen Krieg thematisiert, der hier verdeutlicht, welche Rolle die Orte seiner Kindheit und seiner weiteren Lebensstationen für sein Interesse an der römischen Antike gespielt haben (und wie schwierig es ist, die richtigen Quellen für historische Informationen und für geeignete Ikonogra-
phien aufzuspüren). Ebenso verhält es sich bei Valérie Mangin, die schon immer großes Interesse für die antiken Kulturen besaß, sich nach einem erfolgreichen Studium der frühneuzeitlichen Geschichte und einem Abschluss in Paläographie der Kunst des Comics widmete und deren Chroniques de l’Antiquité galactique [Chroniken der galaktischen Antike] (2000 ff.) uns im Science-FictionGewand ein Römisches Reich im Krieg gegen die Hunnen vorstellen. Ein besonderes Verdienst des Buches ist zudem die Tatsache, dass einige Comics eine doppelte Betrachtung erfahren, die ihres Autors und die eines Wissenschaftlers, der sie analysiert: eine doppelte Perspektive, die bisher kaum zu finden war. So beleuchtet in diesem Band Valérie Mangin ihre Arbeit an und mit Attila, die dazu von dem Althistoriker Andreas Goltz im Rahmen einer generelleren Betrachtung der Figur Attilas im Comic analysiert wird. Michaela Hellmich, die einen didaktischen Comic zu Julius Cäsar und seinem Gallischen Krieg verfasst hat, präsentiert ihre Ideen und ihre Ziele neben Martin Lindner, der über die Eigenschaften und die Funktionen des Lehrcomics insbesondere am Beispiel Rubricastellanus’ schreibt, jedoch auch Hellmichs Arbeit thematisiert. Dadurch werden zwei sehr verschiedene Ansätze – und Ansprüche – gezeigt. Die Auswahl der Comics und ihrer Zeichner, die hier auftreten oder untersucht werden, folgt zudem dem dringenden Anliegen, die Aufmerksamkeit für die europäische Comic-Produktion zu steigern, die besonders in Ländern wie Frankreich/Belgien und Italien eine jahrzehntelange Tradition im Bereich Vorwort | 9
der „Antikencomics“ vorweisen kann. US-Produktionen werden nur kurz in den Beiträgen von Maria G. Castello in ihrem systematischen Überblick über die Rezeption Kaiser Julians – neben italienischen und holländischen Comics wird auch eine amerikanische Serie behandelt – und von Andreas Goltz in seiner Darstellung der Rezeption des Hunnenkönigs Attila berücksichtigt. Zweck dieses Bandes ist es somit auch, dem Publikum eine Reihe von europäischen Publikationen näherzubringen, die in Deutschland kaum bekannt sind, um die Vielfalt und die Breite der europäischen Kreationen aufzuzeigen und so hoffentlich ein größeres Interesse für diese Veröffentlichungen zu wecken. Es geht dabei nicht nur um die Comics, die hier einzeln vorgestellt und analysiert werden, sondern um ganze Traditionen, die es zu verstehen gilt: Der französischsprachige Antikencomic (viele der Zeichner stammen in der Tat aus Belgien) ist in diesem Sinne ein gutes Beispiel. Kennen zwar alle (oder fast alle) Astérix, so ist die Serie Alix – deren Titelheld der Adoptivsohn eines römischen Senators ist, der im Auftrag Cäsars um die Welt reist – trotz der Existenz deutscher Übersetzungen von 25 Alben hierzulande kaum bekannt. Diese Serie ist aber von zentraler Bedeutung besonders für die Arbeiten Valérie Mangins, die in Alix einerseits eine wichtige Inspiration ihrer Arbeit gefunden hat, andererseits seit 2010 selbst die Autorin einer Fortsetzungsserie des Alix ist (40 Jahre später ist Alix selbst Senator), die im vorliegenden Band dem deutschen Publikum vorgestellt werden soll (das erste Heft in deutscher Übersetzung ist im Juli 2013 erschienen, als sich der vorliegende Band in der letzten Phase seiner Abfas10 | Vorwort
sung befand). Diese neuere französischsprachige Produktion, die nicht nur in einer Wiederbelebung der Serie Alix besteht, ist im deutschsprachigen Raum ebenso wenig bekannt wie eine andere, äußerst erfolgreiche französische Serie namens Murena. Wir hoffen, dass dieser Band einen konkreten Beitrag dazu leisten wird, diesen Werken zu größerer Bekanntheit zu verhelfen und den Leser zu ihrer Lektüre zu motivieren. Unser Buch soll keine Publikation „von Spezialisten für Spezialisten“ sein, vielmehr richtet es sich an ein breiteres Publikum, an Menschen, die sich entweder für die Geschichte (insbesondere für die Alte Geschichte) oder für Comics interessieren; oder aber – und dies dürfte nicht selten der Fall sein – für beide. Es wurde schon von mehreren Seiten betont, welch einen großen Zuwachs das Interesse an der Vergangenheit in den letzten Jahren (insbesondere seit der Jahrtausendwende) in der westlichen Welt erlebt hat. Gerade deshalb erscheint es wichtig, ein Buch, das sich mit der heutigen Relevanz, dem Unterhaltungswert und der „Aktualität“ der Antike beschäftigt, einer breiteren Leserschaft als den „üblichen Verdächtigen“ zugänglich zu machen. Um den thematischen Zusammenhang des Bandes zu steigern und dem Leser eine strukturierte Auswahl an Beiträgen anzubieten, wurde entschieden, darin nur Comics über die Geschichte des antiken Rom zu behandeln. Somit bleiben hier nicht nur andere antike Kulturen unberücksichtigt (etwa Griechenland und Ägypten), sondern auch die reine Mythologie und die immer wiederkehrende Neubelebung antiker göttlicher Figuren. Die Reihenfolge der Aufsätze wurde zudem durch den
Aspekt der thematischen Nähe bestimmt: Es findet bewusst keine Trennung zwischen den Beiträgen der „Wissenschaftler“ und denen der „Comic-Autoren“ statt, sondern sie sind chronologisch angeordnet, um die Lektüre interessanter und auch lesefreundlicher zu gestalten. Unsere Hoffnung ist nicht nur, durch diesen Band neue Wege und Horizonte der Forschung im Bereich der Antikenrezeption aufzuzeigen. Ebenso bedeutsam ist es, beim Leser ein Bewusstsein dafür
zu schaffen, dass die Welt der Altertumswissenschaften und die Welt der Comics doch nicht so weit voneinander entfernt sind, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag, und dass, man muss es klar benennen, eine eher künstliche Trennung von „hoher“ und „populärer“ Kultur häufig nicht nur nicht nützlich ist, sondern vielmehr unser Verständnis der heutigen Welt und der kulturellen Umstände, die wir in der westlichen Welt vorfinden, unnötig erschwert.
Vorwort | 11
Genius Loci Michele Petrucci
1. Italien ist ein stark zivilisiertes und bebautes Land mit einer sehr hohen durchschnittlichen Bevölkerungsdichte und schätzungsweise 27 Millionen Wohnungen. Trotzdem gibt es in dieser industrialisierten und sehr reichen Kulturnation, wenn auch die Entfernung zwischen Dörfern und Städten kurz ist, geheimnisvolle und fast vergessene Orte, denen noch ihr Genius Loci innewohnt. Um die Bedeutung dieses lateinischen Ausdrucks zu verstehen, muss man auf einen Satz des antiken Berichterstatters Servius zurückgreifen: „Nullus locus sine genio“, das heißt „Kein Ort ist ohne Genius“, wobei man unter Genius den Schutzgeist des Ortes versteht. Ein Ort wiederum ist durch die Gesamtheit der Dinge, wie den geographischen Raum, den ökologischen Inhalt, die Schichtung natürlicher Phänomene und menschlicher Ereignisse, das Kollektivbild, das von jenem Ort erzeugt wird, und die Sinneswahrnehmung desjenigen, der ihn betrachtet, bestimmt. In der lateinischen Kultur hatte jeder Ort, bei dem es sich um einen Wald, einen Hügel oder einen Fluss handelte, eine eigene Gottheit, die ihn behütete und beschützte und der dieselbe Würde des menschlichen Seins zugestanden wurde. 12 | Genius Loci
Dieses Konzept des Genius, der als Vermittler zwischen den Kräften der Natur und dem Menschen fungiert, ist sehr alt. Die Mythologie des antiken Griechenlands kannte beispielsweise die Nymphen, niedere Naturgottheiten, die mit präzisen Ortskategorien wie den Meeren, Flüssen, Quellen, Wäldern und Bäumen in Zusammenhang gebracht wurden. Durch diese Schutzgeister konnte man sich damals die Schönheit und den Sinn dieser Orte erklären, gerade von jenen ausgehend, die am meisten bezauberten: jene Orte, die mit Gewässern zu tun hatten, die fortwährend fließen, die Durst löschen, die versorgen, erfrischen, fruchtbar machen. Das Konzept des Genius Loci ist schließlich auch in unseren Tagen angekommen, häufig genutzt in der Architektur und Landschaftsmalerei. Heute könnten wir es, wesentlich allgemeiner, als eine von einem Ort mit der Zeit angenommene Identität definieren. Eine Identität, mit der sich die Menschen auf einen Kompromiss einigen müssen, um die Möglichkeit zu wohnen zu erlangen [Abb. 1].
1 | Michele Petrucci, Zeichnung für eine Lithographie, die bei einer Comic-Messe verteilt wurde. Genius Loci | 13
2 | Michele Petrucci, Metauro, S. 86.
14 | Genius Loci
2. Ich wohne in der Nähe einer kleinen, stark von der Zivilisation des alten Rom geprägten Stadt, namentlich der Stadt Fano (Fanum Fortunae), und seit jeher unterlag ich ihrem Reiz, der Schönheit ihres gemauerten Befestigungsgürtels und ihres Stadttores, dem Arco d’Augusto aus dem Jahre 9 n. Chr., oder dem an die Überreste der Basilika des Architekten Vitruvius gebundenen Geheimnis [Abb. 2]. Aber der Antrieb, die Arbeit an einer Graphic Novel, die in der Zeit des Zweiten Punischen Krieges spielt, zu beginnen, erwuchs aus Erinnerungen an die Zeit, als ich noch ein Kind war. Erinnerungen, verbunden mit zwei bestimmten Orten: dem nahe gelegenen Wald und dem Fluss Metauro, der nur wenige hundert Meter von meinem damaligen Wohnort entlangfließt. Dort verbrachte ich oft ganze Nachmittage im Spiel und in erfundenen Abenteuern, schlug mir den Bauch voll mit gesammelten Kirschen, Nüssen und Weintrauben von den angrenzenden Feldern, während ich dem Fließen des Wassers zuschaute. Diese Orte übten einen großen Reiz auf uns Kinder aus, und die Tatsache, alleine dort zu sein, ließ uns davon träumen, größer zu sein. Nebenbei ließ mich der häufige Besuch jenes Waldes voller Mysterien und für uns unsichtbarer Kräfte in mancher Weise nach und nach ein immer tieferes Ruhen in mir selbst wahrnehmen. Denn die Seele eines Ortes muss ebenso langsam wie die Seele einer Person entdeckt werden, die ebenfalls nicht sofort, sondern erst nach langer Zeit und vereinzelten oder wahrscheinlich wiederholten Begegnungen enthüllt wird. In dieser Hinsicht
steht der Genius Loci auch für unser gutes Gewissen, unseren Sinn für die Harmonie mit der Schöpfung und die Entdeckung der Heiligkeit der Orte. Als ich größer wurde, erlangte ich in der Schule Wissen über die Punischen Kriege und die Schlacht von Metaurus, einem antiken Feldgefecht zwischen Römern und Karthagern, das 207 v. Chr. an diesem Ort stattfand [Abb. 3]. Ich war ein kleiner Junge und die Geschichte erweckte in mir neue Wissbegier, doch auch eine neuartige Beunruhigung bezüglich des Flusses, aber es hinderte mich nicht, ihn weiterhin zusammen mit meinem kleinen Bruder und meinen Freunden aufzusuchen. In der Zwischenzeit nahm die Verschmutzung des Flusses stetig zu und der Wald zerfiel, bis schließlich ein Badeverbot erlassen wurde und eine benachbarte Ölmühle eine Straße baute, die große Teile der Vegetation zerstörte. Machen wir einen weiteren Zeitsprung. Ich bin 30 Jahre alt, wohne in Fano und gestalte Comics. Aber es kommt häufig vor, dass ich an meine Kindheit denke, an das Kiesbett des Flusses und an die Elefanten, die es zertrampelten. Ich vertiefe mich in die Geschichten über den eindringenden karthagischen Feldherrn Hasdrubal Barkas, Bruder des berühmten Hannibal. Ich lese einige Bücher, in denen über die Schlacht, deren Stätte nicht genau lokalisiert ist, gesprochen wird. Die antiken Schlachten haben keine signifikanten Zeichen hinterlassen und die Gestalt der Orte hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Indes hatten sich die Historiker der Zeit der Beschreibung des Gefechtsortes angenähert, jedoch blieb die exakte Verortung der Genius Loci | 15
3 | Michele Petrucci, Metauro, Rückseite.
4 | Michele Petrucci, Metauro, S. 103.
16 | Genius Loci
Genius Loci
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Schlacht ein seit Jahrhunderten von Historikern und Archäologen untersuchtes Mysterium. An diesem Punkt entdecke ich eine eigenartige Verbindung. Ich lese, dass unter den verschiedenen Theorien, den verschiedenen Hypothesen, die vom rechten Ufer zum linken wechseln, von der Mündung bis fast ins hohe Tal des historischen Flusses, eine der plausibelsten Theorien jene bezüglich der doppelten Flussbiegung ist, gerade dem Ort benachbart, wo ich damals spielte und schwamm. Ich lese von der Aufstellung der Elefanten (ca. zehn) und des Heeres, dem Wüten der Schlacht an den Flussufern und erinnere mich an Schilf, an Kaulquappen und an Frösche, an steinerne Deiche, die ich an Sommernachmittagen baute [Abb. 4]. Ich leugne nicht, dass diese Faszination der endgültige Antrieb gewesen ist, der mich dazu brachte, Metauro zu schreiben und zu zeichnen. Während der Ausarbeitung des Sujets dachte ich jedoch ständig an meine Kindheit zurück und an die Schutzgeister des Flusses und des Waldes. Es schien mir, dass jene persönlichen Erinnerungen, jene von Insekten, Fröschen und Vögeln, von Pappeln und Brombeeren so lebendig gemachte, aber zugleich uns Menschen, unseren Sorgen und Hoffnungen so entfernte und verschiedene Natur, den Comic abrundeten. Dem Fluss und seinen Gewässern gegenüber empfand ich Bewunderung, aber gleichzeitig auch Angst. Ich hörte die Geschichten des Sterbens, die mir die Erwachsenen erzählten, des Ertrinkens der in die Strudel geratenen Menschen, der Selbstmorde. Ich sah den Fluss, braun und wütend, anschwellen und in regenreichen Wintern über die Ufer treten. 18 | Genius Loci
Ich erinnerte mich an die Nymphen. Die Menschen der Antike hielten sie für gefährlich, da sie dachten, dass derjenige, dessen sie gewahr würden, Opfer eines nympholeptischen Enthusiasmus und Deliriums würde. Daher empfahl es sich nicht, sich zur Mittagsstunde den Quellen, Brunnen, Wasserläufen oder Schatten bestimmter Bäume zu nähern. In diesem Glauben bleibt ein ambivalentes Gefühl von Anziehung und Angst in Richtung der Gewässer bestehen, die zugleich Leben vernichten wie auch tragen. Ich wusste nicht, wie die beiden Ebenen, die Begebenheiten meiner Kindheit und meine persönlichen Gefühle zusammen mit jenen mehr als 2000 Jahre zurückliegenden Ereignissen, in diese Erzählung integriert werden könnten. An diesem toten Punkt kam glücklicherweise ein Freund auf die Idee, einen Erzähler der Ereignisse in der Vergangenheit zu entwickeln, der diese beiden zeitlichen Ebenen zusammenführt. Ein Greis auf dem Grat zwischen Realität und Traum erzählt Michele, meinem erstaunten Alter Ego, er sei der Lehrer Hasdrubals, habe jene berühmte Schlacht überlebt und sei seitdem auf der Flucht vor den Römern. Dieser Alte wird zum weisen (oder verrückten) Silenius, der, scheinbar durch Zufall, Michele an vielen unterschiedlichen Orten der Stadt erscheint. Dieser Notbehelf erlaubte mir, die Geschichte aus einer sehr persönlichen und weniger unbeteiligten, in mancher Hinsicht sogar sehr intimen Perspektive zu erzählen, und Metauro wurde eine sonderbare Erzählung. Ein Comic zwischen Autobiographie, historischem und fantastischem Roman.
3. Im Comic beginnt der junge Michele eine Reise, die ihn dazu bringen wird, den Fluss und die vielen Geschichten, die sich um diesen Ort ranken, näher kennenzulernen und besser zu verstehen. Eine Reise, beginnend mit der Recherche in den Bibliotheken des Tales, mit dem Lesen historischer Werke, ausgehend von jenen Orten der großen Schlacht, die das Geschick der seinerzeit bekannten Welt veränderte und die von vielen als eine der wichtigsten antiken Schlachten angesehen wird [Abb. 5]. Zuerst las ich sehr alte Quellen, wie die Texte von Titus Livius (27.46.4; 27.47.9–11; 27.48.12–15) und Polybius (11.1.2–7), sowie wissenschaftliche Publikationen: Per la questione topographica della battaglia del Metauro [Über die topographische Frage der Schlacht am Metaurus] von Nereo Alfieri; La battaglia del Metauro. Testi, tesi, ipotesi [Die Schlacht am Metaurus. Texte, Thesen, Hypothesen] von G. Baldelli, E. Paci und L. Tomassini; Fano Romana – Mostra storico archeologica [Das römische Fano – historisch-archäologische Ausstellung], einen Ausstellungskatalog; La battaglia del Metauro. L’arte della guerra presso i romani [Die Schlacht am Metaurus. Die Kunst des Kriegs bei den Römern]; 2500 anni: Le grandi battaglie nelle Marche [2500 Jahre: Die großen Schlachten in den Marken] von Paolo Pierpaoli; La battaglia del Metauro. Tradizioni e studi [Die Schlacht am Metaurus. Traditionen und Studien], herausgegeben von Mario Luni. Dann befasste ich mich mit den Romanen über Hannibal, ihres Zeichens Romane, in denen Fiktion
und Legende auf guter historischer Grundlage aufgebaut wurden: Annibale, come un’autobiografia [Hannibal, fast eine Autobiographie] von Giovanni Brizzi; Hannibal, Pride of Carthage [Hannibal, der Stolz Karthagos] von David A. Durham; Hannibal. Der Roman Karthagos von Gisbert Haefs. Schließlich erahnte ich die Schwierigkeit, ikonographisches Quellenmaterial zu finden, dem ich Ideen für meine Rekonstruktion entnehmen könnte. Daher nutzte ich meistens Kunstbücher und sehr allgemeine historische Werke über das antike Rom, wie L’esercito romano nelle guerre puniche [Das römische Heer in den Punischen Kriegen] von Luca Marini und Stefano Izzo, oder Das Römische Reich: Kunst und Gesellschaft von Hans Peter L’Orange. Das Kino kennt etliche Filme, die das antike Rom thematisieren, aber es gibt keinen Film über genau jene historische Periode des Punischen Krieges. Ich fand nur Annibale, einen Film von Carlo Ludovico Bragaglia aus dem Jahre 1960. Seit Jahren munkelt man, dass ein Film, vielleicht sogar eine Trilogie, von Vin Diesel über die Punischen Kriege mit dem Titel Hannibal Barkas geplant sei. Viel ergiebiger hingegen sind die Bildquellen. Die Unternehmungen der karthagischen Brüder und vor allem die damals unbekannten Elefanten (sie waren als Kriegstiere nach Europa gebracht worden) regten die Fantasie der Kupferstecher und Maler über Jahrhunderte hinweg an. Ich nutzte als Bezugspunkt und Informationsquelle vor allem Werke, die ab 1500 erschienen und somit ein wenig genauer und weniger fantastisch waren: Annibale in Italia [Hannibal in Italien] von Jacopo Rimanda, Genius Loci
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5 | Michele Petrucci, Studien für die Figuren von Metauro.
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1508; La battaglia degli elefanti [Die Schlacht der Elefanten], ein Bild der römischen Schule von 1521; Die Schlacht von Herakleia, ein Buntdruck von Matthäus Merian dem Älteren von 1630; Die Niederlage des Marcus Atilius Regulus von Everaert Layniers (1652–1654); Scipio und Hannibal bei der Schlacht von Zama von Geraert van der Strecken/ Jan van Laafdael, ein Wandteppich des 17. Jahrhunderts; Hannibals Übergang über die Alpen von Gottlob Heinrich Leutemann (1865); Der Tod des Eleazar von Gustave Doré (1866); Hannibals Übergang über die Rhone von Henry Motte von 1878. Schließlich die Comics. Am wichtigsten waren die Werke von Andrea Pazienza (Astarte), Sergio Tisselli und Giovanni Brizzi (Occhi di Lupo; siehe den Beitrag der beiden Autoren in diesem Band) sowie Giacinto Gaudenzi (Dreimal gegen Rom, im Rahmen der Geschichte Italiens als Comic von Enzo Biagi).
4. Nachdem ich den Steineichenwald überwunden habe, klettere ich nun mühsam auf unwegsamem Pfad zwischen Erdbeerbäumen und Ahorn hinan. Schließlich erreiche ich den Gipfel des Monte Pietralata, eines der beiden Berge, zwischen denen der Fluss Candigliano eine herrliche Schlucht hat entstehen lassen, die Gola del Furlo. Ich atme tief ein. Ich befinde mich auf jenem Berg, auf dem sich ein Monument befand, welches das Profil von Benito Mussolini wiedergab, gebaut in den Dreißigerjahren und (teilweise) zerstört von Partisanen und
durch Befreiungskräfte. Die Aussicht ist unglaublich, man atmet eine dünne Luft. Doch mich beschleicht das Gefühl, dass mich irgendjemand, verborgen im Dickicht, beobachtet. Ein letzter Zeitsprung. Wir befinden uns im Jahre 2013, es sind weitere zehn Jahre vergangen und mein Leben hat sich verändert, aber ich lebe noch immer in dem Tal, nicht weit entfernt vom Fluss, der immer schmutziger geworden ist und der von den Menschen und den unzähligen Industrieanlagen ausgebeutet wird, die in den letzten Jahrzehnten im Tal entstanden sind. Ich zeichne noch immer, entwerfe Comics und wandere entlang der Kiesbette der Flüsse und Wildbäche und über die Hügel und Berge der Marken, und ich führe weiterhin Forschungen über die noch verbliebenen Schutzgeister durch. Wenn es uns nicht gelingt, unseren Genius Loci zu erhalten, droht uns die Atopie, die Abwesenheit von Orten. Durch Atopie entsteht Amnesie, die sich auf die Bevölkerung verschiebt. Diese ist davon überzeugt, dass das Leben anderswo stattfinde, dass Wissen und Informationen Dinge seien, die einzig durch Fernsehen und Internet vermittelt werden. Es sind Menschen, die sich nicht auf diesen Pfaden bewegen, die keine Toponyme kennen, die nicht mehr auf Landschaften und Aussichten schauen. Menschen, die anscheinend vor der eigenen Vergangenheit und der Erinnerung Angst haben. Menschen, die es deshalb nicht schaffen, den Sinn der eigenen Existenz an diesem Ort, in diesem Moment zu finden. (Aus dem Italienischen übersetzt von Claudine Walther)
Genius Loci
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Ein Streifzug durch einen historischen Comic: die Abenteuer von Ducarius dem Gallier Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli
Eine Vorbemerkung muss bezüglich dieses Textes gemacht werden. Der Schreiber – Giovanni Brizzi – verfasst ihn zwar aufgrund seiner größeren Erfahrung im Schreiben von Texten, doch das in zwei Ducarius dem Gallier gewidmeten Alben bisher Verwirklichte ist ein gemeinsames Produkt von Sergio Tisselli und mir (und, im zweiten Album, von Giovanni Marchi). Somit ruft der vorliegende Aufsatz Erinnerungen an eine synergetische Zusammenarbeit hervor, verschmolzen in unum, und erzählt von einer Erfahrung, die gänzlich von den Autoren geteilt wurde – wie auch immer deren Ergebnisse sich bewerten lassen. Tisselli und Brizzi werden also zusammen durch Worte und Bilder sprechen. Ebenso wird der vorliegende Text selbstverständlich unter beiden Namen veröffentlicht. Jenseits einer persönlichen Freundschaft – die, wie in unserem Fall, sicherlich helfen kann – wird die Zusammenarbeit zwischen einem talentierten Zeichner, wie es eben Sergio Tisselli ist, Schüler des großen Comiczeichners Roberto Raviola (auch bekannt als Magnus), und einem sozusagen „offiziellen“ Wissenschaftler und renommierten Althistoriker wie Giovanni Brizzi, nur möglich, sofern 22 | Ein Streifzug durch einen historischen Comic
Letzterer von vornherein versucht, einen großen Makel der Wissenschaftlerzunft auszumerzen: jenen akademischen Dünkel, der bei vielen Hochschullehrern bezüglich des Comicgenres aufzutauchen pflegt. Der Comic, der zu Recht auch als „letteratura disegnata“ (gezeichnete Literatur) definiert worden ist, stellt in der Tat – und dies muss jedem klar sein – eine zusammengesetzte Ausdrucksform dar, folglich eine Sprache. Daher bemisst sich der Wert eines jeden Werkes am Niveau der Formen und der Inhalte, an der Handlung, an der Inszenierung und, vielleicht hauptsächlich, an dem, was es am meisten kennzeichnet: der Zeichnung. Im Fall des „Experiments Tisselli – Brizzi“ kam die Zusammenarbeit primär durch persönliche Freundschaft zustande. Kontaktiert von der Società di Studi Appenninici Savena, Setta, Sambra, die bei ihm schon ein vorangegangenes Album in Auftrag gegeben hatte, das auf dem Apennin spielt und in jenem Fall aus dem Tagebuch des Mr. Dodsworth, eines Reisenden, der den Gebirgszug im Laufe des 18. Jahrhunderts auf abenteuerliche Weise überschritten hatte, erarbeitet wurde, wendete sich Ser-
Abb. 6 | Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli, Occhi di lupo, S. 47. Ein Streifzug durch einen historischen Comic | 23
gio Tisselli nun an den Schreibenden, um seinen Ratschlag einzuholen. Und ich, der ich Comics seit jeher liebe, schlug ihm vor, unsere Geschichte in der Zeit einer anderen und um einiges bekannteren Überquerung der Gebirgskette spielen zu lassen, die im späten Frühling des Jahres 217 v. Chr. durch den Karthager Hannibal erfolgte. An diesem Punkt war es nötig, eine fantastische Handlung zu ersinnen, ein Gerüst, das stützen und der Arbeit Anmut verleihen sollte; eine Handlung, in der ich mir jedoch, als sozusagen offizieller Wissenschaftler der Genauigkeit verpflichtet, keinesfalls übermäßige historische Freiheiten erlauben konnte. Kein Problem. Wittgenstein umkehrend sagte Umberto Eco einmal, dass „man über das, wovon man nicht schreiben kann, erzählen muss“. Uns auf diese Aussage berufend waren Tisselli und ich uns sogleich darüber einig, dass in den Lücken der sozusagen offiziellen Geschichte authentische Erzählwelten ohne substantielle Veränderungen Raum finden und dort die eindrucksvollsten fantastischen Handlungen spielen könnten. Dies ist ein Punkt, auf den wir zurückkommen werden. Tisselli und ich entschieden uns daher dafür, die Geschichte um eine reale Person zu erweitern, um den eques Ducarius (einen wahrscheinlich bedeutenden „Ritter“), der dem gallischen Stamm der Insubrer angehörte und der während der Schlacht am Trasimenischen See [Abb. 6] den Konsul Gaius Flaminius Nepos tötete. Man weiß wenig von ihm; und dieses Wenige ist komplett dem Werk des Titus Livius (Römische Geschichte 22.6) zu entnehmen. Wie unser Akteur berichtet, war er einige Jahre vor der Schlacht am Trasimenischen See Zeuge der rö24 | Ein Streifzug durch einen historischen Comic
mischen Invasion der Poebene und des damit verbundenen Schicksals seiner Blutsverwandten, die eben von jenem Flaminius, seines Zeichens Wortführer der Angesehensten des Senats und Befürworter der Eroberungspolitik gegenüber Gallien, besiegt und niedergemetzelt worden waren. Diesen erkannte der gallische Krieger Ducarius nun als Führer der Legionen wieder und stürzte sich inmitten des Schlachtfelds auf den verhassten Feind. Nachdem er ihn getötet hatte (wie Livius berichtet), beraubte er ihn seiner Kleidung und Waffen und entfernte nach keltischem Brauch den Kopf als die wertvollste der Trophäen [Abb. 7]. Hannibal, der ihm ein feierliches Begräbnisfest bereiten wollte, suchte den Leichnam des Flaminius, doch konnte er ihn, nunmehr nur noch ein verstümmelter, nackter Rumpf unter Hunderten, vielleicht Tausenden von Leichen, nicht mehr identifizieren. So weit die wahre Geschichte. Um den Zeitraum zwischen diesen beiden Fixpunkten zu füllen – dem römischen Sieg über die Insubrer und der Rache des Ducarius in der Schlacht am Trasimenischen See –, haben wir eine Verbindung aus Fantasie und historisch plausiblen Motiven konstruiert, die die Handlung des ersten der zwei Comics, Occhi di lupo, bildet: Ducarius, dem Heer des Hannibal folgend, ist während des Winters zusammen mit einer punischen Abteilung ausgeschickt worden, um zu erkunden, ob es möglich wäre, den Apennin zu überqueren. Dieser Erkundungstrupp gerät in einen Hinterhalt der in den Bergen wohnenden Ligurer, den Ducarius als Einziger überlebt. Während der Gefangenschaft tritt Ducarius in regen Kontakt mit dem heiligen Mann des Stammes, einer Art
Abb. 7 | Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli, Occhi di lupo, S. 52. Ein Streifzug durch einen historischen Comic | 25
Schamane. Dieser befiehlt nicht nur den Seinen, das Leben des Ducarius zu schonen, sondern offenbart dem Gefangenen, dass dieser gleichsam hellseherische Fähigkeiten besitze, was Ducarius nicht bewusst gewesen ist. Dazu erklärt er ihm die Bedeutung eines immer wiederkehrenden furchterregenden Zeichens. Alle Komponenten dieser Vision sind keltisch. Inhalt dieser Vision ist ein Zweikampf zwischen einem ungeheuerlichen drohenden Wolf – zweifelsfrei symbolisch für die Stadt Rom stehend, die ja durch die Wölfin personifiziert wird, deren weiße Strähne auf unheimliche Weise als Haar des Gaius Flaminius wiederkehrt – und einem majestätischen Hirsch, der unter Einsatz seines Lebens den jugendlichen Ducarius rettet – ein Symbol jenes Gottes Cernunnos, der das keltische Volk personifiziert. Die Vision orientiert sich am bekannten livischen Omen, das der Schlacht von Sentino voranging (295 v. Chr.), und wirft einen dunklen, dramatischen Schatten auf die Beziehung zwischen diesen beiden Völkern. Von den Ligurern auf Geheiß seines Beschützers, der ihm sein Schicksal eröffnet hatte, freigelassen, eilt Ducarius im Frühling des Jahres 217 v. Chr. zu Hannibal, angetrieben von dem Wunsch, an Flaminius Rache zu nehmen, die sich dann auf dem Schlachtfeld am Trasimenischen See vollzieht. Obgleich nur in einer geringen Auflage erschienen (es wurde dank eines Zuschusses zweier Bankstiftungen veröffentlicht), erhielt das Album ziemlich wohlwollende Kritiken. Derart ermutigt, beschlossen wir, unseren Freund Giovanni Marchi darum zu bitten, sich uns anzuschließen und gemeinsam mit der Ausarbeitung eines zweiten Tei26 | Ein Streifzug durch einen historischen Comic
les fortzufahren, der wiederum Ducarius zum Protagonisten haben sollte. Wiederum gänzlich fantastisch handelt die Geschichte erneut von einem bekannten historischen Vorfall, einem noch tragischeren als dem vorangegangenen: dem römischen Desaster im Silva Litana (Livius, Römische Geschichte 23.24). Diese weitere Niederlage, die sich im Frühling des Jahres 215 oder, so auch die Datierung, die wir auswählten, gegen Ende des Jahres 216 ereignete, folgte wenige Monate auf das berühmte Massaker von Cannae: Der Suffekt-Konsul Lucius Postumius Albinus, ernannt für Aemilius Paullus, der bei Cannae sein Leben verloren hatte, durchzog an der Spitze seines Heeres das Gebiet der Boier und drang in einen sehr weitläufigen Wald, eben Silva Litana genannt (eine Art symbolisches Totenreich), ein. In einen Hinterhalt geratend wurden die Legionen vollständig vernichtet. Der Schädel des Konsuls, enthäutet und als Kelch in Gold eingefasst, fungierte in der Folge als rituelles poculum (Trinkgefäß) im bedeutendsten gallischen Heiligtum dieses Gebiets. Die diesem Hinterhalt zugewiesene außergewöhnliche (und unwahrscheinliche) Form – eine lange, gleichmäßig abgehauene und gepflegte Reihe an Bäumen soll sich auf die durchmarschierenden römischen Truppen gestürzt und sie überwältigt haben – bewegte einige Wissenschaftler dazu, sich um Aufklärung dieser Episode zu bemühen. Der Rückgriff auf den Mythos der kämpfenden Bäume, der vor allem in späterer Zeit in einem Kurzepos, das dem legendären walisischen Barden Talisien (6. Jahrhundert n. Chr.) zugeschrieben wird, bezeugt ist, ist aber sicher keltischen Ursprungs.
