Bundesgesetzliche Organisation landesunmittelbarer Selbstverwaltungskörperschaften: Formen und Zulässigkeit ihrer Einschaltung in die Ausführung von Bundesgesetzen durch den Bundesgesetzgeber [1 ed.] 9783428406494, 9783428006496


113 13 23MB

German Pages 202 Year 1967

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Bundesgesetzliche Organisation landesunmittelbarer Selbstverwaltungskörperschaften: Formen und Zulässigkeit ihrer Einschaltung in die Ausführung von Bundesgesetzen durch den Bundesgesetzgeber [1 ed.]
 9783428406494, 9783428006496

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 59

Bundesgesetzliche Organisation landesunmittelbarer Selbstverwaltungskörperschaften Formen und Zulässigkeit ihrer Einschaltung in die Ausführung von Bundesgesetzen durch den Bundesgesetzgeber

Von

Friedrich Hohrmann

Duncker & Humblot · Berlin

FRIEDRICH

HOHRMANN

Bundesgesetzliche Organisation landesunmittelbarer Selbstverwaltungskörperschaften

Schriften zum öffentlichen Band 59

Recht

Bundesgesetzliche Organisation landesunmittelbarer Selbstverwaltungskörperschaften Formen und ZulSssigkeit ihrer Einschaltung in die Ausführung von Bundeigesetzen durch den Bundesgesetzgeber

Von

Dr. Friedrich Hohrmann

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Gedruckt m i t Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk

Alle Rechte vorbehalten 1967 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1967 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Meinen Eltern in Dankbarkeit gewidmet

Vorwort Z u den wesentlichen Merkmalen einer freiheitlichen Verfassung i m Bundesstaat gehört es, daß sie ein vielschichtiges Organisationssystem schafft, i n dem die verschiedensten Kräfte ineinander verwoben sind, gegeneinander und miteinander wirken können und sich wechselseitig ausgleichen. Der Versuch, die einzelnen Kräfte gegeneinander abzugrenzen, ist daher mehr als ein kleinliches Ringen u m Zuständigkeiten. Erst indem Raum und Grenzen der verschiedenen i m Grundgesetz w i r k samen Kräfte deutlich bestimmt werden, kann sich ein Ausgleich dieser Kräfte vollziehen und damit das vom Grundgesetz geschaffene Organisationssystem seinen Zweck erfüllen. Das Ziel dieser Arbeit ist, i n einem Teilbereich bundesstaatlicher Organisation die vielfältigen Formen, i n denen der Bundesgesetzgeber landesunmittelbare Selbstverwaltungskörperschaften zur Ausführung der Bundesgesetze heranzieht, näher i n ihrer tatsächlichen und theoretischen Ausgestaltung darzustellen. Die Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität München Ende 1966 als Dissertation angenommen. A u f das inzwischen ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vom 18. J u l i 1967 — 2 B v F 3/62 u. a. — BGBl. Teil I Seite 896) i n dem Rechtsstreit über die Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften des Jugendwohlfahrts- und des Bundessozialhilfegesetzes, das zu einigen der nachfolgend erörterten Fragen eine teils abweichende Auffassung vertritt, kann daher nur noch hier hingewiesen werden. — Für die Anregimg zu dieser Arbeit und ihre freundliche Förderung möchte ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Lerche, an dieser Stelle aufrichtig danken. Auch gilt mein besonderer Dank Herrn Professor Dr. Spanner. Der Stiftung Volkswagenwerk danke ich für die m i r gewährte finanzielle Unterstützung ebenso wie Herrn Ministerialrat a. D. Dr. J. Broermann für die Aufnahme der Arbeit i n die Reihe »Schriften zum öffentlichen Recht 4 . Berlin, den 4. August 1967 Friedrich

Hohrmann

Inhaltsverzeichnis Einführung

19

Erstes Kapitel Zum Begriff der Selbstverwaltungskörperschaft 1. Die historische Entwicklung des Selbstverwaltungsbegriffs

21

I I . Das materiale Verständnis der Selbstverwaltung

28

I I I . Der Begriff der Körperschaft

28

IV. Die Selbstverwaltungskörperschaft

29

Zweites Kapitel Die Formen der bundesrechtlichen Einschaltung von landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften in die Ausführung der Bundesgesetze I. Kommunale Selbstverwaltungskörperschaften

32

1. Die Unterscheidung nach den zu vollziehenden Aufgaben

32

a) Eingriffs- und Leistungsverwaltung

33

b) Betriebspflichten

35

c) Aufgaben besonderer Art

36

d) Selbstverwaltungs- und Auftragsangelegenheiten

36

2. Die Unterscheidung nach den organisationsrechtlichen Formen der Einschaltung

37

a) Organisationsrechtliche Regelungen

37

b) Gesetzliche Einflußvorbehalte

40

c) Personelle Bestimmungen für die Gemeinden im Zusammenhang mit dem Vollzug von Bundesgesetzen

41

3. Die bundesgesetzlichen Kostenregelungen

41

4. Die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an der Ausführung der Bundesgesetze

43

I I . Die Universitäten

!

44

1. Die Universitäten als Selbstverwaltungskörperschaften

44

2. Die bundesgesetzlichen Regelungen im Universitätsbereich

46

nsverzeichnis I I I . Die Einschaltung sonstiger landesunmittelbarer Selbstverwaltungskörperschaften

47

Drittes Kapitel Die Zulässigkeit der Einschaltung von SelbstverwaltungskGrperschaf ten in die Ausführung der Bundesgesetze I. Die Einschaltung von Selbstverwaltungskörperschaften in die Ausführung der Bundesgesetze und die Organisationsgewalt I I . Die Organisationsgewalt i m gewaltenteilenden Bundesstaat 1. Die Bestandteile der Organisationsgewalt

51 51 53

a) Die Einrichtung der Behörden

53

b) Die Errichtung der Behörden

54

c) Die Bildung der Behörden

54

2. Die Abgrenzung von Organisation und Verfahren

55

3. Die Aufteilung der Organisationsbefugnisse auf die Legislative und die Exekutive

56

a) Das Prinzip der Gewaltenteilung

56

b) Die Theorien zum Begriff des Rechtssatzes

57

aa) Der preußische Verfassungsstreit 57 bb) Die Lehre vom doppelten Gesetzesbegriff 58 cc) Die rechtstheoretische Bestimmung des Rechtssatzbegriffs durch Haenel 60 dd) Der rechtstheoretische und staatsrechtliche Begriff des Rechtssatzes 60 ee) Die rechtsstaatliche Bindung der Organisationsgewalt an die Legislative nach L. Richter 62 ff) Der Begriff des Rechtssatzes in der Wandlung vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat 62 gg) Der Begriff des Rechtssatzes heute 65 hh) Die Unterscheidung von sachlichen und organisatorischen Normen nach Forsthoff 65 c) Die Bildung von Behörden als Rechtssatz

67

d) Die Errichtung von Behörden als Organisationsakt

67

e) Die Einrichtung von Behörden als Organisationsakt

68

f) Die Bildung von Selbstverwaltungskörperschaften als A k t der Legislative

68

g) Die Verfassungspraxis

69

4. Die Aufteilung der Organisationsgewalt zwischen Bund und Ländern

70

a) Der Behördenbegriff in Art. 84, 85 G G und die landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften

71

nsverzeichnis

11

b) Die Bedeutung der Worte „Einrichtung der Behörden" in Art. 84 I, 85 I G G 75 aa) bb) cc) dd)

Die Interpretation nach dem Wortlaut Die Interpretation aus der Systematik des Grundgesetzes Die Interpretation aus der Entstehungsgeschichte Die Interpretation unter dem Gesichtspunkt des gewaltenteilenden Bundesstaates

75 77 79 81

c) Die Abgrenzung von Art. 84 Abs. 1 und Abs. 2 G G

82

d) Die Abgrenzung von organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorschriften einerseits gegenüber solchen materiellen Inhalts andererseits

85

I I I . Die Beschränkungen der organisatorischen Befugnisse des Bundes

88

1. Die Akzessorietät der organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen

88

2. Die Einschränkungen aus dem Bundesstaatsbegriff

91

a) Der Begriff des Bundesstaates

92

b) Die föderalistischen Tendenzen des G G aa) Die Länder als „souveräne Staaten"? bb) Der gewaltenteilende Effekt des Bundesstaates

92 92 94

c) Die unitarischen Tendenzen des G G aa) Der soziale Bundesstaat bb) Der Einfluß des Gleichheitssatzes auf die organisatorischen Befugnisse cc) Der demokratische Bundesstaat

95 95

d) Der Typ der Länder als Staaten

97

3. Die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten

95 96 99

4. Das Subsidiaritätsprinzip

100

5. Die Anwendung des Art. 72 G G

101

I V . Zum Begriff der Ausführung der Bundesgesetze

. 104

V. Der Anspruch der Länder auf die Ausführung der Bundesgesetze... 110 1. Die organisationsrechtliche Komponente des Anspruchs

110

a) Die Ausnahmebestimmungen des G G

110

b) Die zugelassenen Ausnahmen

112

2. Die materiell-rechtliche Komponente des Anspruchs

113

V I . Die personalrechtlichen Einflüsse des Bundes anläßlich der Ausführung von Bundesgesetzen 116 V I I . Die organisationsrechtlichen Befugnisse des Bundes speziell im Hinblick auf die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften 117 1. I m Rahmen der Art. 73, 84 GG a) Auf Landesebene

117 117

nsverzeichnis aa) Die hauptsächlich vertretenen Meinungen über die Zulässigkeit der Einschaltung bb) Die Bildung und Errichtung von Gemeinden cc) Die Einschaltung der Gemeinden als solcher dd) Die Verteilung der Zuständigkeiten auf verschiedene Gemeindeorgane ee) Die Bestimmung einer Aufgabe zur Selbstverwaltungsoder Auftragsangelegenheit der Gemeinden ff) Die gesetzlichen Einflußvorbehalte gg) Die Bestimmungen über die Zusammenarbeit kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften hh) Die unmittelbare Einschaltung bestimmter Gemeindeorgane ii) Die bundesgesetzlichen Vorbehalte zugunsten der Landesorganisationsgewalt b) Auf Bundesebene

118 121 121 122 127 129 131 132 132 135

aa) Die Anhörungsrechte gegenüber den Bundesorganen . . . 135 bb) Die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an der Ausführung der Bundesgesetze 135 2. I m Rahmen der Art. 73, 85 G G

137

3. Die Erweiterung der Bundesauftragsverwaltung

142

4. I m Rahmen des Art. 28 GG

145

a) Die rechtliche Qualifikation des Selbstverwaltungsrechts durch das G G 145 b) Die Einschränkbarkeit des funktionellen Aufgabenbereichs der Selbstverwaltung . . . . . . 147 aa) Die Bestimmung und Ausgestaltung des funktionellen Aufgabenbereichs durch den Gesetzgeber bb) Der vom GG geprägte Typ der kommunalen Selbstverwaltung als Grenze für den Gesetzgeber cc) Die Übertragimg bestimmter Aufgaben auf kommunale Selbstverwaltungskörperschaften dd) Funktionsbeschränkungen für die kommunale Selbstverwaltung c) Die Einschränkbarkeit der Eigenverantwortlichkeit aa) Die Beschränkung der Ermessensfreiheit

147 149 .157 157 161 161

bb) Genehmigungsvorbehalte ... 161 cc) Die Beschränkung der Gestaltungs- und Ermessensfreiheit speziell auf dem Gebiete der Leistungsgewährung . . 162 dd) Die Beschränkung durch Verwaltungsvorschriften (Art. 84 I I GG) und Einzelweisungen (Art. 84 V GG) des Bundes 164 d) Die Einschränkbarkeit des institutionellen Aufgabenbereichs 166 aa) Die Organisationshoheit

166

bb) Die Personalhoheit

172

nsverzeichnis V I I I . Die Einschaltung sonstiger Selbstverwaltungskörperschaften

13 173

1. Auf Landesebene

173

2. Dachverbände auf Bundesebene

175

Viertes Kapitel Die organisatorische Einschaltung der Selbstverwaltungskörperschaften in die Ausführung der Bundesgesetze und die Finanzverfassung I. Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in der Finanzverfassung 177 I I . Das Lastenverteilungsprinzip des Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 G G I I I . Die bundesgesetzliche Regelung der Lastenverteilung

177 181

I V . Die Finanzhoheit der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften 182

Literaturverzeichnis

184

Abkürzungsverzeicbnis AcP

Archiv für civilistische Praxis (Band und Seite).

AGJJ

Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge (Jahrgang und Seite). Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794.

ALR AÖR ArchKommWiss AS BadVGH Bad-W.Verf

Archiv des öffentlichen Rechts (Band und Seite). Archiv für Kommunalwissenschaften (Jahr und Seite). Amtliche Sammlung. Badischer Verwaltungsgerichtshof. Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953.

BAG BayBürgermeister BayVBl. BayVerf

Bundesarbeitsgericht. Der Bayerische Bürgermeister (Jahr und Seite). Bayerische Verwaltungsblätter. Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946.

BayVGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof. Bundesbaugesetz vom 23. Juni 1960 (BGBl. I I I 213—1). Bundesbeamtengesetz i. d. F. vom 22. Oktober 1965 (BGBl. I I I Nr. 2030—2).

BBauG BBG Bd. Begr. BFernStrGes BGBl. BGHSt BGHZ BJagdGes Binnenschiffsverkehrsgesetz BLG BlnVerf BNotO BR BRAO BReg

Band. Begründung. Bundesfernstraßengesetz i. d. F. vom 6. August 1961 (BGBl. I S. 341). Bundesgesetzblatt (Teü und Seite). Bundesgerichtshof in Strafsachen. Bundesgerichtshof in Zivilsachen. Bundesjagdgesetz i. d. F. vom 30. März 1961 (BGBl. I S. 304). Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr vom 1. Oktober 1953 (BGBl. I S. 1453). Bundesleistungsgesetz i. d. F. vom 27. September 1961 (BGBl. I S. 1769). Verfassung von Berlin vom 1. September 1950. Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961 (BGBl. I S. 98). Bundesrat. Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959 (BGBl. I S. 565). Bundesregierung.

Abkürzungsverzeichnis BremVerf

15

Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947. BRRG Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts i. d. F. vom 22. Oktober 1965 (BGBl. I I I S. 2030—1). BSHG Bundessozialhilfegesetz vom 30. Juni 1961 (BGBl. I S. 815). Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer BSeuchGes Krankheiten vom 18. Juli 1961 (BGBl. I I I 2126—1). Bundestag. BT Bundesverfassungsgericht. BVerfG Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und BVertrGes Flüchtlinge i. d. F. vom 23. Oktober 1961 (BGBl. I I I Nr. 240 — 1). BVerwG Bundesverwaltungsgericht. Bundesversorgungsgesetz vom 20. Dezember 1950 BVG (BGBl. I S. 791). BWahlGes Bundeswahlgesetz vom 7. M a i 1956 (BGBl. I I I Nr. 111 — 1). Bundeswahlordnung i. d. F. vom 8. April 1965 (BGBl. I I I BWahlO Nr. 111 — 1). Diss. Dissertation. DJZ Deutsche Juristenzeitung (Jahr und Seite). DöV Die öffentliche Verwaltung (Jahr und Seite). DRichterG Deutsches Richtergesetz vom 8. September 1961 (BGBl. I S. 1665). Die Selbstverwaltung (Jahr und Seite). DSV Der Städtetag (Jahr und Seite). DStT Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr und Seite). DVB1. Entscheidungssammlung. E Einkommensteuergesetz i. d. F. vom 15. August 1961 EStG (BGBl. I S. 1253). Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden FeststellungsGes und Kriegssachschäden vom 14. August 1952 (BGBl. I S. 535). Finanzarchiv (Jahrgang und Seite). FinArdi Finanzverwaltungsgesetz vom 6. September 1950 (BGB1. FinVerwGes I S. 488). Gesetz über Leistungen zur Unterbringung von DeutFINotLG schen aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin vom 9. März 1953 (BGBl. I S. 45). Flüchtlingswohnungsbaugesetz vom 30. Juli 1953 (BGBl. I Flüchtlings1953 S. 712). wohnungsbauges. Flurbereinigungsges. Flurbereinigungsgesetz vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 591). Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Geschlechtsvom 23. Juli 1953 (BGBl. I I I Nr. 2126 — 4). krankheitenGes Ges zu Art. 131 G G Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des G G fallenden Personen i. d. F. vom 21. August 1961 (BGBl. I S. 1578). Gesetz über die Gewährung von Miet- und LastenbeiGesetz. hilfen vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 389 ff.).

16

Abkürzungsverzeichnis

GesORReg

Geschäftsordnung der Reichsregierung vom 3. M a i 1924 (RMB1. S. 173).

Gesetz...

Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Steuerberatungsgesetz) vom 23. August 1961 (BGBl. I S. 1301).

Gesetz...

Gesetz über die vorläufige Regelung des Redkits der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920).

Gesetz...

Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit vom 4. Dezember 1951 (BGBl. I S. 936). Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke vom 3. September 1953 (BGBl. I S. 1314).

Gesetz... Gesetz...

Gesetz über den Verkehr mit Vieh und Fleisch vom 25. April 1951 (BGBl. I S. 272).

Gesetz...

Gesetz über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt vom 29. März 1951 (BGBl. I S. 214). Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. M a i 1949 (BGBl. I I I Nr. 100 — 1).

GG GGO

GO GVB1. GVG HandWO HChE HeimkehrerGes HessVerf HessVGH HambgVerf Handb. d. Dt. StR (Hdb.) Hdb. d. KommWiss u. Prax. JöR JR JugendarbeitsSchGes JW JWG JZ KriegsgefangenenentschGes KriegsgräberGes

Gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsregierung. Besonderer Teil vom 1. M a i 1924. Allgemeiner Teü vom 2. September 1926. Gemeindeordnung. Gesetz- und Verordnungsblatt. Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 i. d. F. vom 12. September 1950 (BGBl. I S. 513). Gesetz zur Ordnung des Handwerks i. d. F. vom 28. Dezember 1965 (BGBl. I I I Nr. 7110 — 1). Entwurf des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee. Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer vom 19. Juni 1950 (BGBl. I S. 221). Verfassung des Landes Hessen vom 11. Dezember 1946. Hessischer Verwaltungsgerichtshof. Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952. Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hrsg. von A n schütz und Thoma, Tübingen 1930—1932. Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1956 ff. Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Band und Seite). Juristische Rundschau (Jahr und Seite). Jugendarbeitsschutzgesetz vom 9. August 1960 (BGBl. I S. 665). Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite). Gesetz für Jugendwohlfahrt vom 11. August 1961 (BGBl. I S. 1206). Juristenzeitung (Jahr und Seite). Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz i. d. F. vom 1. September 1964 (BGBl. I S. 695). Gesetz über die Sorge für Kriegsgräber vom 27. M a i 1952 (BGBl. I S. 320).

Abkürzungsverzeichnis

17

KulturschutzGes

Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen A b wanderung vom 6. August 1955 (BGBL I S. 501).

LAG

Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August 1952 (BGBL I S. 446).

LandbeschGes

Gesetz über die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung vom 23. Februar 1957 (BGBL I I I Nr. 54 — 3).

LOG NRW

Landesorganisationsgesetz Nordrhein-Westfalen 10. Juli 1962 (GVBL S. 421).

LuftSchG

Erstes Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung vom 9. Oktober 1957 (BGB1.1 S. 1696).

NdsVerf NDV

Verfassung des Landes Niedersachsen. Nachrichtenblatt des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Jahr und Seite). Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite). Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes vom 28. August 1953 (BGB1.1 S. 1193). Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950.

NJW Novelle 1953 zum RJWG NRWVeri

vom

OLG OVG PrOVG

Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht. Preußisches Oberverwaltungsgericht.

PersStG PersStandsGes Prüfungsordnung

Personenstandsgesetz i. d. F. vom 8. August 1957 (BGB1.1 S. 1125). für Zahnärzte auf Grund von § 10 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 16. Dezember 1954 (BGB1. I S. 19).

PVS

Politische Vierteljahresschrift (Jahr und Seite).

RAO

Reichsabgabenordnung vom 22.5.1931 (RGBL I S. 161).

RaumordnungsGes

Raumordnungsgesetz Nr. 2300 — 1).

RdL RGBL

Recht der Landwirtschaft Zeitschrift für schaftsrecht (Jahr und Seite). Reichsgesetzblatt (Teil und Seite).

RGStGH

Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich.

RGZ

Reichsgericht in Zivilsachen.

vom 8. April

1965 (BGB1.

III

Landwirt-

RhldPf Verf

Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. M a i 1947.

Rspr.

Rechtsprechung.

RVO

Reichsversichenmgsordnung i. d. F. vom 17. M a i 1934 (RGB1.1 S. 419). Seite. Satz.

SaarlVerf

Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947.

Schlesw-Holst Verf

Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949.

SchutzbereichsGes

Gesetz über die Beschränkung von Grundeigentum für die militärische Verteidigung vom 7. Dezember 1956 (BGB1. i n Nr. 54 — 2).

2 Hohrmann

18

Abkürzungsverzeichnis

SchwerbeschädigtenGes

Schwerbeschädigtengesetz S. 389).

vom

16. 6. 1953

(BGBl.

I

SteuerberatungsGes

Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 23. August 1961 (BGBl. I S. 1301).

StVO

Straßenverkehrsordnung (BGBl. I S. 271).

StVZO

Straßenverkehrszulassungsordnung i. d. F. vom 6. Dezember 1960 (BGBl. I S. 898).

i. d. F. vom 29. März 1956

1. Überleitungsgesetz vom 28. November 1950 i. d. F. vom 28. April 1955 (BGBl. I S. 193). 2. Überleitungsgesetz vom 21. August 1951 (BGBl. I S. 774). 4. Überleitungsgesetz Gesetz zur Regelung finanzieller Beziehungen zwischen dem Bund und den Ländern vom 27. April 1955 (BGBl. I S. 189). Verordnung zur Umsiedlung aus überbelegten Ländern UmsiedlungsVO vom 5. Juni 1956 (BGBl. I S. 490). UnterhaltssidiGes

Gesetz über die Sicherung des Unterhalts der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen und ihrer Angehörigen i. d. F. vom 31. M a i 1961 (BGBl. I S. 661).

VerwArch VerfGH VerwRspr.

Verwaltungsarchiv (Band und Seite). Verfassungsgericht. Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland, herausgegeben von Ziegler, München 1949 ff. (Band und Seite). Verwaltungsgericht. Hessischer Verwaltungsgerichtshof. Verfassüngsgerichtshof von Rheinland-Pfalz. Gesetz über eine Zählung der Bevölkerung, Gebäude, Wohnungen, nicht landwirtschaftlichen Arbeitsstätten und landwirtschaftlichen Kleinbetriebe i m Jahre 1950 vom 27. Juli 1950 (BGBl. I S. 335). Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Band und Seite).

VG V G H Kassel V G H RhldPf VolkszählungsGes

WDStRL

Wehrpflichtgesetz i . d . F . vom 14. M a i 1965 (BGBl. I I I Nr. 50 — 1). Verfassung des deutschen Reichs (Weimarer VerfasWRV sung) vom 11. August 1919. Wohnraumbewirtschaftungsgesetz i. d. F. vom 23. Juni Wohnraumbewirt1960 (BGBl. I I I Nr. 234—1). schaftungsGes Wohnungsbeihilfengesetz vom 29. Juli 1963 (BGBl. I WohnungsbeiS. 508). hilfenGes 1. Wöhnungsbaugesetz i. d. F. vom 25. August 1953 (BGBl. I I I Nr. 2330 — 1). WehrPflGes

2. Wohnungsbaugesetz Wohnungsbau- und Familienheimgesetz i. d. F. vom 1. September 1965 (BGBl. I I I Nr. 2330 — 2). ZdF Zeitschrift für das Fürsorgewesen (Jahr und Seite). ZB1. Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt (Jahr und Seite).

Einführung Der hier behandelte Problemkreis ist ein Teil des großen Fragenkomplexes, der sich aus der Aufgliederung der Bundesrepublik i n Bund und Länder und der damit zusammenhängenden engen Verzahnung der jeweiligen Organisationskompetenzen ergibt 1 . Die Arbeit w i r d sich daher i n ihren wesentlichen Punkten m i t organisatorischen Fragen i m Spannungsfeld zwischen Bund und Ländern befassen. Dabei werden wegen der engen Gemengelage zwischen organisatorischen und verfahrensrechtlichen Normen, die sich i m Einzelfall ergeben kann 2 , auch verfahrensrechtliche Fragen gestreift werden müssen. I n Lehre und Praxis sind die Fragen dieses Problemkreises heftig umstritten. Bei der Beratung zahlreicher Gesetze8 sind sie i n den Gesetzgebungsgremien ausführlich diskutiert 4 und i n der einen oder anderen Weise gelöst worden. Die verschiedenen Lösungen lassen jedoch eine einheitliche Richtung nicht erkennen 5 . Schon aus diesem Grunde w i r d daher i n den angeschnittenen Fragen die Staatspraxis nicht zur Interpretation der Verfasung dienen können, ganz abgesehen davon, daß die Interpretation der Verfassung aus der Staatspraxis heraus bereits an 1

Ditfurth Diss. S. 79; Röttgen gedanken S. 45.

DöV 1955 S. 485 i . A . a . Nawiasky,

Grund-

1 Vgl. Bettermann W D S t R L 17 S. 118 (131, 136); Röttgen DöV 1952 S. 423 Sp. 1; Lerche, Gutachten S. 65 mit Anm. 163; Maunz-Dürig Art. 86 Rdn. 16. 8 Zuletzt anläßlich des Bundessozialhilfegesetzes (Entwurf des BSHG in BTDrucks. I I I Nr. 1799) und des Jugendwohlfahrtsgesetzes (Entwurf des J W G in BTDrucks. I I I Nr. 2226). 4 Vgl. z.B. das Rechtsgutachten des Rechtsausschusses des Bundesrates zitiert nach v. Hausen DöV 1960 S. 1, 441. 6 Vgl. unten 2. Kapitel; ferner z. B. § 5 Abs. 2 B L G : die Anforderungsbehörden der Länder handeln im Auftrage des Bundes; § 2 S. 2 LuftschG: Gesetz wird von den Ländern i m Auftrage des Bundes, von den Gemeinden i m Auftrage der Länder durchgeführt; § 308 L A G : innerhalb der allgemeinen Verwaltung wird für jeden Land- und Stadtkreis ein Ausgleichsamt eingerichtet; § 3 Abs. 3 FINotLG: Anforderungsbehörden, die keine staatlichen Behörden sind, handeln kraft staatlichen Auftrags. Die Aufgaben hat immer der leitende Gemeindebeamte wahrzunehmen; §§ 2, 14 GeschlechtskrankheitenG: die Durchführung des Gesetzes obliegt den Gesundheitsämtern; ferner vgl. v. Hausen-von der Heide DöV 1958 S. 753; Röttgen, Gemeinde S. 75 f.; Rrebsbach DStT 1961 S. 7, 8; Lerche, Gutachten S. 21, 77 Anm. 199; aber: v. Hausen DöV 1960 S. 1 (3), wo er davon spricht, daß sich für Art. 84 Abs. 1 G G schon eine feste Auslegungspraxis zugunsten des Bundes ergeben habe.

2*

20

Einführung

sich problematisch und allenfalls dann vertretbar ist, wenn Lücken ausgefüllt oder unscharfe Kompetenzen näher umgrenzt werden müssen®. Ein Verzicht der Länder zugunsten des Bundes auf die ihnen verfassungsmäßig zustehenden Rechte ist nicht möglich 7 . Aus der Tatsache, daß der Bundesrat einem bestimmten Gesetz nach A r t . 84, 85 GG seine Zustimmung erteilt hat, kann daher nicht auf dessen Rechtmäßigkeit hinsichtlich der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorschriften geschlossen werden 8 . Die nach der Verfassung den Ländern etwa eingeräumten Rechte sind unverzichtbar, ein entgegen diesen Vorschriften ergehendes Zustimmungsgesetz würde eine Verfassungsdurchbrechung nach A r t . 79 Abs. 3 GG enthalten 9 . Eine Lösung dieser Probleme w i r d aus der Wechselbeziehung von A r t . 83 ff. und A r t . 73 ff. GG, von bundes- und rechtsstaatlichen Argumenten zu finden sein. Dabei muß man sich allerdings immer dessen bewußt sein, daß das Grundgesetz wie jede Verfassung nur Grundlage des gesamten Staatswesens sein, nicht aber eine lückenlose und systematisch einheitliche Kodifikation darstellen w i l l . Sie hält für den Staatsmann nicht die gleichen eingehenden und ausgefeilten Regelungen parat, wie es z. B. das Bürgerliche Gesetzbuch für den Zivilisten tut. Man darf i m Grundgesetz nicht die restlose Aufklärung für Vorgänge suchen, die i n i h m nicht normativ geregelt sind oder geregelt werden können 1 0 . Dennoch empfiehlt es sich, an die Auslegung der Verfassimg m i t klar umgrenzten Begriffen heranzugehen.

6 Vgl. hierzu Lerche, Gutachten S. 21, 77, gegen Bender, Ergänzungsgutachten S. 32/33; Bachof, Hauptgutachten S. 64. 7 BVerfGE 1 S. 35; BVerwG in DVB1. 1962 S. 449; Huber Diss. S. 40. 8 Vgl. BVerfGE 4 S. 139; Geiger BayVBl. 1957 S. 301 (303); Haas AöR 80 S. 81 (96); Happe Diss. S. 102; Happe weist ergänzend darauf hin, daß der Bundesrat sich aus Vertretern der Länderregierungen zusammensetzt, die nicht befugt seien, der Landesgesetzgebung vorzugreifen; Rohwer-Kahlmann ZdF 1953 S. 194 (196).

• Vgl. Becker BayVBl. 1961 S. 66; Haas AöR 80 S. 83; Junker, Gemeinschaftsaufgaben S. 91 f.; Maunz-Dürig Art. 20 Rdn. 17. 10 Vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt S. 17; Sembritzki Diss. S. 127.

Erstes

Kapitel

Zum Begriff der Selbstverwaltungskörperscbaft I . D i e historische Entwicklung des Selbstverwaltungsbegriffes

Das Grundgesetz verwendet das Wort „Selbstverwaltung" nur an zwei Stellen, nämlich i n A r t . 90 Abs. 2 und i n A r t . 28 Abs. 2. I n A r t . 90 spricht es die „nach Ladesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften" an, und i n A r t . 28 Abs. 2 spricht es von dem „Recht der Selbstverwaltung" für die Gemeindeverbände 1 . Außer der Umschreibung i n A r t . 28 Abs. 2 S. 1 GG gibt das Grundgesetz keine Umschreibung dessen, was unter dem Begriff der Selbstverwaltung zu verstehen ist. I n der Literatur war und ist der Begriff der Selbstverwaltung sehr umstritten. Einen einheitlichen Begriff der Selbstverwaltung, der sich konstant i n den einzelnen Epochen des Staatsverständnisses erhalten hat, gibt es nicht. Für die Selbstverwaltung gilt i n besonderem Maße, daß m i t einem Wort an sich jeder beliebige Sinn verbunden werden kann und der begriffliche Inhalt eines Wortes lediglich eine Sache der Vereinbarung von Menschen gleicher Zunge ist. Es ist aber zweckmäßig, ein Wort nur i n einem ganz bestimmten Sinn zu gebrauchen 8 . Als Umschreibung bestimmter Lebensformen der menschlichen Gemeinschaft hat sich der Begriff der Selbstverwaltung so oft verändert, wie sich diese Gemeinschaft soziologisch und politisch verändert hat. Als politisches Postulat i m Kampf einerseits zwischen der Gesellchaft und dem Staat, andererseits zwischen dem Individuum, der Gesellschaft und dem Staat, änderte er sich m i t den sich wandelnden politischen Verhältnissen und Erfordernissen sowie mit der Stellung, die die Fordernden gegenüber dem Staat einnahmen. Als staats- und verwaltungs1 Die Länderverfassungen enthalten darüber hinaus Selbstverwaltungsgarantien auch für andere Bereiche des öffentlichen Lebens: Hochschulen: Art. 138 Abs. 2 BayVerf.; Art. 60 Abs. 1 Hess.Verf.; Art. 16 Abs. 1 N R W Verf.; Art. 39 Abs. 1 Rhld.Verf. Kirchen: Art. 142 Abs. 3 BayVerf.; Art. 59 Abs. 2 BrVerf.; Art. 49 Hess.Verf.; Art. 19 Abs. 2 N R W Verf. einzelner Landesteile: Art. 78 Abs. 2 RhldPf.Verf. Sozialversicherung: Art. 57 Abs. 4 BrVerf.; Art. 35 Abs. 1 Hess.Verf.; Art. 53 Abs. 4 Rhld.Verf. Wirtschaft: Art. 155 BayVerf.; Art. 69 Rhld.Verf.; aller bestehenden Selbstverwaltungseinrichtungen: Art. 71 Abs. 1 Bad-W.Verf.; Art. 44 Abs. 1 Nds.Verf. 1 Peters, Grenzen S. 17.