Von diesen Voraussetzungen ausgehend, skizzierten wir eine Geschichte von unzweifelhaft gotischer Farbgebung; basierend auf der Stilebene der doppelten Wahrheit, der Interpretation, um sich einer an sich fantastischen Erzählung hinzugeben: Als Ducarius nach dem Sieg von Cannae in den Norden zu Hannibal zurückkehrt, erreicht er, mit der Aufgabe, eine größere kriegerische Anstrengung seitens seiner Blutsverwandten anzuregen, das Gebiet der Boier, und zwar genau zum Zeitpunkt des Angriffs des Albinus. Von ihnen aufgenommen wie ein Held, nimmt er am Gefecht teil, schont aber zu guter Letzt im Namen der Vision, die er gehabt hat, das Leben eines blutjungen Römers. Nach diesem Sieg wird Ducarius sehr populär unter seinen Volksgenossen und zum Hauptvertreter der druidischen Magie, die angeblich den unbesiegbaren, die Legionen zu vernichten fähigen Kriegerbäumen Leben gegeben hat, aufgebaut. Jedoch erklärt er den Seinen, dass es nicht wie in der übertriebenen, fast schon zum Traum gewordenen Erzählung der Fantasie gewesen sei. In Wahrheit hätten Albinus und seine Truppen die Niederlage ihrer eigenen Überheblichkeit zu verdanken, ihrem frevelhaften Willen, das herauszufordern, was sie selbst als genius loci des Silva Litana definieren würden: Entmutigt und blind, verloren in einer Art Labyrinth außerhalb der Zeit, seien die Entweiher, vorbestimmten Opfern gleich, ihrem Gegner beim größten aller gallischen Siege seit der Schlacht an der Allia (390 oder 387 v. Chr.) ausgeliefert gewesen [Abb. 8]. Aber kehren wir zum Comic generell zurück. Seinem Wesen nach ziemlich frei, sprich fähig, eine
Reihe enorm unterschiedlicher Produkte und Vorstellungen sowohl unter ästhetischen als auch inhaltlichen Gesichtspunkten zu kreieren, erlegt das Genre dennoch einem jeden, der sich ihm annähert, eine im Grunde immer gleiche Mechanik auf. Ob es sich nun um ein Manga oder amerikanische Superheldengeschichten, um Graphic Novels oder historische Comics handelt, die jeweiligen Entwicklungsstufen des konstruktiven Prozesses sind identisch: Um die Bildabfolge zu festigen, ist ein Stoff, eine Inszenierung, ein story board nötig. Fernerhin ist es notwendig, die Art des Bildausschnittes zu definieren, das Ambiente und Kostüme festzulegen sowie die Figuren zu charakterisieren. Sind diese Aspekte festgelegt, verbleiben dem Autor der Dialog und – besonders in einem Comic wie dem unserem – die Pflege der historischen Einzelheiten; aber es ist der Zeichner, dem in der Teamarbeit die wichtigste Aufgabe obliegt. Von den unbestreitbaren künstlerischen Fähigkeiten (vor allem herausragend in der Aquarelltechnik) abgesehen, hatte ich in Sergio einen Ausführenden gefunden, der jede Anleitung, die ich ihm gab – von der Kapitulation der Heere und Reiter über die Darstellung verschiedener ins Bild genommener Ethnien im Heer von Hannibal bis hin zu den Heeresbewegungen, welche die dem Gelände angepassten Taktiken unterstreichen –, auf aufmerksame und respektvolle Weise umsetzte. Allerdings tauchen auch viele Alltäglichkeiten in der Geschichte auf. Bisweilen ist die Geschichte liebevoll anekdotisch. Tisselli zitiert häufig eine Äußerung von Magnus bezüglich einer Geschichte, die im 18. Jahrhundert spielt: „Ja, ich bin einverstanden mit seinem Ein Streifzug durch einen historischen Comic | 27
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fesselnden Charakter: Flucht, Schlacht, Gefangennahme … Aber ich hätte auch jenen Edelmann [den Protagonisten] vor dem Spiegel sehen wollen, mit dem gepuderten Gesicht, während er einen künstlichen Schönheitsfleck anbringt.“ Das Ambiente ist also immer präsent; und ihm hat Sergio zumindest einige, wenn auch verkürzte wertvolle Sequenzen gewidmet, etwa dem ligurischen Dorf, der Halle des Senats in Rom oder im zweiten Band der großen Versammlung der Insubrer im Zentrum eines rein fantastischen Mediolanum (Mailand). Tisselli bemerkte sofort das bestehende Risiko, im Falle einer historischen Erzählung in zwei gefährliche Fallen zu tappen. Zuallererst muss man auf didaktische Bildunterschriften zurückgreifen. An dieser Ansicht mögen sich die Geister scheiden, aber in Italien hat sie unzweifelhaft schöne und wichtige Ergebnisse hervorgebracht (man denke an die goldene Epoche des Corriere dei Piccoli und an einige seiner großen Autoren: Pratt, Battaglia, Toppi, Micheluzzi etc.). Das Problem ist jedoch, dass ein derartiger Ansatz oftmals in unergiebigen und langweiligen Erzählungen münden kann, und die Comic-Handlung wird letztendlich, genauso wie die Geschichte, zur bloßen Bildbeschriftung. Hier kann man an einen Ansatz erinnern, der bis heute als sehr großer verlegerischer Erfolg angesehen werden kann: die Storia d’Italia a fumetti [Geschichte Italiens als Comic] von Enzo Biagi. Die Ar-
Abb. 8: Sergio Tisselli, Giovanni Brizzi, Giovanni Marchi, Foreste di morte, S. 43.
beit, wenn auch unter graphischen Gesichtspunkten sehr schön, schafft es fast nie zu begeistern, schafft es nicht, die Erzählung zum Leben zu erwecken, wenn sie sich, wie in diesem Fall, auf die Bildunterschrift – auf Schrift also, die die Bilder anschließend glossiert – konzentriert. Damit wird sie laut Tisselli und dem hier Schreibenden der grundsätzlichen Basis und selbst der Bedeutung der gewählten Sprache, die Durchdringung von Schrift und Bildern ist, nicht gerecht. Bild und Sprache haben im Comic eigene und gut definierte Funktionen; der Text muss (und darf) nicht ständig die Zeichnungen erklären, diese müssen vielmehr aus sich selbst sprechen. Vor allem in einem historischen Comic ist es jedoch häufig notwendig, dass sich die Beschriftungen unpassendem Missbrauch oder Gebrauch entziehen. Einige große Autoren (man denke im Besonderen an Giancarlo Berardi) haben sich ihrer vollends entledigt, mit brillanten Ergebnissen in einer beinahe kinematographischen Form. Der gewissermaßen entgegengesetzte Fehler entsteht durch die Versuchung, sich gleichsam überzogene, ja überwältigende Freiheiten zu gönnen, mit dem häufigen Resultat, die Geschichte zu verfälschen, indem sie völlig fremden Anforderungen untergeordnet wird. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der gewählte erzählerische Ton jenem der Fantasy entspricht (ein Gebiet, in dem wahrscheinlich die französische Schule führend ist): dann nämlich, wenn der Hintergrund erklärtermaßen fictio ist, ein Zwischenspiel, um den Leser in eine andere, fantastisch ausgeprägte Dimension einzuführen, die jedoch von historischen Charakteristika nur oberflächlich gekennzeichnet Ein Streifzug durch einen historischen Comic | 29
ist (man denke zum Beispiel an einen gewissen mediävalen barbarischen Charakter wie Conan der Barbar). Ganz anders gelagert hingegen ist der Diskurs in Bezug auf jene Werke, die anstreben, gerade durch einen historisch-authentischen Hintergrund gekennzeichnet zu sein. Auch hier geschieht es häufig, dass sich die Autoren beliebige Kompetenzen herausnehmen, über die sie jedoch nicht verfügen, und literarischen Bestimmungen mehr Aufmerksamkeit schenken als der Geschichte. Dies ist offensichtlich (wenn auch häufig missverstanden) den Bedürfnissen des Marktes geschuldet. Eine derartige Haltung hat sowohl den Comic miteinbezogen, der schon immer als exzellentes Ausbruchsmittel geschätzt wurde, als auch das Kino und das Fernsehen. Man denke an viele Filme sowie (häufig auch sehr kostspielige) europäische und amerikanische Serien, in denen sich die als realistisch anzunehmende Rekonstruktion in eine bloße, oberflächliche, wenn nicht sogar ignorante und verwirrende Ausrede wandelt. Oftmals passiert es, dass „ganze Legionen“ selbsternannter Historiker dem Publikum eine hintergründige Lesart darzubringen versuchen, die aus wissenschaftlicher Sicht jedoch zumindest fragwürdig ist. „Das ist Schauspiel, Baby“: So, Bogart umschreibend, begegnen oft zahlreiche Kritiker diesem Phänomen. Und dennoch gibt es einen in diesem Bereich bedeutenden Unterschied zwischen Kino und Comic. Und darin sind Tisselli und ich uns auch vollkommen einig. Der Comic hat bezüglich der Ausstattung einen ganz anderen Ansatz als das Kino 30 | Ein Streifzug durch einen historischen Comic
– und insbesondere als die Kinoproduktionen, die die Franzosen péplum nennen. Der blasierten Ungenauigkeit vieler Produktionen des Kinos und Fernsehens, dazu bereit, die historische Rekonstruktion im Namen des „Spektakels“ preiszugeben – denen zumindest die Einhaltung einiger historischer Realitäten als Basis, als Fixpunkte nicht schaden würde (es wurde ja schon von den grenzenlosen Möglichkeiten, die der Fantasie eines Autors im großen, zu füllenden Raum zwischen historischen Fakten offenstehen, gesprochen) –, entspricht nämlich eine grundlegende Bescheidenheit des Comics, der in vielen Fällen dazu imstande ist, deutlich mehr aufeinanderfolgende Alben mit authentischen Erzählpassagen auszuarbeiten, die im ausgewählten chronologischen Kontext hervorragend Verwendung finden können (als Gelehrter der römischen Geschichte denke ich zum Beispiel an die exzellenten Serien Murena oder La dernière prophétie, die bei Dargaud bzw. Glénat herausgegeben wurden). Die Rechtfertigung, es sei ein „Spektakel“, steht als solche nicht allein. Nicht weniger als Vorwand für diese Praxis dienend, zielt die zweite Rechtfertigung auf die stets vorherrschenden Ansprüche des Marktes ab. Obgleich nicht vollends unbegründet, man betrachte dazu nur den Erfolg einiger dieser Produktionen, unterschätzt dieses Argument unserer Meinung nach gründlich die Intelligenz und den Geschmack des Publikums. Dem Erfolg liegt in der Tat nicht die Verzerrung der Geschichte zugrunde, sondern allein das Niveau von Formen und Inhalten, die diesbezüglich auch äußerst respektvoll mit der wirklichen Ge-
schichte umgehen können. Zumindest was den Comic angeht, kann man einen emblematischen Fall vorweisen: jenen des Dago. Bereits vor Jahrzehnten mit großem Erfolg veröffentlicht, der bis heute unvermindert scheint, widmet sich die Serie dieser Figur, die die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts durchläuft. Historisch reich und sehr komplex, ist ihr Erfolg der großen erzählerischen Sorgfalt und dem immer fesselnden Charakters des von Autor Robin Wood dargebotenen Abenteuers geschuldet. Aber diese Geschichte ist ebenfalls
durch eine im Wesentlichen getreue historische Rekonstruktion gekennzeichnet, die von der hervorragenden Zeichnung von Carlos Gomez außerordentlich gestützt wird. Wir haben versucht, diesen Zielen mit unseren beiden Alben nahezukommen. Auch wenn es uns nicht gelungen sein mag, unserer Serie wirkliches Leben einzuhauchen, so hoffen wir doch auf die Möglichkeit – dies bleibt wirklich zu wünschen –, ein letztes Kapitel zu realisieren, um sie somit zu einer Art Trilogie vervollständigen zu können. (Aus dem Italienischen übersetzt von Claudine Walther)
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Lateinische Schullektüre als Comic Michaela Hellmich
Mein Ansatz zur Verwendung von Comics im altsprachlichen Schulunterricht entspringt zweierlei Wünschen: 1. Den Schülern und Schülerinnen soll die antike Lektüre sowohl inhaltlich als auch stilistisch auf eine weitere, sinnliche Weise dargeboten und dadurch besser verständlich und einprägsam gemacht werden. 2. Der Comic als bekanntes und beliebtes Medium soll einen freundlichen und entspannten Einstieg gewährleisten. Denn die Erfahrung zeigt leider, dass lateinische Texte sehr oft erst einmal als abschreckende Hürde empfunden werden, die es zu überwinden gilt, um an den ersehnten Inhalt zu gelangen. Der Comic kann hier als treuer Begleiter gesehen werden, der einen während der Lektüre an die Hand nimmt. Denn mit Hilfe seiner Bilder und kleinportionierten Sprechblasen zeigt er meist das ganz augenfällig, was aus einem Fließtext erst herausgearbeitet werden muss. Oder kurz: Ich wünsche mir dazu beizutragen, dass der Lateinunterricht noch mehr Freude macht, indem Unübersichtlichkeit gemindert und die Kompetenzen im Hinblick auf die Arbeit mit Texten kreativ geschult werden.
32 | Lateinische Schullektüre als Comic
Aufbau der Lektürecomics An dieser Stelle möchte ich in aller Kürze das Grundkonzept meiner Comic-Lektüre darlegen: Das Heft ist doppelseitig aufgebaut. Eine Seite weist einen Abschnitt des Originaltextes auf, der eventuell aufbereitet wurde (z. B. durch die Einrückmethode). Rechts neben dem Text finden sich Vokabelhilfen, unten Aufgabenstellungen. Diese wurden in zwei Kategorien eingeteilt: „Aufgaben zu Sprache und Texterschließung“ und „Aufgaben zu Textverständnis und Interpretation“. Die andere Seite gibt in Comicform den Inhalt des jeweiligen Textabschnittes wieder [Abb. 9]. Dabei wird der Gehalt auf seinen Kern reduziert und notwendige Informationen werden in Textkästen oder Sprechblasen in möglichst komprimierter Form hinzugefügt. Dies ermöglicht eine grundsätzliche Erfassung der Handlung und zudem auch eine erste textliche Annäherung. Dabei bildet der Originaltext stets den Kern der Lektürearbeit, was sich auch in den angebotenen Aufgabenstellungen zeigt, die zwar die Doppelseiten kooperieren lassen, doch immer den Fokus auf dem Originaltext behalten.
Abb. 9 | Michaela Hellmich: Caesar. Der Gallische Krieg, S. 16–17.
Aufbau der Lektürecomics | 33
Das Antike im Lektürecomic Der Höhepunkt des altsprachlichen Unterrichts in der Schule und sein Ziel ist zweifelsohne die Lektüre lateinischer Originaltexte. Schließlich ermöglicht sie die direkte Berührung von Gegenwart und Vergangenheit und die Auseinandersetzung mit der uns einerseits oft so bekannten und andererseits doch meist so fremden Realität und Lebenswelt der Antike oder anderer lateinisch schreibender Jahrhunderte. Möchte man nun unterstützend und motivierend zum Einsatz von Comics greifen, kann man leicht auf zwei Probleme treffen: fehlende historische Genauigkeit und Fehler in der Umsetzung in das neue Medium. Als Beispiel für mangelnde Genauigkeit in der Darstellung antiker Lebenswelt sollen die allseits beliebten und wohlbekannten Asterix-Comics dienen. Sie transportieren mit ihren witzigen Geschichten meist auch direkte antike Anspielungen – seien es lateinische Zitate, antike Orte, Personen oder auch mythologische Geschichten wie die zwölf Arbeiten des Herkules. Doch dienen diese Anspielungen stets als Beiwerk oder Kulisse für die eigentliche, eher moderne Handlung unserer zwei liebenswerten Gallier. Denn wie ein Hägar der Schreckliche oder ein Inu Yasha keinen repräsentativen Blick ins Mittelalter ermöglichen, so spiegeln auch die Lebenswelt von Asterix und das in diesem Comic konstruierte Römische Reich weder die damalige Realität wider, noch entsprechen sie den antiken Zeugnissen, die wir noch heute in Händen halten. Und das wollen diese Comics ja auch gar nicht. Es handelt sich bei ihnen um spannende 34 | Lateinische Schullektüre als Comic
Abenteuer, die auf eine pseudoantike Folie gezeichnet werden, ohne Anspruch auf archäologische Präzision. Doch wenn solche Comics – und seien es auch die lateinischsprachigen Auflagen – im altsprachlichen Unterricht verwendet werden, können sie durch ihre losen Anknüpfungen und meist anachronistischen Spielereien ein konkret falsches Bild jener Zeit in den Köpfen der Schüler und Schülerinnen hervorrufen. Worüber man in der privaten Lektüre schmunzelt (sei es eine SonnenArmbanduhr oder der Widerstand eines einzigen gallischen Dorfes mit Hilfe eines Zaubertrankes), das muss im Unterricht als falsch bzw. als erdichtet thematisiert werden. Ein zweites großes Manko ist die gut gemeinte, aber oft mangelhafte Umsetzung des antiken Stoffs in das neue Medium Comic. Entweder werden die Regeln des Mediums nicht entsprechend umgesetzt, so dass z. B. Sprechblasen eine enorme Textmasse fassen müssen, oder die antike Vorlage wird so stark verändert, dass sie im Comic nicht wiedererkannt wird. Gründe dafür sehe ich zum einen darin, dass die Autoren sich mit Comics weitaus weniger gut auskennen als mit der Textgrundlage (ein Beispiel dafür ist der Caesar-Comic von Karl-Heinz Graf von Rothenburg; siehe den Beitrag von Martin Lindner in diesem Band). Denn Comics werden völlig anders gelesen als Fließtexte. Bild und Text arbeiten portionsweise zusammen und müssen ausgewogen sein. Strukturen im Text müssen sich auch im Bild wiederfinden lassen, und die Bildabfolgen müssen fließend und intuitiv zu erkennen sein. Das ist der Grund, warum es allen Altersstufen solchen Spaß macht, Comics zu lesen. All das
muss dann auch die Umsetzung eines lateinischen Originaltextes leisten können. Zum anderen scheinen die Comiczeichner sehr oft auch ihre ganz eigenen Vorstellungen von den Geschichten und Personen zu haben. Details, die im Originaltext zentral sind, werden vernachlässigt, Nebeninformationen in den Vordergrund gezeichnet. Auch Handlungen, die z. B. bei Caesar in blitzschneller Abfolge beschrieben werden, werden im Comic zum Teil lang und breit ausgefaltet und mit unnötigen Details versehen. Oder Stilfiguren, wie z. B. der Parallelismus, der genauso simpel im Bild nachgeahmt werden könnte, werden übergangen und verschwinden so völlig aus der Adaption. An diesen Problemen setzt nun meine Comiclektüre an und bemüht sich beiden Standpunkten gerecht zu werden: dem Originaltext sowie dem neuen Medium Comic. Das möchte ich nun an Beispielen demonstrieren und meine Gestaltungsentscheidungen erläutern. Im Falle der Caesar-Comic-Lektüre ist eines ganz grundlegend klar: Nicht der „historische Caesar“ soll dargestellt werden und auch nicht der Caesar, wie wir ihn aus der weiteren antiken wie modernen Literatur her kennen, sondern einzig und allein der Caesar, wie er sich selbst in seinem Werk präsentiert. Mit anderen Worten, der Caesar, den wir als den „fiktiven Caesar“ im Gallischen Krieg in der dritten Person begleiten und den wir durch den „Autor Caesar“ indirekt kennenlernen, ist unsere Basis. Denn das ist die Textgrundlage, anhand derer wir arbeiten. Dies bedeutet auch, dass die Fakten und Situationen, wie er sie beschreibt, unverändert übernommen werden. Daraus resul-
tiert z. B. ein sich wandelndes Bild der Helvetier, die je nach Funktion in der Erzählung heroisiert oder heruntergespielt werden, oder eine Verkürzung oder Verschweigung von Handlungen je nach Vorlage. Eine eigentlich kurze Szene, die vom „Autor Caesar“ nun mal über mehrere Zeilen und Sätze ausgefächert wird, erhält auch in der Comicversion ihre entsprechende Bildanzahl. Und so, wie im Gallischen Krieg Caesar stets als präzise, autoritär und den feindlichen Galliern immer einen Schritt voraus gezeichnet wird, so bekommt er auch im Comic eine vorherrschende Stellung im Bild und eine uneingeschränkte, charismatische Führerrolle. Dabei soll keineswegs der Leserlenkung des „Autors Caesar“ blind nachgefolgt werden. Vielmehr zeigt sich gerade in der Verbildlichung seiner Erzählstrategie diese umso deutlicher und wird im wahrsten Sinne des Wortes augenscheinlich, was durch eine Verfälschung des Originals in der Bildumsetzung eben verschleiert würde. Dass dies eines der Hauptanliegen dieser Lektüre sein soll, zeigt sich bereits im Umschlagbild, das Caesar beim Abfassen des Gallischen Krieges zeigt, der wiederum von der Hand der Zeichnerin gerade vollendet wird. So wie das Übersetzen immer auch eine Interpretation des Textes ist, so verhält es sich auch mit der Zeichnung. Im selben Zug wurde der Zeichenstil der Erzählweise Caesars angeglichen. Die Bilder weisen meist wenig Hintergrunddetails auf, da auch der Text selten – und dann prägnant – auf die Umgebung im Detail eingeht. Hinzugefügte Realien wie ein Soldat in Marschausrüstung, strategische Angriffsmuster oder eine antike Handmühle dienen Das Antike im Lektürecomic | 35
jedes Mal dem Zweck, die im Text beschriebenen Geschehnisse verständlicher zu machen und nicht etwa zu erweitern oder zu ersetzen. Damit wird dem Lehrer auch erspart, selbst nach Bildern der Realien zu suchen. In dieselbe Kategorie fallen Anlehnungen an antike Kunstwerke, wie z. B. die Skulptur Der sterbende Gallier, die dem möglichen Freitod des Helvetierfürsten Orgetorix sein Motiv gab [Abb. 10]. Denn diese Motivnachahmung soll durch Vergleich der Übereinstimmungen und Differenzen als Denkanstoß dienen, der Frage nach dem freiwilligen Selbstmord im Kapitel 14 auf den Grund zu gehen. Als letzten Punkt möchte ich noch einmal auf die generelle Simplifizierung der Darstellung kommen. Der Comic soll wie gesagt entlasten und einen lockeren Einstieg bzw. Hilfestellung während der Lektüre bieten. Dies wird besonders durch die Reduktion der Inhalte bewirkt. Sätze werden, wenn sie in den Comic übernommen werden, auf ihren Kern reduziert. Außerdem geschehen die Handlungen in der Gegenwart, so dass die Zeitverhältnisse leichter durchschaubar sind. Dies kann und darf auch nur deshalb geschehen, weil der Originaltext auf der gegenüberliegenden Seite unverändert präsent ist. Eine weitere Entlastung stellen die in direkter Rede umgesetzten Verhandlungen (z. B. I,13–14) dar. Die Verben können erkannt und der Inhalt verstanden werden, so dass die eigentliche Textarbeit weitestgehend entschärft ist. Des Weiteren wurden sämtliche Völker, die Römer eingeschlossen, eher stereotyp dargestellt. Die Gallier sind blond, schnurrbärtig und tragen Hosen, die Germanen sind zwei Meter große Berserker mit 36 | Lateinische Schullektüre als Comic
Vollbart und die Römer zeigen sich stets dunkelhaarig, glattrasiert und in Uniform. Dies dient nicht nur der leichteren Identifizierung durch die Schüler und Schülerinnen – denn wenn im Eifer des Gefechts auch noch unklar ist, ob ich einen Gallier oder Römer vor mir habe, wird es unnötig kompliziert –, sondern rührt eben auch von der stereotypen Beschreibung des „Autors Caesar“ her, der – typisch römisch – die Völker in Klassen und Eigenarten unterteilt. So dienen die Bildseiten nicht nur stumpf der Wiedergabe des Inhalts, sondern wollen authentisch visualisieren, was der Text transportieren möchte, soweit dies denn möglich ist. Schließlich ist die Übertragung ins Bild immer auch eine angefertigte, moderne Übersetzung mit vielen Mängeln. Doch sich auch gerade damit auseinanderzusetzen, dazu möchte ich mit meinem Lektürecomic anregen. Denn die Schüler und Schülerinnen brauchen nicht ausschließlich mit den gebotenen Bildern zu arbeiten; zahlreiche Aufgabenstellungen ermuntern zu eigenständigem kreativem Handeln, etwa dazu, lebendige Skulpturengruppen zu bilden, Collagen anzufertigen, Bilder im Comic zu vervollständigen oder selbst Textpassagen zu schreiben, sei es auf Deutsch oder Latein. Damit bietet diese Lektüre nicht nur Comicmaterial, Textinterpretation, korrekt abgebildete Realien und natürlich den Originaltext in angenehmen Portionen mit Aufgaben und Hilfestellungen auf jeder Doppelseite, sondern auch die unverzichtbare Aufforderung, selber kreativ zu werden und kritisch zu denken.
Abb. 10 | Michaela Hellmich: Caesar. Der Gallische Krieg, S. 10–11. Das Antike im Lektürecomic | 37
Abb. 11 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 67.
38 | Zum Comic gemacht – Cäsars Gallischer Krieg als didaktischer Comic
Zum Comic gemacht – Cäsars Gallischer Krieg als didaktischer Comic Martin Lindner
Lehren mit Comics? Noch immer erzeugt die Idee, altsprachliche oder althistorische Kenntnisse mit Comics zu vermitteln, in der Zunft ein gemischtes Echo. Zur Aufheiterung vor den Ferien darf es einmal Asterix sein. Mutigere versuchen sich etwa an Frank Millers 300 oder dem ambitionierten HomerProjekt Age of Bronze von Eric Shanower. Nur mangelt es allzu oft an Zeit und Medienkompetenz, um die volle Leistungsfähigkeit des Materials zur Geltung zu bringen. Ein guter Antikencomic ist ein vielschichtiges Kunstwerk und erfordert einige Einarbeitung. Einen Ausweg aus diesem Dilemma scheinen eigens für den Unterricht konzipierte Lehrcomics zu bieten. Schon der Begriff verrät aber das häufigste Defizit: Es handelt sich um Lehrcomics, die den Schülern Informationen übermitteln sollen, aber nicht um Lerncomics, bei denen die Stärken des Mediums für alternative Lernformen genutzt werden. Etliche Resultate sind kaum mehr als ausführliche Illustrationen zum Text, vielfach mit pädagogischem Zeigefinger, um auch ja keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Projekts aufkommen zu lassen. Einige scheitern durch ihre gewollt künstleri-
sche oder zu verniedlichende Ästhetik. Anderen gelingt es nicht, die richtige Mischung aus Quellentreue, Dynamik und Informationsgehalt zu finden. Der späte Sieg der Helvetier Auch angesichts dieser Punkte wird verständlich, dass eines der besten Beispiele sich seit über 25 Jahren am Markt hält: Julius Cäsar in der Version von Faber und Rubricastellanus. Bellum Helveticum erschien erstmals 1987 im Spectra-Lehrmittel-Verlag als 48-seitige Comic-Fassung mit einem kurzen Textanhang der Kapitel 1 bis 29 aus dem ersten Buch des Gallischen Krieges. In der fünften Auflage wurde dieser Anhang um 16 weitere Seiten Originaltext mit einigen Illustrationen ergänzt [Abb. 11]. Das Werk blieb jedoch ansonsten auch bei der Übernahme durch den Klett Verlag, der es seit den 1990er Jahren mit Erfolg nachdruckt, unverändert. Das schließt die ursprünglich wohl den Produktionskosten geschuldete Farbgestaltung ein: Auszug und Niederlage der Helvetier werden im ständigen Wechsel zwischen farbigen und monochromen Doppelseiten gezeigt. Der späte Sieg der Helvetier | 39
Eine der Stärken von Bellum Helveticum ist eine geglückte Verbindung, die man als „Cäsar und doch nicht (nur) Cäsar“ beschreiben könnte. Die von Walter Schmid unter dem Pseudonym „Faber“ gezeichneten Panels enthalten einen überwiegend in Dialogform gebrachten Cäsartext. Die Änderungen und zahlreichen Ergänzungen stammen von Karl-Heinz Graf von Rothenburg, der unter dem Pseudonym „Rubricastellanus“ ab 1973 schon die lateinischen Übersetzungen von Asterix besorgte (ironischerweise kam Asterix apud Helvetios erst sehr viel später auf den Markt). Sämtliche Eingriffe sind durch zwei simple Techniken nachzuverfolgen: An der Unterkante jeder Seite werden die adaptierten Kapitel genannt, so dass im Anhang die Textstellen im ursprünglichen Zusammenhang gefunden werden können. Im Schriftsatz stehen Veränderungen kursiv, beibehaltene Originalpassagen dagegen normal. Ergänzend werden bei Eigennamen zusätzlich Akzente als Aussprachehilfe gesetzt [Abb. 12]. Der Text ist überwiegend „echter“ Cäsar, die Änderungen gehen selten über einen eingefügten Satz hinaus. Auch die Abfolge ist nicht durchgehend identisch mit dem Originaltext, was sich aber oft zugunsten einer dynamischeren Erzählweise auswirkt. So sind etwa die ersten zwei Kapitel aus Buch I des Gallischen Krieges eine Art geographisch-strategischer Abriss über Gallien im Allgemeinen und das helvetische Gebiet im Besonderen. Diese eher spröde Passage wird in Bellum Helveticum aufgeteilt und an konkreten Situationen festgemacht. Auf einer zweiten Ebene wird dabei der Charakter des Comics als Unterrichtsmaterial 40 | Zum Comic gemacht – Cäsars Gallischer Krieg als didaktischer Comic
selbstironisch gebrochen: Cäsar muss sich von einem Kelten über die Grenzflüsse belehren lassen und reagiert auf den langweiligen Frontalunterricht mit Tagträumen (S. 3 f.). Mitten in diese Schilderung platzt ein Botenbericht über die Bedrohung der Provinz, worauf Cäsar nach Gallien eilt. Der Rest der geographischen Schilderung wird danach dem Helvetierführer Orgetorix in den Mund gelegt, der hiermit seinen Leuten die Marschroute erklärt (S. 5 f.). Einzelne Stücke des zweiten Kapitels kommen sogar erst auf Seite 50 bei der Betrachtung der neuen Siedlungsanlagen zum Einsatz. Der Comic orientiert sich eng am Original, wo dieses eine dynamische Handlungsfolge bietet. Wo es stärker abstrakt und allgemein gehalten ist, wird geschickt gekürzt und umgestellt. Cäsar und die Popkultur Bellum Helveticum nimmt sich glücklicherweise noch in anderen Punkten eine gewisse Freiheit gegenüber seiner Vorlage heraus. Ein Teil sind bewusst eingesetzte Querverweise innerhalb und außerhalb des Mediums Comic. Der belehrende Kelte im oben genannten Beispiel dürfte nicht von ungefähr ein Druide sein, der einem Charakter der Asterix-Reihe verdächtig ähnlich sieht. Auch die Kartendarstellung mit dem wie eingehämmert wirkenden Feldzeichen (S. 21, 37 und 41) ist von der ersten Seite jedes Asterix-Comics bekannt. Als Orgetorix in der Schlacht tödlich verwundet wird, zeichnet ihn Faber nach einem der bedeutendsten antiken Motive überhaupt: Der Sterbende Gallier (S. 10) ist weithin bekannt durch die römische Sta-
Abb. 12 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 23.
Cäsar und die Popkultur | 41
Abb. 13 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 10.