22

1. Kap.: Der Begriff der Selbstverwaltungskörperschaft

politische M a ß n a h m e d i e n t e d i e S e l b s t v e r w a l t u n g d e m Staat, sei es z u r U b e r w i n d u n g p o l i t i s c h e r S p a n n u n g e n 8 , sei es z u r D e z e n t r a l i s a t i o n , D i s ziplinierung bestimmter Kräfte, zur näheren Heranziehung bestimmter Schichten a n d e n S t a a t 4 u n d w u r d e d a z u i n d e n u n t e r s c h i e d l i c h s t e n F o r m e n , aber o f t m i t g l e i c h e n E t i k e t t e n ausgestattet. A l s staatsrechtliche I n s t i t u t i o n schließlich w a r d i e S e l b s t v e r w a l t u n g das E r g e b n i s d e r p o l i t i s c h e n K ä m p f e u n d soziologischen S p a n n u n g e n , d i e j e w e i l s i h r e r I n s t i t u t i o n a l i s i e r u n g v o r a u s g i n g e n 5 oder d i e F i x i e r u n g b e s t i m m t e r h i s t o rischer u n d gesellschaftlicher G e g e b e n h e i t e n 6 . I m e i n z e l n e n diese E n t w i c k l u n g e n i n i h r e r V i e l f a l t aufzuzeigen 7 , k a n n n i c h t A u f g a b e e i n e r A r b e i t sein, d i e sich m i t d e n F o r m e n u n d d e r Z u lässigkeit der organisatorischen Einschaltung v o n landesunmittelbaren S e l b s t v e r w a l t u n g s k ö r p e r s c h a f t e n d u r c h Bundesgesetz i n d i e A u s f ü h r u n g d e r Bundesgesetze befaßt. H i e r m u ß eine k u r z e r A b r i ß g e n ü g e n : G l e i c h g ü l t i g , ob m a n i n d e r preußischen S t ä d t e o r d n u n g v o m 19. N o v e m b e r 1808 8 n u r die F o r t e n t w i c k l u n g e i n e r n i c h t u n t e r b r o c h e n e n T r a d i t i o n d e r g e m e i n d l i c h e n S e l b s t v e r w a l t u n g 9 oder ob m a n i n i h r

die

8 Vgl. die Einleitung der preußischen Städteordnung von 1808 in der Sammlung der für die königlichen preußischen Staaten erschienenen Gesetze und Verordnungen von 1806 bis zum 27sten Oktober 1810; die kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881 Eröffnungssitzung des Reichstages V. Legislaturperiode, Erste Session, Sten. Ber. Sitzg. vom 17. November 1881 S. 2, ferner Reichsanzeiger Nr. 270 vom 17. November 1881, Hauptblatt: „Schon im Februar dieses Jahres haben wir unsere Überzeugung aussprechen lassen, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich i m Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung der Arbeiter zu suchen sein w e r d e " . . . „Der engere Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung werden, wie w i r hoffen, die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein nicht im gleichen Maße gewachsen sein würde." 4 Vgl. Anmerkimg 3. 5 Vgl. die Preußische Städteordnung von 1808 i m Gegensatz einerseits zur Behandlung der Gemeinden i m A L R Teil I I Titel 8 §§ 108,156,157 und andererseits zur revidierten Städteordnung von 1831 und die preußische Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Ferner Art. 4 des österreichischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 (Reichsgesetzblatt des Kaisertums Österreich Nr. 170 im Gegensatz zu dessen Aufhebung durch das Patent vom 31. Dezember 1851 und inhaltlichen Wiedereinführung durch das Reichsgemeindegesetz vom 5. März 1862 (RGBl. Nr. 18)). • Das war der Fall in Art. 127 W R V und in Art. 28 Abs. 2 GG. 7 Vgl. hierzu mit ausführlicher Darstellung der verschiedenen Definitionsversuche zum Begriff der Selbstverwaltung Peters, Grenzen S. 6—36; Becker, Grundrechte IV/2 S. 613 ff.; Gönnewein, Gemeinderecht S. 10 ff.; Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung; Voigt, t>ie Selbstverwaltung als Rechtsbegriff und juristische Erscheinung; ferner: B a y V G H in VerwRspr 2 S. 163 ff.; BVerfGE 11 S. 266 ff. 8 Vgl. Krebsbach, Preußische Städteordnung. • Steinbach, Grundlagen S. 81; Voigt a.a.O. S. 28, 125; Becker DöV 1957 S. 740; Gönnewein, Gemeinderecht S. 10 ff.

I. Die historische Entwicklung des Selbstverwaltungsbegriffs

23

Grundlegung der modernen Selbstverwaltung sieht 1 0 , steht doch fest, daß der Freiherr vom und zum Stein m i t der preußischen Städteordnung von 1808 i n Deutschland die Diskussion über die Selbstverwaltung entscheidend angeregt und beeinflußt hat 1 1 . Zwar enthält die preußische Städteordnung von 1808 den Begriff der Selbstverwaltung noch nicht; dieser erscheint erst i n den Gemeindeverfassungsgesetzen, die seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts ergehen 12 . Die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 enthielt i m Abschnitt über die Grundrechte des deutschen Volkes einen A r t i k e l über die gemeindliche Selbstverwaltung 1 8 . Die Reichsverfassung vom 16. A p r i l 1871 befaßte sich nicht m i t der Selbstverwaltung. Dagegen folgte die Weimarer Reichsverfassung vom 11. A u gust 1919 der Tradition der Frankfurter Reichsverfassung und ordnete den A r t . 127 über die gemeindliche Selbstverwaltung den Grundrechten ein 14 .Das Grundgesetz schließlich gewährleistete die gemeindliche Selbstverwaltung unter der Überschrift „Der Bund und die Länder". Es lag daher nahe, daß sich die Diskussion u m die Bildung des Selbstverwaltungsbegriffs hauptsächlich am Gemeinderecht orientierte. Während noch der Freiherr vom Stein m i t der Gewährung der Selbstverwaltung an die Städte die Beteiligung der Bürger am Staat erreichen und dadurch die bürgerschaftliche Mitverantwortung des einzelnen für den Staat stärken wollte 1 5 , betonte bereits von Gneist das politische Element der Selbstverwaltung, indem er die Spannung zwischen Bürgertum und absolutistischem Staat durch „politische Selbstverwaltung, d. h. die innere Landesverwaltung der Kreise und Ortsgemeinden durch persön10 Forsthoff, Lehrbuch 8. Aufl. S. 412; Lynker Diss. S. 49; Röttgen, Gemeinde S. 29, sieht das Neue der preußischen Städteordnung darin, daß sich die Verwaltungsform des Bürgerstandes in die der bürgerlichen verwandelte und die kommunale Selbstverwaltung in der Nachbarschaft des Vereins angesiedelt wurde. 11 Vor Inkrafttreten der preußischen Städteordnung von 1808 haben die Stadtgemeinden nach Theil I I , Titel 8 2. Abschnitt A L R nur sehr geringe Rechte: § 108: Stadtgemeinden haben die Rechte privilegierter Korporationen. § 157: Übrigens genießen Stadtgemeinden in Ansehung ihres Kämmereivermögens die Rechte des Minderjährigen. Vgl. auch den Entwurf eines rathäuslichen Reglements für die Landeshauptstadt Berlin aus dem Jahre 1736: „Es werden Seine Königliche Majestät und derogeordnete hohe Collegia besser als der Magistrat urteilen und wissen wie das Rathaus besetzt, die Stadt regieret und das gemeine Beste gehandhabt werden müsse", zitiert nach Kautel, Gemeindeverfassung S. 3. 11 z. B. § 9 der Städteordnung für die 6 östlichen Provinzen der preußischen Monarchie vom 30. M a i 1853 (Gs. S. 237). Vgl. auch § 3 der Preuß. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 Art. 105. " Art. X I § 184. 14 Sie enthielt darüber hinaus auch noch Bestimmungen über die Selbstverwaltung in anderen Fällen Art. 156 Abs. 2, 161, 165. 16 Bender Diss. S. 100; Gönnewein t Gemeinderecht S. 12; Herzfeld, Demokratie S. 12.

24

1. Kap.: Der Begriff der Selbstverwaltungskörperschaft

liehe Ehrenämter unter Aufbringung der Kosten durch kommunale Grundsteuern" 1 ® mildern wollte. I n dem so verstandenen, aus dem englischen selfgovernment entwickelten, Begriff der Selbstverwaltung lag für ihn die Wurzel der politischen Freiheit begründet 17 . M i t der zunehmenden Demokratisierung und Konstitutionalisierung des Staates, der damit einhergehenden Aufhebung des Gegensatzes zwischen Staat und Gesellschaft sowie der durch die zunehmende Kompliziertheit der Verhältnisse bedingten Verdrängung des Ehrenbeamten durch den Fachbeamten hat dieses Merkmal der Selbstverwaltung zwar nicht seine politische Bedeutung 1 8 , w o h l aber seine Fähigkeit, den Begriff juristisch zu umgrenzen, verloren 1 9 . Der Gegensatz zwischen dem Staat und der gemeindlichen Selbstverwaltung als Organisation der Gesellschaft wurde jedoch nicht nur politisch zu überbrücken gesucht, sondern auch juristisch zu untermauern versucht. Den Ursprung nahm diese Richtung i n einer Erklärung des Abgeordneten Thouret i n der französischen Constituante von 178920, i n der neben den drei klassischen Staatsgewalten eine eigene „pouvoir municipal" anerkannt wurde 2 1 . Dieser Gedanke fand Aufnahme i n der belgischen Verfassung vom 17. Februar 1831", wurde i n Deutschland aufgegriffen und dort einer der wichtigsten gedanklichen Bestandteile des süddeutschen Frühliberalismus. So sprach K a r l v. Rotteck* 9 von einem selbsteigenen Ursprung der Gemeinden. Das Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung sei nicht vom Staate abgeleitet, sondern bestehe originär und sei vorstaatlich. Teils versucht man, diese Lehre historisch damit zu begründen, daß die Gemeinden bereits vor dem Staat bestanden hätten 2 4 , teils rechtfertigt man sie damit, daß die gemeindliche Selbst16

v. Gneist, Das selfgovernment und die Verwaltungsgerichte in England. v. Gneist, Geschichte und heutige Gestalt der englischen Kommunalverfassung oder das selfgovernment Bd. 2, .2. Aufl. 1863 S. 1214; ferner L. v. Stein, Die Verwaltungslehre, 1. Teil 2. Abt. 2. Aufl. Stuttgart 1869 S. 13 u. 22. 18 Vgl. Stier-Somlo AöR 15 (1928) S. 366. 19 Vgl. statt vieler Becker, Grundrechte IV/2 S. 695. 10 Zur Vorgeschichte dieser Erklärung vgl. Bender Diss. S. 107 ff.; Hatschek, Lehrbuch 3. u. 4. Aufl. S. 63; G. Jellinek, System 2. Aufl. S. 278. 21 De Pansey, du Pouvoir Municipal et des Biens Communaux, Paris 1822; Bender Diss. S. 107 ff.; Dressler Diss. S. 6, 9. " Art. 31 „Les intérêts exclusivement communaux sont réglés par les conseils communaux ou provinciaux d'après les principes établis par la constitution." Art. 108: „ . . . L e s lois consacrent l'application des principes suivants: Nr. 2 l'attribution aux conseils provinciaux et communaux de tout ce, qui est d'intérêt provincial et communal, sans préjudice de l'approbation de leurs actes dans les cas et suivant le mode, que la loi détermine." 98 C. v. Rotteck, Staatsrecht Bd. 3 S. 32; vgl. neuerdings ähnlich Jobst BayVBl. 1960 S. 201 ; Art. 4 des österreichischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849, RGBl. Nr. 170; Art. 11 BayVerf. 24 Vgl. Bender Diss. S. 73; dagegen Brauweiler in Nipperdey, Grundrechte 17

Die historische Entwicklung des Selbstverwaltungsbegriffs

25

Verwaltung aus einem Naturrecht 2 5 oder sogar die Selbstverwaltung überhaupt aus einem naturrechtlich begründeten Subsidiaritätsprinzip 26 folge. A u f diese Weise wollte man der staatlichen Allgewalt einen Riegel vorschieben und einen bestimmten Raum des öffentlichen Lebens von dem Einfluß des Staates fernhalten. Bei den gemeindlichen Aufgaben unterschied man dementsprechend zwischen eigenen (originären) und staatlichen Aufgaben 27 . Die Selbstverwaltung wurde so den bürgerlichen Freiheiten an die Seite gestellt und sowohl i n der Frankfurter als auch i n der Weimarer Reichsverfassung unter den Grundrechten aufgeführt 2 8 . Mag es auch einige Gemeinden geben, die vor dem Staat bestanden haben und mag auch die gemeindliche Selbstverwaltung vielfach, besonders nach 1945, allein den staatlichen Zusammenbruch überstanden haben und die Keimzelle neuen staatlichen Lebens gewesen sein, so ist dies doch nur für den Historiker oder Soziologen von Bedeutung. Ein Recht auf Selbstverwaltung kann daraus nicht abgeleitet werden. Die Gemeinde i n ihrer rechtlichen Existenz w i r d erst vom Staat durch die staatliche Rechtsordnung geschaffen 29 . Ein Naturrecht kann aber begriffsnotwendig immer nur einem natürlichen Gebilde, nie einem erst vom Staat geschaffenen Gebilde zustehen. I m übrigen ist es aber auch nicht angebracht, politische Forderungen m i t naturrechtlichen Argumenten durchzusetzen 80 . A u f diese Weise w i r d lediglich die Position des Naturrechts abgewertet, nicht aber die gemeindliche Selbstverwaltung gestärkt 8 1 . Die Gemeinde ist vielmehr i m Gegensatz zu der naturrechtlichen Auffassung eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft, die nur insoweit Herrschaftsgewalt besitzt, als sie ihr vom Staat übertragen worBd. 2 S. 193 (202); Elleringmann, Grundlagen S. 40; Gebhard in Festschr. f. Laforet 1952 S. 383 ff.; Neuwiem, Kommunale Zweckverbände S. 3; v. Hausen DöV 1959 S. 406; Lichtenwald Diss. S. 1; Lynker Diss. S. 49; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 132. » V G H RhldPf AS 3 S. 34 ff. und S. 529; BayVGH VerwRspr Bd. 2 S. 163 ff.; B a y V G H AS 7 (II) S. 113 (118); Böhme in Recht, Staat und Wirtschaft Bd. 1 S. 114; Geiger, Bundesverfassungsgerichtsbarkeit S. 261 Anm. 27; SüsterhennSchäfer, Kommentar zur Verfassung von Rheinland-Pfalz Bern. 1, 2 zu Art. 49; ausführlich Bender Diss. passim; vgl. auch Art. 11 Abs. 2 BayV — gegen eine naturrechtliche Auslegung dieses Artikels Nawiasky-Leusser, Kommentar zur Bayerischen Verfassung S. 86; Röttgen, Gemeinde S. 26; Stern V e r w A r d i 49 S. 136. 16 Vgl. Küchenhoff BayVBl. 1958 S. 65, 66; Zuhom, Gemeindeverfassung S. 29. 17 Vgl. z. B. Art. 4 des österreichischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849. 88 Gegen die grundrechtliche Auffassung für die W R V auch C. Sdimitt: Freiheitsrechte und institutionelle Garantien. M Vgl. Röttgen, Gemeinde S. 27, 46; Maunz-Dürig Art. 19 Abs. 3 Rdn. 38. if Vgl. Kelsen, Staatslehre S. 186. 81 Henrichs DVB1 1954 S. 728 (734).

26

1. Kap.: Der Begriff der Selbstverwaltungskörperschaft

den ist 8 2 . Ferner besteht nicht ein allgemein gültiges Subsidiaritätsprinzip, wonach jeweils eine bestimmte Gemeinschaft ihre eigenen Aufgaben soweit wie möglich selbst zu verwalten habe. Auch O. v. Gierke 93 unterscheidet von der Genossenschaftstheorie ausgehend zwischen einem eigenen originären Wirkungskreis, für welchen den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung zusteht, und einem übertragenen Wirkungskreis. Nach seiner Ansicht kommt der Gemeinde wie der natürlichen Person eine „eigene originäre Persönlichkeit zu, die der Staat so wenig wie die des einzelnen Staatsbürgers schafft, wohl aber so gut wie die des einzelnen Staatsbürgers zu rechtlicher Geltung bringt, begrenzt und sich dienstbar macht". Während sie einerseits i n den Staat wie jedes Individuum eingeordnet sei, stelle sie auf der anderen Seite „ f ü r ihre Glieder eine Allgemeinheit (ein Analogon des Staates) und als solche die Quelle eines ihren besonderen Kreis beherrschenden öffentlichen Rechts und die Trägerin einer eigenen öffentlichen Gewalt dar". Obschon v. Gierke diese Meinung nicht aus einem überpositiven Naturrecht ableitet, unterliegt er doch einem ähnlichen Fehler wie die naturrechtliche Theorie. Er versucht historisch und soziologisch nur teilweise zutreffende Momente zu verallgemeinern und aus solchen Beobachtungen der Außenwelt rechtliche Schlüsse zu ziehen 84 . Der Gemeinde steht nicht deswegen, weil sie ihren Gliedern gegenüber eine Allgemeinheit darstellt, eine eigene originäre öffentliche Gewalt zu, sondern ihr steht nur insoweit, als ihr die Rechtsordnimg eine solche verliehen hat, eine eigene — zu eigenem Recht übertragene 86 — öffentliche Gewalt zu. Dementsprechend ist auch das Selbstverwaltungsrecht kein originäres, sondern lediglich ein abgeleitetes Recht 86 , was allerdings nichts über dessen Inhalt aussagt. Von dem geschichtlich gewordenen Inhalt der Selbstverwaltung absehend, stellte es Laband mehr auf den Wortsinn der Selbstverwaltung ab und meinte, daß Selbstverwaltung als Gegensatz zum Verwaltetwerden zu verstehen sei. Selbstverwaltung setze stillschweigend immer eine höhere Macht voraus, von der ihre Aufgaben an sich auch verwaltet 82 BadVGH VerwRspr. 4 S. 197 ff.; Bauernfeind Diss. S. 28; Elleringmann, Grundlagen S. 41; Lynker Diss. S. 49; Peters, Grenzen S. 189. 58 Vgl. O. v. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht S. 759; Lindkeimann in DÖV 1959 S. 561 (564). 84 Enneccerus-Nipperdey, Lehrbuch Allgemeiner Teil Bd. 1/1 § 103 Anm. 2 S. 609; G. Jellinek, System S. 38. 85 Vgl. auch Forsthoff, Lehrbuch S. 420 mit Anm. 1; Scheuner, ArchKommWiss. 1962 S. 148 (157). 86 Becker, Grundrechte IV/2 S. 118 f.; Forsthoff, Lehrbuch S. 416; G. Jellinek, System S. 278 (285); v. Mangoldt-Klein Art. 28 S. 705; Scheuner in Recht, Staat und Wirtschaft Bd. 4 S. 88 (93).

I. Die historische Entwicklung des Selbstverwaltungsbegriffs

27

werden könnten 8 7 . Bei dieser Umschreibung liegt der Ton schon mehr auf dem rein Formalen der Selbstverwaltung — der juristischen Trennung vom Staat —, bringt aber darüber hinaus noch den verwaltungspolitischen Effekt der Dezentralisation zum Ausdruck 8 8 . Peters 89 beschränkt den Begriff der Selbstverwaltung auf seinen formalen Gehalt. Er definiert die Selbstverwaltung als „eine i m Rahmen der Reichs- und Staatsaufsichtsgesetze sich abspielende Tätigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, außer von Reich und Staat, kraft deren diese Verbände Aufgaben, welche weder solche der Rechtsprechung noch der Rechtsetzung sind, unter eigener Verantwortung erfüllen". Hier hat sich der Begriff der Selbstverwaltung nicht nur von dem der Gemeinde 40 , sondern auch von dem der Körperschaft des öffentlichen Rechts gelöst 41 und ist auf alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts übertragen worden 4 2 . Forsthoff 48 schließlich setzt die Selbstverwaltung m i t der mittelbaren Staatsverwaltung gleich und meint, beide Begriffsbildungen setzten nur verschiedene Akzente auf die gleiche Erscheinung. Während unter Selbstverwaltung normalerweise der materielle Funktionsbereich verstanden 37 Forsthoff, Körperschaft S. 2; Herrfahrdt JöR (1922) Bd. 11 S. 2; Laband, Staatsrecht Bd. 1 S. 102 Anm. 4, S. 103; Peters, Grenzen S. 21. 38 Vgl. Peters, Zentralisation und Dezentralisation (1927); für einen über die bloße Dezentralisation hinausgehenden Sinn: Göb Diss. S. 31 ff.; Gönnewein, Gemeinderecht S. 32; Röttgen, Krise S. 8. 89 Peters, Grenzen S. 36; Forsthoff, Körperschaft S. 102 f.; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 135. 40 Zur Ausdehnung des Wortes auch auf den Bereich der Sozial- und W i r t schaftsverwaltung: Glum, Selbstverwaltung der Wirtschaft (1924); Huber, Selbstverwaltung der Wirtschaft (1958); Röttgen VerwArch 44 S. 1 ff.; Most, Selbstverwaltung der Wirtschaft in den Industrie- und Handelskammern (1927); Reuß, Grundrechte I I I 1 S. 91 ff.; Herrfahrdt JöR (1922) 11, S. l f f . ; Scheuner DöV 1952 S. 609; Canter DSV 1956 S. 232 ff. 41 Dagegen vgl. Most a.a.O. S. 4. 48 Huber a.a.O. S. 17 wendet den Begriff auch auf Organe an, z. B. Beiräte, Ausschüsse; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 137 auch Studentenschaften oder die Volksvertretung können das Recht der Selbstverwaltung haben. Zur Anwendung des Begriffs auch auf privatrechtlich organisierte Verbände z. B. die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Zierold DöV 1960 S. 481 ff. und DöV 1961 S. 686; vgl. auch Reuß, Grundrechte I I I / l S. 103, der moderne Begriff der Selbstverwaltung knüpft danach an ein soziales Substrat und dient der Ordnung des Lebens verschiedener geschlossener Sozialbereiche, durch deren eigene Kräfte zwar innerhalb des Staates, aber von staatlicher Gewalt losgelöst. Eine soziologische Phänomenologie der Selbstverwaltung gibt Rloss, Typen der Selbstverwaltung in Schmollers Jahrbuch 1961 S. 69 ff. Für eine Anwendung des Begriffs nur auf juristische Personen des öffentlichen Rechts: Erler, Freiheit und Grenzen S. 28; Jellinek, Verwaltungsrecht S. 529; Peters, Lehrbuch (1949) S. 52; Scheuner DöV 1952 S. 609. 48 Forsthoff, Lehrbuch S. 419; ebenso Röttgen VerwArch 44 S. 1 (43); dagegen für die Gemeinde Becker, Grundrechte IV/2 S. 699.

28

.Kap.: Der Begriff der Selbstverwaltungskörperschaft

werde, umfasse die Bezeichnimg mittelbare Staatsverwaltung außerdem die Organisation und das Behördenwesen. Der Begriff der Selbstverwaltung hat damit seinen eigenen Inhalt verloren und besagt nichts weiter, als die ohnehin feststehende Tatsache der rechtlichen Trennung zwischen dem Staat und der juristischen Person des öffentlichen Hechts.

I I . Das materiale Verständnis der Selbstverwaltung

Würde man i n diesem von Forsthoff entwickelten Sinne der Selbstverwaltung von Selbstverwaltungskörperschaften sprechen, so enthielte dies nur einen nichtssagenden Pleonasmus, gleichgültig ob man unter „Körperschaften des öffentlichen Rechts" sämtliche juristischen Personen des öffentlichen Rechts (mit Ausnahme von Bund und Ländern) oder nur Körperschaften i m technischen Sinne versteht. Den formalen Begriff der Selbstverwaltung hat Becker i n stärkerer Berücksichtigung der eigentlich demokratischen Funktionen der Gemeinden und der positiven Ausgestaltung der gemeindlichen Selbstverwaltung i n A r t . 28 Abs. 2 GG ergänzt, indem er i h m materiale Elemente einfügte. Selbstverwaltung ist demnach „die eigenverantwortliche Erfüllung gemeinschaftlicher öffentlicher Aufgaben i m eigenen Namen durch rechtsfähige öffentliche Verbände, die dem Staat eingegliedert sind, m i t eigenen gewählten Organen unter der Aufsicht des Staates" 1 .

I Q . D e r Begriff der Körperschaft

I n der Lehre 1 ist auch der Begriff der Körperschaft streitig. Dementsprechend hat i h n auch die Praxis 2 für die verschiedensten verwaltungsrechtlichen Konstruktionen verwandt. Teilweise 8 versteht man hierunter 1 So Becker, Grundrechte IV/2 S. 696; derselbe, Gemeindeverfassungsrechtliche Entwicklung S. 8; Brauweiler-Nipperdey, Grundrechte I I S. 205; Elleringmann, Grundlagen S. 16 ff.; Imboden, Giacommetti Festschrift 1953 S. 89 (100); Röttgen, Sicherung S. 22; derselbe, Gemeinde S. 38 ff., 48 ff.; derselbe, Nebenstunden S. 44 ff.; derselbe, Krise S. 10; Gönnewein, Gemeinderecht S. 3 2 1 ; Maunz-Dürig Art. 28 Rdn. 30; Lerche, Gutachten S. 95 Anm. 243; Lichtenwald Diss. S. 24; Lynker Diss. S. 79; Scheuner ArchKomm.Wiss. 1962 S. 158; Voigt, Selbstverwaltung S. 196, 201, 211; BVerfGE 8 S. 122 (134); BVerfGE 11 S. 266 (275 f.); BVerwGE 6 S. 19 (22, 23, 25) und S. 342 (344). 1 Vgl. die zusammengefaßte Darstellung der Lehrmeinungen bei Forsthoff, Lehrbuch S. 425 Anm. 5. ' Vgl. z. B. Art. 140 G G i. V. m. Art. 137 W R V ; Art. 87 Abs. 2 GG. 8 Maunz DVB1. 1936 S. 1 ff.; Kempermann, Der Inhaltswandel der öffentlichen Körperschaft 1936 S. 4 ff. Auch das GG verwendet den Begriff der Körperschaft nicht im engen technischen Sinne, vgl. dazu statt vieler MaunzDürig Art. 87 Rdn. 38; v. Mangoldt S. 472; Schäfer DöV 1958 S. 245 Anm. 33; Lynker Diss. S. 17.

I .

ie Selbstverwaltungskörperschaft

29

sowohl die Anstalten und Stiftungen als auch die korporativen Verbände. U m einer klaren begrifflichen Abgrenzung willen ist jedoch die Definition vorzuziehen, die unter Körperschaften nur mitgliedschaftlich organisierte Verbände versteht 4 . A u f diese Weise ist eine einigermaßen klare Unterscheidung innerhalb der verschiedenen rechtsfähigen Verwaltungseinheiten 5 möglich.

I V . D i e Selbstverwaltungskörperschaft

Von der Prämisse ausgehend, daß es für die Selbstverwaltung ihrem geschichtlichen Ursprung nach mehr auf den Inhalt als auf die Form ankommt 1 , soll der Begriff der Selbstverwaltungskörperschaften i m folgenden i n dem Sinne verwandt werden, daß es sich dabei u m Körperschaften i m engen Sinne und nicht u m Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts handelt. Denn eine die Selbstverwaltung i m materialen Sinne ausmachende eigenverantwortliche Erfüllung gemeinschaftlicher Aufgaben ist nicht möglich, wenn die Organe der juristischen Person nicht von Mitgliedern, sondern von Kostenträgern oder Nutzungsberechtigten bestellt werden, die an der Gesamtwillensbildung nicht i n entscheidendem Maße beteiligt sind 2 . Eine Selbstverwaltung i m materialen Sinne können aber auch Körperschaften nicht ausüben, die zwar mitgliedschaftlich organisiert sind, aber lediglich zu Staatszwecken gegründet wurden, sei es aus Gründen einer größeren Einflußmöglichkeit auf die ihr zwangsweise angehörenden M i t glieder (z. B. Leitungsverbände 8 ), sei es aus finanztechnischen Über4 E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. 1 S. 110 ff., 186, fordert darüber hinaus einen genossenschaftlichen Aufbau als unabdingbares Wesensmerkmal der Körperschaften; ebenso auch Lichtenwald Diss. S. 24. Diese Meinung ist aber abzulehnen, weil dadurch der Begriff der Körperschaft unnötig kompliziert wird, vgl. Lynker Diss. S. 81; Becker, Hdb. f. Komm.Wiss. u. Praxis Bd. 1 S. 123; Röttgen VerwArch 44 S. 32 ff.; Forsthoff, Lehrbuch S. 428; Weber, Körperschaften S. 35, 89. 5 Nach Röttgen VerwArch 44 S. 1 ff. 1 Vgl. Bachof W D S t R L 12 S. 62. 2 Becker, Grundrechte IV/2 S. 697; Elleringmann, Grundlagen S. 21; Lichtenwald Diss. S. 22 f. 8 Forsthoff, Lehrbuch S. 427 Anm. 4 i. A. a. Röttgen VerwArch 44 S. 48. I n dem ausgeprägten Sinn wie während des Dritten Reichs gibt es solche Leitungsverbände heute nicht mehr; Böckenförde, Organisationsgewalt S. 51 Anm. 22; vgl. heute: den Bundesluftsdiutzverband nach § 31 des LuftSchG, die Schifferbetriebsverbände nach § 12 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiff sverkehr vom 1.10. 53 BGBl. S. 1453; ähnlich in der Abgrenzung der Aufgaben die Bundesanstalt für den Kraftverkehr nach § 53 Güterkraftverkehrsgesetz. Zweifelnd, ob Krankenkassen und Träger der Sozialversicherung als Selbstverwaltungskörperschaften angesehen werden können: Röttgen, VerwArch 44 S. 65; derselbe, Krise S. 10 Anm. 2; Lynker Diss. S. 81.

30

1. Kap.: Der Begriff der Selbstverwaltungskörpersaft

legungen (z. B. Lastenverbände 4 ). Diese Körperschaften sind mehr oder weniger stark i n den Staat eingegliedert, unterliegen weitgehend dessen Aufsicht, können einen eigenen oder von ihren Mitgliedern ausgehenden Willen nicht oder nur nach näherer satzungsrechtlicher Bestimmimg geltend machen 6 und sind an den Interessen des Staates, nicht aber an den gemeinschaftlichen Interessen der Mitglieder ausgerichtet. Selbstverwaltungskörperschaften sind demnach solche mitgliedschaftlich organisierten öffentlichen rechtsfähigen, dem Staat eingegliederten Verbände, die eigene gemeinschaftliche öffentliche Aufgaben i m eigenen Namen m i t eigenen gewählten Organen eigenverantwortlich unter der Aufsicht des Staates erfüllen. Wenn mittelbare Staatsverwaltung nicht als eine Verwaltung fremder Angelegenheiten, sondern als eine Verwaltung zu eigenem Recht übertragener Angelegenheiten verstanden wird, stehen die Begriffe der mittelbaren Staatsverwaltung und der materialen Selbstverwaltung nicht i m Gegensatz zueinander. Ein solcher wäre nur möglich, wenn man das Selbstverwaltungsrecht als originäres Recht der Selbstverwaltung ansehen würde. Somit sind auch die Selbstverwaltungskörperschaften Glieder der mittelbaren Staatsverwaltung®. Schon allein daraus folgt, daß die Kirchen nicht als Selbstverwaltungskörperschaften i n diesem Sinne gelten können. Sie sind zwar nach A r t . 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts oder ihnen kann dieser Status unter bestimmten Voraussetzungen verliehen werden. Das Recht auf die Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten leiten sie aber nicht vom Staate ab, sondern es ist originär von der Gemeinschaft der Glieder i m Glauben her bestimmt. Sie üben daher keine an sich staatliche Verwaltung und damit keine Selbstverwaltung aus 7 . Darüber hinaus steht heute auch nach überwiegender Meinung fest, daß die Kirchen und Religionsgemeinschaften, die zwar den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft haben, keine öffentlich-rechtlichen Körperschaften i m strengen Sinne des Wortes sind 8 . Die Feststellung oder Verleihung eines solchen Status nach A r t . 140 GG i. V. m. A r t 137 W R V hat vielmehr lediglich historische Gründe. Sie hat ihre Wurzel i n der ursprünglich engen Verbindung zwischen Kirche und Staat, die je4

Röttgen VerwArch 44 S. 62. Vgl. § 31 Abs. 3 S. 2 LuftschG; § 15 Binnenschiffsverkehrsgesetz. • Forsthoff, Lehrbuch S. 419; Röttgen VerwArch 44 S. 1 (43); Lichtenwald Diss. S. 22 f.; Peters, Grenzen S. 126; Rietdorf DöV 1959 S. 671; a. A. Linckelmann DöV 1959 S. 561 und S. 813; Becker, Grundrechte IV/2 S. 699. 7 Forsthoff, Körperschaft S. 3 f.; Maunz-Dürig, Art. 80 Rdn. 32, Art. 1 I I I Rdn. 114, Art. 19 I I I Rdn. 39; B G H Z E 12 S. 321 (323) und E 18 S. 373 (375); BVerfG in NJW 1965 S. 961. 8 Zweifelnd noch Forsthoff, Körperschaft S. 4 ff.; sicher derselbe, Lehrbuch S. 429 Anm. 2; Hesse, Rechtsschutz der staatlichen Gerichte i m kirchlichen Bereich S. 65 ff.; W. Weber, Körperschaften S. 78 ff.; B G H Z E 12 S. 321 (323). 5

I .

ie Selbstverwaltungskörperschaft

31

doch durch A r t . 140 GG, 137 W R V aufgehoben ist. Die Bestimmung des A r t . 137 Abs. 5 W R V w i l l nicht i n den rechtstheoretischen Streit über den Begriff der öffentlichen Körperschaft eingreifen, sondern verwendet diesen Begriff lediglich i n einem allgemeinen Sinne, u m auf diese Weise den Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre hoheitlichen Befugnisse (z. B. Besteuerungsrecht, Dienststrafrecht über Geistliche und sonstige K i r chenbeamte, Verwaltungszwangsrechte) zu erhalten 9 . A r t . 140 GG, 137 WRV gewährleistet und anerkennt den öffentlichen Gesamtstatus der Kirchen 1 0 und w i l l die Koordination von Staat und Kirchen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zum Ausdruck bringen 1 1 , aber nichts über die verwaltungsrechtliche Organisation der Kirchen aussagen.

• Forsthoff, Lehrbuch S. 429 Anm. 2; Lyriker Diss. S. 48; Staudinger-Coing 11. Aufl. 1957 Einl. vor § 21 Anm. 7. 10 11

Hesse a.a.O. S. 67. Maunz-Dürig Art. 19 Abs. 3 Rdn. 39; BVerfG in N J W 1965 S. 961.

Zweites

Kapitel

Die Formen der bundesrechtlichen Einschaltung von landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften in die Ausführung der Bundesgesetze öffentliche Aufgaben können von den Selbstverwaltungskörperschaften freiwillig oder deswegen ausgeführt werden, w e i l ihnen die Ausführung vom Staat übertragen wurde. Die Arbeit greift aus dem letzteren Bereich speziell die Aufgaben heraus, m i t deren Ausführung die landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften vom Bund her befaßt werden. Die Formen der bundesrechtlichen Einschaltung von landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften i n die Ausführung von Bundesgesetzen können nach Inhalt und Ausgestaltung recht verschieden sein. I . K o m m u n a l e Selbstverwaltungskörperschaften

Als bedeutendste A r t der Selbstverwaltungskörperschaften innerhalb des gesamten Verwaltungsaufbaus sind die Gemeinden i n weitaus stärkstem Maße an dem Vollzug der Bundesgesetze beteiligt. Manche A u toren 1 sprechen davon, daß die Gemeinden unmittelbar oder mittelbar von 75 °/o aller Bundesgesetze berührt werden. Hettlage 2 meint, daß der Aufgabenbereich der örtlichen Selbstverwaltung heute überwiegend durch die Eigenschaft der Gemeinden als Ortsverwaltung gekennzeichnet werde und die Gemeinde so zum Sockel des gesamtstaatlichen Behördenaufbaus geworden ist. 1. Die Unterscheidung nach den zu vollziehenden Aufgaben

Wenn man von der „Ausführung der Gesetze" spricht, meint man dam i t zunächst den Gesetzesvollzug 5 . Ohne nähere Erörterung dessen, was 1 Becker in Hdb. der KommWiss. und Praxis Bd. 1 S. 151; Huber Diss. S. 32; Jobst BayVerwBl 1960 S. 203; Ottinger Diss. S. 156 i. A. a. Bleek, Vortrag auf der 7. Hauptausschußsitzung des Deutschen Städtetages am 25.4.1952 in Bad Pyrmont. 1 Hettlage in Festschrift für van Aubel 1955 S. 112; auch Röttgen , Gemeinde S. 68. 8 oder die „verwaltungsmäßige Ausführung der Gesetze", so Rasch/(W.

I. Von o n e n Selbstverwaltungskörperschaften

33

man unter dem Vollzug und der Ausführung von Bundesgesetzen i m einzelnen zu verstehen hat 4 , ergibt sich schon von vornherein, daß jedenfalls solche Fälle hierunter nicht zu rechnen sind, i n denen entweder die Gemeinden lediglich die für alle geltenden Gesetze beachten 6 , oder die Gemeinden von den Bundesgesetzen i m Bereich ihrer Vermögensverwaltung angesprochen werden 6 , oder der Bundesgesetzgeber auf den Bereich der freiwillig von den Gemeinden übernommenen Aufgaben unmittelbaren oder mittelbaren Einfluß ausübt 7 , oder schließlich der Bund die Gemeinden ebenso wie die übrigen Selbstverwaltungskörperschaften verpflichtet, bestimmte Personenkreise bevorzugt i n ihre Dienste zu nehmen 8 . I n diesen Fällen sind die Gemeinden zwar an die Gesetze gebunden, sie müssen sie beachten, sie vollziehen sie aber nicht®. Von einem Gesetzesvollzug kann man allenfalls dann sprechen, wenn das Gesetz den Gemeinden bestimmte Aufgaben stellt, zu deren Erfüllung sie verpflichtet sind. a) Eingriffs-

und

Leistungsverwaltung

Obwohl der Begriff der Verwaltung bisher noch nicht eindeutig geklärt ist 1 0 , folgt doch aus der negativen Bestimmung dessen, was Verwaltung ist 1 1 , daß der Gesetzesvollzug einen Teil der Verwaltung i m formellen Sinne ausmacht 12 . Gesetzesvollzug steht i m formellen Gegensatz zur Gesetzgebung und bedeutet grob umrissen die Verwirklichung des Willens des Gesetzgebers 18 . I m einzelnen ist es schwer, eine genaue Patzig), Verwaltungsorganisation S. 82 i . A . a. BVerfG E 11 S. 6 (15); Köible DöV 1963 S. 660 (663). 4 Dazu vgl. näher unten 3. Kapitel, I V . 5 Vgl. z. B. § 10 Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke vom 3.9.1953 BGBl. S. 1314; § 5 FlüchtNotLG, Schwerbeschädigtengesetz; Theü 2 Titel 6 § 82 A L E : Die Gemeinden werden mit Rücksicht auf ihre Rechte und Verbindlichkeiten gegen andere, außer ihnen, nach eben den Gesetzen wie die anderen Mitglieder des Staates behandelt; vgl. ferner Gönnewein, Gemeinderecht S. 165; Köttgen, Gemeinde S. 21 und JöR 3 S. 83 und Nebenstunden S. 45; Maunz-Dürig Art. 83 Rdn. 21 Abschn. c, bb und Rdn. 25. 6 Vgl. § 12 1. Wohnungsbauges., § 89 2. WohnungsbauGes Überlassung von geeignetem Bauland; ferner § 18 KulturschutzG; vgl. Maunz-Dürig a.a.O. 7 Vgl. z.B. § 2 Abs. 1 Ges. z. Förderimg des freiwilligen sozialen Jahres, wonach die Gemeinden Träger des freiwilligen soziales Jahres sein können, in diesem Fall aber die besonderen Vorschriften des Gesetzes beachten müssen. 8 SchwerbeschädigtenG §§ 3, 8, Ges. z. Art. 131 GG. • Vgl. Köttgen, Gemeinde S. 51 f. 10 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch S. 1; Maunz-Dürig Art. 83 Rdn. 14; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 1 S. 7. 11 z. B. W. Jellinek, Verwaltungsrecht 3. Aufl. S. 6 „Verwaltung ist die Tätigkeit des Staates oder eines sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt außerhalb von Rechtsetzimg und Rechtsprechung". 11 Vgl. Köttgen W D S t R L 16 S. 170; Maunz-Dürig Art. 20 Rdn. 136 Anm. 1 und Rdn. 141. 18 Vgl. Fleiner, Institutionen S. 5; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 1 S. 9, 63. 3 Hohrmann

34

2. Kap.: Formen bundesrechtlicher Einschaltung

Abgrenzung dessen zu finden, was i m konkreten Fall noch als Gesetzesvollzug zu bezeichnen ist. Röttgen 14 ist auf dieses Problem besonders i m Hinblick auf die Einschaltung der Gemeinden i n den Gesetzesvollzug eingegangen. Während sich früher der Gesetzgeber darauf beschränkt habe, lediglich Eingriffe i n Freiheit und Eigentum des einzelnen zu regeln, sei er m i t der Wandlung des liberalen Staates i n den Sozialstaat i n zunehmendem Maße dazu übergegangen, auch Leistungen an die einzelnen Staatsbürger zu verteilen. Schon das große Ausmaß dieser Leistungsverwaltung verlangte abgesehen von verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nach einer immer umfassenderen gesetzlichen Regelung. Auch diese Gesetze bedürfen des Vollzuges, d. h. der Konkretisierung durch die Verwaltung. (la) Nach dem Inhalt der übertragenen Aufgaben unterscheidet man zwischen der Eingriffs- und der Leistungsverwaltung. I m Rahmen der Eingriffsverwaltung wurden den Gemeinden z.B. i n folgenden Fällen administrative Kompetenzen zugewiesen: BBauG § 2 Aufstellung der Bauleitpläne, § 46 Gemeinde als Umlegungsstelle; B L G § 5 Abs. 1 i. V. m. Rechtsverordnung der Bundesregierung über Anforderungsbehörden — Gemeinden sind Anforderungsbehörden; Ges. z. Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit § 11 sieht Maßnahmen des Jugendamtes vor; J W G § 4; ferner PersStandsGes § 51; WehrPflGes § 15; WohnraumbewirtschaftungsGes § 1 Einrichtung von Wohnungsbehörden bei Gemeinden.

(lb) I m Gegensatz dazu schließen folgende Vorschriften Gemeinden ausdrücklich von einer Eingriffszuständigkeit aus: BBauG § 4 I, I I die einzelnen Gemeinden können nicht mehr tätig werden, wenn sie zu Planungsgemeinschaften zusammengeschlossen sind; PersStandsGes § 52 I I höhere Verwaltungsbehörde kann für mehrere Gemeinden Auftrag zur Wahrnehmung der Standesamtsangelegenheiten auf eine Gemeinde übertragen; BSHG § 96 I Träger der Sozialhilfe sind nur die Kreise und kreisfreien Städte; J W G § 12 I I entsprechend § 96 BSHG WehrPflGes § 15 Erfassung kann in bestimmten Fällen von den Ämtern durchgeführt werden.

(2a) Auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung wurden den Gemeinden entweder bestimmte Pflichten u n m i t t e l b a r dem P u b l i k u m gegenüber BSHG § 96 i. V. m. § 4 Gewährung von Sozialhilfe

auferlegt:

(2b) oder ihnen wurden gewisse Pflichten gegenüber einzelnen Verbänden auferlegt: 14

Röttgen, Gemeinde S. 53 ff., S. 60 ff.

I. Von kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften

85

BSHG § 10 Abs. 3 S. 2, § 10 I I und § 94 JWG § 5 Abs. 3 i. V. m. § 8 Abs. 3.

(2c) I m Bereich der Leistungsverwaltimg wurde ihnen aber auch verboten, i n bestimmten Fällen gegenüber dem Publikum tätig zu werden: BSHG § 8 I I S. 2 Hinweispflicht", § 10 Abs. 4, § 93 Abs. 1 S. 2 JWG § 5 I I I S. 2 1Ä (2d) oder ihnen wurde verboten, überhaupt tätig zu werden: BSHG § 96 kreisangehörige Gemeinden können nicht Träger der Sozialhilfe sein, JWG § 12 I I kreisangehörige Gemeinden können in der Regel nicht tätig werden, LuftSchGes § 3 mehrere Gemeinden können zu einem Luftschutzgebiet zusammengeschlossen werden. I n diesem Fall kann die einzelne Gemeinde nicht zuständig sein.

b) Betriebspflichten Nicht als Gesetzesvollzug sieht Röttgen 17 es an, wenn die Gemeinden bestimmte, ihnen gesetzlich auferlegte Betriebspflichten befolgen 18 . BBauG § 123 Erschließung 19 BFernStrGes § 5 I I Träger der Straßenbaulast bei Ortsdurchfahrten BSeuchGes § 12 I, § 13 I I , § 37 V BSHG § 93 JWG § 5 I, I I I GeschlechtskrankheitenGes § 23 LuftschGes §§ 8, 9,10, 25 1. WohnungsbauGes §§ 1, 2,12 Bauland zu beschaffen" 2. WohnungsbauGes § 89 Bauland zu beschaffen.

Hier werde von ihnen nur ein Gesetzesgehorsam, werde nur ihre Freiheit eingeschränkt, nicht aber ein Vollzug der Gesetze verlangt. Diese Fälle sind jedoch entgegen Köttgen nicht m i t der Einschränkung individueller Freiheit vergleichbar und stehen nicht auf einer Stufe mit dieser. Vielmehr w i r d gerade die Verwaltung i n ihrer besonderen Eigenart als Trägerin der Verwaltungsmittel m i t der Sachzuständigkeit zur Durchführimg dieser Aufgaben betraut. Auch i n diesem Fall vollzieht sie den Willen des Gesetzgebers zwar nicht gegenüber dem einzelnen oder einzelnen Gruppen, wohl aber gegenüber der Allgemeinheit. 15 18 17 18 19 10

3*

Vgl. zum Ganzen statt aller Zacher, Gutachten S. 24 ff. Vgl. zum Ganzen statt aller Zacher a.a.O. S. 41. Röttgen, Gemeinde S. 67. Vgl. dazu auch Gönnewein, Gemeinderecht S. 91 ff. Vgl. hierzu Rnaup-Ingenstau, Bundesbaugesetz S. 213. Gönnewein, Gemeinderecht S. 91, dort auch Anm. 27.

36

2. Kap.: Formen bundesrechtlicher Einschaltung c) Aufgaben

besonderer

Art

Eine besondere A r t v o n Aufgaben stellen diejenigen dar, die die G e meinden m i t bestimmten Pflichten auf d e m Gebiete der Selbstorganisation des Staates befassen: BWahlGes § 18 Gemeinden führen das Wählerverzeichnis BWahlO §§ 13, 23 Volkszählungsgesetz § 6 I V Durchführung der Zählung ist Aufgabe der Gemeinde oder ihnen als unterste Gemeinschaftseinheit bestimmte Wahlaufgaben zuweisen: G V G § 36 Aufstellung der Schöffenlisten KriegsgefangenenentschGes § 12 I V Wahl der Beisitzer in die Entschädigungsausschüsse. W e n n d i e G e m e i n d e n i n diesem B e r e i c h i h r e Z u s t ä n d i g k e i t e n ausüben, w e r d e n sie z w a r n i c h t v o l l z i e h e n d t ä t i g , e r f ü l l e n aber j e d e n f a l l s b e stimmte hoheitliche Aufgaben. d) Selbstverwaltungs-

und

Auftragsangelegenheiten

D a r ü b e r h i n a u s h a t d e r Bundesgesetzgeber i n e i n i g e n F ä l l e n auch d i e A r t u n d Weise des Gesetzesvollzuges d u r c h d i e G e m e i n d e n festgelegt oder z u m i n d e s t p r ä j u d i z i e r t , i n d e m er e n t w e d e r b e s t i m m t e , daß gewisse A u f g a b e n v o n d e n G e m e i n d e n als S e l b s t v e r w a l t u n g s a u f g a b e n

auszu-

f ü h r e n s i n d — (diese R e g e l u n g h a t d e r Bundesgesetzgeber b i s h e r n u r i m R a h m e n des A r t . 84 G G g e t r o f f e n ) — : BBauG §§ 2, 4 6 t l BSHG § 96 I S. 2 J W G § 12 I oder vorsah, daß sie als staatliche A u f g a b e n z u b e h a n d e l n sind. I m R a h m e n des A r t . 84 G G h a t er letzteres i n f o l g e n d e n Gesetzen b e s t i m m t : B L G § 6: der Vollzug der Aufgaben nach dem B L G fällt vorwiegend in den Bereich des Art. 85, 87 b GG. Nur Aufgaben, die nicht der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, werden im Rahmen des Art. 84 G G vollzogen. FlüchtlNotLG § 3 I I I PersStandsGes § 51 WohnraumbewGes § 1 I I " . 21 Hier spricht der Bundesgesetzgeber zwar nicht von Selbstverwaltungsangelegenheiten, aber indem er genau den gleichen Wortlaut wie in Art. 28 I I GG wählt und die Gemeinden zum Erlaß von Satzungen ermächtigt (§§ 10,16, 25, 26, 132), macht er klar, daß es sich hier nicht um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handelt. 22 Das Gesetz stellt es den Ländern frei, ob sie die Gemeinden mit dessen

I. Von o n e n

Selbstverwaltungskörperschaften

37

I m Rahmen des A r t . 85 GG hat er das i n folgenden Gesetzen bestimmt: B L G § 6 I S. 1 Länder handeln im Auftrage des Bundes. S. 2 Anforderungsbehörden; die keine staatlichen Behörden sind, handeln i m staatlichen Auftrage. L A G § 305 I I die Länder können die Gemeinden mit der Durchführung des Gesetzes beauftragen. LuftSchGes § 2 Länder handeln i m Auftrage des Bundes, Gemeinden im Auftrage der Länder.

2. Die Unterscheidung nach den organisationsrechtlichen Formen der Einschaltung

a) Organisationsrechtliche

Regelungen

Der inhaltlichen Ausgestaltung der Aufgabe entspricht die A r t , wie der Bund die Gemeinden organisationsrechtlich an der Ausführung der Gesetze beteiligt. Dabei sind folgende Varianten zu unterscheiden: (1) Die Gemeinden als solche werden durch den Bundesgesetzgeber für zuständig erklärt: BBauG §§ 2, 46, 89, 123 BSHG § 96; J W G § 12; BFernStrGes § 5 I I ; BSeuchGes § 12 I ; KriegsgräberGes § 2 I V ; LuftSchGes §§ 8, 9; BWahlGes § 18; BWahlO §§ 13, 23; 1. BWohnBauGes §§ 1, 2, 12; 2. BWohnBauGes §§ 1, 89; G V G § 36; KriegsgefangenenentschGes § 12 Abs. 4; VolkszählungsGes § 6 IV.

(2) Die Gemeinden als solche werden oder nur ein bestimmter Kreis von ihnen w i r d für unzuständig erklärt Vergleiche hierzu die oben 2. Kapitel, I, 1, a, (lb), (2c), (2d) aufgeführten Beispiele.

(3) Die Aufgaben werden den Gemeinden zwar als solchen übertragen. Darüber hinaus regelt das Bundesgesetz aber gleichzeitig, welche Behörden der Gemeinde i m einzelnen zuständig sein sollen. Die Bundesgesetze beziehen sich dabei entweder (a) auf bereits bestehende Behörden: LuftSchGes § 4 PersonenstandsGes § 51 i. V. m. § 53 I I

oder Durchführung befassen wollen. Tun sie es, so nehmen die Gemeinden eine staatliche Aufgabe wahr, vgl. Fellner-Fischer, Kommentar zum WohnraumbewGes 1953 § 1 Anm. 21.

38

2. Kap.: Formen bundesrechtlicher Einschaltung (b) auf neu zu errichtende Behörden: J W G § 12 L A G § 308 WohnraumbewGes § 1.

(4) Der Bundesgesetzgeber hat ferner i n einigen Fällen auch Bestimmungen über die Zusammenarbeit von kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften untereinander getroffen. Die Regelungen weisen dabei folgende Varianten auf: (a) Die Gemeinden können zusammen arbeiten: BBauG § 4 J W G §12 I I I .

(b) Die Gemeinden sollen zusammen arbeiten: BBauG § 3 RaumordnungsGes § 4 V.

(c) Kommunale Selbstverwaltungskörperschaften höherer Stufe können solche niederer Stufe zur Ausführung der Bundesgesetze heranziehen, wenn die Länder dies vorsehen: B S H G § 96 I S. 2 und I I S. 2».

(5) Das Bundesgesetz spricht nicht die Gemeinden als solche, sondern nur bestimmte Gemeindebehörden an: BJagdGes § 9 BSeuchGes §§ 5, 6, 10, 11, 14 usw." BSHG § 63 FeststellungsGes § 29 Abs. 2, § 371 Nr. 11 L A G GeschlechtskrankheitenGes §§ 2 I I , 14, 15 Ges. z. Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit § 11 Ges. über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt § 1 HeimkehrerGes § 5 WehrPflGes § 15.

(6) Das Bundesgesetz behält die Bestimmung der zuständigen Behörde einer Rechtsverordnung der Bundesregierung vor: 18

Gegen diese Regelung Gönnewein, Gemeinderecht S. 169 Anm. 25. Nach dem Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens waren die Gesundheitsämter grundsätzlich staatliche Behörden, konnten in gewissen Fällen allerdings von den Stadt- und Landkreisen selbst eingerichtet werden. I n zahlreichen Fällen sind die Gesundheitsämter jetzt in den Ländern jedoch in die Gemeindeverwaltungen eingegliedert worden. Dann sind sie als Gemeindebehörden anzusehen. Vgl. z.B. für N R W Gesetz über die Eingliederung staatlicher Sonderbehörden der Kreisstufe in die Kreis- und Stadtverwaltungen vom 30. 4.1948 GVB1. S. 180 und vom 7. 3.1957 — MB1. S. 652 und die Verwaltungsanordnung des Innenministers betr. die Eingliederung der Gesundheitsämter in die Verwaltungen der Stadt- und Landkreise vom 25.10. 1948 — MB1. S. 568. 24

I. Von o n e n

Selbstverwaltungskörperschaften

39

B L G § 5 Abs. 1 EStG § 51 Abs. 1 Nr. 1 lit. b. Nach § 7 der darauf ergangenen Lohnsteuerdurchführungsverordnung vom 13.5.1958 (BGBl. S. 343) hat die Gemeindebehörde die Lohnsteuerkarten auszuschreiben.

(7) Das Bundesgesetz behält die Übertragung bestimmter Aufgaben an Behörden der Gemeinden der Vereinbarung zwischen Bund und Landesregierung vor: FinVerwGes § 16 Aufgaben der Hauptzollämter an Gemeinden und Gemeindeverbände, § 22 Entsprechendes gilt auch für Aufgaben der Finanzämter.

(8) Der Bundesgesetzgeber schaltet die Gemeinden von sich aus nicht i n den Vollzug der Bundesgesetze ein, läßt aber ihre Einschaltung durch die Länder ausdrücklich zu und sieht für diesen Fall bestimmte organisatorische Formen vor: FlüchtlingsNotLG § 3 L A G §§ 305 ff. WohnraumbewGes § 1.

(9) I n manchen Fällen hat der Bundesgesetzgeber keine ausdrücklichen Zuständigkeitsregelungen getroffen, sondern diese Regelungen den Ländern überlassen, welche ihrerseits meistens die Gemeinden m i t der Durchführung der Aufgaben betraut haben. Bundesrechtlich sind hierbei weiter folgende Modifikationen vorgekommen: (a) Der Bundesgesetzgeber sieht die nach Landesrecht zuständige Behörde für die Durchführung des Gesetzes vor: Grundgesetz Art. 90 I I ; BSeuchGes § 77, BFernStrGes § 21; KriegsgefangenenentschGes § 10; StVO § 47; StVZO § 68; Wohnungsbeihilfen Ges § 30.

(b) Der Bundesgesetzgeber überläßt die Bestimmung der zuständigen Behörde den Ländern: BSHG § 96 LAG §305II.

(c) Der Bundesgesetzgeber behält es den Länderregierungen vor, die zuständige Behörde zu bestimmen: BBauG § 46 I I Best, über die Umlegungsausschüsse, § 137 I I BSeuchG § 13 I, § 77 I FlüchtlingsNotLG § 3 Ges. über die Gewährung von Miet- und Lastenhilfen § 3 WohnungsbeihilfenGes § 30 JugendarbSchGes § 60 UnterhaltssichGes § 17 BVertrGes § 68 I I LandbeschGes §§ 8,28.

2. Kap.: Formen bundesrechtlicher Einschaltung

40

b) Gesetzliche Einflußvorbehalte Unter den gesetzlichen Einflußvorbehalten, die der Bundesgesetzgeber geregelt hat, gibt es ebenfalls die verschiedensten Abstufungen: (1) I n Betracht kommen zunächst die Genehmigungsvorbehalte und die Zustimmungserfordernisse. (a) Zugunsten des Bundes sind solche Genehmigungsvorbehalte und Zustimmungserfordernisse i n der Bundesgesetzgebung bisher nicht 2 6 , (b) zugunsten der Länder hat sie das Bundesbaugesetz i n §§ 6, 11, 16, 17, 25 (vgl. auch PersonenstandsGes § 54) vorgesehen. (2) A u f der anderen Seite hat der Bundesgesetzgeber den Gemeinden i n gewissen Fällen bestimmte Anhörungsrechte 26 eingeräumt; denen sind solche Vorschriften gleichzuachten, nach denen sich die zuständige Behörde m i t der Gemeinde ins „Benehmen" zu setzen hat. I n anderen Fällen kann die zuständige Behörde gewisse Erlaubnisse und Genehmigungen nur i m Einvernehmen m i t der Gemeinde erteilen: Anhörung: BBauG § 37 I I B L G § 5 I I I ; FlurbereinigungsGes § 5 I I ; SchutzbereichsGes § 1 I I I WehrPflGes § 17 I Ges. über den Verkehr mit Vieh und Fleisch §§ 6, 14

Einvernehmen: BBauG §§ 14 I I , 31,36,147.

(3) I n wenigen Fällen hat der Bund auch ein Aufsichtsrecht: (a) von Landesbehörden über die Gemeinden: J W G § 78 25 Nach § 8 I BFernStrG erteilen bei Ortsdurchfahrten die Gemeinden mit Zustimmung des Trägers der Straßenbaulast die Sondernutzungserlaubnis: Das bedeutet nicht, daß in Gemeinden unter 50 000 Einwohnern der Bund als Träger der Straßenbaulast die Zustimmung erteilen muß. Vielmehr werden die Verwaltungsbefugnisse des Trägers der Straßenbaulast von den Ländern oder den nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften wahrgenommen (Art. 90 I I GG). Somit erteilen diese auch im Rahmen der Auftragsverwaltung die Zustimmung. Unmittelbare Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden bestehen daher nicht, vgl. Marschall, BFernStrGes § 8 Rdn. 3. n Z u den Folgen einer unterlassenen, aber vorgeschriebenen Anhörung von Sachverständigen vor Erlaß von Rechtsverordnungen: BVerfG in BB 1959 S. 1269. Danach war die Rechtsverordnung nichtig, weil die gesetzliche Ermächtigung überschritten war. Das gleiche wird auch in den vorliegenden Fällen gelten müssen, wenn die Länder die Gemeinden nicht angehört haben; vgl. auch Fickert DVB1. 1964 S. 173 ff.

I. Von o n e n

Selbstverwaltungskörperschaften

41

(b) von Bundesbehörden über die Gemeinden vorgesehen: FinVerwGes § 17 I I . (4) I n anderen Gesetzen sind (a) einzelne Bundesminister z u m Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften nach A r t . 84 I I , 85 I I G G BBauG § 124 BSHG § 65 UmsiedlungsGes § 17 I I I LuftschutzGes § 9 I I (b) die Bundesregierung z u m E r l a ß von Einzelweisungen ermächtigt worden: BLG § 6 BSHG § 65 I I I FlüchtlingsNotLG § 3 I I .

c) Personelle Bestimmungen für die Gemeinden im Zusammenhang mit dem Vollzug von Bundesgesetzen I n einigen F ä l l e n hat der Bundesgesetzgeber i n Gesetzen, deren Ausführung durch die Gemeinden vorgesehen ist, spezielle Regelungen über die Qualifikation der Personen getroffen, die das Gesetz unmittelbar vollziehen werden: BSHG § 102 J W G §§ 14, 16 I I L A G § 308 I I I . 3. Die bundesgesetzlichen Kostenregelungen D e n einzelnen Verwaltungsträgern können zweierlei A r t e n v o n K o sten entstehen. Nämlich einmal solche, die zur Erreichung eines bestimmten außerhalb der V e r w a l t u n g liegenden Zwecks aufgewandt w e r den (Zweckausgaben) u n d z u m anderen solche, die zur Aufrechterhaltung der inneren V e r w a l t u n g i n personeller und materieller Hinsicht aufgew a n d t werden. W ä h r e n d sich der Staat früher darauf beschränkte, die Eingriffsverwaltung zu regeln, hat sich seine Tätigkeit m i t seiner W a n d lung z u m sozialen Staat i n entscheidendem M a ß e auch auf die Z u w e n dung bestimmter Leistungen a n seine Bürger verlegt. Aus diesem G r u n d e entstehen heute bei d e m V o l l z u g der Gesetze nicht n u r V e r w a l t u n g s kosten, sondern auch Zweckausgaben, die die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften ebenso w i e die Länder i m Einzelfall stark belasten können 2 7 . 11

Röttgen JöR 11 S. 220.

42

2. Kap.: Formen bundesrechtlicher Einschaltung

Der Bundesgesetzgeber hat daher i n zahlreichen Gesetzen neben der schon bestehenden Regelung des A r t . 106 GG besondere Bestimmungen darüber getroffen, welche Verwaltungsträger i m Einzelfall welche Ausgaben und Kosten zu tragen haben. Dabei sind i n den einzelnen Gesetzen folgende Varianten vorgekommen, welche (1) nach der A r t , wie der Bund die Ausgaben und Kosten erstattet, (2) danach, welche Ausgaben und Kosten der Bund i m einzelnen erstattet, zu unterscheiden sind: Zu (1): (a) Die Ausgaben werden für Rechnung des Bundes geleistet: LuftsdiutzGes § 32 UnterhaltssicherungsGes § 19 ferner das 1. Überleitungsgesetz nach der Änderung durch das 4. Überleitungsgesetz § 21.

(b) Der Bund erstattet die Ausgaben i n Pauschsätzen: BWahlG § 51; L A G § 351 I I I .

(c) Der Bund erstattet die tatsächlich entstandenen Ausgaben: BSHG § 138 WehrPflichtGes § 1 7 I V .

(d) Der Bund beteiligt sich an den tatsächlich entstandenen Ausgaben: (aa) m i t einem bestimmten Satz B S H G § 66 auch L A G § 351 (bb) m i t einem bestimmten Zuschuß BFernStrGes § 5a VolkszählungsGes § 13.

Z u (2): (a) Zweckausgaben: I n der Regel erstattet der Bund nur diese: 1. ÜberleitungsGes nach der Änderung durch das 4. ÜberleitungsGes § 1 III BSHG § 66 KriegsgräberGes § 2 V LuftsdiutzGes § 32.

(b) Verwaltungskosten: Diese erstattet der Bund nur i n Ausnahmefällen: 1. ÜberleitungsGes nach der Änderung durch das 4. ÜberleitungsGes § 1 I I I Nr. 1, 2 L A G § 351 WehrPflGes § 17.