42 | Zum Comic gemacht – Cäsars Gallischer Krieg als didaktischer Comic
tuenkopie, die heute in den Kapitolinischen Museen steht. Inhaltlich gibt es keinen unmittelbaren Bezug. Das Original wurde für einen hellenistischen Herrscher gefertigt, der im 3. Jahrhundert v. Chr. die keltischen Galater in Kleinasien besiegt hatte [Abb. 13; vgl. Abb. 3–4 im Aufsatz von Michaela Hellmich]. Wichtiger ist nun die Funktion dieser Darstellung auf verschiedenen Ebenen: Die Szene ist auf der reinen Handlungsebene auch ohne Vorwissen um das Motiv verständlich. Die offensichtliche Verwundung und die Textzeile „Orgétorix mortuus est“ machen deutlich, dass einer der bislang wichtigsten Akteure verstirbt. Die Komposition des Bildes unterstützt sogar noch einen Einschub des Autors Cäsar, es habe Gerüchte um einen Selbstmord des Heerführers gegeben. So sind hinter Orgetorix zwar ein Schwert und ein Schild zu sehen. Er selbst ist jedoch getreu der Vorlage nicht in Rüstung, und es gibt keine klaren Indizien dafür, wo genau sein Tod stattfindet. Diese bewusste Undefiniertheit entspricht dem Versuch des antiken Autors, durch ein wiedergegebenes Gerücht Zweifel am heroischen Schlachtfeldtod eines Gegners zu wecken. Auf einer weiteren Ebene kann dagegen ein Bildzitat erkannt und eingeordnet werden. Als Aufnahme einer populären Ikone des abendländischen Antikenbildes passt der Ansatz in einem populären Medium perfekt. Die pathetische Todesszene ist damit als antikes Stereotyp zu lesen, geprägt von der Darstellung durch den siegreichen Gegner. Eine der Stärken von Bellum Helveticum ist gerade das Ausbleiben von überdeutlichen Hinweisen auf solche Kunstgriffe. Wer sie erkennt, wird
mit einem Schmunzeln oder sogar einem kleinen „Aha-Effekt“ belohnt. Wer sie übersieht, wird nicht durch ständige Hinweise aus dem Tritt gebracht oder durch mühsam erklärte Scherze demotiviert. Der Sterbende Gallier ist eine im Zusammenhang sogar historisch zu nennende Ergänzung. Bei anderen, oft anachronistischen Brüchen erübrigen sich zusätzliche Signale bereits durch die Übersteigerung. Cäsars Kutsche etwa trägt ein Emblem aus einem Adler mit dem Schriftzug „Aviatica Prima“, entsprechend der Air Force One des amerikanischen Präsidenten (S. 5 und 13) [Abb. 14]. Ein anderer USA-Bezug ist das Rekrutierungsplakat „Caesar vult et te“, das bis in die Porträtform dem berühmten Uncle Sam needs you bzw. I want you nachgebildet ist (S. 20). Nur selten scheinen die Macher explizite Hinweise für nötig befunden zu haben, so etwa bei dem Rotkreuz-Zelt im römischen Lager, das seine eigene Fußnote zur Erklärung erhält (S. 43). Vereinzelt sind Anachronismen ohne humoristischen Unterton als reine Hilfestellung eingesetzt. In diesen Bereich fällt etwa die mehrfache Verwendung von Karten: Deren Existenz und Form sind für die Antike insgesamt umstritten, die Perfektion ist so aber keinesfalls historisch (S. 3 f., 6 f. und 43). Die Eigenarten antiken Raumverständnisses wären zwar ein spannender Punkt gewesen. Sie aber ohne umfangreiche Erklärungen im Comic unterzubringen, hätte wohl ein kaum zu bewältigendes Problem dargestellt. Schwerer wiegt dagegen der Vorteil eines bekannten Kartenbildes als Übersetzungshilfe. Letztlich liegt es im Ermessen der Lehrenden, wie sehr solche Punkte thematisiert werden Cäsar und die Popkultur | 43
Abb. 14 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 5..
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sollten und können. Aus eigener Lehrerfahrung lässt sich nur der Eindruck vermitteln, dass die Schülerinnen und Schüler kaum Probleme bei der Einordnung anachronistischer Brüche des Comics haben – ganz anders als etwa bei der von Cäsars Fremden- und Selbstbild oder seiner vielschichtigen Darstellungsabsicht. Bellum Helveticum zeigt diese Probleme auf, indem beispielsweise die verschiedenen Rollen kontrastiert werden: Cäsar als Römer, Cäsar als Militär, Cäsar als Politiker oder eben Cäsar als Autor. Die Air Force One-Kutsche ist dabei nicht historisch korrekt; eine vollständige Gleichsetzung des römischen Feldherrn mit dem Präsidenten der USA wäre ohnehin schief. Der punktuelle Zeitbezug aber hilft beim Verständnis: In beiden Fällen handelt es sich um militärische Befehlshaber, die gleichzeitig Politiker sind. Beide wollen ihr Handeln rechtfertigen und ihren eigenen Leuten eine Weltsicht vermitteln. Und beide benötigen dafür eine gewisse Präsenz und Selbstdarstellung, die nur zusammen verstanden werden können. Die „Aviatica Prima“ ist nicht „echt Cäsar“, und genau deswegen funktioniert sie. Zusätze und (nicht) Zeigbares Ein zweiter wichtiger Aspekt des freien Umgangs mit dem Original ist die Möglichkeit, Leerstellen der Vorlage auszufüllen. Wo Cäsar nur knapp einen Ortswechsel vermerkt, zeigt ihn der Comic in der Kutsche. Am Wegesrand sind dabei Meilensteine und Grabmäler zu sehen, ganz entsprechend den zeitgenössischen Gepflogenheiten (S. 5 und 11). Wer will, erfährt somit nebenbei etwas über römi-
sche Erinnerungskultur oder über antike Reiseformen und -gefährte. Wer diese Details übersieht, bekommt zumindest klar den Ortswechsel vor Augen geführt. Ein anderes Beispiel wären die Momente, in denen Cäsar seinen Schreibern Texte diktiert (S. 23, 25, 34, 43 f. etc.) [Abb. 15]. Auf einer rein funktionalen Ebene sorgt diese Darstellung für Abwechslung, weil lange Monologe aufgebrochen werden. Man sieht die Schreiber eifrig am Werk, der Text wechselt mit den gezeichneten Briefen auf ein interessantes Schriftbild. Als Zugeständnis an die Lesbarkeit machen hier auch römische Schreiber Satzzeichen und schreiben in sauberen Großbuchstaben. Ansonsten liefert der Comic aber viele Informationen, die Cäsar ihrer Selbstverständlichkeit wegen für das damalige Publikum nicht eigens erwähnt: Ein Feldherr notiert nicht selbst, sondern hat einen Stab an professionellen Schreibern dabei. Häufigste Beschreibstoffe sind die gezeigten Papyrusstücke oder Schreibtafeln. Römische Tintenfässer haben oftmals eine ganz bestimmte Form, die Schrift unterscheidet nicht beim Zeichen für „u“ oder „v“ und so weiter. Andere Sachverhalte werden erst mittels der durchdachten Darstellung für die meisten Leser begreifbar. In seinem eigenen Werk gibt Cäsar etwa Kommunikationen mit den Galliern oft nur indirekt wieder oder lässt sie gleich auf Latein sprechen. Den zeitgenössischen Adressaten hätte der Wortlaut in der Originalsprache auch kaum weitergeholfen, und es bestand sicher ein Verständnis dafür, dass es sich eher um sinngemäße Wiedergaben handelte. Bellum Helveticum nimmt diesen Umstand auf, indem die Gallier in normalen HandZusätze und (nicht) Zeigbares | 45
Abb. 15 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 43,.
Abb. 16 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 22..
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lungsszenen lateinisch sprechen, in Dialogszenen mit Römern aber nicht unbedingt. Manche von ihnen sind offenbar des Lateinischen kundig. Für alle anderen benötigt Cäsar den fiktiven Charakter Varuccio als Übersetzer. Zur graphischen Darstellung erhalten diese Gallier eine Art eigenen „Schrifttyp“ in den Sprechblasen (S. 14, 17, 19 und 22 f.) [Abb. 16]. Aber genau wie Cäsar selbst bleibt auch dem Leser der gallische Wortlaut verschlossen. Beiden wird offensichtlich, dass sie auf einen Interpreten vertrauen müssen. Ein letzter Aspekt der freien Ergänzung von Cäsars eigenen Berichten ist ebenfalls an der Übersetzer-Episode festzumachen. Der Feldherr bekommt den sprachgewandten jungen Varuccio vom römischen Präfekten in Geneva geschenkt (S. 15). Wie Rubricastellanus/Rothenburg selbst erklärt, habe man mit der Art der Darstellung „Caesars wohl unersättliche Bisexualität“ andeuten wollen (Der Spiegel 16, 1988, S. 226). Unabhängig vom Wahrheitsgehalt entsprechender Berichte wären weder übersteigerter Sexualtrieb noch homosexueller Geschlechtsverkehr so einfach umzusetzen gewesen. Die Hauptadressaten des Werks waren und sind schließlich minderjährige Gymnasialschülerinnen und -schüler. Ob diesen der ohnehin extrem behutsame Wink überhaupt auffallen wird, erscheint fraglich. Wer ihn aber bemerkt, bekommt damit wieder eine doppelbödige Präsentation: Auch bei den antiken Autoren werden eher Vermutungen über Cäsars männliche Sexualpartner aufgestellt, etwa über Nikomedes IV. von Bithynien (u. a. Sueton, Iulius Caesar 2 und 49). Wenn Bellum Helveticum nur eine entsprechende Andeutung macht,
wird sowohl der Sachverhalt an sich eingebracht als auch die Situation verdeutlicht, in der Gerüchte aus Beobachtungen und womöglich falschen Rückschlüssen entstehen konnten. Cäsar „mit Mehrwert“? Die Frage nach Sinn oder Unsinn von Comics als Unterrichtsmedium lässt sich am Beispiel von Bellum Helveticum aus verschiedenen Perspektiven beantworten, die in der Diskussion oft in unglücklicher Weise vermischt werden. Gelungen ist etwa das Einfangen der Dynamik, die sich bei normaler Cäsarlektüre im Lateinunterricht nicht unbedingt erschließt. Wer eine Viertelstunde über einem mehrzeiligen Nebensatzgefüge brüten muss, verliert leicht den Blick dafür, welch beeindruckende Ereignisse hier eigentlich geschildert werden. Fabers Zeichenstil ist im Vergleich zu anderen Comics der 1980er Jahre nicht sonderlich innovativ. Er schafft es jedoch, die Handlung im wahrsten Sinne des Wortes am Laufen zu halten. Dass komplexe Passagen aufgebrochen sind, notfalls gekürzt und in Dialogform überführt, senkt die abschreckenden Einstiegshürden zusätzlich. Cäsar wird einfach(er) lesbar. Für bestimmte Lernziele ist diese Form eine gute Abwechslung zur sonstigen Praxis: Die Kombination von anschaulichem Bildmaterial und einer kompakten Handlungsabfolge macht das Geschehen eingängiger. Die Lektüre von Cäsars Werk soll schließlich nicht nur die Sprachkenntnisse schulen, sondern auch mit bestimmten historischen Ereignissen vertraut machen. Das fällt nun leichter, Cäsar „mit Mehrwert“? | 47
wenn etwa die vielen antiken Namen regelrecht Gesichter erhalten oder die Dimensionen der Ereignisse durch plastische Zeichnungen erfassbar werden. Zusätzlich helfen die Dialogform und die Akzentsetzung dabei, Latein auch einmal gesprochen zu üben. Visuelles Lernen wird so mit auditivem Lernen verbunden. Bei der sprachlichen Ausbildung kann ein weiterer Effekt zum Tragen kommen, den sich Bildwörterbücher schon seit Langem zunutze machen: Ein Fachterminus wie phalanx kann zwar als isolierte Vokabel gelernt werden. Ein Lernen im Kontext aber hat größere Erfolgschancen, wenn man die gerade Schlachtreihe unmittelbar vor Augen geführt bekommt (hier auf S. 39) [Abb. 17]. Ein Preis für viele dieser Vorteile ist ein Verlust an Übung mit dem schwierigeren Original. Wer später komplexere Werke auf Latein verstehen soll, kann sich mit einer textnäheren Lösung bereits an sprachliche Besonderheiten gewöhnen, die womöglich in Bellum Helveticum geglättet wurden. Produkte wie Der Gallische Krieg – von der Autorin vorgestellt im vorangehenden Beitrag dieses Buches – machen parallel Comicfassung und Quelle sichtbar. Durch solch ein ständiges Gegenüber wird es etwa überflüssig, die Kennzeichnung von Änderungen durch den Schriftsatz anzuzeigen. Cäsar fährt letztlich zweigleisig mit Adaption plus Original. Zudem sind dort schon Episoden als Lehreinheiten zugeschnitten, inklusive der aus Klassenarbeiten bekannten Worthilfen, Einrückungen und weiterführenden Aufgaben. Umgekehrt müssen Ansätze dieser Art auf die Vorteile verzichten, wie sie für eine adaptionsoffene, gebundene Erzählung im Stile von Bellum Helveticum beschrieben wur48 | Zum Comic gemacht – Cäsars Gallischer Krieg als didaktischer Comic
den. Der didaktische Comic bewegt sich zwischen zwei Polen: dem Historien- oder Literaturcomic und der (illustrierten) Textausgabe. Jeder noch so gut gewählte Mittelweg hat seine Kosten und muss für die jeweilige Lernsituation ergänzt und kontextualisiert werden. Wer sich die Mühe macht, kann dem Material noch viel mehr als eine leichtere Cäsarlektüre abgewinnen: Schon weil der „Texter“ Rubricastellanus/Rothenburg noch andere didaktische Comics und die Asterix-Übersetzungen erarbeitet hat, könnte man den Band auch für geschichtskulturelle Fragestellungen einsetzen. Im Mittelpunkt solcher Betrachtungen stünde dann etwa, wie historisches Erzählen an sich möglich ist. Oder es ließe sich fragen, welche Bedeutung Anachronismen und die Formen der (populären) Antikenrezeption haben. Bei allen individuellen Qualitäten ist Bellum Helveticum in seiner Themenwahl obendrein ein typisches Zeugnis für eine gewisse Kanonbildung: Der „Textkern“ des Lateinunterrichts wird üblicherweise von einer relativ kleinen Anzahl an Autoren und Schriften gebildet. Diese Gewichtung lässt sich historisch herleiten, aber auch didaktisch begründen. Und aus Sicht eines Schulbuchverlages ist verständlich, warum genau diese Schwerpunktsetzung bedient wird. Eine Comicversion von Ammianus Marcellinus ginge am Markt vorbei, weil dessen Werk nicht in den Lehrplänen auftaucht. Das Hinterfragen dieses Kanons könnte aber wiederum selbst zum Lerngegenstand gemacht werden. Schülerinnen und Schüler können wohl durchaus die Abstraktionen leisten, die für derartige Transfers nötig sind. Zumindest lassen dies die
Abb. 17 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 39,
Cäsar „mit Mehrwert“? | 49
wenigen breit angelegten Studien zum Einsatz von Comics im Lateinunterricht vermuten (vgl. Malatrait u. a. 1998). Letztlich zeigt die Verwendbarkeit auf völlig unterschiedlichen Ebenen aber vor allem eines: Die wichtige Frage ist nicht die, ob Comic oder Original den „besseren Cäsar“ liefern. Der Comic ist weniger nahe am Original als eine nur leicht bearbeitete Schulbuchfassung, und verschiedene Adaptionen können unterschiedlich textnah verfahren. Es kann
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aber nicht allein darum gehen. Originale Quellen und ihre Adaptionen müssen auf allen Ebenen genutzt werden, um die jeweiligen Stärken zu entfalten – und sich so auch ergänzen zu können. Bellum Helveticum macht aus Cäsars Werk keinen Asterix, und das ist gut so. Was der Band schafft, ist ein alternativer Zugang als „Kontrastfolie und Wegbereiter“ (Niemann 2008), der bei richtiger Verwendung eine wertvolle Ergänzung für die Vermittlung eines zentralen antiken Textes darstellt.
Elchjagd in Germanien (Gallischer Krieg 6,27)
sunt item, quae appellantur alces. harum est consimilis capris figura et varietas pellium, sed magnitudine paulo antecedunt mutilaeque sunt cornibus et crura sine nodis articulisque habent. neque quietis causa procumbunt neque, si quo adflictae casu conciderunt, erigere ses aut sublevare possunt. his sunt arbores pro cubilibus: ad eas se applicant atque ita paulum modo reclinatae quietem capiunt. quarum ex vestigiis cum est animadversum a venaoribus, quo se recipere consuerint, omnes eo loco aut ab radicibus subruunt aut accidunt arbores, tantum ut summa species earum stantium relinquatur. huc cum se consuetudine reclinaverunt, infirmas arbores pondere adfligunt atque una ipsae concidunt.
Ebenso gibt es dort Tiere, die alces („Elche“) genannt werden. Mit ihrer Gestalt und der Buntheit ihrer Felle gleichen sie Ziegen. Sie sind aber etwas größer und haben stumpfe Hörner sowie Beine ohne Knöchel und Gelenke. Daher legen sie sich weder zum Ruhen hin, noch können sie wieder auf die Beine kommen oder sich auch nur vom Boden erheben, wenn sie durch Zufall gestürzt sind. Ihnen dienen Bäume als Lagerstätten: An diese lehnen sie sich an und ruhen so mit nur leichter Körperneigung. Wenn nun Jäger über Fährten in Erfahrung gebracht werden, wohin sich die Tiere üblicherweise zurückziehen, untergraben sie entweder alle Bäume an dieser Stelle im Wurzelwerk oder sie sägen sie so weit an, dass es den Anschein hat, als stünden sie noch fest. Wenn sich die Tiere dann wie gewohnt anlehnen, kippen sie die instabilen Bäume durch ihr Gewicht um und fallen zusammen mit ihnen zu Boden.
Elchjagd in Germanien | 51
Abb. 18 | Eine zeitlose Strandszene: Nicht nur Westdeutsche träumten 1958 von Italien … Der Überfall im Theater, Mosaik 21, S. 9, © Johannes Hegenbarth/Tessloff Verlag.
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Gladiatoren, Legionäre, Funktionäre: die Rom-Serie des DDR-Comic Mosaik zwischen Historienepos, Antikeparodie und zeitgenössischer Medienadaption Thomas Kramer
Als das Magazin Focus den Regisseur Leander Haußmann (z. B. Sonnenallee, 1999) im April 2000 (Heft 3, S. 154) fragte, was er denn aus DDR-Zeiten vermisse, antwortete er: „Die Comics MOSAIK mit Dig, Dag & Digedag und Ritter Runkel von Rübenstein [...] Mein gesamtes technisches als auch kulturelles Wissen basiert auf diesen Heften.“ Nicht minder begeistert äußert sich der 1953 in der DDR geborene und dort aufgewachsene Autor Reinhard Ulbrich: „Ja, ja, wir geben es zu – ein Großteil unserer Halbbildung stammt aus diesen Comics. Aber statt im Geschichtsbuch zu blättern, war es nun mal viel interessanter, den Digedags ins alte Byzanz zu folgen oder zu Lord Groggy nach England. Die Bleikammern der Dogen in Venedig lernten wir ebenso kennen wie die Sandalenmode im Römischen Reich, und Runkel von Rübenstein brachte uns irre Ritterregeln bei, wo doch eigentlich die 10 Gebote der sozialistischen Moral gepaukt werden sollten“ (Ulbrich 1999, S. 85 f.).
Bereits aus diesen beiden Zitaten – und unzählige ähnliche Aussagen von Bürgern der untergegangenen DDR könnte man hinzufügen – wird deutlich, welche Bedeutung dem erwähnten Printprodukt bis heute beigemessen wird. Bei Mosaik handelt es sich um die einzige durchgängig von 1955 bis 1990 erschienene und von den Literatur- und Rezeptionslenkungsinstanzen der DDR tolerierte Comicbook-Reihe der DDR. Im FDJ-Verlag „Neues Leben“ 1955 ursprünglich für Kinder ins Leben gerufen, erreichte Mosaik schon bald eine alle Alters- und sozialen Gruppen umfassende Popularität. 1983 überschritt das monatliche Erscheinen die Millionengrenze. Die Nachfrage konnte allerdings auch damit nie auch nur annähernd befriedigt werden. Geistiger Vater der bis 1975 drei knollennasigen Hauptfiguren Dig, Digedag und Dag mit den charakteristischen Haartollen in Schwarz, Rot und Blond – eine Anspielung auf die deutschen Nationalfarben – war der 1925
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in Böhmisch Kamnitz geborene Grafiker Johannes Hegenbarth, der sich später Hannes Hegen nennen sollte. Produzierte dieser die ersten sieben Hefte noch weitgehend selbst, so wurden die folgenden Nummern ab März 1957 vom sogenannten „Mosaik-Kollektiv“ geschaffen. Der Erscheinungszeitraum des Mosaik lässt sich in mehrere große Abschnitte unterteilen. Die Hefte 1 bis 223 entstanden von 1955 bis 1975 unter künstlerischer Leitung von Hannes Hegen. 1976 lösten drei neue Helden namens Abrax, Brabax und Califax die Digedags ab. Die Hegen’schen Hefte werden nach ihren Haupthelden als Digedag-Reihe bezeichnet. Die Einordnung nach Serien ist erst nach Einbringung eines durchgängigen Handlungsmotivs ab Heft 13, dem Beginn der Rom-Abenteuer, sinnvoll. Einige Serien werden nach Handlungsorten, z. B. Rom ca. 300 n. Chr., andere nach inhaltlichen Schwerpunkten wie Erd- bzw. Technikgeschichte ca. 100 n. Chr. bis 1892 sowie eine dritte Gruppe nach einer bestimmten Hauptfigur wie der des Ritters Runkel von Rübenstein benannt. Die hier vorgestellte Rom-Serie erschien zwischen Dezember 1957 und November 1958 als jeweils 24-seitige, durchgängig farbige Hefte 13 bis 24. Besonders interessant ist, dass es in den Nummern 100 und 101 vom Februar bzw. März 1965 noch einmal einen Rückblick auf die Rom-Erlebnisse gibt. In Heft 13 vom Dezember 1957 wirbelt ein Tornado das in der Südsee vom Stapel gelaufene Zirkusschiff der Digedags nach Ostia [Abb. 18]. Es ist auch eine erste Zeitreise im DDR-Comic: Benutzte man in vorhergehenden Heften bereits Pulver und
Blei, finden sich die Protagonisten nunmehr in der römischen Antike um 300 n. Chr. wieder. Aufgrund der Meisterschaft seiner Artisten tritt „Circus Digedag“ vor den begeisterten Römern bald im Kolosseum auf. Doch dessen langjähriger Direktor, Senator Gallus, neidet den Neuankömmlingen ihren Erfolg und ihre Beliebtheit beim Kaiser. Gemeinsam mit einer Gruppe von mit dem Imperator unzufriedenen Offizieren versucht Gallus schließlich, den Herrscher zu stürzen. Dank des Erfindungsreichtums der Digedags bei der Konstruktion origineller Waffen gelingt es, die mit überlegener Truppenstärke angreifenden Putschisten abzuwehren. Doch der psychisch labile Cäsar Celsius erliegt Einflüsterungen, die behaupten, dass ihn nunmehr die Digedags vom Thron stoßen wollen. Zur Strafe für dieses angebliche Vergehen werden sie in die Fremdenlegion des Generals Quasis gepresst. Im Mosaik zerfällt diese während eines Manövers durch die Unfähigkeit ihres Generals. Mitten im Auflösungsprozess der chaotischen Truppe erfahren die desertierenden Comic-Helden, dass der Kaiser ihren Zirkus beschlagnahmt hat und beabsichtigt, dessen hervorragend dressierte Tiere in blutigen Gladiatorenspektakeln zu opfern. Die drei ehemaligen Zirkusdirektoren beschließen, sich zu trennen. Während Digedag nach Rom zurückkehrt, ziehen Dig und Dag weiter. Auf Malta werden beide in den Aufstand gegen die römischen Besatzer verwickelt, und in der Sahara entführt sie bald darauf ein außerirdisches Raumschiff auf einen erdähnlichen Planeten. Das Schicksal des dritten Gefährten klärt sich erst Jahre später auf: Dig und Dag stoßen im 13. Jahrhundert in einer Ruinen-
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stadt in der Po-Ebene auf ein antikes Manuskript mit seinen Erinnerungen an die gescheiterte Rettungsmission. Entscheidenden Anteil an der Anreicherung des Mosaik mit bürgerlichem Bildungsgut hatte der 1927 in Schwennenz geborene studierte Opernsänger Lothar Dräger. Schon bei der ersten Begegnung im Frühjahr 1957 bemerkten Hegen und Dräger ein gemeinsames Interesse an römischer Geschichte. Dräger hatte im traditionsreichen Marienstiftsgymnasium in Stettin eine klassisch-humanistische Bildung erfahren. Die Schriften Vergils oder Horaz’, Tacitus’ oder Julius Cäsars waren ihm so vertraut. Doch auch schon damals fast vergessene Dichter des 19. Jahrhunderts wie Joseph Victor von Scheffel wurden häufig von ihm zitiert. Für die Rom-Serie ließ Dräger sich z. B. von dessen satirischem Gedicht Die Teutoburger Schlacht inspirieren. Weitere Anregungen für humoristische Einlagen fand er in dem Büchlein Jocusa. Lateinische Sprachspielereien von Hans Weiß. Diesem entnahm Dräger u. a. die Inschrift einer antiken Skulptur, die den Zugang zu einem Geheimgang tarnt: „DI TE CANE IS CAPUT“ (Heft 16, 1958, S. 20). Auf den 8.984 Seiten der zwischen Dezember 1955 und Dezember 1990 insgesamt erschienenen 403 Mosaik-Hefte wird übrigens nur einmal eine solche kulturelle Quelle für den Leser offengelegt! Durch die Motivsuche der Schöpfer bei Autoren des 19. Jahrhunderts, deren Werk vielen Lesern nicht vertraut war oder ihnen zudem, wie im Falle Karl Mays, aufgrund politischer Verdikte jahrzehntelang vorenthalten wurde, füllte Mosaik Lücken im kulturellen Wissen seiner Betrachter. Die erste
Idee aus dem May’schen Œuvre ließ Lothar Dräger bereits kurz nach seiner Arbeitsaufnahme im Herbst 1957 beim Mosaik einfließen. Im Januarheft 1958 wirft sich der erzürnte römische Senator Gallus in seine Sänfte, deren Boden durchbricht. Die beiden Sklaven bemerken das nicht und rennen mit ihm samt Sänfte los. So ist auch der beleibte Römer gezwungen zu laufen. Eine ganz ähnliche Szene findet sich in dem von Lothar Dräger besonders geschätzten Karl-May-Roman Der blaurote Methusalem. Der von den Historienfilmen aus Hollywood begeisterte Chef Hannes Hegen gedachte, monumentale Filmbilder der „Sandalenschinken“ mit in prächtigen Kostümen und üppiger Ausstattung schwelgenden Massenszenen graphisch im Comic umzusetzen. Dräger, ein ausgebildeter Opernsänger mit Theaterpraxis, präsentierte bei seiner Bewerbung einen parodistisch angelegten Dramenentwurf unter dem Titel Spartakus und Messalina als Probe seines Könnens. Darin wird das von sexueller Ausschweifung erschöpfte Heer des Sklavenführers von ausgeruhten römischen Truppen in Bordellen im Schlaf überwältigt. Schwung und Stil dieser anzüglichen Persiflage auf den Schwulst damals brandaktueller Antikenrezeptionen aus Hollywood oder Cincinnati erinnern weniger an den Mief der Fünfziger denn an Ralf Königs Comic Lysistrata von 1987. Bemerkenswert hinsichtlich der erst später bei Uderzo und Goscinny bei Astérix geläufigen Praxis ist die Originalität der von Dräger schon 1957 Hegen vorgetragenen Idee, sein antikes Drama mit zahlreichen historischen und kulturellen Anspielungen in Comicbilder umzusetzen.
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Die Verwirklichung im Mosaik hätte aufgrund mehrfacher Tabuverletzungen bezüglich der „sozialistischen Moral“ und der Karikierung einer in der DDR hochangesehenen Persönlichkeit wie Spartacus sicher für Ärger mit der Zensur gesorgt. Erregte doch schon die Neuauflage von Sienkiewiczs’ Quo vadis? – allerdings der Propagierung des Christentums wegen – beim Ostberliner UnionVerlag 1954 beträchtliches Missfallen (Wandrey 1957). Nur in einigen historischen Details, nicht in der Eindeutigkeit ideologischer Aussagen von antikem Klassenkampf orientierten sich die Künstler des Mosaik an dem naturalistischen ungarischen Comic Spartacus, der 1957 auch in der DDR erschienen war (Zórád 1957). Der der SED ohnehin ablehnend gegenüberstehende Hegen erkannte mit sicherem Blick Drägers künstlerische Qualitäten und stellte ihn ein. Wie sehr der Texter das Gesicht des DDR-Comics prägte, zeigt sich darin, dass die Storys – wenn auch nur ansatzweise und zunächst als bloße Kulisse – erst nach seinem Hinzutreten in das Team an einem bestimmten historischen Topos angesiedelt wurden. Die ersten Mosaik-Abenteuer bis Heft 13 spielten in einem völlig geschichtsfreien Raum auf einer Südsee-Insel, wo sich Löwen neben Kängurus tummeln. Immer wieder genutzte Vorlage für römische Uniformen oder Senatorengewänder waren klassische Kostümwerke (vor allem Bruhn-Tilke 1942). Hegens spätere Frau Edith Szafranski, vor ihrer Tätigkeit beim Mosaik Bühnenbildnerin, gestaltete auf deren Grundlage unzählige Figurinen. Natürlich waren solche Publikationen für den Gebrauch in Theater und Oper gedacht. Bühnenwirk-
samkeit rangierte im DDR-Comic oft vor Authentizität, historischer Anachronismus war Programm. So heißt ein Offizier einer so ja im römischen Heer nie existenten Fremdenlegion Wittelsbacher und trägt statt eines Helms Hut mit Gamsbart. Die reale französische Legion war 1958 durch ihren Einsatz in Algerien und den hohen Anteil Deutscher – darunter viele ehemalige SS-Leute – Gegenstand der Berichterstattung in Ost und West. Wie sehr der – über die bis 1961 offenen Grenzen frei zugängliche – westdeutsche Comic-Markt mit seinen Produkten Mosaik beeinflusste, zeigt ein Vergleich mit den Abenteuern der Weltgeschichte. Zu diesem Zeitpunkt vorliegende Titel wie Der Löwe von Karthago (1955), Nero (1956) und Gaius Julius Cäsar (1956) werden bei den Textern und Zeichnern des Mosaik Interesse geweckt haben. Schon das zweite Heft der Serie, Die Verschwörer von Cartagena, erinnert an Mosaik-Heft 16 vom März 1958: Satte lorbeerbekränzte Patrizier schwelgen an einer überladenen Tafel, die zu ihrem Erschrecken durch den Schwertstreich eines jugendlichen Offiziers zerstört wird. In genanntem Mosaik-Heft verwandeln streitende Generale zum Ärger des Imperators Cäsar Celsius die Festtafel in ein Schlachtfeld. Hier wird einmal mehr die interpretatorische Breite des Mosaik deutlich: Denn auch in dem englischen Film Four Feathers von 1955 verwüstet ein britischer General den gedeckten Tisch, indem er mittels Lebensmitteln einen Schlachtverlauf demonstriert. Der historische Hintergrund des Films, der Mahdi-Aufstand im ausgehenden 19. Jahrhundert, interessierte Dräger seit der jugendlichen Lektüre von Karl Mays vor
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Abb. 19 | Trinkfeste Gallier im DDR-Comic. Dig, Dag, Digedag und die Siegesfeier, Mosaik 19, S. 4, © Johannes Hegenbarth/Tessloff Verlag. Gladiatoren, Legionäre, Funktionäre: die Rom Serie des DDR-Comic Mosaik | 57
gleichem historischen Hintergrund angesiedelten Sudan-Romanen. Der Einfluss opulenter zeitgenössischer Leinwandepen ist in der Rom-Serie nicht zu übersehen. Insbesondere die Prägung durch Quo Vadis von 1951 mit seinen Paraden, Gladiatorenszenen und Katakombenverstecken ist kaum zu unterschätzen. Der Löwe, dem die Digedags zu Beginn ihrer Abenteuer 1956 auf einer Südsee-Insel (!) begegnen und den sie zum Wandergefährten erziehen, erhielt nicht umsonst den Namen Nero: Die Rom-Serie des Mosaik ist „Comicromance“ (Pandel 1994). Geschichte wird lediglich als Bühnenbild benutzt, vor welchem die der Imagination der Schöpfer entsprungenen Geschichten erzählt werden [Abb. 19]. Die mussten nicht zwangsläufig vor dem historischen Hintergrund Roms spielen, wie Heft 24, Der Aufstand der Fischer, beweist. Bei der Schilderung der Rebellion Maltas gegen Rom folgt man bis in Einzelheiten dem im 17. Jahrhundert angesiedelten Abenteuerfilm The Crimson Pirate von 1952. Doch nicht diese historischen Unverbindlichkeiten riefen Kritik und Zensur auf den Plan. Als putschende Söldner in Heft 18 an Fallschirmen über Rom niedergingen, waren diese zunächst wie Adlerköpfe geformt. Chefredakteur Ernst Dornhof legte sein Veto ein: Diese könnten an den Bundesadler erinnern; hatte doch Walter Ulbricht selbst bei der Restaurierung der im Volksmund „Kommode“ genannten Alten Bibliothek neben der Staatsoper die vorgabengetreue Verwendung des preußischen Wappentiers untersagt. Bei der Auslieferung der Hefte an die Zeitungskioske waren die Adlerköpfe verschwunden (Lettkemann 1990).
Neben Anatomiestudien bei Theateraufführungen im „Berliner Ensemble“ erklärte Hegen bis zum Mauerbau 1961 vor allem den Besuch der in Deutschland anlaufenden Disney-Filme in Westberliner Kinos, vor allem dem „Zoo-Palast“, zur Pflichtveranstaltung. Dumbo, der fliegende Elefant fand sich so als ebenfalls sanftmütiger Zirkusdickhäuter Jumbo in Heft 14 vom Januar 1956 und im Jubiläumsheft 100 vom März 1965 im Mosaik wieder. Den Disney-Weihnachtszeichentrickfilm Susi und Strolch von 1955, in den ersten beiden Micky Maus-Nummern bereits 1956 in einer Comic-Interpretation von Hubbard vorgestellt, verarbeiteten die Mosaik-Künstler im Februarheft 1958 (Nr. 15) zu Die Ballade vom armen Strupp [Abb. 20]. Der titelgebende Straßenköter ist ein genaues Abbild seines Disney’schen Verwandten Strolch. Die gestraffte Story des Disney-Films wird unter Verzicht auf das Happy End als von Hunden aufgeführtes Singspiel innerhalb der Rahmenhandlung gesondert präsentiert. In Anlehnung an den Titel einer Studie zu Inhalt und Wirkung von Astérix als „Trivialepos Frankreichs“ kann man Mosaik als das Trivialepos der DDR betrachten (Stoll 1974). Der Impetus der Entstehung von Mosaik und Astérix ähnelt sich: Mosaik wurde 1955 ursprünglich als Gegengewicht gegen in die DDR einströmende „Westcomics“ aus der Taufe gehoben; Astérix war 1959 nach Aussage des Zeichners Uderzo „als Antwort auf die Flut amerikanischer Themen“ gedacht (Uderzo 1986, S. 126). Die Besonderheit im Vergleich von Astérix und Mosaik liegt darin begründet, wie in einem gänzlich unterschiedlichen Umfeld der Entstehung
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Abb. 20 | Disneys Susi und Strolch als Mosaik-Adaption im Februarheft 1958. Dig, Dag, Digedag und die Ballade vom armen Strupp, Mosaik 15, S. 21, © Johannes Hegenbarth/Tessloff Verlag. Gladiatoren, Legionäre, Funktionäre: die Rom Serie des DDR-Comic Mosaik | 59
verschiedene, in gleichem historischen Handlungsraum angesiedelte Comic-Serien unter Verwendung ähnlicher Motive bei gleichen Spannungselementen genutzt werden. Inzwischen hat Asterix fast die gesamte Welt bereist. Ursprünglich war geplant, auch die Digedags mit dem ein wenig dem Obelix vergleichbaren Germanen Teutobold die gesamte antike Welt bereisen zu lassen. Nach Abschluss jeder Etappe sollte eine Landkarte des bereisten Gebiets die Erlebnisse in Erinnerung rufen und zusammenfassen. Im Dezember 1958 mussten die Antikeabenteuer allerdings auf Drängen der Verlagsleitung abgebrochen werden. Der aktuelle politische Grund: Mo-
saik hatte sich nach dem Sputnikstart am 4. Oktober 1957 in den Gesamtkontext der DDR-Medien bei der Propagierung raketentechnischer und anderer Großtaten des Sozialismus einzuordnen. Die Rom-Serie bezieht ihren Charme aus ihrem Charakter eines Werks des Übergangs. Als erste Serie mit einem durchgängigen Handlungskonzept vereint sie die unbekümmerte Verspieltheit, den slapstickgespickten Humor vorhergehender Hefte mit dem später stärker ausgeprägten Anspruch, bürgerliches Bildungsgut akribisch recherchiert und unterhaltsam zu vermitteln. Das macht diese Hefte bis heute zum empfehlenswerten Lektürevergnügen.
60 | Gladiatoren, Legionäre, Funktionäre: die Rom Serie des DDR-Comic Mosaik
Messalina und die anderen „Girls“ – römische Erotik im italienischen Comic Filippo Carlà
Seit den 1960er Jahren explodierte im italienischen Verlagswesen die Popularität einer neuen Sorte von Comic-Reihen, die bald unter der Bezeichnung „fumetti neri“ (schwarze Comics) international bekannt wurde. Dieser Name deutet darauf hin, dass sich solche Comics programmatisch mit der „dunklen Seite“ des menschlichen Gemüts beschäftigten: Verbrechen, Gewalt, Sex. Insbesondere die Werke, die diesen letzten Punkt thematisierten, wurden schnell äußerst erfolgreich: Aufgrund dieses Erfolgs und der entsprechenden rapiden Vervielfältigung wurden sie aber genauso schnell repetitiv in den Inhalten und in den Formen. Es handelt sich um Comics – wie Andreas C. Knigge geschrieben hat –, in denen sich die immer gleichen Sex-Szenen wiederholen, während sich nur die Kulissen des Geschlechtsverkehrs ändern. Dieser Wandel des Hintergrunds war deshalb das einzige Element, durch das die Zeichner und die Autoren, die häufig anonym blieben, eine gewisse Originalität zeigen konnten; dementsprechend tauchten bald „schwarze Comics“ auf, die ihren erotischen Inhalt in verschiedene historische oder
pseudohistorische Kulissen einbürgerten. Diese konnten von der Welt der Piraten (La corsara nera, „Die schwarze Seeräuberin“) bis zum Frankreich des 17. Jahrhunderts (Isabella) reichen und benutzten oft Stilelemente und Gestalten des zeitgenössischen erotischen Romans, wie z. B. die Serie Angélique von Anne Golon, deren Erfolg seit den 1950er Jahren (der erste Roman wurde in Deutschland 1956 publiziert) außerordentlich war. In diesem Kontext war es unmöglich, dass die antike Welt von diesem Phänomen nicht berührt wurde. Die griechische Welt wurde jedoch kaum thematisiert; Gründe dafür sind die verbreitete „neoklassische“ Rezeption Griechenlands als einer weißen Welt aus Marmor, aber auch die Verbindung – so zumindest in der generalisierten Wahrnehmung – der griechischen Kultur mit homosexuellen Praktiken (deren Rolle in den „schwarzen Comics“ unten behandelt wird). Es überrascht deshalb nicht, wenn nur eine einzige einschlägige Serie zu finden ist, die unter dem Titel Saffo (Sappho) das „zweideutige“ sexuelle Leben der lesbischen Dichterin fokussiert.
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Abb. 21 | Messalina, Heft 7, S. 87. Sabinus: „Unter Matronen versteht man sich besser, nicht wahr, meine Teure? / Schau mal hier, wie viele Kleider ich habe. Und Perücken und Schuhe jeder Art …“; Messalina: „Ich bin nicht hier, um über Frauenmode zu plaudern …“ Messalina und die anderen „Girls“ – römische Erotik im italienischen Comic | 63
Eine ganz andere Wirkung hatte die römische Welt, die auch auf einer populären Ebene eine viel stärkere Bindung zu sexuellen Themen hatte: Dies resultierte aus dem verbreiteten Bild einer liederlichen Gesellschaft (vor ihrer Christianisierung) und aus bekannten literarischen Quellen (vor allem Juvenal), die mit höchst moralistischen Tönen die Korruption der Sitten in der Urbs thematisiert hatten. Die berühmte Stelle aus dem Werk des satirischen Autors, die das Leben Messalinas, der dritten Frau des Kaisers Claudius, beschreibt – dort heißt es, dass sie nachts in einem Bordell gearbeitet habe (Juvenal, Satiren 6.116–132) –, und andere Lästereien über sie, die bei Sueton zu lesen sind, sind der Ursprung der bekanntesten „römischen schwarzen“ Comic-Serie, Messalina. Der Erfolg der Serie kann an ihrer Publikationsdauer gemessen werden: Zwischen 1966 und 1974 wurden 185 Hefte in zwei Serien veröffentlicht (eine dritte großformatige Serie wurde in 18 Heften zwischen 1970 und 1971 publiziert). Messalina ist die wunderschöne Frau des untauglichen, faulen Kaisers Claudius, der von seinen Freigelassenen dominiert wird (ein Porträt, dessen Elemente auch zum größten Teil bei Sueton vorhanden sind); sie rettet mehrmals seinen durch verschiedenartige Verschwörungen bedrohten Thron – und hat inzwischen Affären mit LiebhaberInnen jeden Geschlechts, Alters und Niveaus. Dazu ist Claudius impotent und versucht regelmäßig, von Eifersucht getrieben, Mordkomplotte gegen Messalinas Liebhaber zu schmieden (in Heft 82 engagiert er z. B. einen Killer aus den Karpaten, um verschiedene Liebhaber der Kaiserin zu töten), bleibt aber letzten Endes der schönen Frau hörig. Es
gelingt ihr, ihn zu ihren Gunsten zu manipulieren, nur um sich danach in den Armen ihres favorisierten Liebhabers, Caius Silius, zu entspannen. Dieser ist eine historische Persönlichkeit: Sueton berichtet, dass Messalina ihn gar in einem geheimen Ritus geheiratet habe (Tacitus, Annalen 11.26–28). Das Bild des Claudius ist eindeutig negativ und lächerlich, und dies erlaubt es, sofort ein wichtiges Merkmal dieser Comics zu erkennen: ihre politische und soziale Bedeutung im Kontext der Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre. Man könnte tatsächlich denken, dass solche Serien im katholischen und politisch von der Democrazia Cristiana dominierten Italien der damaligen Zeit einen wichtigen Bruch mit den sozialen Konventionen und der rigiden katholischen Moral darstellten [diese waren die Jahre der neuen Gesetzgebung bezüglich der Ehescheidung (1970–1974) und der Abtreibung (1974–1978)]. So verwundert es nicht, wenn u. a. Vergleiche mit Filmen gezogen wurden, die in jenen Jahren großen Skandal im bürgerlichen Lager gemacht hatten, wie Bertoluccis Der letzte Tango in Paris (1972) oder Pasolinis Die 120 Tage von Sodom (1975). Doch der Schein trügt in diesem Fall: Ganz im Gegenteil sind diese Comics nämlich, in ihrer anscheinenden Transgression, das Produkt einer äußerst konservativen und streng chauvinistischen Mentalität. Dies wird durch Messalina und Claudius verdeutlicht: Der Kaiser zeigt seine Untauglichkeit gerade deshalb, weil er von einer Frau dominiert wird; diese besitzt eine Freiheit und Macht, die sie nicht besitzen sollte. Die Kaiserin ist von jedem Emanzipationsgedanken ebenso weit entfernt
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wie von der Komplexität einer femme fatale: Sie ist lediglich das konkrete Beispiel für eine degenerierte Welt, in der eine skrupellose Nymphomanin – wie nur eine sehr billige männliche Vorstellungswelt sie ersinnen kann – die Macht übernehmen darf. Ziel der Hefte war es letztendlich nicht, politische und soziale Reformen zu fördern oder eine bestimmte Weltanschauung zu verbreiten, sondern die größtmögliche Zahl von Exemplaren zu verkaufen – und dies erreichte man mit Bildern, die als verlockend und aufregend galten. Wie Umberto Eco formuliert hat, sind diese Frauenfiguren „völlig negative Heldinnen, die dem Leser trotzdem sympathisch werden, mindestens weil sie bereit sind, sich zu entblößen und sich allen, Guten wie Bösen, hinzugeben, teilweise aus Wahl, teilweise aus Kalkül, teilweise aus Verzweiflung. Es ist immer eine Orgie von Brüsten, Bauchnabeln, Gesäßen, die jeweils gestreichelt, gedrückt, gepeitscht, gebrannt, gebissen werden; die mit Wasser, Eis, Feuer, roten Ameisen gefoltert werden.“ Solche Comics zeigen „alle Keime einer mindestens präfaschistischen Einstellung, mit einem Geschmack für die Gewalt als Bestätigung der Vitalität oder der Virilität (dasselbe gilt auch für die Frauen, deren sexuelle Selbstbehauptung alle Merkmale der faschistischen Virilität hat), mit dem Hass gegen Homosexuelle und Impotente, mit der Glorifizierung der Massaker, mit dem heroischen Geschmack der Folter und des schönen Todes […] Es sind ganze unterproletarische Massen, die durch diese Comics keine surrealistische Befreiung von den Fesseln der westlichen Moral lernen, sondern den Geschmack der Entjungferung, die Rechtfertigung des Voyeuris-
mus, die Verachtung der Frau als erotisches Objekt, die Heiligung des gefährlichen Lebens.“ Keine „Frauenpower“ also, keine Emanzipation: Die Hauptdarstellerinnen dieser Comics sind rein sexuelle Objekte und jeder soziale oder politische Diskurs fehlt. Selbst die Sklaverei wird nie zur Diskussion gestellt – sie ist im Gegenteil ein willkommenes Mittel, um über große Mengen an lebendigen sexuellen Spielzeugen zu verfügen. Das Einzige, was gebrochen wird, ist die Tabuisierung des Sex und der sexuellen Praktiken – explizite Verweise auf Orgien, Sadomasochismus, Nekrophilie sowie Inzest fehlen nie. Es gibt keine Revolution; diese Werke sind im Gegenteil eine Bestätigung der reaktionärsten männlichen Stereotypen unter dem Anschein des Bruches derselben. Dies wurde von Federico Mataloni explizit bestätigt: „Die freie Liebe schrumpft zur Nymphomanie und zu einem geschmacklosen Sadomasochismus, der sogar den Marquis de Sade zum Lachen bringen würde. Diese Marionetten ohne Innerlichkeit und Gefühle glauben, dass sie die Männer instrumentalisieren, werden jedoch von ihnen instrumentalisiert; sie glauben, sie seien ein Mittel der Befreiung von sexuellen Tabus, sie werden aber zum Mittel der Repression. Der Leser lässt an ihnen – und nicht in einem aktiven Widerstand gegen das System – alle Frustrationen und die Aggressivität aus, die er bei der Arbeit, in der Fabrik, im Büro, im Elend der Peripherien gesammelt hat. Die Spannung, die bei der Lektüre dieser Comics abgebaut wird, ist ein steriler Aufstand und führt letztendlich zu einer Festigung der Gesellschaft, gegen die diese Personen scheinbar wirken sollten.“
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Nur konsequent ist demnach auch die sehr häufige Darstellung der Homosexualität: Die weibliche taucht auf fast jeder Seite auf und ist immer eine Projektion der düstersten und billigsten chauvinistischen Vorstellungswelt. Die männliche Homosexualität wird durch die traditionellsten konservativen Stereotypen dargestellt: Verweichlichung, Hysterie, Perversion. So verbringt der „Etrusker“ (das Volk der Etrusker wird in den antiken Quellen häufig als „weibisch“ charakterisiert) Sabinus, der in Heft 7 während des Blumenpflückens Augenzeuge eines Mordes wird, seine ganze Zeit damit, Athleten beim Training zu bewundern, und er spricht dazu von sich selbst immer mit femininen Adjektiven [Abb. 21]. Das beste Beispiel der Darstellung der Homosexuellen kommt jedoch aus einer anderen sehr erfolgreichen Serie, Teodora. Die frühbyzantinische Kaiserin Theodora, Gemahlin des Kaisers Justinian I., ist die Heldin von 52 Heften, die zwischen 1972 und 1973 publiziert wurden. Jedes Heft wird von zwei kurzen Texten eröffnet. Der erste führt die Hauptdarstellerin als Person ein, die den Aufstieg „vom dreisten Leben der Suburra“ (ein Viertel in Rom, das Theodora nie besucht hatte, in dem sich aber, laut Juvenal, Messalina prostituierte!) zum „Pomp des kaiserlichen Hofs,“ schaffte. Als Quelle wird der „liber pontificalis, der in der Bibliothek von Ravenna aufbewahrt ist“, zitiert. Der liber pontificalis ecclesiae Ravennatis des Agnellus von Ravenna ist ein Werk des 9. Jahrhunderts, das aber über die Kaiserin nichts außer ihrem Todesdatum (MGH SS rer. Lang. 1, S. 322, 19) verrät. Die wenigen Inhalte, die aus einer antiken Quellen stammen, sind der
Geheimen Geschichte des Prokop von Caesarea entnommen. Dieses Werk, ca. 550 n. Chr. verfasst, beschreibt die Kaiserin, Tochter des Bärenwächters vom Zirkus, ehemalige Tänzerin und Prostituierte, wie eine rein dämonische Figur (Prokop, Geheime Geschichte 9–10). Die Heldin der Comic-Serie verliert diese Konnotation, und durch Eigenschaften, die auf einer Banalisierung des Modells der femme fatale beruhen, wird sie, wie es der zweite Text sagt – nach der Versicherung, dass der ganze Stoff „aus genauen historischen Quellen“ stamme –, zur „stolzen Herrin des Ostens“, eine „geniale Schöpfung, die die Geschichte der Männer nach ihrem Willen gestalten konnte“. Sie „teilte das Reich mit ihrem Mann Justinian: Sie beeinflusste und förderte jede von seinen Maßnahmen und verzichtete nie darauf, ihre Lüste als verderbte Frau zu befriedigen“. Dieser Wunsch, die „Historizität“ der gezeichneten Plots zu bestätigen, macht sich auch in den anderen Serien bemerkbar: In Heft 82 der Serie Messalina sagt Claudius, als er aus einem mit Wein gefüllten Schwimmbecken steigt, dass dessen Inhalt dem Volk gegeben werden solle, auf dass es diesen zu seinem Wohl trinke. Eine Fußnote merkt an, dass es sich um eine echte historische Episode handele. Für Claudius liegt jedoch keine solche Information vor, aber etwas Ähnliches wird in der Tat von der Historia Augusta über Elagabalus berichtet: „Er mischte das Wasser von Schwimmbädern und Badewannen mit gewürztem Wein, Rosenund Wermutwein. Er lud das Volk zum Trinken ein, und er trank selbst so viel mit dem Volk, dass man in Anbetracht dessen, was er alleine getrunken hatte, denken konnte, dass er aus einem Schwimm-
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Abb. 22 | Messalina, Heft 7, S. 54. Messalina und die anderen „Girls“ – römische Erotik im italienischen Comic | 67
becken getrunken“ (HA Elag. 21.6). Im selben Heft zeigt Treberius Gallicanus Iunior Messalina ein Becken, in dem er Muränen mit Diamant-Ohrringen züchtet. Auch dieses Detail stammt aus antiken Quellen: Plinius der Ältere erzählt (9.172), dass Antonia, die Frau des Drusus, eine Muräne, die sie liebte, mit Ohrringen schmücken ließ. Treberius wird später von seinen eigenen Muränen gefressen, nachdem er ins Becken hineingeworfen wurde [Abb. 22]; so hat laut Cassius Dio (52.23), Plinius dem Älteren (9.39) und Seneca (Clem. 1.18) auch ein Senator der augusteischen Zeit, Publius Vedius Pollio, jene Sklaven getötet, die er hinrichten wollte. In Teodora sind so Persönlichkeiten zu finden, die eigentlich bei Prokop auftauchen. Dieser schreibt z. B., dass Theodora die Liebhaberin des Statthalters der libyschen Pentapolis Hekebolos gewesen sei. Dieser habe sie jedoch später verstoßen – die Gründe sind hingegen unklar. Im Comic (Heft 17) wird diese Episode thematisiert und es wird eine Erklärung für die Vertreibung Theodoras erfunden: Hekebolos hat, neben Theodora, einen Liebhaber, den ephebischen Heraklitos. Dieser stellt nochmals das perfekt stereotype Bild des Homosexuellen dar: effeminiert und hysterisch. Aufgrund seiner Eifersucht versucht er, Theodora zu töten, wird aber von dieser umgebracht. Darüber aufgebracht wirft Hekebolos sie hinaus. Ähnliche narrative Strategien, die antike Quellen und neue Einfälle mischen, findet man auch in Messalina. Beispielhaft ist Heft 7, in dem die Hauptdarstellerin sich mit Agrippina, der Nichte sowie der späteren vierten Frau des Kaisers Claudius, auseinandersetzen muss. Agrippina intrigiert, um alle anderen Verwandten des
Claudius zu vernichten und so letztendlich ihren eigenen Sohn Nero zum Kaiser zu machen (der impotente Claudius kann selbstverständlich keinen Sohn mit Messalina zeugen!) [Abb. 23]. Teodora wird von zwei Kräften getrieben: Unzucht auf der einen Seite, die Gier nach Macht auf der anderen. Von Anfang an will sie Kaiserin werden – dies aber nur, um in einer Position zu sein, in der sie alles tun darf, was sie will, und nicht, um politische bzw. soziale Reformen einzuführen. Um den Thron zu erreichen und dann zu bewahren, agiert sie völlig skrupellos: Sie intrigiert, liebt, gibt sich hin, tötet („ein Leben auszulöschen macht mir unermessliche Freude“, sagt sie in Heft 3). Unzucht ist gleichzeitig ein Mittel zur Erreichung der Macht und ein Ziel per se – es gibt keinen Platz für Gefühle, weder für den General Belisarius (ebenfalls eine historische Persönlichkeit), mit dem sie eine bloß affektive Beziehung führt, noch für die Sklavin Zandar, mit der Teodora eine Affäre hat und die sofort umgebracht wird, als sie zu viel über ihre Herrin erfahren hat (Heft 21). Vorteilhafter ist es, eine Art von Oase in die Narration einzubauen, wo eine Gruppe von Frauen lebt, die den Amazonen ähnlich sind. Sie wohnen alle zusammen und verfügen über ein Grüppchen von Männern, die sie regelmäßig in Orgien benutzen, nachdem ihnen Rauschgift verabreicht wurde (Heft 17). Dies ist keine Utopie, sondern eine klare Dystopie und zeigt die Frau, die von der sozialen (und christlichen) Kontrolle befreit wurde, als ein sadistisches und unaufhaltsames Ungeheuer. Die zeichnerische Darstellung der antiken Welt ist ebenfalls konsequent: Architekturen, Dekoratio-
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Abb. 23 | Messalina, Heft 7, S. 28. Messalina: „Deine Mutter will dir Rom schenken. Was würdest du tun, Schatz, falls Rom dein wäre?“; Nero: „Ich würde die ganze Stadt niederbrennen!“; Messalina: „Er ist sicherlich dein Kind, Agrippina. Heute ein Affe, morgen ein Monster“; Agrippina: „Ich will keine Minute mehr beleidigt werden!“ Messalina und die anderen „Girls“ – römische Erotik im italienischen Comic | 69
Abb. 24 | Teodora, Heft 5, S. 5.
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nen und Kleider werden zum größten Teil vom italienischen Antikenfilm der 1950er bis 1970er Jahre (dem sogenannten peplum) übernommen. Es ist keine Vertiefung vorhanden und die Autoren beabsichtigen keine „authentische“ Reproduktion der Antike. Ein Blick in die Darstellung Konstantinopels zu Beginn des 5. Hefts von Teodora genügt [Abb. 24]: Von einer Terrasse im vagen venezianischen Stil mit korinthischen Säulen aus sieht man einen Teil der Stadt. Erkennbar sind ein Triumphbogen, eine Säule mit einem spiralförmigen Relief (vielleicht die Mark-Aurel-Säule aus Rom?) und das Colosseum (sic!) sowie eine große Kuppel, die zwar an St. Peter im Vatikan in seiner Architektur seit der Renaissance erinnert, aber große orientalische Fenster trägt, und ein weiteres Gebäude mit Zwiebelkuppeln, das vermutlich den Orient evozieren möchte, aber letztendlich stärker an die russische Architektur erinnert (der Kreml könnte als Modell fungiert haben). Schließlich ist noch eine dritte Serie zu erwähnen, die große Gemeinsamkeiten mit den bereits genannten aufweist. Die Titelheldin von Pompea (23 Hefte, 1972–1973) ist keine historische Figur. Der Kontext ist es sehr wohl: Pompea lebt in Rom unter Kaiser Nero; ihre Abenteuer sind explizit im Jahr 64 n. Chr. angesiedelt – dem Jahr des Brands und der ersten Verfolgung der Christen –, welches nach den damals (und noch heute) verbreiteten Bildern einen Rahmen von Perversion und Unzucht liefert. In diesem Kontext können deshalb die Geschichten der jungen, wunderschönen und reichen römischen Witwe und ihres Freundes/Liebhabers Favonius bestens verortet werden. Der dritte Haupt-
darsteller ist Clitore (ein sprechender Name!), ein „gut ausgestatteter“ bisexueller Hermaphrodit, der als Freund, Berater und teilweise Liebhaber Pompeas auftritt. Clitores Name ist nicht der einzige, der so konstruiert wurde; fast alle Namen sind „latinisierende“ Bearbeitungen umgangssprachlicher sexueller Termini. Die Serie arbeitet wesentlich stärker als die anderen mit Wortspielen, absichtlichen Anachronismen, Anspielungen auf die zeitgenössische Welt (Heft 15, 1973, ist eine Parodie auf die sizilianische Mafia und den Film Der Pate aus dem vorherigen Jahr [Abb. 25]), metanarrativen Mechanismen (die Charaktere sagen häufig, dass ein bestimmtes Gespräch zu unterbrechen sei, um kein Problem mit der Zensur zu bekommen). Jedes Heft trägt einen italienischen Titel und einen (auch grammatikalisch) falschen lateinischen, der nur Heiterkeit erwecken will. Auch in diesem Fall können einige Auftritte historischer Figuren (in Heft 9 kann Pompea Nero entführen und bei ihm eine Amnesie verursachen, während Vespasian zum Kaiser ernannt wird; in Heft 10 ist Tigellinus zu finden, der von allen Frauen Roms verachtet und abgelehnt wird) das antike „Setting“ verstärken. Zugleich bleibt die generelle Ausrichtung dieselbe wie in den anderen Serien: So begegnet man in Heft 10 etwa dem Gelehrten Degeneratus, der more uxorio mit einem Affen zusammenlebt, um der Gefahr der weiblichen Versuchung zu entkommen – Degeneratus verfällt aber dennoch der Pompea. Oder Pompea selbst, die zum Markt geht, um Sklaven zu kaufen und so eine gewisse Abwechslung in ihr sexuelles Leben zu bringen (Heft 16); im selben Heft taucht auch der Homose-
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Abb. 25 | Pompea, Heft 15, S. 32.
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xuelle Mengatius auf, den sein Vater Orellus „bekehren“ will („Ich flehe dich an; sei mannhaft und gewaltig mit Pompea!“), der sich allerdings am Ende, aufgrund eines Zaubertranks, in ein Schaf verlieben wird. Nicht anders verhält es sich bei Heraklitos in Teodora und allen anderen ähnlichen Figuren; aphrodisische Zaubertränke, alte und hässliche, jedoch lüsterne Frauen und enthemmte Sklavinnen sind zentraler Bestandteil der Handlung fast jeden Hefts. Auch wenn Pompea positiver als Messalina und Teodora dargestellt wird (oder zumindest weniger gefährlich: Sie liebt Favonius und rettet mehrmals sein Leben; generell tötet sie ihre LiebhaberInnen nicht), so bleibt sie doch immer eine Heldin der Sorte „verkehrte Welt“ und stellt kein positives Modell der emanzipierten Frau dar. Etwas anders gelagert sind die beiden Hefte der Serie Historik, die 1971 in Kombination mit einer Serie erotischer Romane veröffentlicht wurden. Das Thema ist merkwürdig: Nicht das Rom der Kaiserzeit, dessen Unzucht und moralische Dekadenz schon von den antiken Autoren beklagt wurden, sondern das archaische Rom wird hier behandelt – genauer gesagt, die Zeit zwischen der Gründung der Stadt und dem „gallischen Brand“ von 390 v. Chr. (die Serie hätte ursprünglich fortgesetzt werden sollen, wurde aber abgebrochen). Die Autoren, wie bei allen anderen Serien anonym, scheinen in der antiken Geschichte besser beschlagen zu sein als ihre Kollegen: Sie kennen die Bücher des Titus Livius, die die Geschichte der Ursprünge Roms behandeln, sowie die mythischen Stoffe des 8. bis 4. Jahrhunderts v. Chr. In Historik wird dies alles in eine erotische Parodie umgewan-
delt. Wie schon der Eröffnungstext der zwei Hefte sagt, werden „in Historik berühmte Namen wiederkehren, denen wir schon in der Schule begegnet sind. Selbstverständlich werden wir sie hier ein wenig verändert vorfinden … Und zwar menschlicher: voll der Mängel und der sympathischen Laster, die noch heute die Welt beherrschen.“ Die „sympathischen Laster“ sind Unzucht und eine Liebe zur Gewalt, die Romulus und Remus schon als Kinder kennzeichnen, als sie die Wölfin umbringen, um sie zu essen, und auch später, als sie um Frauen streiten und Rom zusammen mit einer Prostituierten und ihrem Kuppler gründen. Die Geschichte Roms ist hier die Geschichte einer Stadt, in der eigentlich jeder die Zeit entweder im Geschlechtsverkehr oder beim Morden bzw. in Kriegen verbringt. Während auch dieser Comic verweiblichte Homosexuelle beinhaltet, fehlen dagegen – und dies ist die größte Differenz zu Messalina, Teodora und Pompea – relevante weibliche Figuren. Nachdem auch die gefährliche Nymphomanin verschwunden ist, bleibt in Historik nur das simple Objekt Frau, das sich lüstern auf den hübschen Römer wirft (normalerweise in Gruppen) oder von ihm verführt wird. Die einzig mögliche Alternative ist die hässliche Frau, die nur ausgelacht werden kann. Die Geschichte der Lucretia, der Frau des Collatinus, die sich selbst vor ihrem Vater und ihrem Mann umbrachte, nachdem sie vom Sohn des Königs Tarquinius Superbus vergewaltigt worden war und so den Aufstand verursachte, der zur Vertreibung der Könige und zur Gründung der Republik führte (Livius, Römische Geschichte 1.57–59), wird jedoch kaum überarbeitet – so er-
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Abb. 26: Historik, Heft 1, S. 95. Lucretia: „Ich sterbe … Sextus Tarquinius hat mich vergewaltigt … Ich sterbe lieber, als die Entehrung zu überleben. Rächet mich!“
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laubt es diese Episode, das Bild einer tugendhaften Frau anzubieten; sie wird vergewaltigt, weil sie ohnmächtig ist, und die Schande treibt sie in den Selbstmord, gemäß allen Prinzipien eines rückständigen moralistischen Konservatismus [Abb. 26]. Die „schwarzen Comics“ generell und insbesondere die historischen sind ein spezifisches Produkt der italienischen Kultur der 1960er und 1970er Jahre; ihr Erfolg musste notwendigerweise zeitlich und räumlich begrenzt sein. Anfang der 1970er Jahre versuchte man, die Serien teilweise zu exportieren: Einige wurden in Deutschland beim Freibeuter Verlag publiziert. Hier trafen sie jedoch sofort auf den Widerstand der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und wurden umgehend indiziert. Von Messalina wurden zwischen 1973 und 1974 nur die ersten 14 Hefte übersetzt; von diesen fielen wiederum die Hefte 3, 4 und 9 der
Zensur zum Opfer. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts waren solche Serien auch in Italien am Ende ihrer Entwicklung angelangt (mit wenigen Ausnahmen, worunter insbesondere Krimis oder nichterotische Serien fielen). Die Veränderung der italienischen Gesellschaft, die Entwicklung anderer Medien und vermutlich auch eine gewisse Langeweile angesichts der kontinuierlichen Wiederholungen in diesen Werken hatten das Publikum von Messalina und Teodora Abstand nehmen lassen. Der erotische Comic mit antikem Hintergrund tauchte trotzdem in der Folgezeit immer wieder auf, so etwa Mitte der 1980er Jahre mit dem Charakter „Culio Cesare“, Hauptfigur einiger Hefte der Serie Il Bordello („Das Bordell“). Diese Serie mündete aber schon in die Pornographie und transportierte Inhalte sowie ästhetische Modelle ganz anderer Natur.
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Ein Lied für Kaiser Nero Patrick Schollmeyer
Nero gehört zweifelsohne zu den schillerndsten Persönlichkeiten auf dem römischen Caesarenthron. Der 68 n. Chr. unter turbulenten Umständen nicht ganz freiwillig durch eigenhändiges Erdolchen aus dem Leben geschiedene Kaiser genießt eine bis heute ungebrochene Popularität. Diese ist das Resultat einer besonders intensiven Rezeptionsgeschichte, die allerdings von Beginn an Züge einer Verleumdungskampagne aufweist. Schon zu seinen Lebzeiten sah sich Nero einer massiven Kritik seitens römischer Senatoren ausgesetzt, die ihn als einen Despoten mit wahnsinnigen Zügen verunglimpften. Eine Sicht, die die Masse der stadtrömischen wie provinzialen Reichsbevölkerung zwar keineswegs teilte, die sich letztlich aber durchsetzte und das Bild bis heute bestimmt. Neben den literarischen Schilderungen sind es dabei vor allem die bildlichen Darstellungen, die unseren Blick auf Leben und Charakter des Nero entscheidend geprägt haben und auch weiterhin prägen. Dass dieser Blick ein eingeengter und verstellter ist, soll im Folgenden anhand einer einfachen Comic-Erzählung exemplarisch aufgezeigt werden. Die von Carlo Panaro getextete und von Sergio Asteriti gezeichnete Geschichte Ein Lied für Kaiser Nero erschien erstmals 1988 unter dem Original76 | Ein Lied für Kaiser Nero
titel Topolino e la canzone di Nerone auf Italienisch. Die deutsche Premiere erfolgte in der Reihe Walt Disneys Lustiges Taschenbuch als Nr. 162. Diese Fassung fand zuletzt Eingang in den 2011 unter dem Titel Abenteuer in der Antike aufgelegten Sammelband Walt Disneys Lustiges Taschenbuch Spezial Nr. 40. Die Story ist recht einfach gestrickt und rasch erzählt: Micky Maus fährt gemeinsam mit Goofy und Pluto ins Museum, wo sie die Professoren Marlin und Zapotek zu Goofys für den Abend geplanten Geburtstagsfeier einladen wollen. Sie werden Zeuge eines Streits um einen Neufund. Bei einer archäologischen Expedition ist ein Liedtext des Kaisers Nero gefunden worden, bei dem es sich mit nur geringfügigen Abweichungen um die lateinische Fassung (… o vale mea Roma! Roma aeteher-na …) des bekannten Schlagers Arrivederci Roma! Goodbye, au revoir … handelt (ein Lied von Pietro Garinei und Sandro Giovannini, das Teil des gleichnamigen Musicals ist – 1959 als Seven Hills of Rome verfilmt – und 1955 von Renato Rascel zum Erfolg gebracht wurde). Die beiden Gelehrten wollen der Sache auf den Grund gehen und planen daher, die Freunde mit einer Zeitmaschine in das Jahr 62 n. Chr. reisen zu lassen. Durch ein Missge-
Abb. 27 | Die Rache der Poppaea (1876), Gemälde von Giovanni Muzzioli, Museo Civico d’Arte, Modena, in: Maria Antonietta Tomei u. a. (Hg.): Nerone. Ausstellungskatalog Rom (2011), S. 39, Abb. 2, © Disney. Ein Lied für Kaiser Nero | 77
Abb. 28 | Nero in seinem Gemach, gezeichnet von Sergio Asteriti, in: Abenteuer in der Antike, Walt Disneys Lustiges Taschenbuch Spezial Nr. 40, S. 387, © Disney.