I. Von kommunalen Selbstverwaltungskörpersdiaften

43

Eine weitere Unterscheidung k a n n m a n (3) danach treffen, ob der B u n d (a) bei der Kostenausgleichung nur m i t den L ä n d e r n oder ob er (b) unmittelbar m i t den Gemeinden i n Beziehung tritt. I m Falle (3a) handelt es sich u m die Regel. D e r F a l l (3b) stellt die Ausnahme dar: BFernStrGes § 5a I I BSHG § 66 L A G § 351 LuftschutzGes § 32 WehrPflGes § 17 I V . Darüber hinaus h a t der B u n d i n z w e i F ä l l e n bestimmt, daß die Länder die Verwaltungskosten der Gemeinden tragen: B L G § 6 I I ; FlüchtlingsNotLG § 3 I I I . I n z w e i weiteren F ä l l e n hat der B u n d ausdrücklich bestimmt, daß die Gemeinden die bei ihnen entstehenden Kosten allein tragen: PersonenstandsGes § 57; L A G § 351, wobei der Bund allerdings einen Teü der Kosten erstattet. 4. Die Beteiligung der kommunalen Spitzenverb&nde an der Ausführung der Bundesgesetze Schon für die Z e i t nach dem I n k r a f t t r e t e n der W e i m a r e r Verfassung hat Forsthoff 6 festgestellt, daß sich neben der organisatorischen V e r flechtung zwischen Reich u n d K o m m u n e n eine politische Annäherung der K o m m u n e n an das Reich vollzogen habe. Diese unmittelbaren Beziehungen zwischen den K o m m u n e n und dem Reich (bzw. heute dem Bund) haben sich unter dem Bonner Grundgesetz eher noch verstärkt. Nicht nur, daß es inzwischen einen kommunalpolitischen Ausschuß des Bundestages 2 9 u n d ein K o m m u n a l r e f e r a t i m Bundesinnenministerium g i b t 8 0 ; auch die k o m m u n a l e n S p i t z e n v e r b ä n d e 8 1 8 2 üben einen starken Einfluß 88

Vgl. Forsthoff, Körperschaft S. 166 ff.; Pohle VerwArch 53 S. 201 (359). B TAusschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe i. A. a. Handbuch des Deutschen Bundestages, 4. Wahlperiode S. 207. 80 Bundesminister des Inneren, Unterabteilung I C Verwaltung, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Kommunalwesen i. A. a. „Die Bundesrepublik" 1962/63 Bd. 1 S. 84. Uber den Kampf des Städtetages, schon unter der W R V derartige Institutionen zu erreichen, berichtet Forsthoff (Körperschaft S. 168). Danach ist lediglich eine Kommunalabteilung beim Reichsinnenministerium errichtet worden (1.4.1929). 81 Seit dem 15. M a i 1953 ist die bisher lose Arbeitsgemeinschaft zu einer Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände umgewandelt — vgl. 99

44

2. Kap.: Formen bundesrechtlicher Einschaltung

a u f der Bundesebene aus. N e b e n e i n e r i n t e n s i v e n V e r t r e t u n g d e r k o m m u n a l e n Interessen g e g e n ü b e r d e n e i n z e l n e n B u n d e s o r g a n e n h a b e n sie d u r c h d e n Bundesgesetzgeber e i n e n gewissen i n s t i t u t i o n e l l e n C h a r a k t e r e r h a l t e n , i n d e m er sie a n d e m V o l l z u g d e r Bundesgesetze a u f B u n d e s ebene b e t e i l i g t h a t : Gesetz über die Finanzierung des Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung im Rechnungsjahr 1951: § 1 Abs. 3, in den entsprechenden Ausschuß entsenden die kommunalen Spitzen verbände 2 Vertreter; Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau: § 7 Nr. 6, in den Verwaltungsrat der Kreditanstalt entsenden u. a. die Gemeinden 1 Vertreter, der nach Anhörung der beteiligten Kreise von der Bundesregierung bestellt w i r d 8 8 ; Gesetz über die Errichtung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung: § 12 Abs. 5, die Spitzenvereinigungen der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften haben das Vorschlagsrecht für 1 Vertreter; § 12 V I , entsprechend für den Verwaltungsrat; Luftschutzgesetz: § 31 I , kommunale Spitzenverbände können Mitglieder im Bundesluftschutzverband sein; Ges. über die Statistik für Bundeszwecke: § 4, im Beirat des statistischen Bundesamtes ist je ein Vertreter der kommunalen Spitzen verbände; Bundes VertrGes: § 23, Vertreter der Spitzen verbände i m Beirat beim Bundesminister für Vertriebene; Raumordnungsgesetz: § 9, Vertreter der Spitzenverbände i m Beirat bei dem für die Raumordnung zuständigen Bundesminister.

I I . D i e Universitäten 1. Die Universitäten als Selbstverwaltungskörperschaften I m J a h r e 1850 v e r g l i c h d e r d a m a l i g e R e k t o r d e r B e r l i n e r U n i v e r s i t ä t , A u g u s t Boeckh, i n seiner R e k t o r a t s r e d e ü b e r d i e U n i v e r s i t ä t s r e f o r m die U n i v e r s i t ä t e n m i t „ m ö g l i c h s t f r e i e n G e m e i n d e n , d i e sich selbst v e r hierzu DSV 1953 S. 147 —. Die vier kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene sind: Deutscher Gemeindetag, Deutscher Städtebund, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städtetag. Diese Organisationen sind Vereinigungen des Privatrechts. Das gilt mit Ausnahme von Bayern auch für die auf Länderebene bestehenden entsprechenden Verbände. 82 Vgl. Ziebill, Geschichte des Deutschen Städtetages, 50 Jahre deutsche Kommunalpolitik, Stuttgart und Köln 1955; Gönnewein, Gemeinderecht S. 441; Pohle VerwArch 53 S. 218, 224, 359 ff. 88 Dieser Vertreter dürfte in der Praxis wahrscheinlich von den kommunalen Spitzenverbänden benannt werden.

IL Von Universitäten

45

walten" 1 . Hier, meint Kluge 2, sei zum ersten Mal der Begriff der Selbstverwaltung auch auf die Universitäten angewandt worden. Seither wurde die Selbstverwaltung für die Universität zunächst als Forderung erhoben 8 und fand schließlich i n zahlreichen Gesetzen ihre Anerkennung 4 . Die Universitäten können jedoch nur dann als Selbstverwaltungskörperschaften i m oben definierten Sinne gelten, wenn sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind 5 . Von den Bestimmungen i m A L R (II, 12 §§ 1, 2, 67 bis 129) ihren U r sprung nehmend, v e r t r i t t ein Teil der Lehre die Ansicht, daß die Universitäten anstaltlich organisierte rechtsfähige Verbandseinheiten und Professoren wie Studenten n u r Anstaltsnutzer oder von der Anstalt Betreute sind 6 . Diese Auffassung vertritt man teilweise auch dann, wenn i n der Satzung die Universität ausdrücklich als Körperschaft des öffentlichen Rechts bezeichnet w i r d 7 . Ohne auf den Streit zwischen anstaltlichem und körperschaftlichem Verständnis der Universität hier i m einzelnen näher eingehen zu können 8 , erscheint es nach der heutigen Rechtslage doch sinnvoller, die Universität jedenfalls teilweise als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu qualifizieren®. Für das Verständnis der Universität als Anstalt spricht zwar, daß der Staat für die materielle Bedarfsdeckung der Universität sorgt, daß er die Hochschullehrer beruft und die Immatrikulationsbedingungen festlegt, also i n wesentlichen Punkten den Willen der Universität bestimmt 1 0 . Nach A r t . 5 GG sind jedoch Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Speziell auf diesem Gebiete kann der Staat daher keinen Einfluß auf die Universität ausüben 1 Boeckh, Gesammelte kleine Schriften, Leipzig 1859 Bd. 2 S. 60; zur Abgrenzung zwischen der Selbstverwaltung der Universitäten und der Gemeinden vgl. Röttgen, Grundrecht S. 45 und Thieme, Hochschulrecht S. 95. 1 Rluge, Die Universitätsselbstverwaltung. 8 Raiser, Universität i m Staat S. 8; Gerber, Hochschule und Staat S. 13; StierSomlo AöR n. F. 15 S. 365; Röttgen, Grundrecht Bd. 2 S. 291 ff. 4 Bad-W.Verf. Art. 9, 10, 20, 85; BayVerf. Art. 128 I I HessVerf. Art. 60; N R W Verf. Art. 16 I ; RhldVerf. Art. 39. 5 Es gibt in Deutschland keinen einheitlichen Typ der Universität, was mit den verschiedenen Gründungszeiten und damit zusammenhängt, daß sie i. d. R. von den einzelnen Landesfürsten gegründet wurden. Eine gewisse Verallgemeinerung läßt sich daher in diesem Rahmen nicht vermeiden. • Forsthoff, Lehrbuch S. 428. 1 Forsthoff, Lehrbuch S. 428 Anm. 5; Nebinger, Verwaltungsrecht S. 147. 8 Vgl. ausführlich hierzu Thieme, Hochschulrecht S. 98 ff.; Hans J. Wolff, Rechtsgestalt der Universität. • Thieme, Hochschulrecht S. 101; Röttgen, Grundrechte Bd. 2 S. 322 ff.; BVerwG in NJW 1958 S. 1407 (1409) und in DVB1. 1959 S. 63 (65); V G H Kassel E 6 S. 113; Lynker Diss. S. 83; vgl. auch BayVGH E 17 S. 30 (37); O V G Berlin JZ 1955 S. 272 (278). 10 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch S. 428; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 220; Lynker Diss. S. 85.

46

2. Kap.: Formen bundesrechtlicher Einschaltung

und muß dessen Betreuung den Hochschullehrern und i m Rahmen ihrer Möglichkeiten den Studenten überlassen 11 . Wenn schon O. v. Gierke darauf hingewiesen hat 1 2 , daß sich i n rechtsfähigen Verbandseinheiten körperschaftliche und anstaltliche Merkmale mischen können, so gilt das i n besonderem Maße für die Universitäten: Sie sind Körperschaften, soweit es sich u m ihren akademischen Bereich handelt. Mitglieder dieser Körperschaft sind die Professoren und Studenten 18 . Innerhalb dieses Bereichs verwalten die Mitglieder ihre auf Wissenschaft, Forschung und Lehre bezogenen gemeinschaftlichen A n gelegenheiten selbst. Die Universitäten sind deshalb insoweit als Selbstverwaltungskörperschaften anzusehen. Soweit ihre Organisation allerdings dazu bestimmt ist, die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu sichern, sind sie als Anstalten anzusehen 14 . 2. Die bundesgesetzlichen Regelungen im Universitätsbereich

Nach dem GG steht die Kulturhoheit grundsätzlich den Ländern zu. Der Bund ist nur i n sehr begrenztem Maße befugt, auf kulturellem Gebiet tätig zu werden. Es ist daher verständlich, wenn er bisher noch keine Gesetze erlassen hat, die sich unmittelbar auf die Universitäten beziehen. Dagegen bestehen einige Gesetze, i n denen die Universitäten mittelbar angesprochen werden. Zu unterscheiden sind darunter solche, die (1) den Professoren besondere Rechte und Pflichten zusprechen: BRRG §§ 105 ff.; Gesetz über den deutschen Wetterdienst § 6 „Die planmäßigen Inhaber der Lehrstühle für Meteorologie und Geophysik an den Hochschulen der BRD und im Lande Berlin sind i n den wissenschaftlichen Beirat des »Deutschen Wetterdienstes 4 zu berufen, wenn sie ihrer Berufung zustimmen." Prüfungsordnung auf Grund von § 10 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde § 3 I I Nr. 2: „Den Prüfungsausschüssen gehören die Leiter der zahnärztlichen Universitätsinstitute an." (2) den Universitäten bestimmte Einstellungsverpflichtungen auferlegen: Ges. zu Art. 131 G G §§ 70 I I und 78a 15 11 Hans J. Wolff , Lehrbuch Bd. 2 S. 220; Lynker Diss. S. 84; vgl. audi BVerfGE 3 S. 58 (151); BVerwGE 8 S. 170 ff. 12 O. v. Gierke, Deutsches Privatrecht 1895 Bd. 1 S. 474. 18 Vgl. BVerwG in DVB1.1959 S. 65; Lynker Diss. S. 84; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 220. 14 Hans J. Wolff , Lehrbuch Bd. 2 S. 220. 15 Daß es sich hier weder um einen Vollzug noch um eine Ausführung von Gesetzen handelt, wurde für die Gemeinden bereits oben erläutert 2. Kapitel,

I, 1.

I I I . Von sonstigen Selbstverwaltungskörperschaften

47

(3) die d e n Besuch e i n e r U n i v e r s i t ä t z u r V o r a u s s e t z u n g eines b e s t i m m t e n Berufes machen: BBG § 19 DRichterG § 5 I I BRAO § 4 Prüfungsordnung für Zahnärzte §§ 3, 4.

m . D i e Einschaltung sonstiger landesunmittelbarer Selbstverwaltungskörperschaften D e r B u n d hat jedoch nicht n u r bereits vorhandene landesunmittelbare S e l b s t v e r w a l t u n g s k ö r p e r s c h a f t e n i n d i e A u s f ü h r u n g d e r Bundesgesetze eingeschaltet, s o n d e r n zahlreiche l a n d e s u n m i t t e l b a r e S e l b s t v e r w a l t t u n g s k ö r p e r s c h a f t e n v e r d a n k e n i h r e E x i s t e n z erst e i n e m Bundesgesetz 1 , das i h n e n i n d e r R e g e l g l e i c h z e i t i g m e h r oder w e n i g e r b e s t i m m t e A u f gaben übertragen hat2. Dazu gehören (1) D i e berufsständischen S e l b s t v e r w a l t u n g s k ö r p e r s c h a f t e n , welche v o r w i e g e n d d a z u dienen, d i e g e m e i n s c h a f t l i c h e n sachbezogenen I n t e r e s sen i h r e r M i t g l i e d e r w a h r z u n e h m e n 8 : HandWO §§ 52 ff. Handwerksinnung §§ 90 ff. Handwerkskammer 4 § 86 Kreishandwerkerschaft BRAO §§ 60 ff. Rechtsanwaltskammer 5 BNotO §§ 65 ff. Notarkammer 8 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten § 31 I m Gegensatz dazu sind die kassenärtzlichen und kassenzahnärztlichen Vereinigungen § 368 k RVO keine Selbstverwaltungskörperschaften im 1 Das gilt nur mit gewissen Vorbehalten; denn den echten Berufsständen ist wie den Gemeinden eine gewisse Ursprünglichkeit eigen. Ihre rechtliche Existenz verdanken sie jedoch dem Gesetzgeber. Vgl. Röttgen VerwArch 44 S. 33 (63). 2 Dadurch unterscheiden sich diese Selbstverwaltungskörperschaften von den Gemeinden. Während diese grundsätzlich eine Allzuständigkeit haben, besitzen jene nur eine sachlich begrenzte Zuständigkeit. 8 Nach Röttgen JöR 11 S. 173 (228) strebt die heutige Kammergesetzgebung nicht eine neue Disziplinierung von Wirtschaft und Gesellschaft an. 4 Daß diese Selbstverwaltungskörperschaften sind, weist Fröhler, Staatsaufsicht . . . S. 10 ausführlich nach. 5 Daß es sich um eine Selbstverwaltungskörperschaft handelt, ergibt sich besonders aus §§ 60 I, 63, 78, 62 I I ; vgl. Kalsbach § 62 Anm. 1; Hess V G H in DÖV 1958 S. 785. • Sie ist Selbstverwaltungskörperschaft; vgl. Seybold-Hornig, Bundesnotarordnung § 66 Anm. 3.

48

2. Kap.: Formen bundesrechtlicher Einschaltung oben definierten Sinne 7 . Zwar nehmen sie auch die Interessen der ihnen angegliederten Ärzte gegenüber den Krankenkassen wahr. Ihre wesentliche Aufgabe besteht aber darin, die ordnungsgemäße ärztliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen (§§ 368 k, 368 n RVO). Dies ist aber keine der Gemeinschaft der Vereinigung dienende Aufgabe. I n diesem Fall fehlt das materiale Element der Selbstverwaltung.

(2) Die Körperschaften der wirtschaftlichen Selbstverwaltung, welche bestimmte gemeinschaftliche Aufgaben ihrer Mitglieder i m W i r t schaftsleben wahrnehmen: Gesetz über die vorläufige Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern: §§ 1 ff. Industrie- und Handelskammer 7 *.

(3) Die Realkörperschaften, welche gemeinschaftliche Aufgaben von Sachbesitzern wahrnehmen: BJagdG: § 9 Jagdgenossenschaft Das Gesetz sagt zwar nicht ausdrücklich, daß es sich bei der Jagdgenossenschaft um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt; dennoch sind nach wohl einhelliger Meinung die Jagdgenossenschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts8. Aus der Tatsache, daß sie vom Jagdvorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten werden, geht hervor, daß sie rechtsfähig sind. Das BJagdG ist ein Rahmengesetz. Die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Landesgesetze gehen zum großen Teil davon aus, daß es sich bei der Jagdgenossenschaft um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt 9 . Man kann daher annehmen, daß es der Bundesgesetzgeber in Anbetracht der Tatsache, daß § 10 des alten Reichsjagdgesetzes von rechtsfähigen Jagdgenossenschaften des öffentlichen Rechts sprach, nicht für notwendig hielt, diese Tatsachen erneut zu erwähnen. Flurbereinigungsgesetz: §§ 16, 18, die Teilnehmergemeinschaft nimmt die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren wahr. Sie ist damit nicht primär staatsbezogen, sondern gemeinschaftsbezogen und damit eine echte Selbstverwaltungskörperschaft 10 . Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Flurbereinigungsbehörde gem. § 17 nicht nur eine Rechtsaufsicht, sondern auch eine Zweckmäßigkeitsaufsicht über die Teilnehmergemeinschaft ausübt. Das Gleiche gilt auch für die nach § 43 möglichen Wasser- und Bodenverbände. Diese handeln nach § 4 der 1. Wasserverbandsordnung vom 10. 2. 7 Hess/Venter, Hdb. Bd. 1 S. 97, 250 nimmt an, daß es sich um Selbstverwaltungskörperschaften handelt. Er geht aber von der Selbstverwaltung im formellen Sinne aus. 7a Vgl. BVerfG NJW 1963 S. 195 ff. 8 Vgl. B a y V G H in VerwRspr 8 S. 119 ff.; Mitschke-H. Schäfer, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, Hamburg-Berlin 2. Aufl. 1957 § 9 Anm. 1 a. 9 Vgl. § 6 Bad-W.LandesjagdGes v. 15. 3. 54. GesBl. S. 35; Art. 8 Bayerisches JagdGes. i. d. F. 18.7.1962 GVB1. S. 131; § 6 LandesGes zur Ausführung des BJagdG v. 16.11.1954 GVB1. S. 143; § 4 Schlesw.Holst.JagdGes. v. 13.7.1953 GVOB1. S. 77; § 6 Hess.AusführungsGes. v. 5.4.1962 GVB1. S. 233; § 7 N R W LandesjagdGes. mit Änderung durch Gesetz vom 23. 7.1957 GVB1. S. 189. 10 Köttgen, VerwArch 44 S. 63: „es handelt sich um eine eigentümliche Synthese zwischen den Privatinteressen ihrer Mitglieder und den Interessen der öffentlichen Verwaltung".

III. Von sonstigen Selbstverwaltungskörperschaften

49

1937 RGBl. S. 188 sowohl zum öffentlichen Wohl als auch zum Nutzen ihrer Mitglieder.

Zwar w i r d auch die Verwaltung der Sozialversicherung durch die Träger der Sozialversicherung 11 häufig als Selbstverwaltung bezeichnet 12 . Gemäß § 4 RVO sind die Träger der Sozialversicherung zwar rechtsfähig. Das Gesetz sagt aber nichts darüber, ob es sich u m Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt. Vielmehr spricht es i m Rahmen der Rentenversicherung von Versicherungsanstalten und i m Rahmen der Unfallversicherung von Berufsgenossenschaften. Der Sprachgebrauch des Gesetzgebers ist i n dieser Hinsicht keineswegs einheitlich 13 . I n dem Gesetz über die Errichtimg der Bundesanstalt für Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung bezeichnet er i n § 2 die Bundesanstalt als Körperschaft des öffentlichen Rechts 14 . N i m m t man an, daß es sich bei den Trägern der Sozialversicherung u m Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt, so kann man sie doch nicht als Selbstverwaltungskörperschaften ansehen 15 . A n dieser Tatsache ändert auch das Selbstverwaltungsgesetz nichts, das den Mitgliedern gewisse Einflüsse auf die Träger der Sozialversicherung sichert 18 . Trotz allem hat hier das herrschaftliche Moment den Vorrang vor dem genossenschaftlichen 17 . Für die Selbstverwaltung (im materialen Sinne) fehlt das Merkmal der selbstgestaltenden Wahrnehmung gemeinschaftlicher Aufgaben 1 8 . Die von den Trägern der Sozialversicherung wahrgenommenen Aufgaben sind vielmehr lediglich ihnen vom Gesetzgeber übertragene reine Vollzugsaufgaben 19 . Die Aussonderung dieser Körperschaften aus dem Staat hat lediglich finanz- und verwaltungstechnische Gründe. Die Verwen11 § 3 RVO: Für die Krankenversicherung die Krankenkassen, für die Unfallversicherung die Berufsgenossenschaften, für die Rentenversicherung der Arbeiter die Versicherungsanstalten. 11 Vgl. das Gesetz über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung i. d. F. vom 13. August 1952 (BGBl. I S. 427); Selbstverwaltungs- und Kranken versicherungsangleichungsgesetz Berlin vom 26.12.1957 (BGBl. I S. 1883). 18 Vgl. Röttgen VerwArch 44 S. 78. 14 Vgl. hierzu i m einzelnen Cantner DSV 1956 S. 232 ff. 15 Vgl. Röttgen VerwArch 44 S. 78 f. und Gemeinde S. 88; Lichtenwald Diss. S. 24; a. A. wohl Reuß, Grundrechte I I I / l S. 102. 16 z. B. § 2 Selbst Verwaltungsgesetz: die Organe der Versicherungsträger setzen sich aus Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber, in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch aus Vertretern der Selbständigen zusammen. 17 Lynker Diss. S. 81; Cantner DSV 1956 S. 232 (235). Technisch ist es kaum möglich, den Mitgliedern weitreichende Kontroll- und Einflußmöglichkeiten einzuräumen. Die Wahlberechtigten zur Vertreterversammlung sind jemand anderes und etwas anderes als die üblichen Mitglieder einer Körperschaft. 18 Vgl. Röttgen VerwArch 44 S. 31 Anm. 5, S. 57 Anm. 65 c. 19 Vgl. Röttgen, Gemeinde S. 65; Forsthoff W D S t R L 14 S. 188; Lichtenwald Diss. S. 157.

4 Hohrmana

50

2. Kap.: Formen bundesretlicherEinschaltung

dung des Wortes Selbstverwaltung soll nur den Gegensatz zur unmittelbaren Staatsverwaltung zum Ausdruck bringen 2 0 . Der Gesetzgeber verwendet hier den formalen Begriff der Selbstverwaltung und nicht den materialen, wie er i n dieser Arbeit als allein sinnvoll für die Selbstverwaltung aufgefaßt wird. Die „Körperschaften" auf dem Gebiete des Sozialrechts scheiden daher i n der vorliegenden Erörterung aus. Besonders i m Fall der berufsständischen Selbstverwaltung hat der Bundesgesetzgeber i n einigen Fällen außer landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften auch auf Bundesebene Selbstverwaltungskörperschaften gebildet. BRAO §§ 175 ff. Bundesrechtsanwaltskammer BNotO §§ 76 ff. Bundesnotarkammer Steuerberatungsgesetz § 42 Bundeskammer der Steuerbevollmächtigten und Bundeskammer der Steuerberater.

Diese Kammern haben die Aufgabe, die Belange des Berufs auf Bundesebene wahrzunehmen und zu fördern und insbesondere den Beruf gegenüber den Bundesorganen zu vertreten: BRAO § 177 BNotO § 76 Steuerberatungsgesetz § 43.

Als privatrechtlich organisierten Verband hat der Bundesgesetzgeber den Bundesinnungsverband gebildet: §§ 85,80 HandwO.

20

Vgl. Hans J. Wolff , Lehrbuch Bd. 2 S. 135 f.; Herrfahrdt

JöR (1922) 11 S. 2.

Drittes

Kapitel

Die Zulässigkeit der Einschaltung von Selbstverwaltungskörperschaften in die Ausführung der Bundesgesetze I. Die Einschaltung von Selbstverwaltungskörperschaften in die Ausführung der Bundesgesetze und die Organisationsgewalt Bildet der Bundesgesetzgeber landesunmittelbare Selbstverwaltungskörperschaften, so räumt er ihnen gleichzeitig die Möglichkeit ein, i n einem bestimmten Bereich eigenverantwortlich tätig zu werden und überträgt ihnen darüber hinaus i n bestimmten Fällen auch die Wahrnehmung gewisser staatlicher Aufgaben. I n beiden Fällen erhalten die Selbstverwaltungskörperschaften durch Bundesgesetz bestimmte Sachzuständigkeiten, die sie zur Wahrnehmimg ihrer ihnen durch Bundesgesetz zugedachten Aufgaben befähigen. Sie führen Bundesgesetze i n einem weiten Sinne des Wortes aus. Versteht man unter der Organisationsgewalt die Gewalt, die es jemandem ermöglicht zu organisieren, d. h. eine Organisation zu schaffen und zu erhalten oder wieder aufzuheben 1 , oder wie Forsthoff es auf die Organisation der Behörden bezogen ausdrückt 2 , „die Gestaltung von Behörden und die Zuweisung von Zuständigkeiten, ferner die Verleihung und Entziehimg des öffentlichen Status", so fällt auch die Zuweisung von Sachzuständigkeiten an Selbstverwaltungskörperschaften i n ihren Bereich. I I . Die Organisationsgewalt im gewaltenteilenden Bundesstaat Grundsätzlich steht jedem Staat die Befugnis zu, seine Behörden selbständig zu organisieren (Organisationshoheit) 8 . Zweifelhaft ist nur, wel1 Vgl. H. W. Wolff, Diss. S. 22; Böckenförde, Organisationsgewalt S. 21, 29; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 3; Sembritzki Diss. S. 19; Schmidt (Franz) Diss. S. 3. * Forsthoff, Lehrbuch S. 384; Stern BayVBl. 1960 S. 181. • Böckenförde, Organisationsgewalt S. 32; Darmstadt Diss. S. 74; Dressler Diss. S. 26; Haas AöR 80 S. 81; L. Richter S. 6; Rohwer-Kahlmann AöR 79 S. 221; aber Stern BayVBl. 1960 S. 181 meint, daß dieses Recht jeder rechtsfähigen Verwaltungseinheit zusteht; ähnlich Röttgen W D S t R L 16 S. 185 und Sembritzki Diss. S. 23.

*

52

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

che Gewalt i m Staate diese Befugnis ausüben darf. I m Bundesstaat des Grundgesetzes stehen hinsichtlich der Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Bund und Ländern bundesstaatliche und rechtsstaatliche Komponenten i n einer Wechselbeziehung 4 . Denn zwischen Bund und Ländern besteht nicht nur eine vertikale Gewaltenteilung, sondern auch eine horizontale 5 , wonach der Bund vorwiegend zum Erlaß der Gesetze, die Länder m i t ihren Behörden aber zu deren Ausführung bestimmt sind 8 . Für die Frage, ob der Bund die Selbstverwaltungskörperschaften i n die Ausführung der Bundesgesetze einschalten kann, ist es daher zunächst entscheidend, ob die Organisationsgewalt i m Einzelfall der Legislative oder der Exekutive zuzurechnen ist. Der Begriff der Organisationsgewalt trägt weder als solcher einen normativen Charakter i n sich 7 noch besagt er, daß die Organisationsgewalt ein selbständiges A t t r i b u t der Staatsgewalt 8 , noch daß sie entweder ganz der Legislative oder der Exekutive als „Hausgut" zuzurechnen ist 9 . Die gegenteilige Lehre hatte ihre Wurzel i n dem Dualismus zwischen Parlament und Regierung 10 , zwischen Gesellschaft und Staat. Dieses Spannungsverhältnis ist aber heute unter der Herrschaft des Grundgesetzes aufgelöst, nachdem A r t . 20 I GG festgelegt hat, daß alle Gewalt vom Volke ausgeht 11 . 4

Forsthoff, Körperschaft S. 34; Röttgen W D S t R L 16 S. 185; Maunz-Dürig Art 84 Rdn. 2, 18; Sembritzki Diss. S. 13; C. Schmitt, Verfassungslehre S. 128; Spanner DöV 1957 S. 641; Stern BayVBl. 1960 S. 181; Verfassungsbeschwerde der Stadt Dortmund in N D V 1962 S. 120 ff. 5 Röttgen, Gemeinde S. 72; Verfassungsbeschwerde der Stadt Dortmund in N D V 1962 S. 120 ff. 6 Gutachten über die Finanzreform S. 9; Röttgen DöV 1955 S. 485 (487) weist darauf hin, daß das Junktim zwischen föderativer Zuständigkeitsordnung und der Dreiteüung der Gewalten durch Art. 84, 85 weitgehend relativiert sei. 7 Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 4; Obermayer, Verwaltungsakt S. 117; Spanner DöV 1957 S. 640 (642 f.). 8 Böckenförde, Organisationsgewalt S. 35; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 4; Rasch VerwArch 50 S. 38; L. Richter S. 6; Spanner DöV 1957 S. 640. 9 Hamann in N J W 1956 S. 1; Stern BayVBl. 1960 S. 181; Röttgen W D S t R L 16 S. 188; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 4/5; Obermayer, Verwaltungsakt S. 117; Rasch VerwArch 50 S. 38; Schmidt (Franz) Diss. S. 6; Spanner DöV 1957 S. 640; Holtkotten in Bonner Kommentar Anm. I I A 1 zu Art. 129; Sembritzki Diss. S. 70; Dressler Diss. S. 26; Böckenförde, Organisationsgewalt S. 32, 36. Als Hausgut der Exekutive sehen die Organisationsgewalt an: Forsthoff, Lehrbuch S. 378; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 98; Meyer-Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts 7. Aufl. S. 669 ff.; Thoma in Anschütz-Thoma Hdb. d. Dt. Staatrechts Bd. 2 S. 223 f.; Jacobi, ebenda S. 251; Anschütz, Enzyklopädie der Rechtswissenschaft 7. Aufl. 1914 Bd. 4 S. 163. Zum Bereich der Legislative rechnet L. Richter, „Die Organisationsgewalt", die Organisationsgewalt. 10 Dazu vgl. Jesch AöR 84 S. 74 (82). 11 Vgl. Hamann in N J W 1956 S. 1 ff.; Jesch AöR 84 S. 82, hält es zumindest für sehr zweifelhaft, ob er noch besteht; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1 S. 62.

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilenden Bundesstaat

53

1. Die Bestandteile der Organisationsgewalt

Besteht eine Organisationsgewalt als solche nicht, so ist es auch sinnlos, all das hierunter fassen zu wollen, was irgendwie m i t der Organisation der Behörden zu t u n hat. Denn das, was aus der Organisationsgewalt gemeinhin abgeleitet wurde, ist i n seinem rechtlichen Gehalt so vielfältig, daß schon aus diesem Grunde nicht eine der drei Gewalten allein deren Ausübung für sich i n Anspruch nehmen kann. Es ist daher nur verwirrend, wenn man von „der Organisationsgewalt" spricht, auch dann, wenn darunter lediglich die speziell der Exekutive zustehenden Befugnisse zur Organisation der Behörden verstanden werden 1 2 . Vielmehr sind die einzelnen A k t e der Organisation der Behörden gesondert darzustellen und auf ihre rechtliche Qualifikation hin zu untersuchen 18 . Bevor daher entschieden wird, welche rechtliche Natur der Zuweisung von Kompetenzen an Selbstverwaltungskörperschaften zukommt und welche rechtlichen Erfordernisse daran zu stellen sind, ist zu klären, i n welche Phase des Behördenaufbaus sie fällt. a) Die Einrichtung

der Behörden

Schmidt 14 und Triepel 15 unterschieden als erste innerhalb des institutionellen Organisationsrechts 16 zwischen der Einrichtung und der Errichtung von Behörden 17 . Die Einrichtung von Behörden umfaßt demnach die Vornahme all derjenigen kaum bestimmbaren Maßregeln, welche es ermöglichen, daß die der staatlichen Willenserklärung entsprechende behördliche Einheit funktionieren kann 1 8 . Sie umfaßt hauptsächlich die Bereitstellung aller sächlichen und persönlichen Mittel, die für das Funktionieren der Behörde notwendig sind 1 9 . Erst nachdem diese Maßnahmen getroffen sind, w i r d die durch die staatliche Willenserklärung errichtete Behörde tatsächlich existent. " Vgl. Forsthoff, Körperschaft S. 38 oben; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 4; O V G Lüneburg in OVGE Bd. 4 S. 149; O V G Koblenz DVB1.1954 S. 745; BVerwG in DVB1. 1961 S. 86; auch Forsthoff, Lehrbuch S. 384. 18 Ähnlich Jesch AöR 84 S. 84; Obermayer, Verwaltungsakt S. 117; Schmidt (Franz) Diss. S. 11; Maunz-Dürig Art, 84 Rdn. 4; kritisch Böckenförde, Organisationsgewalt S. 46. 14 Schmidt (Franz) Diss. S. 10. 15 Triepel, Reichsauf sieht S. 584; Sembritzki Diss. S. 46 weist darauf hin, daß auch Rousseau in seinem Werk „Du Contrat Social" (3. Buch 17. Kapitel) diese Unterscheidung schon treffe. 18 Zu diesem Begriff vgl. auch Rasch, Verwaltungsorganisation S. 3. 17 Vgl. auch Laband, Staatsrecht Bd. 1, 5. Aufl. S. 372; derselbe AöR 20 S. 581 ff.; Sembritzki Diss. S. 16. 18 Schmidt (Franz) Diss. S. 9. 18 Schmidt (Franz) Diss. S. 9; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 42; Sembritzki Diss. S. 14; Triepel, Reichsaufsicht S. 584; Rasch VerwArch 50 S. 33.