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schick wird zunächst Pluto allein in die Vergangenheit geschickt. Es gelingt aber, Micky und Goofy ebenfalls ins neronische Rom zu versetzen. Dort angekommen, man fällt in römischer Tracht auf einen Heuhaufen, machen sich die beiden schleunigst auf die Suche nach Pluto. Sie finden heraus, dass Pluto wahrscheinlich auf dem Wagen eines gewissen Gaius Sempronius, Tavernenwirt aus Rom, gelandet und mit diesem auf dem Weg in die Hauptstadt ist. Sie reisen sofort hinterher. In Rom angekommen erfahren sie von Gaius Sempronius, dass ein Zenturio Pluto an sich genommen und ihn anschließend an Kaiser Nero weiterverschenkt habe. Während Micky und Goofy noch überlegen, wie sie in den Palast gelangen können, stoßen sie mit Melodius zusammen, der sich ihnen als Sänger vorstellt und von einem Liederwettbewerb erzählt, den Nero ausgeschrieben habe. Sofort verfallen sie auf die Idee, hieran teilzunehmen, um so in die kaiserlichen Gemächer zu gelangen. Goofy hatte Gott sei Dank noch Professor Zapoteks Walkman mit der Kassette einstecken können, auf der das Lied Arrivederci Roma! Goodbye, au revoir … zu hören ist. Wohlgemut begeben sie sich in den Palast. Während der langen Wartezeit müssen sie erleben, wie die Sänger einer nach dem anderen vom Kaiser schlecht behandelt und hinausgeworfen werden, was Micky in Gedanken zu dem vielsagenden Kommentar verleitet: „Die Geschichtsbücher haben offensichtlich recht! Nero war echt ein übler Typ.“ Endlich an der Reihe beginnen sie mit ihrem Vortrag, der zunächst wider Erwarten gleichfalls beim Kaiser durchfällt. Nero will den Text verbrennen und lässt die Freunde in den Kerker werfen. Dort
wird Micky klar, dass Nero eigentlich von ihrem Lied begeistert ist und sie nur als lästige Mitwisser hat einsperren lassen, um selbst als einziger Urheber zu gelten. Dass der Kaiser sie am nächsten Tag beseitigen lassen will, wissen Micky und Goofy indes noch nicht. Sie fassen aber einen Plan, um es Nero heimzuzahlen. Es gelingt ihnen, als Sendboten der Götter vor den Kaiser geführt zu werden, und lassen vor Nero das Lied aus dem mitgebrachten Walkman ertönen. Zur Erklärung führen sie an, die Götter hätten dem Kaiser das Lied schenken wollen, seien jetzt aber ob der schlechten Behandlung ihrer Boten erbost und forderten Genugtuung. Micky und Goofy verlangen Pluto als Zeichen der kaiserlichen Demut sowie freies Geleit. Vor Angst schlotternd willigt Nero ein. Da passiert ein folgenschweres Unglück. Pluto springt vor lauter Freude Micky an und dabei zerbricht der Walkman. Nero fühlt sich getäuscht und ruft die Wachen herbei. Micky wirft daraufhin den Walkman in ein glühendes Kohlebecken. Das Gerät explodiert und zum Erstaunen aller befinden sich die drei wieder in der Jetztzeit. Nach Meinung der Professoren Marlin und Zapotek waren hierfür die dem Walkman anhaftenden Subtemporalpartikel verantwortlich. Durch die Erhitzung im Feuer des Kohlebeckens seien diese freigesetzt worden und hätten die in der Nähe sich Aufhaltenden, also Micky, Goofy und Pluto, wieder in die Gegenwart zurücktransportiert. Abschließend berichtet Micky den Wissenschaftlern ausführlich von diesem Abenteuer und liefert ihnen damit die Erklärung für die Existenz einer lateinischen Fassung des Schlagers Arrivederci Roma! Goodbye, au revoir … Ein Lied für Kaiser Nero | 79
Die kleine Comic-Geschichte zeigt Nero somit als einen zutiefst unsympathischen, geradezu gefährlichen Charakter. Umgeben von schmeichelnden Hofkreaturen denkt er egozentrisch und handelt daher in übertrieben emotionaler Weise egoistisch. Wer sich nicht dem Willen des Herrschers unterwirft, der wird brutal verfolgt und muss Angst um sein Leben haben. In Szene gesetzt wird dieses Charakterbild durch eine entsprechende Figurenzeichnung. Der Kaiser grimassiert und gestikuliert unbeherrscht. Selbstverständlich ist auch des Kaisers Gesang schauerlich. Goofy fragt sich angesichts dieser Darbietung, ob dem Herrscher schlecht sei, und Micky lässt sich zu der Einschätzung hinreißen, Nero singe wie eine rostige Gießkanne. Der Kenner der neronischen Rezeptionsgeschichte kann hieran nichts Spannendes und Außergewöhnliches entdecken. Im Grunde genommen fußt der kleine Comic auf bildlichen Darstellungen, wie sie besonders in der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts weit verbreitet waren und über diese Eingang in den Kostümfilm des 20. Jahrhunderts gefunden haben. Meist schildert man Nero als einen Herrscher, der als Sänger zur Karikatur seiner selbst und damit zum Prototyp des Cäsarenwahns schlechthin wird. Der Schauspieler Peter Ustinov hat dieses Klischee kongenial im 1951 uraufgeführten Film Quo Vadis zum Leben erweckt. Einige wenige Parallelen mögen genügen, um die Nähe des Comics zu den genannten Bildmedien aufzuzeigen. Im Jahr 1876 vollendete der italienische Historienmaler Giovanni Muzzioli ein heute in Modena aufbewahrtes Ölgemälde, das den Kaiser gemein80 | Ein Lied für Kaiser Nero
sam mit seiner zweiten Gattin Poppaea lagernd auf einem Ruhebett zeigt, während ihnen eine Dienerin den Kopf der getöteten Octavia auf einem Silbertablett präsentiert [Abb. 27]. Luxuriöse Marmorsäulen und -wände, die zum Teil mit Malereien geschmückt sind, sowie kostbare Teppiche, Statuen und weitere Mobilien wie ein vergoldetes Räucherbecken dienen der Imagination eines prachtvollen Palastgemachs. Bei aller Unterschiedlichkeit der dargestellten Sujets fällt dennoch sofort die grundsätzliche Verwandtschaft in puncto opulente Ausstattung und Figurenstaffage ins Auge. In vergleichbarer Weise operieren sowohl das Gemälde des 19. als auch der Comic des 20. Jahrhunderts [Abb. 28] mit nahezu identischen Requisiten. Palastsklaven/-innen, das Lagern auf weichgepolsterten Klinen, Teppiche, Stoffvorhänge, Metallgefäße und allerlei Kleinmobiliar vermitteln hier wie dort in einer ähnlich gelagerten Topik quasi versatzstückartig eine spezifische Aura von übertriebenem Luxus als klischeehaftem Ausdruck römischer Dekadenz. Ebenso einfallslos ist die bewusst wenig schmeichelhafte Darstellung Neros als untalentierter Sänger und Leierspieler. Bereits auf Muzziolis Gemälde fungiert das an die Seite des Ruhebetts gelehnte Musikinstrument als allgemeines Attribut des Kaisers. Es ist aber vor allem das Medium Film, das diesen Punkt besonders gerne und eindrücklich aufgegriffen hat. Schon in dem 1925 uraufgeführten Film Quo Vadis? mit Emil Jannings als Nero wird der Kaiser in entsprechend diffamierender Weise gezeigt [Abb. 29]. Wie weit die Parallelität in der Figurendarstellung zwischen Film und Comic
Abb. 29 | Emil Jannings als singender Nero aus dem Film Quo Vadis? (1925), in: Maria Antonietta Tomei u. a. (Hg.): Nerone. Ausstellungskatalog Rom (2011), S. 63, Abb. 1. Ein Lied für Kaiser Nero | 81
gehen kann, verdeutlicht der direkte Vergleich des von Sergio Asteriti gezeichneten Comic-Nero mit der filmischen Verkörperung des Kaisers durch Ettore Petrolini in Nerone aus dem Jahr 1930 [Abb. 30]. Der merkwürdig große und verrutschte Lorbeerkranz sowie die schwammigen Züge mit der knubbeligen Nase lassen den Eindruck einer wenig sympathischen, fast trottelig wirkenden Persönlichkeit entstehen. Wenn nun festzuhalten ist, dass der Nero-Comic von Carlo Panaro und Sergio Asteriti zumindest in ikonographischer Hinsicht keinerlei innovative Züge besitzt, darf zu Recht gefragt werden, ob und gegebenenfalls warum er dennoch zum Gegenstand einer rezeptionsgeschichtlichen Betrachtung taugt. Der Wert einer solchen Analyse besteht darin, dass selbst dieses vergleichsweise harmlose Beispiel paradigmatisch den Wert der Hinterfragung von kulturellen Stereotypen schlechthin verdeutlichen kann. Denn wer immer sich mit dem historischen Nero beschäftigt, wird schnell erkennen müssen, dass dessen verbürgtes Auftreten als leierspielender Sänger sicherlich vom Kaiser selbst nicht karikierend gemeint gewesen ist, sondern in propagandistischer Absicht eine positive Aussage über seine Persönlichkeit und vor allem seinen Herrschaftsstil zu treffen suchte. Den Zeitgenossen muss aufgrund ihrer kulturellen Prägung klar gewesen sein, worauf die Anspielung zielte. Nero wollte offenbar bewusst weg von einem Kaisertum, wie es unter Augustus als verschleierte Fortführung altrepublikanischer Ämter kreiert worden war. Statt sich allein als legitimer oberster Priester, Feldherr und Träger magistratischer Befugnisse zu 82 | Ein Lied für Kaiser Nero
gerieren, somit als ein Herrscher, der lediglich ein Erster unter Gleichen (lat. primus inter pares) ist, strebte Nero offenbar eine andere Rolle an. In der Vergangenheit favorisierte die Forschung hierzu die These, der Kaiser habe versucht, seine Herrschaft wie die einst in Alexandria residierenden ptolemäischen Könige zu inszenieren. Neros Luxus und seine Vorliebe für die griechische Kultur inklusive des Leierspiels seien vor diesem Hintergrund als Ausdruck eines allgemeinen Wohllebens (gr. tryphe) zu verstehen, das der Kaiser seinen Untertanen garantiere. Zuletzt hat aber Marianne Bergmann mit guten Gründen auf entsprechende römische Traditionen und einen allgemeinen Mentalitätswandel in der frühen Kaiserzeit hingewiesen. Ihrer Meinung nach wollte Nero seine Herrschaft als allumfassendes otium verstanden wissen. Unter diesem Begriff hatte sich seit der Republik ein luxuriöses, ganz auf die Rezeption griechischer Kultur ausgerichtetes Freizeitverhalten der römischen Oberschichten ausgebildet. Im Kontext prachtvoller Villen entspannten sich die reichen Römer unter dem Schutz der Musen in ihren eigenen Gymnasien, Palästen, Bibliotheken und Gärten, die sie wie ein Griechenland im Kleinen mit entsprechenden Architekturzitaten und Kunstwerken ausstatteten. Dort durften sie das tun, was in der Öffentlichkeit bei der Ausübung ihrer Ämter in Rom, im sogenannten negotium, verboten war, nämlich ganz in die ansonsten verpönte griechische Luxuswelt einzutauchen und sich selbst als gebildete Griechen zu fühlen, indem sie sich mit Literatur, Kunst und Musik beschäftigten. In dieser Traditionsreihe stehend zeigte Nero vor allem in der
Abb. 30 | Ettore Petrolini in der Rolle des Nero aus dem Film Nerone (1930), in: Maria Antonietta Tomei u. a. (Hg.): Nerone. Ausstellungskatalog Rom (2011), S. 65, Abb. 2. Ein Lied für Kaiser Nero | 83
Hauptstadt, aber auch bei seinen Besuchen in den Provinzen, eine ostentative Prunkentfaltung, die freilich auch den einfachen Kreisen zugutekam. So spendete er üppige Spiele und andere Feierlichkeiten, die die Massen in ihren Bann zogen und diesen das Gefühl gaben, die ungeheuren Finanzmittel des Reiches würden auch zu ihrer Bequemlichkeit und Unterhaltung ausgegeben und sie selbst seien damit Teil der bewunderten otium-Welt der Eliten. Dass diese Rechnung aufging, zeigt die wohl echte Trauer weiter Kreise der ärmeren Schichten in Rom und dem gesamten Imperium um den toten Nero. Noch längere Zeit nach dem Selbstmord des Kaisers konnten in den Provinzen Usurpatoren Unterstützung finden, die sich als Nero ausgaben. Doch Nero ging es nicht allein um die Propagierung eines ewig währenden otium. Vielmehr verkörperte der singende Nero auf der Bühne des Welttheaters bewusst die Rolle des Gottes Apollo. Diese Performance diente insofern der propagandistischen Verbrämung seiner Herrschaft, als sie den Untertanen suggerieren sollte, der Kaiser führe das Imperium in ein neues goldenes Zeitalter. Im Chaos der blutigen Bürgerkriege hatte schon Augustus zielstrebig auf Apollo als kaiserlichen Schutzgott gesetzt, da dieser Sohn des Iuppiter für angemessen kluges Handeln und Ordnung schlechthin stand. Zudem war er ein Gott, der nicht nur musisch, sondern zugleich auch kraftvoll-kämpferisch agierte und damit das ideale Rollenvorbild für Nero, aber auch für andere Männer seiner Zeit darstellte. So wurde bezeichnenderweise Gaius Calpurnius Piso, der sich später gegen Nero verschwor, ebenfalls mit Apollo gleichgesetzt. Ähnlich wie beim 84 | Ein Lied für Kaiser Nero
Kaiser rühmte man auch bei ihm seine gottgleiche Gesangskunst und verwies dabei auf den Umstand, dass der Gott mit gleicher Hand sowohl die Leier als auch den Bogen zu führen wisse. Vor dieser Folie erscheinen die kaiserlichen Gesangsauftritte nunmehr nicht weiter als bizarre Selbstfindungstrips eines geistig Verwirrten, sondern als Versuch, sich mit einer besonderen, positiv besetzten Aura zu umgeben. Mit dieser göttlich inspirierten Rolle traf Nero aber nicht den Geschmack der ehemals Mächtigen. Die Senatoren mussten befürchten, dass, wie einst bereits Caligula, nun auch dieser Kaiser sich anschickte, die römisch-republikanischen Wurzeln zu vergessen und ein echtes monarchisches Gottkaisertum anzustreben. Dies hätte zwangsläufig den weitgehenden Verlust ihrer letzten politischen Mitspracherechte bedeutet. Deshalb und nur deshalb begannen diese Kreise Nero zu diskreditieren. Seine Auftritte wurden als unrömisch gebrandmarkt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Da keiner der heute Lebenden beurteilen kann, ob der Kaiser tatsächlich ein so schlechter Sänger gewesen ist, erscheint es umso wichtiger, kritisch mit der entsprechenden Überlieferung umzugehen und sie als Produkt einer gegnerischen Propaganda zu entlarven. In diesem Sinn kann auch ein kleiner Comic dazu anregen, sich intensiv mit der Wirkmächtigkeit und vor allem der Konstruiertheit von Bildern im Allgemeinen auseinanderzusetzen. Eine entsprechende Beschäftigung im Kontext des schulischen Latein- oder Geschichtsunterrichts erleichtert Jugendlichen sicherlich den Zugang zu einem bewusst kritischen Umgang mit visuellen Medien,
indem man ihnen vorführt, dass Bilder ihre eigene Entstehungsgeschichte haben und als absichtsvolle Produkte von Menschen, die damit in der Regel bestimmte eigennützige Ziele verfolgen, auch lügen respektive Wahrheiten verfälschen können. Somit wird zugleich ein erzieherischer Beitrag zu
einer Bilder und Texte gleichermaßen umfassenden Gesamtmedienkompetenz geleistet. Im Fall von Nero ist es die Aufdeckung einer bereits in der Antike einsetzenden medialen Verleumdungsstrategie, die hilft, die Augen für visuelle Phänomene zu öffnen.
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86 | Das goldene Halsband – eine römische Provinzstadt erwacht zu neuem Leben
Das goldene Halsband – eine römische Provinzstadt erwacht zu neuem Leben Dorothée Šimko
In einem römischen Sodbrunnen beim SBB-Umschlagplatz im heutigen Kaiseraugst (Schweiz, Kanton Aargau) kamen 1980, anlässlich der Ausgrabungen, die Überreste von 14 menschlichen Skeletten und 32 Tierkadavern zu Tage. Ganz zuunterst aber in einer Tiefe von 12 Metern lag, fast unversehrt, ein goldenes Halsband. Was mochte wohl damals in der Mitte oder im dritten Viertel des 3. Jahrhunderts n. Chr. in der Provinzstadt Augusta Raurica geschehen sein? Unzählige Fragen und Vermutungen tauchten auf und jagten durch meinen Kopf, als ich während meines Weiterbildungsurlaubs im Museum der Römerstadt Augusta Raurica im Jahresbericht aus Augst und Kaiseraugst von 1986 diesen Grabungsbericht las. Handelte es sich um ein Verbrechen, um ein Massaker? Das hübsche Halsband, Efeuranken darstellend und mit Dreizack und Delfinverschluss verse-
Abb. 31 | Halsband aus Augusta Raurica. Augusta Raurica, © Susanne Schenker
hen, das wahrscheinlich einst einen Mädchenhals schmückte, muss laut Bericht zuerst in den Brunnen gefallen oder geworfen worden sein [Abb. 31]. Ganze Skelette von acht Männern, vier Frauen und zwei Mädchen fanden sich eingeschichtet im Sodbrunnen. Welch grausames Schicksal hatte sie ereilt? Wurden sie umgebracht und in den Brunnen geworfen? Weshalb? Wer waren diese Menschen, wer ihre Mörder? Gehörte das Halsband einem der beiden erschlagenen Mädchen? Was hatten zusätzlich die Kadaver von fünf Hengsten, einer Stute, zweier Fohlen, zweier ausgewachsener Esel sowie diejenigen von 22 Hunden in diesem Brunnenschacht zu suchen? Fragen über Fragen tauchten auf, ließen mich nicht mehr los; eine Geschichte begann sich zu entwickeln, eine Fantasiegeschichte rund um das goldene Halsband, dessen Besitzerin und ihr mögliches Schicksal, ihre Freunde, ihr Alltagsleben in Augusta Raurica bis zu dem Moment, als es geschah… und auch noch darüber hinaus. Schließlich beschloss ich mit Alex Furger, dem damaligen Leiter der Römerstadt Augusta Raurica,
Das goldene Halsband – eine römische Provinzstadt erwacht zu neuem Leben | 87
zu sprechen und ihm den Vorschlag zu machen, einen Kinderkrimi über dieses Thema zu schreiben. Er willigte sofort ein, mit der Bedingung, dass ich rund um die Säulen der archäologischen Forschung und deren Erkenntnisse fantasieren müsse und daraus ein Comic entstehen solle. Ein ehrgeiziges Unterfangen also, denn sämtliche Texte und Zeichnungen sollten jeweils von den verschiedenen Spezialistinnen und Spezialisten begutachtet, kritisiert und abgesegnet werden. Gesagt, getan, ich war dabei; Rolf Meier alias „Roloff“ wurde gefunden, ein Basler Zeichner, dessen Stil bei den Archäologinnen und Archäologen des Museums Anklang fand. Noch nicht ahnend, was auf mich zukommen würde, ganz im Höhenflug der Begeisterung, machte ich mich ans Werk. Bald bemerkte ich, dass die spannende Arbeit Unmengen von Zeit verschlang. Die Nachforschungen über Einzelheiten (Kleider, Transportmittel, Küche, jedes Detail des antiken Alltagslebens in einer römischen Stadt und insbesondere in Augusta Raurica) [Abb. 32], das Absegnen meiner Texte, das Kopieren von Hunderten von Bildern für den Zeichner, das Suchen nach Originalen, das mehrmalige Begutachten von Roloffs Bildern durch die Archäologinnen und Archäologen, die unzähligen Besprechungen mit dem Zeichner etc. nahmen über mehrere Jahre meine ganze Freizeit und große Teile meiner Ferien in Anspruch. Alex Furger begutachtete meinen Text, den ich in Romanform mit allen Details verfasst hatte, und beriet mich, wie und wo ich zu geeignetem Bildmaterial kommen konnte. Auch die vielen verschie-
denen Fachleute hatten alle Hände voll zu tun. Mit Sperberaugen betrachteten sie Roloffs Bilder, kritisierten, bemängelten, lobten und nörgelten an jedem Detail herum, nichts sollte ihnen entgehen, die Öffentlichkeit sollte auf ihre Rechnung kommen, denn Authentizität stand an erster Stelle. Roloff, der Zeichner, wurde kein bisschen geschont. Mit beinahe unendlicher Geduld nahm er all die vielen kleineren und größeren Korrekturen hin, die ihm aufgetragen wurden. Manchmal geschah es sogar, dass er eine bereits kolorierte Seite neu gestalten musste, weil unbedingt eine ganz neue Erkenntnis, ein neuer Fund eingebaut werden sollte. Eine Sehnenscheidenentzündung vom vielen Zeichnen war die Folge, aber auch eine neue, überzeugende Comic-Seite. Das Projekt begann sich in die Länge zu ziehen, denn meine Arbeit als Primarlehrerin sollte nicht ins Hintertreffen geraten. Meine Schülerinnen und Schüler erfuhren natürlich auch vieles über die Entstehung unseres Comics und warteten neugierig und ungeduldig auf das Erscheinen desselben. Schließlich platzte uns allen fast der Kragen, wir wollten das Ergebnis unserer immensen Bemühungen endlich in Händen halten und beschlossen deshalb, den ersten Band, Prisca und Silvanus. Unruhige Zeiten in Augusta Raurica, herauszugeben, obwohl der zweite Band noch gar nicht angefangen war. Wer glaubt, dass sich jetzt für uns alle eine Verschnaufpause eingestellt hatte, täuscht sich gewaltig. Nun hieß es, ein didaktisches Sachregister zu erstellen, ein Quellen- und Literaturverzeichnis, sämtliche Seiten mussten erneut auf Fehler abge-
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Abb. 32 | Dorothée Šimko. Roloff, Prisca et Silvanus. La destruction d’Augusta Raurica. / Prisca und Silvanus. Die Zerstörung von Augusta Raurica. S. 9.
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Abb. 33 | Dorothée Šimko. Roloff, Prisca et Silvanus. La destruction d’Augusta Raurica. / Prisca und Silvanus. Prisca und Silvanus. Die Zerstörung von Augusta Raurica, S. 43.
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sucht werden, mit der Druckerei musste Kontakt aufgenommen werden, über das Papier, die Form und die Farbqualität musste diskutiert und entschieden werden… es eilte, denn der Drucktermin rückte näher und näher. Endlich war es so weit: Ich konnte in der Druckerei die ersten Bände abholen. Tränen traten mir in die Augen, als ich mein Buch in Stapeln aufgeschichtet fand. Nun musste ich es loslassen, mein geistiges Kind, in die Welt schicken, den vielen neugierigen Kindern überlassen. Und es wurde ein Erfolg: Prisca und Silvanus wurde zur Lieblingslektüre vieler Kinder. Sie verschlangen die Geschichte, liebten die Zeichnungen und verlangten nach einer Fortsetzung. Die Kinder identifizierten sich mit den Figuren, jagten den Mörder zusammen mit den Helden des Comics, litten und trauerten mit ihnen und verliebten sich auch ein bisschen in die Hauptfiguren. Augusta Raurica war zu neuem Leben erwacht, und mein heimlicher Wunsch, den Kindern Geschichte auf spannende Weise näherzubringen, schien in Erfüllung gegangen zu sein. Bald nach dem Erscheinen des ersten Bandes machten wir uns an den zweiten Band Prisca und Silvanus. Die Zerstörung von Augusta Raurica. Er sollte innerhalb eines einzigen Jahres fertiggestellt werden. Das waren wir unserem begeisterten jungen Lesepublikum schuldig. In diesem Band sollten unsere Protagonisten allmählich erwachsen werden, sich ineinander verlieben, heiraten und Kinder bekommen. Sie sollten Zeugen eines Erdbebens werden, Gladiatorenkämpfe erleben, eine Bronzestatue nach Aventicum (Avenches,
Schweiz, Kanton Waadt) bringen, das Haus eines reichen Bürgers betreten, das Theater besuchen, das Massaker am Sodbrunnen [Abb. 33] und die Alamanneneinfälle erleben und schließlich zu ihrem Schutz ins frisch errichtete Kastell am Rhein umziehen. Das goldene Halsband tritt in diesem Band in den Mittelpunkt [Abb. 34] und macht auf die politisch unsichere Zeit der Provinzstadt aufmerksam – ein heikles Gebiet voller Schwierigkeiten, die nicht so leicht zu umschiffen waren, zumal sich die Fachleute mangels Beweismaterial nicht einig waren, ob und wie und durch wen genau die Stadt zerstört worden war. In Romanform hätten sich viele Ereignisse relativ vernebelt und verschleiert darstellen lassen, tritt jedoch zusätzlich das Bild in den Vordergrund, so wird die Angelegenheit komplizierter, müssen doch die Tatsachen haarscharf aufgezeigt werden. Unter enormem Zeitdruck und unter Aufwand unserer letzten Kräfte schafften wir es, den Drucktermin einzuhalten und den zweiten Band zur Freude aller Kinder pünktlich nach einem Jahr herauszugeben. Viele glückliche Kinderherzen flogen uns zu in Form von entzückenden Briefchen. Zu meiner Freude wurde unsere Comic-Story auch von vielen Primarlehrerinnen und Primarlehrern geschätzt und im Geschichtsunterricht eingesetzt. Last, but not least wurden die beiden Bände sogar auf Französisch und Lateinisch übersetzt und herausgegeben. Ich blicke auf eine äußerst arbeitsintensive Zeit zurück, die zum Teil meine letzten Kraft- und
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Abb. 34 | Dorothée Šimko. Roloff, Prisca et Silvanus. La destruction d’Augusta Raurica. / Prisca und Silvanus. Prisca und Silvanus. Die Zerstörung von Augusta Raurica, Band II, S. 35.
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Zeitreserven angeknabbert hat. Doch die Tatsache, dass Prisca und Silvanus, die beiden Protagonisten, Tausenden von Kindern den Zugang zur römischen Geschichte ermöglicht haben, befriedigt mich bis heute und macht mich glücklich. Ein Kinderpaar, welches – ähnlich den heutigen Kin-
dern – gespielt, gesprochen, gelacht und geweint hat, zu erfinden, war ein einmaliges Erlebnis. Ob dies dem römischen Denken und Handeln, den römischen Werten im Allgemeinen entspricht, das wissen die Götter und ist meiner Meinung nach auch zweitrangig.
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Abb. 35 | Giuliano l’Apostata, Deckblatt, © Il Male 1980 – Gabriele Mazzotta Editore.