54

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung b) Die Errichtung

der Behörden

Voraussetzung dafür, daß die Behörde eingerichtet werden kann, ist ihre Errichtung durch den Staat. Unter dem Oberbegriff der Behördenerrichtung faßte Schmidt 2 0 i m einzelnen fünf Hauptstücke zusammen, nämlich: 1. die Willenserklärung, daß die Behörde existent sein soll, 2. die Bestimmung des Zwecks, also der sachlichen Kompetenz der Behörde 21 , 3. die Begrenzung und Bezeichnung des Wirkungskreises derselben i n örtlicher Beziehimg, 4. die Feststellung ihres Sitzes und 5. die Bestimmung ihrer inneren Verfassung. Der Errichtimg einer Behörde ist rechtlich die An-, Zusammen- und Eingliederung sowie überhaupt jede Zuweisung oder Aberkennung von Zuständigkeiten gleichzuachten 22 . c) Die Bildung der Behörden Schmidt hat jedoch noch nicht zwischen der konkreten Errichtung und der abstrakten Errichtung — Bildung wie Hans J. Wolff es nennt — unterschieden 23 . Danach w i r d die Behörde dann errichtet, wenn sie i m Einzelfall tatsächlich ins Leben gerufen, wenn sie geschaffen wird. Sie w i r d gebildet, wenn i n einem organisatorischen Rechtssatz generell oder speziell bestimmten, begrifflich bezeichneten und benannten Einheiten als institutionellen Subjekten die Wahrnehmungszuständigkeit für mehr oder weniger genau bestimmte Kompetenzen zugeordnet werden 2 4 . I n dem man aus dem Begriff der „Errichtung", wie Schmidt i h n gebraucht, den der Bildung ausklammert, w i r d er aufgegliedert und i m Ganzen das Problem einer rechtlichen Klärung zugänglicher gemacht. Daß diese Unterscheidung zwischen der Errichtung und der Bildung von Behörden nicht w i l l k ü r l i c h ist, sondern Anhaltspunkte i n der Praxis 2 5 10 Schmidt (Franz) Diss. S. 9; Sembritzki Diss. S. 27; Happe Diss. S. 212; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. 1 S. 62; Rasch, Verwaltungsorganisation S. 10. 11 Daß dies unter den Begriff der Organisation und nicht des Verfahrens fällt, hebt auch Maunz-Dürig Art. 86 Rdn. 16 hervor. 22 Sembritzki Diss. S. 29; Schmidt (Franz) Diss. S. 11. 18 Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 42, 96,100; kritisch Böckenförde, Organisationsgewalt S. 49 Anm. 14. 24 Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 42; Lohr S. 57; Menger W D S t R L 15 S. 15; E. R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. 1 S. 62; Rasch, Verwaltungsorganisation S. 10 mit anderen Bezeichnungen. 25 Allerdings hat die Praxis, wie später noch an Hand des Art. 83 G G zu zeigen sein wird, nicht immer eindeutig zwischen Errichtung, Einrichtung und Büdung unterschieden.

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilenden Bundesstaat

55

findet, ergibt sich durch einen Blick auf einige Gesetze: Nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz „errichten" gemäß § 12 I I jeder Landkreis und jede freie Stadt ein Jugendamt. Das Jugendamt ist aber durch die Vorschriften der §§ 4 ff. JWG bereits gebildet. Ähnliches gilt für die Handwerksinnungen und Handwerkskammern, die nach der Handwerksordnung gebildet, aber erst durch den Zusammentritt der selbständigen Handwerker zu einer Innung (§ 52) bzw. bei der Handwerkskammer durch die oberste Landesbehörde (§ 90) errichtet werden 2 6 . Dagegen fallen aber gerade bei den Kammern der Rechtsanwälte und Notare, Steuerberater und Steuerbevollmächtigten die Bildung und die Errichtung der Kammern i n einem A k t zusammen. Eine besondere Errichtung dieser Kammern ist nicht notwendig 2 7 . 2. Die Abgrenzung von Organisation und Verfahren

Dem Versuch, Organisation und Verfahren begrifflich gegeneinander abzugrenzen, steht die enge gegenseitige Durchdringung der Verfahrensund Organisationsnormen sowie deren starke Abhängigkeit voneinander entgegen 28 . Landläufig spricht man von „Verfahren" auch dann, wenn man entweder a) das Verfahren innerhalb einer Behörde oder b) das Verfahren, das das Verhältnis verschiedener Behörden zueinander regelt 2®, meint. I n beiden Fällen hängt aber das Verfahren i n einem solch hohen Grade von der Organisation der Behörden ab, daß eine sinnvolle Differenzierung zwischen Organisation und Verfahren insoweit nicht möglich ist. Vielmehr ist i n diesen Fällen das organisatorische Moment vorherrschend, indem verschiedene Elemente der Organisation i n ihrem Verhältnis zueinander geordnet — einander zugeordnet werden. Dabei fällt " Vgl. auch die Teilnehmergemeinschaft nach § 16 Flurbereinigungsgesetz; Art. 93, 94 G G Bildimg und BundesverfassungsgerichtsGes. — Errichtung des Bundesverfassungsgerichts. 27 Vgl. in bezug auf die Notarkammern ausdrücklich Seybold-Hornig § 66 Anm. 1. 28 Röttgen in DöV 1952 S. 473 Sp. 1; Röttgen JöR 11 S. 233; Huber Diss. S. 55; BVerfGE 4 S. 397. 21 Dazu gehört auch die örtliche Zuständigkeit, die Haas AöR 80 S. 81 (94) allerdings in den Bereich des Verwaltungsverfahrens rechnet. Ferner gehört in diesen Bereich auch die Bestimmung darüber, ob eine Angelegenheit als Selbstverwaltungs- oder als Auftragsangelegenheit wahrzunehmen ist. Nach der Begründung der BReg. zum J W G BTDrucks. I Nr. 3641 gehört diese Frage sowohl in den Bereich des Verwaltungsverfahrens als auch in den der Organisation; ebenso Gönnewein, Gemeinderecht S. 173. Ferner gehört in diesen Bereich auch die Bindung einer Entscheidung an die Zustimmung oder das Einvernehmen einer Gemeinde.

56

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

der Fall a) i n den Bereich der Einrichtung von Behörden und der Fall b) i n den Bereich der Bildung bzw. Errichtung von Behörden. Demgegenüber steht das Verfahren, das das Verhältnis der Behörden zu dem Außenstehenden regelt. Während diese Vorschriften mehr den dynamischen Ablauf der Verwaltung steuern, sind die organisatorischen Vorschriften für den statischen Zustand der Verwaltung bestimmend 80 . Generell gesprochen fällt hierunter i m Gegensatz zur Organisation, die das „ w e r " regelt, all das, was sich auf das „wie", die A r t und Weise des Gesetzesvollzuges bezieht 31 . Wo jedoch i m Einzelfall die genaue Abgrenzung liegt, kann nicht immer eindeutig festgestellt, sondern muß von Fall zu Fall nach der historischen Entwicklung und der Interessenlage entschieden werden 3 2 3 S . Dabei kann die gegebene Unterscheidung als Faustregel und Kristallisationspunkt dienen. Für den hier i n Rede stehenden Problemkreis hat die Unterscheidung jedoch keine allzu große Bedeutung, da A r t . 84 I GG die Organisation und das Verwaltungsverfahren gleich behandelt und jedenfalls auch Art. 85 I GG von der Kompetenz des Bundes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens ausgeht 34 . 3. Die Aufteilung der Organisationsbefugnisse auf Legislative und Exekutive

a) Das Prinzip der Gewaltenteilung Während i n England die Gewaltentrennung auch heute noch als politisches Prinzip des Ausgleichs und der Mäßigung der Staatsgewalt verstanden wird, ohne daß bestimmten Gewalten bestimmte Funktionsbereiche zugewiesen wären, hat sich i m deutschen Verfassungsleben das Gewaltenteilungsprinzip unter dem Einfluß Montesquieus zu einer Unterscheidung der spezifischen Funktionen der Staatsgewalt i n drei Funktionsbereiche fortgebildet 3 5 . Nach dem Grundgesetz ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 III), werden die Gesetze vom Parlament (Legislative) erlassen (Art. 77) und bedarf die vollziehende Gewalt zum Erlaß von Rechtsverordnungen der gesetzlichen Er80

Maunz-Düring Art. 86 Rdn. 16. Vgl. Bettermann W D S t R L 17 S. 118 (137); Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 29 Abschn. c; Rasch, Verwaltungsorganisation S. 18. 82 Bettermann W D S t R L 17 S. 118 (129). 88 Als eine Frage des Verwaltungsverfahrens bezeichnen Bettermann W D S t R L 17 S. 132 und Gönnewein, Gemeinderecht S. 166 auch die Zuständigkeitsfestlegung für Selbstverwaltungskörperschaften bei der Ausführung von Bundesgesetzen. M. E. handelt es sich hier primär um eine Frage der „Einrichtung von Behörden", i. S. des Art. 84 I GG. 84 Bettermann W D S t R L 17 S. 159; Haas DVB1. 1957 S. 373 Fußn. 32; Huber Diss. S. 52 ff.; Maunz-Dürig Art. 85 Rdn. 16; Schäfer DöV 1960 S. 648. 88 Vgl. Imboden, Gesetz S. 5 f.; Menger W D S t R L 15 S. 25 (26); Scheuner Übertragung S. 134. 81

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilenden Bundesstaat

57

mächtigung (Art. 80). Die Begriffe Gesetz und Rechtsverordnung definiert das Grundgesetz nicht3®. Es bleibt daher der Verfassungsinterpretation überlassen, welche Staatsakte man i m einzelnen der Legislative und welche der Exekutive zuweisen w i l l 3 7 . Zu weit würde es jedoch führen, wenn i n diesem Zusammenhang die ganze Problematik des Verhältnisses zwischen Gesetz und gesetzgebender Gewalt 3 8 einerseits und Gesetzesvollzug und vollziehender Gewalt auf der anderen Seite 39 untersucht werden sollte. Wichtig erscheint aber, die maßgebenden Theorien über den Begriff des Rechtssatzes m i t ihrem besonderen Bezug auf die Organisationsgewalt hier kurz darzustellen. b) Die Theorien zum Begriff

des Rechtssatzes

aa) Der preußische Verfassungsstreit Wie unterschiedlich selbst innerhalb einer bestimmten politisch sozialen Situation die Meinungen über das, was i m Einzelfall den Begriff des Rechtssatzes ausmacht, sein können, zeigt ein Blick auf den Verfassungskonflikt i m preußischen Landtag von 1869. Damals legte die preußische Regierung für die Verwaltungsorganisation i n den neuen preußischen Provinzen keine Gesetzentwürfe vor, sondern stellte i n dem zuerst dem Abgeordnetenhaus und darauf dem Herrenhaus vorgelegten Haushaltsplan nur besondere Etatforderungen. Da das Herrenhaus i m Gegensatz zum Abgeordnetenhaus nicht über einzelne Etatposten, sondern nur über den Haushalt i m Ganzen entscheiden konnte, hatte es praktisch keinen Einfluß auf die Behördengestaltung. Es sprach daher die Erwartung aus, „daß die königliche Staatsregierung die Organisation neuer Landespolizeibehörden fernerhin durch spezielle, dem Landtage der preußischen Monarchie vorzulegende Gesetze und nicht bloß durch den Etat regele" 40 . Demgegenüber stellte sich die Regierung m i t der damals herrschenden Meinung 4 1 auf den Standpunkt, daß die Organisation der Staatsbehörden, sofern durch Gesetz und Verfassung nichts anderes bestimmt sei, nicht Gegenstand der Gesetzgebung, sondern des Verordnungsrechts sei und lediglich das 88

Ebenso sind die Begriffe Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung keineswegs klassifikatorische, d. h. rechtstechnisch eindeutige Begriffe. Darauf weist zutreffend Böckenförde, Gesetz S. 14 hin. 87 Vgl. ausführlich Böckenförde, Organisationsgewalt S. 55 ff. 88 Vgl. dazu Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt; Schmidt (Franz) Diss. S. 21 ff. 88 Jesch, Gesetz und Verwaltung; Klein, Die Übertragung rechtsetzender Gewalt nach deutschem Verfassungsrecht; Scheuner, Ausländische Erfahrungen zum Problem der Übertragimg. 40 Nach Anschütz, Gegenwärtige Theorien S. 153 ff. 41 Vgl. Anschütz a.a.O. S. 160 und die bei L. Richter S. 7 Anm. 32 zitierten Autoren; Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht Bd. 1 S. 335.

58

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

Haushaltsbewilligungsrecht des Parlaments beachtet werden müsse. Einigkeit bestand lediglich darüber, daß die Regierung i m Rahmen ihrer Organisationsgewalt nicht die Befugnis habe, „sich selbst das Maß ihrer obrigkeitlichen Rechte gegenüber den Untertanen zu erweitern" 4 2 . bb) Die Lehre vom doppelten Gesetzesbegriff Maßgeblichen Einfluß auf die Diskussion u m den Begriff des Rechtsstaates und des Gesetzes übte Laband 48 m i t seinem doppelten Gesetzesbegriff aus. Er unterschied zwischen Gesetzen i m formellen und solchen i m materiellen Sinne. Lediglich die Gesetze i m materiellen Sinne enthielten nach seiner Auffassung Rechtssätze. Nach seiner Definition bestand das Wesen des Rechts „ i n der Abgrenzung der Befugnisse und Pflichten der einzelnen Subjekte gegeneinander; es setzt seinem Wesen nach eine Mehrheit von Willensträgern voraus, die miteinander kollidieren können; die Rechtsordnimg sei eine Macht über den Einzelnen. . . . N u r insoweit die Willenssphäre abgegrenzt ist und soweit ein A n spruch, eine Verpflichtung, ein Schutz gegen Eingriffe oder gegen Widerstand anderen gegenüber begründet ist, waltet die Rechtsordnung". Nach seiner Ansicht trat allerdings der Staat als einheitliches Willenssubjekt dem einzelnen gegenüber. Konsequenterweise durfte er daher die Organisationsvorschriften, die lediglich das Verhältnis des Staates zu seinen Behörden regelten, nicht als Rechtssätze ansehen; denn die Rechtssätze konnten nach obiger Definition nur das Verhältnis von selbständigen Willensträgern zueinander regeln. Das Organisationsrecht der Verfassung dagegen hat nach Laband Rechtssatzcharakter, w e i l jede juristische Person ein Gebilde des Rechts ist und die Bildung und Wirksamkeit ihrer Organe auf Rechtssätzen beruhe. Die weitere Ausbildung ihrer Organe durch die juristische Person sei demgegenüber jedoch nur insoweit Rechtssatz, wie sie m i t anderen Rechtssphären i n Kontakt trete. Das sei immer dann der Fall, wenn die Behörde „ i n den Stand gesetzt werden soll, m i t rechtsverbindlicher W i r kung den Untertanen zu befehlen und sie zu Leistungen oder Unterlassungen zu zwingen" 4 4 . I n diesem Falle könnten auch Bestimmungen über die Zusammensetzung und das anzuwendende Verfahren Rechtssatzcharakter haben 4 5 . Vorschriften über die Geschäftsverteilung innerhalb der Behörde können nach dieser Ansicht nie Rechtssatzcharakter haben. Ähnlich wie Laband geht auch Georg Jellinek yon einem doppelten Gesetzesbegriff aus. Während er anfangs noch meinte, daß zwar „alle 41 48 44 45

Anschütz, Gegenwärtige Theorien S. 157, 159. Laband, Budgetrecht S. 3 ff.; derselbe, Staatsrecht Bd. 2 S. 181 ff. Laband, Staatsrecht Bd. 2 S. 184; derselbe AöR 20 (1906) S. 581. Laband, Staatsrecht Bd. 2 S. 184.

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilenden Bundesstaat

59

Sätze, welche sich auf die Organisation des Staates beziehen, Rechtssätze sind, sofern sie Rechte und Pflichten der Subjizierten schaffen" 46 , modifizierte er diese Meinung später dahin, daß „auch die Ausstattung staatlicher Organe m i t Macht gegenüber anderen Organen, wodurch zugleich Ansprüche der betroffenen Organträger geschaffen werden", Rechtssätze sind 4 7 . Was er i m einzelnen unter „Rechten und Pflichten" der Gewaltimterworfenen versteht, sagt Jellinek nicht ausdrücklich. Ein Hinweis ergibt sich jedoch aus der Auffassung Jellineks, daß das Individuum nicht dem Staate schlechthin, sondern nur der rechtlich verordneten Behörde seine Pflicht zu leisten habe und seine Ansprüche gegen den Staat nur an die gegebenenfalls kompetente Behörde richten könne 4 8 . Auch er stellt es i m Grunde genommen für die Rechtssatzqualität der Organisationsvorschriften ab auf ihre Außenwirkung über den behördeninternen Bereich hinaus. Allerdings n i m m t er das Vorhandensein der Außenwirkung auch bei Vorschriften an, die das Verhältnis der Staatsorgane zueinander regeln. Auch Anschütz geht zwar von dem doppelten Gesetzesbegriff Labands und Jellineks aus 49 . Das Wesen jeder Rechtsnorm sieht er jedoch darin, die Rechte der Privatpersonen, d. h. ihr Verhältnis unter sich und zum Staate zu regeln. Gesetze i m materiellen Sinne sind demnach nur solche „Gesetze, welche die Rechte von Privatpersonen betreffen" 5 0 . Wenn man die Freiheits- und Eigentumsklausel nur weit genug fasse, sei der Ausdruck „Gesetze, welche die Freiheit und das Eigentum betreffen" nur ein anderer Ausdruck für das, was der wissenschaftliche Sprachgebrauch Gesetze i m materiellen Sinne, Rechtsnormen, Rechtssätze nennt 5 1 . Wie aus zahlreichen anderen Ausführungen Anschütz' hervorgeht, versteht er diese Formel einschränkend: „Nicht die Berührung von Freiheit und Eigentum, sondern der Eingriff i n Freiheit und Eigentum der Staatsbürger ist das K r i t e r i u m des Rechtssatzes 52 ." Daraus folgt, daß Anschütz alle Vorschriften, die nur den Staat und seine Organe betreffen und dem Staatsbürger lediglich Rechte gegenüber dem Staat gewähren, nicht unter den Rechtsbegriff faßt. Anschütz verbindet die rechtssatzschaffende Kraft des Gesetzes m i t dem verfassungsmäßigen Vorbehalt des Gesetzes58. 41

G. Jellinek, System S. 240. G. Jellinek VerwArch 12 S. 266. G. Jellinek, System S. 230; Nawiasky-Leusser Erl. zu Art. 77 S. 158; Spanner in DöV 1957 S. 647 ff. 48 Anschütz Diss. „Kritische Studien zur Lehre vom Rechtssatz und materiellem Gesetz". 50 Anschütz, Gegenwärtige Theorien S. 128. 51 Anschütz, Artikel „Gesetz" S. 212 (214). 52 Böckenförde, Gesetz S. 273 mit Anm. 6. 58 Anschütz, Gegenwärtige Theorien S. 73, 79, 83. Vgl. O. Mayer AöR 17 (1902) S. 464 (468). 47

48

60

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung cc) Die rechtstheoretische Bestimmung des Rechtssatzbegriffs durch Haenel

Gegen diese Verengung des Rechtssatzbegriffs wandte sich bereits Haenel 54 und verstand unter Rechtssätzen solche Sätze, „welche dazu bestimmt sind, an einen vorausgesetzten Tatbestand subjektive Rechte und Pflichten zu begründen oder m i t einem gewissen Tatbestand subjektive Rechte und Pflichten zu verknüpfen" 5 5 . Diese Definition leitete er aus dem Verständnis des Rechts als einer Erscheinung des Gesellschaftlichen i m Sinne des zwischenmenschlichen Lebens ab und gewann so einen rechtstheoretischen Rechtssatzbegriff. Die Aufgabe des Rechts sei es, diejenigen Normen zu bewahren, „welche dazu bestimmt sind, die gesellschaftlichen Wirkungen der menschlichen Willenshandlungen zu ordnen" 5 6 . Das Recht grenze die aufeinander wirksamen Willenskräfte nicht negativ gegeneinander ab, sondern verbinde sie positiv, um durch planmäßige berechenbare Vereinigung das zu erreichen, was den nur gegeneinander abgegrenzten Willen unmöglich ist 5 7 . Von diesem objektiven rechtstheoretischen Begriff des Rechtes aus ist es einleuchtend, daß für Haenel auch die innerstaatlichen Normen Rechtsvorschriften sind. Denn er sieht den Staat nicht als eine einheitliche abstrakte willensfähige Persönlichkeit, sondern als eine Mehrheit von Willensträgern, deren Sphären gegeneinander abgegrenzt und zusammengeordnet werden müssen 58 . Das Problem der Abgrenzung zwischen Innen- und Außenverhältnis besteht daher für ihn nicht 5 9 . Allerdings zählt er organisatorische Vorschriften, die i n Ausübung der Dienstgewalt ergehen und die dienstlichen Befugnisse der Beamten und die Geschäftsverteilung regeln, nicht zu den Rechtsvorschriften 60 . dd) Der rechtstheoretische und der staatsrechtliche Begriff des Rechtssatzes Aus dem Spannungsverhältnis zwischen Staat und autonomer Gesellschaft entstanden, diente der Rechtssatzbegriff als reine Zweckschöpfung bei Laband, Jellinek und Anschütz dazu, Eingriffe des Staates i n Freiheit und Eigentum an bestimmte Formen und die M i t w i r k u n g des Parlaments und damit der Gesellschaft zu binden 6 1 , d. h. die Funktionen von 54 Haenel, Studien Bd. 2 S. 122, 224, 232; Scheuner, Neuere Entwicklung S. 258. 55 Triepel, Reichsaufsicht S. 126, 585. M Haenel, Studien Bd. 2 S. 205. 57 Haenel, Studien Bd. 2 S. 205. 58 Haenel a.a.O. S. 232; Schmidt (Franz) Diss. S. 27 f. 59 Vgl. Böckenförde, Gesetz S. 284 a.E.; Menger W D S t R L 15 S. 16; Lohr S. 58 f. 60 Haenel a.a.O. S. 238/239; kritisch dazu Böckenförde, Gesetz S. 288. 81 Forsthoff, Lehrbuch S. 121; Jesch, Gesetz S. 20.

I

Organisationsgewalt im gewaltenteilenden Bundesstaat

61

Legislative (Gesellschaft) und Exekutive (Staat) gegeneinander abzugrenzen. Gesetz i m materiellen Sinne und Rechtssatz waren identisch. Demgegenüber kann der von Haenel geprägte Begriff des Rechtssatzes diese Aufgabe nicht erfüllen 6 2 . Haenel bestimmt vielmehr dieses Verhältnis durch den Unterschied zwischen regulativer (Funktion der Legislative) und ausführender (Funktion der Exekutive) Willensbestimmung. Nach diesen Kriterien ist aber eine logische Zuordnung der einzelnen Staatsakte zu den beiden Gewalten je nach dem Standpunkt des Betrachters verschieden. Die Abgrenzimg der Funktionen w i r d dem positiven Gesetz überlassen 68 . Wo das Gesetz aber Lücken läßt wie i n A r t . 80 GG, kann der rechtstheoretische Rechtssatzbegriff Haenels nicht weiterhelfen, sondern muß ein staatsrechtlicher auf die verfassungsrechtliche und politisch soziale Funktion bezogener gefunden werden 6 4 . Damit ist nichts gegen die logischen Qualitäten des von Haenel gebildeten Rechtssatzbegriffes gesagt. Während sich zwar der Begriff des Gesetzes nicht rechtstheoretisch bestimmen läßt, ist dies beim Rechtssatz m i t der Definition „Rechtssatz ist jeder Satz des objektiven Rechts" 66 sehr wohl möglich 66 . Als terminus technicus für alle objektives Recht setzenden Akte, die zweckmäßigerweise ihren Ursprung i n der Volksvertretung nehmen 67 , erhält der Begriff des Rechtssatzes staatsrechtliche Qualitäten und ist als solcher nicht mehr allgemein gültig zu umschreiben. Vielmehr ist hier der Rechtssatzbegriff m i t dem des materiellen Gesetzes identisch. Als solcher ist er auf eine wandelbare aber bestimmte verfassungsrechtliche und politisch soziale Situation bezogen und von dieser nicht lösbar 68 . Es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß sich dieser staatsrechtliche Rechtssatzbegriff irgendwie theoretisch, logisch oder philosophisch bestimmen läßt 6 9 , vielmehr kann man i h n nur aus dem Verständnis des Staates i n seiner besonderen verfassungspolitischen Situation gewinnen 7 0 . Er bezeichnet jeweils das, „was für eine bestimmte 82 Der Gesetzgeber kann nicht jeden Rechtssatz im theoretischen Sinn erlassen, darauf weist Thierfelder, Staatshaushaltsplan S. 183 richtig hin; vgl. auch Böckenförde, Gesetz S. 293 oben. 68 Vgl. im einzelnen die Darstellung der Ansichten Haenels bei Böckenförde, Gesetz S. 282 ff. (294); ebenso BVerfGE 8 S. 155 ff.; ähnlich Röttgen W D S t R L 16 S. 179; dagegen Jesch, Gesetz S. 155. 64 Vgl. Jesch AÖR 84 S. 82. 85 Vgl. Böckenförde, Gesetz S. 356 unten. 68 So Böckenförde, Gesetz S. 336 gegen Scheuner, Ausländische Erfahrungen S. 135. 87 Böckenförde, Gesetz S. 336. 88 Vgl. Scheuner, Ausländische Erfahrungen S. 135; Böckenförde, Gesetz S. 332; Menger W D S t R L 15 S. 3; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 1 S. 96. 88 Thoma, Vorbehalt S. 176 ff.; Jesch, Gesetz S. 17 ff. 70 Vgl. Anmerkung 68.

62

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

Zeit das Wesentliche und Charakteristische an der Positivierung des objektiven Rechts durch die staatliche Rechtsetzung i s t " 7 1 . ee) Die rechtsstaatliche Bindung der Organisationsgewalt an die Legislative nach L. Richter Auch Lutz Richter wandte sich zwar gegen die künstliche Verengung des Rechtssatzbegriffs durch seine Beschränkung auf Eingriffe i n Freiheit und Eigentum, wie sie von der herrschenden Meinung vorgeschlagen wurde. Er stellte der herrschenden Meinung aber keinen rechtstheoretischen Begriff des Rechtssatzes entgegen, sondern richtete seinen Begriff an der Idee des Rechtsstaates aus und blieb m i t dem so gewonnenen staatsrechtlichen Begriff auf der gleichen Ebene wie die herrschende Meinung. Allerdings — meinte er, daß auch rein tatsächliche Maßnahmen nach außen w i r k e n 7 2 . Jede Änderung der staatlichen Organisation berühre immer auch die Stellung des Bürgers, sobald es sich u m einen Zweig staatlicher Tätigkeit handele, der nach außen überhaupt wirksam werde 7 8 . Die Organisation des Staates habe für das wirkliche Aussehen seiner Rechte und Pflichten entscheidende Bedeutung und sei also eine Rechtsfrage. Sie werde daher durch Rechtssätze erledigt. Es sei eine rechtsstaatliche Forderung, daß sie formell gesetzlich geregelt werde 7 4 , womit Richter allerdings eine Übertragung organisatorischer Rechtsetzungsmacht auf Verwaltungsorgane nicht ausschließt 75 . Festzuhalten ist aber, daß auch Richter solchen Maßnahmen, wie sie oben unter dem Begriff der Einrichtung von Behörden zusammengefaßt wurden, den Rechtssatzcharakter abspricht 76 . ff) Der Begriff des Rechtssatzes i n der Wandlung vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat Forsthoff wendet sich wie Richter ebenfalls gegen den herkömmlichen Rechtssatzbegriff. Nach seiner Ansicht ist die Bestimmung des Rechtssatzes an Hand der Freiheits- und Eigentumsklausel zwar für die verfassungsrechtliche Situation zur Zeit Anschütz' richtig gewesen, kann heute aber nicht mehr zutreffen 7 7 . Diese richtige Auffassimg beruht auf 71

Vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht S. 150. Es sei z. B. für den Steuerpflichtigen nicht gleichgültig, ob das für ihn zuständige Finanzamt i m Stadtinneren oder in einer fernen Vorstadt liegt, so L. Richter S. 11. 78 L. Richter S. 17. 74 L. Richter S. 13. 75 L. Richter S. 15. 78 L. Richter S. 15. 77 Forsthoff, Lehrbuch S. 121; BVerfGE 8 S. 155 ff.; auch Imboden, Gesetz S. 42. 72

I

Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat

der Tatsache, daß m i t der immer stärkeren Industrialisierung und den damit zusammenhängenden soziologischen Veränderungen sich auch der Staat vom liberalen zum sozialen (Rechts)staat gewandelt hat 7 8 . Es geht heute nicht mehr allein darum, die gegenseitigen Rechtssphären zwischen Staat und Gesellschaft durch Rechtssätze gegeneinander abzugrenzen 78 , sondern die Interessensphären des Staates und der Gesellschaft durchdringen sich gegenseitig und sind i n immer zunehmenderem Maße aufeinander angewiesen 80 . Der einzelne bedarf der Hilfe des Staates zur Daseinsbewältigung, und der Staat bedarf der Hilfe aller i n der gemeinsamen Aufgabe dieser Daseinsgestaltung 81 . Während früher der einzelne seine Freiheit und sein Eigentum nur durch staatliche Eingriffe bedroht sah, werden diese Güter heute i n weit stärkerem Maße durch positive Leistungen — durch das Bereitstellen von Wohltaten — seitens des Staates beeinflußt und sind von diesem abhängig 82 . I n diesem Bereich bedarf der einzelne daher weit mehr des Schutzes, als er i h n heute noch vor staatlichen Eingriffen i m herkömmlichen Sinne bedarf 8 8 . Doch nicht nur der Bereich des staatlichen Dürfens und Könnens, sondern auch der des staatlichen Müssens bedarf einer Abgrenzung 8 4 . Das herkömmliche Eingriffsschema vermag die komplizierten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse heute nicht mehr zu erfassen 85 . Vielmehr entspricht es der dargelegten Situation, das Erfordernis des Rechtssatzes auf alle Außenfunktionen — d. h. auf alle Bereiche, i n denen der Staat m i t dem einzelnen i n Berührung kommt —, auszudehnen 86 . Zu weit würde es allerdings führen, wenn man alle allgemeinen abstrakten Vorschriften, die i n den Außenbereich des Staates führen, als Rechtssätze bezeichnen und dementsprechend eine gesetzliche Regelung verlangen wollte 8 7 . Denn oft ist es nur eine Frage der Formulierung, nicht aber der Sache, ob eine Vorschrift abstrakt und allgemein oder konkret formuliert wird. Z u m anderen würde dies aber den ohnehin 78 Forsthoff, Lehrbuch S. 121; derselbe, Rechtsstaat im Wandel S. 33; Böckenforde, Gesetz S. 342. 78 Dahin gehen die verschiedenen Gesetzesvorbehalte im Grundrechtsteil des GG, vgl. H. Huber, Niedergang S. 76. 80 Vgl. Lepsien Diss. S. 149. 81 Imboden, Gesetz S. 42; Röttgen, Spielraum S. 44 f., der darauf hinweist, daß der Haushalt des sozialen Rechtsstaates die Funktion eines sozialen Clearing übernommen habe. 82 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch S. 121; Lepsien Diss. S. 151; Röttgen, Spielraum S. 45; BVerwGE 6 S. 282; V G H Kassel in DVB1. 1963 S. 443, 446. 88 Forsthoff a.a.O. 84 Vgl. Lepsien Diss. S. 152. 85 Czermak NJW 1961 S. 1760; Forsthoff a.a.O.; Lerche N J W 1961 S. 1758. 88 Forsthoff a.a.O. S. 122. 87 Imboden, Gesetz S. 39.

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung schon stark überlasteten Gesetzgeber überfordern und die Verwaltung ihrer eigentümlichen Funktion berauben. Von der veränderten Situation des Staates ausgehend, bedarf es vielmehr einer Neubesinnung über die Verteilung der Funktionen zwischen Legislative und Exekutive. Dabei ist einmal darauf zu achten, daß zwischen beiden Staatsgewalten eine ausgewogene Balance herrschen muß, zum anderen aber die Funktionen beider Gewalten nicht nur politisch, sondern inhaltlich bestimmt werden müssen. I n diesem Sinne können, Böckenförde 88 folgend, die Abgrenzungen von Gesetzgebung und Verwaltung, wie sie sich bei Lorenz von Stein8® und Stahl 9 0 finden, Gesichtspunkte für eine sinnvolle Funktionenaufteilung zwischen Legislative und Exekutive geben. Der Gesetzgebimg obliegt danach die Begründung und Ausformung statusbezogener Rechtsverhältnisse sowie die Festlegung institutioneller Ordnungen für die verschiedenen Lebensbereiche. I h r obliegt es i n diesem Rahmen, der materiellen Gerechtigkeit zu dienen 91 , indem sie allgemeine dauerhafte Normen setzt und so das Recht gestaltet und fortbildet. Das Parlament als das verfassungsmäßige Organ der Legislative und immittelbar gewählte Repräsentation des Volkes übt auf diese Weise die i h m nach dem Grundgesetz eingeräumte Funktion staatsleitender Gestaltung und Führung des Staates aus 92 . Nur wenn sich die Legislative auf die grundsätzliche dauerhafte Rechtsetzung beschränkt, w i r d erreicht, daß neben ihr auch der Exekutive ein eigenständiger Tätigkeitsbereich zukommt. Allein auf diese Weise w i r d das politische Ziel der Gewaltenteilung erreicht, mehrere gleich starke Kräfte gegeneinander sich gleichzeitig hemmend und anregend zu balanzieren. Der Exekutive obliegt es demgegenüber, innerhalb dieser ausgeformten Rechtsverhältnisse und Ordnungen zweckbestimmte von den Umständen abhängige Maßnahmeanordnungen zu erlassen 98 . So w i r d einerseits der sozialgestaltenden Verwaltung die notwendige Handlungsfreiheit gewährt, die ihr als selbständigem Organ der vom Volke ausgehenden Staatsgewalt gebührt (Art. 20 I), während andererseits die Legislative von Aufgaben entlastet wird, deren Effekt i m Einzelfall von ihr nicht mehr zu übersehen ist. 88

Böckenförde, Gesetz S. 341; derselbe, Organisationsgewalt S. 81 f. L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre Teil 1, 3. Aufl. Stuttgart 1888 S. 102. 90 Böckenförde, Gesetz S. 175 und die dort wiedergegebenen Gedankengänge Stahls. 91 Vgl. auch Krüger in Festgabe für Smend S. 230. 91 Scheuner, Ausländische Erfahrungen S. 138; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht S. 97 ff., S. 100; Obermayer, Verwaltungsakt S. 118; Lerche NJW 1961 S. 1758 (1759); Imboden, Gesetz S. 39. 98 Vgl. Scheuner a.a.O. S. 139. 89

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat

5

gg) Der Begriff des Rechtssatzes heute Der Rechtssatz ist Teil der die gesamte Rechtswirklichkeit umspannenden Rechtsordnung 94 . Er hat damit zunächst eine Ordnungsfunktion. Seine Aufgabe ist es, die Abgrenzung und Zusammenordnung gesellschaftlich wirksamer Willenskräfte vorzunehmen 96 , indem er durch generelle und abstrakte 9 6 9 7 Normen ordnend i n den Sozialbereich eingreift. Indem er an einen bestimmten Tatbestand eine bestimmte Rechtsfolge k n ü p f t 9 8 und auf eine gewisse Dauer gemünzt ist 9 9 , soll er die Voraussehbarkeit rechtlicher Einzelerscheinungen sicherstellen 100 . Er wendet sich m i t diesem Ziel an jeden, den es angeht oder angehen w i r d 1 0 1 und legt i h n i n dem geordneten Bereich auf die Ziele des Gesetzgebers fest. hh) Die Unterscheidung von sachlichen und organisatorischen Normen nach Forsthoff Von diesen Überlegungen nimmt Forsthoff ausdrücklich die organisatorischen Vorschriften aus 1 0 2 . Diese wirkten sich auf ganz andersartige Weise für die Allgemeinheit aus als Verhaltensnormen. Während das Wesen der Verhaltensnormen i n der Allgemeinheit liege, bestehe das der Organisationsnorm i n der Abstraktheit. Die Verhaltensnorm gelte ohne Rücksicht auf ihren Vollzug, die Organisationsnorm werde durch den einmaligen Vollzug konsumiert. Die rechtsstaatliche Garantie liege für die Organisationsnorm i n der politischen Verantwortlichkeit der Exekutive gegenüber der Volksvertretung. Darüber hinaus erfordere das Rechtsstaatsprinzip nicht die Bindung der Verwaltungsorganisation an den Rechtssatz. Der Bereich des staatlichen Handelns sei durch die generellen Normen (Verhaltensnormen) bereits völlig begrenzt. • 4 Obermayer a.a.O. S. 76; vgl. ferner Art. 70 I BayVerf; Art. 45 BlnVerf; Art. 32 NdsVerf. 95 Haenel, Gesetz i m formellen und materiellen Sinne S. 122; Schmidt (Franz) Diss. S. 20; Fleiner, Institutionen S. 63 Anm. 44. 96 Dabei soll hier nicht auf den Unterschied zwischen Norm- und Maßnahmegesetzen eingegangen werden, dazu Forsthoff, Lehrbuch S. 9. 97 Das schließt nicht aus, daß die abstrakte Norm i m Einzelfall tatsächlich nur für eine ganz bestimmte Behörde g i l t 98 Obermayer, Verwaltungsakt S. 76; H. Huber, Demokratie und Rechtsstaat S. 81. 99 H. Schneider, Festschrift für C. Schmitt S. 159. 100 Obermayer, Verwaltungsakt S. 76; H. Huber, Demokratie und Rechtsstaat S. 81. 101 Drews-Wacke S. 160. 102 Forsthoff, Körperschaft S. 39; aber Röttgen W D S t R L 16 S. 169, der die Möglichkeit einer trennscharfen Unterscheidung zwischen Aktion und Zuständigkeit bezweifelt; Böckenförde, Organisationsgewalt S. 8 6 1

5 Hohrmann

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung Auch Forsthoff vermag jedoch den Verordnungen, die eine Behörde einrichten und m i t Zuständigkeiten versehen, soweit sie nach außen w i r ken, eine Rechtswirkung nicht abzusprechen 103 . Nur sieht er sie nicht als Rechtssätze an, w e i l sie nicht immittelbar i n Freiheit und Eigentum eingreifen 1 0 4 . Diese Begründung Forsthoffs erscheint inkonsequent, wenn man bedenkt, daß er zuvor ausführte, man dürfe den Rechtssatzbegriff nicht auf die Freiheits- und Eigentumsklausel beschränken, sondern müsse sie auf alle Außenfunktionen der Verwaltung ausdehnen 105 . Was i m Bereich der sachlichen Vorschriften gilt, muß jedoch m i t gleichem Recht auch für die Vorschriften gelten, die die Zuständigkeiten zur Ausführung der sachlichen Vorschriften bilden. Ein materieller Unterschied zwischen sachlichen Normen und solchen, die eine Behörde i m oben definierten Sinne bilden, besteht nicht. Die Vorschriften über die Bildung einer Behörde richten sich weder nur an die Verwaltung, noch werden sie durch die Errichtung der Behörden konsumiert. Vielmehr wenden sie sich i m gleichen Maße an den Bürger, indem sie i h n verpflichten und berechtigen, sich m i t bestimmt umgrenzten Anliegen an die „zuständige" Behörde zu wenden 1 0 6 . Auch diese Vorschriften bestimmen daher das richtige Verhalten des einzelnen und haben damit die gleiche W i r k i m g wie die übrigen Verhaltensnormen. Sie gelten ebenso abstrakt und allgemein wie diese. Denn auch die Vorschriften über die Bildung einer Behörde betreffen jeden, den es angeht. So scheinen denn auch die Ausführungen Forsthoffs mehr darauf hinauszulaufen, juristisch zu begründen, was er verwaltungspolitisch für richtig hält: das eigenständige Organisationsverordnungsrecht der Verwaltung. Zwar ist es richtig, daß der moderne Staat m i t seinen vielfältigen Aufgaben i n seiner Verwaltung „einer gewissen organisatorischen Elastizität" bedarf, u m seine Organisation den vielfältigen Aufgaben anzupassen 107 . Dem steht aber das Interesse des Bürgers daran gegenüber, daß gerade die immer komplizierter werdende und weiter i n seine Sphären eindringende Verwaltung i n ihrem grundsätzlichen Aufbau durch Rechtssätze geregelt w i r d ; denn nur so w i r d die Verwaltung für i h n einigermaßen überschaubar gemacht und kann das Parlament auf der anderen Seite seiner Aufgabe, den Staat politisch zu gestalten und zu führen, gerecht werden. Für die W i r k i m g eines Gesetzes 103

Forsthoff, Lehrbuch S. 386. Forsthoff, Lehrbuch S. 386. 105 Forsthoff a.a.O. S. 122. 106 Nawiasky, Bayerisches Verfassungsrecht S. 343; Spanner DoV 1957 S. 647 ff.; Obermayer JZ 1956 S. 626; G. Jellinek, System S. 230; Jesch AöR 84 S. 84 Anm. 23. 107 Forsthoff, Lehrbuch S. 381; Röttgen W D S t R L 16 S. 172; Jesch AöR 84 S. 91 (V, 2); Spanner DöV 1957 S. 640 (642); Stern BayVBl. 1960 S. 181; Dressler Diss. S. 38 f.; Lerche in N J W 1961 S. 1758 (1759). 104

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilenden Bundesstaat

67

kommt es nicht nur auf dessen sachliche Vorschriften, sondern i m entscheidenden Maße auch darauf an, welche Behörde es wie ausführt. Bei der Beschlußfassung über den Staatshaushalt kann die Legislative zwar die Posten für bestimmte Behörden streichen oder einfügen, nicht aber auf die Zuständigkeiten und die Ausgestaltung der Behörden Einfluß ausüben 108 . Es ist daher erforderlich, daß die Legislative i n grundsätzlichen Fragen unmittelbar durch Rechtssätze auf den Behördenaufbau des Staates einwirken kann und muß 1 0 9 . c) Die Bildung von Behörden als Rechtssatz Aus alledem folgt, daß die Bildung von Behörden Rechtssatzcharakter h a t 1 1 0 und damit der Legislative zusteht 111 , wenn die Behörde m i t Eingriffsrechten gegenüber dem einzelnen ausgestattet w i r d 1 1 2 oder i m Bereich der Leistungsverwaltung durch die Bildung der Behörden grundsätzliche Fragen des staatlichen Aufbaus geregelt werden 1 1 3 und die Regelung über den innerdienstlichen Bereich hinaus i n den Sozialbereich übergreift 1 1 4 . d) Die Errichtung

von Behörden als Organisationsakt

Ähnlich umstritten ist die Einordnung der Errichtung von Behörden. M i t den verschiedensten Begründungen kommt man zu zwei sich entgegenstehenden Ergebnissen. Nach der einen Ansicht hat die Errichtung 108

Vgl. dazu Stern BayVBl. 1960 S. 181; Sembritzki Diss. S. 63 f.; BöckenOrganisationsgewalt S. 107 ff. (114). 109 Vgl. Maunz-Dürig Art. 86 Rdn. 17, Abschn. 5c „Formelle Gesetzmäßigkeit der Verwaltung"; vgl. dazu Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts Bd. 1, Zürich 1960 S. 18, 243 f. 110 Schmidt (Franz) Diss. S. 20, 21, 27; Sembritzki Diss. S. 30 f.; Triepel, Reichsauf sieht S. 585; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 97; B a y V G H in DöV 1964 S. 22; J. Rousseau, D u Contrat Social I I I . livre 17me chapitre; dagegen Forsthoff, Lehrbuch S. 386; H. Schneider, Festschrift für C. Schmitt S. 164; Haas AöR 80 S. 93 Anm. 32. 111 Kelsen, Hauptprobleme S. 541: Das Gesetz ist die notwendige Form des Rechtssatzes. Die Bildung von Behörden sieht er allerdings nicht als Rechtssatz an, S. 566 a.a.O. BVerwGE 6 S. 247 (249) und BVerwGE in DVB1. 1962 S. 371, ohne die Frage jedoch endgültig zu entscheiden; Badura in DöV 1963 S. 561; Jesch, Gesetz S. 155. 111 Vgl. Scheuner, Ausländische Erfahrungen S. 142; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 97. 118 Für eine Gleichbehandlung von Eingriffs- und Leistungsverwaltung Forsthoff, Lehrbuch S. 375; Spanner DöV 1957 S. 642; W. Weber W D S t R L 16 S. 244, 250; Jesch, Gesetz S. 156; a. A. Röttgen W D S t R L 16 S. 174; BVerfGE 8 S. 155 ff. 114 Jesch AöR 84 S. 84, 86; derselbe, Gesetz S. 155; Triepel, Reichsauf sieht S. 585; Obermayer, Verwaltungsakt S. 118; Spanner DöV 1957 S. 640 ff.; BayVGH DöV 1964 S. 22; Rasch, Verwaltungsorganisation S. 12. förde,

5*

8

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

Hechtssatzcharakter 115 . Die andere Ansicht verneint den Rechtssatzcharakter und beschreibt die Errichtung als einen bloßen Exekutivakt. Diese Meinungen bildeten sich aber, ohne daß man streng zwischen der konkreten Errichtung und der abstrakten Bildung von Behörden unterschied, sondern entweder auf den einen oder anderen Bereich des Organisationsrechts zutreffende Gesichtspunkte gegeneinander ins Feld führte. Dies berücksichtigend w i r d man der konkreten Errichtung von Behörden nicht den Charakter eines Rechtssatzes zusprechen können, sondern sie als Organisationsakt auffassen müssen 116 . Zwar kann die Errichtung der Behörde zeitlich m i t der Bildimg zusammenfallen. Die Errichtung als solche hat aber weder einen abstrakten, generellen Charakter, noch hat sie irgendwelche Wirkungen für die Rechtsstellung des einzelnen. e) Die Einrichtung

von Behörden als Organisationsakt

Das Gleiche gilt für die Einrichtung der Behörden. Sie ist lediglich für den internen Bereich der Verwaltung von Bedeutung, hat daher keinen Rechtssatzcharakter und ist der Exekutive vorbehalten 1 1 7 . f) Die Bildung

von Selbstverwaltungskörperschaften als Akt der Legislative

Wenn auch die Selbstverwaltungskörperschaften nicht unmittelbare Staatsbehörden sind, so gelten doch auch für sie die zuvor entwickelten Grundsätze 118 . Einmal enthält die Bildung von Selbstverwaltungskörperschaften i n vielen Fällen einen Eingriff i n Freiheit und Eigentum der Korporationsmitglieder. Schon aus diesem Grunde kann die Bildung von Körperschaften nur durch einen Rechtssatz erfolgen 1 1 9 . Zum anderen steht die Selbstverwaltungskörperschaft dem Staat als selbständige Rechtspersönlichkeit gegenüber. Zwischen i h m und der Selbstverwaltungskörperschaft entsteht ein Rechtsverhältnis, das aber nur auf Grund von Rechtssätzen gebildet werden kann. Ferner schafft der Staat durch die Bildung (abstrakte Zuweisung von Zuständigkeiten) die Grundlage für die Übertragung staatlicher Hoheitsbefugnisse, sei es i m Bereich 116 Vgl. Hamann in N J W 1956 S. 1 (3). Ii« vgl. Forsthoff, Lehrbuch S. 385; Menger W D S t R L 15 S. 15; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 99; Uie, Lehrbuch S. 101; B a y V G H in DVB1.1960 S. 401; a. A. Hess V G H in DöV 1957 S. 751. 117

Schmidt (Franz) Diss. S. 31. Vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt S. 95 ff., der diese Frage unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen und institutionellen Gesetzesvorbehalts löst. 119 Böckenförde, Organisationsgewalt S. 95. 118

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat eines besonderen Gewaltverhältnisses, sei es gegenüber Dritten, auf dem Staat gegenüber weitgehend verselbständigte Hoheitsträger 120 . Diese Begebung von Hoheitsbefugnissen geht über die „Organisationsgewalt" der Exekutive hinaus und bedarf bereits aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der Grundlage eines Rechtssatzes 121 . Nicht nur vermindert der Staat seine Haftung gegenüber dem einzelnen 122 , sondern auch der Stil der Verwaltung w i r d erheblich geändert, wenn staatliche Hoheitsbefugnisse anstatt vom Staat selbst von selbständigen Selbstverwaltungskörperschaften ausgeübt werden. Da aber hauptsächlich die Legislative i n den grundsätzlichen Fragen der politischen Gestaltung und Führung des Staates entscheidet, muß es ihr auch überlassen bleiben zu entscheiden, ob eine Aufgabe von staatlichen oder Selbstverwaltungsorganen durchgeführt wird. Die Bildung von Selbstverwaltungskörperschaften gehört demnach i n den Bereich der Legislative 1 2 2 . Die konkrete Errichtung von Selbstverwaltungskörperschaften ist dagegen ein Organisationsakt und fällt i n den Bereich der Exekutive 1 2 4 . g) Die Verfassungspraxis Die Verfassungspraxis hat die Bildung von unmittelbaren Staatsbehörden nicht immer als Aufgabe der Gesetzgebung angesehen. Nach der Verfassung von 1871 stand die Bildung von Behörden für das Reich grundsätzlich dem Kaiser zu 1 2 6 . Während der Weimarer Reichsverfassung von 1919 hatte grundsätzlich der Reichspräsident eine umfassende Organisationsgewalt inne 1 2 6 , i n den Ländern stand sie den Staatsministerien zu. Daher wurden die meisten Behörden i n dieser Zeit durch Regierungsanordnungen geschaffen 127 . Demgegenüber wurden die Selbstverwaltungskörperschaften i m Reich sowohl von 1871 und von 1919 nur durch 120

Forsthoff, Lehrbuch S. 384. Forsthoff, Lehrbuch S. 432; Böckenförde, Organisationsgewalt S. 95; Lynker Diss. S. 32; H. W. Wolff Diss. S. 46, 54; ähnlich HessVGH VerwRspr. 4 S. 565. 122 Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 98. 123 Forsthoff, Lehrbuch S. 432; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. 1 S. 64; Köttgen W D S t R L 16 S. 172,185; O. Mayer, Verwaltungsrecht Bd. 2 S. 334; Lynker Diss. S. 33; W. Weber, Körperschaften S. 27 (nur durch Rechtsetzungsakte obersten Ranges). 124 Vgl. Langkopf Diss. S. 57; Ule, Lehrbuch S. 101. 125 Vgl. dazu i m einzelnen Schmidt (Franz) Diss. S. 32; Zorn, Reichsstaatsrecht 2. Aufl. Bd. 1 S. 289; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. 1 S. 62. 124 § 8 GeschORReg und § 65 GGO I I . 127 Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 95; E. R. Huber a.a.O. Vgl. aber in Preußen die Verwaltungsreformgesetze der Jahre 1872—1886 und insbesondere das preußische Landesverwaltungsgesetz vom 30. Juli 1883 (GS 1883 Nr. 8951 S. 195). 121

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung Gesetze gebildet. Eine Ausnahme bildet die Zeit des Dritten Reiches, während der nicht nur zahlreiche unmittelbare Staatsbehörden, sondern auch viele Selbstverwaltungskörperschaften durch einen einfachen Organisationsakt gebildet und errichtet wurden. I n der Verfassungspraxis des Grundgesetzes wurden auf Bundesebene die meisten Behörden durch Gesetz gebildet 1 2 8 . Das Grundgesetz sieht sogar i n bestimmten Fällen vor, daß auch die Errichtung der Behörden durch Gesetz zu erfolgen hat (Art. 87 I, 2, 87 I I I 1 GG). A u f Landesebene hat der B u n d bisher die Behörden nur durch Gesetz gebildet. Das gilt namentlich auch für die Selbstverwaltungskörperschaften. I n einigen Fällen hat er aber auch Selbstverwaltungskörperschaften durch Rechtsverordnung 129 und durch einfachen Organisationsakt 1 8 0 m i t bestimmten Aufgaben betraut. 4. Die Aufteilung der Organisationsgewalt zwischen Bund und Ländern

Die vorhergehenden Ausführungen haben gezeigt, daß das Grundgesetz keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Aufteilung der Organisationsgewalt zwischen der Legislative und der Exekutive enthält, sondern daß man eine derartige Aufteilung nur aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes heraus vornehmen kann. Dagegen äußert sich das Grundgesetz i n einigen Vorschriften ausdrücklich darüber, wie die Organisationshoheit zwischen Bund und Ländern verteilt ist. Danach steht dem B u n d auf dem Gebiete der Bundesverwaltung (Art. 86 f.) und den Ländern auf dem Gebiete der Landesverwaltung (Vollzug von Landesgesetzen und nicht gesetzesakzessorischer Verwaltung) die volle Organisationshoheit zu. Abgesehen von dieser grundsätzlichen Trennung überschneiden sich die Organisationshoheit des Bundes und der Länder i n den Fällen der A r t . 74 Ziff. 1 GG (Gerichtsverfassung und Gerichtsverfahren), A r t . 108 I I I GG (Aufbau der Landesfinanzbehörden) und i n A r t . 84, 85 (Ausführung der Bundesgesetze dürch die Länder). Während i n den Fällen der A r t . 74 Ziff. 1 und 108 I I I GG die Organic sationshoheit zwischen Bund und Ländern nach den Gesichtspunkten der konkurrierenden Gesetzgebung aufgeteilt w i r d 1 8 1 , besteht hinsichtlich der hier besonders interessierenden A r t . 84, 85 GG eine eigenartige Verzahnung der Organisationshoheit zwischen Bund und Ländern 1 8 2 . Darüber, wie diese Verzahnung i m einzelnen aufzuschlüsseln ist, bestehen 128

Hamann in NJW 1956 S. 1; Maunz-Dürig Art. 87 Rdn. 55; kritisch zu dieser Praxis Röttgen W D S t R L 16 S. 172. 129 Vgl. oben 2. Kapitel, I, 2, a (6); § 5 I BLG, § 51 I Nr. 1 lit. b EStG; § 1 I V Ges. z. vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern. 180 § 16 FinVerwG. 181 Vgl. für Art. 108 G G Maunz-Dürig Art. 108 Rdn. 40. 182

Nawiasky, Grundgedanken S. 45; Röttgen DöV 1955 S. 485.

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat

7

beträchtliche Meinungsverschiedenheiten. Das beginnt bereits bei der Frage, ob auch die uns interessierenden Selbstverwaltungskörperschaften unter den Behördenbegriff des A r t . 84 GG fallen. a) Der Behördenbegriff in Art. 84, 85 GG und die landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften Vom Wortlaut des Grundgesetzes ausgehend ist zunächst auf A r t . 87 GG hinzuweisen. Hier w i r d ausdrücklich betont, daß der Bund i n A n gelegenheiten, für die i h m die Gesetzgebung zusteht, neue bundesunmittelbare Körperschaften durch Gesetz errichten kann. Eine entsprechende Regelung besteht für die landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften nicht. Teilweise nimmt man an, der Grundgesetzgeber habe die landesunmittelbaren Selbstverwaltungskörperschaften bei der Redaktion des Grundgesetzes vergessen 183 , oder er habe die Regelung dieser Frage der Verfassungspraxis überlassen wollen. Einig ist man sich aber darüber, daß diese Frage durch die Auslegung der A r t . 83 ff. GG und Art. 70 ff. GG geklärt werden muß. Eines näheren Eingehens auf die verwaltungsrechtliche Bedeutung des Behördenbegriffs bedarf es hier nicht 1 8 4 . Gemeinhin versteht man unter einer Verwaltungsbehörde eine innerhalb des öffentlichen Verwaltungsbereichs auf Dauer gebildete organisatorisch-institutionelle Einheit, i n der das eingesetzte Personal m i t Hilfe der i h m zur Verfügung gestellten Mittel und vermöge der i h m eingeräumten Befugnisse einen i h m i m Rahmen der Zuständigkeitsordnung übertragenen Kreis von Aufgaben selbständig zu erfüllen h a t 1 8 5 . I m Gegensatz zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist die Behörde nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten, sondern nur Vollzugsorgan eines Verbandes 186 . Juristische Personen des öffentlichen Rechts haben Behörden, sind aber nicht selbst Behörden 1 8 7 . Daraus könnte man den Schluß ziehen, daß Selbstverwaltungskörperschaften nicht gemeint sind, wenn A r t . 84 I, 85 I GG von Behörden sprechen 138 . 188

Vgl. Haas AöR 80 S. 81 (97); Lynker Diss. S. 22. Vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt S. 31, zu den verschiedenen Behördenbegriffen. 185 I. A. a. E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. 1 S. 85; Forsthoff, Lehrbuch S. 386; Lerche, Gutachten S. 60 Anm. 142; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 22; Rasch VerwArch 50 S. 8; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 62 f.; RGSt E 18 S. 246; B G H Z in NJW 1957 S. 1673. 186 E. R. Huber a.a.O. S. 85. 187 Lynker Diss. S. 22; für die Gemeinden Berkenhoff in Weber-Berkenhoff S. 38. 188 Vgl. Hess-Venter, Handbuch Bd. 1 S. 252 unter Berufung auf ein unveröffentlichtes Gutachten von Peters; Haas AöR 80 S. 98; Huber Diss. S. 57 ff.; Zacher Gutachten S. 138. 184

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung Diese Ansicht ließe sich auch m i t einem argumentum e contrario aus A r t . 87 I I I S. 1, 90 I I GG stützen. Denn i n A r t . 87 I I I S. 1 GG werden neben selbständigen Bundesoberbehörden die bundesunmittelbaren Körperschaften als besondere Kategorie aufgeführt. Ähnliches gilt auch nach A r t . 90 I I GG i m Bereich der Länder, wo von den Ländern die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften unterschieden werden 18 *. Von dieser Ansicht ausgehend, könnte man entweder folgern, daß — sofern A r t . 84, 85 GG als für den Bund kompetenzbegründende Normen anzusehen sind — der Bund Selbstverwaltungskörperschaften weder bilden, errichten noch einrichten kann; oder man könnte schließen, daß — sofern A r t . 70 ff. GG als für den Bund kompetenzbegründende Normen anzusehen sind — der Bund Selbstverwaltungskörperschaften auf Landesebene durch einfaches Bundesgesetz bilden, errichten und einrichten kann, wenn er nach A r t . 73 ff. GG eine entsprechende materiell-rechtliche Zuständigkeit hat 1 4 0 . Denkbar wäre es aber auch, von der oben dargestellten Ansicht aus zu dem Schluß zu kommen, daß die Länder die Bundesgesetze nur durch unmittelbare Landesbehörden ausführen lassen, nicht aber die Ausführung von Bundesgesetzen auf Selbstverwaltungskörperschaften übertragen dürfen. Schon diese letzte Schlußfolgerung läßt vermuten, daß die Ansicht, die ihre Grundlage bildet, nicht richtig sein kann. Denn wenn auch die Selbstverwaltungskörperschaften eine eigene Rechtspersönlichkeit haben, so sind sie doch, wie oben i m 1. Kapitel bereits dargelegt, der staatlichen Verwaltung eingegliedert 141 und stellen nur eine besondere Sparte öffentlicher Verwaltung dar 1 4 2 . Es würde der föderalistischen Grundkonzeption des GG, wie sie i n Art. 20, 79 I I I , 30 GG zum Ausdruck kommt, widersprechen, wenn die Länder einem Teil ihrer Verwaltung bestimmte Aufgaben nicht übertragen könnten 1 4 8 . Der V I I I . Abschnitt des Grundgesetzes bedeutet gegenüber der WRV A r t . 14 eine Rückkehr zum föderalistischen Prinzip, nach dem gemäß A r t . 83 die Länder grundsätzlich die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen 144 . I n diesem Zusammenhang erscheinen A r t . 84 I und A r t . 85 I GG lediglich als Ausnahmevorschriften, deren Sinn verkehrt 139 Vgl. Maunz-Dürig Art. 90, Art. 25, der diesen Umkehrschluß ausdrücklich ablehnt. 140 Hess-Venter, Handbuch Bd. 1 S. 256; Haas AöR 80 S. 98, soweit die Selbstverwaltungskörperschaften keine Gesetze ausführen. 141 Anders z. B. Hess-Venter, Handbuch Bd. 1 S. 256. 141 Lynker Diss. S. 23, 48. 143 Lynker Diss. S. 23. 144 Bonner Kommentar Herrfahrdt Art. 83 Anm. I ; Verfassungsbeschwerde Dortmund N D V 1962 S. 120 ff.