94 | Kaiser Julian: Apostasie und Comics
Kaiser Julian: Apostasie und Comics Maria G. Castello
In populärwissenschaftlichen Werken, aber auch in jenen eher wissenschaftlichen Charakters, wird Flavius Claudius Julianus, der letzte Kaiser der Dynastie Konstantins (331–363 n. Chr.), traditionellerweise als derjenige vorgestellt, der den letzten Versuch unternahm, dem Vormarsch des Christentums im Imperium Einhalt zu gebieten, und der eine Rückkehr zu den antiken heidnischen Kulten förderte. Schon anhand dieses ersten kurzen Porträts Julians kann man feststellen, wie die Rezeption Julians die historischen Konturen seiner Figur verzerrt hat, und dies schon seit der Antike, durch das Bild, das heidnische wie christliche Autoren, von Ammianus Marcellinus bis Gregor von Nazianz, seinem historischen Gegenspieler, oder kurz darauffolgend die oströmischen Kirchenhistoriker Sokrates Scholastikos und Sozomenos ihren Zeitgenossen vermittelten. So entsteht die Darstellung eines Kaisers, der allein den religiösen Fragen zugewandt ist und sich fast ausschließlich mit seinem Projekt der Wiedereinführung der heidnischen Kulte beschäftigt. Dieses Projekt verfolgt er in den Augen vieler christlicher – aber auch heidnischer – Autoren nicht primär, um die heidnischen Kulte zu fördern, sondern vielmehr mit der Absicht einer systematischen Zerstörung der Kirche. Die weni-
gen antichristlichen Maßnahmen Julians wie die Schließung der Kirchen, das berühmte Edikt, das die Lehre durch Christen an Schulen verbot, oder aber die Enteignung der kirchlichen Güter wurden hervorgehoben; weiterhin wurde die Tatsache betont, dass in Julian seit seiner Jugend Wissbegier und Interesse an heidnischen Riten gereift war und dass er schon als Caesar in Gallien – und vielleicht sogar noch früher – über eine Abwendung vom Christentum nachgedacht hatte. Doch erst nachdem er in Paris zum Kaiser ausgerufen worden war, hatte er die christliche Maske abgelegt und seine wahre Natur gezeigt, indem er ein leibhaftiges Blutopfer vollzog. Es ist wenig hinsichtlich der vom Kaiser geförderten Erneuerung des Heidentums gesagt worden, über die in der Tat wenig bekannt ist: Das einzige diesbezügliche Zeugnis ist aus dem corpus der Schriften Julians zusammengestellt, und das Bild, das sich daraus ergibt, ist das einer von der traditionellen römisch-heidnischen sehr distanzierten Form der Religiosität. Es ist ein philosophisches Heidentum, das auf jener hellenistischen Kultur fußt, in der der Kaiser sich gebildet hatte. Gleichfalls ist in den verschiedenen Werken, die seit dem Mittelalter im Laufe der Jahrhunderte die Figur des Julian behandelten, das Interesse an ihm Kaiser Julian: Apostasie und Comics | 95
als Soldat, als Politiker oder römischer Kaiser so gut wie nicht vorhanden gewesen. Eine Ausnahme bildet das Zeitalter des Humanismus, als sich Julian mit den erstmaligen Editionen seiner Schriften (zumindest teilweise) des Mantels des heidnischen (bösartigen) Zauberers und des Feindes des Christentums entledigen konnte, den er bis zu jenem Moment getragen hatte, um stattdessen das Gewand des Politikers und Herrschers anzulegen. Es war Lorenzo de’ Medici, der diese neue Perspektive auf Julian anbot, indem er in seiner Sacra Rappresentazione di San Giovanni e Paolo aus dem Jahre 1491 versuchte, ihn unter weltlichen Gesichtspunkten darzustellen. Die Religionswahl des Kaisers ist hier der politischen Absicht, den Niedergang des Imperiums zu bremsen, untergeordnet. Aus demselben weltlichen Blickwinkel wird der Kaiser auch im Abriss der römischen Geschichte (Caesares, 1499) von Pomponius Laetus charakterisiert, der den religiösen Aspekt auf eine niedere, unbedeutendere Ebene verbannt. Julian wird hier vor allem aufgrund seiner kriegerischen Fähigkeiten, die sogar den Vergleich mit Traian zulassen (mit dem Julian tatsächlich schon von Ammianus Marcellinus [Res Gestae XVI 1.4] in der Antike verglichen wurde), gepriesen. Im 16. Jahrhundert polemisierte Jean Bodin gegen das von den antiken Kirchenhistorikern entworfene parteiische Bild Julians, und wiederum zehn Jahre später legte Johannes Löwenklau in seiner klar antikatholisch ausgerichteten Apologia pro Zosimo (1576) dar, dass die Religion eine korrekte Bewertung Julians, eines exzellenten Feldherrn und Politikers, verhindert habe. 96 | Kaiser Julian: Apostasie und Comics
Aber das goldene Zeitalter des Politikers Julian endete abrupt, als der Glanz der Renaissance der rauen Atmosphäre von Reformation und Gegenreformation wich. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass der Wechsel des geistigen Klimas und die damit einhergehende religiöse Unnachgiebigkeit zu einer neuerlichen Vorherrschaft der religiös geprägten Rezeption Julians führte. Erneut wurde er als Antagonist angesehen, als jene Person, die schon in den antiken Quellen (mit Ausnahme von Ammianus Marcellinus und Zosimus) ihre prägende Charakterisierung erhalten hatte. Wie aus diesem kurzen Überblick offensichtlich wird, ist es gerade die Religionswahl Julians, die seine Rezeption seit der Antike bis in unsere Epoche maßgeblich bestimmt. Ihr ist es zu verdanken, dass er auch in den (in der Tat seltenen) Fällen, in denen ihm grundsätzlich eine positive Bedeutung zugeschrieben wird (wie im berühmten Roman Julian von Gore Vidal, 1964), seinem Stigma nicht entkommt. Er ist immer und in erster Linie „Apostata“ (Abtrünniger), eine Benennung, die in seinem Fall weit mehr als ein einfaches Attribut geworden ist. Sie fungiert vielmehr als eine alternative Anrede, die ihn im Laufe der Jahrhunderte eindeutig bezeichnet hat. Es existiert ein einziger Fall, in dem ein solcher Ansatz offen kritisiert wird, in der Hoffnung auf einen weltlicheren Blickwinkel bei der Annäherung an die Gestalt des spätantiken Kaisers. Es handelt sich um eine Rezension des Kritikers Angelo Piccioli zum Film Giuliano l’apostata von Ugo Falena aus dem Jahre 1919. Die Rezension wurde 1920 in der futuristisch inspirierten Zeitschrift Apollon
veröffentlicht: „Ugo Falena wusste ein fantastisches Werk zu vollbringen, ohne die Geschichte zu fälschen. Im Gegenteil: Er interpretiert sie mit ausgesuchter Sensibilität. Er wollte das Bild des wahnsinnigen Helden wieder zusammensetzen, des verkehrten Mystikers, so wie er aus den Seiten springt, die uns von ihm verbleiben, und es dem Glanz der Apologeten entreißen.“ Eine derartige Deutung ist dem Film letztendlich jedoch wenig getreu: Dieser ist reich an historischen Ungenauigkeiten; in völliger Übereinstimmung mit dem Genre peplum (auch bekannt als Sword-and-Sandal, gemeint sind damit die in den 1950er und 1960er Jahren in Italien entstandenen Filmepen mit biblischem und/ oder historischem Kontext) ist Julian hier – gepackt vom religiösen Wahn, während zwei Christinnen um seine Liebe kämpfen – eher eine Romanfigur. Unabhängig von der Qualität eines solchen Kunstprodukts – wobei dies übrigens, zumindest meines Wissens, der einzige Film über den letzten heidnischen Kaiser ist – erweist es sich doch für das Thema, mit dem wir uns hier auseinandersetzen, als wichtig und relevant. Denn dieses Produkt bildet einen von wenigen Fällen, in denen es möglich ist, Zeuge einer visuellen Darstellung Julians zu sein – ein Aspekt, der allein durch drei Medien erfasst werden kann: durch die Historienmalerei, das Kino und die Comic-Produktionen. Das Theater – bezüglich Julians muss man hier Ibsens Kaiser und Galiläer aus dem Jahre 1873 berücksichtigen – kann nur bedingt bezeichnend sein, wenn man nicht Zuschauer der ersten, vom Autor geleiteten Aufführung ist: Zwar nimmt jede nachfolgende Aufführung unzweifelhaft (zumindest teilweise)
die Atmosphäre und Eindrücke der ursprünglichen Aufführung wieder auf, dennoch unterscheiden sie sich durch die jeweiligen Umstände und die persönlichen Entscheidungen der Regisseure, Kostümzeichner, Bühnenbildner usw. Dem literarischen Erfolg zum Trotz, den die Gestalt Julians jahrhundertelang und vor allem in den letzten 15 Jahren (nach einigen Jahrzehnten, in denen er in der Belletristik eher vernachlässigt wurde) genoss – Zeugnisse hierfür sind die Romane Giuliano l’apostata von Luca Desiato (1997), Who Killed Apollo and Julian Augustus von Reynold Specter (2006), Julian: A Christmas Story von Robert Charles Wilson (2007) und Imperium Solis von Mario Farneti (2009)-, blieb die Zahl an ComicProduktionen gering, die sich mit Julian, wenn auch nur als Nebenfigur, auseinandersetzte; der Renaissance, die die römische Welt im Bereich dieses Mediums genießt, zum Trotz. Julian hat, so wie fast jede Hauptfigur der spätantiken Epoche, in einem nur sehr geringen Ausmaß an diesem Phänomen teilgenommen: Es lassen sich nur drei Comic-Beispiele, in denen er erscheint, anführen, und nur in einem von ihnen fungiert er als Hauptfigur. Das chronologisch erste Beispiel ist ein italienischer Satire-Comic von 1980, Giuliano l’Apostata genannt und einem Autor zugeschrieben, der bezeichnenderweise denselben Namen angenommen hat. So fasst der Titel mit einer bewundernswerten Fähigkeit die Trias Autor, Protagonist und Thema zusammen. Es handelt sich um eine Arbeit, die in Italien fast unbemerkt im Jahre 1980 innerhalb der Reihe I libri del male (Nuova informazione 97 – März 1980; heute Il male von Vauro und Vincino) Kaiser Julian: Apostasie und Comics | 97
veröffentlicht wurde. In dem kleinen Band geißelt Julian, Autor/Beobachter, mit einer Bosheit, deren alleinige Botin die Satire ist, die Sitten und die Heucheleien der italienischen katholischen Gesellschaft [Abb. 35]. Die Apostasie Julians ist hier nicht zwangsläufig auf die gegenüber dem christlichen Glauben negativ eingestellte historische Gestalt zurückzuführen, vielmehr ist sie ein Ausdruck der Ablehnung der politisch von der Partei Democrazia Cristiana und der Kirche beherrschten italienischen Gesellschaft. In dieser Hinsicht ist der Apostata von Il male, vor allem Ausdruck findend in den Karikaturen, in denen er direkt mit Christus am Kreuz spricht – dies ist übrigens eine funktionale Wiederaufnahme von allseits bekannten, in Italien sehr erfolgreichen Arbeiten der Filmkunst wie Das Geheimnis des Marcellino von Vajda (1955) und Guareschis Don Camillo, aber auch theatralischer Meisterwerke wie Mistero Buffo von Dario Fo in der Episode mit Maria am Kreuz –, ein „Abtrünniger“, weil er mit beißender Ironie alle christlichen Werte, die die Democrazia Cristiana, seit 1948 an der Regierung, vertrat, zur Diskussion stellt. Der Apostata war, aus einem solchen Blickwinkel betrachtet, ein Verräter des politischen Katholizismus und in gewisser Hinsicht die Neuauslegung des historisch korrekteren Julian. Das zweite Beispiel, Warrior Nun Areala, ist ein amerikanischer Comic der Neunziger, dessen Hauptfigur, die Nonne Shannon Masters, schon 1987 in der Serie Ninja High School aufgetreten war. Die von Ben Dunn aus dem Verlag Antarctic Press entworfene Serie wurde 1994 begonnen und ist auch heute noch unter dem Titel Warrior Nun 98 | Kaiser Julian: Apostasie und Comics
Lazarus im Umlauf. Sie erzählt vom Kampf einer Nonnengruppe, einem bewaffneten Arm des Vatikans, gegen die Feinde der christlichen Religion, die Dämonen. Der Zeitpunkt des Serienbeginns ermöglicht bereits eine erste Einordnung in den größeren thematischen Rahmen, den auch diese Serie bedient. In erster Linie ist sie der Thematik der Gewalt an amerikanischen Schulen zuzuordnen, gegen die – dem Kinogenre gemäß – die religiösen Institutionen ein oftmals wichtiges Bollwerk darstellen: Nicht zufällig ging der große Erfolg Sister Act von Emile Ardolino mit Whoopi Goldberg aus dem Jahre 1992 dem Comic nur kurz voraus; dieselbe Thematik kehrt, aus weltlicherem und vielleicht roherem Blickwinkel, in einem anderen großen Blockbuster jener Jahre, Dangerous Minds (1995) von John N. Smith, wieder. Die Reihe ist eindeutig als x-te Wiederbelebung der Thematik des klassischen amerikanischen, mit Superkräften gesegneten Helden anzusehen, aber wenn die klassischen Helden der DC- oder Marvel-Comics (oder Antihelden wie Batman) den starken US-amerikanischen Patriotismus verkörpern, so sind die Heldinnen von Warrior Nun Areala als Ausdruck jenes starken christlich-religiösen Gefühls zu verstehen, welches zutiefst und bisweilen fanatisch in unterschiedlichen Schichten der US-amerikanischen Gesellschaft verwurzelt ist, in der religiöse Abweichung oft als das Böse identifiziert wird. Einer der bedeutendsten Feinde ist Julian Salvius, ein Geschäftsmann und Waffenhändler, der niemand anderes als Kaiser Julian selbst ist, der dem Tod auf dem Perserfeldzug entgangen ist und nun als Dämon Rache am Vatikan und allgemein an
Abb. 36 | Julian Salvius aus Warrior Nun Areala, © Antarctic Press.
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der an seinem Niedergang schuldigen christlichen Religion zu nehmen sucht. Julians Überleben des Perserfeldzuges ist ein (vor allem in in jüngerer Zeit ihm gewidmeten fiktionalen Werken) weit verbreiteter topos und stellt daher keine Überraschung dar. Origineller und bedeutungsvoller sind jedoch zwei Aspekte: Der erste ist die graphische Darstellung Julians, die über jedes antike oder moderne Stereotyp hinausgeht. Wurde Julian in den offiziellen numismatischen bis hin zu den filmischen Darstellungen als bärtig dargestellt und/oder oft durch orientalische, hellenistische Formen gekennzeichnet, so ist der Apostata Ben Dunns als eine Art Nazi-Parteileiter in Militäruniform gezeichnet; jedoch ist ihm anstatt eines Hakenkreuzes ein Pentagramm hinzugefügt worden. Er ist rasiert und sieht den evildoers des Marvel’schen Universums ähnlicher als einem römischen Kaiser [Abb. 36]. Der andere originelle Aspekt ist der Name, den Ben Dunns Figur für seine Scheinidentität im 20. Jahrhundert annimmt: Julian Salvius, ein Name, der der historischen Geschichte Kaisers Julians vollständig fremd ist und der stattdessen auf einen bedeutenden Rechtsgelehrten des 2. Jahrhunderts n. Chr., nämlich Salvius Julianus hinweist. Dies überrascht umso mehr, als nichts in der fiktiven Geschichte auf eine Verbindung mit einem juristischen Umfeld hinweist und der Autor des Comics in seinen zahlreichen Interviews keinerlei Erklärung für die Wahl dieses Namens liefert. Trotzdem kann diese Namenswahl keine Frucht reiner Erfindung sein. Auf einer ausschließlich hypothetischen Ebene kann man spekulieren, dass die Bezeichnung Salvius auf die Idee des Überlebens verweist: Julian wäre 100 | Kaiser Julian: Apostasie und Comics
somit jemand, der den Tod und den Vormarsch des Christentums überlebt hat. Aus der Summe dieser Elemente ergeben sich einige Annahmen. Selbstverständlich ist der Zusammenhang mit dem religiösen Element, der grundlegenden Daseinsberechtigung Julians im Comic, sofort augenfällig. Aber der historische Julian jenseits seines Kampfes gegen den christlichen Glauben ist quasi nicht existent: Dies liegt zweifelsohne an erzählerischen Erfordernissen, aber auch an einem substantiellen und expliziten Desinteresse an der Historie, das eine massive Ignoranz der römischen Welt gegenüber verrät – besonders auffallend, als Julian im Comic für seine moderne Identität einen zwar römischen und somit bewusst eine solche Welt beschwörenden, aber der julianischen Geschichte vollkommen fremden Namen auswählt. In zweiter Instanz treffen in Julian Salvius (aber nicht nur) typische Elemente der amerikanischen Religionskultur aufeinander: Die Verknüpfung von Esoterik, Satanismus und Nationalsozialismus (der auf der Ebene der populären Kultur sehr verbreitet ist, man denke an Indiana Jones) ist eines von ihnen und trägt verstärkt dazu bei, Julian als Verkörperung religiöser Andersartigkeit aufzubauen – das übliche Vorgehen vor dem 11. September 2001, als vor allem das nationalsozialistische Deutschland, gekennzeichnet durch einen Fanatismus mit esoterischen Neigungen, als Feind schlechthin galt und nicht der Islam als größte Bedrohung aufgefasst wurde. Das dritte Beispiel eines Comics, der von Julian handelt, ist eine sehr junge, sich noch im Druck befindende Arbeit des Holländers Ken Broeders, die
Abb. 37 | Apostata I, Deckblatt, © 2009 Ken Broeders/Standaard Uitgeverij. Kaiser Julian: Apostasie und Comics | 101
bezeichnenderweise den Titel Apostata trägt. Das Werk ist eine im Jahre 2009 begonnene graphic novel, von der bis heute vier Episoden veröffentlicht wurden. Sie erzählt die historische Geschichte Julians von seiner Kindheit bis, so ist zumindest anzunehmen, zu seinem Tod während des Perserfeldzuges [Abb. 37]. Der aufgrund seiner graphischen Realisierung herausragende Comic (der im Jahre 2010 die wichtigste Auszeichnung für flämische Comics, den Stripvos, erhielt) lässt sich als eine präzise Erzählung von Julians Leben ansehen, basierend auf historischen Quellen (besonders Ammianus Marcellinus) und ohne exzessive Einschübe purer Fiktion. Wie schon dem Titel der Serie, dem vielsagenden und prägnanten Apostata, zu entnehmen ist, sollte der Dreh- und Angelpunkt die religiöse Wahl Julians sein. Aber bis zum derzeitigen Stand der Publikation, die momentan beim Zeitpunkt der Ausrufung Julians zum Augustus angekommen ist, wurde seiner Hinwendung zum Heidentum (unter strikter Beachtung der biographischen Geschichte Julians, wie sie in den antiken Quellen erzählt wird) nur wenig Raum gewidmet: Tatsächlich ereignet sich die erste Opferszene genau einen Tag nach der kaiserlichen Akklamation in Paris [Abb. 38]. Es wird wahrlich interessant zu beobachten sein, ob und vor allem wie der Titel des Comics seine Daseinsberechtigung in den künftig erscheinenden Episoden belegen wird. Julian nahm seine religiöse Reform tatsächlich erst in Angriff, als er den Thron in der Hauptstadt Konstantinopel bestiegen hatte, und es ist angesichts der historischen Genauigkeit des Autors zu erwarten, dass seine Arbeit diesen Aspekt fokussieren wird. Doch 102 | Kaiser Julian: Apostasie und Comics
wahrscheinlich wird sich die Perspektive, die bei der Behandlung des religiösen Themas angewendet werden wird, von jener des amerikanischen Comics unterscheiden. Dem bisherigen Eindruck nach, der sich aus den schon herausgegebenen Bänden ableiten lässt, ist zu vermuten, dass die Religion in Apostata wohl aus einer agnostischen Perspektive beleuchtet werden dürfte – man kann eine Art genereller Kritik an jeder Form von religiösen Exzessen und Fanatismen erkennen. Der Autor, der in einem Interview seinen eigenen Atheismus unterstrichen hat (obwohl er bekräftigte, dass er bei der Wahl des Themas gerade von Julians Kampf gegen das Christentum inspiriert wurde), hat hervorgehoben, dass die beiden „religiösen“ Gegenspieler der julianischen Geschichte, Maximos von Ephesos und Gregor von Nazianz (der einer der Hauptcharaktere des fünften Bandes sein wird), absichtlich als „Scharlatane“ dargestellt würden, während dem Arzt Oribasius, im Comic Vertreter eines weltlicheren, religiös neutralen und dennoch in Bezug auf Exzesse sowohl des Heiden- wie des Christentums kritischen Ansatzes, eine größere Portion Glaubwürdigkeit zugeschrieben werde. Jenseits der Religionsfrage und doch den erzählerischen Bedürfnissen Rechnung tragend hat, wie Ken Broeders eingesteht, bei der Auswahl der historischen Figur, der er sich in seiner Arbeit widmet, ein gewisser Patriotismus, fast eine Art „Asterixanismus“, eine entscheidende Rolle gespielt. So berücksichtigte er, dass mehr als die Hälfte der politischen Erfahrungen und Aktivitäten Julians in Nordgallien stattfanden. Zudem bestand in den letzten Jahren auch eine enge Verbindung zwischen
Je moet me vertrouwen, Milius! hou mijn hand goed vast! Jij gek wijf! Je... je... voert ons recht naar De onderwereld!
Abb. 38 | Apostata IV, S. 41, © 2012 Ken Broeders / Standaard Uitgeverij. Kaiser Julian: Apostasie und Comics | 103
dem Autor und Fectio, einer niederländischen Gruppe, die der Initiative Vortigern Studies angehört und sich der Rekonstruktion der in den Niederlanden stationierten spätantiken Armeen widmet. Wie Broeders unumwunden zugibt, hat er sich bei der Anfertigung seiner Arbeit, vor allem bei den ersten Bänden, oft der Zusammenarbeit mit Mitgliedern dieser Gruppe bedient. Ihre offensichtliche nationale bis nationalistische Ausrichtung hat zur Konzeption und der Wahl des Themas für seinen Comic beigetragen. In der Comic-Szene existieren sonst keine weiteren Beispiele, in der Kaiser Julian als Figur auftreten würde. Jeder der genannten Comics bietet eine (hinsichtlich der Epoche, Ideologie und Art des Mediums) funktionelle Interpretation – eine Rezeption der historischen Figur. Doch trotz aller Verschiedenartigkeit der antiken wie modernen, in Literatur, Theater, Kino oder Comic gelieferten Neuinterpretationen lässt sich zumindest eine Konstante erkennen. Julian, dem Kaiser, der für seine Entscheidungen der politischen (möglichst authen-
tischen) Geschichte entrissen worden war, wurde alsbald die Rolle zuteil, die anthropologisch als trickster bezeichnet wird, als jemand, der gemeinsame Werte zur Diskussion stellt: Dies ist seine Apostasie, seine Schuld – und außerdem der Grund seines tragischen Heldentums, seiner Faszination. Julian wird zum Symbol desjenigen, der sich nicht anpasst, jedoch auch desjenigen, dem – gerade dadurch – eine historische Niederlage vorbestimmt ist; die Comics, wie auch andere ihm gewidmete Werke, suggerieren (sich der Utopie bewusst) nie seinen Sieg, selbst wenn er, wie im Falle des Julian Salvius, die Jahrhunderte überdauert. Der Comic, selbst in seiner nur geringen Anzahl und auch in Anbetracht der Verschiedenheit der Beispiele und der vertretenen Gattungen, scheint heute die Geschichte des letzten römischen Kaisers, der sich dem Christentum entgegenstellte, und die Dramatik sowie den Reiz einer solchen religiösen, politischen und auch persönlichen Wahl am ehrlichsten wiederzugeben. (Aus dem Italienischen übersetzt von Claudine Walther)
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Abb. 39 | Jacques Martin: Alix – Le Dieu sauvage, S. 54, © Casterman. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags Casterman.
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Von der Antike in den Weltraum Valérie Mangin
Soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich immer für die Antike interessiert. Als Kind hatte ich eine Adaptation der Odyssee in meinem Bücherregal, und ich zögerte nur einige Sekunden, bevor ich an der Hochschule Latein als Sprachoption wählte. Um mich zu ermutigen, machten meine Eltern mir damals ein Geschenk, das einen großen Teil meines weiteren Werdegangs bestimmen sollte: Sie schenkten mir Le Dieu sauvage, einen Band von Alix, dem Comic von Jacques Martin. Das war ein Schock für mich. Es war mein erstes realistisches Album, mit einer ziemlich harten Geschichte, einem klaren historischen Kontext und beeindruckenden fantastischen Elementen. All dies versuche ich schließlich auch in meinen eigenen Geschichten zu verarbeiten. Eine Szene dieses „Sandalencomics“ (péplum) hat mich besonders geprägt: Ein verrückt gewordener römischer General hängt seine toten Soldaten an Pfähle, um den Eindruck zu erwecken, sie seien noch am Leben [Abb. 39]. Ich habe lange geglaubt, dass diese Sequenz sich über mehrere Seiten erstreckt, aber als ich das Album erneut las, um Alix Senator vorzubereiten, merkte ich, dass sie nur einige Panels in Anspruch nahm. Martin war eine gute narrative Sequenz geglückt, und meine kindliche Imagination hatte den Rest getan.
Für mich ist diese Kraft der Beschwörung eine der großen Stärken des péplum im Allgemeinen und insbesondere des Comics. Es erweckt eine Welt wieder zum Leben, von der wir wissen, dass sie real ist, die aber schon seit langer Zeit verschwunden ist und die wir niemals ganz verstehen werden. In der Antike wird es immer Grauzonen geben, wo Abenteuer, Mysterien und Fantastisches noch stattfinden können. Spartacus und seine Männer sind verschwunden, nachdem sie ihre letzte Schlacht gegen die römische Armee geschlagen hatten: Martin kann sich deshalb vorstellen, dass er einen Sohn hatte, der überlebte und in der Lage ist, den alten Hass der Sklaven gegen ihre Herren wiederzuerwecken. Aber was eine Stärke ist, kann auch zu einem Risiko werden: Wir Autoren können unsere Leser irreführen, indem wir sie glauben lassen, Ereignisse oder Personen, die wir erfunden haben, seien wahr. Dies hat mir schon immer Probleme bereitet, wahrscheinlich, weil ich vor meiner Karriere als Comiczeichnerin umfangreiche Studien der Geschichte betrieben habe. Meine Vorliebe für Latein habe ich nicht in meiner Jugendzeit abgelegt: Sie brachte mir sogar einen Preis beim „Concours Général des Lycées“ (Allgemeiner Wettbewerb der Von der Antike in den Weltraum | 107
Abb. 40 | Valérie Mangin, Aleksa Gaji’c: Nicht benutzter Vorschlag für das Deckblatt von Le Fléau des Dieux – Urbi et Orbi, © Soleil Productions.
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Gymnasien) ein, für eine Übersetzung aus dem Lateinischen aus dem siebten Buch von Vergils Aeneis. Später besuchte ich die renommierte École des Chartres, die Schule für Konservatoren in Archiven, Bibliotheken und Museen. Als ich Denis Bajram, einen Autor von Science-Fiction-Comics, traf, muss sich meine Laufbahn verändert haben. Er machte mir klar, dass ich der Geschichtsschreibung das Schreiben von Geschichten vorzog. Das war im Jahre 1998; zu dieser Zeit stand er in Kontakt mit einem serbischen Zeichner, Aleksa Gajić. Er schrieb für ihn eine futuristische Adaptation der Konfrontation des Hunnenkönigs Attila mit dem Römischen Reich. Er bat mich zunächst um Hilfe bei der Recherche, später dann überhaupt um generelle Hilfe. Tragischerweise begann wenige Monate später der Krieg gegen Serbien, und so verloren wir den Kontakt zu Aleksa. Wir fanden uns erst über ein Jahr später wieder, dank einer Ausstellung unter dem Patrozinium von Enki Bilal auf dem Festival von Angoulême. In der Zwischenzeit hatte mir Denis „Attila“ übertragen und ich hatte die Geschichte vollständig umgeschrieben. Aetius war zu Aetia geworden [Abb. 40], die mutmaßliche Freundschaft der nunmehr römischen Patrizierin zum Hunnenkönig zur Liebe, die Hunnen zu einer Emanation des römischen galaktischen Imperium selbst – oder eher zu dessen am meisten exaltierten und des Niedergangs bewussten Elementen. Meine Geschichte zeigt die großen Etappen des Krieges, der das 5. Jahrhundert mit Blut befleckte, wie die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, andererseits entfernt sie sich jedoch an manchen
Stellen recht weit davon. Die Verschiebung hin zur Science-Fiction erlaubte mir, die Aspekte beiseitezulassen, die mich an der Geschichte weniger interessierten, wie zum Beispiel die besonderen Beziehungen der Christen zu den Eindringlingen, und mich auf diejenigen zu konzentrieren, die mich inspirierten. Diese Entscheidungen waren, wie ich gerne zugebe, völlig willkürlich. Außerdem hatte ich ein gewisses Vergnügen daran, bestimmte Elemente zu verstärken oder zu verfremden, die mir die vielversprechendsten zu sein schienen. Die Stadt Rom wurde zu einem riesigen Planeten, in den sieben Planetoiden integriert sind [Abb. 41]. Die Pferde der Hunnen wurden zu Weltraummonstern verwandelt, die sich an jeden Ort im Universum teleportieren können… Natürlich gehorchen diese Variationen den Codes der „Space Opera“. Aber sie sind auch eine Möglichkeit für mich, die Probleme zu lösen, die ich oben bereits erwähnte: Wie kann man sich sicher sein, dass der Leser versteht, dass es sich um eine fiktive Darstellung auf historischer Grundlage handelt, nicht um eine Bebilderung der Geschichtsschreibung? Der Übergang zur Science-Fiction genügt, um alle Zweifel auf einmal zu beseitigen. Aber selbst wenn ich mich ein gutes Stück von der Realität der Spätantike entfernte, versuchte ich, dem Geist der historischen Elemente treu zu bleiben: Rom bleibt immer noch die majestätischste Stadt des Reiches, und die Hunnen sind noch immer die beweglichsten und am schwersten zu verfolgenden Krieger. Das Science-Fiction-Szenario befreite mich also nicht von der Recherche, im Gegenteil. Die erste Von der Antike in den Weltraum | 109
Abb. 41 | Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Le Fléau des Dieux – Urbi et Orbi, S. 13, © Soleil Productions.
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Schwierigkeit besteht darin, dass die Hunnen uns keine direkten Quellen überliefert haben. Wir kennen sie nur durch die Augen ihrer Feinde. Ich las übersetzte Auszüge aus den Getica des Jordanes, eines gotischen Historikers, der Fragmente eines anderen Autors, Priscus, in sein Werk aufgenommen hat. Dieser war ein Diplomat, der aus dem östlichen Teil des Reiches stammte. Im Jahre 449 war er Teil einer Gesandtschaft, die Theodosius II. an den Hof Attilas schickte. Er traf den Hunnenkönig mehrmals und hat die einzige uns erhaltene Beschreibung seiner Person überliefert. Er beschrieb auch seinen Palast und die Lebensweise am Hof. Dies alles hat mich sehr interessiert, auch wenn ich bis auf die Namen von Nebenfiguren nur wenige Details genau übernahm. Ich ergänzte diese antike Quelle, indem ich mehrere Veröffentlichungen zeitgenössischer Autoren las wie z. B. Attila, le fléau de Dieu [Attila, die Geißel Gottes] von Maurice Bouvier-Ajam. Für die meisten dieser Historiker war die Problematik, die sich aus dem Angriff der Hunnen auf den Westen ergab, von ähnlicher Natur: Wollte Attila das Römische Reich erobern, oder führte er einen einfachen Raubzug durch, wie es vor ihm schon viele gegeben hatte? Ich nahm diese Frage in meine Erzählung auf, um eine radikale Antwort zu geben. Es ist der große Vorteil der Schriftsteller gegenüber den Historikern, in der Lage zu sein, sich die eigene Geschichte maßzuschneidern. „Mein“ Attila kam, um ein galaktisches Römisches Reich zu zerstören, das in seiner jahrhundertealten Zivilisation fest gefügt war und jeden Wandel, jede Evolution ablehnte.
Vor dem Schreiben war ich auch in Attila mon ami: mémoires d’Aetius [Mein Freund Attila: Memoiren des Aetius], den historischen Roman von Michelle Loi, eingetaucht. So wie der historische Attila – und vielleicht sogar noch mehr – ist es der legendäre Attila, der Held von zahlreichen literarischen Geschichten, die ich als Inspiration für Le Fléau des Dieux [Die Geißel Gottes] zu nutzen versuchte. Die „Space Opera“ ist eine Art modernes Heldenepos. „Mein“ Attila sollte eine epische Person sein. Ich beachtete vor allem das Nibelungenlied, in dem Attila unter dem Namen Etzel nach Siegfrieds Tod Kriemhilds Gatte wird. Dies ist eine viel positivere Person als diejenige der christlichen Tradition. In der Hagiographie ist Attila der Erzfeind des heiligen Bischofs, der gefeiert werden soll. Er ist bestialisch und grausam. Das ist die „Geißel Gottes“, die meiner Serie den Titel gegeben hat, obwohl mein Charakter viel nuancierter ist und von den Göttern Roms geschickt wurde. Meine Geschichte von Attilas Krieg gegen das Römische Reich ist also das Erbe von vielen, die ihr vorangegangen sind, sowohl historisch als auch fiktiv. Aber im Endeffekt ist sie vor allem sehr persönlich. Ich hatte bereits vier Bände dieser Serie geschrieben, als ich mich im Jahre 2003 auf eine andere Geschichte stürzte, die im selben Universum angesiedelt war: Le Dernier Troyen [Der letzte Trojaner]. Darin erzählt ein neuer Dichter Vergil einem neuen Kaiser Augustus die Mythen um die Gründung des galaktischen Rom. Diese Geschichten sind tatsächlich eine wiederum sehr freie Adaptation von Vergils Aeneis und Homers Odyssee, Von der Antike in den Weltraum | 111
Abb. 42 | Valérie Mangin, Thierry Démarez: Rückseite von Alix Senator – Les Aigles de sang © Casterman. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags Casterman.
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zweier antiker Epen, die ich gut kenne. Ich fügte Anspielungen auf andere griechisch-römische Legenden hinzu, wie die Amazonen, die Medusa… Aber diese haben keine sehr genauen Quellen. Und vor allem nutze ich sie, um Problematiken anzugehen, die mit der Antike nicht viel zu tun haben. So bieten mir die Kriegerinnen mit der abgetrennten Brust die Möglichkeit, die Mehrdeutigkeiten der sexuellen Identität aufzuzeigen und die Theorie der Geschlechter zu hinterfragen. Diese Serie wurde von Thierry Démarez gezeichnet. Als Bühnenbildner bei der Comédie Française hat er eine solide klassische Bildung, aber er hatte nur ein einziges Comic-Album gestaltet, als unsere Zusammenarbeit begann. Allerdings kannte er die aus dem Magazin Métal Hurlant hervorgegangene Zeichenschule gut, und ich hoffte, dass er den antiken Mythen einen neuen Anstrich geben würde. Ich wurde nicht enttäuscht, und einige Jahre später dachte ich sofort an ihn, als es darum ging, Alix Senator zu illustrieren. Die Idee zu diesem neuen péplum wurde im Jahr 2010 geboren. Denis (Bajram) und ich aßen mit Reynold Leclercq, Verleger von Casterman, als er mich fragte, ob ich nicht „ein paar Ideen für Alix“ hätte. Sofort kamen die Bilder meiner Kindheit zurück. Einige Tage später war das Konzept der Serie fertig. Dass auch ein Held altert, ist in französisch-belgischen Comics nicht selbstverständlich. Ich glaube sogar, dass dies das erste Mal ist, dass es ein Spin-off dieser Art gibt. Alix Senator spielt im Jahr 12 v. Chr., also etwa 40 Jahre nach der Originalserie. Der Held hat weiße Haare [Abb. 42]. Er hat eine Familie gegründet und ist vor allem Senator gewor-
den. Als entschiedener Befürworter von Augustus folgte er diesem während des gesamten Bürgerkriegs. Im Gegenzug entschädigte ihn der neue Kaiser, indem er ihm eine Million Sesterzen gab, um ihm den Aufstieg in den ordo senatorius zu ermöglichen. Es ist ein weiter Weg vom jungen gallischen Abenteurer, der mit mehr oder weniger Zurückhaltung den Plänen Cäsars gegen Pompeius diente. Natürlich ergaben sich diese Entscheidungen aus der bewussten Absicht, sich von der klassischen Alix-Serie abzusetzen. Sie wird noch immer fortgesetzt, und ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich nichts Großes dazu beitragen könnte. Es schien mir als Autorin interessanter, einen „Reboot“ zu versuchen, wie man es oft bei amerikanischen Comics findet: eine vollständige Erneuerung des Universums einer sehr gefestigten Serie. Aber nachdem dies beschlossen war, blieb eine sehr wichtige Frage übrig: In welchem historischen Moment sollte man diesen neuen Alix ansiedeln? Ich hätte ihn nur zehn Jahre altern lassen und ihn im Jahr 40 v. Chr. zeigen können, zur Zeit des Perusinischen Krieges, oder nochmals zehn Jahre später, als Octavian gegen Ägypten zog und den Selbstmord von Kleopatra und Marcus Antonius herbeiführte. Man hätte dann eine ganz andere Serie gehabt. Wäre sie zur Zeit der Bürgerkriege oder direkt nach deren Ende angesiedelt, wäre meine Geschichte sehr viel stärker auf die militärischen und politischen Intrigen konzentriert als diejenige, die ich schließlich verwirklicht habe. Ich gebe zu, dass dies nicht das ist, was ich am liebsten geschrieben hätte, und vor allem steht es im Gegensatz zu dem einzigen Element der Originalserie, das mir unbedingt schütVon der Antike in den Weltraum | 113
zenswert erscheint: zum Geist, in dem Jacques Martin sie geschrieben hat. Alix ist eher eine Serie von mysteriösen Abenteuern als ein péplum im herkömmlichen Sinne. Das Seltsame, das Wunderbare muss wichtig bleiben und darf nicht um der historischen Elemente willen verschwinden. Allerdings ist das Jahr 12 v. Chr. nicht vollständig „neutral“. Octavian ist Augustus geworden und erlangt in diesem Jahr das letzte der großen römischen Ämter, das ihm noch fehlt: Er wird Pontifex Maximus. Der Prinzipat ist eingerichtet, und zwar für lange Zeit. Die Welt hat sich im Vergleich zu Cäsars Zeit verändert. Ich war daran interessiert, zu zeigen, wie Alix mit diesen Veränderungen umgeht: Wie kann er, der loyale und freiheitsliebende Held, mit diesem Aufstieg des Kaisers zum Autoritarismus leben, dieses Mannes, dem er so lange ein Freund war? Wird er ihm weiterhin dienen oder sich schließlich gegen ihn auflehnen? Dies ist eine der Fragen, die die Serie durchziehen werden. Der erste Band spielt fast ausschließlich in Rom. Deshalb waren wir schon zu Beginn mit konkreten Problemen bei der Rekonstruktion der antiken Hauptstadt konfrontiert. Angesichts des Rufes unserer Vorgänger bei den Abenteuern von Alix erwartete man bei uns einen Fehltritt. Zum Glück stand uns der berühmte Plan von Rom zur Verfügung, das große Gipsmodell des Architekten Paul Bigot. Es ist sehr genau, und eine gute virtuelle Rekonstruktion erlaubt es sogar, im Internet darin spazieren zu gehen. Aber es ist nicht perfekt für uns: Es zeigt die Stadt in der Zeit Kaiser Konstantins im 4. Jahrhundert, über 300 Jahre nach der Zeit, die uns interessiert. Viele Veränderungen sind 114 | Von der Antike in den Weltraum
in der Zwischenzeit geschehen, die wir ständig berücksichtigen müssen [Abb. 43]. Darüber hinaus sind viele Gebäude vollständig verschwunden. Zum Beispiel gibt es praktisch keine Überreste der Gemächer von Augustus und Livia auf dem Palatin. Thierry Démarez musste sie mit Hilfe der wenigen Beschreibungen und einiger Wandmalereien, die dort gefunden wurden, wieder zum Leben erwecken. Für den Rest ließ er sich von Fußböden, Gemälden und Möbeln inspirieren, die anderswo in Italien gefunden wurden. Wir kommen hier an die Grenzen des historischen Comic. Wo es nicht möglich ist, genau zu sein, muss man sich damit begnügen, realistisch zu sein. In einer Serie wie Alix Senator ist es für den uninformierten Leser deutlich schwieriger, zwischen wahren und erfundenen Dingen zu unterscheiden, als in Le Fléau des Dieux. Es gibt wenig Zweifel daran, dass Agrippa, der Schwiegersohn des Augustus, nicht von einem Adler ausgenommen wurde, aber sah die Curia genau so aus, wie wir sie darstellen? Das ist nicht ersichtlich. Wir erhielten auch einige Kommentare von Lesern, die sich mit diesem Gebäude befassten: Sie hatten die TV-Serie Rome gesehen und waren erstaunt, dass wir den Senat nicht als Halbrund dargestellt hatten. Um zu versuchen, möglichst viele Unklarheiten zu beseitigen, haben wir uns entschieden, die Alben mit einem Ergänzungsband zu versehen, der einige historische Punkte präsentiert, die in den Geschichten erzählt werden. Der erste bezieht sich auf Augustus. Der Großteil der Informationen, die über den Kaiser gegeben werden und die ich im Album
Abb. 43 | Valérie Mangin, Thierry Démarez: Alix Senator – Les Aigles de sang, S. 6, © Casterman. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags Casterman.