I

Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat

7

würde, wenn der Bund durch einfache Bundesgesetze nach A r t . 73 ff. GG landesünmittelbare Selbstverwaltungskörperschaften bilden und errichten könnte. A u f diese Weise hätte der Bund die Möglichkeit, die unmittelbare Landesverwaltung i n weitem Maße auszuhöhlen und viele Verwaltungsgebiete der unmittelbaren Einflußnahme durch die Länder zu entziehen. Diese Möglichkeit hätte der Bund nicht ohne weiteres, wenn man unter dem Begriff „Behörden" i n A r t 84, 85 GG auch die mittelbare Staatsverwaltung, also auch die Selbstverwaltungskörperschaften verstünde. Röttgen 145 wies darauf hin, daß es nicht der bis i n das Kaiserreich zurückreichenden Tradition entspreche, einen Unterschied zwischen mittelbarer und unmittelbarer Staatsverwaltung zu machen 146 . Auch das Grundgesetz macht diesen Unterschied nicht, wenn es von „Behörden" spricht 1 4 7 . Das geht besonders aus einer Vorschrift wie A r t . 35 GG hervor, die nur halb so effektiv wäre, wenn von ihr nicht die mittelbare Staatsverwaltung ebenfalls erfaßt würde 1 4 8 . Wenn auch das Grundgesetz teilweise einen Unterschied zwischen z.B. Bundesbehörden und bundesunmittelbaren Körperschaften oder zwischen Ländern und den nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften macht, so geht es doch grundsätzlich von einem zweistufigen Aufbau der öffentlichen Verwaltung aus, deren Träger auf der einen Stufe der Bund und auf der anderen Seite die Länder sind 1 4 9 . „Behörden" sind daher einfach als eine Form der Verwaltung zu verstehen. Somit unterfällt auch die mittelbare Staatsverwaltung den A r t i k e l n 83 ff. GG 1 6 0 . Da die Selbstverwaltungskörperschaften eine Form mittelbarer Staatsverwaltung sind, werden auch sie von den Vorschriften der A r t . 83 ff. GG erfaßt 1 5 1 . Die Selbstverwaltungskörperschaften gliedern jeweils nur die nach außen einheitliche Verwaltungsebene nach innen 1 6 2 . Einige Autoren vertreten jedoch die Meinimg, daß von dieser grundsätzlichen Regel für die Gemeinden eine Ausnahme gelte 1 5 8 . Die Gemein145

Röttgen, Gemeinde S. 73. Vgl. RGewO i. d. F. der Bekanntmachung v. 26.7.1900 RGBl. S. 871 ff., §§ 13 I I , 69, 76; Reichsjugendwohlfahrtsgesetz v. 9.7.1922 RGBl. S. 633 § 8; Gesetz über die Errichtung örtlicher Arbeitsnachweisämter v. 22.7.1922 RGBl. S. 654 ff. §§ 2—14; R A O v. 22. 5.1931 RGBl. S. 161 §§ 26, 27. 147 v. Hausen-v. d. Heide DöV 1958 S. 755; v. Hausen DöV 1960 S. 442; Röttgen JöR 3 S. 90; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 23. 148 Vgl. Dahlinger DöV 1961 S. 938; Giese-Schunck Art. 35 I I 2; v. Hausen DöV 1960 S. 441 (442). 148 Röttgen DSV 1951 S. 346; Maunz-Dürig Art. 83 Rdn. 28; Rasch, Verwaltungsorganisation S. 83. 150 Röttgen DSV 1951 S. 347; v. Hausen DöV 1960 S. 441; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 23; Schäfer DöV 1960 S. 641 ff. 151 Gebhardt-Forsthoff, Gutachten S. 26; abweichend Klein, Gemeinschaftsaufgaben S. 146 Anm. 61. 152 Röttgen DSV 1951 S. 346. 158 Klein, Gemeinschaftsaufgaben S. 149 Anm. 61, wenn die Gemeinden als Selbstverwaltungskörperschaften agieren und behandelt werden. 146

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung den seien dem Staat nicht eingegliedert, sondern bestünden neben ihm und vor i h m 1 6 4 . Daß diese Ansicht heute nicht mehr zu halten ist, wurde bereits oben eingehend dargestellt 1 6 5 . Auch das Grundgesetz vertritt diese Ansicht selbst dann nicht, wenn es i n einzelnen Vorschriften die Gemeinden besonders erwähnt (Art. 28 I, I I ; 105 I I I ; 106 V I , V I I , V I I I ; 107 I I ; 108 I I I S. 4) und ihnen besondere Rechte und Pflichten gewährt. Damit trägt es nur der besonderen Bedeutung der Gemeinden als kleinster Zelle innerhalb des demokratischen Staatsaufbaus Rechnung, ohne sie aber als von den Ländern unabhängige dritte Säule des demokratischen Staatsaufbaus anzuerkennen 156 . Vielmehr gelten die Gemeinden vom Bunde aus gesehen als Teil der Landesverwaltung 1 6 7 , was z. B. auch i n Vorschriften wie A r t . 28 1 5 8 , A r t . 106 V I I I , A r t . 107 I I und A r t . 108 I I I S. 4 GG zum Ausdruck kommt und zur Folge hat, daß die Gemeinde i n den Bereich der A r t . 84, 85 GG gehört 1 5 9 . Das erscheint vor allen Dingen auch unter dem Gesichtspunkt richtig, daß Art. 84, 85 GG ganz allgemein die Einflußnahme des Bundes auf die Landesverwaltung behandelt, es aber unwahrscheinlich ist, daß hier ein Teil der den Ländern unterstellten Verwaltungsbereiche nicht m i t erfaßt werden sollte. Wenn der Bund daher die Gemeinden m i t Aufgaben betraut, so handelt es sich i m Grunde genommen u m eine Inpflichtnahme der Gemeinden für Länderzwecke 160 . Die Ausführung bleibt dem Bunde gegenüber nach wie vor Aufgabe der Länder. 164 Vgl. noch Verfassungsbeschwerde der Stadt Dortmund in N D V 1962 S. 120 ff.: „Die Gemeinden sind nicht Staat, sondern ebenso eine Kraft der freien Gesellschaft wie die Träger der freien Wohlfahrtsverbände." 155 Vgl. oben 1. Kapitel, I. 156 Hettlage FinArch 14 S. 405; Jesch DöV 1960 S. 739; Stern JZ 1962 S7 297 (301); derselbe, JR 1963 S. 202; Ziebill DStT 1954 S. 315; a. A. Jobst BayVBl. 1960 S. 301; derselbe, BayBürgermeister 1962 S. 153 ff., aber derselbe, BayVBl. 1960 S. 201; Neuhoff DöV 1952 S. 259. 157 Gönnewein, Gemeinderecht S. 32; Röttgen DSV 1951 S. 347; derselbe, JöR 3 S. 90; derselbe in N D V 1959 S. 315; Maunz- Dürig Art. 30 Rdn. 11; Maunz BayVBl. 1960 S. 205. (206).; Röttgen, Gemeinde S. 15. 158 Die Rahmenbestimmung des Art. 28 setzt voraus, daß für diesen Bereich die Länder zuständig sind. Andernfalls hätte ihre Bindung an einen Rahmen keinen Sinn, vgl. BVerfGE 1 S. 208 (236); v. Mangoldt DöV 1950 S. 573; Lerche, Gutachten S. 71 Anm. 177. 159 Böhm DVB1. 1953 S. 321 (323); Gebhardt-Forsthoff, Gutachten S, 26; Görg DöV 1961 S. 41 ff.; Göb Diss. S. 107 (108); Gönnewein, Gemeinderecht S. 166; Forschbach DVB1. 1953 S. 331 (332); Haas VerwArch 49 S. 14 (23); Bonner Kommentar Herrfahrdt Art. 83 Erl. I I 2; v. Hausen DöV 1960 S. 441 (442); Röttgen, Gemeinde S. 15, 74; derselbe JöR 3 S. 90; Reßler DVBl. 1953 S. 1 (4); MaunzDürig Art. 84 Rdn. 24, Art. 85 Rdn. 12, Art. 30 Rdn. 11; Müller VerwArch 54, S. 170 ff.; Ottinger Diss. S. 40; Rasch, Verwaltungsorganisätion S. 88; Lerche, Gutachten S. 60 Anm. 142; Happe Diss. S. 114; Klein, Gemeinschaftsaufgaben S. 149, 150 Anm. 61 mit gewichtigen Einschränkungen; mit Einschränkungen auch Hub er Diss. S. 68; Schäfer DöV 1960 S. 641 (647); Gütachten des Rechtsäusschusses des Bundesrates nach v. Hausen DöV 1960 S. 441; BadVGH VerwRspr. 4 S. 197 (200 f.). 180 Ottinger Diss. S. 40.

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilenderi Bundesstaat b) Die Bedeutung der Worte „Einrichtung in Art 84 I, 85 I GG

75

der Behörden"

Nachdem somit feststeht, daß die Selbstverwaltungskörperschaften i n den Bereich der A r t . 84, 85 GG fallen und damit jedenfalls auch direkten Bundeseinflüssen ausgesetzt sein können, bleibt zu klären, wieweit die organisatorischen Möglichkeiten des Bundesgesetzgebers i n bezug auf die Selbstverwaltungskörperschaften gehen. Das hängt entscheidend auch davon ab, was unter dem Wort „Einrichtung (der Behörden)" zu verstehen ist1®1. Hier gehen die Meinungen weit auseinander, und man ist sich nicht einmal darüber einig, daß die Einrichtung der Behörden wenigstens die Einrichtung i m technischen Sinne umfaßt 1 6 2 . Während einige Autoren von einer reinen Interpretation des Wortlautes ausgehen, versuchen andere, der Bedeutung des A r t . 84 I GG auf Grund der Verfassungstradition durch die Auswertung der Materialien des Grundgesetzes oder aus der Systematik des Grundgesetzes heraus beizukommen. aa) Die Interpretation nach dem Wortlaut Vor allem Kratzer 1 6 8 meint, daß i n einer Verfassung verschiedene Begriffe Verschiedenes bedeuten müßten und weist daher auf den unterschiedlichen Gebrauch der Worte „Einrichtung der Behörden" i n Art. 84 I, 85 I, 86 GG, und Behörden werden „errichtet" in A r t . 87 I I I GG hin. Würde man nämlich i n A r t . 86 GG Einrichtung gleich Errichtung setzen, so meint Kratzer, hätte die Bundesregierung das Hecht, nach ihrem Ermessen durch Organisationsverordnung Bundesbehörden zu schaffen. Daß dem nicht so sei, ergebe sich aus A r t . 87 I I I GG, wonach Bundesbehörden nur durch Gesetz errichtet werden können. I m übrigen sei es naheliegend, daß die Verfassung die Errichtung neuer Behörden als den wesentlich schwerer wiegenden Eingriff i n die Landeshoheit gegenüber der bloßen Einrichtung schon bestehender Behörden unterschiedlich geregelt habe. Der Bundesgesetzgeber könne daher i n streng wörtlicher Auslegung des A r t . 84 I GG nur die Einrichtung (im oben1?4 definierten Sinne) der Landesbehörden durch ein qualifiziertes Bundesgesetz regeln 1 6 5 . Auch Pathe 1 6 6 n i m m t i n rein wörtlicher Auslegung des A r t . 84 an, daß sich der A r t . 84 GG nur auf die Einrichtung der Behörden i m engen Sinne 161

Vgl. dazu auch Böckenförde, Organisationsgewalt S. 45. Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 17, der die rein innerdienstlichen Organisationsvorschriften unter Art. 84 I I GG bringen will. 148 Kratzer AöR 77 S. 266. 164 Siehe 3. Kapitel, I I , 1, a. • 165 Wie Kratzer auch Lichtenwald Diss. S. 40; Hamann Art. 84 Anm. B 3. 164 Pathe DVB1.1951 S. 681; Klein AöR 88 S. 406. 192

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung beziehe. I m Gegensatz zu Kratzer geht er aber davon aus, daß A r t . 84 auf dem Gebiete des Organisationsrechts erst eine Kompetenz der Länder begründe, während dem Bund schon nach A r t . 73 ff. GG die Befugnis zur Errichtung der die Bundesgesetze ausführenden Landesbehörden zustehe. Denn deren Errichtung könne zur Erreichung des materiellen Gesetzeszwecks notwendig sein. Der Bundesgesetzgeber ist insoweit nach Ansicht Pathes auch nicht an die Zustimmung des Bundesrates gebunden. Einer solchen vom Wortlaut des A r t . 84 GG ausgehenden Interpretation steht entgegen, daß sich der Grundgesetzgeber oft nur von generellen Leitlinien hat bestimmen lassen, ohne i m Einzelfall die verwendeten Worte sorgsam gegeneinander abzuwägen, geschweige denn sie i n ihrer differenzierten juristischen Bedeutimg zu erkennen und zu verwenden 1 ® 7 . Das w i r d besonders deutlich, wenn man etwas näher i n die Entstehungsgeschichte des A r t . 84 I GG eindringt. Sein Vorgänger — der A r t . 42 H C h E 1 6 8 — sprach generell von der „Organisation der Behörden". A u f diese Fassung bezog sich der Abgeordnete Laforet 168 ausdrücklich, als er für den A r t . 112 des dem Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung vorliegenden Entwurfs die Fassung vorschlug: „Sie (die Länder) regeln, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen, die Einrichtung der Behörden, das allgemeine Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsgerichtsverfahren."

Er begründete seinen Vorschlag damit, daß dadurch dem Bunde die Möglichkeit gegeben werde, auch i n der Organisation der Behörden i m Verwaltungsverfahren und i m Verwaltungsgerichtsverfahren durch Bundesgesetz besondere Regelungen zu treffen. Damit wäre die „Vermutung für den Bund gegeben", sagte Laforet. „Organisation" ist aber nach einhelliger Meinung der umfassendste Begriff: unter i h n fallen sowohl die Einrichtung als auch die Errichtung von Behörden. Ohne weitere eingehende Diskussionen oder tiefgreifendere Änderungen ging die von Laforet vorgeschlagene Fassung i n den A r t . 84 I GG ein. Schon daraus geht deutlich hervor, daß nach dem Willen des Grundgesetzgebers die „Einrichtung der Behörden" i m weiten Sinne zu verstehen ist 1 7 0 . 167 Vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt S. 45, 54; Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen S. 48; Lynker Diss. S. 25; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 21; Schneider DVB1. 1953 S. 257 (259); Rasch VerwArch 50 S. 35; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 42; BVerfGE 1 S. 184 (189) hinsichtlich des Wortes „Gesetz". 188 Abs. 1 S. 1 und 2: Soweit nicht dieses Grundgesetz etwas anderes bestimmt oder zuläßt, ist die Ausführung der Bundesgesetze eigene Angelegenheit der Länder. Sie regeln insoweit selbst die Organisation der Behörden und das allgemeine Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsgerichtsverfahren. 188 Kurzprotokoll der 20. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung am 2.12.1948 in Archiv des Deutschen Bundestages, QueUen zu Art. 84. 178 Vgl. auch Böckenförde, Organisationsgewalt S. 52 ff.

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat

7

Selbst Kratzer muß zugeben, indem er auf A r t . 87 I S. 2 GG verweist, daß die Begriffe „errichten" und „einrichten" nicht einheitlich verwendet wurden 1 7 1 . Er tut das als kaum entscheidend ins Gewicht fallend ab, ohne jedoch diesen Widerspruch zu seiner Theorie auszuräumen. Aber auch i n den übrigen Bestimmungen des Grundgesetzes werden die Worte „einrichten" (Art. 87 I), „Einrichtung" (Art. 7 IV, 73 Ziff. 10, 80 II, 84 I, 85 I, 86, 106 V I I , 130), „errichten" (Art. 87 I I I , 88, 95 I, 96 I, 96a, 101 I I , 7 V), „Errichtung" (Art. 7 V, 74 Ziff. IIa), „Aufbau der Behörden" (Art. 108 I, 108 III), „veranlassen" (Art. 106 VII) keineswegs einheitlich gebraucht. Auch aus dem Gebrauch des Wortes „regeln" i m Zusammenhang mit der „Einrichtung" kann man nicht schließen, daß m i t der „Einrichtung" nur die Einrichtung i m technischen Sinne gemeint ist. Zwar werden Behörden i.d.R. nur durch eine innerdienstliche Regelung eingerichtet. Daraus läßt sich aber noch nicht schließen, daß auch i n A r t . 84 I GG das Wort „regeln" nur i m Sinne eines innerdienstlichen Regeins zu verstehen ist und nicht auch i m Sinn eines gesetzlichen Regeins verstanden werden kann. Auch die sonstige Verwendung des Wortes „regeln" i m GG zwingt nicht zu einem derartigen Schluß 172 . Vielmehr w i r d es immer dann verwendet, wenn man sich weder auf eine gesetzliche noch auf eine innerdienstliche Regelung festlegen w i l l . I n diesem neutralen Sinne ist auch das „regeln" des A r t . 84 I GG zu verstehen 173 . Ein Vergleich der Begriffe „Einrichtung der Behörden" und „Verwaltungsverfahren" führt ebenfalls zu keiner brauchbaren Definition des Begriffs der „Einrichtung von Behörden". Zwar ist der Begriff des Verwaltungsverfahrens i m Zusammenhang des A r t . 84 GG streitig, jedoch w i r d von keiner Seite die Meinimg vertreten, daß i n der Abgrenzung zu i h m die „Einrichtung von Behörden" eng oder weit auszulegen sei. Vielmehr lassen die unterschiedlich gebrauchten Begriffe des Verwaltungsverfahrens für den Begriff der Behördeneinrichtung sowohl eine weite als auch eine enge Auslegung zu. bb) Die Interpretation aus der Systematik des Grundgesetzes Eine nur vom Wortlaut des A r t . 84 GG ausgehende Interpretation führt daher nicht zum Ziel 1 7 4 . Vielmehr kann der Begriff nur aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes heraus interpretiert werden. Eigenstaatlichkeit der Länder und Staatlichkeit des Bundes stehen sich als Prinzi171 Kratzer AöR 77 S. 266 (268); vgl. dazu Rasch VerwArch 50 S. 35; Pathe DVB1. 1951 S. 684; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 21. 172 Z. B. „regeln" Art. 33 V, 84 I , 85 I, 86; „durch Bundesgesetz regeln" Art. 4, 12 I , 15, 21 I I I , 26 I I , 29 V I , 45 b, 48 I I I , 54 V I I , 104 I I , 128 I GG. 178 Anders Pathe DVB1. 1951 S. 681 (684). 174 v. Mangoldt Art. 84 S. 453; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 21; Lerche, Gutachten S. 60 Anm. 144; Rasch VerwArch 50 S. 36; Schneider AöR 83 S. 18 f.

8

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

pien gegenüber, die den Meinungsstreit über den Umfang des Begriffs der Behördeneinrichtung beherrschen. Haas 1 7 6 betont i n starkem Maße die Eigenstaatlichkeit der Länder. Als Staaten steht den Ländern nach seiner Ansicht grundsätzlich die absolute Organisationshoheit für den Bereich ihres gesamten Behördenapparates zu, unabhängig davon, ob die Behörden i m Einzelfall Bundesgesetze ausführen 1 7 6 . A r t . 84 GG ist so gesehen für den Bundesgesetzgeber bezüglich der Organisation von Landesbehörden eine kompetenzbegründende N o r m 1 7 7 und muß als solche eng ausgelegt werden 1 7 8 . Das bedeutet, daß i n den Begriff der „Behördeneinrichtung" nicht der der sachlichen Zuständigkeitsregelung hineininterpretiert werden darf 1 7 9 . Andernfalls könnten die Länder auch nicht der ihnen nach A r t . 108 I V und 84 I I I GG übertragenen Verwaltungsverantwortung gerecht werden. Könne der Bund aber nicht die sachliche Zuständigkeit der Behörden bestimmen, so könne er sie logischerweise auch nicht errichten. Damit faßt Haas den Begriff der „Behördeneinrichtung" i n einer sehr engen Bedeutung auf 1 8 0 . Auch Maunz 181 geht von der Eigenstaatlichkeit der Länder aus, indem er A r t . 30, 83 zur Auslegung des A r t . 84 I GG heranzieht. „Ausführung der Bundesgesetze" umfasse auch die Organisation der die Gesetze ausführenden Behörden 1 8 2 . Daher weise schon A r t . 83 GG i n Ausgestaltung des Grundsatzes des A r t . 30 GG den Ländern grundsätzlich die Organisation der die Bundesgesetze ausführenden Behörden zu 1 8 8 . A r t . 84 I GG stelle insofern lediglich eine Ausnahmeregelung zugunsten des Bundes dar, die eng ausgelegt werden müsse. Stimmt Maunz insoweit grundsätzlich m i t Haas überein, so unterscheidet er sich doch i m Ergebnis wesentlich von Haas, indem er sowohl die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der Behörden 1 8 4 als auch die Errichtimg 1 8 6 derselben i n den Be176 Haas AöR 80 S. 81 ff.; vgl. auch Darmstadt Diss. S. 74; Ehard, Aufgabe S. 104; Rohwer-Kahlmann AöR 79 S. 221. 176 I. A. a. Forsthoff, Körperschaft S. 28—46. 177 I. A. a. v. Mangoldt Art. 84 S. 449; a. A. Röttgen DöV 1952 S. 422; Schäfer RdL 1953 S. 153. 179 Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 13. 179 Haas AöR 80 S. 81 (94); Maunz irrt, wenn er in Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 20 S. 10 Anm. 1 Haas dafür anführt, daß nach wohl herrsch. Lehre die Regelung der sachlichen Zuständigkeit in den Bereich des Art. 84 falle. 180 Haas AöR 80 S. 81 (92) versteht unter Behördeneinrichtung nur die Regelung von Fragen der kollegialen Besetzung, Einschaltung von Ausschüssen, Heranziehung von Juristen usw. Er versucht, den Begriff deskriptiv, nicht aber wie diese Arbeit normativ zu fassen. 181 Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 15. 182 Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 12, Art. 83 Rdn. 2. 188 Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 13, 15. 184 Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 20, S. 10 nimmt fälschlich an, daß auch Haas diese Auffassung vertritt. 185 Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 21.

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat

7

griff der „Behördeneinrichtung" m i t einbezieht. Neben dem Hinweis auf die Parallelregelung des A r t . 108 G G 1 8 6 begründet Maunz sein Ergebnis vor allem auch damit, daß die „Einrichtung" einer Behörde wohl theoretisch, nicht aber praktisch von ihrer Errichtung unterscheidbar sei 1 8 7 . Z u dem gleichen Ergebnis wie Maunz kommt Schäfer 188 von der entgegengesetzten theoretischen Grundkonzeption ausgehend. Er erkennt die grundsätzlich absolute Organisationshoheit der Länder nicht an, meint vielmehr, daß der Bund, verknüpft mit seiner Kompetenz zur gesetzlichen Regelung eines bestimmten Sachgebietes, nach A r t . 73—75 GG auch die Befugnis habe, die zur Ausführung der entsprechenden Gesetze notwendigen Behörden zu errichten und einzurichten. A r t . 84 I GG sei daher bezüglich der Bundeskompetenz keine Ausnahmeregelung, sondern enthalte lediglich eine besondere Bestimmung für das Verfahren: das Zustimmungserfordernis des Bundesrates. Die Zustimmung des Bundesrates sei sowohl bei Gesetzen, die sich m i t der Behördenerrichtung, als auch bei solchen, die sich m i t der Behördeneinrichtung befaßten, erforderlich 18 ». cc) Die Interpretation aus der Entstehungsgeschichte Haas wie Schäfer berufen sich für die Richtigkeit ihrer grundverschiedenen Ausgangspunkte jeweils auf die Entstehungsgeschichte des A r t . 84 190 . Eine solche entstehungsgeschichtliche Betrachtungsweise darf sich aber nicht nur auf die Vorarbeiten zum Grundgesetz beschränken, sondern muß darüber hinaus auch die Tradition berücksichtigen, i n der das GG durch seine Vorläufer — die RV von 1871 und die WRV von 1919 — steht. Zwar unterscheidet sich das GG i n wesentlichen Teilen von seinen Vorläufern: Es sollte jedoch m i t i h m nicht etwas gänzlich anderes, sondern teils i n Anlehnung an die vorhergehenden Verfassungen, teils i n Abänderung der früheren Verfassungen eine neue Verfassimg geschaffen werden 1 9 1 . Schon unter der Reichsverfassung von 1871 und der Weimarer Reichsverfassung von 1919 war es herrschende Meinung 1 9 2 und Staats186

Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 21 Abschn. d, bb. Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 21 Abschn. d, cc. 188 Schäfer DöV 1960 S. 641 (646); derselbe RdL 1953 S. 152 (153); Röttgen DöV 1952 S. 422; v. Hausen DöV 1960 S. 1 (4). 188 Schäfer, Der Bundesrat S. 91 unter Bezugnahme auf die dahingehende Auffassung des R A des BRates in der 128. Sitzung (Kurzprotokoll 2. Tag S. 10). 190 Haas AöR 80 S. 85; Schäfer DöV 1960 S. 641 (646); v. Hausen DöV 1960 S. 4. 191 Vgl. aber Arndt NJW 1961 S. 2007, der auf die Diskontinuität zwischen G G und W R V hinweist. 192 Für R V : Haenel, Deutsches Staatsrecht Bd. 1 S. 352; Triepel, Festgabe für Laband Bd. 2 S. 297; Sembritzki Diss. S. 96; a. A. Forsthoff, Körperschaft S. 53. Für die W R V : Lassar, Hdb. d. Dt. Staatsrechts Bd. 1 S. 314; Forsthoff, Körperschaft S. 131 ff.; Gebhardt-Forsthoff, Gutachten S. 3 ff. 187

8

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

praxis 1 9 8 , daß dem Reichsgesetzgeber i m Hinblick auf die Ausführimg von Reichsgesetzen die Befugnis zur Organisation i m weitesten Sinne der ausführenden Landesbehörden zugebilligt wurde. Hätte daher der Bundesgesetzgeber die Organisationsbefugnisse des Bundes entgegen der bisher herrschenden Meinung und gültigen Staatspraxis einschränken wollen, so hätte er dies deutlicher als durch die Wahl des schon an sich zweideutigen Wortes „Einrichtung" getan 1 9 4 und diese Entscheidung auch eingehender diskutiert, als es geschehen ist 1 9 5 . Muß man somit davon ausgehen, daß dem Bunde die Befugnis zusteht, über die Organisation der Landesbehörden bezüglich der Ausführung von Bundesgesetzen zu bestimmen, so bleibt angesichts der sich widersprechenden Meinungen noch zu klären, aus welchen Vorschriften sich diese Befugnis des Bundes i m einzelnen ergibt. Während die die Eigenstaatlichkeit der Länder stark betonende Reichsverfassung von 1871 i n A r t . 7 1 Ziff. 2 bestimmte, daß der Bundesrat über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Einrichtungen beschloß, enthielt die WRV keine Bestimmung, die sich ausdrücklich m i t der Organisation der Landesbehörden für die Ausführung der Reichsgesetze befaßte und dem A r t . 84 I GG vergleichbar ist. Vielmehr leitete man hier die Kompetenz des Reiches zur Organisation der die Reichsgesetze ausführenden Landesbehörden trotz der grundsätzlichen Zuständigkeitsvermutung für die Länder (Art. 5 i. V. m. A r t . 14 WRV) aus der Sachkompetenz des Reichsgesetzgebers ab 1 9 6 . Lag es somit bereits i n der Tradition begründet, daß dem Bund hinsichtlich der die Bundesgesetze ausführenden Landesbehörden die Organisationshoheit zustand, so erscheint es unwahrscheinlich, daß der Grundgesetzgeber i n A r t . 84 eine solche Kompetenz des Bundes erst als Ausnahmeregelung zu Art. 83 GG begründen wollte. Viel näher liegt es dagegen anzunehmen, daß er die Ausübung der Kompetenz an bestimmte Voraussetzungen knüpfen wollte 1 9 7 . 198 R V : z. B. beim Aufbau der Sozialversicherungsträger hat das Reich von Anfang an die Gesamtorganisation geregelt, gleichgültig, ob es sich um Reichsoder Landesbehörden handelte; die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich i. d. F. der Bekanntmachung vom 26.7.1900 (RGBl. S. 871 ff.) benannte z. B. in §§ 13 I I , 69, 76 die Gemeinde und Ortspolizeibehörde als Vollzugsbehörden für einzelne Aufgaben; ferner auch das Kammerrecht; vgl. Forsthoff, Körperschaft S. 76. W R V : z. B. Personenstandsgesetz vom 3.11.1937 (RGBl. S. 1146) mit Organisation der Standesämter, RFinVerwG §§ 26, 27; vgl. Forsthoff, Körperschaft S. 131. 194 Das Wort „Einrichtung" wird in der W R V i m Sinne der Organisation im weitesten Sinne verwandt. Auch Art. 77 BayVerf verwendet den Ausdruck „einrichten". Hier ist klar, daß auch die Errichtimg gemeint sein muß, da sich irgendwelche Kompetenzabgrenzungen nicht ergeben können. 195 Vgl. dazu schon 3. Kapitel, I I , 4, b, aa. 198 v. Hausen DöV 1960 S. 1 (4). 197 v. Hausen DöV 1960 S. 1 (4); Maunz-Dürig Art. 83 Rdn. 12; Schäfer DöV

II. Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat dd) Die Interpretation unter dem Gesichtspunkt des gewaltenteilenden Bundesstaates Ganz läßt sich das Problem jedoch nur dann lösen, wenn man erkennt, daß — wie später noch näher ausgeführt werden w i r d — der Bundesstaat des GG nicht nur von der Staatlichkeit der Länder, sondern zu einem großen Teil auch von dem Prinzip der Gewaltenteilung her zu verstehen ist 1 9 8 . Das kommt vor allen Dingen auch darin zum Ausdruck, daß dem Bund i m Vergleich zu den Ländern trotz des A r t . 70 GG faktisch durch A r t . 73—75 GG der überwiegende Teil der Gesetzgebungsarbeit zugedacht ist, während den Ländern hauptsächlich die Ausführimg der Bundesgesetze und die sonstige Verwaltung obliegt (Art. 30, 83). Vergröbernd gesagt stehen sich i m Bundesstaat des GG Bund und Länder hinsichtlich der Verteilung ihrer Kompetenzen wie Legislative und Exekutive gegenüber. Die Tatsache, daß die Organisationsgewalt i n mehrere rechtlich verschieden zu qualifizierende Tatbestände zerfällt, legt daher die A n nahme nahe, daß auch die Organisationshoheit i m Bundesstaate zwischen Bund und Ländern teilbar ist, wenn es u m die Organisation der die Bundesgesetze ausführenden Landesbehörden geht. Ist die Bildung von Behörden ein A k t der Gesetzgebung, nicht aber ein A k t der Gesetzesausführung, so folgt aus dem bisher Gesagten, daß die Bildung der die Bundesgesetze ausführenden Landesbehörden zusammen m i t der Kompetenz zur Regelung der materiellen Fragen nach A r t . 73—75 GG dem Bundesgesetzgeber zusteht. Die Kompetenzvorschriften der A r t . 73—75 GG beschränken die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers nicht auf Gesetze m i t bloß materiellem Inhalt, vielmehr umfassen sie auch den hiermit als Annex unlöslich zusammenhängenden organisatorischen Teil der Gesetzesmaterie; zumal materielle und organisatorische Vorschriften i m Einzelfall nur schwer voneinander zu unterscheiden sind 1 9 9 . Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf organisatorischem Gebiet w i r d lediglich durch A r t . 83—85 GG i n ihrem Inhalt näher bestimmt und an gewisse Voraussetzungen gebunden 200 . So wie sich die A r t . 92 ff. GG zu 1960 S. 642 (646); Bettermann W D S t R L 17 S. 157; a. A. Hamann Art. 84 Anm. A 2; Mangels DVB1. 1957 S. 777 (779); H. Schneider AöR 83 S. 24; differenzierend nach Organisation und Verfahren Haas AöR 80 S. 85 ff. Offenlassend: BVerfGE 12 S. 205 (237); Lerche, Gutachten S. 61 mit Anm. 147. 188 Vgl. Hesse, Unitarischer Bundesstaat S. 27 ff.; auch Lerche, Gutachten S. 62, 63 Anm. 154. 1M Vgl. Bettermann W D S t R L 17 S. 157; Ditfurth Diss. S. 87 ff.; Lerche, Gutachten S. 65; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 29; BVerfGE 9 S. 185 (190); aber: BVerfGE 14 S. 197 ff. (213), wonach i m Bereich des Art. 87 I I I G G die Zuständigkeit zur Errichtung einer Bundesoberbehörde von der Zuständigkeit zur Sachregelung zu trennen sei; Röttgen JöR 11 S. 228 gegen Bettermann a.a.O. 100 v. Hausen DöV 1960 S. 1 (4); Schäfer DöV 1960 S. 641 (646); Röttgen DSV 1951 S. 347; derselbe DöV 1952 S. 422; Rasch, Verwaltungsorganisation S. 81; 6 Hohrmann

8

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

A r t . 74 Ziff. 1 GG verhalten, verhalten sich die A r t . 83 ff. GG i n bezug auf die Organisation der die Bundesgesetze ausführenden Landesbehörden zu A r t . 73—75 GG. Wenn die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren i n A r t . 74 Ziff. 1 GG besonders erwähnt sind, so nur deshalb, weil es sich hier u m Verfassung und Verfahren von Behörden handelt, die Gesetze anwenden, aber nicht ausführen, die also auch nicht speziell auf ganz bestimmte Gesetze materiellen Inhalts h i n gebildet werden. Anders steht es jedoch u m die Kompetenz des Bundes zur Errichtung und Einrichtung der Behörden. Bei der Errichtung und Einrichtung handelt es sich u m reine Gesetzesausführung 201 , für die i m Grundsatz A r t . 83 GG gilt und A r t . 84 I GG erst eine Kompetenz des Bundes begründet. Dem widersprechen nicht die A r t . 86 ff. GG. Ebenso wie A r t . 84 GG setzen diese, soweit sie sich auf die Ausführimg von Bundesgesetzen beziehen, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Bildung der Behörden voraus. A r t . 87 GG gibt dem Bund darüber hinaus lediglich die Möglichkeit, i n gewissen Fällen unabhängig von der materiellen Regelung durch Gesetz eine eigene Verwaltung zu errichten. Er begründet somit nicht primär eine Gesetzgebungskompetenz, sondern vielmehr eine Verwaltungskompetenz des Bundes 2 0 2 . Auch ein Blick auf A r t . 85 I GG vermag die hier vertretene Auffassung nur zu bestätigen. Geht er doch schon seinem Wortlaut nach davon aus, daß die Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens aus der Sachkompetenz der A r t . 73—75 GG folgt 2 0 8 . Daß gerade für die Behördeneinrichtung nach A r t . 84 I GG etwas anderes gelten sollte, erscheint unwahrscheinlich i n Anbetracht der bisherigen Erörterungen und der Tatsache, daß A r t . 85 I GG eine Parallelregelung zu A r t . 84 I GG darstellt. c) Die Abgrenzung

von Art. 84 Abs. 1 und Abs. 2 GG

Zum Verständnis des A r t . 84 I GG bedarf es nunmehr noch einer Abgrenzung der Bereiche des Absatz 1 und des Absatz 2. Nach einhelliger Ditfurth Diss. S. 34, 80, 83; Schneider DVB1. 1953 S. 258; Held AöR 80 S. 54; v. Mangoldt Art. 83 S. 452; Maunz-Dürig Art. 83 Rdn. 12; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 2 S. 96; Bettermann W D S t R L 17 S. 157; Klein AöR 88 S. 401 (405). Für das Verwaltungsverfahren auch Haas AöR 80 S. 86 ff.; Heinze DVB1. 1962 S. 786; Zacher, Gutachten S. 138 für rechtsfähige Verwaltungseinheiten, da diese keine Behörden i m Sinne des Art. 84 GG sind; Lerche, Gutachten S. 61 läßt die Frage dahingestellt, wendet sich aber ausdrücklich gegen Klein, Gemeinschaftsaufgaben S. 149, der in Art. 84 eine kompetenzbegründende Norm für Bund und Länder sieht. 201 O V G Lüneburg O V G E 11 S. 287 (288) i. A. a. v. Mangoldt A r t 83 Anm. 2. 202 Anderer Ansicht BVerfGE 14 S. 197 ff. 20S Haas AöR 80 S. 85; Bettermann W D S t R L 17 S. 156 ff.; a. A. v. Mangoldt Art. 85 S. 461, der meint, daß der Bund hier das Verwaltungsverfahren durch Verwaltungsvorschriften regeln solle und könne.

IL Organisationsgewalt im gewaltenteilenden Bundesstaat

83

Ansicht sind Verwaltungsvorschriften solche Vorschriften, die die Einrichtungen des Staates und die Tätigkeit seiner Organe m i t nur innerdienstlicher Wirkung regeln 2 0 4 . Darunter fallen demnach auch Vorschriften organisatorischer Natur, die sich auf den internen Bereich der Behörden beschränken 205 . Für den speziellen Fall des A r t . 84 I I ist man sich jedoch uneinig darüber, ob die Bundesregierung durch allgemeine Verwaltungsvorschriften nach A r t . 84 I I GG i n die Organisation der Landesbehörden eingreifen darf. Lediglich vom Wortlaut des A r t . 84 I GG ausgehend, könnte man i n der Tat zunächst vermuten, daß die Organisationsbefugnisse des Bundes i m Bereich der Landesverwaltung abschließend i n A r t . 84 I GG normiert und ausschließlich dem Bundesgesetzgeber vorbehalten sind 2 0 6 . Dem steht aber entgegen, daß es einen — wenn zwar auch i m konkreten Fall schwer abzugrenzenden, jedoch — theoretisch eindeutigen Begriff der Verwaltungsvorschrift gibt, der auch organisatorische Regelungen mitumfaßt. Es hätte einer eindeutigen Stellungnahme des Grundgesetzgebers bedurft, wenn er den Begriff der Verwaltungsvorschrift i n einem anderen Sinne hätte gebrauchen wollen. Der Begriff der Verwaltungsvorschrift würde entleert, wenn man i h n allein auf den materiellen Bereich beschränken und seine Komponenten auf organisatorischem Gebiet ausklammern wollte 2 0 7 . Z u m anderen deutet aber die Aufteilung von Gesetz und Verwaltungsvorschrift darauf hin, daß A r t . 84 I und A r t . 84 I I auch i m Rahmen des rechtsstaatlichen Gewaltenteilungsprinzips gesehen werden müssen 208 . Denn allein aus bundesstaatlichen Gesichtspunkten läßt sich die Unterscheidimg von Gesetz und Verwaltungsvorschrift nicht erklären, zumal sowohl das die Organisation und das Verfahren der Behörden regelnde Gesetz als auch die Verwaltungsvorschrift an die Zustimmung des Bundesrates gebunden sind. Wie bereits oben eingehend erläutert, verstehen w i r unter dem Begriff der Einrichtung nur die Regelung der internen Verwaltungsorganisation. Nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten fällt die Einrichtung von Behörden i n den Bereich der Exekutive und kann durch Verwaltungsvorschriften erfolgen. Es liegt daher nahe, auch i m Bereich des A r t . 84 zuzulassen, daß die Bundesregierung durch Verwaltungsvorschriften i n die 204 Forsthoff, Lehrbuch S. 127; Huber Diss. S. 13; Maunz-Dürig Art. 80 Rdn. 1, Art. 84 Rdn. 17, 32; Obermayer JZ 1962 S. 64; Hans J. Wolff, Lehrbuch Bd. 1 S. 108. 205 Forsthoff a.a.O. S. 127; Fleiner, Institutionen S. 62; Köttgen, Gemeinde S. 85; Jacobi, Hdb. d. Dt. Staatsrechts Bd. 2 S. 260, 262; Maunz-Dürig Art. 80 Rdn. 1. 208 Hauch NJW 1958 S. 809; Heim DöV 1958 S. 569; Hamann Art. 84 Rdn. 6, 7; Kratzer DöV 1952 S. 230 ff. 207 Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 17; dagegen Köttgen, Gemeinde S. 85. 208 Vgl. Köttgen JöR 11 S. 224; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 18.

ö*

8

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

grundsätzlich landeseigene Angelegenheit der Einrichtung von Behörden eingreift. Dem widerspricht es auch nicht, daß an sich Eingriffe i n die Rechte Dritter nur durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen können. „ D r i t t e r " könnte hier zwar auf Grund seiner Rechtspersönlichkeit das Land sein, i n dessen interne Verwaltungsorganisation durch die Verwaltungsvorschrift eingegriffen würde. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wurde jedoch für das Verhältnis zwischen Staat und Bürger entwickelt und kann i n der Regel auch nur hier, nicht aber i m Verhältnis zweier Verfassungsorgane zueinander angewandt werden 2 0 9 . Die Sicherung der Länderinteressen erfolgt hier über das Erfordernis der Zustimmimg durch den Bundesrat. Somit folgt, daß die Bundesregierung durch Verwaltungsvorschriften auch auf die nur nach innen wirkende Behördenorganisation (Einrichtung der Behörden) Einfluß nehmen kann 2 1 0 . Sie kann aber nicht organisatorische Regelungen, die der Gesetzesform bedürfen, auf Grund von A r t . 84 I I GG nachholen. Hier steht der ausdrückliche Gesetzesvorbehalt des A r t . 84 I GG entgegen 211 . Dieses Ergebnis ist ein weiterer Fall, i n dem die strenge Trennung von sachlichen und organisatorischen Befugnissen, die nach Forsthoff 212 den Bundesstaat ausmacht, aufgegeben w i r d 2 1 8 . Entgegen dem klaren Wortlaut des A r t . 84 I I GG i n Verbindung mit A r t . 62 GG nehmen ein Teil der Lehre 2 1 4 und teilweise auch die Staatspraxis an 2 1 5 , daß neben der Bundesregierung auch einzelne Bundesminister zum Erlaß von allgemeinen Verwaltungsvorschriften ermächtigt werden können. Man beruft sich zur Begründimg dieser Meinung darauf, daß die Ermächtigung zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften eine Regelung des Verwaltungsverfahrens nach A r t . 84 I GG sei 2 1 8 . Eine solche Interpretation bedeutet aber eine Umgehung des A r t . 84 I I GG, der i n Verbindung m i t A r t . 62 GG ausdrücklich besagt, daß die Bundesregierung als Kollegium allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen k a n n 2 1 7 . Ein einzelner Bundesminister aber ist nicht m i t der Bundes209

Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 10. Huber Diss. S. 13; Klein, Gemeinschaftsauf gaben S. 136 Anm. 26; Köttgen W D S t R L 16 S. 186; derselbe JöR 3 S. 86 und JöR 11 S. 224 und „Gemeinde.. S. 85 f. 211 Vgl. Köttgen W D S t R L 16 S. 185 f.; derselbe, Gemeinde S. 85; MaunzDürig Art. 84 Rdn. 11. 212 Forsthoff, Körperschaft S. 40 Anm. 2. 218 Vgl. Klein, Gemeinschaftsaufgaben S. 137; Köttgen, Gemeinde S. 85. 214 Bonner Kommentar Herrfahrdt Art. 84 Erl. I I , 3; v. Mangoldt S. 455; Redecker DöV 1952 S. 235; Schäfer DöV 1960 S. 641 (648). 216 § 9 I I LuftSchG und 2. Kapitel, I, 2, b, (4). 216 Diese Meinung vertrat z. B. auch der Bundesrat in BRDrucks. Nr. 773/51 bezüglich des Gesetzes über den Erlaß von Rechtsverordnungen auf dem Gebiete der Neuordnimg des Geldwesens; Lechner DöV 1952 S. 417 (420). 217 Giese-Schunck Art. 84 Anm. 3; Hamann Art. 84 Rdn. 6, 7; Kratzer DöV 1952 S. 230 ff.; Lechner DöV 1952 S. 417 (420); Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 3. 210

I

Organisationsgewalt im gewaltenteilende Bundesstaat

5

regierung identisch. Eine abweichende Regelung würde ein verfassungsänderndes Gesetz voraussetzen. d) Die Abgrenzung von organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorschriften einerseits gegenüber solchen materiellen Inhalts andererseits Steht nun fest, daß die Kompetenz des Bundes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens und zur Bildimg der Behörden aus A r t . 73 ff. GG fließen, so ist zwar zur Abgrenzung der Befugnisse des Bundes i n diesen Bereichen eine Abgrenzung der Vorschriften organisationsrechtlichen I n halts gegenüber Bestimmungen materiellen Inhalts nicht erforderlich, wohl aber ist eine solche Abgrenzung i m Hinblick auf das Zustimmungserfordernis durch den Bundesrat notwendig. Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß es i m Einzelfall nicht immer leicht ist, eine klare A b grenzung von Organisation und Verfahren gegenüber Regelungen materiellen Inhalts vorzunehmen 2 1 8 . Einleuchtend düfte jedoch sein, daß solche Vorschriften, die lediglich das Verwaltungsverfahren oder die Organisation erwähnen, nicht aber regeln, nicht unter den Zustimmungsvorbehalt des A r t . 841 GG fallen 2 1 8 . Streitig w i r d die Frage dann, wenn es sich u m Vorschriften handelt, die entweder a) über die Regelung des förmlichen Verfahrens hinausgehen oder b) regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen die Länder tätig werden können. Während Köttgen 220 sich auf den Standpunkt stellt, daß unter „Verwaltungsverfahren" i m Sinne des A r t . 84 I GG nur Vorschriften über das förmliche Verfahren fallen, vertritt die i m Bundesrat herrschende Meinung die Ansicht, daß unter den Begriff des Verwaltungsverfahrens bzw. der Verwaltungsorganisation all das falle, was nicht eindeutig als Vorschrift materiellen Inhalts angesehen werden kann 2 2 1 . Er zählt dazu nicht nur ganz generell die Vorschriften über die A r t und Weise des Gesetzesvollzuges, sondern auch die Vorschriften darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen die Länder tätig werden. Dazu gehören nach seiner A n sicht auch alle Vorschriften, die den Ländern bestimmte Rechte und 118

Vgl. oben 3. Kapitel, I I , 2; Lerche, Gutachten S. 65, 69. Ditfurth Diss. S. 90, 92. 220 Ebenso Kratzer AöR 77 S. 266 (268) und DöV 1952 S. 223; Schneider DVB1. 1953 S. 258. 221 So in BRDrucks. Nr. 17/53 Anlage S. 7 und 8; ferner Sitzungsbericht über die 87. Sitzung vom 20.6.1952 S. 269; vgl. dazu Katzenstein DöV 1958 S. 593 (598); Ditfurth Diss. S. 89; Franke Diss. S. 37; Schneider DVB1,1953 S. 257, 119

8

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

Pflichten auferlegen 222 . Dagegen wehrt sich die Bundesregierung 22S. Nach ihrer Meinung fallen zwar alle Vorschriften, die A r t und Weise des Gesetzesvollzuges regeln, i n den Bereich des Verwaltungsverfahrens, nicht aber solche, die über das „ob" und die Voraussetzungen des Tätigwerdens der Länder entscheiden. Zwar ist es richtig, wenn Köttgen 2 2 4 meint, daß der Bundesrat über den weit ausgedehnten Verfahrens- und Organisationsbegriff einen erheblichen Einfluß auf die Gesetzgebung des Bundes gewinne. Nicht zustimmen kann man i h m aber darin, daß dieser starke Einfluß dem Bundesrat nicht zukomme, man vielmehr den weiten Verfahrensbegriff und damit automatisch auch den Einfluß des Bundesrates einschränken müsse. Er übersieht nämlich, daß zwar auch die Regelung des förmlichen Verfahrens i n den landeseigenen Vollzug der Bundesgesetze eingreift, daß aber i n weit stärkerem Maße alle jene Vorschriften, die die A r t und Weise des Gesetzesvollzuges durch die Länder bestimmen, i n den landeseigenen Vollzug der Bundesgesetze eingreifen — ja den gesamten Verwaltungsstil 2 2 5 der Länder verändern können — und damit weit eher verdienen, an die vorherige Zustimmung durch den Bundesrat gebunden zu werden 2 2 8 . A r t . 84 I GG geht davon aus, daß den Ländern i m Bereich ihres Behördenaufbaus grundsätzlich die Organisations- und Verwaltungshoheit zusteht, während der Bund nur auf Grund seiner Gesetzgebungsbefugnis nach A r t . 73 ff. GG i n diesen Bereich regelnd eingreifen darf, dann aber an die Zustimmung der Länder — des Bundesrates — gebunden ist. A r t und Weise des Gesetzesvollzuges können auch durch die Vorschriften darüber beeinflußt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen Landesbehörden tätig werden können und müssen. Zwar ist es richtig, daß solche Vorschriften oft nur materielle Rechte und Pflichten der Länder begründen. Sie können aber auch m i t einer Vorrangentscheidung zugunsten der Gesellschaft stark verfahrensrechtlichen Einschlag gewinnen, indem sie nämlich das Handeln der Verwaltung davon abhängig machen, daß die Gesellschaft i m Wege der Selbsthilfe die Aufgabe 282 z.B. die Begründimg einer Auskunftspflicht für eine Landesbehörde, ohne daß i m einzelnen gesagt wird, in welcher Art und Weise dieser Verpflichtung zu genügen ist: § 6 4. Überleitungsgesetz; Art. 7 Gesetz über das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft i. V. m. § 10 Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke; Beispiele 2. Kapitel, 1,1, c. 228 So die BReg. BRDrucks. Nr. 17/53 Anlage S. 7 und 8; ferner auch Ditfurth Diss. S. 87 f., 92 und die in Anm. 169 angegebenen unveröffentlichten Fundstellen; Held AöR 80 S. 76 ff. und S. 80 Ziff. 10; Schäfer, Der Bundesrat S. 90; Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 29. 224 Köttgen DöV 1952 S. 422; Franke Diss. S. 32; Schneider DVB1. 1953 S. 257. 225 Dies ist nicht nur eine verfahrensrechtliche Frage.

228

Vgl. Ditfurth Diss. S. 88.

. Organisationsgewalt im gewaltenteende Bundesstaat

7

nicht lösen kann. Gerade solche Vorschriften bestimmen i n erlieblichem Maße auch die A r t und Weise des Gesetzesvollzuges, indem sie die grundsätzliche Zuständigkeit der Verwaltung einschränken und von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen 227 . Somit kann der Bundesgesetzgeber derartige Vorschriften nur m i t Zustimmung des Bundesrates erlassen 228 . Eine ganz andere Frage ist es, ob die Kompetenz des Bundes aus A r t . 73 ff. GG jeweils dazu ausreicht, derartig weitgehende Regelungen zu treffen. Aus den bisherigen Ausführungen folgt, daß der Begriff „Einrichtung der Behörden" i n A r t . 84 I GG die gesamte Behördenorganisation einschließlich der damit verbundenen Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit umfaßt und sich der Begriff des Verwaltungsverfahrens nicht nur auf das förmliche Verfahren beschränkt, sondern hierunter auch Fragen des „Ob" der Beteiligung von Landesbehörden und der A r t und Weise der Gesetzesausführung fallen. Die Kompetenz zur Bildung der Behörden und zur Regelung des Verwaltungsverfahrens ergibt sich aber nicht aus Art. 84 I GG, sondern aus A r t . 73 ff. GG als Annex zu der jeweiligen Sachkompetenz. Insofern enthält A r t . 84 I GG lediglich eine Bestimmung zum Gesetzgebungsverfahren, verbunden m i t einer ausdrücklichen Zuweisung der Kompetenz zur Bildung der Behörden und zur Regelung des Verwaltungsverfahrens an die Länder. Dagegen folgt die Kompetenz des Bundes zur Errichtung der einzelnen Behörden erst aus A r t . 84 I GG und stellt sich damit als Ausnahme zu A r t . 83 GG dar. Die Einrichtung der Behörden i m engen Sinne kann der Bund auch durch Verwaltungsvorschriften vornehmen. Würde man es bei diesem Ergebnis belassen, so würde der Bund befugt sein, landesunmittelbare Selbstverwaltungskörperschaften nach Belieben zu bilden, zu errichten, einzurichten und das Verfahren bei den von ihnen auszuführenden Gesetzen zu regeln. Bei der starken Ausprägung der Kompetenz des Bundes auf dem Gebiete der sachlichen Gesetzgebung durch die A r t . 73 ff. GG könnte dieses Ergebnis dazu führen, daß der Bund eine eigenständige Organisation der Landesverwaltung durch die Länder illusorisch macht. Die Länder würden i n diesem Bereich ihrer Selbständigkeit beraubt und auf die Ebene bloßer Selbstverwaltungskörperschaften herabsinken. Der Bundesstaat wäre insoweit außer Funktion gesetzt. Das aber würde einer der grundlegenden Entscheidun287

I m Ergebnis ebenso Lerche, Gutachten S. 65, 66 Anm. 166, Streitig ist, aber hier nicht im einzelnen zu erörtern, die Frage, ob das ganze Gesetz der Zustimmimg oder nur die einzelne organisations- oder verfahrensrechtliche Vorschrift der Zustimmimg durch den Bundesrat bedarf. Dazu vgl. Schneider DVB1. 1953 S. 257; Becker BayVBl. 1961 S. 66; Ditfurth Diss. S. 137; Maunz-Diirig Art. 77 Rdn. 10. 818

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

8

gen der Verfassung, nämlich der Entscheidung für den Bundesstaat" 9 , widersprechen. Die Verfassung besteht jedoch nicht aus isoliert anzuwendenden Einzelvorschriften, sondern sie stellt i n sich eine Einheit dar. N u r i m Hinblick auf diese Einheit kann der Sinngehalt der Verfassung v o l l zur Entfaltung gebracht werden 2 8 0 . A n sich widersprüchliche Vorschriften 2 8 1 müssen als i n der Einheit des Grundgesetzes aufgegangen angesehen werden. Das Grundgesetz kann nur i n einer dialektischen Denkmethode richtig ausgelegt werden 2 8 2 . Dabei ist Versuchen entgegenzutreten, die die Auflösung der Widersprüche durch einseitige Eliminierung des einen der sich etwa widersprechenden Bestandteile erreichen wollen. Vielmehr muß die Lösung der Spannungslage zwischen zwei gegensätzlichen Prinzipien 2 8 8 durch Abwägung der gegenseitigen Interessen und möglicherweise Einschränkung des einen Prinzips gefunden werden 2 8 4 .

in. Die Beschränkungen der organisatorischen Befugnisse des Bundes 1. Die Akzessorietät der organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen

Eine erste Einschränkung der organisations- und verfahrensrechtlichen Kompetenz des Bundes ergibt sich aus dem Erfordernis der A k zessorietät der organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen zu den materiell-rechtlichen Regelungen. Während man sich über diesen Grundsatz allgemein einig ist 1 , vertritt Maunz 2 gegen die herrschende Lehre 8 die Ansicht, daß der Bundesgesetzgeber auf Grund von Art. 84 I GG allgemeine organisations- und verfahrensrechtliche Gesetze für die 229

BVerfGE 1 S. 14 ff. (Leitsatz 28); BVerfGE 4 S. 115 (136); BVerfGE 4 S. 178 (189); BVerfGE 18 S. 407 (419). 280 Kaufmann, Auswärtige Gewalt S. 2331; Häberle S. 5. 281 E. R. Huber, Rechtsstaat S. 23 weist darauf hin, daß die Modellreinheit im Sinn einseitiger Festlegung auf ein einseitiges Strukturprinzip ohnedies keine brauchbare Maxime für den Aufbau einer Verfassung, vielmehr die aus gegensätzlichen Elementen aufgebaute Staatsform die beste sei. 282 Nach Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, neu herausgegeben Leipzig 1911 §§ 31 ff.; vgl. E. R. Huber, Rechtsstaat S. 25 f. 188 Z. B. Unitarismus und Föderalismus; vgl. ferner auch BVerfGE 1 S. 14 (50); BVerfGE 1 S. 299 (315); BVerfGfc 2 S. 1 (72) und BVerfGE 4 S. 144 (149). 284 BVerfGE 1 S. 14 (50); BVerfGE 1 S. 299 (315); BVerfGE 2 S. 1 (72); Geiger BayVBl. 1957 S. 337. 1 Vgl. neben Anmerkimg 2 und 3 auch Klein AöR 88 S. 377 (401); Ottinger Diss. S. 46. 2

Maunz-Dürig Art. 84 Rdn. 30; Bettermann WDStRL 17 S. 118 (158).

. B e s r n k u n g e n der Befugnisse des Bndes Ausführung der Bundesgesetze erlassen kann, auf die er dann jeweils i n den einzelnen Gesetzen materiellen Inhalts Bezug n i m m t 4 5 . Dagegen ergeben sich aber bereits vom Wortlaut der Überschrift des V n i . Abschnitts und dem des A r t . 84 I GG her erhebliche Bedenken 6 . Schon daraus geht hervor, daß der Bund nur aus Anlaß der Ausführung von bestimmten Bundesgesetzen durch die Länder regelnd i n die Organisation und das Verfahren der Landesbehörden eingreifen darf. Auf das gleiche Ergebnis weist auch A r t . 73 Ziff. 10 GG hin, der sich als einzige Vorschrift aus dem Gesetzgebungskatalog der A r t . 73 ff. GG mit einer rein organisations- und verfahrensrechtlichen Kompetenz des Bundes befaßt. Diese i m Zusammenhang der Art. 73 ff. GG atypische Vorschrift 7 war nur nötig, w e i l der Bundesgesetzgeber nur i m Zusammenhang m i t einzelnen Gesetzen materiellen Inhalts die Organisation und das Verfahren der die Gesetze ausführenden Landesbehörden regeln, nicht aber selbständige organisations- und verfahrensrechtliche Vorschriften erlassen kann. Würde der Bundesgesetzgeber ein allgemeinnes Organisations- und Verwaltungsverfahrensgesetz für die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder erlassen, so müßte er die Vorschriften dieses Gesetzes nach allgemeineren Gesichtspunkten fassen, als dies bei der Regelung solcher Fragen i m Zusammenhang m i t ganz konkreten Einzelvorschriften materiellen Inhalts notwendig wäre. Eine A k zessorietät zwischen Organisations- und Verfahrensrecht auf der einen Seite und materiellem Recht auf der anderen Seite würde praktisch nicht mehr bestehen. Die allgemeine Regelung würde die Ausnahme des „soweit"-Satzes i n A r t . 84 I GG zur Regel machen, was eine Verkehrung der grundsätzlichen Regelung des A r t . 84 I GG bedeuten und der Interpretation des A r t . 84 I 2. Halbsatz als einer Kompetenznorm gleichkommen würde. Daraus folgt, daß sich die Forderung nach Akzessorietät zwischen organisations- und verfahrensrechtlichen Normen einerseits und materiell9 Becker BayVBl. 1961 S. 66; Ditfurth Diss. S. 34; Franke Diss. S. 91; Happe Diss. S. 134; v. Hausen-v. d. Heide DöV 1958 S. 753 (755); Röttgen, Gemeinde S. 88, 91 und N D V 1959 S. 310 (316) und JöR 11 S. 173 (228), S. 231 Anm. 57; Schäfer RdL 1953 S. 153; vgl. auch Peters, Grenzen S. 113; Rohwer-Rahlmann AöR 79 S. 221. 4 Maunz a.a.O. und Bettermann a.a.O. weisen auf das Beispiel des Ordnungswidrigkeitengesetzes hin, das der Bundesgesetzgeber für alle Fälle anwendbar erklärt, in denen er regelnd tätig wurde. Konsequenterweise müßte es dann auch zulässig sein, daß der Bundesgesetzgeber eine Gemeindeordnung schafft, die er in allen Fällen der Ausführung der Bundesgesetze durch Gemeinden für anwendbar erklärt. 5 Dadurch würde nach Maunz a.a.O. das gesamte Gesetz zustimmungsbedürftig. • Schäfer RdL 1953 S. 153. 7 Röttgen JöR 3 S. 98.

9

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung

rechtlichen Normen andererseits nicht nur darin erschöpfen kann, daß ein formaler Zusammenhang zwischen der Regelung nach A r t . 84 I GG und den materiell-rechtlichen besteht, vielmehr muß zwischen beiden Regelungen ein von der jeweils geregelten Materie her geforderter sachlicher Zusammenhang bestehen 8 . Das Bestehen eines solchen sachlichen Zusammenhangs wurde z. B. in folgenden Fällen bestritten: a) bei den geplanten Landwirtschaftskammern, da hier nicht gleichzeitig auch eine materiell-rechtliche Regelung getroffen worden sei®. I n der gleichen Richtung geht auch die Kritik an dem Reichsgesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens (RGBl. 1934 S. 531) 10 , b) ganz allgemein dann, wenn der Bund kommunalpolitische Regelungen trifft und in irgendeiner Weise in das Gemeindeverfassungsrecht eingreift 11 , c) speziell für den Fall des Flüchtlingsnotleistungsgesetzes § 3 I I I " , d) im Fall des Jugendamtes 18 , e) speziell für den Jugendwohlfahrtsausschuß 14, f) der Verfahrens- und organisationsrechtlichen Komponente der Subsidiaritäts- bzw. Vorrangsentscheidimg im BSHG und J W G W .

Gerade i n den hier angeführten Fällen mag, wenn man nur die kompetenzbegründenden Vorschriften der A r t . 73 ff. GG betrachtet, eine Kompetenz des Bundes auch zu einer solch weitgehenden Regelung organisatorischer und verfahrensrechtlicher Fragen gegeben sein. E i n Sachzusammenhang — wenn vielleicht auch nur ein sehr weiter — zwischen den materiellen und den organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften läßt sich i n all diesen Fällen konstruieren 1 8 . Er ist auch dann gegeben, wenn die Einführung bestimmter organisatorischer und verfahrensrechtlicher Regelungen besondere politische Zwecke verfolgt. Denn auch die Regelung der materiellen Seite einer i n A r t . 73 ff. GG vorgesehenen Angelegenheit kann i m Einzelfall ganz bestimmte politische Ziele verfolgen, die ihren Niederschlag dann jeweils i m organisa8

Köttgen, Gemeinde S. 91. Schäfer RdL 1953 S. 153. 10 Köttgen JöR 3 S. 67 (91): das Gesetz könne daher unter dem GG keinen Bestand mehr haben. 11 Becker BayVBl. 1961 S. 66; vgl. auch Franke Diss. S. 91; Lerche, Gutachten S. 88 f. 11 Zweifelnd Köttgen, Gemeinde S. 91. 18 Lerche, Gutachten S. 88, 91; Rohwer-Kahlmann AöR 79 S. 221 f.; a. A. Köttgen, Gemeinde S. 91. 14 Rohwer-Kahlmann ZdF 1953 S. 194 für den J W A nach der Novelle von 1953. 15 Lerche, Gutachten S. 67 oben. 18 Lerche, Gutachten S. 8 8 1 ; ferner Happe Diss. S. 108 ff.; BTDrucks. I Nr. 3641 S. 5 u. 15; vgl. auch BTDrucks. I Nr. 4648 S. 2 ff. und Nr. 4654, sämtlich zu der Novelle 1953 RJWG. 8

III. Beschränkungen der Befugnisse des Bndes

1

tions- und verfahrensrechtlichen Bereich finden. Der Sachzusammenhang zwischen materiellen und organisations- und verfahrensrechtlichen Normen ist zwar notwendig, kann aber i n den hier angeschnittenen Zweifelsfragen allein nicht zu einer Abgrenzung der Befugnisse des Bundes dienen, w e i l er als solcher nicht genau genug umgrenzbar ist, sondern wesentlich auch von einer politischen Vorentscheidung des Gesetzgebers abhängt. Vielmehr sind andere Kriterien notwendig und vorhanden, die die sich aus A r t . 73 ff. GG ergebende weite Kompetenz des Bundes abgrenzen. Eine solche Abgrenzimg kann sich vor allem aus der Grundentscheidung der Verfassung für den Bundesstaat ergeben.

2. Die Einschränkungen ans dem Bandesstaatsbegriff

Aus A r t . 20 GG folgt zunächst nur, daß die Bundesrepublik ein Bundesstaat ist. Die A r t . 30, 83, 70 GG erklären die Länder für jede hoheitliche Handlung grundsätzlich für zuständig. Der Bund hat demgegenüber nur eine begrenzte Zuständigkeit, soweit sie i h m vom Grundgesetz zugestanden wird. Hieraus folgert ein Teil der Lehre, daß die Länder als Organisationseinheiten m i t prinzipieller Geschlossenheit ihrer Verfässungs- und Verwaltungskörper zu begreifen sind 1 7 . Das ergebe sich auch aus den Vorschriften, die die Aufsicht des Bundes über die Länder regeln 1 8 . Denn nach diesen dürfe der Bund seine Weisungen i m Regelfall nur an die obersten Landesbehörden und nur i n Ausnahmefällen auch an die unteren Landesbehörden richten (Art. 84 n i 2, V 2). Ferner seien die Länder Staaten, die mit eigener unabgeleiteter Herrschaftsgewalt ausgestattet seien und denen dementsprechend i n ihrem Bereich auch eine „potestas suprema" — Souveränität — zukomme 1 9 . Z u dieser Souveränität gehöre grundsätzlich die Befugnis, über die Organisation der Landesverwaltung zu entscheiden 20 . Es stelle demnach eine eng zu interpretierende Ausnahme dar, wenn das GG durch A r t . 84 I dem Bund gestatte, i n diesen Vorbehaltsbereich der Länder einzugreifen 21 . 17 Forsthoff, Körperschaft S. 34; Gerner N D V 1959 S. 318 (321); Lerche, Gutachten S. 61; a. A. Klein, Gemeinschaftsaufgaben S. 129. 18 Vgl. Lerche, Gutachten S. 61; W. Schmidt AöR 87 S. 254 (282). 19 Forsthoff, Körperschaft S. 29; v. Mangoldt S. 126 Vorb. 3 S. 127, 134; Maunz-Dürig Art. 20 Rdn. 5; dagegen Haegert N J W 1961 S. 11371; RohwerKahlmann AöR 79 S. 219 spricht i. A. a. Hatschefc, Deutsches und Preußisches Staatsrecht Bd. 1 S. 4, 8, 57 ff. von einem souveränitätsteüenden Bundesstaat. 80

Forsthoff, Körperschaft S. 34, 43 f. Vgl. Haas AöR 80 S. 94; Lerche, Gutachten S. 61: Maunz-Dürig Rdn. 13, 15; Rohwer-Kahlmann AöR 79 S. 221. 81

Art. 84

9

3. Kap.: Zulässigkeit der Einschaltung a) Der Begriff

des Bundesstaates

Einigkeit besteht darüber, daß der Begriff des Bundesstaates i m Gegensatz zu dem des Staatenbundes entstanden ist und die Zueinanderordnung verschiedener Staatsgebilde zu einem Gesamtstaat meint 2 2 . Streitig sind dagegen die praktische Auswirkung dieser Definition und ihre Brauchbarkeit für ein Verständnis des GG. Ob der vom GG konzipierte Bundesstaat als ein dreigliedriger aus Gliedstaat, Zentralstaat und Bundesstaat bestehendes Staatsgebilde 28 oder als zweigliedrig 2 4 aufzufassen ist, w a r ebenso unklar wie die Frage, ob der Bund den Ländern über- 2 5 , neben- 2 8 oder untergeordnet ist. A u f diese Fragen braucht jedoch i n unserem Zusammenhang nicht näher eingegangen zu werden; es genügt festzustellen, daß das Bundesverfassungsgericht 27 und die herrschende Meinung 2 8 zugunsten eines zweigliedrigen Bundesstaates, bei dem der Bund den Ländern übergeordnet ist, entschieden haben. b) Die föderalistischen

Tendenzen des GG

aa) Die Länder als „souveräne Staaten"? Ungeklärt, aber für die organisatorischen Befugnisse des Bundes gegenüber den Ländern bedeutsam, ist es, wem i m Bundesstaat des GG die Souveränität zukommt. Teils nimmt man an, die Souveränität sei teilbar und stehe jeweils Bund und Ländern für die ihnen vom GG zugewiesenen Sachbereiche v o l l zu 2 9 , teils vertritt man die Ansicht, die Souveränität sei unteilbar und könne daher nur dem Bunde tatsächlich zustehen 80 . Während erstere Ansicht den Begriff der Souveränität als der potestas suprema, die begrifflich als allumfassende Gewalt nicht teilbar sein kann 8 1 , verkennt, scheint die zweite Ansicht nur schwer m i t der wider22

Vgl. Maunz-Dürig Art. 20 Rdn. 8. Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff; derselbe, Allgemeine Staatslehre 3. Teil 1956 S. 159—161; derselbe, Grundgedanken S. 36; ferner vgl. Schäfer N J W 1961 S. 1281 f. 24 Vgl. dazu das bei Schäfer N J W 1961 S. 1281 f. aufgeführte Schrifttum. 25 BVerfGE 1 S. 14 (15); Maunz-Dürig Art. 20 Rdn. 15. 26 BVerfGE 6 S. 309 (362); Rohwer-Kahlmann AöR 79 S. 208 (219); Gleichordnung nur auf Gebieten, die die Bundesverfassung nicht geregelt hat, BVerfG N J W 1961 S. 1453