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Abb. 44 | Jacques Martin: Alix – Le Tombeau étrusque, S. 5, © Casterman. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags Casterman.
nutzte, stammt von modernen Historikern. Ich habe zum Beispiel viel aus Augustus von Pierre Cosme übernommen. Fürs Erste werden die antiken Quellen nur anekdotisch in der Erzählung auftauchen. So zitiere ich eine Passage aus den Kaiserbiographien von Sueton. Eines Tages kam ein Adler vom Himmel herab, stahl ein wenig Brot vom jungen Octavius und stieg wieder hinauf in den Himmel, bevor er wieder herabflog, um ihm das Brot
zurückzugeben (Sueton, Augustus 94). Dadurch kennzeichnete Jupiter den jungen Mann als den zukünftigen Herrscher der Welt. Dies ist eine klassische Szene der kaiserlichen Propaganda. Aber ich nutze sie vor allem, um die Verbindung von Alix Senator mit Alix von Jacques Martin zu bestärken. Er hat diese Geschichte als Erster in eines seiner Alben aufgenommen, Le Tombeau étrusque [Das etruskische Grab] [Abb. 44]. In meiner gesamten Serie versuche ich, möglichst seriöse und genaue dokumentarische Quellen zu nutzen. Natürlich wird sich dies in Alix Senator sehr viel mehr zeigen als in meinen früheren Geschichten. Aber wie auch in der Vergangenheit werde ich nicht zögern, die Grenzen der Geschichte zu übertreten, in ihre Grauzonen einzutauchen, um die Abenteuer meiner Helden dorthin zu führen. Ich mache immer einen Comic, nie einen Kurs über das antike Rom, trotz meiner Liebe dazu. Es ist die generelle Schwierigkeit des péplum, sich im Gleichgewicht zwischen Kunst und Geschichte zu halten, aber das ist es auch, was es interessant macht. Ich hoffe, dass Jugendliche, die meine Alben lesen, die gleiche Freude fühlen, die auch ich spürte, als ich meine ersten Alix-Geschichten las. Und wer weiß, vielleicht wird es bei einem von ihnen die Lust erwecken, Geschichte zu schreiben – oder einen Comic? (Aus dem Französischen übersetzt von Isidor Brodersen)
116 | Von der Antike in den Weltraum
Abb. 45 | Attila als blutrünstiger Vampir, Requiem, der Vampirritter, Bd. 2: Totentanz, 2001, S. 43 (Nickel dt. Ausgabe Kult Editionen).
118 | Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic
Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic Andreas Goltz
Attila – die „Geißel Gottes“ (flagellum dei, erstmals im 12. Jahrhundert in der Vita Lupi belegt) – gehört zu jenen antiken Herrscherpersönlichkeiten, die ihre Mit- und Nachwelt gleichermaßen fasziniert und im Laufe der Jahrhunderte eine überaus breite Rezeption erfahren haben. Als geradezu sprichwörtliches Schreckbild unbändiger barbarischer Eroberungs- und Zerstörungswut ist der Hunnenkönig (Kg. 434/45–453 n. Chr.) in das kulturelle Gedächtnis der Menschheit eingegangen. Die Zeugnisse für Attilas Wirkungs- und Deutungsgeschichte sind ebenso zahlreich wie vielfältig und reichen von der Antike bis in die Gegenwart. Immer wieder haben sich Historiographen und Geschichtswissenschaftler, Kleriker und weltliche Herrscher, Literaten und Komponisten, bildende Künstler und moderne Medienschaffende mit den Überlieferungen über den Hunnenkönig auseinandergesetzt und dabei ihre jeweils eigenen AttilaBilder entwickelt. Entsprechend breit gefächert sind die Medien der Rezeption. Sie erstrecken sich von Chroniken und Heiligenlegenden über Dichtungen, Romane, Gemälde, Plastiken, Opern und Theaterstücke bis hin zu Sachbüchern, Ausstellun-
gen, Dokumentationen und Spielfilmen. Erinnert sei hier nur an solch bedeutende Zeugnisse wie das Nibelungenlied (13. Jahrhundert), Dantes Göttliche Komödie (zwischen 1307 und 1321), Raffaels Fresko der Begegnung zwischen Papst Leo und Attila in den Stanzen des Vatikans (1511–1514), Zacharias Werners romantische Tragödie Attila, König der Hunnen (1809), welche die literarische Vorlage für Giuseppe Verdis Oper Attila (1846) bildete, den gleichnamigen historischen Roman von Felix Dahn (1888) und die zahlreichen Verfilmungen des Stoffes, angefangen bei Febo Maris Stummfilm von 1918 über die beiden 1954 erschienenen Spielfilme von Douglas Sirk Attila (Originaltitel: Sign of the Pagan) mit Jack Palance bzw. von Pietro Francisci Attila, die Geißel Gottes (Originaltitel: Attila) mit Anthony Quinn und Sophia Loren bis hin zum TV-Zweiteiler Attila von 2001 mit Gerard Butler in der Hauptrolle. Ein Medium, das in dieser Aufzählung fehlt und bei einer Betrachtung der Rezeptionsgeschichte Attilas in der Regel keine Beachtung findet, ist der Comic. Offenkundig bereitet die Beschäftigung mit dieser Rezeptionsform der Fachwissenschaft nach Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic | 119
wie vor Schwierigkeiten – anders als etwa der Film, dessen Erforschung inzwischen als etabliert gelten darf – oder sie wird in ihrer Relevanz unterschätzt. Dies ist aber gleich in mehrfacher Hinsicht bedauerlich. Denn zum einen fällt die Rezeption Attilas im Comic erstaunlich umfang- und variantenreich aus, so dass sich ein sowohl ästhetisch als auch inhaltlich und soziokulturell spannendes Forschungsfeld eröffnet. Zum anderen handelt es sich beim Comic um ein populäres Massenmedium, das – zumindest teilweise – breite Bevölkerungskreise erreicht und Einblick in deren Geschichtsverständnis und Geschichtsbild gewährt bzw. dieses beeinflusst. Und schließlich können Comics als didaktisches Mittel in der Geschichtsvermittlung durchaus eine gewinnbringende Rolle spielen. Eine Beschäftigung mit diesem Phänomen lohnt sich also aus verschiedenen Gründen, so dass im Folgenden eine erste Annäherung an das facettenreiche Thema versucht werden soll. Wie ein Überblick über die diversen Spielarten des Comics verdeutlicht, beschränkt sich die AttilaRezeption nicht auf ein bestimmtes Genre, sondern findet in thematisch und stilistisch höchst verschiedenen Formen statt. Der Hunnenkönig begegnet sowohl in Comics für Kinder als auch für Erwachsene – wobei diese Einteilung eher formalen Charakter besitzt und die Grenzen fließend sind –, er ist Thema in Funnies und in Adventure-Comics, in Superhelden-, Fantasy- und Science-Fiction-Comics, in Mangas und in Graphic Novels, in historischen „Lehrcomics“, aber auch in erotischen und in Gewaltcomics. Gleiches gilt – mit gewissen Einschränkungen – in zeitlicher und regionaler Hin120 | Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic
sicht, wobei die USA und Europa, und hier speziell Frankreich, eindeutig den Schwerpunkt bilden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Antike generell und antike Herrscherpersönlichkeiten speziell im Comic eigentlich nur eine untergeordnete Rolle spielen, ist dieser Befund durchaus bemerkenswert und unterstreicht noch einmal, wie tief verwurzelt das Bild Attilas als rücksichtsloser Eroberer und Zerstörer im kulturellen Gedächtnis der modernen Gesellschaft ist. Eine nähere Betrachtung offenbart allerdings auch, dass – wie zu erwarten – der Grad an Intensität, Qualität und Originalität der Adaptionen äußerst unterschiedlich ist. In den meisten Comics dient die Bezugnahme auf Attila nur als oberflächlicher Assoziationsreiz bzw. als dekorativer Rahmen ohne weiter gehende Auseinandersetzung. Indem der Hunnenkönig als Namenspatron einer Comic-Figur fungiert, in der Geschichte Erwähnung findet oder in persona, als Reinkarnation bzw. als Geist auftritt, wird dem mit dem „klassischen“ Attila-Bild vertrauten Rezipienten augenblicklich und unmissverständlich signalisiert, dass nun ein besonders wildes, gefährliches, kraftvolles, zerstörerisches und unberechenbares Wesen in die Handlung eingreift und sich eine höchst bedrohliche Situation ergeben hat. Für den weniger vorgebildeten Leser erschließt sich diese Bedeutung aus dem weiteren Verlauf der Geschichte bzw. durch nähere Erläuterungen. So trägt etwa in dem französischen Manga (Manfra) Dreamland von Reno Lemaire (seit 2006) – in dem es dem durch einen Brand traumatisierten jugendlichen Helden Terrence gelingt, in einem
Albtraum das Feuer zu kontrollieren und fortan als „Reisender“ zwischen der realen Welt und der Welt der Träume zu pendeln – „der Herr der Asche“ und „erste Beherrscher des Feuers“ („le seigneur des cendres“ und „le premier contrôleur du feu“), von dem es heißt, er sei der wiedergeborene Teufel, bezeichnenderweise den Namen Attila. Und entsprechend verheerend fällt denn auch das Verhalten der „Geißel von Dreamland“ („le Fléau de Dreamland“) aus: Attila, der selbstbewusst auf seine Kräfte vertraut, liebt das Chaos, versetzt alles und jeden in Angst und Schrecken und betrachtet Dreamland als seine persönliche Spielwiese. Eine ähnliche Inanspruchnahme von Attila, die zwar auf das historische Vorbild anspielt, aber verfremdenden Charakter trägt, kennzeichnet den Gothic-Horror-Comic Requiem – Der Vampirritter (Requiem, chevaliere vampire, seit 2000) von Patt Mills und Olivier Ledroit. In dieser zeichnerisch opulenten Reihe verschlägt es den Wehrmachtsoffizier Heinrich Augsburg nach seinem Tod an der Ostfront auf den höllenartigen Planeten „Auferstehung“, wo die Zeit rückwärts läuft und sich jeder entsprechend seinen Untaten im realen Leben zu einem Wesen der Unterwelt wandelt. Folgerichtig muss sich Heinrich nach seiner Ausbildung zum Vampirritter „Requiem“ mit einem ganzen Arsenal an Höllenwesen herumschlagen, u. a. mit Vampiren, Lemuren, Werwölfen, Zombies, Kobolden und Dämonen. Einer der mächtigsten und blutrünstigsten Vampire – und zu diesen mutieren auf dem Planeten nur die ehemals grausamsten und schrecklichsten Unmenschen – ist Attila de Dracula (der Beiname verdankt sich seiner Zugehörigkeit zum
Umfeld des Vampirherrschers Dracula und dessen Kuss, der ihm ewige Jugend schenkt), der wiederum in Analogie zum weitverbreiteten Bild des historischen Hunnenkönigs über außerordentliche Stärke, Wildheit und Brutalität verfügt [Abb. 45]. Bemerkenswert ist immerhin, dass ihm auch Schwächen zugeschrieben werden. So fehlt Attila die den meisten anderen Vampiren typischerweise innewohnende Intelligenz und Hinterhältigkeit und der ungestüme Vampir gerät schnell in Rage und damit in Schwierigkeiten. Unorthodoxer ist die Anspielung auf Attila in dem spanischen Comic Hombre (in der französischen Albumversion in Band 3, Attila, 1991, Band 4, Attila et les sept nains, 1992, und Band 5, Les vautours, 1994) von Antonio Segura und José Ortiz, in dem sich der desillusionierte Antiheld „Hombre“ durch eine postapokalyptische Welt schlägt. Nicht nur, dass hier eine attraktive, amazonengleiche Kriegerin den Namen Attila trägt, auch die damit verbundene Bedeutungsebene ist leicht verändert: Zwar ist auch Attila eine kriegerische Wilde und Anführerin einer „Horde“, aber ihr „Barbarentum“ steht für eine berechtigte Kritik an der alten „Zivilisation“, die die Welt in den Abgrund führte, und für eine bessere Form der Menschheit als Antwort auf diese verschuldete Katastrophe: unabhängig, überlebensfähig und -willig, gleichberechtigt, gefährlich, wo nötig, freundlich, wo möglich, im hohen Grad „natürlich“ und nicht den sozialen und moralischen Normen der alten Zivilisation unterworfen. Neben (Re-)Inkarnationen bzw. „Seelenverwandten“ werden im Comic auch Attilas Geist oder sein historisches Alter Ego in ahistorische Kontexte Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic | 121
versetzt. So verraten bereits die markigen Worte „Attila, the mightiest Hun of all … emerges from the misty past to smash the haunted tank“ auf dem Cover des 130. Bandes der Reihe G.I. Combat von 1968, dass in dieser Story von Russ Heath der Geist Attilas Besitz von einem – wohlgemerkt – blutroten deutschen Wehrmachtspanzer der Marke Tiger ergreift und sich einen erbitterten Kampf liefert mit dem „Haunted Tank“ des amerikanischen Sergeanten Jeb Stuart, der seinerseits vom Geist des konföderierten Bürgerkriegsgenerals James Ewell Brown Stuart besessen ist. Und wenn im amerikanischen Superhelden-Universum die nicht minder machtvollen Superschurken unheilbringende Verbündete aus der Vergangenheit heraufbeschwören, dann ist Attila stets eine beliebte Wahl. So gehört der Hunnenkönig zu den vier historischen „Bösewichtern“, von denen Ibac, einer der Gegenspieler von Captain Marvel im gleichnamigen Comic von Bill Parker und Charles C. Beck (u. a. in Captain Marvel Adventures Vol. 8, 1942), durch Luzifer seine Kräfte und seinen Namen (Ibac = Akronym aus Iwan dem Schrecklichen, Cesare Borgia, Attila und Caligula) erhält. Dass die Gabe im Fall Attilas in der Wildheit besteht, verwundert kaum. In der Episode To Hitler, From Hell der Reihe All Winners Vol. 8 (Vincent Fago und Bob Powell, 1943) bedient sich Satan gleichfalls des Hunnenkönigs, um diesen aus der Hölle auf die Erde zu entsenden, da er mit der Herrschaft Adolf Hitlers unzufrieden ist (!) und sich von Attila offenkundig ein noch unbarmherzigeres und effektiveres Vorgehen erhofft, was freilich der Destroyer zu verhindern versteht. Und selbst ganze Superheldengruppen wie die „Justice 122 | Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic
Society of America“, zu der u. a. Superman, Batman, Green Lantern, Wonder Woman, Flash, Hawkman, Atom, Black Canary und Johnny Thunder gehören, oder die „Avengers“, die u. a. aus Iron Man, Thor, Captain America, Wasp und Black Widow bestehen, müssen sich im Kampf gegen Attila bewähren. Im 38. Band der All Star Comics mit dem Titel History’s crime wave (Gardner Fox und Alex Toth, 1948) etwa überziehen berühmte Schurken der Weltgeschichte, unter ihnen Attila, Nero, Dschingis Khan und Cesare Borgia, Gotham City mit Mord und Terror und können nur mit Not von der „Justice Society of America“ gestoppt werden. Und im 10. Band der Avengers-Reihe The Avengers break up (Stan Lee und Don Heck, 1964) versucht der geniale Schurke Immortus durch die Entführung von Rick Jones und die Hilfe historischer bzw. mythologischer Verbündeter wie Attila, Hercules und Merlin das Team um Captain America zu entzweien und zu vernichten, was ihm freilich letztlich misslingt. Nicht minder zahlreich sind die Comics, die Attila im historischen Kontext des 5. Jahrhunderts belassen bzw. – bei entsprechender chronologischer und kultureller Großzügigkeit – in einem ähnlich gelagerten „barbarischen“ Umfeld verorten. In diese Kategorie gehören zum einen Comics, für deren Helden die Zeit der Spätantike bzw. des Frühmittelalters die lose Rahmenhandlung bilden und die Attila wiederum nur als Additiv und Versatzstück benutzen. Zu erwähnen sind hier etwa die Reihe um Prinz Eisenherz (Originaltitel: Prince Valiant, seit 1937) von Hal Foster, in der Attila und die Hunnen gelegentlich als grausame Gegner fungie-
ren, oder die launigen Geschichten um Hägar den Schrecklichen (Originaltitel: Hägar the Horrible, seit 1973) von Dik bzw. Chris Browne, in denen der mächtige, gefürchtete, bei den Frauen offenkundig nicht unbeliebte Attila wiederholt als enervierender Antipode Hägars auftaucht. Eindeutig von den Asterix-Comics beeinflusst ist der Band Siegi gegen Attila von Guy Bara (Originaltitel: Sigi contre Attila, 1984, deutsche Ausgabe in der Serie Tolle Typen, Band 11, 1985), in welchem mit mehr oder minder subtilem Humor die Erlebnisse des schmächtigen, aber für die Liebe über sich hinauswachsenden Franken Siegi geschildert werden und am Rande innerfränkischer Konflikte auch der Hunnenkönig eine Rolle spielt. Dabei bereichert Bara das altbekannte Spektrum von Attila-Klischees – grausamer, machthungriger, hinterhältiger und frauenkonsumierender Barbar – um den Running Gag, dass der gefürchtete „große“ Attila eher zwergwüchsig ist und in dieser heiklen Angelegenheit auch äußerst empfindlich reagiert [Abb. 46]. Eine Besonderheit innerhalb der hier angeführten Werke stellt der mehrbändige türkische Comic Tarkan (1967–1978/83) von Sezgin Burak dar. Inspiriert von zwei älteren Comicserien über Attila von Şahap Ayhan and Ayhan Erer aus den 1940er Jahren schildert Burak hier die Abenteuer des fiktiven hunnischen Kriegers Tarkan, der im Dienst Attilas steht und nicht nur Kämpfe gegen Römer, Wikinger und Drachen zu bestehen hat, sondern auch für die Kommunikation zwischen den verschiedenen Völkern im Hunnenreich sorgt. Vor dem Hintergrund, dass in der Türkei die Hunnen
vielfach als Vorfahren der modernen Türken gelten, vermittelt Burak in seinen Comics ein bemerkenswert positives Bild hunnischer Krieger und ihres Anführers Attila. Während der Hunnenkönig als beeindruckende Herrschergestalt gezeichnet wird, ist Tarkan ein klassischer Kriegerheld mit starken Anleihen beim Western. Als attraktiver, kraftvoller, kämpferischer, intelligenter, aufrechter, abgehärteter und potenter Einzelgänger, der nur von einem Wolf begleitet wird, gerät er in zahllose Abenteuer, die in der Regel einen gewalttätigen und/oder sadoerotischen Charakter besitzen. Auf dem letzteren Aspekt liegt der Schwerpunkt der „reizvollen“ Adaption Les Fléaux d‘Attila des auf erotische Comics spezialisierten französischen Autors und Zeichners Hugdebert (Guillaume Berteloot, 1989), in der die Geschehnisse um den Hunnenkönig das Hintergrundszenario für die Darstellung allerlei erotischer Eskapaden und sexueller Praktiken bilden. Andere Comics lassen sich hingegen dem Genre der historischen Nacherzählung zuordnen. In Anlehnung an die Quellen bzw. (populär)wissenschaftlichen Werke über Attila illustrieren sie mal mehr, mal weniger frei die Geschichte des Hunnenkönigs und seiner Zeit. Zu dieser Sorte zählt etwa die recht konventionelle, eine gallorömische Perspektive einnehmende Schilderung von Attilas Leben im 11. Band der Classicomics mit dem irreführenden deutschen Titel Attilas Horden von König Chlodwig zerschmettert (Originaltitel Attila, Clovis, 1976) von Roger Lécureux und Christian Godard (Text) sowie Raymond Poiret und Julio Ribera (Illustrationen). Im Widerspruch zum InDer Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic | 123
Abb. 46 | Der ‚große‘ Attila und das Problem seiner Körpergröße, Tolle Typen, Bd. 11: Siegi gegen Attila, 1985, S. 26, © Éditions Michel Deligne, dt. Ausgabe Ehapa.
Abb. 47 | Attila von Honoria in die Irre geleitet, Episode Attila the Hun in War action Vol. 11 1952, © Atlas Comics.
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halt und zum französischen Original verknüpft die Überschrift der deutschen Ausgabe die lediglich in einem Band vereinten, ansonsten aber unabhängigen Geschichten des Hunnen- und des Frankenkönigs miteinander. Als unkonventioneller erweist sich hingegen John Romitas Kurzfassung von Attilas Herrschaft im 11. Band der Reihe War action (1952) des „Atlas Comics“-Verlages. Nicht nur, dass Attila hier als vollbärtiger Barbar mit europäischen Gesichtszügen erscheint, während sein Aussehen ansonsten im Comic in der Regel asiatisch geprägt ist. Viel gravierender ist, dass er zunächst als friedliebender, genügsamer Herrscher einer archaischen Gesellschaft beschrieben wird, dessen Lebensideal sich im Jagen, Fischen, Singen, Tanzen, Essen und Trinken erschöpft. Erst durch die Intrige eines verschlagenen Weibes, nämlich Honorias, wandelt er sich zum blutrünstigen Eroberer und Zerstörer, wird aber schließlich durch den Tod seines besten Freundes geläutert, entsagt dem Krieg und unterwirft sich dem um Frieden bittenden Papst Leo [Abb. 47]. Mit dieser ethnozentristischen, frauenfeindlichen und das Christentum verherrlichenden Tendenz ist der Comic ein typisches Produkt des Zeitgeistes der 1950er Jahre. Bemerkenswert bleibt Romitas Interpretation Attilas als eigentlich gutmütiger, verführter Naivling, der zur Einsicht fähig ist, aber dennoch, da der Hunnenkönig in dieser Zeit eher als eindimensionales Sinnund Schreckbild für die „Gefahr aus dem Osten“ instrumentalisiert wurde, wie insbesondere Douglas Sirks Attila-Film von 1954 veranschaulicht. Eine dritte Kategorie bilden schließlich die Comics, in denen sich die Helden mit Hilfe von Zeit-
maschinen in die Epoche Attilas versetzen. So behebt etwa der Schüler Tommy Tyne in der Episode Attila Rides Again der Reihe Mystic Comics Vol. 2 (Vincent Fago und Don Rico, 1944) seine Wissensdefizite über die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Geschichtsunterricht durch einen Zeitsprung in das Jahr 451 n. Chr., wo er durch den Bau eines Katapultes und seine Schleuder entscheidend zur Niederlage der Hunnen beiträgt. Und im Abenteuer Attila der Hunnenkönig von Micky Maus und Goofy (Giorgio Pezzin und Massimo De Vita, Lustiges Taschenbuch, Band 133, 1989) demonstriert Kater Karlo, wie gewinnbringend die Beschäftigung mit Geschichte sein könnte, wenn man eine Zeitmaschine hätte und alte Chroniken lesen würde, die über versteckte Schätze zur Zeit Attilas berichten. Natürlich kommen Micky und Goofy dem Gauner auf die Schliche und reisen ihm in der Zeit hinterher, um Schlimmeres zu verhindern. Im Jahr 451 n. Chr. angekommen, müssen sie zu ihrem Erschrecken erkennen, dass Kater Karlo inzwischen zum Lehrmeister Attilas aufgestiegen ist, der – obwohl Nachfahre eines schrecklich bösen Vaters, eines noch schlimmeren Großvaters und einer alle übertreffenden Großmutter (!) – offenkundig Nachhilfe in der Ausbildung zum grausamen und unbarmherzigen Herrscher benötigt. Allerdings erweist sich Attila, der nicht zuletzt in der Physiognomie Kater Karlo gleicht, als so gelehriger Schüler, dass er dessen Plan, sich heimlich eines Klosterschatzes zu bemächtigen, durchschaut, ihn gefangennimmt und hart bestrafen will. Letztlich können Karlo, Micky und Goofy in den Wirren der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fliehen Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic | 125
und werden durch einen Zeitsprung zurück in die Gegenwart vor Hunnen und Römern gerettet. So amüsant die Idee eines in Pastellfarben gehüllten, verweichlichten und in Sachen Bösartigkeit entwicklungsbedürftigen Hunnenherrschers auch ist [Abb. 48], so richtig vermag diese Wendung – wie so häufig bei Abenteuern mit Zeitmaschinen, was im Comic aber auch thematisiert wird – nicht zu überzeugen, da sich dem nicht gänzlich unreflektierten Leser doch einige Fragen aufdrängen: Wie ist der schreckliche Ruf Attilas und der Hunnen in der Geschichte vor der Ankunft Kater Karlos zu erklären? Wieso schlägt Attila dermaßen aus der Familienart? Wie konnten sich die Hunnen unter einem solchen König zu einem bedrohlichen Eroberungsheer formieren? Wie gelang es Kater Karlo, innerhalb eines Monats ein solch effektives Umerziehungsprogramm für Attila zu verwirklichen? Immerhin stellt Disneys Attila-Interpretation eine der reizvolleren Adaptionen des Genres dar und leitet damit zu den letzten beiden Beispielen über. Die ausführlichsten, graphisch aufwendigsten und – zumindest in Teilaspekten – inhaltlich originellsten Umsetzungen des Attila-Stoffes bilden zweifellos die jeweils sechsbändigen Reihen Attila … mon amour von Jean-Yves Mitton und Franck Bonnet (1998–2003) sowie Die Geißel der Götter (Originaltitel: Le Fléau des Dieux, 2000–2006) von Valérie Mangin und Aleksa Gajić, obwohl sie in Ansatz und erzählerischer Tiefe grundverschieden sind. In Attila … mon amour schildern der bereits mit historischen Stoffen vertraute Mitton (u. a. Chroniques Barbares und Vae victis) und sein 126 | Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic
Zeichner Bonnet die Geschichte Attilas von 449 bis zu dessen Tod 453 n. Chr., und ihre Darstellung des Hunnenkönigs erweist sich als ein wahres Sammelbecken von Hunnen- und Barbarenklischees sowie anachronistischer Bezüge zur Zeit der mongolischen Khane im 13. Jahrhundert. Attila ist ein roher, wilder, impulsiver, selbstherrlicher, brutaler, Frauen nur als Lustobjekt betrachtender und stets potenter Anführer von Steppenkriegern, dessen Lebensinhalt im Saufen, Kopulieren, Unterjochen, Zerstören, Plündern, Morden, Schänden und Pfählen zu bestehen scheint. Entsprechend quellen die Alben über von expliziten Sex- und Gewaltdarstellungen [Abb. 49]. Offenkundig liegt dieses Verhalten in der „barbarischen“ Natur des Hunnenkönigs, denn über etwaige Motive für Attilas Handeln oder den historischen Kontext erfährt der Leser nichts. Was die Bände dennoch vom Gros der AttilaComics abhebt, ist die Qualität der Bilder, die Detailliertheit der – nicht immer historisch korrekten – Erzählung und die eigentliche Pointe der Handlung. Denn der Angriff auf das Römische Reich ist mitnichten die Idee des eher tumben Hunnenkönigs, der hierfür weder über die nötige Weitsicht noch Klugheit verfügt, sondern die der römischen Circus-Attraktion Lupa, einer nackten jungen Frau im Wolfsfell, die Attila als Geschenk überbracht wurde und deren animalischer Sinnlichkeit und überlegener Intelligenz er verfällt. Erst Lupa weckt in ihm die Begehrlichkeit, Herr der Welt zu werden, und dient ihm bei seinem Eroberungszug als ebenso raffinierte wie gut informierte Beraterin. Wie sich im Laufe der Geschichte herausstellt, handelt es sich bei Lupa um die Tochter
Abb. 48 | Attila als Schüler Kater Karlos, Lustiges Taschenbuch Nr. 133, Geschichte Attila der Hunnenkönig, 1989, Nachdruck 2000, S. 117 (Ehapa)., © Disney, dt. Ausgabe Ehapa.
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des römischen Kaisers Valentinian III., Gallia (sic!) Placidia, die aufgrund ihres Bekenntnisses zum Christentum vom – man lese und staune – paganen Kaiser verstoßen und gekreuzigt wurde, nur durch das Eingreifen einer fahrenden Gauklertruppe überlebte, als Lupa zur Circus-Attraktion avancierte und sich nun mit Hilfe von Attila an ihrem Vater, ihrem ehemaligen Geliebten Aetius und an ganz Rom rächen will. In gewisser Weise nimmt sie die Rolle ein, die ansonsten Honoria zugeschrieben wird. So erfrischend und beachtenswert die „Entzauberung“ des scheinbar übermächtigen Eroberers Attila und anderer Legenden – so verdankt sich etwa die Rettung von Paris durch die heilige Genoveva nur einem gleichgeschlechtlichen Liebesspiel mit Lupa – sowie die Fokussierung auf eine weibliche Heldin auch sind, so befremdlich wirkt das hier präsentierte Frauenbild: Nicht nur, dass Lupa in ihrer maßlosen Rachsucht bereit ist, im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen zu gehen und mit den hunnischen Raubzügen unermessliches Leid über Unschuldige zu bringen, ihr Wunsch nach Vergeltung kennt auch im persönlichen Bereich keinerlei Grenzen bis hin zur Selbstverleugnung. Die einstmals kultivierte, christlich erzogene junge Frau verwandelt sich hierfür zu einem animalischen Wesen, verbündet sich mit dem rohen, unbarmherzigen Hunnenkönig, lässt sich sexuell erniedrigen, physisch und psychisch quälen und empfindet sogar noch Gefühle für Attila, statt ihn nur als abstoßendes Werkzeug ihrer Rache zu benutzen, so dass sie, obwohl längst fallengelassen, bis zum bitteren Ende an ihm festhält. Zumindest bei Rezipienten, die für die Probleme Chauvinismus und Sexismus einiger128 | Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic
maßen sensibilisiert sind, dürfte diese Darstellung das Lesevergnügen empfindlich trüben. Als graphisch ebenfalls herausragend, inhaltlich aber anspruchsvoller erweist sich hingegen die Reihe Die Geißel der Götter. In ihrem zwischen Science-Fiction, History und Fantasy changierenden Comic verlegen Mangin und Gajić die Handlung um Attila in eine weit entfernte, hochtechnisierte kosmische Zukunft bzw. in ein Paralleluniversum, wo sich das seit 1000 Jahren herrschende galaktische römische Imperium „Orbis“ mit der Bedrohung durch die archaische, aber gleichwohl technisch hochgerüstete Stammesgesellschaft der Hunnen unter Führung Attilas konfrontiert sieht. Die Konflikte der Antike werden in das Gewand eines futuristischen Weltraumkrieges gehüllt, wobei Mangin bei ihrer Nach- und Neuerzählung der Geschichte Attilas durchaus den Verlauf der Geschehnisse im 5. Jahrhundert und die Berichte der antiken Quellen berücksichtigt, ja Jordanes sogar gelegentlich zitiert. So begegnet, mit einigen künstlerischen Freiheiten, sowohl auf hunnischer – Rua/ Ruga, Oktar, Ebars/Oebarsius, Attila [Abb. 50] – als auch auf römischer Seite – Gallia Placidia, Valentinian III., Aetius, Avitus – das historisch verbürgte Personal, wichtige Stationen der Auseinandersetzungen werden verarbeitet und selbst zentrale Charakteristika der Zeit – Hofintrigen und innere Zwietracht in Rom, Mobilität und Schnelligkeit der hunnischen Verbände, hier durch Teleportation – werden thematisiert. Als reizvolles innovatives Element fügt Mangin die Figur der Flavia Aetia, Tochter des Aetius, hinzu [Abb. 40 im Beitrag von Valérie Mangin], die nach ihrer Auslieferung an die
Abb. 49 | Attilas Lieblingsbeschäftigungen, Attila … mon amour, Bd. 2: Die eisernen Pforten, 2000, S. 19, © Glénat, dt. Ausgabe Kult Editionen.
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Abb. 50 | Attila mit den Köpfen Ruas und Oktars, Valerie Mangin, Aleksa Gag jid: Die Geißel der Götter, Bd. 1: Morituri te salutant, 2002, S. 48, © Soleil Productions, dt. Ausgabe Carlsen Comics.
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Hunnen eine blutige Opferzeremonie überlebt, deshalb und wegen ihrer äußeren Ähnlichkeit als Inkarnation der hunnischen Chaos-Göttin Kerka – eine Anspielung auf Attilas Hauptgattin Kreka/ Erekan – gilt, in die hunnische Oberschicht aufgenommen wird, sich mit Attila verbindet, der sie aber hintergeht, und schließlich in der Rüstung ihres toten Vaters inkognito die Führung des römischen Widerstandes gegen die Hunnen übernimmt. Während dies auf den ersten Blick wie eine zwar anregende, aber letztlich nur leicht abgewandelte Space-Opera „Attila im Weltraum“ anmutet, offenbart sich die ganze Komplexität der Geschichte mit den letzten Bänden. Denn nachdem bereits in den früheren Alben auf die Göttlichkeit von Flavia Aetia (Kerka) und Attila (Mars) angespielt wurde und sich beide als unsterblich erwiesen haben, wird nun die hinter der hunnisch-römischen Auseinandersetzung liegende Metahandlung enthüllt, in die Mangin diverse Aspekte philosophischer, geschichtstheoretischer, ethischer und naturwissenschaftlicher Diskurse einfließen lässt. Demnach hatten 300 Jahre zuvor Wissenschaftler erkannt, dass die unumschränkte, vor keiner Herausforderung mehr stehende Herrschaft von Orbis zum sozialen und kulturellen Stillstand und damit zum Untergang der Menschheit führen würde. Da Kaiser Konstantin (!) aufgrund dieser Erkenntnis um seine Herrschaft fürchtete, ließ er alle Wissenschaftler töten und jede weitere Forschung verbieten. Unter Führung des herausragenden Gelehrten Saturn entzogen sich aber zehn geniale Wissenschaftler der Verfolgung, bündelten ihre größten Erfindungen – energetische Schutzschilder, Quantenverschiebung,
Teleportation, Beherrschung von Energieflüssen, Unsterblichkeit, medizinische und genetische Manipulation –, schufen sich mit der Raumbasis „Olympus“ einen Rückzugsort und entwickelten dort den Plan, mit Hilfe des von ihnen erschaffenen „Gottes“ Mars (Attila) sowie ihrer ehemaligen wissenschaftlichen Assistenten, die sich durch bewusste Rebarbarisierung zu den Hunnen entwickelten, Orbis zu zerstören und dann durch Überwindung des Chaos mittels der ebenfalls kreierten „Göttin“ Venus (Flavia Aetia) als Prinzip der Ordnung und Kultur für einen Neubeginn der zivilisatorischen Evolution zu sorgen. Flavia Aetia und Attila sind jedoch von ihren manipulierten Götterrollen wenig begeistert, sorgen zunächst für Eintracht zwischen Hunnen und Römern in Orbis und lehnen sich dann gegen Saturn auf. Im Zuge der Auseinandersetzung stürzen Saturn und alle „Olympier“ in ein schwarzes Loch, das aber nur die zwölf „Götter“ wieder verlassen, wobei sie in ein Paralleluniversum gelangen, in dem auf der Erde gerade der Trojanische Krieg wütet und sie – zum Vergnügen des konfliktfreudigen Attila – ihre Plätze als olympische Götter einnehmen. Die Geißel der Götter stellt aufgrund der Vielschichtigkeit der Handlung und der Einführung einer erfreulich differenzierten, starken weiblichen Heldin, die nicht auf die Rolle als Lustobjekt, Verführerin, Gebärerin oder treue Begleiterin eines Mannes reduziert wird, zweifellos eine Bereicherung des Genres dar. Für die Rezeption Attilas gilt dies allerdings nur bedingt. Beachtenswert ist fraglos, dass der Hunnenkönig auch hier als von fremden Mächten abhängig gezeichnet wird und die Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic | 131
Hunnen auf durch Erziehung verrohte Römer zurückgeführt werden, was sicherlich dazu beitragen kann, einerseits am Nimbus des übermächtigen Eroberers zu kratzen und andererseits über Identitäten, ethnische und kulturelle Vorurteile sowie die Gefahr des Zerbrechens der dünnen Zivilisationskruste des Menschen nachzudenken. Im Übrigen folgt die Darstellung des Hunnenkönigs aber dem gängigen Attila-Bild, und während Flavia Aetia in der Lage ist, sich als „Göttin“ auf Olympus von der ihr zugedachten Rolle zu befreien und eigenständig weitreichende Entscheidungen zu treffen, bleibt Attila auch außerhalb des hunnischen Kontextes seiner – genetischen – Veranlagung als „Kriegsgott“ weitgehend verhaftet. Überblickt man abschließend die vorgestellten Werke, so wird deutlich, dass sich der überwiegende Teil der Comics, die Attila thematisieren, auf eine relativ oberflächliche Bezugnahme und die Wiedergabe eines eindimensionalen, klischeehaften Bildes des Hunnenkönigs beschränken. Attila steht sinnbildlich für einen furchterregenden, grausamen, kraftstrotzenden, zerstörerischen Barbaren, der die Welt unterjochen will. Erschöpft sich die Rezeption nicht nur in einer knappen Anspielung, so wird dieses Bild noch durch folgende Wesenszüge ergänzt: impulsiv, primitiv, zügellos, abergläubisch, simpel, verschlagen, machtversessen, sexistisch, dauerpotent. Kein Comic kommt ohne die Darstellung von Eroberungs- und Raubzügen sowie Bluttaten des Hunnenkönigs aus. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich darüber hinaus Schilderungen ausschweifender Feierlichkeiten, sexueller „Abenteuer“ und grausamer Bestrafungen durch Pfählung. Während Erste132 | Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic
re auch in den antiken Zeugnissen breit thematisiert werden, ist die Quellenlage für die Letzteren eher schmal, wenn nicht sogar divergent. So bescheinigt der oströmische Diplomat Priskos, der selbst an einer Gesandtschaft an den Hof Attilas teilnahm, dem Hunnenkönig einen eher bescheidenen, maßvollen Lebensstil. Attilas Potenz ist kein herausragendes Thema in den Quellen – sieht man von Nachrichten ab, dass er mehrere Frauen und zahlreiche Söhne hatte –, und auch die Beispiele für Pfählungen sind überschaubar, so dass es gewagt erscheint, daraus die zentrale Folter- und Hinrichtungsmethode der Hunnen abzuleiten. Dennoch gehören diese Aspekte zum etablierten Bild Attilas und werden von den Comic-Autoren aufgegriffen und weiter kolportiert. Die Deutung Attilas als eines „edlen Wilden“, dessen einfacher, rauer, aber natürlicher Lebensstil der ins Verderben führenden Zivilisationsgesellschaft vorzuziehen sei, wird hingegen selten vertreten (Hombre, in Ansätzen bei Romitas Attila the Hun), die als friedlicher und eher ausgleichender Völkerherrscher wie im Nibelungenlied nie. Eine positiv konnotierte Mischung aus den diversen Attila-Bildern findet sich in Tarkan. Gleichwohl gibt es, wie oben angeführt, auch Beispiele für originellere Adaptionen und komplexere Narrative. Zudem scheint sich – bei aller Vorsicht vor Generalisierungen – zumindest bei den ausführlicheren Comics eine Tendenz abzuzeichnen: weg vom omnipotenten, alles erklärenden Erzähler hin zu einer stärkeren Selbsterschließung und -interpretation der Handlung sowie weg von einer simplifizierten Geschichte hin zu einer subtileren und differenzierteren Darstellung. Attila ist
hier nicht mehr das holzschnittartige Schreckbild eines scheinbar alles beherrschenden barbarischen Eroberers und Zerstörers, sondern weist Schwächen auf, bedarf der Hilfe anderer, bekommt starke Charaktere an seine Seite gestellt und trifft auf einen römischen Gegner, der durch – nicht immer korrekt wiedergegebene – innere Faktoren geschwächt ist, was den Erfolg der Hunnen nicht nur aus sich selbst heraus erklärt. Da auch diese Comics in erster Linie interessante Geschichten erzählen, unterhalten und kommerziell erfolgreich sein möchten, verdankt sich diese Art der Umsetzung wohl weniger der Lektüre moderner Forschungsliteratur und dem Drang zur Aufklärung des Lesers als vielmehr allgemeineren Überlegungen zur Rolle von Männern und Frauen bzw. von Imperien in der Geschichte sowie gestiegenen Ansprüchen an die Komplexität der Handlung. Denn eine Thematisierung des spezifischen Kontextes der Herrschaft Attilas als König über zahlreiche reiternomadische und sesshafte Verbände, der sich innerhalb der gentilen Welt behaupten und mit der „Supermacht“ der Antike, dem Imperium Romanum, auseinandersetzen musste, findet nirgendwo statt. Dass sich Attila im Comic relativ großer Beliebtheit erfreut, dürfte verschiedene Gründe haben, die sich hier nur in Ansätzen ausführen lassen. Obwohl jedes einzelne Zeugnis und seine Schöpfer einer eigenen Analyse bedürften, erlaubt die Fülle an Beispielen doch einige grundlegende Aussagen. Zunächst stellt der Hunnenkönig aufgrund des im kulturellen Gedächtnis tief verankerten und in breitenwirksamen Medien immer wieder kolportierten
Attila-Bildes als Inbegriff eines Barbarenherrschers eine leicht verständliche Chiffre für Sex, Gewalt und Barbarentum dar, die von den Comic-Autoren je nach Zusammenhang und Erfordernis wirkungsvoll eingesetzt werden kann, um bestimmte Erzählabsichten zu verwirklichen und/oder beim Publikum einen bestimmten Effekt zu erzielen. So kann die Bezugnahme auf Attila überhaupt erst Interesse für die Geschichte wecken, in der Handlungen Signalcharakter besitzen bzw. eine bessere Orientierung ermöglichen und zum Schreib- bzw. Lesevergnügen beitragen, indem mit Erwartungshaltungen – welche Klischees werden bedient, ausgelassen, aufgebrochen oder erweitert – gespielt wird. Zudem bildet die Geschichte Attilas oder vielmehr die weitverbreitete Vorstellung von ihr einen willkommenen Anlass sowie eine hervorragende Legitimierungsstrategie zur Darstellung expliziter, variantenreicher Sex- und Gewaltszenen, da diese ja durch die Berufung auf die historischen Verhältnisse scheinbar gerechtfertigt sind. Angesichts der Fülle, Detailverliebtheit und optischen Brillanz zahlreicher derartiger Bilder kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Comics auch dazu dienen, Sex- und Gewaltfantasien voyeuristisch zu befriedigen, die in einer modernen zivilisierten Gesellschaft nicht tolerabel sind. Nebenbei lässt sich auf diese Weise auch noch das im Kulturund Bildungsbetrieb häufig vermittelte und sicherlich nicht von jedem geschätzte Bild einer idealisierten, überlegenen, „sauberen“ humanistischen Antike demontieren. Ohnehin dürfte ein Reiz der historischen Nacherzählungen von Attilas Leben darin bestehen, dass Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic | 133
Autor und Leser hier eskapistisch in eine Welt eintauchen, die nach scheinbar einfacheren Regeln funktioniert, simple Lösungen für komplizierte Probleme anbietet, eine wesentlich freiere und unmittelbarere Entfaltung „natürlicher“ Triebe erlaubt und nicht mit den vielfältigen Zumutungen moderner komplexer Gesellschaften behaftet ist. Für eine Umsetzung des Attila-Stoffes spricht schließlich, dass er sich für propagandistische Zwecke, politische Instrumentalisierungen und Aktualisierungen eignet. So hat im englischsprachigen Bereich die Gleichsetzung zwischen Hunnen und Deutschen seit der berüchtigten „Hunnenrede“ Kaiser Wilhelms II. im Jahr 1900 eine lange Tradition und dürfte die häufige Verwendung Attilas – der synonym für die Nazis steht – als Gegner amerikanischer Soldaten/Superhelden in Comics des Zweiten Weltkrieges bzw. späterer Jahre mit erklären. Im Kalten Krieg diente der Hunnenkönig hingegen vorrangig als Sinn- und Schreckbild der „barbarischen“ Gefahr aus dem Osten. Und selbst zur Gegenwart lassen sich Bezüge herstellen. So bietet die – zweifellos zu einseitige – Interpretation des Konfliktes zwischen Hunnen und Römern als
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Auseinandersetzung zwischen einer jungen, dynamischen, weniger differenzierten, aber stabilen und kämpferischen Gesellschaft und einer niedergehenden, bisher überlegenen Zivilisation durchaus die Möglichkeit der Deutung als „Kampf der Kulturen“ und der Übertragung auf aktuelle Verhältnisse. Dass sich gerade amerikanische und französische Comics mit Attila auseinandersetzen, dürfte zum einen den ausgeprägten Comic-Kulturen dieser Länder geschuldet sein, zum anderen spielt zumindest im Fall Frankreichs eine Rolle, dass Attila hier durch die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, der mitunter der Rang einer europäischen Befreiungstat zugeschrieben wird, und durch die heilige Genoveva im nationalen Geschichtsbewusstsein eine prominente Stellung einnimmt. Welche Entwicklung die Rezeption der „Geißel Gottes“ im Comic zukünftig nehmen wird – im Film lässt sich etwa eine Tendenz zur Entbarbarisierung Attilas erkennen –, bleibt abzuwarten. Dass eine Beschäftigung mit diesem unterhaltsamen und aufschlussreichen Medium aber lohnt, ist hoffentlich deutlich geworden.
Literatur Allgemeine weiterführende Literatur
Genius Loci (Michele Petrucci)
Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers, München 2001. Pepa Castillo, Silke Knippschild, Marta García Morcillo, Carmen Herreros (Hg.): Imágines: La Antigüedad en las artes escénicas y visuales, Logroño 2008. Cornelius Holtorf: From Stonehenge to Las Vegas. Archaeology as Popular Culture, Walnut Creek u. a. 2005. Andreas C. Knigge: Alles über Comics. Eine Entdeckungsreise von den Höhlenbildern bis zum Manga, Hamburg 2004. Silke Knippschild, Marta García Morcillo (Hg.): Seduction and Power: Antiquity in the Visual and Performing Arts, London 2013. Barbara Korte (Hg.): History goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres, Bielefeld 2009. George Kovacs, C. W. Marshall (Hg.): Classics and Comics, Oxford 2011. Tomas Lochman (Hg.): „Antico-mix“. Antike in Comics. Ausstellungskatalog Skulpturhalle Basel, 31.3.–26.9.1999, Basel 1999. Gerald Munier: Geschichte im Comic. Aufklärung durch Fiktion? Über Möglichkeiten und Grenzen des historisierenden Autorencomic der Gegenwart, Hannover 2000. Alex Service: Vikings and Donald Duck, in: John Arnold, Kate Davies, Simon Ditchfield (Hg.): History and Heritage. Consuming the Past in Contemporary Culture, Shaftesbury 1998, S. 17–26.
Michele Petrucci: Metauro, Latina 2006.
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Ein Streifzug durch einen historischen Comic: die Abenteuer von Ducarius dem Gallier (Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli) Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli: Occhi di lupo. Un’avventura ai tempi di Annibale, Bologna 2004. Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli, Giovanni Marchi: Foreste di morte. La saga di Ducario il Gallico: episodio secondo, Bologna 2007. Giovanni Brizzi: Scipione e Annibale. La guerra per salvare Roma, Bari/Rom 2007. Giovanni Brizzi: Annibale. Come un’autobiografia, Mailand 2003. Karl Christ: Hannibal, Darmstadt 2003. Sergio Tisselli, Maurizio Ascari: La locanda dei misteri: Mister Dodsworth in viaggio sui monti Appennini, Bologna 2000.
Lateinische Schullektüre als Comic (Michaela Hellmich) Michaela Hellmich: Caesar. Der Gallische Krieg. Ein Comic als Caesar-Lektüre, Göttingen 2012. Michaela Hellmich: Ovid. Verwandlungsgeschichten. Ein Comic als Ovid-Lektüre, Göttingen 2013.
Zum Comic gemacht – Cäsars Gallischer Krieg als didaktischer Comic (Martin Lindner)
Ernö Zórád: Spartacus (Teil I und II). Weltberühmte Geschichten in Bildern, Berlin 1957.
Solveig Kristina Malatrait, Kai Nerger, Manfred Schreiner: Asterix – ein Fragebogen und seine Auswertung, in: Der Altsprachliche Unterricht 41/2 (1998), S. 66–78. Karl-Heinz Niemann: Das Bellum Helveticum in Comics – Alternative zum Originaltext oder Kontrastfolie und Wegbereiter?, in: Der Altsprachliche Unterricht 51/5 (2008), S. 50–63. Karl-Heinz Graf von Rothenburg: Comics im Lateinunterricht, in: Latein und Griechisch in Berlin 33 (1989), S. 2–10. Rubricastellanus, Faber (Karl-Heinz Graf von Rothenburg, Walter Schmid): Caesaris e commentariis de bello Gallico: Bellum Helveticum, Stuttgart u. a. 6/1996.
Messalina und die anderen „Girls“ – römische Erotik im italienischen Comic (Filippo Carlà)
Gladiatoren, Legionäre, Funktionäre: die Rom-Serie des DDR-Comic Mosaik zwischen Historienepos, Antikeparodie und zeitgenössischer Medienadaption (Thomas Kramer) Wolfgang Bruhn, Max Tilke: Das Kostümwerk, Tübingen 1942. Gerd Lettkemann: 35 Jahre Mosaik, 35 Jahre Comics in der DDR. Ein Interview mit Lothar Dräger, in: Andreas C. Knigge (Hg.): COMIC-Jahrbuch, Hamburg 1990, S. 98–113. Hans-Jürgen Pandel: Comicliteratur und Geschichte. Gezeichnete Narrativität, gedeutete Geschichte und die Ästhetik des Geschichtsbewußtseins, in: Geschichte lernen 37 (1994), S. 18–26. André Stoll: Asterix – das Trivialepos Frankreichs, Köln 1974. Albert Uderzo: Der weite Weg zu Asterix, Stuttgart 1986. Reinhard Ulbrich: Spur der Broiler. Wir und unser goldener Osten, Reinbek bei Hamburg 1999. Horst Wandrey: Christliches Ethos im historischen Roman, in: Der Bibliothekar 8 (1957), S. 919–925.
Filippo Carlà: Saint or Prostitute? The Reception of Empress Theodora, in: Marta García Morcillo, Silke Knippschild (Hg.): Seduction and Power: Antiquity in the Visual and Performing Arts, London 2013, S. 243–262. Umberto Eco: Il costume di casa. Evidenze e misteri dell’ideologia italiana negli anni Sessanta, Mailand 1973. Hans Keller: Römisches in den italienischen Fumetti, in: Tomas Lochman (Hg.): „Antico-mix“. Antike in Comics. Ausstellungskatalog Skulpturhalle Basel, 31.3.–26.9.1999, Basel 1999, S. 126–141. Andreas C. Knigge: Sex im Comic, Frankfurt am Main u. a. 1985. Federico Mataloni: Il fumetto nero nell’Italia del boom (1962– 1970): http://www.fuorileidee.com/exp/angoli/federico/nero/ Indice.htm [23.07.2013].
Ein Lied für Kaiser Nero (Patrick Schollmeyer) Marianne Bergmann: Der Koloß Neros, die Domus Aurea und der Mentalitätswandel im Rom der frühen Kaiserzeit, Mainz 1994 (Trierer Winckelmannprogramme 13). Julian Krüger: Nero. Der römische Kaiser und seine Zeit, Köln u. a. 2012. Jürgen Malitz: Nero, München 1999. Maria Antonietta Tomei u. a. (Hg.): Nerone. Ausstellungskatalog Rom, Mailand 2011. Gerhard H. Waldherr: Nero. Eine Biografie, Regensburg 2005.
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Das goldene Halsband – eine römische Provinzstadt erwacht zu neuem Leben (Dorothée Šimko) Werner Drack, Rudolf Fellmann: Die Römer in der Schweiz, Stuttgart 1988. Alex R. Furger: Vom Essen und Trinken im römischen Augst. Kochen, Essen und Trinken im Spiegel einiger Funde, Archäologie der Schweiz 8 (1985). Alex R. Furger: Römermuseum und Römerhaus Augst. Kurztexte und Hintergrundinformationen, Augster Museumshefte 10 (²1989). Alex R. Furger, Marco Windlin, Sabine Deschler-Erb, Jörg Schibler: Der „römische“ Haustierpark in Augusta Raurica, Augster Blätter zur Römerzeit 7 (1992) Alex R. Furger: Die urbanistische Entwicklung von Augusta Raurica vom 1. bis zum 3. Jahrhundert, Jahresberichte Augst und Kaiseraugst 15 (1994), S. 29–38. Werner Hürbin (unter Mitarbeit von Marianne Bavaud, Stefanie Jacomet und Urs Berger): Römisches Brot. Mahlen – Backen – Rezepte, Augster Blätter zur Römerzeit 4 (²1994). Rudolf Laur-Belart: Führer durch Augusta Raurica, 5., erweiterte Auflage, bearbeitet von Ludwig Berger, Basel 1988. Max Martin: Römermuseum und Römerhaus Augst, Augster Museumshefte 4 (²1987). Dorothée Šimko, Roloff (Rolf Meier): Prisca und Silvanus. Unruhige Zeiten in Augusta Raurica, Augst 1995. Dorothée Šimko, Roloff (Rolf Meier): Prisca und Silvanus. Temps troublés à Augusta Raurica. (Traduction française: Catherine May Castella), Augst 1995. Dorothée Šimko, Roloff (Rolf Meier): Prisca und Silvanus. Turbida tempora Augustae Rauricae. (In latinum converterunt: Bruno W. Häuptli et Markus Clausen), Augst 1996. Dorothée Šimko, Roloff (Rolf Meier): Prisca und Silvanus. Die Zerstörung von Augusta Raurica, Augst 1996.
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Dorothée Šimko, Roloff (Rolf Meier): Prisca und Silvanus. La destruction d’Augusta Rauricae. (In latinum converterunt: Bruno W. Häuptli et Markus Clausen), Augst 1996. Dorothée Šimko, Roloff (Rolf Meier): Prisca und Silvanus. Augusta Raurica deleta. (In latinum convertit: Bruno W. Häuptli), Augst 1997.
Kaiser Julian: Apostasie und Comics (Maria G. Castello) Nicholas J. Baker-Brian, Shaun Tougher (Hg.): Emperor and Author. The Writings of Julian the Apostate, Swansea 2012. Klaus Rosen: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser, Stuttgart 2006. Klaus Rosen: Kaiser Julian auf dem Weg vom Christentum zum Heidentum, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 40 (1997), S. 126–146.
Von der Antike in den Weltraum (Valérie Mangin) Chroniques de l´Antiquité galactique Serie 1: Le Fléau des Dieux (Die Geißel der Götter) Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Morituri te salutant, Toulon 2000 (deutsche Übers. Hamburg 2002). Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Dies Irae, Toulon 2011 (deutsche Übers. Hamburg 2002). Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Urbi et Orbi, Toulon 2002 (deutsche Übers. Hamburg 2003). Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Vae Victis, Toulon 2004 (deutsche Übers. Wiesbaden 2010). Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Dei ex machina, Toulon 2005 (deutsche Übers. Wiesbaden 2010). Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Exit, Toulon 2006 (deutsche Übers. Wiesbaden 2011).
Serie 2: Le Dernier Troyen (Der letzte Trojaner) Valérie Mangin, Thierry Démarez: Le cheval de Troie, Toulon 2004. Valérie Mangin, Thierry Démarez: La reine des Amazones, Toulon 2004. Valérie Mangin, Thierry Démarez: Les Lotophages, Toulon 2005. Valérie Mangin, Thierry Démarez: Carthago, Toulon 2006. Valérie Mangin, Thierry Démarez: Au delà du Styx, Toulon 2007. Valérie Mangin, Thierry Démarez: Rome, Toulon 2008. Serie 3: La Guerre des Dieux (Der Krieg der Götter) Valérie Mangin, Dean Yazghi, Dina Kathelyn: De Buit et de fureur, Toulon 2010. Valérie Mangin, Dean Yazghi, Dina Kathelyn: De sang et d’or, in Vorbereitung. Valérie Mangin, Thierry Démarez: Les Aigles de sang, Toulon 2012 (deutsche Übers. Bielefeld 2013).
Der Inbegriff von Sex, Gewalt und Barbarentum – Attila im Comic (Andreas Goltz) Attila und die Hunnen, Begleitbuch zur Ausstellung. Hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer, Stuttgart 2007. Christopher Kelly: Attila the Hun. Barbarian Terror and the Fall of the Roman Empire, London 2008. Andreas C. Knigge: Alles über Comics. Eine Entdeckungsreise von den Höhlenbildern bis zum Manga, Hamburg 2004. Barbara Korte (Hg.): History goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres, Bielefeld 2009. Tomas Lochman (Hg.): „Antico-mix“. Antike in Comics. Ausstellungskatalog Skulpturhalle Basel, 31.3.–26.9.1999, Basel 1999. Otto Maenchen-Helfen: Die Welt der Hunnen. Deutschsprachige Ausgabe besorgt von Robert Göbl. Nachdruck der Ausgabe Wien u. a. 1978, Wiesbaden 1997. Gerald Munier: Geschichte in Comic. Aufklärung durch Fiktion? Über Möglichkeiten und Grenzen des historisierenden Autorencomic der Gegenwart, Hannover 2000. Timo Stickler: Die Hunnen, München 2007. Gerhard Wirth: Attila. Das Hunnenreich und Europa, Stuttgart 1999.
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Abbildung Abb. 1 | Michele Petrucci, Zeichnung für eine Lithographie, die bei einer Comic-Messe verteilt wurde. Abb. 2 | Michele Petrucci, Metauro, S. 86. Abb. 3 | Michele Petrucci, Metauro, Rückseite. Abb. 4 | Michele Petrucci, Metauro, S. 103. Abb. 5 | Michele Petrucci, Studien für die Figuren für Metauro. Abb. 6 | Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli, Occhi di lupo, S. 47. Abb. 7 | Giovanni Brizzi, Sergio Tisselli, Occhi di lupo, S. 52. Abb. 8 | Sergio Tisselli, Giovanni Brizzi, Giovanni Marchi, Foreste di morte, S. 43. Abb. 9 | Michaela Hellmich: Caesar. Der Gallische Krieg, S. 16–17. Abb. 10 | Michaela Hellmich: Caesar. Der Gallische Krieg, S. 10–11. Abb. 11 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 67. Abb. 12 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 23. Abb. 13 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 10. Abb. 14 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 5. Abb. 15 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 43. Abb. 16 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 22. Abb. 17 | Rubricastellanus, Faber, Bellum Helveticum, S. 39. Abb. 18 | Der Überfall im Theater, Mosaik 21, S. 9, © Johannes Hegenbarth/Tessloff Verlag. Abb. 19 | Dig, Dag, Digedag und die Siegesfeier, Mosaik 19, S. 4, © Johannes Hegenbarth/Tessloff Verlag. Abb. 20 | Dig, Dag, Digedag und die Ballade vom armen Strupp, Mosaik 15, S. 21, © Johannes Hegenbarth/Tessloff Verlag. Abb. 21 | Messalina, Heft 7, S. 87. Abb. 22 | Messalina, Heft 7, S. 54. Abb. 23 | Messalina, Heft 7, S. 28.
140 | Abbildungen
Abb. 24 | Teodora, Heft 5, S. 5. Abb. 25 | Pompea, Heft 15, S. 32. Abb. 26 | Historik, Heft 1, S. 95. Abb. 27 | Die Rache der Poppaea (1876), Gemälde von Giovanni Muzzioli, Museo Civico d’Arte, Modena, in: Maria Antonietta Tomei u. a. (Hg.): Nerone. Ausstellungs-katalog Rom (2011), S. 39, Abb. 2. Abb. 28 | Nero in seinem Gemach, gezeichnet von Sergio Asteriti, in: Abenteuer in der Antike, Walt Disneys Lustiges Taschenbuch Spezial Nr. 40, S. 387, © Disney. Abb. 29 | Emil Jannings als singender Nero aus dem Film Quo Vadis (1925), in: Maria Antonietta Tomei u. a. (Hg.): Nerone. Ausstellungskatalog Rom (2011), S. 63, Abb. 1. Abb. 30 | Ettore Petrolini in der Rolle des Nero aus dem Film Nerone (1930), in: Maria Antonietta Tomei u. a. (Hg.): Nerone. Ausstellungskatalog Rom (2011), S. 65, Abb. 2. Abb. 31 | Halsband aus Augusta Raurica. Augusta Raurica, © Susanne Schenker Abb. 32 | Prisca und Silvanus. Unruhige Zeiten in Augusta Raurica, S. 9. Abb. 33 | Prisca und Silvanus. Die Zerstörung von Augusta Raurica, S. 43. Abb. 34 | Prisca und Silvanus. Die Zerstörung von Augusta Raurica, S. 35. Abb. 35 | Giuliano l’Apostata, Deckblatt, © Il Male 1980 Gabriele Mazzotta Editore. Abb. 36 | Julian Salvius aus Warrior Nun Areala, © Antarctic Press. Abb. 37 | Apostata I, Deckblatt, © 2009 Ken Broeders / Standaard Uitgeverij.
Abb. 38 | Apostata IV, S. 41, © 2012 Ken Broeders / Standaard Uitgeverij. Abb. 39 | Jacques Martin: Alix – Le Dieu sauvage, S. 54, © Casterman. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags Casterman. Abb. 40 | Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Nicht benutzter Vor-schlag für das Deckblatt von Le Fléau des Dieux – Urbi et Orbi, © Soleil Productions. Abb. 41 | Valérie Mangin, Aleksa Gajić: Le Fléau des Dieux – Urbi et Orbi, S. 13, © Soleil Productions. Abb. 42 | Valérie Mangin, Thierry Démarez: Rückseite von Alix Senator – Les Aigles de sang, © Casterman. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags Casterman. Abb. 43 | Valérie Mangin, Thierry Démarez: Alix Senator – Les Aigles de sang, S. 6, © Casterman. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags Casterman.
Abb. 44 | Jacques Martin: Alix – Le Tombeau étrusque, S. 5, © Casterman. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags Casterman. Abb. 45 | Attila als blutrünstiger Vampir, Requiem, der Vampirritter, Bd. 2: Totentanz, 2001, S. 43, © Nickel, dt. Ausgabe Kult Editionen. Abb. 46 | Tolle Typen, Bd. 11: Siegi gegen Attila, 1985, S. 26, © Édition Michel Deligne, dt. Ausgabe Ehapa. Abb. 47 | Episode Attila the Hun in War action Vol. 11 1952, © Atlas Comics. Abb. 48 | Lustiges Taschenbuch Nr. 133, Geschichte Attila der Hunnenkönig, 1989, Nachdruck 2000, S. 117, © Disney, dt. Ausgabe Ehapa. Abb. 49 | Attila … mon amour, Bd. 2: Die eisernen Pforten, 2000, S. 19, © Glénat, dt. Ausgabe Kult Editionen. Abb. 50 | Valérie Mangin, Aleksa Gajid: Die Geißel der Götter, Bd. 1: Morituri te salutant, 2002, S. 48, © Soleil Productions, dt. Ausgabe Carlsen Comics.
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